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Full text of "Die Ethik des Judenthums"

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DIE 


ETHIK  DES  JUDENTUMS 


DARGESTELLT 


VON 


PROF.  DR   M.  LAZARUS 

ZWEITER  BAND 

AUS  DEM  HANDSCHRIFTLICHEN  NACHLASSE 
DES  VERFASSERS 

HERAUSGEGEBEN  VON 

J.  WINTER  und  AUG.  WÜNSCHE 


FRANKFURT  am  Main 

VERLAG  VON  J.  KAUFFMANN 

1911 


«'UPYRK4HT    1911    HV   J.    KAUPFMAN'N 

6 

b2Z5 



Ju 


MEINER  GELIEBTEN  GATTIN 


NAHIDA 


GEWIDMET. 


LAZARUS. 


2116156 


Vorwort  der  Herausgeber. 

Vor  mehreren  Jahren  wurde  mir,  dem  letztgenannten 
der  Herausgeber,  von  .Frau  Geh.  Regierungsrat  Prof. 
Dr.  Lazarus  das  Manuskript  zum  zweiten  Bande  der  „Ethik 
des  Judentums"  ihres  verstorbenen  Gemahls  zur  Yer- 
öfientlichung  übergeben. 

Dasselbe  bestand  aus  einem  großen  Konvolut  größerer 
oder  kleinerer  Blätter  und  Blättchen,  teils  mit  Tinte, 
teils  mit  Bleistift  geschrieben,  oft  recht  aphoristisch  ab- 
gefaßt, aber  doch  so,  daß  der  beabsichtigte  ethische 
Gedanke  immer  klar  vor  Augen  trat  und  es  nur  sehr 
weniger  Einschaltungswörtchen  bedurfte,  um  ihn  auch 
dem  nichtorientierten  Leser  verständlich  zu  machen.  Die 
erste  vorläufige  Sichtung  und  Ordnung  der  Blätter  und 
Blättchen  hatte  bereits  Frau  Geh.  Regierungsrat  Lazarus 
selbst  nach  dem,  dem  ersten  Bande  der  Ethik  am  Schlüsse 
beigegebenen  Inhaltsentwurf  getroffen,  welcher  die  beiden 
letzten  Abschnitte  des  Werkes  umspannt:  „Der  Weg  zur 
Sittlichkeit  OTT*)"  und  „Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit, 
welche  geschaffen  werden  soll  pW")",  von  denen  jeder 
sich  wieder  in   verschiedene  Kapitel  gliedert.     Um  aber 


VI  Vorwort  dei   tl>  musgeber. 

nur  einigermaßen   Anschluß  und  Zusammenhang   in  die 

Entwürfe  und  Skizzen  zu  bringen,  daß  sie  ein  lesbares 
Ganzes  bildeten,  das  nicht  nur  dem  Inhalte,  sondern  auch 
der  Forin  nach,  von  dem  ersten  Bande  nicht  allzusehr 
abstach,  blieb  noch  immer  viel  zu  tun  übrig.  Dabei 
gewann  ich  zugleich  die  Überzeugung,  daß  ich  mich  zur 
Veröffentlichung  des  Werkes  wegen  verschiedener  Sitten 
und  Gebräuche,  die  zum  jüdischen  Kultus  gehören  und 
deren  rechte  ethische  Bewertung  eine  durch  Geburt  und 
Erziehung  mit  ihnen  verwachsene  Autorität  erfordern, 
nutwendig  mit  einem  jüdischen  Gelehrten  verbinden  müsse. 
Als  dies  mir  zugestanden  wurde,  wandte  ich  mich  an 
meinen  Freund.  Herrn  Rabbiner  Dr.  J.  Winter,  welcher 
sich  auch  sofort  bereit  erklärte,  an  der  Herausgabe  sieh 
zu  beteiligen,  falls  ich  das  Manuskript  der  Veröffent- 
lichung für  wert  hielte  und  der  festen  Zuversicht  sei, 
daß  sich  die  Entwürfe  und  Notizen  zu  einem  übersicht- 
lichen Ganzen  zusammenfügen  ließen. 

Bei  unserer  Zusammenarbeit  im  Druck  sind  noch  aller- 
lei Veränderungen  getroffen  worden.  Manche  Stücke  sind 
durch  Versetzung  in  noch  strafferen  Zusammenhang  ge- 
kuiiiinen.  Vor  allem  sind  zahlreiche  Stellen,  die  von 
Lazarus  nur  Dach  dem  Standort  im  rabbinischen  Schrift- 
tum bezeichnet  waren,  von  ans  übersetzt  worden,  ohne 
daß    wir    uns    als     die    I   bei    ■  . ebneten.      Nicht 

3tellen  wiederum,  die  nur  itungsweise  n 

Anfangsworten  angeführt  waren,  haben  wir  ermittelt 


Vorwort  der  Herausgeber.  VII 

und  ausgeführt.  Neue  fügten  wir  illustrierend  hinzu.  Aller 
sonstigen  sachlichen  Einschaltungen  oder  Korrekturen  in 
der  philosophischen  und  kritischen  Beleuchtung  der 
ethischen  Begrifiswelt  des  Verfassers  aher  haben  wir  uns 
enthalten.  Das  Manuskript  war  uns  heilig.  Jeder  Gedanke 
mußte  nach  Inhalt  und  Form  so  auf  die  Nachwelt  kommen, 
wie  er  vom  Autor  auf  die  Zettel  hingeworfen  war.  Wir 
glaubten  sogar,  den  Standpunkt  des  Verfassers  auch  in 
solchen  Fragen  festhalten  und  scharf  hervortreten  lassen 
zu  müssen,  wo  der  eine  oder  andere  von  uns  im  Wider- 
spruche zu  ihnen  sich  befand. 

So  übergeben  wir  den  zweiten  Band  der  „Ethik  des 
Judentums"  der  Öffentlichkeit.  Er  ist  kein  Torso  im 
strengen  Sinne  des  Wortes,  wenn  wir  auch  gern  zuge- 
stehen, daß  durch  straffere  Zusammenarbeit  durch  den 
Autor  manche  Kapitel  ein  anderes  Gesicht  erhalten  haben 
würden.  Andererseits  würde  mancher  Punkt,  der  mit 
einer  bloßen  Andeutung  abgetan  ist,  ausführlicher  und 
tiefgründiger  behandelt  worden  sein.  Indessen  geben  wir 
uns  der  Überzeugung  hin,  daß  Lazarus,  wenn  er  unsere 
Arbeit  an  seinem  Werke  heute  sehen  könnte,  uns  seine 
Billigung  und  Zufriedenheit  aussprechen  würde.  Das 
gebildete  Judentum  wird  den  Abschluß  des  Werkes  sicher 
dankbar  begrüßen.  Insbesondere  wird  für  Rabbinen  und 
Lehrer  die  „Ethik  des  Judentums"  von  Lazarus  ein  gutes 
Repertorium  bleiben,  das  ihnen  manchen  Dienst  in  ihrem 
Amte  leisten  dürfte.    Schon  die  Sammlung  des  Materials 


VIII  Vorw  ort  der  Eer&uBge 

ist  verdienstvoll.  Es  ist  eiue  Fundgrube  für  ethische 
Erkenntnis  erschlossen.  Dafür  wird  auch  derjenige  Dank 
wissen,  der  das  Material  anders  wertet  als  der  Verfasser. 
Aber  auch  dem  vergleichenden  Religionsforscher  und 
Kulturhistoriker  wird  das  Werk  des  seligen  Lazarus  will- 
kommen sein,  da  es  ihm  den  Blick  in  die  ethische  Vor- 
stellungswelt des  Judentunis  auch  ohne  eigene  Kenntnis 
der  biblischen  und  rabbinischen  Quellen  ermöglicht. 

Der  Verlagshandlung  danken  die  Herausgeber  beson- 
ders dafür,  data  sie  bemüht  gewesen  ist,  den  zweiten  Bund 
in  derselben  vornehmen  Weise  wie  den  ersten  in  Druck, 
Papier  und  Ausstattung  ausgehen  zu  lassen. 

Dresden,  im  Januar  1911. 

J.  Winter  und  Aug.  Wünsche. 


Einleitung  und  Vorwort  des  Verfassers. 

Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes. 

Ein  deutsches  Sprichwort  sagt:  Wenn  der  Boden  zu 
fett  ist,  so  erstickt  die  Frucht;  das  war  die  Gefahr,  das 
Material  war  zu  reich.  Das  erklärt  am  besten,  weshalb 
so  lange  keine  „Ethik"  in  der  jüdischen  Literatur  zu- 
stande gekommen.  Auch  ich  war  zwei-  oder  dreimal 
nahe  daran,  die  Flinte  ins  Korn  zu  werfen.  Beachtet 
man  die  Form  der  Systematisierung,  so  zeigt  sich,  daß 
der  Gedankengang  der  Rabbinen  bald  die  Tugend,  bald 
die  Pflichten  lehrt,  bald  die  Yollkommenheitstheorien 
usw.  verfolgt. 

Man  ist  immer  in  Gefahr,  bei  der  Auffassung  eines 
gegebenen  Ideengehalts  von  der  Form  des  Vortrags,  von 
der  Rede-  und  Denkweise  des  Autors  abhängig  zu  sein; 
nur  derjenige,  welcher  geübt  ist,  den  Gedankenvortrag 
verschiedener  Völker  und  Zeiten  zu  beobachten,  wird 
dahin  gelangen,  den  eigentlichen,  inneren  Denkgehalt  zu 
erfassen,  ihn  aus  der  Hülle  der  Denkform  herauszuwickeln 
und  in  einer  geistig  allgemeinen,  gleichsam  menschheit- 
lichen Form  festzuhalten. 


X  Einleitung  und  V   i  >  vs. 

Die    jüdischen     Gelehrten     der    letzten    Jahrhunderte, 
welche  durch  Peio  und  Leid  häutiger  Verfolgung  zu  einer 
auch   geistigen  Abschliebuug  gleichsam  hingedrängt  wur- 
den,   konnten     deshalb    dein    hohen   und   reichen   Ideen- 
gehalt, der  in  den  tahniidischen  Aussprüchen  niedergelegt 
ist,  nur  selten  gerecht  werden.    Glücklicherweise  war  der 
alte   Geisl    der  rabbinischen  Sittenlehre   tief   genug   ge- 
wurzelt, zugleich  reine  Sitte  und  lautere  Gesinnung  genug 
befestigt,    daß    wenigstens    die    praktische    Ethik   kaum 
Schaden    erlitt;    aber    auch    theoretisch    war   trotz    aller 
Enge    und    Verkünstelung    des    Geistes   —  denn    der    in 
ier   Beschränktheit   dennoch  emsige  Geist  mußte  sich 
m.twendig  verkünsteln!  —  der  wirklich  erhabene    Ideen- 
gehalt  des   talmudischen  Schrifttum-   nicht  auszutreiben. 
Die   Et<  le  Über   diese  ethischen  Dinge,   über  die  Agada 
überhaupt,  war    meistens  abstrakt,  hohl,  an  eigentlichen 
Gedanken  unfruchtbar,  immer  nur  das  Allgemeinste  der 
1  igend,    Frömmigkeit  und  guten  Sitte  wiederholend,   in 
der    Form    entstellt,    bis    zur    Komik   verzerrt    worden; 
und   dennoch         und   dennoch    die    geradezu   erhabene 
l.  iiterkeil    der  Gesinnung,   die  Reinheit    und    der  Adel 
sittlich. T  [deen  der  alten  talmudisohen  Überlieferung  ist 
aus  dem  Munde  dieser  Stummen,  krausen  und  schnurrigen 
Redner  nicht  gewichen.    Für  ans  aber,  die  wir  ihre  Unzu- 
länglichkeit •  b  zu  deutlich  fühlen,  Bind  sie  wertlos! 
dem   Wiedererwachen  «  chaftlicher   Behand- 
lung   de    Judentui      ging  man    nur  historisch  und  lite- 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XI 

rarisch  zu  Werke,  daher  fehlte  die  Ethik.  Dieses  Werk 
ist  der  erste  Versuch  einer  wirklich  jüdischen  Ethik.  Die 
Idealität  des  Judentums  ist  eben  unverwüstlich. 

Nachdem  die  Prinzipien  überall  mit  Belegen  aus  deu 
Quellen  versehen  sind,  ist  es  in  diesem  Teile  —  um  ihn 
nicht  zu  sehr  anschwellen  zu  lassen  —  nicht  mehr  nötig, 
jedem  Gedanken  auch  spezielle  Zitate  hinzuzufügen.1 

Aufgabe. 

Die  Ethik  als  Wissenschaft  bringt  nichts  eigentlich 
und  wesentlich  Neues. 

Wehe  dem  Volke,  dem  die  Sittenlehre  der  Wissen- 
schaft mit  ihrem  Inhalt  ein  Neues  ist  und  ein  Neues 
bringt;  —  imd  wehe  der  ethischen  Wissenschaft,  welche 
als  ein  Erzeugnis  des  Einzelnen  nicht  aus  dem  Geiste 
der  Gesamtheit  geschöpft  ist;  sie  kann  die  Wahrheit 
suchen,  aber  nicht  finden,  sie  kann  sie  auch  nicht  im 
Gemüt  des  Volkes  bewähren  und  bewirken. 


1  Einerseils  war  es  unnötig-,  da  das  Detail  sich  aus  den 
Prinzipien  ergibt,  welche  als  echt  jüdische  im  1.  Teil  genügend 
nachgewiesen  sind;  sodann  aber,  weil  es  hier  oft  zu  umständlich 
war,  den  Nachweis  zu  führen  (der  ja  nur  ein  historisches  Interesse 
halle).  Denn  oft  sind  die  Gedanken  laisächlich  nicht  in  irgend 
einem  Überlieferlen  Salze  oder  einer  einzigen  Überlieferlen  Tatsache 
enthalten,  sondern  man  müßte  als  die  wirkliche  Quelle  derselben 
eine  ganze  Anzahl  von  Sätzen  kombinieren,  in  denen  der  Gehalt 
nur  wie  ein  belebendes  Fluidum  herrschend  ist.  Man  braucht 
nicht  jede  lalmudische  Anekdote,  jeden  überlieferten  Brauch  usw. 
zu  zitieren,  aus  denen  die  Darstellung  der  EÜiik  Weisung  empfängt. 


\II  Ihtleitang  and  Vorwort  dei  Verfanen, 

GrolJe  problematische  Frage. 

[mmer  werden  Urteile  gefällt  über  einzelne  Handlungen 
des  Einzelnen  im  ein/einen  Moment:  dagegen  auch  über 
den  ganzen  Menschen,  über  einen  Stand,  ein  Volk, 
eine  Geschichtsepoche  usw. 

Die  Begriffe  von  der  Zusammensetzung  des  All- 
gemeinen aus  dem  Besonderen,  und  von  dem  EinllulJ 
des  Allgemeinen  auf  das  Besondere  Bind  noch  sehr  un- 
klar;  bald   wird   das  eine,  bald  das  andere  betont. 

Es  war  nicht  meine  Aufgabe,  alle  Stellen  aus  den 
rabbinischen  Schriften,  welche  einen  ethischen  Gedanken 
>ia r~ teilen  oder  andeuten,  auch  in  diesem  Werke  zu 
zitieren.  War  irgendeine  Lehre  als  im  öffentlichen  Geist- 
des  Judentums  and  auch  in  einer  besonderen  Schrift- 
quelle vorhanden  nachgewiesen,  so  durfte  ich  nicht  blolj, 
ich  maßte  oft  auf  Anführung  von  anderen  verzichten. 
Nicht  jeder  findet  in  einem  überlieferten  Satze  dasselbe, 
ein  anderer  darin  limlet.  Können  also  die  Kritiker 
für  einen  hier  vorgetragenen  Gedanken  noch  andere 
Stellen  zitieren,  so  soll  es  mich  freuen,  wenn  sie  ihre 
Leser  damit  bekannt  machen  Die  Wirkung  ine 
Buches   wird    dadurch   nur   befördert   und   nicht   herab- 

:zt. 
I»'     8<  blufi  aber.  dafl  eine  Stelle  mir.  weil  ich  sie  nicht 
gefuhrt,  auch  nicht  bekannt  gl  I  in  den  meisten 

Fehlschluß.    Ea  ist  au<  l>  durchaus  nicht  immer 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XIII 

die  Rücksicht,  den  Umfang  des  Buches  nicht  allzusehr 
anschwellen  zu  lassen;  in  vielen  Fällen  hat  meine  Be- 
schränkung einen  inneren  wissenschaftlichen  Grund.  Der 
Eifer  mancher  Kritiker,  alles,  was  sie  über  eine  Frage 
wissen,  an  den  Mann  zu  bringen,  hat  oft  meiner  Zurück- 
haltung ein  günstiges  Zeugnis  ausgestellt.  Die  Sache 
wäre  kaum  der  Rede  wert,  wenn  sich  daran  nicht  die 
Frage  knüpfte,  wie  es  denn  mit  den  Stellen  sich  verhält, 
welche  eine  von  der  hier  vorgetragenen  Ansicht  ab- 
weichende enthalten?  Zunächst  verweise  ich  auf  §  46 
und  56—60  des  I.  Bandes;  sodann:  dies  ist  eben  meine 
Meinung  und  ich  glaube  nicht  zu  viel  zu  sagen,  wenn 
ich  für  die  meisten  Fälle  hinzufüge:  dies  ist  eben  unsere 
heutige  Meinung!  — 

Sowie  ich  (bisher)  wegen  des  Forschens  (himmlischen) 
Lohn  empfing,  so  werde  ich  auch  wegen  des  Unterlassens 
Lohn  empfangen.     (Pesach.  22 b.) 

Dies  Buch  ist  kein  apologetisches.  Nichts  ist  von 
Apologie  darin!  Gewiß  werden  wir  angegriffen;  man  griff 
der  Juden  und  auch  des  Judentums  Ehre  an.  Die  Juden 
mögen  sich  verteidigen.  Das  Judentum  braucht  keine 
Verteidigung.  Aus  der  Willkür  des  Angriffs  folgt  nicht 
die  Notwendigkeit  der  Verteidigung.  Und  nicht  bloß 
willkürlich,  sondern  aus  Unwissenheit  töricht,  oder  aus 
Bosheit  ungerecht  sind  alle  diese  Angriffe. 

Die  Systeme  —  die  nationalen  und  die  wissenschaft- 
lichen sind  bekannt. 


XI  V  .leituug  und  Vorwort  des  Verfassers. 

Man  kann  Bie  Bchätzen  Dach  der  Form  oder  nach  dem 
Inhalt 

Nach  dem  Inhalt  steht  keines  höher  als  das  Juden- 
tum; Begründung,  Ziel,  Weg  und  Gestaltung  /der  Einsei- 
person und  der  Verbände).  Was  ich  von  Plato  und 
Aristoteles,  von  Kant  und  Herbart  und  auch  Sohleier- 
macher  aus  seinem  wundersamen  Buch''  Kritik  der  Bitten- 
lehre gelernt,  ist  den  Talmud  Lehren,  ihn  deuten  und  be- 
greifen, verstehen  und  würdigen,  d.  h.  das  darin  zu  rinden. 

-  wirklich  darin  liegt  und  nur  wegen  seiner  uns  mo- 
dernen Menschen  fernliegenden  Denk-  und  Redeform 
nicht  sofort  erkennbar  ist.  Man  übertreibt  nicht,  wenn 
mau  sagt,  wir  vorstehen  heute  den  Plato.  so  wie  ihn  nie 
ein  Grieche  verstanden,  ja  wie  er  sich  selbst  nicht  ver- 
standen. Kein  Wunder!  Alle  anderen  Gedanken  sind 
Hüten  zum  wahren,  vollen  Verständnis,  zur  Vergleichung 
USW.  i>as  ist  der  charakteristische  Vorzug  des  wahr- 
haft Tiefen,  daß  es  wächst  durch  das  Wachstum  der 
Empfänger. 

Wie  mancher  Rabbi  des  Talmuds  hat  einen  kurzen 
»Spruch  hing)  d,    neileicht   mitten  in  der  Diskus- 

lion;  aber  weil  er  aua  dem  t^uoll  der  ethischen  Substanz 
chöpfl  ist.  birgt  er  m  sich  eine  nie  vei  l<  Keim- 

kraft. Werden  wir  Menschen  in  ethischer  Klarheit  und 
11  teil    fortschreiten,  so   wird    man   auch  aus  Bibel  und 

Talmud    immer    mehr    Lernen,    immer    mehr  keimkräftigo 
tkörner  in  ihnen  linden. 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XV 

Ich  verlange  nicht  Nachsicht:  aber  etwas  Geduld, 
etwas  Sanftmut  und  ein  freundliches  Entgegenkommen 
gegen  die  Gedanken,  die  geboten  werden.  Und  von 
meinen  Glaubensgenossen  weiter  nichts  und  nichts  weiter 
fordere  ich,  als  daß  sie  gerecht,  wahrhaft  redlich,  von 
Herzen  gerecht  sein  sollen. 

Weil  in  den  europäischen  Kulturvölkern  eine  gewisse 
Gemeinschaft  und  Gleichartigkeit  wenigstens  der  sittlichen 
Ideale  vorhanden  ist,  meinen  wohl  viele,  daß  es  einer  be- 
sonderen Ethik  des  Judentums  nicht  bedarf,  sie  sei  in 
der  Ethik  des  europäischen  Kulturlebens  auf-  und  unter- 
gegangen. Aber  das  Judentum  ist  da,  es  ist  eine  leben- 
dige Tatsache,  und  der  Kern  dieser  Tatsache  ist  die 
Ethik  des  Judentums.  Das  Grundmotiv  der  jüdischen 
Ethik  ist  —  vergleicht  man  es  mit  dem  der  antiken 
Völker  —  ein  anderes,  ein  eigenes.  Wie  es  mit  den 
modernen  Völkern,  welche  ihre  Weltanschauung  durch 
Vermittlung  des  Christentums  gebildet  haben,  steht,  das 
zu  untersuchen  ist  unsere  Sache  nicht.  Die  Ethik  des 
Judentums  wendet  sich  an  seine  Bekenner;  ob  auch  an- 
dere daraus  lernen  können,  lernen  sollen,  kann  sie  selbst 
nicht  entscheiden. 

Alle  religiös  dogmatischen  Vorstellungen  müssen  hier 
fern  bleiben;  von  den  Wegen  der  Vorsehung  reden  die 
Menschen  gern,  aber  wer  darf  sagen,  daß  er  sie  kennt? 
Nur  als  eine  Tatsache  ist  der  Bestand  des  Judentums 
anzuerkennen,   eine   unleugbare,    und  darum  gewiß  nicht 


XVI  i   i '••■   ing  und  V  »rwoTt  du  Verfaaien 

bedeutungslose    Tatsache       Was    sie    für    die    anderen 
Stämme    der   menschlichen   Familie   bedeutet,    kann   die 
Ethik  des  Judentums  Dicht  bestimmen. 
Aber   in   ihrer  Eigenart    muß   Bie   dargestellt   werden. 

W'.im    die  Ethik    des  . Judentums    ihre  Stimme  erhebt, 

geschieht   es  allen   zu  lieh,   aber  niemandem  zu  leid. 

Nicht  die  Erkenntnis  des  Besseren  im  Vergleich,  sondern 

die    Erkenntnis    des    wahrhaft    (inten    bat   die    Ethik    zu 

suchen. 

])as  Judentum  hat,  nachdem  es  den  Monotheismus 
begründet  und  die  Welt  dadurch  erleuchtet  hat.  sich 
Dicht  mehr  mit  der  Vergleichung  befaßt;  kaum  in  den 
apologetischen  Schritten,  sonst  aber  nirgends  in  seiner 
Literatur  hat  es  mit  der  Prüfung  der  anderen  sich  be- 
schäftigt. 

Wie  jede  Schule,  jede  Religion,  jedes  Volk,  hält  das 
.Judentum  seine  eigenen  Ideale  für  die  wahren;  das  ist 
sein  Recht  und  seine  Pflicht.  Die  Geschichte  ist  der 
Zuchtmeister,  welcher  die  Juden  vor  jeder  L'berhebung 
geschützt  hat.  Bs  hält  sich  nicht  für  den  „Prediger  in 
•ler  Wüste",1   noch   für  die  „Weisheit,   die   in   den  Gassen 

predigt"*;  aber  seine  Bekennerruft  es  auf:  mite  ro?J1  id1?  8, 

und  das  ist  da-  Lieht  sittlicher  Weltanschauung,  das 
Licht,  welches  da^  Getriebe  des  Lehens,  den  Weltlauf 
beleuchtet,   und    das  Licht   nicht    blofi   von    Finsternis, 

'  Doreii  bische  Abteilung  in  Jes    if|      entstanden. 

*   Pmv.   1 ,  20.  3   Je».  2,  6. 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XVII 

sondern  auch  von  Dämmerung  und  Schatten  und  dem 
blassen  Schein   und  falschen  Glanz  unterscheiden  lehrt. 

Der  Bearbeiter  einer  Ethik  befindet  sich  gegenüber  einem 
der  großen  Probleme:  1)  er  soll  originell  sein  und  doch  nicht 
Neues  lehren,  2)  er  soll  individuell  sein  und  soll  doch 
das  Allgemeine  lehren,  3)  er  wird  notwendig  subjektiv  sein 
und  soll  doch  die  objektive  Sittenlehre  darstellen. 

Wie  diese  drei  Formen  des  Problems  zusammenhängen 
und  ineinander  übergehen,  soll  hier  nicht  erörtert  werden. 
Dagegen  ist  hervorzuheben,  daß  sie  alle  sich  verschärfen, 
wenn  es  gilt,  nicht  sowohl  eine  freie,  philosophische 
Ethik  zu  schaffen,  sondern  die  tatsächliche,  mit  ihrem 
Inhalt  vorhandene  einer  Schule,  einer  Zeit,  eines  Volkes, 
einer  Religion  darzustellen.  —  Form  und  Inhalt  —  Vor- 
schrift und  Begründung  (diese  kann  in  einer  objektiv 
gegebenen  Ethik  ganz  fehlen  — )  —  Fortbildung  im 
objektiven  Geist  und  aus  objektiven  Motiven  sogar  nach 
(vorbildlich  aus  früheren  Zeiten)  gegebener  Methode  in 
subjektiver  Gedankenarbeit  zu  vollziehen. 

Für  die  Systematisierung  und  für  die  Begründung  sind 
in  der  jüdischen  Literatur  wenige  und  noch  weniger  gute 
Vorbilder  vorhanden.  —  System,  immer  nur  Anfänge, 
immer  wieder  verlassen,  Unterbrechungen!  —  Der  Grund 
für  diese  Erscheinung  liegt  klar  auf  der  Hand.  Be- 
gründung: Wenn  ein  STDTD  oder  p^Dlina  den  Geist 
befriedigt,  wird  er  nach  Gründen  nicht  lange  suchen  .  .  . 
Dazu  kommt,  daß  Beispiele  der  Alexandriner,  später  des 


Will  tleitang  und  Vorwort  de«  Verfassen. 

Maimonides  abschreckend  gewirkt  hatten.  Die  allegorische 
ümdeutung  »1er  in  der  Schrift  erzählten  Tatsachen  hatte 
die  greifbaren,  festen  Körper  der  Erzählung  in  unsicht- 
bare Gasformen   gewandelt;   mochte   der   philosophische 

Chemiker  immerhin  die  Identität  der  Stoße  behaupten, 
für  das  schlichte  Bewußtsein  waren  die  Körper  ver- 
schwunden, zu  nichts  geworden.  Das  macht  die  Polemik 
begreiflich,  BOgar  entschuldbar. 

1  >ie  Begründung,  Ableitung  aber  war  meist  nicht  ethisch, 
sondern  metaphysisch.  Das  philosophische  Denken  hatte 
das  Ethische  nicht  in  sich  selbst  vertieft,  sondern  in 
fremde  Tiefen  abgelenkt  und  versenkt.  So  bei  Bachja 
in  die  Mystik,  welche  eine  allzu  aristokratische  Ethik 
zur  notwendigen  Folge  hatte. 

Die  Ethik  des  Judentums  ist  keine  Güterlehre.  Nicht 
welche  Güter  erworben  werden  sollen,  lehrt  sie.  Die 
Schöpfung  von  Gütern  ist  Sache  der  Technik  des  Lebens; 
die  Ethik  aber  lehrt,  wie  der  Mensch  gut  sein  und  wie 
.  r  L'ut  handeln  soll;  also  Gesinnungen  und  Tugenden 
und    Pflichten  und   Handlungen. 

Wohl  gilt  das  Leben  selbst  als  ein  (!ut.  und  deshalb 
auch  /ur  Steigern]  elben,  also  zur  Ener 

V*erf(  inerung,  Zierde  und  zum  GenuL  desselben  dient. 
A.D6I  alle  Güter  sind  nur  Erfolge  des  sittlichen  Lebens, 
nicht  Zieh-  desselben. 

li    der    religiösen    Wendung    sind    alle    Güter    ein- 

alieulich  des  Lebens  selbst  Gaben  Gottes,  welche  dem 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XIX 

Menschen  aus  der  Gnade  Gottes  oder  aus  der  Gerech- 
tigkeit Gottes  als  sein  Verdienst  zukommen.  Nach  der 
ethischen  Wendung  aber  sind  alle  Güter  nur  Bedingun- 
gen, Mittel  und  Gelegenheiten  zu  sittlichem  Tun,  das 
heißt  zu  dem,  was  sittlich  gut  ist. 

Bisher  wurde  die  Ethik  meist  —  nach  dem  Vorgang  der 
Alten  —  entweder  als  Tugend-  oder  als  Pflichten-  oder 
als  Güterlehre  dargestellt;  hier  aber  finden  wir  sowohl 
die  Tugend-  als  die  Pflichtenlehre.  Die  Güterlehre  frei- 
lich ist  in  der  jüdischen  Sittenlehre  nicht  bearbeitet; 
daß  sie  dem  innersten  Prinzip  derselben  widerstrebt,  ist 
im  ersten  Teile  gezeigt.  Daher  aber  erscheint  hier  als 
neue  Form  die  Lehre  von  der  Gestaltung  der  Sittlich- 
keit im  wirklichen  Leben  und  in  den  Beziehungen  der 
Menschen  zueinander,  welche  unter  der  Führung  der 
Idee  zu  sittlichen  Instituten  ausgeprägt  werden. 

Die  Realisierung  eines  sittlichen  Ideals  ist  von  Um- 
ständen und  Bedingungen  abhängig,  unter  denen  sie  erst 
stattfinden  kann.  Die  Gestaltung  dieser  Umstände  und 
die  Erfüllung  dieser  Bedingungen  ist  also  der  zuerst 
notwendige  Schritt  zur  Verwirklichung  des  Ideals  oder 
des  sittlichen  Zweckes.  Die  wichtigste  Bedingung  ist 
eine  gewisse  geistige  Entwicklung  des  Menschen;  diese 
bildet  also  die  nächste  sittliche  Aufgabe.  — 

Aus  dem  Inhaltsentwurf  des  zweiten  Bandes  kann  man 

auch  jetzt  schon  sehen,   welch  einen  Reichtum  ethischer 

Bestimmungen   ich    aus    den    Quellen    schöpfen    konnte. 

b* 


XX  Einleitung  und   ' 


Individuuin   und  Individualität. 

Der  Wer!  des  Individuums  (und  der  Individualität)  steigt 
in  dem  Maße,  als  es  fähig  ist,  für  die  Gesamtheit  und  in 
der  Gesamtheit  —  als  schöpferisches  (Ilied  derselben  —  zu 
wirken.  Auch  die  Momentalität,  die  Vereinzelung  der  indi- 
viduellen Aktion,  soll  überwunden  werden;  das  Leben  soll 
ein  Ganzes  bilden.  Je  reicher  das  Momentane,  desto  wert- 
voller Umbildung  zu  einem  Ganzen.     Beilig  heißt 
beides :  Ganz  sein  und  mit  anderen  vereinigl  sein.  Heilig  oder 
gottähnlich  Bollen  die  Individuen  werden,  indem  sie  immer 
mehr  aufhören,  vereinzelte   und    in   Momente  te    In- 
dividuen zu  sein.    Gott  ist  absolut  ganz  und  absolut  eins. 
Ilen  jeder  ganz  werd<  aund  sich  vereinigen,  und  auch 
Vereinigung  -"!l  wiederum  ganz  werden,  d.h.  zweck- 
voll                         mmi  n  ein   <  Ganzes   ausmachend ,  plan- 

mal  Q       •mtleben    führend.      Dir   sit tlirln-n    I <  1  •  •  1 1 

md  Formen,  Mut'],  aufsteigende  Zustände  der  Vereini- 
.  7.  Kapitel. 
.1  Ine    sittliche   Handlung,    jeder  Akt    ist    ein 

Beil  S    löpfung  der  Einheit  —    Gerechtigkeit  und 

Wohlwollen,  Eingebung,  Liebe.  —  Die  historische  Kon- 
tinuität  lies  Geistes  macht  aus  einem  Volke  eine   fort- 
le  Einheit.    Von  dem  Einzelnen,  der  dabin  geht 
im  i  iit  mehr  wirkt,  aber  an  seiner  Stelle  gewirkt 

•     vcy  bx  *)DM1     Unkt    ab.  i   rin   [ndiyiduum 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXI 

noch  weiter,  sein  Werk,  seine  Gedanken,  seine  Ge- 
sinnung als  Vorbild  usw.,  so  lebt  er  eben  aktiv  fort, 
schafft  weiter  an  der  Einheit,  Kontinuität.  Also  N.  N. 
lebt  in  meinem  Geiste.  Daraus  entsteht  das  Ideal: 
Alle  sollen  in  Allen  fortleben. 

Ebenso  naiv  und  populär:  dem  Verstorbenen  ein  liebe- 
volles Andenken  bewahren.  Als  Prinzip  gedacht:  das 
Fortleben  des  Vergangenen  lebendig  erhalten;  sich  mit 
dem  Vergangenen,  das  Vergangene  mit  sich  vereinigt  er- 
halten; von  der  Endlichkeit  zur  Unendlichkeit  aufsteigen. 
Das  Andenken  Abrahams,  Moses  usw.  wird  solange  dauern, 
ihr  Wesen  wird  wirken,  solange  es  Juden,  solange  es 
Menschen  auf  der  Erde  gibt. 

Wenn  einst  in  Allen  ein  Gedanke  lebt,  wenn  es  ihr 
ganzes  Leben  durchdringt,  alle  vereinigt  usw.,  dann  ist 
das  ethische  Ideal  erfüllt.  Aber  der  Inhalt  ist  unend- 
lich. Die  Vorsehung  wird  schon  für  immer  weitere 
Fortschritte  sorgen,  von  denen  wir  ebenso  keine  Ahnung 
haben,  wie  ein  Mensch  von  vor  3000  Jahren  keine  Ahnung 
von  unserem  Denken  haben  konnte. 

Das  K\T  D^ötJO  üb  *  sichert  dem  Menschen  seine  schöpfe- 
rische Tätigkeit  und  Selbständigkeit. 

In  der  Form  des  höchsten,  des  göttlichen  Humors  wird 
der  Gedanke  vorgeführt.  Humor  ist  die  Einheit  des  Er- 
habenen   und  des   Komischen,  des  Unendlichen  und  des 


1   Deuter.   30,  12. 


XXII  Einleitung  and  Vorwort  des  \  ra. 

Endlichen,  oder  Jos  unendlich  Großen  und  unendlich 
Kleinen,  Gott  lacht,  das  ist  der  Humor,  und  worüber 
<i3  ,:,--j:.  Eliezer,  das  Prinzip  der  Tradition,  des  ob- 
jektiven Gehalt-  der  Idee,  die.  weil  sie  Wahrheit,  als  un- 
veränderlich erscheint,  wird  durch  Josua  besiegt,  durch 
Josua,  der  nicht  Tradition,  Bondem  Grund-  verlangt; 
«Tl  raift  fc6,  d.  h.  selbsttätige,  schöpferische  Bewegung 
des  G  Die   Idee,   weil  sie    ewige    Wahrheit,   ißt 

ewige  Entwicklung.  Den  Menschen  ist  gegeben,  daß  die 
Entwicklung  der  [dee  persönlich  in  ihm  vollzogen  wird. 
Die  Idee  wird  Person  und  die  Person  ideal.  Besonders 
im  Göttlichen  wird  der  Mensch  *)nW.  Bei  der  ferneren, 
zarteren,  edleren  Bittlich«  d  Lebensgestaltung  ist  2bb  niDö 
vorhanden;  aber  dabei  heißt  es  gerade:  WW,  er  muß  sich 
hüten,  der  objektiven  Idee  gerecht  zu  werden,  ihr  treu 
zu  folgen,  nicht  in  Subjektivität  auszuarten, 

Josua  ist  so  konservativ  wie  Eliezer;  ist  er  doch  in 
dem  Spezialfall,  der  den  Anlaß  zur  Kontroverse  gibt, 
bei  dem  fataleo  Achnaiofen  der  Vertreter  der  eren 

Ghott  lacht  Das  Endliche  hat  gesiegt.  Wodurch? 
Weil  es,  von  den  en-Idealen   erfüllt,   da     unend- 

liche   ganz    in    sich    B  nun' n    hat.      Deshalb    Lsl 

Lbstschöpferisch  geworden.  Gott 
lacht     I1       '    wlute   hat   Beineu  Zweck,   dai   Endli 
durch  die  objektive  [dee  emporzuheben,  DSTiBOri  K'n  o2, 

1    I  -    Aiii.i!  2   Di  Uta     1,  «. 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXIII 

so  vollständig  erreicht,  daß  nunmehr  das  Endliche  selbst- 
ständig geworden  ist. 

Umstellung    der   auf  Psychologie   zu    gründenden 
Aufgabe  der  ethischen  Ausbildung  des  Menschen. 

Die  Psychologie  als  eigentliche  Wissenschaft  im  mo- 
dernen Sinne  ist  ein  Kind  des  neunzehnten  Jahrhunderts. 
Aber  an  psychologischen  Theorien  hat  es  keiner  Epoche 
menschlicher,  veredelter  Kultur  gefehlt;  meist  gegen  den 
Schluß  einer  solchen  drängt  sie  sich  als  Aufgabe  auf. 
Bei  den  Griechen  stellt  sie  sich  in  der  Zeit  ein,  welche 
zwar  die  höchste  Blüte  bezeichnet,  aber  schon  die  ersten 
Zeichen  des  Abstiegs  erkennen  läßt.  Sokrates  im  Kampfe 
gegen  die  Sophistik  wird  zum  ersten  Anreger  der  Psycho- 
logie, und  Aristoteles  ist  ihr  erster  Systematiker. 

Die  theoretische  Psychologie  der  Rabbinen  steht  auf 
einer  niedrigen  Stufe,  dahingegen  die  praktische  Psycho- 
logie, das  Sammeln  und  Festhalten  der  Erfahrung  und 
ihre  Verwertung  für  positive  Vorschriften  für  den  gedeih- 
lichsten Fortschritt,  steht  in  hoher  Blüte ;  an  ihr  arbeiten 
Tausende  mit  Eifer;  es  ist  ihr  wichtigstes  Anliegen. 

Statistik  der  religiösen  und  ethischen  Vorschrift  und 
der  psychologischen  Anleitung  und  Erfahrung  in  Aboth! 
Wir  dürfen  den  Schein,  als  ob  wir  moderne  Gedanken 
in  den  Geist  der  früheren,  besonders  der  talmudischen 
Zeiten  hineintragen,  nicht  scheuen.  In  Wahrheit  handelt 
es  sich,  den  Gehalt,   der  in  der  Seele  jener  Männer  ge- 


\\IV  and  Vorwort  des  \ 

lebt  und  gewirkt  hat,  genauer  zu  erkennen,  und  dazu 
bedürfen  wir  der  modernen  wissenschaftlichen  B<  jriffe. 
Wir   müssen   nur  gewissenhaft  greifen,   was  wirklich  im 

äte  der  Rabbinen  als  Lebendiger  Gedanke  vorhanden 
war;   wag   Bie     i  Lbs1    psychologisch  wissenschaftlich  dar- 

gen,  zu  realisieren  nicht  ?ermocht  hatten,  müssen  wir 
zur  Anschauung  bringen.  Die  Ansichten  di  a  BCaimonides 
sind  seinen  Zeitgenossen  notwendig  anch  als  moderne  im 
Vergleich  zu  Talmud  und  Midrasch  erschienen;  er  aber 
war   wenigstens   bestrebt,   den    rabbinischen    Gedankt 

ialt,  wenngleich  mit  Hilfe  des  Aristoteles,  zn  reprodu- 
zieren.   Aber  auch  die  Beroen  des  Talmuds,  dir  Tanna- 

r  Denkweisen  und  Redewendungen, 
welche  im  Vergleich  zu  den  Lehren  der  Thora  und  den 
Aussprüchen  der  Propheten  als  moderne  gelten  muül 
B  rerh&lt  Bich  damit  ganz  ähnlich,  -wie  mit  den  ana- 
lytischen Begriffen  moderner  Wi  haften.  II  naer 
ist  kein  Grammatil  ate  keine  grammatischen 
Kategorien  und  Begriffe  von  grammatischen  Gi  etzen; 
in  ,  i,  te  aber  wirkt  die  grammatisohe  Gesetz- 
lichkeil als  leitende  ideale  Triebkraft,  die  grammatischen 
ind  in  seinem  Geiste  in  ihrer  Anwendung  reali- 
siert In  S  »kies  und  den  anderen  klassischen  Dichtern 
wirkend]  G  •  Sie  schaffen  ihre  Werke 
in  Übereinstimmung  mit  und  nach  der  Norm  dieser  Gi 

.  vc  oichl  in  abstrakter  Form. 
i  ■   BreAufg  es,  diese  Gesetze  zu  erk<         and  ais  in 


Zur  Geschichte  de3  zweiten  Bandes.  XXV 

ihrem  Geiste  gegeben  und  wirksam  nachzuweisen.  Sokrates 
wird  als  der  Erste  danach  getrachtet  haben,  diese  Gesetze 
als  die  schöpferischen  Triebkräfte,  als  das,  was  den  Grund 
der  positiven  Tätigkeit  ausmacht,  zu  erfassen,  und  er  ist 
erstaunt,  —  wir  sind  es  nicht  mehr!  —  daß  die  Künstler 
selbst  es  nicht  wissen,  daß  sie  das,  was  doch  in  ihnen  lebt 
und  wirkt,  nicht  erkennen,  nicht  anzugeben  und  auszu- 
sprechen wissen. 

Ebenso  nun  verhält  es  sich  mit  der  psychologischen 
Anschauung  der  Eabbinen.  Abgesehen  davon,  daß  sie 
weitaus  überwiegend  empirisch  ist,  so  werden  die  Er- 
fahrungen sehr  selten  in  abstrakten  Sätzen  ausgesprochen; 
dagegen  werden  Vorschriften  für  das  gedeihliche  und  erfolg- 
reiche Verhalten  gegeben,  welche  auf  jene  zwar  erkannten, 
aber  selten  ausgesprochenen  Erfahrungen  gegründet  sind. 

Also  nur  die  praktische,  auf  das  Leben  angewandte 
Ps},chologie  begegnet  uns  in  den  Aussprüchen  der 
Rabbini-n;  aber  man  kann  die  Erfahrungssätze,  worauf 
sie  gegründet  sind,  zweifellos  darin  wiedererkennen.  Eine 
andere  lehrreiche  —  unserem  Gebiete  besonders  nahe- 
liegende —  Analogie  bietet  alle  Erziehungstätigkeit. 
Jeder  pädagogischen  Regel  oder  Übung  auch  der  ein- 
fachsten Menschen,  einer  Mutter,  eines  Erziehers,  liegt 
eine  psychologische  Anschauung  zugrunde.  Diese  kommt 
für  sich  allein,  abgezogen  (abstrakt),  nicht  zum  Bewußt- 
sein; aber  sie  ist  vorhanden  und  wirksam  (wenn  sie  nicht 
bloß  schlechtweg  ererbt,  angelernt  ist;  in  welchem  Falle 


XXVI  Einleitung  and  Vorwort  des  Verfassers. 

aber  wiederum  der  psychologische  Gedanke  im  Urheber 
der  pädagogischen  Regel  zu  Bachen  ist).  Jede  päda- 
gogische Kegel  bedeutet  zugleich  eine  psychologische  An- 
sicht, nur  daß  diese  allein  in  ihrem  Erfolge,  aber  nicht 
im  eigenen  Bestand».'  erkennbar  wird. 

Bei  zwei  verschiedenen  Völkern  also,  oder  in  zwei 
historischen  Epochen  desselben  Volkes  können  die  theo- 
retischen Darstellungen  psychologischer  Ansichten  voll- 
kommen fehlen;  aber  in  dem  einen  fehlt  es  in  der  Tat 
an  dem  psychologischen  <J ehalt,  an  den  Ansichten  und 
Gedanken  psychologischer  Art,  in  dem  andern  aber  sind 
sie  reichlich  in  mannigfacher  Weise  (vorzüglich  in  Päda- 
gogik und  Kthik)  vorhanden,  nur  daß  sie  nicht  abstrakt 
zu  Bewußtsein  kommen. 

Zuweilen  gelangt  auch  der  psychologische  Inhalt  aoeh 
einen   Schritt    weiter.      Zwar    fehlt     es    noch    gänzlich    an 

ausdrücklichen    und    abstrakten    psychologischen    Lehr« 

tzen;  aber  eine  bedeutsame  psychologische  Erfahrung 
wird   Lebendig   erfaßt:  es   wird  ein   innerer   Vorgang   in 

pi  ifender   poetischer  (manchmal   allegorischer)  Form 

■  ■  t.    Hier  ist  wahre,  tiefe  Psycho)         vorhanden, 

nur   dafi  sie  der  analytischen  Denkform  und  Redeweise 

entbehrt,  um  als  ein  Glied  in  der  Kette  eines  modernen 

chologischen  Systems  eingereiht  zu  werden.  Im  vierten 
K  ipitel    des    lliob    ist    eine   unsäglich   feine    und   tiefe 

lilderung  über  den  Ursprung,  da  Werden  und  die 
Entwicklung  unserer  Ideen  enthalten. 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXVII 

Der  Dichter  hat  einen  großen,  gewaltigen,  die  ganze 
ethische  Welt  durchdringenden  Gedanken  erfaßt,  aber 
er  will  uns  auch  sagen,  wie  er  zu  dem  Gedanken  ge- 
kommen, oder  vielmehr,  wie  ihm  zumute  war,  als  der 
Gedanke  in  ihm  aufleuchtete. 

Man  kann  ohne  Übertreibung  sagen,  daß  alle  unsere 
theoretische  Erkenntnis  über  die  Entstehung  und  Ent- 
deckung unserer  Gedanken  dieser  Schilderung  nichts  von 
ihrer  poetischen  Schönheit,  aber  auch  nichts  von  ihrer 
zugrunde  liegenden  Wahrheit  raubt.  (Vgl.  Leben  der 
Seele:  „Genius.") 

Religion  und  Spekulation. 

Jede  Theologie  umfaßt  einerseits  eine  Religion  und 
andererseits  eine  philosophische  Spekulation.  Die  von 
Gefühlen  begleiteten,  infolge  von  Gefühlen  entstandenen 
und  ausgestalteten  Ideen  bilden  die  Religion;  die  ent- 
wickelten Begriffe  von  der  Welt,  von  Gott  und  den  Be- 
ziehungen beider  zu  einander  bilden  den  spekulativen  Ge- 
halt, welcher  auch  an  sich  ohne  seine  psychologische 
Wirkung  auf  die  Personen,  in  deren  Geist  er  lebt,  be- 
trachtet und  dargestellt  werden  kann. 

Mit  anderen,  den  psychologischen  Tatsachen  noch  ge- 
nauer entsprechenden  Worten  kann  man  sagen:  In  dem 
durch  das  Erfassen  des  Unendlichen  erregten  Gemüt 
offenbart  sich  die  Religion;  die  Darstellung  aber  des  in 
einer  Religion  werdenden  und  webenden  Gedankenkreises 


XXVI II  Einleitung  and  V  les  Verfus« 

ist  ihre  Philosophie.  Dieser  philosophische  Gebalt,  in 
aktiver,  geistiger  Arbeit  enthalten,  kann  auf  die  Religion 
und  ihre  weitere  Entwicklung  zurückwirken,  oder  sich 
von  :ben  ablösen  und  selbständige  Existenz  gewinnen, 

zu    einem    reinen    Werke   der    Vernunft   >ich    gestalten. 
rotere  hat  bei  den  Juden  immer,  bei  den  Griechen 
ls  mit  Erfolg  stattgefunden;  das  Letztere  uin- 
•  Int   ist   bei  den   griechischen  Denkern   überall,  bei 
den   jüdischen    äußerst    selten    vorgekommen.      Auch    in 
Maimonides  Führer,  in  Albos  Grundsätzen,   in  Mendels- 
sohns Morgenstunden   arbeitet  die   reine  Vernunft   unter 
dem  Einfluß  des  Gemüts.    Vielleicht  macht  Spinoza  eine 
Au  nähme?    Nach  meiner  psychologischen  Ansicht  auch 
dieser    nicht;    denn  längsl    habe   ich   behauptet,    was  ich 
heut'-  noch  glaube:  Spinoza  fühlte  den  Gott  seiner  Väter, 
während  er  dachte  den   G^tt  ^tems  (s.  Leben 

dex  I.Auflage  8.  186;  S.Auflage  III   8.291). 

Jed<  r  The  I  alt  notwendig  eine  metaphysische 

gründung  der  Ethik    Auch  der  Pan-Theismu8;   denn 
.  ob  das  Unendliche,  <:  -  Ab  olute  als  persön- 
licher Gott,    oder  als  Allgeist,   '.der  auch   Weltall  über- 
haupt gedachl   wird,  immer  wird  Bich  ans  der  Beziehung 
n   zu   ihm   eine  Norm   ergeben;  so  wie  die 
Erl  I:  lividuume    des    Bndlichen  —   die  Hin- 

ong  —  die  Erregung  —  eine  Religion  ergibt 
Man  bal  im  öei  te      -  Judentum  nicht  das  Bedürf- 
gefühlt,  !  ründung  d<     I    ink  auch  eine  meta- 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXIX 

physische  Grundlage,  oder  eine  Anknüpfung  an  die  An- 
schauung von  den  letzten  Dingen  überhaupt  zu  suchen. ' 
Aber  wir  sind  nicht  in  Verlegenheit,  aus  den  vielver- 
breiteten Gedanken  erlauchter  Geister  über  das  Wesen 
des  Unendlichen  und  über  die  Bestimmung  alles  End- 
lichen eine  solche  Grundlage  zu  konstruieren;  sie  ist 
immanent  in  der  jüdischen  Weltanschauung  gegeben,  und 
es  hat  nur  das  Bedürfnis  gefehlt,  sie  in  wissenschaftlicher 
Form  zur  Darstellung  zu  bringen. 

Die  letzten  metaphysischen  Fragen  und  Gründe 

der  Ethik. 

Über  die  letzten  metaphysischen  Fragen  und  Gründe 
der  Ethik  liegen  bestimmte  und  besonders  klare  und 
offenbare  Aussprüche  bei  den  Babbinen  nicht  vor.  Nur 
einige  Andeutungen  sind  gegeben.  Sie  sind  selbstver- 
ständlich theistisch  geartet,  aber  von  einer  solchen  Weite, 
daß  sehr  verschiedene  theologische  Denkweisen  darin 
Raum  finden.  Die  Welt  besteht  durch  die.  Ausbildung 
und  naturgesetzliche  Fortbildung  der  Individualitäten; 
die  Mannigfaltigkeit  und  eigenartige  Besonderheit  der 
individuellen  Erscheinungen  ist  die  absichtsvolle  Anord- 
nung Gottes.  Gott  oder  das  absolute  Wesen  erzeugt 
oder  entläßt  aus  sich  eine  ins  Unendliche  gehende  Fülle 
von  Erscheinungen    des  Endlichen.    Diese  Fülle  ist  die 


1  Ob  Bachja  eine  solche  hat,   die  über  ^X  ump  ^  vnn  D'cnp 
hinausgeht?  Vgl.  auch  Maimonides  inbezug  hierauf. 


XXX  Einleitung  und  Vorwort  d<  a  Verfasser». 

Bereicherung,  die  Erscheinung  der  Herrlichkeit  des  Ur- 
Beins; den  endlichen  Wesen,  insbesondere  den  denkenden, 
fühlenden,  bewußten  Wesen  besonders  bekannt.  Den 
Menschen  ist  ihr  Dasein,  ihre  Gestaltung,  ihre  Wirksam- 
keil eine  Gnade.  Um  seine  Gnade  au  ihnen  zu  erweisen, 
hat  Gott  sie  geschaffen.    TMT  lün  üb)]}  (Ps.  89. 

Mit   der  Individualität  ist  die  Endlichkeit   verbunden, 
ist    zeitlich,    quantitativ    und    qualitativ    beschränkt 
Mit  dem  Wesen  der  Individualität  ist  ihre  Schianke  not- 
wendig und  unausweichlich  verbunden. 

Aus  der  psychisch«  n  Notwendigkeil  der  Schranke  und 
Begrenzung  in  der  Individualität  entspringt  aber  eine 
ethische  Aufgabe. 

Die  Trennung,  die  Besonderheit  und  selbst  die  Eigen- 
art  wird  aufgehoben  in  dem  Matte,  als  die  Individuen 
sich  zusammenschließen,  ein  jedes  mit  dem  anderen  zu- 
sammen eme  Einheit  bildet  Der  Grundtrieb  der  Indi- 
vidualität ist  die  Selbsterhaltung.  Deshalb  Absonderung, 
kampfreicher  G  ;en   andere,   Egoismus.     Der 

lismua  eben  -"11  überwunden  w<  rden. 

Etabbinische  Auffassung  der  Sittlichkeit 

Die  Hauptfrage  ist:  Tritt  der  ethi  ehe  Gei  t  d<  Ju- 
dentums   oder    das    ethische  <  Jesamtbewul.i  gl  in    desselben 

deutlich  m  seiner  i  rt  hervor,  ohne  doch  fremdartig 

zu  er  cheinen?  Fremdartig  in  ihrer  Form  Bind  und  bleiben 
ja  vude  Aussprüche,  welche  als  Quelle  der  Darstellung 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bande9.  XXXI 

angeführt  sind;  die  Frage  ist  nur,  ob  es  gehingen  ist, 
den  eigentlichen  Gehalt  derselben  unverändert  zu  erhalten 
und  dennoch  in  einer  Denkform  und  Redeweise  zum  Aus- 
druck zu  bringen,  welche  dem  Leser  durch  Vermittlung 
der  modernen,  auf  griechische  Anfänge  zurückgehenden 
ethischen  Wissenschaft  geläufig  sind. 

Auf  eine  Polemik  gegen  andere  ethischen  Anschau- 
ungen ist  aus  zulänglichen  Gründen  überall  verzichtet, 
obgleich  eine  solche  Gestaltung  das  Verständnis  sehr  er- 
leichtern würde.  Aber  auf  die  bis  aufs  "Wort  hervor- 
tretende Gleichheit  des  Kantischen  Grundgedankens  mit 
dem  des  jüdischen  Geistes  wird  an  vielen  Stellen  hin- 
gewiesen. 

Darf  man  nun  hoffen,  daß  in  dem  andern,  speziell  in 
dem  christlich  gebildeten  Leser,  ein  deutliches  Bild  des 
ethischen  Idealgehaltes  im  Judentum  entstehen  wird? 
Darf  man  hoffen,  daß  auch  das  Gemüt  des  Lesers  von 
diesem  Bilde  so  getroffen  und  erregt  wird,  wie  es  von  jeder 
Besonderheit  und  Eigenart,  in  welcher  allgemein  Mensch- 
liches uns  entgegentritt,  getroffen  und  erregt  zu  werden 
pflegt? 

Das  Grundcharakteristische  für  die  rabbinische  Auf- 
fassung der  Sittlichkeit  bleibt  immer  nicht  nur 

a)  die  Selbstverantwortung  jedes  Menschen,  und  weil 
sie  Bürgen  für  einander  sind  und  weil  wahre  Sitt- 
lichkeit nur  in  der  Gesamtheit  als  solcher  zur  Er- 
scheinung  kommt,   die  Verantwortung   der  Gesell- 


XXXII  and  Vorwort  des  Verfassen. 

schaff    in  jedem  Zeitalter,   weiterhin  der  Mensch- 
heil  Lern  auch 
b)  die  Selbstschöpfang   des   Sittlichen,     Deut.  30.  15: 
„Siehe,  ich  lege  dir  heute  vor  das  Leben  und  das 
Gute,  auch  den  Tod  und  das  Böse."  Das.  V.  L9:  „D  - 
Leben    und    den    Tod    habe    ich    dir    vi 
aber  du  sollst  das  Leben  erwählen."     Vergl,  dazu 
die  verschiedenen  Stellen  im  Talmud.    Das  stimmt 
mit  der  psychologischen  Tatsache  liberein. 
Kann    man   einen  Charakter  im  andern  Bchaffen?    Ist 
Charakter  denkbar  ohne  Selbsterzeugung? 
Man   mag   immerhin   göttliche  Gnade   als  den  Geber 
■  r     pezifischen   Kraft   der   sittlichen    Selbstschöpfung 
ansehen;  die  Frage  nach  dem  Ursprung  aller  natürlichen 
und   menschlich         tigen   Kraft   ist  eine  metaphysische. 
Ethisch  aber  erscheint  die  Kjafl  als  gegeben  und  von 
keiner  anmittelbaren  I  eiter  bedingt,  als  von  dem 
krafttragenden  Wesen  selb  t. 

)b  pjr»DO  -hb1?  Kan  Lehren  die  Rabbinen  Schabb.  104  ; 
aber  YIB^  fcO  muß  er  aus  rieh  Belbsi  Bein.    Den         9, 14 

d  daher  folgt  auch:   Die  Lehre  allein  tut  es  nicht 

Zwar  auch  Lehren  kann  ich  dem  andern  nicht  einfach 

dii    Empfänglichkeit,  Empf  and  Emp- 

•  it   muß   im    Schüler  vorhanden   Bein.      1 1 1 

.  dei    1- ;       n  ohne  Kohle  wird  oft  und  mit 

Vorliebe   gebraucht!)    Aber  immerhin  kann  die  theore- 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXXII 1 

tische  Lehre  auf  Grund  allgemeiner  psychologischer 
Fähigkeiten  und  Gesetze  überliefert  werden.  Dagegen 
das  ethische  Leben  blüht  nur  aus  der  eigenen  Kraft. 
Freiheit  ist  ihre  Grundbedingung. 

Sodann  aber  kann  auch  die  Lehre  nur  aus  dem  Men- 
schen selbst  zur  schöpferischen  werden,  sie  kann  ihm 
nicht  von  außen  gebracht  werden.  *6  «\"i  D^ötPa  t6 
ü^b  "Oyo.  (Das.)  Nicht  von  himmlischen,  nicht  von  ir- 
dischen Kräften  außerhalb  des  menschlichen  Gemütes, 
sondern  nur  )iwyb  "pa^21  YSS,  als  rein  theoretisches 
Bild  von  außen,  als  tatkeimend  nur  von  innen. 

Der  Einfluß  der  Lehre  und  des  Beispiels  wird  nicht 
unterschätzt,  aber  bemerkenswert  ist:  HiS  Yyn  ]ö  p"Hlt  Ki"1 
"ID1  mm  niS  nw  HIB  min.1  Schwindet  ihr  Glanz,  ihre 
Schönheit,  ihre  Pracht,  d.  h.  die  Erscheinung  der  ver- 
wirklichten Sittlichkeit,  aber  nicht  die  sittliche  Kraft  und 
die  Bedingung  der  Sittlichkeit. 

Die  vorhandene  Erscheinung  der  verwirklichten  Sitt- 
lichkeit ist  für  den  Bestand  der  moralischen  "Weltord- 
nung und  des  Weltzweckes  von  der  höchsten  Bedeutung: 

apa  ib  n  »m  «r:ni  ^a  «ran  ^a»a  D^ira  toa  n^yn  te 

rüti>  a")J^  nat?  aiJJD  pnn  Berach.  17b,  vergl.  Taan.  24 b; 
Chullin  86 a  und  Jalk.  Jos.  Nr.  326  2,  aber  die  Sittlichkeit 
aller  andern  bleibt  die  gleiche  Forderung  und  hat  ihre 
eigene  selbstschöpferische  Bedeutung. 


1  S.  Bereschith  r.  68,  6.  2  Ausspruch  des  Rab  und 

Samuel,  nach  andern  des  R.  Jochanan  und  R.  Eleazar. 


XXXIV  i  inleitung  und  V  rs. 

Das  Licht   leuchtet   nur   denen,   welche  Augen  haben 
und  sie  öffnen  und  sehen  wollen. 

Für   die  wi  baftlich     l1  r    ellung  der   Ethik  des 

Judentums  kommen  vor  allem  zwei  Fragen  in  Betracht, 
welche  wir  nur  in  Verbindung  beantworten  können,  L)  die 
Frage:  gibt  es  überhaupt  eine  einheitliche  Ethik  • 
Judentums?  und  2)  welches  und  von  welcher  Beschaffen- 
heit Bind  die  Quellen,  ans  denen  wir  die  Erkenntnis  der- 
selben schöpfen  können? 

Die  Ethik  des  Judentums  ist  jedenfalls  eine  Erscheinung 
des  Gesamtgeistes,  welche  durch   den  Zeitraum  von 
drei  tausend  Jahren  als  eine  lebendige  Wirklichkeit  Id- 
stein; auch   daß  in  dieser   geistigen  Gesamterscheinung 
eine   fortwährende  Bereicherung  und    Entwicklung   statt- 
findet,  ist   eine    offenbar  geschichtliche    Tatsache.     Die 
Grundgedanken   (Prinzipien)   werden   fortschreitend   •■ 
tieft,  die  Anwendungen  auf  das  Leben  werden  erweit« 
die  Gesinnungen   werden   geklärt    Gesetze  und  Institu- 
tionen werden  geschaffen,  Handlungen  werden  auf  Grund 
derselben   vollzogen.     Das   wirklich  Einheitliche  in    alle- 
dem zu  erkennen  and  Dachzuweisen,  ist  die  Aufgabe  der 
Wissenschaft     \ '•  i         n  wir  vor  allem  nicht,  daß  auch 
«der         eine  Mensch,        den  wir  doch  mein-  als  irgend- 
eine andere  Erscheinung  oe  Einheit  ansehen  mü 
—  wenn   wir   den   Menschen    als  ethisch«    Wesen   und 
ethischen  Gehalt  betrachten,  eine  Mannig- 
fal-                   h  schließt,  wir  müssen  in  ihm  die  ethische 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXXV 

Erkenntnis,  die  von  dor  Seele  erfaßten  Normen  des  Han- 
delns aufsuchen;  von  diesen  ist  die  ethische  Gesinnung, 
die  innere  Zustimmung  zu  diesen  Normen,  und  das  Mali 
und  der  Grund  des  Eifers  sie  zu  betätigen  und  schließ- 
lich die  Willensakte,  jene  Gesinnung  in  Handlungen 
umzusetzen  und  in  der  Wirklichkeit  auszuprägen,  zu  unter- 
scheiden; obendrein  wird  auch  noch  das  allmähliche, 
zeitlich  sich  ausbreitende  "Werden,  die  angewandten  Mittel 
und  Vorkehrungen  samt  den  Erfolgen  in  Betracht 
kommen.  Alles  dies  aber  kann  und  darf  uns  nicht  hin- 
dern, den  ausgebildeten  sittlichen  Charakter  eines  Men- 
schen als  eine  wahrhafte  Einheit  zu  erkennen,  wenn  nicht 
die  Erscheinung  sittlichen  Gehaltes  im  Bereiche  des 
Geistes  überhaupt  völlig  zersetzt  und  in  lauter  momen- 
tane Regungen  aufgelöst  werden  soll. 

Man  muß  den  Kern  und  Gehalt  des  Ethischen  von 
seiner  Form  und  Erscheinung  wohl  unterscheiden. 

Es  gibt  Handlungen,  welche  nicht  unmittelbar  und 
deshalb  scheinbar  gar  nicht  ethisch  sind  und  doch  dem 
Wesen  des  Ethischen  im  hohen  Grade  entsprechen  können. 

Die  Übung  einer  religiösen  Zeremonie  ist  an  sich  nicht 
ethisch,  sie  kann  es  aber  durch  die  Gesinnung  und  das  Motiv 
im   höchsten  und  auch  in  verschiedenem  Grade  werden. 

Fassen  wir  diese  Sache  konkret,  um  sie  zu  durchschauen. 

Da  steht  ein  Jude  und  legt  morgens  Tallith  und 
Tefillin  an;  er  würde  auch  beileibe  vorher  nicht  essen 
oder  trinken,  oder  eine  Arbeit  verrichten.     Welches  ist 


\\XV1  11    1   V  is>-r.t. 

sein  Motiv?    Er  tut  es  mon  r\~A2yb\    Diese  zwei  Worte 
Bind   alles,   was   er   uns   als  Antwort   auf  unsere   I 

bd  würde  und  zu  Bagen  wüßte.  Weder  von  der  ob- 
jektiven Tatsache  Beines  Bandeins  noch  von  dem  per- 
sönlichen inneren  Vorgang  hat  er  einen  genauen  Begriff. 
er  tut.  was  er  tut  IttOn  Wtt)^.  Wir  aber  müssen  bei 
zu  erkennen  trachten,  das  wirklich-psychische  Ereignis, 
wek-he-  vorliegt,  durchschauen,  um  -einen  ethischen 
I  irakter  zu  erkennen.  Von  der  Verwandtschaft  dieser 
Bandlung   mit   dem  Ethischen   and   dein    pädagogischen 

folg   derselben  durch  das  Element  der  Gesetzlich! 
des  Gehorsams   zur    Erfüllung   de-   Gesetze.-   überhaupt, 
niü— en  wir  absehen;  uns«  r  Mann  weiß  nichts  davon  und  will 
nichts  davon  wissen.    Auch  von  der  symbolischen  Deuti 
und  der  dadurch  gegebenen  Beziehung  auf  das  Ethische 
uill   er   nicht  ■   obgleich   das   Schriftwort,   durch 

welches   die  Z  tusdrücklich  auf 

Beziehung  hinweist1  E  ichl  nicht-  neben 
und  außer  der  Bandlung  Belbst;  sie  hat  zu  geschehen 
und  deht  KTOn  nrnapfc,  isl  alles.    Nehmen  wir 

noch  als  wirklich  gegebene  Tal  hinzu:  m 

M.,.,,.   v  ,;izirlit    seine    Bandlang    heiter  und   frohgemut 
Wir  werd(  n  sp  nnd  wie  dies  auch  anders 

Al-er  u  - •  •  <  1 : •  i  ke  würde  abirren,  wenn 

ich  hinzufügen  wollte:  und  er  fühlt  sich  glücklich  dabei 
I  i..:i,i  die  I  1 1   Ick  und  seinem  ( I  bleibt 

i  [i.-ir  Num.  1  •">.  39  H. 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXX VII 

ihm  durchaus  fern;  nicht  ein  irgendwie  genußartiges 
Glücksgefühl  ist  in  seinem  Gemüte,  mit  seinem  persön- 
lichen Schicksal  und  Befinden  hat  die  Sache  nichts  zu 
tun,  aber  eine  Souveränität  leuchtet  in  seiner  Seele  auf, 
wie  kein  Glück  und  kein  Genuß  sie  gewähren  können.  Er 
fühlt,  er  weiß,  er  sei  da  und  er  handle  N"l13n  rviiaj^, 
das  ist  alles.  Und  was  bedeutet  nun  dies  für  ihn?  Ist 
es  ethisch?  Und  weshalb?  Zunächst  bedeutet  es  nicht, 
daß  er  Gott  einen  Dienst  leiste,  daß  Gott  einen  Dienst 
von  ihm  empfange;  von  einem  solchen  Irrtum,  dem  die 
heidnischen  Völker  offenkundig  unterlagen,  haben  schon 
die  Propheten  das  Volk  Israel  mit  voller  Klarheit,  Be- 
stimmtheit und  Schärfe  befreit.  Nur  um  ihn,  um  ihn 
allein,  um  den  Menschen  handelt  es  sich,  daß  er  da  sei 
und  handle  KTDn  mujft.  Die  Erörterung  dieses  Ge- 
dankens bei  Erklärung  des  545.  Gebotes  vom  Vogelnest 
gehört  zu  den  schönsten  Partieen  im  Chinnuch. 

Was  aber  dieses  Kiun  JYTQy^  wirklich  bedeutet,  ist, 
ohne  daß  unser  Mann  es  in  Begriffen  überzudenken 
oder  nur  mit  Worten  zu  sagen  wüßte,  zweierlei:  einerseits 
die  Abwendung  von  allem  Kleinen  und  Gemeinen,  von 
den  Bedürfnissen  und  Befriedigungen,  von  den  Freuden 
und  den  Sorgen  des  alltäglichen  Lebens,  die  Erhebung 
über  das  Ringen  mit  endlichen  Mitteln  nach  endlichen 
Zwecken;  und  andererseits  die  Hinwendung  zu  Gott, 
zum  Ewigen,  zum  Unendlichen;  —  bei  Gott  sein,  mit 
dem  erhabensten  aller  Inhalte,  mit  dem  vollkommensten 


WW'ill  ind  V  Lea  Verfassi 

aller  Gedanken  Beine  Seele  erfüllen.    Das  ist  Religion; 

0  ler  genauer  gesagt:  das  ist  das  Ethische  in  aller  Religion. 

Auch  alle  anderen  idealen  Beziehungen  and  Aufgaben 

der    Menschen,    Wissenschaft,    Kunst    und    alle    Kultur 

erreichen  ihr  wahres  Ziel  nur  dann  und  dadurch,  dafi  Bie 

Endliche    mit    »lern    unendlichen    durch  Hingebung 

verbinden:   und  diese  Hingebung  ist  ethisch,  ist  ethische 

1  Leilig  . 

Nur  unter  dem  Gesichtspunkt  der  geistigen  Organi- 
sation kann  es  uns  gelingen,  in  dieser  Mannigfaltigkeil 
der   T.  heinungen   dennoch   das    einheitliche   Ganze 

der  ethischen  Persönlichkeit  zu  durchschauen. 

Ganz  ebenso  aber  müssen  wir  in  der  geistigen  Gesamt- 
tatsache der  Ethik  des  Judentums  aus  und  in  der  Mannig- 
faltigkeit   zugleich   die    Einheit   erfassen.      Die    Mannig- 
faltigkeit der  Erscheinungen  liegt  zutage,  die  Einheit  ist 
dann  verborgen.    Nicht  hineintragen  sollen  wir  die  Ein- 
heit dem   sie   herausschöpfen   aus  der  Mannigfaltig- 
•.    i  i..   •    aber  ist  uns  in  den  tatsächlichen  hi  uen 
ben,  welche  uns  über  den  Inhalt  der  ethischen 
Lebensnonnen  und  Lebensformen  belehren. 

Wir  fragen  also,  welches  Bind  die  Quellen,  aus  denen 
wir  den  ethis«  hen  Lebensgehalt  des  Judentums  im  weih  Bten 
köpfen  haben?  und  wie  verhalt«  d  Bie  sich  zu 
einander? 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XXXIX 

Die  Abteilung  in  Paragraphen  pflegt  den  gebildeten 
Leser  abzuschrecken;  das  Gegenteil  sollte  der  Fall  sein, 
denn  sie  ist  das  einfachste  psychologische  Mittel,  um 
die  gedeihliche  Lektüre  zu  erleichtern.  Es  ist  streng 
darauf  gehalten,  jede  neue  Lehre,  oder  neue  Wendung 
ihres  Gehaltes,  jede  neue  Begründung  oder  Erläuterung 
durch  andere  Tatsachen  abzuscheiden;  der  Leser  kann 
dadurch  dem  Forschritt  der  Gedanken  desto  besser 
folgen  und  es  sind  ihm  besonders  die  Ruhepunkte  zu 
eigenem  Nachdenken  angedeutet. 


Es  wäre  undankbar,  wenn  ich  der  Presse  nicht  ge- 
denken wollte,  die  dem  ersten  Band  eine  so  wohlwollende 
Aufnahme  gewährt  hat.  Das  Buch  ist  reichlich  in  den 
wissenschaftlichen  wie  in  den  Tagesblättern  besprochen 
worden  und  allgemein  hat  man  ihm  im  Lob  und  im 
Tadel  eine  Stellung  angewiesen,  welche  ganz  den  Hoff- 
nungen entspricht,  die  ich  daran  knüpfte. 

Nur  zwei  Ausnahmen,  eine  christliche  und  eine  jüdische 
sind  mir  bekannt;  beide  von  Grund  und  von  Haus  meine 
Gegner:  Oberlehrer  Bonhomer  (Thorn)  im  Antisemi- 
tischen Jahrbuch  für  1900  und  Professor  Hermann 
Cohen  (Marburg)  in  der  Grätz-Brannschen  Monatsschrift 
1899.  Die  beiden  Herren  mögen  sehr  verschieden  von- 
einander sein,  meinem  Werke  gegenüber  sind  sie  durch- 
aus par  nobile  fratrum. 


\1,  oleitosg  and  Vorwort  des  Verfassers, 

i,,  Schürer,  der  die  Bpatere  Literatur  und  das 
Leben  der  Juden  nicht  genau  /u  kennen  scheint,  ist 
Kunzes  Zurückweisung  in:  Im  deutschen  Reich  zu  zi- 
tieren. Einseitig  Bind  die  Worte  Konrad  Furrers,  des 
Palästinaforschers,  welcher  Dekan  und  Pfarrer  an  der 
Peterskirche  in  Zürich  ist:  „Fremdartig  und  seltsam  wie  die 
Kaktuswälder  Mexikos  mag  einem  anfänglich  die  Geistes- 
welt vorkommen,  welche  die  scharfsinnigen,  phantasie- 
vollen  Kabbinen  im  Laufe  der  Jahrhunderte  geschaffen 
haben.  Hart  neben  einem  Grübeln,  das  ins  Kleine  und 
Allerkleinste  geht,  wird  man  ein  Denken  und  Sinnen  treffen, 

■  mit  Adlersflügeln  zur  l'ncndlichkeit  emporstrebt; 
neben    Bchroffer,    herber   Abweisung  alles  Fremden   eine 

taunliche  Innigkeit  und  Zartheit  der  sittlich  religiösen 
Gefühle.  Man  wird  aber  auch  erkennen,  daß  mehr,  als 
die  meisten  es  ahnen,  die  Synagoge  die  Lehrmeistern] 
der  Kirche  des  Mittelalters  gewesm  Ut"  Siehe  Allgem. 
Zeitung  des  Judentums  1899.  Nr.  45.  Der  Gleist  der 
Propheten  war  aber  nie  erloschen.  Auch  mit  der  A  h- 
wn-m,  Fremd«  d  stand  es  theoretisch  nicht  schlimm. 

Meine  Antworten   auf  die  Kritik:    L'Uniyers  Lsraelite 

19   No.  43   gegen  Schluß.     L.  Levy   findet  meine   Er- 
klärung   biblischer    und    rabbinischer   Worte    »trop   mo- 
Dei  Sats:  ,.j'-  crois  bien  que  si  ML  Las.  n'avait 

i  In  Kant,  ces  ezplicationa  n'auraienl  pas  ete*  les 
in  M'hend,  ab(  r  irreführend. 

Do  D(      Text.  -    gewinnl    man   nur 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XLl 

nach  dem  Maße  und  dem  Inhalt  der  eigenen  Bildung. 
Erst  durch  Kant  lernt  man  die  Rabbinen  besser  ver- 
stehen. Erinnern  wir  uns,  daß  deshalb  spätere  Zeiten 
besser  als  die  Zeitgenossen  einen  Autor  ergründen.  Wir 
verstehen  Plato  besser,  als  ihn  die  Athenienser  ver- 
standen haben,  ja  als  er  sich  selbst  verstanden  hat.  Dies 
gilt  nicht  allein  in  bezug  auf  Tiefe  und  Klarheit,  sondern 
ganz  besonders  auch  auf  Inhalt  und  Form  des  Gedankens. 
Durch  eine  neue  Form  kommt  erst  der  volle  Inhalt 
eines  Ausspruchs  zum  Bewußtsein.  Wenn  ich  nicht  Kant 
gelesen  hätte!  Jawohl;  aber  wenn  ich  auch  nicht  Spinoza, 
nicht  Plato,  nicht  Aristoteles  gelesen  hätte,  dann  würde 
ich  eben  die  Rabbinen  nur  in  derselben  Unbestimmtheit 
denken,  welche  aus  ihrer  exotischen,  unwissenschaftlichen 
Form  sich  ergibt,  und  in  welcher  die  Generationen  seit 
der  Entstehung  der  Aussprüche  sie  gedacht  haben. 

Wir  tun  den  Alten  Unrecht,  wenn  wir  ihnen  die  mo- 
dernen Gedanken  nicht  zutrauen.  Das  Moderne  ist  nur 
in  der  Form,  es  ist  bloßer  Schein;  der  Kern  ist  derselbe, 
wenn  man  ihn  redlich  herausschält.  VergL  T.  I,  §  15 
zu  Anfang. 

Der  Hauptfehler  unserer  Literatur  liegt  nicht  in  dem 
Mangel  an  guten,  sondern  in  der  Masse  von  schlechten, 
wertlosen  Büchern,  welche  hervorgebracht  und  publiziert 
werden.  Wir  haben  zu  viel  Ballast  im  Ballon  unserer 
Literatur,    so    daß    er    sich    nicht    erheben    kann.     Am 


XL II  Ein  and  Vorwort  de«  Verfassers. 

Behummsten  ist  es,  wenn   viel  tüchtige  Arbeitskraft  und 
Anstrengung  auf  wertlose,  nutz-  und  zwecklose  Aufgaben 

geudet    werden,   z.B.   Ziegler,   Die  Königsgleichnii 
des  Südrasch  (s.  Zeitschr.  f.  das  Judeni  1903.  Nr.  2).   Cui 
bonor     Bin  Gleichnis   wird   dadurch   nicht    besser,  daß 
es    aus   der  Wirklichkeit   genommen   ist    Jedes  Gleich- 
hat   seinen    Wert    darin,    daß    es    den    aufgestellten 
und   mit    dem  Gleichnis   eingeführten   Gedanken   klarer, 
eindringlicher,    tiefer   oder    schöner    macht.     Hier  leistet 
•  Erdichtete   ebensoviel  oder  so  wenig,   wie  das  dem 
ten  Entnommene.    Ob  sich  die  Anekdote  am  Kais 
hof  in  Rom  oder  Peking  oder  Moskau  zugetragen,  ändert 
an   d<r   Leistuo      d<     Gleichnisses   nichts,  und   ebenso 
nichts,    ob    sie    sich    zugetragen    hat    oder    erdichtet 
Nun    soll    zwar    nach    dem    Rezensenten    Dr.  Thiebei 
der    Welt    des    neuen    Ihiches    auch   darin    be-tchcli.    daß 

der  römischen  Kulturgeschichte  eine  neue  Quelle  eröfl 
wird.  Die  Zuhörer  der  Darschanim  mögen  aua  den 
Anekdoten  von  Rom  und  Athen  manche  interessante 
heu  gehört  haben,  denn  Kenntnis  ihnen  nützlich 
und  angenehm  war.  Aber  wir?  Erst  schöpfen  wir, 
d.  h.  Dr.  Ziegler,  d  tvolle  und  kenntnisreiche,  wie 

,, iL)   nur  können,   ans   den  römischen  und 

griechischen  Quellen  die  Anekdoten,  du-  in  den  Gleich- 
et sind,  und  nun  sollen  di<  Agadas  wiedei 
lür    die    i  und    griechische    Geschichte 

werden! 


Zur  Geschichte  des  zweiten  Bandes.  XLIII 

Es  ist  und  bleibt  ein  Mißbrauch  der  philosophischen 
Kraft,  sie  auf  eine  an  sich  wertlose,  weil  erfolglose  Auf- 
gabe zu  verwenden.  Wir  verstehen  den  Midrasch  nicht 
besser  und  erfahren  von  der  römischen  Kultur  nur  genau 
das,  was  Ziegler  aus  den  römischen  und  griechischen 
Quellen  geschöpft  hat. 

Werden  einzelne  Stellen,  deren  Sinn  nicht  sicher  ist, 
durch  die  griechischen  und  römischen  Quellen  besser 
erklärt  oder  bestimmter  erfaßt,  dann  mag  man  diese 
Stellen  zu  diesem  Zweck  bearbeiten.  Die  Realität,  also 
Historizität  des  dargestellten  Faktums  wird  dann  immer 
gleichgültig  bleiben. 


Inhalt 

Dritter  Abschnitt. 
Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

8.  Capitel. 

Dauernde  Eigenschaften,  Tugenden  (fino),   die  gewonnen 

werden  sollen. 

§  292.     Ausbildung   des  Gemütes    (Charakters)  durch  Intelligenz, 
Gefühl  und  Willen.     S.  2. 

§  293.     Geistige  Tätigkeit.     S.  2. 

§  294.     Scharfes,  bestimmtes,  präzises  Denken  wird  gepriesen  und 
gefordert,     S.   4. 

§  295.     Es  gilt,  sich  mit  der  Idee  zu  identifizieren,  das  objektive 
Gesetz  zum  subjektiven  zu  machen.     S.   G. 
Das  größte  Gewicht  wird   auf  die  Thora   gelegt.     S.  7. 
Schärfung   der  Intelligenz   durch   Gemeinsamkeit.      S.  9. 
Von    theoretischen   Spekulationen,    selbst   metaphysischer 
Gotteserkennlnis  wird  abgeraten.     S.   10. 
Gesinnung  und  Erkenntnis.     S.   11. 
Pietät  und  Anerkennung  der  Weisheit      S.   12. 
Studium  und  Anteilnahme  der  Masse.     S.   12. 
Das  Wahrhafte   und  Wesentliche  soll  begriffen  und  fest- 
gehalten werden.     S.   13. 

Wahrhaftigkeit.    Was  jemand  als  seine  Überzeugung  er- 
kannt hat,  darf  nicht  verleugnet  werden.     S.   14. 
Die  Lüge.     S.  16. 


§ 

29G. 

§ 

297. 

§ 

298. 

§ 

299. 

§ 

300. 

§ 

301. 

§ 

302 

§ 

303. 

§ 

304. 

XI  AI  Inl 

1 .     en    Aberglauben.  S.    17. 

Die  Enlwickcluiif  Billlichen  Menschen.     S.    IV 

Weitere  Ausführung.  S.   18. 

*  308.     Wesen  S.  29. 

!  nleilung  «Irr  Gefühl  .     -    30. 
110.     Gefühl  und  die  Sprache.     S. 
vj  311.     Herrschaft  über  die  Gefühle.     S.   3  I 
;  312.     Energie  und  Schlaffheit  der  Gefühle.     S.   i 

I :;.     Grund,   warum    die   Rabbincn   üb'-r   dieselbe  Person  oder 
enselben    Gegenstand    immer    wieder    neue    Bibel  zitale 
herbeiziehen.     S.  37. 
!  !.     Idealgefühle  im  Gegensatz  zu  den  sympathischen.   S.  ^'J. 
^   315.     Idealität  millen  im  Realen.     S.   41. 

*  316.     Pflichtgefühl.     S.  42. 

IT.     Die  Idealität  soll  auch  in  die  Alltaglichkeil  bmeinwirken. 

S     13. 
I  v     Wille  und  Gesinnung.     S.    1">. 
.-.   319      Wille  ist  intellektue  es  Begehren.     S.    16. 
Wirkung  des  Willens.     S.    IT. 
21      Gcw    inung    zum   Gehorsam    als   menschliche   Grundlage 
zur  Sittlichkeit      S.    18. 
§  322.     Die  Idee  als  Agens  im  pl  gisch-psychologisch-mecha- 

hen  Prozeß.     S. 
323.     Pflicht  und  Neigung.     S.   51. 
24      Innerlichkeit    und    Gesetzlichkeil    als    zwei    nolwei 

indcr  ergänzende  Prinzipien,     S.  52. 
'•"».     Ei 
§  :<20.     Will.-  in, l  Gefühl.     S.  54. 


B    Capitel. 

I>m>   Manifcsl.ilionrn   der  Tiipond. 

2  7.     i  bersiebl.     s.  57. 

I  reiheil  (innere  und  äußere). 


Inhalt.  XL  VII 

§   329.     Skizze    zur  metaphysischen   Frage  der  sittlichen  Freiheit 

S.   58. 
§   3:^0.     Au*    Her   subjektiven    Tätigkeit   entspringt   der   objektive 

Geis!.     S.  59. 
§   331.     Alle  Sünde  (alles  Unrecht)   folgt  aus  dem  Negativen  (dem 

Unterlassen).     S.   61. 
§   3  32.     Psychologische  Bedingungen  der  Freiheit.     S.   63. 
§   333.     Freiheil    und     Mechanismus     sind     keine     Widersprüche. 

S.  64. 
§  33  1.     Stellung  des  Menschen  in  der  Natur.     S.  65. 
§  335.     Schlimme  Formen  der  Freiheit.     S.  67. 
§  336.     Das    Gesetz    der   Erhallung    der   Kraft    in    der    geistigen 

Tätigkeit  des  Menschen.     S.  6S. 
§   337      Die  Willensfreiheil  ist   abhängig  von  der  Sittlichkeit  des 

Wollens.     S.   70. 
§  33S.     Der    geschlossene,    ganze,    freie    Mensch.      Die    sittliche 

Persönlichkeit.     S.   71. 
§  339.     Verpflichtung  auf  die  Sittlichkeit  des  andern.     S.  73. 
§  340.     Gewissensfreiheit.     S.  74. 
§  341.     Sozialgesetze  (Grundzüge).     S.  75. 


Wille,  Selbstbeherrschung. 

§  342.     Maß,  Mäßigkeit,  Mäßigung,  Gleichmaß,  Maßhalten.    S.  77. 

§   34  3.     Selbsterkenntnis.     Selbslprüfung.     S.   80. 

§  34  4.     Pflicht  und  Neigung.     S.  81. 

§   34  5.     Von  den  Leidenschaften,   die  auf  bestimmte  Gegenstände 

und    deren    Verhalten    zur    Persönlichkeit    sich    beziehen 

(Selbstsucht,    Stolz,    Freiheilssucht,    Eifersucht,    Ehrsucht 

und  Herrschsucht).     S.  81. 
§  346.     Der  Ursprung  des  Bösen.     S.  82. 
§   347.     Der   Beginn   heftiger   Affekle    äußert    sich    in    einer   Art 

von  Stillsland  der  Gedanken.     S.  84. 
§   348.     Harmonie    aller    Ideen    und    Individualität    des   Handelns. 

S,  87. 


XI.VIII  Ini, 

,  I      Die  Sittlichkeit  besteht  Dicht  darin  allein,  wie  ich  handle, 
Bondern  auch,  wie  der  andere  handelt.     S.  90. 
v?  :'..")<>.     Per  innere  Zusammenhang  alles  Sittlichen«     S.  88. 
51.     her  eigentliche   Gehalt   des   gesamten   menschlichen  Da- 
seins im  Judentum.     S.  92. 

Die  Tugendlehre  hat  zu  ihrem  höchsten  Inhalt  eine  dein 
idlichen,    Ewigen    sugewandte  Stimmmung    des  Ge- 
müts.    S. 
§  353.     Über  das   Verhältnis   von   riecht  und  Wohlwollen.    S.  94. 
§   354.      Mut   und    Tapferkeit.      S.    95. 

Reich    i>l    die   Wertung    der   Arbeit    bei    den   Rabbiner). 
S.  96. 

Nichts    ist    dem    Judentum    so    zuwider    als    Quielismus. 
S.  97. 
§   3.") 7.     Ausdauer.     S.   99. 

58.      Mfi    iggang  der  Frauen.      S.    101. 

Praktische  Ethik  ist  notwendig.     S.   101. 
Leiden  und  ihr  ethischer  Wert.    (Die  Geschichte  Josephs.) 
s.   102. 
I.     Volkserziehung.     Berul  und  Genuß.     S.   104. 

Recht    wird    großes  Gewicht   auf  sittliche   Täügkeil 
gelegL     S.   II 

r  GelG    le.     S.   1  10. 
1.      Gesinnung.      S.    111. 
§  365.     Reue     s.   113. 

Lohn  und  Strafe      Erfolg  des  Hand.  Ins.     s.   1 18. 


10.  «  apitel 

Die    Pflichten    (frt3,n  ,    die  erfüllt,    oder  die   Ideen,   die  re- 
alisiert  \\  erden  sollen. 

ersieht      B    121. 
l»ie    drei    Grundbegriffe      Wahrheit.      Recht      Frieden. 
S.   l. 


Inhalt.  XLIX 

§  369.     Die  Bedeutung  von  n^n1?«  D^va.     S.   127. 

§   370.     Eine   den   wichtigsten  Regeln  der  ganzen  Sittenlehre  in- 

bezug   auf  das  Verhalten   zum  Nebenmenschen  ist,   sich 

in    die   Seele,    ins   Gemüt,    in    den   innnern  Zustand   des 

andern  versetzen.     S.   129. 

Pflicht  und  Schicksal.     S.   134. 

Genuß.     S.   134. 

Eudämonismus.     S.   134. 

Keuschheit.     S.   140. 

Ist  Keuschheit  eine  Tugend  zu  nennen.     S.   141. 

Sprachliches  über  Keuschheit.     S.   141. 

Züchtigkeit  in  der  Familie.     S.   142. 

Demut.     S.   144. 

Eitelkeit.     S.    147. 

Schonung   des  Selbstgefühls   und  der  Würde  des  Neben- 
menschen.    S.   148. 

Pietät.     S.   149. 

Pietät  der  Jüngeren  gegen  die  Alten.     S.   153. 

Friede,  Friedfertigkeil.     S.   154. 

Mitleid  und  Mitfreude.     S.  161. 

Ordnung.     Kultur.     Teilung  der  Arbeit. 

§  385.     Ordnung.     S.   163. 

§  386.     Ethische  Bedeutung  der  allgemeinen  Kullurtätigkeil.  S.  167. 

§  387.  Ethische  Bedeutung  der  Stellung  zu  Staat  und  Gesell- 
schaft.    S.   178. 

§   388.     Ethik  und  Naturwissenschaft.     S.   174. 

§  389.  Die  jüdische  Ethik  in  ihrem  Verhältnis  zum  Weltlaufe, 
zur  Industrie  und  zum  Verkehr.     S.   175. 

§  390.  Verschiedenheit  der  heutigen  ethischen  Weltbetrachtung 
und  der  rein  natürlichen  Auffassung.     S.   176. 

§  391.  Verschiedenheit  in  der  Kultur  ist  keine  Dekomposition. 
S.   179. 

§  392.     Das  Gebot:  Du  sollst  nicht  verderben.     S.   181. 

§  393.     In  der  Technik  des  Lebens  bedürfen  wir  der  fortschrei- 


§ 

371. 

§ 

372. 

§ 

373. 

§ 

374. 

§ 

375. 

§ 

376. 

§ 

377. 

§ 

378. 

§ 

379. 

§ 

380. 

§ 

381. 

§ 

382. 

§ 

383. 

§ 

384. 

Inhalt. 

lendeD    Belehrung    durch    Wissenschaft,    Industrie    und 
Kunst     s.   182. 

Mannigfaltigkeit  der  Kultur  und  Ansichten.     S.   183. 
Kullur  und  Arbeit.     S.    184. 

Würdigung     der     W  issenscliall     seitens     der     Rabbinen. 
s    185. 

Ethik   und    Berufsarbeit.      S.    188. 
Arbeit  wird  auch  von  der  Frau  gefordert.     S.  IS«). 
Studium.      Erkenntnis  und  Tun.     S.    1 
Eine   Hauptaufgabe    des  Studiunis   ist   die  Wahrung   des 
I     Ischrittes    durch    Sichtung    des   Überlieferten,    Unter- 
scheidung des  Höheren  vom  Niederen.     S.  193. 

Studium   wird   von  den  Kabbinen  gepriesen.    S.  194. 
Handlung  und   Lehre,   Wissen  und   Bildung.     S.    195. 
Agrikultur.     S.   1 
Würde  der  Arbeit.     S.    196. 
Gleichwert  aller  Arbeit.     S.   197. 
Handwerk.     Seine  Bevorzugung.     S.    1(.*8. 
Das  Gewerbe  als  allgemeines  Interesse.     B,    198. 
iit  ist  die  Ordnung  der  Gesellschall.     S.    199, 
Das   Recht,    welches    das  Judentum    lehrt,   ist    Gerechtig- 
keit     s.  201. 

Fortbildung    les  Gesetzes.     B.  202. 
Recht  ist  Unparteilichkeit,  höchste  und  unbedingte  Inter- 
■  it.     S.  202. 
^    U2.     Wahr  e  und  reine  Gerechtigkeit  hat  nichts  mit  der 

ren  Ordnu  Rechts  tu  tun.     S    204. 

\    113.     Kritik  ist  Pflicht    weil  GesamtsitUichkeit.     8.  2 
§411.     Richter,  ihr  Gen  äL     B.  207. 
$    115.     Unparteilichkeit  der  Richter.     B.  208. 
1 1 B.     !;•  ichribikiing.     B.  2    I 

N  cht  anklagen,  sondi  rn  verl  E    '-'  10. 

;  i  ^      Recht    i     i  liftung.     s.  210. 

$    119.     Mild«     B.   2  1". 
|    i.  itc  Redlichkeit     S.  211. 

.2  1.      Bai^keit  und    Wohlwollen.      S.    212 


sS 

:■  1  i. 

>s 

§ 

396. 

>s 

897, 

s 

.  18 

1 

s 

100. 

§ 

401. 

§ 

4(i2. 

§ 

103. 

6 

404. 

§ 

405. 

8 

106. 

8 

107. 

8 

108 

8 

109. 

S 

410. 

3 

11  1 

Inhalt,  LI 

Gnade  und  Liebe.     S.  214. 
Gegen  Verleumdung.     S.  216. 
Ehre.     S.  218. 

Unterschied   zwischen    Recht   und   Wohlwollen.     S.  220. 
Prinzip  der  Liebe.     S.   222. 

Durchgehendes  Prinzip    soll   sein:    Sich  in   die  Seele,   in 
das  Gemüt  des  anderen  versetzen.     S.  224. 
Ethik     der    Wohltätigkeit.       Ihr     dauernder     Charakter. 
S.  225. 

Frage    nach    dem    moralischen   Fortschritt.      Private   und 
soziale  Wohltätigkeit.     S.  226. 

Subjektive  Tat  und  objektives  System  der  Wohltätigkeit. 
S.  232. 

Beschämende  Wohltätigkeit.     S.  234. 
Dankbarkeit.     Undank.     S.  235. 
Rache.     Nachtragen.     S.  237. 
Grundlose  Feindschaft,  Haß.     S.  238. 
Solidarität.     Objektive  Einheit  des  Sittlichen.     S.  239. 
Ist   Verbrechen   des   Einzelnen   zugleich   Verbrechen   der 
Gesellschaft?     S.  241. 
Bürgschaft  für  einander.     S.  242. 

Keine    Gelegenheit    zu    einer    guten    Tat    vorbeilassen. 
S.  242. 

Sozialethik.     S.  244. 

Gemeinsamkeit  des  WTollens.    Wert  und  Weihe  der  Lei- 
den (Schmerzen).     S.  248. 


Vierter  Abschnitt. 

Die  Gestaltung   der  Sittlichkeit,  welche  geschaffen 

werden  soll. 


§ 

422. 

§ 

423. 

§ 

424. 

§ 

425. 

§ 

426. 

§ 

427. 

§ 

428. 

§ 

429. 

§ 

430. 

§ 

431. 

§ 

432. 

§ 

433. 

§ 

434. 

§ 

435. 

§ 

436. 

§ 

437. 

§ 

438. 

§ 

439. 

§ 

440. 

11.  Capitel. 
Formen  der  Vereinigung. 

§  441.     Formen  der  Vereinigung.     S.  257. 
§  442.     Der  Begriff  der  Familie.     S.  258. 


d* 


LH  Inhal'. 

Aboab  und  seine  moralisch-religiöse  Ensykli  '",'-1 

g    1 1 1      -  .       .    .;■  griff  der  Binheit     S.  2- 
l    1  15.     Gesamtheit     s.  261. 

j    I  16.     Aufgabe  der  Erzeugung  eines  Gesamtcharaktere.    S.  263. 
§    117.      Handlung     und     Gesinnung.       Die     Gesamtheit     braucht 

Handlung,  der   Einzelne  Gesinnung.      B.   264. 
^.    148.      Ehe.      Die  rahbin.   Anschauung  von  ihr.     S.   265 
^    149.     Die  rechte  Ehe.     S.   266. 
;    150.     Aufgabe  und  Leistung  des  Weibes.     S.  266. 

151.     Familie.     S.  266. 
^    152.      I  »ic  Familie  als  Ganzes.     S.  2 

Die    Unschuld    in    den    Kindern    als    wellerhaltendes    - 

ment.     S.   27  2. 
^    154.      Liebe:   Aufsteigend   zu   Eltern  und   Großeltern,  nicht  bloß 

absteigend.      S.   27  2. 

Erziehung.      273. 

An  die  Mutter.      Ihre   Aufgaben.     S.   275. 

Gastfreundschaft.      S.   2  7  7. 

Weihe  des   Heims.      S.   278. 
e   und   Freunde.      S.    279. 

Behandlung  der  Dienenden.     S.   2S" 

Behandlung  des  Fremden,  des  durchreisenden  Wanderers 

S.  281. 

Fremdenbehandlung  bei  Gästen  oder  Wohltätigkeit.   S.  283. 

Behandlung  und   Furtbildung  der    Dienstleulc.      S.    28t. 
Ubeitgcbcr  und   Arbeiter.      Lohn      S.    -85. 

Mitleid   mit  Tieren.     S.    287. 


12.   Capilel. 
hie  Schilt  ik  Mittelglied   /wischen  den  Fin/elnen   und  der 

Getelltcfcaft, 

\    166.      Der   Lehrer.      - 

Kinder    milde    straf,  n.       Geduld    im     Unterricht       Leinen 
und   Lehren.      S.   290. 


* 

15:.. 

8 

456. 

* 

457. 

* 

158. 

15  1 

s 

B 

161 

S 

163 

IM 

> 

465 

Inhalt.  LIII 

§  468.  Erziehung  und  Fortbildung.     S.  294. 

§469.  Unterricht  und  Studium.     S.  295. 

§  470.  Wert  des  Wissens  und  Würde  des  Lehrers.    S.  296. 

§  471.  Der  Geist   des  Lehrers  lebt  in  seinem  Schüler.     S.  29  7. 


13.  Capitel. 

Die  Gesellschaft. 

§  472.  Der  Einzelne.  Sein  Maß  von  Freiheit  und  ethischer 
Bedeutung  ist  größer  geworden.     S.  299. 

§  473.  Prinzip.  Nicht  obgleich,  sondern  weil  der  Grundgedanke 
die  ethische  Zusammenschließung  ist,  ist  die  Bedeutung 
jedes  Einzelnen  und  jeder  einzelnen  Handlung  im  Juden- 
tum so  groß  gefaßt.     S.  302. 

§  474.  Notwendigkeit  der  Individualität  für  jede  höhere  Kultur. 
S.  304. 

§  475.  Wohlwollen  zur  Gestaltung  der  sittlichen  Gesellschaft. 
S.  305. 

§  476.  Besitz.  Der  Besitzer  ist  immer  nur  der  Zeit  nach  der 
berechtigte  Vertreter  der  Familie.     S.  306. 

§  477.     Niemand  besitzt  etwas  als  Individuum.     S.   307. 

§  478.  Auf  Recht  und  Liebe  ist  die  Gesellschaft  zu  gründen. 
S.  309. 

§  479.     Liebe  als  Grundgesinnung.     S.  310. 

§  480.  Nächstenliebe  ohne  Grenzen.  Wahres  Wohlwollen  zeigt 
sich  in  mitfühlender  Schonung.     S.  311. 

§  481.     Gespräche.     S.  315. 

§  482.     Einfälle.     S.  316. 

§  483.     Hindernisse  in  der  Zusammenschließung.     S.  317. 

§  484.  Geschäftsverkehr.  Hausierhandel.  Äußerste  Redlichkeit 
in  Gewicht  und  Maß.     S.  318. 

§  485.     Rechtsordnung.     Gewerbegesetze.     S.  321. 

§  486.     Hygienische  Vorschriften.     S.   322. 

§  487.  Rechtlicher  Verkehr.  Das  Aufdrängen  von  Waren  an 
den  Verkäufer  wird  streng  verpönt.     S.   322. 


1  IV  Inhal». 

I    |  -  und  Gegenleistung;.     v 

189.     Wahrhaftigkeit     Treue  und  Glauben.     S.  325. 
§  490.     Vertragstreue  und  Worthalten.     S.    126 
g    191.     Gelübde  und  Vorsatz.     S.  327. 

Her  Ei.!.     S.   328. 
^    193.     Gemeinsamkeit    «.es    Wirkens    und    Geineinsamkeil 

Schicksals.    (Grundsatz:  Einer  für  alle  und  alle  lür  einen.) 

S.  330. 
§  494.     Vorsorge  für  Zukunft      S.   334. 

Subjektive    Vereinigung    durch    objektive    Gcisleseinheit. 

Zusammenschließung  der  Seelen.     S.  33 
§  496.     Kriegsdienst     S.  336. 


11.  Capitel. 

Kreise  der  Gesellschaft 

;    l.i 7.     Kreise  der  Gesellschaft.     Die  Gesamtheit     S.  33 

§    l'J8.      Streben    und    Wirken    des    Einzelnen    tiir  G    ■  untheit. 

-        il. 
;     199.      Ge  neinsamkeit  der   Interessen.      S 
00.     Einschränkung  der  Eigentumsrechte     S 
»01.     Wenn  Eigenwille  sieh  gegen  die  Autorität  auflehnt,  dann 
et    die    Stufenordnung    dei   Gesellschaft    und    die 
Würdigung  des  Guten      B.   844. 
»02      Pflichten  der  Gesamtheit  gegen  den  Einzelnen.     S.  B46. 
03.     Gesctzstudium  und  Kulturarbeit     S.  350. 

15.  Capitel. 

■  l      Der  Staat      -    354. 

taat  im 

06.     SU  Recht     S    358 

s  Einheit      -       |>9. 

Staat  und  Regierung.     8 

s  5"  I  rille.    8 


Inhalt.  LV 

Menschheit  und  Messianische  Hoffnungen. 

§  510.     Menschheit  und  messianische  Hoffnungen.     S.  361. 

§511.     Der  erste  Gedanke  der  Menschheit.     S.  362. 

§  512.     Das  letze  Ziel.     S.  562. 

§  513.     Idee   der    alttestamentlichen    messianisehen  Prophezeiung. 

S.  364. 

Nachträge.     S.   368. 


Dritter  Abschnitt. 

Der  Weg  zur  Sittlichkeit 


Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II 


8.  Capitel. 

Dauernde    Eigenschaften,  Tugenden    (ivnty,   die 
gewonnen  werden  sollen. 

§  292.  Die  Ausbildung  des  Gemütes  (des  Charakters) 
wird  erworben  und  in  der  Jugend  durch  Erziehung  vor- 
bereitet 

A)  durch  Intelligenz  — Wahrheit  —  Erkenntnis  und 
Wahrhaftigkeit.     Gegen  Aberglauben; 

B)  durch    Gefühl.     Regsamkeit,   Zartheit,   Innigkeit. 

C)  durch  den  Willen.  Er  soll  fest,  ausdauernd,  gleich- 
mäßig sein.     Energie. 

A. 

Geistige  Tätigkeit. 
§  293.  Die  schöpferische  Tätigkeit  des  Menschen  ist 
sehr  mannigfaltig;  überall  nur  Bilder  und  Gestalten;  dem 
Stoff  wird  Form,  der  trägen  Masse  Energie  gegeben.  Die 
höchste  schöpferische  Tätigkeit  ist  die  am  Menschen,  an 
seiner  Person,  an  seiner  inneren  Gestalt  selbst.  Bildung 
ist  ein  treffender  Ausdruck.  Andere  bilden  oder  sich 
selbst. 


■1 

ler   milde    Billel    schreckt    \  d    stärksten 

nicht  zurück,  um  den  zu  verurteilen,  welcher 
alle]         ätigeu    Beschäftigung   und    aller   BLulturtät 

hlägt 

Stetiges  Wachstum  des  inneren  Menschen  an  Gehalt 
und  a::  Kraft,  an  Inhalt  und  Fähigkeit  gehört  zur  sitt- 
lichen Entwicklung. 

•z  -^t;~  rona  pwi  b»  ft3V\  min  meh  DKJ 
Wenn  du  deine  Intelligenz  ausgebildet,  Erkenntnis  der 
Wahrheit,  d.  h.  des  Ewigen,   Unendlichen,  Notwendigen 
—  im  isatz  zu  jedem  ein:  Fall  und  Ereignis, 

die  mehr  dem  Zufall  angehören  und  nur  an  dem  Tuend- 
en Teil  nenn  erworben,  so  erblicke  darin  keinen 
~':t;7.  für  dein  eignes  Selbst;  denn  dazu  bist  du 
(Ten,  das  ist  deine  Bestimmung:  und  was  von  dem 
lir,  das  gilt  ja  \   i        lern  Anderen,  gilt  von 
■  dazu  geschaffen,  bestimml 
..  !..    I  >!•  ä  wird  auch  .t.  da!',  die 
Thora  d<  r  Wi  Ltschöpfung  voraufgeht,  d.  li.  wie  der  <  tedanke 

und  X  ition   vorangeht,   die 

und  dii    Gesinnung   I  d.  h.  die  Bereitwillig- 

st  und    las  81  Erfassung  des 

Kv.  igen. 

1 1  oken    wird 
rt.  Bilder, 

-i'-llui]'_ren  mit  ali  rtenE  ;enschafl 


Intelligenz.    Scharfes  Denken.  5 

mit  allen  vielseitigen  Beziehungen;  das  befördert  analo- 
gisches Denken,  bewirkt  wahres  Verständnis  und  regt  auch 
den  Witz  an,  der  nicht  bloß  ein  häufiger  freudebringender 
Grast  der  rabbinischen  Schulen,  sondern  ein  mächtiger 
Hebel  der  Gedankenschöpfung  in  ihren  Kreisen  gewesen 
ist.  ^seben  der  ruhigen  Sammlung  der  Gedanken  ist  die 
gegenseitige  Reizbarkeit  und  Regsamkeit  derselben  das 
Ideal  der  geistigen  Tätigkeit  gewesen.  * 

Auch  die  deutliche  Aussprache  —  die  ein  wichtiges 
formales  Element  für  scharfbestimmtes  Denken  bildet, 
was  die  Pädagogen  nicht  genügend  beachten  —  wird  im 
Talmud  gefordert;  sie  wird  an  denen  im  Westen  gerühmt 
und  an  denen  im  Osten  wird  der  Mangel  getadelt.    Eru- 

1  Oft  genug  ist  es  gar  nicht  der  Gegenstand,  das  Resultat  des 
Denkprozesses,  um  das  es  sich  handelt.  Eine  Halacha  wird  von 
einem  Forscher  nach  der  Tradition  entschieden,  d.  h.  für  die  Praxis 
wird  an  der  Tradition  von  demselben  festgehalten.  Aber  vorher 
werden  alle  Künste  des  Scharfsinns,  die  allerfeinsten  Spaltungen 
und  Zerlegungen  der  Begriffe  und  die  kühnsten  neuen  Kom- 
binationen derselben  vollzogen,  um  zu  beweisen,  daß  die  Tradition 
auf  einem  Irrtum  beruht.  S.  Beispiele  bei  Weiß.  Aber  auch  von 
anderen  Gebieten  gilt  dasselbe  und  nicht  bloß  in  der  Wissenschaft, 
Exegese,  Midrasch  usw.,  sondern  auch  in  weltlichen  Dingen.  Man 
gesteht  den  Juden  besondere  Kunst  und  Fertigkeit  im  Handel  zu; 
aber  man  irrt  sich,  wenn  man  glaubt,  daß  nur  der  Erfolg  des 
Handels,  nur  der  Geldgewinn  die  eigentliche  und  alleinige  Trieb- 
kraft dieser  Fähigkeit  ist;  der  Gewinn  ist  das  Ziel  des  Handels 
bei  allen  anderen  Menschen  ebenso  wie  bei  den  Juden.  Wenn 
dies  Ziel  nicht  alle  ebenso  stark  und  ebenso  sicher  auf  den  Weg 
leitet,  so  kommt  es  daher,  daß  im  Juden  der  Drang  und  die  Macht 
der  Tätigkeit  und  die  Lust  an  derselben  so  viel  größer  ist. 


Hl  iohkeit 

bin  3b  wird  an  den  Graliläern  getadelt,  nicht  scharf 

artikulieren,   daher   ihre  Wörter  vieldeutig  klingen  und 
hu  pen  Sinn  gehen, 
"..   Die  Forderung  ist:  Sich  mit  d  •■  zu  identifi- 

zieren, das  objektive  Gesetzjzuni  subjektiven  eigenen  machen. 
Wahrheit  ist  in  der  intelligiblen  Welt  als  objektive 
Wahrheit  gegeben,  der  Mensch  soll  sie  zu  seiner  eigenen 

ben  und  erkannten  machen.     I  >i<>  deutet  auch  EU 
höchsl    Binnig   mit    der    feinen  und  witzigen   Unterschei- 
de im    Psalm   1,  2    an:    „Erat    heißt   es: 
■  Lehre  G  l)i''  Wahr- 
heit der  Idee  ist  zum  persönlichen  Inhalt,  das  Denkgesetz 
ist  im  M'              zum  Denkakt                       Abodaz.  19\ 
Auch  den  Wert            »rmalen  Bildung  hat  Baba  erkannt. 
denn  er  wird  durch  die  Ford«                     .rückt,  zu  lerueu. 
man  den  Bingulären  Inhalt  wieder  vergißt    Die 
...•    Schulung    de     I              bleibt,    obwohl    der 
lle  Inhalt  wieder  vergessen  wird.1 

i   Es  ist  nur  freilich  Eweifelh  -  h  nicht  zu  viel  bestimmte 

G     koken   in  den  jehobeni  n  ntni 

-:--j  vti  bioeindenl  e;                     ■  achten,  •  ü    tlaba  nicht 

IlUr             :,r    tauet  K                 m  von  der  hö<  bsten 

Wertuj  il  rein  ethischen 

,  1.  1    Anh.  Nr.  2'.  S.    107    dal 

M,      -     i,  tolSSpIÜch« 

:    auf  ihren 
.,.     v,i    .  B  i  :••  i  DI  ei  R  il  a  in    Die 
b.  Amor.  S.  114 — 139  r  hat   schon    i 

•    Grund  dazu  (je  irlbauen. 


Thorastudiuin.  7 

§  296.  Das  größte  Gewicht  und  Übergewicht  wird 
auf  die  Thora  gelegt. 

Alle  Geister  sind  von  der  Überzeugung  beherrscht,  daß 
es  beim  wahren  Innehaben  der  Lehre  am  wahrhaft  sitt- 
lichen Leben  nicht  fehlen  kann.  Und  wenn  man  auch 
die  Tatsache  der  Erfahrung  nicht  wegläugnen  konnte, 
daß  auch  der  Gelehrte  sündigt,  daß  also  die  Denkarbeit 
des  Wissens  noch  keine  Gewähr  für  die  Reinheit  und 
die  Energie  des  Willens  bietet,  so  hat  man  diese  Fälle 
nur  gleichsam  als  Ausnahmen  betrachtet,  welche  den 
Grundgedanken  nicht  erschüttern  können.  War  doch 
auch  dieser  Grundsatz  selbst  nicht  etwa  auf  die  Erfah- 
rung gegründet,  so  daß  eine  abweichende  Erfahrung  ihn 
anfechten  könnte;  vielmehr  galt  der  Grundsatz  selbst  als 
in  sich  selbst  feststehend,  als  unmittelbare,  nicht  weiter 
zu  deduzierende  Wahrheit. 

Das  war  aber  dadurch  allein  möglich,  daß  unter  Thora 
nicht  nur  die  subjektive  Tätigkeit  des  Geistes,  sondern 
zugleich  auch  der  objektive  Gehalt  verstanden  wurde; 
die  subjektive  Tätigkeit,  die  persönliche  Beschäftigung 
ist  min  llö^n;  weil  aber  diese  nur  die  Thora  zum  Ob- 
jekte hat,  ist  sie  aufs  Höchste  geschätzt  und  steht  aller 
anderen  Handlung  und  Werktätigkeit  gegenüber.  Mit 
anderen  Worten:  der  Thoraforscher  ist  nicht  bloß  der 
Wissende,  der  Gelehrte,  sondern  er  ist  der  Weise.  — 

Treffend  wird  dies  auch  durch  den  Sprachgebrauch 
ausgedrückt,  daß  die  bei  der  Diskussion  über  einen  Lehr- 


111.    Dei  Weg  zur  Bittlichkeit. 

ade  Majorität    als  die  DMMfl  Bchlechtweg 
inet  wird.    Gewiß  hat  niemand  daran  gedacht,  daß 
B    die  Einzelnen    ans    der   Anzahl  der  entscheidenden 
Majorität    im  Vergleich  zu  den  Vertretern  individueller 
sichten,  also  zu  den  als  Autoren  derselben  bei  Namen 
tannten  Tannaim  gescheiter  wären,  daß  sie  schärfere 
Denker,  feinere  Beobachter  u.  dergl.  waren,  Bondernweil, 
Lehren,  als  Wahrheit,  als  festgestellte  Satzung  gilt, 
s  die  DIDDn;  als  die  entscheidenden  Lehrer  der  nun- 
br  als  objektiv  geltenden  Wahrheit  Bind  sie  die  „Weisen". 
In   mannigfacher  Beziehung   sehr  bemerkenswert    - 
auch  die  allegorischen,  genau  gesagt,  mythischen  Vorstel- 
lungen, welche  die  Phantasie  des  Midrasch  üh  r  dii  Thora 
hervorgebracht  hat.    Ich  hebt   hier  nur  einen  Punkt  1. 
vor:  die  Thora  ist  das  Erste  der  Welt ;  sie  isl  auch  gerade- 
zu zeitlich  der  Weltschöpfung  vorai  n;  auf  Bie  hat 
r  allmächtige  Schöpfer  hingesehen,  als  er  die  Well  Behuf, 
Baumeister  auf  den  gezeichnete!  P  in  sieht,  wenn 
□  Palast  baut  (8.  Ber.  r.  Par.  I.)1   Der  Sinn  ist  offen- 
r:  Nicht  die  aus  der  Erfahrui  chöpften  Um- 
Verhältnisse,   welche   zusammen   das   Welt- 
□  und   den  Weltlauf  bestimi       .    haben  die 
adbaren  Lehren  und»          e  veranlaßt,  son- 
\  < > 1 1 1 1  der  Anwendbarkeit  der  Satzungen 
\\  •  1(  -;.!./•    . .  bi  det    (Vgl  die  Stelle  in  T.  I  An- 
i    S.  418   Ql                            von  ]  löllinf  • 
nS.  4, 


Schärfung  der  Intelligenz  durch  Gemeinsamkeit. 


Hier  haben  wir  den  äußersten  Gegensatz  gegen  die 
modern  utilistische  Theorie,  nach  welcher  alle  Sittlich- 
keit, kurz  gesagt,  nur  aus  der  Mischung  von  Erfahrungen 
und  Begierden  entspringt. 

Schärfung  der  Intelligenz  durch  Genieinsamkeit. 

§  297.  Der  Talmud  eifert  gegen  einsames  Studium,  er 
fordert  Gemeinschaft.  Ein  Messer  wird  an  der  Kante  des 
anderen  geschärft,  so  die  Forscher  und  Lernenden.  Mak- 
koth  10a  vergl.  Berach.  63b:  R.  Jose  Berabbi  Chanina 
hat  gesagt:  Was  heißt,  was  geschrieben  steht  (Jerem. 
50,  36):  „Ein  Schwert  über  die  allein  Sitzenden,  und 
sie  werden  Toren  sein"?  Ein  Schwert  über  die  Feinde 
der  Schüler  der  Weisen  (d.  i.  über  die  Schüler  der  Wei- 
sen selbst),  welche  sitzen  und  einzeln  sich  mit  der  Thora 
beschäftigen,  und  nicht  dies  allein,  sondern  sie  werden 
töricht. 

Thaanith  7a:  Nach  R.  Chama  hat  R.  Chanina  gesagt: 
Was  heißt,  was  Prov.  27,  17  geschrieben  steht:  Eisen 
macht  man  mit  Eisen  scharf"?  Es  will  sagen:  Wie  das 
eine  Eisen  das  andere  schärft,  so  schärfen  sich  auch  zwei 
Schüler  der  Weisen,  einer  an  dem  anderen  in  der  Ha- 
lacha.  Das.  Rab  Nachman  bar  Jizchak  hat  gesagt:  War- 
um werden  die  Worte  der  Thora  mit  einem  Baume  ver- 
glichen, denn  es  heißt  Prov.  3,  18:  „Ein  Baum  des  Lebens 
ist  sie  für  die,  welche  an  ihr  festhalten"?  Um  dir  zu 
sagen:    Wie   ein  kleiner  Baum   den  großen  anzündet,  so 


111.   Der  Weg  zur  Bittlichkeit. 

schärfen  auch  die  kleinen  Schüler  der  Weisen  die  großen. 
I  ■  i  das  im    R  Chanina  gesagt  hat:  Vieles  habe 

ich   von  meinen  Lehrern  gelernt,   \  n  meinen  l  >en 

mehr  als  von  meinen  I  i  meinen  Schülern  aber 

ir  als  Ton  allen. 

E  rkenntnis. 

§  298.     Von  theoretischen  Spekulationen,  selbst   meta- 
physischer  Erkennt        G  wird   eher  abgeraten, 

sie    zu    einer    allgemeinen    sittlichen    Aufgabe    des 
Mei  •  macht  würdi 

rkenntnis,     welche     schon    Jeremia    9,  23 

pr,  Erkenntnis   der  göttlichen   Weltregierung  und 

i  ,        lung  des  sittlichen  Weltreiches.  —  Im  Geg<  nsatz  zu 

i.ach   ird  .   sinnlichen    Genüssen    wi 

5,12  allerdings  auf  die  Erkenntnis  göttlicher  Werk.' 

und  göttl  '•  tin,  aber  daß  auch  hier  vorzo 

Weltregierung   Gr<  ind    der    Er- 

in         ;  au    nvma  myn  und  naa"»  rwyn  b( 

im    Talmud    nur    einschränkende    Vorschriften; 

nir.  je  Pflicht 

iu<  b  Maimonidi  Iiur 

all.  Bind*  tuf  philosophit        Erkenntnis. 

ler  Fors«  hui  bon  von  I  6, 3  ge- 

1  she  Erkenntnis  wird  «rst  in  ip&fa  ren 
rt. 


Gesinnung  und  Erkenntnis.  11 

fordert:  „Wir  wollen  erkennen  njni",  ja:  „wir  wollen 
nachsetzen  (uns  bestreben)  zu  erkennen."  Vergl.  das.  6,  6. 
Nach  talmudischer  Auffassung  ist  die  höchste  religiöse 
Aufgabe:  Gott  anzuhangen,  ihm  hingegeben  sein,  nur 
dadurch  erfüllbar,  daß  der  Mensch  den  Anhang  mit  den 
Forschern,  Gelehrten,  Wissenden  sucht.  S.  Ketuboth 
11  lb. 

Gesinnung  und  Erkenntnis. 

§  299.  Eine  der  merkwürdigsten  Gedankenwendungen 
ist  die  bei  Jeremia  31,  33.  Auf  so  etwas  wie  J"6DK  "O 
konnte  kein  griechischer  Philosoph  kommen.  Vergl.  meine 
Schrift:  Der  Prophet  Jeremia. 

Mit  der  Einrichtung  der  Vorlesung  aus  der  Thora 
(eine  im  ganzen  Altertum  unerhörte  Tatsache)  beginnt 
und  Ton  Jahrhundert  zu  Jahrhundert  steigt  die  charak- 
teristische Einschärfung,  daß  eigentlich  jedermann  aus 
dem  Volke  sich  mit  der  Kenntnis  der  Thora  und  dem 
Studium  befassen  soll. 

Auch  auf  die  Bereitschaft  der  sittlichen  Erkenntnis 
ist  zu  achten;  deshalb  Studium  und  Nachdenken;  in  jedem 
Augenblick  kann  ein  zutreffendes  Urteil  über  Menschen 
und  Handlungen  erfordert  werden.  Die  meisten  Menschen 
urteilen  deshalb  so  wenig  gerecht;  sie  würden  es,  wenn 
sie  die  Sammlung  und  Vorbildung  hätten.  Vergl.  dazu 
Kidduschin  30 ab:  Unsere  Rabbinen  haben  mit  bezug  auf 
Deut.  6,  7    gelehrt:    Die  Worte  sollen  in    deinem  Munde 


III.  Weg  zur  Sittlich] 

d.  i.  sicher  und  geläufig)  sein.  Wenn  dich  näm- 
lich jemand  etwas  fragt,  <o  antworte  ihm  nicht  Btammelnd 
(d.  i.  unsicher),  sondi  n  es  ihm  sofort  klar  (deutlich). 

Den  Streit   der  Meinungen  soll  man  nicht  scheuen;  i 
die    notwei  Folge    der   Individualität;    abt  r   ü 

■  :  ihn  zum  Ziele  der  Übereinstimmung  zu 
führen.  S.  Kidduschin  30 b :  Was  heißt:  „Mit  Feinden  im 
Ton  -    I'-.  127, (  <     ija  bar  A.bba  hat  g<  Selbst 

der   V;i!rr  und  sein  Sohn,  der   Lehrer  und  sein  Schüler, 
welche  über  die  Thora  in  einein  Tore  sprechen,  geraten 

teinander  dadurch  in  Feindschaft,  Bie  sollen  aber  d 
von  dort  weichen,   bis  sie  dahin  .  men  Bind,  daß  einer 

rn  wieder  liebt. 

t  und  Anerkennung  der  Weisheit. 

".  a  keinem  Geringeren  als  Josua  ben  Chananja 
wird  erzählt,  daß  er  den  EL  Eliezer, 

Gegners,  küßt   und  sagt:    Dieser  Stein  gleicht 

-     li  und  der  darauf  zu    sitzen    pflegt, 

S.  Biidr.   Schir   hasch,   r.   zu    BohesL  L,  3. 

Man   dar:  1  durch  Parteiung, 

der  iftlichen    Richtung    usw.    nicht 

•  trdbeu  lassen. 

idium  und   A  nteilnahi  r   M  B 

Man  bat  Lei  Gra  c   Mir  d  e  Kultur 

eii^         Lkes  die  A  bme  bezeichnet,  welche  es  fQr  die 


Anteilnahme.  13 

Leistungen  geistiger  Größe  an  den  Tag  legt.  Bei  den 
Juden  große  Anteilnahme,  s.  „Treu  und  Frei"  und  „Vor 
fünfzig  Jahren".  —  Die  großen  Druckereien.  —  Dasselbe 
besagt  Berach.  63 b:  „rDDn  Merke  auf"  (Deut,  27,9),  d.  i. 
machet  Versammlungen  über  Versammlungen  niflD  mro 
und  beschäftigt  euch  mit  der  Thora,  weil  die  Thora  nur 
durch  in  Genossenschaft  (mUPü)  erworben  wird. 

Auch  der  strengste  Traditionalist,  (wenn  er  nur  ehr- 
lich ist  — )  ist  gezwungen,  die  Vernunft  fortwährend  zu 
Rate  zu  ziehen  und  zu  prüfen,  ob  er  nicht  aus  guten 
Gründen  von  der  Tradition  abweichen  muß;  d.  h.  er 
muß  immer  kritisch,  immer  mit  kritischem  Verstände 
lesen,  wenn  er  nicht  auf  Erkenntnis  der  Wahrheit  ver- 
zichten will. 

Ein  eklatantes  Beispiel  bietet  der  strengkonservative 
Dr.  I.  Lewy,  der  zugleich  ebenso  streng  kritisch  ist  und 
doch  kommt  er  dazu,  im  Text  das  absolute  Gegenteil 
von  dem  zu  lesen,  was  wir  in  unserem  Talmudtexte  finden. 
In  der  jerusalemischen  Gemara  zu  Baba  kamma  Perek  I, 
Mischna  2  sagt  Rabba  bar  Memel  TiöB;  Lewy  im 
Kommentar  sagt:  yri  löft  "psp  "Sil1 

Wahrheit. 

§  302.  Das  Innere  und  nicht  das  Äußere,  das  Wahr- 
hafte und  Wesentliche  soll  ergriffen  und  festgehalten 

1  Siehe  Jahresbericht  des  Jüdisch-theologischen  Seminars  Frankel- 
scher  Stiftung  1899,  Seite  (46)  n"=. 


11  Hl.    Der  Weg  zur  Sittlich!. 

werden,   anstatt   am   bloßen  Schein,   an  der  realen  Tat- 
Bache  zu  haften. 

\\\r  die  Stätte  der  religiösen  Übung  und  Gemein- 
aft  nur  als  Versammlungsort,  als  Volkshaus  (und 
nicht  Gotteshaus  ansieht,  wer  den  heiligen  Schrein 
mit  der  Q  tzesrolle,  dieser  edelsten  Quelle  aller  sitt- 
lich religiösen  Erkenntnis,  eine  Urne  nennt,  er  weiL.  nur 
vom  toten  Buchstaben,  der  darin  bewahrt  wird,  aber  nicht 
vom  Lebendigen  Geist,  der  daraus  spricht 

Wahrhaftigkeit 

§303.  Und  wenn  man  einem  Menschen  alle  Glücksgüter 
und  alle    Ehren,  welche  seine   Mitwelt  ihm   er- 
kann, böte,  er  darf  seine  Überzeugung,  die  Wahr- 
heit, die  er  als  solche  erkannt,  nicht  verleugnen.     Eines 
verbr<  iteten  Sprichwörter  des  .Judentums 
labtet:   D  gel   Gol  Wahrheit!  121  U3JWM 

und    Wahrheit    ist    in   diesem  Zusammenhange:    Wahr« 

ha  it 

len  Berichten  über  die  Hunderte  und  Hunderte  der 
talmudischen  W  hrer  Tu  senden,  aber  auch 

ihr,  cht  wird,  findet  sich  auch  nichi  einer, 

de-  ...  i     .  •  oel  hatte,  wii 

Meinung  auch   ■  :<  o  ler  den  Anton- 

ie! Zeit  beatritti  q,  wie  hart  die  Verurto  ilung  emp- 

.;.  I  i  H 

irheit     D.  H. 


Wahrheit  und  Wahrhaftigkeit.  15 

funden,  oder  wie  verlockend  der  Lohn  eines  Widerrufes 
dargeboten  wurde.  Eliezer,  genannt  der  Große,  wird  in 
den  Bann  getan,  weil  er  gegen  die  Autorität  sich  auf- 
lehnt; er  trägt  hart  und  schwer,  aber  seine  Meinung  gibt 
er  nicht  auf.1  Dem  Akabia  b.  Mahalalel  wird  das  Ehrenamt 
angeboten,  welches  das  Höchste  bedeutet,  was  er  überhaupt 
im  Leben  erreichen  kann,  wenn  er  von  seiner  Tradition, 
mit  der  er  allein  steht,  lassen  und  der  Gesamtheit  seiner 
Gegner  zustimmen  will.  Was  antwortet  er?  „Lieber  will 
ich  mein  Leben  lang  vor  den  Menschen  ein  Narr  heißen, 
(ein  Narr  der  so  Hohes  nicht  zu  schätzen  weiß)  als  eine 
Stunde  meinem  Gotte,  der  Majestät  der  Wahrheit,  un- 
treu werden".2 

Diese  und  ähnliche  Beispiele  waren  in  allen  Schulen 
überliefert,  sie  waren  aller  AVeit  bekannt;  die  Idee  der 
Wahrhaftigkeit  konnte  nicht  energischer  der  Volksseele 
eingeprägt  werden. 

Irgendeine  Wahrheit  der  Religion  konnte  zweifelhaft 
sein,  es  konnte  darüber  gestritten  werden,  die  Religion 
der  Wahrheit  aber  stand  immer  und  bei  allen  fest. 

Man  hat  mit  Recht  gesagt:  Es  ist  viel  ehrenvoller, 
einen  Irrtum  oder  ein  Unrecht  einzugestehen,  als  es  über- 
haupt nicht  begangen  zu  haben.  "Dl  nnöiy  n"2W  Dipol 
ist  derselbe  Gedanke;  die  Begründung  s.  in  T.  I. 

Neben    der   Wahrheit   wird  Wahrhaftigkeit   und   freie 


»  ßaba  mez.  59b.     D.  H.  2  Edujolh  V,  7.     D.  H. 


111     Der  Weg  zur  Sittlich,. 

Forschung  gefordert  R.  Jose:  die  Gegner  verketzern 
ihn  nicht,  wir  hören  nicht-  davon;  aber  Bie  nehmen 
ist  -eine  Meinung  auf;  Beine  Autorität  ist  nicht  ge- 
mindert; aber  sie  modifizieren  dieselbe  behufs  der  Har- 
monisierung. In  der  Tal  wollte  er  gewiß  allegorische 
Deutung  an  die    :  wörtlichen  Erzählung  setzen; 

die  Gläubigen  hatten  am  Wörtlichen;  sie  helfen  sich  allen 
Ernstes  und  mit  redlicher  Absicht  mit  scholastischen 
Spielereien,  die  in  unseren  <  Ihren  fast  blasphemisch  kling 

S.  Sukka 

hie  1 ,  ü  g  e. 

<  304.    np»n  161  wror\  i6j    pmn  nptf  lärmt    Die 

rohnheitsmäßige  von    Personen,    die    sich    durch 

nichts  in  der  Wahrheit  geltend  machen  können,  geübt  — 

•    anfangs   meist   nur  leichtfertig.      Auf  keinem 

Lei  ihtfertigkeil  ehr   den  Grund  als 

:••:    [Trage  der  Wahrhaftigk«  I 

M;m    muh    die    Notlüge    von    der    wohlwollenden    und 

wohlm  len  unterscheiden,  b.  den  Streil  \"n  Vf'2  und 

"i3  —  diese  letztere  wird  nicht  leicht  Schaden  anrichten. 

sie  hat  immer  eia  gu       I     rissen  in  bezug  auf  da-  Ziel. 

retrebt.    !'  Ige  ist  das  Entgegengesetzte 

.der  PalL     Der  Widerstreit   in  der  Seele  —  —  —     Die 

Notlüge  aber  ii  eine  wirkliche,  son- 

was  vermieden  werd 


.11.  .  7.  -1  Kclhub.  l'.1'  ii   17  • 

7     ii    l».r  VI       I»   II. 


Lüge.    Gegen  Aberglauben.  17 

soll,  kann  meist  auf  dem  Wege  der  Wahrheit  ebensogut 
vermieden  werden.  Z.  ß.  „nicht  zu  Hause"  —  oder  „be- 
schäftigt"1 —  man  muß  auch  von  dem  anderen  ein  Ent- 
gegenkommen und  darum  Schätzung  der  Wahrhaftigkeit 
verlangen. 

Gegen  Aberglauben. 

§  305.  Gegen  Zeiten,  Dinge  von  Bedeutung  s.  besonders 
Sanhedr.  65b.  Dl  tSTDD  TU.  Völlig  frei  vom  Aberglauben 
usw.  ist  selten  einer,  tyrüö  ÜW  DTK  bD  KIT  Wl  mn  fnflK  "'in 
V'Dl  imK  pD'flDD.a  Es  gilt,  absolut  fest  an  Naturgesetz 
und  der  sittlichen  Weltordnung  halten.  Man  darf  nicht 
nachgiebig  sein  gegen  den  Abergläubigen;  wo  das 
stattfindet,  ist  es  ein  Beweis,  daß  die  Wahrheit  nicht 
tief,  nicht  rein,  nicht  klar  und  fest  ist.  Dies  Herabsinken 
auf  die  Stufe  einer  niederen  Weltanschauung  ist  ein 
Abfall,  des  wahrhaft  Denkenden,  Gebildeten  unwürdig. 
Die  beste  Art  der  Widerlegung  der  Zauberkunst  s.Chull.7b.3 
Man  muß  bedenken,  daß  das  Prinzip  (wie  noch  lange  hin, 


iVergl.  die  Erzählung  von  der  Ortschaft  xtsenp,  Wahrheit  in  Sanh.97a. 

2  Die  Stelle  Nedarim  32a  lautet  wörtlich:  Ahaba,  Sohn  des  R.  Zeira 
lehrte:  Jeden  Menschen,  der  nicht  Zauberkunst  treibt,  läßt  man  in  eine 
Abteilung  eingehen,  in  welche  nicht  einmal  die  Dienstengel  eingehen 
können;  denn  es  heißt  (Numeri  23,  23):  „Denn  nicht  ist  Zauberei  in 
Jakob  und  nicht  Wahrsagekunst  in  Israel."     D.  H. 

3  Die  Stelle  lautet  wörtlich:  Es  war  eine  Frau,  welche  sich  mühte, 
Staub  unter  den  Tritten  des  R.  Chanina  zu  nehmen  (um  ihn  damit 
durch  Zauberei  zu  schädigen).  Er  sprach  zu  ihr:  Nimm,  deine  Sache 
wird  dir  nicht  gelingen.  Es  steht  geschrieben  Deuter  4,  35:  „Es  ist 
keiner  außer  ihm."    Vergl.  Sanhedr.  67b.    D.  H. 

Lazarus,  Etbik  des  Judentums  II.  2 


1  -  •  Weg  zur  Sittlich! 

viele  \  noch  jetzt)  allgemein  verbreitet  war. 

d    solches    falsche    Prinzip    ist    et 
mch  jetzt  noch! 

Die   Entwicklung  des  sittlichen   Menschen. 

106.     Xu  berücksichtig       -  ad: 
a)  Einseitige,  vielseitige  and  allseiti  twickelung  d<  r 

( Jharaktere. 
Erblichkeit    und   ihre  Grenzen.     Frühes  Eingreifen 
r  Sitte,  des   i 
ci  Die  eigentliche   Erziehung, 
d)  Die  Gewöhnung  (und  Selbsterziehung 

Erhebung  a)  durch  Leiden  (ihre  I'"  leutung), 
durch  !.'•    i    and   Ba 

Weitere  Ausführung  des  Gesu 

^  3'»7.    l.  Schon  in  aora  und  dann  in  der  Spr 

Propheten  wird  dir  A  A        aen  als  „der 

■pi  bezeichnet,   den   er  gehen  soll,  um  sein  Ziel 
zu  .  o   Beruf  zu  erfüllen,  den  wahren  \\ 

u  erringen   und   zur  eigentümlichen  Würde 
.1  tieser  Weg    best«  ht    in  d 
Erfüllun  •  in   der  Vollziehung  von  ll 

lungen  und  Ausführung  von  Tat«  Zieh   der 

t   führen.     Das  also,   wa  5    blichkeil   for- 

i  und  bestimn       I 

and  MaL    I  >;<    verscl 


Aufgabe  der  Sittlichkeit.  19 

denen  Tätigkeiten,  welche  ausgeübt  werden  sollen,  heißen 
deshalb  Pflichten,  mm 

2.  Hinter  jeder  Tat  steht  die  Person  als  das  Tätige. 
Von  der  Beschaffenheit  der  Person  hängt  ihr  Tun  ab; 
wie  der  Mensch  ist.  so  handelt  er.  Wird  also  der  ethische 
Lebensgehalt  durch  die  Gesamtheit  aller  Pflichten,  welche 
zu  erfüllen  sind,  bezeichnet,  so  offenbart  sich  derselbe 
andererseits  in  den  Eigenschaften  oder  Fähigkeiten  der 
sittlichen  Personen. 

Ein  vollständiges  System  der  Sittenlehre  hat  deshalb 
beides  darzustellen,  die  Pflichten,  welche  erfüllt  und  die 
Eigenschaften,  welche  erworben  werden  sollen.  Sittliche 
Eigenschaften  werden  auch  Tugenden  genannt.  Die 
Ethik  ist  also  Pflichtenlehre  und  Tugendlehre.  Würden 
nur  die  Eigenschaften  der  Person,  die  zu  erringen  sind, 
also  nur  die  Tugendlehre  dargeboten,  so  würden  sich  aus 
ihr  allein  alle  die  bestimmten  Pflichten,  die  für  alle 
Lebenslagen  in  Betracht  kommen,  noch  nicht  ergeben. 
Würde  aber  nur  die  Pflichtenlehre  als  Ethik  dargeboten, 
dann  fehlte  noch  die  Erkenntnis,  welche  Eigenschaften 
und  wie  sie  erworben  werden  müssen,  um  die  Erfüllung 
der  Pflichten   zu    sichern    oder   wenigstens  zu  befördern. 

3.  Aber  durchaus  nicht  bloß  um  technische  Gründe 
handelt  es  sich,  weshalb  die  Ethik  nicht  bloß  Pflichten-, 
sondern  auch  Tugendlehre  sein  soll;  nicht  bloß  auf  Voll- 
ständigkeit, meine  ich,  und  auf  Leichtigkeit  der  ethischen 
Erkenntnis   kommt    es  an;   vielmehr  gilt   es   dabei,    eine 

2* 


111.   Der  Weg  rar  Bittliohki 

der  wichtigsten  und  prinzipiellen  Fragen  über  (las  inner- 
Wesen  der  Sittlichkeit  zu  Lösen. 

Wenn  man  von  allen  metaphysischen  und  religiösen 
Betrachtungen  aber  den  Menschen,  Bowohl  aber  das  In- 
dividuum, wie  ttber  die  gesamte  Menschheit,  absieht,  dann 
bleibt  die  Sittlichkeit  als  Selbstzweck  der  letzte  und  der 

höchste   Gedanke,    als   die   eigentliche   Idee   der   ethischen 

Wissenschaft.    Diese  Idee  aber  umfaßt  beides:  einerseits 

die  Beschaffenheit  der  sittlichen  Person,  der  einzelnen 
und  der  Gesamt- Persönlichkeit,  welche  ausgebildet  wer- 
den soll,  und  andererseits  die  Art  und  den  Inhalt  ihrer 
Lebensführung;  mit  anderen  Worten:  die  Idee  der  Sitt- 
lichkeit offenbart  und  realisiert  sich  sowohl  in  der  Ge- 
staltung der  Persönlichkeit  Belbst,  als  in  den  Bandlun 
und  Schöpfungen  derselben.  (VgL  T.  I  §  201  und  An- 
bau- Nr.  30). 

1.     In   bezug  auf  die   sittliche  Person   bietet   uns  die 

Beilige  Schrifl  den  Begriff  der  Vollkommenheil   als  die 

höchste  ideale  Norm,  als  den  Gipfel  and  die  Zusammen- 

ong   aller  Vorzüge,   welch.-    errungen    werden  sollen. 

ppnri   DW,  .vollkommen  bo11s1  du  sein-',  ist  der  Aus- 

druck  für  die  I1  form,  /u  welcher  der  Mensoh, 

e  aktive  Persönlichkeit  sich  aufschwingen  soll. 
DTiodei  =-,:r  i..,i.  .  anz,  vollständig,  abgeschlossen,  in 
sich  gleichartig  und  abgerundel  und  deshalb  auch  in  der 

i  Deutet  i\  i 


Aufgabe  der  Sittlichkeit.  zl 

edlen  Bedeutung  des  Wortes  einfältig:1  die  Hincinbil- 
dung  der  Idee  in  die  reale  Wirklichkeit,  die  in  den  Taten 
und  Schöpfungen  des  Menschen  sich  vollzieht,  soll  auch 
in  dem  Wesen  und  der  Eigenart  der  Seele  selbst  sich 
manifestieren;  so  wie  der  plastische  Künstler  den  in 
seinem  Geiste  lebenden  Gedanken  in  einen  Stoff,  in  ein 
Stück  natürlicher  Realität  hineinsenkt,  so  daß  dadurch 
der  äußerliche,  materielle  Stoff  vom  Gedanken  erfüllt, 
vom  Geiste  gleichsam  belebt,  der  Körper  zum  Range  der 
Idee  erhoben  und  mit  ihr  wesensgleich  und  wesenseins 
wird,  so  soll  die  Person  des  Menschen,  sein  Ich,  seine 
Seele  und  sein  Gemüt  von  dem  Bestände  seiner  natür- 
lichen Realität  zur  innigsten  Einheit  und  Gemeinschaft 
mit  der  Idee  sich  erheben,  seine  reale  Natur  selbst  soll 
ideale  Gestalt  gewinnen,  indem  nicht  bloß  sein  Tun,  son- 
dern auch  sein  Wesen,  sein  Können  und  sein  Wollen 
durch  die  Idee  umgestaltet  und  verwandelt  wird.  Mit 
einem  Worte:  die  Idee  soll  im  Menschen  zur  lebendigen 
Realität  werden,  und  sein  reales  Dasein  selbst  soll  ideale 
Gestalt  annehmen. 

5.  Der  Begriff  der  Vollkommenheit  leidet  von  seinem 
inneren  Reichtum  und  von  dem  maßlosen  Umfang,  in 
welchem  er  angewendet  werden  kann.  Gewiß  soll  etwas 
Bestimmtes  durch  ihn  ausgesprochen  werden;  aber  es  ist 
unsäglich   schwer,    diese    Bestimmtheit   zu   finden.     Der 

1  Es  darf  daran  erinnert  werden,  daß  im  Deutschen  auch  heilig 
mit  heil,  ganz,  vollständig  zusammenhängt. 


111.   Der  Weg  zur  Sittlich* 

lanke   der  Vollkommenheit  bedeutet  mehr  eine  Rich- 
tung di     I  '■  als  ein  Ziel  desselben, 

G    •  bwohl  kann  und  solider  i  der  Vollkommen- 

heit nicht  in  ■       Schwebe  gehalten  werden;  einfach  durch 
Beachtung   der         ibenen    Tatsachen   wird  er  klar 
und   deutlich. 

Der  Träger   der  sittlichen  L\<  e   Ist   von  Haus  aus  eiu 
Natur,  von    bestimmter  Beschaffenheit;   er  ist  von 

Natur  her  ausgestattet  mit  vielerlei  Anlagen,  mit  der 
Fähigkeit  verschiedene  Funktionen  auszuüben.  Die  Fähig- 
keiten des  Menschen  aber,  die  zunächst  nur  als  natür- 
liche Anlage  gegeben  sind,  bedürfen  der  tätigen  Kntwick- 
lung,  der  allmählichen  und  gedeihlichen  Ausbildung;  nur 
in   und   dur<  e   Ausbildung  seiner  Kräfte   kann  der 

Mensch  das  Ziel  der  Vollkommenheit  erreichen. 
6.     War   die   Aufgabe    der   Sittlichkeil   als   der  \\  eg 
der  zu  gehen  ist,  BO  ist  damit  Bchon  an- 
daß  ihre  Lösung  schrittweise,   allmählich  sich 
vollzieht     Einerseits  durch   die  psychologische  Entwick- 
lung in   bestimmte  Naturgesetze  gebunden 

durch  das  L  ilter,  die  historischen  Urn- 

en  um  von   Personen  and  Verhältnissen,  in 

di       •  in  I ».  tusfullt, 

:•      i.  .  tdmmt 

..     An  den   Begrifi  W  li<    I     ich  (natur- 

<  rründi  q,  welch* 
I  •  :  :     Bild     ll     Auf- 


Aufgabe  der  Sittlichkeit.  23 

stiegs,  des  Emporstrebens  in  die  Höhe;  der  Weg  des 
Lebens  geht  für  den  Weisen  aufwärts"  (Spr.  15,  24). 
Dieser  Satz  drückt  einen  allgemeinen  Gedanken  aus,  der 
bei  allen  Kulturvölkern  heimisch  ist.  Alles,  was  gut, 
groß  und  edel  ist.  wird  als  hoch  bezeichnet;  was  das 
menschliche  Gemüt  am  stärksten  ergreift,  unfehlbar  an- 
zieht, am  würdigsten  belebt,  was  Ergebenheit,  Anerken- 
nung, Hingebung  erzwingt,  das  wird  als  Hoheit  und  Er- 
habenheit gedacht.  —  Davon  stammt  in  der  rabbinischen 
Sprache  das  Wort  r6}?ö  in  der  Bedeutung  von  Aufstieg, 
Grad,  Stufe,  Vorzug,  Eigenschaft,  auch  Würde  und  Wür- 
den. Die  vorzüglichsten,  hervorragenden  Männer  werden 
als  rP^JJ  \13,  die  Kinder,  Jünger,  oder  wie  wir  im  Deutschen 
sagen  würden:  die  Männer  des  Aufstiegs  genannt  (s.  San- 
hedr.  97b;  Sukka  45b  u.  ö.). 

8.  In  der  vordersten  Reihe  steht  die  Gewinnung 
des  Lebensgehalts  und  die  Handhabung  und  Bewältigung 
desselben.  Es  gilt  deshalb  vor  allem  die  Ausbildung 
der  Intelligenz  im  weitesten  Sinne.  Diese  besteht  in  der 
inneren  xA.neignung  aller  Inhalte,  welche  den  Gegen- 
stand der  Lebensführung  ausmachen  und  in  der  Aus- 
bildung und  Einübung  der  Funktionen,  vermöge  welcher 
wir  die  Inhalte  gewinnen  und  verwenden. 

Die  Funktion  oder  die  Tätigkeit  ist  überwiegend  gei- 
stige oder  Denktätigkeit.  Im  Dienste  derselben  stehen 
aber  die  Sinnesorgane,  denen  sie  die  ersten  und  wich- 
tigsten Elemente  verdankt. 


IM.   Der  Weg  toi  Bittliohl 

Unter  der  Form  des  ErfahrungBsatzes,  daß  dem  Wai- 
.  also  demjenigen,   der    auf  dem  Wege   höherer 
Entwicklung  sieh  befindet,  yv  ripaB1  zukommt,  —  ein  Ver- 
ken  des  Auges  in  den  Gegenstand,   am  ihn  in  bi  iner 
Tiefe   zu   erfassen,  —  wir,d   die    Forderung  ausgedrückt, 
auch  die  sinnliche  Tätigkeit  su  vollkommen  wie  mög- 
lich ausgeübt  werden  soll. 

Auch  zur  produktiven  Tätigkeit,  bei  den  Schöpfungen  der 
Zivilisation  und  Kultur,  also  in  den  Gewerben  und  Kün- 
sten bedarf  der  Geist  der  Sinne  und  der  Bewegungs- 
und  Wirkungsorgane,  deren  Ausbildung  für  die  Voll- 
kommenheit der  Intelligenz  nicht  entbehrt  werden  kann. 
B  i  der  Berufung  des  Bezalel  und  seiner  Genossen 
(Exod.  Kap.  31  und  35)  wird  die  Schaffenstätigkeit  da- 
durch charakterisiert,  daß  in  ihr  aeben  dem  Entwerfen 
Gedanken  auch  die  Geschicklichkeit  und  Fertigkeit 
hervorgehoben  ist,  deren  der  Künstler  bedarf  (2Vn? 
-!-'--:  und  r"sy- 

>.     i  •    eht   die    Denktätigkeil    zunächst     in    dei    Br- 
ost (diese  mögen  materieller 
\rt  Bein),  also  in  dem   Erwerb  ihr  Denk- 
inhalte,   so   fuhrt    die  weitergehend«    I  bigung   mit 
Iben,   das    Denken   über  dir          onenen    Inhalte. 
o   dm    Reflexionstätigkeil    zur    Vollendung   derselben. 
Wir  find«           Ä.i          iui      •.     ■    vom  [nnenleben  in  der 

>t  hp.   i'.  iL 


Aufgabe  der  Sittlichkeit.  25 

jüdischen  Literatur  durch  die  Erfahrung  beherrscht,  daß 
unsere  Gedankenwelt,  unsere  Vorstellungen,  Begriffe. 
Phantasie-  und  Erinnerungsbilder  nicht  plötzlich  da  und 
mit  einem  Schlage  fertig  und  wirksam  sind,  daß  sie  viel- 
mehr der  fortschreitenden  inneren  Aneignung,  Einprä- 
gung  und  Durchleuchtung  bedürfen.  Schon  in  der  Bibel 
steht  neben  dem  njJTl  das  "pn1;  bü  nüBTfl1;  und  wenn 
mit  diesen  auch  zumeist  das  Zu-Herzen-nehmen,  also  die 
sympathetische  Innigkeit  bezeichnet  wird,  die  den  Inhalt 
vervollkommnen  soll,  so  liegt  doch  auch  die  Reflexions- 
tätigkeit  darin  angedeutet.  Die  Rabbinen  aber  drücken 
den  Begriff  derselben,  die  logische  Operation,  welche  zur 
Aus-  und  Fortbildung  der  Begriffe  führt,  treffend  durch 
die  Forderung  aus,  daß  der  Mensch  "DI  "JIJlö  "11*1  )*2ö 
sein  soll;  vom  Bekannten  soll  man  durch  Nachdenken  zum 
Unbekannten  fortschreiten,  zu  den  Begriffen  sollen  die 
Schlüsse  sich  fügen. 

Die  Ethik  als  Wissenschaft  begnügt  sich  mit  der  all- 
gemeinen Forderung;  die  Technik  ihrer  Ausführung  ist 
der  Gegenstand  anderer  Wissenschaften;  Erfahrung  und 
Theorie,  ausgebildet  in  den  Disziplinen  der  Psychologie, 
Erkenntnistheorie  und  Pädagogik,  haben  die  Anleitung 
zu  geben.  Es  fehlt  bei  den  B-abbinen  —  in  Talmud  und 
Midrasch  —  nicht  an  sehr  vielen  Einzellehren,  welche 
auch    aus    diesen  Wissensgebieten  stammen.     Hier  aber 


1  Deuter  4,  39. 


lli  "  Jittli 

I  dut  zur  Charakteristik  ihrer  Denkweise  cur  dies  noch 

ibrt  werden: 
D  enentwicklung,   der   Fortschritt    vom 

fundenen  und  G         Bnen  zu  dem,  wa  acht  und  er- 

o  durch  geistige  Energie  daran-  gewonnen  wird, 
kann  man  anter  dem  Begriff  des  WVi  zusammenfassen, 
übern  tritt    derselbe    in   der  Auslegung  und  An- 

wendung   des    Schriftworts    hervor:    für    die    darin    li- 
nde Me1  und  N  »rmen,  rs.rz.  ani         llt,  weh 
teils  ui          Ibar  der  natürlichen  1-  ntnommen  sind, 
ä  auf  Tradition  beruhen.     Kür  die  Halacha  Bind  von 
Billel  7  solcher   Regeln,   von   [smael   L3  aufgestellt;  für 
die  Eagada            'ich  von  Blieser  32:  in  unseren  Tag 
Malbim  gar  613  erklügelt, 
igen  wir  aber  von  der  Forderung,  die  an  alle 
llt   wird,   zu   der  empor,   welche   an   die  Jünger   der 
\Y;      •               ch  wendet,  bo  linden  wir  den TVrn  beson- 

iiin    im    v.  ii    Umfang,   die 

Kunst,  durch  Analyse  der  Begriffe,  Gleichheil  und  Un- 

•  /n  ,i  g  und  dadurch  neue  Kombinationen 

voi.  len  zu  in.  i  durch  diese  wiederum  neue 

ii.   isi    der  hervorragende  Zug  in 
ien  Geisi       durch    hui.  e   Jahrhun- 
-  •  len,   auch  wahrend  rin'_->- 

nm  ■    and  ergötzt 

in.     Bei  alh      I  ■     turvöll  en  :>    Ent- 

tlfl     .in- 


Aufgabe  der  Sittlichkeit.  27 

Schöpfung  der  Patriarchen  betrachten  dürfen,  deren 
Lebenslage  die  Pflanzung  und  Pflege  aufkeimender  Ge- 
danken in  jeder  Weise  begünstigt.  Die  jüngeren  Gene- 
rationen der  stammhaft  zusammengehaltenen  Familie  ver- 
richten die  Arbeit,  die  Alten  verleben  ihre  hohen  Tage 
in  Muße.  Umgeben  von  der  dankbaren  und  gehorsamen 
Ehrfurcht  aller  jüngeren  Genossen,  reich  an  angesam- 
melten Erinnerungen  und  fortschreitend  vertiefter  Be- 
sinnung, weit  in  die  Vergangenheit  zurück-  und  darum 
auch  in  die  Zukunft  hinausschauend,  üben  sie  das  hohe 
Amt  der  sorgenden  und  ordnenden  Führerschaft  durch 
die  geistige  Beschäftigung  aus,  welche  sich,  alles  in 
allem,  aus  überlieferter  Erinnerung,  erlebter  Erfahrung 
und  prüfenden  und  schöpferischen  Nachdenken  zusammen- 
setzt. J 

Ihre  Erfahrung  ist  eine  oft  wiederholte;  haben  sie  doch 
in  dreien  oder  vieren  der  absteigenden  Geschlechter  die 
Schicksale,  Neigungen  und  Triebkräfte,  die  Charaktere 
mit  ihrem  "Widerstreit  und  Ausgleich  beobachtet.  Uns 
erscheint  ihr  Erfahrungsinhalt  überaus  einfach  und  gleich- 
artig, und,  zusammengehalten  mit  der  Mannigfaltigkeit 
späteren  Kulturlebens,  ist  er  es  auch.  Aber  eben  des- 
halb werden  die  feinsten  Unterschiede,  die  leisesten 
Schattierungen  beachtet,  der  Geist  dringt  in  die  innerste 
Tiefe  der  Dinge  und  Verhältnisse;  auch  Fragen  tauchen 


1  Über  Pflege  der  Erinnerung,  Tradition  s.  Deut.  32,  7  f. 


111.    Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

dabei  auf,  welche  keine  genügende  Antwort  finden,  und 
sie  werden  zu  Problemen,  an  deren  Lösung  folgende 
Jahrtausende  Bich  abmühen,  über  Natur  und  Gi 
Welt  und  Gott  breitet  sich  das  Nachdenken  aus;  aber 
die  Erfolge  langen  Sinnen?  und  Suchens  werden  in  kur. 
S  tzen  ausgesprochen,  welche  zumeist  nicht  theoretische 
Lehrsäl  Lende,  richtende  und  führende  Ge- 

danken Bind.  Je  umfassender  die  Erfahrung,  aus  der  sie 
böpft,  desto  vielseitiger  ist  auch  ihre  Anwendbarkeit, 
■he  ihr  Gewicht  erhöht,  ihre  Autorität  verbreitet 
und  befestigt  In  solcher  ^  i  3<  entstehen  und  wirken 
auch  bei  allen  Völkern  die  Sprichwörter,  welche  gleich- 
sam  dm  esoterischen  oder  profanen  Teil  der  Orweisheit 

{machen,  während  andere  Ausspruch-  tiefer  liegend  nur 
wie  esoterisch  von  den  auserlesenen  Geistern  überliefert 

rden. 

rität    d.r  Sprüche   wachst.   Bage   ich.   im    Laute 

der  Zeiten;  nicht  weil  sie  alter  an   Dauer,  Bondera  weil 

ien  G<  ht.rn  als  Wahrheit  gegolten;  Bie  Bind 

die  Gedanken  L&ngsi  Verstorbener,  die  aber  immer  wieder 

lebendig  waren;  sie  wirken  nicht  als  Vergangenheit,  son- 

rn  oft  wiederholte  Gegenwart. 

reilich  verSchleifen  sich  die  Inhalte  der  Sprüche; 

a.  oft  und  in  Variationen  vielfach  wieder- 

irend,  an   der  8  es  B  vorüber;   Bie  wea 

h   unklar,    wie   da      Gi :  rifiFener    Münzen. 

Dann  kommen  die  Denker  nachfolgender  Epochen;  mehr 


Wesen  des  Charakters.  29 

als  ihre  anderen  Zeitgenossen  schöpfen  sie  aus  den  alten 
Sprüchen  und  sie  trachten  darnach,  die  "Weisheit  der- 
selben zu  erörtern,  ihren  wahren  Sinn  zu  stützen  und  zu 
klären. 

So  entsteht  auf  dem  Grunde  der  Urweisheit,  welche 
ursprünglich  mit  gewaltiger,  aber  unwillkürlicher  und 
naturwüchsiger  Triebkraft  blitzartig  aufleuchtete,  all- 
mählich das  absichtsvolle,  ordnende,  läuternde  und 
sichernde,  mit  einem  Worte:  das  wissenschaftliche 
Denken. 

Das  Wesen  des  Charakters. 

(Übereinstimmung  und  Prinzip,  Maximen  und  Grundlagen.) 

§  308.  Gewiß  ist  nicht  nötig,  daß  sich  der  Charakter  auf 
dem  Grunde  wissenschaftlichen  Denkens  über  ethische 
Prinzipien  erbaut.  Generale,  Techniker,  auch  Staatsmänner 
usw.  können  ohne  ethische  Theorie  auskommen.  Aber 
diejenigen  Menschen,  deren  Beruf  sie  zu  methodischem 
wissenschaftlichen  Denken  auf  irgendeinem  Gebiete  leitet 
oder  zwingt,  werden  das  beste  Teil  ihres  inneren  Lebens, 
das  Eine,  was  not  tut,  auf  niedrigerer  Stufe  in  Form 
und  Fassung  finden;  sie  werden  also  notwendig  das  im 
letzten  Grunde  wichtigste  unter  dem  technischen 
Wertvollen  ihres  Berufes  finden.  Die  größte  Vollkommen- 
heit an  Schärfe,  Bestimmtheit  und  Energie  des  Denkens, 
welche  durch  methodische  Arbeit  erreicht  werden  kann, 


1».  .    Weg  zur  BittHchJ 

mnfi  dem  höchsten  Gehalt  des  Mensches  zugewend 
len. 
Es    ergibt    sich  daraus  eine    Progression  für  Jen  Uru- 
:  und  die  I     •  der  ethischen  Gredankenbewegung  auch 
für  •   Völker.     Je    höher    die    Kultur,   desto   tiefer 

und    energischer    muß    die    ethisch»'    Gredankenbewegung 
sein. 

Die  Sp  sind  ohne  Philosophie  und  besonders  ohne 

ader  und  ilie  Deutschen. 
Die   subjektive  Seite  des  Charakters,   die   Lehre,   die 
Ideen,   die  Forderung,  das  prüfende  Gewis.-en.  das   Be- 
wußtsein soll  kollektivistisch,  die  objektive  Seite  d< — iben 
Gregebene,     Empirische,    die    Leistung    individuali- 
o. 

B. 

Gefühl. 

iL     Ferner:  Grewissen.    —    Allegorie: 

I  »;r.  id    und    l  i.itt.i 
Q 

b  G     Lhle   werden   eingeteilt   in   sinnliche 
ind  inl  ;tuell< 

Lhle  sind:  angenehme nnd unange- 
G    chmack,  <  reruch 
(milde   ETrühlingsluft,    M 
,  !       •  and  Sitze,  Lust  und 


Einteilung  der  Gefühle.  31 

Unlust  oder  Schmerz.  Lage,  trübe,  Witterung  nachBrennen, 
Stechen,  Schneiden).  Verschieden  davon  sind  die  vitalen, 
die  Lebensgefühle  (Vitalsinn):  Gesundheit,  Rüstigkeit 
und  Kraftgefühl.  Munterkeit,  Behagen,  Ruhe  nach  Arbeit 
—  Beklemmung,  Schwäche,  Krankheit,  Unbehagen.  —  Die 
Vitalgefühle  -wirken  als  Stimmungen  auf  die  gesamte 
Tätigkeit.  (Druck,  Last,  Ermattung,  Erfrischung,  Er- 
quickung, Aufregung,  Spannung.) 

Die  intellektuellen,  ideellen  Gefühle  sind 

a)  schöne  und  häßliche, 

b)  moralische  Gefühle. 

Virtuelle  Gefühle  der  Hemmung  und  Befreiung,  der 
Kraft  und  der  überschüssigen  Kraft,  des  Sieges  über 
Schwierigkeiten  und  andere  Kräfte. 

Dauernde,  auf  objektiver  Grundlage  ruhende  Ge- 
fühle, verschieden  von  den  flüchtigen  und  momentanen. 
Beipiele:  Selbstgefühl,  das  des  eigenen  Wertes,  welches 
sogar  vom  Ehrgefühl  (dann  etwa  als  Selbstehre  gefaßt 
oder  gedacht)  sich  trennen  kann.  Stärke  des  Selbst- 
gefühls kann  dazu  leiten,  empfangene  Verletzungen  und 
Kränkungen  zu  verzeihen. 

Gefühl  der  Harmonie,  etwa  in  der  Freundschaft. 

Ethisches  Gefühl  überhaupt,  das  mit  der  Anerkennung 
des  Guten  verknüpft  ist. 

Affekte,  Gemütsbewegungen  (im  Gegensatz  zum 
Gleichmut,  oder  zur  Gemütsruhe).  Charakterisiert 
werden  die  verschiedenen  Affekte: 


32  in     Der  Weg  zur  Bittlichk 

1.  durch  die  Vorstellungen  und  Strebungen,  aus  denen 
die  Bewegung  hervorgeht,  — 

2.  durch  Gefühle,  die  sie  begleiten, 

3.  durch  die  listigen  Zustände,  die  dem  Affekt 
folgen, 

1.  durch  die  Leiblichen  Erscheinungen,  welche  ihn  be- 
gleiten. 9  Bind  nicht,  wie  man  wegen  der  un- 
mittelbaren Wahrnehmung  wohl  glaubt,  aber  irrig 
annimmt,  die  Hauptsache.) 

Dem  Zornigen  wallt  daa  Blut  auf;  der  Beschämte 
errötet  und  erbleicht;  der  Erschrockene  erblalJt; 
dem  Ärgerlichen  regt  Bich  die  Galle;  der  Furcht- 
same bebt,  oder  es  sträubt  sieh  ihm  das  Haar;  der 
Ln-ti'_re  lacht,  oder  weint;  der  Betrübte  weint;  der 
Gekränkte    lacht    b 

Dauer  der  Leiblichen  Erscheinungen  hält  auch  die 
Wiederkehr  der  psychischen  Gemütsruhe  auf. 

Psych  er  Affekt,  Gegensatz  gegen  Gemüts- 
ruhe. Diese  i-t  mittlerer  Grad  der  Erfüllung  des  Be- 
wußtseins mit  in  und  mittlerer  Grad  der 
-    annung.     Affekt            leich    ÜberfUllung   oder    Ent- 

i  und  Anspannm      I   i  tltation,  Expansion. 

i .  pannun  \  I  '■  >n,  Kontraktion. 

1 1  w  er  h -el  n  i e  Gefühle  üb«  elben  ' I 

M  von  den  gemischten  Gefühlen  /u  an 

Jene  erheisch«  i  \  i  i  akeit,  denn 


Gefühle  und  die  Sprache.  33 

sie  werden  leicht  zum  Sitz  moralischer  Schwäche  und 
bei  häufiger  Wiederkehr  zum  Gegenteil  des  Charakters. 

Die  nicht  seltenen  und  oft  unvermeidlichen  gemischten 
Gefühle  aber  bilden  einen  Gegenstand  der  Selbster- 
ziehung, indem  die  einen  gehegt  und  verstärkt,  die 
andern  aber  zurückgedrängt  werden  müssen. 

Gute  Beispiele  zu  geben. 

Die  gemischten  Gefühle  sind  die  aufregendsten.  Da- 
her können  auch  sittliche  Gefühle,  einerseits  mit  pathe- 
tischen und  sympathetischen,  anderseits  mit  religiösen 
Gefühlen  gemischt,  sehr  aufregend  wirken. 

Das  charakteristische  Ethos  eines  Menschen,  also  sein 
wesentlicher  sittlicher  Bestand  offenbart  sich  (ihm  selbst 
und  anderen)  am  meisten  in  den  Gefühlen,  welche  sein 
Denken  und  sein  Handeln  begleiten. 

Der  hoch  entwickelte  Charakter  erhebt  sich  zur  Klar- 
heit der  Einsicht  und  Festigkeit  des  Willens  dergestalt, 
daß  beide  vom  Gefühl  zwar  begleitet,  aber  nicht  beherrscht 
sind;  einen  Gefühlsmenschen  aber  nennen  wir  denjenigen, 
der  sich  ganz  von  seinen  Gefühlen  leiten  läßt. 

§310.  Bei  den  Gefühlen  ist  zweierlei  beachtenswert.  Ein- 
mal daß  die  Sprache  (wenigstens  die  deutsche,  welche  aber 
in  diesem  ganzen  Gebiete  innerer  Vorgänge  teils  typisch, 
teils  voranschreitend  ist  — )  in  bezug  auf  das  Verhalten 
zu  den  Gefühlen  fast  nur  für  die  beiden  Extreme  einen 
sprachlichen  Ausdruck  geprägt  hat;  wir  nennen  den 
einen  gefühlvoll  und  den  andern  gefühllos.   Die  dazwischen 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums    II.  3 


111.   Der  Weg  tax  Bittlichi 

aber  bilden  in  der  Tat  eine  Langgedehnte 
•  ter,  deren  einzelne  Sprossen  aber  Bich  dem  Selbst- 
bevi  d   des  Menschen   entziehen.     Nur    der  psycho- 

i  empfindliche  Beobachter  gewinnt  einen  Thermo- 
meter der  <  refühle. 

Sodann  rückt  in  der  allgemeinen  Vorstelhu  e  und 

darum  auch  in  der  sprachlichen  Bedeutung  der  sogenannte 

Bhlsmensch  fast  an  den  Begriff  des  guten  Menschen. 

ob  es  nicht  ebensowohl  Gefühle  der  Abneigung  wie 

derZuneigurj  !!.■-  es  wie  der  Liebe,  der  Rachsucht 

und  Barte  wie  der  Verzeihung  und  Milde  gäbe!  Dennoch 

liegt   in   diesem    Irrtum   —    last    hätte    ich    gesagt,    eine 

■    ätliche   Wahrheit,  in  der  Tat  aber  eine  hoffnungsvolle 

Vermutui    , 

§  :;i  1.  Es  wird  angenommen,  dal.  der  gefühlige,  der  inner- 
lich lebenswarm  1"  .  der  den   Dil    en  und   Personen 

g(  heu.   und  von  ihnen  i  rgrif- 
■  Meii  ch  durch  die  Regsamkeit  seine    Gefühle  auch 
auf   . i ,  ■    \\  i  »innung   geführt  wird;   in 

.:.  kalt«  -.  Menschen  aber,  der  die  Vorgang«  I  n 

mpel   und   die   I  die  Teile 

einer  wirkenden  Masch    •  htet,  fürchten  wir  di     I 

.  nur  vom  i  •  •  Iten,  den  Argen. 

Man  .,■!/!  also,  gq  i  ren   ^  voraus,  daß  die 

„;,•  ichen,  aus  der  Wahr- 

nehme, und  P«      neu 

her\  le  als  Gefühle  d  Rech- 


Herrschaft;  über  die  Gefühle.  35 

ten,  Schönen  auftreten,  aus  denen  wohltätiges  Wollen 
entspringt,  wie  sie  auch  die  Erkenntnis  der  Wahrheit 
fördern  und  beleben;  den  Mangel  an  Gefühl  aber  deutet 
man  zugleich  als  Mangel  an  Idealität. 

Praktisch  wichtig  an  dieser  Betrachtung  ist  mir  das 
Folgende. 

Die  Erregbarkeit  des  Menschen  im  Gefühl  ist  wohl 
mehr  als  die  anderen  geistigen  Funktionen  durch  Natur- 
anlage bedingt.  Gleichwohl  können  wir  zugunsten  so- 
wohl der  Erziehung  als  der  späteren  sittlichen  Fort- 
bildung einen  wesentlichen  Einfluß  üben. 

Die  Herrschaft  über  die  Gefühle  ist  eine  charakte- 
ristische Forderung.  Als  Gegensatz  zu  unseren  Roman- 
tikern, welche  der  Souveränität  des  Gefühls  alle  geistigen 
Kräfte  als  Vasallen  unterwerfen  möchten.  Ausartung  ins 
Bodenlose  als  Folge  davon. 

Jede  Gefühlsregung  ist  einerseits  von  der  natürlichen 
Regsamkeit,  aber  andererseits  zugleich  von  dem  Inhalt, 
von  den  Vorstellungen  abhängig,  aus  denen  sie  entsprin- 
gen, oder  an  welche  sie  sich  schließen. 

§  312.  Die  Naturanlage  gleichgesetzt,  werden  diese 
Vorstellungen,  Tatsachen,  Ereignisse,  Lebensbilder,  welche 
der  Seele  dargeboten  werden,  den  Menschen,  sagen  wir 
gleich,  das  Kind  mehr,  andere  werden  es  weniger  er- 
regen. Energie  oder  Schlaffheit  der  begleitenden  Gefühle 
wird  durch  den  Inhalt  der  Vorstellungen  bedingt;  wir 
erziehen  die  Gefühlstätigkeit,  die  wir  anregen,  durch  die 

3* 


lil.    i>       v.        nir  Bittliohk 

Denkinhalte,  die  wir  darbieten.     Von  jeher  hat  man  die 
Erzählung   der  biblischen  Geschichten  als  ein  kräfti 
Mittel  zur  ung  sittlicher  Geftthle  betrachtet.1     Aber 

nicht  bloß  um  das  Maß  der  Intensität  der  zu  erregenden 
Gefühle,  sondern  um  die  Mannigfaltigkeit  und  die  sittliche 
Beschaffenheit  der  Gefühle  handelt  es  sich.  Man  weiß, 
daß  kein  Buch  der  Welt  an  Fülle  und  Feinheit,  an  er- 
greifender Gewalt  und  Reinheit  der  Inhalte  der  Bibel 
chkommt  über  die  Legenden  der  späteren  Zeit  s. 
T.  1  zum  Leben  Abrahams.  Die  Rabbincn  müssen  diesen 
pädagogischen  Wert  aufs  Höchste  geschlitzt  haben.  Sie 
sind  aber  namentlich  auch  der  Vielseitigkeit,  der  Mischung 
der  Gefühle  nachgegangen,  welche  durch  die  biblischen 
Personen  und  Gedanken  erregl    werden. 


i  Die  Griechen    gaben    ihren    Kindern    den  Homer,    wir   geben 

ihnen  die  Bibel.    Durch  den  Homer   wird   vorzugsweise  die  äslhe- 

tigche    i  -   Gemütea    gefördert;    aber    die    Bibel    steht 

ihm  auch   dann  nicht  nach.     Die   [ntensität  der  poetisch  erregten 

ihle    mag    beim  Homer  größer  Bein,   die  Summe  der  geistigen 

mg   und  Gedankenfülle  ist  in  der  Bibel  ungleich  größer;  dort 

B  Qden   der   Reichtum  oder   Glani    der  Phantasie,    hier 

l,   ihre  Lauterkeit  und  Innigkeit     Wichtiger  ist  freilich 

det    andere  i  nterschied.     In   den  Homerischen  G< 

.  ihische  Belehrung  seltener,    matter,  ja  igt  oft     enug 

in    ihr  G  il   um,    indem    die   als  hO  A  B  en  in 

.    drigkeit  Binken.     Von   da   Macht  und  Gewalt  und 

i  .         es  ethischen  I  in   der  Bibel   brauche   ich   kein  W  ort 

Dichter  und  Dichtungen,    da  er  wohl 
,\  \  ,.  e    hat,   deshalb   aus   Beinern  Staate  ver- 

tue  er  wohl  sicherlich  Willkomm«  ißen. 


Die  Kabbinen  und  das  Gefünlsleben.  37 

§  313.  Lange  ist  es  mir  zweifelhaft  gewesen,  was  die  Rab- 
binen  bewogen  hat,  über  dieselbe  Person  oder  denselben 
Gedanken  immer  wieder  neue  Bibelworte  herbeizuziehen. 
Was  ist,  so  mußte  ich  mich  fragen,  was  ist  damit  ge- 
wonnen, daß  man  die  Anknüpfung  an  dieses  oder  jenes 
Bibelwort  darbietet,  daß  der  eine  diesen,  der  andere 
jenen  Yers  zitiert?  —  Wohl  mag  es  sich  allgemein  nur 
um  die  unausgesetzte  Vergegenwärtigung  des  Bibelwortes 
und  zugleich  um  die  Verwendung  eines  jeden  gehandelt 
haben;  sie  lebten  eben  darin  —  —  eine  Person,  eine 
Sache,  eine  Lehre  hatte  ihren  Adelsbrief,  wenn  man  einen 
Vers  dafür  fand,  und  der  Vers  hatte  ein  neues,  ver- 
jüngtes Leben,  indem  er  durch  die  Anwendung  neuen 
Sinn  erhielt.  Und  das  mag  auch  zur  bloßen  Formel 
und  Methode  für  Viele  geworden  sein.  Aber  das  genügt 
zur  Erklärung  nicht.  Allein  genauer  zugesehen  findet 
man,  daß  die  Mischung  der  Gefühle,  die  Vielseitigkeit 
und  Mannigfaltigkeit  darin  ihren  Ausdruck  fand. 

Entweder  es  wird  von  einem  Vers  ausgegangen:  \XD 
yfOT,  oder  wenn  es  wichtiger  scheint .  .  "1  tJH*1,  oder  noch 
wichtiger  ...  1  tiHT  HT  J1K;  meist  wird  der  Sinn  nicht 
den  Worten  einfach  entnommen,  sondern  er  wird  ihnen 
untergelegt,  eingedeutet;  oder  es  wird  ein  Gedanke  vor- 
getragen, und  die  Frage  ist  ]b  K3Ö  oder  auch  K"lp  ""NID, 
in  welchem  Verse  findet  man  den  Gedanken?  und  nun 
geben  mehrere,  jeder  seine  Quelle  an.  Dann  erst,  wenn 
das  Schriftwort  als  seine  Quelle  erscheint,  ist  der  Gedanke 


38  UX    Der  v  •  - 

•ihn.    <  >:'t  genug  wird  bloß  die  individuelle  Erinnerung 
:  der  Verschiedenheit  Bein  —  namentlich  später, 
indem  die  Sache  zur  Formel,  zur  Methode  geword 
und  es   nur  eine  Turnei  des  Gedächtnisses  wurde.     I  r- 
Bprünglich  aber  und  bei  den  bedeutenden  Lehrern  ist  es 
a)  eine  verschiedene  Seit*.-  des  Lu  dts  in  dem  \     - 

.•lMii  Gedanken,  der  zu  einem  andern  Vers  führt. 
oder  b)  die  Entdeckung  eines  neuen  Sinns  im  Schrift- 
wort, welche  diesen  dem  Gedanken  anpaßt. 

Ein  lautloses  Dahinli  Ben  i  rgibt  ein  flüchtiges,  undauern- 
des Denken  des  Inhaltes  mit  einem  andauernden  Be- 
wußtsein,   das   deshalb    auch    erfolglos  bleibt,    wenig 

Ligung  gew&hrt  und  darum  die  Freudigkeil  der  Einer* 
gie    v.  müssen    läßt;    d  D    erregt    lautes    Denken    die 

Mitschwingung  der  Nerven  (Jana*  rwi  —  tea  :mrß), 
verleiht  ihm  Dauer  (D*pnm  —  rrrr:  —  ^WDBf),  die  Ak- 
zentuation  des  Wortes  wird  zur  Akzentuation  des  Ge- 
ns und  1  •  ihn  (nrv  *;r  -  ttM  1),  und  die 
Innigkeit  und  Yermnerliehung  fQTI  7-s  ™  —  P"*  "" 
Bchöpft  Befriedigung  (13^  ntttn  —  lOI)  und  Freudigkeit 
...  _    s„..  ,      g    Erubin  •"»:;•  u.  5 1 

i  Die  tu  3l         unv  l:  Bauria  |  Valeria)  bemerkte  | 

Schfl    r,  .l.T  leise  lernte,  da  bü<  D  sie  ihn  mil  dem  l 

xu  ihm:  Sieht  nicht  all  ■  »In 

■  and  bewahrt   rvam  ~:-  rwrn>)M,  (v  en  will':) 
\\  i                       t  ist  in 

«rahrt...  S  prach  KU  El 

Jefa  .        -                                   en  Mim  en  Mund, 


Idealgefühle.  39 

§  314.  Die  Idealgefühle  sind  zu  pflegen  im  Unterschied 
von  und  sogar  im  Gegensatz  zu  den  sympathischen.  Diese 
bilden  nicht  den  wahren  Grund,  noch  das  rechte  Motiv, 
am  wenigsten  aber  die  sichere  Xorni  der  Sittlichkeit. 
Von  Kant  ist  im  I.  T.  schon  gesprochen.  Seine  Kritik 
der  sympathischen  Systeme.  Der  Talmud  bietet  uns  eine 
ganz  gleiche  Betrachtung.  Wohl  wird  öfter  die  göttliche 
Barmherzigkeit  als  Vorbild  hingestellt;  aber  man  soll 
nicht  das  Gefühl  der  Barmherzigkeit  ohne  weiteres  als 
den  Grund   gewisser  Gesetze  betrachten.     Die  Erhaben- 


lerne, damit  du  dein  Leben  verlängerst  und  deine  Thora  in  deiner 
Hand  Bestand  habe;  denn  es  heißt  (Prov.  4,  22):  „Denn  Leben  sind 
sie  für  die,  welche  sie  finden,  und  für  seinen  ganzen  Leib  Arzenei". 
Lies  nicht:  DTPKXfc^,  die  sie  finden,  sondern:  DnWttfiV,  die  sie  hervor- 
gehen lassen  (aussprechen)  mit  dem  Munde  ....  R.  Ammi  hat  gesagt: 
Was  heißt  das,  was  geschrieben  steht  (Prov.  22,18):  „Denn  lieblich 
ist  es,  wenn  du  sie  bewahrst  in  deinem  Innern,  sie  allesamt  befestigt 
(bereit)  sind  auf  deinen  Lippen"?  Wann  sind  die  Worte  der  Thora  lieb- 
lich? Wenn  du  sie  in  deinem  Innern  bewahrst;  und  wann  bewahrst 
du  sie  in  deinem  Innern?  Wenn  sie  allesamt  auf  deinen  Lippen  be- 
festigt (bereit)  sind.  R.  Zera  entnimmt  (eig.  sagt)  es  von  hier  (das. 
15,  23):  „Freude  wird  einem  Manne  durch  das  Aussprechen  seines 
Mundes,  und  ein  Wort  zu  seiner  Zeit,  wie  gut  (treulich)  ist  es."  Wann 
wird  einem  Manne  Freude?  Zur  Zeil,  wenn  er  ausspricht  mit  seinem 
Munde.  R.  Jizchak  sagt  es  von  hier  (Deut.  30,  14):  „Denn  nahe 
liegt  dir  das  Wort  sehr,  in  deinem  Munde  und  in  deinem  Herzen,  es 
zu  tun."  Wann  ist  es  nahe?  Wenn  es  in  deinem  Munde  und  in  deinem 
Herzen  ist,  es  zu  tun.  Raba  entnimmt  es  von  hier  (Ps.  21,  3):  „Das 
Verlangen  seines  Herzens  gibst  du  ihm  und  das  Regen  seiner  Lippen 
verweigerst  du  ihm  nicht.  Sela."  Wann  gibst  du  ihm  das  Ver- 
langen seines  Herzens?  Wenn  du  das  Regen  seiner  Lippen  nicht 
verweigerst.    D.  H. 


40  Hl.   Der  Weg  zur  Bittlichl     . 

heit   des  S         jjesetzes  wird  beeinträchtigt,  wenn  di< 

nur  durch  ein  sympathisches  Gefühl  begründet  wird. 

Im  jer.  Talmud  Megilla  I  V,  76'  liaben  wir  ein  eklatantes 

ispiel  in  R.  Jose  b§  Bun.1  Er  ist  dagegen,  dali  man 
schlankweg  in  die  Übersetzung  des  Gesetzes  die  Er- 
klärung aus  einem  sympathetischen  Gefühle  hinzufügt; 
ihm  werden  die  im  Text  angegebenen  Gründe  vorgeschwebt 
halien.  Da£>  er  unter  'DI  vnrm  nicht  Machtsprüche  und 
dergl.  verstanden  hat,  sondern  ethische  Notwendigkeiten, 
geht  am  besten  aus  der  Parallelstelle  Berachoth  9C  her- 
vor, wo  immer  von  PffiTB  die  Rede  ist  und  noch  trefft  - 
der   angedeutet,    dab    zwar  Gott  ]em  ist,    aber  nicht  im 

D  eines  sympathetischen  Gefühl 

Die  Vertreter  einer  geistlosen  und  bornierten  Ortho- 
doxie können  e>  natürlich  nicht  wissen,  wie  sehr  sie  die 
Thora  herabwürdigen,  wie  sie  das  Sitteng68etz  seiner  Er- 

benheit  entkleiden;  aber  vom  Standpunkt  einer  kos- 
mischen Betrachtung  der  Ethik  gesehen,  erscheint  ihre 
Ansicht  wie  eine  Blasphemie. 

Der  arme  EL  Jose  !••'■  Bun  muß  es  sieh  aber  gefallen 
.  als  Eideshelfer  für  die  platte  Ansicht  von  nffltt 


'  i;.  Jose  i  •'•  Bun,  meist  R.  Jo  mnt,  war  da  letzte 

pa .,,!.:  st   und    Lehrer    M  im  II.     \  a 

ist  Amorier.    8.  Bd.,  S.  72  1—29.    D.  H. 


Pathetische  und  sympathetische  Gefühle.  41 

Idealität  mitten  im  Realen. 
§  315.  Alle  pathetischen  Gefühle  sind  sittlich  gleichgültig, 
alle  sympathetischen  sind  sittlich  wertvoll;  wird  aus  einem 
pathetischen  Gefühl    ein  sympathetisches,   so  verwandelt 
es    sich    aus    einem    natürlichen    zum     sittlichen.      Der 
Schmerz  an  meinem  leidenden  Finger  ist  natürlich,  aber 
nicht  sittlich;    das  Mitleid  mit  dem  Schmerze  eines  an- 
deren ist  sittlich.    Sättigung  und  Teilnahme  an  der  Sätti- 
gung eines  anderen.    Psychologisch  betrachtet  kann  (und 
wird   meistenteils)    das  Mit-Leiden   und   die  Mit-Freude 
schwächer  sein  als  Leid  und  Freude ;  aber  ethisch  ist  es  nicht 
stärker,  sondern  es  allein  ist  ethisch.    Weshalb?  Weil 
das  Zusammen  sittlich  ist,  weil  die  Herausbildung  der 
Einheit   des  Lebens   die  Aufgabe,    der  Beruf  der  Men- 
schen ist;   im  weitesten  Sinn:   aus   den   Menschen    die 
Menschheit.      Zusammen   mit    Gott  ist   Religion;    zu- 
sammen   mit    den    Menschen    ist    Sittlichkeit.      Daher 
mutet   uns    selbst    das   Zusammen    des   Bösen    und    der 
Bösen  wie  ein  Sittliches  an,  weil  es  die  Form  des  Sitt- 
lichen hat;  die  Treue  der  Räuberbande,  die  Hingebung 
für  den  Räuberhauptmann  usw.    Wir  bewundern  die  sitt- 
liche Kraft  (der  Hingebung),   welche  nur  das  sittliche 
Ziel   verfehlt.     Die  Bande   schließt   das  Zusammen  mit 
anderen  aus;  ihr  Zusammen  hat  einen  negativen  Cha- 
rakter; alle  Vereinigung  zu  dem  ausschließlich  negati- 
ven Zweck  ist  deshalb  an  sich  unsittlich.     Alle  positive 
Gemeinschaft  muß  Erhöhung,  das  Zusammen  mit  immer 


11  i    ]'  ■  -\\ 

d   Kreisen,   Dienst    lur   das    Allgemeine   in  sich 
•hlt   ihm  der  sittliche  Wert. 
mp.-itl  Gefühl  Lsl  häufig,  aber  nicht  immer, 

„Nachbildung  eines  fremdes  Gemütszustand 
(Drobisch).  Wenn  wir  Mitleid  mit  der  Beschränktheit 
eine-  Erwachsenen,  mit  der  Ohbeholfenheit  eines  Kindes 
fühlen,  dann  haben  nicht  jene,  sondern  nur  wir  das  Ge- 
fühl ihres  Mangels;  wir  fühlen  nicht  mit  ihnen,  sondern 
für 

Die    [nnigkeit    des  Gefühls   muß  auf   die  Streu 

Pflicht   gestützt   sein.     Wohl    gleicht    das   Gefühl    seihst 

dem  Leben  und  Sprießen  der  Pflanze,  wahrend  die  Pflicht 

zuweilen  nur  ein  dürrer  Stab  i^t:  aber  die  Pflanze  braucht 

stützenden  Stabes  zu  ihrer-'  deutlichen  Entwicklung. 

L6.  Eine  sc!  sychologisch  zutreffende  und  ethisch 

Ue  Bildung  Liegt  in  dem  Begriff:  Pflichtgefühl;   es 

umschließt  die  Kenntni  .  d  i   Vorstellung  ?om  Inhalt  der 

P  licht  und  zugleich  das  Gefühl  der  Verpflichtung, 

n  inneren  Anerkennung  des  [nhall 

Die  !.!•  inen  B<  friedigungen  und  Sorgen  des  alltäglichen 

0     im     Grunde     att8    leichten,    fluchtig« 

hwebenden  <  Gefühlen. 

Dem  '  ••!)   daran,  und   die 

kt  und  zur  Leiden 
Di(  egehren  im  M<  i  zusammen ; 

■     :      I .         roll,  das   L  ichte  gewichtig,  das 

Flu  .   sie  h  »halb  da>  Int.  r- 


Pflichtgefühl.  43 

esse  in  die  Sache  hinein,  welches  sie  aus  ihr  zu  schöpfen 
nicht  vermögen.  Am  meisten  charakteristisch  für  den 
Durchschnitt  ist  das  Sinnen  und  Sehnen  nach  Zerstreu- 
ung. Reisen  können  zur  Bereicherung  und  Belehrung, 
Diners  zur  edleren  Geselligkeit,  Theater  zur  ästhetischen 
Erregung  und  Erhebung,  Konzerte  zur  verstandesmäßig 
kaum  faßbaren,  aber  tatsächlich  gegebenen,  fast  mysti- 
schen Ergriffenheit  der  Seele  führen;  —  aber  die  meisten 
Menschen  suchen  in  alledem  nur  Zerstreuung. 

Der  Putz  der  Frauen  ist  ein  Beispiel:  Er  ist  zwar  kein 
moralisches  Unrecht,  —  aber  er  erfordert  Zeit,  Aufmerk- 
samkeit usw.  und  der  Erfolg  ist  zu  messen. 

§  317.  Jene  Idealität,  welche  in  der  Muße  leicht  ge- 
deiht, weil  sie  vor  den  Konflikten  mit  den  Ansprüchen 
und  Bedingungen  des  alltäglichen  Lebens  sicher  ist,  soll 
auch  in  die  Alltäglichkeit  hineinwirken.  Dies  ist,  glaube 
ich,  der  allegorische  Sinn  von  Pesachim  113»:  R.  Jochanan 
hat  gesagt:  Drei  werden  der  künftigen  Welt  teilhaft: 
wer  im  Lande  Israel  wohnt,  wer  seine  Söhne  zum  Stu- 
dium der  Thora  erzieht  und  wer  über  den  Wein  am 
Ausgange  des  Sabbats  Kiddusch  macht  (den  Segen 
spricht,  der  sich  auf  die  Heiligung  des  Sabbats  bezieht 
und  bei  Beginn  des  Sabbats  zu  sprechen  ist).  Was  heißt 
das?  Wer  Wein  zurück  läßt  von  Kiddusch  zur  Habdala 
(d.  i.  zu  dem  Segensspruch  am  Ausgange  des  Sabbats.  Der 
Wein  ist  das  symbolische  Gegenbild  der  inneren  idealen 
Erquickung  und  Stärkung,  welche  durch  den  Sabbatgenuß 


4 1  '.       rar  Bittlichi 

and  di(    8     batstimmung  erzengt  wird;  ihr  Erfolg  soll  in 
Zi  i1  des  arbeitsamen  Berufslebens  hineinwirken.  Ohne 
alle      ischi    De     a  .■  wäri    der  Preis  auf  dies  unbeträcht- 
liche Zeremoniell  kaum  begreiflich. 

chen  bleiben  unvergessen  s.  Sauhedr.  107  l. 
David  verlangt  Vergebung  von  allerlei  Sünden,  es  wird 
ihm  von  Gotl  gewährt;  nun  verlangt  er.  dal'»  das  Kapitel 
seiner  Sünde  mit  ürias  Weib  aus  der  Heiligen 
8  .rift  entfernt  werde,  Da  sagt  Gott:  l>as  ist  unm  - 
lieh!  Geschehen'  Tatsachen  lassen  sich  nicht  aus  dem 
Buche  der  Geschichte  streichen. 

Als  Beweis  wird  die  Ausscheidung  des  .lud  im  Namen 
der  Sarah  angefahrt    Die  Geschichte  ist  herzig.     Viele 
Jahre  lieht  das  -Jod.    das  gleichsam  verbannt  ist,  aber 
nieni    sterben  darf  (nicht  gestrichen   werden  kann),  um 
eine    Verwendung,    bis    es    dem    Josua   zugelegt    wird 
.     \um.  13.  16). 
Gr<  wissen.1     Die  hebräische  Sprache  hat  keinen  Bpe- 
.len   Ausdruck    für  Gc  .    d.  h.    für    den    Znstand: 

T         mit    Verurteilung    und    Schmerz,    o 
blol»  mit  Orteil)  bewuü  -  —  gutes 

Aach   alle   rabbinischen   Wörter  wie:   r-y. 
p  v.-.  oder  ~-i.   '  n  das  griech.  auveiötiaic;, 

lat  coi  e  Wort  Gewissen  tu 

1".    ist  hinlänglich  bekannt,  wie  hocl    •  '  und  \ 

ui    halb  cren 

zu  widmen. 


Wille  und  Gesinnung.  45 

feiert  Reue  und  Buße  (rQWJl)  von  den  Rabbinen  werden. 
Berach.  5a  ist  WJJM  WBBtÜ"  absichtsvoller  Akt;  aber  das 
unwillkürliche  Gewissen. 

Ich  glaube  in  Ps.  119, 165  bedeutet  b',U2'ü  auch  inneren 
AnstoD.  Gewissensbisse,  was  zu  11  W\b&  im  Gedanken 
viel  besser  paßt,  als  ein  äußerer  drohender  Anfall.  Vergl. 
I  Sam.  25,  31;  Ps.  16,  7;  32,  2. 10;  51,  5  und  besonders 
V.  8    (eine    sehr   wichtige   Stelle) ;   ferner  das.  V.  19,   wo 

"2121  "Dtfi  2b m2t?2  mi  das  vom  Gewissen  geplagte, 

gedemütigte  Herz  bedeutet.  Luther  hat:  ein  geängsteter 
Geist,  ein  geängstetes  und  zerschlagenes  Herz. 

C. 

Über  den  Willen. 

Wille  und  Gesinnung. 

§  318.  Nach  Kant  gibt  es  nichts  gutes  als  den  Willen.  Dies 
ist  berechtigt  gegenüber  anderen  eudämonistisch  gefaßten 
Gütern,  aber  nicht  vollkommen  zutreffend.  Nicht  der 
Wille  allein,  sondern  die  Gesinnung,  welche  sich  auch 
in  Gefühl  und  Gedanken  kundgibt,  offenbart,  betätigt, 
ist  die  Hauptsache.  Auch  Gefühle  sind  gut  und  schlecht; 


1  Die  Stelle  lautet :  Wird  jemand  von  Schmerzen  heimgesucht,  so 
untersuche  er  seine  Handlungen;  untersuchte  er  sie  und  fand 
nichts,  so  hänge  er  sie  an  die  Unterlassung  der  Thora  (des  Thora- 
studiums),  hat  er  sie  daran  gehängt  und  nichts  gefunden,  so  sind  es 
Schmerzen  der  (göttlichen)  Liebe.    D.  H. 


lil.   D      w    -  .  ur  8ittli<  ..:.     . 

ulil  der  i  der  Dankbarkeit  »-ich  einer  Wohltat 

nach  .:  ch  erinnern;  ohne  jede   Eandlung,  /.  1!. 

Dankbark  d  Verstorbene).    Dankgefühl  ist  sittlich, 

Gegenteil  unsittlich.     Doch  es  handelt  sich  nur  um 

fühl.     Sobald    die  Erinnerung  aufsteigt,   rnulJ  sie  mit 

Dankgefühl    erfüllt   sein;  ja,   die   Erinnerung  wird  beim 

a    stattfinden,   beim    Undankbaren   nicht.     So 

wirkt  die   Idee,   die  Gesinnung  selb^  auf  den  Mechai 

iuib!    Neid,  Mißgunst,  Rachsucht,  Schadenfreude.    Nach 

Dr<  .    Empirische  Psychologie  S.  185,   soll   der  ,uute 

Wille,    der  gefallende    an   d<  m   Verhältnis   des  eigenen 

len  Gefallen  findende)  sein;   z.B.  Wohlwollen 

111    wegen    der    Harmonie  zwischen   dem    Willen   des 

Wohtol  len  und  dem  der  Person,  <ier  er  wohl  will,  wie 

er  ihn  nämlich  in  '..•danken  sich  vorstellt.   „1 

rQuint 
L9.  „Wille  ist  int  •     Um  zu  wollen 

um  •   man  will"  —  also  ein   B< 

-  bewußt  ist."  —  Das  \\  ollen 
Möglichkeit  der   I  I ;-    ehrten  unbe- 

• 
Jedes  Begehren,  auch  d 

.  im   W  lurch  die   Erwartui 

.  Läßt  dieses  /.um  Wollen 

i  —  o  ' 


Begehren.   Wollen.  -17 

heit  und  Einsicht  das  Wollen    leiten  kann  —  ist  in  der 
Erziehung  Versagen  nötig. 

„So  bildet  sich  sehr  frühzeitig  in  dem  Kinde  aus  dem 
Begehren  ein  Wollen  heraus,  das  durch  „Unwillen"  seine 
Energie  verrät,  wenn  ihm  z.  B.  die  gewohnte  Näscherei 
versagt  wird,  und  das  zum  Eigenwillen  ausartet,  wenn 
der  Unverstand  der  Erzieher  jene  Gewohnheit,  das  Be- 
gehrte zu  erlangen,  immer  mehr  ausdehnt  und  es  ver- 
absäumt, jene  unbedingte  Voraussetzung  der  Erreichbar- 
keit alles  Begehrten  durch  ein  unerbittliches  Versagen 
zu  brechen. 

Je  ausgedehnter  die  Sphäre  ist,  innerhalb  welcher  sich 
die  Gewohnheit,  das  Begehrte  zu  erlangen,  ausbreiten  kann, 
um  so  allgemeiner  wird  aus  dem  Begehren  ein  Wollen, 
das  sich  endlich  an  jede,  auch  noch  so  vorübergehende, 
launenhafte  Begierde  knüpft,  und  dann  zur  tyrannischen 
Willkür  wird,  die  durch  die  Zufälligkeit  des  Ge- 
wollten empört."  (Drobisch.) 

Man  sieht  hieraus,  daß  psychologisch  begründete  Be- 
lehrung der  Erzieher  notwendig  ist.  Daher  finden  sich 
auch  schon  in  den  „Sprüchen  Salomos1-,  besonders  aber 
bei  den  Eabbinen  so  viele  Beobachtungen  über  Wollen 
und  Handeln. 

§  320.  Wirkung  des  Willens:  nach  außen  auf  die 
Bewegung  unserer  Glieder,  nach  innen :  willkürliche  Auf- 
merksamkeit (nach  außen  hin  und  im  Innern  selbst); 
Erregung  der  Eeflexion. 


•I-  III.  Dei   Weg  zur  Bittliohki 

Wollen    wird    durch    Leidenschaft    unbesonnen,    durch 
I      trlegung   and    Erwägung   zur  Wahl    und  dadurch  zur 
Tat.  —  Wahl  der  Zwecke  =  vernünftig;  Wahl  der  Mittel 
=  verständig.  —  Gute  Vorsätze  und  sittliche  Maxi- 
men.    Charakter   ist  die   allgemeine,   feste  Richtung  auf 
das    Gute;    vergl.    den    Ausspruch    von    R.  Jannai    nach 
Schabb.  31 ab  und  Joma  Tu   :    ..Wehe,  wer  kein  Haus  hat, 
aber  Bich  eine  Türe  zum  Hause  macht".     Nach  dem  Zu- 
sammenhang an  beiden  Stellen  ist  der  Sinn:   Wer  keine 
praktische  Gesinnung  hat.  aber  Theorie    treibt.     Lernen 
ist  nur  die  Tür,  der  Charakter  ist  das  Hau>!  — 

wöhnung  zum  Gehorsam  als  menschliche 
Grundlage  der  Sittlichkeit. 

§  321.     Die    psychologische   Erkenntnis    des   Menschen 

muß  darauf  gericht«  len,  einzusehen,  daß  der  Mensch 

trotz  b        Bildsa    keit  und  allem  \\  andel  der  Ereignisse 

Zustand  D    Eiern  der  Sittlichkeit  besitzt. 

l>iesen  Kern  herzustellen  ist  Sache  der  Erziehung. 

Betrachtungen    haben    die    Kabbinen     an 

ng  in    pDTil  ---;:.  Tun   and  Hören   oder 

knüpft,  und  eine  reiche  mit  ari^t  her 

in     Verbindung     '_r<-br.ichte     Auswahl    der- 

Abuh.ili    in    sein«'!::    Mi  b    li:anmaor    ge- 

1 1  ■    dm  chaii  che   Ausdeutung 

v.  ben   all  bei 

Ab  .:.  tb  b  muatergüll    . 


Die  Idee  und  ihre  Bedeutung.  49 

Idee. 

§  322.  Die  Idee  (mit  ihren  stufenweisen  Wirksamkeiten 
und  Erscheinungen)  tritt  als  Agens  in  den  psychologisch- 
physiologisch mechanischen  Prozeß,  ihre  subjektive  Ent- 
faltung wird  gesichert  durch  die  Schöpfung  und  Fort- 
entwicklung des  objektiven  Geistes. 

Die  Idee  an  sich  ist  immer;  sie  tritt  in  die  Wirk- 
lichkeit, wird  ergriffen,  gefunden  im  Gefühl  —  im 
Gedanken  —  im  Wollen  —  in  der  Realisation.  Allen 
diesen  Formen  des  subjektiven  Geistes,  welche  seinem 
Dasein  Inhalt,  Wert  und  Würde  neben  dem  natürlichen 
Mechanismus  und  Treiben  geben,  entspricht  der  objektive 
Geist. 

Dem  objektiven  Geiste  gegenüber  verhält  sich  der 
nachfolgende  subjektive,  wie  dieser  auch  der  Idee  an  sich 
gegenüber. 

Für  jedes  Individuum  ist  nur  das,  was  es  erfaßt,  er- 
greift, betätigt  —  man  muß  es  fühlen,  denken,  wollen 
und  tun. 

Dieses  Ergreifen  bleibt  sich  formal  immer  gleich,  — 
real  ist  es  eben  fortgeschritten. 

Die  Früheren  haben  den  Vorzug  des  schöpferischen 
Findens  (große  Epochen),  die  Späteren  den  der  realen 
Ausbreitung  (Propheten  und  Apostel  stehen  immer  allein), 
und  die  Unendlichkeit  der  Idee  birgt  auch  für  sie  eine 
Aufgabe.     Die  Ideenschöpfung  steht  nicht   still.     So  in 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II.  4 


50  in.   Der  Weg  zur  Bittlichto 

der  Kunst,  noch   deutlicher  im  .Recht,  auch   in   der  Ethik 
nur  nicht  so  greifbar. ' 

Auch  bei   den  Rabbinen  ist   die  n2VTl&,   der  Gedankt 
Plan,  die  Idee  vor  der  Weltschöpfung  da.    Auch  jrv.lLrnö 
bvntT   bttf    ist    vor    der    Weltschöpfung   da,    der     Lsrael- 
lanke    überhaupt,    d.  i.    im    Sinne    der    Rabbinen    der 
Idealitätsgedanke. 

Die  Idee  der  S.lbstsehöpfung  des  Menschen  (s.  San- 
hedr.  99":  lBBpfe  WffJJ  tV*IO)  findet  ihren  deutlichsten 
Ausdruck  in  der  Fortbildung  durch  geistige  Tätigkeit. 
1  >er  Men-ch  ist,  auch  nur  an  seinem  eigenem  Maß- 
stäbe gemessen,  nie  vollkommen;  denn  Bern  Innen- 
leben kann  durch  Tätigkeit  immer  noch  reicher,  ener- 
;her,  fruchtbarer,  weit  schöpferischer  werden.  Alles 
.  iraa  der  Mensch  zu  seiner  Entwicklung  tut.  ist  ein 
Akt   der  Selbstschöpfung;   der  Mensch   ist   das  und  nur 

das.   was   er  aU8   sich  macht.     Wir  in  jeder  Selbstentwick- 

lung  aber  rezeptive  und  produktive  Tätigkeit  rieh  ver- 
einigen, wie  sie  nach  Anlage,  Neigung  und  Willenskraft 
individuell  sich  sondern  oder  mischen,  sich  gegenseitig 
hemmen  oder  durch  Wechselwirkung  steigern,  das  hat 
die  Psychologie  w<  iter  zu  verfolgen. 

Di(  sittliche  Idee,  welche  ttber  alles  Persönliche  er- 
haben, dem  Menschen  I  über  -teht.  BOll  zum  innersten 

i  eigensten  Wesen  der  Persönlichkeil  selbst  sich  ge- 


1   Der  wahre  '  nlet  i    len  Idee  an  sich  und  objektivem 

Geist! 


Pflicht  und  Neigung.  51 

stalten.  Eine  feine  Deutung  dieses  Gedankens  s.  Aboda 
zara  19 a:  Raba  hat  gesagt:  Anfangs  wird  die  Thora  nach 
dem  Namen  des  Heiligen,  geb.  s.  er!  genannt,  zuletzt  aber 
nach  seinem  (des  Lernenden)  Namen,  denn  es  heißt 
Ps.  1,  2:  „Sondern  er  hat  Lust  an  der  Thora  des  Ewigen 
und  er  denkt  nach  über  seine  (eigene)  Thora  (imin) 
Tag  und  Nacht."  Vergl.  mein  Werk,  Leben  der  Seele 
II,  264  f. 

Pflicht  und  Neigung. 

§  323.  Mit  freier  Hingebung  und  Wahl,  mit  Neigung 
ist  das  Gute  zu  ergreifen;  nicht  minder  auch  das 
Studium  dessen,  wohin  das  Gemüt  zieht.  Bezeichnend 
ist  der  Ausspruch  Rabas  Aboda  zara  19 a:  Immer  soll 
ein  Mensch  die  Thora  von  der  Stelle  aus  lernen,  zu  der 
sein  Herz  ihn  hinzieht  (nach  welcher  sein  Herz  verlangt), 
wie  es  heißt  Ps.  1,2:  „Sondern  er  Verlangen  (Lust)  hat 
an  der  Thora  des  Ewigen." 

Durchgehend  durch  die  ganze  Lebensanschauung  des 
Talmuds  (wie  schon  der  Propheten)  ist  der  Gedanke,  daß 
nicht  eine  bloße  Tat  als  solche,  sondern  die  Gesinnung 
erst  die  pfiichtmäßige  Handlung  zur  sittlichen  macht. 
72  VQÜ  *Oöm,  der  Barmherzige  (Gott)  fordert  das 
Herz;  und  selbst  bei  Wohltätigkeit,  die  mit  ihrer 
Wirkung  ja  auf  den  äußeren  Erfolg  für  den  Empfänger 
geht,  wird  alle  Handlung  nur  geschätzt  nach  dem  Maße 
der  Liebe,  der  wohlwollenden  Gesinnung,   n2t?  1DH  ^sh. 

4* 


111.    1>.T  Weg  zur  Sittlich!. 

Daneben  wird  pädagogisch  empfohlen,  die  Tat  zu  üben, 
um  die  Gesinnung  allmählich  sicher  herbeizuführen.  Von 
dem  Erleben  des  Wohlgefallens  an  der  eigenen 
guten    Handlung    wird    die    Hinsicht    in    ihren    wahren 

-innungswert  erwartet,  weil  der  Adel  des  Menschen 
Tun  Haus  aus  anerkannt  wird. 

Uies  ist  der  wahre  psychologische  Sinn   von   übü  "pna 

HG)?-  >X2  ffWfb  Pesach  3:  Nazir  23;  Sota  22  und  47;  Sann, 

:   Boraj.  10;  'Arach.  16.     Es  kann  nicht  fehlen,  daß 

der  auf  einen  guten  Zweck  —  wenn  auch  nicht  aus  edler 

-innung  —  gerichtete  Wille,  seinen  Lohn  in  der 
eigenen  Veredlung  findet  In  TOfi  TOB  "Dtf  (Aboth  IV,  2) 
und  STOB  t\yXÜ  mso  (Aboth  IV.  2)  drückt  sich  überall 
der  Qedanke  von  dem  psychologisch  notwendigen  inneren 
Wachstum  des  Guten  durch  das  (inte  selbst  aus. 

[nnerlichkeü  und  Gesetzlichkeit  als  /. v. 
ootwendige,  einander  ergänzende  Prinzipien. 

2  I.  Nicht  bloß  lehrreich,  sondern  geradezu  ergreifend 
ist  das  Bild,  mit  welchem  Et.  Josua  ben  CShananja  seine 
strenge  B  •■gen  die  Erschwerungen  der  Schammai- 

3   hule  „Au    jei  ■        I '■>  '•■  (an   wel- 

htzehn   Maßregeln1*1,  meist  gegen  den  Umgang 

i  i  tehn  Fragen,  üb«  -  Her  dei  Chananja 

I  i  beraten  und  im  Sinne  tiammai  die 

nie  Hill«  wurde  b.  Bchabb.  I,  I;   Zabim  •"),  12  u. 

Lerner,  Ma(  u  n  1882,  111      144  u.  188  •.  121—156.    l».  M. 


Energie.  53 


r: 


und  jede  Vertraulichkeit  mit  Heiden  gerichtet,  eingeführt 
wurden)  hat  die  Schule  Schammais  das  Maß  der  Lehre 
abgestrichen;  wie  wenn  man  Wasser  in  ein  Gefäß  mit 
Ol  gießt;  je  mehr  Wasser  hinzukommt,  desto  mehr  Ol 
fließt  ab.  S.  Schabb.  153 b.  Und  was  hier  gegen  diese  be- 
stimmten Erscheinungen,  das  gilt  in  der  Tat  gegen  die 
peinliche  halachistische  Richtung  überhaupt:  Alles,  was 
sie  hinzutut,  gleicht  dem  Wasser,  aber  was  sie  dadurch 
vermindert,  ist  das  Ol  wahrhafter  religiöser  Gesinnung. 
S.  meine:  Ideale  .Fragen  S.  124  über  Realität  und 
Idealität. 

Energie. 

§  325.  Zur  rechten  Zeit  zur  Tat  sich  wenden,  und 
nicht  etwa  von  Gebet  und  Fasten  das  Heil  und  die  Hilfe 
Gottes  erwarten.  S.  Schemoth  r.  Par.  21:  Das  Heran- 
rücken Pharaos  (njHS  rDIpil)  sei  wichtiger  gewesen  als 
hundert  Fasten  und  Gebete  (ni^Dn  iniölS  nKö)  —  als 
sie  wirkliche  Angst  hatten,  wandte  sich  ihre  Gesinnung 
zu  Gott. 

Positive  Energie. 

Das  bloße  Fernbleiben  vom  Bösen  genügt  nicht,  son- 
dern positive  sittliche  Tat  wird  gefordert.  Freie  Initia- 
tive aus  sittlichem  Grunde  und  Antrieb.  S.  Aboda 
zara  19 b:  Sollte  vielleicht  ein  Mensch  sagen:  Weil  ich 
meine  Zunge  bewahrt  habe  und  meine  Lippen,  daß  sie 
nicht  Trug  reden,   so   will  ich  hingehen  und  mich  dem 


B4  UL    Dei  Weg  rar  Bittlichl 

Schlafe  hingeben,  so  heißt  es:    „Weiche  vom  Bösen  and 
tue  Gutes«  (Ps.  34.  15). 

Positive  Energie  und  Initiative  wird  irrfordert.  Ein- 
greifen /um  Guten,  als  Zeuge  sich  melden,  zum  Retter 
Bich  aufwerfen. 

Alles  Ethische  bedarf  der  stet  igen  Anspannung  der 
Energie.  S.  Berach.  32b:  Die  Rabbinen  haben  gelehrt. 
„Vier  Dinge  bedürfen  der  Energie  (pitTi),  es  sind  Thora 
un.l  i:ute  Werke,  CJebet  und  Derech  erez".  Auch  Raschi 
nimmt  hier  fTN  "p"1  als  Kulturtätigkeit  (..zum  Bandwerk, 
zur  Kaufmannschaft,  zum  Kriegsdienst"). 

Die  geistige  Beschäftigung  ist  mit  ganzer  Energie  zu 
betreiben.  Maimonides,  .lad  lia-chasakn,  Hilehoth  Tal- 
mud Thora  111,12.  Vergl.  Ber;i.  hoth.  o3b  und  Schab- 
bath  831:  I  >i-'  Worte  der  Thora  haben  nur  bei  dem 
Bestand,  der  sich  für  sie  tötet.  Aber  dies  gilt  wohl 
allgemein:  in  der  Not  am  wenigsten  darfst  du  schlaff 
Bein,  sonst  bist  du  eben  kraftlos.  Maimonides  zitiert  auch 
Prov.  24,  10:  „Zeigst  du  dich  schwach  am  Tage  der  Ei 
90  ist  eng  deine  Kraft".  „Bei  dem  Mutigen,  der  cm 
Bewußtsein   seiner  £rafl    in   sich   trägt,  dient   die  Not  nur 

dazu,  die  Kraftentwicklung  auf  das  Böchste  zu  steigern. u 
•  Bertheau  zur  Stell« 

Wille  und   (Je  fühl. 

I fa  Frag«  ist:  Hai  der  Wille  Macht  über  dai  l 

ftkhl?  M  er  FQ  I  I    fühl  verantwortlich?  Schleiennacher 


Wille  und  Gefühl.  55 

behauptet  es.  Allein  positiv  kann  der  Wille  gewiß  nicht 
jedes  Gefühl  erwecken;  auch  nicht  das  ethische  unbedingt. 
Man  kann  nur  sagen:  Bei  einer  bestimmten  Entwicklung 
der  ganzen  Persönlichkeit  oder  der  Gesinnung  kann  ein 
gewisses  Gefühl  gar  nicht  auftreten;  so  im  sittlichen  Men- 
schen nicht  das  Gelüsten  nach  des  Nächsten  Weib  und  Gut. 

Tlönn  üb,  „du  sollst  dich  nicht  gelüsten  lassen".  Frage: 
Herrscht  der  Wille  über  den  ganzen  inneren  Menschen? 
über  Denken,  Fühlen  und  Wollen?  Über  Denken  gewiß 
nur  so,  daß  die  Tätigkeit  erregt,  der  Geist  in  Bewegung 
gesetzt  wird,  aber  nicht  über  den  Inhalt;  der  folgt  den 
Denkgesetzen  und  der  Denkfähigkeit. 

Und  die  Gefühle?  Sie  richten  sich  nach  dem  Inhalt 
des  Gedachten,  Vorgestellten.  Dies  steht  nicht  allein; 
es  gehört  der  ganzen  Persönlichkeit. 

Die  Persönlichkeit  aber  soll  von  einer  gewissen  Ge- 
sinnung erfüllt,  geleitet  und  durchdrungen  sein;  in  ihr 
werden  die  Gefühle  nicht  durch  die  Sinne  allein  erweckt. 
Im  sittlichen  Menschen  entstehen  gewisse  Gefühle  nicht; 
diejenigen  nicht,  welche  er  hinterher  als  unsittlich  ver- 
werfen und  beklagen  würde. 

Tionn  üb  bedeutet  nicht  bloß:  „begehre  nicht"  — 
dies  wäre  ein  Wollen  und  unterliegt  also  dem  Gesetz 
unmittelbar;  sondern  laß  dich  nicht  gelüsten,  fühle 
kein  Gelüste  danach. 

Chinnuch1  stellt  mit  Bezug  auf  das  10.  Gebot  die  Frage: 


1  S.  Chinnuch  bei  Rosin  (Seminarprogramm)  S.  61.    D.  H. 


111.   Der  Weg  zur  Bittiichi 

es  denn  in  der  Gewalt  des  Menschen,  sein  Herz 
von  «lfm  Verlangen  . . .  fern  zu  halten  .  . .  ?  Wie  kann 
d>in  Menschen  verboten  werden,  was  er  zu  unterlassen 
außerstände  ist?"  und  antwortet:  »Der  Mensch  hat  es 
allerdings  in  Beiner  Gewalt,  seine  Gedanken  und  Gelü^U' 
zu  regeln;  es  liegt  in  Beiner  Macht,  sein  Herz  zu-  und 
abzuwenden  vermöge  seines  freien  Willens.  —  Der  Wille 
aber    ist    die   eigentliche   Wurzel  und  Grundlage  unseres 

uzen   sittlichen    Verhalten-.-   — 

Hoffe  auf  Gott!  Sorge  nicht  auf  morgen I  das  sind 
Gefühle,  aber  von  Gedanken  abhängig. 

Von  der  Gedankenbildung  also  hängt  es  ab,  ob  ge- 
wisse Gefühle  entstehen.  Wenn  ich  Gott  als  allmächtig 
und    liebevoll  denke,    dann    hoffe    ich    auf  ihn   in  jeder 

_re. 


9.  Capitel. 
Die  Manifestationen  der  Tugend. 

Übersicht. 

§  327.    Die  Tugend  soll  sich  manifestieren 

A)  in  der  Freiheit.  Nur  wer  seinem  eigenen  Willen 
folgen  kann  und  folgen  -will  und  wirklich  folgt,  kann 
sittlich  sein  und  sittlich  handeln; 

B)  in  der  Selbstbeherrschung  als  jnn  *12P  tWO; 

C)  in  Besonnenheit  (in  denkender  Erwägung,  njnn  Sit?"), 
Mäßigkeit,  Mäßigung  und  Gleichmaß  in  Gefühl  und 
"Willen,  wie  in  der  Herrschaft  über  Affekte  und  Leiden- 
schaften; 

D)  im  Gleichmaß  der  Ideen  und  ihrer  Herrschaft,  wie 
in  der  Harmonie  des  ganzen  Menschen; 

E)  in  der  Energie:  Fleiß  und  Tapferkeit  (pew  ptfl  pl), 
Standhaftigkeit  und  Furchtlosigkeit;  das  Schicksal  über- 
windend durch  den  Sieg  der  Idee. 

Die  Vorbereitung  zu  alledem  geschieht  durch  Erzie- 
hung, Gewöhnung  und  Selbsterziehung  =  innere  Erhebung. 


58  Hl    Der  Weg  zur  Bittüohk 

A. 

Freiheit  (innere  und  äußere). 

§  328.  Frei  ist,  wer  fähig  ist  durch  Gründe  (objektive) 
und  Beweggründe  (subjektive)  bestimmt  zu  werden,  unfrei. 
wer  der  Gründe  ungeachtet}  so  handelt,  wie  er  nach 
seiner  AbliäiiLri^kcit  von  Gelüsten  und  Leidenschaften 
handeln  muß.    Willkür  ist  unfrei. 

Frei  werden  heißt:  sich  durch  Überlegung,  Wahl 
und  izute  Gewohnheit  der  Abhängigkeit  von  Leidenschaft 
und  Gelüst  entziehen. 

Die  subjektive  ethische  Entwicklung  der  Persön- 
lichkeit.   Freiheit  —  Bedeutung  —  aufsteigendes  Mal» 

und   Art. 
Freiheit  und  Charakter.    Hingebung  an  die  Sache. 
Herrschaft    der    Idee    —    durch    sie    wird    auch    das 

1\  leinste  groß. 

-    izze  /ur  metaphysischen  Frage  der  sittlichen 

Freiheit. 

A    wirkt    auf    B,    aber     B    muß    mitwirken    = 

igendes  [Jbergewicht  des  B. 

In   der   S  Früher«     A   wirkt,   bewirkt  Späteres; 

aber  der  Akt  B  derGegenwari  muß  geschehen; 

ohne  den   neuen  A 1. 1   keine  Folge  aus  dem 

Fi  l  hbergewicht   des   B 

l-'relli, 


Motive.  59 

Der  Inhalt  und  das  Subjekt  =  steigendes  Übergewicht 
des  Subjekts. 

Zwei  Motive  (Kollision).  Das  objektive  und  das  sub- 
jektive Maß  der  Stärke  des  Motivs  =  steigendes 
Übergewicht  des  subjektiven  Maßes. 

Reale  Motive,  von  außen,  ideale  von  innen  (auch 
gelernte,  innerlich  vergriffene;  frei  geschöpfter 
moralischer  Fortschritt)  =  steigendes  Übergewicht 
der  Idee  =  Freiheit. 

Aus  der  subjektiven  Tätigkeit  entspringt  der  ob- 
jektive Geist.  — 

§  330.  Es  kann  Einer  in  einem  bestimmten  Falle,  in  der 
Absicht  seine  Freiheit  zu  bekunden,  sich  seiner  Freiheit  zu 
versichern,  es  allerdings  —  gleichsam  als  caprice  —  da- 
hin treiben,  ein  völlig  unentwickeltes  Handeln  zu  voll- 
bringen, er  will  sich  um  alle  Motive  nicht  kümmern; 
weder  A  noch  non  A  sollen  ihn  bestimmen.  Wenn  in- 
determin.  darin  besteht,  heute  dies  von  zweien,  morgen 
das  andere  zu  wählen,  so  tut  ers,  seiner  Einsicht,  seinen 
Gründen  für  A  oder  non  A  zum  Trotz;  —  selbst  wenn 
er  das  begründete,  gewünschte  oder  sittlich  vorgeschrie- 
benen wählt,  tut  ers  nur  aus  Freiheitssucht,  nicht  wegen 
objektiven  Motivs  —  was  Hehler  theoretisch  mit  Recht 
S.  66  behauptet  vom  Rechthaben  wegen  alleinigen  Recht- 
habenwollens,  das  kann  einer  praktisch  machen:  dahin, 
sage  ich,  kann  es  einer  treiben,  gerade  so  gut,  wie  er  es 


60  HI.   Di  r  Weg  zur  Bittlichi 

dahin  treibt,  die  Entscheidung  einem  Lose  zu  Über- 
lassen! allein  es  ist  zu  beachten,  daß  diese  Art  von  Frei- 
heit nicht  bloli  nichts  zur  Sittlichkeit  beiträgt,  sondern 
uteil  von  sittlicher  Freiheit  ist. 
Motive  wirken  nicht.  Bind  nicht  aktive  Wesen,  Kräfte, 
sondern  erregen  unsere  Tätigkeit,  indem  sie  Inhalt  der- 
selben werden.  <  >b  sie,  die  Gedanken,  zu  Motiven  werden. 
hängt  von  uns  ab,  also  von  unserer  Natur,  unserem 
Wesen;  aber  Natur.  Wesen  ist  ja  nichts  Freies,  son- 
dern wird  auch  erst  durch  unsere  Tätigkeit,  durch 
Einsicht,  Wollen,  Gesinnung.  Zu  den  Objekten  (welche 
Motive,  Ursache  des  Wollens  sein  -ollen)  muß  erst  das 
Suhjekt  kommen;  ZU  den  Sachen  die  eigenen  Vorstellun- 
gen des  Wollenden  von  denselben;  zu  den  anderen  l'er- 
sonen  die  eigene  Person;  und  wenn  nun  in  der  eigenen 
Person    seihst    der  L'gruml    liegt,    so    muß    zu    den 

frühereu  Akten  der  gegenwärtige  treten.  Nicht  die  früheren 
Lanken  wirken  jetzt  in  mir,  sondern  Bie  bestimmen 
mich  nur  zu  meinem  jetzigen  Wirken:  im  I  nw;ir- 
tigen  Akte  wirkt  nicht  der  Inhalt  auf  das  Subjekt,  son- 
dern   dil  868   in    -einem    I  nhalt. 

Die   fortschreitende  Entwicklung  ist   ein  fortschreiten- 
in zur  Freiheit  «»der  in  der  Freiheit     Der 
Mensch    verdank!    ab«  h  selbsl   immer  mehr  (oder 

durch  die  Au>hildung  Beines  Charakter  , 
betrifft,  so  rechnen  wir  dem  Men- 
bloß  d<         fenwärtigen  Akt,  die 


Der  Kampf  der  Motive.  61 

Handlung,  sondern  alle  Vorbereitung  derselben  in  Bil- 
dung, Gesinnung  und  Charakter  zu.  Vor  allem  rechnen 
wir  ihm  auch  seine  Unterlassungen  an  Tätigkeit  und 
Aufmerksamkeit,  Besinnung  zu,  was  früher  hätte 
geschehen  sollen;  hat  es  geschehen  können:  ja!  woran  hat's 
gefehlt  ?  nur  an  ihm  selbst,  am  letzten,  am  Akt  im  Moment ! 

§  331.  Es  läßt  sich  zeigen,  daß  alle  Sünde,  alles  posi- 
tive Unrecht,  jeder  positive  Fehler,  nur  aus  dem  Nega- 
tiven, dem  Unterlassen  folgt  —  dem  Mangel  an 
Energie,  Besinnung  usw.  Sollen  heißt  letztlich:  das 
Motiv  zum  Handeln  wesentlich  aus  sich  selbst 
nehmen,  oder  aus  der  sittlichen  Forderung. 

Der  Determinismus  sagt:  Es  hat  am  Antrieb  zur 
Tätigkeit  gefehlt.  Sollen  aber  heißt:  den  Antrieb  aus 
sich  selbst  nehmen;  nicht  bloß  richtend  und  schlichtend 
und  wählend  zwischen  den  Motiven,  sondern  auf  Aktion 
gerichtet  sein,  ist  die  Forderung.  Der  Mensch  ist  nicht 
bloß  ein  vernünftiges,  sondern  ein  tätiges  Wesen;  er 
soll  mit  seinen  höchsten  Kräften  tätig  sein. 

Daß  Maß  der  Freiheit  steigt  mit  der  Anzahl  der  (ver- 
schiedenen und  widerstreitenden)  Motive  zum  Handeln 
(und  Unterlassen:  Trägheit,  Furcht,  Gewissenhaftigkeit. 
Hamlet  — ). 

Hat  die  Kultur  (der  Genüsse,  Absichten,  Einsichten 
und  moralischen  Gesetze  besonders)  einen  Reichtum  von 
Motiven  erzeugt,  dann  wird  zu  jeder  Stunde  die  Wahl 
notwendig  und  die  Freiheit  möglich. 


62  HI     ' '      W       •  ai  Bittlichl 

Der  K;uiipf  der  Motive  geschieht  nicht  gleichsam  hin- 
ter   dem    Rücken    des    Subjekte;    die    Motive    haben    ihr 
W  esen    nnd    ihre  Kraft    nur  im  Subjekte.     Tatsachen. 
Gegebenes  sind  nicht  Motive,  sondern  werden  es  durch 
das  Subjekt    Tatsachen,  [Imstande,  Bedingungen  gehören 
der  Vergangenheit  und  Gegenwart:  jedes  Handeln,  jede 
Absicht    und  jedes  Motiv  (Tatsache  als  Motiv)  geht  auf 
Zukunft;  diese  ist   nicht  gegeben,  sie  soll  erst  ent- 
stehen.    Der   1  »urchgang  von  Vergangenheit  zur  Zukunft 
geht  durch   das  Subjekt.    Die   getroffene  Wühl  zeigt, 
welches  Motiv  das  stärkere  war,  —  aber  es  ist  nicht  an 
sich  stark,  -ondern  wird  es  erst  nur  durch  die  Wahl.    Man 
wählt  nur  —  zieht  vor  das.  was  (in  diesem  Moment!)  als 
das  beste  erscheint:  über  daß  es  als  das  beste  erscheint, 
liegt    nicht    im    Objekt      ABC    sind    Motive   für    X 
Y   Z.      X    folgt   A.    Y   i;    und   ZG;    auch   X    allein    folgt 
in  der   Leidenschaft  B,    in  der   Muhe  (';  m  der  Theorie. 
in  der  Reue  sieht  X,  daß  nicht  A,  sondern  C  das  B< 
hätte  sein  sollen.1  — 

A  i;  c  i>t  als  Inhalt  gegeben;  die  Qualität,  die  Macht 
mint  aus  dem  Subjekt  —  aus  seiner  Aus- 
bildung li 


i  So  im  Manuskript   Soll  sbei  wohl  beißen    „auch  X  f"i-t  in  dei 
Lei«  :t  b,  m  der  Kühe  I  i  der  Theorie,  in  dei  Reue 

:.:  i;  ■  '"  bitte  lein 

sollen."    I»    II 


Psychologische  Bedingungen  der  Freiheit.  63 

Psychologische  Bedingungen  der  Freiheit. 

§  332.  1)  A  B  C  D  (so  viele  Objekte  und  Motive  wie 
möglich)  muß  im  Bewußtsein  gegeben  sein  (auch 
das  Schlechte,  damit  das  Gute  gut  sei). 

D^na  mroi  "m  ovn  y^b  Tina  nav 

2)  Die  Einsicht  in  die  objektive,  absolute,  am  allgemein 
gegebenen  Gesetz  gemessene  Qualität  von  A  und 
B  und  C.  DsTü  ninai  —  niemand  wählt  niO  — 
aber  die  Einsicht,   daß  dies  DVn  und  jenes  niö  sei. 

3)  Selbständigkeit,  gleichschwebendes  Verhalten  des 
Subjekts:  fiß^. 

Verhalten  des  Subjekts  zu  seinem  Inhalt. 

a)  Sinnlichkeit  —  Stimmung  des  Subjekts,  Gesundheit 
und  Krankheit  —  dies  ist  jetzt  süß,  ein  andermal 
bitter  —  wegen  des  subjektiven  Zustandes  des  Sub- 
jekts. Jeder  Zustand  ist  notwendig  aus  dem 
Verhalten  von  Subjekt  und  Objekt,  aber  nicht 
jeder  ist  normal,  gesund. 

Es  gibt  einen  normalen  Zustand,  mit  der  Gesund- 
heit, höchsten  zweckmäßigen  Leistung  der  Organe 
zu  gedeihlichem  Ziel  übereinstimmend. 

b)  Der  Verstand,  das  intelligente  Urteil;  das  mathema- 
tisch logisches  Gesetz;  nur  der  Gesunde,  Normale  ur- 
teilt richtig,  sieht  die  "Wahrheit  ein  und  wendet  die 
gesetzmäßige  "Wahrheit  auf  den  konkreten  Fall  an. 


i  Deut.  31,  15u.  19. 


6  |  in.    Der  Weg  aur  Sittlichkeit. 

§  333.  Freiheit  and  Mechanismus  sind  keine  Wider- 
Bprüche;  die  Ausschließung  der  Freiheit  beruht  am'  einer 

oberflächlichen  Beobachtung  (und  nur  abstrakten  I 
hauptnng)  des  Mechanismus. 

Der  Mechanismus  besteht  in  der  menschlichen  Gesell- 
schaft und  auch  im  Einzelnen  nicht  wie  in  einer  künst- 
lich« n  Maschine  und  in  gewissen  kosmischen  Vorgängen 
aus  lauter  notwendig  gegebenen,  in  sich  zusammenhän- 
genden oder  gar  auseinander  entwickelten  mechanisch 
wirksamen  Elementen.  Kausalität  i-t  da;  aher  die  Quelle 
der  mechanischen  Ursachen  ist  eine  zufällige;  d.  h. 
außer  der  kausalen  Notwendigkeit  gegebene.  Beispiel: 
Coca  wiid  gefunden,  Cocain  bereitet;  ein  neues  psychisch 
wirksames,  auf  die  Handlungen  einflußreiches  Element. 
1  »aß Coca A  uziehung  übt,  mag  mau  für  ebenso  mechanisch 
notwendig  erklären,  wie  daß  es  dann  in  best  inmiterWeise  ein- 
greifend wirkt.  Allein  «las  ganze  gesellschaftliche  Gefüge 
mit  Kräften, Antrieben  usw.  hat  vorher  ohne  du-  Element 
bestanden  und  dies  Element  hebt  die  Mechanik  nicht  auf. 
kann  also  au.-h  als  psychologischer  Hrfolg  Freiheit 
der  Wahl,  der  Selbstbestimmung  als  eine  wirksame  (be- 

. rankt«     Q        e   in   den  Prozeß,  in   den  Kalkül  eintreten, 
ohne  ihn   im   eigentlichen   Sinn   .  'ii. 

l.li  »ca;    ich   kann  auch  sagen:    den    Indianern 

etwa    wird     :..     Grold    gebracht;    nun    entsteht    ein« 

Handelns.   —    Audi   das  Gold  der 
Kp  im  i1    kann   • 


Zur  Stellung  des  Menschen  in  der  Natur.  65 

§  334.  Zur  Stellung  des  Menschen  in  der  Natur. 
Das  Verhältnis  ästhetischer  Schöpfung  und  ethischer  Hand- 
lung zur  psychologischen  Gesetzmäßigkeit  des  Geschehens 
in  der  Seele.  Wie  ein  Mensch  etwa  bei  der  Schöpfung 
der  Uhr  die  mechanische  Gesetzmäßigkeit  der  Körper  in 
den  Dienst  nimmt,  ihr  überall  sie  befolgend  nachgeht, 
aber  dennoch  nicht  untertänig,  sondern  gebietend  und  in 
seiner  neuen  Schöpfung  frei  gestaltend  sie  nur  verwendet; 
wie  er  seiner  eigenen  Muskelkräfte,  welche  nur  nach 
mechanischen  Gesetzen  wirken  können,  sich  bedient,  aber 
die  Handlungen,  für  welche  er  sie  bewegt,  mit  Freiheit 
wählt  —  wie  nämlich  diese  Bewegungen  der  Muskeln  nicht 
aus  ihrer  Natur  und  Gesetzmäßigkeit  von  selbst,  sondern 
durch  seine  Absicht  herbeigeführt  werden,  —  so  be- 
herrscht der  freie  Geist  auch  den  psychologischen  Mecha- 
nismus, den  er  in  den  Dienst  nimmt. 

Grade  das  letzte  Gleichnis  ist  geeignet,  uns  das  Ver- 
hältnis der  geistigen  Freiheit  zur  geistigen  Gesetzmäßigkeit 
noch  mehr  aufzuklären.  Viele  Bewegungen  unserer  Mus- 
keln gibt  es,  welche,  dem  organischen  Zwecke  des  Leibes 
dienend,  allein  nach  dem  mechanischen  Gesetz  vollzogen 
werden,  unwillkürlich  und  meist  sogar  unbewußt.  So  beim 
Atmen,  beim  Blutumlauf  usw.  Nur  zuweilen  identifiziert 
sich  die  freie  Absicht  mit  dem  organischen  Zweck  und 
stellt  sich  selbst  in  den  Dienst  desselben,  und  die  freie 
Absicht  bildet  manche  Bewegungen  bis  zur  Kunst  aus 
(Turnen  und  alle  Gymnastik),  um  den  organischen  Zweck 

Lazarus,  Ethik  das  Judentums   II.  5 


in.    I  ■  :   W(  g  rar  Sittlich] 

desto  vollkommener  zu  erreichen.  Andere  Bewegungen 
aber  und  zwar  alle,  welche  dem  eigentlichen  Sandeln 
und  dem  Schaffen  des  Menschen,  d.h.  der  Realisierung 
theoretischer,  ästhetischer  und  ethischer  Zwecke  dienen, 
liegen  an  sieh  außerhalb  der  Sphäre  des  organischen 
Zwecki  •  werden  von  demselben  nirgends  gefordert 
und  würden  aus  der  bloßen  mechanischen  Gesetzmäßig- 
keit, die  den  Leib  beherrscht,  niemals  entstehen. 

Wie  sehr  also  auch  der  Bestand  des  Organismus  und 
damit  auch  aller  freien  Tätigkeil  desselben  von  jenen  un- 
willkürlichen und  unbewußten,  nur  dem  Mechanismus  folgen- 
den Bewegungen  des  I  ieibi  -  abhängig  ist,  mit  hin  der  I  tereich 
Notwendigkeit  die  unbedingte  Voraussetzung  für  alle 
Aktion  bildet,  erhebt  sieh  doch  auf  diesem  Funda- 
1'.;;  einer  beträchtlichen  Gruppe  von  freier 
T  tigkeit,    welche   die  mechanische  Gesetzmäß  mir 

ein    Material    verwendet,    welchem     eine,     seinem 

G<      tz  durchaus  fremde         nur  nicht  feindliche  — 

Form  ■  ii  wird. 

:id  wird  «ich  laicht  rühmen,  die  ganze  Literatur 

Freih<  ndig  zu  kennen;  ich  am  wenig- 

h    dem,   was    ich    von  ihr  kenne,   Bcheinl 

mir  —   t  ler   feii,.;.    Arbeil   von   Bebler  —  immer 

Lück 

Man  sollte  nämlich  die  Erwägungen,  die  Prüfung  der 

■  n_"  d  Sonderung  der  Zeiten  an- 
••  '  Wollend  also  als  ver  ■  o,  als 


Freie  Tätigkeit.  67 

gegenwärtigen  und  sein  Verhältnis  zur  Zukunft,  zu  dem, 
was  ihm  folgt.  Kant  hat  die  Scheidung  herbeigeführt 
zwischen  der  intelligiblen  Tat  als  einer  zeitlosen  und 
dem  zeitlichen  Vorgänge;  aber  innerhalb  des  Zeitlichen 
werden  die  verschiedenen  Zeiten  wohl  beachtet,  aber 
nicht  in  strenger  Sonderung. 

§  335.  Zu  den  schlimmen  Formen  der  Freiheit,  welche 
in  der  Tat  zu  egoistischer  Unfreiheit  werden,  gehört  die 
Verwechslung,  daß  das  Subjekt  an  die  Stelle  seiner  Selb- 
ständigkeit in  der  Wahl  des  Motivs  vielmehr  seine  Iso- 
lierung im  Ziel  des  Wählens  setzt.  Daraus  folgt,  daß 
nicht  die  entfernten  Objekte  des  Wollens,  soweit  sie 
Personen  oder  Ideen  sind,  den  wahren  Inhalt  des  Motivs 
ausmachen,  sondern  nur  die  eigene  Beziehung  des 
Subjekts  zu  ihnen,  die  eigene  Erregung  dadurch  usw. 
Wer  z.  B.  in  der  Liebe  (und  in  allem,  was  er  aus  Liebe 
tut;  nicht  sowohl  den  Geliebten,  sondern  nur  die  Wonne 
des  Liebens  (oder  G-eliebtwerdens);  wer  in  der  Religion 
nicht  Gott,  sondern  die  eigene  religiöse  Erregung  und 
Erhebung;  in  der  Verehrung  des  Guten,  in  der  Schätzung 
des  Schönen  nicht  das  Gute  und  das  Schöne,  sondern 
nur  das  eigene  Wohlgefallen  daran  sucht,  der  hat  den 
Kern  der  Liebe,  der  Religion,  des  Guten  und  Schönen 
weggeworfen  und  nur  die  Schale  behalten.  Dieser  feinere 
Utilismus  ist  ebenso  schädlich  als  der  grobe,  aber  noch 
viel  mehr  gefährlich.  Dies  ist  die  Klippe  des  moralischen 
Fortschritts;    denn  die   Art,  wie    (historisch,    in    Sprich- 

5* 


68  111.   Der  Weg  zur  sittlich,. 

:i   usw.)    die   Masse   die  Tugend   preist,    geht  aus 
Verwechslung  hervor. 
Dario  ist  die  religiöse  Fassung  des  Ethischen  im  Ju- 
dentum   mustergültig.    Vom    groben  ütilismus    (der  B  - 
lolumng.  auch  zeitlicher,  sinnlicher  Belohnung  des  Gut' 
hat  •   und  langsam,  vorzugsweise  in  rabbi- 

nischer  Zeit  Losgemacht1;  über  in  diesen  feineren  und  ge- 
fährlicheren Otilitismu«  e  nie  verfalle]  r  doch 
nie).  «TOB  Dts6,  BW  Dts6,  —  nichts  von  der  eigenen  Per- 
son. Ichen  A.usdrücken  wie  rz~' z'yi  !TD1  i--  na 
"in'  z:  DTIK2,  merkt  man  '_rau/.  deutlich,  daß  das  D^yai  HD 
sich  nicht  auf  die  Subjekte  Belbst,  sondern  auf  un- 
parteiischen Zuschauer  bezieht,  oder  ganz  absolut  ge- 
dacht 

Gesetz  der  Erhaltung  der  Kraft  in  der 
gei  eil  des  Menschen  ihre  Fortsetzung  fim 

und  namentlich  auf  di  atliche  Bedeutung  der- 

selben sich  ersl  int  mir  hi 

liaft.     . .        lommen,   daß  jeder   psychische  Vorgang  die 
inea  01  nen  sei.  bo  wird  «loch  wohl  das 

.   der   umgewandelten  Kraft   dasselbe   sein   für  einen 
luv  einen  ri         en,  für  einen  bösen  wie  für 
mentlich  für  einen  negativen  wie  für  einen 
.   Mit  and(     1    W    rten:  die  Ums<  tzung 

1  Di(    --:.-.  -       indrohu        -  nicht  vorzulesen,  damil 

,  urcht 

2  Psalm   133,  1. 


Utilitismus.    Umsetzung  der  Kraft.  69 

der  Kraft  kann  sich  nur  auf  den  Akt,  auf  den  Prozeß, 
nicht  aber  auf  den  Inhalt  beziehen. 

Vielleicht  liegt  hier  der  wesentliche  Unterschied  des 
Psychischen  vom  Physischen.  Im  Physischen  ist  der  In- 
halt immer  mit  dem  Vorgang  identisch :  das  Maß  der  Energie 
ist  das  Maß  dieser  bestimmten  Atome  von  dieser  Qualität; 
dahingegen  enthält  die  Energie  des  psychischen  Prozesses 
keine  Hindeutung  auf  den  bestimmten  Inhalt.  Die  ein- 
fache Vorstellung  der  einen  Qualität  wird  grade  so 
viel  Kraftaufwand  erheischen  als  die  Vorstellung  einer 
andern. 

Der  Akt  des  Wollens  mag  genau  dem  Vorgang  der 
motivierenden  Reize  entsprechen;  aber  der  Willensakt 
kann  positiv  oder  negativ  sein,  der  Entschluß  ein  Ent- 
schluß zu  tun  oder  zu  lassen  sein. 

Für  den  Entschluß,  hier  einen  Baum  zu  pflanzen  oder 
nicht  zu  pflanzen,  das  Haus  zu  bauen  oder  nicht  zu  bauen, 
wird  in  bezug  auf  die  aufgewendete  Entschließungskraft 
die  Energie  des  Willensakts  der  gleiche  sein.  Und  doch 
stammt  der  Verfall  aller  Kulturen  und  Kulturländer  aus 
den  negativen  Entschlüssen. 

Man  darf  nicht  vergessen,  daß  die  Negation  im  Psychi- 
schen ein  positiver  Akt  ist  und  in  bezug  auf  die  Kraft- 
verwendung dem  positiven  gleich,  ja  größer  sein  kann. 
Wohlgemerkt:  das  Unterlassen,  das  Nicht  wollen  ist 
gleich  der  Negation  im  Physischen;  dahingegen  das 
Wollen,  daß  etwas  nicht  sei,  nicht  geschehe,  ist  in  der 


7  m  III.  Der  Weg  . 

Ketl         r  Aktionen  gleich  dem  positiven  Entschluß,   im 
jolut   ei  ..t.      Im    Physisc] 

lie  Richtung   mit   der   Bewegung  gesetzt  Bein;    im 

jen  ist  sie  es  nicht.     S.   Hehler. 

Die  Willensfreiheil  n  Sittlichkeit 

s   Wollei 

th  :i3    im.:    Alles    sieht    in    der    M. 
( i   ■•  •  si'urchi .    (I.  1.   mc    ist  der 

freien  Wahl  des  M(  q  über]  liberum  arbitrium). 

Wenn  sie  sich  mit  Thora  und  Erweisung  von  Liebestaten 
•iL    ist    ihr    Triet»    in    ihre    Hand    gegeben,    nicht 
aber  sind  sie  in  die  Hand  ihres  Trie  ,     Man 

kann  Bich  nicht  denken,  daß  das  Gute  nicht  Int'  img 

dur<  majeure  finden  boIL 

[nnere    !•'  reiheit     Es  wird   I.  bei 

dem   Vi  Lee  Z  Zizith  (Knecht     haft 

mit-  :  nnlichkeit  "::  R7l)   und   b<       '       und  I 

:it  auf  den  Auszug  au  ist;    Be- 

llt di--  Mammons,  der  Sinnlich- 
■     und     al  6]    .: 

1  D 

r  -"-     den 
n  /iziili,  den    Auszug  aus    \- yplcn 
Der  II  ich:  Ich, 

ich  Igeborcnea  uml 

.  gemacht 
•reinst  bi  reicher  sein  G  n  et 


Der  geschlossene,  ganze,  freie  Mensch.  71 

Mamniondienst, Eigensucht  und  Sinnendienst  sind  Knecht- 
schaft, eines  freien  Menschen  unwürdig. 

Zur  Heiligung  gehört  die  innere  Freiheit.  Die 
rabbinische  Anschauung  weiß,  daß  die  Freiheit  ein 
schwer  erworbenes  Gut  ist,  das  fortwährend  geschützt 
und  behütet  und  gestärkt  werden  muß. 

Der    geschlossene,    ganze,    freie  Mensch.  —  Die 
sittliche  Persönlichkeit,  der  Charakter. 

§  338.     1)  Die  Freiheit:  mmu 

2)  Mäßigkeit    als   Mittel.     Freiheit   durch   Gesetz; 

min  ntcbrü  poiyp  «c  tcta  pin  p  -fi  j»k.s 

3)  Freiheit  wird  erworben,  man  ns  mm  b&  PDTJ  K\~  p 

Innerer  Kampf.     K"ÜK  «nys  Dl^>.4 

4)  Der  niedere,  physische  und  zugleich  erhabene  gött- 
liche Ursprung  des  Menschen:  V"\\yyo  jn  CHWl  2}  "IS« 
nrVHD  nB^O«:  aber:  D3\T^K  7T^  CHN  0^3 7. 


es  an  einen  NichtJuden  (MJ)  hängt  (d.  i.  es  für  Geld  eines  Nichljuden 
ausgibt),  auf  Zins  an  Israeliten  leiht,  und  den,  welcher  seine  Gewichte 
in  Salz  verbirgt  (legt,  um  sie  schwerer  zu  machen,  vergl.  Raschi  zu 
ßaba  batra  89b,  nach  Tosafoth  das.  s.  v.  vbv  um  sie  leichter  zu 
machen  — )  und  den,  der  türkisblau  gefäibte  Wolle  (j^K  xbp)  an  sein 
Kleid  (als  Schaufäden)  hängt  und  sagt,  daß  es  himmelblau  sei 
(«in  r6rn).  Zu  letzlerem  vergl.  ßaba  kamma  93b  un.  Man  färbt  das 
Zeug  mit  blau  und  grün  schillernder  Farbe,  die  nicht  ausgeht  («bn 
12$?).    D.  H.  i  Deut.  30,  19.        2  ßaraitha  de  Aboth. 3 

4  Abot  V,  26.      s  Genesis  8,  21.      6  Aböl  III,  1.      <  Deuter.  14,  1. 


III.    Der  W.  g  zur  Bittliohki 

Daher  einheitliches  Leben,  Ganzes,  ~tt  DMWl1 
Lernen  von  Allen,  von  Tieren,   /..  T>.   Fleiß  von  der 
Ameisi    (n^M),    Keuschheit  (JTiy'33)  von  der   K 
-  nn  .  7011    1  leiden. - 

1.  Die  Tat  k- -inrat  schwerer  zustande,  begegnet  den 
Bindernissen  der  Wirklichkeit;  die  Gefahr,   daß  sie  be- 

d  -werde,  i-t  also  nicht  so  groß,  als  die.  einem  bösen, 
sündigen  Gedanken  (Neigung,  Absichl  usw.)  nach- 
zuhängen,  was  aber  doch  auch   Sünde  ist. 

2.  Der  i  neu  Tat  stehen  dir  vielen  Arten,  wie  sie  aus- 
geführt werden  kann  oder  soll,  gegenüber.  Indem  der 
Mensch  den  verschiedenen  Plänen,  wie  sie  auszuführen, 
nachdenkt,  begeht  er  mit  jedem  dieser  Pläne  das  Un- 
recht, mit  jedem  Plan  begeht  er  in  Gedanken  die  Sünde. 
Selbst  ■  chehen,  ist  das  spätere  zustimmende, 
nichtreuige  Denken  darüber  'ine  Wiederholung  de-  \  er- 
brechens,  rollende  wenn  er  sich  dessen  in  Beinern  Herzen 

rühmt.     Dickens   hat   in   einem   -einer  Bomane  geschildert, 

wie  ein  Mörder  nach  dem  begangenen  Mord  den  gas 

larflber  nachsinnt,  wie  er  ihn  anders,  sicherer  vor 
Eni  leckung,  hätte  begehen  können;  er  entwirft,  obgleich 
völlig  unnötig,  Plan  auf  Plan.  I  ad  I>.  bemerkte  mi1  Recht, 

•   •;  mit  ji  d<  m  aeuen  Plan  von  Neuem 
er  den  Mord  begang 


i  i  :  >  Proverb.  6, 6    vrrgi.  Km!  id  I00b  mit 

1  H  II.     P  H 


Naturgesetze.    Selbstverantwortung.  73 

Die  Verwerflichkeit  des  Verführers    der  Menge, 

der  Gesamtheit. 

§  339.  Verpflichtung  auf  die  Sittlichkeit  des 
Andern.  Aboth.  V,  20:  „Wer  viele  zur  Sünde  verleitet, 
kann  nimmermehr  Buße  tun".  Der  Einzelne  kann  bereuen, 
sich  bessern;  aber  die  Verführten  kann  er  dadurch  nicht 
wieder  bessern.  Ja  es  gelingt  ihm  nicht,  seinen  Fehler 
wieder  £ut  zu  machen,  weil  er  in  den  andern  fortdauert. 


ö' 


Der  Gegensatz  der  ethischen  Lebensführung. 
Aboda  zara  17a  und  18a:  Mancher  erwirbt  seine  Welt 
(d.  i.  das  Leben  der  künftigen  Welt)  in  einer  Stunde 
und  mancher  erst  in  vielen  Jahren.  Vergl.  dazu  Meno- 
rath  hammaor  bei  Fürstenthal  I,  161. 

Die  Lohntheorie  ist  darauf  von  Einfluß  gewesen,  aber 
auch  ohne  diese  Theorie  ist  der  höhere  ethische  Stand- 
punkt geeignet,  eine  ethische  Großtat,  einen  genialen 
Akt  besonders  zu  würdigen. 

Die  Legende  von  R.  Eleazar  ben  Durdaja  Ab.  z.  17 a  ist 
sinnreicher  als  sie  aussieht,  die  D'plDS  über  Himmel  und 
Erde  usw.  sind  äußere  Form,  aber  der  innere  Gehalt  ist: 
Durdaja  hat  dem  Naturtrieb,  dem  Naturalismus,  dem  ge- 
meinen Epikureismus  gehuldigt;  er  kommt  zur  Erkennt- 
nis, daß  dies  unsittlich  sei;  aber  verteidigen  möchte  er 
sich  durch  die  allwaltenden  Naturgesetze.  In  der  ethischen 
Frage  aber  lassen  diese  ihn  im  Stich;  sie  sind  selbst 
nicht  ethisch,  sie  sind  nicht  das  Ewige,  Wahre,  Höchste 


74  UX   Der  Weg  rar  Sittlichkeit. 

3.  j         :   10  und  51,  6    24   3;  34,4.     Er  sieht  nun.  daß 
ji,.  g  au  ihn  gebunden  sei.    Das  ist  ethisch,  das 

.   freie   Tat,   nicht    Kausalität,    Abhängigkeit 
einen   vom   andern   (s.  Spin.  Eth.  I,  28*.)      Durdaja 
n\,  wie  di'   Le  ■  nde  am  Schlüsse  berichtet,  sein 
Eaupt  zwischen  seine  Knie,   sehne  und  weinte,  bis  ihm 
seil.,  ing.    Fürstenthal  spricht  von  „freiwilligem 

Tod-,   das   ist  Unsinn;  man  darf  nicht    1  le  mit  ra- 

tionalistisch! .tuug   vermischen.      Vielmehr  mit  der 

Erkenntnis  d  dlichk  mch  ihr  Ende  g< 

ade  läßt  ihn  an  Beinern  Seelenschmerz  sterl 
Eleazar    ben    Durdaja   geht    in   das    Reich   des    Unend- 
lichen ein. 

Gewisse  iheit. 

.\   ■   .  »lcher  Au  wii    der  d< 

EL  Jo  e   in   Su  Nie   ist   Mose   und   E  a    in   die 

n  völlig  um  lert 

v,;,  -         -    auf  et)  m  Grunde,   d.  h.   in 

halt.       Innere     !  I     von 

bloßen  N(  •■  Q,utilis1  \  '•  u,  nie- 

d,  nicht«  cken. 

Vermittlui 

an    au  Ä.U8- 

'• 
P. 


Sozialgesetze.  75 

b"r\  hm»*  7123  12«  omai«  Bwon  rrp  &6p,  23-12«  "oki  b'n 
iwe  -p-12  ynte  n  ^2  w  ^\sx"  *dj>  n«  712«  *a«  2212«  ^ki 

"]*?  121,  d.  i.  ..und  ich  werde  sie  segnen.-  Damit  die 
Israeliten  nicht  sagen,  ihre  Segnungen  hängen  an  den 
Priestern,  deshalb  heißt  es:  „Und  ich  werde  sie  segnen-. 
Damit  die  Priester  nicht  sagen:  wir  segnen  die  Israeliten, 
deshalb  heißt  es:  „Und  ich  werde  sie  segnen ■',  was  sagen 
will:  Ich  werde  mein  Volk  Israel  segnen,  wie  es  heißt: 
(Deut.  15,  6):  „Denn  der  Ewige,  dein  Gott,  hat  dich  ge- 
segnet wie  er  dir  verheißen  hat." 

Sozialgesetze. 

§  341.  Xur  die  ethischen  Prinzipien,  welche  der  Gesetz- 
gebung zugrunde  liegen,  können  und  müssen  heute  noch  zur 
Anwendung  kommen.  Die  Gesetze  selbst,  für  einen  kleinen 
rein  agrarischen  Staat  berechnet,  finden  im  Groß-  und 
Industriestaat  keine  direkte  Anwendung. 


-■ 


Grundzüge 


o 


1)  Politische:  Alle  Bürger  sind  gleich.  Die  Verwaltung 
und  das  Recht  liegt  in  den  Händen  gewählter  Al- 
testen. Die  Wahl  nach  Würde!  —  nicht  von  Reich- 
tum, Geburt  und  Abstammung  und  dergl.  ist  die 
Rede,  sondern  nur:  „Männer  von  Kraft  (Energie), 
Gottesfürchtige.  Männer  der  Wahrheit,  die  den 
Eigennutz  hassen"  (Ex.  18,  21). 


76  111.   Der  Weg  zur  Sittlich! 

2    S  Nicht    Individual-   Bondern  Familienbesitz, 

Üich  Erbpacht.  —  Durchschnitt:  gleiche  Wohl- 
habenheit.   Anhäufung  von  Kapital  ist  Belbst  für  den 
König  verpönt    Arbeit  als  Quelle  der  Wohlhab»  n- 
•  it.     Der  Acker   will   bebaut,   der   Weinberg   und 
der  Olivenhain  gepfli  S   bbath,  Muße,  aber 

Arbeit  Pflicht. 

\\  •  :.  dennoch  durch  Krankheit,  Mißwachs,  Genuß- 
sucht    und    schlechte     Wirtschaft    \  inng   ein- 

tritt: 1)  zeitliche  Beschränkung  auf  Schemitta  und 
Jobel  2)  Unterstützung,  aber  als  Aul'hilt'e  12  npffim, 
zinsloses  Darlehn  Lev.  25,35),  Armengesetzgebung 
besonders  für  Witwen.  Waisen  und  Fremde.  Da- 
nach Pflicht  der  Arbeit  und  der  Selbständigkeit 

3)   Gleichheit     Auch    der    fre  Sklave    i 

-ich  zu  dir  geflüchtet  hat,  soll  nicht  in  ein  Ghetto 
gebannt  werdei  .  Boll  mitten  unter  dir  wohnei  o  wird 
]  >._■  .  1 1  ich   und  Bchön  zugleich  an    •  S. 

t«n,  r  bst   wird  auch   gefordert,  j< 

A  len,  auch    mi  t 

ihn  nicht  kränl 

•■it. 
wird  \        len  Rab  den.    Sich  zu  frem- 

r-m    I  ben,    nur   nicht  dl  r    Hilfe 

,110*:    Der   Men 
n,  nur 
e  :.  Anspruch  nehm< 


Wille.    Selbstbeherrschung.  77 

Jüdische  Wirtschaftsgeschichte  von  Gustav  Ruhland, 
Professor  in  Freiburg,  in:  Die  Zukunft  7.  Jahrg.  1898 
Nr.  11  und  12  (10.  und  17.  Dezember  98.  S.  151):  „Auch 
der  andere  Stolz"  usw. 

Die  Rabbinen  haben  sehr  viel  von  der  Wohltätigkeit 
gehandelt,  sie  empfohlen,  eingeschärft  usw.,  aber  sie  haben 
die  Pflicht  der  Selbstverantwortung,  der  eigenen  Ar- 
beit für  das  Durchkommen  ebenso  stark  betont.  Nur 
beides  nebeneinander  ist  das  Rechte!  S.  Pesachim  1 1 3 a : 
Rab  hat  zu  Rah  Kahana  gesagt:  Ziehe  einem  Aase  das 
Fell  auf  der  Straße  ab,  um  Lohn  zu  erhalten,  nur  sage 
nicht:  Ich  bin  ein  Priester,  ich  bin  ein  großer  (vornehmer) 
Mann,  das  schickt  sich  für  mich  nicht. 

Arbeit  und  Müde.  Sabbatverletzung,  Sabbat- 
arbeit ist  Sünde;  aber  Müßiggang  des  Wochen- 
tags ist  ebenfalls  Sünde. 

Anstrengende  Arbeit  geboten  Gen.  3,  19:  „Im  Schweiße 
deines  Angesichts"  usw. 


C. 

Wille.    Selbstbeherrschung. 

Maß.     Mäßigkeit.     Mäßigung.     Gleichmaß.     Maß- 
halten. 

§  342.    Es  ist  sehr   charakteristisch,    daß    die   spätere 
Zeit   (obschon    unter    Einfluß    des   Aristoteles   und    der 


7-  111.    Der  Weg  zur  Bittlichk« 

tiker)  das  Maß  ah  Ausdruck  für  Sitte,  Charak- 
»rauchen.    Die  Talmudisteu  haben  für  Mali.  Norm, 
-  den   Ausdruck:  r~;:. 

■:  chung:  Beherrschung  der  Affekte. 
Den  künstlichen  und  den  natürlichen  Affekt  hat  man 
durch  Maß  zu  mindern. 

1)  V.  r  orge,   daß   nicht  ein   bewußtloser  anbeherrsch- 

barer  Zustand  eintritt. 
_    Nicht   auf  -  arakter,   d.h.  Dicht   auf  ein- 

M  inung  bestehei  -  ädern  sich  he- 
hr' 'i.  um  an  Ansicht  mit  freiem  Sinn 
prüfen  zu  können.  S.  P  ■  L13b:  Drei  liebt  der 
H-  .  .er!:  Wer  nicht  zürnt,  wer  sich  nicht 
berauscht,  wer  nicht  auf  Beinen  Eigenheiten  besteht 
•  h  29  :  Zürne  nicht 
(wörtlich:    i                   nicht  im  Zorn),  daß  du  nicht 

8Ü1 

nkun  g  di      '     I  urt  rieb«  lört  zur  Heili- 

Mittel.   Maimonides  behandi  DM  nraWD, 

.   und   ruoa  mo*K,    Verbol ,   den    I 

d.    m    --■—    —:  i  v..n    der 

II.  .     Numeri  I "  Dl  "%rr  und  ihr  Bollt 

Bn  asw.,  dam  it  ihr  ein- 
( h  böte  üb- 
und  L  zusammen,  d.  h.  also 

ntilisti         Sinn  —  kurz  die 


Leidenschaft.  79 

Leidenschaft  sind  in  ihren  Grenzen  notwendig.  S.  Sukka 
52  V 

Der  natürliche  Trieb  soll  gemäßigt,  geordnet,  in  den 
Dienst  des  Guten  gestellt,  aber  nicht  unterdrückt  wer- 
den, weil  der  natürliche  "Weltlauf  darauf  gegründet  und 
davon  abhängig  ist.  „Wäre  keine  Leidenschaft,  so  hätte 
niemand  ein  Haus  gebaut,  noch  geheiratet,  noch  Kinder 
erzeugt,  noch  irgendein  Geschäft  betrieben".  S.  Ber. 
r.  Par.  10  u.  34  mit  bezug  auf  Gen.  1,  31;  Sanhedr.  107 b. 
S.  auch  T.  I:  Naturgesetz  und  Sittengesetz. 

Meisterung  der  Gefühle.  Beispiel:  das  Maß  und  die 
Art  der  Sorge  —  energische  und  nicht  erschlaffende  usw. 

Wer  vor  Zorn  seine  Haare  ausrauft,  Kleider  zerreißt, 
Gefäße  zerbricht,  Geld  verstreut,  wird  als  Götzendiener 
betrachtet,  denn  der  Mangel  an  Selbstbeherrschung  führt 
zu  allem  Bösen  s.  Schabb.  105b.  Alle  zu  Taten  aus- 
artende Zorneswallung  wird  von  den  Rabbinen  wie 
Götzendienst  betrachtet. 

Der  Affekt  macht  dienstbar,  ist  dienstbar,  wenn  er 
zur  Tat  wird  anstatt  durch  Besonnenheit  eingedämmt 
zu  werden. 

Die  unerfüllte  Leidenschaft,  in  der  Phantasie  fortlebend, 
steigert  sich  und  zehrt  am  Menschen.  S.  Joma  29a: 
Sündhafte  Gedanken  sind  schlimmer  (schwerer)  als  die 
Sünde  selbst.  Yergl.  dazu  die  treffliche  Erklärung  Raschis. 


1  Wer  größer  (bedeutender)   als  sein   Genosse,  dessen  Trieb  ist 
au:h  größer.     D.  H. 


BO  in.    Der  Weg  zur  3 

Die  Tatsache,    daß    es    für   eine  Handlung   oft   viele 
Mol  ü  kann.  Bcheinl  mir  weder  in  der  Ethik  noch 

in  der  Psychologie  genügend  beachtet  zu  sein.  VergL 
Megilla  l">  .  wo  Tannaiten  und  A.moräer  angeführt  wer- 
den, und  jeder  ein  anderes  Motiv  dafür  anführt,  daß 
Esther  auch  den  Human  .  iden  habe,  und  Elia  end- 

lich sagt:  Sie  hatten  alle  Ri  sht 

§   .  |  ;.  s  Ibsterkenntnis,  Selbstprüfung.   Wie  im  Drama 
derMonoL  B   Ideo  die  Wendepunkte  des  äußeren  ( 

ßchehi  ds  durch  die  innere  Bewegung  andeutet,  so  i 
Monologische  in  aller  geistigen  Tätigkeit  (besonders  auf 
ethischem  Gebiete)  das  eigentlich  Wirksame,  Schöpfe- 
rische. Was  hellen  alle  Belehrungen,  alle  Gedankt  - 
reihen,  welche  durch  Auge  und  Ohr  der  Seele  dargereicht 
werden,  wenn  nicht  die  innerliche  Aneignung  stattfin 

:    zu    einer  Selbstbewegung   des   G  führt.     Vgl. 

r    77.7:  Ich  rede  mit  meinem  Herzen  —  und  -cht 

a  Geist     Berach.  •*>':  Wenn  jemand   von  Sehn 
■  ■sucht   wird,   so  untersuche  (prüf«     er  seine  Hand- 
lungen....  untersuchte  er   und   fand  nichts  Tadelhaftes, 
tre  er  sie  auf  die  Unter]  Thora  itudiums 

zurücl und    wenn    er   sie    darauf   zurückführt    und 

a,  die  Gott  aus  Liebe  D 
ihn  verhängt  hat.    Vergl.   Erubin  n    und  Threni  r.  B4b. 
I  in-  ontnis,  Erinnerung  der 

ind  V  i  Lben  mit  der 

nFord  rgriffen. 


Pflicht  und  Neigung.  81 

Pflicht   und  Neigung. 

§  344.  Man  muß  Tugenden  und  Pflichten  genauer  schei- 
den, sonst  gibt  es  unklare  Begriffe:  D^'pOJ  D^öm  kann  man 
ja  auch  Tugenden  nennen;  aber  es  sind  Pflichten.  Die 
Tugenden  sind  der  Zustand,  die  Pflichten  der  Inhalt 
der  Tat.  Die  Gesinnung  gründet  sich  auf  Tugend  und 
enthält  die  Pflichten. 

Die  schwerere  Pflicht,  die  im  Kampfe  gegen  die 
Neigung,  soll  und  muß  zuerst  erfüllt  werden,  daher 
in  der  Wahl,  ob  dem  Freunde  oder  dem  Feinde  zu 
helfen,  ist  es  nach  den  Rabbinen  Pflicht,  dem  Feinde 
zu  helfen  (Tli"1  nx  *"p^>  HD,  wörtlich:  um  seinen  Trieb  zu 
beugen).  Baba  mez.  32b.1  Lieblosigkeit  steigert  sich 
zuweilen  von  selbst  bis  zum  Verbrechen. 

§  345.  Von  den  Leidenschaften,  die  auf  bestimmte  Gegen- 
stände und  derenVerhältnis  zur  Persönlichkeit  sichbeziehen, 
wie  Selbstsucht,  Stolz,  Freiheitssucht,  Eifersucht,  Ehr- 
sucht und  Herrschsucht,  haben  wir  hier  nicht  zu  handeln; 
nur  wird  die  Forderung  ihres  Gegenteils  oder  der  Ein- 
schränkung des  leidenschaftlichen  Begehrens  auf  das 
rechte  Maß  bei  den  Pflichten  zu  besprechen  sein. 

Da  innere  Freiheit  die  notwendige  Grundlage  aller 
wahren  Tugend  ist,  so  kann  diese  neben  all  jenen  Leiden- 
schaften nicht  bestehen.    Dies  wird  rabbinisch  öfter  durch 


1  Die  Stelle  lautet:  Komm  und  höre!  Wenn  man  einem  Freund 
abzuladen  und  einem  Feinde  aufzuladen  hat,  so  ist  es  Pflicht,  dem 
Feinde  zu  helfen,  um  seinen  Trieb  zu  beugen.    D.  H. 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II.  " 


111.    Der  Weg  zur  Bittliohl 

den  kühnen,  offenbar  bildlichen  Ausdruck  auf  ichen: 

..i  ,  igt:  Ich  und  der  Stolze,  oder  ich  und  der  Selbst- 

süchtige, wir  können  nicht  nebeneinander  stehen-  3.  Sota  5*. 

Wichtig  aber  ist  es,  hier  schon  jener  Leidenschaften 
zu  gedenken,  welche  subjektiver  Natur  sind  und  auf 
keine  bestimmten  Gegenstände  sich  beziehen,  von  denen 
aber  viel  mehr  Menschen  und  in  einem  noch  viel  mehr 
[erblichen  Maße  b<  herrscht  werden.  Dies  Bind  die 
Lustsucht,  die  l'nlustscheu  und  die  Leerheitsscheu  (Lange- 
weile! — ). 

Am  Leben  der  Durchschnittsmenschen  zu  schildern  — ! 
Dagegen    gilt     es    die     positive    Tugend     auszubilden    in 

§  346.  Der  Ursprung  des  Bösen  ist  nicht  bo  rätselhaft, 
wie  er  vielen  erschienen  ist.   Nur  weil  er  vielgestaltig,  war 
iunkel.   Allgemein  und  prinzipiell  liegt  er  in  der  Selbst- 
ttt    Diese  ist  der  Sauer  im  Teige,  PID^a»  TW»  <  Be- 
rach.  17'».    Die  Selbstbehauptung   und  das  Streben  da- 
nach ohne  Beziehung,  das  heißt,  ohne  volle  Anerkennung 

reu.  —  Zwar    erweist   sich   als   unsittlich  ji 
Ar;  ron  M         igkeit,  Vergnügungssucht,  Lustgier,  maß- 
•   Furcht  vor  jedem  Schaden  eitusw.),  aber  diese 

nennt  man  deshalb  nicht  eigentlich  böse.    Der  Ursprung 

joismus,  welcher  wiederum  au*  der 
Lividuation  und  der  Endlichkeit  «der  Kraft  snt- 

:.t   und  erst   in   Widerstreit  andere  zum   Bi 

••  i.     I  laher  ist  der  E  •  •  bekämpfen, 


Ursprung  des  Bösen.  83 

insofern  er  Ursache  des  Gegenteils  von  Zusammen- 
schließung  ist. 

Wie  alles  Gute  aus  Zusammenschließung  folgt  und  in 
Zusammenschließung  mündet,  so  folgt  alles  Böse  aus 
Mangel,  Abneigung  und  Gleichgültigkeit  gegen  Zusammen- 
schließung. (Neid,  Mißgunst,  Lust  und  Trost  am  Un- 
glück anderer.) 

Suche  daher  die  Einheit,  Verbindung  usw.  stufenweise 
und  meide  die  Trennung  und  das  Trennende.  Suche 
die  Freiheit  als  Allgemeinheit:  Was  dir  recht,  sei  auch 
allen  recht,  was  dir  nicht  recht,  sei  auch  allen  nicht 
recht,  und  noch  mehr  die  Einheit  als  Gesamtheit. 

Zu  unterscheiden  ist  der  Egoismus  der  Person,  der 
Sippe,  der  Partei  (Meinung  und  Interessen  der  Nation, 
des  Staates).  Je  größer  der  Zusammenschluß  nach  innen, 
desto  größer  ist  der  Egoismus  nach  außen  oder  der  Schein 
des  Hechts.  Von  Interessenvertretung  bis  zur  Vergewal- 
tigung, von  Uberzeugungstreue  bis  zur  Verfolgungssucht. 

Das  Böse  beginnt  mit  dem  Neide  (nj>"1  ])V)  und  dem 
Gelüste,  der  unberechtigten  Begierde  (niNJY).  —  Der  Neid 
ist  die  schiefe  Ebene.  Er  ist  das  Unsittliche  des  Gefühls, 
mit  dem  noch  kein  Streben  verbunden  ist.  Das  Ge- 
fährliche liegt  darin,  daß  das  Unsittliche  daran  kaum 
merkbar  ist;  der  bloße  Wunsch,  das  auch  zu  besitzen 
und  zu  sein,  was  der  andere  hat  und  ist.  Etwas  heißt 
„beneidenswert",  weil  es  so  gut  oder  so  schön  ist,  daß 
man  es  sich  auch  wünschen  könnte.    Jemanden  „neidlos 

6* 


84  Hl.    Der  Weg  BÜX  Sittlichkeit. 

beii-  heißt:   ohne  diesen    Wunsch    nur  Jon   Vorzug 

des  anderen   anerkennen. 

Mit  dem  Wunsche  isi  implizite  ein  Gefühl  des  Schmer- 
wenigstens    des    d  nagten    Mangels    ver- 

bunden, das  nicht  zu  haben,  was  man  beim  andern  sucht. 

Aus  dem  Neid,  ans  diesem  Schmerz  de>  Xichtbesit: 
entspringt  das  viel  schlimmere,  positiv  unsittliche  Gefühl 
des  Schmerzes,  da  1J  der  andere  es  hat.  was  ich  haben 
möchte:  die  Mißgunst.  Der  andere  ist  der  Et&uber, 
er  ist  Schuld,  daß  ichs  nicht  habe;  darum  der  Hak 
In  Behr  vielen  Fällen  liegt  es  in  der  Natur  der  End- 
lichkeit, dafi,  weil  der  eine  es  besitzt,  der  andere  es 
nicht  besitzen  kann.  Ein  Haus,  ein  Feld,  das  einem  ge- 
hört, kann  nicht  zugleich  dem  anderen  gehören.  EjS  gibt 
nicht  Wein  genug  in  der  Welt  für  alle.  Dieser  Mangel 
des  Bndlichen  wird  gegen  die  Wahrheit  generalisiert. 
\\  aa  der  andere  errungen  hat.  wird  beneidet,  gleichviel, 
ob   ich   e>  auch  erringen   könnt 

Hal>   ist    das   Gefühl  der  Abstoüung.    dal   Q        nteil 
der    Verbindung    und    Vereinigung,    begleitel    von    dem 
Wunsche,    daß    der  andere  das   Gute  enthehren   und  das 
1  erleid«        die! 

Lchlich    anbegründete    Hat   erzeugt    II  i 
od;  man  denkt  gai  nichts  mehr,  man  haßt  nur. 
VI.    1  »er  Beginn  ■•  kte  aul  ch  in  e 

•  nid  der  Gedanken*    Beim  starken  Staunen 
teht  uns  der  Verstand  Btülw,  ?or  Furcht  und   Schrecken 


Heftige  Affekte.  85 

„vergehen  uns  die  Gedanken",  und  der  höchst  Zornige 
steht  „wie  vom  Donner  gerührt".  Deshalb  sind  auch  alle 
Affekte  höchsten  Grades   stumm. 

Auch  ohne  bestimmtes,  oft  fast  ohne  jedes  Ob- 
jekt, nur  durch  den  subjektiv  günstigen  Zustand  des 
Kraftgefühls,  der  Freiheit  von  Beschwerden,  der  Aussicht 
auf  allerlei  Annehmlichkeiten,  des  vollen  Wohlgefallens 
an  der  Umgebung  (Personen  und  Sachen  der  Um- 
gebung) entsteht  Heiterkeit,  Lustigkeit  bis  Aus- 
gelassenheit. Durch  entsprechende  Objekte:  Bewun- 
derung und  Entzücken,  oder  Staunen  und  Verwunderung; 
mit  Tatendrang  oder  innerer  Erhebung  des  Selbst- 
gefühls: Begeisterung. 

Hoffnung,  Mut  und  Mischungen  mit  den  vorigen. 
Freude. 

Dagegen  Traurigkeit  (auch  ohne  momentanes  Objekt), 
Melancholie,  Schwermut;  mit  Objekt:  Kummer.  Sorge 
Niedergeschlagenheit  und  Kleinmut;  Furcht,  Angst,  Be- 
sorgnis, Gram,  Verzweiflung. 

Plötzlich:  Schreck. 

Leidenschaften  sind  „herrschend  gewordene  Begierden", 
sie  sind  „ein  eingewurzeltes  und  immer  mehr  um  sich 
greifendes  Leiden  der  Seele." 

Liebe  und  Haß  (mit  Schmähsucht  und  Rachsucht  — 
bei  verschmähter  Liebe).  Wollust,  Üppigkeit  jeder  Art. 
—  Spielsucht.  Verschwendungssucht  neben  Habsucht 
und  Geiz.  —  Eigensucht,   Selbstsucht.     (Eitelkeit,  Stolz, 


86  111.    Der  Weg  rar  Bittliohi 

Bochmut)    Ehrgeiz    und    Ruhmsucht;    Herrschsucht.   — 
Fr         isucht.  —  Neid  and  Mißgunst. 

ekte,  Gemütsbewegungen  sind   subjektive  Zustände 
rychologischen  Organismus  und  Abweichungen  vom 
Zustande  des  G-leichmuts;  momentaner  Schreck.  Furcht, 
Zorn;  —  Lachen  —  Weinen 

Dauernde:  Traurigkeit,  Kummer,  Sorge.  Mut.  Freu- 
digkeit. Boftnung. 

Mannigfaltigkeit  der  leiblichenZuständebei  den  Affekten: 
9  hamröte,  bleiche  Furcht  (gelber  Neid),  Zornesröte  — 
Verzweiflung  erzeugt  erhöhte  Muskelkraft. 

Die  mechanisch-psychologischen  Gesetze  reichen  nicht 
aus.    wo    die    Elemente    der    Bewegung    (wie    bei    einem 
d  Kulturleben!)   zn   zahlreich  Bind.     Der  ethische 
Antrieb    zur   Ordnung,    zur   G-estaltung    eines    inneren 
K"  ismos   (s.   Leben    diT   S  muß    hinzukommen;    von 

N  :ur  bildet  das  [ch,  der  Egoismus,  den  gegebenen  Zen- 
tral-  und  Gravitationspunkt    der   inneren   Ordnung  und 
Gestaltung.    Die  Ethik  fordert,  daß  die  Idee  des  Guten 
n  Zentralpunkl  bilde. 

Po  itive   Guttal    wird   als   Mittel   gegen    Leidenschaft 

Mt-t.l 

!'..  Jochan  m  hat   im  Nun'  n  des  R   Bau 
W  rii  ieo  ttehl  Je        .  20    „Heil  eu  b,  die  ilir 

in  allen  Wassern"  usw.?    Antwort    Heil  den  Israeliten,  denn 
zur  Zeit,  w  lieb  mil  n  beschäftigen, 

Trieb   |  ihn    I  •    lens<  baft  i   in   ihre   i  • 
wei  Bi  nicht  in  die  Gewall  ihrei  Tri<     i  en.     D,  H. 


Harmonie  aller  Ideen.  87 

Harmonie.     Energie.     Leiden    und   ihr    ethischer 

Wert. 

§  348.  Harmonie  aller  Ideen  und  Individualität 
des  Handelns.  Viele  Ethiker  —  große  Sittenlehrer  — 
und  zwar  die  größten  darunter  —  haben  sich  zum  Vorteil 
der  Ethik,  aber  auch  zu  ihrem  Nachteile  dadurch  aus- 
gezeichnet, daß  sie  einzelne  Grundgedanken,  sittliche 
Ideen  im  höchsten  Grade  bevorzugt  haben.  Untergeord- 
nete Sittenlehrer,  Autoren  späterer  Zeit  vollends  meinten, 
nichts  besseres  tun  zu  können,  als  daß  sie  jede  Lehre  in 
ihrer  vollkommensten,  höchsten,  unbedingten  Form  dar- 
stellten. 

Dabei  ist  nicht  bloß  die  Tatsache  übersehen,  daß  beim 
notwendigen  Widerstreit  verschiedener  sittlicher  Ideen 
in  ihrer  Anwendung  aufs  Leben  die  eine  zu  sehr  be- 
günstigt sein  und  dadurch  ein  Schaden  am  ethischen 
Ganzen  herbeigeführt  werden  kann;  sondern  auch,  daß 
die  eine  ganz  unbedingt  und  abstrakt  in  ihrer  höchsten 
Stufe  hingestellte  Idee  durchaus  nicht  zu  dem  ethischen 
Erfolge  führt,  den  man  doch  anstrebt,  namentlich  dann 
nicht,    wenn    man   die   gegebene    Wirklichkeit    beachtet. 

Ein  Beispiel  für  viele.  Die  Friedfertigkeit  ist  eine  hohe 
Idee.  Bekanntlich  ist  sie  auch  völlig  schrankenlos  aus- 
gesprochen worden.  Auch  von  vielen  Rabbinen  ist  ihre 
unbedingte  Schätzung  (um  nicht  gleich  zu  sagen  Über- 
schätzung)   sehr    oft   und   stark    ausgesprochen   worden. 


III     Der  w  KtUic] 

dir    deinen   Rock   nimmt,    dem    LTil>    auch    den 
Mantel  usw. 

lurch   leidet  nicht  bloß  die  Idee  des  Rechts;  denn 
diese  fordert    die  Zurückweisung  des  un  I   Begehr- 

lichen  in    seine  Schranken;   es  ist  ferner  nicht  bloß 
Bestand   der  Gesellschaft    dadurch   gefährdet;    Bie  würde 
in    die  Hand    der   Übelwollenden,   Gewalttätigen   fallen; 
diese  würden  die  Herren,  jene  Sklaven  sein.    Tanchuina  zu 
Mez  r   :  ILEleazar hat  gesagt:  ^  enGrausai 

barmh«  i  .    wird  zuletzt  «_rrausam  gegen  den   Barm- 

herzigen. 

Diese  Konsequenz  meint  man  aber  ethisch  ertragen  7.11 
können;  der  Handelnde,  der  Friedfertige  nämlich, 
führt  dabei  doch  das  höchste  Lehen:  auch  unterjocht 
kam  Dnung  die  reinste,  sein  Handeln  das  voll- 

kommenste -ein.  wie  er  ja  eben  dann  beweist, 
Lehr«-  der  Friedfertigkeit  vollkommen  erfüllt.  A   1  anderen 
atlich  äußeren)  Erfolge  im  Leben  Bind  ja  gleichgültig. 
Allein    die  Sache    erscheint    sofort    in  einem  ganz  an- 
deren   Lichte,    wenn    wir    an    die  Gesellschaft,    wenn  wir 
•  rhaujit   mir   an   den   zweiten    Menschen   denken.     Wäh- 

men  hai  ch  die 

der  :  verharrt; 

hilft  dem  bösen  Willen  zur  Herrschaft. 

Die   Sittlichkeil   bestehl   nicht   darin  allein,  wie 
auch    wie   <ier   and'  re   han    • 

auch  welchen  Einfloß  ich  auf  seine  11  mdlungen  ühe. 


Sittlichkeit  des  Handelns.  89 

Wohlwollen  ist  eine  sittliche  Idee;  aber  eben  deshalb 
ist  meine  Aufgabe,  nicht  bloß  wohlwollend  zu  sein, 
sondern  zu  sorgen,  daß  auch  der  andere  wohlwollend  sei; 
eben  deshalb  nur  gegen  den  "Wohlwollenden  (nicht  gegen 
mich,  sondern  überhaupt!)  wohlwollend  zu  sein. 

Seine  Gewalttätigkeit  gegen  dritte,  vierte  unterstütze 
ich,  nähre  seine  Begehrlichkeit,  wenn  mein  Wohlwollen, 
meine  Friedfertigkeit  keine  Grenzen  und  keinen  Unter- 
schied der  Personen  kennt. 

Es  kann  Tugenden  geben,  welche  nur  durch  das  Laster 
des  anderen  möglich  sind ;  z.  B.  Versöhnlichkeit,  Verzei- 
hung. Allein  auch  diese  soll  ich  zugleich  deshalb  üben, 
um  nicht  bloß  sittlich  zu  sein,  sondern  sittlich  zumachen, 
den  anderen    ebenfalls   zu  bessern.     Dies  ist  der  höhere 

Sinn  des  rwipn  p  nnv  nfrjjDn  bm 

In  der  Praxis  ist  die  Begünstigung  einer  Idee  ge- 
stattet, nämlich  dem  Einzelnen,  und  sie  gestaltet  seinen 
individuellen  Charakter;  aber  in  der  Lehre  und  für  die 
wirkliche  Gesamtheit  ist  die  Harmonie  erforderlich.  Ein 
schönes  Beispiel  ist  Ben  Azai  s.  T.  I,  S.  35.  Ben  Azai 
befiehlt    das  Heiraten    und   heiratet  nicht  und  sagt:    Jlö 

annw  o^yn  n*prv<  man  wea  npwn  nts^K.  S.  Thoseftha 

Jebamoth  Per.  8  Ende.1 


1  Die  Stelle  lautet  vollständig':  Ben  Azai  sagt:  TTer  sich  nicht  mit 
der  Fortpflanzung-  beschäftigt,  den  betrachtet  die  Schrift  so,  als  ver- 
mindere er  die  Goüähnlichkeit,  wie  es  heißt  (Gen.  1,  27,  25):  „Denn 
im  Bilde  Gottes  schuf  er  ihn  (den  Menschen)",   (und  darauf  folgt) : 


90  in.   Der  Weg  zur  Bittliohkeit 

Der  innert-  Zusammenhang  alles  Sittlichen. 
I:.  der  Kontroverse  Makkot  23    und  24*  zwischen  3"1  und 

sr-"  1  tritt  Akiha.  der  allzeit  optimistische,  starkgläubige 
uml  scharfsinnige,  mit  dem  Gredanken  hervor,  daß  auch 
die  Erfüllung  nur  einer  der  ethischen  Maximen  des 
15.  Psalms  die  Bürgschaft  für  den  Bestand  des  sitt- 
lichen Charakters  einschlielJt.  Durch  die  allerdings  mehr 
witzige  als  hermeneutisch  wahre  Vergleichung  von  Psl5.  5 
-  blnß  mit  Levit  18,24  r6»  ~:i  W^ttJ?  -s  bat  Akiha  den 
;  1  beruhigt  Der  Psalmist  hat  zweifellos  gemeint,  alle 
diese  Gebote  soll  der  Mensch  erfüllen,  und  auf  diese 
Erfüllung  der  gesamten  Sittlichkeit  seine  Verheißung  ge- 
gründet. 

Das  Bachlich  Wahre  aber  in  Akihas  Meinung  ist:  Wer 
eine  der  ethischen  Maximen  im  Prinzip  erfal-'.t  hat.  der 
kann   in   bezug   auf  die  anderen   nicht  fehl  Alle 

konnten      leshalb     auch     schließlich    auf     ein 
i,  ibot  zui  rerden,   auf  Arnos  5,  1.  <1.  L  theo- 

retische,   wahre,  aufrichtige  Forscl  r  Sitt- 

;  p -j  praktische  Treue  in  der 
1 1  ingeb  u  -  und  Ei  füllun 


el  rel  euch".    Da  cac  m  ihm: 

hen  aus  dem  Mun  l< 
Mancher  bön;   Ben    '•• 

Da  Bpra  ii  ei  /.u  ihm: 

:  lun,  n  i  ihre  Lust  an  der  Thors,  uml  die 

\v.  i       etUn :  erhallen,     D.  II. 


Innerer  Zusammenhang  alles  Sittlichen.  91 

Auf  den  Unterschied  des  Theoretischen  und  Praktischen 
deutet  sehr  sinnreich  hin  Sota  21 a:  Eine  sinnliche  Hand- 
lung, eine  gute  Tat  kann  vereinzelt  sein,  sie  bedeutet 
einen  glücklichen  Moment  und  gleicht  einer  „Kerze", 
dagegen  die  theoretische  Einsicht  in  das  Wesen  der  Sitt- 
lichkeit und  die  Erkenntnis  ihrer  verpflichtenden  Kraft 
gleicht  dem  „Lichte"  selbst,  das  die  „Welt  erhellt". 

Auch  löscht  die  einzelne  Übertretung,  Unzuträglich- 
keit, Irrtum  usw.  nicht  die  Erkenntnis  und  Einsicht  aus, 
wenn  nur  die  wahrhafte  Liebe  zum  Guten  im  Gemüte 
Wurzel  gefaßt  hat.  Treffend  wird  der  Vers  Hoheslied  8,  7 
herangezogen,  denn  auch  leidenschaftliche  Wallungen, 
momentane  Störungen  usw.  können  die  Liebe  zum  Guten 
nicht  überwinden. 

Dazu  kommt  die  vorzügliche  Bemerkung  von  R.  Jo- 
seph: Die  gute  Tat  schützt  nur  im  Moment  der  Aktion, 
die  Erkenntnis  aber  auch  zur  Zeit,  da  sie  unbewußt, 
nicht  gegenwärtig  ist.  Dagegen  scheint  Raba  der 
Ansicht  zu  sein:  Nur  die  sittliche  Energie  ist  dauernd, 
nicht  die  bloße  Einsicht. 

Hingebende  Gesinnung  bei  jeder  Pflichterfüllung  wird 
so  sehr  gefordert,  daß  sie  von  gleichzeitiger  Erfüllung 
anderer  Pflichten  befreit,  weil  das  Gemüt  sich  nur  auf 
eine  ganz  richten  kann.  S.  Sukka  25 a:  Wer  sich  mit  der 
Erfüllung  einer  Pflicht  beschäftigt,  ist  von  der  Ausübung 
einer  (anderen)  Pflicht  frei. 

§  351.  Prinzip.    Als  der  eigentliche  Gehalt  des  gesamten 


lli.   Der  Weg  . 

menschlichen    Daseins  en    Erzeugung   die    Aufgabe 

chen  ausmacht,  erscheint  dem  Judentum 

1)  nach  seiner  r  Seite  die  Erhebung  des  end- 
lichen  ^            zum  Abbild  d(            ndlichen.    Dies 

I  seine  höchsl  sntliche  Bestimmung;  dies 

•  bei  allem  Suchen  und  in  allem  Können  seine 
höchste  Ehre,  lud  alles  Einzelne,  was  der  Mensch  tut 
und  erstrebt,  soll  er  zu  dieser  seiner  Ehre  tun.  wie 
Gott  selbst  alles,  wa  taffen,  zu  seiner  Ehre 

;aiTen.  zu  seiner  <  Offenbarung.  Und  so  soll  der 
M -.'lisch  in  seinem  Tun  Bein  höheres  Wesen  offen- 
bar  machen. 

2)  Nach  der  ethischen  S<  aber,  nach  der  Bestimmt- 
heit des  Handelns,  nach  der  Würde  des  Endlichen 
für   sich   Belbst   betrachtet,   wird  die  gi  Auf- 

abe    zusammengefaßt    in    den    Begriffen:     A)    der 
li  .   gke  '      Ganz]     t,  Ei  nheit  der  Ideen:    B 
Einheit        der  Zusammenschließung. 
Auch   die    religiöse   Vorstellung   muß   ethisch   vertieft 
und  dazu  ausgebildet  (umgebildet  en;  zum  Tieft 

• :  der  im   Ebenbild* 

ab'  auung  rieht  in  Gott  nur 

alt-  i  d   Mann    ah  1  bracher  0 

her  ist  auch  der  Mensch  nur  Individuum  mit 
;  zeltugi  rt  nur  M  btel  ist.  Tap 

Lrfhislosigkeit    usw.).     Dagegen 
we.  Itenrichten  le,  !■■•    i  de  Prinzip; 


Höchster  Gehalt  der  Tugendlehre.  93 

die  Menschen  trotz  ihrer  Beschränktheit  und  Endlich- 
keit —  durch  Zusammenwirken  —  Reich  des  Geistes, 
D'aff  ma^ö,  der  Ideen,  der  Sittlichkeit. 

Das  Berufsleben  führt  notwendig  zur  Teilung  der  Ar- 
beit. Aber  diese  Teilung  wendet  der  einen  Idee  ihr 
ganzes  Interesse  zu,  macht  leicht  einseitig.  Neben  seinem 
Beruf  und  mitten  in  ihm  soll  jeder  Mensch  ein  ganzer 
Mensch  sein.  Auch  der  Steinklopfer  und  der  Straßen- 
kehrer ist  das  Haupt  einer  .Familie,  der  Gatte  seines 
Weibes,  der  Vater  seiner  Kinder,  ein  Bürger  der  Stadt 
und  des  Staates,  und  an  seinem  Ruhetage,  seinem  Sab- 
bat   oder    Sonntag Auch    der   ärmste    Knecht   wie 

der  reiche  Bauer,  der  Arbeiter  und  der  Fabrikherr  sind 
vor  Gott  gleich,  d.  h.  durch  den  Gott  in  ihrem  Innern 
sind  sie  gleich. 

§  352.  Die  Tugendlehre  hat  zu  ihrem  höchsten  Inhalt, 
das  TTllTDa  p2"in,  eine  dem  Unendlichen,  Ewigen  zu- 
gewandte Stimmung  des  Gemüts;  nicht  außerhalb  des  all- 
täglichen Daseins,  neben  demselben  für  Feierstunden, 
sondern  im  Leben.  „Tugend"  als  Gesamtbegriff  (im 
Unterschied  von  einzelnen  Tugenden  — )  ist  religiös  ge- 
faßt: Gottähnlichkeit.  Es  wird  ausdrücklich  gelehrt,  daß 
die  Gottähnlichkeit  in  den  "Werken  des  Wohltuns,  in 
sittlichem  Wollen  des  Guten  besteht.  S.  Sota  14 a. 
Sehr  schön  ist  die  rabbinische  Auslegung  von  Ex.  15,  2  in 
Mechiltha,  Beschallach  (Haschira):  Dies  ist  mein  Gott, 
ich  will  ihn  verschönen  (lnttNl).  R.  Ismael  fragt:  Wie  kann 


^4  in.    Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

•  ineo  Schöpfer  verschönen?  Abba  Saal  antwortet: 
Wir  Bollen  ihm  gleich  zu  sein  Btreben,  wie  Q-ott  barm- 
herzig und  gnadenreich,  so  sollst  du  barmherzig  und 
gnadenreich  sein«  8.  Winter  und  Wünsche,  Aiechiltha 
S.  L22.  „Göttern  kann  man  nicht  vergelten,  schön  ist's 
ihnen   bleich  zu  s<in''   (Schillei  , 

Die  Erscheinung  des  Göttlichen  i>t  überall  da.  wo 
Menschliches  erscheint.  S.  Mechiltha.  Wajassa,  Beschal- 
lach  6.  Abschnitt  zu  Ex.  17,6:  ,,Siehe.  ich  stehe  vor  dir 
dort  auf  dem  Felsen  am  Horeb."  Der  Heilige,  gebene- 
deiet sei  er!  sprach  zu  ihm  (Mose):  Allwo  du  eine  Spur 
von  MenschenfühYn  findest,  da   bin   ich  vor  dir. 

Wer  in  vielseitiger  Beziehung  steht,  erlebt  täglich  ^  - 
burt.  Khf.  Tod  in  seinem  Kreise;  mitfühlend  mulj  er 
in  -ich  Ausgleich  und  Ruhr  finden,  das  Granze  umfassend, 
das  Kin/.elne  tragen  und  beleben  —  Gott  als  allumfas- 
1.  —  Die  Idee  als  Quelle  und  Ausgleich  der  sym- 
pathischen Beziehung. 

I'ber  das  Verhältnis  von  E&echl  and   Wohlwollen 
(-=  ( i-nade,  Barmherzigkeit,  I 

3.   Bi  •      Jh.  r.  l'ar.  L8   g.  K.   GrOtl    Bpricht:    Wenn 

Welt  mit  ischaft  der  Barmherzigkeit   moa 

UX —  lie  Sünder  überhand  nehmen; 

wenn  mit  der  E  trengen    Rechts  pn  moa, 

I  die  Well  nl  All«        ehe,  ich  e  sie 


Mut  und  Tapferkeit.  95 

mit  der  Eigenschaft  des  (strengen)  Kechts  und  mit  der 
Eigenschaft  der  Barmherzigkeit. 


Mut  und  Tapferkeit. 

§  354.  S.  Rosin  a.  a.  O.  zu  Maimonides  S.  130  ff.  „Die 
Würde  des  Menschen  zeigt  sich  ferner  an  seinem  Mute.  Die 
natürliche  Anlage  dazu  ist  die  Beherztheit,  d.  h.  das  Ver- 
mögen der  Abwehr  dem  Schädlicheu  gegenüber.  Schon  im 
Kindesalter  sind  verschiedene  Grade  dieses  Vermögens 
sichtbar.  Es  wird  durch  begünstigende  Anschauungen  und 
durch  Übung  gestärkt,  durch  hinderliche  Vorstellungen 
und  Mangel  an  Übung  benachteiligt.  Xot  und  Entbeh- 
rung sind  für  viele  Menschen  eine  Schule  der  Tapfer- 
keit und  Unternehmungslust.  Selbst  ein  Mangel  in  die- 
sem Bereiche,  wie  es  die  Schroffheit  ist,  läßt  sich  dadurch 
verwerten,  daß  dieselbe  im  Dienste  der  Wahrheit  und 
des  Rechts  angewendet  wird.  —  In  der  Schlacht  soll 
sich  der  Mannesmut  durch  Tapferkeit  bewähren ;  da  muß 
Vertrauen  auf  Gott  und  die  gute  Sache  allein,  die  Seele 
erfüllen  und  dazu  antreiben,  furchtlos  das  Leben  zu 
wagen,  als  ob  man  der  Lieben  daheim  nicht  gedächte. 
(Maimon.,  H.Melach.VII,  15)  Feigheit  im  Kriege  sei  durch 
das  göttliche  Gesetz  zu  wiederholten  Malen  verpönt,  da  es 
eines  Jeden  Pflicht  sei,  mannhaft  standzuhalten  und  mutig 
gegen  den  Feind  vorzugehen." 

Die  ethische  Forderung  ist:  Kraft  und  Gelegen- 
heit zur  Tat  wahrzunehmen.   S.  Schabb.  151b:  R.  Simeon 


HL    Der  Weg  zur  Sittlich!. 

beii  Eleazar  sagt:  Tue  Gutes,  während  du  (Gelegenheit 
n  findest  und  es  dir  möglich  ist  and  es  noch  iu 
deiner  Hand  (Gewalt)  Ist  VergL  Koh.9,10.  A.bothIV,2: 
Ben  Azai  sagte:  Laute  zu  jedem  kleinen  Pflichtgebote  und 
fliehe  vor  der  Sünde  (Übertretung).  VergL  Sifre"  Ksk.  187. 

Reich  ist  die  Wertung  der  Arbeit   bei  den  Rab- 

b  inen.1 

5.  Gittin  67b:  Die  Arbeit  ist  grob,  denn  sie  erwärmt 

den,   der   sich   damit    befaßt      VergL  j.   Schekalim   XL 

Berueimtli  8:  GröJ  wer  sich  mit  dem  Mühen  seiner 

Hände  ernährt,  als  der  Gottesfürchtige.     Tanchuma  •!-'; 

Das  Verdienst   der    Arbeit   tritt   auch   da   ein,   wo  das 

'dienst  der   Väter  nicht  einzutreten  vermag. 

I  >•       Menschen    fällt  die  Aufgabe  zu,  die  Qn?ollkom- 

menheit   der  Natur  durch  Arbeit  auszugleichen.     S.  IV- 

:     In  ~  da    der    Eeiligi  i.   er! 

zu  Adam  Bprach:  ..I>u  wirst  da-  Iviaui  des  Feldes  essen", 
\     bd    in  'I  ränen;   als  er  ab« r  Bprach: 
„Im   v     ■■••  leine-.  Angesichts   si»llst   du   Brot  i 

da  beruhigte  Bich  an  (G> 

rei ner   1 1  bu □ g   an   die    I dee  und 

at    um  Gi  rinn   und  GenuÜ.  ethub.  1<»1  .    Rabbi 

i  Von  'ii  Punkt  üi  S<  briflen    Kr.ni/ 

zur  Zeil  Jesu.    Drille  Aufl 
.  1879;   M   II   Kr.  i  nach  ■  i«-r  Bibel,  dem 

•  r  Weisen  in  Israel     Brunn, 

i  im  f  dmucl.  Berlin  1878.   I».  H. 


Arbeit  aus  reiner  Hingebung  an  die  Idee.    Quietismus.         97 

richtete  seine  zehn  Finger  nach  der  Höhe  und  sprach: 
Herr  der  Welt!  bekannt  und  offenbar  ist  es  vor  dir, 
daß  ich  mich  mit  den  zehn  Fingern  in  der  Thora  abgemüht 
und  keinen  Genuß  selbst  mit  dem  Kleinsten  für  mich  ge- 
sucht habe;  möge  es  dir  gefallen,  daß  Friede  in  meiner 
Ruhestätte  mir  beschieden  sei! 

§  356.  Nichts  ist  dem  Judentum  so  zuwider  als 
Quietismus.  „Auf  der  Bärenhaut  liegen"  hat  nie  als  ein 
wünschenswerter  Zustand  gegolten.  Ich  erinnere  mich, 
in  meiner  Jugend  eine  —  handschriftliche  —  Predigt 
von  Schleiermacher  gelesen  zu  haben,  welche  er  über  die 
Trägheit  gehalten  hatte;  er  macht  die  Aktivität,  die 
Energie,  zum  Eckstein  am  Bau  der  Tugend,  und  kühn 
schreitet  er  vor  bis  zur  Yergleichung  des  Trägen  mit 
dem  Bösen,  des  Faulen  mit  dem  Verbrecher,  und  er 
stellt  jenen  niedriger  als  diesen.  Aber  sein  Text  war  aus 
den  Sprüchen  Salomonis.  Diese  enthalten  den  stärksten, 
lautesten,  häufigsten  Mahnruf  gegen  die  Trägheit.  Wie 
oft  kommt  Trägheit  in  den  Sprüchen  vor!  Die  erste  Ant- 
wort Israels  auf  die  göttliche  Berufung  ist  nt5>JJ3  *,  Tun. 
Wirken.  Handeln,  Leisten,  Schaffen.  Die  Natur,  das 
Universum  ist  Wirksamkeit,  Bewegung,  Schaffen  und 
Gestalten.  Der  Geist  ist  Leben,  Tätigkeit;  auch  wo  er 
dem  flüchtigen  Blick  als  passiv  erscheint,  wenn  er  die 
Bilder  der  Welt  scheinbar  von  außen  empfängt,  —  bei 
genauerer  Prüfung    erkennt   man   sein   eigenes  Tun    als 

i  Exod.  19,  8. 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  H.  ' 


98  III.    D(       "  nr  Sittlich;. 

die  gedankenschallende  Kra t"t  usw.  (vgL  Leben  der  Seele 
I.  397  ptnr,  p^TJflDl  pö'Dtfö  sind  das  Ideal  der  Rab liinen. 
-_-;r  "WH  b22  *pl&  \ynbi  deuten  Bie  wörtlich  mit  dem 
Nachdruck  auf  ntryn!  Grottrertrauen,  Vorsehung,  g<">u- 
liche  Hüte  und  Beistand  werden  alle  auf  eigene  Tätig- 
ten. 

Energie  gegen  Sorge.  Vorsorge  aber  nicht  Sorge. 
S'.rge  drückt  herab,  (regen  Sorge  s.  Sirach  .'50,22.23. 
Lala  die  Sorge  nicht  in  deinem  Herzen  aufkommen,  denn 
starke  Männer  werden  von  Sorgen  gebeugt,  denn  bo  sprach 
schon  Salomo  ( Prov.  12,  25):  „Kummer  im  Herzen  des 
Mannes  beugt  es  nieder."  Der  Gegensatz  ist  in  V.  24 
der  '""in,  der  die  Dinge  beherrscht.  VergL  .loma  7">  ' 
Sota  42    and  Sanhedrin  1()0K.- 

Dsr  Talmud  wendet  sich  gegen   alle  Schlaffheit  s.  Pe- 

;i.  4-:  Die  Burtigen  machen  rieh  früh  auf,  Ihre  Pilichten 

zu  erfüllen.   Besonders  boII  man  nicht-  Angefangenes 

liegen   lassen.     S.  Tanchnina.  Abschnitt  2py ;  „Wenn  du 

mit  einer  Pflichtübung  begonnen  hast,  vollende  sie." 
Beresch,  r.  Par.  s">  Jeder,  der  mit  der  Erfüllung  eines 
Pflichtgebotes  beginnt,  rie  aber  nicht  vollendi  t.  und  es 

mmt    ein    anderer    und   vollendet    Bie,    bo  wird   es   nach 

Namen    dec    /weite-  ,•  •     d.  i.  das   Verdi» 

1  Deuter  1  I.  . 

ist  auch    Sorge  dich  m<-lii  wegen  N  >t  des  folgenden 

nicht,   waj   ein  l  ag    gebären  mag"  (Prov. 
i  cht  ist  er  am  folgend«  •  nicht  mehr  (siiriii  er 

h<  ute  ,  '  ei  um  eine  V-  eil  gelitten,  die  n  cht  '«'•in  war. 


Vereinigung  zu  sittlichen  Zwecken.  99 

wird    diesem    zugeschrieben).     Vergl.  Sota  13 b,    wo    sich 
derselbe  Ausspruch  findet. 

Ausdauer. 

§  357.  Der  Mitarbeit  an  dem,  was  nicht  vollendet 
wird,  soll  man  sich  nicht  entziehen.  Aboth  II,  21:  Es 
liegt  dir  zwar  nicht  ob,  das  Werk  zu  vollenden,  du  bist 
aber  auch  nicht  frei,  bei  ihm  müßig  zu  bleiben,  lautet 
ein  Ausspruch  des  R  Tarphon;  was  sagen  will:  Obgleich 
du  selbst  das  Werk  nicht  zur  Vollendung  bringen  kannst, 
bist  du  doch  nicht  so  weit  frei,  dich  desselben  zu  ent- 
ledigen.    Tue  deine  Schuldigkeit. 

Die  unendliche  Aufgabe  und  die  endliche  Lei- 
stung. Der  sachliche  Wert  und  die  persönliche  Würde. 

Steuerung.  Es  gilt,  nicht  von  den  Wogen  der  Ver- 
hältnisse und  den  Wellen  der  zufälligen  Umstände  sich 
treiben  lassen,  sondern  selbständig  steuern,  nach  Grund- 
sätzen, aus  der  eigenen  Kraft  und  Einsicht  das  Leben 
gestalten.     S.  Prov.  1,  5. ! 

Stetiges  Fortwirken;  gegen  Selbstgenügen  am  Ge- 
leisteten, an  Erkenntnis,  Tugend  und  guten  Werken. 
Schöne  Deutung  von  Hos.  6,  3  als  Hindeutung  auf  die 
Natur,  in  welcher  kein  Stillstand  und  Aufhören,  sondern 


1  Seltsamerweise  sind  die  neueren  Übersetzer  und  die  mittel- 
alterlichen Kommentatoren  von  der  Erklärung-  dieses  Verses,  wie  sie 
das  aramäische  Targum  durch  ttnu^B  und  die  LXX  durch 
xüßepvT)<n;  geben,  abgewichen,  welche  auch  etymologisch  ge- 
stützt ist. 


100  HI      Der  Weg  HD  Sittlich!. 

Sonne,  Mond,  81  rne  und  alle  Kräfte  wirken  alle  Tage 

ier.  he    Tanna    'lebe    Elijahu,    Friedmann    1 

Nicht   soll  ein   Mensch   Bagen:   ich  habe  geb-sen  usw. 

Bemerkenswert    ist   Goethe    (Wanderjahre    2.    Buch 

-  erste  ist  Ehrfurcht  vor  dein,  was  über  uns  ist.  „d 
ein  Gott  da  droben  sei"  vgL  A.b.  11,1:  TOB  r^b  na  JH; 
genau  dieselben  Worte. 

Von    den  drei  Ehrfurchten  die  dritte,    ihr  Sinn:    Nun 
stehe  er  (der  Zögling)  stark  und  kühn,  nicht  etwa  selb 
isch   vereinzelt;  nur   in   Verbindung    mit    seinesgl  Lehen 
macht  er  Front  gegen  die  Welt! 

Alu  hier  als  Let  Höchstes:  die  Vereinigung,  der 

Zusammenschluß;  aber  nur  zum   Kampf.  Gegensatz  nach 
auf 

Das    ist    die   alte  Art.    wie    man  Geschieht''  ehen 

hat.    Auch  theoretisch  für  die  Bistorik  und  didaktisch  für 
Verbreitung  der  Geschichtskenntnis  wichtig:  zu  Lichte 

.    •    S  btenkultur  und   S  I  lichte.     Zi         aen- 

schlufi  zu  positivem  Schaffen.     Dies  g      -.  Tr<  I    ihke,  s. 
ben.     Di(    Vereinigung  zu  Bchöpferischeu 
und    sittlichen    Zwecken    ist    die    Haupl  und    am 

meisten  denkwürd 

Der     [ndividualismus    hat    Bein    Geltungsbereich    nur 

in  der  Verpflichtung  und  Veranwortung,  also  in  der  Tat 

und   <  Besinnung   ein  en   der  "         i   muß 

immer  dasAllgem«  in.    Dasselbe  in  bezug  auf  zeit- 

/  isamm«  Lei    Ganzen,    der    G< 


Müßiggang  der  Frauen.    Praktische  Ethik.  101 

schichte;  aber  jeder  Moment  hat  seine  Auf- 
gaben. 

§  358.  Müßiggang  der  Frauen.  Raba  wendet  sich 
gegen  die  reichen  Frauen  von  Machusa.  S.  Schabbath 
32  bu.  33 \ 

Die  Mahnung  der  Ethik  gegen  die  Leerheit  und  Nich- 
tigkeit eines  müßigen  Genußlebens  dringt  ja  nicht  zu 
den  Ohren  der  vornehmen  Frauen;  aber  die  Männer 
sollen  darauf  halten,  daß  es  ihren  Frauen  nicht  an  idealem 
Lebensgehalt  fehlt,  der  ihre  Kräfte   in  Bewegung  setzt. 

Gegen  den  Müßiggang  der  Frauen,  auch  der  reichsten, 
wegen  der  Verleitung  zum  Laster.  Kethub.  Y,  5  werden 
die  Arbeiten  aufgeführt,  welche  die  Frau  verpflichtet 
ist,  ihrem  Manne  zu  leisten.  R.  Simeon  ben  Gamliel 
fügt  noch  hinzu,  daß  Müßiggang  zur  „Geistesverwirrung" 
führt. 

§  359.  Praktische  Ethik  ist  notwendig,  nicht  bloß 
theoretische  Einsicht.  Bloße  unpraktische  Theorie  zerstört 
gleichsam  die  Welt,  läßt  sie  eben  zugrunde  gehen.  S. 
Schemoth  r.  Par.  30:  Der  Weise,  welcher  Thora,  Aus- 
legung und  künstliche  Deutung  kennt,  aber  von  der 
Witwe  und  Waise  angegangen  den  Rechtsbeistand  wei- 
gert, weil  er  dem  Studium  ergeben  sei,  zu  dem  sagt 
Gott,  daß  er  die  Welt  zerstört! 

Die  Welt  zerfällt  bei  solcher  Zurückgezogenheit  der 
geistigen  Tätigkeit  aus  dem  realen  Leben  in  eine  leere 
Gedankenwelt  und  ideenlose  Realität. 


102  in     Dei  Weg  zur  Sittlichkeit. 

Leiden  n ii (1  ihr  ethischer    Wert. 

•'iO.  Die  Geschichte  Josephs  isl  ergreifend  durch 
Leiden  und  ihre  glückliche  Lösung,  durch  Trennungen  und 
Wiedervereinigung,  durch  Verkennen  der  Personen  und 
endliches  Erkennen,  durch  Spaltung  und  Hingebung. 

Der  Blick   de8  Genie8,   der  idealen  höheren  Natur,   wird 

vor  den  Augen  des  Vaters  sichtbar  gewesen  sein:  daher 
Doch    nicht    durch    Taten    begründet«  ting, 

welche    zugleich    in    der    Liebe    zu    Rahe!    ihren    Grund 
hatte.     Aber    dieser  Vorzug  erzeugt  den  Neid   der    Brü- 
der   und    ihr    tatliches    Vorgehen.     Auch   innerlich   rächt 
sich   die  Schuld  in  der  Trauer  des  Vaters.     So  in  Jo- 
sephs Vorgehen:   seine  Zurückhaltung,   nachdem    er   ge- 
gen; er  konnte  die    Seinigen    aufsuchen    lassen.       Kr-' 
Yerk>'ttuiiLr   des  Schicksal-   führt   sie   zusammen.  — 
h   die  Tugend  führt  zu  Leiden  and  aus  dem  Leiden 
entspringen  neue  Energien. 
Joseph  in  der  Qberhebung  wird  verkauft;  hier  wird 
rtelte   Sohn    des    Hauses   zum    tüchtigen    Ver- 
walter, findet  als,,  die  Vorbildung  für  Bein  späteres,  höhei 
3ch    lese         ■  -  Volke«    und   dat   Heil  ■  •  iner 
nilie  b  \mt.   Sem  Traum  und  Beine  Keusch- 

heit führt  zu  Leiden,  Teilnahme  für  die  Mitgefan- 

•Mi  und  seme  höhere  Gabe  bringt  ihn  empor. 

'  irtlicii,     ■  Benjamin,   hei  dessen  Anblick 

■r    Familie   in   ihm   auflebt,  un  1   die    Verz.ei- 


Der  ethische  Wert  der  Leiden.  103 

hung  gegen  die  Brüder  und  die  Einsicht  in  die  höhere 
Fügung  des  Schicksals  bildet  den  Schluß. 

Als  Verwalter  und  Erhalter  eines  fremden  Volkes 
wird  er  zugleich  Erhalter  des  eigenen  Stammes. 

Durch  die  Leiden  Josephs,  Jakobs,  eines  Volkes  und 
des  eigenen  Stammes  durch  Hungersnot  wird  die  Hand- 
lung bewegt  —  Leiden  bildet  den  Aufzug,  und  Handlung, 
Energie   den   Einschlag  für  die  Gewebe   des  Schicksals. 

Jakob  segnet  zuletzt  seine  Söhne  (Gen.  48,  15)  und  die 
späten  Enkel  nehmen  seine  Gebeine  mit  nach  dem  ge- 
lobten Lande.  Sehr  schön  wird  im  Talmud  das  Wunder 
am  roten  Meere  darauf  bezogen.  *p"P  b&  W1K  Htn,  es 
(das  Meer)  sah  die  Lade  (den  Sarg)  des  Joseph.  —  Histo- 
rische Kontinuität. 

Ein  frohmutiger  und  energisch  noch  rüstiger,  besonders 
nach  geistiger  Tätigkeit  sehnsüchtiger  Zustand  des  Gemüts 
wird  gefordert;  daneben  aber  wird  den  Schmerzen  und 
Leiden,  besonders  den  sittlichen,  eine  vertiefende  Macht 
zugeschrieben,  weil  sie  eben  eine  eigenartige  Tätig- 
keit der  inneren  Erhebung  mit  sich  führen  können  und 
sollen. 

Das  Erste  fehlt  dem  griechischen  Geiste  nicht,  wohl 
aber  das  Zweite  und  vollends  die  unmittelbare  und  innige 
Verbindung  beider. 

Die  Art,  wie  die  Leiden  sittlich  verwertet  werden,  ohne 
die  Energie  des  Menschen  zu  brechen,  ist  durchaus 
charakteristisch  für  die  rabbinische  Anschauung. 


[IL   Der  Weg  zur  Bildlichkeit. 

1 ».  ;•  Wert  der  Leiden,  wenn  Bie  zur  Erkenntnis  führen, 
bestehl  darin,  daß  Bie  den  sittlichen  Bestand  Bichern. 
11  sind  das  Salz  des  Lebens;  sie  sichern  den 
Befand  der  Sittlichkeit;  Bie  lautem  den  .Meii^hen. 
Wenn  ein  Mensch  sieht,  daß  Leiden  über  ihn 
kommen,  so  soll  er  seine  Werke  (Handlungen)  unter- 
suchen. 


Erziehung.    Selbstprüfung.    Reue  und  Busse. 

V'dkserzielumg.     Beruf  und  Genuß. 

§  361.    Man  muß  eine  produktive  und  eine  unproduktive 
Bildung  wohl  unterscheiden;  diese  isl  Lediglich  auf  den  Ge- 
nuß,   lemgemäß  auf  den  Geschmack,    die   Verfeinerung 
u.  dergL  gerichtet    Jene  aber  auf  Erweiterung  der  Kr- 
au;" Vertiefung  der  Gesinnung  usw.  töe- 
und  Chronique  scandaleuse,  hier  Geschichte« 
Wenn    die   höheren    Schichten    der   Gesellschaft,    die 

Li)    Arbeit  scheuen,  dann  wer- 
den den   u  BUassen  die   Bildung  zu 
•■n    -:i  >hen;   umg  Ihren  beren 
Klassen   die  Bildung,   wenn           elbsl   die  Arbeit  nicht 
ichten. 

i erflacht  bei  den  oberen  Sei,  chten, 
■  •  j  <  •  1 1 ;  un  IQ]  fen   sie 


Beruf  und  Genuß.  105 

dann  den  unteren  Klassen  die  geistige  Auszeichnung  zu- 
gestehen.    Die  Bildung  am  Hofe  Ludwig  XIV. 

In  England  wendet  sich  die  Aristokratie  der  produk- 
tiven Bildung  —  zunächst  in  der  politischen,  dann  aber 
auch  in  der  außerpolitischen,  der  praktischen  Wissen- 
schaft —  mit  Vorliebe  zu  und  sie  tritt  in  unmittel- 
bare Berührung  mit  dem  Volke.  Staatsmänner  ersten 
Banges  halten  Vorlesungen  in  Agrikultur-  und  Arbeiter- 
vereinen. Sie  adeln  dadurch  die  Arbeit  und  den 
Stand  des  Arbeiters  durch  persönliche,  eingehende  Teil- 
nahme. 

Jede  Arbeit  muß  erkannt  und  anerkannt  werden  als 
ein  Glied  in  der  Kette  der  Kultur tätigkeit. 

Die  Muße  ist  schön,  aber  die  Arbeit  ist  gut.  Auch 
dem  untersten  Arbeiter  soll  das  Schöne  zum  Guten  sich 
mischen,  auch  dem  höchsten  Unabhängigen  das  Gute 
zum  Schönen. 

Die  geistige  Nahrung,  welche  man  allem  Volke  zuge- 
steht, ist  die  Religion;  aber  ist  es  eine  Entweihung  der 
Religion,  wenn  man  bei  der  Pflege  derselben  mit  einem 
Auge  auf  die  Erhebung  des  Gemüts  blickt,  mit  dem 
andern  aber  auf  die  vermutlich  notwendige  Dämpfung 
der  Gewalt  des  Volkes  schielt?  Dann  ist  es  desto  schlim- 
mer, wenn  man  das  Maß  und  die  Art  des  Religions- 
unterrichts nach  der  polizeilichen  Dienstbarkeit  bestimmt 
und  darüber  den  wahren  Gottesdienst  vergißt. 

Wenn  das  Volk  das  Erhabenste  versteht,  die  Religion. 


Hl    Der  Weg  tax  Bittlioh] 

dann  sollte  man  es  nicht  für  unfähig  halten,  die  minder 
ibene  Wissenschaft  und  Bildung  zu  begreifen. 
Wahrlich,  niemand  wird  die  Blasphemie  wagen,  zu  be- 
haupten,  die  Religion   verderbe   die  Menschen,  weil  sie 
iheil    aller   Mengchen    vor  Gott  lehre,  weil  Bie 
predigt,  daß  jeder  Mensch  als  ein   Kbenbild  Gottes  sich 
denken  und  danach  aufs  Edelste  zu  leben  sich  bestreben 
soll!    und   es  sollte   gegen  die  Religion  gehandelt,  oder 
Btaatsgef&hrlich  Bein,  den  Geist  des  Menschen  zu  erheben, 
ihn    auf  die  Stufe    zu  stellen,    welche    er   vermöge  seiner 
Fähigkeit  erklimmen  kann? 

Freilich  halbe  Bildung  und  halbe-  Wissen  schaden  oft 
mehr  als  Bie  nützen.  Aber  gilt  dies  nicht  auch  von  der 
hallten  Religion?  Die  Lehre  von  der  Vorsehung  kann 
zur  Arbeitsverachtung,  die  hehre  vom  jenseitigen  Gottes- 
reieli  zur  Weltverachtung,  die  hehre  von  der  inneren 
Berufum:  des  Gläubigen  zur  Menschenverachtung  führen. 
:  Irrtum  die  Schuld  der  Wahrheit?  und  soll 
hiebt     unter    den     Scheffel     -teilen,     weil     die 

richten  'inen  Brand  damit  anrichten  können? 
Man  Bagl  wohl,  die  Erziehung  ist  da-  Mittel  für  den 

Wir  vollen  nichl   dagegen  streit  n, 

•  obwohl  man  auch  wiederum         n   muß:  Dei    3  tat  hat 

unter  :en,  für  welche  er  Mittel  ist,  die  Aus- 

bildun  inng  der  Bürger.    Nur  in  der  Wechsel- 

irirkui  -     agl   die  Wahrheit    Aber  davon   einmal  al 

Erziehung   boII    Mittel   Bein    für   den  Zweck 


Erziehung  für  den  Staat  als  Zweck.  107 

des  Staates,  aber  nicht  für  den  Staat,  wie  er  gerade  ist, 
und  daß  er  so  sei  und  bleibe;  sondern  für  den  Staat,  wie 
er  sein  soll,  für  den  Staat  als  Zweck,  nicht  wie  er  be- 
reits erfüllt  ist,  sondern  wie  er  nach  dem  höchsten  Maß- 
stab der  in  ihm  vorhandenen  Bedingungen  werden  kann ; 
für  den  Zweck,  den  der  Staat  sich  selber  vorsetzt,  als 
der  Vervollkommnung  fähig,  wie  alles  Menschliche,  und 
nur  in  dieser  Vervollkommnungsfähigkeit  und  durch  das 
Streben  nach  ihr  wahrhaft  menschlich  und  edel;  —  es 
gibt  dazu  keinen  Stillstand,  weder  in  der  Natur  noch  im 
Geiste,  man  muß  fortschreiten,  um  nicht  zurückzukommen. 
Die  Jungen  sollen  nicht  bloß  sein ,  was  die  Alten 
waren,  sondern  sie  sollen  besser  sein,  die  nachfolgende 
Generation  soll  den  Volksgeist  als  Ganzes  nicht  bloß 
erhalten,  sondern  erheben,  nicht  bloß  erben,  sondern 
mehren.  — 

In  der  Fürsorge  für  die  Erziehung  mehr  als  in  irgend- 
einer anderen  Einrichtung  zeigt  der  Staat,  welche  Zwecke 
er  sich  selber  setzt,  wie  er  seine  Bürger  in  der  Zukunft 
geartet  haben  will,  und  für  welche  Art  von  sittlichen  Kul- 
tur- und  Staatsleben  er  sie  befähigen  will. 

Freilich  ist  dieser  Maßstab  kein  absoluter,  denn  auch 
ein  guter  Wille  ist  zumal  in  öffentlichen  Dingen  oft  mit 
verkehrten  Anschauungen  gepaart,  und  man  steuert  wohl- 
gemeinten Zwecken  mit  rückwärts  gewandter  Dampf- 
kraft zu.  — 

In  Sachen  der  Erziehung  stimmen  die  Aussprüche  der 


in.    Der  Weg  rat  Sittlichkeit 

Religion    mit    den    Aussprüchen    ihrer    Vertreter    selten 
Uberein.  — 

hebräische  Spraohform   uir   den  BegritY   der   Er- 

i  Shinnuch  steht   im  innigen  Zusammenhang  mit 

i  Grün         anken    der  Ethik,   der   die  Eeiligung  des 

Lebens    als    Bein  Ziel    betrachtet     Em    Eeiligtum   muß 

•   werden. 

.:    ist,    dal»   Chinnuch1,    Erziehung,    als 
.  W  ün     bezeichnet    wird.     1D10   i^t    Zucht.     Er- 

ror Sittlichkeit  ist  im  Sinne  von  Heiligung  gefaßt 
Unterricht  im  Gegensatze  zur  \  hen  Yererhui. 

Zum    erziehenden   Unterricht    gehört    das    Erlehnis,   i 
Vorbild     Davon  hat  man  oft  gesprochen;  aher  nicht  das 
einzelne  Vorbild,  sondern  da-  Leben  einer  Gesamtheit  — 
nicht   bloß   des  einen  Ortes    —  Bondern  90  weit  das  Be- 
wußtsein der  Einheit  reicht  —  .SDn  in  der  n^np. 

diesen  Zustand  der  Gesamtheit  hat  aber  j< 
Einzelne    Einfluß.     Di'->    gibt   einen    Zirkel,   welcher 

ondern  induktiv   berührt; 
he   Flui'»  ■  -  und   dieser   ^<-h  v.  cht -•   den 
Juden   immer  vor.    Ja   insofern  waren  sie   immer  »'in 
itorisches   V  lk. 

A.nford<  rangen   babi  n  ucl  tigert, 

iirt    und   erhöht     Nicht  bloß  durch  die  ver&n- 
durch  Zivilisation  reicher  und   mannigfacher 

i  wohnen    [•  n 


Sittliche  Tätigkeit  früher  und  heute.  109 

wordenen  Umstände,  sondern  auch  durch  Veredlung 
der  Gesinnung.  —  — 

Früher  wurden  die  WSö  durch  Schärfe  und  Feinheit 
des  Geistes  ausgebildet,  vermehrt,  erschwert;  jetzt  brauchen 
wir  sie  weniger,  weil  wir  mehr  direkt  ethisches  Tun 
haben. 

Ein  leidlich  wohlhabender  und  gebildeter  Mann  ist  in 
15  oder  20  Komitees,  die  alle  ethische  Zwecke  ver- 
folgen. 

Er  hat  15  oder  20  Statuten  und  Reglements  und  Usus  an 
Stelle  der  D^rUö  zu  befolgen,  früher  hatte  man  fürHände- 
waschen,  für  Trauer  so  und  soviel  §§.  In  einer  einzigen 
Sitzung  des  D.  I.  GB.  oder  des  U.  H.  Charities  werden 
viele  wichtige  Dinge  behandelt,  von  denen  unsere  Vor- 
fahren keine  Ahnung  hatten;  zu  den  meisten  fehlte  die 
Gelegenheit,  zu  vielen  aber  auch  der  Antrieb,  die 
Hingebung,  sogar  das  Nachdenken. 

Über  JlBttn  Ti  wurde  viel  gedacht,  gestritten,  ge- 
schrieben, aber  über  das  edle  D^y  "023  nnin  gab  es  keine 
Abhandlungen  und  keine  XTtyparagraphen. 

§  362.  Mit  Recht  wird  großes  Gewicht  auf  eine  sittliche 
Tätigkeit  gelegt,  welche  man  als  eine  stetige,  dauernde  (per- 
manente) betrachten  kann,  im  Unterschiede  von  einzelnen 
momentan  auftretenden  Handlungen,  wie  Begeisterung, 
Liebestat  usw.  Kinder.  Waisen.  S.  Kethub.  50a:  Es 
heißt  Ps.  106,  3:  „Heil  denen,  die  Recht  und  Wohltat  üben 
zu  allen  Zeiten."    Ist  es  denn  möglich,  Wohltat  zu  üben 


J  In  in.   Der  Weg  zur  Etittliohkeit 

zu  allen  Zeiten?  Unsere  Rabbinen  /u  Jahne,  nach  einigen 
1;.  Bliezer,  haben  vorgetragen  und  gesagt:  Das  geht  auf 
denjenigen,  welcher  seine  Söhne  und  seine  Töchter  er- 
nährt, wenn  sie  noch  klein  sind.  Nach  EL  Samuel  bar 
Nachmeni  dagegen  ist  derjenige  darunter  zu  verstehen, 
welcher  eine  männliche  und  eine  weihliche  Waise  in 
m  Banse  erzieht  und  sie  dann  verheiratet. 
Religiöse  Zeremonien  gehören  zur  höheren  edleren 
Lebensführung.  Man  kann  ja  auch  eiu  braver  Mensch 
und  ein  guter  Bürger  Bein,  ohne  die  Religion  und  ihre 
Formen  zu  beachten.  GewiL!  Zur  Prosa  braucht  man 
keine  Keime  und  kein  Silbenmaß.  Die  religiöse  Lebens- 
weise  gehört   zur  Poesie  des  Leben-. 

I  her  Gelübde,  als  einer  Form,  seinen  eigenen 
Willen  für  die  Zukunft  zu  binden,  linden  sich  verschiedene 
Ansichten.  EL  Melr  sagt:  Besser  als  der  eine  (der  etwas 
gelobl  und  nicht  erfüllt)  und  der  andere  (der  gelobt  und 

iini  isl  der,  welcher  nicht  gelobt  (Nedar.  9».)  Also 
überhaupt  nicht  geloben;  den  freien  Entschluß  für  jeden 
Momenl  aufsparen,  in  welchem  gehandelt  werden  soll. 
R.  Jehuda  sagt:  B<  iser  als  der  eine  "der  der  andere  [st 

lobl  und  -ein  Gelübde  erfüllt  (das.).. 

-  will  kitgeloben  ist  nur  besser,  als  das 

Nichte!  lullen    des    Gelübdes.      1  82'   und    77b 

mit  bi  Deut !  Wer  ein  (Gelübde  tut,  wird. 

bj füllt.  Bünder  genannt 


Die  wahre  sittliche  Gesinnung.  111 


Gesinnung. 


§  364.  Die  wahre  sittliche  Gesinnung  ist  nicht  der 
Erfolg  eines  vereinzelten  guten  Willens,  sondern  ernster 
und  eingehender  Vorbereitung  und  Vertiefung.  S.  Suk- 
ka49b:  Vielleicht  wirst  du  sagen,  dafj  jeder,  der  sie 
(sc.  die  Gnade  Gottes  s.  Ps.  33,  5)  einsammeln  will,  sie 
einsammeln  kann?  Daher  heißt  es  (Ps.  36,8):  „"Wie  teuer 
ist  deine  Gnade,  Gott!"  Ähnlich,  aber  doch  ablenkend 
ist  die  Erklärung  Raschis. 

Die  Gesinnung  soll  ideal  sein,  ethisch,  sie  soll  aus 
den  Gütern  Kräfte  machen  und  diese  immer  in  den  Dienst 
der  Idee  stellen. 

Die  Triebkraft  aller  Tätigkeit  =  Gesinnung.  Das  Sub- 
jekt des  Ganzen  =  Gemüt. 

Die  Gesinnung  entscheidet,  nicht  die  äußere  Tatsache. 
So  beim  1S1tJ>  das  12b  ]"D  »b  m  iib  jp  ro  Jttsty  rm  y&t?  n? 
s.  Rosch  hasch.  III,  7.  Dabei  werden  zugleich  die  bib- 
lischen Wunder  der  nt^Q  ^T  und  der  Brandschlange  alle- 
gorisch gedeutet.     Das.  III,  8. 

Auf  die  Gesinnung  kommt  alles  an.  Die  lautere 
Gesinnung  des  R.  Akabia  ben  Mahalalel  in  Aboth  III,  1. 
Er  soll  zum  Gerichtspräsidenten  ernannt  werden,  wenn 
er  eine  Ansicht  zurücknehmen  wolle;  er  lehnt  aber  ab; 
„er  wolle  lieber  alle  Zeit  seines  Lebens  ein  Karr  vor  der 
Welt  heißen,  als  eine  Stunde  vor  Gott  und  seinem  Ge- 
wissen."     S.  Negaim  1,4;  V,  3;    Sifre  zu  Behaalothcha: 


[12  in.   !■.  i  Weg  rar  Bittliohi 

Berachoth   l0-1.     Schebuoth  15»;    Mena- 
choth  lio.i 

Wissen    mit    Wollen    verbunden    ist   Pflichtgefühl, 

Verantwortung.     Der   Mensch   ist   nicht 

D    ikorganiamua    zu    bloßer    Verstandestätig- 

keit     geschaffen,     sondern     als     wollendes,     bändelndes 

Wesen.9 

Überwiegen  des  Gemüts,  des  Seelischen  im 
Bändeln.  Diu  freundliche  und  tröstliche  Ansprache 
inen  wird  höher  geschätzt,  als  die  geweihte  Gabe. 
S.  Baba  batra  9b:  EL  Jizchak  bat  ferner  gesagt:  Wer  den 
Armen  eine  Peruta  gibt,  wird  mit  sechs  Segnungen  ge- 
rnet;  wer  ihn  mit  mildem  Worte  anredet,  wird  mit 
elf  Segnungen  gesegnet 

B  365.  VorQ-efuhllosigkeit  hat  rieh  der  Mensch  am  mei 
zu  hüten.     Kalte  Verachtung  ist  schlimmer  als  Zornes« 

mpfl  werden  und  sich  sogar  in  Liebe 

wandeln;  die   Kälte   bleibt   n  Los,     VergL  die   schöne 

merkung  in  Biidr.  Helm  r.  zu    Kap.  6, 22:    EL  Simeon 

.  Lakisch  hat  ft:  Wo  Verachtung  stattfindet,  da 

.»    es  kein«    Boffnung  mehr,  wo  aber  Erzürnen  statt- 

t   noch    Bofiliung,  denn   wer  zürnt,  wird   sich 

'  endlieb  dooh  besänftigen  lassen. 

i   y,  s,  daß  einet  viel  gibt,  sei  es,  <lali  einer 

in  Hera  aul  den  Himmel  richtet 

,  \  pna    Wei  lernt,  um  nicht  tu  Qben,  für     n 

baffen  wordi  ri 


Reue.  113 


Reue. 


§  364.  Man  hat  beobachtet  und  hervorgehoben,  daß 
die  Heue  (nach  der  Tat)  stärker  ist  als  die  Warnung 
(vor  derselben).  Worauf  beruht  das,  da  doch  das  sitt- 
liche Urteil  (die  Beurteilung)  dasselbe  ist?  Vergl.  Zange 
S.  97  f.  (auch  Drob,  und  Kant  werden  bei  ihm  zitiert.  — ) 

Ich  glaube  deshalb:  Die  Reue  bezieht  sich  auf  die 
geschehene  Tat;  es  ist  eine  reale  Tatsache;  alles  Wün- 
schen, Wollen,  Mögen  hilft  da  nichts  mehr,  es  ist  ge- 
schehen, —  es  ist  eine  verzweifelte  Sache;  dem  sitt- 
lichen Urteil  selbst  kommt  (psychologisch),  weil  es  auf 
eine  reale  Tatsache  sich  bezieht,  etwas  von  dem  Ge- 
wicht der  Realität  zu;  der  Widerstreit  zwischen 
der  gewissen,  zweifellosen  sittlichen  Forderung  und 
der  geschehenen  Tat  ist  ein  realer  Widerstreit  geworden; 
das  Unrecht  steht  da,  es  ist  nicht  wegzuschaffen.  —  In 
der  Warnung  dagegen  handelt  es  sich  nur  um  Gedachtes, 
um  bloße  Vorstellung  (welche  erst  künftig  real  werden 
soll) ;  die  Tat  und  die  sittliche  Beurteilung  sind  gleicher 
Art,  nicht  hinausgetragen,  wie  in  der  Tat  des  Reuigen. 
Auch  im  Guten  macht  sich  dieser  Unterschied  der  Hand- 
lung gegen  die  bloße  Gesinnung  geltend  und  führt  eine 
Erhebung  mit   sich,    die   der  bloßen  Gesinnung  fehlt. 

Der  Unterschied  im  psychologischen  Prozeß  ist  auch 
noch  dieser:  In  der  Warnung  haben  wir  das  Urteil  und 
die  Forderung  im  Nichttun,  verbunden  mit  der  Furcht, 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  IL 


111  [II.   Der  Weg  zur  Sittlich* 

daL>   es  ehe   (ich   meine   nur  Furcht  vor  der  Sünde, 

dem  Unrecht  Belbst!  —  nicht  etwa  Strafe),  und  der 
Hoffnung,  dalJ  es  nicht  geschieht:  ein  Schwanken 
und  Schweben  des  Gefühls.  Grade  in  diesem  Schweben 
wird  der  Schwankende  oft.  glaube  ich.  durch  ein  plötz- 
liches l  bergewicht  der  unsittlichen  Neigung  überrascht, 
überrumpelt  —  l  >ie  Warnung  ist  also  nicht  so  stark: 
nur  das  vergossene  Blut  schreit  zum  Himmel. 

Das  Sittliche  empfangt  also  durch  die  B  :ne  scharfe 

Bestimmtheit.  Festigkeit;  daher  wird  der  Durchgang 
durch  die  Buße  so  gepriesen. 

Bü!>er;  „Freude  im  Himmelreich"  —  ist  nämlich,  weil 
auch  durch  das  Verzweifelte  der  Tatsächlichkeit  und 
Unabänderlichkeit  eigentlich  der  moralische  Mut  ge- 
brochen wird.  Daher  ruft  Herbart  is.  Enzyklopädie) 
auch  hier  die  Religion  zu   Hilfe. 

wifi  ist  das  sittliche  Gesetz  und  Beine  Anerkennung 
die  Voraussetzung  der  Eleue;  obwohl  oft  genug  diese  die 
Form  ist,   der   psychologische    Prozeß,    in    welchem   das 

•     (hl    urteil  zur  Klarheit   über   sich  selbst  kommt  (vgL 

»     •:!•    Ursprung  der  Sitten).  Daß  da   Urteil  in  der 

Reue  auch  klarer  wird,  weil  nämlich  der  Widerstreit  der 
dasselbe  jetzt  fehlt,  —  hat  man  schon 
Wichtig  aber  ist  nun:  diese  Klarheit  der  Be- 
urteilung i-t  nicht  gleich  d<  jen  des  unparteiischen 
Zu  ;hem  ja  auch  die  Neigung  als  Störer 
nicht  ■          In  ist),  sondern  au-  derBealit&l  des  ge- 


Beue.  115 

schehenen  Unrechts  entspringt  eine  eigentümliche 
Schärfe  der  Beleuchtung;  die  Tat  ist  da;  sie  ist  mein, 
als  meine  Tat  da;  die  Verbindung  zwischen  sittlichem 
Urteil  und  Realität  ist  —  mit  negativem  Erfolg  —  voll- 
zogen; ich  bin  mit  dem  Unsittlichen  verbunden,  an  meiner 
Tat  haftet  es,  also  an  mir.  Dieses  Unsittliche,  das  so 
real  fest  dasteht,  so  unabänderlich  ist,  ist  also  fester  als 
meine  ganze  moralische  Gesinnung,  die  doch  nur  im  Denken 
und  Fühlen  besteht,  keine  Tat  ist,  erst  Tat  werden  soll. 

Daher  auch  wiederum  „Gutes  tun"  als  das  eigent- 
liche Gegengewicht  gegen  das  Unrecht  erscheint.  Das 
Sittliche  muß  auch  positiv  real  in  mir  oder  aus  mir  sein. 
S.  Berachoth  12 b.  Rabba,  Sohn  des  Chenana,  des  Alten, 
im  Namen  Rabs  hat  gesagt:  "Wer  eine  Sünde  tut  und 
sich  derselben  schämt,  dem  werden  alle  seine  Sünden 
vergeben.  E^flö,  d.  i.  er  findet  es  unter  seiner  Würde; 
rnilllj?  ^3,  d.  i.  weil  der  ganze  innere  Mensch  ein  anderer 
geworden,  eine  höhere  sittliche  Stufe  erstiegen,  darum 
schwindet  das  ganze  Vorleben  dahin.  Das  tiefe,  wahre 
Gefühl  der  Reue  soll  nicht  bloß  Pein  um  das  Vergangene, 
sondern  Bürge  für  die  Zukunft  sein,  das  Verwerfliche 
in  Wahrheit  für  immer  verworfen  zu  haben.  S.  Meno- 
rath  hammaor  III,  5  S.  132  bei  Fürstenthal. 

Reue  und  Buße  vertiefen  das  sittliche  Bewußtsein  s.  Be- 
rach.  34 b:  R.  Abbahu  hat  gesagt:  an  dem  Orte,  wo  die 
Bußfertigen  stehen,  stehen  nicht  die  vollkommenen  Ge- 
rechten. 


1  [6  Ol.   Der  Weg  rar  Bittlichk 

Wiederherstellung  der  reinen  G-esinnung  durch  Be- 
kenntnis vor  sich  (oder  anderen),  also  durch  Einsich! 
in  die  Sünde  und  Selbstverurteilung.  S.  Midr.  Bam. 
midi»,  r.  Par.  20,  L5J 

Selbstprüfung,  /war  oft  bei  aller  Welt  empfohlen, 
wird  selten  gettb  t. 

Die  Buhe  und  die  Umkehr  soll  mau  dem  Verbrecher  er- 
leichtern. Es  i-t  vielleicht  von  den  Kahhinen  darin  ZU 
weit  eigen,  wenn  sie  dir  Annahme  de-  Ersatzes  nicht 

gutheißen  s.  Baba  kamma  94b*.     VergL  Bienorath  bam- 
i    MI.  5  S.  132 Ö'.  bei  PürstenthaL 

§  366.  ('her  die  TOWrt,  Buße  vergL  die  schöne  Stelle  in 
Pesikta  de  Etab  Kahana  Piska  25.  Man  fragte  die  Weis- 
heit: Was  BOll  die  Strafe  des  Sünders  sein?  Sie  antwortet 
mit   Prov.  13.21.     Man   fragte   die  Prophetie:  Was    boII 


i  Jeden,    der    gesündigt    bat    und  Bpricht     ich  habe  gesündigt, 

üarf  <ler  (strafende)  Engel  nicht  anrühren. 

I  Die  Rabbineo  haben  gelehrt    Wenn  Räuber  und  Wucherer  su- 
kerstalten,  s<>  nehme  man  von  ihnen  nichts  an.    Und  wei  eta  ts 

von    iimen   annimmt,    mit  'Irin   sind    die  W<  isen   nicht    zufrieden 
....._  _-..  . ....._  _._  ..Xl      j.   jochanan  hat  Diese  Lehn 

,  den  Tagen  R  :     Mit  einem  Menschen,  der  Buße 

tun  wol  le,  tru  h  ni,  -   d  W<      zu  ihm  sprach    Öohl- 

kopl     • — ''  wenn  du  Buße  tun  willst,  bo  ist  selbst  dein  Gurt  nicht 
•   dein.     (Jnd    er  li<  en  und  tat  keine  Buße.     In  • 

sprachen  sii     Wenn  Raubet  und  Wucherei   zurückerstatten 
ime  in  ni  von  ihnen  nichts  an,  und  wer  etwas  von 
ihm  imii,  hui  dem  sind  die  Weisen  nicht  zufrieden.  | 

Dem  '.  meht  '  und  dei    Frömmigkeit  in 

ihm  i     1»  H 


Buße.  117 

die  Strafe  des  Sünders  sein?  Sie  antwortet  mit  Ezech. 
18,  4.  Man  fragte  die  Thora:  Was  soll  die  Strafe  des 
Sünders  sein?  Sie  antwortet  mit  Lev.  1,  4.  Man  fragte 
den  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  Was  soll  die  Strafe  des 
Sünders  sein?  Er  antwortete:  Er  tue  Buße  und  bewirke 
dadurch  seine  Sühne,  denn  so  heißt  es  Ps.  25,  8:  „Gütig 
und  gerade  ist  der  Ewige,  darum  zeigt  er  den  Sündern 
den  Weg."  Vergl.  jer.  Makk.  II,  8  und  Jalk.  zu  Tehil- 
lim  Nr.  702.  In  derselben  Piska  erklärt  R.  Huna  im 
Namen  des  R.  Chanina  bar  Papa  in  bezug  auf  den 
Brudermörder  Kain  das  Wort  N2H  Gen.  4,  16  dahin:  Er 
ging  hinweg  (von  dem  Angesichte  des  Ewigen)  wie  einer 
der  sich  freut,  sowie  es  heißt  Ex.  4,  14:  „Und  siehe,  auch 
er  geht  dir  entgegen,  und  wenn  er  dich  sieht,  freut  er 
sich  in  seinem  Herzen."  Als  er  von  Gott  hinwegging, 
begegnete  ihm  der  erste  Mensch  und  fragte  ihn:  Was  ist 
mit  deiner  Rechtssache  geworden?  Kain  antwortete:  Ich 
habe  Buße  getan,  und  meine  Rechtssache  ist  geschlichtet 
(ausgeglichen)  worden:  Da  schlug  sich  der  erste  Mensch 
mit  der  Faust  aufs  Angesicht  und  sprach:  Das  habe  ich 
nicht  gewußt,  daß  die  Kraft  der  Buße  so  groß  ist.  In 
dieser  Stunde  sprach  er  die  Worte  (Ps.  92,  2):  „Gut  ist 
es,  dem  Ewigen  zu  bekennen."  Die  angezogene  Piska 
enthält  noch  viele  andere  tiefsinnige  Aussprüche  über 
den  Wert  und  die  Bedeutung  der  Buße.  —  Nach  Rosch 
hasch.  16 b  vergl.  j.  Thaan.  II,  1;  Beresch.  r.  Par.  44  und 
Pesikta  de  Rab  Kahana  P.  30  gehört  die  Buße  auch  zu 


11-;  nr.   Der  Weg  «rar  Bittliohk 

«Jeu  Dingen,  welche  das  Verhängnis,  d.  L  den  göttlichen 
Gerichtsbeschluß  aufheben,  über  die  Kraft  der  Buße 
and  des  Gebetes  b.  Midr.  Wajikra  r.  Par.  10.  Nach 
einer  Ansicht  bewirkt  die  BulW  alles  und  das  Gtebet  nur 

Bälfte,  oach  der  anderen  ist  gerade  das  Gegenteil 
der  Fall.  Daß  die  erstere  alles  bewirkt,  wird  durch  das 
Beispiel  Adams,  Hains  und  der  Leute  von  Anathot  er- 
wiesen.    Weiter   unten    wird   ausgeführt,    daß  die   BuUe 

bängnis  und  Verfluchung  aufhebt' 


Lohn  und  Strafe.     Erfolg  des  Handelns. 

§  366.  Wohl  seit  100  Jahren  ist  das  Wort  .,  Hülle"  und 
„Höllenstrafen"  in  keiner  jüdischen  Predigt  und  auf  keiner 
jüdischen   Lehrkanzel   au  ochen   worden.     Auch  im 

Volke   hört   mau   das  Gehinnom   Easl   nur  im  bildlichen 
Sinne  für  ir.:  nnen.     Der  Gedanke  ist  nicht 

nur  fremd  geworden,   sondern  man  riehl   daraus,   daß  er 
im   Grunde   immer  fremd   gewesen.     Wenn   die   mittel- 
u  Moralisten  ermahnt   haben,   sich   WTC 

i:— ;  "s  zu  retten,  so  i  Phant     •    labei  wei 

n.   und    wenn   ein  jüdischer  Dicht 


;i    Ausspruch    des  EL  Joehanan  Qber   die    Krall   «lcr   Buße 

lauii-i  I.                   IT      '  .  denn  sie  zerreißt  «len 

.   von   Gott    bi  -  Urteil  Qber  den  Men- 
schen»      I>    H 


Lohn  und  Strafe.  119 

poetische  Kraft  eines  Homer  und  Shakespeare  in  sich 
vereinigt  hätte,  so  würde  er  kein  Denker  und  kein  Bildner 
der  Hölle  geworden  sein.  Auch  die  beliebte  Formel 
des  „Maß  für  Maß"  ist  schon  im  Talmud  und  ebenso 
später  auf  irdische  Schicksale  bezogen  worden.  Nur  den 
einen  Gedanken  haben  die  trüben  Jahrhunderte  gehegt, 
der  uns  neuerdings  abstößt  und  anwidert,  nämlich  die 
Lösung  des  alten  Problems  von  "6  y*Vl  pH3  ib  21B1  ytsn  durch 
die  Annahme,  daß  der  Bösewicht  für  seine  guten  Taten 
hier  abgefunden,  der  Tugendhafte  vor  jenseitigen  Leiden 
und  Störungen  seiner  Seligkeit  bewahrt  wird. 

Im  allgemeinen  ist  der  Glaube  an  Belohnung  des 
Guten  auch  in  dieser  Welt  verbreitet;  die  genauere  Be- 
obachtung der  Erfahrung  führt  auf  die  tiefere  Auffassung, 
daß  die  Sittlichkeit  als  solche  von  Lohn  und  Strafe  über- 
haupt unabhängig,  die  reine  ideale  Belohnung  im  Jen- 
seits stattfindet,  daß  die  künftige  Welt  keinen  Genuß  im 
diesseitigen  Sinne  bietet.  S.  Berach.  17 a  den  Ausspruch 
Rabs,  ebenso  Chullin  142 a  und  Kiddusch.  39 b. 1 

Der  wahre  Lohn  des  guten  Willens  ist,  daß  er  die 
Mittel    und    daß    er    die    rechte    Gelegenheit    zum 


1  Es  war  ein  Grewohnheitsspruch  im  Munde  des  Rab:  Nicht 
wie  diese  Welt  ist  die  künftige  Welt.  In  der  künftigen  Welt  ist 
nicht  Essen  und  nicht  Trinken,  nicht  Fruchtbarkeit  und  Vermehrung 
und  nicht  Kauf  und  Verkauf  und  nicht  Haß  und  nicht  Eifersucht, 
sondern  die  Frommen  sitzen  mit  ihren  Kronen  auf  ihren  Häuptern 
und  laben  sich  an  dem  Glanz  der  Schechina.     D.  H. 


L20  HI.   Der  Wi     bui  Sittlich, 

Wohltun  findet.    S.  Bab:i  batra  U  "IV.,  wo  eine  lange  Aus- 
einandersetzung  aesjeben  i-t.1 

1   Von    K.  MeTr    wird   Baba   balra   H»a    bcrielitct,    daß   er 
I  habe,  Gott  habe  die  Armut  nur  deshalb  ^zugelassen,  am  uns 
Wohltätigkeit    anzuspornen,    damit    wir  durch  sie   vom   Gericht 
Gehinnom    ^ereilet   würden.      Vergl.  l.T.   die  Theodicee  der 
in  der  Welt  S.  259f. 


10.  Capitel. 

Die  Pflichten  (JYQin),  die  erfüllt,  oder  die  Ideen 
die  realisiert  werden  sollen. 

Übersicht. 

§  367.     In  den  Kreis  der  Pflichten  (mnin),  die  erfüllt 
werden  sollen,  gehört 

A)  Selbsterhaltung  (gegen  Selbstmord). 

B)  Selbsthaltung  und  Pflege  (als  Gottesebenbild). 
Keuschheit,  Züchtigkeit. 

C)  Selbstschätzung  und  die  Schätzung  anderer.  Ehre, 
Bescheidenheit,  Stolz,  Hochmut  und  Demut.  Die 
Pietät. 

D)  Der  Friede  in  sich  —  und  mit  anderen.  Schick- 
salsgemeinschaft; Mitleid  und  Mitfreude. 

E)  Kulturtätigkeit.  Wissenschaft,  Kunst  und  Gewerbe, 
Handwerk.  ntyjm  1PK  fco.  Wochenarbeit  und 
Sabbatruhe.   Arbeit  und  Muße,  erhebende  Erholung. 

F)  Gerechtigkeit  und  Billigkeit.  Leben,  Gesundheit, 
Eigentum  (Fund  und  Schadenersatz),  Ehre  aller 
(Schutz  gegen  Gefahr  npj?D,  ^W3D,  besonders  gegen 

y\n  ymb). 


HL   Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

G  Gnade  und  Liebe  —  Wohlwollen  und  Wühltätig- 
keit: Geiz.  Dankbarkeit  Verzeihung  gegenüber  dem 
Eteuigen,  Güti  d  den  Fehlenden,  gegen  Grollende 

(Tier  vbl  z'-r  vh  ;  Erträgen  des  Starken  Rachsucht 
'13  0*3^371  und  Leiten    des  Schwächeren  12  nptnm. 
H)  Wollen   der  Sittlichkeit    auch    der    anderen,    aller 
anderen;  der  Gesamtheit,  a"2"iy. 

Die  drei  Grundbegriffe  desR. Simeon  benGamliel. 

§  368.  l>i<-  drei  Grundbegriffe  welche  Sinieon  ben 
Ganiliel  aufstellte:  übv  p  HC«,1  haben  gar  nicht  blob 
einschränkende,  negative  Bedeutung;  vielmehr  grade  in 
der  positiven  Fassung  gegenüber  dem  blolJen  Verbote 
in  der  älteren  Form  offenbart  sich  der  bedeutende  Fort- 
schritt, der  schon  bei  den  Propheten  angebahnt  ist.  nCNH 
13TW  inbir.T*  und  dergl.  mehr. 

1.  Während  in  der  ältesten  Zeit  bei  Begründung  mensch- 
licher Gescllung  das  Übergewicht  physischer  Kraft  (liebst 
Geschicklichkeit  besonders  in  der  WaffenfÜhrung  |  als  unbe- 
dingt lobenswert  erscheint, tritt  das  Übergewicht  des(  iristes 
in  der  nach-  >che  hervor;  hier  gilt  nun  die  List  als  die 

neu*-  Form  d<  iit.  der  „vielgewandl  udungsreiche 

i  der  im  Kampfe  erfolgreiche  hervor.  Wiebeiden 
II  ben  Beiden,  so  auch  im  Benehmen  der  Etebekka 

teD  Jakobs  und  dergL  erscheint  die  List  ah  durch- 

.  I,  lv      I)    II. 

c-i  ii  galh      --   »X  --■;-.     i'.  II- 


Wahrhaftigkeit.  123 

aus  lobenswert.  List,  Macht  und  Herrschaft  erheben  den  An- 
spruch, in  der  individualisierenden  Gestaltung  der  mensch- 
lichen Persönlichkeit  als  unbedingte  Vorzüge  zu  gelten. 

Dem  wird  nun  entgegengetreten.  An  die  Stelle  der 
List,  Schlauheit  usw.  soll  offene,  freie  Wahrhaftigkeit 
treten.  Die  List  besteht  tatsächlich  nur  durch  den  in- 
neren Zwiespalt  im  Listigen,  er  muß  zweierlei  Entgegen- 
gesetztes zugleich  denken,  3^1  ibl l:  mit  zweierlei  Herzen. 
An  die  Stelle  des  Zwiespalts  soll  die  innere  Harmonie  treten: 
"tiäH  DJV.  Aber  ebenso  in  der  Beziehung  zwischen  den  ver- 
schiedenen Seelen;  die  List  und  die  Lüge  trennt  die  Seelen; 
die  Wahrheit,  der  offene  Einblick  des  einen  in  die  Seele  des 
anderen,  verbindet  beide,  schafft  einerlei  Denken  in  ihnen. 
Es  ist  ein  G-eist,  der  in  den  verschiedenen  Seelen  waltet. 

Das  ist  der  positive  ethische  Zug  in  der  Wahrhaftig- 
keit, welche  unmittelbar  mit  dem  höchsten  und  letzten 
Zweck  des  Sittlichen  in  Verbindung  steht.  Daher  der 
Preis  des  1"QD  DIH3,  dessen  Inneres  wie  sein  Äußeres  u.  dgl. 

Nicht  bloß  das  Trennende  in  List  und  Lug  soll  ver- 
mieden, sondern  das  Einende,  Verbindende  in  der  durch- 
sichtigen Klarheit  des  offen  erscheinenden  inneren  Lebens 
soll  gesucht  werden. 

H12K  und  JlilöK  hängen  zusammen;  die  wahre  Auffas- 
sung und  Darstellung  des  Vergangenen  und  Gegenwär- 
tigen, wie  es  wirklich  ist.   das  ist  nEN;  dagegen  die  Zu- 


i  Ps.  12,  3.       2  Hiob  1,  8.      3  Joma  72b.  Ein  Jünger  der  Weisen, 
dessen  Inneres  nicht  wie  sein  Äußeres,  ist  nicht  ein  Jünger  der  Weisen. 


124  HI.    Dei  Weg  rar  Bittlichi      . 

versieht,   daß  das  Küntt  o  sein  werde,  wie  es  ver- 

sprochen, (von  Gotti  verheißen  wird,  ist  PÜ1DK, 

ßeiJi-  hängen  mit  DDK,  Eusammen '  und  nc\s.  eis 
ist  eine  durch  Wahrheit  zu  einem  Volke  verbundene 
M  Qge.  In  bezog  anf  theoretische  Erkenntnis  der  Dinge 
wird  der  Ausdruck  JTDH  nicht  gebraucht.  Zwar  wird 
eine  Portschreitende,  nur  durch  geistig»-  Arbeit  zu  er- 
reichende  Erkenntnis  der  Dinge  gepriesen  und  gefordert; 
namentlich     alt     Krkenntnis     der    Werke    Gott  Die 

Eigenschaft,  Tätigkeit  und  Ursache  der  Ding«-  zu  er- 
kennen, v  sucht:  -'"-  D3711,  „schauen"  d.i.  genau 
titen ;  Jes.  5, 12  W»3<  *b  ~  ^JflB  nW  wird  verachtet;  aber 
nicht  der  Erfolg,  die  Tätigkeit  vielmehr  wird  hervorgehoben. 
Daher  die  Bezeichnung  als  ~::~.  n:*2.  njH;  alles  subjektiv; 
■  n  aucli  die    r^zr,  zuweilen  hyp  heint. 

■  Erfolg  der  ethischen  Einsicht  istrtDK; 

diesem  Sinne  ist  nDM  UTOm  r\BH  JWt    und  als  Schluft- 

Denkweise  no«  n  z~~  \n  IDTOn«,  d<  r  gleich  einem 

( lharakter  ist  HDK. 
1  auch  di<  nteiligen  Begriffe  Irrtum.  Mangel 

it,  niedrige  Stufe  der  Erkenntnis  sehr  selten  be- 
tet und  v.  i  >:•  Eigenschaften  d<-r  Dinge 
:ennen          I    die  Weisheit  ihr«      Schöpfers   erkennen. 
Ablauf  und   die  Verkettung  der  natürlichen  Ereig- 
nen und  unabänderlichen  —  selbst 


Du  ;si  etymologisch  unrichtig.     I'  li  :  Hiol 

14*.  *  -  \ 


Recht.  125 

zur  tatsächlichen  Erreichung  sittlicher  Zwecke  nicht  ab- 
geänderten —  Gesetzen.  Das  wird  allgemein  anerkannt 
und  damit  begnügt  man  sich. 

Dahingegen  dem  sittlichen  Gesetz  bis  auf  den  Grund 
zu  sehen,  gilt  als  höchste  Aufgabe:  Tib'b)  D8V  U  mmj 

Ebenso  soll  man  dem  sittlichen  Menschen  bis  auf  den 
Grund  seiner  Seele  sehen. 

2.  Auf  gleiche  Weise  bezeichnet  p  nicht  bloß  ein 
objektives  Verhältnis,  sondern  ein  subjektives  Verhalten. 
An  die  Stelle  des  Beliebens,  der  Neigung,  der  indivi- 
duellen (geistigen  und  bürgerlichen)  Macht  soll  die  Gesetz- 
lichkeit als  Norm  des  AVillens  treten. 

Die  Vorschrift,  Satzung,  Gesetz  sollen  im  Innern  die 
Persönlichkeit,  und  nach  außen  die  Beziehungen  zu  Gott, 
zum  Nebenmenschen,  zu  den  eigenen  Verhältnissen  regeln. 
Daher  ist  p  besonders  das  Recht;  und  hier  vor  allem  das 
Recht  des  Schwachen,  der  geschützt  werden  soll  vor  jeder 
Vergewaltigung.  Aber  p  ist  nur  das  Minimum.  Erst 
)H»T  mi»ö  n^^b  birgt  das  Hochmenschliche.'-1 

p,  Recht,  ist  schöpferisch,  denn  es  schafft  die  Form  der 

Gesellschaft.    Insofern  schafft  es  am  positiven  Zweck  der 

Menschheit,    als   es   eine  Einheit   der  Menschen  in  ihrer 

Gesetzlichkeit    herstellt.       Aber   p    als    Recht    schafft 

nur  eine  Rechtssphäre  für  jeden  Menschen  (bezw.  für  jede 

1  S.  Josua   1,8.  2  s.  Mechillha  Jithro  Anf.  „Tue  ihnen  kund 

die  Handlung«  (Exod.  18,  20),  das  ist  die  Linie  des  Rechts  (das 
genaue  Recht);  „was  sie  tun  sollen"  (das.),  das  ist  innerhalb  der 
Linie  des  Rechts  (Billigkeit).     D.  H. 


111.    Der  Weg  zur  Sittlich!. 

eng<  inheit   von  Menschen,  wie  Familie,   Geschlecht 

.),  sichert    ihm  seine  Geltung,    die  Ausführung  Beines 

berechtigten  Wollens.     Alle  Personen   also  kommen   mit 

B    ihtssphäre  zur  G-eltung.  Auf  der  einen  Seite  soll 

Übergriff    in    die  Sphäre    des   anderen   (zumal   des 

Schwächeren),  auf  der  anderen  Seite  die  Unterdrückung, 

Beeinträchtigung  vermieden  werden. 

Die  vor  dem  Gesetz  und  durch  das  Gesetz  gleich- 
geltenden Personen  aber  —  auch  der  Fremde  —  sollen 
eine  positive  innere  Beziehung  zu  einander  suchen  und 
linden,  deshalb  pn  mWß  tPtik  gehen;  —  das  Verwerf- 
liche des  min  p  ty  BTO*1  TTBPtl.1  Denn  p  bindet  unter 
das  Gesetz,  aber  trennt  jeden  in  seine  Sphäre  hinein.  Über 
>hlichkeitderBichter(TnW)8.j.Kethub.X,33dfm.;bab. 
Kethub.106  .  Samuel  fragte  aus  Dankbarkeit:  Kann  ich  dir 
mi:  dienen?  usw. 2   Diese  Strenge  ist  charakteristisch, 

der  Anekdoten  über  dieselben  waren  viele  im  Schwange.  Die 
wahre  und  positive  Verbindung  der  Menschen  tritt  hervor  in 
_-_•.    Dies   bedeutet  vor  allem   «las  Zusammenge- 
d   zu  einem   Willen.     icvrir  objektiv   ist  das 
inverletzte)  Bei]  di     Menschen.)    Da- 
lier   Dl  z~ryz  2-~~  -•••    v  "2";.  wie  auch  ihr  Wille  be- 
•  schaffen   Bei,    wenn   er  auf  das    sittlich  Höchste   in  der 
rin   des  Willen  Vielheit,  nämlich  der  Einheil 

i  Babamei  30  S  setzte  in  einer  Fahre  Ober.  Da  kam 

om  Mann  und  reichte  ihm  die  II  ind     Darauf  sprach  Samuel  m  ihm: 
In  \  »rt  i  r  ipracfa   leb  habe  ein  iche  Daraul  jener 

,.r  f.e  Lei  i  untauglich  geworden.    D  H 


Möglichkeit  der  Überwindung  des  Egoismus.  127 

des  Wollens  gerichtet  ist,  so  wird  er  um  deswillen  gleich- 
sam untadelhaft.     DH3  yfb  by  rrapn  )*K  to.i 

Die  Voraussetzung  (vollkommen  berechtigt)  ist,  daß 
böse  Absichten,  Ziele,  eine  solche  Einigung  der  Willen 
nicht  zustande  kommen  läßt.  Die  formale  Beschaffenheit 
des  geeinigten  Willens  aber  steht  so  hoch,  daß  er  die 
Vollkommenheit  des  ethischen  Inhalts  zu  bedrohen 
imstande  ist,  so  daß  es  eben  jener  Voraussetzung  bedarf, 
um  die  Wahrheit  des  ethischen  Systems  nicht  zu  verletzen. 
§  369.  D\"6n  D^S2  heißt:  geistig.  Im  Prinzip  des  Geistes 
liegt  die  Möglichkeit  der  Überwindung  des  Egoismus, 
der  Zusammenschließung. 

Der  Geist  hat  seine  ursprüngliche  Beziehung  zum 
Materiellen  und  behält  sie  auch;  aber  in  dem  Maße 
als  er  sich  auf  sich  selbst  besinnt,  seines  eigenen 
Wesens  bewußt  wird  und  ihn  (den  Geist)  zum 
Zweck  erhebt,  gelingt  ihm  die  Vernichtung  des 
trennenden  Egoismus  und  Herstellung  der  Einheit. 
A.  Der  Körper  und  die  ganze  materielle  Welt  als  Ob- 
jekt des  Erkennens.  —  Kampf  ist  vorhanden;  aber 
der  Überwundene  ist  der  Belehrte;  der  Schüler 
gewinnt  und  genießt  die  Wahrheit  wie  der  Lehrer. 
—  Die  Wahrheit  siegt  über  beide. 


1  Götzendiener  —  wenn  Friede  unter  ihnen  ist,  so  kann  der 
Heilige,  gebenedeiet  sei  er!  wenn  man  so  sagen  darf,  sie  nicht  an- 
rühren. —  Das  Geschlecht  des  Turmbaus  mußte  durch  die  Sprachen- 
verwirrung  in  Uneinigkeit  geraten,  um  der  Strafe  zugänglich  zu 
werden.   Bereschith  r.  3b,  7  und  die  das.  angegebenen  Stellen.    D.  H. 


HL.    Der  Weg  zur  SittUchieit. 

Die  Wahrheit  wird  nicht  zur  Wahrheit  und 
nicht  wertvoller,  weil  sie  meine  Wahrheit,  son- 
n  ich  werde  wertvoller,  weil  ich  die  Wahrheit 
besitze,  d.  h.  denke  als  mein''  Gedanken.  S.  Kiddu- 
schin  32b.  ' 

B.  Plastische  Gestaltung  der  sinnlichen  Welt,  Hinein- 
bilden  von  Gedankei  .  Realisation  von  ästhetischen 
[deen. 

Der    Besitz    des   Schönen    ist   eine    fremde    Bei- 
mischung zum  ästhetisches   Interesse.     Dagegen  isl 
htnng  »bar  fasl  ohne  Schranke:  öffentliche 

Hunten  und  Denkmäler;  Museen  (ein  edles  Prinzip 
gemeinsamen,  oder  Gesa  m  tbes  itz.e- 

( '.    Der   stärkste  G  tz    ist    der  Wille  gegen  den 

anderen.    Allein  die  Ldee  zur  Norm  des  Willens 

erhoben  ELberwindet  sofort  den  Werl  des  egoistischen 

Willens   (8.Aboth2,4:   "JiWO  UWliW),   namentlich 

aber  "ptn  bö2  osw.a 

Das  Wollen   gemeinsamer  Zwecke   erzeugt  ge- 
meinsamei    Wollen,      Wollen    der    Zusammen- 

igt   notwendig    Zusammenschlie- 
inhaltlichen  Wollei 
i  i    1 1 ;  ;     wende    aber   ist    da 

dem  Genuß,  aus  der  Erregung  durch 

. .  .  -.  _-._         | 

Willen    zu   deinem    Willen         gib 
em   Willen.      I>   II 


Verbalten  zum  NebenmenscheD.  129 

das  sinnliche  Objekt.  Hier  also  liegt  die  Haupt- 
quelle des  Egoismus:  Genußsucht,  Habsucht,  Neid, 
Mißgunst,  Geiz. 

Genau  betrachtet  zeigt  sich,  daß  die  geistige  Irrung, 
abstrakte  falsche  Auffassung,  man  könnte  sagen 
theoretischer  Irrtum  (z.  B.  des  Geizigen!)  Quelle 
des  Kampfes  ist.  1.  abstraktes  Besitzen  gegen 
den  wirklichen  Genuß  und  die  Verwendung;  2.  Sorge 
um  die  Zukunft  und  für  das  Geschlecht. 
Gegenmittel:  1.  Freude  am  Genuß  des  anderen; 
2.  Sinnliches  Regen,  Bewegen,  Schaffen  über  Ge- 
nießen 3.  geistiger  Genuß. 

Kampf  fordert  Genügsamkeit  des  anderen;  Friede 
bietet  die  eigene  Genügsamkeit;  mit  ihr  ist  die 
Möglichkeit  gegeben,  daß  alle  Güter  gemeinsam,  sind. 
Der  Natur  genügend  abringen,  aus  ihr  genügend 
durch  Kultur  schöpfen:  daher  ein  Ideal  lJS:i  nnn  JJ^K 

iniKn  nnm.1 

§  370.  Eine  der  wichtigsten  Regeln  der  ganzen  Sitten- 
lehre inbezug  auf  das  Verhalten  zum  Nebenmenschen 
ist,  sich  in  die  Seele,  ins  Gemüt,  in  den  inneren  Zu- 
stand des  anderen  versetzen.2  Schon  die  Thora  gibt  in- 
direkt die  Anleitung  dazu:  *UH  t?B}  n«  DnjTP  DD«  "0,3 
ferner  bei  WS3  n«   KPtt  «in  y6«  'D  rüW  )nn  löYO.4 


1  Micha  4,  4.  2  Sich  in  die  Seele  des  andern  versetzen, 

mit  ihm  fühlen  und  darauf  die  Behandlung  einrichten.    Vgl.  Maim. 
bei  Rosin  S.  139.  3  g.  Ex.  23,  9.  4  s.  Deut.  24,  15. 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II.  9 


1  30  in.   Der  Weg  zur  BitÜiohkeit. 

Der  Durchschnitt  der  Menschen  würde  viel  edler  han- 
deln, wenn  er  diese  Regel  befolgt''. 

Es  isl  nicht  nur  der  .Mangel  an  gutem  Willen  über- 
haupt, an  sittlicher  Gesinnung,  wodurch  die  Menschen 
es  an  der  wahren  und  vollen  Gerechtigkeit,  geschweige 
an  Li(  bestaten  fehlen  Lassen,  Bondern  der  Mangel  an 
Aufmerksamkeit,  an  Einsicht  in  die  wirklich  vorhandenen 
realen  und  seelischen  Tatsachen,  welche  im  Zustand  und 
im  [nnern  des  andern  spielen. 

Alle  speziellen  sittlichen  Gebote  stehen  in  Verbindung 
mit  der  Geschichte,  mit  der  erscheinenden  Entwicklung 
des  Menschen,  oder  aber  mit  den  Naturbedingungen, 
welche  den  natürlichen  Lebenslauf  bestimmen.  Die 
Kabbinen  haben  eine  schöne  Allegorie  über  diese  Ver- 
bindung, s.  Schabb.  88bu.  89*,  wonach  sich  die  Gebote  auf 
den  Menschen  beziehen,  auf  Nachbarschaft  der  Götzen- 
diener, auf  Sabbatruhe  nach  der  Wochenarbeit  usw. 
Alles  naturnotwendige  Dinge  betreffend. 

Die  Stelle  lautet  vollständig  :R.Josuaben  Levihal         gt: 
\N';i>    bedeutet,   was  geschrieben   atehl  (Hoheslied  1,13 
„Ein  Myrrhenbündel  ist  m<  d  Geliebter,  zwischen  meinen 
Brüsten    übernachtet   er?"    Die  Gemeinde  Israel  sprach 
\,,r  dem  Beiligen,  erl:    Berr  der  Welt! 

obgleich  mein  Geliebter  mich  bedrängt    tPDBf)  and  mich 
verbittert,  so  übernachte!  er  doch  zwischen  meinen  Brfl 
Eine  Cyprosdolde    ~::~  tatPM    isl  mein  Geliebter  in  den 
\\\  .:.'■  E  — ;•     (Li,  derjenige,  dem  alles  gehört 


Eudaemonismus.  131 

(fito  blTW),  vergibt  mir  die  Sünde  (]1J>  *b  1B3ö)  mit  dem  Böck- 
lein (HU),  die  ich  auf  mich  gehäuft  habe  ("6  TIB"DLS>).  Woher 
entnehme  ich,  daß  D"D  der  Sinn  von:  häufen  hat?  Mar 
Zutra  bar  K ab  .Nachnian  hat  gesagt:  Sowie  gelehrt  wor- 
den ist  (Kel.  XXIII,  4):  Ein  Stuhl  des  Wäschers,  auf 
den  man  Geräte  häuft  ("pty  D^onttt?).  —  B.  Josua  ben 
Levi  hat  ferner  gesagt:  Was  heißt,  was  geschrieben  steht 
(Hoheslied  5, 13):  „Seine  Wangen  wie  Balsambeete  (vnb 
Dtrnn  runjD)?"  Mit  jedem  Worte,  welches  aus  dem  Munde 
des  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  (bei  der  Thoragebung) 
hervorging,  wurde  die  ganze  Welt  mit  Balsamgeruch 
(D^n)  erfüllt.  Wenn  sie  eben  schon  mit  dem  ersten 
Worte  erfüllt  war,  wohin  kam  dann  das  zweite  Wort? 
Da  ließ  der  Heilige,  gebenedeiet  sei  er!  einen  Wind  aus 
seinen  Vorratskammern  hervorbrechen,  welcher  das  erste 
immer  fortwehte,  denn  es  heißt  (das.  5,  6).  „Seine  Lippen 
Lilien,  Myrrhe  träufelnd."  Lies  nicht:  D'Otrisr,  Lilien, 
sondern:  triltftf,  welche  ändern.  —  R.  Josua  ben  Levi 
hat  ferner  gesagt:  Bei  jedem  einzelnen  Worte,  welches 
aus  dem  Munde  des  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  her- 
vorging, ging  Israel  die  Seele  aus,  denn  es  heißt  (das. 
V.  6):  „Bei  seinem  Sprechen  hauchte  ich  meine  Seele 
aus."  Wenn  ihnen  aber  beim  ersten  Worte  die  Seele 
ausging,  wie  konnten  sie  denn  das  zweite  Wort  aufnehmen  ? 
Er  ließ  jenen  Tau  herabsteigen,  mit  dem  er  einst  die 
Toten  beleben  wird,  wie  es  heißt  (Ps.  68,  10):  „Mit  reich- 
lichem Tau  ließest  du  träufeln,  Gott;  dein  Erbteil  und  was 

9* 


|  in     Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

itt.i  war,  stelltest  du  aufrecht."  —  R.  Josua  ben 
I.  vi  hat  ferner  ur * ■  - ; i u t  •.  Durch  jedes  Wort,  das  ans  dem 
Munde  des  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  hervorging,  ginnen 
die  Israeliten  li;  Mil  rückwärts  und  die  Dienstengel  liel 
sie  herbeihüpfen,  wie  es  heißt  (das.  V.  13):  „Die  Engel 
der  Eerrscherin  hüpfen,  sie  lassen  hüpfen."  Lies  nicht: 
pTT.  Bie  hüpfen,  Bondern:  ]HT,  sie  ließen  hüpfen.  —  R.  Josua 
ben  Leu  hat  ferner  gesagt:  In  der  Stunde,  da  Mose  zur 
Böhe  stieg,  sprachen  die  Dienstengel  vor  dem  Heiligen. 
gebenedeiet  sei  er!:  Herr  der  Welt!  was  soll  ein  Weih- 
geborener unter  ans?  Er  antwortete  ihnen:  Die  Thora 
zu  empfangen  ist  er  gekommen.  Da  sprachen  sie  zu  ihm: 
Das  Köstliche,  das  Verborgene  (Aufbewahrte),  das  du 
dir  v.»n  den  sechs  Schöpfhngstagen  her  974  Geschlechter. 
bevor  die  Welt  erschaffen  wurde,  verborgen  (aufbewahrt) 
hast,  wilKt  dn  Fleisch  und  Blut  geben?  „Was  ist  der 
M  nsch,  daß  du  Beiner  gedenkest,  und  des  Menschen 
Sohn,  daß  dn  ihn  bedenkst"  (Ps.8,6)?  „Ewiger,  unser 
Berr!  wie  herrlich  ist  dem  Name  auf  der  ganzen  Erde, 

de  deine  Pracht  auf  die  Himmel  gibst?"  Der  Bei- 
lige, -  leiet  sei  er!  sprach  hierauf  zu  Mose:  Gib 
,lu  ihn  \  ttwortl  Er  sprach  ror  ihm:  Herr  der  Weltl 
ich  furchte  mich,  neileicht  werden  sie  mich  mit  den, 
Bauche  ihres  Mund  [-brennen.  Da  sprach  er  tu  ihm: 
Balte  dich  fest  an  dem  Throne  meiner  Berrliehkeit  und 
gib  ihnen  Antwort,  denn  et  i  I  (Hiob26,9):  „Über 
ihn.  <;  cht   des  Thrones,  breitet  er 


Demut  und  Bescheidenheit.  133 

seine  Wolke  aus;"  wozu  R,.  Nachum  bemerkt:  Das  lehrt, 
daß  der  Allmächtige  von  dem  Glänze  seiner  Schechina  aus- 
breitete und  ihn  bedeckte.  Darauf  sprach  er  vor  ihm: 
Was  steht  in  der  Thora,  die  du  mir  gibst,  geschrieben?  „Ich 
bin  der  Ewige,  dein  Gott,  der  dich  aus  dem  Lande  Ägypten 
herausgeführt  hat."  (Exod.  20,  2  ff.)  Da  sprach  er  zu  ihnen 
(den  Dinstengeln):  Seid  ihr  nach  Ägypten  hinabgezogen? 
wäret  ihr  Pharao  dienstbar?  was  wollt  ihr  mit  der  Thora? 
Ferner  steht  darin  geschrieben :  „Ihr  sollt  keine  anderen 
Götter  haben";  wohnt  ihr  etwa  zwischen  den  Völkern, 
welche  den  Götzen  dienen?  Wiederum  steht  in  ihr  ge- 
schrieben: „Gedenket  des  Sabbattages,  ihn  zu  heiligen"; 
tut  ihr  etwa  Arbeit,  daß  ihr  der  Ruhe  bedürfet?  Wieder- 
um steht  in  ihr  geschrieben:  „Du  sollst  den  Namen  des 
Ewigen,  deines  Gottes,  nicht  zum  Falschen  aussprechen 
(KtWl  N1?)".  Gibt  es  etwa  Handel  (Nehmen  und  Geben) 
unter  euch?  Wiederum  steht  in  ihr  geschrieben:  „Ehre 
deinen  Vater  und  deine  Mutter";  habt  ihr  etwa  Vater 
und  Mutter?  Wiederum  steht  in  ihr  geschrieben:  „Du 
sollst  nicht  morden,  du  sollst  nicht  ehebrechen,  du  sollst 
nicht  stehlen";  gibt  es  etwa  Eifersucht  (Neid)  unter 
euch,  oder  ist  der  böse  Trieb  unter  euch?  Sofort  stimmten 
sie  dem  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  bei,  wie  es  heißt 
(das.  V.  10):  „Ewiger,  unser  Herr,  wie  herrlich  ist  dein 
Name  auf  der  ganzen  Erde!"  Es  heißt  aber  nicht:  „Gib 
deine  Herrlichkeit  auf  die  Himmel".  Sofort  wurde  ein 
jeder  ihm  zu  einem  Freunde  und  übergab  ihm  etwas,  wie 


lll.    l'.  r  Weg  bot  Sittlichkeit. 

es  heil'.t    das. 68,  19):  ..Du  bist  zur  Höhe  gestiegen,  mach- 
;gene.  nahmst  Geschenke  von  Menschen",  näm- 
lich: als    Belohnung  dafür,  dati  sie  dich  einen  Menschen 
genannt  halten,  hast  du  Geschenke  empfangen.    D.  H. 

EJine  schöne  Stelle  über  Bedeutung  und  Wert  dir 
Gebote  s.  Pesikta  v.  EL  Kahana  ed.  Bnher,  8.  K>2.  Pis- 
ka  33.  Die  Gebote  sollen  dir  nicht  wie  eine  alte  Ver- 
ordnung sein,  deren  man  nicht  achtet,  sondern  wie  eine  neue, 
um  derentwillen  sich  jeder  in  Bewegung  setzt.  Also  Gebote 
werden  verschliffen,  sollen  aber  ei  ergischer  erfaßt  werden. 

Pflicht  und  Schicksal. 

§  371.  Den  Erfolg  deines  Handelns  mußt  du  der  Vor- 
sehung  aberlassen,  dich  selbst  aber  nur  um  die  Erfüllung 
deiner  Pflicht  kümmern.     VergL  Berachoth  LO'.1 

i  i  enuß. 

6  372.  Die  mittelalterliche  jüdische  Ethik  zeigt  sich 
freilich  dem  Lebensgenuß  abgeneigt,  und  will  ihn  nur  auf 
die  Notwendigkeit  zur  Erhaltung  der  Gattung  und  der 
Kräfte  des  Einzelnen  beschränken.  S.  Maimon.,  H.  Deotb 
III  i;;i.  Bmun. we-deoth  IX.".:  X. ."» tV. :  Orach  chajim 

Ni  •    Die  mittelalterliche  Anschauung  hängt 

nicht  bloß  mit  den  trüben  Zeiten  ihrer  Entstehung  überhaupt 

i  v.  mein  <l  Geheimi  B  G  lies)? 

ciragi  n   itt,   I.  i  Um  tollen.     Wal  ab«  dem 

ii,  er  ton.    D.  H. 


Genuß.  135 

zusammen,  sondern  war  gewiß  auch  durch  die  Erfahrung 
unterstützt;  wer  durch  den  Trieb  nach  Lebensgenuß,  viel- 
seitigem Ergötzen  ergriffen  war,  konnte  ihn  in  den  be- 
schränkten Verhältnissen  nicht  befriedigen;  mit  dem 
Hinausdringen  aus  den  Schranken  pflegten  aber  auch  die 
des  Gesetzes  und  der  strengeren  Sitten  zu  fallen;  dafür 
hat  es  an  abschreckenden  Beispielen  gewiß  nicht  gefehlt. 
Der  Ausdruck  njn  rVD*ir6  HSV  ist  sehr  charakteristisch. 
Wurde  doch  selbst  das  reine,  sittliche  Hinausgehen  aus 
Schranke  und  Überlieferung  deshalb  verpönt  und  wegen 
der  Folge  gefürchtet. 

Die  talmudische  Anschauung  ist  im  Ganzen  viel  lebens- 
freudiger, ebenso  wie  die  biblische. 

Die  Askese  wird  im  Talmud  gradezu  als  töricht  und 
verkehrt  abgewiesen. 

In  Bezug  auf  Genuß  und  Weltfreude  siehe  Kap.  IV 
(S.  23  bei  Wolff).  Sehr  gut  bei  Maimonides  der  Irr- 
tum geschildert  über  Heilmittel  und  normale  Nah- 
rung, „als  ob  Gott  ein  Feind  des  Körpers  wäre!"  auch 
S.  25  über  Fasten.     Vgl.  Note  21,  S.  29. 

Wenn  Lebenserhaltung  nur  für  einen  von  zweien  mög- 
lich (durch  Löschung  des  Durstes  in  der  Wüste  bei 
Wasser,  das  nur  für  einen  zureicht!)  ist,  so  will  "HIBS  p, 
daß  dann  lieber  beide  sterben;  dagegen  will  «^pj?  1, 
daß  einer  sich  erhalte.     S.  Sifra  Behar.  P.  5. 

Die  Ansicht  des  Ben  Paturi  geht  offenbar  dahin,  daß 
das  Leben  des  Erhaltenen  wert-,  weil  würdelos,  vielleicht 


136  in.   Der  Weg  zur  BittliohJ 

sogar  unerträglich  wird  durch  das  Bewußtsein,  dem  an- 
ren    die    Lebensmöglichkeit    entzogen   zu   hüben,   also 

Mitschuld  an  seinem  Tode  zu  tragen;  keiner  will,  oder 
soll  mit  Bolchem  Bewußtsein  leben  wollen.  Akiba  aber 
ist  der  Meinung:  Der  sine  gewinnt  das  Leben,  der 
Sterbende  aber  hat  einen  edlen  Tod  mit  dem  Bewußtsein, 
dem  anderen  «las  Leben  zu  erhalten.  Selbstverständlich 
gehen  beide  von  der  idealen  Voraussetzung  aus.  die  Un- 
glücklichen streiten  nicht  um,  sondern  gegen  die  eigene 
Erhaltung  zugunsten  des  anderen,  und  so  zartem  Ge- 
wissen soll  di  ;  Weg  gewiesen  werden.  —  Wenn  Akibas 
Entscheidung  die  praktischere  ist,  so  darf  man  nicht  an 
die  niedere  Praxis  —  daß  wenigstens  einer  sich  an 
Leben  erhält,  —  denken:  sondern  nach  seiner  Entschei- 
dung werden  beide  Tugenden,  die  der  Erhaltung  und  die 
der  Aufopferung,  ausgeübt,  nach  Ben  Paturi  aber  nur 
von  beiden  die  eine  und  gleiche,  die  Aufopferung.  Man 
rf  annehmen,  daß  Akiba,  wenn  er  selbst  in  dem  Falle 
wäre,  für  sich  das  Los  des  Sterbenden  gewählt  hatte;  dies 
bewi  tin  Letztes  Wort,  «las  er  gesprochen  haben   soll.1 

1  Beracholfa  61        Mi  man  den  R.  Akiba  hinführte,  um  ihn  zu 
n,    \%.«r  i.    wo  man  Man  zerfleischte 

o  !    b   hui  eisernen  K&mmen.     Er    iber  nahm  dai  Jo  1« 
II. . .  i .<■  -  h    (indem    er    dai  PDV,  Deuteron.  6,  1 — 9, 

■i    tu    ihm:   So  weit   (geht  d 

Kraft)!     Bi  erwiderte  ihnen:  Alle  meine  Tage  habe  icl ih  w« 

ekr&nkl:  „Du  m>üsi  den  Ewigen, 
lieben    mit  inien    H  und    mit   deiner   ganyn 


Eudäinonismus.  137 

Samuel  sagte  zu  R.  Jehuda  „du  Gescheidter!  tummle 
dich  und  iß!  tummle  dich  und  trinke!  denn  die  Welt, 
die  du  verlassen  mußt,  ist  wie  ein  Hochzeitshaus"  (heute 
ist  Hochzeit,  morgen  ist  sie  vorbei)  s.  Erub.  102\  Midr. 
Wajikra  r.  Par.  34  wird  von  Hillel  überliefert,  daß  er  seinen 
Leib  gepflegt,  gebadet  usw.,  weil  der  Mensch  im  Eben- 
bilde Gottes  geschaffen.  Jes.  58, 10  wird  im  Midr.  Wa- 
jikra r.  Par.  34  dahin  gedeutet:  „Wenn  ihr  edel  seid,  soll 
euch  der  Hunger  Jakobs,  wenn  nicht,  die  Sättigung 
Esaus  zuteil  werden";  die  Sehnsucht  der  Idee  im  Gegen- 
satz zum  Genügen  am  Genuß  wird  gepriesen. 

Lebensgenuß,  reeller  Genuß.  Dagegen  wird  Bainmid- 
bar  r.  Par.  22,  8  die  Nichtigkeit,  das  wechselvolle  des  Be- 
sitzes in  allen  Tonarten,  auch  in  denen  des  Witzes  und 
Wortspiels  demonstriert. ' 


Seele"  usw.,  d.  i.  auch  wenn  man  dir  deine  Seele  nimmt.  Ich 
dachte:  Wann  werde  ich  die  Möglichkeit  haben,  es  (dieses  Gebot) 
zu  erfüllen!  Und  jetzt,  da  die  Möglichkeit  mir  gekommen  ist, 
sollte  ich  es  nicht  erfüllen?  Er  zog  das  Wort  inx,  Einzig,  lang, 
bis  seine  Seele  ausging  mit  nn«.  Eine  Tochterslimme  (Himmels- 
slimme) ging  aus  und  sprach:  Heil  dir,  R.  Akiba,  daß  deine  Seele 
mit  nriN  ausging.     D.  H. 

1  Die  Stelle  lautet:  Das  ist,  was  geschrieben  steht  Psalm  75 
7  und  8 :  „Denn  nicht  vom  Aufgang,  k5»öö,  und  nicht  vom  Westen 
und  nicht  crvi  "irnoö,  aus  der  Wüste  Erhöhung;  sondern  Gott 
richtet,  diesen  erniedrigt  und  diesen  erhöht  er."  Was  bedeutet: 
„Nicht  vom  Aufgang  (Osten)  und  nicht  vom  Westen"?  Nicht  davon, 
daß  er  ausgeht,  «sr,  und  sich  mit  Handel  müht  und  hinzieht  von 
Osten  nach  Westen  und  umherzieht  in  den  Wüsten  und  auf  den 
Bergen,    wird    der   Mensch    reich.     Selbst    wenn    er    auf   Schiffen 


in     Der  Weg  zur  Sittlichk 

Euilämonismus. 

ß  373.     Gegen    Genußsucht     (Eudämonismufl     über- 
haupt) B.Sota47b:    Mit    der   Zunahme   der  Wollüstlinge 

dahinfahrt  und  von  Osten  nach  Westen  zieht  and  in  Wüsten  und 

auf  Bergen  einherzieht,  wird  er  nicht  reich.    Was  bedeutet:  „Und 

nicht  von  der  Wüste  onn"?     Et  Abba  aus  Romagna  hat  gesagt: 

Jedes  onn  in  der  Schrift  bedeutet  Berge,  nur  dieses  nicht,  welches 

Erhöhung  bedeutet    Denn  ein  Mensch  wird  durch  diese  Dinge  nicht 

erhöht     Was  tut  der  Heilige,  gebenedeiet  sei  er!     Er  nimmt  die 

Güter    von    diesem    und    gibt    sie    jenem,   wie  ea  heißt:  „r'«'U  ist 

Richter,  diesen  erniedrigt  er  und  jenen  erhöht  er."    Darum  heißen 

sie  d"023,  weil  sie  für  diesen  zugedeckt,  D*D3J,  für  jenen  aufgedeckt 

werden.      Und    warum     heißen    sie    (gewisse    Münzen)    Sus,    pm? 

Weil    sie    von    diesem     weichen,    JMT,    und    man    sie    jenem    gibt 

Mammon,   |\ÖÖ,  heilien  sie,    weil    man    zum    Besitzer    spricht:   Was 

zählst  du,   rwo   nnn   re,  es   ist  ja  nichts,    rfifü  heißen  sie,  weil 

ihnen    gilt:    ."•;■    TO,    Was    ist's?      Für    eine    Zeit    (nur    hat    es 

en  Wert).     Ebenso    deutest    du    und  ebenso  spricht  Channa  I. 

,ue|  o.  6  und  7    „Bei  Ewige  lötet  und  belebt  lührt  hinab  zur 

G    ft   und    Rührt  .heran!.     Der  Ewige    macht    arm    und  reich,  er- 

.    auch  ip  erhöht    er."     Während  er  diesen  im  Zorn,  epa, 

edrigt  erhöht  er  jenen.     Eine  Matrone    fragte    den  H.  Simcon 

u    in  wievii     l  igen  bat  Gott  die  Welt  erschaffen?    Et 

sprach    zu   dir:    In   sechi    ragen,    wie   es    (Exod.  20,11)   beißt: 

„Denn  in  se  bs  Tagen  hat  der  I   ■        den  Himmel  und  die  I 

räch  zu  ihm:  Seit  dieser  Zeit  bis  jetzt  —  was 

!,t  er  da?     l  r  sprach  zu  dir    Ei  sitxt  und  macht  Leitern;  den 

en  laßt  er  fa  indem  laßt  er  binabsli    ea    Darum 

.  Denn  Gott  ist  Richter,   diesen  erniedrigt  er   und  di< 

erhöht  er."    Da  k  shea    Als  er  (Gott)  wollte,  daß 

,,  bne  iieiii.cn  reich  würden,  wie  n< 

\  rmeri  31,  B)?     „und  die  Rinder  Krads  nah    i  n 

!        n  Midjans   und   ihre  Rind«    gefangen,  und   all  ihr  Vieh 


Eudämonismus.  139 

werden  die  Urteile  verkehrt  und  die  Handlungen  verderbt, 
und  es  ist  keine  Ruhe  mehr  in  der  Welt.  Vergl.  To- 
seftha  Sota  P.  14. 

Raschi  bem  erkt  schon,  daß  die  nfcOn  *by2,  Genußmenschen, 
nicht  Zeit  und  Energie  auf  die  Schöpfung  des  Rechts  wenden. 
Der  ganze  Satz  zeigt  Polemik  gegen  den  Eudämonismus.  Es 
gibt  keine  Ruhe  (P112Ö)  mehr,  sondern  Hasten  und 
Jagen  ist  in  die  Welt  gekommen.  Die  Ruhe,  das  Be- 
hagen der  sittlichen  Zufriedenheit  ist  geschwunden. 

Für  den  Perfektionismus  (den  Schaffer  S.  33  f.  fälsch- 
lich schnell  abtut  und  ohne  Grund  für  gar  nicht  talmu- 
disch erklärt)  läßt  sich  anderes  sagen,  als  daß  er  eudämo- 
nistisch,  egoistisch  oder  altruistisch  sei.  Er  geht  auf 
Gestaltenbildung  und  nicht  auf  den  Genuß,  die  Glück- 
seligkeit. Es  paßt  sehr  gut  Jesaia  43,  7:  „Indem  der 
sich  nach  meinem  Namen  nennt,  zu  meiner  Ehre  habe 
ich  ihn  erschaffen  und  gebildet  und  gefertigt."  Fort- 
bildung durch  die  Menschen.  An  Stellen  wird  es  im 
Talmud  und  Midrasch  nicht  fehlen.  Vergl.  Berach.  64.  g.  E. 

Toseftha  daselbst  heißt  es:  Seitdem  die  nWH  tyl,  die 
Genußmenschen  zahlreich  sind,  (ist  der  Zornesgrimm  in 


und  all  ihre  Herden  und  ihr  ganzes  Gut  plünderten  sie;"  nachher 
heißt  es  (Das.  32,  1):  „Und  zahlreiche  Herden  hatten  die  Söhne 
Reubens"  usw.  Es  erniedrigte  also  der  Heilige,  gebenedeiel  sei 
er!  die  Midjanitcn  und  erhob  die  Israeliten,  um  zu  bestätigen,  was 
geschrieben  steht;  „Denn  nicht  vom  Aufgang  und  nicht  vom  Westen 
und  nicht  von  der  Wüsle  Erhebung,  sondern  Gott  ist  Richter, 
diesen  erniedrigt  er  und  jenen  erhöht  er."    D.  H. 


in.    Der  Weg  rar  Bittliohi 

Welt    gekommen   und)   die  Ehre   der  Thora  ist  ge* 
Bchwunden.     Woher  minn  TD3   ?M?    Ich  glaube,   bei 

eudämonistischrr  Gesinnung  wird  selbst  bei  geistiger  Be- 
schäftig uir_r  Stadium   der  Thora   unterschätzt;   man 
•  dann  lieber  Romer  als  die  Propheten. 

Keuschheit.    Rücksicht    Demut.    Hochmut.    Stolz. 
belkeit  Gesell   Beschämung.    —    Kerbt    auf 

Ehre. 

§  374.    Keuschheit,   WjriS,   ist  ein  ganz  eigenartiger, 
ifisch  jüdischer  Begriff  wie  er  in  keinem  Werke 
der  ethischen  Weltliteratur  wieder  entwickelt  ist.    Er  sollte 
einmal  monographisch  behandelt  werden.  -    eine  der  dank- 
barsten Aufgaben;   denn    es   wird    sich   zeigen,   dafi  der 
jriff  —   reich    in   seiner    Entwicklung  überhaupt   — 
merkwürdige  Wandlungen  durchgemacht  bat.    Von  H;iu> 
der  tiefsten  und   innigsten   Richtung  auf  die   Ktbisie- 
rung  des  M(  nschen  angehörig,  i-t  er  zugleich  tiefgründig 

•lielien    und    vielen  •  worden     und    bat    eine   ausge- 

breitete Anwendbarkeit  auf  das  Leben  gefunden.1 

G  bz  gegen  Hochmut  und  Übermut,  öffent- 

liches  pral  .   gegen  jede  Art  yon  Un- 

;ibeit.      Das    biblische    und    ...         Eitere    Wort 
■    -     •"  r;~  »XBI  auch  in  religiös«         riehung  zu 


teil  |  mp}|    in  d<  i  Tierwelt  gilt  mefa 
Brub.   i"0     die  K  mr  ■  ihr<T  heimlichen 

r  weil  sie  ihre  Exkremente  verscharrt 


Keuschheit.  141 

Gott!  Vielleicht  ist  dies  die  Wurzel,  aus  dem  der  Baum 
erwachsen  ist.  Während  z.  B.  npTJ  einseitig  geworden, 
ist  mjT33  vielseitig  geblieben. 

Heute  ist  das  Wort  vorzugsweise  ein  Leitstern  für  die 
Frauen!  Das  moderne  Judentum,  Kanzel  und  Katheder 
sollten  dafür  sorgen,  daß  sein  Glanz  nicht  ermatte.  Aus 
dem  Leben  quillt  Leben!  Die  ethische  Wirklichkeit  war 
die  Bildnerin  des  Begriffes  geworden;  möge  sie  seiner 
Erhaltung  und  weiteren  Entfaltung  dienen. 

§  375.  Eine  interessante  Frage  ist,  ob  man  myOS  als 
eine  Tugend,  oder  als  eine  Pflicht,  also  ob  als  eine  Be- 
schaffenheit der  Seele,  oder  einen  Zustand  des 
Gemüts,  oder  aber  als  eine  Handlungsweise  zu  denken 
habe!  Für  uns  gilt  zwar  Gerechtigkeit  als  eine  Tugend, 
aber  doch  eigentlich  nur  sprachlich;  sachlich  ist  Becht 
üben  die  Pflicht.  Für  Plato  nach  seiner  Definition  ist 
Gerechtigkeit  eine  Tugend  und  bedeutet  auch  ein  Ver- 
hältnis der  Teile  der  Seele  zu  einander.  Es  wäre  also 
die  Aufgabe  rnj^iS  als  Tugend  zu  analysieren,  den  Seelen- 
zustand  zu  schildern,  aus  welchem  dann  bestimmte  Züge, 
wie  Demut  usw.  als  Pflichten  gefaßt  werden  können. 

Sprachliches. 

§  376.     „Keusch",  lateinisch  castus,  purus. 

Die  neuhochdeutsche  Bedeutung  ist  nur  das  Bruchstück 
einer  allgemeineren;  denn  mittelhochdeutsch  „kiuschc" 
war   auch   enthaltsam  in  anderer  Beziehung,   im  Sinnen- 


III.   Der  Weg  zur  Sittlich* 

genufl    überhaupt,  auch  in  Essen  und  Trinken  ....  dann 
auch    leidenschaftslos   überhaupt,  o~wqppwv.    dalier    sanft- 
mütig, mild,   ruhig,   ge  Luidig,   kaltblütig,  besonnen,  ent- 
A Unlieb   das   althochdeutsche    Wort,   es   wird 
url<>-M«Tt  mit  Bobrius,  honestus,  modestus,  parcus".    Vergl. 
mm.  D.  Wb. 
ttsam,  eigentlich  „den  Sitten  oder  allen  Sitte: 
hor8amu.     <  obgleich   damit   ein   bestimmter  sittlicher  Zu- 
.■1.    ein    bestimmtes    Verhalten    und   Benehmen    aus- 
gedrückt  wird,   ist  es  dennoch  an   keim-  einzelne  Sitte 
.nüpt't.   wir   etwa   keu8Ch,   geduldig,  verträglich   USW. 

Die  Mannigfaltigkeit  des  Wortsinns  ist  nicht  bloß  von 
sprachlicher  Bedeutung;   viel  wichtiger  ist  der  psycholo- 
be  Erl  Z  :   immenballung,  resp.  der  noch  nicht 

auf  ii     Einheit    des    VorstelluDgsinhalts ,    besonder. 

sich  um  einen  ethischen  oder  überhaupt  Gefühls- 
inhalt handelt. 

zusammengeballten    Vorstellungen 
vielen  ethischen  Merkmalen.  1  >a>  deutsche  „Keusch"  — 
Vorzug:  Jedes  '1er  vielen  Elemente  empfangl  den  Wider- 
ein,  den   ethischen  Anreiz   und  Wert   aller  anderen. 

k~.    ISCh    hat  Mrh  verei,  ,    U         tliger,    aber  68  l-t  üi 

■  blich  geword< 

Schon  ursprünglich  bei  Entstehung  und 

Ausbildung  wei  r  solcher  positiv«    Begrifl  - 

Arten  von  törichten  Begier- 
i    1*111.  q,     Unbesonnenheiten,     falschen 


Züchtigkeit.  143 

Schätzungen  der  Dinge  und  Erfolge.  Allmählich  in  Ver- 
lauf fortschreitender  Zivilisation,  bilden  sich  immer  neue 
Anziehungen  und  Verführungen;  neue  Genüsse,  wirkliche 
oder  eingebildete,  früher  ungekannte  Begierden  kommen 
auf.  Solchem  Schwall  von  Lüsten,  denen  zum  sinnlichen 
Reiz  noch  der  psychische  der  Neuheit,  der  Modernität 
sich  anfügt,  um  sie  zur  Leidenschaft  zu  steigern  —  steht 
der  allererste  ethische  Begriff  wie  ein  Fels  im  Meere 
entgegen;  auf  diesen  soll  man  bauen,  man  soll  im  Unter- 
richt, im  Gespräch,  in  der  Predigt  davon  reden. 

Die  Beispiele  aus  dem  Talmud,  die  in  Menorath  ham- 
maor  III,  bei  Fürsten thal  S.  335 ff.  mitgeteilt  werden, 
sind  sehr  verschiedenen  Inhalts;  auf  bloße  Züchtigkeit, 
Keuschheit  im  Verhalten  der  Geschlechter,  aber  auch 
auf  Bescheidenheit  sich  beziehend. 

Ein  schamloses  Wort,  in  der  Familie  gehört,  ist  ein 
Gift  in  die  Seele  der  Kinder  geträufelt.  S.  Kethub.  8b: 
Bab  Chanan  bar  bar  Hab  hat  gesagt:  Alle  wissen,  warum 
die  Braut  in  das  Brautgemach  geführt  wird;  dennoch  aber, 
wer  seinen  Mund  beschmutzt,  indem  er  ein  schmutziges 
Wort  hervorgehen  läßt,  dessen  Glück  wird,  und  wenn  es 
auf  70  Jahre  ihm  besiegelt  worden  wäre,  in  Unglück  über 
ihn  verwandelt.    Vergl.  besonders  Baba  kamma  VIII. l 


1  Aus  zahlreichen  Betrachtungen  ein  Beispiel  (Nedar.  20a):  "Wer 
Schamgefühl  hat,  sündigt  nicht  leicht  ....  Wer  kein  Schamgefühl 
hat,  von  dem  ist  es  offenbar,  d.iß  seine  Väter  nicht  am  Fuße  des 
Sinai  gestanden  haben. 


1  i  1  in.    I'.  i  Weg  kui  Bittliohkeit 

über  höchste  Züchtigkeit  der  Frauen,  Schamhaf- 
tigkeit  and  strenge  Keaschheil  und  Zurückhaltung  der 
Männer  bei  Beobachtung  der  Frauen  usw..  auch  bei  den 
Männern  B.  Joma  47 \   Baba   batra  Ö7b. 

.   I 'melius,  der  Priester,   Berabbi  Chama  hat  gesagt: 

Die  züchtige  Frau   im  Hause  übt  eine  versöhnende  Macht 

ich  dem  Altäre  au>;  s.  Tanchnma  Wajischlach.    Grade 

daii    der  Spruch    von   einem  Priester  kommt,   lmtcht   ihn 

doppelt  wertvoll. 

78.     Demut  ist  eine  Tugend,  welche  den  Menschen 
[igt,  die  Theorie  der  goldenen  Mitte  zu  verlassen  und 
das  Extreme  aufzusuchen;  dem  eifrigsten  Vertreter  jener 
Theorie  unter  den  Juden,    dem   Mainionides  selbst,    ver- 
danken  wir  das  treffende  Q-leichnis:   Ein  gerolltes  Blatt 
Papier     kann     man     durch     alles     Glattstreichen     allein 
nicht    ebnen,   man    muß   es   nach  der  entgegengesetzten 
rollen,    damit  es  wieder  in-  Gel  -de  kommt;   so  auch 
Entfernung  von  Stolz  und  Hochmut  nur 
durch  die  Neigung  zur  D<  mut     Pur  die  Bescheidenheit 

Hilft    man    das    rechte    Mal'»    nur    auf   dem    Wege    zum 

Übermaß.     Ganz    charakteristisch   für  die   Einscharfang 

Geh         der  Demut  ist  das  -hnd  T1HB  in  dem  Spruch 

bbi  Lerit      von  Jahne  (Aboth  4, 4     Sehr,  sehr  sei 

in  die  Bofihnng  des  Menschen  ist  Gewürm, 

Dil    grandlegende  Stelle  im  jüdischen  Schrifttum,  das 

der  Demut  keine  Grenzen  findet,  bleibt  ixni 

Nun,.  \'j.'A,  w,i  Moses,  dem  die  1  Intelligenz  und 


Demut  und  Bescheidenheit.  145 

die  vollkommenste  ethische  Gesinnung  zugeschrieben  ist, 
dadurch  charakterisiert  wird,  daß  er  m«n  "?DO  *ll«0  UJ? 
gewesen.  Wenn  auch  die  Interpretation  später  schwankte, 
manüj;  mit  „gelassen",  geduldig,  oder  „sanftmütig",  Luther 
gar  mit  „der  geplagteste"  übersetzt  hat  —  bei  Mendels- 
sohn und  Dillmann  z.  B.  findet  man  alle  Übersetzungen 
nebst  ihren  entsprechenden  Begründungen,  —  so  gilt  die 
Stelle  im  ganzen  Talmud  und  Midrasch  immer  als  Aus- 
druck für  Bescheidenheit,  Demut. 

Die  Demut  wird  höher  geschätzt  als  alle  Opfer;  sie  wird 
ja  auch  Ps.  51,19  selbst  als  eine  Art  von  Opfer  bezeichnet, 
ein  Opfer  der  Selbstschätzung  ist  sie.     Sanhedr.  43 b. 1 

Insbesondere  wird  gegen  alle  Überhebung  der  Reichen, 
gegen  jedes  Protzentum  und  Übermut  in  feinen  und 
starken  Wendungen  geeifert.  Ist  doch  der  das  Bedürfnis 
überschreitende  Besitz  der  größte  Verführer  der  Men- 
schen, er  gaukelt  ihm  die  Dauer  des  Bestandes  vor  und 
verstrickt  ihn  in  den  unseligen  Irrtum,  Haben  und  Sein 
zu  verwechseln  und  Eigentum  und  Eigenschaft  gleichzu- 
setzen. 

Ebenso  wird  gegen  Überhebung  des  Gelehrten  gewarnt. 


1  Die  Stelle  lautet:  R.  Josua  ben  Levi  hat  gesagt:  Zur  Zeit, 
wo  der  Tempel  noch  bestand,  wenn  ein  Mensch  ein  Ganzopfer 
darbrachte,  so  war  der  Lohn  eines  Ganzopfers,  wenn  ein  Speis- 
opfer, so  war  der  Lohn  eines  Speisopfers  in  seiner  Hand;  wessen 
Sinn  aber  demütig  (nbsv  injn»  'ö),  den  betrachtet  die  Schrift  so, 
als  wenn  er  alle  Opfer  dargebracht  hätte,  wie  es  Ps.  51,  19  heißt. 
Vergl.  Sola  5ab.     D.  H. 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II.  10 


[46  in.  Dei  Weg  zur  sittlich;. 

Dabei   ist   an  die  Verachtung   des  pKn  ny  zu  denken. 

[mmer  beides:   Wert  dea  Wissens  und  Bescheidenheit. — 

tjber  Demnt    und    Bescheidenheit   s.    A.boda    za- 

i     .    Nach  R.  Pinchaa  ben  Jalr  ist  Demut  (miy)  die 

höchste  Tugend  in  der  Tugendfolge. '    Der  Sinn  ist  wohl: 

b  dem  Ersteigen  all  der  Tugenden  soll   der  Mensch 

erst  recht  Bescheidenheit  an  den  Tag  legen. 

PesiLr.  Par.  ■!.">  Auf.  mit   bezug   auf  Micha  6, 8:  Bei 
Gott  ist  nichts  beliebter  als  die  Bescheidenheit. 

Stolz  ist  ein  Laster  wie  die  Verschwendung,   welch 

nach    dem  Maße   gemessen  werden  muß,    wie  einer  stolz 

zu    sein   oder   zu  verschwenden  Ursache  und  Mittel  hat. 

Nur   der    rechte  Stolz  darf  nicht  fehlen.     Kaba  (oder 

EL  Buna)  hat  das  Nachdenken  über  die  rechte  Art,  das 

recht-'   Maß  und   den  rechten  Grund   für  den  Stolz  durch 

die  witzige  Bemerkung  herausgefordert:  luden  Bann  mit 

,.  der  Stolz  besitzt;  in  den  Bann  mit  dem,  der  keinen 

•     j.g    ta5\    Stolz  sei  der  Mensch,  damit  er 

nichl   teil  und   nicht  feige  werde;  und  bannen  soll  er  den 

unrechten  und  unm  D  Stolz,  damit  er  nicht   steif  und 

nicht  >tarr,  nie:  |  DD  und  nicht  seit    I      recht 

werde,  sondern  in   dem    I  nicht  ermatte  und 

b  m  der  Eingebung  nicht  erkalte. 

i    \n.h.   I6b    wird    die  Demul     ~:       all  die  Tugend   hingestellt, 

die   rakflnftige  Well  sichert    Santa  88     wird 

■  irfen:  Wer  ist  .-in  Sühn  <ler  sukfinfligen  Well?  und 
die  An  itet:  Der  D<  und  •■•  D.  II- 


Stolz  und  Demut.  147 

Stolz  und  Demut.  Man  kann  zugleich  stolz  und 
demütig,  aber  man  kann  nicht  stolz  und  demütig  in  be- 
zug  auf  dieselbe  Sache  sein.  Den  Juden  aber  ist  das 
glückliche  Erbteil  gerworden,  beides  zugleich  und  in  be- 
zug  auf  dieselbe  Sache  zu  sein,  nämlich  in  bezug  auf  die 
Thora,  in  bezug  auf  die  Gotteserkenntnis  und  das  Sitten- 
gesetz! Die  anderen  Völker  werden  schließen,  sie  werden 
aus  der  objektiven  Weisheit  und  Vernunft  der  Lehre 
schließen:  Dies  muß  ein  weises  und  vernünftiges  Volk 
sein.  Sie  selbst  aber  wissen  es  von  ihren  Heroen,  ihren 
Gesetzgebern;  von  ihren  Lehrern  und  Propheten  ist  es 
ihnen  oft  gesagt,"  daß  sie  nicht  die  Schöpfer,  sondern  nur 
Besitzer  dieser  Weisheit  sind. 

Gegen  Hochmut  richtet  sich  der  schärfste  Tadel  in 
mannigfachsten  Wendungen.  Vergl.  Sota  4b — 5a;  dagegen 
wird  die  Bescheidenheit  endlos  gepriesen.  Moses  wird 
nur  als  demütig  (TOJ?)  gerühmt. 

Dagegen  wird  oft  und  sehr  zum  Nachteil  des  eigenen 
Charakters  und  der  sittlichen  Korrektur  des  anderen 
gefehlt!  Ps.  15,4:  D>Sö:  WJö  HD1 

Eitelkeit. 

§  379.  Der  Naziräer  wird  gelobt,  welcher  um  der  sündigen 
Eitelkeit,  der  er  verfallen  wollte,  zu  entgehen  sein  Haar 
abschneidet.  S.  Nazir4b.  Vergl.  die  Endymionsgeschichte: 
der  Jüngling  sieht  die  Schönheit  seines  Haares  im  Wasser- 
spiegel beim  Schöpfen;  aber  mit  streng  sittlichem  Erfolge. 

10* 


III.   Der  Weg  bot  BftUicU 

Reinheit  und  Pflege  des  Körpers  wird  von  Hillel  geübt 
unii  'i   Schülern    empfohlen  -wegen   der   Gotteseben- 

bildlichkeit,   d.  h.    also   wegeD  der  sittlichen  Natur  de? 
Manschen.      \  Wajikrs   r.  Par.  32. 

Die    Abstammung   von   nur  einem  Menschenpaar  wird 

;en  jede  Überhöhung  des  „blauen  Blutes",  gegen  Stolz 

der  Guten  und  gegen  Entschuldigung  der  Bösen  betont; 

die   Erblichkeit    hat    nach    beiden   Seiten    ihre  Grenzen. 

8.  Sanhedr.  36-;  Toseftha  Sanh.   P.  8  und  jer.  Joma  VI. 

tonnng   des  Selbstgefühls   und  der  Winde  des 

benruenschen. 

S  380.     Gegen   die    Beschämung   eines    Menschen,    die 
hambl&e  eugt   (viel  schlimmer  als  Schamröte!), 

finden  sich  zahlreiche  und  einschneidende  Sprüche. 
p.escliiimui  Eine    merkwürdige    Sitte    lesen    wir 

tan.  30b,   daß   die   Töchter    [sraels   am  Versöhnuj 
te  in   geliehenen  Kleidern  hinauszogen,  um  diejeni 
nicht  zu  beschämen,  die  kein  geeignetes  Gewand  hatten. 
regen  Beschämung  des  Nebenmenschen:  S.  Ba- 
ii, .vi  i  Allan  sprach  zu  Et  l)mii.  der  vmi  Palästina 

ijlon    gekommen   war:    Wovor   hütet   '-ich    der 
Ai  •  ■  tm   meisten?    I  dieser  ant- 

woi  Vor  Be  achen  d<  -  Antlii 

-  Neb<  en. 

Ihanini        i  k)   fahren  drei  ins  Gehirn 
auch    der,   der   das   Angesicht     i  aes   Neben« 


Schonung  des  Selbstgefühls.  149 

menschen  öffentlich  beschämt.  R.  Simeon  ben  Jochai 
hat  gesagt:  Es  ist  für  einen  Menschen  besser,  daß  er 
sich  in  einen  brennenden  Kalkofen  stürzt,  als  daß  er  das 
Angesicht  seines  Nebenmenschen   beschämt.     (Das.  59 a.) 

Die  Rücksicht  der  Rabbinen  geht  soweit,  daß  sie  auch 
den  Sünder  zu  beschämen  verbieten.  S.  Sota  32 b: 
R.  Jochanan  hat  im  Namen  des  R.  Simeon  ben  Jochai 
gesagt:  "Weshalb  ist  die  Verordnung  getroffen,  das  Ge- 
bet leise  zu  verrichten?  Damit  der  Sünder  (wenn  er 
betend  seine  Sünde  bekennt)  nicht  beschämt  werde. 
Der  Mensch  muß  sich  hüten,  einen  unnützen  Verdacht 
gegen  sich  bei  den  Mitmenschen  zu  erregen.  S.  Scheka- 
lim  III,  2. 

Zur  Charakteristik  des  Unrechts  in  der  Verleumdung 
gehört,  daß  sie  mit  Götzendienst  (mt  iTTDJ?),  Blutvergießen 
(D"ön  nTBBty,  Blutschande  (JTmjJ  i\bi)  zusammengestellt 
und  allen  dreien  zusammen  gleich  geachtet  wird,  vergl. 
jer.  Pea  I,  16a  u.  ö. 

Pietät.     Friede.     Mitleid  und  Mitfreude. 

§  381.  Pietät  ist  eine  edle  Form  der  Zusammen- 
schließung und  ein  festes  Band  in  der  Kontinuität  des 
Geistes.  Auf  dem  Wege  der  Pietät  begegnet  uns  beson- 
ders in  Zeiten,  die  zu  wissenschaftlicher  Forschung  oder 
praktischer  Umwälzung  geneigt  sind,  eine  viel  umstrittene 
Frage,  —  umstritten  weniger  mit  Worten,  welche  leicht 
nachgiebig  sind,  als  durch  Tat  und  Handlung  —  die  Frage 


L60  in.    Da  Weg  bot  Bittttohl 

nämlich  nach  dem  Verhältnis  vod  Pietät  und  Kritik.  Es 
wärt'  nicht  wahrhaftig,  wenn  ich  verschweigen  wollte,  daß 
die  BeaatwortüDg  dieser  Frage,  w-debe  dem  Bereiche  der 
llisioD  der  Pflichten  angehört,  Dotwendig  eine  subjek- 
tive Form  und  Fassung  Endet  Als  Ethik  des  Juden- 
tums trage  ich  nach  bestem  W  und  (iewissen  den 
Inhalt  dieses  §  TOr;  aber  für  diesen  übernehme  ich  allein 
die  Verantwortung.  Ich  werde  es  keinem  verargen,  der 
meinem  Richtmaß  sein  eigenes  entgegenhält;  wenn  jeder 
nur,  was  er  denkt  and  lehrt,  aus  der  innersten,  für  ihn  un- 
abweislichen  sittlichen  Gesinnung  schöpft;  wenn  jeder 
ehrlich  vor  der  Welt,  aber  auch  ehrlich  vor  sich  selbst  seine 
{')>■  jung  ausspricht,  dann  werden  alle  Gegensätze 
sich  nur  als  verschiedene  Wege  ZU  dem  gleichen  Ziele 
des  ethisch«  d  I  rehorsams  erweisen,  wenn  auch  der  eine  mehr 
«lern  Lehrer,  der  andere  mehr  den  Lehren  der  Wahrheit 
zu  :  -•  ine  Pflicht  ansieht.  —  In  dem  einen  waltet 
lenheit  vor,  in  dem  anderen  die  sehnsuchts- 
voll'' E  in  Forschung.  Auch  ist  nicht 
immer  der  ein  beseht  r,  welcher  der  Meinung  des 
A  trordern,  sich  unterwirft;  oft  genug 
nimmt,  wer  der  Aul  I  huldigt,  den 
Wid(  Autorität  für  sich  in  An- 
spruch. 

on  Kritik  der  Biter     Lern         w.  isi  unausweich- 
lich: aber  jfl  und  jüdisches  Gewissen  fordert, 
Kritik  nicht  über  die  Lippen  ra  bringen;  vor  der 


Pietät.  151 

Welt  gewiß  nicht,  aber  auch  nicht  bei  sich  allein  und 
vor  den  Seinigen. 

rvby  DTin  *6  «n^o  1ÖK  nii  «"m1  Kritik  heißt  nicht 
Spott;  was  die  Partei  gegen  die  Partei  darf,  ist  dem 
Jünger  nicht  gegen  den  Meister  gestattet;  und  alle  Ver- 
gangenheit ist  Meister,  und  jede  Gegenwart  ist  Jünger; 
aber  auch  der  Jünger  muß  trachten  ein  Meister  zu 
werden. 

Man  kann  nicht  bescheiden  genug  gegen  den  Lehrer, 
aber  man  kann  auch  nicht  eifrig  genug  in  der  Erforschung 
der  Wahrheit  sein;  vollends  wenn  man  selbst  wieder 
Lehrer  sein  soll!  Vom  Jünger  verlange  ich  Pietät, 
vom  Meister  Kritik! 

Pietät  und  Traditionalismus  geraten  leicht  in  eine 
Wechselwirkung,  welche  die  Erforschung  der  Wahrheit 
und  das  Bekenntnis  derselben  gefährdet.  Man  darf  nie- 
mals die  Kritik  unterlassen,  oder  gar  eine  Überzeugung 
unterdrücken,  oder  verleugnen,  weil  angeblich  die  Pietät 
es  erheischt.  Nur  gegen  leichtfertige  Kritik,  gegen  vor- 
schnell gefaßte  Überzeugungen  soll  die  Pietät  als  Schutz- 
mauer dienen. 

In  den  Geist  dessen,  dem  wir  Lehre  und  Weisung  ver- 
danken, sollen  wir  uns  versetzen  und  liebevoll  versenken, 
ihm  mit  Eifer  und  Ehrfurcht  auf  dem  Wege  folgen,  den 
er  für  den  Weg  der  Wahrheit  gehalten.  Erkennen  wir 
aber  dann  die  Lücken  in  seiner  Anschauung,  den  Mangel 

1  Beracholh  19b;  Gittin  55b;  Nidda  50b.     D.  H. 


1  59  in.   Der  Weg  tax  Bittliohkeit. 

in  Beiner  Methode,  die  Befangenheit  seiner  Zeit  und  den 
Irrtnm  in  seinen  Voraussetzungen,  dann  ist  es  die  Pflicht  der 
wahren,  der  höchsten  Pietät,  dagegen  Einspruch  zu  erheben. 

Philologisch-historische  Kritik  von  Texten  ist  nur  die 
unterste,  eigentlich  nur  die  Vorstufe  der  sachlichen  Kritik; 
aber  wenn  sie  aus  inneren  Gründen  geschieht,  dann  be- 
weist sie.  dal)  man  eben  in  die   Kritik  eintreten  maß. 

Die  wahre  Pietät  gegen  einen  Lehrer  der  Wahrheit 
bestellt  darin,  die  Wahrheit  zu  mehren,  sie  zu  begründen, 
zu  befestigen  und  zu  vertiefen .  zu  verwerfen,  und  sie 
nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  durch  eine  neue,  eine 
andere  Lehre  zu  ersetzen. 

Die  echte   Pietät   besteht  nicht  darin,  zu  glauben,  daß 
der  Lehrer  unbedingt  die  Wahrheit  gefunden,  sondern 
darin,    zu    glauben,    daß    er  sie  unbedingt  gesucht   hat; 
.    er    der   Wahrheit,    weil    ^ie    für    ihn    Wahrheit   war. 
nnl  gehuldigt  hat.  und  daß  der  Jünger,  weil  ihm 

eine,  andere  Lehre  mit  innerer  Notwi  ndigkeit  als  Wahr- 
heit erscheint,  dieser  ebenso  unweigerlich  folge  und  huldige, 
wie  der  Meister  der  Beinigen  gehuldi 

Wie   die  Pietäl   eine  \  Wu      I  im  Gern  Ute,  je 

h   den  P<  n,   den  widmi  t  ist,   einen  7er- 

'  schied«        Grund  und  noch  mehi  Formender 

I;  währnn        \  bildet  ihr  Wesen  auch  einen tielsi  I 

Begriff     Wir   um  en    diesen    hi  h   allmählich 

n    in   den    modernen  Sprachen    durch 

■•■    Wort,  I .    •     '        ii'-n   entlehnt,   kaum 


Pietät.  153 

übersetzbar  ist;  aber  schwerlich  haben  die  Römer  selbst 
schon  die  ganze  Fülle  des  Inhalts  in  dasselbe  gelegt,  die 
wir  darin  finden.  Auch  das  Hebräische  hat  kein  deckendes 
Wort  für  den  ganzen  Reichtum  des  begrifflichen  Inhalts, 
dessen  verschiedene  Merkmale  durch  verschiedene  Wörter 
bezeichnet  werden. 

Das  einheitliche  Grundgefühl  ist  zu  erörtern  und  in 
seiner  Verzweigung  durch  die  Objekte  aufzuweisen. 
S.  Ideale  Fragen:  Die  Stelle  über  die  Alten  S.  33. 

Die  starke  Ausbreitung  und  die  tiefe  Einsenkung  dieses 
Gefühls  im  jüdischen  Yolksgemüt. 

§  382.  Pietät  der  Jüngeren  gegen  die  Alten,  der 
Gemeinen  gegen  die  Ehrenwerten. 

Rab  Dimi  sagte,  Jesaia  habe  die  Schilderung  des  gänz- 
lichen Verfalls  der  Nation  erst  damit  vollendet,  daß  es 
heißt  (Jes.  3,  5):  „Es  erfrecht  sich  der  Jüngling  gegen  den 
Greis  und  der  Gemeine  gegen  den  Geehrten".  S.  Cha- 
giga  14a. 

Pietät  gegen  das  Alter  und  Wert  des  Rates  der  Alten 
S.  Schemoth  r.  Par.  3  zu  Ex.  3,  10:  ^«"Ity  ^pt  n«  HSDK1  "J1?. 

Ehrenerweisung  dem  Verdienten  ist  hohe  Pflicht. 
S.  Berach.  19 b:  Ehrenerweisung  gegen  die  Menschen  ist 
so  groß,  daß  sie  ein  Gebot  der  Thora  verdrängt. 

Die  Altvordern  am  Leben  erhalten.1 


1  Siehe  Taanith  5b.  fi.  Nachman  und  R.  Jizchak  saßen  bei 
einem  Mahle.  Da  sagte  R.  Nachman  zu  R.  Jizchak:  Möge  der 
Herr  etwas  vortragen.     Er  erwiderte:  R.  Jochanan  hat  so  gelehrt, 


164  III-   Der  Weg  zur  Ettttliohk 

Mit  (Jerem.  30,10)  den  Kindern  vergleicht  R. Jochanan 

den  Vati  r.    So  lange  die  Nachkommen.  Nachfolger  seiner 

ii  leben,  lebt  .lach  in  ihnen   t'urt. 

§  383.     Friede.     Das  Ideal  des  Geistes  und  der  Ethik 

•    der  Friede.    In  der  Theorie  als  im  Geiste  bedeutet 

Friede    nicht    Vernichtung    und   nicht    Ausbeutung    des 

Schwachen,  sondern  die  Erhaltung,  Förderung.  Stärkung, 

Ausbildung     relativer    Vollkommenheit     im    Schwachen. 

Deut  16,  11:  TT  r»  nnsn  mnfi  ....  JP3H  biw  vb\  aber 
das.  V.  13:  pajMl  p:V^. 

Daa  ideal  der  Evolution  ist:  Kampf  des  Verschiedenen, 
Erhaltung  des  Mächtigeren  (nur  die  Macht  erhält  — ) 
und  Vernichtuii-  Geringeren. 

Di'    Mesalliance  von  Darwin  und  Schopenhauer. 

Die  Evolutionstheorie  geht   aufwärts,  der  Pessimismus 

Die  falsche  Übertragung  des  Vernichtungskampfes 
der   Unterdrückung  auf  das  geistige  Gebiet. 

sprich!  nicht  beim  Mahle;  denn  es  könnte  die  HalsrOhre  voi 
treten  und  man  kfime  in  l.<  tahr.    Nachdem 

,r  '•  eendel  hatte,  sprach  <r    Et  Jochanan  bat  so 

>hrt    Jakob,  unser  Vater,  ist  nicht  toL     Daraul  EL  Nach- 
rJal    man   grundlos  um   ihn  Trauerkl  len,  ihn  bal- 

lert   und  ib<  r    B]  räch     Einen    Schriftvers 

30,  i"i   deute  ich     „Du  aber   furchte  dich  nicht,  mein 
Kne  dt,   Spi  uml    i  Israel,    denn 

ie   ich   h    '        r    aus  der  Feme  und   dein«     -     en   aus  «lern 
l  •  -  :.t,u  stellt  ihn  seinem  Samen  gi> 

,  so  lebt  auch  er.     D  H. 


Frieden.  155 

Friede  ist  ein  positives  Element,  nicht  bloß  Negation 
einer  Negation;  der  wahre  Sinn  ist  Harmonie,  Ein- 
stimmigkeit mit  anderen,  vor  allem  mit  sich  selbst.  Die 
Normen  des  Lebens  müssen  bekannte  sein,  das  Maß,  an 
welchem  das  eigene  Ich  gemessen  wird,  und  mit  der  sub- 
jektiven Norm  soll  die  objektive  Gesinnung  und  Tat  über- 
einstimmen.    Daher   Ps.  119.  165:  "]rmn  ^m*6   2"l   Ü)b& 

Durch  subjektive  Einsicht  soll  Einstimmung  auch  des 
Tatsächlichen  gefordert  und  gewährleistet  werden:  Itib  )"W 
^ltSOö,  gleich  2b  b)ü2£>,  kein  innerer  Anstoß,  kein  Widerstreit 
gegen  Norm,  kein  Gewissensbiß  und  keine  Gewissensangst! 

Der  Friede  besteht  in  dem  kampflosen,  harmonisch 
ineinandergreifenden  Leben  in  der  Gesamtheit. 

Der  wahre  Friede  ist  erst  der  Friede  mit  allen  Men- 
schen, d.  h.  nicht  Friede  als  Transaktion  mit  diesem 
oder  jenem,  sondern  Friede  als  Gesinnung,  welche 
allem  Verkehr  zugrunde  gelegt  wird.  Midr.  Bammidb. 
r.  Par.  11,  7. 

Auch  mitten  im  Kriege  wird  von  den  Rabbinen  bereits 
—  wie  bei  den  modernen  Völkern  —  ein  friedliches  Ver- 
halten in  allem,  was  nicht  unmittelbar  zur  Kriegstat  ge- 
hört, gefordert  s.  Sifre,  Schoftim  Pis.  199. 

Der  Priestersegen  schließt  mit:  „und  er  gebe  dir  Frie- 
den"; weil  alle  Segnungen  vergeblich  sind,  wenn  nicht  der 
Friede   bei   ihnen  ist.     S.  Midr.  Barn.  r.  Par.  11.     Nr.  7. 

Friedfertigkeit.    Die  Menschen  entzweien  sich  so  leicht 


156  111.    Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

kleiner  Ursachen,  l  belnehmereien  (Eigentümlich- 
keit der  Kleinstädter).  —  Nur  bei  kleinen  Menschen 
haben  kleine  Ursachen  große  Wirkungen. 

Böchste  Friedfertigkeit  (des  Eifersüchtigen,  des 
Beraubten)  wird  von  den  Talmudisten  gepriesen;  Gott 
wird  für  ihn  richten.  S.  Gittin  7a. !  Der  Mensch  sei 
immer  lieber  von  den  Verfolgten,  als  von  den  Verfolgern. 
S.  Baba  Kam.  9 

itung  des  Friedens.   „Aller  Wohlstand  ohne 

ieden  ist  vergeblich".     S.  Sifra  Wpro  P.  1  Ende  und 

re  zn  Num.  6,  26  Piska  A-i. 

Die  letztere  Steile  ist  zu  schön,  als  daß  sie  nicht  ihren 
Platz  linden  sullte.  Banimidbar  r.  11.  .Nr.  7.  Groß  ist  der 
Friede:  denn  der  (Gottes-)  Maine,  welcher  in  Heiligkeit 
geschrieben,  durfte  (im  Kluchwa>ser)  ausgelöscht   werden 


'  Die  stelle  Lautet:  Mar  Ukba  schickte  zu  K.  Eleazar  und  ließ 

it    Da  Bind  Menschenkinder,  die  sich  erheben  (die 

sich  mich  feindselig  zeigen),   es  steht  in  meine?  Hand,    sie 

der  Regierung  zu  überliefern,  was  soll  ich  tun?    Da  zog  er  Linien 

un<l  ihm    zuniik    den   Verl  P     39,  2 1    »Ich    sprach:    Ich 

will  mich  hüten,  daß  ich  nicht  sündige  mit  meiner  Zunge,  will  be- 

Mund  mit  einem  Maulkorb,  während  ein  Frevler  nur 

rtu,  d.  i  q  Frevler  mir  enl(  •  -  •  o  ist,  so  will 

.i  meinen  Mund  mit  einem  Maulkorbe  bezähmen.     Da  Heß 

ihm  Mar  1  ä       [ufi  en   mich  so  sehr,   d  iß 

ich    nicht    bestehen    kann.     Da  b  er   ihm  surück  Ps.  37,  1 

aul    den  Ewigen   und   harre   seiner",  d.i. 
nd  auf  den  I  ••••  igen,  er  wird  icher 

D.  II. 


Frieden.  157 

des  Friedens  wegen,  um  Frieden  zwischen  einem  Manne 
und  seinem  Weibe  zu  machen. 

R.  Elazar  sagt:  Groß  ist  der  Friede,  denn  die  Propheten 
haben  in  den  Mund  aller  Menschen  nur  den  Frieden 
gepflanzt  (1J?tM). 

R.  Simeon  ben  Chalaftha  sagt:  Groß  ist  der  Friede 
denn  es  gibt  kein  Gefäß,  das  soviel  Segen  befaßt,  als  der 
Friede,  wie  es  heißt  (Ps.  29,  11):  „Der  Ewige  gibt  Macht 
seinem  "Volke,  der  Ewige  segnet  sein  Volk  mit  Frieden. 

R.  Elazar  Hakappar  sagt:  Groß  ist  der  Friede;  denn 
selbst  wenn  sie  (die  Israeliten)  den  Götzen  dienen,  es 
ist  aber  Friede  unter  ihnen,  so  kann  der  Satan,  wenn 
man  so  sagen  kann,  ihnen  nichts  anhaben,  denn  es  heißt 
(Hos.  4,17):  „Götzen  versippt  ist  Ephraim,  laß  es!"  Wenn 
aber  Streitigkeiten  (unter  ihnen)  sind,  was  ist  da  gesagt? 
„Geteilt  ist  ihr  Herz,  nun  haben  sie  sich  verschuldet" 
(das.  10,  12). 

Groß  ist  der  Friede,  denn  selbst  in  der  Stunde  des  Krieges 
bedarf  man  des  Friedens,  wie  es  heißt  (Deut.  20, 10):  „Wenn 
du  dich  einer  Stadt  nahest,  sie  zu  bekriegen,  so  rufe  sie 
(zuerst)  zum  Frieden  auf";  desgleichen  (das.  2,  26):  „Und 
ich  sandte  Boten  von  der  Wüste  Kedemoth  an  Sichon 
den  König  von  Cheschbon  mit  Worten  des  Friedens"; 
desgl.  (Richter  11,  12):  „Und  Jiphtach  sandte  Boten  an 
den  König  der  Kinder  Ammon  und  ließ  sagen:  Was  habe 
ich  mit  dir  zu  tun,  daß  du  zu  mir  gekommen  in  mein 
Land,  um  zu  streiten?"    Was  sprach  er  (der  König  der 


III.    Der  WeL,'  zur  Sittlich',, 

Kinder  Amnion)?  ..Und  nun  gil>  es  zurück  in  Frieden" 
ls.  V.  L3  . 

Groß  ist  der  Frieden,  denn  selbst  die  Toten  bedürfen 
des  Friedens,  wie  es  heißt  «Gen.  15,  15):  „Und  du  sollst 
kommen  zu  dein<  rn  in  Frieden,"  ferner  f. ler.  34,  5): 

„In  Frieden  wirst  du  sterben  und  wie  man  deine  Väter 
verbrannt  bat.  die  trüberen  Könige,  die  vor  dir  waren, 
so  wird  man  dich  verbrennen." 

Groß    ist    der  Friede,    denn    er    wird  den  Bußfertigen 
wie  es  beißt  (des.  ",7.19):  „Scbaffend  der  Lippen- 
frucht: Friede,   Friede  dem  Fernen  wie  dem  Naben." 

Groß  ist  der  Friede,  denn  er  wird  in  ibrein  Teile  den 
Frommen  verliehen,  wie  es  heißt  (Jes.  57.  2):  „Er  gehe 
ein  zum  Friedin,  wo  sie  ruhen  auf  ihren  Lagern." 

Groß  ist  der  Friede,  denn  er  wird  nicht  in  ihrem  Teile 
den  Frevlern  verliehen,  wie  es  heißt  (Jes.  57,  21):  ..Kein 
!•"  prichl  der  Ewige,  den  Frevlern!" 

Groß  ist  der  Friede,  denn  er  wird  denen,  welche  die 
ira  lieben,  verliehen,  wie  es  heißt  (Ps.  119, 165):  „Großer 
Frieden  denen,  die  deine  Thors  lieben." 
t  i  roß  Friede,  denn  er  wird  den  I  demütigen  verliehen, 

i '     17,1]  :  „Dil   Di  mutigen  werden  da    Land 
rben  und   sich  o  au   der  Fülle  des  Friede] 

der  Friede,  denn  er  wird  den  Thorabeflissenen 
liehen,  b  ( Jes.  54,  ]  3  :    »Und    alle   deine 

Bai  .;.  i    Lehrling  Bwigen,   und   groß   ist  der 

Fri  de  deii       E£indei  ". 


Frieden.  159 

Groß  ist  der  Friede,  denn  er  wird  denen,  die  Gerech- 
tigkeit üben,  verliehen,  wie  es  heißt  (Jes.  32, 17):  „Und 
es  ist  das  Werk  der  Gerechtigkeit  Frieden." 

Groß  ist  der  Friede,  denn  der  Name  des  Heiligen,  ge- 
benedeiet sei  er!  wird  Friede  gerufen,  wie  es  heißt  (Jud. 
6,  23):  „Und  er  rief  ihm  zu:  der  Ewige,  Friede." 

R.  Chananja,  der  Stellvertreter  der  Priester,  sagte: 
Groß  ist  der  Friede,  denn  er  ist  dem  Schöpfungswerke 
entsprechend  gewogen,1  wie  es  heißt  (Jes.  45,  7):  „Der  das 
Licht  bildet  und  schafft,  Frieden  stiftet  und  Böses  schafft."2 

Groß  ist  der  Friede,  denn  die  Oberen  bedürfen  seiner, 
wie  es  heißt  (Hi.  25,2):  „Herrschergewalt  und  Schrecken 
ist  bei  ihm,  er  macht  Frieden  in  seinen  Höhen."  Siehe, 
da  haben  wir  einen  Schluß  vom  Leichten  auf  das  Schwere. 
Wenn  schon  an  einem  Orte,  wo  es  weder  Hader  noch 
Streit,  weder  Feindschaft  noch  Anfeindung  gibt,  die 
Wesen  des  Friedens  bedürfen,  um  wieviel  mehr  an  einem 
Orte,  wo  alle  diese  Leidenschaften  (nnöif)  vorhanden 
sind!  Vergl.  dazu  Midr.  Wajikra  r.  Par.  9  zu  Lev.  7,  32 
(Wünsche,  Übersetzung  des  Midrasch.   S.  58 — 61)."  D.  H. 

Wenn  Frieden  unter  den  Götzendienern  ist,  so 
kann  ihnen  gleichsam  kein  Übel  anhaften.3 

Der  Friede  wiegt  das  ganze  Schöpfungswerk  auf  — 
Zweck  aller  Schöpfung  erfüllt  sich  im  Frieden  unter  den 


1  D.  i.  er  wiegt  dem  Schöpfungswerke  gleich.    D.  H. 

2  Die  im  Texte  angezogene  Stelle  Arnos  4, 1 3  stimmt  nicht. 

3  Vergl.  Midr.  Bereschilh  r.  Per.  58,  6.     D.  H. 


111.   Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

Lscben,  Gott  selbst  wird  der  Friede  genannt    S.  Midr. 

[nidbar  r.  da 

Gewiß  wird  U\bv  yy\1  auoh  ofl   in  einem  minder  hohen 

.  genommen,  aber  das  beweist  nichts  tiefen  die  wahre 

ideale    Bedeutung   des    Begriffe.     Wir   nennen   auch   die 

imkeit,  die  Schweigsamkeit  usw.  eine  Tugend;  aber 

wer   den   wahren  Begriff  der  Tugend  induktiv  definieren 

will,  wird  sie  nicht  aus  diesen  Beispielen  Bchöpfen. 

Die  zitierte  Stelle  mWl  te  wäre  unmöglich,  wenn  man 
nur  die  niederen  «irade  derselben  als  ihren  wahren 
Sinn  bezeichnet. 

Allgemein:  alle  ethischen  Begriffe  gelten  für  einen 
weiten  und  mannigfaltigen  umfang;  dies  ist  aber  nur 
dadurch  logisch  zulässig,  weil  auch  der  Inhalt  eine  Stufen- 
leiter umschließt.  Den  Höhepunkt  der  Bedeutung  eines 
Begriffs  zn  suchen  ist  nicht  bloß  eine  theoretisch)  Not- 
wendigkeit, Bondern  auch  eine  praktische  Aufgabe.  Erst 
vollkommenen   edlen  Gresinnun  abließt   sich  der 

wahre,  der  höchste  Sinn  des  Gedankens  und  des  Wortes, 
in  ■  'i  er  erfaßt  ist 

Die  Wissenscl]         i\  der  Friede  unter  den  Menschen.9 

•   Vergl.  Midr.  Bammidbar  r.  Par.  11,  7  gegen  l  So  findest 

I  hora  nur  inii  Frieden  verglichen  wird,  wie  es  heißt 
die  ihre  Pfa  I   l  rieden."     D.  II 

lidbar  r.  das     G  r  Fi     ■■.  denn  er  ist  denen 

os   heißt  '  iv   [19,  184): 
i  '.■      he  deine   Thors  liebon."     Vergi 

g.  i       I-  I). 


Mitleid  und  Mitfreude.  161 

Der  geistige  Fortschritt,  Belehrung  auch  aus  der 
bösen  Erfahrung  ist  die  Sühne  unter  den  Menschen. 
Tosefta  Bab.  k.  Per.  7  finden  wir  eine  schöne  Deutung: 

non  paa  tön  *ot  p  pnv  -i  rvn  nrnn  mm  „Die  Steine 

zum  Altar  sollen  nicht  mit  Eisen  behauen  werden,  weil 
Eisen  das  Symbol  und  Werkzeug  des  Kampfes  ist;  die 
Gelehrten,  welche  den  Frieden  in  der  Welt  bedeuten, 
sollen  um  so  mehr  kampflos  und  integer  sein". 

Gegen  Eifersucht  der  Gelehrten,  Praktiker  usw. 

„Schwerer  als  der  Tod  zu  ertragen".  Mangel  an  Hin- 
gebung, an  Sachlichkeit  bestraft  sich  selbst  hart.  S.  De- 
barim  r.  Par.  9. 

Geistiges  Zusammenleben,  freundliches  Verhal- 
ten der  geistig  Schaffenden  zu  einander,  Wohl- 
gefallen aneinander  finden  wir  mit  großem  Nachdruck 
empfohlen.     S.  Sota  49". 

Mitleid  und  Mitfreude. 

§  384.  Ist  das  Los  deines  Nächsten  beneidenswert, 
blicke  nur  mit  günstigem  Blicke  darauf;  nicht  nur  seines 
Glückes,  auch  seiner  Talente  und  Fähigkeiten  freue  dich ; 
keinen  sicheren  und  keinen  edleren  Trost  kannst  du  in 
deinem  eigenen  Leiden  finden. 

Erztoren  sind  sie,  die  ihre  Mitfreude  durch  Neid 
sich  vergällen.  Seht  her!  das  Schicksal  spendet  mit  seg- 
nender Hand  eine  Fülle  der  Gaben,  goldene  Stunden 
der    Mitfreude    umschweben    euch,    ergreifet    sie!     Der 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II.  11 


162  111.    Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

1  ist  eben  so  unklug,  wie  er  niedrig  an  Gesinnung 
ist.  Mißgunst  aber  ist  nicht  bloß  schlecht,  sondern  ge- 
mein. 

Das  Licht  der  Liebe  leuchtet  im  Dunkel  des  Leiden- 
eines  Nebenmenschen  leichter  und  heller  auf,  als  an 
hellem  Tage  der  Freude;  aber  darum  ist  auch  Mitfreude 
schwerer  zu  bewähren   und  zu  erweisen   alfl    Mitleid. 

Meine  neidlose  Freude  an  der  Größe  des  anderen 
wird    gepriesen    Schemoth    r.   Par.  3:    R.   Samuel,    Sohn 
des  ]{.  .lose,  hat   mit   bezug  auf  Exod.  4, 14  „Fr  wird  dich 
sehen   und    sich   in  Beinern  Herzen  freuen",  gesagt:   Das 
Herz,    welches    sich    über    die  Größe  seines  Bruders  ge- 
freut hat,  soll  die   Frini    und  Thummim    anlegen;    daher 
heißt    es  Fx  29,  30:    „Und    sie    sollen    auf   dem    Herzen 
Aliarons  sein."      Wer  in   der  reinen  und  absoluten   Wür- 
digung  des  Guten  die  Schöpfung  desselben  durch   einen 
Leren    freudig  wahrnimmt    und    anerkennt.    i-t    würdig 
des   Lichts    und    der   Vollkommenheit    und    hat    die    An- 
wartschafl  darauf,  denn  sie  fließen  aus  seiner  Gesinnung. 
li  nfreude  —  Ul  "•*  to*2  Prov.  21.  17  -  ist  eine 
Mißgeburl  !•  r  Freude),    für   die  S< 

mehr  -m  Bcha  len  als  eine  Freude. 


Ordnung.  163 


Ordnung.     Kultur.     Teilung  der  Arbeit. 

Motto. 
Ein  Volk,  das  heutzutage  mit  anderen 
wetteifern  will,  muß  für  seine  Bildung 
sorgen,    für  die  Bildung  jedes  Einzel- 
nen, zum  Vorteil  der  Gesamtheit. 

Ordnung. 

Eine  beliebte  Formel  für  allerlei  Tun  ist:  DIN  TlD^  D^IJ^. 

§  385.     Ordnung  in  der  Zeitfolge,  in  Haus  und  Gerät 

und  Gewand,  in  der  Einrichtung  des  Tuns  und  Handelns. 

Ordnung,  nützlich,  ästhetisch  und  ethisch. 

nbty  T1D,  Gesch.  unter  d.  Gesichtspunkt  der  Ordnung, 
HDÖ  b&  VID, 

rfrsn  niTD, 
ywrp  tido. 

Ich  weiß  sehr  wohl,  daß  in  solcher  Benennung  keine 
direkte  und  strikte  ethische  Lehre  gegeben  ist;  aber 
es  waren  viele  Bezeichnungen  möglich;  daß  aber  der  Be- 
griff der  Ordnung  gewählt  wurde,  ist  charakteristisch  für 
die  Schätzung  desselben. 

In  solchen  Bezeichnungen  und  Benennungen  offenbart 
sich  der  Gedankengang.  Jedes  Ritual,  jeder  gesetzliche 
Vorgang  usw.  wird  hier  Ordnung  genannt.  Aber  auch 
der  Lehrer,  der  Vortragende,  besonders  auf  der  höheren 

«  S.  Schab.  1 19b  und  Aboda  zara  7b.     D.  H. 

11* 


III.    Di  i  Weg  nur  BitÜichl 

-  nie  AJcademie)  heißt  der  Ordner ft-flD,  jer.  Hör.  III  g. 
!'..  48eob.;ja  noch  mehr  die  Hochschule,  »las  Lehrhaus  selbst 
hieß  nyrp  =  der  Ort  der  Gedankenordnung,  jer.  Ber.  111 
ob.  und  oft  Man  VgL  Gymnasium.  Lyceum,  Aka- 
demie  und  Sorbonne,  welche  historisch-anekdotische  An- 
knüpfungen Bind;  aber  Hochschule  zeigt  das  Niveau  der 
Behandlung  der  wissenschaftlichen  ( I  in;  Pakul- 

Fähigkeit    zum   Amt,   die  in  den  Schulen  aus- 
•     werden  sollte:  Universität  i>t  die  Gesamtheit 
alles  zusammengehörenden  W  aller  Fakultäten. 

Hier  die  Ordnung,  die  Methode  der  geistigen  Arbeit, 
die  hier  zu  leisten  i>t. 

Ordnung    ist     nicht    bloL't   ein   utilistisches   (technisch 

nützliches)    und     ästhetisches     Prinzip.     Bondern     auch 

ein  moralisches.     Wenn  Goethe  einmal,  weil  er  v 

weise   ästhetiscl  timmt  »n   Bich  selber  bekennt 

Werke  Bd.  30  8.  32]  i:  „Es   Liegt   nun  einmal  in  meiner 

■   Mir.   ich  will  lieber  eine   Di  itigkeit  begehen  als 

Unordnung    ertragen",   so    muß    d  □    hervorgehoben 

■  ::.    daß   alle    Di  rdnung    ist, 

denn    alle     Recht    ist   eine   Ordnung   der    menschlichen 

erhältnisse.     Man    |  freilich  nur  ?om   Etecht 

daß  es  eine 
( >rdnu  :   ,;      mir  moralische  <  Gerechtigkeit 

nicht       -  :.t  wird.     1  I  mimt  daher,   daß 

im  anmittelbaren  EU  "fühl  da    Rechl  allein  . 

t  wird:  die  im  •  ündung 


Oi'dnung.  165 

desselben  aber,  seine  Bedeutung  eben  als  eine  Ordnung 
wird  erst  durch  Nachdenken  hinzugefügt. 

Ordnen,  d.  h.  die  Dinge  und  Geschäfte,  die  man  zu 
besorgen  hat,  in  stetige  Raum-  und  Reihenfolgen  bringen, 
heißt  vom  Chaos  zum  Kosmos  übergehen. 

Einem  beträchtlichen  Teil  der  Juden,  namentlich  im 
Osten,  ist  die  Ordnung  zu  einen  sehr  beschränkten  und 
fast  abstrakten  Begriff  geworden.  Die  Sache  ist  leicht 
erklärt.  Zu  jeder  Ordnung  in  Raum  und  Zeit  gehört 
ein  gewisses  Maß  von  freier  Ausdehnung;  das  Ghetto 
hat  den  Raum  beengt,  und  Angst  der  Verfolgung  hat  die 
Zeit  gehetzt.  Vollends  nun.  wenn  die  Juden  bei  Völkern 
lebten  und  leben,  welche  selbst  wenig  Sinn  und  Trieb 
zur  Ordnung  haben.  Deshalb  haben  die  Juden  des 
Westens,  die  unter  zivilisierten  Stämmen  und  Staaten,  mit 
der  Freiheit  auch  sofort  die  Hochschätzung  der  Ordnung 
in  allen  Dingen  wiedergewonnen.  Den  Juden  des  Ostens 
aber  beschränkte  sich  der  Wert  und  die  Wonne  der 
Ordnung  auf  das  wohlgefügte  Gleichmaß  in  der 
Wiederkehr  der  Ritualien  und  Liturgien.  Gab  es  doch 
fast  für  jede  Stunde  eine  vorgeschriebene  Verrichtung. 
Und  wie  streng  wurden  die  Reihenfolgen  im  Ablauf 
der  Zeremonien  oder  Gebote  eingehalten,  nachdem 
oft  sehr  feine  Fragen  oder  Kontroversen  über  dieselbe 
gelöst  waren!  Hatte  doch  auch  die  Idee  der  Schönheit 
sich  fast  ganz  auf  Dichtung  und  Gesang  zurückgezogen; 
dies  beides  aber  empfing  das  Volk  nur  im  Gotteshause. 


III     Der  Weg  KUX  Sittlichkeit. 

1>;.-  Aufgabe  der  Volkslehrer,  besonders  im  Osten,  ist 
deshalb,  den  Begriff  der  Ordnung  wieder  allseitig  zu 
erwecken,  ihn  auf  alle  (lebiete  der  Lebensführung  anzu- 
wenden. Bei  unzulänglichem  Denken  erscheint  die  Ord- 
nung wie  eine  bloße  Form;  man  muß  deshalb  des  Men- 
Bchen  zeigen,  wie  tief  diese  Form  in  das  Wesen  der 
he  selbst  eindringt  und  den  Wert  und  Erfolg  der- 
selben bedingt;  wie  Ordnung  jedes  G-ebahren  mit  ge- 
ringerem Aufwand  verrichtet,  dir  Erzeugung  der  Dinge 
erleichtert,  and  wie  die  Erscheinung  derselben  verschönt 
wird:  denn  wo  immer  eine  Ordnung  gesucht  oder  her- 
gestellt wird,  da  tritt  sofort  Symmetrie,  Harmonie  und 
angemessene  Proportion  zutage.  Schließlich  hat  man  zu 
erkennen,  daß  Ordnung  nicht  bloß  nützlich  und  schön, 
sondern  auch   Symbol   des  Guten  i-t. 

Die  mit  Unsittlichkeil  Bich  paarende  künstlerische  und 

werbliche  Kultur  hatte  allerdings  schon  den  Propheten 

dazu  verleitet,  den  eigenen  Wert  derselben  für  die  ethische 

A   :'.Mhe    .!>■-    Menschen    abzuweisen.      S.  Gzech.  28, 16. 

eichnend    ist    doch   hier  die   Anerkennung  vor 

aen    sittlichen    Verfall!    Die    Selbstüber- 

•  der  Kultur  und  ihre  Vernachlässigung  der  ethischen 

be  und  d<r  ethischen  Schrankeu  und  Bedingungen 

„I  hi  verdarbst  deine  E  unst 
durch  die  Ei  auf  den  Glanz".    (Das.  28, 17.»)    Die 

■•uti  t  I.  .>  V.  l  u  E>  Kunslvertl 

!  i  gi,  Kofadclh. 


Ethische  Bedeutung  der  Kulturtätigkeit.  167 

Übersetzung  mit  „Weisheit"  hat  Unklarheit  des  Gedan- 
kens zur  Folge,  weil  auch  zum  Grunde  gehabt.  — 

Ethische    Bedeutung     der     allgemeinen    Kultur- 
tätigkeit. 

§  386.  In  theoretischen  Gedankengängen  wird  die 
ethische  Bedeutung  der  allgemeinen  Kulturtätigkeit  häufig 
unterschätzt  oder  ganz  übersehen;  nur  mit  flüchtigen  Ge- 
danken wird  sie  gestreift  und  in  matten  Worten  gerühmt; 
aber  weder  genau  betrachtet,  noch  streng  gewürdigt.  Ich 
lasse  hier  den  Einfluß  bei  Seite,  den  der  Gegensatz  von 
geistlich  und  weltlich  —  der  dem  Judentum  ursprüng- 
lich in  den  beiden  bedeutendsten  Momenten  seiner  inneren 
Gestaltung  und  Produktivität,  im  Prophetentum  wie  im 
Babbinismus,  fremd  ist,  —  geübt  hat  und  der  immer 
bewußt  oder  unbewußt,  versteckt  oder  offen  den  Anspruch 
mit  sich  führte,  das  ethische  Moment  auf  Seiten  des 
Geistlichen  zu  finden.  Ich  lasse  beiseite,  daß  der  Gegen- 
satz oft  dadurch  verschärft  wurde,  daß  in  der  Kultur, 
speziell  der  Wissenschaft  ungläubige  Kritik  glaubens- 
freie Forschung  oft  genug  eine  glaubensfeindliche  Rich- 
tung eingeschlagen  und  das  geistliche  Urteil,  in  welchem 
ethisch  und  religiös  untrennbare  Begriffe  sind,  die  Kultur, 
wenn  nicht  als  feindlich,  doch  mindestens  als  gleich- 
gültig gegen  das  Sittliche  angesehen  und  dargestellt  hat. 
Speziell  bei  den  Juden  hat  sich  besonders  in  den  Zeiten  der 
aufgezwungenen  und  dann  immer  weitergetriebenen  Ab- 


III     Der  Weg  zur  Sittlich;. 

Wendung  von  der  allgemeinen  Kultur  ozliches  Ver- 

kennen  derselben  und  ihrer  ethischen  Bedeutung  ! 

ildet     .Je    mehr    die    „Geisteswaffenschärfung"    ans- 
lieülich    gepflegt,    die   „Stoffesunterwerfung"    rernach- 
sigt   war,   desto   mehr  entschwand   die  Einsich.1 
auch   d  lie  gestaltende  and  waltende   Beherrschung 

der  Naturkräfte,  zum  Beruf  und  zur  Bestimmung  des 
Menschen  gehören.  Beides  wurde  übersehen,  daß  in- 
zwischen die  wissenschaftliche,  künstlerische,  industrielle 
Kultur  ganz  neue  Bündnisse  mit  den  ethischen  [deen 
blossen,  neue  Formen  der  sittlichen  Lebensführung 
geschaffen,  und  daLi  ganz  besonders  aus  den  neuen  Kul- 
tur- und  Verkehrsformen  der  Menschen  neue  Aufgaben 
der  Versittlichung  derselben  hervorgehen. 

Alle    Erwerbstätigkeit,    die    praktischen    Berufsarten, 
waren   zu    einem  Sittlichgleichgültigen  irden,   indem 

es  sich  lediglich  um  den   Erwerb  der  Mittel  zum  I 
und    zur   Erfüllung  der  Gesetze  handelte  und  zur   Wohl- 
lt   im    weitesten  Sinne.    Die    Beziehung  zur  Sitt- 
lichkeit war  fast  nur  eine  einschränkende  auf  Gerechtig- 
Nur  um  die  Redlichkeit  des  Erwerbes  handelte 
und   um   die      ■    •  "  und  wohltat  ige  V  ' ■!""■ 

du:  .  -n.    Der  Inhal?  der  Arbeit  aber  war  ethisch 

unbeachtet     Unter   allen    Beschaff  ■  d    war   ethisch 

11  nur  Studium  d<     l  ■■   ■  '  ses. 

i  doch  bGi  dankei 

Kulturform«  (  tffenbai 


Ethische  Bedeutung  der  Kulturtätigkeit.  169 

und  Erfüllung  der  sittlichen  Aufgabe  des  Menschen  er- 
blickt, anderseits  dieselben  in  den  Dienst  der  Sitt- 
lichkeit stellt,  durchaus  auf  jüdischem  Grunde.  Im 
8.  Psalm  wird  die  Herrlichheit  des  Menschen  wegen 
der  Beherrschung  der  Natur  gepriesen;  und  schon  in 
dem  ersten  Gottessegen,  womit  die  Menschen  gesegnet 
werden,  ist  das  ffiBDSl  (Gen.  25  —  28)  der  Kernpunkt. 
Vgl.  die  Talmudstelle  Sanhedrin  58bl  über:  Sich  in  den 
Dienst  des  Ackers  stellen! 

Es  ist  begreiflich  genug,  daß,  als  die  Juden  kein  Wild 
mehr  erlegt,  keinen  Fisch  geangelt,  kein  Schiff  mehr  aus- 
gerüstet, ihnen  der  Sinn  und  die  Bedeutung  dieses  Segens 
fremd  geworden;  daß  sich  im  öffentlichen  Bewußtsein 
derselben  die  beschränkte  Meinung  ausgebildet,  daß  ihre 
ganze  Lebensaufgabe  erfüllt  ist,  wenn  sie  am  Peßach 
Mazzoth  essen  und  am  Sukkothfeste  in  Hütten  wohnen 
und  am  Jörn  Kippur  fasten  und  beten. 

Und  doch  hatten  auch  die  Rabbinen  das  mm  mit  "]TT 
ps  eingeprägt,2  aber  pN  "p"I  war  zu  einer  edlen,  aber 
beschränkten  Privattugend  zusammengeschrumpft.  Da- 
rum ist  der  freie  Aufblick  und  Umblick  in  der  Kultur 
die   alte,    aber  zu  erneuernde  Aufgabe;  die  Kultur,    die 


1  Resch  Lakisch  hat  gesagt:  Was  bedeuten  die  Worte  Spruch 
Sal.  12,  11:  „Wer  seinen  Acker  bedient,  wird  des  Brotes  sali"? 
Wenn  er  sich  zum  Diener  seines  Ackers  macht,  wird  der  Mensch 
des  Brotes  satt;  wenn  nicht,  wird  er  nicht  des  Brotes  satt.    D.  H. 

2  Abolh  III,  21  sogar:  ]'«  ps  "pn  )'X  ds  p«  "jti  }"x  min  v«  o« 
min.     D.  H. 


lTn  III.   Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

günstigen  Falle  zu  eiuer  erlaubten  Zierde  des  sitt- 
lichen Lebens  herabgesunken  war,  muß,  indem  die  Juden 
sieb  ihr  wieder  zuwenden  dürfen  und  mit  Bif<  r  zuwenden, 
wieder  in  ihrer  ethischen  und  namentlich  auch  ethisierenden 

leutung  erkannt  werden.  :  S.  Delitzsch  über  das  Handwerk. 

1  Der  \N  i  ri  zivilisatorischer  Tätigkeit  wird  anerkannt,  wenn  und 
weil  sie  ethische  Zwecke  und  Mittel  ermöglicht,  —  Märkte,  Hilder, 
Brücken,  Kriegführung  usw.  Nur  sull  sie  nicht  bloß  egoistischen 
Zwecken  dienen,  sondern  in  Verbindung  mit  Pflichterfüllung  sein, 
welche  unicr  Aufopferung  des  Angenehmen  vollzogen  wird 
-  Bne  Allegorie  dazu  s.  Aboda  sar.  2h.  R.  Chenina  bar  Pappai, 
an  leren  K.  Simlai  Bprach:  In  der  Zukunft,  die  kommt,  bringt 
der  He  ebenedeiet    sei   er!    ein  Thorabuch  und    legt  es   auf 

seinen   Schoß   und   spricht:   Wer  sich   damit  beschäftigt  hat,  komme 
und    nehme    seinen    Lohn.      „Alle    Völker   versammeln   sich   zumal" 
(Jcsa ia    13,9)       .   .   •   Sofort  tritt  das    Reich   der  Götzendiener   zu- 
ein  (vor  dem  Heiligen,  gcben<deni  sei  er!;  ....   It.  Jochanan 

.■•:  Das  ist  Rom,  dessen  Ruhm  über  die  ganze  Welt  hingeht  .... 
Der  Hei  et  sei  er!  sprüht  zu  ihnen:  Womit  habt  ihr 

euch    beschäftigt?     Sie   sprechen    vor   dun:    Herr   der  Well!    viele 
Märkte   haben  wir   eingerichtet,   viele   Bäder   haben  wir  gemacht, 

und    Gold     haben    wir    gehäuft,   und    all    das    haben    wir 

nur  um  der  Israeliten  willen  getan,  damit  sie  Bich  mit  der  Thora 

i    der  Heilige,    gebenedeiet   sei   er!    spricht   zu 

ihnen:  ihr  Narren,  was  ihr  gemacht  habt,  habt  ihr  nur  zu  euerem 

neu    Bedarf   gemacht     Märkte  habt  ihr  eingerichtet,  um  l'-uh- 

lerinnen  hinzusetzen,  Bädi      u      eu  b  in  ihnen  zu  ergötzen,  Silber 

und    Gold    ist     il  ■  r    mem,    -  eschrieben    Mehl   (Hag    2,  8): 

..Mein   ist   das  Silber  und  mein  ist  das  G     .  Spruch  des  Ewigen 

Heerscharen14  ....  Sofort  geht  sie  betrübtet  hinaus.  — 

ms  geht  das  Reich  Rom  und  hinein  tritt  das  Reich  Persien  .... 

Der  Hei  ge,  -•  ei  er!  spricht  zu  ihnen    Womit  habt  ihr 

euch    i  3        -  vor    ihm:     Herr    der    Well!    viele 

■i    wir    gebaut,   vi<  •■  StS  Le    I     so   wir  bezwun 


Ethische  Bedeutung  der  Kulturtätigkeit.  171 

Wir  müssen  auch  hier  zurückerobern,  was  wir  besessen 
haben.  Herausgetreten  aus  dem  Ghetto  haben  die  Juden 
zunächst  nur  die  ökonomische  Seite  und  die  des  Lebens- 
genusses in  der  Kulturtätigkeit  ergriffen.  Sie  teilen  diesen 
Irrtum,  diese  Befangenheit,  freilich  mit  weiten  nichtjüdischen 
Kreisen;  denn  bei  weitem  die  meisten  Menschen  be- 
trachten die  Kultur  nur  aus  diesem  engen  Gesichtspunkt; 
aber  nur  die  Juden  haben  wir  hier  zu  belehren.  Nicht 
mit  neuer,  sondern  nur  mit  ihrer  eigenen  alten  Weisheit 
haben  sie  ihren  Geist  zu  beleben;  nicht  im  Sinne 
einer  Konzession  an  weltliche  Bestrebungen,  sondern  im 
großen  und  hohen  Sinn  einer  religiös-sittlichen  Forderung 
ihren  wahren  Beruf  als  Menschen  zu  erfüllen. 

Im    Sinn    Jesaias    ist    die    Astronomie    "1    ni*l    (Jes. 

40,  13).     Die    bildnerische    Tätigkeit    des    Bezalel   wird 

als   D\-6«    nn   bezeichnet    Ex.  31,  2.  3;    35,  30 ff.;    36,  1. 

Und  wenn  hier  die  Kunst  zunächst  nur  im  Dienste  der 

Religion   auftritt,    so    darf  nicht  vergessen  werden,    daß 

dies   der  königliche  Weg  aller  Kunst  in  der  Geschichte 

ist;  sie  dient  zunächst  dem  Höchsten,  um  sich  dann  aus- 

viele  Kriege  haben  wir  geführt,  und  all.  das  haben  wir  nur  um 
der  Israeliten  willen  getan,  damit  sie  sich  mit  der  Thora  beschäf- 
tigen. Aber  der  Heilige,  gebenedeiet  sei  er!  spricht  zu  ihnen: 
Was  ihr  gemacht  habt,  habt  ihr  nur  zu  euerem  eigenen  Gebrauche 
gemacht.  Brücken  habt  ihr  errichtet,  um  durch  sie  Zoll  zu  er- 
heben, Städte,  um  in  ihnen  Frohndienst  aufzuerlegen,  die  Kriege 
aber  habe  ich  geführt,  wie  geschrieben  steht  (Exod.  15,  3):  „Der 
Ewige  ist  der  Mann  des  Krieges"  ....  Sofort  gehen  sie  hinaus 
betrübten  Gemütes.     D.  H. 


L72  Hl.   Der  Weg  zur  Sittlich! 

zubreiten    und   alles   zu    idealisieren    und  es  so   in  V 
wandtschaft  mit  dem   Eöchsten  zu  bringen  und  schließ- 
lich sich  selbsl  zu  Art   des  Eöchsten   dadurch  zu 
gestalten,  daß  Bie  der  ethisierenden  Macht  nachstrebt,  die 
in  ihr               kann  und  soll. 

387.     Ähnlich  wie  mit  der  Stellung  zur  allgemeinen 
Kultur  verhält  es  Bich  mit  der  zur  Gesamtheit,  zum  Staate 
und  der  Gesellschaft.  Diese  werden  gleichsam  nur  gelegent- 
lich erwähnt;  ein  paar  allgemeine  abstrakte  Sätze  über 
Verhalten    de>  Individuums   zu  denselben  bilden  den 
zen    Inhalt,    einen    dürftigen    Aus-chnitt   d  i  eben 

Gedankenkreise  s. 

in    der   älteren    1 1  ebung    war    Gottesdienst    und 

itspraxis,  .Religionsvorschrift  und  Moralgesetz.  Sta  . 
k  und  Privatleben  gänzlich  miteinander  verflochten. 
Albs  Gesetz  hatte  politische  und  soziale  Bedeutung.    Auf 
ethisch«    Läutet  Dg  und  Erhebung  waren  Belbst  die  n 
Zeremonien  unmittelbar  bezogen.    Auf  D^TSB  wwr 
•.  .    .  — 
Wie  lange  wird  es  noch   dauern,  bis  man  für  die    I 
arb(  Ethik  Bich  darauf  besinnen  wird,  daß 

I  Leg    latur   und    der  Wi  laft    in 

,;  /u  v  •  und  beide  Aufgaben  mit  dem  Bewußt- 

1  einander  zu  erfüllen  I 
bd  Staat  jlebens  achwindel 
•.   und   mehr  und   im  br   gewinnt  bik 

lie  B  .  Individualist         d  Charakter. 


Stellung  zu  Staat  und  Gesellschaft.  173 

Auch  die  nichtjüdische  Ethik  des  Mittelalters  verhält 
sich  sehr  ähnlich,  sie  ist  lediglich  individualistische 
Tugendlehre.  Die  ethische  Gesamtgestalt  wird  in  einem 
Reiche  Gottes  gesehen,  welches  nur  in  der  Kirche  als 
solcher  realisierbar  scheint;  diese  allein  erscheint  als 
idealisierte  Lebensform  der  Gesellschaft.  Bei  den  Juden 
wird  die  Idealisierung  des  ganzen  Lebens  in  der  Durch- 
flechtung  desselben  mit  den  Mizwoth  gesucht;  dement- 
sprechend ist  der  Blick  auf  die  Gesamtheit  nur  auf 
die  Beziehung  zum  Gemeindeleben  beschränkt.  Die  Ideen 
sind  ewig  an  sich  und  überall  —  Baum  und  Zeit  sind 
Form  —  sie  werden  wirklich  und  wirksam  im  Einzelnen. 
Das  Ziel  aber,  der  Zweck  ist  nur  in  der  Gesamtheit, 

Nicht  streng  genug  kann  die  Forderung  an  den  Ein- 
zelnen sein;  aber  nicht  bescheiden  genug  kann  man  vom 
Wert  des  Einzelnen  reden.  Nur  als  Glied  der  Gesamt- 
heit empfängt  er  seinen  wahren  Wert. 

Das  chemische,  das  statische  und  physikalische  Gesetz 
gilt  allgemein;  der  einzelne  Fall  ist  verschwindend  gleich- 
gültig. Aber  wirklich  wird  das  Gesetz  nur  im  einzelnen 
Fall. 

Selbst  die  religiöse  Bestimmung  des  Judentums  und 
der  Judenheit  als  Ganzes  tritt  zurück;  die  ethische  Ge- 
samtbestimmung, ein  ethischer  Gesamtberuf  tritt  zurück, 
mit  dem  Aufhören  der  nationalen  Selbständigkeit  gleichsam 
vertagt  bis  zur  messianischen  Zeit.  Der  höchste  ethische 
Zweck    des  Menschen    ist   insofern   erhalten   und  gegen- 


174  Hl.   Der  Weg  zur  Bittlichi 

wäzüg  als  überall  auf  die  Erzeugung  und  Übung  der 
ethischen  Gesinnung  des  Individuums  gedrungen  wird. 
A.ber  beides,   die  ethische  Aufgabe  der  Gesellschaft  als 

Ganzes,  des  Staate-,  tritt  zurück  und  noch  mehr  die  B<  - 
ziehung  zur  Menschheit,  da-  Empfangen  und  die  Kück- 
wirkung  auf  die-e.  Der  Begriff  de-  z-:~D  roVcD  und  "; 
w"~~  i-t  verdunkelt,  verengt;  er  erscheint  erfüllt,  wenn 
alle  Einzelnen  ihre  individuellen  Pflichten  erfüllen.  ( )b 
bei  Bachja  nur  einmal  der  Staat,  die  Gesellschaft, 
oder  die  Judenheit  als  Ganzes  vorkommt?  [ch  zweifle! 
Vollends  das  WM  TN1?  TTITÜI1  —  bleibt  ohne  alle  Aus- 
führung des  Gedankens.  Entwicklung  des  wichtigen 
rHeimes, 

Da  die  .luden  vom  Staatsleben  gleichsam  ausgeschlossen 
waren,  konnte  sich  eine  Au-bildung  dieses  ganzen  Ge- 
dankenkreises natürlich  nicht  vollziehen;  heute  aber  muß 
er  hervortreten.2 

Ethik   und   Naturwissenschaft. 

•  S8.    Die  jüdische  Weltanschauung  fordert   Natur- 
ehauung,   Erkenntnis,  Bchon  weil  sie  Gotteserkenntnis 

und    in   -einen  Werken  fordert,   namentlich  im  Ge;' 

Jesaia 
2  Die  (folwem  irr  Ein  l   <lcs  inneren   Zusammen- 

Qrundlage  aller  wahren  Sittlichkeit  wird  mri 
1 1  •  teilt.    Sifre  P      16     Wie  u  |  Pavillon), 

eilt  wird.    Kr  dauert,  so  lange 
n;  '-r  s  •  nn  s\c.  sich  trennen. 


Ethik  und  Naturwissenschaft.  175 

satz  zum  bloßen  Genußleben;  die  Natur  ist  nicht  bloß 
Objekt  und  Stoff  des  leiblichen  Genusses,  sondern  auch 
der  geistigen  Erhebung,  Erfüllung  und  Vertiefung  s.  Je- 
saia  5,  12. 

§  389.  Das  Judentum  und  die  jüdische  Ethik  im  be- 
sonderen muß  sich  in  Lehre  und  Übung  dem  Weltlaufe,  dem 
Verhalten  zur  Industrie  und  dem  Verkehr,  zur  "Wissen- 
schaft und  Kunst,  zur  gesamten  Gesellschaft  und  dem  Staat 
zuwenden.  Die  Gesichtspunkte  und  Beziehungen,  welche 
mehr  oder  minder  vernachlässigt  sind,  müssen  hervor- 
gekehrt werden.  Dabei  hat  die  jüdische  Ethik  nur  auf 
ihre  eigene  Höhe  emporzusteigen.  Die  Grundsätze  sind 
in  ihr  alle  und  auf  eine  solche  Weise,  mit  solcher  Kraft 
und  Fülle  und  Tiefe  gegeben,  daß  sie  hinter  keiner 
ethischen  Theorie,  welche  irgendwo  in  der  Entwicklung 
der  Menschheit  hervorgetreten  ist,  zurücksteht.  Aber 
eine  lange  Zeit  ist  die  ethische  Betrachtung  abgetrennt 
von  dem  öffentlichen  Leben,  von  der  allgemeinen  Kultur, 
von  der  Gestaltung  und  den  Institutionen  der  Gesell- 
schaft geführt  worden.  Nur  die  Privattugenden  des  Ein- 
zelnen, die  Normen  der  individuellen  Gesinnung,  die 
einzelpersönliche  Beziehung  war  ihr  Augenmerk.  Ver- 
schleiert aber  war  der  Blick  auf  die  Berufsarbeit  und 
die  Berufsaufgabe  des  Menschen,  auf  die  allgemeine  Auf- 
gabe der  Kulturtätigkeit  und  der  verpflichteten  Teilnahme 
des  Einzelnen  an  derselben  und  auf  die  sozialethische 
Bedeutung  des  Einzelnen  und  seiner  Lebensführung.    Daß 


Jll.    Der  V.  Bittlicbi 

ich    bei   anderen  Religionen   und   ihren  ethischen 
der  Fall  ist,  kann  mit  Bestimmtheit  behauptet 
und  nachgewiesen  werden;  ans  aber  liegt  hier  die  Kritik 
anderer  Systeme  fern;  nur  an  dem  positiven  Aufbau  des 
•neu   haben  wir  zu  arbeiten.     Dabei  aber  liegen  uns 
jen   durchaus   fern,   welche   noch  vor  einem 
Menschenalter  die  Gemüter  in   Bewegung  gesetzt  haben. 
Eine  solche   i  ist  die  nach  dem  Verhalten  der  Re- 

ligion zu  den  Naturwi  haften,  zu  der  mechanischen 

ltauffa88ung.  Wir  wissen  heute,  dafi  die  ererbten 
Gedankenkreise  und  die  Schriftwerke,  in  welchen  wir  tue 
historische  Grundlage  unserer  eigenen  sittlichen  Welt- 
betrachtung  finden,  gelegentlich  auch  Ansichten  und  Er- 
zählungen über  Naturereignisse  enthalten:  Ansichten, 
denen  die  heutige  Naturwissenschaft  und  für  uns  völlig 
■  t  ab  alle  künftige  Naturwissenschaft 
wid(  wird.     Aber  wir    wissen    auch.   dal.    eben 

'       i.  die  wir  ihrer  religiösen  und  ethischen 

d   mit  blecht    als   heilige  bezeichnen,  keine  Natur- 
lehre enthalten  wollten  oder  konnten;  wir  wissen,  dafi  die 

Mir  allmählich  erwoi  ben  n konnten; 

wir   wissen   aber  auch,   daß  der  ethische  Wert  und  die 

heiligen  Schriften   völlig  unabhängig  isl 

den  zu  illigen  im  Erwähnungen  einer 

kindlichen  A  m  Natnri  i         nungen. 

Die  hi  \\  eltbetrachtung  und  ihre 

hieden  voneinander, 


Ethik  und  Naturwissenschaft.  177 

aber  sie  widersprechen  einander  nicht;  grundverschieden  im 
Ausgangs-  und  in  den  Zielpunkten  der  Gedanken,  können 
sie    doch   in    voller   Harmonie    nebeneinander   bestehen; 
die  Wahrheiten,  welche  die  eine  sucht  und  findet,  werden 
von    der   auderen   mit  Fug  weder  bestritten  noch  aner- 
kannt;   sie  sind  nicht  aufeinander  gegründet,    noch  von- 
einander  abhängig.     Die   ethische   Weltbetrachtung   und 
Lebensgestaltung  übt  höchstens  auf  die  Energie,  auf  die 
Absicht  und  die  Anwendung  der  Naturwissenschaft  einen 
leitenden  Einfluß.  Sie  kann  die  allgemeine,  sogar  bestimmte, 
besondere    Forschung    grade    jetzt    zur   Pflicht   machen, 
sie  kann  ihren  Erfolgen  (z.  B.  der  Gesundheitslehre,  der 
Statistik)    einen   besonders   fruchtbaren  Einfluß  auf  sitt- 
liche Lebensführung  abgewinnen  und  ihnen  deshalb  einen 
ethischen  Wert  beilegen;  auf  den  etwaigen  Inhalt  aber 
der   erstrebten  Naturerkenntnis,    auf   den  Ausgang,    die 
Methode  und   den  Erfolg  einer  Forschung  übt  sie  nicht 
den  geringsten  Einfluß.    Umgekehrt  schließt  die  erworbene 
Ansicht    von    den   Naturerscheinungen,    von   ihrer   Ent- 
stehung  und    den   Gesetzen  ihrer  Entwicklung   keinerlei 
Gedanken  ein,  welche  die  sittliche  Aufgabe  des  Menschen 
bestimmen.     Die  Naturwissenschaften  mögen  weit  voran- 
geschritten oder  zurückgeblieben  sein,  so  werden  die  In- 
halte  und    die  Blüte   der  ethischen  Wissenschaft   davon 
unmittelbar  nicht  berührt. 

Vollends   nun   in   längst   vergangenen  Zeiten,    als    die 
Methoden,  also  auch  die  Erfolge  der  Naturforschung  noch 

Lazarus.  Ethik  des  Judentum»  IL  12 


176  Hl.   Der  Weg  zur  Sittlich* 

uui'  sehr  niedrigen  Stufen  standen,  die  ethischen  I 
Binnungen  in  den  edelsten  G-emütern  and  schöpferischen 
Q-eistern  zur  Reife  und  Tiefe  gediehen  waren,  tritt  ihre 
ceit  voneinander  deutlich  zutage;  es  wäre 
deshalb  ebenso  ungerecht  und  unweise,  den  Wert  jener 
ethischen  Lehren  nach  dem  Blaße  der  völlig  unzuläi 
liehen  Naturansichten,   die  damit  äußerlich  und  zufällig 

»bunden  sind,  zu  erniedrigen,  wie  es  töricht  und  durch- 
aus vergeblich  wäre,  die  aller  heutigen  Erkenntnis  wider- 
sprechenden Erzählungen  "der  Theorien  von  Ereignissen 
deshalb  für  wahr  halten  zu  wollen,  weil  sie  aus  jenen  in 
ethischer  Hinsicht  SO  lauteren  und  erhabenen  Quellen 
stammen. 

l>a>  Q-esetz  fordert  Allgemeinheit,  also  Gleichheit;  die 
Kultur,  ihr  Reichtum,  ihre  Fülle  usw.  erfordert  Mannigfaltig- 
keit. Di(  Individualität.  8.  W.  ▼.  Humboldt 
und  die  Mischna  Sanhedrin  IV.  '  .    Talente  können 

1   Deshalb  wurde  der  Mensch  als  Einzelner  erschaffen,  um  dich 

d    Wer  eine  einzige  Seele  in  Israel  vernichtet,  'lern  rechnet 

es  die  S'-hrifi  an,  al9  halte  er  eine  volle  (ganze)  Well  vernichtet; 

und  wer  eine  einzelne  Seele  in  I  rhült,  dem  rechnet  es  die 

S  iir.ii    in,   rils  hätte   >r   eine   ganze   Welt   erhallen.   —  Wertung 

I  —  Und   wegen   des  Frieden!  unter 

nämlieb  nicht  ein  M  na  b  zum  andern  spre 

Mein  x-  r  (vornehmer)  als  d  sin  Vater;   und    damil 

die  Mii  iei   nicht  sprechen     '  G  I   im  Himmel,  um 

ii  ol  i !    kund    eu  tun.     Bin 

Me  igl  viele  Prägungen  mit  eine  ',  und  ben 

r  andern,  der  He  I  prägt  jeden 

Mei  sicgel    des   ei  slen    Mena  h<  n,   un  l    nicht  ein 


Verschiedenheit  ist  keine  Dekomposition.  179 

■wir  nicht  schaffen;  aber  Fleiß  und  Gesinnung  liegt  in 
unsrer  Hand.  Sie  zu  pflegen  ist  heilige  Aufgabe.  Ver- 
gleich mit  anderen  Arten  von  Wissenschaften  und  Litera- 
turen. 

§  391.  Das  wäre  eine  dürftige  Kultur,  welche  keine  Ver- 
schiedenheit erträgt.  —  Verschiedenheit  der  Gruppen, 
Richtungen.  —  (Berufsarten,  Religionen,  freie  Verbände). 
Dies  gegen  Paulsen  und  Mommsen.  Stämme  mit  verschie- 
denen Talenten,  Schwaben,  Sachsen  usw.,  Juda  und  Israel, 
die  Griechen.  Rom  aber  läßt  die  Individuen  unbeachtet 
und  nur  im  Innern  Interessengruppen  bestehen,  aber  im 
Kampfe  miteinander. 

Verschiedenheit  ist  keine  Dekomposition,  sondern  Kitt. 
—  Die  Einerleiheit  erzeugt  Zentrifugalität  —  die  Mannig- 
faltigkeit wirkt  zentripetal!  Fortbewegung  der  Geschichte 
im  Kampfe  beider;  beides  ist  erforderlich.  Maß  als 
Forderung  und  Abwechslung  (im  Laufe  der  Zeiten  — )  als 
historische  Tatsache  und  Erfolg. 

In  einem  Volke  kann  auch  beides  nebeneinander  wirken, 
z.  B.  in  der  Politik  Mannigfaltigkeit  und  in  der  Religion 
Einheitsstreben,  desgl.  in  Kunst,  Industrie,  Wissen- 
schaft. 

Gruppenbildung  ist  notwendig;  nicht  bloß  geduldet; 
sondern  gepflegt.    Aus  verschiedenen  Gruppen  entwickelt 


einziger  von  ihnen  gleicht  dem  andern.  Deshalb  ist  jeder  einzelne 
verpflichtet  zu  sagen:  Um  meinetwillen  wurde  die  Welt  er- 
schaffen.    D.  H. 

12i: 


]80  »II     Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

I    schließlich    Individualität    der    Einzelnen;    Gruppen 
Bind   der  Nährboden  der  Individualitäten. 

Da-  Konservatismus  beruht  auf  Gesetz,  Allgemeinheit, 
im   der  Norm;  aber  der  Gegensatz  gegen  ab- 
soluten   lvonservatisin'.  nicht    bloß    Verletzung    des 
Umsturz  (N(  uerungssucht),  Wechsel  und  Wandel 
überhaupt,  sondern  auch  das  Schöpferische. 

Beharren  kann  aus  Gesetzlichkeit  stammen,  aber  auch 
aus    Trägheit  und    sozial:    aus    Interesse    der    Be- 

bten.        Das  Schöpferische  verlangt   Energie  und 
setz  und  <  •  lichkeit,  aber  auch  für  die  neue  Form, 

für  das  Fit;  rebildete. 

sl  nicht  abstrakte  Allg«  meinheit,  Gleichheit  das 
1,   sonder:  cnikeit,  Gesamtheit,  —  des- 

halb ist  Individualität  notwendig.  Allgemeinheit  ist  nur 
numerische  Wiederholung;  Gesamtheit  i^t  quali- 
tative Steigerung. 

Der   Einzelne  hat  sein  be>\>-    Wesen  and  Beinen  Werl 
v.u.         eise  in  dem.  wodurch  er  Glied  einer  Gesamtheit 
echtlicher  der  K      I     emeinschaft,  als  religii 
•  Kur.  3prachi  ,  Berufsarbeit,  ökono- 

a    rk  e  ii.  usw. 
Man  soll  die  Mi  d  lehren,  Bicb  immi 

zu  '  ,  .        .'.  I    habm.  « 


.  |  verächtlich  nicht    'lies    ist  -  nlimmsle 

ei  die  Verachtung  tragt,    dso  lein  Schaden,  sondern 


Verschiedenheit  ist  keine  Dekomposition.  181 

Wie  das  Individuum  zu  einer  Gemeinschaft,  so  sollen 
die  Gemeinschaften  zum  größeren  Ganzen  stehen.  Ist 
das  größere  Ganze  organisiert,  —  desto  besser; 
die  Organisation  gewährt  Vieles,  —  das  Beste  aber 
ist  der  Anlaß  zur  Leistung  des  Gliedes;  sie  be- 
stimmt und  fordert  und  dadurch  fördert  und  sichert  sie 
die  Leistung.  Aber  auch  ohne  Organisation  soll  man 
sich  als  Glied  wissen  und  zum  Ganzen  streben  (große 
Städte,  große  Gemeinden  pflegen  selbstbewußt  und  selbst- 
gerecht dagegen  zu  fehlen). 

Sukka  5a:  Vom  alten  Hillel  geht  die  Sage:  Wenn  er 
am  Wasserschöpffeste  erfreut  war,  pflegte  er  zu  sagen: 
Wenn  ich  (Gott)  hier  bin,  ist  alles  hier,  wenn  ich  nicht 
hier  bin,  wer  denn? 

Kultur. 

§  392.  mtiMl  bn,  du  sollst  nicht  verderben.  Der  Grund 
ist  dreifacher  Art: 


daß  die  Gesellschalt  es  erleidet,  ihn  verachten  zu  müssen.  Nicht 
sein  Gefühl,  das  der  Gesamtheit  ist  das  Wichtigste.   — 

Umgekehrt  bei  ehrenvoller  Handlung,  bei  schöpferischer  Tätig- 
keit usw.  —  Jeder  einzelne  kann  Glied  vieler  Gemeinschaften  sein; 
ist  es  bis  zu  einem  Grade  auch  unwillkürlich  und  unbewußt;  er  soll 

es  aber  absichtsvoll  und  bewußt  sein. Die  Vielheit  und 

Mannigfaltigkeit  der  verschiedenen  Kreise,  zu  denen  einer  gehört, 
sollen  einander  nicht  widerstreiten;  sie  können  und  sollen 
einander  stärken;  der  bessere  Familienvater,  Stadibürger,  Kirchen- 
glied ist  auch  der  bessere  politische  Bürger  —  hier  in  dieser 
Mannigfaltigkeit  der  Kreise  liegt  der  beste  Anlaß  zur  Schöpfung 
und  Ausübung  der  Individualität;  je  nach  Talent  und  Energie 
stellt  sich  das  Zentrum   für   die  verschiedenen   Kreise   verschieden. 


L82  HI.   Der  Weg  zur  Bittliohk« 

1.  privat-ökonomisch, 

2.  national-ökonomisch. 

3.  kultur-ökonomisch.  — 

Nicht  blol'i  der  materielle,  sondern  der  ideale  \\  i  rt, 
die  ordnende,  schaffende  Tätigkeit  ist  an  einem  Objekte 
offenbart  und  soll  nicht  zerstört  werden. 

Alle  Veredlung  der  Stoffe  durch  die  Form,  den  Ge- 
danken, die  Verbindung  mit  der  Idee  soll  so  lange  wie 
möglich  erhalten  bleiben.  Auch  in  dem  Naturgebilde 
ist  ein  Aufstieg  von  der  geringeren  zur  höheren,  TOn  der 
dürftigen  zur  reicheren  Form;  die  elementaren  Stoffe,  — 
die  unverwüstlich  sind.  —  haben  Gestalt,  Wirksamkeit, 
Leben  gewonnen:  Mineral  —  Kristallisation,  Pflanze, 
Tier  — ;  die  Form,  das  vollkommenere  Sein  soll  nicht 
ätört  werden. 

Verbot  r'~2T  ~2  hat  durchaus  nicht  bloß  ökono- 

mische    Bedeutung,  sondern  jedermann  i-t    Verwalter  des 

Natur-   und  Kulturguts    und   muß  für  dessen  Erhaltung 

mit  In  der  Er:  i '  ung  ist  das  besonders  notwendig, 

dem  Zerstörungstrieb,  obwohl  dieser  nur  eine 

•.  der  au  ine 

■    will.     S.  Steinthal ,  „1  'S.  1 7   in 

11;  •   r.  Jahrbuch  L901    -  l  6ff. 

893     In   ler  Technik  de    Lebens  bedürfen  wir  un- 
i]  tschreitenden  Bi  lehrung  auch  durch  Wissen- 
•  und  Kunst,  durch  Kulturschöpfung  über- 
bau] \    Lker,  die  schöpferischen 


Mannigfaltigkeit  der  Kultur  und  Ansichten.  183 

Gesamtheiten,  in  deren  Mitte  wir  leben,  sie  bedürfen.  Wir 
bedürfen  dieser  Belehrung  und  Anwendung  und  sind  da- 
zu —  wie  die  Geschichte  des  letzten  Jahrhunderts  be- 
weist —  befähigt.  Die  Ethik  des  Lebens  aber,  ihre 
Prinzipien,  Gesetze  und  ihre  Gesinnung  besitzen  wir  im 
Judentum  selbst,  hier  bedarf  es  nur  seiner  eigenen  fort- 
schreitenden Entwicklung,  welche,  wie  sie  im  Laufe  der 
Jahrtausende  sich  vollzogen  hat,  sich  immer  weiter 
vollziehen  soll  und  zuversichtlich  vollziehen  wird.  —  Es 
ist  historisch  sehr  interessant  zu  beobachten,  wie  selbst 
diejenigen  Richtungen,  welche,  wie  die  Orthodoxie  und 
selbst  die  Mystik,  — Kabbalisten,  Chassidäer  —  vermeinen, 
ganz  auf  dem  Standpunkt  der  bloßen  Tradition  zu  stehen, 
gleichwohl  an  der  tieferen  Begründung  und  dem  Aus- 
bau des  ethischen  Systems  mitgearbeitet  haben. 

Mannigfaltigkeit  der  Kultur  und  Ansichten. 

§  394.  Innerer  Reichtum  der  Kultur,  Mannigfaltigkeit 
der  Fähigkeiten  und  Bestrebungen,  "Wettkampf  der 
Lebensformen  usw.  ist  notwendig.  Vergl.  die  Legende 
von  Ketia  bar  Schalom,  er  sagt  dem  Kaiser,  der  die 
Andersgläubigen  vernichten  will:  „Dein  Reich  ist  dann 
ein  lückenhaftes."     S.  Ab.  zar.  10 b. l 


1  Ein  Kaiser,  der  die  Juden  haßte,  sprach  zu  den  Vornehmen 
der  Regierung:  "Wenn  einem  ein  Geschwür  an  seinem  Fuß  ge- 
wachsen ist,  soll  er  es  wegschneiden  und  leben,  oder  lassen  und 
leiden?  Sie  erwiderten  ihm:  Er  soll  es  wegschneiden  und  leben. 
Da  sprach  Kelia  b.  Schalom    zu    ihnen:    Erstens,    du   wirst    ihnen 


181  Hl.   Der  \\Vg  zur  Sittlichkeit 

Ethik  und  Kunst,  Industrie,  Bande]  und  Verkehr. 

|  ;'.'"..  Kultur  und  Arbeit.  Pinsische  Notwendigkeit 
und  sittliche  Aufgabe  begegnen  sich  in  der  Tatsache,  daß 
zur  Erhaltung  der  Gesamtheit  eine  Summe  von  Arbeit  roll- 
sogen werden  mulJ.  in  welche  sich  die  Menschen  zu  teilen 
haben.  Jeder  Einzelne  soll  einen  Teil  dieser  Arbeit 
tan;  nicht,  wie  nach  dem  physischen  Bedürfnis,  seinen 
Teil  für  sich  Belbst,  sondern  einen  Teil  für  alle.  Km 
Austausch  der  Arbeit  ist  notwendig,  desto  mehr,  je  höher 
die  Kultur  steigt 

Kultur  ist  die  Vermittlung  zwischen  physischer  Not- 
wendigkeit und  sittlicher  Aufgabe. 

Die  kulturlosen  Stufen  isolieren,  gestatten  vereinzelte 
Arbeit  für  den  Einzelnen  oder  engsten  Kreis.  Kultur- 
stufe;, .leder  Beruf  fordert  Arbeil  für  andere;  auch 
Handel  und  Verkehr  wird  notwendiges  Glied  in  der 
Kette    les  A  ehes.    Je  niedriger  der  sittliche 

9  ind,  desto  mehr  Sklarerei  und  de-4o  mehr  Verachtung 
der  Arbeit.    Die  jüdische   Grundanschauung  selbst 

lies  m^y1?  >  und   vorher  schon  ntP23l9  Die 

allen  ni  l>i  men,  <!•  10     „heim  vaito 

-,  wie  <Iie  \ier  Himme  ha  o  ich  euch  au  et" 

Was  meint  er  (S  >  n  cn :    Du  liast  sie  hii 

ilreul  m  ilie  vier  ll  ^enden,  s<>  müßte  es  heißen:  nmn  "\b. 

\     in    wie    die  Well    nicht    denkbar    ist  ohne  <lie  vier  Himn 
,si  <lic  Well  nicht  ohne  Israel  denkbar,    bann  a 
wird  dich  (dein  Reich)  ein  venlümrj  lückenhaftes    !• 

D    ll  i  Gi     i  i  2,  15.  >  Daa   l, 


Wissenschaft  und  ihre  Würdigung.  185 

Arbeit  und  Bearbeitung  der  Erde  erscheint  nicht  als 
egoistisches  Motiv,  sondern  als  Gesamtaufgabe.  Der 
Sklaverei  wird  früh  ein  Gegengewicht  gesetzt,  wenigstens 
im  Sabbat:  my  ]ynb.1  Jeder  soll  arbeiten:  .  .  .  "p-ü'1  ]ynb 
ntryn  iws  "pp  ntyye  fcn> 

Jeder  Gewinn,  der  nicht  durch  wirkliche  Arbeit 
und  Leistung  herbeigeführt,  sondern  nur  auf  dem  Ein- 
verständnis des  anderen,  also  nach  Spielregeln,  Wett- 
gesetzen und  Wucherverträgen  erzielt  wird,  entwürdigt 
die  Person;  und  wer  diese  Art  des  Spiel-  Wett-  und 
Wuchergewinns  zu  seinem  Gewerbe  gemacht,  büßt  die 
Fähigkeit  ein,  vor  Gericht  als  Zeuge  aufzutreten.  Siehe 
Mischna  Bosch  hasch.  I,  5  und  Sanhedrin  I,  3.  Nicht 
bloß  die  Ungerechtigkeit  gegen  den  anderen,  die  Schä- 
digung desselben,  sondern  die  eigene  Entwürdigung 
ist  es.  —  Daher  auch  Annahme  von  Gaben  außer  im 
Falle  größter  Not  streng  verpönt.  Spr.  Sal.  15,  27.  Vgl. 
Maimonides,  Hilchoth  Matnoth  Anijim  IX  u.  X,  der  darin 
bis  zum  äußersten  geht. 

§396.  Wissenschaft.  Der  objektive  Geist  soll  erhalten 
und  gefördert,  fortgebildet  werden;  dazu  gehört:  Wissen- 
schaft; subjektiver  Geist;  aber  nicht  bloß  Gelehrsam- 
keit, Wissen  von  einzelnen,  sondern  der  Gesamtgeist; 
der  Durchschnitt,  das  Niveau  soll  gehoben  werden. 

Der  Idealismus  der  Rabbinen  äußert  sich  auch  darin, 
daß  namentlich  die  geistige  Tätigkeit  von  allem  Nutzen, 

1  Deuter,  5,  14.  2  Das.   14,29  u.  a. 


186  III.   Der  Weg  zur  Bittliohk«  I 

aller  Selbstsucht  und  der  Befriedigung  sinnlicher  Bedürf- 
I  wird;  auch  vom  Ehrgeiz;  „nicht  zum  Spaten, 
um  damit  zu  graben,  und  nicht  zur  Krone,  um  sich  da- 
mit zu  schmücken".  S.  Pirke  Aboth  I V.  7.  Erzäh- 
lungen von  der  8,UÜer8teiI  Strenge  darin  bewahrt  der  Tal- 
mud: die  Almosenverteilung   Rabbis.1 

Die  Würdigung   der  Wissenschaft    bei    den    Kabbinen 
zeigt  sich  in  den  Vergleichungen,  welche  Bogar  rechtliche 
itimmungen   nach  -ich  ziehen.     S.  Horaj.  13*:  [st  der 
stard    ein    Gelehrter   und    der    Hohepriester    ein    Un- 
Sender,   SO    geht     der    Ba>tard,    der    ein    Gelehrter   ist, 

i  Hohenpriester,  der  ein  Unwissender  ist,  vor. 
Noch   merkwürdiger  ist  die  Steigerung  das.:    Der  Ge- 
lehrte  gehl  dem  Könige  von  Israel  vor;   denn  wenn  ein 
•  rbt,  bo  gibt  es  für  uns  nicht  Beinesgleichen, 
Btirbt  aber  •  in  König,  bo  sind  alle  Israeliten  des  König- 
tums würdig. 

Der  König  geht  dem  Hohenpriester  voran. 
Wei  r    Weise    dem    Könige    \  d    wird,   weil 

:  etzt,  erwählt  werden  kann,  jeder  wahl- 
müßte tlich  auch  der  Priester,  der  doch 
,n    muß,   ebenfalls   vorangehen.  nicht 
Grund                       der  König  durch  Wahl  i 
lieh                  um  die  absolute  Schätzung  handelt  es  sich. 

n  Auir.'im.  •  Rabbis,  gibt 

er    tuf  Armenunterslölzung  anf    i       n  ist,   als  Am  ha- 
l  lirr  der  Th  ira1    Nutzen  tu  liehen 


"Wissenschaft  und  ihre  Würdigung.  187 

Zivilisation  (Industrie,  Teilung  der  Arbeit,  Verkehr 
und  Austausch),  der  Segen  derselben  und  ihr  Erfolg  für 
höheres,  edleres  und  reicheres  Streben!  Sie  befreit  den 
Menschen  von  der  Überlast  der  Arbeit,  die  er  zur  Be- 
friedigung der  einfachsten  natürlichen  Bedürfnisse,  zur 
Nahrung,  Kleidung,  Wohnung  aufwenden  muß,  und  ge- 
stattet ihm,  sich  und  seine  Kraft  zu- konzentrieren,  voll- 
kommenere und  höhere  Leistung  zu  gewinnen. 

Vom  Kulturzusammenhang  und  der  Teilung  der  Ar- 
beit samt  den  günstigen  Folgen  derselben  durch  das 
Ineinandergreifen  der  verschiedenen  Tätigkeit  haben  die 
Pabbinen  klare  Vorstellungen. 

Wie  Plato  in  der  Republik,  so  hatte  auch  Ben  Zoma 
bereits  eine  deutliche  Vorstellung  von  diesem  schöpferi- 
schen Erfolg  der  Teilung  der  Arbeit  s.  Berach.  58a 
und  Toseftha  Berach.  Per.  VI.  Ben  Zoma  sah  eine  Men- 
schenmenge auf  der  Höhe  des  Tempelberges  und  sagte: 
Gebenedeiet  sei,  der  das  Verborgene  weiß,  und  gebene- 
deiet sei,  der  alle  diese  erschaffen  hat,  um  mir  zu 
dienen.  Dieser  Ausspruch  des  Ben  Zoma  zeigt  deutlich, 
daß  er  unter  den  Geheimnissen  (D*nn)  den  verborgenen  Zu- 
sammenhang, das  Ineinandergreifen  der  Kulturtätigkeit 
versteht. 

Mischungen  (und  Analysen),  die  der  Mensch  entdeckt 
oder  vorfindet,  und  Feuer,  das  er  künstlich  erzeugt  und 
verwendet,  stehen  höher  als  bloße  Naturprodukte.  „Das 
Feuer   und    die   Mischungen    sind    nicht   von    den    sechs 


III.   Der  Weg  rar  Sittlichkeit. 

T    -.      der  Schöpfung  her,  aber  Bie  Bind  von  den  Becha 
;en  der  Schöpfung  her  gedacht."1 

E1  liik  in   der   Berufsa  rbeit. 
§  397.    Allerdings  sind   die  menschlichen  Tätigkeiten 
Vorzugs  durch    ökonomische  Beziehungen   geordnet. 

Aber  jede  Arbeit  hat  einen  ethischen  Hintergrund, 
und  je  mehr  das  Individuum  sich  desselben  bewulJt  wird. 
desto  mehr  wird   sie  dem  ethischen  Ziele   ent.^epenreifen. 

Der  ethische  Zweck  des  Arztes  liegt  klar  vor  An 
das    Lehen    der    anderen    verlangern,    Knute    erhalt 

leil  mindern.  Das  praktische  Getriebe  des  Berufes 
bewegt  sich  in  den  Bahnen  der  bloßen  Kausalität;  Kunst 
und  Übung  mögen  das  Interesse  fast  ganz  in  Anspruch 
nehmen,  und  der  ökonomische  Erfolg  des  Gewerbes  einen 
starken  Hebel  bilden;  —  bei  edleren  Naturen  wird  doch 
die  ethischf  Gesinnung  das  Hergebende  werden  und  in  der 
ethischen  Leistung  die  moralische  Befriedigung  gewährt 

.  Ohne  Zweifel  wird  die  moralische  Gesinnung  auch 
die  Technik  Einfluß  üben.  I  >as  moralische  I  reftLhl  des  A  r. 

•  ii  seine  technische  Pähigki  ine  Kenntnis  und  seine 

I  bung  nicht«  o;  aber  sie  wird  die  Erleuchtung  fördern, 

spannen   und  dem  Willen  En  geben.  — 

Und  warum  sollten  nichl  auch,  grade  so  wie  der  Arzt, 

der  Koch  und  der  Kellner  sich  »erhalten?  Warum  sollte 

iit.  dir  Hungrigen  zu  Bättigen,  ■  !:••  Ermatteten  zu 

1   v.  :.i    Berach.  54*;    Abotfa  V,  9;    Mechütha  Beschallach  tu 

16,  .'.2  und  Sifrö  I  .  tu  Deul  33,  21.     D  n 


Arbeitspflicht  des  Menschen,  auch  der  Frau.  189 

laben,  als  deu  Kern  und  das  ethische  Ziel  seines  Berufes 
ansehen?  Wir  stecken  noch  zu  tief  in  der  egoistisch- 
ökonomischen Anschauung  des  Berufslebens. 

Es  sollte  doch  jeder  einsehen  lernen,  daß  sein  Leben 
und  Tun  zum  Ganzen  des  Kulturgetriebes  gehört,  daß  er 
ein  Stift  oder  eine  Schraube  im  großen  Mechanismus  des 
Gesellschaftslebens  ist,  und  an  diesem  Gedanken  min- 
destens in  geweihten  Stunden  —  wie  Sonntags  der  religiöse 
Mensch  in  der  Kirche  —  sich  erheben.  Auch  ohne  diese 
ErhebuDg  kann  und  soll  der  Aufwand  moralischer  Ge- 
sinnung im  Verkehr  —  in  Rechtlichkeit,  Billigkeit  usw. 
das  Leben  ethisch  gestalten,  aber  den  Zweck  des  Daseins, 
Lebens  und  Wirkens  erkennen  ist  wahrhaft  menschlich. 

Arbeitspflicht  des  Menschen,  auch  der  Frau. 

§  398.  Obgleich  die  Verpflichtung  der  Arbeit  für  den 
Mann  je  nach  den  Umständen  und  als  Rechtsfrage  sehr 
verschieden  ist,  so  wird  doch  auch  Arbeit  von  der  Frau 
gefordert,  „weil  Müßiggang  zur  Ausartung  (riOV)  führt"  — 
und  trägt  der  Mann  selbst  die  Schuld  ihres  Müßiggangs,  so 
fordert  R.  Simeon  ben  Gamliel,  daß  er  sich  von  ihr  scheide; 
denn  der  Müßiggang,  zu  dem  er  sie  verurteilt,  führt  zur 
Geistesstörung  oder  Geisteszerrüttung.  S.  Kethub.  59 b: 
Auch  wenn  jemand  inbezug  auf  seine  Frau  ein  Gelübde 
tut,  daß  sie  nicht  zu  arbeiten  brauche,  so  muß  er  sich  von 
ihr  scheiden  lassen,  und  er  gibt  ihr  ihre  Hochzeitsver- 
schreibung (Kethuba),  denn  Müßiggang  führt  sie  zur 
Geistesverwirrung. 


190  UI.    Der  Weg  zur  Sittlich;, 

S t  iid  i  um.  Erkenntnis  and  Tun. 
§  399.  Wie  ein  Widerspruch  erscheint  e-.  daß  eine] 
unendlich  oft,  mit  dem  größten  Nachdruck  nsw.  das  Stu- 
dium des  Gesetzes,  das  Wissen,  die  Weisheit  und  Er- 
kennte rt,  gepriesen,  aber  alles  an  "Wert  erhoben 
wird:  C^ID  1333  min  TlD^n; '  auf  der  anderen  Seite  aber 
immer  wieder  eingeschärft  wird:  nicht  das  Studium,  die 
Tat  ist  die  Hauptsache,  der  Grund,  die  Wurzel  uew.a 
Auch  daß  es  etwa  verschiedene  Personen  sind,  welche 
eine  oder  das  andere  Lehren,  selbst  verschiedene 
Zeiten  oder  Schulen,  können  den  Widerspruch  nicht  lösen, 
denn  beides  wird  in  einer  Art  und  in  einein  Maße  vor- 
getragen, daß  man  überall  deutlich  wahrnimmt,  es  ist  der 
i,  ist  des  Volk«  ist  die  Seele  der  Gesamtheit,  der 
allgemeine  Kern  des  inneren  Lebens,  der  Bich  darin 
spricht     Vielmehr   Liegt   die  Lö  darin,   das  eine 

Leu    Sinn   und  Zw«  .1;   des  Studiums,   da-   andere 

Art  und   Form  der  Tat 

Gelehrsamkeil    an   sich  ist  nichtig,   macht  citri  (nicht 

,  den  Einzelne!       inze  Zeitalter,  die  Gesamtheit  usw.), 

wenn  rie  vorhandene,  Ged  inken  wiederfinden, 

durch  Kritik  wieder  herstel  Qt  erläutern  will 

'   I'.-.il,  I,  I.  ti  I,  17;  S         b  XL     A      . 

,    ■    j,  ,t  .  Sl  idium     So  pfli 

lt.    .  zu     tun      Wenn     .-r  1    eine     Lei  \ic    '"ler    eine 

,    i  nun  r-  ■■  lei  H  wurden,  blickte 

hülei  und   sprai  b  zu  ihn  n    Die   l  >'  hal  den  Vor- 

. --ii.     V<  Ifa  IV.  22.     D.  II 


Studium  und  Tun.  191 

und  damit  den  Zweck  der  Tätigkeit  erfüllt  findet;  wenn  sie 
in  der  geistigen  Beschäftigung  mit  dem  würdigsten  Gegen- 
stande (die  Natur,  ihre  Erscheinungen  und  Gesetze,  oder 
die  Lehren,  Schöpfungen,  Handlungen  des  menschlichen 
Geistes,  Geschichte   und   Gesetze),    weil    eine    wertvolle, 
eine  absolut  wertvolle  Tätigkeit  findet.    In  Wahrheit  soll 
dies    alles   bloß    Mittel   sein;  jede   historische   und  jede 
kritische    Erörterung     früherer     Gedanken    (Gelehrsam- 
keit) soll  den  Zweck  des  ursprünglichen  Gedankens 
erfüllen.    Das  ist  die  Frage:  was  wollte,  was  leistete  der 
frühere  Gedanke,  die  Schöpfung,  Lehre,  das  Gedicht,  Gesetz; 
diese,    die    praktische,    die   eigentliche    ursprüng- 
liche   Bedeutung    soll   wiedererweckt,    womöglich    ge- 
klärt, verstärkt   werden.     Alle  geistige  Arbeit  soll  Ver- 
edlung des  ganz  en  Menschen  sein,  d.h.  also  neben  Verstand, 
Phantasie  usw.  vor  allem  den  Kern  und  Mittelpunkt,  das 
sittliche  Bewußtsein,  den  sittlichen  Willen  treffen.     Von 
solcher  Art  muß  auch  die  Gelehrsamkeit,  alle  Feststellung 
und  alle  Verfeinerung  und  Fortbildung  des  Gesetzes  sein. 
Auf  der  anderen  Seite  kann  die  Praxis  niemals  ihren 
Wert  und  ihre  Würde  in  einem  unwissenden  Geiste  er- 
reichen;  die  sittliche  Praxis  ist  keine  bloße  äußere  Tat; 
in   einem    wissenden  und  wissenschaftlichen  Geiste  geht 
die  Tat  auf  die  Wurzel,    auf  den  Zweck  und  die  histo- 
rische Entwicklung  des  Gesetzes  zurückt  sie  ergreift  den 
wirklichen  Zweck  und  Sinn  des  Gesetzes;  in  einem  un- 
wissenden,  unwissenschaftlichen  wird  sie  zur  leeren 


192  in.    Der  Weg  «ur  Sittiichk.it. 

Bülse,  im  Körper  ohne  Geist  Nicht  einmal  das  "pno 
-  K3  TVü&b  vbv*  i>t  darauf  anwendbar;  denn  dieses 
urilt  nur  von  der  Gesinnung ;  also  Z  B.  grade  beim  Stu- 
dium, früher  aus  fremder  Absicht.  Eitelkeit  usw.,  spät-  r 
aus  reiner  Idealitat.  oder:  Wohltaten  aus  Eitelkeit,  später 
aus  reinem   Wohlwollen. 

Für  das  anwissende  Erfassen  der  Dinge  gibt  es  keine 
andere  Etemedur  als  —  Wissen  suchen. 

Wissen  aber  ist  nicht  Selbstgelehrsamkeit.  Die  Ge- 
lehrten müssen  arbeiten,  damit  alle  wissen:  Studium 
also  nicht  bloß  Studium  für  Bich  selbst,  d.h.  für  den 
einen,  damit  seine  Praxis  erleuchtet,  wertvoll,  der  Norm 
und  dem  Zweck  entsprechend  werde,  sondern  damit  (all- 
mählich!) im  öffentlichen  Geiste  Norm  und  Zweck  zu  klarem 
rächt  und  in  klarem  Bewußtsein  er- 
halten w  Dies  ist  besonders  der  Sinn  der  for 

r  von  Generation     Gei  eration  dauernden  Gelehr- 

mkeit.  Weil  dies  Letztere  übersehen  wird,  meint  man,  es 

müßten  neue  Feinheiten,  Fragen  nsw.  ausgebildet  werden. 

Der  Grundpfeiler    der  jüdischen  Ethik    ist    also:    er- 

and  aus  ,], ,   (,,    [nnung  quellendes  Gu1 

i !      G  oll  mit  jener 

Buntheit,  Initiative,  [nnigkeit,  Energie,  bewul 
Klarheit  ergriffen  and  erfüllt  werden,  als  oh  da-  Wollen 
em  eigenen    Begehren  ent  prange:  "JiUTa  WT\  PR 

er  B   igheit,   gleichsam   List    und   Findig- 
"   Nazir   2  I        D.  M  Ibolfa  II,  4.     I»  II. 


Studium  und  Arbeit.  193 

keit,    womit  die  Leidenschaft  ausgerüstet  zu  sein  pflegt: 

nmon  o^ony  —  rrora  nny).    Berach.  i?a. 

§  400.  Eine  Hauptaufgabe  des  Studiums  ist  die  Wahrung 
des  Fortschrittes  durch  Sichtung  des  Überlieferten,  Unter- 
scheidung des  Höheren  vom  Niederen,  des  Ewigen  vom 
zeitlich  Entstandenen  und  Entschuldbaren,  aber  zu  Über- 
schreitenden und  Überwindenden.  Die  Behauptung,  daß 
in  irgend  einer  Literatur  irgend  eines  Volkes  alles  auf 
gleicher  Höhe  stehe  und  stehen  soll,  ist  eine  Dummheit 
und  Unwissenheit,  welche  nur  der  Haß  für  eine  Wahr- 
heit halten,  nur  die  wissentliche  Böswilligkeit  für  eine 
solche  ausgeben  kann. 

Daher  sind  falsche  Apologien  höchst  verwerflich  trotz 
ihrer  besten  Absicht,  oder  weil  die  eigene  Güte  der  Ge- 
sinnung auch  dem  Mangelhaften  und  Unvollkommenen 
früherer  Zeiten  die  eigene  Fülle  und  Vollkommenheit  unter- 
schiebt. Reine  ehrliche  Prüfung;  auch  weil  man  sonst 
den  wahren  Genien,  die  höhere  Stufe  und  Form  gezeigt 
haben,  zu  nahe  tritt. 

Nirgends  in  der  Geschichte  des  Geistes  tritt  uns 
solche  Gleichmäßigkeit  entgegen.  Die  jüdische  ist  reich 
an  mannigfaltigster  Gedankenschöpfung.  — 

Selbst  die  Schädlichkeit  vorhandener,  minder  hoch- 
stehender Aussprüche  beruht  auf  wissentlicher  Lüge. 
Wer  guter  Gesinnung  ist,  wird  nur  vom  besten  angezogen, 
das  ja  auch  allein  in  der  besseren  Zeit  gelehrt 
wird;    wer    schlecht    von    Gesinnung    bei    der    besten 

Lazarii6,  Ethik  des  Judentums  II.  13 


11*  I  ui.   Der  Weg  zur  Bittliohk 

Lehre,   bedarf   der  unvollkommenen  zu  Beiner  Deckung 

nicht.   — 

Dir  Aufgabe  des  Studiums  ist:  den  Fortschritt  anter 
dem  Einfluß  der  allgemeinen  Entwicklung  (und  geg«  n- 
seitigen  Belehrung)  im  Menschengeschlecht  zu  fördern. 
Die  Talmudisten  nehmen  Sittenregeln  aus  allgemeiner 
Sitte  und  einzelnen  historischen  Tatsachen,  Anekdoten 
anderer  Völker  an;  preisen  sie.  halten  sich  nicht  für 
allein  weise,  verwerfen  nicht  das  Fremde  als  solc: 
schreiten  im  Eigenen  fort  durch  Beachtung  und  Ach- 
tung des  Fremden.  (Gegen  blöde  Orthodoxie  mit  ihrem 
D^WI  npn).  Sogar  Formschönheit,  wissenschaftliche  Me- 
thode wird  herüber  zu  nehmen  gepriesen,  als  Segen 
deutet:  "151  ns^  DVl^K  HB\     Megilla  9h. 

§  t"l.  Nach  Tausenden  zählen  die  Stellen  im  Tal- 
mud und  Alidrasch,  in  denen  die  geistige  Beschäftigung, 
Studium  gepriesen  wird.  Die  Vergleiche  mit  allem 
Lobenswerten  usw.  Es  genügt,  eine  Stelle  anzuführen. 
Die  Opfer  bildeten  den  Eöhepunkt  des  Gottesdienstes 
und  die  Ganzopfer,  von  welchen  auch  die  Priester 
nicht  essen  dürfen  .  .  .  Bind  die  wichtigsten.  Aber  in  einer 
Glosse  zu  Ps.  84,  11  l&ßt  EL  Jose  ben  Lei  G  "  :en: 
„Lieber  ist  mir  ein  Tag  de.  Studiums  als  tausend  Ganz- 
opfer"   S.   Makknth   10»  im. 


Handlung  und  Lehre,  Wissen  und  Bildung.  195 

Handlung  und  Lehre,  Wissen  und  Bildung. 

§  402.  Die  Handlung  ist  nur  eine  einzelne,  die  Lehre  aber 
wird  verbreitet  und  vererbt.  Sota  21 a:  Ein  Pflichtgebot 
bietet  nur  Schutz  und  Rettung  zu  der  Zeit,  wo  man  da- 
mit beschäftigt  ist,  zur  Zeit  aber,  wo  man  nicht  damit 
beschäftigt  ist,  gewährt  es  wohl  Schutz,  aber  keine  Ret- 
tung; die  Thora  dagegen  gewährt  sowohl  zur  Zeit,  wo 
man  mit  ihr  beschäftigt  ist,  wie  auch  zur  Zeit,  wo  man 
nicht  mit  ihr  beschäftigt  ist,  Schutz  und  Rettung. 

Wissen  und  Bildung.  Falsch  gestellte  Ziele;  wer 
unfähig  ist  und  doch  mitwirken  will,  wird  zum  Pfuscher 
und  leitet  irre,  die  ihm  vertrauen. 

Schaden  an  seiner  Person,  an  der  Allgemeinheit  derer, 
auf  und  für  die  er  wirkt,  und  an  der  Sache  —  er  hemmt 
und  lenkt  ab.  S.  Chagiga  5b:  Über  drei  weint  der  Hei- 
lige, gebenedeiet  sei  er!  an  jedem  Tage:  Über  den, 
welcher  sich  mit  der  Thora  beschäftigen  kann  und  er 
beschäftigt  sich  nicht  damit;  über  den,  welcher  sich  nicht 
mit  der  Thora  beschäftigen  kann  und  er  beschäftigt  sich 
doch  damit;  und  über  einen  Vorsteher,  welcher  sich  über 
die  Gemeinde  erhebt. 

Die  ideale  Beschäftigung  mit  dem  Schreiben  von 
Büchern,  l^sn  und  JYMtö  (sowie  der  verbreitete  Handel 
damit)  befreit  von  allen  anderen  Pflichten;  folglich 
befreit  auch  jede  Kulturtätigkeit  von  den  Zeremonien. 
S.  Sukk.  26a:  mim  nmDKn  ms»  ^3ö.    Mit  Recht:  wozu 

13* 


196  Hl.    Der  Weg  rar  Sittlichkeit. 

;e  man  Wp,  erlulle  mau  andere  Gebote?    Um  dir  sitt- 
liche  religiöse  Gesinnung,   Idealität   zu  ptlegen.    Dieser 
der   einer   idealen    Beschäftigung    Hingegebene  —  ist 
mitten  in  der  Bewährung  und  Erfüllung  der  Idee. 

Agrikultur. 

§  103.  Nicht  bloß  den  Ertrag  für  sieh  soll  der  Mensch 
bei  der  Bestellung  des  Bodens  Buchen,  sondern  auch  die 
Vollkommenheit  des  Landbaues,  den  Dienst  für  die  Sache. 
..Wer  sich  in  den  Dienst  des  Bodens  stellt,  wird  Beine 
wahre  Sättigung  (Befriedigung)  darin  finden. -  S.  San- 
hedr.  58b:  Der  Boden  wird  nur  den  Herren  der  Arme 
verliehen.  ■  .  .  Wenn  ein  Mensch  sich  selbst  dem  Boden 
wie  ein  Knecht  macht,  wird  er  Brot  die  Fülle  haben, 
wenn  er  das  aber  nicht  tut.  wird  ernichl  Brot  die  Fülle 
haben. 

Dahin  zielt  auch  das  Wort:  ..  Besser,  wer  ein  Feld  pachtet, 
es  beharkt  und  düngt,  als  wer  vi.  le  Felder  verpachtet  und 

unwirtschaftlich  behandelt."  S   Midr.  BerescLr.  Par.  82,2. 
Letztere   kann  ja   immer  noch   gröfr  reu  Ertrag  er- 
zielen, ab«      eine  Leistung  in  der  Sache  isl  gering. 

Wurde  der  Arbeit  und  d<    ungestörten 
I-  •      -.    Ehrerbietung  den  Gelehrten  wird  hoch 

priesen;  der  Bandwerkex  aber,  d<  r  bei  Arbeil  -itzt. 

.■  darf  oichl  pWBTI  pH)  aufstehen,  Dm  »hu  ( Jelehrten 
zu  begrüßen.  Kiddusch.  33":  Handwerker  brauchen  nicht 
vor   den   G       irtea   (eig.    Schülern    der  Weisen)   aufzu- 


Agrikultur.    Gleichwert  der  Arbeit.  197 

stehen  zur  Zeit,  wenn  sie  mit  der  Arbeit  beschäftigt 
sind. 

§  405.  Gleichwert  aller  Arbeit  bei  gleicher  Ge- 
sinnung. Der  Landbau  (Feldarbeit)  wie  das  Gesetzesstudium 
stehen  einander  gleich.  Berach.  17 a:  Ich  bin  ein  Geschöpf 
und  mein  Nächster  ist  ein  Geschöpf;  ich  habe  meine  Arbeit 
in  der  Stadt  und  er  hat  seine  Arbeit  auf  dem  Felde;  ich 
gehe  frühmorgens  an  meine  Arbeit  und  er  geht  früh- 
morgens an  seine  Arbeit;  sowie  er  sich  nicht  hervortut 
in  meiner  Arbeit,  so  tue  ich  mich  nicht  hervor  in  seiner 
Arbeit.  Solltest  du  vielleicht  sagen:  Ich  leiste  viel 
(eigentlich  ich  vermehre)  und  er  leistet  wenig  (eigentlich 
er  vermindert),  so  haben  wir  die  Lehre  (Menach.  5 b  letzte 
Mischna):  Einer,  der  viel  leistet,  und  einer,  der  wenig 
leistet  (sind  sich  gleich),  wenn  nur  sein  Herz  zum  Him- 
mel gerichtet  ist.  Sehr  beachtenswert  ist,  daß  der  Aus- 
spruch als  ständiger  Ausspruch  im  Munde  der  Rabbinen 
von  Jamnia  angeführt  wird.  Wegen  der  ethischen  Ge- 
sinnung sind  beide  gleichgeachtet:  Die  Leistung  des 
Feldarbeiters  ist  ja  geringer,  aber  seine  Würde  ist  wegen 
der  Gesinnung  gleich  hoch. 

Die  Deutung  von  Raschi  führt  von  dem  einfachen  Ge- 
danken ab.  Der  wörtliche  Sinn  ist:  So  wie  er  sich  durch 
seine  Berufsarbeit  nicht  unbedingt  (vom  geistigen  Leben) 
einengt,  abschneidet  —  (denn  er  nimmt  konsumtiven  Teil 
an  derselben)  —  so  soll  ich  mich  nicht  durch  meine 
(geistige)   Berufsarbeit    (vom   weltlichen  Leben   und   von 


III.    Der  Won;  zur  Sittlichk 

den    Kulturaufgaben)    abgeschieden    betrachten;   in    der 

-innun-_r  sind  wir  gleich. 

Schon  in  der  Mischna  wird  gelehrt,  daß  der  Vater 
pflichtet  ist,  seinem  Sohne  die  Bildung  ßTWl)  zu  ver- 
schaffen und  ihn  ein  G  ewerbe  lernen  zu  lassen.  K.  Jehuda 
fügt  hinzu,  ein  wirkliches  Gewerbe,  d.  h.  eine  Berufsart, 
in  welcher  stetige  Beschäftigung  möglich  ist.  damit  nicht 
der  Müßiggang  zu  Unredlichkeit  verführe. 

Wer  ein  Handwerk  gelernt  hat.  ist  wohlgeborgen,  der 
I'nv  le  ist  unbewahrt.     Das  Handwerk  wird  mit  dem 

Weinberg,   welcher  wohl  eingezäunt  ist  usw.  verglichen 
-.  Toseftha  Kidduschin  Per.  T. 

^406.  Handwerk.  Die  Bevorzugung  des  Hand- 
werks  geschieht  deshalb,  wreil  der  Handel,  wenn  Gelegen- 
heit fehlt,  müßige  Stunden  hat,  welche  zum  Ersinnen  von 
Listen  verleiten;  dagegen  die  Handarbeit  (auf  Vorrat) 
minier  geschehen  kann;  also  immer  redliche  Tätig- 
keit, sittliche  Energie.  S.  Cidduschin  30'':  Wer  seinen 
Sohn  kein  Bandwerk  lernen  läßt,  erzieht  ihn  zum 
ib(  r. 

■  ii  Jahre  Hungersnot,  aber  den  Handwerker  triff! 
•     -   Banhedr.     I       VgL  das  Sprichwort:  „Hand- 
werk lenen  Bod< 

Qew(  rbe  als  allgem'einei   Interesse. 

Der  Knecht,  welcher  ein  Handwerk  versteht,  der  Bader, 

[, ..  i  il]  dem  Handwerk  nicht  ent- 

i    nur    /u    h&uslichen    od<  r  nlichen 


Recht  ist  Ordnung  der  Gesellschaft.  199 

Diensten    verwendet  werden,    weil   jenes    „dem    Allge- 
meinen dient"  s.  Mechiltha  Mischpatim. 

Recht  und  Gerechtigkeit.      Gegen  Verläumdung. 

Ehre. 

§  408.  Recht  ist  die  Ordnung  der  Gesellschaft;  die 
Sicherung  der  freien  Bewegung  und  Entwicklung  aller 
Einzelnen,  also  auch  der  Gesamtheit.  Recht  ist  also  ein 
bloßes  Mittel  zum  Zweck  der  allgemeinen  und  allseitigen 
Entfaltung  der  Sittlichkeit.  Es  ist  conditio  sine  qua  non. 
Deshalb  ist  es  auch  mit  Zwang  behaftet.  Aber  Recht 
ist  nur  ein  Minimum;  das  Recht  zum  alleinigen  Inhalt 
der  Moral  machen,  heißt  seine  Bedeutung  verkennen; 
verkennen,  daß  es  bloß  Mittel  ist,  zu  welchem  der  Zweck 
hinzukommen  muß.  Daher  eine  Gesellschaft,  welche  sich 
auf  das  Recht  beschränkt  —  min  p  ty  DiTiH  lTDJ>n l  — 
wert  ist,  daß  sie  zugrunde  geht. 

Der  Zwang  aber  ist  keineswegs  eingeschränkt  auf 
Recht  im  engeren  Sinn;  vielmehr  kann  und  soll  alles, 
was  zur  Erhaltung  und  zum  Bestände  der  Gesellschaft 
als  Ganzes  in  allen  seinen  Gliedern  gehört,  erzwungen 
werden.  Daher  heißt  es  auch  bei  D^iJJ  niiDö  Armen- 
erhaltung 2 :  nmo  n:>ö  im«  paü. 

Die  Sittlichkeit  (Moral)  aber  fordert  freie  Tat,  innere 


i  Baba  mez.  30b.    D.  H. 

2  Baba  batra  8a  u.  b.    Vergl.  Rambam,  Jad  hachasaka,  Hilchoth 
Mathnoth  Anijim  Perek  IX,  12  und  Perek  X,  6.    D.  H. 


KM)  111.    Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

Teilnahme,  Sorge  für  die  <!•  samtheit  und  jeden  Einzelnen 

nach  Abstufungen. 

An  das,  was  Hecht  und  Gesetz  ist.  sind  wir  gebunden, 
Niemand  darf  wegen  seiner  vom  bestehenden  und  gelten- 
den Hecht  abweichenden  Überzeugung  mit  seinem  Tun 
vom  Hechte  abweichen.  Er  darf  nicht  blolJ.  er  soll  da- 
nach trachten  und  mit  allen  erlaubten  Mitteln  darum 
ringen,  daß  seine  Überzeugung  zur  allgemeinen,  sein  Ge- 
wissen  zur  Norm  und  zu  geltendem,  gesetzlich  befestigtem 
Hechte  werde.  Stellt  seine  eigene  Ansicht  und  sein  Ge- 
rechtigkeitsgefühl strengere  Forderungen  an  ihn  als  das 
geltende  Etecht,  dann  hat  er  für  seine  Person  auch  diese  zu 
erfüllen;  von  anderen  aber  darf  er  die  Befolgung  nicht 
heischen.  Nichts  aber  ist  dem  Menschen  iu  Wahrheit 
erlaubt,  bloli  weil  e^  ihm  erlaubt  Bcheint 

Common  wird  der  Tag,  daß  daa  Hecht  in  Beinern  wahren 
und  ganzen  Idealismus,  nämlich  nicht  bloß  als  sittliche 
Idee,  sondern  im  Zusammenhang  aller  [dealität,  mit 
dem  Ganzen  der  Menschen,  «lern  Ganzen  der  Welt,  mit 
der  Unendlichkeit  gedacht  wird. 

Wenn  auch  heutige  Juristen  zu  Bolchen  Gedanken  ihre 
klugen  Köpfe  schütteln,   der  [dealismus  Btirbt  nicht 
11  Elechl     nur    dem    Staate    anvertraut    und 

politisch  verwaltet    Gegen  Einmischungen  einer  heuchle- 

Orthodoxie  und  EConfi  .  die  dem  wahren 

imus  fernsteht,'  an  nur  die  Eteligion  entwerten 

und    d       I;  rwirren.  —  Aber   tiefere   Lebens-  und 


Eecht  ist  Gerechtigkeit.  201 

weitere  Weltanschauung  werden  den  Sieg  davon  tragen. 
Hat  es  doch  sogar  auf  der  anderen  Seite  an  dem  Ge- 
danken nicht  gefehlt,  das  Recht  noch  mehr  zu  isolieren, 
d.  h.  zu  naturalisieren:  Frederik  Bastian  hat  (irre  ich 
nicht  in  Ce  que  Ton  voit  usw.)  die  Rechtsprechung  in 
Entreprise  geben  wollen.  Welch  ein  Abstand  gegen 
D\"6k!  •  —  Aber  nicht  umkehren  muß  die  Wissenschaft,  son- 
dern fortschreiten,  um  sich  und  die  Welt  auf  den  wahren 
Grund  der  Idee  zu  stellen. 

§  409.  Das  Recht,  welches  das  Judentum  lehrt,  ist  Ge- 
rechtigkeit. Gehorsam  gegen  das  bestehende  und  geltende 
Recht;  Gerechtigkeit  sage  ich,  aber  nicht  das  alte  jü- 
dische Recht.  Nicht  bloß  weil  der  Staat  es  fordert  und 
allgemein  jüdischer  Grundsatz  es  ist:  Das  Gesetz  des 
Staates  ist  Gesetz;  sondern  weil  dies  in  der  Natur  des 
Rechts  selbst  liegt,  daß  es  sich  nach  den  natürlichen, 
realen  Kulturverhältnissen  zu  richten  hat;  weil  es,  um 
wahres  Recht  zu  sein,  aus  der  Kenntnis  derselben  und 
der  Beziehung  der  Sittlichkeit  zu  den  Verhältnissen  ge- 
schaffen werden  muß.  Vgl.  Rümelins  Aufsatz  über  Rechts- 
geschichte, nay  *nj>  napn  "O2  war  einmal  Recht  und 
damals  edler,  humaner,  freier,  als  bei  allen  gleichzeitigen 
Kulturvölkern;  aber  heute  gibt  es  keine  Sklaven  mehr. 
Mit  der  berechtigten  Blutrache  ist  auch  das  Asylrecht 
verschwunden.   Vergl.  Num.  35;  Deut.  19  und  Josua  20. 

1  Deuler.  1,  17.    «in  d\-6n!?  os»en  '3,  das  Recht  ist  Gottes.    D.  H. 

2  Exod.  21,  2  ff.    D.  H. 


in.    Dez  Weg  zur  Sittlich' 

Der  Talmud  hat  tief  einschneidende  Veränderungen 
vorgenommen,  weil  er  das  Verhältnis  des  wahren. 
Rechte,  der  Gerechtigkeit  zu  den  positiven 
hten  sehr  wohl  verstanden  hat.  Indem  er  sieh  in 
den  Grundsätzen  auf  das  biblische  Recht  stützt,  bildet 
er  dasselbe  fort  und  um  durch  nttpn  usw..  tatTO  und 
dergl.     Schebiith  X,  3  u.  4. 

HO     Knrtbildung  des  Gesetzes.    Abrogation  eines 
i  ,  •  •-.  ■:  ,-.'s  war  mich  der  ganzen  Denkweise  derüabbinen  nicht 
glich,   aber  gleichwohl  Bind  EL  Akiba  und  R  Tarphon 
gegen  Todesstrafe     8.  Makk.  7*. 

Sie  üben  die  Kunst  des  Freisprechen«  auf  gesetzlichem 
Wege  durch  Ausbildung  des  Prozeßrechts.  Um- 
gehung des  einen  Gesetzes  durch   das  andere. 

Man   mag  sich  sträuben.    BO  viel   man  will:    diese  Um- 
iing    bricht  das  ursprüngliche  Gesetz,    erklärt  es  als 
nicht   zu   recht  bestehend,  als  ein  vergeblich  gegebenes. 
Mir  Bcheint  zweifellos,  obgleich  dergleichen  niemale 

I    wird,   daß  EL  Akiba   und   EL  Tarphon  der  Ansicht 
waren,  da    G<  etz  paßte  für  frühere Z  aber  es  paßt 

heul  t  mehr.    Ana  der  Bemerkung  des  raBPl  in  der 

Mischna  ersiehl  man  auch,  daß  die  E£ontror< 
i    auch  um  die  Zweckmäßigkeit,   tun  den  Erfolg 
•  Gei  st:  ••  •  drehte. 
in.   Mit«  btigkeit  meine  ich  „nicht  bloß  die  im 

Bo  G         es  vorgeschriebene  Form,  sondern  jene 

höhere,  w<      •    die  schönste  Form   ler  Nächstenliebe 


Kecht  ist  Unparteilichkeit.  203 

Die  Denker,  welche  den  Begriff  menschlicher  Gerechtig- 
keit an  den  der  göttlichen  knüpften,  konnten  nicht  irre 
gehen;  sie  konnten  nicht  an  überlieferten  Grenzen  Halt 
machen,  sondern,  in  die  Idee  sich  vertiefend,  mußten  sie 
der  ewig  fortschreitenden  Gestaltung  zustreben.  Wodurch 
unterscheidet,  worauf  gründet  sich  die  göttliche  Gerech- 
tigkeit? Auf  die  absolute  Unparteilichkeit  —  alles 
Ethische  gedeiht  nur  im  unparteiischen  Urteil!  —  auf 
die  höchste  und  unbedingte  Interesselosigkeit  und 
auf  die  schlechthin  ungetrübte  Wahrheit,  aus  welcher 
das  Recht  hervorgeht  und  zu  welcher  es  hinzielt.  Sub- 
jektives Recht  —  gegebenes  oder  ersehntes  —  objektives 
Recht,  das  nur  in  Gott,  im  Absoluten  vorhanden,  sub- 
jektiv aber  ersehnt  und  stufenweise  erreicht  wird.  Sach- 
liches Recht  und   persönliche    Gerechtigkeit.  — 

Wie  die  sanften,  nützlichen  Tiere  bereits  die  meisten 
Länder  der  Erde  bewohnen,  die  wilden,  massigen  der 
Urzeit  (unter  Mithilfe  des  Menschen)  vertilgt  sind  —  dies 
ist  das  Gesetz  des  Fortschritts  —  so  werden  nicht 
mehr  die  Mächtigen  und  Starken  vermöge  ihrer  Macht 
und  Stärke  die  wahren  und  wirklichen  Herren  des 
Landes  sein,  sondern  diejenigen,  welche  das  Recht,  die 
Wahrheit  usw.  vertreten. 

Es  gibt  heute  noch  Unrecht,  Verbrechen,  Trug,  Ver- 
kehrtheit; aber  es  gilt  nicht  mehr  als  Recht,  es  hat  nicht 
die  Herrschaft,   es  besitzt  nicht  das  Land,   wie  ehedem. 

Jes.  60,  21:  „Wenn  dein  Volk  aus  lauter  Gerechten  be- 


20  \  1 1 J .    Der  Weg  bot  Sittlich! 

>trhen  wird,  werden  sie  für  ewig  daa  Land  besitzen." 
Das  ist  eine  Prophezeihung :  Die  Herrschaft  der  Ge- 
rechtigkeit  anstatt  der  Macht.  Hechtsstaat.  Daher  auch 
V.  22:  „Der  Kleine  wird  zu  Tausend  und  der  Geringe 
zum  mächtigen  Volk."  Das  ist  der  Fortschritt  in  der 
Geschichte.  V.  18:  ..Nicht  ferner  sollen  gehurt  werden 
Gewalttat  in  deinem  Lande-  usw.  Y.  19  und  20:  „Nicht 
ferner  wird  die  Sonne  zum  Lichte  sein  bei  Tage,  und 
•/um  Glänze  wird  der  Mond  dir  nicht  leuchten  .... 
Denn  der  Ewige  wird  dir  Bein  zum  ewigen  Lichte-  usw. 
Das  will  sagen:  Nicht  mehr  am  Licht,  als  dem  Symbol 
der  Gerechtigkeit  und  Milde,  der  Sittlichkeit,  wirst  du 
dich  ergötzen,  Bondern  das  geistige,  ethische  Licht  wird 
leuchten.     Yergl.  Ps.  37.  11. 

Wird  ein  Volk  von  politischem  UnglQck  heimgesucht, 
dann  prüfe  nur.  oh  es  nicht  an  der  wahren  Gerechtig- 
keit im  Lande  fehlte.  S.  Schabb.  139  :  I«'.  Jose  ben 
Elischa  hat  gesagt:  Wenn  du  ein  Geschlecht  riehst,  das 
von  vielen  Drangsalen  heimgesucht  wird.  ehe  hinaus 
und  untersuche  die  Richter  [sraels,  denn  nur  wegen  der 
Richter  [sraels  kommen  Strafgerichte  in  die  Welt. 

■  i  •_'.     I  ber  wahre,  hohe,  reine  Gerechtigkeit;  zartere, 
:  /.  B.   in  der  Beurteilung  anderer  Menschen.' 
hat    nnhts   mit    der  äußeren  Ordnung  des  Rechts, 
rn  mit  der  inneren  Organisation  der  beseelten  l 
■eil  '   zu  tun. 

>   Vergl.  /.  1'..  Aböl  I,  6.     D.  H. 


Kritik  ist  Pflicht.  205 

Inbezug  auf  Urteil  (über  den  andern)  gilt  nur  Recht. 
Mitleid,  Liebe  können  einen  Fehler,  ein  Vergehen  ver- 
zeihen; in  der  Feststellung  der  Tatsache  dürfen  sie 
nicht  mitreden.  Das  ist  die  Idee  des  Rechts,  welches 
nicht  gebeugt  werden  soll. 

Auch  geistig  heißt  es :  WD  TWl  vb  bl)  (Exod.  23, 3). 

Daher  besonders  n&K  p,  ein  Urteil  der  Wahrheit. 

Ich  soll  die  Ehre  des  anderen  nicht  beeinträchtigen. 
Ehre  ist  das  Urteil  der  anderen.  Dies  Urteil  muß  ein 
wahres  (nach  bestem  Wissen)  sein.  Hier  gilt  nicht 
Liebe,  nicht  Gunst.  So  wie  bei  Verträgen;  der  wahre 
Inhalt,  wie  sie  gemeint  waren,  muß  festgestellt  werden; 
nicht  die  wohlwollend  günstige  Meinung,  sondern 
nur  die  wahre  ist  im  Recht. 

Kritik  des  anderen,  öffentliche  besonders. 

§  413.  Kritik  ist  Pflicht,  weil  Gesamtsittlichkeit 
Beruf  ist!  Auch  wenn  man  weiß,  daß  die  Kritik  nichts 
nützt.  Jetzt  nicht!  aber  später  wird  sie  doch  nützen;  auch 
wenn  man  wegen  der  Kritik  leidet,  sie  als  Märtyrer  übt. 

Von  hier  aus,  meine  ich,  wird  die  Idee  des  Rechts 
festzustellen  sein;  nicht  bloß  vom  Nutzen  derselben  für 
die  gesamte  Sittlichkeit.     Gegen  Schaffer. 

Daß  „Recht"  nicht  bloß  eine  weltliche,  eine  der  mate- 
riellen Notwendigkeit  entspringende,  sondern  eine  objektiv 
ideale  Sache  sei,  läßt  der  Talmud  ausdrücklich  erkennen. 
S.  Berach.  6a.     Woher  entnehme  ich,  daß,  wenn  drei  zu 


20»',  Hl     Der  Weg  zur  Bittlichkeit. 

rieht   sitzen,   die   Schechina   (Gottheit)   bei  ihnen  i 
Weil  es   Ps.  8, 1  heißt:  „In  der  Mitte  der  Richter  riohtet 
Und   woher   entnehme  ich,   daß,   wenn  zwei   sitzen 
und  sich  mit  der  Thora  beschäftigen,  die  Schechina  mit 
ihnen   i-t?     Weil    es    Maleachi  3.  16   heißt:    ..Dann   be- 
sprechen   -ich.    die   den    Ewigen  fürchten,   einer  mit    dem 
andern,   und   der  Ewige   merkt   auf  und  hört.-  —  ■ 
Wenn  mm  selbst  bei  zweien,  um  wieviel  mehr  bei  drei 
Du  hättest  sagen  können,  Recht  sei  nur  eine  Friedens- 
-ache  und  die  Schechina    komme  nicht.    Deshalb   bringt 
er  (R.  Jizchak  durch  die  Beweisführung  aus  der  Schrift) 
uns  zum  Verständnis:  Hecht  ist  dasselbe  wie  Thora 
(Vergl.    Tirke  Abot    111.  7.) 

Die  Folge  des  Rechts  ist  die  Entfaltung  aller  [dealitat, 

welche    nur    unter    ihrem  Schutze  und   auf  ihrer  Gruml- 

lage   gedeihen  kann.     Diesen  Gedanken   drückt  der  Mi- 

drascb    anzweifelhaft,   aber    in    der    ihm    eigenen    Form 

aus,  Debarim  r.  Parascha  6,  7.    Der  EL        ,  gebenedeiet 

8ei  prach    zu    den    Israeliten:    Meine    Blinder,    bei 

euerm  Leben:    Durch  das  Verdienst,  daß  ihr  das  Recht 

wahret,  werde  ich  erhoben.    Woher  (entnehme  ich  das)? 

\\\-  l  es  heißt:  „Und  erhaben  ist  der  Ben 

der  Beerscharen  im  Gericht"    Und  weil  ihr  mich  durch 

•-i  o  übe  ich  npTS,  Milde,   and 

meine  Heiligkeit  unter  euch  weilen.    Woher?    \R 

.    •       i  I1(i   der   heilige  I  totl    wird    geheiligt 

durch    Mihi.         i  ad    wenn    ihr   beides    wahret,    r^pi^n 


Das  Gemüt  des  Kichtevs.  207 

pill,  die  Milde  und  das  Recht,  so  erlöse  ich  euch  sofort 
vollständige  Erlösung  (Höto  fltatt).  Woher?  Weil  es 
(das.  56,  1)  heißt:  So  spricht  der  Ewige:  „Wahret  das 
Recht  und  übet  Milde  (Gerechtigkeit  nplX),  denn  nahe 
ist  mein  Heil  zu  kommen  und  meine  Milde  (TipISY)  sich 
zu  offenbaren."  Yergl.  Midrasch  r.  das.  Nr.  5:  R.  Elieser 
hat  gesagt:  Wenn  das  Recht  unten  geübt  wird,  wird  das 
Recht  oben  nicht  geübt  (sondern  es  waltet  npTS,  Milde); 
wenn  aber  das  Recht  unten  nicht  geübt  wird,  so  wird 
das  Recht  oben  geübt, 

Für  strengste  Rechtlichkeit  wird  gelehrt,  daß  es  ohne 
Reinheit  von  jeder  Rechtsschuld  kein  Opfer  gebe;  des- 
halb heißt  es  bei  den  Opfergeboten  stets  D1K,  du  sollst 
rein  wie  Adam  sein,  der  noch  allein  war  und  noch  nie- 
mand schädigen  konnte;  ohne  Recht  kein  Wohlwollen 
S.  Tanchuina,  IS  'S. 

Richter. 

§  414.  Das  Gemüt  des  Richters.  Wer  keine  Kinder 
hat,  soll  nicht  hochnotpeinlicher  Richter  sein.  R.  Jehuda 
will,  daß  auch  der  Hartherzige  und  der  Weichmütige 
(pmi  "n?3N)  es  nicht  sein  sollen.  Also  nur,  wer  des 
gerechten  Gleichmutes  sich  rühmen  kann.  S.  Toseftha 
Sanhedr.  VII. 

Der  Richter  soll  nicht  richten,  welcher  gegen  eine 
der  Parteien  Haß  oder  Liebe  fühlt;  er  wird  dort  die  Un- 
schuld, hier  die  Schuld  leicht  verfehlen.  S.  Kethub.  105 b. 
Der  Mensch  soll  nicht  dem  als  Richter  dienen,  welchen 


in.   Der  Weg  zur  sittlich'.. 

er  liebt,  und  auch  nicht  dem,  welchen  er  haut:  denn  er 
wird  den.  welchen  er  lieht,  nicht  für  schuldig  und  den, 
welchen  er  haßt,  nicht  für  unschuldig  erkennen.  Aus- 
spruch Kuh   Pa] 

§416.  Unparteilichkeit  der  Richter.  Gefordert 
wird  der  Richter  l'npurteilichkeit  auch  im  gleichen 
Benehmen  gegen  beide  Parteien  (nicht  den  einen 
sitzen,  den  anderen  stehen  lass*  S.  Toseftha  Sanhelr. 

X. 
Der  ungerechte  Richter    trägt    fünffache  Schuld  und 
fünffache   Folgen    führt    er    herbei:  Verunreinigung   des 
Landes,  Entweihung  des  göttlichen  Namens.  Entfernung 
des    göttlichen   Geistes,  Verfolgung    durch   Schwert   und 
iL    8.  Sifra   Kedoschim  Perek  IV,  1. 
Wer  Bestechung  nimmt,  blendet  seine  eigenen  Augen, 
unpfl    Belbst   die  Fähigkeit,   das  Rechte   zu   sehen 
ab.    8  Kethuh.  105'.  EL  Abbahu  hat  gesagt:   Komm  und 
sieh,  v       rerblendet  (blind)  diejenigen  Bind,   welche  Be- 
übung nehmen I   Bat  ein  Mensch  ein  l " bei  an  seinem 
bezahlt  er  dr\u  Arzte  Geld,  und  es  isi  Eweifel- 
:.   ob   er  geheilt   wird   oder  nicht;    sie  (die   Richter) 
aber  nehmen  eine  Peruta  und  machen  ihre   '  blind; 

heiit    F.  vi.  23     „Denn    die    Bestechung   machl 
blind   die  Augen  105  :  Etaba  hat 

Warum   ist  dii    B<   techung         erpönt?    Sobald 
er  ron  ihm  (dem  Prozeßftthrenden    Bestechung  genommen 
h   ihm   sein    Ben,  und   er   (der   Prozeß- 


Rechtseinschränkung.  209 

führende)  ist  wie  er  selbst  (der  Richter),  und  ein  Mensch 
erkennt  nicht  eine  Schuld  für  sich  selbst. 

Diese  Aussprüche  von  R.  Abbahu  und  Raba  schärfen 
die  Verworfenheit  der  Bestechung  ein. 

Auch  der  kleinste  Dienst,  der  geleistet  wird,  (Hand- 
reichen zur  Unterstützung  auf  der  Fähre),  gilt  als  Be- 
stechung. Über  die  Art,  wie  sich  völlig  unversehens  auch 
dem  strengen  Richter  durch  zarteste  Bestechung  das 
Urteil  trüben  würde,  sind  Beispiele  mit  großer  psycholo- 
gischer Feinheit  von  denen  angeführt,  die  sich  deshalb 
des  Richteramts  in  diesen  Fällen  enthalten  haben.  Das. 
Samuel  ging  einst  über  eine  Brücke,  wo  ein  Mann  auf 
ihn  zukam  und  ihm  seine  Hand  reichte  (um  ihn  zu 
stützen).  Er  fragte  ihn:  Was  ist  dein  Anliegen?  Dieser 
sprach:  Ich  habe  eine  Rechtssache.  Da  sprach  Samuel 
zu  ihm:  Ich  kann  dir  nicht  als  Richter  dienen.  Ebenso 
verhielten  sich  Amemar  und  Mar  Ukba,  R.  Ismael  b.  R. 
Jose,  R.  Ismael  b.  Elischa,  Rab  cAnan  usw. 

§  416.  Rechtseinschränkung.  Baba  kamma  100a: 
pil  r/Wö  ü^sb.  Gegen  strenges,  ausschließliches  Recht. 
Ebenso  Baba  mezia  30 b.  R.  Jochanän  sagte:  Jerusalem 
ist  nur  zugrunde  gegangen,  weil  sie  mit  peinlicher  Strenge 
jeder  auf  sein  Recht  bestanden,  anstatt  mit  Milde,  Wohl- 
wollen und  Friedfertigkeit  zu  verkehren.  Baba  mezia 
83 a,  Ende  Perek  VI.  Dem  R.  Bar  Bar  Chana  hatten 
Tagelöhner  ein  Faß  Wein  zerbrochen;  da  pfändete 
er    ihnen    ihre    Mäntel    ab     zum    Ersatz    des    erlittenen 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  It.  14- 


210  Hl.    l>-r  Weg  BOX  6ittlichk.it. 

Schadens.  Als  diese  vor  Kab  klagten,  entschied  er,  daß 
jener  ihnen  die  Mäntel  zurückgeben  sollte,  "p"!2  pH  jyo1? 
E'212  (Pro?.  2.26)  zitierend:  und  als  die  Arbeiter,  weil 
sie  arme  Leute  seien  und  von  dem  Tageloho  leben  müßten, 
auch  um  diesen  baten,  riel  B  ib  wiederum,  ihn  zu  geben. 
Ist  die-  i  m  Recht?  Wohl  nicht;  aber  „die  Pfade  der  Ge- 
rechten sollst  du  wandeln."  niDtrn  D'p'"re  mmNl  (das.). 
I).  h.  also  die  0^*13  üben  nicht  strenges  E&echt,  Bonden 
Milde  und  Billigkeit. 

§  417.    X  i  ■  h  t  anklagen,  sondern  verteidigen.  Du 
niD?  i)2b  p  *Vl  ist  schon  in  der  Mischna  da  (Abot  I,  6); 
aber  wertvoll  ist  die  spätere  sprachliche  Prägung  des  Be- 
griffs, daß  man  soll  JTDT  "Id'tö  sein;  beides:  Tatsachen  auf- 
suchen und  das  Werturteil  bilden  nach  der  günstigen  Seite. 
^418.  Recht  als  Friedensstiftung.  Die  Gesetzgebung 
beginnt  deshalb  mit   den    Etechtss&tzen,   weil  durch 
das  Recht    der    Friede  unter  den   Menschen   her- 
stellt wird.     Zur  Ergänzung  des  in  T.  1  S.  343  dar- 
stellten Gedankens.    S.  Meohiltha,  Mischpatim  Par,  l. 
§   1 1  '.♦.      Milde.      Über   Strafprozeß   und    Todesurteil 
Q-rünbaum,    Die  Bittenlehre  Judentums   anderen 

Bekenntni  ;egenüber.    Straßburg  1876.    S.  210  ff 

!i   dem  \ rerbre  ..11  der  Leichtere  und  weniger 

unehrenhafte   Tod    zugebilligl    werden.     Die  Tode 

wurde    von     den     P  0    verklausuliert,    mit    SO 

vielen   Förmlichkeiten    m        en,   daß   ne  fcroti  der  Be- 

mmupgen     dec    mosaischen     Gtesetses    fast    als    auf- 


Strengste  Redlichkeit.  211 

gehoben  betrachtet  werden  konnte.  Ein  Gerichts- 
hof, der  in  einem  Zeitraum  von  sieben  Jahren  ein 
Todesurteil  lallte,  wurde  ein  mörderischer  genannt; 
nach  einer  Ansicht  sogar,  wenn  dies  in  siebzig  Jahren 
geschah.  Die  berühmten  Gesetzeslehrer  R.  Tarphon 
und  R.  Akiba  sprechen  es  gradezu  aus:  „Wären  wir 
im  Synedriuni  gewesen,  es  wäre  niemals  ein  Mensch 
hingerichtet  worden",  d.  h.  sie  hätten  die  Todesstrafe 
gradezu  abgeschafft.  Wenn  nun  R.  Simeon  ben  Gamliel 
diesen  erwidert:  „Sie  würden  die  Mörder  in  Israel  ver- 
mehrt haben,"  so  herrscht  der  Streit  um  das  Prinzip  der 
Todesstrafe  grade  wie  heute  noch.  Makkoth  Mischna  1, 10. 

Strenge  Bestrafung  des  Unrechts;  aber  vielfache  Vor- 
kehrung zur  Erschwerung  der  Verurteilung  und  zur  Er- 
leichterung des  Beweises  der  Unschuld  wird  schon  in  der 
Mischna  gelehrt.  Auch  Wiederaufnahme  des  Verfahrens 
usw.     S.  Sanh.  I. 

§420.  Strengste  Redlichkeit.  Unwillkürlicher,  aber 
unberechtigter  Gewinn  (wie  z.  B.  beim  Schenken  durch 
Schaum  im  Maßkrug  und  dergl.)  soll  für  Institute  von 
gemeinem  Nutzen  verwendet  werden.  S.  Beza  29 a:  Abba 
Saul  b.  Bothnith  hatte  300  Fässer  Wein  vom  Schaume 
der  Maße  (beim  Eingießen)  und  seine  Genossen  hatten 
300  Fässer  Ol  von  den  Resten  (Neigen)  der  Maße  ge- 
sammelt, und  sie  brachten  solche  zu  den  Schatzmeistern 
in  Jerusalem.     Diese   sprachen   zu  ihnen:  Ihr  seid  nicht 

dazu  verpflichtet.  Jene  erwiderten  ihnen:  Auch  wir  wollen 

14* 


812  in.   Der  Weg  rar  Sittlichkeit 

Bolchefi  nicht.    Darauf  diese;  Weil  ihr  euch  solche  Strenge 
auferlegt,    so   verwendet   den   Ertrag   zum   allgemeinen 
ben. 
Mechiltha   yo-i   Abschn.  1:    pui  WUö  na  hsm  TöVö 

iw  avp  l^tü  vtv  ptybi  ttD^n  nrna  nran  nn  natwo 

r6iD  min™  :z.  Wer  im  Handel  und  Wandel  mit  Treue 
(Wahrhaftigkeit)  verkehrt,  an  dem  haben  die  Menschen 
Wohlgefallen,  und  die  heilige  Schrift  rechnet  es  ihm  an, 
als  ob  er  alle  Gebote  damit  erfüllt  habe. 

§  421.  Daß  Billigkeit  und  Wohlwollen  npiS,  also  eigent- 
lich Gerechtigkeit  heißt,  hat  nicht.  wieMaimonidea  Mor.  63 
will  (vergL  Etosin  8.59),  darin  >eiuen  Grund,  daß  es  eigent- 
lich „eine  Gerechtigkeit  gegen  unser  besseres  Selbst"  ist, 
—  .-nn dem   dann,   daß   Recht   im   weitesten   Sinn    die 
Ordnung  der  Gesellschaft  zur  Einheit  bedeutet;  enge] 
Kredit      Schranke  des  Einzelnen;  weiteres  ELecht  =  Form 
Annäherung  im  Zusammenleben   Daher  die  Gesamt- 
gesetzmftßigkeit   als  nwn  mwi  ^33  nf*Ti  DH9WWS1  Lyn 
ichnet  werden  kann.1 
1   dnn   Armen   Leihen   ohne   Zina   gilt  gleich  der 
Erfüllung  allei    Gebote.      8.   Midr.   Schemoth    r.    Para- 
:;i,  i  ü.    Darlehen,  um  den  Nächsten  vor  dem  Ver- 
fall zu  schützen,  wird  als  unbedingte  Pflicht  angesehen. 
3.M  Dlischptttim  Par.  19  bq  Exod  93,  84:  „Wenn 

qi      .i  meinem  Volke  Geld  leihst".  EL  tsmae]  lagt:  Je 
DK  „wenn"  in  der  Tora  bedeutet  Freiwilligkeit  aul  «m. 

i  |,  un,]  (|„.  i,,  ml  npn».    D.  H. 


Billigkeit  und  Wohlwollen.  213 

Zum  Feinsten  gehört  das  ntW3  l1?  JVnn  K^>,  „du  sollst 
ihm  nicht  wie  ein  Forderer  sein"  (Exod.  22,  24).  Dazu 
bemerkt  R.  Dimi  (Baba  mez  75 b):  „Wenn  du  weißt,  daß 
der  Schuldner  nicht  zahlen  kann,  sollst  du  nicht  bei 
ihm  vorübergehn".  —  D'Ocm  bedeutet  wesentlich  „zart- 
fühlend". 

Die  Entziehung,  Nichterweisung  der  nötigen  und  mög- 
lichen Wohltat  wird  als  Raub  bezeichnet.  Das  Verhält- 
nis von  Pflicht  und  Recht  wird  auf  die  notwendigen 
Wohltaten  (Speisung  des  Hungrigen  usw.)  überall  an- 
gewendet. Vgl.  Tanchuma,  Wajikra,  Behar.  Was  be- 
deutet (Mischle  22.  22):  „Beraube  nicht  den  Armen,  denn 
er  ist  arm"?  Gibt  es  denn  einen  Menschen,  der  den 
Armen  beraubt?  Was  sollte  er  ihm  rauben,  da  er  nichts 
hat?  Allein  wenn  du  ihn  zu  ernähren  pflegtest  und  du 
kommst  davon  zurück  und  sprichst:  Wie  lange  soll  ich 
diesem  sein  Auskommen  geben!  und  du  weigerst  dich 
und  gibst  ihm  nicht  mehr  —  wenn  du  also  tust,  wisse, 
daß  du  ihn  beraubest.  Darauf  beziehen  sich  die  Worte: 
„Beraube  nicht  den  Armen,  wenn  er  arm  ist."  Sondern 
ernähre  ihn,  da  er  keine  andere  Möglichkeit  hat  (sich 
zu  ernähren). 

Eine  Handlung  des  Wohlwollens,  gegen  den  Feind 
geübt,  macht  die  Feindschaft  schwinden.  Dies  wird  in 
naiv-poetischer  Darstellung  dargetan  s.  Tanchuma  Misch- 
patim.  'Dl  Sil«  BBiPö  f^ö  njn  (Ps.  99,  4):  „Du  hast  Gebühr 
festgestellt."     R.  Alexander  hat  gesagt:  Zwei  Eseltreiber 


214  III.    Dar  Wep  zur  Sittlichkeit. 

Weges,  die  verfeindet  sind.  Da  lauert  sich 
der  Esel  des  einen  (unter  seiner  Last).  Sein  Genosse 
zieht  vorbei  und  sieht  ihn  unter  seiner  Last  lagern.  Da 
.spricht  er:  Steht  nicht  in  der  Tora  (Exod.  23,  5):  „Wenn 
du  den  Esel  deines  Feindes  siehst  ....  sollst  du  ihm 
aufhellen.-'  Was  tut  er?  Er  kehrt  um,  um  aufzuladen 
und  ihn  zu  begleiten.  Da  fängt  jener  an  mit  ihm  zu 
reden:  Lau  hier  ein  wenig  sinken,  hier  hebe,  hier  geh' 
fort,  bis  er  mit  ihm  gemeinsam  aufgeladen  hat.  So 
werden  sie  erfunden,  daß  sie  Frieden  miteinander  machen. 
Der  Genosse  aber  spricht:  Habe  ich  nicht  geglaubt,  daß 
er  mein  Feind  ist?  Sieh,  wie  er  sich  über  mich  erbarmt 
hat,  als  er  mich  und  meinen  Esel  in  Bedrängnis  sah. 
Infolgedessen  gehen  sie  in  ein  Gasthaus,  essen  und  trinken 
zusammen  und  werden  einander  Freunde.  Das  wollen 
Wort«         an:  ..Im  h.-i-t  Gebühr  festgestellt." 

Wer  seinem  Nächsten  Mitleid,  Wohlwollen  verweigert, 
gleicht  dem  Götzendiener,  d.  h.  also  die  wahre  Religion 
fehlt  ihm,  und  er  wirft  das  Joch  des  Himmelsreichs  von 

b,  d.  h.  er  entschlagl  sich  aller  sittlichen  Verpflichtung, 
i  Bure"  I  tebar.  Piska.  117. 

Gnade  und    Liel 

ASS.  DieLehreHiUels(Sabb.3]  i  :TOpni6'pai6'JD^n 

-  •;:   •?•:   WH   WTC*    TTM1   r:'D   mWVl  "?:>    KVJ   11,   was  dir 

onlii  •.    tue    deinem   Neb<  nmeiischen    nicht.     Das   ist 

•  r;i.     Daf   andere  ist  Erklärung.     Geh,  lerne! 


Gnade  und  Liebe.  215 

Höchst  wertvoll  für  das  Prinzip  der  Innerlichkeit 
bei  Hillel  ist  die  dem  bekehrten  Heiden  gegebene  Ant- 
wort. Auf  die  Frage:  Auf  wen  bezieht  sich  das  Gesetz 
(Numeri  1,  5):  niD^  21pn  11*11?  sagt  ihm  Hillel:  selbst  auf 
David  König  von  Israel.     S.  Schabb.  das. 

Des  Verfolgten  nimmt  Gott  sich  immer  an,  selbst 
wenn  der  Gerechte  den  Ungerechten  verfolgt.  S.  Wajikra 
r.  Par.  27,  5.  „Gott  sucht  den  Verfolgten"  (Koheleth  3, 15). 
R.  Huna  im  Namen  des  R.  Jose:  In  jedem  Falle  gilt: 
„Gott  sucht  den  Verfolgten1'.  Du  findest,  daß  ein  Ge- 
rechter einen  Gerechten  verfolgt,  und  „Gott  sucht  den 
Verfolgten";  ein  Frevler  verfolgt  einen  Gerechten,  und 
„Gott"  usw.;  ein  Frevler  verfolgt  einen  Frevler,  und 
„Gott"  usw.  Aber  selbst  wenn  ein  Gerechter  einen 
Frevler  verfolgt,  „sucht  Gott  den  Verfolgten".   In  jedem 

Falle  gilt:    „Gott  sucht  den  Verfolgten." 

R.  Elieser  ben  R.  Jose  ben  Simra  hat  gesagt:  Auch  bei 
den  Opfern  ist  es  so.  Der  Heilige,  geb.  s.  er!  sprach: 
Der  Ochs  wird  vom  Löwen  verfolgt;  die  Ziege  wird  vom 
Panther  verfolgt;  das  Lamm  vom  Wolf.  Bringet  vor  mir 
nicht  von  den  Verfolgern  dar,  sondern  von  den  Verfolgten. 
Deshalb  heißt  es  (Levit.  22,  27):  „Ein  Ochs,  oder  ein 
Lamm,   oder  eine  Ziege  —  wenn  es  geboren  wird"  usw. 

Schädigung.  Nicht  bloß  Schadenersatz,  sondern  dann 
noch  um  Verzeihung  bitten,  und  der  Verletzte  soll 
nicht  halsstarrig  durch  Verweigern  der  Verzeihung  sein, 
er  soll  sich  erbitten  lassen.    S.  Bab.  kamma  92 a  Mischna. 


216  in     Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

Ea  soll  eben  die  innere  Aussöhnuni:,  die  Aufhebung  des 
Trennenden  stattfinden. 

Wegen  Menschenrettung  darf  das  Sabbatgesetz  über- 
treten werden.  Oft  wird  gelehrt:  Der  Sabbal  ist  für 
euch,  aber  ihr  seid  nicht  für  den  Sabbat  da.  S.  Mechiltha, 
Ki  t i i ; — ; i  Par.  1.  ELSimeon  ben  Menasja  Bagt:  Woher  Läßt 
sich  beweisen,  dal'.  Lebenserhaltung  den  Sabbal  verdrängt? 
Weil  es  heißt:  „Denn  heilig  i-t  er  euch",  d.  i.  Buch  ist  der 
Sabbat  Hb  an,  nicht  aber  seid  ihr  dein  Sabbat  Ober- 

en. 

Gegen  Verleumdung. 

^  423.  Die  Lust  an  der  Verleumdung  stammt  aus 
grundlosem  Menschenhaß;  beide  stehen  als  Ursache  und 
Wirkung  nebeneinander;  sie  werden  als  die  zerstörenden 
Machte  bezeichnet,  welche  den  Organismus  der  Gesell- 
schaft zugrunde  richten    S.  Joma  9b,  auch  Taanith  71'. 

II  ...  »hne  Grund  ist  die  eigentliche  „Bosheit";  ea  kann 
aber  auch  der  ausgewac]  Menschenhaß  ohne  Grund 

rorhanden  Bein.     I  >och  ist  er  niem  ursprünglicher 

im  <  lharakter  eines  Menschen. 

Mit  allem  Nachdruck  unter  Anführung  einei  ganzen 
K(  i      litionen    wird    der  Gedanke  vot  ;en: 

„Verleumdun  ein   Vergehen  zugleich  □   Bimmel 

und   Erde,  i  Gott  und  Mensch".   8.  E£ohel*r.  Par.  9. 

Arachin  1 5.   „Dl        I         wird   di<'   Zui  Bnannt,  denn 

sie  i   Personen  zugleich:   den  Verleumder,  den. 

die  Verleumdung   annimmt,  und   den  Verleumdeten. 


Gegen  Verläumdung.  217 

Von  der  Zunge  heißt  es:  Ist  sie  gut,  gibt's  nichts  Besseres; 
ist  sie  schlimm,  gibt's  nichts  Schlimmeres.  Vergl.  Jalkut, 
Tehillim  Nr.  767  ff. 

Auch  gegen  Andersgläubige  und  Leute  fremden 
Stammes  wird  jede  üble  Nachrede  verpönt.  Debar.  r. 
Par.  6.    Nr.  9. 

Treffend  bemerken  die  Rabbinen,  daß  Vereinsamung 
die  Strafe  ist,  welche  den  Verleumder  trifft.  Denn  wird 
der  Verleumder  erkannt,  so  wird  er  von  allen  gemieden. 
Arach.  das.  und  öfter. 

Als  Grund  der  Erlösung  aus  Ägypten  werden  drei 
Tatsachen  angeführt.  Die  Israeliten  haben  Namen  und 
Sprache  nicht  verändert,  Ausschweifung  vermieden,  und 
keine  Verleumdung  sich  zuschulden  kommen  lassen. 
Arachin  das.  und  öfter. 

Sehr  seltsam  ist  die  von  Maimonides  und  Nachmani- 
des  behauptete  Beziehung  zwischen  der  (nicht  natürlichen, 
wie  Maimonides  selbst  sagt,  sondern  wunderbaren,  durch 
besondere  göttliche  Anordnung  hervortretenden)  Erkran- 
kung eines  Gewandes  und  eines  Hauses  am  Aussatz  wegen 
der  Verleumdung;  jene  Krankheit  soll  symbolische  War- 
nung gegen  Verleumdung  sein.  Vergl.  die  Stellen  bei 
Maimonides,  Jad  ha  -  chazaka,  Hilchoth  Tumath  Zara- 
ath  16,  10,  Midr.  Wajikra  r.  Par.  13  und  den  Biur 
bei  Mendelssohn  zu  Lev.  13,  46.  Hier  liegt  ethisch  be- 
trachtet jedenfalls  eine  sehr  energische  symbolische  Ver- 
werfung  jeder    bösen    Zunge    vor.     Die    Erinnerung   an 


218  HI     Dei  W«g  zur  Sittlichkeit. 

Mirjams   abier    Nachrede   und   ihren  Aussatz  ist   gewifi 

mitwirkend.      Man    brachte    auch    das    Wort  JHtlB    mit 

■;-    D»    x°t?  in  Zusammenhang.    Arach.  15b.  Als  Beleg 

Ihr  wird  j.  Pea  I,  16"  unten  und  Wajikra  r.  Par.  26 

Nr.  1   eine  Geschichte  erzählt. 

Ehre 

§  424.  Das  Wesen  der  Ehre  Hießt  unmittelbar  aus  der 
geistigen  Natur  des  Menschen:  aus  der  Dauer  und  dem 
Bestände  der  einmal  geschöpften  Inhalte.  Jedermann 
trügt  das  Bild  des  anderen,  mit  dem  er  in  Berührung 
gekommen,  in  seiner  Seele,  und  jeder  -\veili,  daL'i  er  in 
der  Seele  des  anderen  als  ein  bestimmter  Inhalt  der- 
selben lebt. 

Im  Wesen  der  Ehre  also  offenbar!  sich  der  Anfang 
der  geistigen  Gemeinschaft,  welche  das  höchste  Ziel 
des  Erdenlebens  i-t. 

Daher  kann  auch  von  der  „Ehre  Gott  redet  wer- 

.  weil  aller  Bfensohengeisl  Gott  und  Bein  Wirken  zu 

•  in    Inhalt    halten    soll. 
Ali'T     jeder     Mensch     l-t     nicht      blofi      'in      einzelnes 

rn    (ilied     einer    durch    Naturbande    oder 

durch  «■    Zwecke    and    Bestrebungen    gestifteten 

naft;    er    hat    die    Ehre    dieser    Gemeinschaft 

20     fördern     und     BU     gewahren;     daher     auch     I-'aini- 

-   und    E         ehre.  —    Ehre  schließt  also 
;e,    inner«    Existenz  (neben   der  realen  und 


Ehre.  219 

materialen)  in  einem  anderen  ein;  sie  begründet  also 
eine  Wiederholung,  Vervielfachung  der  Existenz.  Aus 
diesem  Gesichtspunkt  der  schöpferischen  Tätigkeit  — 
den  die  Rabbinen  in  jeder  Wendung  geltend  machen  — 
wird  die  strenge  Heilighaltung  der  Ehre  mit  Nachdruck 
gelehrt.  Das  Bild  des  anderen  soll  man  mit  Gerech- 
tigkeit und  Liebe  umgeben  und  festhalten. 

Daher  das  außerordentliche  Gewicht,  welches  auf  pti^ 
jnn,  auf  Verleumdung  in  jeglicher  Form  gelegt  und  in 
zahllosen  Aussprüchen  bekundet  wird. 

Die  Gedanken  der  Menschen,  ihre  Gefühle,  ihr  Wollen 
und  Handeln  sind  reale,  wirkliche  Vorgänge;  auch  der 
Wert  des  einen  lebt  in  der  Seele  des  anderen.  Daher 
wird  die  Vernichtung  dieses  Wertes  —  durch  üble 
Nachrede  —  dem  Morde  gleichgesetzt;  die  böse  Zunge 
heißt  JVi^ttp,  „Umbringerin"  und  verübt  dreifachen  Mord: 
an  dem,  der  verleumdet,  an  dem.  welcher  verleumdet  wird, 
und  an  dem,  welchem  die  Verleumdung  hinterbracht  wird. 

Wie  es  zwischen  zwei  Punkten  nur  eine  gerade  Linie 
gibt,  aber  unzählige  gebogene,  so  gibt  es  über  eine  Tat- 
sache in  der  Auffassung  und  Darstellung  nur  eine  Wahr- 
heit, aber  tausend  Abweichungen  von  der  Wahrheit.  Die 
Gefahr,  die  Wahrheit  zu  verfehlen,  ist  also  allgemein 
so  viel  größer  als  die  Hoffnung,  sie  zu  treffen  und  bei 
ihr  zu  bleiben.  Folgen  wir  nun  vollends  nicht  der  Energie 
der  Erkenntnis,  sondern  dem  Antrieb  unserer  Neigung; 
sehen  wir  die  Dinge  nicht  so,  wie  wir  sollen,  sondern  wie 


220  III.    Der  Weg  zur  Sittlich' 

wir  mögen,  dann  verfallen  wir  mindestens  in  Irrtnin  und 
leicht  in  noch  Schlimmeres. 

Es  gibt  im  Talmud  zahllose  Stellen  gegen  den  Ver- 
leumder:   mir   die   stärksten    Ausdrücke   sollen    hier   er- 
wähnt werden,  /.  B.:  „Wer  ttble  Nachrede  weiterträgt  imd 
ufhimmt    und  wer  falsches  Zeugnis  ablegt,  ist 
wei  I  vor  die  Hunde  geworfen  zu  werden.-  S.  Pesachim  118n. 
Oder:  Wer  Verleumdung  weiter  trägt,  verleugnet  alle 
Sittlichkeit:    "ip*V-    "©3.      Vom     Verleumder    Bagt    Grott 
die  Wahrheit  ist):    [ch  und   er,  wir  können  nicht  zu- 
umen    in   der  Welt   wohnen"    Arachin  16  .     Man  soll 
Nächsten   selbst   dann  nicht  lobend   erwähnen,  wenn 
zu  befürchten  ist.    dadurch  auch  den  Tadel  herauszufor- 
dern.    Das.  und  öfter. 

§  42.".      Wohlwollen.'      Beim    Recht  entscheiden  die 

; ebenen    Verhältnisse,   beim   Wohlwollen   die   Wahl. 

Die   talmudischen    Kontroversen    über   Abstufung   and 

henfolge   der  Liebespflichten  nach  persönlicher 

Nähe        aus   di  Stadt   oder  Fremder        auch  aus 

-runden.       0  nach       Wirbt  igkeit, 

Z  w(  ck  m.i  big  keit:  G  ;  rauen  vor  den 

Männern  usw.  Bind  -ehr  bäui 
Das  Gresetz  der  abnehmenden   Teilnahme  (Erregung) 

i  II  ,        iphen   ül  nr   \\  n,  Wohlton, 

Wohltätigkeit  selbst  0    n  irbeiten  können,  so  hätte 

r  in  Blraflercm  Zusammei  l;  wir  haben  es 

t  Hr  unser«    Pfl    hl  rehall  unverändert  zu  lassen.    D.H. 


Unterschied  zwischen  Hecht  und  Wohlwollen.  221 

nach  Zeit  Kaum  und  Beziehung  jeder  Art  und  die  Idee 
des  Wohlwollens  ist  zunächst  physiologisch  begründet; 
unsere  Konstitution  schließt  dasselbe  ein;  aber  auch 
geistig  —  die  Erzählung  des  Ereignisses  von  gestern, 
einem  Jahre,  einem  Jahrtausend;  in  der  nächsten  Straße, 
in  dem  Ort,  Lande,  "Weltteile. 
Dagegen: 

1)  Teleskopische  Betrachtung,  Denken  in  die  Ferne. 
Der  Durchschnittsmensch  denkt  nur  an  das  nächste, 
Erhebung  durch  Kultur,  Theorie  und  Verkehr, 
Mitteilung,  Presse  —  auch  Abschwächung  für  den 
Durchschnittsmenschen. 

2)  Betrachtung  sub  specie  aeternitatis.  Erzählung  der 
biblischen  und  homerischen  Geschichten  nach  der 
Art  der  Vergegenwärtigung  und  der  subjek- 
tiven idealen  Erregung. 

3)  Der  empirischen  Tatsache  steht  die  ideale  For- 
derung gegenüber.     Lösung. 

4)  Auch  diese  schließt  eine  Stufenfolge  ein,,  aber  nur 
nach  Erregung  desWollens,  Anlaß  und  Mög- 
lichkeit des  Wirkens. 

5)  Das  Endliche  des  Individuums,  der  Kraft,  des  Wir- 
kens —  und  das  Unendliche  des  Wertes. 

6)  Aber  gleichzeitiger  Anlaß  des  Wollens  ist  unendlich. 

7)  Grund  der  Nähe  und  Ferne.  VZtib  TöWrU  Jede 
Konfession  hat  ihre  Heiligen. 

i  Deuter.  33,  9. 


222  in.   Der  Weg  zur  Sittlich;. 

8)   Die   Kraft  des   Wirkens  ist  endlich. 

:h   Unaufhörliche  Kollision  der  Ansprüche  (Pflichten); 
also  gar  kein    Wollen   kann'   zustande. 

„Auf  sieben   doch   wieder   ein-." 

Solange   seine   Kinder  leben,  nicht  gleich  —  jetzt  — 
im  Unterschied  von  denen,  die  nur  an  der  (ieburt,    der 
Naturangehörigkeit  hängen  -  -  ist's  ihm  sein  Kind,  für  d 
die  Pflichten  auferlegt  sind.  — 

Verwandlung  des  Zufälligen  im  Idealismus.  — 

Das  wahre  Prinzip  der  Toleranz  findet  hier  einen  fast 
stärkeren  Ausdruck  als  in  den  drei  Ringen.  Ein  Kind, 
keine  Frage,  von  wem  stammt  es.  wem  gehört  es;  daß 
>■-  keines  Juden   Kind  i-t. 

Wer  ist  mein  Nächster;  der  meiner  am  meisten,  jetzt 
bedarf,    und    welchem    zu    helfen    ich    die    Kraft     habe. 

Lucas  LO,  29.  Der  Nächste  ist  der  Liebende.  Liebe 
deinen  Nächsten  heißl  also:  Mache  ihn  zu  deinem  Nächsten, 
indem  du  sein  Nächster  durch   Liehe  bist. 

jn,  der  Nachbar.  Gtesenius  ttbersetzl  y\  mit:  einer,  mit 
dem    ich     Umgang    habe,    Freund,    Bekannter.    Gfonoi 

D    .Mühlau    eig.   ..einer,    der    -ich    eine-    andern   an- 
nimmt."    Vortrefflich,  aber  woher  hat  er 

Das   Prinzip  der  Li  ehe. 

■  i  •  ler  wirkt  nicht  bloß  für  ädern  für  andi  re 

■    • ,    J    '/•    empfih     '  I  ierechtig- 


Prinzip  der  Liebe.  223 

keit  erst  den  vollen  Sinn.  Schaffen  für  sich,  um  für 
andere  z  u  leisten. 

Erhebung  jedes  einzelnen  zu  vollem  Werte,  um  der 
Gesamtheit  dienen  zu  können;  Veredlung  der  Persönlich- 
keit, um  eine  Gesamtpersönlichkeit  möglich  zu  machen. 
Nicht  alle  können  gleich  erhoben  werden,  sich  durch- 
ringen; aber  alle  sollen  durch  Gerechtigkeit  befestigt 
werden,  eingeschränkt  und  angespornt  nach  festem  Maß. 

Aber  wenn  nicht  alle  Liebe  gewähren,  können  doch 
alle  Glieder  in  einem  Reich  der  Liebe  sein,  weil  sie 
Liebe  empfangen. 

Die  empfangene  Liebe  aber  führt  dann  auch  zur 
tätigen  und  gewährenden. 

Man  hat  gesagt,  daß  die  Liebe  nicht  zum  Gegenstand 
der  Pflicht  gemacht  werden  könne,  und  kein  Geringerer 
als  Kant  zählt  zu  denen,  welche  dies  behaupten.  Es 
mag  sein,  daß  die  Zuneigung  des  Herzens  zu  einem  an- 
deren Menschen  sich  nicht  gebieten  läßt,  der  Wille  kann 
jedenfalls  auf  liebevolles  Handeln  gerichtet  werden. 

Die  biblische  und  nachbiblische  Auffassung  des  Juden- 
tums ist  in  den  Worten  ausgeprägt:  „Liebe  deinen  Näch- 
sten wie  dich  selbst"  (Lev.  19, 18).  Ja,  wie  dich  selbst;  du 
bist  doch  auch  nicht  immer  liebenswert!  du  setzest  doch 
deiner  Eigenliebe  auch  nicht  immer  Maß  und  Ziel  je 
nach  deinem  Verdienst. 

Es  gehört  zu  den  schwierigsten  und  bisher  unerledigten 
psychologischen  Fragen,    ob   der  Wille  auch  unsere  Ge- 


824  HL    Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

fühle  zu  beherrschen,  sie  zu  leiten,  auch  zu  erzeugen  im 
ade  ist.  Schleiermacher  z.  B.  hat  dem  Willen  die 
souveräne  Macht  im  Innern  des  Menschen  auch  über 
seine  Gefühle  vindiziert 

Das  aber,  was  wir  unbedingt  vermögen,  ist:  unsere 
le  in  die  Lage  zu  versetzen,  das  milieu  zu  schaffen, 
daL)  gewisse  Gefühle  daraus  mit  Notwendigkeit  entstehen. 
Jn  unserem  Falle  können  und  sollen  wir  eins  tun:  uns 
in  die  Seele  des  anderes  versetzen;  nicht  an  uns  allein, 
sondern    an    ihn  besonders  denken,    an    sein  Schicksal, 

line  Lage  usw. 

Die  heilig«  Schrift  drückt  in  bezug  auf  den  Fremden 
das  Gebot  so  aus:  „Du  sollet  ihn  nicht  bedrücken,  sondern 
liebe  ihn,  wie  dich  selbst"  (das.  V.  33  u.  3-ii.  d.  h.  also: 
ine  ihm  nur  seine  Wohlfahrt,  Beine  Freiheit,  und  du 
wirst  ihn  auch  Lieben,  Liebe  ist  Verbindung.  Das  Ge- 
fühl der  Liebe  ist  nichts  anderes  als  Sehnsucht  der  Ver- 
ein beurteile  den  anderen  nur  ge- 
bt, prüfe  auch  seinen  Wunsch,  seine  Sehnsucht,  dann 
wirst   du  dich   nicht  trennen,  sondern  verbinden.  — 

Dn  ehendee  Prinzip. 

führender  Gedanke,  leitendes  und 
■     H  Lnd<  U  immer  -<,m: 

b     in  -  in    ti         Q     iiiii  t    d  08    B  nder  «■  n    !  l 

Bild  des  anderen,  seines  Charakfc 

seiner   Lage,    seine     !'.•   lürlni  toll    vor   unserer  Seele 


Ethik  der  Wohltätigkeit.  225 

stehen,  dann  können  wir  den  rechten  Weg  des  Handelns 
kaum  verfehlen.  Abstrakt  ist  dieser  Gedanke  oft  aus- 
gesprochen und  wird  mit  Worten  leicht  und  oft  wieder- 
holt, zur  lebendigen  wirklichen  Ausführung  der- 
selben kommt  er  schwer  und  selten.  — 

Ethik  der  Wohltätigkeit.  Ihr  dauernder  Charakter. 

§  428.  Unsäglich  viele  materielle  und  psychologische 
Umstände  sind  zu  beachten,  um  das  wahre  Ziel  der 
Wohltätigkeit  zu  erreichen. 

Nur  Aufgaben  entstehen:  Toynbee-university  extension 
—  Settlements  —  die  Akademiker,  besonders  junge,  sollen 
mitten  unter  dem  Volke  gesellig  und  freundwillig  wohnen, 
um  den  Geist  des  Volkes  zu  erforschen  und  zu  erheben: 
S.  Der  Lotse,  Wochenschrift  1901,  Heft  6;  Förster:  Zur 
deutschen  Hochschulbewegung. 

Die  Ethik  der  Wohltätigkeit  braucht  sich  im  Juden- 
tum nicht  zu  ändern,  aber  die  Technik  wird  durch  die 
geänderten  physischen  und  psychologischen  Beziehungen 
notwendig  eine  andere. 

Wir  Juden  haben  den  Geist  der  Wohltätigkeit  längst 
ausgebildet;  wir  brauchen  kein  Toynbee,  kein  extension, 
oder  vielmehr  wir  haben  sie  tatsächlich  in  Fülle; 
vom  Mittelalter  her  durch  das  Ghetto.  Zusammen  von 
Hoch  und  Niedrig;  Gelehrt  und  Ungelehrt  usw.  Das 
Wissen,  das  man  allein  brauchte  —  denn  die  Handels- 
formen erbten  von  selbst  in  der  Familie  fort  —  war  die 

Lazarus,  Etpik  des  Judentums  II.  J  ** 


i!i.    Der  Weg  rar  Sittlich* 

ira-  Chewravortrage;Nachtrebbe8JUBW.  In  Kreml  und 
I  .  verbunden,  kennt  der  Reiche  genan  das  Gemüt  des 
Armen;  Bie  werden  auch  in  allem  gleich;  demokratisch, 

mit   guten  und  üblen  Folgen. 

Vielleicht  kann  man  als  spezifisch  für  die  Ethik  der 
jüdischen  Wohltätigkeit  betrachten,  dah  auch  in  dieser 
die  Idee  der  Gerechtigkeit  mitwirken,  ihr  Maß  und 
Richtung  geben  boII;  nicht  überfließende  Sympathie  (bei 
aktueller  Ehrregung),  sondern  Erwägung  der  Ansprüche 
anderer  usw. 

Eine  achtfach  verschiedene  Bezeichnung  für  den 
Armen  wird  aus  der  heiligen  Schrift  nachgewiesen,  um 
alle  Gremütsleiden  desselben  zur  Anschauung  zu  bringen 
und  das  Mitleiden  desto  sicherer  und  vielseitiger  zu  er- 
regen,    s.  Midr.  Wajikra  r.  Par.  34.  1  \\. 

Keth.66b:  In  Jerusalem  führt  man  folgendes  Sprichwort 
TOn  p&Q  H^D  (oder  "IDH  in  gleichem  Sinne  dea  Bildes)2:  das 
(Bewahrungsmittel)  des  Geldes  ist  Liebeserweisung. 
Wohltätigkeit  ist  die  erhaltende  Kraft  dea  I '.«sitzes. 

Wühlt  •    ist    heutzul  ae  Wissenschaft   oder 

Sin   Studium   und    in    der    Tiaxis,   wie  alle  an- 
Ite  W  Qe  K  u  ii  Bt 

129.       Die     alte     I  nach     dem     moralischen 

1   I»>t    Kaufmann,   der   am  T;il-<-   von   Qeschiften   in   Anspruch 

r,  hielt  i'n  Hausrabbi,  mit  'i*-m  tuaammen  i  r 

in  der  Na  i.i  Thora  itudierte.  -  i  ihrungs- 

milld)  ist,  es  weniger  m  .    h  Wolillun).    I>.  II. 


Dauernder  Charakter  der  Wohltätigkeit.  227 

Fortschritt,  welchen  Buckle  wieder  verneint  und  allen- 
falls auf  Fortschritt  in  der  Naturwissenschaft  zurück- 
geführt hatte,  wird  am  entschiedensten  bejaht  durch  das 
Maß  von  Energie  und  eindringendem  Verständnis  wahrer 
Wohltätigkeit.  Die  Prinzipien  haben  sich  nicht  geändert, 
aber  welch  ein  Unterschied  in  der  ganzen  Behandlung 
der  Sache!  Auch  bei  uns.  Wieviel  reicher  ist  doch  die 
Literatur  über  lbr\2  ~)Ü2  oder  rvbna  als  die  über  m  — 
gib,  gib,  und  gib  gern,  dabei  blieb  es. 

Der  Gedanke  einer  „training  school"  ist  ein  herr- 
liches Novum. 

In  jener  glänzenden  Zeit  des  jüdischen  geistigen  Lebens, 
in  welcher  nach  dem  Zusammenbruch  des  Staates  und 
der  religiösen  Einheit  und  Verwaltung  durch  die  Tannaim 
das  Judentum  auf  Grund  der  heiligen  Schrift  und  der 
Überlieferung  neu  auf-  und  eingerichtet  wurde,  ■ —  da 
brauchten  die  Akademiker  nicht  mit  einer  Art  von  Auf- 
opferung ins  Volk  zu  gehen,  um  es  kennen  zu  lernen  und 
es  dann  desto  sicherer  und  geschickter  zu  belehren,  —  son- 
dern sie  waren  darin,  Männer  des  Volks,  Handwerker, 
Gärtner,  Winzer,  Kaufleute  voran,  zugleich  Akademiker 
ersten  und  höchsten  Ranges.  Josua  ben  Chananja  ist 
Nagelschmied,  aber  eine  höchste  Autorität  in  der  Akademie, 
mehrmals  Gesandter  beim  Kaiser  in  Rom  usw.  —  Daher 
fordert  er  auch  bei  gesetzlichen  Einrichtungen  Rücksicht 
auf  das  Volk,  die  Majorität  (TOSBl  3V1).  —  Gleichwohl 
—  und  darin  zeigt  sich  das  historisch  Echte  der  Sache  — 

15* 


228  111.    Der  Weg  zur  Wirtlich!. 

muß  ßioh   die  patruasche   Familie  mit  dem  Patriaroheo 

I  überhaupt  den  herben  Tadel  gefallen  lassen, 

daß  er.  —  der  den  Josua  als  Akademiker  so  gut  kennt, 

von  dessen  weltlicher  und  gewerblicher  Tätigkeit  nichts 

weiß;  bei  einem  Besuche,  den  er  dem  Josua  offiziell  ab- 

tatten    hat,    sieht  und  erfahrt  er  erst,    daß  dieser  ein 

ist,  und  da  er  dies  kund  gibt,        I   ihm  Josua 

schlankweg   ins  Gesicht:   Wehe    dem   Zeitalter,    dessen 

Fühvor    so   wenig    vom  Leben  eines  Gelehrten,   der  dem 

Volke  zugehört,  weiß. 

Studium"    der   Wohltätigkeit  isl  ein  zweifaches: 

(Zweck,  Ziel)  und   ein   technisches    (Mittel, 

Maß  USW).      Das    ethische    erhebt    sich,    ändert    sich    mit 

dem  Fortschritt  der  Ethik;  das  technische  mit  jener  und 

den  öffei  tlichen  umständen. 

gibt    Wohltaten,    die   -ich    .on   das   ganze   Leben 

leren    und    Belbsl    einer    Familie,   weiter   einer 

1t    (die    Millionen    der    Frau    Mende,    die  sie   dem 

chenkt,  ohne  jede  nähere  Bestimmung)  beziehen; 

aber  auch  Bolche,  die  in  einer  Stunde  beginnen  und 

vollendet  werden;  /.  B.  man  findet  jemand  in  einem  Walde 

rrt  —  Bein  Leben  ist  gehemmt  — ;  man  führt 

ihn  in  Bein  Beim  Eurück,  er  führt  sein  gewohnte!  Leben 

.  — 

\       früheren  Z  lind   uns   die   ethischen  Grund- 

aber    auch    die    [nstitutionen,    die    Einrichtungen 

E    bedarf  heute    ,     Beschreibung  derselben 


Private  und  soziale  Wohltätigkeit.  229 

in  der  Ethik  nicht  mehr;  vielmehr  von  Jahr  zu  Jahr  ent- 
stehen neue  Formen  des  Wohltuns  nach  den  neueren 
Arten  des  Bedürfnisses  und  den  Mitteln  zu  ihrer  Be- 
friedigung. Die  Wohltätigkeit  bildet  heute  einen  inte- 
grierenden Teil  des  öffentlichen  Lebens  und  sie  bedarf 
einer  weitverzweigten  Technik,  um  das  Gute  zu  tun  und 
nicht  mit  dem  Guttun  zugleich  Übel  zu  erzeugen.  Was 
uns  die  Ethik  zu  bieten  hat,  sind  nur  die  Leitsätze. 
Wir  finden  sie  schon  im  Gesetz,  in  den  Propheten  und 
bei  den  Rabbinen. 

1.  Die  Not  aufheben.  2.  Nicht  Almosen,  sondern  Auf- 
helfen, —  Leihen  ohne  Zins,  Arbeit  verschaffen  usw. 
Das  13  nptnm  in  Levit.  25,  35  übersetzt  man  am  besten 
ganz  wörtlich:  pin  stark  sein  =  Kraft  haben;  Hiphil 
also  Kraft  geben,  stark  machen;  die  Konstruktion  mit  3 
ist  ganz  passend:  „Wenn  dein  Bruder  schwach  wird,  seine 
Kraft  sich  neigt,  dann  sollst  du  Kraft  in  ihn  bringen 
—  ihn  aufrichten,  daß  er  wieder  kräftig  sei.  3.  Die  Art 
des  Benehmens,  die  Schonung  des  Empfängers,  die  Im- 
ponderabilien der  Humanität  usw.  S.  die  Rede  von  Pea- 
body  in  Östr.  Wochenschau  1897,  Nr.  27. 

Das  Schicksal  der  Juden  hat  sie,  —  bei  der  Absicht, 
die  Ideen  der  Güte  und  des  Wohlwollens,  die  den  bib- 
lischen Gesetzen  zugrunde  liegen,  in  Ausführung  zu 
bringen  —  besonders  auf  die  Gemeindebildung  und  Ge- 
meindeleistung hingewiesen;  die  alte  Sozialgesetzgebung 
zur   Verhinderung    dauernden   Elends   in   einer    Familie 


111.   Der  Weg  zur  Bittliohi 

hatte  zu  funktionieren  aufgehört;  die  Sozialgesetze  waren 
allgemein    von  Staat   und    Gesellschaft    als  Ganzes   aus- 
fahrt; jetzt  mußten   andere  Faktoren  eintreten:  neben 
privaten  Wohltätigkeit  die  soziale  in  der  Form  von 
teinde  und  freien  Vereinen. 
Die  Selbstverwaltung  war  hier  das  Ursprüngliche; 
ischen    dem  Staate   und    der  Privattätigkeit   liegt  die 
:  innerhalb  derselben  sind  verschiedene  Vereine 
für  gesonderte  Zwecke,  wie  Leichenbestattung,  Kranken- 
pflege,   Armenernährung,    Bekleidung,    ßet-ha-midrasch, 
\\  roth  für  Schiur  '.  Auch  die  kleinen  Gemeinden  können 
da  vi.-]  leisten,  oft  mehr  als  die  großen.   Belehrende  Sabbat- 
nachmittag-  (oder  abend-)   Vorträge    kann    der    Lehrer 
halten,  ohne  IV  zu  sein,  welche  mehr  als  die  Pre- 

•   zur  Erhaltung  und  liebung  des  ethischen  Bewußt- 
as  beitragen. 

Wir   müssen    der   historisch   überlieferten    Arten   und 
i    der    Wohltätigkeit    nur    deshalb    und   in   BO  weit 

lenken,  als  in  ihnen  die  ethischen  Motive  und  leitenden 

lanken  zum  Ausdruck  gekommen,  also  schon  von 

dem  bibli  nWD  ■    --:_•      vpb  —  nptnm  —  bi\\  nov:::\ 

;en  Kapitalanhäufung  and  Ausbeutung 

.•iL  auch    Talmud,    dann    Mittelall 

Maimoi  usw.     Aber   auch    di<         enwärtigen    Ein- 

ni'l.  wie  ihre  umstände,  zu  beachten,  trotz 

\  eränderungi  d  der  sozialen 

1  D.  i.  '  Bludium  der  Ti, 


Private  und  soziale  Wohltätigkeit.  231 

Bedingungen  neue  Formen  fordern  werden.  Die  Bedürf- 
nisse des  Empfängers  sind  mannigfaltiger  geworden,  aber 
auch  die  Leistungen  der  Geber,  besonders  durch  Asso- 
ziation von  Personen  und  Schaffung  von  Institutionen,  wie 
(D^in  Tlp^n  zu)  Sanatorien,  Kredite  —  Arbeitsnachweis  — 
Unterricht  —  auch  Blinden-  und  Taubstummen- Unterricht 
und  Arbeit  —  Altersversorgung  —  Siechenhäuser  — 
Rekonvaleszentenhäuser. 

Augenblickliche  Not  und  Aushilfe  —  Einheimische  und 
Fremde.  — 

Die  objektive,  meist  materielle  Hilfe  —  aber  auch 
Schulen,  Lesehallen  usw.  —  und  die  persönliche  Berüh- 
rung. — 

Persönliche  und  sachliche  Leistung  —  Geld  geben  — 
oder  als  Vorstand,  Ehrendame,  usw.  persönlich  wirken, 
aber  auch  sachliche  Leistung  und  persönliche  Beziehung 
zum  Bedürftigen. 

Der  moralische  Einfluß  und  das  moralische  Ziel;  der 
Geber  als  Glied  der  Gesellschaft,  aber  auch  der  Emp- 
fänger als  Glied  der  sittlichen  Gemeinschaft. 

Nicht  bloß  positiver  Unsittlichkeit  soll  vorgebeugt, 
sondern  der  moralische  Stand  soll  gehoben  werden. 
Auch  die  Geber  sollen  sittlich  veredelt  werden.  Frühere 
Zeiten  sprachen  zwar  von  dem  Segen,  die  die  Wohltat 
dem  Vermögen  bringt,  von  welchem  ein  Teil  zur  Wohl- 
tat verwendet  ist.  Wir  aber  wollen  noch  mehr  den  in- 
neren  Segen    erhoffen   und   erwarten;    die   Entlastung 


III.   Der  Weg  zur  Sittlich! 

dem  krassen  Egoismus  der  Einzelnen,  von  der  Form. — 
Die  Lebensführung  als  Glied  der  Gesamtheit.  Keine, 
edle  Motive.  —  Daneben  persönliche,  einsame  Hingebung 
sehr  wertvoll;  aber  Gemeinschaft  des  Wohltuns  und 
Bewußtsein  derselben  sind  ?on  besonderem  Wert. 

Jede  Generalversammlung  eines  Wohltätigkeitsyereins 
ist  eine  WäSf  XSth  .td:d.  Das  Gefühl  der  gemeinsamen 
Verpflichtung  wird  deutlich. 

Subjektive  Tat  und  objektives  System  der 

Wohltätigkeit. 

§  430.  Die  Ethik  hat  nicht  die  Arten  und  Formen  fest- 
zukeilen, sondern  nur  die  Maximen  auszubilden,  aus  denen 
jene  für  die  Praxis  nach  den  objektiv  waltenden  Um- 
-•   aden  und  Verhältnissen  abzuleiten  Bind. 

Wohltätigkeit    ist    die    subjektiv.'    Tat    und    das 
objektive    9  m   zu   unterscheiden.     Die   Ethik   hat 

die  subjektive  Gesinnung,  die  Gesellschaftelehre  die 
ktiven  Erfolge  zu  untersuchen  und  zu  lehren. 
Ermahnungen  über  Wohltätigkeil  und  Kontroversen 
über  die  Form  (geheim  in  öffentlichen  Kassen,  oder  persön- 
lich usw.  i.Baba  batra8'— ll*.  I  osere  moderne  Einrich- 
tung —  di  eo  und  Vereinstätigkeit  wird  bevorzugt, 

•    G<      r  und  dieser  jeneo  nicht  kennt. 
Dai  biblisi       Gebot  der  Wohltätigkeit  wird  eingeleitet 
mit   den  Worten  "fflH   7-'   *-  '     Eine   ganze  Welt   von 
'  i 


Subjektive  Tat  und  objektives  System  der  "Wohltätigkeit.      233 

Gemüt  öffnet  sich  schon  in  der  bloßen  Bezeichnung  des 
Notleidenden  als  "JAK,  dein  Bruder.  Das  Band,  mit 
welchem  die  Blutsverwandtschaft  schon  von  Natur  die 
Menschen  verbindet,  wird  hier  durch  das  Bedürfnis  des 
einen  und  die  Hilfskraft  des  anderen  ersetzt.  Grade 
weil  er  deiner  bedarf,  ist  er  *]TIK,  dein  Bruder. 

Der  Wohltätige  tritt  in  den  Riß  der  Gerechtigkeit 
gegen  die  Armen.     S.  Wajikra  r.  Par.  34,  16.1 

Die  Wohltat  stiftet  auch  den  Frieden  im  Gemüt  des 
Empfängers;  sein  Los  verbittert,  die  Wohltat  besänftigt 
ihn.  Cima  lD^Dö.  Vorzüglich  ist  der  Gedanke  des  B. 
Jehuda  bar  Simeon:  Der  Arme  fühlt  sich  isoliert,  vom 
Wohlhabenden  getrennt,  von  Gott  verlassen;  er  hadert  mit 
Gott;  aber  die  Wohltat  stiftet  den  Frieden  wieder.  S.  das. 
Not  trennt  die  Menschen,  Wohltat  verbindet  sie  wieder. 


1  Die  Stelle  lautet:  Es  heißt  Jesaia  58,  12:  „Und  man  nennt 
dich  Vermauerer  des  Risses".  R.  Abin  im  Namen  des  R.  Be.echja 
hat  gesagt:  Der  Heilige,  gebenedeiel  sei  er!  sprach:  Diesen  Riß 
zu  vermauern  lag  mir  ob,  du  aber  tratest  hm  und  vermauerlest 
ihn.  Bei  deinem  Leben!  daß  ich  es  dir  anrechne  wie  die  Tat 
jenes  Mannes,  von  dem  geschrieben  stehl  Ps.  106,  23:  „Wäre  nicht 
Mose,  sein  Erkorener,  in  den  Riß  vor  ihn  getreten".  Ferner 
Jesaia  das.:  „Wiederhersteller  der  Pfade  zu  wohnen".  R.  Jehuda 
berabbi  Simon  hat  gesagt:  Dieser  Arme  sitzt  und  klagt:  Was  bin 
ich  anders  als  N.  N.?  Er  schläft  auf  seinem  Bett,  und  ich  schlafe 
hier;  N.  N.  schläft  in  seinem  Hause,  und  ich  hier.  Du  aber  tratest 
hin  und  gabst  ihm.  Bei  deinem  Leben!  ich  rechne  es  dir  an,  als 
hällesl  du  Frieden  zwischen  ihm  und  mir  gemacht.  Das  ist,  was 
geschrieben  steht  Jesaia  27,5:  „Er  schallt  Frieden  mir,  Frieden 
schafft  er  mir1'.     D.  H. 


23  t  Hl.   Der  Weg  rar  Bittlidhkeifc 

Der  Empfänger  einer  Wohltat,  saut  EL  Josna,  gibt 
Wohltätigen  mehr  als  er  empfängt;  denn  Geben  i>t 
Beuger  denn  Nehmen.  S.  Wajikra  r.  Par.  34,  Nr.  B  Ende. 
Mit  Nachdruck  wird  oft  eingeschärft,  » 1 : i L*>  öftere 
Wohltal  bei  wiederkehrender  No1  Pflicht  sei.  Am 
meisten  wird  Unterstützung  zur  Verhütung  des  Ver- 
mögensyerfalli  boten;    aufrichten,   daß  er  nicht  falle. 

8.  Sifra,    Behar    Pisk.  5.    (Bei   Maimonides   D*J»)f  riunö 
Bchön  und  klar,  wiederholt.) 

Reich    und    arm    ist    von   Gott   eingerichtet   \vegen  <i' 
chenden  Wohlwollens.  8.  Wajikra  r.  Par.  34.  Vergl. 
T.  I.  Theodicee. 
ß  131.    Beschämende  Wohltätigkeit.   Rabbi  Jannai 
te  zu  dem,  der  einem  Armen  öffentlich  Almosen  gab: 
Besser  du  hättest  ihm  nichtf  ben,  als  ihn  durch  die 

be  zu  beschämen.    8.  <  Ihagi 

Die  ßabbinen  baben  besonders  das  Armenrecht  aus- 
gebildet.    Wertvoll    Bind   die   (nach    damaligen  Verhält« 
bellten)  Definitionen  des  berechtigten  Armen. 
Darlehen    (die  Aushilfe)  wird  höher  gestellt  als 
Ali  [eben.    8.  Schabb.  63  :  Wer  einem  Armen  Geld 

leiht.  als  der,  welcher  ihm  Almosen  gibt. 

Di«  rabbinische  Anpreisung  und  Anordnung  in  bezug  auf 
alle  Li.  wir:  Kranke  besuchen,  Nackte  zu  klei- 

.  Hui:.  ;  •■   i  d .  '  h  fongene   1 1        elte)  n  lö 

l  behausen.   8.  Nedarim  40':  Wer  einen  Kranken 
ler  nimmt  ihm  den  •      I     1  von  Beinern  Schmerze 


"Wohlwollen.     Dankbarkeit.  235 

—  Wer  einen  Kranken  nicht  besucht,  gilt  so,  als  wenn 
er  Blut  vergösse.  —  Wer  einen  Kranken  besucht,  wird 
vorn  Gericht  des  Gehinnoni  errettet  —  ist  endlos;  man 
kann  mit  den  Zitaten  darüber  Bände  füllen. 

Wohlwollen.  Wer  aus  freien  Stücken  mehr  gibt,  als 
man  von  ihm  fordert,  ist  der  rechte  Wohltäter.  Schon 
die  Rebekka  wird   als  Muster  genannt  Gen.  24,  18.  19. 

Der  Geber  empfängt  mehr  durch  seine  Wohl- 
tat als  der  Empfänger.  R,  Abin  sagt:  Der  Arme 
steht  an  deiner  Tür,  Gott  steht  an  seiner  Seite,  d.  i. 
die  sittliche  Weltordnung,  die  sittliche  Forderung  steht 
ihm  zur  Seite.     S.  Ruth  r.  Par.  5. 

Grausam  ("ntoN)  heißt,  wem  eine  Freude  zukommt  und 
er  teilt  sie  nicht  mit  anderen.  S.  Wajikra  r.  Par.  34.  Nr.  3. 
Es  heißt  Spr.  Sal.  11, 17  „Wer  seinen  Verwandten  kränkt 
ist  grausam".  R.  Alexandri  hat  gesagt:  „Das  ist  jener, 
dem  eine  Freude  zukommt,  und  seine  Anverwandten 
nicht  teilnehmen  läßt,  weil  sie  arm  sind." 

Kampfzwi seh enRechtundWohl wollen.  Eigenes 
und  fremdes  notwendiges  Interesse  wird,  sobald  nur  die 
eigene  Not  gedeckt  ist,  zugunsten  des  Wohlwollens  ent- 
schieden, (nur  R.  Jose  stellt  sich  auf  Seite  des  Rechts.) 
S.  Toseftha  Baba  mez.  Per.  11. 

Dankbarkeit. 

§  432.  „Wirf  keinen  Stein  in  einen  Brunnen,  woraus  du 
Wasser  getrunken".  Auch  daß  zur  Begründung  des  Verbots 


III.    Der  Weg  zur  Sittlichkeit 

der  Undankbarkeit  hier  (Deut.  23,  8)  auf  das  Verhältnis 
I  «eis  zu  Ägypten  hingewiesen  wird,  zeigt  die  ideale  Höhe 
der  Anschauung.  I  >ie  Bebräer  hatten  in  Ägypten  viel  Hartes 
und  Schweres  ertragen;  immerhin  haben  sie  als  Fremde 
dort  die  Gastfreundschaft  genossen.  Dessen  sollten  sie 
eingedenk  bleiben.  Des  Guten  gedenken,  das  Böse 
vergessen! 

Dankbarkeit  ist  noch  keine  Tugend,    aber  Undank  ist 
ein  Laster. 

Undank.  Ich  glaube,  wer  geneigl  ist,  Gutes  mit 
Bösem  zu  vergelten,  der  wird  stets  Gelegenheit  dazu 
finden;  all  unser  Gutes,  Besitz  und  Wissen,  Ehre  usw. 
kommt  uns  ron  der  Güte  anderer,  schließlich  Gottes, 
also  LSl  in  undankbaren  Augen  immer  Ursache.  Undank 
zu  üben.  S.  Prov.  L7,  L3:  uT3ö  Pljn  BKDn  »b.  Zum  Nach- 
rgL  die  Kommentare. 

•e   Auflehnung    de-    Menschen     d:tLr<'Lren,    daß 

er  nicht  Schöpfer  und  \b  seiner  Vorzüge  und 

Besitztümer  Bein  soll:  TW?  T  DJflJfl  to^  ist  der  Grund- 
.,  d<  r  /um  Verfall  führt 

1  Deutet  s,  i ". 


Gegen  Rache  und  Nachtragen.  237 

Gegen  Rache  und  Nachtragen. 

.Nicht  Böses  vergelten.     Gnade.     Güte.    Milde. 

Bürgschaft  für  einander.     Gemeinsamkeit. 

Solidarität. 

§  433.  Rache,  Nachtragen.  Sehr  charakteristisch 
für  die  Strenge,  mit  welcher  das  Nachtragen  verpönt  wird, 
ist  die  Erklärung,  welche  den  beiden  Begriffen  Rachsucht 
und  Nachtragen  durch  ein  Beispiel  gegeben  wird.  Das 
Versagen  einer  Gefälligkeit,  welche  von  der  anderen 
Seite  versagt  war,  gilt  schon  als  Bache;  aber  auch  beim 
Gewähren  derselben  wird  schon  die  hinzugefügte  Bemer- 
kung: „Siehe!  ich  gewähre  dir,  was  du  mir  versagt  hast", 
als  Nachtragen  angesehen  und  soll  vermieden  werden. 
S.Joma  23  \ 

Das  Sprichwort  sagt:  Rache  ist  süß!  Ja,  Rache  ist 
süß,  aber  süßes  Gift.  Rache  und  Recht,  —  die  sophi- 
stische Verführung  des  Rächers. 

Nicht  die  große,  schwere,  in  harten  Taten  geäußerte 
Rache  ist  mehr  möglich;  aber  was  in  der  Gesellschaft 
unheimlich  wühlend  und  zersetzend  wirkt,  ist  die  kleine, 
gemeine,  geheime  Rachsucht.  — 

Nicht-Rache.  Böses  nicht  vergelten,  aber  auch 
bei  der  Nichtvergeltung  und  bei  Wohlwollen  trotz  der 
Verweigerung  desselben  durch  den  andern,  nicht  sagen: 
Sieh',  ich  bin  hesser  als  du.    S.  Sifre,  Kedoschim  Pis.  4 


III    Dei  Weg  zur  Bittliohi    I 

B  hon  Prov.  24  21»  wird   der  alten.  Überlieferten,  dem 

artrieb   naheliegenden  Regel,    welcher   der  gewohnte 

reale  Weltlauf  entspricht,  entgegengetreten.    „Nicht  Ver- 

tnng  des  Bösei  '     Sprich  nicht:  „wie  er  mir  getan,  so 

tue  ich  ihm,  ich  jedem  nach  seinem  Tun." 

43-1.    Grundlos  indschaft  (Dan  I\H&)  zerstört 

alle  Heiligtümer  im  Gemüte;  denn  sie  i-t  das  absolute 
Gegenteil  der  Zusammenschließung,  welche  auch  ohne 
Grund  stattfinden  boIL    S.  Joma  9b. 

Hl  ß.  Es  gibt  keinen  Bpontanen,  ursprünglichen  Hau, 
wie  es  ursprüngliche  Sympathie,  Liebe  gibt,  oder  viel- 
mehr: wie  diese  immer  ein  objektiv  ge  Motiv  hat, 
so  auch  der  Hau.  Seine  Motive  sind:  Rache  für  emp- 
faii  •  Böse  —  das  entschuldbarste  —  oder  für  Hern- 
um:  d  Guten,  Undank  (Gefühl  des  Druckes 
im   schuldigen  und  Lästigen  D            Neid  (Mißgui 

Haß  und  Neid  vereinigt,  (tOtPftttb  ohne  ünter- 
II)  II  Liebe  —  zum  Dritten  oder  Entgegen- 

i!  Fanatikers,  aus  !  /.u  seinem 

Glauben;  freilich  eine  häßliche  Liel 

II  !.  ibe  ist  gewöhnlich  Liebe  nun  Dritten  und 

halb  Rache  für  ihn  .  den  Zweiten,  welcher  jenen 

gt,    1"  '     hat.       Di    IM     Haß    kann    man 

b  am  •    tschuldigen;  nur  wenn  die  Religion 

der  X  den   man   üebt,   darf  HaQ  keine  Stelle 

:  denn   Religion   darf  Bich  nicht   rächen   und  nicht 
•  II. 


Solidarität.    Objektive  Einheit  des  Sittlichen.  239 

Haß  und  Liebe  sind  natürlich;  aber  der  Haß  ist  nicht 
sittlich,  er  soll  durch  Sittlichkeit  verschwinden,  auch  wo 
er  natürlich  ist;  die  Liebe  soll  durch  Sittlichkeit  auch 
da  sein,  wo  sie  natürlich  nicht  ist;  und  dadurch  wird  sie 
auch  da,  wo  sie  natürlich  ist,  durch  Sittlichkeit  erhöht 
und  geadelt.  — 

Haß  nach  außen  bringt  Hader  nach  innen.  S.  Joma 
ga-b.  warUni  ist  das  erste  Heiligtum  zerstört  worden? 
Wegen  dreier  Dinge:  wegen  Unzucht,  Götzendienst  und 
Blutvergießen.  Warum  ist  aber  das  zweite  Heiligtum, 
da  man  doch  Thora,  Gebote  und  Wohltätigkeit  übte, 
zerstört  worden?  Weil  D3H  nfcOt?,  grundloser  Haß,  vor- 
handen war.  Das  lehrt  dich,  daß  grundloser  Haß  die 
drei  Sünden  aufwiegt:  Unzucht,  Götzendienst  und  Blut- 
vergießen. 

„Die  Babbinen  lehren:  Die  gedrückt  werden  und  nicht 
wieder  drücken,  ihren  Schimpf  hören  und  nicht  wieder 
schimpfen,  alles  aus  Liebe  tun  und  auch  Leiden  mit 
Freude  tragen,  von  denen  sagt  die  Schrift  (Jud.  5,  31): 
„Und  die  ihn  lieben,  sind  gleich  der.  Sonne,  wenn  sie  mit 
Macht  hervortritt".     S.  Schabb.  88 b. 

Solidarität     Objektive  Einheit  des  Sittlichen. 

§  435.  Viel  ernster  und  energischer  als  die  moderne 
Weltanschauung  hat  es  die  rabbinische  mit  der  Solidarität, 
insbesondere  mit  der  Wendung  des  Gedankens  genommen, 
daß  ein  grundstürzendes  Verbrechen  oder  die  Verleugnung 


940  in.   Der  "Weg  tat  SittUdhfc 

der  sittlichen  Prinzipien  überhaupt. von  dem  einen  begangen, 
für  alle  anderen  mit  tiefstem  Schmerze  empfunden  wird; 
objektive  ideale  Substanz  der  Sittlichkeit  selbst  er- 
scheint verletzt,  die  Idee  selbst  ist  gleichsam  erniedrigt 
and  nicht  bloß  die  Person,  welche  ihr  dienen  sollte  und 
sich  wider  mpört 

Nach    rabbinischer  Satzung   sollen    die   Zeugen    eines 

Bolchen  Vorgangs  und  auch  die  Richter,  welche  darüber 

zu  befinden  haben,  die  Symbole  der  herbsten  Trauer  und 

•  11    Kümmernis    anlegen,    die    Symbole,    durch 

welche  man   den  Schmerz  um   den  Tod   der  nächsten  An- 

aörigen  zum  Ausdruck  bringt    S.  Sanhedrin  56  und  fiO. 

Im  Anhang   ist   in   der  angegebenen  Stelle  zwar  nur 
Aboda   zara    die  "Rede,    aber  man  darf  zweierlei  nie 
vergessen;    1)  daß  ethische  Dinge  wie  ])ü? 

jnn  und  dergl.  ausdrücklich  als  schlimmer  noch  denn 
Aboda  zara  genannt  wird;  namentlich  Ein  nttitf,  welche 
in   der  Tal    die    B  tili     Gl   [enteils  vom   sittlichen  Be- 

ruf dea  Menschen   ist;    2)  daß  Aboda  zara  selbst  nicht 

wohl  dogmatische  als  ethische  Bedeutung  hat.  Schon 
in  der  Thora  wird  immer  auf  die  lYQJJn,  auf  die  sitt- 
lichen Greuel  hingewiesen,  die  der  Götzendienst  mit  Bich 
fuhrt  Nicht  theoretische  Meinungen  über  daa  Wesen 
der  ädern  die  Tatsache,  daß  unsittliche  Hand- 

lau  ue  falschen  Gotteediei         shörten,  bildete  den 

,.,,:  lendenl  •  I  -    l  ed,  welcher  auch  die  Ausrottung 

der   Q  machte.     Nicht    ein   blöder 


Objektive  Einheit  des  Sittlichen.  241 

Mangel  an  höherer  Sittlichkeit  haftete  dem  Götzen- 
dienst an,  sondern  die  positive  Unsittlichkeit  und  daß 
er  als  Gottesdienst  galt,  nicht  erlaubt,  sondern  geboten 
war  usw. 

§  436.  Neuerdings  hat  man  gemeint,  das  Verbrechen  ist 
das  Verbrechen  der  Gesellschaft.  Das  ist  übertrieben  aus 
mancherlei  Gründen.  Der  Talmud  aber,  der  ebenfalls 
die  ethische  Solidarität  der  Gesellschaft  betont,  ist  in 
seinem  Gedankengang  maßvoller.  In  bezug  auf  HBViy  r6jj> 
heißt  es  (Deuter.  21,  7):  „Unsere  Hände  haben  dieses 
Blut  nicht  vergossen,  und  unsere  Augen  haben  es  nicht 
gesehen."  —  Was  gesagt  sein  soll,  ist  also  dieses:  Wenn 
man  einen  Menschen,  anstatt  ihm  die  nötige  Fürsorge 
angedeihen  zu  lassen,  seinem  Schicksal  überläßt,  so  daß 
er  zugrunde  geht,  dann  trifft  diejenigen,  welche  die  Pflicht 
jener  rettenden  Fürsorge  hatten,  die  Schuld  an  dem  ver- 
gossenen Blute  des  Verlassenen.  Die  Solidarität  soll 
nach  talmudischem  Geist  nicht  die  Verantwortung  des 
Verbrechers  mindern,  sondern  nur  die  Pflicht  der  Gesell- 
schaft einschärfen,  ihrerseits  alle  diejenigen  Mittel  zur 
Verhütung  des  Verbrechens  anzuwenden,  welche  sie  in 
ihrer  Hand  hat;  also  Erziehung,  gewerbliche  Ausbildung, 
nährende  Beschäftigung,  Unterstützung  in  der  Not,  Pflege 
in  der  Krankheit  usw.  Da  die  Umstände  und  Ver- 
hältnisse wechseln,  kann  man  aus  den  speziellen  tal- 
mudischen Vorschriften,  die  sich  daran  anschließen,  nur 
den    allgemeinen  Gedanken    herausheben.     So  hat    z.  B. 

1  ß 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II. 


HI.   Dei  Weg  zur  Sittlich! 

das  ;--v:   jetzt   und  in  Europa   keinen  realen  Boden  mehr. 
S.  Sota  -i.V'iV. 

§  437.  l>ie  Bürgschaft  für  einander  bedeutet  bei  den 
Propheten  und  Rabbinerj  die  ernste  und  heiße  Sorge,  der 
Gerechtigkeit  unter  den  Menschen  freie  Hahn  zu  schaffen, 
es  jedem  zu  ermöglichen,  daß  er  den  Weg  der  Tugend 
ohne  Straucheln  wandeln  könne;  jedem  zu  gewähren,  daß 
er  ein  menschenwürdiges  Dasein  führen  könne. 

An  einem  Kulturwerk  müssen  viele  arbeiten.  Der 
belohnte  Arbeiter  boII  aber  oicht  bloß  wie  eine  Maschine, 
oder  als  Teil  einer  Maschine  her  werden.  Nicht  wie 

man  die  Lokomotive  heizt,  damit  sie  Dampf  gibt, 
man  die  Wirkenden  belohnen,  sundern  als  Mitarbeiter 
betrachten  und  behandeln.  Als  Mitarbeiter  nicht  bloß 
an  diesem  Werk,  sondern  am  Werke  der  Kultur 
überhaupt,  das  ohne  Beine  Tätigkeit  nicht  zustande 
kommt;   aber   nicht    bloß   am    Werke   der    Kultur,    Bon- 

rn   der  wesentlichsten,  der  innersten   und  wichtigsten, 
hen    Kultur;  am  Bau  der  sittlichen  Gesellschaft. 

8  438.  Einer  der  en  ethischen  Grundsätze  ist:  Seine 
Gelegenheit  zu  einer  guten  Tat  vorbei  lassen!1  Schon  für 
die  Zukunft  arbeiten  und  nicht  ihr  überlassen,  für  Bicfa 
zu  enn  man  es  heu!        an! 

1   Pesachira  641      nvtt  ■-■;•-  g,  Man  gehl  Ober  ein  Qe- 

i,    ii  olh   LO'.    Mose  besümmte  die  drei  Aiyl- 

■  t   gpr  ich:  ß  tu  dem 

nbeil  -  '.    ■  .1  ich  eHü  len.     D  ll. 


and  Lohn.  243 

Gibt  es  für  eine  gute  Tat  außer  ihr  selbst  noch  einen 
Lohn,  gibt  es  außer  den  natürlichen,  wohltätigen  Folgen 
und  außer  dem  frohen  Bewußtsein  der  guten  Tat  noch 
einen  Lohn  außer  der  Tat  und  dem  Täter,  so  ist  es  die 
gute  Tat  eines  andern  —  oft  vieler  andern  —  welche 
dadurch  erregt  wird.  Dies,  dies  zumeist,  vielleicht  dies 
allein  mögen  wir  als  einen  eigentlichen  Lohn  des  Guten, 
als  den  ungesuchten  und  doch  gefundenen,  als  den  nicht 
gewollten  und  dennoch  geschaffenen  Erfolg  desselben  an- 
sehen. Wie  das  Licht  an  einem  andern  Licht  sich  entzündet, 
so  entsteht  ein  guter  Wille  des  einen  aus  der  guten  Tat 
des  anderen.  Wir  leben  in  Gemeinschaft;  alles  wirkliche, 
alles  wahre  Leben  ist  gemeinschaftliches  Leben;  was  in 
dem  einen  geschieht,  wird  in  anderen  wiederholt,  fort- 
gesetzt, fortgebildet.  Auch  ein  Kind  mit  seinem  Gehor- 
sam, ein  Schulknabe  mit  seinem  Fleiß,  ein  schlichter 
Arbeiter  mit  seiner  Treue,  ein  Beamter  mit  seiner  Ge- 
wissenhaftigkeit wird  zum  Vorbild  für  seine  Genossen. 
Also  willst  du  ein  Lehrer,  ein  Förderer,  ein  Pflanzer 
und  Pfleger  des  Guten  sein  —  sei  gut! 

S.  Aboth  4.  2.  Ben  Azai  sagte:  Laufe  zu  jedem  kleinen 
Pflichtgebote  und  fliehe  vor  der  Übertretung;  denn  ein 
Pflichtgebot  zieht  ein  anderes  nach  sich,  sowie  eine  Über- 
tretung die  andere  nach  sich  zieht;  denn  Lohn  des  Pflicht- 
gebots ist  Pflichtgebot,  und  Lohn  der  Übertretung  ist 
Übertretung. 

Der   folgende  Ausspruch:    Verachte   keinen  Menschen 

16* 


244  Hl     Der  Weg  rar  Sittlichkeit 

nuil   vernichte  kein  Ding,  denn  jeder  Mensch  hat  Beine 
Zeit    und  jedes  Ding   hat    seinen  Ort,   erinnert   an   »las 
deutsche  Sprichwort:  „Ein  gutes  Wort  findet  immi 
gute  Stätte";  diese  gute  Stätte  aber  ist  in  anderen. 

izialethik. 

139.  Di<'  alte  Balachah  fordert  für  alle  ein  menschen- 
würdiges, dem  Gesetz  entsprechendes  Dasein;  der  Zweck  ist 
in  allen  Menschen,  in  allen  Gliedern  der  gleiche,  und  darum 
soll  für  die  Mittel  zu  Beiner  Erfüllung  bei  allen  gesorgt 
werden.    Am-li  der  Reiche  boII  am  öffentlichen  Fasttage 

ben,  auch  der  Arme  boII  Bein  Festmahl  haben;  für  sein 
ungesäuertes  Brot  und  seinen  Freiheitswein,  für  seine 
Laubhütte  soll  gesorgt  werden.  Wer,  der  es  vermochte, 
hätte   auch  je   dem  heischenden  Ar d  einen    Platz  am 

ler  '«<!  ert,  oder  welche  Laubhütte  wäre  voi  der 
i.  istfreundschafl  verschlossen  gewesen! 

In  ethischer  Beziehung  ist  jeder  gleich  wichtig,  i>'\s  bi 
^KTßT  Deuter  29, 9);  auch  offenbart  sich  in  und  an  allen 
dei  md  der  Sittlichkeit  —  Jeder  nach  seiner  Berufung 

ist  aktiv,  aber  auch  passiv;  die  Kinder  als  Gegenstand 
der  Erziehung,  Belbst  der  Böse,  der  Frevler,  ihn  gerecht 
zu  behandeln  und  zu  begnadigen  und  zu  1"  ssern.  Alle  sind 
Bürgen  für  einander,  für  die  G  imtsittlichkeit  S  Tan- 
chuma  ü*21}  -.  v.  ttp&av  DDVM1  Der  sittliche  Gei  I  der 
m  i  |i     :  •   •  •  lebt .    sich  realisi«  rt,  isl  selbst  ei  n  e  r. 

-•;•    ---; m    -;   nüpan    by)    D^TDCT   ~V   XVV&   *?D    hv  vorn 


Sozialethik.  245 

D^üHiX  „Seine  Barmherzigkeit  über  alle  seine  Geschöpfe 
(Ps.  145,  9),  über  Männer  und  über  Frauen,  über  Ge- 
rechte und  über  Frevler." 

Der  sozialethische  Gesichtspunkt   und  die  Bürgschaft 
für  einander  wird  streng  betont: 

orux  *)M  ^bnö  tfoysi  tkö  D^ys  üvn  no  nvn  D^si  on« 
!d^j>  -wxb  "i  -jb  ?m  'ity  n^y  uro  db^>  t«h^  Tny  bb1?  n^stWB 

(also  auch  Kontinuität  der  verschiedenen  Zeiten  und  der 
idealen  Entwicklung!)  aber  zu  dieser  fortschreitenden 
Entwicklung  im  Idealen  gehört  vor  allem  das  Gesamt- 
und  Einheitsbewußtsein;  deshalb  fährt  er  fort:  Tl^K 
2DVH  DD"?1D  D"n  'iL?  nn«  mii«  BB^IB  W1W  |Ö?B.  Dazu  ge- 
hört die  sittliche  Macht  des  Einheitsgedankens,  daher 
fortfahrend   KöLS»  D<ip  ^  mttK  DIN  ^>Ött  2«  B^J>BÜ>  iniin 

»."Qtfö  pwn  i^bk  nn«  nnx  btsii  lWn  ,nn«  nBB  d"ibb6  b)y- 

Daher  Gleichheit  aller  in  der  Verpflichtung  für  ein- 
ander;   daher  ferner  DB1?  VTiötf  wy»  M)  BB^Bt?  DBWl 

iniBTB  i"?ib  abiyn  ^>b  bb^b  tn«  pns  i^bx  ntB  m  d^b-ij;  db^b 


1  Deuter.  29,  8:  „Ihr  steht  heute  (ovn,  an  dem  Tage)".  Der 
Tag-  ist  bald  hell,  bald  trüb.  Wenn  ihr  ein  trübes  Geschick  haben 
werdet,  wird  euch  das  ewige  Licht  leuchten,  wie  es  heißt  (Jes.  60, 19): 
„Der  Ewige  wird  euch  zum  ewigen   Lichte  sein."     D.  H. 

2  Wann?  Wenn  ihr  alle  ein  Bund  sein  werdet,  wie  es  heißt 
(Deuter.  4,  4):  „Lebend  ihr  alle  heute  (nvn)".     D.  H. 

3  In  der  Welt  geht  es  so  zu:  Nimmt  einer  einen  Bund  von 
Rohren,  vermag  er  sie  etwa  auf  einmal  zu  zerbrochen?  Nimmt 
er  aber  jedes  einzeln,  so  zerbricht  sie  selbst  ein  Kind.     D.  H. 


in.  Der  Weg  zur  Sittlichkeit. 

yb  inn  hz  Köln  d::d  ttimsoi  c^.y  tid*  pnsi  uriDiy 
D^ül1     Auch  der  einzelne  Gerechte,  Edle,  repräsenti 
den  Stand  und  die  Stufe  der  erreichten  Idealität 

Gemeinsame  Schuld.    Pflicht  dem  Bösen  zu  wehren, 
zu  ermahnen  und  A:        zuti  rhindern,  selbst  dem  Fürsten 
zu  wehren  sind  nach  rabbinischer  Anschauung  die  Ältesten 
•  et.    S.  Schabb.  54 b  und  55*. a 

Mitschuld  trägt  dii  ellschaft  am   Verbrechen   des 

Verbrechers,  wenn  ch  der  Füi  Obhut  ent- 

schlä{  • 

,.\\  gleitung"    als   Form   der   Höflichkeit   die  ge- 


1  „Euere    Häupter,    euere    Stämme"    (Deuter.  29,8).     Obgleich 
ich  euch  Häupter,  Atteste  und  Beamten  bestellt  I  >id  ihr  doch 

r    mir    gleich,  -    heißt   (Da  und  jeder  Mann  in 

Eine    and»  re  Aui  A  le   m  d   ili  a  einer  füi 

eim   andern.     1>i   auch    mr   ein  G  er   unter   euch,  bo  hat  die 

/'•Well  durch  Bein  Verdienst  Bestand,  wie  is  heißl  (Prov.  10,2 

bte  ist  der  Grund  der  Well"    Und  wenn  einer  von 
wird  das  g  inte  <i>  -<  h  en.     D.  H. 

2  Wem  n  L  Uten  Ha         m  wehren, 
und  wehrt  ihnen  nicht,  wird  verantwortl  bl  für  die  Leute 

•   i  t.  wird  verantwortlich  gemacht 
für  die  Leu  £  ten  Well,  wird  verantwortlich 

WelL     1;    Papa  bat  gesagt    Die  um  den 
.  w<  rden  fiir  d  e  Well  i  u  bt; 

. :  hat     '•'.    -  die  Worte  •  14) 

1  r(  n  hl  iini  d<  i  Volkei  und 

en   f    rslei         •'•  -rin  dir  Porsten  igt  habt  n,  vi  ic  i. 

Allein  ich        i  et  den  ältesten 

hl),  weil  sie  den  Fürsten  nicht  gewehrt  haben.  I'  II 


Ermahnung.    Kritik.  247 

fordert  wird,  ist  veraltet  durch  die  Umstände;  aber  Für- 
sorge bleibt  beständige  Forderung.     S.  Sota  46  V 

Die  Ermahnung  des  andern.  Sehr  charakteristisch  auch 
für  die  Erkenntnis  der  Schwierigkeit  der  Ermahnung, 
(der  rechten,  zur  Besserung  führenden,  der  nicht  beschimp- 
fenden, nicht  kränkenden  und  doch  erfolgreichen  usw.) 
daß  bezweifelt  wird,  ob  in  jenem  Zeitalter,  dem  glänzen- 
den (]1S1B  "I  und  rmy  p  "NJ^K  r"l),  einer  sich  findet,  der 
der  Ermahnung  folgt  und  einer,  der  zu  ermahnen  ver- 
steht. S.  Arachin  16b.  E.  Tarphon  hat  gesagt:  Es  sollte 
mich  wundern,  wenn  es  in  diesem  Geschlechte  einen  gibt, 
der  Ermahnung  annimmt.  Spricht  man  zu  einem:  Nimm 
den  Splitter  von  deinen  Zähnen,  so  erwidert  er:  Nimm 
den  Balken  von  deinen  Augen.  E.  Eleasar  b.  Asarja 
hat  gesagt:  Es  sollte  mich  wundern,  wenn  es  in  diesem 
Geschlechte  einen  gibt,  der  zu  ermahnen  versteht. 

Das  Lob  der  Kritik,  wer  sie  annimmt  und  wer  sie 
spendet,  wird  gepriesen. 

Eabbi  findet,  daß  Freudigkeit  herrscht  und  Nebel  ver- 
schwinden, wenn  es  an  Kritik  in  der  Welt  nicht  fehlt. 
S.  Arachin  16a. 

Die  D^3ffö  sind  die  Lehrer,  die  Theoretiker,  welche 
die  Menschen  einsichtig  machen,  die  V*y\n  p^Sö  sind 
die,  welche  die  Menschen  praktisch,  tatsächlich  auf  eine 
höhere  Stufe  bringen,  sie  vor  Ungerechtigkeit  bewahren. 


i   Vergl.  oben  S.  242 


848  in     Di  i   W  g  rax  Sittlich! 

D  r  Fabrikherr,  welcher  dafür  Borgt,  dal  ae  Arbeiter 
ein  menschenwürdiges  Dasein  führen;  nicht  bloß,  daß  sie 
behaglich  leben,  sondern,  daß  Bie  auch  innerlich  geläutert 
werden,  daß  Bie  nicht  von  Neid,  Mißgunst  erfaßt  werden, 

.  der  ist  ein  D^TTI  p'HSD.  \"<>llentls  wenn  einer  wie 
B.  Biskia  and  seine  Frau  Tausende  von  der  freiheitver- 
nichtenden  Not,  von  'lern  Triebe  niederen  Erwerbes... 
befreit,  Bie  auf  ein  höheres  Niveau  des  Sittlichen  brin 

gilt,  die  Gelegenheit  zur  sittlichen  Eandlung  (in 
anderen,    bei    anderen    und    für    andere)   suchen,   z.  I'.. 

shulgeld,  wer  keine  Kinder  hat,  für  fremde  Kinder  be- 
zahlen, Bücher  kaufen,  am   sie  anderen   za   leihen  u-w  ■ 
Midr. Bammidbar  r.  Par.14,2.  Midr.Tehillim  zu  Ps.  101 
Ketuboth  50\ 

Ubei    Gemeinsamkeit  des   Wollei 

;  10.     Ein    vielzitierter  Spruch   lautet:   ."^>;en   brm 

\>ri  Veranlasser,  der  durch  Etat,  Zuspruch  osw.  die  gute 

•  eines  andern  herbeiführt,  isl  der  geistige  Urheber  *\rr 

l..t.    Aber    •  chte  man  sich  dabei?  VW  iWJWDH  ^VU 

und  inwiefern  kam.  vtov  npTtn  rwyn  nvn  der 

Anl  I>ie   Gemeinsamkeit    de*     Wollene,    der 

L<  b  ü 'i  voran  I     Der  ( tedanke,  den  der 

denkt,  wird   vom  anderen  (der  die  Macht  bat)  aus* 

■    z'"s        Unter   dieser    \  letcung 


Gemeinsamkeit  des  Wollens.  249 

werden  die  Urheber  solcher  sittlicher  Gedanken,  welche 
tatenzeugend  sind,  aufs  höchste  geschätzt. 

Die  Freude  an  dem  Guten,  das  man  getan,  hat  die 
fortzeugende  Kraft  des  Guten  zur  Folge;  aber  ebenso 
das  Böse,  wenn  man  es  nicht  bereut,  erzeugt  weiter  Böses. 
S.  Aboth  de  B.  Xathan  Kap.  25. 

Über  Wert  und  Weihe  der  Schmerzen  s.  die  schöne 
Stelle  Sifre  Debarim  Rs.  32  zu  Deut.  6,  5.* 


1  Wir  lassen  die  Stelle  in  ihrem  Zusammenhange  hier  folgen: 
„Und  du  sollst  lieben  den  Ewigen,  deinen  Gott,  mit  deinem  ganzen 
Herzen  und  mit  deiner  ganzen  Seele  und  mit  deinem  ganzen  Ver- 
mögen" (Deul.  6,  5).  „Und  mit  deiner  ganzen  Seele",  d.  i.  selbst 
wenn  er  dir  deine  Seele  nimmt.  Und  so  heißt  es  (Ps.  44,  23): 
„Denn  deinetwegen  werden  wir  erschlagen  jeden  Tag,  sind  gleich 
geachtet  dem  Schaf  der  Schlachtbank."  R.  Simeon  b.  Menasja 
sagt:  Ist  es  denn  möglich,  daß  ein  Mensch  jeden  Tag  erschlagen 
wird?  Allein  den  Gerechten  rechnet  Groit  es  an,  als  ob  sie  jeden 
Tag  erschlagen  würden.  Simeon  b.  Azai  sagt:  „mit  deiner  ganzen 
Seele",  d.  i.  liebe  ihn,  bis  die  Seele  zur  Neige  geht.  R.  Eliezer 
b.  Jakob  sagt:  Wenn  es  heißt:  „mit  deiner  ganzen  Seele",  wozu 
heißt  es:  „mit  deinem  ganzen  Vermögen",  und  wenn  es  heißt: 
„mit  deinem  ganzen  Vermögen",  wozu  heißt  es:  „mit  deiner  ganzen 
Seele"?  Es  gibt  einen  Menschen,  dem  sein  Leben  lieber  ist  als 
sein  Geld;  deshalb  heißt  es  „(selbst)  mit  deiner  ganzen  Seele". 
Es  gibt  aber  auch  einen  Menschen,  dem  sein  Geld  lieber  ist  als 
sein  Leben;  deshalb  heißt  es:  „(selbst)  mit  deinem  ganzen  Ver- 
mögen". R.  Jakob  sagt:  Wenn  es  (bereits)  heißt:  „mit  deiner 
ganzen  Seele",  so  folgt  doch:  um  so  mehr  mit  deinem  ganzen 
Vermögen!  Allein  (es  bedeutet):  Rei  jedem  Maße,  das  er  dir  zu- 
mißt1, sei  es  im  Glück,  sei  es  im  Unglück.  So  spricht  auch 
David  (Ps.  116,  3 — 4):   „Not   und  Kummer  treffen  mich,  und  den 


"S"  wird  mit  -"1  in  Zusammenhang  gebracht. 


III     Der  Weg  zur  Sittlich] 

en  des  Ewigen   rufe   ich  an."1     So  sagt  auch  Hiob  (1,21): 
„Der   Ewige  hat  gi  ■■    "   hat  genommen,  der  Name 

des  Ewigen  sei  gepriesen",    d.  1.  für  das  Glü  k  und  »im  wieviel 
mehr  für  das  Ui  glück!3  Was  Bprichl  seine  Frau  zu  ihm  (das.  2,9): 

Frömmigkeit    fest.     Segne   Gott   und 
stirb."     Was  ht  er  aber  zu  ihr  (Das.  V.  10):  „Wie  eine  der 

Vei  .  redest  du.     Ja,  das  Gm     -     en  wir  von  Goii 

annehmen,  und  'las  Böse  sollen  wir  nicht  annehmen?"    Die  Leute 
lies  Geschlechtes  der  Flut  zeigten  sich  häßlich  im  Glücke,  als  b 

Jüek  (die  Bestrafung)  über  sie  Kam,  nahmen  sie  es  gegen 

.  Willen  an.    Ergibt  das  nicht  einen  Schluß  vom  Leichten  auf 

re  (a  minori  ad  maius)?    Wenn  b  r,  welcher  sich 

im  i,  lieh  zeigt,  Bich  im  Unglück  als  Bchön  erweist,   um 

wiewiel   mehr   muß   sich  sich   im  Glück  als  schön 

im  Unglück    als  Bchön  erweisen!     l»ie  Leute  von  Sod 
und  Gonmr  gten  sich  im  Glücke  häßlich,  als  aber  das  Unglück 

r  sie  Kam,  n  ihmen  sie  es  gegen  ihren  Willen  an. 

Schluß  vom  Leichten  auf  «las  Schwere?    Wenn  schon 

wer  sich  im   Glücke  häßlich    zeigt,   ßi  h   im  Unglücke   als  schön 

eist;  um  wieviel  mehr  muß  -  rjenige,  der  sich  im  Glück 

■   ist,  im  k  als  schön  er*  w  iv 

er  zu  ihr  -  -  e  eine  der  Vi  st  du.    Das 

i,  n    wir    von   Gott    annehmen,   und   das   l'"">se  sollen  wir 

nicht  annel  Weiler  a  »ich  mit  Leiden 

:,r  (reuen  als  mit  dem  (Guten)  Glück.    Heim  wenn  ein  Mei 

•  seine  Tage  im  Glücke  ist,  wird  ihm  die  Schuld  nicht  vergeben. 

Wodurch   aber  wird   sie  ihm   ve  '     Durch  die  Leiden  wird 

ihm    ••  R    I    ezer    b.    Jak  he    es    heißt 

(Prov.  8,  12):  ..Wen  er  liebt,  bu  hl  der  I  heim,  und  wie  ein 

-  hn  nimmt  er   ihn  auf."     Was   erwirkt 

er   (s  enommen    v. 

i  .    cn  (Zücl  R    M«i  b         Siehe, 

dein«  m  H« 

rkUbrasg  »r*iM  »Ich  Ml 


Wert  und  "Weihe  der  Schmerzen.  251 

daß,  wie  ein  Valer  seinen  Sohn  züchtigt,  der  Ewige,  dein  Goll, 
dich  züchtigt,'-  d.  i.  du  und  dein  Herz,  ihr  wißt,  welche  Taten 
du  verübt  hast,  und  daß  ich  die  Leiden,  welche  ich  über  dich 
gebracht  habe,  nicht  in  dem  Maße  über  dich  gebracht  habe,  daß 
sie  den  Talen  entsprächen,  die  du  verübt  hast.  R.  Jose  bar  Jehula 
sagt:  Die  Leiden  sind  vor  Gott  beliebt.  Denn  der  Name  Gottes 
wird  über  den  genannt  (eig.  die  Herrlichkeit  Gottes  fällt  dem- 
jenigen zu),  über  den  Leiden  kommen;  wie  es  heißt  (Das.):  „Der 
Ewige,  dein  Gott,  züchtigt  dich."  R.  Nathan  b.  R.  Josef  sagt: 
"Wie  der  Bund  (Gottes  mit  Israel)  hinsichtlich  des  (heiligen)  Landes 
geschlossen  ist,  so  ist  der  Bund  auch  hinsichtlich  der  Leiden  ge- 
schlossen. Denn  es  heißt:  „Der  Ewige,  dein  Gott,  züchtigt  dich", 
und  darauf  folgt  (Das  V.  7):  „Denn  der  Ewige,  dein  Gott,  bringt 
dich  in  ein  gutes  und  weites  Land."  R.  Simcon  b.  Jochai  sagt: 
Beliebt  sind  die  Leiden.  Denn  drei  Gaben  gab  der  Heilige,  ge- 
benedeiet sei  er!  den  Israeliten,  nach  denen  die  Völker  der  Well 
gelüsten,  und  er  gab  sie  den  Israeliten  nur  durch  Leiden.  Es  sind 
die  folgenden:  die  Thora,  das  Land  Israel  und  die  künftige  Welt. 
Die  Thora.  Woher  entnehme  ich  es?  Weil  es  heißt  (Prov.  1,2): 
„Zu  erkennen  Weisheit  und  Zucht  (Leiden)",  und  ferner  (Ps.  94,  12): 
„Heil  dem  Manne,  den  Gott  züchtigt,  und  aus  deiner  Thora  be- 
lehrst du  ihn."  Das  Land  Israel.  Woher  entnehme  ich  das? 
Weil  es  heißt  (Deut.  8,  5):  „Der  Ewige,  dein  Goll,  züchtigt  dich" 
und  weiter  (V.  7):  „Der  Ewige,  dein  Gott,  bringt  dich  .in  ein  gutes 
und  weites  Land,  in  ein  Land  mit  Wasserbächen,  Quellen  und 
Tiefen,  die  hinziehen  in  Tal  und  Gebirge."  Die  künftige  Welt, 
Woher  entnehme  ich  das?  Weil  es  heißt  (Prov.  6,  23):  „Denn 
eine  Leuchte  ist  das  Gebot,  und  die  Thora  ist  ein  Licht,  und  der 
Weg  des  Lebens  sind  die  Unterweisungen  der  Zucht."  Welches 
ist  der  Weg,  der  den  Menschen  zur  künftigen  Welt  bringt?  Sage: 
das  sind  die  Leiden.  R.  Nechemja  sagl:  Beliebt  sind  die  Leiden. 
Denn  wie  die  Opfer  wohlgefällig  machen,  so  machen  die  Leiden 
wohlgefällig.  Wie  heißt  es  bei  den  Opfern?  (Levit.  1,4:)  „Und 
es  soll  ihm  wohlgefällig  aufgenommen  sein,  um  ihn  zu  sühnen"; 
bei  den  Leiden  heißt  es  (Das.  2G,  43):  „Und  sie  werden  (durch 
die  Leiden)  wohlgefällig  machen  ihre  Schuld."     Weiter  aber:  Die 


252  Hl.    Der  Weg  zur  Bittlichkeit, 

hen   noch  mehr  wohlgefällig  als  die  Opfer.     Denn  die 

len  mit  Geld  dargebracht,  i  en  erleidet  die  Person. 

hc    t  es  iiliob  2,  1):  „Haut  um   Haut,  und   alles,  was  eines 

Mannes  ist,  gibt  er  für  Beine  Seele  (Person).11  —  H.  Elieier  war 

krank,     R.  T.irfon,  R.  Josua,  R,  Eleazar   b.  Azarja  und  It.  Akiba 

waren   gekommen,   um    ihn  zu  besuchen      11.  Tarfon  hub  an  und 

!i:   Rabbi,  lieb  bist  <■  i 1 1  Israel,  mehr  als  der  Sonnenball.    Denn 

incnball  leuchtet  in  dieser  Welt,  du  aber  leuchtest  in  dieser 

:t   und   in  der  künftigen  Well.     R.  Josua  Imb  an  und  sprach: 

oisl  du  Israel,  mehr  als  die  Gabe  des  Regens.     Denn 

H  gjen   gibt  Leben   für   diese  Welt,  du  aber  gabst  ihm  Leben 

diese   Welt  und  für  die  künftige   Welt.     R.   Eleazar  b<  Azarja 

.  ii    zu    ihm:    Rabbi,   lieb   bisl   du   Israel,   mehr  als  Vater  und 

dulter.     Denn   Valei    und  Mutter   bringen  den  Menschen  in  diese 

Welt,  du  aber  bringst  uns  in  diese  Well  und  in  die  künftige  Well. 

;>'ib  an  und  Bprach:  Rabbi,  beliebt  sind  die  Leiden.    lu 

ich   R,  I    ezer  zu  Beinen  Jungern:  Stützet  mich,  und  es  Beizte 

h  zu  ihm  <  H.  Aki  b     Sprich,  R.  Akiba. 
heißt         Chi  l  ) :    ,,^w.".lf  Jahre 

war    Ml  all,    als    er    König    wurde,    und    fünfundfünfzig   Jahre 

i  m   und    tat  in   den   Augen   des 

Ewi  e-.  (Prov.  25,  l  (:  „Auch  dieses  sind  Spräche 

he   die    •         i   Chizkija's,   Königs  von  Juda,  über- 

.i.'-     Wird  dir  denn  in  den  Sinn  kommen,  daß  Cüizkija 

die  i      elchrl    und    seinem   Sohn    Menasche    nicht 

ehrt  hat!     Allein   alle   Lehre,   die   er  ihm  gelehrt,   und 

die   er  sich  um   ihn  gemüht,  hat  ihm  nichis  genützt; 

Denn  es  hei         .  I       d  V.  10  — 14):  „1 

i  er  sie  merkten 

die  He  sten 

inir.     i  bmen    Menasche    gefangen    in 

in  :    banden   ihn   mit  Keti--n  und  führten  ihn  nach  Babel 

w.ir,  Qehte  er  tum  I  seini  m  QoUe, 

;    V  itet   und    beide 
zu  ihm.    Und  er  li^u  sich  von  ihm  erbitten  und  erhörte  sein  Kleben 

m  in  sein  Königreich.    Da 


"Weg  und  Weihe  der  Schmerzen.  253 

erkannte  Menasche,  daß  der  Ewige  der  Golt  ist."  Daraus  lernst 
du,  daß  die  Leiden  beliebt  sind,  R.  Mei'r  sagt:  Siehe,  es  heißt: 
„Du  sollst  den  Ewigen,  deinen  Golt,  lieben  mit  deinem  ganzen 
Herzen",  d.  i.  liebe  ihn  mit  deinem  ganzen  Herzen,  wie  Abraham, 
unser  Vater;  wie  es  heißt  (Genes.  IS,  19):  „Ich  habe  ihn  zum 
Freunde  erkoren,  dieweil  er  befiehlt  seinen  Kindern  und  seinem 
Hause  nach  ihm,  daß  sie  hüten  den  'Weg  des  Ewigen,  Liebe  und 
Recht  zu  üben"  Deshalb  heißt  es:  „Du  sollst  den  Ewigen,  deinen 
Gott,  lieben  mit  deinem  ganzen  Herzen."  Ferner:  „und  mit  deiner 
ganzen  Seele",  d.  i.  wie  Isaak,  der  sich  hat  binden  lassen  auf 
dem  Rücken  des  Altars.  „Und  mit  deinem  ganzen  Vermögen, 
TpND",  d.  i.  sei  ihm  dankbar,  "b  n-ntt  »in,  wie  Jakob,  bei  dem  es 
heißt  (das.  32,  11):  „Zu  gering  bin  ich  für  all  die  Gnaden  und 
für  all  die  Treue,  die  du  an  deinem  Knechte  getan,  denn  mit 
einem  Stecken  zog  ich  über  diesen  Jarden,  und  nun  bin  ich  zu 
zwei  Lagern  geworden."     D.  H. 


Vierter  Abschnitt. 

Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit, 

welche  geschaffen  werden  soll. 

au?« 


11.  Capitel. 
Übersicht. 

Formen  der  Vereinigung. 

Die  Formen  der  Gesellschaft,  d.  h.  der  Einigung  aus 
den  gegebenen  Verhältnissen  der  Natur  und  Kultur. 

§  441.  Die  Formen  der  Vereinigung,  durch  welche 
die  Charaktere  gebildet  und  in  welchen  sie  sich  bewähren 
und  so  die  Pflichten  erfüllt  und  die  Ideen  realisiert 
werden  sollen,  sind 

A.  Die  Familie. 

ß.  Das  Haus. 

Ä.  Familie.    Ehe.    Frauen  . . .  (als  Erzieherinnen). 

A.  Die  Familie  im  engern  und  weitern  Sinne. 

1.  Die  Gatten. 

2.  Eltern  und  Kinder.    Verstorbene.    r3K  PDö  >  und 
besonders  löKl  V3K  bip®/* 

3.  Geschlechter  weiter'  auf-  und  abwärts. 

4.  Die  Verstorbenen. 


i  Exod.   21,  15.  2  Das.  21,  17. 

1  7 
Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II. 


IV.    D  lltung  der  Sittlichkeit. 

B.  Das  Haus. 

1.  Seine  Führung. 

2.  Eerrschaft  und  Dienerschaft;  beiderseitige  Pflichten; 
Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer;  Botenpflicht. 

3.  Beziehung  von  Fremden  zum  Hause:  Gäste,  gesellig 

=  rrrrrb  mne  "jrra  ■     wohltätig  —  *jjt2  *»*  rayi; 

Waisen   als  stetige  Hausgenossen;   die  Nachbarn. 
Gefangenenlösung. 

4.  Die  Tiere. 

142.     Die  Formen  des  Zusammenschlusses. 
Der    Begriff   der    Familie    ist    bei    den   Juden    viel 
weiter  und  viel  tiefer  al-  irgendwo. 

1.  Der  Bestand  der  Familie  besteht  auch  in  dei 
Rechtsordnung  und  sozialen  Einrichtung.  S.  die 
!;•  esetze,  die  liegenden  Gflter. 

2.  Erweis  rung  im  Stamm. 

3.  Abfolge  der  Zeiten  und  Generationen.    Einheit. 

a)  Aufwärts:   |pt  »3B  ffim»  r\MH  11131 

Di«   S       a  (rgl.  Grieser:  die  Altvordern  kämpfen 
mit  von  Elias  und  Mo 

Die    ethische    Gemeinschaft    .cm«  in?»  n« 
snn  rwtb  "Di    .oma*  to  van 

b)  Ab  :_.  -  "--t  mey1  —  mzN  by  c%:2  ii  nvrTH 

-   nnmo«  DU2  -    tfessianischei  Zeitalter. 


i    kbo\h  I.  viticui  19  3  Prov.  1  I 

IM  24.  ta 


Das  Haus.  259 

§  443.  Ein  Romantiker  des  19.  Jahrhunderts,  ein  Tieck 
oder  Novalis  könnte  nicht  gewaltiger  von  der  ehelichen 
Liebe  im  engsten  Sinne,  nicht  mystisch  tiefer  und  nicht 
allegorisch  erhabener  sprechen,  als  Aboab  (um  1300),  der 
brave  Verfasser  der  moralisch-religiösen  Enzyklopädie 
unter  dem  Titel:  Menorath  Hammaor  (s.  Kap.  181). 

Aber  auch  ein  Lombroso  kann  der  Bedeutung  der 
Bedingungen  des  natürlichen  Werdens  des  Menschen  für 
die  moralische  Konstitution  nicht  größeres  Gewicht  bei- 
legen als  unser  Aboab;  daß  diese  seine  Theorie  aber 
ohne  Widerspruch  gegen  seine  ethischen  Anschauungen 
zustande  kam,  wird  niemand  behaupten  (s.  Kap.  182,  wo 
die  Agada  durch  aristotelische  Lehren  umgedeutet  und 
erklärt  wird).  Der  Widerspruch  ist  ihm  nicht  entgangen 
und  Kap.  184  wird  auch  die  Lösung  durch  die  Macht 
der  psychischen  Elemente  versucht.     lb)71  "jsnrp  DK  T6l? 

BOTB&  "ly  toTa  Voym  nnom  fcrram  noion  naa  )oanb  lyatö 
mns  mra  ^m1?!  inm1 

Auch  die  ganz  materialistisch-physiologischen  Theorien 
der  Vogt,  Moleschott  und  Büchner  hat  Aboab  vorweg 
genommen  und  überbietet  diese  fast  noch,  indem  er  seine 
Lehre    in    den  Sätzen   gipfeln  läßt:    nicht    bloß  JJStt  *B3 


1   Außer  wenn  sich  das  Kind  aus  seiner  natürlichen  Art  in  deren 

Gegenteil   umwandelt    durch    die   Kraft   der   Zucht,   der   Erziehung 

und    der  Sitten   und    durch    die  Mühe   der  Erziehung,    so    daß    es 

seine  Form  (Art,  Gestallung)   auszieht  und  sich  mit  einer  anderen 

Form  bekleidet.     D.  H. 

17* 


1\     Di    "       iltung  der  Sittlichkeit. 

-  -;;  ytns^  JHDTI1,  sondern  auch  niDMn  ptD  »A3  *3  KSBi 
D^ian  yrj  RTF'  (s.  183),  \\<»bei  er  sich  bereits  auf  den  Tal- 
mud Kttluili.  t;i  stützen  konnte;  und  diese  Theorie  hat 
er  dann  leicht  mit  dem  Verbot  unreiner  Tiere  in  Ein- 
klang [  ebi  acht. 

ialei    Begriff  der  Einheit.    1  >ie  Formen 
iles  Einheitsbegriffi     sind  darzustellen. 

Dabei   ist   auf  die  interessante  Anmerkung   über  d 
Zusammentreffen  dei  I  redanken  mit  Vircho^  hinzuweisen. 
Nach   der  Huxley -Vorlesung  Virchows    im    Herbst   1898 

teilt  der  Ports*  hritt  der  biologischen  W  issenschaft  der 
letzten  Zeiten  wesentlich  darin,  zu  zeigen,  daß  der  Organis- 
mus nicht  auf  einer  einheitlichen,  Bondern  auf  „sozialer" 
Funktion  beruht:  umgekehrt  besteht  der  Portschritt  der 
völkerpsychologischen    oder  ilpsychologischen      Er- 

kenntnis gegen  früher  darin,  einzusehen,  daß  die  Punkl 

b    der  Individuen   im    Bozialen  Sinn    •  •  saml  und  ein« 

»In  b  i  t. 

1 1  •         tige  der  beidi  d  Forsi  bungsmethoden  offen- 
bart   ich  darin,  7u  erkennen,  daß  jeder  Organismtu 
.  ial  wirkt,  und  daß  ellschafi  ein  Organismn    i  I 

l  .•  ben  de        •  •    I    5  inch   die  dai  ml  folgende 

kleine 

n.   .       r  Natui   da  Nahrung    ri  btet   sich  dei   KOrpei 
Wesen)  d<  ihitcn.     D.  II 

ergibt  sid  i  Nahrung  m  die  .Naiur 

J'  II 


Einheit  und  Gesamtheit.  261 

Das  Wesentliche  und  Wertvolle  dieser  Erkenntnis  für 
unseren  Gedankenkreis  ist,  daß  in  den  rein  psychologischen 
und  physiologischen  Verhältnissen  der  Gesellschaft,  also 
in  den  Naturgesetzen,  welche  sie  beherrschen,  mit 
einem  Worte  in  dem  Bestände,  wie  er  in  der  mecha- 
nischen Weltanschauung  aufgefaßt  wird,  schon  das  ethische 
Grund-  und  Zielverhältnis,  nämlich  die  Einheitsbildung 
der  Gesamtheit  enthalten  ist.  Nur  das  ethische  Mo- 
tiv muß  noch  hinzutreten.  Aus  den  Reproduktions- 
gesetzen ergibt  sich  das  Gewissen;  es  tritt  nur  noch  zu 
den  Tatsachen  der  unwillkürlichen  Reproduktion  die 
ethische  Beurteilung  derselben  hinzu. 

§445.  Gesamtheit.  Es  gab  eine  Zeit,  in  welcher  die 
Sorge  für  seine  Familie  als  ny  ^33  np~V  TW)}1  gelten 
durfte.  Sie  ist  es  noch  für  viele,  weil  sie  dessen  bedürfen. 
Aber  die  Zahl  derer,  welche  einen  Überschuß  haben,  ist 
größer  geworden,  sie  genügen  der  ethischen  Verpflichtung 
nicht  mehr  damit. 

Und  mit  Wohltätigkeit  und  großen  Gaben  ist  es  auch 
nicht  getan. 

Nicht   für   sich   allein,    auch  nicht  bloß  für  seine  Ea- 


»  Psalm  106,  3.  Vergl.  Keluboth  50a:  „Heil  denen,  die  das 
Recht  wahren,  der  Wohltat  übt  zu  jeder  Zeil."  Ist  es  denn  mög- 
lich, zu  jeder  Zeil  Wohltat  zu  üben?  Unsere  Lehrer  in  Jabne 
haben  erklärt  und  einige  sagen  R.  Eliezer:  Damit  ist  derjenige 
gemeint,  der  seine  Söhne  und  Töchter  ernährt,  so  lange  sie  uner- 
wachsen sind.     D.  H. 


IV    nie  Gestaltung  dei  Sittlichkeit. 

milie   sorgen,    für  die  Gesamtheit,  das  Ganze,   wirkliche 
Sorge  im  Herzen  tragen  und  durch  Tat  bewähren. 

Die  Bestimmtheit  des  Familienkreises  und  Bedürf- 
nisses machte  die  Sache  einfacher  und  leichter;  das  All- 
gemeine  ist   zu  anbestimmt;   das  entschuldigt  jetzt  noch 
die  Lässigen  und  erschwert  tatsächlich  die  wahre  sozial' 
PHicht. 

\1rt  Organisation!  Auch  wer  geringes  Überschuß  an 
Kraft  oder  Vermögen  oder  Einkommen  hat.  kann  dienen- 
des Glied  mit  kleinen  Mitteln  und  in  freien  Stunden 
sein. 

Der  Begriff  der  Familie  war  nur  eine  Stufe. 

Zunächst  jeder  in  -einem  Kreise;  der  Herr  für  Diener, 
der  Arbeitgeber  für  Arbeiter  usw. 

Besonders    gilt    es,    die    Jugend    der    Reichen    für 

die-     -    rge  erziehen,  daß  sie  nicht  Schmarotzerpflanzen 

[en,    nur    Genuß    und    Sport    suchen,    sondern    ihr 

sorgenloses  Dasein  mit   höherer,  weiterer,  edlerer  Sorge 

erfüllen. 

Je    mehr    Vereinigungen    derselbe    Mensch   angehört, 
mehr    ha1   er   Antrieb  zur  Sittlichkeit,  besonder- 
Zügel  gegen  Dnsittlichkeit, 

hi  jeder  Gemeinschaft   liegt   ein  ethisch  wirksames 

Dient;  wissen  des  Einzelnen  isi       •  it/t  dadurch. 

daß   es  Teil  ein»  ewissens   ist;  und  je  inniger 

;ehörigkeit,    desto     tärker   die    Wirkung. 

Viele    sittliche    Vorzüge    der   .luden    kommen   nur   auf 


Aufgabe  der  Erzeugung  des  Gesamtcharakters.  263 

diese    Zusammengehörigkeit,    vieles    war    nur    DBM   blb^n, 
gehörte  dazu,  TODS  zu  bleiben  usw. l 

Die  psychologisch  naturalistische  Erklärung  steht  auch 
weit  im  Felde. 

Der  ethische  Gesichtspunkt  muß  überall  leiten.  Das 
ist  keine  Wahl,  sondern  innere  Notwendigkeit.  Gegen- 
über dem  Kollektivismus  die  Selbstverantwortung; 
gegenüber  dem  Individualismus  die  Pflicht  der  Gesamt- 
entwicklung  und  Gesamterziehung.  Das  Sittengesetz  als 
eins  für  die  Gesamtheit. 

§  446.  Aufgabe  der  Erzeugung  eines  Gesamt- 
charakters. 

Xicht  der  Individualismus,  nicht  der  Kollektivismus  in 
ihrer  Einseitigkeit  und  im  Gegensatz  zu  einander  ent- 
halten die  volle  Wahrheit.  Die  Ethik  weist  ihnen  Gren- 
zen an.  Einer  tiefer  dringenden  Erkenntnis  bleibt  es 
vorbehalten,  beide  miteinander  zu  vereinigen  und  eine 
höhere  Weltanschauung  zu  begründen. 

In  einem  Bilde  wenigstens  können  wir  heute  schon 
den  Vorausblick  gewinnen,  wie  sich  beide  miteinander 
vereinigen  können.  Zwei  Bewegungen  können  in  ihrer 
Richtung  und  Bedeutung  verschieden  sein  und  doch  zu- 
gleich von  demselben  Wesen  vollzogen  werden;  um  ihre 
eigene  Axe  dreht  sich  die  Erde,  zugleich  bewegt  sie  sich 


1  Nur  gehört  dazu,  daß  ein  Bewußtsein  von  der  mannigfaltigen 
Zugehörigkeit  stattfinde;  von  bloßen  Vereinen  bis  Stadt,  Provinz, 
Staat  und  Religion  —  welch  ein  Abstand! 


[V.  Die  G 

am  inne,  und  vielleicht  auoh  noch  mit  dem  Sonnen- 

ti  in  um  eine  Zentralsonne.  So  bewegt  sich  di  r  Mi  nach 
um  Bein  eigenes  Ecb,  zugleich  um  die  Sonne  der  [dee  in 
Gemeinschaft    mit   allen  übrigen  Wesen,     und  die   I 

Guten  und  Allgütigen  ist  die  Zentral  onne,  um 
welche  alles  Gewordene  sich  bewegt,  um  den  Abglanz 
desselben  und  die  Lebenskraft  von  demselben  zu  emp- 
fangen. 

Einzelne  und  Gesamtheit. 

17.    Handlung  und  Gesinnung.    Die  Gesamtheit 
braucht    Handlung,  du-  Einzeln»'   d''     nnung. 

Des  Einzelnen  Gesinnung  kann   ihn  auf  das  II 
auf  rein  Th<    retisches,  auf  Verzicht,  auf  my  tisch«    Ver- 
tiefung allein    führen;   dagegen  dii    G<   amtheit    braucht 
den  Aufbau  dee  Gi   amtl  in  Kultur  and  Sitte.    I 

pM  fTl  DJ)  min.« 
Aber    die  Gesamtheit    ist    auch    ein  Sj  tem    von   G 
sinnung  Charaktere   zur    Einheit    verbunden      Die 

gi    I  Fnterordnung  und   E  in  dii   I !     imtheil 

dem  Gesichtspunkt,   d       •     sich  nichl  bloß  um 
meinschaftliche  Sittlichkeit,  sondern  vor  allem  um  sitt- 
licl      Q    meinschaft    bandelt     Durch   diese  wird  all»' 
hing,   auch  aller  p  Dienst  des  Ein  ■■  Inen 

■••II. 

1   •  Lfa  lil.  21. 


Ehe.  265 


Ehe. 


§  448.  Auch  innerhalb  des  ganz  und  gar  nur  ethischen 
Gedankenkreises  wird  der  Begriff  der  Ehe  und  ihres 
Zweckes  als  Vermehrung  des  göttlichen  Ebenbildes  in  der 
Natur  aufgefaßt. 

In  vorderster  Eeihe  steht  der  rabbinischen  Anschau- 
ung von  der  Ehe  die  Erhaltung  der  Gattung;  aber  eben 
im  Verein  mit  der  sittlichen  Lebensordnung  soll  sie  ge- 
schehen: Kann  p  lim«  n^SS.  Sodann  soll  sie  die  Kinder 
—  Natur  gäbe  zur  Kultur   führen,    die  Kinder   er- 

ziehen: W33  r6"ttö.  Überall  also  ist  die  Ehe  zur  Be- 
gattung, sittliche  Kultur  zur  Natur  fügen.  S. Pesachim 
113 b:  Sieben  sind  vom  Himmel  (von  Gott)  verbannt,  nämlich: 
ein  Jude,  der  kein  Weib  hat;  wer  ein  Weib  und  keine 
Kinder  hat;  wer  Kinder  hat  und  sie  nicht  zum  Studium 
der  Thora  erzieht;  wer  nicht  Thephillin  an  seinem  Kopfe 
und  an  seinem  Arme  hat;  wer  nicht  Zizith  an  seinem 
Kleide  hat;  wer  nicht  eine  Mezuza  an  seiner  Tür  hat; 
wer  seinen  Füßen  die  Schuhe  versagt.  Manche  fügen 
noch  den  hinzu,  der  sich  nicht  einer  Gesellschaft  an- 
schließt, die  sich  zur  Ausübung  eines  Pflichtgebotes  ge- 
bildet hat.  —  Selbst  von  einem  Weibe,  das  nicht  immer 
nach  dem  Herzen  des  Mannes  ist,  soll  sich  der  Mann 
nicht  trennen.  Diese  Ansicht  spricht  R.  Chija  Jebam.  63a 
aus,  der  ein  Weib  hatte,  die  ihn  peinigte,  der  er  aber, 
wenn  er  Schönes  fand,  es  selbst  heimbrachte;  und  dies 


iv    Die  Gestaltung  der  Ettttlichkeit 

war  die  Autwort  an  Etab,  der  ihn  eben  befragte,  weshalb 
er  sein  böses  Weib  ^o  verziehe. 

I  >ie  rechte  Ehe. 

§  449.  AVer  sein  Weib  liebt  wie  sich  selbst,  sie  mehr 
ehrt  als  >ieh  Belbst  und  seine  Kinder  auf  den  rechten  Weg 
leitet,  von  dem  heißt  es:  „Du  wirst  erfahren  njnv,  daß 
Frieden  in  deinem  Zelte".    Jebam.  62 h. 

Aufgabe  und  Leistung  des  Weibes. 

8  450.    Der  Prophet  Elia  selbst  soll  es  dem  B.  Jose  auf 
ae  Präge,  worin  denn  das  Weib  „die Gehilfin"  sein  solle, 
gesagt  haben:  ,.sie  erleuchtet  seine  Au-.n  und  stellt  ihn 
auf  Beine  Füße."    Als"  beides,  was  dem  Mann  von  Na- 
tur zusteht:  Einsicht  und  Energie,  soll  Bie  fordern.    Auch 
Ertrag   der  Natur   wandelt  in  Kulturform. 

Der  Mann  bringl  den  Weizen,  und   sie  macht  das  Brot 
c  bringt  den  Flachs,  und  sie  macht  das  ECleid. 

I      uiilie. 
;")1.    De]   Werl  des  Daseins  und  Beine  Würde  be- 
ruht darauf,  dal  M        ben  ihr  Leben  nichl  isoliert, 
gl  fahren.     Die  Familie  bildet  die  natür- 
liche Grandlage  für  diese  Vereinigung.     Die  Mitglieder 
d  gi  trennt   Leben,   nach  Raum  und  Z 
b   den  Zielen,   welche  sie  ro  erreichen    treben,  und 
nach  dem           ksal,  das  jedem  beschieden  ist:  weil  aber 


Die  Familie  als  Ganze?.  267 

Freud  und  Leid  eines  jeden  alle  trifft,  die  Ehre  des 
einen  die  Ehre  aller  ist,  bilden  sie  —  nah  oder  fern  — 
eine  Einheit  des  Gemüts,  eine  Seelengemeinschaft,  welche 
beglückt,  erhebt  und  tröstet. 

Die  Familie  ist  das  Urbild  der  Kontinuität.  Es  gilt,  die 
Gegenwart  mit  der  Vergangenheit  und  Zukunft  verbinden! 

Sorge  für  die  Alten,  die  nicht  mehr,  und  für  die 
Jungen,  die  noch  nicht  arbeiten;  Pietät  gegen  die,  die 
gestorben  sind,  und  Vorsorge  für  die,  welche  erst  werden 
geboren  werden. 

§452.  Die  Familie  als  Ganzes.  DerVat  er  ist  Ober- 
haupt. Mit  der  sinnigen  Ausdeutung  der  Abwechslung  in 
der  Vorschrift  der  Elternliebe  in  der  Thora,  daß  es  das 
einemal  heißt  "pK  1T81  f  2K  AK  *T2D  *,  das  anderemal  10«  BW 
tttTfl  I^KI»,  wird  auf  die  natürliche  Zärtlichkeit  gegen  die 
Mutter  und  die  Ehrfurcht  gegen  den  Vater  hingewiesen, 
aber  bei  beiden  soll  beides  befolgt  werden.  Anderer- 
seits wird  vom  Vater  Strenge,  von  der  Mutter  sanfte 
Führung  gefordert. 

Wenn  auch  die  Schließung  der  Ehen  wesentlich  Sache 
der  Eltern  war  (ist  doch  der  Vater  verpflichtet,  den 
Sohn  zu  verheiraten,  geschweige  die  Tochter,  um  die 
Sittenreinheit  zu  wahren),  so  wird  doch  ausdrücklich  ge- 
lehrt, daß  die  Zustimmung  der  Tochter:  den  will  ich 
zum  Manne,  notwendig  ist.     Auf  die  Frage  an  Rebekka 


1  Exod.  20,  12.  2  Lcviticus  19,  3. 


[V.  Die  Gestaltu 

!>•  i  dei  Werbung  Eliezers  um  Rebekka  für  Esaak  Inzucht 
als  alte  Sitte  kaum  hingewiesen  zu  werden. 

Frauen  und  ihre  Behandlung.  Wenn  von  der 
der  Fraui  a  bi  i  einem  Volke  oder  in  einem 
Zeitalter  di<  Rede  i>t.  muß  man  immer  genau  zwischen 
der  rechtlichen  und  moralischen  Stellung  nni  recheiden, 
also  zwischen  den  Rech tsgrundsätzen,  Dach  denen  Rechte 
und  Pflichten  der  Frauen  bestimmt  Bind,  und  dm  mora- 
lischen Vorschriften,  welche  die  Männer  den  Frauen  auf- 
erlegen und  nach  denen  die  Frau  behandelt  werden  soll. 
Bei  den  modernen  Völkern  gehen  die  moralischen  Vor- 
schriften und  Schätzungen  unbedingt  immer  viel  weiter 
zugunsten  der  Frauen,  stellen  sie  höher  als  die  recht- 
lichen  Bestimmungen. 

Dies  war,  wie  ich  glaube,  bei  den  Juden  auch  immer 
und  besonders  in  d<  d  talmudischen  d.  h.  also  in  denjenig«  d 

•'ii  der  Fall,  in  denen  die  jüdisch-ethischen  Anschau- 
ung« i  der  Familie  sieb  kristallisierten.  Allerdings 
tuch  rechtlich  itehen  de  Frauen  bei  den  Juden  günstiger 
als  bei  den  meisten  alten  Völkern.  Noch  größer  war 
der  Unterschied  in  morali  eher  Beziehung.  Ohne  roman- 
d  Frauenkultu  i,  d(  r  B(  ine  hö«  I  b<  l<  i  klichen 
hat,   wird  den  Frauen  von  jeher  eine  Wurde 

b  n  und  eine  sittliche  Verantwortung  von  ihnen  und 
efordert,  welche  von  den  modernen  Völkern 
nicht  Qbertroffen  wird. 

Dieser  I  ued    von   Recht    und   Moral    bilft  auch 


Stellung  der  Frau  in  der  Familie.  269 

vielleicht  den  Widerspruch  lösen  zwischen  derjenigen 
Schilderung,  welche  Tacitus  von  den  alten  Germanen 
hinterlassen,  und  den  wirklichen  Tatsachen  und  Bestim- 
mungen, welche  neuerdings  durch  Weinhold  so  evident 
nachgewiesen  sind. 

Die  Bekenner  des  Judentums  folgen  in  allen  Kultur- 
ländern den  Anschauungen,  welche  sich  im  öffentlichen 
Geiste  derselben  zur  Geltung  gebracht  haben.  Im  ethi- 
schen Schriftentum  der  Juden  aber,  besonders  im  Tal- 
mud, sind  Grundsätze  aufgestellt,  die  nie  veralten,  weil  sie 
auch  beim  Wandel  der  Zeiten,  im  Wechsel  der  Lebens- 
bedingungen und  der  gesellschaftlichen  Forderungen,  auch 
gegenüber  modernen  Bestrebungen  als  leitende  Prinzipien 
sich  bewähren.  Auch  gegenüber  den  reinen  und  feinen 
Formen  des  Verkehrs  mit  dem  weiblichen  Geschlecht,  zu 
denen  die  besten  Kreise  der  modernen  Gesellschaft  sich  be- 
kennen, erweisen  sich  die  talmudischen  Lehren  als  sittliche 
Ideale,  deren  Verwirklichung  alle  Segnungen  des  Lebens, 
sein  Glück,  seine  Höhe  und  seine  Würde  sicherstellen. 

Allerdings  wird  im  Talmud  von  den  Frauen  fast  nur 
als  Gattin  und  Mutter  geredet .  .  . 

In  bezug  auf  die  Ehefrau,  ihre  Beschäftigung  —  nach 
Maßgabe  der  speziellen  Stellung  gibt  es  zahlreiche  Aus- 
sprüche; ebensolche  aber  auch  gegen  Müßiggang,  Schmuck 
und  Putz  der  Frauen.  Nicht  Konnivenz  —  sondern 
echt  rabbinische,  d.  h.  echt  ethische  Auffassung  der 
natürlichen  Neigungen  und  Lebensverhältnisse!  —  nicht 


87  IV.   D  Ict  Sittlichkeit. 

phantastische,  romantische  Formen  schmachtenden  Fraucn- 
dienstcs  Bind  hier  «las  Ideal;  aber  die  Frau  soll  das 
gewinnende,  erheiternde,  beglückende  Wesen  Bein  und 
bleiben.  Manche  Stellen  zeigen,  daß  die  Fran  die  Keusch- 
heit dc>  Mannes  bewirken  soll!  Die  Frau  ist  bei  den 
Rabbinen  Beraterin,  Erzieherin,  Teilnehmerin  am  höch- 
sten Berufe  des  Mannes,  am  Thoralernen.  Siehe  die 
Fran  Akibas  in  Kethnb.  62bu.  63*.1 


1  Die  Stelle  lautet:  R.  Akil>a  war  der  Hiri  des  Kalha  Sabua. 
Als  dessen  Tochter  sali,  daß  jener  fromm  und  vorzüglich  begabt 
war,  sprach  sie  zu  ihm:  Würdest  <lu,  wenn  ich  mich  dir  angelobte, 
ins  Lehrhaus  gehen?  I'.r  Bprach  zu  ihr:  Ja.  Sie  gelobte  sich  ihm 
heimlich  an  und  schickte  ihn  fort.  Ihr  Vater  hörte  es,  jagte  sie 
aus  dem  Hause  und  tat  ein  Gelübde,  daß  er  ihr  von  seinem  Be- 
sitztum nie  einen  Genuß  zukommen  lassen  wolle.  Jener  aber  ging 
fori  und  weilte  zwölf  Jahre  im  Lchrhause.  Als  er  zurückkam, 
kamen  xwOlflausend  Junger  mit  ihm.  I'a  hörte  er,  wie  ein  Gl 
zu  ihr  (seiner  Angelobten)  saute     Wie  lange  wirst  du  dich  noch 

als    Witwe   eines    Lebenden    fuhren!    und    sie    ihm    erwi.erle     Wenn 
er  mir  folgte,  bliebe  er  noch  weitere  zwölf  Jahre.     .Nun  Bagle  er 
Mit    ihrem  Willen    lue    ich   es.    und    ging   wieder  1. >rt  und   blieb 
••re  zwölf  Jahre  im  Lehrhause     Ms  er  dann  zurückkam,  kamen 
vierundzwanzigtausond  Junger  mit  ihm.    Seine  Frau  h<">rte  es  und 

.    ihm   ei  sprach  einp  böse  Nachbarin  zu  ihr     Wohin 

willst  denn  du?     Sie  erwiderte   (Proverb  12,  10)    „Der  Gerechte 
inni  sich  ei    Seele  seines  Tieres."     Als  sie  zu  ihm 

le,  sieh  sul  ihr  Angesicht  niederwarf  und  seine  Knie  küßte, 
•ließen  ••  Junger)  sie  (ort     Bi   aber  hört«  es  und  sprach 

tu   ihnen     Das   Meine   und   das  iure   ist  das   Ihre  (unser  Wissen 
ist  ihr  Verdienst),    ihr  Vater  aber  horte,  daß  ein  großei   Mann  in 
die  Stad|  gekommen   war      ha  sprach   er    Ich   will   zu  ihm  hin- 
ten;   vielleicht    ist    i  ich,    daß    er    mir    mein   Gelübde    löst. 


Stellung  der  Frau  in  der  Familie.  271 

Nach  Pirke  de  R.  Eliezer  Kap.  41  hat  Gott  Mose  ge- 
heißen, erst  einmal  auszuforschen,  ob  denn  die  Frauen 
(die  Thora)  das  Gesetz  annehmen  wollen;  denn  die 
Männer  pflegen  den  Frauen  zu  folgen.  Denn  was  nützt 
es,  wenn  die  Männer  das  Gesetz  annehmen,  wenn  die 
Frauen  sich  sperren  und  nicht  teil  nehmen  wollen.  An 
aller  Kulturtätigkeit  müssen  die  Frauen  auf  ihre  Art 
mitwirken! 

Bei  der  Besprechung  der  Stellung  der  Frauen  muß 
man  immer  die  Familie  als  Ganzes  im  Auge  be- 
halten. — 

Wichtig  ist  die  Möglichkeit,  daß  eine  Frau  hervor- 
ragende Stellung  gewinnt  (Prophetie  usw.),  wenn  dies  auch 
nicht  die  Regel  ist.  In  Griechenland  war  dies  nicht 
möglich.1 


So  kam  er  zu  ihm.  Dieser  sprach:  Hast  du  dein  Gelübde  auch 
in  dem  Gedanken  getan,  daß  er  (der  Angelobte  der  Tochter)  ein 
großer  Mann  wäre?  Kalba  Sabua  erwiderte:  Selbst  wenn  er  auch 
nur  einen  Abschnitt,  ja  auch  nur  eine  Halacha  (wüßte,  gälte  ihm 
mein  Gelübde  nicht).  Darauf  R.  Akiba;  Ich  bin  es,  Da  warf  er 
sich  auf  sein  Angesicht  und  küßte  ihm  die  Kniee  und  gab  ihm 
rlie  Hälfte  seines  Vermögens.  —  Die  Tochter  des  R.  Akiba  machte 
es  ebenso  mit  Ben  Azai.  Das  ists,  was  die  Leute  sagen:  Das 
Multerschäfchen  folgt  dem  IVIullerschäfchen;  wie  die  Talen  der 
Mutter,  so  die  Taten  der  Tochlcr.     Vergl.  Nedarim  50 a.     D.  H. 

1  Frage  an  die  Eherechtsgelehrlen!  Es  scheint,  daß  in  der  ganzen 
Scheidungslehre  (der  "itJjn'pN  nachzulesen!)  von  einem  Antrag  oder 
Recht  der  Frau  auf  Scheidung  nicht  die  Rede  ist.  Sonst  wäre 
auch  ein  solcher  Grund  für  das  Scheidungsrecht  des  Mannes  wie 
■prn  579   angibt,,  unmöglich:  ltewa  xbx  n«"i23  üb  «M».  Es  spiegelt 


272  IV.    Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

Kinder. 

ß  453.  Die  Unschuld  in  den  Kindern  als  welt- 
erhaltendes Element  Die  Unschuld  wird  immer 
wieder  geboren  und  sichert  dadurch  den  ethischen 
Bestand  und  die  Möglichkeil  des  sittlichen  Portschritts. 
s.  Schabb.  1191  :  Etesch  Lakisch  hat  im  Nami  d  d(  II.  Je- 
huda  •:    Die    Welt    ha1    nur   Bestand    wegen   des 

Hauches    der    Schulkinder;   denn    es    gleicht    nicht    der 
Hauch   desjenigen,  in  welchem  Sünde  ist,   dem  Hauche 
rjenigen,  in  welchem  keine  Sünde  ist. 
Enterbung    der  Kinder  zugunsten   dritter  ist  juridisch 
■  stattet,  wird   aber  moralisch  getadelt    Nur  wenn  die 
Kinder  entartet  sind,  wird  es  von  R.  Simeon  ben  Gamliel 
B  iba  batra  133    (Mi  chna  VIII,  6).  Also  ideal- 
ethische  und   nicht  bloß  utilistische  Auffassung  des  l'a 
milienwi  bi  ds. 

464   Lieb      '  n  Eltern  und  I  rroßeltern  — 

nicht  bloß  absfc  •       wähl  b  ifl  m<  nschlich,  nicht 

den  Tier«  d  anzutreffen. 

talmudische  Sprichwort   tadelt  die  größere  Liebe 

lr,er   die  mittelalterliche   n  Anschauung«  —  Wir 

halten  uns  verpflichtet,  uil  /■  Franke),  Qrundlinteo  des  moaaic  h- 
lain  d  •         i  (Leipzig      In  Ki  nmission  i  ei   H.  Hui 

3   M.Vi    M.VIII  nicht  w<  eben 

<*  angeführt  Bind,  m  denen  der  Frau  das  Recht  ansteht,  Schci- 
Die  Würde   der   Frau    ist  da   vollkommen 
i      D  II 


Kinder.    Erziehung.  273 

der  Eltern  zu  den  Kindern  als  zu  ihren  Eltern.  „Die 
Liebe  der  Eltern  wendet  sich  zu  den  Kindern,  die  der 
Kinder  wieder  zu  ihren  Kindern."     S.  Sota  49 a. 

Der  Respekt  vor  den  Eltern  und  seine  pädagogischen 
Folgen,  die  gegenseitige  Behandlung  der  Gatten  und 
ihre  pädagogische  Folge  im  Respekt  vor  den  Kindern. 

Dies  gehört  zu  den  Dingen,  von  denen  es  keine  Sta- 
tistik gibt,  sondern  nur  eine  Durchschnittserfahrung;  es 
bedarf  auch  keiner  Statistik;  wenn  man  nie  einen  Trun- 
kenen auf  der  Gasse  oder  gar  in  der  Gosse  findet,  wenn 
nie  eine  Anklage  auf  Ehrverletzung  der  Eltern  usw.  vor- 
kommt   

§  455.  Erziehung.  Den  Frauen  vor  allem  wird  der 
Beruf  und  der  Vorzug  zugeschrieben  ( —  in  idealistischer 
Einfachheit :  weil  sie  daheim  in  der  Familie  bleiben,  während 
die  Männer  draußen  ihrem  Gewerbe,  ihren  Studien  usw. 
nachgehen  — )  die  Kinder  zum  Studium  und  zur  Sitte 
zu  leiten.     S.  Schemoth  r.  Par.  28,  2.1 

1  Die  Stelle  laulel:  Exod.  19,  3:  „So  sollst  du  sprechen  zum 
Hause  Jakob  und  verkünden  den  Kindern  Israel."  „Das  Haus 
Jakob",  das  sind  die  Frauen.  Er  (Gott)  sprach  zu  ihm  (Mose): 
Sage  ihnen  nur  das  Allgemeine.  Das  verstehen  sie.  „Den  Kin- 
dern Israel",  das  sind  die  Männer.  Er  sprach  zu  ihm:  Sage  ihnen 
das  Einzelne.  Sie  verstehen  es.  Eine  andere  Erklärung:  Warum 
die  Frauen  zuerst?  Weil  sie  eifrig  in  der  Übung  der  Gebote 
sind.  Oder  damit  sie  ihre  Kinder  zur  Thora  führen.  R.  Tachlifa 
aus  Caesarea  sagte:  Der  Heilige,  gebenedeiet  sei  er!  sprach:  Als 
ich  die  Welt  erschuf,  gab  ich  nur  dem  Adam  das  Gebot.  Erst 
später   erhielt   auch  Eva  das  Gebot.     Sie  übertrat  es  und  brachte 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II.  *° 


>274  iv     D  kltung  der  Sitth 

Bemerkenswert  ist,  daß  im  goldenen  ABO  '1er  Frauen. 

im  Spruchbuche  Kap.  31  und  auch  sonst  von  den  Frauen 

als  Muster  vollkommener  Erzogenheit  oder  als  Brziehun 

Lehrerin  (die  Mutter  Lemuels*,  auch  allgemein  CK  nnp')7. 

drum  auch  von  argen  Weibern,  die  zu  meiden  Bind,  be- 

Bonders  in  der  Zeit  der  männlichen  Erziehung,  die  Rede 

ist;  aber  von   dem  Weibe  als  Zögling  ist  nie  die  Bede, 

immer   nur   heißt    es   p  3.     Ob    di«-«-r    so   viel    wie   Kind, 

als   solcher    Singular  von    D^a,    Kinder.    Überhaupt   sein 

kann?     An    einzelnen   Stellen   vielleicht,   im   allgemeinen 

iß  nicht. 

Vermutlich  herrschte  die  Ansicht:  Die  Erziehung  des 

Weibes  ist  eine   rein   praktische,   auch   in   idealen 

hingen  nicht   theoretisierend,   sondern  allein  durch  das 

1  und   Anleitung  von  Mutter  zur  Tochter  gehend. 

Pflicht,    nicht   bloß  die  blinder,   Bondern  auoh 

E  ;.  el     i  erziehen,    S.  Sota   19.     Bab  A.cha  bar  Jakob 

bei  b  mit  der  Erziehung  des  Etab  Jakob,  des  Sohnes 

!  ichter.     AN   derselbe   groß  war,   sprach  er  zu 

ihm:  Gib  mir  etwas  Wi        '  worauf  jener  ihm  antwortete: 

Bin   ich   denn   «hin  Sohn?    Das   ist    es,   was   die  Leute 

i  erziehe,  aber  ich  bin  doch  nur  der  Sohn 

dein«  t  TocmV  r. 

Well      Wenn  ich   jetil  nicht  dii   Frauen  zuerst 
rufe,   werden  m   die  Thorn  Bunichle  machen.     Deshalb  b< 

-i     u  sprechen  tum  Haute  Jakob"  und  dann  erst:  „und  ver- 
iw  :•■.     I».  II.  '  Proverb.  31,  l. 

ID         ■  17.       •  p  wechselt  mil  "»)»,  aber  nie  na  oder  irqp.  D.H. 


Aufgabe  der  Mutter  iu  der  Familie.  275 

An  die  Mütter. 

§  456.  Bewahret  die  Kinder  früh  vor  allzugroßeni  Genuß 
und  Reiz  des  Essens  und  Trinkens,  denn  dieser  gemeinste 
Egoismus  des  Magens  wird  zur  Schlange,  die  sich  immer 
weiter  ausdehnt  und  ihren  Geifer  weithin  gegen  jeden 
genialischen  und  moralischen  Keim  tötend  aushaucht. 
Gewöhnt  sie  deshalb  an  geistigen  Genuß  durch  Spiel, 
Liebhaberei,  oder  irgendein  Steckenpferd;  Schmetter- 
lingsammeln,  Botanisieren,  Zeichnen  usw.  Bei  einem 
Kunstgenie  wird  dieses  freilich  von  selbst  hervortauchen 
und  alles  andere  verdrängen.  Nur  hüte  man  sich,  dieses 
und  noch  vielmehr  jenes  allzugroßes  Übergewicht  erlangen 
zu  lassen,  weil  dies  der  Grund  zur  Einseitigkeit  wird. 
Die  allerschlimmste  Gefahr  ist,  wie  gesagt,  die  des  Magen- 
und  Gaumenübergewichts.  Sprechet  nie  vor  Kindern  über 
Küchenangelegenheiten,  am  allerwenigsten  über  die 
Schwierigkeit  und  Wichtigkeit  der  Kochkunst;  die  werden 
sie  ohnehin  früh  und  hoch  genug  schätzen,  und  werden  sie 
es  nicht,  ist's  um  so  besser. 

Unterrichtet  Kinder  nie  in  einer  Kunst,  wofür  sie 
keine  Neigung  oder  Talent  haben,  —  wie  etwa  Musik, 
wenn  es  ihnen  an  Trieb  oder  gar  musikalischem  Ohr 
fehlt  —  denn  sie  haben  ohnehin  nur  eine  gewisse  Quantität 
von  Bildungstrieb,  dessen  Intensität  im  umgekehrten  Ver- 
hältnisse zur  Extensität  steht.  Schlimm  genug,  daß  sie 
schon   für   manches    Notwendige    keinen   Trieb    haben 

18* 


876  iv.   Die  Gestaltung  der  Bittliohkeit. 

und  künstliche  Mittel  angewandt  werden  müssen.  Künste 
sind  ja  nicht  um  entbehrlich,  sondern  ohne  Talent  un- 
erlernbar, bis  auf  eine  gewisse  Stümperei,  die  den  Nach- 
teil hat,  daß  sie  erstens  den  Gesehmark  und  Genuli  dieser 
Kunst  im   Kinde  untergräbt,  so  daß  es  mehr  verliert  als 

rinnt,  zweitens  werden  Bie  zu  Behr  an  Halbheit  und 
unvollkommenen  Dilettantismus-  ge-  und  verwöhnt  und 
Bind  dann  auch  für  alles  andere  untüchtig. 

Befehlet  einem  Kinde  alles,  was  es  zu  tun  hat,  so 
kurz  als  möglich  vor  der  Ausübung,  sonst  wird  es  daran 
vergessen,  und  ihr  seid  in  dem  peinlichen  Falle:  entweder 
für  ein  —  unschuldig  —  Vergessen  zu  -trafen,  oder  eine 
Nach!  t    hingehe   und   einwurzeln  zu  las>rn.     Be- 

fehlet überhaupt  immer  mir  das  Leichtmögliche,  und  wenn 
noch  Zeit  zur  Ausführung  ist.  verhütet  überhaupt,  daß 
eure  Aufträge  aus  ir(  Lehen  Gründen  unausgeführt 

'neu.     Soll    i  Handlung    des    Kindes   öfter 

lerkehren  und  wurde  einmal  versäumt,  bo  wartet  mit 
der  Etüge  bis  zur  i  ten  Ausführung,  dann  wird  euer 
Zorn   übel-   die    \(.;  angene    Versäumnis   durch   die 

ade   der  jetzigen    Erfüllung   ebensowie   der  Schmi  rz 
des  Kindes  dadurch  gemildert,    Zeiget  ihm  Freude  über 
Pflichterfüllui       lann  wird  die  \  ang  sicherer 

verhütet  als  durch  alle  Elügen  and  Strafen. 

Ordr  ''•ird    nur    durch    '  hnheif     erlernt,    denn 

lie   Bequemlichkeit,   welche   doch  der  höchste 

ilien  ist,  n  17t  zun..  irdnung,  weil 


Gastfreundschaft.  277 

sie  für  den  Augenblick  das  bequemste  ist,  und  Kinder 
leben  nur  in  der  Gegenwart,  weshalb  alles  Anpreisen 
der  Ordnung  ihnen  wie  Narrheit  erscheinen  muLi.  Was 
kann  bequemer  und  förderlicher  sein,  als  —  so  denkt  sich 
ein  Junge  —  das  Buch  aufgeklappt  auf  dem  Tische  liegen 
zu  lassen? 

Nachbarn.    Gäste.    Diener. 

§457.  Gastfreundschaft.  In  neueren  Zeiten  und  be- 
sonders in  den  mit  Gasthöfen  gesegneten  Städten  ist  die 
alte,  eigentliche  Gastfreundschaft  obsolet  geworden.  Aus 
dem  nahrhaften  Brot  einei  wirklichen  Pflege  und  Herberge 
des  Fremden  hat  sich  die  Gastfreundschaft  unserer  Tage 
zu  einer  bloßen  feinen  Würze  der  Geselligkeit  gestaltet. 
Auch  so  noch  kann  sie  dem  idealen  Zuge  der  Herzens- 
gemeinschaft unter  den  Menschen  vorzügliche  Dienste 
leisten,  wenn  sie,  echt  und  innig,  über  die  Alltäglichkeit 
des  geschäftlichen  Verkehrs  emporhebt  und  erfreuliche 
Stunden  zu  weihevollen  macht. 

Gastfreundschaft  ist  die  älteste  Form  der  Kultur- 
gründung und  der  ethischen  Erhebung,  nämlich  Durch- 
brechung auch  des  in  Familie  und  Miteinwohner  gegebenen 
erweiterten  Egoismus;  hier  aber  der  Fremde,  Un- 
bekannte. 

Die  natürliche  Abneigung  bis  zur  Feindschaft  gegen 
alles  Fremde,  Unbekannte,  vom  Heimischen  und  Ge- 
wohnten Abweichende. 


iv    Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

t  Gastfreundschaft  ist  der  erste  Anschluß  an  einen  Fremden; 
sie  ist  die  Erweiterung  der  Persönlichkeit  im  eigenen 
Heini.  I-t  der  andere  eingetreten,  soll  er  mil  Liebe 
und  Fürsorge   angei         -en   werden,    722  1K3  p  ^V  *0 

Die   Weihe  den    II  ei m 8. 

§  458.  Die  den  Menschen  heimbegleitenden  Engel  aus 
dem  (lotteshause  ins  eigene  Baus.3  Dort  der  Gedanke, 
hier  die  Tat;  dort   die  Lehre,  liier  die  Enerj-'i.'. 

Wäre  ein  Midrasch  erlaubt,  so  würde  ich  sagen:  Jes. 

33,  7:    131  lpys  thlWH  jn,  „wenn  die  Gotteslöwen  —  ideale 

walten        draußen  Bchreien,  dann   weinen  die  Krie- 

.  bitter."    Vergl.  Schabb.  126    Mischnaund  das. 

s.  127      I.'.  Jochanan  hat  gesagt:  Aufnahme  von  Gästen 

.,  wie  der  Besuch  des  Lehrhauses.       DieVer- 

chungdesjn    -         Hauses  mit  pip  und  mit «npDnJTa.« 

i  Gen«  sis   1  9,  S. 

-  -  babbalh  119      R.Jose  bar  Jehuda  sa  I    Zwei  Dienstengel 

geleilen  «Ion  Menschen  am  Vorabend  des  Sabbat  aus  dem  Gottes- 

baot   in   lein   Haus,  ein   gutei    Engel   und   ein   liüsei  Kngel.     Kommt 

,-r   m   s.  :n  II  ins   un  ■  Qndet  das  Licht  angezündet  unil  den  Tisch 

I   and   d  i   L  ger  hing*  m  let,  so  spricht  der  «--ui.-   Engel: 

der  Wille  (Gottes),  da     et         I  n  Sabbat  sei, 

m  n    Willen     Amen;    wenn 

r  nicht,  sn  spi  böte  Enge  •     der  Wille  (Gott« 

Q  es  nm  folgenden  Sabbat  i    i  und  «ler  gute  Engel  spricht 

gegen   Seinen    Willen    Amen.      I»    II. 

i  ii     gtum  stand,  sülmte  der 
.r;  jrtzt   nt  der  Tis.  I,    :,-  Menschen  sein  Allai      Menaehoth  97". 


Gäste.    Freunde.    Dienende.  279 

Pflichten  der  Gastfreundschaft  werden  höher  ge- 
stellt, als  natürliche  Blutsverwandtschaft.  Wer  dir 
seine  Tür  geöffnet,  dem  bist  du  verehrungsvolle  Behand- 
lung schuldig.     S.  Schem.  r.  Par.  41 

Teilnahme,  Graste  und  Freunde. 

§  459.  Eine  alte  Sitte.  Wenn  ein  Besuch  —  ein  Kind 
des  Hauses  oder  ein  Fremder  —  in  einer  Familie  eintraf, 
dann  haben  Nachbarn  und  Befreundete  den  Wirten  ihre 
Teilnahme  ausgedrückt  und  Gruß  und  Gregengruß  wurde 
gewechselt;  „Mit  Lieb  sei  dir  dein  Gast"  —  sagten  die 
Einen;  „mit  Lieb  sollst  du  leben!"  wurde  geantwortet. 
Es  mag  da  viel  Neugierde  und  Indiskretion  untergelaufen 
sein;  an  sich  war  die  Sitte  doch  ein  treffender  Ausdruck 
für  das  Gefühl  der  Gemeinschaft  in  Freud  und  Leid. 

Ob  der  Brauch  spezifisch  oder  ursprünglich  jüdisch 
ist,  weiß  ich  nicht;  ich  habe  ihn  aber  sonst  nicht  angetroffen. 

Ein  p.  An  Festtagen  wird  das  sonst  tägliche  Buß- 
gebet  —  pnn  —  nicht  verrichtet.  Ist  nun  eine  Hoch- 
zeit in  der  Gemeinde,  so  soll  das  Bußgebet  ebenfalls 
nicht  rezitiert  werden  (nach  Maharil).  Jean  Paul  sagt 
einmal:  „Zum  Mitleid  gehört  nur  ein  Mensch,  zur  Mit- 
freude ein  Engel."  Nun,  sie  waren  nicht  alle  Engel, 
unsere  Altvordern,  aber  sie  wollten  doch  ihre  Mitfreude 


1  Mose  will,    von  Golt  entboten,  nicht  zu  Pharao  gehen,  bevor 
er   es  Jilhro   gemeldet   hat,  weil  dieser  ihn  gastlieh  aufgenommen 

halte. 


280  IV.    Die  üesttilfung  der  Sittlichkeit. 

wenigstens  symbolisch,  d.  h.  Liturgisch  zu  erkennen  geben, 
und  das  war  ihnen  so  süß,  als  wenn  sie  vum  Hochzeits- 
kuchen  gegessen  hätten. 

Diener  Bchaft. 

§  460.  Niedere  Arbeit  darf  man  dem  Sklaven  nicht 
auferlegen,  während  man  Nie  dem  eigenen  Sohn  und  dein 
Schüler  zumuten  darf.  Mechiltha,  Mischpatim  Par.  ül 
und  daselbsl  Par.  22  wird  gelehrt:  Sein  Wohl  soll  dir 
(dem  deinigen)  gleich  sein;  er  soll  in  Essen  und  Trinken 
und  Lager,  also  jeder  Leibespfiege.  am  Deinigen  Teil 
nehmen. 

Behandlung  der  Dienenden. 

EL  Jochanan  gibt  seinen  Dienern  die  gleichen  Speisen 
uni  Getränke,  die  er  selbst  genießt,  wegen  der  Gleich- 
heit der  Menschen  als  Gottesgeschöpfe  von  gleich- 
artiger Bildung  ;c::;  er  zitiert:  ,.der  im  Mutterleibs 
mich  und  auch  ihn  geschaffen".    S.  j.  Baba  kamma  IX 

Di<    Rücksichten  auf  den  Appetit  des  Dieners  und  die 

Gefahr,  ihn  nicht   zu  stillen,  gehen  sehr  weit.    S.  Kethub. 

61*  .    Der  Prophet  Elia  unterhält  sich  mit  dem,  welcher 

bei  der  Mahlzeit  Beinen  Teil  früher  gab  all 

Da     D  Arbeits-.  LeistungsTerhaltnia  soll  mit  Er- 

haltung    der     Menschenwürde     ausgeführt     werden; 
:-   HVl  rmaj6,  keinerlei  Schmach  oder  Schande  soll 
mit   dem    Dienst   verbunden   sein.      Nidd.  47. 


Y 


Behandlung  der  Dienerschaft.  281 

Der  Diener  aber  soll  seinen  Herrn  ehren.  Schön  wird 
als  Gleichung  für  den  Vater  und  Herrn  Maleachi  6  zitiert: 
„Der  Sojin  ehrt  seinen  Vater  und  der  Diener  seinen 
Herrn." 

Herrschaft  und  Dienerschaft,  beiderseitige 
Pflichten.  Die  Herrschaft  soll  den  Diener  betrachten 
om  Standpunkt  der  ilttllt,  Brüderlichkeit,  der  Diener 
sich  vom  Standpunkte  des  nnay,  Untertänigkeit.  S.  Sifra 
Behar  zu  Leviticus  25,  39. 

„AVer  sich  einen  Sklaven  kauft,  kauft  sich  einen  Herrn," 
—  wegen  der  strengen  Pflicht,  die  der  Herr  gegen  den 
Diener  übernimmt,     S.  Kiddusch.  20 a. 

Auch  vor  Versuchung  muß  man  Kinder  und  Diener- 
schaft bewahren. 

Sich  in  die  Seele  versetzen,  ist  die  Forderung,  die 
immer  in  neuen  Bezeichnungen  wiederkehrt.  Auch  kon- 
krete Einwirkung  der  andern  durch  den  Verband  (der 
Familie)  gut  zu  machen  wird  gefordert. 

§461.  Behandlung  des  Fremden,  des  durch- 
reisenden Wanderers.  Siehe  das  Gesetz  über  nbty 
nsny  Deut.  21.     Dazu  der  Talmud. 

Ein  Beispiel  von  der  Fortbildung  der  Ethik  durch  den 
Talmud  und  wie  wir  diese  wiederum  fortzusetzen  haben. 
(Vgl.  die  Anm.  Bd.  I  hinter  dem  6.  Kap.  S.  289ff.)  Das 
alte  Gesetz  von  der  gefundenen  Leiche  war  schon  zu  den 
Zeiten  des  Talmuds  obsolet  geworden,  mit  dem  Aufhören 
des  Tempel-    und  Priesterdienstes  war   es    geschwunden. 


B2  iv.   Die  Gestaltung  der  Sittliohkeit, 

Abei  in  das  durch  die  historischen  Verhältnisse  völlig 
veraltete  Gesetz  hat  der  rabbinische  Geist  Bioh  dennoch 
vertieft;  von  der  naheliegenden  Frage  ausgehend  Mp/D  ^31 
■jnjn  wird  gezeigt,  daß  als  ein  Vergießen  an  chuldigen 
Blutes  Bchon  betrachtet  wird,  wenn  man  es  an  dm 
Liebespflichten  gegen  den  Wanderer  fehlen  Läßt;  und 
nun  wird  gelehrt,  welche  solcher  Pflichten  zu  üben  sind. 

Diese  bestimmten  Vorschriften  des  Talmuds  können 
wir  heute  ebensowenig  erfüllen,  wie  man  in  talmudischen 
Zeiten  das  alte  Gesetz  erfüllen  konnte.  Jene  Vorschriften 
konnten  für  eine  Stadt  odt  r  ein  Dorf  gelten,  durch  weicht  - 
aller  vier  oder  acht  Wochen  i  inma]  ein  armer  Wanderer  des 
Weges  kam.  Aber  den  ethischen  Gehalt,  den  sie  an  den 
alt«       ».setz   entwickelt,    aus   ihm  geschöpft  haben,    und 

r  in  ihren  Vorschriften  zur  Erscheinung  kommt,  mQ 
wir  wiederum  festhalten;  die  Gesinnung,  welche  man  d 
fremden   notleidenden  Menschen    gegenüber   hegen  Bolle, 
in  Erkenntnis  und  durch  Gesetze  oder  Vor- 
iftei  .   welche  Bich  auf  die  heutigen  Verhältnisse  be- 

ehen,  zum  Ausdruck  und  zur  Anwendung  bringen. 

r  Art  des  Verhaltens  lebt  jede  ethische  [dee 

.    .-in     v  bit'Oi     b    wandelnde-,    aber   kontinu- 

.     •      ein  m   Grundgehalt    Bich   gleichbleiben 

und  allezeit  gleichwertiges  laben,  das  aber  fori  and  fort 

bereichert,  erhöht  und   veredelt   wird.     Die  rem  symbo- 

3ühne    der    Vorzeit,    welche   offenbar  bei  jedem 

lenen    Fall    einer   vermutlich    verübten   Schuld    die 


Behandlung  des  Fremden.  283 

Notwendigkeit  der  eigenen  Unschuld  wieder  einschärfen 
sollte,  war  den  Rabbinen  zur  positiven  Lehre  von  der 
Behandlung  des  Fremden,  welche  jeder  Schuld  wehren 
soll,  geworden.  Diese  positive  Lehre  aber  bewegte  sich 
um  primitive  Verkehrsverhältnisse,  denen  die  Vorschriften 
angepaßt  sind.  Wir  nun  haben  die  noch  weitere  und 
noch  feinere,  allgemein  positive  Lehre  daraus  zu  ziehen, 
deren  Befolgung  unseren  Verhältnissen  entsprechend  sehr 
mannigfaltige  Vorkehrungen  zum  Schutze  des  Fremden 
erheischen  und  tatsächlich  in  allerlei  Vereinstätigkeit  sich 
vollziehen.     Arbeitsnachweis  usw. 


Fremdenbehandlung   bei  „Gästen"    oder   „Wohl- 
tätigkeit". 

§  462.  Das  Passah  ist  sicherlich  mehr  als  irgendein  anderes 
ein  spezifisch  nationales  Fest,  denn  es  beruht  nicht  nur 
auf  Geschichte  überhaupt,  sondern  es  feiert  die  Gründung 
des  Volkes  und  seine  Berufung.  Die  Feier  gilt  von  jeher 
als  die  heiterste  und  feierlichste.  Gleichwohl  gehört  es  zu 
den  ersten  Gebräuchen  der  Feier,  daß  nach  der  Einseg- 
nung des  Tages,  DVn  WTp,  die  Türen  geöffnet  und  mit 
dem  Spruch  der  Gastfreundschaft  begonnen  wird:  „Jeder 
der  hungrig  ist,  komme  und  esse  mit".  Und  Jaabez  be- 
merkt ausdrücklich  zu  dem  Worte:  „Jeder  Hungrige": 
„Auch  von  den  NichtJuden",  nach  dem  bekannten  allge- 
meinen   Gesetz:   wenn   Juden   und    NichtJuden    in   einer 


IV.    D  Bitttiohkeit. 

•dt  beisammen  wohnen  usw.  s.  I.  Teil,  Anhang  Nr.  37 
3.  124  und  Baba  mez.  71*. 

Dieser  Brauch  ist  ein  Lauter  Protest  gegen  jeden  ethischen 
Partikularismus,  dessen  Bedeutung  um  bo  glänzender  her- 
vorleuchtet,  da  die  ehemalige  religiöse  Opferfeier  des 
Passah  mit  einem  partikularistischen  Gesetze  verknüpf! 
(8,  Exodus  12,43),  welches  ebenso  natürlich  wie  he- 
rechtigt  war.  8.  Friedmann,  Das  Festbuch  „Haggadah" 
ä  79. 

Behandlung  und  Fortbildung  der  Dienstleute. 

§463.  Anknüpfend  an  Joel 3, 1  2  als  messianisch.  „Und 
es  wir  hellen  nach  diesen  Dingen,  da  werde  ich  aus- 

gießen meinen  Geist  über  alles  Fleisch-  usw.    Siehe  die 

etliche  Allegorie,  wie  Gott  künftig  in  Beioem  Bmon  JV3 
^TWI  sitzt,  und  vor  ihm  die  obiy  "p'Ts  mit  Frauen,  Kin- 
lern,  aber  aueb  Knechten  und  Mägden  Bitzen. 

Gegen   Sklaverei.     (i  r   hatte   Jeremias   Beine 

soziale  Reform  der  Aufhebung  der  Sklaverei  auf  den 
inneren  Sinn  schon  des  alten  Gesetzes  zurückgeführt,  in- 
dem er    ins  der  Vorschrift,  jeden  erkauften  Sklaven  im 

zu  entl         .  Bchlofi,  daß  „Knechtschs 
also  nur  ein  Dienstverhältnis  sein  und  kein  Eigentumsrecht 
an  einem  Ifenschen  Bein  Bolle  (Jerem.  84  14).    Das  wahr- 
haft Große   in   der   Denk«  und  Redeweise  des  Jerem 

r  offenbart  sich  darin,  d.iL  er,  all  nun  nach  dem 
FreiheitsbundesschluQ    dennoch  die  Knechte  und  Mägde 


Arbeitgeber  und  Arbeiter.  285 

wieder  ins  Joch  gezwängt  wurden,  diesen  Rückfall  auf  eine 
niedere  Rechtsstufe  als  eine  „Entweihung  des  göttlichen 
Namens"  geißelte  (das.  16). 

Und  Jeremia  führt  diese  Tatsache  als  den  Grund 
für  den  Zusammenbruch  des  Staates  und  der  Gesell- 
schaft an.     (Das.  ff.) 

Arbeitgeber  und  Arbeiter.     Lohn. 

§  464.  Die  Arbeiter  soll  man  nicht  vergewaltigen  und 
nicht  ausbeuten.  S.  Deut.  24,  14.  15.  Man  soll  sie  nicht 
warten  lassen  auf  den  Lohn.  Zu  beachten  ist,  daß  bei 
"V2{5>  ausdrücklich  "pjö  IN  hinzugefügt  wird. 

Jede  Vergewaltigung  und  Bedrängnis  des  Arbeiters, 
Kränkung  und  Kürzung  seines  Lohnes  wird  als  ein  sträf- 
licher Eingriff  in  sein  Leben  angesehen.  S.  Sifre  zu  De- 
bariin:    YJ3tt>    P3Dn    bD&    Tö^tt    WBi    n«    KPtt    KW    V^KI 

ws:  na  wsna  «in  i"?«d  ninan  vty  ntyo  va*.    Es  heißt: 

„Für  ihn  (den  Lohn)  trägt  er  sein  Leben  hin".  Das 
lehrt:  Wer  den  Lohn  eines  Löhners  vorenthält,  der  trägt 
ihm  das  Leben  hinweg. 

Jede  Bedrückung  des  Arbeiters,  jegliche  Art  von 
Schmälerung  und  jede  Verzögerung  des  Lohnes  wird 
mit  hohem  Eifer  verpönt.     S.  Baba  mez.  110b  und  1 11 ab. 

„Wer  dem  Arbeiter  seinen  Lohn  verkürzt,  der  handelt 
so,  als  ob  er  ihm  das  Leben  nähme". 

Strengste  Redlichkeit  in  der  übernommenen  Dienst- 
leistung wird  geboten,  auch  Schonung  der  eigenen  Kraft 


286  IV.   Di«  Gestaltung  >ler  Sittiti 

für  die  bedungene  Dienstzeit  (also  nicht  Nachtarbeit  für 
Bich   und   dann  Taga  für  die  Arbeitgeber!).    S    -        tha 

ha  mez.  Per  8. 

Ringe,  Bereinigung  der  Unternehmer  (Arbeitgeber) 
soll  es  geben,  aber  nicht  gegen  die  Arbeiter.  Bondern  zu- 
gunsten derselben  Ringe  gegen  den  Druck  der  Preise 
durch  die  Konkurrenz,  1  nicht  bloß  für  den  Besitzer 
sollen  die  Preise  sich  auf  ihrer  Höhe  erhalten,  sondern 
damit  dem  Arbeiter  ein  menschenwürdiges  Dasein 
wahrt   und  erhalten   bleib 

Auch  Bing«  gegen  den  Streik  der  Arbeiter  soll  es 
geben,  aber  nicht  Ringe,  um  den  Streik  zu  vermeiden, 
sondern  um  die  Ursachen  de— eilten  aus  der  Welt  zu 
schaffen. 

Auch  international  müssen  die  Beratungen  werden, 
an  denen  Repräsentanten  der  Arbeiter  Belbst  unter  um- 
ständen Ted  nehmen  müssen;  die  Ethik  i-t  nicht  bloß 
suzi.il,  sondern  weiterhin   l-t    Bie   menschheitli 

Falsche  und  roreilige  Bilder  verwirren  die  Q-edanken. 
Die  Notwendigkeit  des  Kampfes  ums  Dasein  von  der 
Natur  auf  die  menschlicl  ellschaft  zu  übertragen  ist 

eme   täuschende.     Nicht    Kampf  sondern    Friede!    nicht 
sei.  er    Kampf    Bondern    friedlicher    gedeihlicher 

W  t! 

w.  im  die  M        hen  redlich  wollen,  so  gibt  es  keine 

it.   dafl   cm  Teil  derselben  ein  elendes  Da- 

■  ;i  führen  muß.    Vir  darf  die  Sorge  für  die  Gesamt- 


Mitleid  mit  Tieren.  287 

heit  nicht  bloß  ein  Almosen  sein,  welches  man  der  Ge- 
sellschaft darbringt,  sondern  diese  Sorge  muß  den  Kern- 
punkt aller  Sorge  bilden.  Humanität  in  dem  Sinne,  daß 
jeder  Mensch  an  der  Arbeit  der  Gesamtheit  aber  auch 
am  Erfolg,  am  Lohn  derselben  wohlgemessenen  Anteil 
haben  soll;  diese  Humanität  ist  nicht  ein  Ornament  am 
Bau  der  Gesellschaft,  sondern  den  Grundplan  derselben 
soll  sie  gestalten. 

Mitleid  mit  Tieren. 

§  465.  Eine  sehr  charakteristische  Legende  in  bezug  auf 
Rabbi  lesen  wir  Baba  mez.  84b  und  85 \  Dieser  vielseitig 
und  heilsam  wirkende  Mann  soll  viele  Jahre  leidend  ge- 
wesen sein,  als  Strafe  —  wie  leicht  hätte  die  Phantasie 
ein  Vergehen  des  zugleich  sehr  reichen  Mannes  gegen 
einen  Menschen  finden  können  —  nein!  als  Strafe  dafür, 
daß  er  einem  Kalbe,  das  zum  Schlachten  geführt  ward, 
sein  Mitleid  verweigerte;  dann  aber  wird  er  geheilt 
wiederum  als  Lohn  für  das  Mitleid,  das  er .  nutzlosen 
Tierchen  (einem  Wiesel)  gewährte. 

Im  ethischen  Ganzen  hat  auch  das  Naturgebilde 
seine  Stelle.  Die  Läuterung  und  Veredlung  des  sitt- 
lichen Willens  vollzieht  sich  auch  im  Verhalten  gegen 
die  Tiere. 

nmnn  n«  jtq  fp^  *6n  psi  nwrw)  mraen  uro  vb.   Bere- 

schit  r.  Par.  44  Nr.  1. 


12.  Capitel. 

Die  Schule  als  Mittelglied  zwischen  den  Einzelnen 
und  der  Gesellschaft. 

Hier  sind  zu  betrachten: 

A.  Der   Lehrer   als   Stellvertreter   des    Vaters   (der 
Idee  Gottes). 

B.  Der  Schüler  (sein  Verhalten  gegen  den  Lehrer  und 
deo  von  ihm  dargebotenen  Unterricht;  Zucht). 

1 '.  Die  Mitschüler  (Kameradschaft,  Wetteifer). 

Erziehung.     her  Lehrer. 

§  166.  „Ge  '>  n  moralische  Einseitigkeit  kann  nur  Ethik 
als  Wissenschaft  sicher  bewahren",  Bagl  I  trobisch.  Nur  dafi 
nichl  jedermann  wissenschaftliche  T&tigkeit  üben,  philo* 

ihisches  Nachdenken   aufwenden   kann:   allein   darauf 

•i,   dafi   der   Erfolg   der  wissenschaftlichen 

Ethik  iin  Unterricht  sich  geltend  macht.    D.i-  ethische 

tem  —  im  Gegensatz  zu  fluchtigen  and  abgerissenen 

gendlehren  —  kann  in  jedem  Katechismus  zur  Dar- 
-t'llung  gebrachl  und  sein  innerer  Zusammenhang  deut- 
lich hl   und    den    Kindern   ans   Ben  gelegt  werden. 


Verherrlichung  der  Schule  und  des  Unterrichts.  289 

Wenn  nur  der  wahre  Zusammenhang  der  ethischen  Grund- 
lehren, also  die  Ethik  als  Wissenschaft  im  Gemüte  des 
Lehrers  lebendig  geworden,  dann  strömt  sie  in  jede 
Stunde  des  Unterrichts  über.  Keiner,  auch  der  Prediger 
nicht,  bedarf  der  wissenschaftlichen  Ethik  so  sehr,  wie 
der  Lehrer. 

Weiter  kann  man  es  in  der  "Verherrlichung  der  Schule 
und  des  Schulmeisters  nicht  treiben,  als  R.  Acha  in 
seinem  Gespräch  mit  R.  Nachman  b.  Jizchak  Aboda  zar. 
3 b.  So  ist  es  wohl  halb  Ernst,  halb  Scherz,  halb  schlichte 
Legende,  für  die  Ohren  und  Herzen  des  Volkes  geeignet, 
halb  tiefsinnige  Allegorie  für  theosophisch  geartete 
Geister,  wenn  es  da  bei  dem  naiven  Bericht,  wie  der 
liebe  Herrgott  seine  Tageszeiten  auf  die  verschiedenen 
Verrichtungen  einteilt,  heißt:  ein  Viertel  des  Tages  sitzt 
Gott  und  unterrichtet  die  (vorzeitig  gestorbenen)  Schul- 
kinder."1 —  Wer  nun  einen  solchen  Ausspruch  nur  von 
außen  ansieht,  der  wird  die  Achsel  zucken  und  vorüber- 
gehen; wer  aber  dem  Spruch  und  seinem  Autor  ins  Herz 
sieht,  der  wird  sich  der  psychologischen  Tatsache  nicht 
verschließen  können,  daß  ein  solcher  Spruch  nur  aus  einem 
Geiste  stammen  kann,  in  welchem  bewußt  oder  unbewußt 
die  Ansicht  herrscht:  Göttlicher  Geist  ist  es,  der  in  der 
Schule  auch  der  lebendigen  Kinder  waltet;  göttliches 
Wirken  ist  es,  den  Menschen  aus  den  Banden  der  Natur- 
wüchsigkeit  zu   erlösen,    das    Kind   aus    der   Niederung 

i  Vergl.  S.  298. 

Lazarus.  Ethik  des   Judentums  II.  1" 


290  IV.   Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

des  bloßen  Naturdaseins  auf  die  Höhe  fortschreitender 
G-eistesentwicklung  dadurch  emporzuheben,  dal)  ihm  die 
Überlieferung  der  Jahrtausende  in  die  Seele  gelegt  wird. 

Blinder   milde   strafen!1    Geduld    im    Unterricht!3 
Lernen  und  Lehren. 

S  467.  I.  rnen  ist  Bchön,  lehren  ist  noch  schöner;  lernen 
ist  gut,  lehren  ist  noch  besser;  denn  heim  Lernen  lernt  man 
allein,  beim  Lehren  belehrt  man  Viele.  Das  aber  ist 
auch  die  Wonne  des  Alters  und  ein  Ersatz  für  Beine 
Gebrechen  und  Gebresten.  Dum  man  lernt  viel  mehr, 
und  man  lehrt  viel  be88(  r.  Man  lernt  mehr,  weil  man 
mehr  1  I  Irgane  zum  Aufnehmen  gewinnt;  jedes  alte 

Wissen  ist  ein  Rahmen,  um  Neues  hineinzufallen; 
je  mehr  einer  weiß,  desto  reicher  und  desto  tiefer 
dringend  ist  Bein  Einzulernen;   is1  doch  alle  gewonni 


i  Küb  tagte    tu  El  Samuel    bar  Schilalh:  Wenn   «In  ein    Kind 
schlägst,    bo  schlage   es    mu  mit  der  Schnur   der  Sandale.     Liest 
so  liest  es;   liest  es  nicht,  so  bleibe  es  dem  Mit -<h»'jior  an( 
ttsen      l ;  i  2 1  \ 

i  R    Akii  .i  hat      tagt:  Woher  entnehme  ich,  «Jjü  «'in  Menscfa 
verpflichte!  ist,  Beinern  Schüler  den  Unterrichts  ind  tu  wieder- 

en,  bis  er  ihn  denselbi  irthatl  Weil  es  heißt  (Deuter  81,1 

:  lehre  es  den  Kindern  Israel.44     Und  woher,  bis  es  in  ihrem 
Mun  i  ist?     Weil   es  heißl   (Dai  b  es  in   ihren 

Mund."    Und  woher,  daß  er  (der  Lehrer)  ihm  (dem  s^imier)  cm 
FreundÜ         Qesichl  (D'äD)  seigen    solll     Weil    es    (Ezod.  21,  I) 
Dl     „Dies   siimi   die  Rechtsvorschriften,   die  <iu  DH'iE1?  vor  bio 
-  ..st"     Elrubin 


Kinder  milde  bestrafen.    Geduld  im  Unterricht.  291 

Erkenntnis,  Einsicht  zugleich  Vorbereitung,  um  neue  zu 
erwerben. 

Man  lehrt  aber  auch  nicht  bloß  mehr,  sondern  besser; 
denn  man  hat  aus  eigener  Erfahrung  das  Bedürfnis  des 
Lernenden  immer  genauer  erkennen  gelernt.  Auch  eine 
beglückende  Wechselwirkung  vollzieht  sich  im  Innern 
des  Lehrers  selbst,  die  zu  einer  Steigerung  seines  Wesens 
führt.  Laß  man  durch  Lehren  lernt,  sagt  das  lateinische 
Sprichwort:  docendo  discimus,  und  der  Rabbi  hat  seine 
Erfahrung  ausgesprochen.  Taanith  7a:  E.  Chanina  hat 
gesagt:  Viel  habe  ich  von  meinen  Lehrern  gelernt,  mehr 
von  meinen  Genossen,  und  von  meinen  Schülern  mehr 
als  von  ihnen  allen.  Und  mit  Hilfe  des  Gelernten  lehrt 
man  wiederum. 

Aus  "lö^l  llM  folgt  auch  das  "D  "Möb6;  denn  vom 
Schüler  und  Jünger  fordert  man  naturgemäß  die  Bewäh- 
rung der  empfangenen  Lehre;  muß  man  nicht  auch  die 
dargebotenen  bewähren?  muß  man  nicht  auch  durch  das 
Beispiel  diese  Bewährung  lehren? 

Das  Detail  der  rabbinischen  Erziehungslehre  und 
Schuleinrichtung  ist  uns  nur  fragmentarisch  bekannt  und 
hat  auch  nur  historisches  Interesse.  Die  Prinzipien  aber 
sind  aus  einzelnen  Vorschriften  deutlich  zu  erkennen  und 
mögen  stellenweise  deshalb  unsere  Bewunderung  erregen, 
weil  sie  in  der  modernen  Pädagogik  erst  spät  ihre  An- 
erkennung gefunden.  So  z.  B.  daß  ein  Lehrer  in  seiner 
Klasse  nur  25  Schüler  haben  soll;  sind  deren  mehr,  so 

19* 


IV.    I1  Jittlichki 

müsse  ein  zweite]    Lehrer  angestellt  werden.1     Noch  vor 

nalter    und   stellenweise   auf  dem   Lande 

heute  noch  finden  wir  einklassige  Schulen  mit  (30  bis  80 

Kindern    Belbst    in    dein    volksschulberühmten    Preußen. 

Jede  Stadt  mußte   eine   Schule  hüben. 

J     •  Gramala  liat  sich  ein  Denkmal  gesetzt  b.  Baba 

batra  21  .     K*  ging   in  Palästina   etwa  wie  in  Deutsch- 
land   auch:    erst   hat   man  --  um    tue   \V  haft   dem 
dl    ihr    privaten  Tradition    und   Fortbildung    zu  ent- 
tien  —  Universitäten.    Hochschulen,    und    erst    zuletzt 
Volksschulen.     Das  hat  Josua  ben  GS-amla  getan.2 

1   Vergl.  ßaba    batr;i    21*.     H  aba    hat    gesagt:    Seit   der  Ver- 
ordnung «ies  Josua  ben  Gamla  bringt  man  nicht  ein  Kind  von  einer 
frieren  Sladl;  abei  em  Versammlungshaus 

in  e  m  Versammlungsbau     Schule  innerhalb  derselben  Sl 

Wenn  aber  ein  Strom  trennt,  bringt  man  sie  nicht; 

ist    eine    l  r<  tle    Brücke    vorban  len,   brii    I   man   sie;    ist  mir  ein 

malet    Balken    vorhanden,    bringt    man    sie   nicht     Fernei    bat 

gl:   I>ic  Zahl  der  Elementarschüler  dar!  fünfundzwanzig 

ler  bell  aber  fünfzig,   so  setzt  man  zwei  Lehrer 

ein.     Sind  es  vierzig,   so  setzt  man  em  Oberhaupt  des  Katheders 

eine  Art  Aufseher,  der  mit  den  Schülern  den  Vortrag  des 

derholL     1»  11. 

-'  Der  Bericht  lauli  N    aen  R  ibs:  Für- 

ge    zum    Guten    gedacht    werden!      Josua 

N  'ine.    Denn  ■  i  nicht  i  n,  bo  ■-■ 

die  in  Itrael   in  V  gekommen.     Früher  nämlich 

Wer  einen  N  iUe,  den  lehrte  der  Valer    l  bore; 

i   V  ii-T    i,  ille,    det    lernte    nicht   Thora.      Auf    wi 

l  -    heißt    i  Deuter.  II,  19) 
Dmat    !.--•:-,   und   ihr   sollt   sie   lehren",   d.  h.    DTM    smo^l,  ihr 


Eabbinische  Erzieliungslehre.  293 

In  neueren  Zeiten  überwiegt  die  Schule  in  dem  Maße, 
daß  viele  Eltern  nur  diese  als  das  eigentliche  Erziehungs- 
mittel ansehen  und  anderseits  die  Schule  (im  Gegensatz 
zu  früheren  bloßen  Lern-  oder  Wissensschulen)  danach 
trachtet.  Erziehungsschule  zu  sein. 

Innerhalb  des  Judentums  wurde  schon  in  alter  Zeit 
großes  Gewicht  auf  die  Schule  gelegt  (einiges  Historische 
auch  aus  späterer  Zeit  s.  bei  Güdemann  — ),  um  so  mehr, 
da  hier  auf  den  objektiven  Inhalt,  die  Thora.  als  erziehende 
Kraft  gerechnet  wurde.  Die  Schule  war  da  vor  allem 
ethisch-religiöse  Schule!  Aber  auch  den  Eltern,  nament- 
lich der  Mutter  wurde  hervorragender  Anteil  an  dem 
Werke  der  Erziehung  beigemessen.  Sota  21 a:  Die  Frauen 
empfangen  Lohn  dafür,  daß  sie  ihre  Kinder  Thora  und 
Mischna  lernen  lassen  und  ihrer  Männer  harren,  bis  sie 
aus  dem  Lehrhause  kommen. 


(Väter)  sollt  sie  lehren.  Dann  ordnete  man  an,  daß  man  Kinder- 
lehrer in  Jerusalem  einsetze.  Auf  welche  Schriftauslegung  stützte 
man  sich?  Es  heißt  (Jesaia  2,  3):  „Denn  von  Zion  wird  die 
Thora  ausgehen."  Aber  auch  dann  noch:  Wer  einen  Vater  hatle, 
den  brachte  dieser  hinauf  und  ließ  ihn  lernen;  wer  keinen  Vater 
hatte,  der  ging  nicht  hinauf  und  lernte  nicht.  Da  ordnete  man  an, 
daß  man  in  jedem  einzelnen  Bezirk  (Lehrer)  einsetze.  Man  brachte 
aber  nur  ungefähr  Sechzehnjährige  und  Siebzehnjährige  hin,  und 
wenn  einer  seinen  Lehrer  erzürnte,  stieß  dieser  ihn  von  sich,  so 
daß  er  fortging.  Nun  kam  aber  Josua  ben  Gamla  und  ordnete 
an,  daß  man  Kinderlehrer  in  jeder  einzelnen  größeren  und  kleineren 
Stadt  einsetze,  und  man  brachte  ungefähr  Sechsjährige  und  Sieben- 
jährige hin.     D.  H. 


JV.    Die  ßeatftltaxig  der  Sittlichkeit. 

Erziehung  und  Fortbildung. 

§  468.  Bis  in  die  letzte  Generation  hat  es  in  jeder  irgend- 
wie größeren  Gemeinde  eine  öffentliche  Bibliothek  (Bet  ha- 
Midrasch)  also  Bücher  und  Lesehalle  geueU-n.  Aber  Beil 
alten  Zeiten  schon  wurden  diese  zugleich  als  Bethäuser 
benutzt,  ein*  rs<  its,  weil  der  Lehrvortrag  zum  überwiegen- 
den Teil  des  Gottesdienstes  geworden  und  andererseits, 
damit  die  dem  Studium  obliegenden  Personen  nicht  den 
Ort  zu  wechseln  brauchten,  wenn  die  Zeit  des  Gebete- 
herangekommen  war.  Diesen  Hallen  des  Studiume 
wurde  auch  eine  größere  Weihe  zugeschrieben  als  den 
bloßen  Synagoge-Gebeträumen;  das  Stadium  galt  als  der 
höhere  Gottesdienst  Q  ned  "Ü  cmn1?  M31  rr1?  id«  s.  Be- 
:i.  8i.  Der  Heilige,  gebenedeiei  Bei  er!  hat  gesagt:  Wer 
Bich  mit  der  Thora  beschäftigt,  Werke  der  Liebe  übt  und 
mit  der  Gesamtheil  betet,  den  betrachte  ich  bo,  als  hätte 

mich  und  meine  Kinder  *on  den  Völkern  der  \\  eil  erlöst. 
—  Das  waren  die  jüdischen  drei  Einheiten  im  täglich 
abgespielten  Drama  des  geistigen  und  religiösen  Lehms. 

EU    b  Lakisch  hat  gesagt:  Wer  ein  Bethaus  in  seiner 

1t    hat    und   gehl    nicht    hin. in,    um   daselbst    zu   beten, 

der    wird    ein    böser   Nachbai    genannt  b.  -lerem.  12.14. 
I    oicht   nur   das.   er   verursacht   auch,   daß   er  und 
Beine  Kinder  verbannt  werden. 

Im  Gebet  wendet  Kid,  der  Mensch  zu  Gott,  im  Studium 
kommt  göttliche  Lehre  zum  Menschen.  Vgl.  Zunz.  Synag. 
P  ••-  • .  l    Kap.  Psalmist  und  Prophet. 


Unterricht.    Studium.  296 

Die  Pflicht  einer  jeden  Gemeinde  ist  es,  mindestens 
eben  so  sehr  wie  für  den  Gottesdienst  auch  für  die  Pflege 
von  Wissenschaft  und  Bildung  eine  Stätte  zu  haben.  Und 
daß  es  sich  nicht  bloß  um  Religionslehre  im  engeren 
Sinne,  sondern  um  Wissen  im  weiteren,  z.  B.  um  Medizin 
handelte,  das  ergibt  sich  deutlich  aus  Schabb.  82 a.  R.  Hu- 
na  ermuntert  seinen  Sohn  Rabba,  die  Vorträge  des 
R.  Chisda  zu  hören;  auf  dessen  Einwand,  daß  R.  Chisda 
ja  nur  weltliche  Dinge  vortrage,  nämlich  hygienische  Vor- 
schriften, erwidert  der  Vater:  Das  nennst  du  nur  welt- 
liche Dinge?  Erst  recht,  p»  ^3,  mußt  du  deshalb  seine  Vor- 
träge hören, 

Unterricht.     Studium. 

§  469.  Reicht  das  Vermögen  nicht  hin,  um  Vater  und  Sohn 
zugleich  die  Muße  zum  Studium  zu  gewähren,  dann  soll, 
wenn  der  Sohn  tüchtig  und  scharfsinnig  sich  zeigt,  der 
Vater  verzichten  und  den  Sohn  studieren  lassen.  S.  Kidd. 
29b.  Unterricht,  dem  Kinde  des  Freundes  erteilt,  führt  zur 
höchsten  Beseligung;  dem  Kinde  aus  ungebildeter,  sitten- 
roher Familie  erteilt,  führt  eine  Wendung  des  Schicksals 
herbei.     S.  Baba  mez.  85 a. 

Die  Mitglieder  des  Synhedriums  mußten  wenigstens  drei 
Sprachen  beherrschen,  vermutlich  griechisch,  lateinisch  und 
hebräisch  neben  der  aramäischen  Volks-  und  Haussprache. 

Das  Festhalten  der  Bildung  (min)  durch  drei 
Geschlechter  bietet  eine  Gewähr  für  alle  folgende 
Zeiten.     Das. 


IV.    I>  .  Bittlichki 

Wert   des    Wisssens   und    Winde    des    Lehrer-. 

•  7".  „Der  Lehrer  ist  der  Schöpfer  des  Zöglings." 
..her  Weise  geht  vor  den  König;  statt  einen  König  kann 
man  einen  anderen  wühlen:  der  Weise  aber  geht  nicht 
ans  der  Wahl  hervor."     8.  T  seftha  Horajoth  Per.  2. 

IV.  v.  24,  :>fi".  Wissen  gibt  Sicherheit.  Wissen  ist  Reich- 
tum, Wissen  ist  Macht.  Audi  im  Kriege  wird  der  Sie:,' 
durch  klugen  Hat  bereitet.  Das.  24,14:  „Erwähle  Weis- 
heit für  deine  S<  i  hast  du  sie  gefunden,  dein  ist  die 
Zukunft  und  deine   Boffnung  trügt  nimmer." 

I;.    rln  des  feinsten  Anstands  des  Schülers  gegen  den 

nicht    rechts    von    diesem    gehen,    Dicht    den 

km.  sondern  das  Profil  ihm  zukehren  beim  Abgehen) 

•den  von  den  üabbinen  gelehrt    S.  Joma  37    und  6 

Der  Gelehrte  boII  sich  nicht  absondern!  (-"11  nicht  Btolz 

A.uch    der  Schüler   hat   Einfluß   auf  d<-\\   Lehrer I 

Ebenso  i\>'v  G-eringere  auf  dm  Größeren!  Siehe  das  B    - 

•Jj    ''uns  von  Migdal  Gedur  Taan.  20 

1   I1  ■    lautet     l.s   im-   >*'.  ii   /u,   daß   K.   l  leazar   bar  Et 

-     eoo"   ■■       '•'   ■  ur    ins  dem  Hause  seines  Lehrers  kam 

icl   ml  und   sich   am  I        einei  Stromes  erging 

urvl  sehr  fi  '.v.ir  un  a  Sinnes,  weil  <t  viel  Thora  ge- 

t  halte.     Es  ihm  ab«  i  •  in  Mann,  der 

ich  tu  ilitn    I    ••  le  dir,  Rabbi!    I  t  al  er  erwiderte 

n    Fried«  sprach   zu   ihm:    Wicht,   wie 

esei  Mannt    Sind  vielleicht  alle  Bewohner  demer 

h  w ie  'in.'    i  i   sprach  zu  ihm    Ich  i  nicht; 

l   ban   K     Ki*»n»r 


Der  Geist  des'Lehrers  lebt  in  seinem  Schüler.  297 

Der  Geist    des  Lehrers    lebt    in   seinem  Schüler. 

§  471.  Es  ist  gewiß  nicht  erlaubt,  die  rationalistische 
Uradeutung  vorzunehmen,  daß  Sin  D^IJJ  im  Gegensatz  zu 
ntn  D^iy,  der  so  oft  vorkommt,  die  künftige  Zeit  hienieden 
bezeichnet,  wenn  dies  auch  oft  einen  guten  Sinn  im  Zu- 
sammenhang gibt.  Dagegen  treffen  wir  ausdrücklich 
auf  den  Gedanken,  daß  ein  zwiefaches  Leben  des  Geistes, 


aber  geh  und  sprich  zu  dem  Meister,  der  mich  gemacht  hat:  Wie 
häßlich  ist  doch  dieses  Gerät,  das  du  gemacht  hast!  Da  er  nun 
selbst  einsah,  daß  er  gesündigt  hatte,  stieg  er  vom  Esel  herab, 
warf  sich  vor  ihm  hin  und  sprach  zu  ihm:  Ich  habe  ungebührlich 
zu  dir  geredet*,  vergib  mir!  Dieser  aber  sprach:  Ich  vergebe  dir 
nicht,  bevor  du  zu  dem  Meister,  der  mich  gemacht  hat,  gehst  und 
zu  ihm  sprichst:  Wie  häßlich  ist  doch  dieses  Gerät,  das  du  ge- 
macht hast!  Er  (R.  Eleazar)  ging  nun  hinter  ihm  (jenem  häßlichen 
Manne)  her,  bis  er  zu  seiner  Stadt  kam.  Die  Bewohner  seiner 
Stadt  waren  ihm  entgegen  gegangen  und  sprachen  zu  ihm:  Friede 
dir,  Rabbi,  Rabbi,  Meisler,  Meister!  Er  (der  häßliche  Mann)  sprach: 
Wen  nennt  ihr  Rabbi,  Rabbi?  Sie  sprachen  zu  ihm:  Den.  der 
hinter  dir  cinhergeht.  Da  sprach  er:  Wenn  der  ein  Rabbi  ist,  so 
sollen  seinesgleichen  nicht  viele  in  Israel  sein!  Sie  sprachen  zu 
ihm:  Weshalb?  Er  sprach  zu  ihnen:  So  und  so  hat  er  mir  getan. 
Da  sprachen  sie  zu  ihm:  Gleichwohl  vergib  ihm,  denn  er  ist  ein 
Mann,  groß  in  der  Thora.  Er  sprach  zu  ihnen:  Um  euretwillen 
vergebe  ich  ihm;  jedoch  soll  er  nicht  öfter  also  tun.  Sofort  ging 
R.  Eleazar,  Sohn  des  Simeon,  ins  Lehrhaus  und  lehrte:  Stets  sei 
der  Mensch  weich  wie  das  Rohr,  nicht  aber  hart  wie  die 
Zeder.  ■ —  Und  deshalb  wird  das  Rohr  für  wichtig  erachtet,  daß 
man  davon  das  Schreibrohr  nehme,  um  damit  das  Buch  der  Thora, 
Tefillin  und  Mezuzoth  zu  schreiben.     D.  H. 

*  Siehe  Berachoth  28  a,  Baschi  e.  v.  »fr:*:. 


298  IV     Die  '..«staltunfi;  der  Sittliclik.it. 

eine  zweite  Welt  der  Seele  sich  darin  nianifesti.it,  dali 
die  geistigen  Inhalte  von  ihrem  Urheber  in  der  empfan- 
genden Seele  des  düngors  fortleben.  S.  Bechoroth  31  b: 
R.  Jochanan  hat  im  Mamen  des  EL  Simeon  hen  Jochai 
gesagt:  Die  Lippen  des  Gelehrten,  aus  dessen  Mim  de 
man  eine  Tradition  in  dieser  Welt  sagt,  bewegen  sich 
im  Grabe.     R.  Jizchak  beweist  es  ans  Taut.  7,  10. 

Niemals    ist  der   Schule   und    dem    Schule  r    eine 

herzlichere  Huldigung  dargebracht  worden,  als  in  der 
formal  so  naiven  und  sachlich  so  tiefsinnigen  Allegorie, 
daß  der  liebe  Gott  in  seinen  freien  Mußestunden  sitzt 
and  die  Seelen  der  als  Kinder  Gestorbenen  unterrichtet1 
—  Damit  wird  zugleich  die  Lösung  eines  Problems  an- 
.   welches   sich   aus   «lern  vorzeitigen  Tode  noch 

ntwickelter    Kinder    ergibt,    indem    •■ine    Fortbildung 

im  Jei  mmen  wird  und  Gott  Belbsl  die  Seelen 

von   ihrer  geistigen    Armut  erlöst 

i  VergL  8.  289. 


13.  Capital. 

Die  Gesellschaft. 

A.  Die  Gesellschaft  überhaupt. 
ß.  Der  Nächste  (Nebenmensch). 

C.  Geselliger  Verkehr.  Höflichkeit  bis  zur  Freund- 
schaft. Maß  und  Kraft  der  Beziehungen.  (Die 
rabbinisch  beliebten  Abstufungen  zur  Sicherung  des 
allgemeinen  Erfolges.) 

D.  Geschäftlicher  Verkehr.  Stand.  Beruf.  Ver- 
tragstreue und  Worthalten.  (Treu  und  Glauben. 
]0«i  nn)     Der  Eid.     Verschwiegenheit. 

E.  Gemeinschaft  des  Wirkens  und  Gemeinsamkeit  des 
Schicksals.     (Einer  für  Alle   und  Alle   für  Einen). 

Der  Nebenmensch.     Gegenseitiger  Verkehr. 
Zusammenschluß.     Wohlwollen.     Liebe. 

A.  Die  Gesellschaft  überhaupt. 

§  472.  Das  Maß  von  Freiheit  und  ethischer  Bedeutung 

des  Individuums  ist  größer  geworden,  damit  allerdings  auch 

die  Gefahren,  die  isolierenden  Bestrebungen,  denen  aber 

der  Trieb  zur  Gemeinsamkeit  der  Interessen  die  Wage  hält. 


300  iv     D  dtung  der  Bittlichkeit 

Allerlei  Steigerung  von  Licht  und  Schattet]  -  Ent- 
deckungen und  Trug  —  Pfahlbauten,  phönizische  and 
syrische  [nschriften.  Handschriften  nachgemachi  usw. 
Offenkundigkeit    -  und  Eteklamewesen. 

Sittlich-unsittlich;  guter  und  böser  Wille,  immer  wieder- 
kehrend; aber  der  eigentliche  Fortschritt  besteht  in  der 
SchOpfung  und  Erweiterung  der  ethischen  Sphäre,  in  der 
ein  Mensch  lebt 

Die  Teilnahme  an  all  gerne  inen  ethischen  Bestrebungen. 

Schaffung   einer   ethischen    Gesamtheit;    im   „Priester- 

he  und  heiligen  Volke"1  —  im  „Reich  Gottes";  aber 

in  den  meisten  Köpfen  und  Herzen  fallen  di<  je  Gedanken 

immer  wieder  herab  zu  den  bloßen  Idealen  des  Einzellebens. 

Der  gro  ■  Vorzug  dieses  idealen  Einzellebens  besteht 
in  der  Ti<  e,  Reinheit,  [nnigkeit  der  Gesinnung;  aber 
verwende!  muß  diese  G<   innung  •  ,  ihr  den  Gedanken 

der    ethischen    Gesamtheit      Dieser   Gedanke    muß 
all'  nwärtig  werden.    Selbst  in  der  [nt(  n  -  enpolitik, 

den  Standeskämpfen  usw.  ist  der  Vorzug,  das  Individuum 
höher  zu  heben.  Es  ist  falsch  zu  Bagen:  Schließlich 
kommt  alles  auf  die  Einzelnen  hinaus;  der  Bau  bestehl  aus 
einzeh  Qu  ern,  der  Garten  aus  einzelnen  Pflanzen 
r  nur  da  e  macht   den  großen  Bindruck, 

1 1 1  i a n heu.  das  Zi<  1. 

In  der  ökonomischen  Seite       welche  Behr  real  ist, 

lig   Trennende,    kotierende;    man    wird   die 
"    Exod    LS 


Die  Gesellschaft.  301 

Menschen  nicht  dahin  bringen,  Geld  zu  erwerben  behufs 
Mehrung  des  Nationalvermögens;  aber  gegen  Wissen  und 
Wollen  vollzieht  sich  der  Gewinn  und  das  Wohl  des  All- 
gemeinen. Dagegen  auf  ethischem  Gebiet  ist  es  möglich, 
den  Menschen  zu  zeigen,  daß  für  sich  allein  sittlich  sein 
wollen  schon  unsittlich  ist.1 

Der  Genuß  geht  auf  den  Einzelnen,  in  ihm  auf  den 
Moment.  Dagegen  schon  eine  schöne  Wohnung,  Ein- 
richtung geht  auf  die  Dauer;  ebenso  gehen  öffentliche 
Gebäude,  Straßen,  Plätze  auf  die  Gesamtheit;  Vergnügen 
auf  den  Einzelnen,  Volksfest  auf  die  Gesamtheit. 

Es  besteht  ein  fortwährender  Antagonismus  zwischen 
dem  Individuum  und  der  Gesamtheit  im  Streben  und 
Wirken  und  Genießen. 

Ideal  ist  nicht  der  einzelne  Zug,  sondern  der  ganze 
Mensch2:  Fühlen,  Denken,  Wollen;  dem  Endlichen  und 
Unendlichen,  Natur  und  Geist  zugewendet;  nicht  der 
Moment,  sondern  das  ganze  Leben;  der  Charak- 
ter ist  der  ganze  Mensch  fürs  ganze  Leben. 


1  Vergl.  Abolh  V,  16.  Vier  Sinnesarten  unterscheidet  man  bei 
denen,  die  Gaben  spenden  (npns  'iniaa).  Wer  selbst  geben  will, 
aber  will,  daß  andere  nicht  geben,  der  ist  mißgünstig  gegen  die 
anderen  usw.     D.  H. 

2  Daher  lautet  die  Bitte,  welche  nach  der  Übung  eines  einzelnen 
Gebotes  gesprochen  wird :  Es  sei  dein  Wille,  Ewiger,  unser  Gott,  und 
Gott  unserer  Väter!  die  Übung  dieses  Gebotes  so  zu  achten,  als  halte 
ich  es  in  allen  Einzelheiten,  Feinheilen  und  Absichten  erfüllt,  ynni 
m  n^nn  rmxo,  und  (zugleich)  die  613  Gebote,  die  damit  zusammen- 
hängen. 


309  IV.   Die  Gestaltung  der  Sittlich*    I 

■it  der  E  i  :elne    3t's,  sondern  die  Gesamtheit;  nicht 
die  Gegenwart,  sondern  die  Geschichte;  nicht  'Irr  ein/.- 

lanki    des  Einzelnen,  sondern  die  Idee,   aus  welcher 
alle  Gedauken  kommen. 

Die  Wohlfahrt  führt  immer  wieder  zum  Individuum, 
die  Sittlichkeit  zum   Allgemeinen. 

Der  Einzelne  ist  Ursache  in  seinem  Beruf-debeu,  aber 
die  "Wirkung  für  andere;  der  Lehrer  und  seine  Schüler, 
der  Fabrikant  und  der  Käufer,  der  Landwirt  und  das 
Brut  usw. 

Aber  der  Einzelne    Boll   nie  vergessen,  dato  er  selbst 
mit  seiner  Kraft  und  Wirksamkeit)  zugleich  Wirkung 
der  andern,  das  Erzeugnis  und  der  Erzeuger  und  Erzieher 
der  Gesamtheit  samt  ihrer  Kultur  ist.  — 

Der  Einzeln.'  ergreift  nur  den  Beruf.  Die  Gesoll- 
schaft  ist  nicht  wahre  lebendige  Gesellschaft  ohne  das 
verbinden  Schon  die  öffentlichen  Objekte  and 

Institutionen:  Etathaus,  Schule,  Gericht,  Kirche  -teilen 
dar,  was  die  Einzelnen  nicht  schaffen,  auch  für  die  Ein- 
zelnen nicht  bestimmt  ist,  l  samtheit  als  I  r- 
md  Wirkung,  als  Mittel  und  ZieL  Aber  der  ein- 
heitlich!  I          in  allem   Tun  soll  als  sittlich«    Ldee  zu 

d    kommen   and    in   sittlicher  Gesinnung  se 
Triebkraft  finden. 

inzip.  Nichl  bloß  obgleich,  Bond<  rn  weil  der 
i,  lee  die  ethische  Zusammenschließung  ist,  iRt 

die  Bedeutung  j<  L<     Einzelnen  una  jeder  einzelnen  Hand 


Der  Einzelne  und  die  Zusammenschließung.  303 

lung  im  Judentum  so  groß  gefaßt.  Sota  3b  heißt  es:  ßab 
Chisda  hat  gesagt:  Bevor  die  Israeliten  gesündigt  hatten, 
ruhte  die  Schechina  auf  jedem  Einzelnen,  wie  es  heißt 
Deut.  23, 15:  „Denn  der  Ewige,  dein  Gott,  wandelt  in  der 
Mitte  deines  Lagers";  als  sie  aber  gesündigt  hatten,  ent- 
zog sich  ihnen  die  Schechina,  wie  es  heißt  (das.):  „Und 
er  soll  nicht  sehen  an  dir  etwas  Schandbares,  und  er 
wird  sich  von  dir  abwenden." 

Je  wertvoller  der  Sichzusammenschließende  ist,  desto 
wertvoller  ist  der  Zusammenschluß.  —  An  jedes  Einzelnen 
und  jedem  einzelnen  Tun  hängt  der  Wert  der  Zusammen- 
geschlossenen. 

Es  gilt  die  Gemeinschaft  der  Guten  zu  suchen.  Eabbi 
Eliezer,  Sohn  Joses,  des  Galiläers,  will,  daß  man  seine 
Reise  um  drei  Tage  aufschiebe  oder  verschiebe,  um  in  Ge- 
sellschaft eines  Edlen  zu  reisen.    S.  Toseftha.  Schabb.  18. l 


1  R.  Eliezer,  Sohn  Joses,  des  Galiläers,  sagt:  Siehst  du,  daß 
ein  Frommer  eine  Reise  zu  machen  im  Regriff  ist,  und  du  wirst 
dieselbe  Reise  machen,  so  mache  seinetwegen  die  Reise  drei  Tage 
vorher  oder  mache  sie  seinetwegen  drei  Tage  nachher,  damit  du 
mit  ihm  zusammen  die  Reise  machst,  weil  die  Dienstengel  ihn  be- 
gleiten. Denn  es  heißt  (Psalm  91,  11):  „Denn  seine  Engel  ent- 
bietet er  dir,  dich  zu  behüten  auf  allen  deinen  Wegen."  Wenn 
du  aber  siehst,  daß  ein  Frevler  eine  Reise  zu  machen  im  Begriff 
ist,  und  du  willst  dieselbe  Reise  machen,  so  mache  seinetwegen 
die  Reise  drei  Tage  vorher,  oder  mache  sie  seinetwegen  drei  Tage 
nachher,  damit  du  mit  ihm  die  Reise  nicht  zusammen  machst,  weil 
die  Satansengel  ihn  begleiten.  Denn  es  heißt  (Psalm  109,  6): 
„Bestelle  über  ihn  einen  Frevler,  so  daß  der  Satan  zu  seiner 
Rechten  steht." 


iv.   D  iltung  der  Sittlichkeit. 

SelbstTervollkommnung  ist  nur  Mittel,  Methode;  Zweck 
ist  die  sittliche  geistige  Einheit. 

Selbstvervollkommnung  heißt  nur  strebsames,  wil- 
es  und  fähiges  Glied  der  Gesamtheit  sein. 

Eid  vollkommener  Jade,  ein  vollkommener  Bürger,  ein 
vollkommener  Mensch,  überall  ist  es  der  Gesamtcha- 
rakter, der  zur  Erscheinung  kommen  soll. 

Gemeinschaft,  auch  mit  den  Unteren,  ist  nötig. 
Trauben  und  Blätter.     Chullin  92n|. 

Notwendigkeit   der  Individualität. 

§  171.  Individuen,  Individualitäten  Bind  notwendig 
für  jede  höhere  Kultur.  S.  Berach.  58».  Wer  die 
Scharen  der  [sraeliten  sieht,  spreche:  Gepriesen  sei,  der 
der  Geheimnisse  kundig  ist.  denn  weder  der  Sinn  noch 
das  Gesicht  des  einen  ist  dem  des  andern  ähnlich! 

J<  le  [ndividualität  wächst  aus  der  Gesamtheit, 
zu    de]  gehört,    das    [ndividuelle    aus    dem    Allge- 

meinen, das  in  ihm  ist.  heraus.  Die  Individualität 
abart  sieh  nicht  bloß,  Bie  besteht  in  ihren  Beziehungen 
zu  anderen,  zur  Gesell  E    sn  Menschen  von  Beiner 

1  I;  .  i .  Lakisch  hat  Volk  gleicht  dem  Wein- 

Die  Hei  n  i  nd     •■  Hausväter;  die  Trauben  daran  i 

die  Junger  der  Weisen,  di<  die  I  n  wissenden;  die 

■  Uran  lind  die  Leeren  (nllcr  Zucht  und  Sitte  Baren) 
in  Israel.     Urv:      -    it's,  warum  sie  von  dort  (von  Pa  islina 
Bi  "ii  haben:  Dm  Barmherzigkeit  sollen  die  Trauben 

f'ir  die  en,  denn  wären  nicht  Blätter,  so  wären  auch  nicht 

Bammidb.  30,  1  2. 


Das  Wohlwollen  zur  Gestaltung  der  sittl.  Gesellschaft.      305 

Umgebung,  von  seinen  realen  und  idealen  Beziehungen 
trennen,  heißt,  ihn  von  ihm  selber  trennen.  Ein  Indivi- 
duum, eine  Persönlichkeit  für  sich  allein,  ist  eine  bloße 
Abstraktion,  genauer  gedacht,  eine  bloße  Fiktion. 

Schon  was  der  Mensch  ist,  ist  er  nur  aus  einer  Ge- 
samtheit heraus  geworden,  und  was  er  sein  soll,  kann  er 
nur  in  lebendiger;  aktiver  Beziehung  zur  Gesellschaft  sein. 

Der  natürliche  Egoismus  soll  zugunsten  anderer,  der 
Gesamtheit,  eingedämmt,  der  Individualismus  soll  zugun- 
sten des  Allgemeinen,  der  Idee,  überwunden  werden;  bei- 
des geschieht  durch  das  Gesetz. 

Das  Gesetz  ist  seinem  Wesen  nach  allgemein,  es  ist 
für  alle;  für  jeden  aber  ist  es  zugleich  die  wichtigste 
Quelle,  das  stärkste  Band  zur  Schöpfung  der  Gesamt- 
heit. Durch  die  Unterwerfung  unter  das  Gesetz,  dem 
auch  alle  anderen  zu  dienen  haben,  wird  jeder  einzelne 
zum  Gliede  der  Gesamtheit  (wie  durch  den  Gehorsam 
gegen  den  Kommandeur  aus  einzelnen  Soldaten  ein  ge- 
schlossenes Heer  wird!) 

§  475.  Vom  Wohlwollen  muß  hier  in  diesem  Zusammen- 
hang noch  einmal  die  Rede  sein,  nicht  indem  es  zu  den 
sittlichen  Pflichten,  oder  zum  sittlichen  Charakter  gehört, 
sondern  indem  es  zur  Gestaltung  der  sittlichen  Gesell- 
schaft überhaupt  beiträgt.  Der  bloße  Bestand  der  Gesell- 
schaft ist  sehr  vom  AVohlwollen  abhängig,  vollends  die 
Erhaltung  eines  gewissen  Maßes  von  Gleichheit  unter  den 
Menschen,  ohne  welches  eine  innere  Einheit  unmöglich  ist. 


La/,  uru8,  btbik  des  Judentunja  1*. 


20 


306  iv.   l'  ->  Bittüchkait. 

E  i  muß  oach  der  Forderung  sittlicher  Gestaltung 
der  Gesellschaft  die  völlige  Verarmung  eines  Teiles  der- 
selben, die  Aufhebung  der  äußeren  und  damit  Gefahr- 
dung der  inneren  Freiheit  unmöglich  gemacht  werden. 
Daa  Gesetz  hatte  deshalb,  weil  Freiheit  eine  sozialethische 
Bi  Lingung  des  Guten  ist,  Vorkehrungen  en  völlige 
und  dauernde  Verarmung  getroffen. 

In  bezug  auf  die  entsprechende  jüdisch«  tzgebung 

sagt  Döllinger  S.  786:    „Keine  Gesetzgebung   des  Alt 
tums    hatte   s«»   trefflich    L'-"_r'-n   die    Verarmung   «ines 
Teiles   der  Nation,    gegen   die   Entstehung   eines  Prole- 
als  die  hebräische.     Eigentliche  Bettler 
urab   es  in  .ludäa  wohl   nicht;  die   hebräische  Sprache  hat 

:•  kein   Wort  für  den   Bettel  nsw.u 

Besitz. 

S   176.     Wir  haben  in  der  Ethik  des  Judentums  swei 

entum  zu  Bcheiden,  den  juri  tischen  and  den 

moralischen  "der  moralisch-religiösen.  Auch  der  juristische 

Begriff  ruht  aui  ••mein  moralischen  und  einem  religiösen 

u    weil    es  sich   um  dauerndes,   also 

um  Grundeigentum    handelt,     a)  Moralisch   auf  den  Be- 

:)'  der  Kamill--  (und  d<  E  .  -'11111111  isl  da 

nicht  |  Ibergi  bend.  b)  Religiös,  auch  die 

]•'  tmilie  hat  d      Big«  ntum  nur  als  <  totteslehen. 

Dei  de>   Eigentums    ist    immer   nur  der  rar 

V  .  pi  der  Familie. 


Niemand  besitzt  etwas  als  Individuum.  307 

§  477.     Niemand  besitzt   etwas    als    Individuum.  — 
Die  physische  und  juridische  Macht  über   den  Besitz 
und   die  ethische  Befugnis  der  Verwendung  decken  sich 
nicht. l 

Ansichreilien  des  Grundbesitzes,  übermäßige  Aus- 
dehnung in  einer  Hand  hat  die  Zerstörung  des  Staates 
herbeigeführt.     S.  Pesikta  rabbathi  P.  24. 

nxw  nom  piosn  ty  i-üjw  ly  ans»  tow  bi  xb&  wso 

IMtttl  0712  l^m.  Wir  linden,  daß  die  Israeliten  erst  aus 
ihrem  Lande  vertrieben  wurden,  als  sie  den  Schriftvers 
(Micha  2,2)  übertraten:  „Und  sie  gelüsteten  nach  Feldern 
und  raubten,  nach  Häusern  und  trugen  sie  fort." 

Ein  ökonomisches  System  zu  entwerfen,  welches  allen 
ethischen  Forderungen  gerecht  wird,  ist  nicht  Sache  der 
ethischen  Wissenschaft.  ISur  von  der  sittlichen  Gesin- 
nung, von  den  ethischen  Ideen,  welche  im  System  walten 
und  realisiert  werden  sollen,  hat  sie  zu  reden. 

Die  Thora  freilich,  welche  die  Ordnung  des  gesamten 
Volkslebens  zum  Ziele  hatte,  bietet  uns  auch  ein  ökono- 
misches System,  nach  welchem  Besitz  und  Genuß,  Arbeit 
und  Erfolg  geregelt  sein  sollte.  Es  ist  ein  kühner  Ver- 
such, voll  erstaunlichster  Weisheit!  Gegen  Verarmung, 
gegen  die   dauernde  und  allzu  tief  einschneidende  Ver- 


1  Aboth  II F,  20.  Alles  ist  als  ein  Unterpfand  gegeben  (es  ist 
Eigentum  Gottes).  Das.  8.  Gib  ihm  von  dem  Seinen;  denn  du  und 
das  Deine  seid  sein.  So  heißt  es  bei  David  (1  Chr.  29,  14):  „Denn 
von  dir  ist  alles,  und  aus  deiner  Hand  geben  wir  dir." 

20* 


IV.    Di  i   Sittlichkeit. 

m  S  liicksal  der  Menschen  war  er  zumeist 

Nur  auf  den  Grundzug  ist   hier  hinzuweisen.     Das  in 
Familien  geteilte  Volk  Bollte  das  in  Axker  geteilte  Land 
ritzen.     Eine  durch  Krankheit,   Mißwachs,   Leichtsinn 
usw.   in  N  Familie  konnte  ihren  Acker  ver- 

kaufen; dadurch  könnt  vor  augenblicklicher  Not  -ich 

Durch    den    Verkauf   aher   wäre    sie    nun    zur 
immerwährenden  Besitzlosigkeil  herabgedrückt,  Bie  wäre 
eme   für   immer   enterbte  Familie   geworden,   sich  selbst 
i  Eilend,  der  Gesellschaft  zur  Last.    Dieser  dauernden 
der  augenblicklichen  Nol  Bollte  gesteuert  werden. 
ESa  gab   k<  inen  wirklichen  Verkauf,  keinen  Verkauf  auf 
Z  iten;   vielmehr  bei   der  Wiederkehr  dea  Jobel- 
jahrea   kehrte  jedi     Grundstück1    in   das  Eigentum  der 
zurück,    die   es   verkauf!    hatte;   Kaut   wai   nur 
Pacht    Damit  war  du-  dam         e  Verarmung  einer  Fa- 
milie verhütet    S.  Deut  L6    I.    :zv  und  MBUD0  Bind  Ab« 
rzung  der  Not,  Durchschneidung  derselben  durch  den 
Einschnitt   der  Jahre  dir  Freiheit.     ~en       Ziel.  Zweck! 
l>.i-  isl  der  Zweck,  es  boII  d  }V3H  keinen  hoffnungslos 

1  n  i   Jobel  hat  die  Wunden  gehi 

ichheiten  ausgeebnet    Freilich  können  dies«  und 

•i  notwendig  wieder  erscheinen:  Gesundhi  il  o  li  i 

Krankheit  i    M    wachs,    Fleiß  oder  T> 

t,  Strengt  r    I.  an    werden   Wohlstand   oder 

Vera  hü  m  Hausgrundttöck.    8.  Levit  25. 


Auf  Recht  und  Liebe  ist  die  Gesellschaft  zu  gründen.       309 

Elend  erzeugen.  Darum  Deut.  15.  11:  mpö  p^N  'nrp  N1?  O 
pKH.  Weil  nun  Elend  immer  wieder  einkehren  kann, 
wird  Wohltätigkeit  gefordert! l 

§  478.  Auf  Recht  und  Liebe  ist  die  Gesellschaft  zu 
gründen. 

Liebe  ohne  Gerechtigkeit  ist  ein  Palast  ohne  Funda- 
ment; schön  aber  unsicher. 

Lieblosigkeit  führt  zu  allen  Arten  des  Unrechts.  S.  Sifre 
Debarim  Pisk.  187.  „Wenn  ein  Mann  seines  Nächsten 
Feind  ist  und  ihm  auflauert"  (Deuter.  19, 11).  Von  hier 
haben  die  Weisen  gesagt:  Hat  einer  ein  leichtes  Gebot 
übertreten,  so  wird  er  zuletzt  (auch)  ein  wichtiges  Gebot 
übertreten.  Hat  er  übertreten:  „Du  sollst  deinen  Näch- 
sten lieben  wie  dich  selbst"  (Lev.  19,  8),  so  wird  er  zu- 
letzt übertreten:  „Du  sollst  deinen  Bruder  nicht  in  deinem 
Herzen  hassen"  (das.  V.  17).  und:  „Du  sollst  dich  nicht 
rächen  und  du  sollst  nicht  Haß  hüten"  (das.  V.  18)  und 
zuletzt  auch:  „Nicht  sollst  du  von  ihm  nehmen  Zins 
auf  Geld  und  Zins  auf  Getreide,  sondern  fürchte  dich 
vor  deinem  Gotte,  damit  dein  Bruder  neben  dir  lebe" 
(das.  25,  36),  bis  es  zum  Blutvergießen  kommt.  Deshalb 
heißt  es:  „Wenn  ein  Mann  seines  Nächsten  Feind  ist"  usw. 

Die  Selbstsucht  entfesselt  jede  Leidenschaft,  sobald  sich 
die  Gelegenheit  für   sie   findet;   und  wann  fänden  Neid, 


1  Der  oft  bemerkte  und  bemängelte  "Widerspruch  ist  keiner:  einen 
dauernd  hoffnungslos  Armen  soll  es  nicht  geben;  aber  augenblick- 
lich Bedürftige  wird  es  geben,  für  welche  auch  gesorgt  werden  soll. 


IV.    D  dtnng  der  Bittlichkeife 

acht,    Mißgunst,  Streitsucht  usw.   nicht    Gelegen- 
heit? 

B   Der  N ebenmensch.    Liebe  als  Grund gesinnnng. 
179.     Auch   denjenigen,   den   man  wegen  Beinea  l  d- 
recl  lenmußte,  soll  man  durch  nicht  Dachlassende 

Liebe  wieder  zu  gewinnen  suchen.  8  Mechiltha,  Äjnalek 
zu  Exod.  18,6:  „Wenn  <lie  Hechte  ihn  verstößt,  ^oll  die 
Linke  ihn  wieder  heranziehen." 

Psychologisch  fein  und  ethisch  tief  ist  die  Bemerkung 
T    i    id    Schabb.  32b:  „Haß  nach  aul'.en  lnin^t  Hader 
Dach   innen!-1 

Und  eben  so  fein  ist  die  Forschrift  Baba  mez.  32b: 
..  \\  tit  u  der  leichtere  Liebesdienst  (p'ir1?  abzuladen)  dem 
Freunde,  der  rere  aber  i PJJÖ7  aufzuladen  dem  Feinde 

zu  leisten  ist  ;eht   die  Pflicht   gegen  den  Feind  vor. 

um    den    natürlichen  Trieb  durch   die  Pflicht   zu  beu 
(zu   überwinden)."     Deshalb   wird   muh  die  Maxime  der 
Auswahl   des  zu   liebenden   nach  Beinen  Vorzügen  ab  •- 
und  an  Stelh  derselben  die  unter  chiedslose  Liebes- 
pflicht gelehrt    Sifra,  ECedoschim  8,  L 

ichen    heißt         Sifrö,  Schoftim    Pisk.  187:  Der 

1  an  I  -  als  Grundgesinnung  des  Menschen 

aließt    die   Gefahr   ein,   daß   die  Lieblosigkeit   sich 

rt    und  Ihm  zum  Verbrechen  gegen  Gesundheit  und 

Lei  ii  fuhrt;  d.  b   also  die  einzige  Gewähr 

I  rundloten  Hl  <•  hst  d<  i 

H  i  •  r        [i  nern  dei  II  lusec     I ».  H 


Liebe  als  Grundgesinnung.  311 

für  das  vollkommen  rechtliche  Verhalten  gegen  den 
Nächsten  liegt  darin,  daß  die  Liebe  als  Gesinnung  das 
Grundverhältnis  zwischen  den  Menschen  ausmacht.1 

.Nächstenliebe  ohne  Grenzen. 

§  480.  Die  Liebe  zum  Nächsten  soll  auch  noch  gegen 
todeswürdige  Verbrecher  sich  bekunden  in  der  Anwendung 
der  leichtesten,  am  wenigsten  schmerzhaften  und  am 
wenigsten  schmachvollen  Todesart. 

Keine  pedantische  Wahrhaftigkeit  (auf  der  einen  Seite 

schammaitische    Art);    dagegen    freundliche    Milderung 

des    Ausdrucks,    anmutiges    erheiterndes    und    gefälliges 

Wort  (auf  der  anderen  Seite  hillelitische  Art).  S.  Ke- 
thub.  17a.2 

Taktvolle  .Rücksicht,  Schonung  des  Gefühls  beim  Ge- 
brauch der  Worte;  den  Bekehrten  nicht  an  seine  Sünden 
erinnern,    nicht  vom   „Aufhängen"   vor   einem    sprechen, 


1  Die  Slelle  ist  schon  S.  309  dem  Wortlaute  nach  angeführt.    D.  H. 

2  Unsere  Rabbinen  haben  gelehrt:  Wie  spricht  man  beim  Tanze 
vor  der  Braut?  Die  Schammaiten  sagen :  Man  lobt  die  Braut,  je  nachdem 
sie  ist.  Die  Hillelilen  sagen:  0  schöne  und  anmutige  Braut!  Da 
sprachen  die  Schammaiten  zu  den  Hillelilen :  Siehe,  sie  ist  lahm,  oder 
blind,  sagt  man  da  von  ihr:  0,  schöne  und  anmutige  Braut?  DieThora 
sagt  doch  (Exod.  23,  7):  „Vom  Worte  der  Lüge  sollst  du  dich  fern- 
halten." Die  Hillelilen  erwiderten  den  Schammaiten:  Nach  eueren 
Worten  —  wenn  einer  einen  schlechten  Kauf  auf  dem  Markte  gemacht 
hat,  soll  man  ihn  (den  Kaufgegenstand)  in  seiner  Gegenwart  loben 
oder  schmähen?  Gewiß  doch,  man  soll  ihn  loben.  —  Von  hier  haben 
die  Weisen  gesagt:  Stets  sei  des  Menschen  Sinn  mit  den  Menschen 
verbunden.    D.  H. 


i'.l  2  1 V.    D  i    Sittlichkeit. 

in  •         ..  Familie  ein  Gehenkter  war;  auch  den  „Frem- 
besonders  nicht  (auch  _  seine  Vorfahren  nicht!), 

weil    Beine  Leidenschaft    stärker   ist   und   er  deshalb  die 
Kränkung  tiefer  fühlt.     S,  Baba  mezia  59   ' 

„VI  H1DV  ':•":-••   wird   von  Levy    anders  gedeutet. 
Von  Samt  m&  unrichtig!  "MD  ist  nicht  Verkehr.    Der 

tzendiensl  ist  durch  und  durch  als  Wurzel  aller  On- 
Bittlichkeit,  als  ~y;b\  (wn  mfi  BH»  (Deut.  29,  17  ver- 
werflich, aber  der  Götzendiener  ist  darum  nicht  recht- 
los, auch  nicht  von  unserer  Teilnahme  ausgeschlossen. 
G  ide  weil  er  ein  Götzendiener,  muß  er  durch  Güte 
en  ihn  gewonnen,  zum  Guten  geführt  werden.  Das  ist 
das  p  TOD»  'iDD  in   Baba  mez.  59  . 

Anknüpfend    an    Ps.  41,2  n  :\x  taps  n»H        ttüti. 

oachdenkende   Betrachtung,   die  I.  Wohltuns,  die 

alle  persönliche  (Imstande  und  Gemütsbeziehungen 

le    Etücksicbl    in    der    Wohltätigkeit    wird    von 


1  Unsere  Rabbinen  haben  gelehrt:   Wer  einen  Fremdling  krankt, 

II   reiVerbote  Levit.  19,33  u.25,17).  H.  Bliezer, 

.  .      gesagt    Warum  bat  die  1  hora  an  36,  nach  andern  an 

en  es  1  ren  dlii  v-  wem  "-':.  weil  seine 

\rt  W    ■  bedeutet  ächriflworl  (Ex od.  22,20 

d  den  Fremd  d  i  nichl  kränken  und  nicht  bedrücken; 

i  ■  ihr  im  Lan       \  ■      •'■  r  h  i  en  in  einei 

L  Natha        ;l    Einen  Fehler,  der  an  dir  ist,  wirf 

islen  n  r.   Das  iat'i    •■  u  d  e  Menschen  sagen:  w  •  i 

enkten  hat,  zu  dessen  Genossen  sage  nicht: 

ll  i:  li  auf.     I».  II 

i   Vergl    Horajoth   l  '•     unten      D.  II 


Wahres  Wohlwollen  zeigt  sich  in  mitfühlender  Schonung.      313 

altersher  gepriesen.  Recht  beachtenswerte  psycholo- 
gische Beobachtungen  und  ethische  Erörterungen  darüber 
werden  angeführt  in  Midrasch  Wajikra  r.  Par.  34,  Nr.  1. 
R.  Jona  sagte:  Heil  dem,  der  dem  Armen  gibt,  heißt 
es  hier  nicht,  sondern:  „Heil  dem,  der  für  den  Armen 
klug  sinnt,  ^DtTO",  d.  i.  sinne  klug  über  ihn  nach,  auf 
welche  Weise  verdienstlich  gegen  ihn  zu  handeln  ist. 
Wenn  R.  Jona  den  Sohn  vornehmer  (Eltern)  sah,  der 
sein  Vermögen  verloren  hatte  und  sich  schämte,  (Gaben) 
anzunehmen,  ging  er  zu  ihm  und  sprach  zu  ihm:  Da  ich 
gehört  habe,  daß  dir  in  einer  Stadt  jenseits  des  Meeres 
eine  Erbschaft  zufiel,  so  nimm  doch  dies;  wenn  du  freie 
Hand  bekommst,  gib  es  mir  wieder.  Während  er  es  ihm 
aber  gab,  sprach  er:  ich  gebe  es  dir  als  Geschenk. 

Hoch  und  Niedrig.  Freundschaftsdienst  (Braut- 
führerschaft) soll  auch  dem  Geringeren  freundlichen 
Herzens  geleistet  werden.  S.  Berach.  61 a.  „Und  er 
brachte  sie  zu  Adam"  (Genes.  2,  21).  R.  Jeremia 
b.  Eieazar  hat  gesagt:  Das  lehrt,  daß  der  Heilige, 
gebenedeiet  sei  er!  sich  dem  ersten  Menschen  zum  Braut- 
führer gemacht  hat.  Von  hier  ergibt  sich,  daß  die  Thora 
eine  Sittenregel  lehrt:  Der  Große  soll  sich  um  den  Ge- 
ringen als  Brautführer  bemühen  und  es  sich  nicht  ver- 
drießen lassen. 

Das  wahre  Wohlwollen  zeigt  sich  auch  in  mitfühlen- 
der Schonung.  Den  Ausspruch  der  Mischna  über  die 
passende   Zeit  für   den   besänftigenden    oder   tröstlichen 


314  iv.   Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit 

Zuspruch  (Abotb  IV.  18 1:  „Besänftige  deinen  Genossen 
Dicht  in  der  Stunde,  da  er  zürnt,  und  tröste  ihn  nicht  in  der 
Stunde,  da  sein  Toter  vor  ihm  liegt"  bezeichnet  Maimonidea 
als  eine  Regel  fttr  die  wünschenswerte  Art  menschlichen 
1'm  rn  dem  Gesetze  vom  „kri<  angenen  Weibe" 

(Deut  21, 10 ff.)  erkennt  er  die  Forderung  einer  humanen 
Rücksicht  auf  Schmerz  und  Traner.  (Mor.  111.41  Schlaft.) 

Anstands-  und  rücksichtsvolles  Benehmen  wird  viel- 
seitig erörtert  und  empfohlen  (Beispiele:  einen  Gast  nicht 
mit  Fragen  belästigen,  bia  er  Bich  in  die  Gesellschaft  ein- 
bt;  in  eine  Diskussion,  zu  der  man  kommt,  nicht  ein- 

■  ifen  wollen,  bia  mau  ihren  Verlauf  und  Zusammen- 
hang kennt).  S.Toseftha  Sanhedr.  Perek  V  1 1  gegen  Ende.1 

Mannigfaltig  werden  Regeln  deE  feinen  Anstände,  be- 
sonders auch  der  Pietät  gegen  da«  Alter,  gegen  Gelehrte 
eingeschärft    Vor  dem  Greise  aufstehen,  nicht  auf  seinem 

vohnten  Standort   stehn,   nicht   auf  Beinern  gewohnten 

ä(   sei    Bitzen,   ihn  nicht  in  der  Rede  unterbrechen,   mi1 

•  nheit  und  Ehrfurcht  ihn  tV.i  ich  nicht  zur 

Antwort   drängen,   ihm    nicht    widersprechen,   ihn  nicht 


•  Vgl.  Aböl  \,  t.  Sieben  I  nd  am  Ungebildeten  und  Bieben 

am  Weiten  (Gebildeten).    Da  Weise  spricht  nidil  vor  dem,  der  an 

A  r    als   er;    »»r   ffillt  den    Q  nicht   ms  Wort;   er 

itflrzl  lieb  nicht,  um  zu  antworten;  ei  Ifl  und  nni- 

wortet  --oiii  aß  der  Ha  icha;  er  antwortet  (spricht)  auf  das  erste  zuerst 

hui  auf  das  letzte  zuletzt;  betreflli  dessen,  was  er  nicht  verstanden 

hat  ich  habe  es  nicht  verstanden;  er  bekennt  die  Wahr- 

nteil  davon  findet  man  beim  Ui  gebildeten.    D.  H. 


Gespräche.  315 

zu  widerlegen  suchen  usw.  S.  Midrasch  Bammidbar 
r.  Par.  15,  Nr.  17. 

Beispiele  hoher  Freundschaft  haben  charakteristische 
Bedeutung  für  die  Völker.     Siehe  Leben  der  Seele. 

David  und  Jonathan.  Zugunsten  des  Reichen.  Jona- 
than will  den  bessern  Mann  auf  dem  Throne  sehen. 

Das  Freundschaftsverhältnis  zwischen  pni"  '1  und  Wpb  "1 

ist  wohl  am  meisten  mit  dem  von  Luther  und  Melanchthon 

zu  vergleichen. 

Gespräche. 

§  481.  Ich  fürchte,  daß  in  unserer  Zeit  auch  den 
Gelehrten  die  Kunst  und  Übung  des  hohen  und  er- 
hebenden Gesprächs  etwas  abhanden  gekommen,  weil 
die  unsägliche  Fülle  der  Spezialstudien  auf  allen  Gebieten 
die  waltende  Kraft  des  Allgemeinen  vermindert.  Vgl. 
Ideale  Fragen  S.  289 ff.  gegen  Ende. 

Die  alten  Juden  hatten  besonders  min  "HST  Ein  Fremder 
kam  daher,  er  geht  in  die  öffentliche  Bibliothek  —  aber 
er  geht  auch  ins  Haus  zu  bekannten  Gelehrten,  er  grüßt 
das  Handwerk,  (nein,  nicht  das  Handwerk,  denn  es  war 
keins,  kein  ökonomischer  Beruf,  sondern  freie  Kunst), 
er  grüßt  den  Genossen  im  Geiste  —  nach  wenigen  Worten 
der  Begrüßung  stürzt  man  sich  in  die  Diskussion.  Wie 
sprüht  das  Leben,  wie  loht  das  Feuer  des  Geistes,  und 
wenn  ein  Fähiger  auf  den  Fähigen  trifft,  dann  sind  sie 
auch  im  Gemüte  durch  Hochachtung  fürs  Leben  ver- 
bunden,   eine    gegenseitige  Gastfreundschaft    der   Seelen 


316  IV.   Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

kömmt  zustande,   denn  jeder   gibt   und  jeder   empfangt 

mit  Dank  und  mit  Wonne.  S.  j.  Berach.  IX  g.  B,  Jede 
i;.  Lseligkeit  ist  schlecht,  aber  die  Redseligkeit  in  der 
Thora  ist  gut;  jedes  Schweigen  ist  gut,  aber  das  Schweigen 
in  der  Thora  ist  schlecht  Die  .Jünger  der  Weisen  mehren 
den  Frieden  in  der  Welt  Woher  ist  das  zu  entnehmen? 
Weil  es  heißt  (Jesaia  54,  13):  ..Sind  alle  deine  Kinder 
Jünger  des  Ewigen,  so  ist  groß  der  Friede  deiner  Kinder." 

Km  falle. 

182.  Hat  der  Einfall  Neues  gebracht,  dann  hat  die 
Untersuchung  der  Sache  ein  Ende,  und  es  wird  nur  nach 
Gründen  und  Stützen  für  das  Nene  gesucht.  Viele 
Kenntnisse,  viel  Gelehrsamkeit  werden  aufgewendet,  aber 
nicht  der  Bachlichen  Wahrheitsforschung  wegen,  Bondern 
dem  Beweise  zu  Gunsten,  meist  lern  phistischen  Beweise 
des  Einfalls.  Das  OTTOl  by  patfla  ;\s  war  immer  schön. 
anregend,  aber  für  wahre  Erkenntnis  ein  Hemmschuh. 
Also   Kritik    nicht  ttet,     Kritik    nicht    zu    fürchten. 

Freiheit  für  Einfalle.  — 

Die    bös<    Folge   >i>v   Einfalle   ist,   daß   der   kritische, 

•  richtiger,   der  einfach  unde  Menschenverstand  vom 

Individuum    bei  geschoben    und    nur   die  Tüftelei 

und  Grübelei  nach  Gründen  und  dem  Sinn  der  an  sich 

:       d   und    sinnlosen    Behauptungen    in    Bewegt 

etzt  wird,  z.  B.  wenn  Löwy  sagt,  der  Prophet  Jona 
ulie  auf  den  Prophetismus, 


Hindernisse  in  der  Zusammenschließung.  317 

Dergleichen  ist  ganz  nett  in  Gesprächen  bei  Kaffe 
und  Zigarre.  Darüber  zu  debattieren  kann  ganz  vorzüg- 
lich und  sogar  belehrend  sein;  nur  ernst  nehmen  darf  man 
die  Sache  nicht,  und  die  Literatur  soll  man  verschonen. 

C.  Geselliger  Verkehr. 
Hindernisse  in  der  Zusammenschließung. 

§  483.  Ein  beträchtlicher  moralischer  Defekt  zeigt  sich, 
meist  in  kleinen  Städten  —  also  bei  nahem  Verkehr  der 
Menschen  —  vorzugsweise  bei  den  Frauen,  darin,  daß  sie 
einander  zu  oft  und  zu  leicht  etwas  übelnehmen;  das  Ver- 
trauen in  die  Unschuld,  in  die  gute  Gesinnung  des  an- 
deren ist  gering,  weil  das  Gewissen  auch  die  eigene  Ge- 
sinnung mangelhaft  findet.  Durch  diese  Untugend  der 
Übelnehmer  werden  mehr  Keime  der  Vereinigung  zer- 
stört und  mehr  Blüten  freundlichen  Behagens  vernichtet, 
als   ein  Aufwand   von  Kräften  und  Mitteln  hervorbringt. 

Die  Welt  ist  so  eingerichtet,  daß  die  Liebe  darin 
walten  und  durch  Wohltat  sich  bewähren  kann.  Ein 
Mensch  kann  dem  anderen,  ein  Kind  seinen  Eltern,  der 
Freund  dem  Freunde,  der  Liebende  dem  Geliebten  eine 
neue,  eine  eigene  und  beglückende  AVeit  bereiten.  Höher 
als  alle  Besitztümer,  welche  der  Mensch  durch  seine 
Wirksamkeit  im  Leben  erringen  kann,  steht  die  Aneig- 
nung einer  zweiten  Seele,  und  nur  durch  die  Hingebung 
an  dieselbe  kann  sie  noch  übertroffen  werden. 


IV.  Die  G  i  äittliohkeit. 

Daß  ein  Mensch  den  and- reu  allein  durch  seine  Ge« 
BinnuDg  su  unendlich  beseligen,  dalj  er  ihm  nicht  nur  den 
Bchönsten,  höchsten  Genuß  bereiten,  sondern  den  höchsten 
Wert  darbieten  kann,  ist  das  Göttlichste  in  der  göttlichen 
S  höpfung.  Vielleicht  hat  ein  solcher  GS-edanke  dem 
Urheber   des    Ausspruchs    vorgeschwebt:    id^ij?  niip  tr1 

nrot  nyeo. 

Wenn  nach  dein  Ausspruche  Y$bn  PI  CJ?  HMD  DV:n2 
Heiligkeit  als  Gesinnung  nur  in  der  völligen  Hingebung 
an  G<»tt  und  die  sittliche  Weltgestaltung,  also  in  der  Ganz- 
heit, in  der  Charaktereinheit,  in  der  ungeteilten  Bichtung 
der  ganzen  Person,  all  ihrer  Krafl  und  all  ihres  Streb« 
auf  die  sittliche  Jd'  e  sich  offenbart,  dann  erscheint  auch 
die  völlige  Hingebung  des  sittlichen  Menschen  an  einen 

leren  als  ein  Abglanz  der  Heiligkeit 

E    wandeln  zu  jeder  Zeil   mehr  Heilige  unter  uns,  als 
die  durch   trübe    Erfahrungen   verzagte  und   zum   IV 
mismu         irrte  Seele  sich  za  gestehen  wagt 

Geschäftsverkehr.    Gelübde.    Her  Eid. 

B4.    I  ber  den  Verkehr  hat  nicht  die  Ethik  G<   etzc 
er  i-t  von  den  örtlichen  und  zeitlichen  Verhält- 
de  und  der  räumlichen  Verteih 

'  l»cr  A  .  i   /  i!  i    !  i)  ,    1  T  •  und    1  sv    Da 

.  und  sprach    Manchei   erwirbt  die  Ewigkeil  in  vielen 

Jahn  ei  i   •••. .    |         !  ■'.  _ki-it  in  einei  einzigen  Stunde.   An 

bnel       Stellen   hat    der  Ausspruch    einen    mdern 

-um.     D  II  -  Deuter.  18,  13. 


Geschäftsverkehr.    Hausierhandel.  319 

der  Zivilisation  usw.  abhängig.  Der  Hausierhandel  z.  B. 
ist  eine  Frage,  welche  nach  Zeit  und  Ort  sehr  verschie- 
den beantwortet  werden  muß.  Es  gibt  Gegenden,  in  denen 
die  Menschen  so  zerstreut  in  Dörfern,  Weilern  und  Ein- 
öden wohnen,  daß  zu  ihnen  nur  der  Hausierer  mit  seinen 
Waren  dringt,  während  die  Käufer  zum  nächsten  Markt 
einen  großen  Weg  machen  müßten.  Da  ist  es  im  Inter- 
esse nicht  bloß  des  Verkäufers,  sondern  einerseits  der 
Käufer,  aber  auch  der  Produzenten,  daß  der  Hausier- 
handel besteht. 

Interessant  ist  sowohl  der  Spruch  des  Talmuds  gegen 
den  Hausierhandel  zugunsten  der  ansässigen  Kaufleute, 
und  noch  mehr  die  Ausnahme,  welche  gemacht  wird, 
samt  dem  Grunde  dafür.  Mit  Schmucksachen  soll  der 
Hausierer  handeln  dürfen,  damit  sich  die  Töchter  Israels 
für  ihre  Männer  zu  schmücken  leicht  Gelegenheit  finden; 
wohlgemerkt  für  ihre,  nicht  für  fremde  Männer.  Obgleich 
schon  die  Propheten  gegen  Luxus  der  Frauen  geeifert, 
wird  hier  für  den  leichten  Bezug  des  Schmuckes  gesorgt, 
um  die  geschlossene  Keuschheit  unter  den  Gatten  zu 
sichern.1  Das  Unrecht  und  die  Unredlichkeit  im  Handeln 
wird  in  seiner  Verworfenheit  durch  einen  fünffachen  Ta- 
delnamen gekennzeichnet.  S.  Sifre,  Debarim  Piska  148.2 
Dergleichen    noch    in    verschiedenen    Wendungen,     um 


i  S.  Baba  balra  22a,  vergl.  S.  321. 

2  Dort  zunächst  auf  Götzendienst  bezogen,  vgl.  jedoch  Raschi  zu 
Levit  19,  15.    D.  H. 


320  IV.  Die  <  -  it. 

vom  unrecht  abzuschrecken,   ^eine  Häßlichkeit  zu  kenn- 
zeichnen. 

Zu  leicht»'  Gewichte,  zu  kleine  Maße  sollen  dberhaupl 
oicht  im   Hause   gehalten  werden,   auch   nickt  zu  an- 

rem  Gebrauche  al^  zum  Messen,  selbst  nicht  als  Urin- 
behältnis. Manch''  wollen  .  1  i < •  .->  an  Orten  erlauben,  wo 
alle  Maße  Gewicht  sind;  andere  gestatten  es  mit  Rück- 
sicht auf  Morgen-  und  Abenddämmerung  nicht,  weil 
dann  die  geaichten  von  nngeaichten  nicht  leicht  unter- 
schieden werden  können.  Auch  richtige  Mala  von  leicht- 
verwechselbaren  (kleineu)  Größen  sollen  nicht  gemacht 
werden.     S.  Baba  batra  89»ff. 

Die  Rabbinen  geben  genaueste  Vorschriften  über  V 
und   Gewichte   zur    Vermeidung    .1er   absichtlichen   od<  r 
auch    unwillkürlichen    Schädigung    bal  1    d(  ä    Verkauf 
bald    des   K  3   Baba    batra  89».     Kein   und    edel 

ist  ilei  Ausspruch  dea  EL  Joch,  ben  Sakkai  daselbst   B 
Betreffs  ihrer  aller  (d         i  behenden  Vorschriften)  sagte 
EL  Jochanan   b.  Sakkai:  Wehe  mir,  wenn   ich  sie  lehre; 
mir.  wenn    ich   sie    nicht   lehre!      Lehre   ich  sie,   so 

ichten  du-  Betrüger  daraus  lernen;  lehre  ich  sie  ni< 

möchten  die  BetrUgei  :  Die  Jünger  der  Weisen 

:  wir'a  ti   iben.     Man  fragte:    Hat  er  es 

nun    gelehrt,    Oder    nicht?     Kai»    Samuel.    S<>hn    des    Kab 

Jizchak,  i  slehrl  und  zwar  bal  er  es  auf 

'.rund    des   Schritt  w  ort.  -   (Hosea   lt.  10)   gelehrt:    „< 

die    W(  D,   die  I  teil    wan  lein 


Rechtsordnung.    Gewerbegesetze.  321 

auf  ihnen,  die  Frevler  straucheln  auf  ihnen."  Die  Unred- 
lichen können  lernen  den  Trug  üben,  auf  dessen  Ursachen 
die  Rechtslehre  hinweist.  Aber  er  hat  es  doch  gelehrt.  Die 
Rechtslehre  muß  verkündet,  das  Rechtsbewußtsein 
geschärft  werden;  der  Erfolg  ist  dem  Gewissen  zu  überlassen. 

Rechtsordnung.     Gewerbegesetze. 

§  485.  Feine  Beachtung  der  Verhältnisse.  Eine  inter- 
essante Kontroverse  über  die  Zulässigkeit  des  Hausier- 
handels und  seine  Grenzen.  Verbote  mit  Rücksicht  auf 
die  ansässigen  Kaufleute  usw.  S.  Baba  batra  22 a.  Esra 
soll  denselben  für  Schmuck-  und  Putzsachen  erlaubt 
haben,  damit  die  Frauen  dieselben  leicht  erwerben  können. 
Aufseher  werden  angestellt  über  die  Maße,  nach  anderen 
auch  über  die  Preise.    S.  Baba  batra  89 a.    Vergl.  S.  319. 

Vorsorge  wird  getroffen  gegen  ungebührliche  Preis- 
steigerung. —  Der  Vater  von  Samuel  verkauft  sein  Ge- 
treide gleich  von  der  Tenne  weg,  damit  der  Preis  auf 
dem  Markte  nicht  durch  Zurückhaltung  desselben  sich 
steigere;  Samuel  behielt  es  zurück  und  verkaufte  es  in 
der  späteren  Jahreszeit  zum  Preise  der  früheren.  Man 
lobte  das  Verfahren  des  Vaters  mehr  als  das  des  Sohnes, 
weil,  wenn  einmal  die  Preise  allgemein  gestiegen,  aie 
nicht  so  leicht  wieder  sinken.  Also  wenn  er  selbst  auch 
später  aus  Wohlwollen  zum  niedern  Preise  verkaufte,  hat 
er  doch  zur  allgemeinen  Preissteigerung  beigetragen! 
S.  Baba  batra  90  b. 

La/aru»,  Ethik  des  Judentums  IL  21 


IV.    Die  Gestaltung   ler  Sittlichkeit, 

Hygienische  Vorschriften. 

186.  Zwecks  des  Zusammenlebens  der  Menschen  werden 
hygienische  Vorschriften  zugunsten  der  Gesamtheit  getroff«  n. 

Bressant  Bind  die  rabbinischen  Verordnungen,  welche 
bereits  die  öffentliche  Gesundheit  und  Rücksicht  auf 
ale  Annehmlichkeit  betreffen.  Gräber,  Ableitung  *on 
[mmunditien,  übelriechende  Anlagen,  wie  Gerbereien,  Bind 
nur  in  rorgeschriebener  Entfernung  von  der  Stadt  anzu- 
legen. Sehr  merkwürdig  ist  die  Vorschrift,  Bolche  übel- 
riechende  Anlage  nicht  im  Westen  der  Stadt  anzulegen. 
Baba  batra  IX,  besonders  Mischna  2. 

Für  Reinheit  der  Lui't  ist  zu  Borgen.  Mit  b<  onderem 
Nachdruck  b.  Deuter.  23.  13ff.  Auch  dort  gegen  An- 
steckungskrankheiten Quarantäne. 

1).  Gesc  bäftl  icher  Verkehr, 
leibst  da  i  Aul  Irängen  \  on  Waren  an  den 
Verkäufer  wird  streng  verpönt!   Seit  diejenigen,  welch« 
B    isherren  Wann  aufd  i,  überhandnahmen  — 

nahm  die  Bestechung  zu,  wurde  das  Recht  gebeugt  und 
die  Menschen  gingen  rückwärts,  anstatt  vorwärts.  Siehe 
T  .  5        P<  r.  u. 

Uichi  r  G  Sich    bereichern  dureb  einen   B<  - 

i.il.i  "it.   auf  anredlichem  Wege  er- 

worben, wird  u  dem  Gätsendienst  gleichgestellt. 

3.  C  innuch  Nr.  LS 
Der  V  hftrft  das  ethisrhr  Verbot  unredlichen 


Geschäftlicher  Verkehr.  323 

Gewinns  aus  Raub,  List,  Wucher  usw.  durch  die  religiöse 
Wendung  des  Gedankens,  daß  all  solches  unrechtliches 
Streben  uud  Tun  Götzendienst  sei.  Diese  Wendung  aber 
erlangt  er  durch  die  psychologische  Betrachtung,  daß  maß- 
lose Ichsucht  die  Quelle  des  Unrechts  ist,  der  Ungerechte 
aber  sein  eigenes  Ich  zum  Götzen  macht,  dem  er  alles  opfert. l 

Jede  Veruntreuung  eines  Privatmenschen  wird  schlimmer 
als  die  Veruntreuung  von  Heiligtümern  bezeichnet.  Denn 
Gott  ist  barmherzig  und  verzeiht;  aber  der  Mensch 
bedarf  des  Menschen  Verzeihung  zur  Buße,  und  jene  ist 
zweifelhaft.     Baba  batra  88 b. 

Für  ein  Vergehen  gegen  den  Nebenmenschen  gibt  es 
keine  Sühne  als  nur  durch  Versöhnung  mit  ihm.  S.  Jo- 
ma,  Mischna  VIII,  9  (851-).  Folgendes  lehrte  R.  Eleazar 
b.  Asarja.  Es  heißt  (Levit.  16,  13):  „Von  allen  euren 
Sünden  sollt  ihr  vor  Gott  rein  sein."  Sünden  zwischen 
den  Menschen  und  Gott  sühnt  der  Versöhnungstag  (durch 
Buße),  Sünden  zwischem  Mensch  und  Mensch  sühnt  der 
Versöhnuugstag  nicht,  bis  man  seinen  Nebenmenschen 
versöhnt  hat, 

§488.  Dienst  und  Gegenleistung.  Gewisse  ideale 
Vorschriften  werden  im  gewöhnlichen  Lauf  der  zivilen  und 
zivilisatorischen  Tätigkeit  unmöglich;  der  ethische  Kern 
aber  bleibt  in  Geltung  und  sucht  sich  seine  Formen  der 


1  Daß  es  unser  Autor  auch  an  einem  Schriftbeweis  nicht  fehlen  läßt, 
versteht  sich  von  selbst.  Beides,  nämlich  "Verletzung  der  Gerechtigkeit 
und  Götzendienst,  werden  als  by^bz  bezeichnet.  Vgl.  Deut.  1 3, 1 4  u.  1 5, 9. 

21* 


IV.   Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit, 

Anwendung.     So  die  Geschichte  von  Abba,  dem  Bader, 

B.  Taanith  21bJ     Bei  unseren  Ärzten    hat  sich  meist  die 

Praxis  erhalten,   die  Gegenleistung  für  den  Dienst  nach 

dem    Vermögensstande    des  Patienten    zu    messen;    auch 

bei  besonders  wohltätigen  Ärzten,  daß  sie  arme  Patienten 

obendrein  mit  Arzneien  und  Stärkungsmitteln  versehen. 

Unser  Abba  hatte  außerdem  eine  Vorkehrung,  den  Armen 

nicht  zu  beschämen,    weil    er  jeden  das  Honorar  in  eine 

»  Die  Geschichte  lautet:    Wenn  der  Arzt  Abba  zur  Ader  ließ,  be- 

handelte  er  Männer  besonders  und  Frauen  besonders,  und  er  hatte  ein 

Gewand,  in  welchem  ein  Schröplkopf  angebracht  war,  indem  es  einen 

Spall  hatte,  der  Lanzette  entsprechend    Wenn  nun  eine  Frau  kam, 

lcsle  er  es  an,  damit  er  sie  niehl  sähe.    Und  er  hatte  außerhalb  (des 

undlungsraumes)  eine  Stelle  (Büchse),  in  welche  man  das  Geld 

er  Dahin.    Wer  (Geld)  hatte,  warf  hinein,  und  wer  keins 

hatte,  wurde  nicht  beschämt.   Wenn  ein  Gelehrter  zu  ihm  kam,  nahm 

ei  von  ihm  keine  Bezahlung.    Und  wenn  er  wußte,  daß  einer  nichts 

h  Ute,  gab  er  ihm  Geld  und  Bprach  zu  ihm:  Geh,  kräftige  dich.  Eines 

1  \   aji  zwei  Rabbinen  zu  ihm,  um  ihn  ;mf  die  Probe 

/t]  v  Er  hieß  sie  setzen,  gab   ihnen  zu  essen  und  zu  trinken 

und  I  ;••  tele  in  der  Nacht  Teppiche  für  sie  hin.  Am  Morgen  rollten  sie 

selben  zusammen  und  n  ihmen  sie  und  erhoben  sich  und  gingen 

.  M  irkl  und  trafen  ihn  (Abba)  daselbst.  Sic  sprachen  zu  ihm: 

Der  Herr  s  b&tze  Sie  uns  ah,  was  sie  wert  sind.     Kr  sprach  zu  ihnen: 

und   so  viel.     Sir   sprachen:    Vielleicht  Mnd  6ie  mehr   wert?  Er 

!  v,.-i  habe  ich  sie  gekauft.    Da  sprachen  sie.  Dein  sind 

iben  sie  dir  genommen    Wir  litten  dich:  Wessen  hast 

in, s   VerdS  QÜgtl    Er  sprach:    [eh  dachte:    ls  traf  sich  wohl,  daß 

M  auszulösen  hatten  und  sich  schämten,  es  mir 

in  s  i.-en.  e  sie  der  Herr  nun  zurücknehmen.     Er 

Von  dem  Augenblick  an  (wo  ich  dies  dachte),  wandte  ich 

-     :i  von  ihnen  (den  Teppichen,  ich  betrachtete  sie  nicht  mehr 

als  meinen  Besitz,  sondern  bestimmte  sie)  zum  Wohltun.    D.  H. 


Wahrhaftigkeit.    Treu  und  Glauben.  325 

Büchse  werfen  ließ.    Armen  gab  er  obendrein  zur  Stär- 
kung nach  dem  Aderlaß. 

Wahrhaftigkeit.     Treu  und  Glauben. 

§  489.  Was  man  in  seinem  Innern  (im  Herzen)  denkt,  wird 
auch  ohne  äußere  Bekundung  als  Wahrheit  festgehalten. 
Vergl.  die  hübsche  Geschichte  von  Rab  Saphra,  die  uns 
die  Scheeltot  des  R.  Acha  erhalten  haben.1  In  dem  Augen- 
blick, da  der  andere  ein  Gebot  getan,  das  dem  R.  Saphra 
genügte,  ist  der  Gegenstand,  rein  moralisch  betrachtet, 
Eigentum  des  anderen  geworden;  und  er  darf  es  ihm 
also  nicht  noch  einmal  um  einen  höheren  Preis  verkaufen. 

Worthalten,  das  zum  Charakter  des  Gerechten  ge- 
hört, wird  streng  und  oft  eingeschärft,  selbst  wenn  es  zum 
eigenen  Schaden  ist.    S.  Baba  mez.  44 a  und  48 ab2. 

1  Siehe  Makkoth  24a.  Es  heißt  (Psalm  15,  2):  „Und  redet  Wahrheit 
in  seinem  Herzen."  Wie  z.  B.  R.  Saphra.  Dazu  Raschi:  In  den  Scheel- 
tot des  R.  Acha  (Frage  36).  Und  so  war  der  Vorgang:  R.  Saphra  halte 
einen  Gegenstand  zu  verkaufen,  und  es  kam  ein  Mann  zu  ihm,  als  er 
das  Schema  las,  und  sprach  zu  ihm:  Gib  mir  den  Gegenstand  für  so 
und  so  viel  Geld.  Er  antwortete  ihm  aber  nicht,  weil  er  das  Schema 
las.  Jener  glaubte,  daß  er  ihn  ihm  für  dieses  Geld  nicht  geben  wollte, 
und  fuhr  daher  fort:  Gib  mir  ihn  für  so  und  so  viel  mehr.  Nachdem 
R.  Saphra  das  Schema  beendet  hatte,  sprach  er  zu  ihm:  Nimm  den 
Gegenstand  für  das  Geld,  das  du  zuerst  geboten  hast,  denn  es  war 
meine  Absicht,  ihn  für  dieses  Geld  zu  geben.  —  Vergl.  in  der  vor- 
stehenden Erzählung  von  Abba  den  Verzicht  auf  die  Teppiche,  weil 
er  sie  in  seinen  Gedanken,  wenn  auch  in  irriger  Voraussetzung,  zum 
Wohltun  bestimmt  hatte. 

2  Wer  die  Leute  des  Geschlechtes  der  Flut  und  des  Geschlechtes 
der  Zerstreuung  (des  Turmbaues)  bestraft  hat,  wird  den  strafen,  der 
sein  Wort  nicht  hält. 


IV.   Die  Gestaltung  der  Bittlidhki 

Vertragstreue  und  Worthalten. 
8  490.     Wenn  Etechtsformalien  nicht  erfüllt  Bind,  und 

<  ■ 

dennoch  das  bloße  Wort  eingelöst  wird,  so  wird  das  von 
riesen.    8.  Schebiith  X,  9.  dazu  Toseftha 
,111.13.    Auch  in  der  Mischna.    Das  Nicht- 
rthalten  wird  dem  gänzlichen  sittlichen  Verfall 
»ellschaft  gleichgesetzt 

Von  Samuel  bar  Sutra  Bagte  man:  „Und  wenn  man 
ihm  die  Fülle  (das  Vermögen)  der  ganzen  Well  geboten 
hätte,  er  hätte  sein  gegebenes  Wort  nicht,  verletzt.-'  Das.49*.1 
1).,  auch  eine  Vorschrift  gegen  reservatio  mentalis. 


i  I».  in  Ja  sei  aufrichtig,  und  dein  Nein  Bei  aufrichtig Man 

ut  anders  mit  dorn  Munde  und  anders  im  Herzen.    Unten  folgt 

Erzählung    von   S:unuol    bar  Sulra.     Vgl.  S  nhedrin    97a.    Raba 

l,,i  .  Bner  habe  ich  geglaubt,  es  gibt  keine  Wahrheit  in 

■  nur  einer  von  unseren  EUbbinen,  und  R.  Tabuth, 

h  ander«  El  Tabjume  se:n  Nanu-,  der,  wenn  man  ihm  alle 

r  Well  -  hätte,  sein  Wort  nicht  ri  hätte.  I'.mmal 

kam  ich  nach  einem  Orte,  dessen  Name  Wahrheit  war,  und  wo  die 

le  ihr.-  Worte  nicht  änderten  und  wo  K* in  Mensch  vor  der  Zeit 

•tarb.    Ich  nahm  ein  Weih  von  ihnen,  und  ich  haiii*  twei  von 

ihr.    Eil       l  meine  Iran  und  kämmte  das  Haupthaar.    De 

kam        N         irin  nn  i  klopfte  an  die  rür.  (Die  Erzählung  geht 

ehöre  sich  nicht, 
und  sprach  ra  ihr  Dai  tuf  starben  ihm  dir-  zwei 

ne    Jetzt  ks  I    wohner  des  Ortee  zu  ihm:  Was  ist  • 

Er  sprach  ra  ihnen    S  nch's  i  n.    Da  sprachen  sie  ra 

ihm:  Wir  bitten  dich,  verlaß  untern  Orl  und  r<  -        ht  den  Tod 

in».. 


Gelübde  und  Vorsatz.  327 

Keinen  Verrat  üben,  keine  Angeberei,  auch  nicht  um 
der  eigenen  Gefahr  zu  entgehen.     S.  Gittin  70.1 

Gelübde  und  Vorsatz. 

§  491.  Gelübde  sind  nicht  ethisch,  jedenfalls  nicht  rein 
ethisch,  sondern  religiös.  —  Grund:  Dasselbe  kann  auch 
ohne  Gelübde  geschehen.  Psychologische  Differenz  —  Wert 
und  Unwert  des  Vorsatzes.  —  Das  Gelübde:  Wert  durch 
Zusammenhang  der  Zukunft  mit  der  Gegenwart;  Handeln 
nicht  bloß  aus  dem  Moment.  Aber  der  Unwert  ist  zu  erörtern 
—  deshalb  (Koh  5,  4):  nnn  »b  l&X  210  —  *Ttt  ^3  — 
Die  Gegner  haben  von  der  Strenge  des  Worthaltens 
keine  Vorstellung;  die  Übertretung  soll  schlechthin  ver- 
mieden werden,  deshalb  Aufhebung  der  Gelübde.  Wer 
diese  Aufhebung  kennt  —  und  alle  kennen  sie  —  wird  also 
kein  Gelübde  tun,  da  es  doch  keins  ist.  Um  den  Miß- 
verstand haben  sich  die  Rabbinen  nie  gekümmert.  — 


1  Mar  Ukba  schickte  zuR.  Eleazar  (und  ließ  ihn  fragen):  Menschen 
stehen  gegen  mich  auf  und  es  liegt  in  meiner  Hand,  sie  bei  der  Regie- 
rung anzugeben,  darf  ich  es?  Dieser  liniierte  das  Pergament  und 
schrieb  ihm  den  Schriftvers  (Psalm  39,  2)  auf:  „Ich  sprach:  Hüten  will 
ich  meinen  "Weg,  daß  ich  nicht  mit  meiner  Zunge  sündige;  hüten  will 
ich  meinen  Mund  mit  einem  Verschluß,  während  der  Frevler  mir 
entgegen  ist",  d.  i.  obgleich  der  Frevler  mir  entgegen  ist,  will  ich 
meinen  Mund  hüten  mit  einem  Verschluß.  Da  schickte  er  zu  ihm: 
Sie  kränken  mich  sehr,  und  ich  kann  bei  ihnen  nicht  bestehen.  Er 
aber  schickte  zu  ihm  (Psalm  37, 34) :  „Schweige  dem  Ewigen  und  harre 
auf  ihn,  b  ^innm",  d.  i.  harre  auf  ihn,  und  er  wird  sie  vor  dir  fallen 
lassen  haufenweise  D^n  wbbn.  Geh  ihretwegen  früh  morgens  und 
spät  abends  ins  Lehrhaus,  und  sie  werden  von  selbst  fallen. 


328  IV.    I>ie  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

Ich  lasse  es  dahin  gestellt,  ob  allgemeine  Aufhebung  das 
rechte  Mittel  war;  es  ist  meine  Sache  nicht  zu  kritisieren; 
aber  der  Zweck  war  edel.  Die  Einrichtung  zeigt  von 
dem  ungeheuren  Gewicht,  das  dem  Worthalten  beigelegt 
wurde,  und  dann  sollte  die  feierliche  Stunde  das  Volk 
erziehen. 

§  492,  Der  Eid  ist  die  Bekräftigung  einer  Aussage 
durch  den  Zuwachs  des  religiösen  Elementes  einer  An- 
rufung Gottes  in  irgend  einer  Form. 

/.    allgemein  gilt,    daß  auch  jede  unbeeidigte  An- 
sage ebenso  auf  die  strengste  Wahrhaftigkeit  gegründet 
sein    soll,   wie  die  beeidigte.     Nicht  die   Wahrheit  seihst 
soll  durch  den  Eid  geschaffen,  oder  erhöht,  oder  befestigt 
werden,  sondern  nur  die  Überzeugung,  daL>  sie  vorhanden 
soll  in  i  in<  in  andern   im  Richter,  in  den  Geschworenen, 
in  der  Gegenpartei)  dadurch  herbeigeführt  werden. 
Der  Eid  ist  ein  augenfällig)  i  Beweis  wie  religiöse  Vor- 
i  mit  den  ethischen  Verhältnissen  sich  verflechten. 
M   ethischen  Standpunkte  aus   ist  der  Eid   '»der  die 
beki         ende  Anrufung  Gottes  nur  (de  facto)  tatsächlich 
mit  der  Übung  der  Wahrhaftigkeit  verbunden,  aber  nicht 
pflichtmäßig  /n  derselben  gehörig.     Vom   dog- 
matischen n  Standpunkt  aber  ist  Eidesleistung  ver- 
betra  irden  (s.  Ohinnuch  zu  435).  Wahrend 
Maürn           dieselbe  zu  den  positiven  religiösen  Geboten 
tlt  (als  n:?y  ITOD),  sieht  Nachmanides  dann  eine  durch* 
II  indluni 


Der  Eid.  329 

In  der  Anschauung  des  öffentlichen  Geistes,  wie  er 
durch  die  vorzüglichsten  Vertreter  und  eifrigsten  För- 
derer des  moralischen  Bewußtseins  sich  ausgebildet  hat, 
gilt  die  ideale  Forderung,  daß  man  als  Zeuge  zur  Eides- 
leistung, vollends  wenn  sie  vom  Richter  gefordert  wird, 
durchaus  bereit  sein,  dagegen  den  Eid  als  Partei  zu 
eigenen  Gunsten  so  weit  als  irgendmöglich  vermeiden 
soll. 

Dieser  Unterschied  ist  psychologisch  sehr  wohl  be- 
gründet. Die  Wahrheit  soll  in  der  Aussage  selbst  vor- 
handen sein,  sie  wird  durch  den  Eid  nicht  verbessert 
noch  bestärkt;  nur  der  Erfolg  der  Aussage,  also  der 
Wahrheit  wird  durch  die  Institution  des  Eides  gesetz- 
lich verändert.  In  den  Augen  des  Richters  wird  die 
subjektive  Wahrhaftigkeit  der  Aussage  gleichsam  in 
eine  objektive  Wahrheit  verwandelt;  die  Tatsache  gilt 
als  nicht  bloß  subjektiv  behauptet,  sondern  als  objek- 
tiv festgestellt;  diese  Feststellung  wird  vom  Richter 
deshalb  gefordert,  und  der  unparteiische  Zeuge  hat 
die  religiöse  Pflicht  ebenso  wie  die.  ethische,  sie  herbei- 
zuführen. 

Nun  aber  kommt  der  Mensch,  auch  der  Eidleistende, 
über  subjektive  Wahrhaftigkeit  nicht  hinaus;  deshalb 
soll  man  auch  die  Wahrheit,  wenn  es  zu  eigenem  Nutzen 
(als  Partei)  geschieht,  nicht  beeidigen,  der  Aussage  nicht 
eine  Kraft  geben,  die  sie  nicht  an  sich  besitzt.  Bleibt 
doch  auch  bei  der  strengsten  subjektiven  Wahrhaftig- 


330  IV.    Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit 

keit  ein  objektiver  Irrtum  möglich.  Gegen  diese  Mög- 
lichkeit gibt  es  kein  absolutes  Mittel;  aber  eben  des- 
halb soll  man  sie  in  der  eigenen  Sache  berücksichtig  in 
und  den  Eid  vermeiden.  Der  Zengeneid  ist  notwendig, 
aber  der  Parteieneid  ist  frei;  der  IiTtumsmöglichkeit 
kann  man  durch  den  Verzicht  aus  dem  Wege  gehen. 
Bin  Fall  ist  zu  erzählen.)  Allgemein:  Der  Eid  soll  die 
Prüfung  schärfen,  also  das  Streben  nach  Wahrhaftigkeit 
psychologisch  unterstützen. 


Gemeinsamkeil  de^  Wirkens  and  Gemeinsamkeit 
Schicksals   (Grundsatz:   Einer    für   alle   und 
alle  für  Einen). 

rhalten    gegen    die    Dinge    des    Nächsten 

Schonung,    Hilfe    asw,        ••    gegen    die   eigenen.     Vor 

herandrängender  Flui    boII   auch   das  Feld  des  anderen 

durch    Deich    und    Damm    gerettet    werden.     8.    Baba 

mez.  31». 

Zu:  Q reise  a  ndei 

wird  die  Symbolik  pTK2  er;*-:  mvh  naifl  n*rr6  Ber.  81'. 

i  darauf  bedaci  m  Alten,  dei  Wi  Ben    • 

Willen   -  len  hat,  (ehr*  i 

d.-nn  -.  Die  Bundestafeln  und  die  Trümmer  der 

Bui  fein  lagen  in  der  Bui  le.  Vgl.  Baba  batra!4b. 

Aber  auch  sonst  soll   die  schwächere  Form,  die  ungenii- 

[nnigkeit   oder   Klarheil  nicht  gleich  abgewiesen, 


Einer  für  alle  und  alle  für  Einen.  331 

nicht  verachtet,  sondern  herangezogen  und  fortgebildet 
werden.1 

Beim  Gesamtwirken  darf  das  unbedeutende  (D  Yin  V« 
im  blb)  das  Unvollkommene,  auch  das  Nichtmehrvoll- 
kommene  nicht  abgewiesen,  nicht  unterschätzt,  sondern 
muß  ins  System  eingeordnet  werden,  z.  B.  untergeordnete 
Berufe,  geringe  Talente  usw.     Aboth  IV,  3. 

Von  der  persönlichen  Seite  her  t^yöön  inKl  mittn  TnN 
n1?  pTL?  "nVn.  aber  auch  sachlich:  es  gehört  zum  Ganzen.  2 

Sich  von  dem  Schicksal  der  Gesamtheit  trennen  und 
seines  eigenen  Wohlseins  sich  freuen,  wird  als  ein  schweres, 
unsühnbares  Vergehen  bezeichnet;  der  innigen  Teilnahme 
aber  an   dem  Leide  der  Gesamtheit  wird  als  Lohn  ver- 


«  Vgl.  Berachoth  16b  und  17*.  R.Saphra  sprach  nach  Beendigung 
des  Gebeies  also :  Es  sei  der  Wille  vor  dir,  Ewiger,  unser  Gott,  daß 
du  Frieden  machst  In  der  Familie  oben  (unter  den  Himmelsscharen) 
und  in  der  Familie  unten  (unter  den  Weisen)  und  zwischen  den 
Jüngeren,  die  sich  mit  deiner  Thora  befassen,  sei  es,  daß  sie  es  um 
ihrer  selbst  willen  tun,  sei  es,  daß  sie  es  nicht  um  ihrer  selbst 
willen  tun.  Und  alle,  die  sich  nicht  um  ihrer  selbst  willen  mit  ihr 
befassen  —  es  sei  dein  Wille,  daß  sie  sich  um  ihrer  selbst  willen 
mit  ihr  befassen.    D.  H. 

2  R.  Eliezer  war  krank.  R.  Jochanan  kam  zu  ihm.  Er  sah,  daß  er 
in  einem  dunklen  Räume  lag.  Da  entblößte  er  seinen  Arm,  und  es 
fiel  Licht  auf  R.  Eliezer  (R.  Jochanan  war  sehr  schön,  und  sein  Arm 
leuchtete).  Da  sah  er,  daß  R.  Eliezer  weinte,  und  er  sprach  zu  ihm: 
Warum  weinst  du?  Vielleicht  weil  du  nicht  viel  Thora  gelernt  hast? 
Wir  haben  ja  in  einer  Mischna  (Menachoth  1 1 0b)  gelernt:  Der  eine 
viel,  der  andere  wenig;  wenn  man  nur  den  Sinn  auf  Gott  ge- 
richtet hat.     D.  H. 


339  IV.   Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

heißen,  das  wiederkehrende  Heil  der  Gesamtheit  mit  zu 
erleben.     Taanith  11". 

Auch  von  der  Lebensform  oder  dem  jeweiligen  Ge- 
mütszustand der  Genossen  soll  man  sich  nicht  absondern, 
unter  den  Trauernden  nicht  fröhlich,  unter  den  Frohen 
nicht  betrübt  erscheinen.     pN  "J*n. 

Teilnahme  am  Geschick  der  Gesamtheit!  —  Auch 
der  Weiseste  und  Frömmste  soll  sich  nicht  an  seiner 
Weisheit  und  Frömmigkeit  genügen  lassen,  sondern  er 
muß  hinaustreten  und  am  Schicksal  und  dein  Werke 
der  Gesamtheit  Teil  nehmen.  S.  irr1?«  TU  ed.  Fried- 
man!» L12:  ..auch  weise  wie  Moses  und  fromm  wie  Aha- 
ron  usw." 

Teilnahme  an  der  allgemeinen  Lage.  —  Während 
Zeiten  der  Not  soll  der  Einzelne  sich  selbst  Entbehrungen 
auferlegen,  damit  er  in  seiner  persönlichen  Stimmung  von 
der  allgemeinen  nngetrennt  sei.    S.  Taan.  11*. 

Teilnahme,  zumal  an  öffentlichen  Leiden.  Der  wird 
als  verworfen  erklärt,  der  während  öffentlicher  Not 
seinem  Q-enufl  nachgeht     S.  Taanith   11'. 

Line  hQbsche  Allegorie,  am  dem  Gedanken  Nachdruck 
zn  Die  leiden  Engel,  die  den  Menschen  begleit 

legen  die  Hand  auf  den,  der  sich  trennt  — 

Glied  der  (Gesamtheit  soll  der  Einzelne  sich  fühlen 
und  danach  handeln.  — 

Wenn  der  Mensch  für  sich  auch  genug  hat,  soll  er 
auch   im  Genuß   sich   eicht   fOü   der   darbenden  Gesamt- 


Teilnahme  an  der  allgemeinen  Lage.  333 

heit  ganz  trennen  und  die  Last  des  Hungerjahres  auch 
leiblich  tragen.     S.  das.1 


1  Im  Folgenden  geben  wir  die  ganze  Stelle  Taanith  1  la,  aufweiche 
Bezug  genommen  ist.  R.  Jehuda  im  Namen  des  Rab  hat  gesagt:  Wer 
sieh  Hunger  auferlegt  in  Hungersjahren,  wird  von  ungewöhnlicher 
Todesart  errettet,  denn  es  heißt  (Hiob  5,20)  :  „Durch  Hunger,  DJTO,  er- 
rettet er  dich  vom  Tode" .  Vor  Hunger,  Sjn»,  rettet  er  dich,  sollte  es  heißen. 
Allein  das  will  die  Schrift  sagen :  Zum  Lohne  dafür,  daß  er  sich  in  Jahren 
des  Hungers  Hunger  auferlegte,  wurde  er  von  ungewöhnlicher  Todesart 

errettet Unsere  Rabbinen  haben  gelehrt:  Wenn  die  Israeliten 

sich  in  Not  befinden  und  einer  von  ihnen  sich  absondert,  kommen  die 
zwei  Dienstengel,  welche  den  Menschen  begleiten,  und  legen  ihm  die 
Hände  aufs  Haupt  und  sprechen:  Dieser  N.  N.,  der  sich  von  der  Ge- 
meinde abgesondert  hat,  soll  die  Tröstung  der  Gemeinde  nicht  schauen. 
In  einer  anderen  Baraitha  wurde  gelehrt:  Wenn  die  Gemeinde  sich  in 
Not  befindet,  soll  nicht  einer  sagen:  Ich  gehe  in  mein  Haus  und  esse 
und  trinke,  und  Friede  dir,  meine  Seele.    Tut  er  aber  so,  so  gilt  von 
ihm   das  Schrift  wort    (Jes.  22,  13):    Siehe,  Rinder  töten,   Schafe 
schlachten,  Fleisch  essen  und  Wein  trinken,  essen  und  trinken,  denn 
morgen  sterben  wir."  Wie  heißt  es  darauf  (das.  14)?  „Offenbart  hat 
sich  in  meine  Ohren  der  Herr  der  Heerscharen :  Nicht  soll  diese  Schuld 
euch  gesühnt  werden,  bis  ihr  sterbet."    Das  ist  die  Art  der  Mittel- 
mäßigen (die  wenigstens  noch  an  den  Tod  denken);  wie  heißt  es 
aber  von  der  Art  der  Frevler?  (Das.  56,12:)  „Kommt,  ich  kaufe 
Wein,  wir  wollen  uns  besaufen  an  Berauschendem,  wie  der  heutige 
soll  der  morgige  Tag  sein."    Wie  heißt  es  darauf  (das.  57, 1)?  „Der 
Gerechte  geht  dahin,  und  kein  Mann  nimmt  es  zu  Herzen,  daß  um 
der  Bosheit  willen  der  Gerechte  eingetan  wurde."   Sondern  man  teile 
das  Leid  der  Gemeinde.    So  finden  wir  es  bei  unserem  Lehrer  Mose. 
Denn  es  heißt  (Exod.  17,  13):   „Und  die  Hände  des  Mose  waren 
schwer,  und  sie  nahmen  einen  Stein  und  legten  ihn  unter  ihn,  und 
er  setzte  sich  darauf."     Halte    Mose    nicht   eine   Decke,  oder   ein 
Kissen,  um  darauf  zu  sitzen?  Allein  Mose  sprach  also:  Weil  Israel 
6ich  in  Not  befindet,  will  auch  ich  mit  ihnen  in  Not  sein.  —  Und  wer 


334  IV.    Die  Gestaltung  der  Sitclichkeit. 

Vorsorge  für  die  Zukunft. 

§  494.   S.  Taanith  23«  die  Geschichte  von  der  Pflanzung 

Johannisbrotbaumes.1 
C    ero  schließt  aus  serit  arborem  auf  Unsterblichkeit; 


an  dein  Leid  der  Gemeinde  teilnimmt,  dem  wird  es  zuteil,  dalö  er  die 
l'rüslung  der  Gemeinde  sieht.  Sollte  aber  einer  sagen:  Wer  wird 
•II  mich  Zeugnis  ablegen?  Die  Steine  seines  Hauses  und  die 
Balken  seines  Hauses  legen  Zeugnis  gegen  ihn  ab,  wie  es  (HabakuU 
J,  1 1)  heißt:  „Denn  der  Stein  aus  der  Wand  schreit,  und  der  Sparren 
aus  dem  Gebälk  erhebt  die  Stimme."  In  der  Schule  des  H.  Sclula 
sagte  man:  l'ie  zwei  Dienstengel,  welche  den  Menschen  begleiten, 
sie  zeugen  wider  ihn,  wie  es  (Psalm  91,  1  1)  heißt:  „Denn  seine  Engel 
befiehlt  er  über  dich."  R.  ChidUa  sagt:  Die  Seele  des  Menschen  zeugt 
wider  ihn,  wie  es  (Micha  7,  .">)  heißt:  „Vor  der  in  deinem  Schöße 
Ruhenden  hüte  die  Pforten  deines  Mundes."  Und  einige  sagen:  Die 
Glieder  des  Menschen  zeugen  wider  ihn,  wie  es  (Jesaia  415,  1U)  heißt: 
„Ihr  seid  meine  Zeugen,  ist  der  Spru  h  d<  9  Ewigen."  Vgl.  Chagiga 
17»  und  Scheellot  zu  Haasinu  Nr,  1»/;'».     I'.  H. 

1  EL  Jochana  Ute  sich  jener  Fromme 

(Choni  .  |  mit  diesem  Schriflven  i  126,1):  „Stufen- 

hed.    Wenn  der  Herr  die  I  oschafl  Ziuns  zurückführt,  werden 

w.r  wie  die  Träumend'  Er  Sprach     Gibt  es  denn  einen,   der 

'ihre  schlummert  und  träumt?  Eines  Tages  ging  er  des  Weges 
und  sah  einen  Mann,  der  Johannisbrotbäume  pflanzte.  Er  sprach  zu 
ihm :  Nach  wieviel  Jahren  Iraj  Je  Früchte?  Dieser  erwidert« 

siebzig  Jahren  Jener    Ist  es  ...r  denn  gewii. .  g  Jahre 

leben  wirst?  Dieser  al  i  r  sprai  h    I  h  habe  die  Well  mit  Johannisbrot- 

nen  vorgefunden.  Wie  meine  Väter  lür  mich  gepflanzt,  So  pllaii/<- 
b   ich  (Ol  meinen  Sohn.     ChoiÜ  beizte  sich  hin  und  aü  Brot.     Da 
überkam  ihn  da   S  Iscbiummerte.     Eine  Felsengrotte  um- 

gab ihn,  machte  ihn  unsichtbar.    So  .schlief  et  70  J.thre.    Als  er  sich 
1  rhob,  Sah  er  einen  Muni,  der  von  einem  der  Johannisbrotbäume  die 
htc  .ibl.is.    Er  sprai  h  zu  ihm:    Bist  du  es,  der  ihn  c  ;  Qanil  h  it.' 


Vorsorge  für  die  Zukunft.  335 

sonst  ginge  ihn  ja  die  Zukunft  nichts  an.  Im  Talmud 
dagegen  schön:  Ich  habe  die  Welt  mit  Johannisbrot  ge- 
funden; meine  Vorfahren  haben  dafür  gesorgt,  meine 
Nachfahren  sollen  es  auch  finden. 

Weil  der  Johannisbrotbaumpflanzer  in  die  Vergangen- 
heit blickt,  so  sorgt  er  auch  für  die  Zukunft.  Die  gegen- 
wärtige Generation  erkennt  ihre  Abhängigkeit  von  der 
Vergangenheit,  darum  ist  Vorbereitung  der  Zukunft 
nötig.  —  Kontinuität  des  gemeinsamen  Lebens. 

Die  historische  Einheit  eines  Volkslebens  erzeugte  bei 
den  Rabbinen  eine  seltsame  Anwendung;  frühere 
Schuld  und  viel  spätere  Strafe;  wegen  der  grund- 
losen rraa  bei  den  wbSTQ  die  späte  HOS  am  9.  Ab.  S. 
Taan.  29  M 


Dieser  erwiderte:  Dessen  Enkelsohn  bin  ich.  Da  sprach  er:  Daraus 
entnehme  ich,  daß  ich  70  Jahre  geschlafen  habe.  Er  sah,  daß 
seinem  Esel  bereits  Enkelkinder  geboren  waren.  Er  ging  in  6ein 
Haus.  Er  sprach  zu  ihnen  (den  Bewohnern):  Lebt  der  Sohn  des 
Choni  ha-Meaggel  noch?  Sie  sagten  zu  ihm.  Der  Sohn  ist  nicht 
mehr,  aber  sein  Enkelsohn  ist  da.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  bin 
Choni  ha-Meaggel.  Sie  glaubten  es  ihm  nicht.  Er  ging  in  das  Lehr- 
haus. Er  hörte,  wie  unsere  Rabbinen  sagten:  Unsere  Halachoth  sind 
uns  so  klar  wie  in  den  Jahren  des  Choni  ha-Meaggel,  der,  wenn  er 
in  das  Lehrhaus  kam,  den  Rabbinen  jede  Schwierigkeit,  die  ihnen 
vorlag,  löste.  Er  sprach  zu  ihnen:  Ich  bin  es.  Sie  glaubten  es  ihm 
nicht  und  erwiesen  ihm  nicht  die  Ehre,  die  ihm  zukam.  Es  verzagte. 
Er  betete  inbrünstig  um  Erbarmen  und  starb.  Raba  bemerkt  dazu: 
Das  ist's,  was  die  Leute  sagen:  Genossen  —  oder  der  Tod!    D.  H. 

1  Der  Heilige,  gebenedeit  sei  er,  sprach  zu  ihnen  —  zu  dem  Volke, 
welches  in  jener  Nacht  (nach  der  Überlieferung  in  der  Nacht  des  9.  Ab) 
weinte   (siehe  Numeri  14,1):    Ihr  habt  ohne   Grund   geweint,  ich 


336  IV.    I>ie  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

er  das  religiöse  Gesetz  von  der  ncny  röty  und  die 
Bittlich  hohe  und  praktisch  bedeutsame  Ausdeutung  durch 
die  Kabbinen  ist  T.  1  §  73  zu  vergleichen. 

Zusammenschließung  der  Seelen. 

'•">.    Subjektive  Vereinigung  durch  objektive 

Geisteseinheit.  Wertvoll  ist  der  ziemlich  isoliert  in 
Beiner  ganzen  Denkweise,  aber  blitzartig  auftretende 
Ausspruch  bei  Schemtob  ibn  Falaquera  (ed.  Venet. 
8.  18):  nt  Trat  m  Mola  (D'rr^sem  d^id  CTonn)  v,t  dm 

131  nn«  ITEiD  DiTnWBi  nr\lR  Und  wenn  sie  (die  vor- 
1 1  *  tTlichen  Formen  und  Glück  Schaffenden)  auch  in  auf- 
einander folgenden  Zeiten  sind,  so  sind  doch  ihre  Seelen 
wie  eine  Seele. 

§49'i.  Kriegsdienst  i. Ohinnuch  Nr. 625.  Tüchtigkeit, 
Tapferkeit  und  treue  Ausdauer  im  Kriege  wird  zur  Pflichf 

nacht  und   i .:         bärft,  dafi  er  Weibi  - ,  si  inei 

Blinder  und  .seiner  Hab"  nicht  gedenken  und  mit  ganzei 
Kraft  auf  seinem  Posten  stehen  soll.  Treffend  bemerkt 
Chinnuch  §  526  dazu,  daß  kein  Criegsmann  wissen  kann, 
wieviel  iner  eigenen  Leistung  abhängt,  wieviele  seiner 

Mr  p  er  durch  sein  eigenes  Tun  retten  oder  verderben 

kann;  darum  i"t  jeder  für  da-  Schicksal  aller  verantwortlich. 

will  euch  i  ii  (begründetes)  Weinen  (nr  die  Zukunft  restsetsen. 
Dann  wird  < i.ir.mf  hing«  ,,  dafi  <I<t  erste  Tempel,  der  zweite 

ipol  und  Rii',li  Bethar  im  9    \\  terstöii  wurden. 


14.  Capitel. 

Kreise  der  Gesellschaft 

Zu  betrachten  sind  hier 

A.  Die  Koniniune  (Provinz,  ßeligionsgesellschaften 
usw.). 

ß.  Pflichten  des  Einzelnen  als  Bürger  (als  Mit- 
bürger: 'Dl  ülisn  *}»).     Aboth  II.  5. 

C.  Pflichten  der  Gesamtheit  (zur  Erziehung,  zum 
Schutz  des  Bürgers,  des  Verlassenen,  des  Gefähr- 
deten). 

D.  Öffentliches  Wohl.  (Hygiene,  Wasserläufe,  Ufer- 
wege, gewerbliche  Anlagen.  Gesundheitsrücksichten. 
Zug  nach  Westen.) 

Die  Kommune. 

§  497.  Daß  man  von  einer  sittlichen  Weltordnung  als  der 
einheitlichen  Gesamtheit  aller  sittlichen  Antriebe  und 
Leistungen  redet,  beweist,  welche  hohe  Bedeutung  dem 
Begriff  oder  dem  Wesen  der  Ordnung  in  ethischer  Be- 
ziehung beigelegt  wird. 

Schon  die  Natur  imponiert  uns  am  meisten  uüter  dem 
Gesichtspunkt   der    durch   Gesetzlichkeit    alles   einzelnen 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  11.  22 


338  iv.   Die  Gestaltung  der  SitUichke 

chehei  ;esicl  rten  Ordnung.  Die  durch  Äonen 
and  durch  jeden  einzelnen  Tai:  gleich  sehr  bestätigt«' 
^nung  im  Naturlauf;  Gestirne  und  ihr  Lauf  usw.  Waa 
wir  aus  Gründen  engerer  Zweckmäßigkeit  als  Störungen 
in  der  Natur  bezeichen,  verliert  seinen  störenden  Charakter, 
sobald  wir  die  Gesetzmäßigkeit  erkennen,  aus  welcher 
auch  diese  Ereignisse  hießen.  — 

Alles    universah'    Geschehen    ist   von    Ordnung   erfüllt, 
und    im   engeren  Bezirk   etwa   des  Erdballs   und  Beiner 
Gestaltung    sehen   wir  eine  aufsteigende  Reihe  von  Er- 
•  in,  welche  immer  größere  und  immer  wertvollere 
i  Irdnung  herbeiführen.   Treten  wir  in  den  engen  Kreis  des 
menschlichen,  sittlichen  Lebens  ein,  so  sehen  wir  schon  bei 
den  ersten  und  untersten  Bedingungen  d<         i  ihlichen Aus- 
bildung d  hr  bedeutende  Holle  spielen. 
Dae    11        resen    mit    Beinern    Behagen,   die    Leistung 
d<  r  Arbeit,  die  Führung  .  alle  Berufstätig- 
keit usw.  sind  erst  von  Erfolg,  wenn  ßie  dem  chaotischen 
[en  und  Ablassen  entzogen  und  einer  planmäßigen 
rfen  werden. 
■neu   Btören  alle,   alle  Handlungen  bemmeo 
alle  .     .  .  wenn   sich   nicht  jedes   in  einer  bestimmten  Ord- 
nung 1 

-  bule  leistet  nicht  am  wenigsten  einen  ungeheuren 

r  Bittliche  A  isb  Idung  durch  ihre  feste  Ordnung; 

bier    alles    Dach    den    mitwirkenden    Pei   Onen,    nach 

.    Dach  dem   Inhalt   der  Sachen  usw.  ge- 


I»ie  Kommune.  339 

ordnet  vor  sich  geht,  das  senkt  in  die  naive  und  empfäng- 
liche Seele  des  Kindes  das  leitende  Prinzip,  welches  dann 
in  allen  Zweigen  des  menschlichen  Lebens  herrschen  soll. 

Daher  auch  der  Ackerbau  mit  seiner  den  ^saturver- 
hältnissen  unweigerlich  und  fruchtbar  angepaßten,  alle 
Zeiten  des  Jahres  und  alle  Teile  des  Geschäftes  durch- 
dringenden Ordnung  so  viel  mehr  ethisch  erziehlich  wirkt, 
als  etwa  Jagd  und  Fischerei. 

Weit  über  die  sachliche  und  unmittelbar  dienende 
Wirksamkeit  der  Ordnung  hinaus,  liegt  das  formale 
Element  derselben.  Die  psychologische  Analogie  und  der 
selbst  wieder  geordnete  Aufstieg  von  einer  niederen  zur 
höheren,  von  der  äußeren  zur  inneren  usw.  endlich  bis 
zur  ethischen  Ordnung  sind  die  am  meisten  erziehenden 
Faktoren.  Unter  den  Ordnungen  aber  sind  die  kommu- 
nale und  politische  von  besonderer  Bedeutung.  Die  kirch- 
liche Ordnung  und  ihr  Erfolg  bildet  ein  zu  schweres  und 
weitgreifendes  Kapitel  und  darf  hier  übergangen  werden.1 
Sehr  viel  Gleichheit,  auch  sehr  viel  Gemeinsamkeit,  wenn 
es  deren  bedurfte  —  das  ist  die  starke  Seite  des  Gesamt- 
lebens im  jüdischen  Stamm;  aber  sehr  wenig  gegliederte 
Ordnung,  sehr  wenig  Unterordnung  —  das  ist  seine 
schwache  Seite  fast  immer  gewesen.2 


1  Über  Ordnung-  vergl.  oben  S.  163  ff. 

2  Jerusalem  ist  nach  dem  Talmud  zerstört  d.  h.  auch  der  Staat 
ist  zertrümmert  worden,  weil  die  Kleinen  und  Großen  darin  gleich- 
geachtet waren.     S.  Schabb.  119b. 

22* 


;uo  iv.  Di 

'S.  Streben  und  Wirken  für  das  Allgemeine  besitzt  eine 
reale  Macht.  S. Bammidbarr. Par. 21,Nr.l4  Zu  Numeri 

_'T.  1.")  u.  16:  „Und  Mose  redete  zu  dem  Ewigen  also:  Es 
setze  der  Ewige,  der  Gott  der  Geister,  einen  Mann  über 
die  Gemeinde"  wird  unter  Bezugnahme  auf  den  Aus- 
druck "CT!,  welcher  unsanfte  Anrede  bedeutet,  bemerkt: 
Wer  um  die  Bedürfnisse  der  Gemeinde  bittet,  gleicht 
einem,  der  mit  dem  Arm  (Gewalt)  kommt  ■  Gott  mub 
ihn  erhören. 

Ausdauer,  energische,  tapfere  Hingebung  an  die  Ge- 
samtheit,   auch    unter  Leiden    durch    dieselbe,   wird 

ordert  und  an  dem  Hei  piele  des  Muse  und  Jeremia 
erläutert.  Das  große  Vorbild:  Mose,  der  fortwährend 
unter    dem    Murren   und    der    Widerspenstigkeit    leidet. 

ibt    unermüdlich    in   der    Pur  S.   T.imhuma   A  b- 

schn.  rp~-.  „Und  Moses  schickl   Boten   von  Kade  cb  . 
B    dg  von  EdomH  (Num.  20,  i  i  .     l'.s-  ist,  w 

:.   steht   (Ps.  16,4):    „Und  nicht  Schmach  ti 
den,    der   ihm    nahe    i^t."      In   der   Well   ist's  üblich: 
Wenn  einer  mit  Beinern  Nächsten  i  abschließt 

D   bat.  so   wendet    !  r  sich   von   ihm   fort 
und  will  ihn  nicht  sehen.     Mose  aber  wurde  wegen  der 
I  raeliten  bestraft,  wie  es  heißt  (Psalm  106,  32  :   „Sie  er- 
zürnten bei  den  11  ,  lerwas  ern,  und  es  erging  dem  M 
üb.!   ihrel  Gleichwohl    schüttelte    er  ihre    1 

h1  von  Bich  ab.  ■:     „Und  Mose  schickte  Boten" 

Jeremia.    Sieh«   Jeremia  20,  7ff. 


Aufopfernde  Selbsfhingebung  des  Einzelnen  an  die  Gesamtheit.    341 

Aufopfernde  Selbsthingebung  für  das  Allgemeine 
berechtigt  zur  Würde  s.  Bammidbar  r.  Par.  15,  Nr.  20. 
„Und  der  Ewige  sprach  zu  Mose:  Versammle  mir  sieb- 
zig  Männer  von  den  Altesten  Israels,  von  denen  du  weißt, 
daß  sie  die  Altesten  des  Volkes  sind  und  seine  Auf- 
seher" (Numeri  11,  16).  Pharao  setzte  die  ägyptischen 
Dränger  (D^üli  vgl.  Exod  5,  10)  über  die  israelitischen 
Aufseher  (D*lt9ltP).  Die  Aufseher  aber  wurden  über  das 
übrige  Volk  gesetzt.  Als  Pharao  nun  zu  ihnen  sagte 
(das.  5,  7):  „Gebet  dem  Volke  nicht  mehr  Stroh",  kamen 
die  Dränger  und  zählten  die  Ziegeln.  Wenn  die  Zahl 
nicht  voll  war,  schlugen  die  Dränger  die  Aufseher,  wie 
es  heißt  (das.  5,  14):  „Und  geschlagen  wurden  die  Auf- 
seher Israels."  So  wurden  die  Aufseher  wegen  des 
übrigen  Volkes  geschlagen,  sie  überlieferten  sie  aber 
nicht  in  die  Hände  der  Dränger,  indem  sie  sprachen: 
Besser  wir  werden  geschlagen,  als  daß  das  übrige  Volk 
zu  Falle  komme.  So  sagte  dann  Mose,  als  der  Heilige, 
geb.  sei  er!  sprach:  „Versammle  mir  siebzig  Männer 
von  den  Altesten  Israels",  vor  dem  Heiligen,  geb.  sei 
er:  Herr  der  Welt!  ich  weiß  nicht,  wer  würdig  und  wer 
nicht  würdig  ist.  Der  Heilige,  geb.  sei  er!  sprach  aber 
zu  ihm:  „Von  denen  du  weißt,  daß  sie  die  Altesten  des 
Volkes  sind  und  seine  Aufseher",  d.  i.  jene  Altesten 
und  Aufseher,  die  sich  selbst  hingaben,  um  ihretwTegen  in 
Ägypten  für  die  festgesetzte  Zahl  der  Ziegeln  geschlagen 
zu  werden,  sie  sollen  kommen  und  diese  Würde  empfangen. 


iv.   Di  iltung  der  Bittliohkeit. 

Deshalb  beißt  69:  „Von  denen  du  weißt,  daß  sie  die 
Ältesten  des  Volkes  sind  und  seine  Aufseher."  Und 
weil  sie  si  h  selbst  hingaben,  um  für  die  Gemeinde 
schlagen  zu  werden,  deshalb:  „Und  sie  sollen  mit  dir 
die  Last  des  Volkes  tragen«  (das.  11.17).  Das  lehrt 
.lieh,  daß  d»r  öeili  er!  Bie  dem  Mo  ich- 

gestellt hat.  \'<>n  hier  kannst  du  lernen:  Wer  sich 
selbst  für  [srael  hinpibt.  erlangt  Ehre,  Würde  und  dm 
heiligen  Geist.  Deshalb  heißt  es:  „Von  denen  du  wi 
daß  sie  die  Ältesten  des  Volkes  Bind  und  seine  Auf- 
seher." Wer  Bind  diese?  Ks  sind  jene,  von  denen  ge- 
schrieben steht:  „Und  geschlagen  wurden  die  Aufseher 
Israels." 

19.  Gemeinsamkeit  der  Interessen  und  nament- 
lich der  öffentlichen.  Die  ökonomischen  Gesetze  müssen 
befolgt  werden  ohne  Rücksicht  auf  den  Eigennutz,  ohne 
Isolierung  der  Interessen.    S.  To8eftha,   Baba  kamma 

,;,    X.   28.      Z  od    in    einer    Wüste.     Der    eine 

h;ti    ,in    Paß    mit    Wasser,    der   andere    ein    Faß    mit 

dg.      Bekommt    «las    Paß    mit    dem    Wasser    einen 
Sprunf  gilt     die    behördliche    Verordnung,    daß 

dies« :     i  inen    Bonig   au        i    und   das    w  seines 

:.;,  Bie  in  bewohnte  Gegend  kommen. 

gibt  jener  ihm  da*  Geld  für  seinen  Bonig.    Denn  das 

\\  it  in  der  Wüste  da«   Li  ben,  aber  nicht  der 

Bönig  erhall  in  der  Wüste  dai   Leben.    MO  xm  mr 

~:-  m  ■  — -   -•-  •:--•  ;•:—•  ;-:-  :~:  nm  XI  ir»? 


Gemeinsamkeit  der  Interessen.  343 

Ferner  Tosephtha,  Baba  niez.  Perek  II,  28.  Sieht  einer 
Wasser  steigend  sich  ergießen,  so  ist  er  verpflichtet, 
einen  Damm  zu  errichten.  Dies  ist  der  allgemeine  Grund- 
satz: Für  alles,  was  einen  Geldschaden  bildet,  gilt  das 
Gebot  über  Rückerstattung  eines  Verlustgegenstandes. 

Dem  öffentlichen  Nutzen  und  Bedürfnis  muß  man 
Privatbesitz  opfern;  der  Eigner  eines  Waldes  am  Fluß- 
ufer muß  einen  bequemen  Weg  für  die  Schiffszieher  (vier 
Ellen  breit)  abholzen.     S.  Bab.  mez.  107 b. 

Die  Gemeinschaft  aller  in  der  Kulturarbeit  wird 
auch  darin  gesucht,  daß  der  Ungelehrte  für  den  Gelehrten 
arbeiten,  ihn  an  seinen  Erfolgen  Teil  nehmen  lassen  soll, 
so  wie  tatsächlich  der  Gelehrte  zugleich  für  den  Un- 
gelehrten arbeitet.1 

Maimonides  spricht  demjenigen,  der  sich  von  der  Ge- 
samtheit ausschließt,  auch  ohne  daß  er  gerade  Gesetze 
übertritt,  sondern  nur  eben  aller  Teilnahme  an  ihrem 
Gesamtschicksal  sich  entschlägt,  die  Seligkeit  ab.  S.  Hil. 
Teschuba  III,  6  und  11. 

Allgemeinheit  des  Gesetzes.    Zu  beachten  ist  die 


i  Vergl.  Raschi  zu  Deulcr.  33,  18:  „Freue  dich,  Zebulun,  bei 
deinem  Ausgange  und  Isachar  in  deinen  Zelten."  Zebulun  und 
Isachar  schlössen  Gemeinschaft.  Zebuion  wohnte  an  der  Meeres- 
küste und  zog  in  Schiffen  zum  Handel  aus  und  erzielte  Gewinn 
und  tat  in  den  Mund  des  Isachar.  Diese  aber  saßen  und  be- 
schäftigten sich  mit  der  Thora.  Deshalb  stellt  die  Schrift  den 
Zebulun  dem  Isachar  voran.  Denn  die  Thora  des  Isachar  kam 
durch  Zebulun  zustande.     D.  H. 


IV.  Die  ler  Sittlichkeit. 

praktische  Bedeutung  der  Allgemeinheit,  der  Kantischen 
.  I  I  du  wollen  kannst  usw.-'    Blumen 

pflücken  —  Rasen  betn-ten  —  den  Ort  der  entstehenden 
ihr  fliehen  usw. 
Zu  ingular  nach  dem  allgemi  nun 

•     in  ihr  erntet,  Bollst  du  nicht  die  ICcke  o 
nehmen",  Levit  19,  9.  rttrn  vb  .  .  osispai 

i  will  den  Span   vom    1!  icht  nehmen,  weil, 

wenn  es  alle  täten,  das  Bolz  bald  verschwunden  wäre, 

Einschränkung  der  Eigentumsrechte. 

»0.   Obgleich  Felder  und  Weinberge  Privateigentum 
sind  und  der  Zutritt  sonst  verboten  ist,  so  i->t  er  doch  jed<  in 
Verirrten  gestattet,  um  dadurch  auf  dem  kürzesten  Wege 
sder    auf    den    rechten    Weg    zu   kommen.     St  hr  Bchön 
wird    hinzugefügt,    „denn    nur    unter    Bolcher    B  unur 

hat  Josua  das  Land    verteil  .      S.  To  eftha,  Haha  me& 
Per.  II.  2a     VergL  Baba  kamma  81b. 

l.  Wenn  Eigenwille  -ich  gegen  Autorität  auf- 
lehnt, dann  Bchwindel  tufenordnung  der  Gesellschaft 
und  die  Würdigung  des  Guten.  —  I  nutz  verblendet 
und    verkehi            urteil,   das  (inte   wird    schlecht  und 

mannt,   und  dann  :      b  allgemi  iner 
b  XIV,  7.    5  □  zahl- 

en  wurden   Bolche,   die   die  Q   ben   deiner  Güte   wie 
r  hinnehmen  und  die  die  Gaben  deiner  Güte  mitGe* 

i  auch  zahlreich  •  on  denen 


Auflehnung  des  Eigenwillens  gegen  die  Autorität.  345 

das  Schriftwort  Richter  16,  7  gilt):  „Jeder  tut,  was  recht 
in  seinen  Augen",  und  das  ganze  Reich  verdarb  und  welkte 
stetig  hin.  Seitdem  zahlreich  waren:  „Jeder  tut,  was 
recht  in  seinen  Augen",  wurden  die  Niederen  hoch  und 
die  Hohen  niedrig.  Seitdem  zahlreich  wurden  die  Miß- 
günstigen und  Habsüchtigen,  das  sind  die  Blutvergießer, 
wurden  zahlreich  die  Hartherzigen,  und  jeder  verschloß 
die  Hand  vor  seinem  Genossen.  Seitdem  zahlreich 
wurden  solche  (von  denen  das  Schriftwort  Ezech.  33,  31 
gilt):  „Nach  ihrem  Eigennutz  wandelte  ihr  Herz",  wurden 
zahlreich  solche  (von  denen  das  Schriftwort  Jesaia  5,  20 
gilt):  „Sie  nennen  das  Böse  gut  und  das  Gute  bös". 
Seitdem  zahlreich  wurden:  „Sie  nennen  das  Böse  gut 
und  das  Gute  bös",  wurde  die  ganze  Welt  voll  Wahn. 
Deshalb  wird  das  öffentliche  Interesse  als  das 
wahre  eigene  eingeschärft.  Siehe  die  hübsche  Legende 
Toseftha,  Baba  kamma  Perek  II,  13.  Eine  Geschichte 
von  einem,  der  die  Steine  aus  seinem  Acker  nahm  und 
sie  in  das  Gebiet  der  Gesamtheit  legte.  Ein  Frommer 
trat  an  ihn  heran  und  sprach  zu  ihm:  Warum  legst  du 
Steine  aus  einem  Gebiete,  das  dir  nicht  gehört,  in  ein 
Gebiet,  das  dir  gehört?  Jener  lachte  über  ihn.  Nach 
einiger  Zeit  kam  jener  Mann  in  Not  und  verkaufte  seinen 
Acker.  Als  er  dann  über  jene  Stelle  ging,  strauchelte  er. 
Da  sprach  er:  Nicht  umsonst  hat  jener  Fromme  mir  ge- 
sagt: Siehe,  du  legst  Steine  aus  einem  Gebiete,  das  dir 
nicht  gehört,  in  ein  Gebiet,  das  dir  gehört. 


IV.  Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

cb  mit  den  Öffentlich  n   Angelegenheiten  beschäftigen, 

sieb  in  den  Dienst  derselben  stellen,  wird  der  höchsten 
idealen  Tätigkeit  gleich  gesetzt.  S.  j>r.  Berach.  V,  L. 
Ausspruch  des  11.  Jirmja:  Wer  sich  mit  den  Bedürfnissen 
der  Gesamtheit  beschäftigt,  gilt  so.  als  wenn  er  sich  mit 
dem  Stadium  des  Gesetzes  beschäftigte.    TUM  WM  pDiyn 

mir,  na*o  poiya. 

Öffentlicher  Dienst.  Rabban  Gamliel  und  Beine 
A  •  äg<  enzuJabne  haben  bei  der  Beschäftignngmit 
öffentlichen  Angelegenheiten  keine  Unterbrechung 
eintreten  lassen,  um  n^Dm  V  p  zu  üben,  um  nicht  ab- 
gezogen zu  werden.     S.  Toseftha,  Berach.  Perek  II,  4. 

Über  die  Pflichten  der  Gesamtheit.1 

I  >a-  öffentliche  W  ohl. 

§  5' 12.  ine   Lücke  im  Aufbau  des  rabbinischen 

lankenkri  larf  man  es  betrachten,  daß  neben  der 

staltung  der  sittlichen  Persönlichkeit  mit  ihrem  reinen 

und   ernsten    Wollen    nur   die    Handlung  des    Einzelnen 

als  die  I«  und  Liebestal   von  einem  zum 

andern,  zur  vollen  Geltung  kommt    I*  i  tritt  Bowohl 

allseil  -■    Ausbildung   der  Kräfte,  wie  die  Bachli< 
Kultu:  fang  (die  in  der  griechischen  und  römischen 

'   i  ■  \  ichnitt  findet  nch  im  Manuskript  kein  MaterieX 


Pflichten  der  Gesamtheit  gegen  den  Einzelnen.  347 

Denk-  und  Lebensweise  dort  vorwiegend  auf  Schönheit, 
hier  auf  Rechtsordnung  und  Staatsmacht  gerichtet,  im 
Vordergrund  stehen)  fast  gänzlich  zurück.  Nicht  ab- 
geneigt und  feindlich  steht  der  rabbinische  Geist  den 
weltlichen  Dingen  gegenüber,  aber  daran  fehlt  es,  daß» 
die  sittliche  Idee  als  organisatorische  Macht  dieselben 
ergriffe  und  beherrschte.  Organisatorische  Tätigkeit 
und  Erfindung  ist  niemals  die  Stärke  des  jüdischen 
Geistes  gewesen.  Mit  voller  Offenheit  und  Wahrhaftig- 
keit berichtet  die  Bibel  nicht  bloß  von  dem  Heranziehen 
fremder  Bauleute  zur  Herstellung  des  Tempels,  sondern 
höchst  charakteristisch,  daß  die  erste  organisierende  Ein- 
richtung zur  gedeihlichen  Teilung  der  Arbeit  dem  Rate 
eines  Fremden  (Jithro)  verdankt  wird.  In  der  Herstel- 
lung einer  sozialen  Lebensordnung  hatte  die  älteste  Ge- 
setzgebung einen  glänzenden  Anlauf  genommen;  die  Acker- 
verteilung mit  dem  Ausschluß  einer  dauernden  Verarmung 
einer  Familie  ist  ein  unvergleichliches  Denkmal  von  Weis- 
heit und  Fürsorge;  aber  schwerlich  ist  sie  jemals  voll- 
kommen realisiert  worden,  und  noch  weniger  ist  ein  Fort- 
bau der  Institution  mit  den  veränderten  und  erweiterten 
Verhältnissen  wahrzunehmen.  Wenn  Jeremia,  dieser  gei- 
stige Riese  in  einem  Geschlecht  von  Zwergen,  es  dahin 
bringt,  die  Sklaven  frei  zu  geben  und  damit  die  Gesell- 
schaftsordnung auf  eine  höhere  Stufe  zu  erheben,  so  steigt 
die  Masse  bald  wieder  von  derselben  herab.  Für  das 
rabbinische  Zeitalter  kann  man  geltend  machen,  daß  mit 


IV.    D  .        ■   ler  Bittliobkeit 

.  Versen  wind  eil  des  eigenen  Staatslebens  die  Macht 
und  Gelegenheit  zu  einer  selbständigen  Kulturgestaltung 
und  Gesellschaftsordnung  ebenfalls  dahin  ist.  Daher  nur 
Ordnung,  Wohltätigkeitsübung,  Familienbezie- 
hungen, Verhältnis  von  Lehrer  und  Schüler.  Alles  fein 
durchdacht,  zart  ausgebildet  and  mich  fest  geordnet; 
während  aber  die  geistige  Einheit  der  Gesamtheit 
fordert  und  der  Kulturgehalt  des  Individuums  erstrebt 
wird,  fehlt  es  an  der  Ordnung  der  Gesellschaft  und 
des  öffentlichen  Geistes.  Dal  es  aber  im  innersten 
Grunde  d  sung  des  sittlichen   Grundgedankens, 

Übergewicht  des  Persönlichen,  das  innerlich  Moralische 
ist,  welches  jene  Lücke  hervorbringt,  dies  erkennt  man 
ans  dem  ähnlichen  Verhältnis  innerhalb  des  Christentums. 
War  den  .luden  d  atsleben  durch  Gewall  entrissen, 

so  hat   da    I  "  b   \  in  demselben  freiwillig  ah- 

let    Der  ]         ;  war  der  gleiche,  und  er  wird  von 
Bücken    treffend    charakterisiert.       i.  anschannn 

Her    I  >enl        3.  186         ..1  >ie    Arbeit   an    dem    Sach- 
alt der  Dinge,  d  bändliche  Wirken,  die  Kultur 
mg  kommen   nicht   zur  vollen  Entwicklung 
und  Schätzung.     I1          »er   wird    auch   zur  Einbuße  für 
da            inliche  Leben  selbst,   indei  i  -'dir  auf  die 
•i    Hin/einen    zu    I          Inen    I  hränkt 
wird,  zu  ■                 allgemeinen  Verhältnisse,  di<  1 1 
und    Kulturarbeit    er              Da                      Q      hichte 

itlich  vor  Augen.     Bei   aller  kirch- 


Das  soziale  Problem.  349 

liehen  und  hierarchischen  Machtentwicklung  war  es  viel 
zu   wenig  bemüht,    den  Geist   seiner  neuen  Welt  in  die 
allgemeine   Ordnung    der   Dinge    einzuführen.      Als    das 
Christentum  den  Sieg  über  die  alte  Welt  davongetragen 
hatte,   hat   es  keineswegs  versucht,   die  Gesellschaft  als 
Ganzes  neu  zu  errichten.     Bei  aller  Aufrufung  der  Ein- 
zelnen zur  Mildtätigkeit,  bei  aller  Arbeit  gegen  Not  und 
Elend  blieb  das  Erfassen  des  sozialen  Problems  als  eines 
Ganzen  der  Neuzeit  vorbehalten.    Nicht  das  Christentum, 
sondern   die    moderne  Humanität   hat    die  Sklaverei  als 
gesellschaftliche  Ordnung  aufgehoben.    Bei  aller  Empfeh- 
lung  friedfertiger    Gesinnung   hat   das  Christentum    den 
Kampf  gegen    den   Krieg    als   Einrichtung    des   Yölker- 
lebens    noch  immer   nicht  mit  Nachdruck  aufgenommen. 
Ja  selbst  den  Verhältnissen  von  Mensch  zu  Mensch  droht 
eine  einseitige  Gestaltung,  indem  die  geistige  Arbeit  nicht 
voll  in  die  Aufgabe  eingeschlossen  wird.    Die  Liebe  und 
Fürsorge     nimmt    eine    vorwaltende    Richtung    auf    die 
Elementarbedingungen  der  physischen  Existenz  und  geht 
oft  gleichgültig,  ja  hart  hinweg  über  die  inneren  Kämpfe 
des  zur  Wahrheit   und  Weite    eines  Weltlebens  aufstre- 
benden Geisteswesens." 

Wir  haben  heute  in  einer  Ethik  des  Judentums  nicht 
mehr  die  einzelnen  Rechtsgesetze  oder  das  Rechtssystem, 
noch  auch  die  auf  engeren  oder  weiteren  moralischen  Er- 
wägungen begründeten  Polizei-,  Markt-  und  Verkehrsvor- 
schriften   zu   erörtern.     Diese   haben  für  uns   nur  noch 


350  iv.  Die  Gestaltung  iet  Sittlichkeit. 

einen  historischen  Wert,  da  wir  in  der  Praxis  der  Ge- 
sgebung  des  Staates  und  seinen  Anordnungen  folgen 
Nur  der  allgemeine  Rechtsgedanke  nach  talmudischer 
Auffassung  ist  zu  erörtern,  inwiefern  er  das  ethische 
Prinzip  der  G  btigkeit  und  die  moralische  Gesinnung 
der  Rechtlichkeit  zum  Ausdruck  bringt  I5ei.li'>  aber,  die 
feine  und  scharte  Durchbildung  des  Rechtes  und  die 
strenge  Einschärfung  desselben,  treten  oft  auch  in  den 
ziellen  Forderungen  und  Ordnungen  des  Talmuds  her- 
vor und  stellt  seine  Urheber  auf  die  Hohe  der  heutigen 
Gesetzgebung. 

S  503.  Im  letzten  Grunde  besteht  das  Lebensideal  des 
Rabbinismus  in  der  möglichsten  Zurückziehung  aus  dem 
gemeinen  Weltlauf,  in  einer  gewissen  Gleichgültigkeit  gegen 
die  gestaltenden  Fennen  d<  !'  -ins,  dagegen  in  dem 
\  fbau  einer  Welt  der  Innerlichkeit,  der  Gesinnung, 
einer  unmittelbaren  Beziehung  des  menschlichen  Wollene 
auf  den  göttlichen  Willen.  Deshalb  wird  die  geistige 
Tätigkeit,    die   Erforschung  des  Gesetzes,   aufs   hoch 

d  nun  aber  von  den  einen  als  da    Wesent- 

licl  das  Ziel.  Tjry,  die  Tat  und  nicht  der  Gedanke 

hingestellt  wud,  von  den  anderen  «war  das  Studium  l>e- 

vorzugt  ist,  aber  doch  mit  der  Begründung,   weil  es  zur 

toten  Ta'  führe,'  so  ist   oicht   zu  rergessen,   daß  die 

i  Kiddm  j,  n    10       i:    i   rfon   und  die  Allen  waren  im  Soiirr 

m  Nitbza    im   Lydda   versammelt,     i'a   wurde  ihnen 

•  iirsr  r  ■  •  m      i  Studium  «richtiger,  oder  ist  die  Tat 


Gesetzstudium  und  Kulturarbeit  351 

Tat,  ntyyon,  hier  nicht  etwa  Kulturtätigkeit,  Lebensgestal- 
tung, Werkschöpfung,    sondern   eben   nur  Erfüllung  der 
einzelnen  sittlichen  und  religiösen  Gebote  bedeutet.    Also 
nur   in    dem  Sinne    wird  von  der  geistigen  Arbeit,    dem 
Studium,    der  Lehre   auf  die  Tat  hingewiesen,    daß  jene 
nicht  eine  leere  und  hohle  Gedankenschöpfung,   sondern 
eine  von  der  Gesinnung  und  Willensenergie  erfüllte  und 
auf  Verwirklichung    des  Erkannten    gerichtete    sein  soll. 
Wenn  dann  ferner  neben  dem  Gegensatz  von  PTIÖ  und 
Pltyye,  also  Gedanke  und  Tat,   der  andere  von  Gesetzes- 
studium  und  Kulturarbeit,  min  und  FQkVö,  welche  sogar 
vorzugsweise  als  Handwerk  gedacht  ist,  auftritt,  so  wird 
zwar    das  Zusammengehen    dieser   mit  dem  Studium  ge- 
fordert und  mit  aller  Weltflucht  auch  die  ausschließliche 
Forschung  abgewiesen,    weil   eben  der  Weltbestand  und 
damit   auch   der  Bestand    der  geistigen  Tätigkeit  selbst 
davon  abhängig  ist  (Aboth  II,  2  und  III,  21);  dennoch  aber 
herrscht   durch   lange  Zeiten    die   Vorstellung,    daß   die 
Früheren,  welche  die  Besseren  gewesen,  das  Studium  als 
Hauptsache,  die  weltliche  Arbeit  aber  als  Nebensache  be- 
trachtet hätten.   "Di  bs>v  ]ro*6öi  ip^  ]min  vn  d^wkvi.1 


wichtiger?  R.  Tarfon  hub  an  und  sprach:  Die  Tat  ist  wichtiger. 
R.  Akiba  hub  an  und  sprach:  Das  Studium  ist  wichtiger.  Alle 
aber  stimmten  überein  und  sprachen:  Das  Studium  (der  Thora)  ist 
wichtiger,  denn  das  Studium  führt  zur  Tal.  Vergl.  Sanh.  74 a; 
j.  Sanh.  III,  21 b  ob.  und  Sifre,  Debarim  zu  Deuter.  11,  13. 

2  Berachoth  35 b.      Komm  und  sieh!     Nicht  wie    die    früheren 
Geschlechter    sind    die    späteren   Geschlechter.     Die    früheren   Ge- 


IV.   nie  Gestaltung  der  Bittliohkeit, 

1  >t  also  der  Ausbau  einer  inneren  Gedankenwelt,  die 
Erfüllung  und  Erhebung  des  Geistes  durch  unablässige 
igkeit  das  Ideal  der  Etabbinen,  so  kann  man  es  nur 
der  Ungunst  der  harten  und  rauhen  .Jahrhunderte  zu- 
schreiben, wenn  sich  beim  Überblick  über  die  Gesamt- 
löpfung  der  Talmude  und  Midraschim  zeigt,  daß  der 
Gei-t    der  Lehrer   und   Meister   nicht   immer  auf  seiner 

d  Böhe   stand,   daß   das.   was   nach  ihrer  e 
Lehre  und  Gesinnung  das  Eöchste,  was  in  ihrem  Denken 
für  die  wahre  Veredlung  der  Mensehen  grolj  und  frucht- 
bar gedacht  war,   nicht  auch  das  Allbeherrschende 

en.      Es    konnte    deshalb    auch   nicht  verhindern,    daß 
daneben  jene  mit  einem  erstaunlichen  Aufwand  geisti 
Kraft  und  Arbeit  erzeugl  Forschung  emporkam, 

welche  streu-  und  Bcharf,  aber  auch  peinlich  und  klein- 
lich b<  »rs  die  Bitualgesetze  auslegte  und  feststellte 
und  die  Übung  derselben  als  Lebenstat  auffaßte.     1). 

,nd  Peinlichkeit  d<  iidiums  und  der 

rfüllung,   im  Sinne  dir  Etabbinen  selbst   immer 
mit   dei     Vorzug   beha    et,   daß         dabei    stets  um  die 
Hing,   um    den  auf  Beine  Gesetzlichkeit  gerichteten 
Willen  Bich  handelt,  konnte  die  große,  reine  und  frucht- 
en  die   Thora  bui    festen   Pfl  bl  und   die 
ho,  und  diese  wie  jene  batle  bei  ihnen 
schier  baben  die  Werk  i  u  festen 
i  unu  die    l  bot  i  lui                      i        vedei  ,: 

D   II. 


Gesetzstudium  und  Kulturarbeit.  3B3 

bare  ethische  Gedankenwelt  der  Rabbinen  nicht  ver- 
dunkeln, aber  es  mußte  sie  beengen,  und  hat  sie  tatsäch- 
lich an  ihrer  wissenschaftlichen  Ausgestaltung,  besonders 
aber  auch  an  der  Hineinbildung  in  die  wechselnden  und 
fortschreitenden  Kulturverhältnisse  gehindert.  Hier  liegt 
deshalb  auch  vorzugsweise  die  ethische,  wissenschaftliche 
Aufgabe  der  Gegenwart  und  Zukunft  des  Judentums. 


Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II. 


23 


15.  Capitel. 

Hier  sind  zu  betrachten: 

A.  Der  Staat. 

B.  Die  Staaten  u.  Völker. 

C.  Die  Menschheit,    (Messianische  Hoffnungen  und 
messianische  Pflichten.) 

Der  Staat. 

§  504.  Die  Ethik  ist  keine  Politik.  Diese  ist  eine  Kunst, 
.  wenn  dir  Reg«  In  Qu  er  A.usübung  auf  Prinzipien  zurück- 
Ihrt  und  dargestellt  werden,  dann  wird  sie  zur  Wissen- 
schaft. 

Die  Politik  hat  vorzugsweise  alle  Bedingungen  eines 
Staates,  welche  durch  Natur  und  Geschichte  des  Landes 
und  der  Bewoh]  geben  Bind,  zu  beachten.     Deshalb 

ist  für  den  modernen  Staat  und  ebenso  für  das  moderne 
Judentum   die  Politik  auf  ganz  andere  Grundlagen 
stellt,  als  etwa  die   biblischen  oder  nachbiblischen  Zeiten 
des  jüdischen  Altertums  aufweisen. 
Die  Beziehung   zur   Ethik   Lsi  im    ganzen  Ablauf  der 
chichte    der    Mens«  bheil    i  Ind;    ja    diese    Be- 

siehung   bildet   einen  blichen  Teil   der   beschichte 


Der  Staat.  3B5 

überhaupt.  Bei  Aristoteles  ist  Politik  die  Hauptsache, 
bei  Plato  wenigstens  in  der  Form,  aber  so,  daß  seine 
Ethik  sich  in  der  Tat  nach  der  Politik,  die  ihm  vor- 
schwebt, gestaltet.  Die  Propheten,  besonders  Jeremia, 
fordern,  daß  die  Politik  sich  nach  der  Ethik  gestalten 
soll  —  (Religion  und  Ethik  fallen  an  diesem  Punkte  zu- 
sammen). 

Die  Politik  des  hebräischen  Altertums  ist  uns  gleich- 
gültig; sie  hat  nur  historische  Bedeutung  und  kann  auf 
unser  heutiges  politisches  Denken  nur  geringen  Einfluß 
üben.  Was  uns  heute  noch  interessiert,  sind  nur  die  ethischen 
Maximen,  welche  in  den  politischen  Vorschriften  jener 
Zeit  enthalten  sind.  Hier  haben  wir  nur  einzelne  Punkte 
hervorzuheben,  z.  B.  die  allgemeine  Wehrpflicht,  die 
Staatsleitung  ohne  Geburtsaristokratie,  die  Bezeichnung 
der  Eigenschaften,  -wonach  die  Personen  gewählt  werden 
sollen.  Eine  Aristokratie  der  Tugend,  der  Tauglichkeit 
und  Tüchtigkeit;  vor  allem  der  Hingebung  ohne  Egois- 
mus: JJSn  *KÄW  (Exod.  18,  21).  Das  Königsgesetz  (Deuter. 
17,  14—21)  ist  in  jedem  Wort  zu  studieren.    '13  *npl  )b  3Jm 

Die  Gesetze  über  Kriegführung.  Wohl  zu  unter- 
scheiden sind  hier  die  politischen  Kegeln,  welche  den 
Zeitumständen  und  momentanen  Zielen  entsprachen,  von 
dem  ethischen  Hintergrund.1 


1  Ein  Anhang  zu:  DD"*inn  mnn  erscheint  uns  sehr  grausam; 
es  ist  Politik.  Aber  die  Feindschaft  gegen  das  Unsittliche  der 
umwohnenden    heidnischen  Völker   mußte   gestachelt   werden,    die 


23* 


IV.    Pie  Gestaltung  der  Bittliohki 

" .  Der  Einzelne  kann  nicht  heilig  Bein,nur nachHeilig- 
keit streben;  v>\r  werden  nur  vergleichsweise  mit  anderen 
denjenigen  Menschen  heilig  nennen,  welcher  nicht  blolJ 
ganz  auf  das  Sittliche  gerichtet,  sondern  ilarauf,  daß  seine 
volle  Hingebung  auf  die  Versittlichung  aller  anderen 
ichtet  ist  Auch  jedes  Volk  soll  zur  Versittlichung 
aller   Völker  beitragen. 

I  »ieser  Begriff  und  die  Aufgabe  der  Vereinigung  folgt 
aus  dem  Begriff  und  der  Natur  der  Heiligkeit  Belbst 
Denn  heilig  ist  diejenige  sittliche  Anschauung,  welche 
immer  unbedingt  das  Sittliche  zur  Erscheinung  bringen, 

wirklichen  will.    Nun   erscheint  zwar  das  Sittliche 
immer   in    den    Pei  in    ihren  Motiven    und  Hand- 

lungen; in  den  einzelnen  Personen  und  in  den  gebildeten 
Einheiten,  Gemeinschaften  derselben     Aber  in  dem  Be- 

I  der  Heiligkeit,   der   absoluten  Sittlichkeit,  liegl 
dali  es  sich   gar  nicht  bloß  um  die  Personen,  sondern 
um   d       Sittliche    selbst    handelt;    ob    in    dieser   oder 

I  .  in  diesem  oder  jeni  m  Volke,  ob  jetzl  oder  in 

Z  ikunft  —  darauf  komml  es  an,  sondern  daß  das  Sittliche 
zur  T  •        e  werd  das  Gresetz  der  Sittlichkeit  er- 


.  tr    w.ir    EU  proß,  .---..  .;,;t  wvnlni, 

drohte. 

1«    man    die   Kampfe    und  Rampl  <ler 

Muhammedanismus  mit  dii 
Von  i)  ver   3000  Jahren.     Daneben  vergleiche  man  det 

An-r.i'.  i)  c^nn, 

- ---   -:  ■     •;'"."-;•  einzuschiffen. 


Staat  und  Sitcliohkeit.  357 

füllt,  daß  die  Idee  der  Sittlichkeit  eine  Eealität  werde. 
Darum  verschwindet  auf  dieser  Höhe  der  Betrachtung 
jeder  Unterschied  von  Mensch  und  Mensch,  Person  und 
Person,  Volk  und  Volk;  alles  ist  zur  Sittlichkeit  be- 
rufen. 

Aber  was  der  Sittlichkeit  fähig,  ist  durch  das  Band 
des  gemeinsamen  Berufes,  der  einigen,  in  allen  gleichen 
Aufgabe  vereinigt. 

Eine  der  vorzüglichsten  Leistungen  des  Staates  ist 
die  Erziehung  —  sowohl  der  Erwachsenen,  wie  des  nach- 
wachsenden Geschlechts. 

Zunächst  Erziehung  der  Erwachsenen.  So  wie  man 
von  der  Selbsterziehung  des  Erwachsenen  spricht,  dessen 
innere  Fortbildung  nicht  aufhören  soll,  so  auch  von  Er- 
ziehung der  Bürger  durch  den  Staat.  Sodann  Erziehung 
der  Kinder,  nicht  bloß  durch  die  Schule,  denn  diese 
könnte  überwiegend  der  Technik  des  Lebens  augehören, 
sondern  die  sittliche  Erziehung.  Das  Leben,  welches  der 
Staat  in  seinen  Funktionären  und  seinen  Bürgern  führt, 
soll  auch  auf  die  Kinder  erziehend  wirken.  Dies  ist  nicht 
der  Grund,  auch  nicht  die  Korm  und  Richtschnur  für 
die  Politik;  diese  ruhen  in  der  politischen  Idee  selbst. 
Aber  als  ein  Erfolg,  welcher  mit  dem  Staatsleben  ver- 
knüpft ist,  muß  auch  diese  Erziehung  betrachtet  werden. 

E3  verhält  sich  damit  genau  so,  wie  mit  dem  sittlichen 
Leben  der  Eltern  und  Lehrer.  Sie  wirken  auf  die  Kin- 
der durch  das  Beispiel.    Um  es  kurz  zu  sagen:  Sie  sollen 


IV     Die  Gestaltung  der  Sittlichkeit. 

Dicht   deshalb  der  sittlichen  Idee  folgen,  BOndera  weil 

lichkeit  ihre  Pflicht  ist;  über  es  wächst  ein  starkes 
und  würdevolles  Motiv  hinzu,  daß  sie  Vorbild  der  Kinder 
sein  sollen. 

Das   Verhältnis  von  Staat  und  Rocht. 

506.  Wohl  ist  Recht  ein  integrierender  Teil  des  Staats- 
lebens, die  Staatsidee  ist  von  der  Jdee  der  Gerechtig- 
keit untrennbar.  —  Aber  nicht  das  Recht,  die  Idee  des 
Rechts,  hat  dem  Staate  zu  dienen,  sondern  der  Staat  hat 
Idee  des  Rechts  zu  dienen 
Gerechtigkeit  ist  der  ideal»' Zweck,  und  die  Form  de- 
Staats nur  das  Mittel  zu  seiner  Verwirklichung. 

Die  Wechselwirkung  von  Staat  und  Recht.    Das  Recht 

darf  —  auch  im  Staatsinteresse,  zu  seinem  Nutzen   nicht 

.    t    werden.     «U   Eönn   PIpS   (Proverb.  14,  34).      Das 

Eöl  iD  ist  zu  urgieren. 

Audi  in  der  „Verwaltung"  muß  Gerechtigkeit  herr- 

•II.  obgleich   sie  nicht   immer  kodifiziertes  Recht  ist 

Der  Staat  ist  weitaus  Dicht  bloß  eine  Rechtsgesellschaft, 

P    er   hat    die  Pflicht,    dem   Rechte  zu  dienen,    indem 

er   nicht   bloß   was  Rechtens  ist  zur  Ausführung  bringt 

die  Exekution  des  Rechts  als  einen  Teil  der  Re- 

erung  ausübt  .       dem  da  die  erste  Schöpfung  des 

!:■    ;•  ••■   überall   vorangeht,  hat  er  für  die 

Erhaltung    und    Portbildung    d<      Rechts   zu    sorgen. 

^  das  B      •  bewußtsein,  die  Rechtsbegriffe  und 


Nation  als  Einheit.  359 

ihre  Anwendung  auf  die  gegebenen  (oder  neu  auftauchen- 
den) Verhältnisse  sich  im  Volksgemüt,  im  öffentlichen 
Geiste  —  vielfach  unter  Führung  der  wissenschaftlichen 
Denkarbeit  —  entwickelt,  hat  der  Staat  für  die  Hinein- 
bildung dieses  Bewußtseins  in  die  Institutionen  oder  die 
Ausbildung  dieser  und  der  Gesetze  aus  jenem  zu  sorgen. 

Nation  als  Einheit. 

§  507.  Schwabe  und  Ostpreuße  sind  schwer  zusammen- 
zuzählen, aber  die  Gemeinsamkeit  des  nationalen 
Handelns  muß  die  Grundlage  der  Einheit  bilden.  Die 
Einheit  und  ihre  steigende  Bedeutung  ist  eine  ethische 
Forderung,  welche  jedoch  die  Mannigfaltigkeit  nicht 
aus-,  sondern  umschließt. 

Der  Wert  der  Institutionen  ist,  —  durch  ihre  Dauer 
und  weil  sie  in  der  Folge  dem  Individuum  vorangehen, 
es  in  sich  aufnehmen  und  ausbilden  —  nach  „Syn- 
thet.  Ged."  und  das  Verhältnis  des  Individuums  nach 
„Einzeln  und  Gesamtheit"  zu  geben. 

Die  Institutionen  sind  allemal  nur  Mittel  zum  eigent- 
lichen Zweck,  können  daher  auch  wechseln.  Aber  der 
Talmud  ist  überall  praktisch;  darum  faßt  er  die  Aufgabe, 
TOD,  überall  individuell:  (wie  in  TOST1  ]ö  ttTlsn  b», 
Abot  IV,  7). 

Eigennutz,  Parteiung  auf  Gegenseitigkeit  führt 
zur  Willkür   und   zur  Anarchie,   denn   es   ist  gegen  die 


360  IV.    Die  Gestaltui  Ltttidhfc 

Wahrhaftigkeit  in   der  eigenen  l  berzeugung.     S.  Tosef- 

tha  Sota,  Perek  XIV,  7:  Die  Politik  ist  korrumpiert 

Vaterland    An  dem  Pflichtkrieg,  d.h. Krieg  fürs 

Vaterland  □  alle  teilnehmen,  selbst  der  Bräutigam 

und  die  Braut.    S.  Sota,  Mischna  VI  II,  7. 

Staat  und  R  egierung. 

§  508.  Die  politischen  Ansichten  waren  bei  den  Rabbinen 
aul'  Grund    verschiedener    Tatsachen    und    Erfahrungen 

bereits  ebenso  verschieden  wie  heute  bei  den  historischen 
Politikern,  die  über  einen  so  viel  reicheren  Schatz  von 
Tatsachen  verfügen.  Die  einen  meinten:  Jedes  Volk  ist  wie 
Beine  Regierung,  jede  Gemeinde  wie  ihre  Führer;  die 
anderen  meinten:  jede  Regierung  ist  wie  ihr  Volk.  R.  Jo- 
chanan  aber  im  Namen  des  R.  Simeon  b.  Jochai  war  der 
Ansicht:  die  Verantwortung  trifft  beide  gleich  Behr;  ist 
die  Regierung  schlecht,  muß  das  Volk  eintreten,  ist  das 
Volk  schlecht,  muß  der  Fürst  eintreten.    S.  Arachin  17'. 

V  olkswil  le. 

509.  Wenn  man  auch  die  Macht  hat,  eine  Be- 
hörde in  der  Gemeinde  einzusetzen,  soll  diese  Dicht 
ohne  Vorberatung  mit  der  Gemeinde  edi  t  werden. 

h>.   Berachoth  B5a.    R.  Jizchak   hat   gesagl     Mau    setzt 
über    die  Gemeinde    kein.     Behörde    ein,    ohne   daß  man 
h  mit  der  Gemeinde  beraten  hat;  denn  es  heiLt  (Exod. 
31.  Bj    n7W\  siehe,  ich  hal  •    mil  Namen  berufen  bezalel" 


Volkswille.  361 

(Raschi:  !"tK"),  siehe,  bedeutet:  Ist  es  so  in  deinem  Herzen? 
Eichte  dein  Auge  auf  die  Sache).  Der  Heilige,  geb.  sei 
er!  sprach  zu  Mose:  Mose!  ist  dir  Bezalel  recht?  Er 
sprach,  Herr  der  Welt!  wenn  er  dir  recht  ist,  um  wie- 
viel mehr  mir!  Er  aber  sprach  zu  ihm:  Gleichwohl  sage 
es  ihnen  (den  Israeliten).  Mose  ging  und  sprach  zu  den 
Israeliten:  Ist  euch  Bezalel  recht?  Sie  sprachen  zu  ihm: 
Wenn  er  dir  und  dem  Heiligen,  gebenedeiet  sei  er!  recht 
ist,  um  wieviel  mehr  uns? 

In  bezug  auf  den  —  ethischen  —  internationalen  Zu- 
sammenhang der  Kultur  der  Völker  können  auch  die 
modernen  Staaten  auf  den  Mahnruf  der  Rabbinen  hören. 

„Durch  den  Segen,  den  die  Leute  von  Sodom  aus  der 
Hand  Gottes  empfangen,  haben  sie  sich  überhoben  ("Ifcoru 
=  der  griecli.  ußpi$).  Sie  sagten:  Unser  Land  hat 
Silber,  Gold  und  Edelsteine,  wir  brauchen  den  Verkehr 
mit  Fremden  nicht,  wir  wollen  die  Wege  zu  uns  ver- 
gessen machen.  Da  sagte  Gott:  Ich  will  die  Wege  zu 
euch  und  euch  selbst  vergessen  machen."  S.  Toseftha 
Sota,  Perek  III,  11. 

Also  gegen  egoistische  Abschließung  vom  Völkerverkehr. 

Menschheit  und  Messianische  Hoffnungen. 

Allgemeines. 

§  510.  Irgend  ein  Gedanke  einmal  gedacht,  ist  eine  voll- 
zogene Tatsache,  eine  geistig-reale  Erscheinung;  sie  kann 


iy    D  iltnng  der  Sittlichkeit. 

niemals  vernichtet  werden,  so  wenig  wie  ein  materielles 
Molekül  vernichtet  werden  kann. 

Die  Tatsache  des  Geistes  mit  Beziehung  auf:  vordem 
Geschehen,  während  des  Aktes  und  nach  demselben. 
Inhalt  und  Tat.  objektiv  und  subjektiv. 

1  objektive  Wahrheiten,  ewige,  wahre  Inhalts  sind  schon  vor, 
außer  und  nach  allem  Denken.  S.  Ideen  in  der  Geschichte. 

Bin  objektiv  gewordener  Gedanken-Inhalt  kann  in  die 
subjektive  Tätigkeit  wieder  eintreten;  dies  ist  Kontinuität 
des  Geistes. 

Was  im  früheren  Dasein  des  Geistigen  in  der  Tätig- 

keit  als  [nhalt  Wert  hatte,  was  den  inneren  Bestand  im 

Individuum   oder   in  der  Volksseele  ausmacht,  das  muß 

auf  der  Schwelle  des  Bewußtseins  bleiben.  —  Die  Schwelle 

Bewußtseins  in  der  Volksseele! 

|  511.    Tm  Gymnasium  von    Kyno  wo  auch  die 

Fremden  Zutritt  hatten,  ist  für  (i  riechen  mit  Ani 
thenes  von  Athen  —  anfangs  Schüler  des  Gorgias, 
ter  <]<■*  Sokrates  —  der  erste  Gedanke  der  Mensch- 
heit entstanden.  Sowohl  Beine  Ansicht  vom  Welt- 
bürgertum wie  von  der  Binheil  Gottes  im  (iegen-at/.  zu 
i   hellenischen   Götterglauben,  erhielt    durch   ihn  be- 

A  isdruck    und    .schai'      l    i mulierung.      Aber 

h  früher,    chon  in  Ägypten,  war  ■  ■  I  rael,  das  unter 
mden  Volk«-  dei   Begi  ii       i   M<  d  chheit  findet1 

'  Der  Begriff  der  Menschheit   spiegelt  sieh  in  der  Ulmuditchen 
e  Sanhedrin  88bft     Et  Meli  pflegte  zu  Der  Staub, 


Das  letzte  Ziel.  363 

§  512.  Wir  wissen  alle,  daß  wir  wenig  zur  Herbeiführung 
des  letzten  Zieles  beitragen  können.  Aber  mit  unserer  Teil- 
nahme, mit  unserem  Denken  und  Gefühl  können  wir  uns 
der  Betrachtung  desselben  hingeben. 

Es  gibt  für  das  menschliche  Gemüt  keine  edlere  Be- 
schäftigung; das  würdevollste  Denken,  die  erhabenste 
Poesie.  Der  ganze  innere  Mensch  wächst  mit  seinem 
Gegenstande;  aus  den  Niederungen  des  alltäglichen 
Lebens  mit  seinen  kleinen  Sorgen,  engen  Nöten,  Be- 
friedigungen und  Genüssen  usw.  soll  und  kann  der  Mensch 
sich  erheben,  sich  als  Glied  eines  Ganzen,  dann  des  wahr- 
haften, des  menschheitlichen  Ganzen  fühlen  und  wissen. 
Gehört  nicht  Hoffen,  Sehnen,  Planen  zum  gedeihlichen 
Leben,  müssen  wir  nicht,  was  geschaffen,  was  erlebt  werden 
soll,  vorher  im  Herzen  tragen,  und  ist  solches  Hoffen  nicht 
beglückend,  erhöht  es  nicht  unser  Wesen  und  mehrt  unsere 
Kraft?  So  soll  denn  auch  jeder  als  Mensch,  als  Glied  der 
Menschheit  diese  letzte  höchste  menschliche,  menschheit- 
liche Hoffnung  zu  seinem  Trost  und  Heil  im  Herzen  tragen; 
solches  Hoffen  ist  göttlich,  ist  das  wahrhafte  Hoffen  auf 
Gott:  DnBttD  "DK  lty*  PD  lS,!:rr  1  Mpl  (Jesaia  40,  31). 


aus  welchem  der  erste  Mensch  gebildet  wurde,  war  aus  der  ganzen 
Welt  zusammengescharrt;  denn  es  heißt  Ps.  139,  16:  „Meinen 
Urstoff  sahen  deine  Augen",  und  Sacharja  4,  10:  „Die  Augen  des 
Ewigen  schweifen  über  die  ganze  Welt  hin."  R.  Oschaja  im 
Namen  des  Rab  s&gte:  Der  Rumpf  des  ersten  Menschen  war  aus 
Babel,  sein  Kopf  aus  dem  Lande  Israel  und  seine  Gliedmaßen  aus 
den  übrigen  Ländern.     D.  H. 


3o4  IV.    Die  Qeitaltong  der  Sittliche   * 

Die  natürliche  Verl  inigung  soll  zur  ethischen  werden. 
Sowie  die  reale  Einheit  der  Person  zur  idealen  vermöge 
ihres  harmonischen  Gehal  erden  boII,  bo  ist  auch  das 

Volk    von  Natur   uns    eine  Einheit,   welche  aher  erstens 
bewußt,  zweitens  durch  Gehalte,    drittens  durch  Organi- 
sation   zur   idealen   Einheit    werden    soll;    was   von  Nätui 
und  von   Baus    aus  *U,   soll  \ff\lp  'U  werden.     Schließlich 
die  Menschheit    Sie  ist  eine  Einheit,  abei  noch  wichti 
ist,  Bie  soll  es  im  höheren  Sinn  (bewußt  nach  Gehalt  und 
anisation  zu  gemeinsamem  Werke)  werden.    Mensch 
sein  und  Mensch  werden.  —  Siehe  den  Abschnitt  über 
Ehre. 
Die  Vervollkommnung  des  Menschengeschlechts  ist 
iflgend  in  den  messianischen  Hoffnungen  und  den  da- 
raus sich  ergebenden  Verpflichtungen   ausgedrückt;   der 

mild  lehrt  aber  auch  aiisdi  ücklich  die  lYrlektihihtat 
des  Einzelnen,  welche  auch  nicht  mit  diesem  Leben  ab- 
schließt, sondern  auch  im  zukünftigen  Leben  in  alle  Ewig- 
keit (weil  sie  eben  unendlich  ist  .  I  tdauert  S.  Bo- 
gen Ende.  EL  Levi  bar  Ühija  hat  gesagt: 
'A  i  :•;-  dem  Bethan  e  in  das  Lehrhan  geht  und  Bich 
mit  der  Thoi  beschäftigt,  wird  würdig  sein,  das  Antlitz, 
der  Schechina  i  <  rottheit  i  zu  begi  ußen ;  denn  es  heißt  I  Psalm 

^le    wallen    von    Kraft    ZU    Bj  aeimn    vor 

bt   in  Zionu.     Et  Chija   bar   Aschi   im   Namen    Etab's 

hat  gesagt:    Die  Jünger  der  Weisen  haben  nichl   Eluhe, 

..t    in  Welt   und  nicht  in  der  künftigen   Welt; 


Idee  der  alten  messianischen  Prophezeiung.  365 

denn  es  heißt:  „Sie  wallen  von  Kraft  zu  Kraft,  erscheinen 
vor  Gott  in  Zion". 

Idee  der  alten  messianischen  Prophezeiung. 

§  513.  Hier  liegt  der  Vorzug  der  alten  messia- 
nischen Prophezeiung,  daß  sie  den  Menschen,  lange 
bevor  er  durch  frühere  Stufen  zur  Realisation  der  Idee 
der  Gesamtheit  herangereift  war,  schon  auf  das  letzte 
menschheitliche  Ziel  hingewiesen.  Die  allgemeine  Friedens- 
idee —  über  dem  landläufigen  Patriotismus  stehend  — 
hat  hier  schon  Wurzel  geschlagen.  Sie  birgt  in  sich 
(und  macht  energisch  wirksam)  den  Gedanken,  daß  die 
Friedensidee  nicht  einen  Gegensatz  gegen  den  Patriotis- 
mus, sondern  die  wahre  Vollendung  desselben  ausmacht. 

Der  landläufige  Patriotismus  ruht  auf  der  Voraus- 
setzung des  Gegensatzes,  Widerstreites,  "Wetteifers  zwischen 
den  Völkern  (um  nicht  von  Herrschsucht,  Prestige  usw. 
Handelsausbeutung  usw.  zu  reden!);  die  messianische 
Friedensidee  lehrt,  daß  die  Völker  gemeinsam  wirken 
sollen,  wie  innerhalb  des  Staats  die  Städte,  die  Provinzen. 
Wahrhaft  patriotisch  sein  heißt:  den  eigenen  Staat  zum 
wirksamen  Gliede  in  der  Gesamteinheit  der  Menschheit 
erheben. 

Vorbereitungen  waren:  Universalmonarchie,  Welthandel, 
Wissenschaft,  besonders  die  praktische,  erfindungsreiche 
Wissenschaft,  Geographie,  das  Kennenlernen  der  ganzen 
Erde  und  aller  Menschenstämme. 


36fi  IV.   Die  Gestaluu  äittüohk« 

i  iverselle  Zusammenschließung  ist  kein  Phantom. 
Die  Gegenwart  bat  mit  dem  Erlbig  für  eine  große  Zu- 
kunft die  Tatsache  erlebt,  daß  die  ganze  gebildete  Welt 
jenseits  wie  diesseits  des  Ozeans  von  einer  Frage  der 
Gerechtigkeit  erregt,  bewegt  erschüttert  war,  als  ob  es 
sich  um  das  eigenste  Schicksal  jedes  Einzelnen  und  jedes 
Landes  handelte.  Der  Sieg  der  Gerecbtigkeit  ist  durch 
das  Bewußtsein  aller  redlichen  Franzosen  und  aller  Men- 
schen, welche  für  den  Gedanken  einstehen,  daß  „Recht 
muß  Recht  bleiben"  gewonnen.  Derjenige,  um  dessen 
Recht  gekämpft  wurde,  ist  zum  Märtyrer  geworden;  in 
seiner  Person  wiederholt'-  sich  das  Schicksal  Israels. 
Wie  oft  ist  es  zum  Märtyrer  für  die  messianische  Idee 
geworden?1 

Für  die  Überzeugung,  daß  erst  in  der  Zukunft,  bei 
'. •  -ihr-  in  und  lieberollem  Zusammenschluß  der  Men- 
.  der  Stämme,  der  Völker,  der  Staaten  die  Erlö- 
sung kommt,  die  me88iani8Che  Idee  sich  erlullen  wird;  in 
der  Zukunft,  wenn  die  Worte  Recht,  Liebe  nicht  blo 
Lippenwerk,  nicht  bloß  leerer  Hauch  und  Rauch  bleiben, 
sondern  fuhrende   Kraft  in  den  Herzen  sein  werden!  — 

1   Die  Affare  l>r»-ylus  isi  ein  mettianischei  Erlebnis. 


Nachträge. 

Zu  Seite  XVIII. 

Wir  geben  das  der  Darlegung1  zugrunde  liegende  Stück  im  Zu- 
sammenhange: Dorl  (Kelim  V,  10)  haben  wir  gelernt:  Wenn  man 
ihn  (einen  Ofen)  aus  Ringen  zusammengefügt  hat,  indem  man 
zwischen  die  einzelnen  Ringe  Sand  tat.1  R.  Eliezer  erklärt  ihn  für 
rein  (unempfänglich  für  Unreinheit),  die  Weisen  für  unrein.  Und 
dies  ist  der  Ofen  des  Achnai  OiODJ?).  Was  ist  \X33J??  R.  Jehuda 
im  Namen  des  Samuel  hat  gesagt:  Sie  haben  ihn  mit  Worten  um- 
kreist wie  diese  Schlange  (welche  einen  Kreis  bildet,  indem  sie 
den  Schwanz  in  den  Mund  steckt)  und  haben  ihn  für  unrein  er- 
klärt.2 —  Wir  haben  in  einer  Baraita  gelernt:  An  jenem  Tage 
brachte  R.  Eliezer  alle  nur  möglichen  Einwendungen  vor,  sie  nahmen 
sie  aber  nicht  von  ihm  an.  Er  sprach  zu  ihnen:  Wenn  die  Ha- 
lacha  ist,  wie  ich  behaupte,  so  möge  dieser  Johannisbrotbaum  es 
beweisen.  Der  Johannisbrotbaum  riß  sich  von  seiner  Stelle  los 
hundert  Ellen  weit,  nach  anderen  vierhundert  Ellen  weit.  Sie  aber 
sprachen  zu  ihm:  Man  bringt  keinen  Beweis  durch  den  Johannis- 
brotbaum. Darauf  sprach  er  zu  ihnen:  Wenn  die  Halacha  ist,  wie 
ich  behaupte,  so  möge  es  die  Wasserleitung  beweisen.  Die  Wasser- 
leitung ging  rückwärts.    Sie  sprachen  zu  ihm:  Man  bringt  keinen 


1  Der  gewöhnliche  Ofen  glich  einem  irdenen  Topfe  und  nahm 
als  beweglicher  Gegenstand,  als  Tongefäß,  (levitische)  Unreinheit 
an.  Bei  dem  aus  einzelnen  gebrannten  Tonringen  durch  Dazwischen- 
tun  von  Sand  hergestellten  Ofen  entsteht  die  Frage,  ob  er  als  Ge- 
fäß zu  betrachten  ist  oder  als  eine  Art  Bauwerk. 

2  Tosafoth  bemerken:  Vielleicht  hieß  der  Verfertiger  des  Ofens 
Achinai. 


ige. 

Beweis  durch  <li''  Wasserleitung',  Dann  sprach  er  zu  ihnen  Wenn 
die  Halacha  ist,  wie  ich  behaupte,  so  mögen  es  die  Wän 
Lehrhauses  beweisen.  Dir  Wände  des  Lehrhauses  neigten  sich, 
um  lusammenzustürzen  Da  riel  EL  Josua  sie  Bcheltend  an.  Er 
sprach  zu  ihnen:  Wenn  die  Jünger  «1er  Weisen  in  der  Halacha 
mit  einander  um  den  Sieg  ringen,  was  habt  ihr  damit  su  tun?  Sie 
stürzten  nicht  zusammen  wegen  der  tlire  des  I!.  Josua,  und  sie 
richteten  Bich  nicht  wieder  auf  wegen  der  Ehre  des  It.  Eliezer 
und  so  stehen  sie  noch  immer  geneigt  Darauf  sprach  er  zu  ihnen : 
Wenn  die  Halacha  ist,  wie  ich  behaupte,  so  mö:;e  vom  Himmel 
her  «1er  Beweis  kommen.  Eine  Tochterstimme  ging  aus  und  sprach: 
Was  seid  ihr  neben  R.  Eliezer,  überall  ist  «he  Halacha,  wie  er 
behauptet.  Da  stellte  sich  H.  Josua  auf  seine  Füße  und  sprach: 
„Sie  ist  nicht  im  Himmel"  (Deuter.  30,  12).  Was  bedeutet  „Sie 
ist  nicht  im  Himmel"?  R.  Jirmija  hat  gesagt:  Langst  ist  die  Thora 
vom  Berge  Sinai  her  gegeben  worden.  Wir  achten  nicht  auf  eine 
Tochlerstimme,  denn  längst  hast  du  am  Berge  Sinai  in  der  Thoi  i 
[Exod.  23,  geschrieben:  „Nach  der  Mehrheil  ist  (die  Entschei- 
dung) zu  neigen."  —  H.  Malhan  traf  den  Elia.  Er  sprach  zu  ihm: 
Was  tat  der  Heilige,  gebenedeiet  sei  ei !  in  jener  Stundet  Dieser 
ich  zu  jenem:  Er  lachte  und  sprach:  Besiegt  haben  mich  meine 
Kinder!  besiegl  haben  mich  meine  Kinder!  —  Man  sagt:  An  jenem 
rage  brachten  sie  alles,  was  R.  Eliezer  für  rein  erklärt  hatte,  und 
verbrannten  es  und  taten  sich  seinetwegen  zusammen  und  taten  ihn 
in  den  Bann  und  sprachen:  Wer  soll  hingehen  und  es  ihm  melden? 
Da  Bprach  R  Akiba  zu  ihnen:  Ich  will  gehen;  es  könnte  ein  un- 
würdiger Mensch  hingehen  und  es  ihm  kund  tun,  und  es  hätte  die 
Folge,  daß   et   die   ganze  Well   zerstört     Was  tat  er?     Er  legte 

schwär:        G   «fand    und    einen  schwarzen    Überwurf   an    und 

vor  ihn  in  einer  Entfernung  von  vier  Ellen.    Da  sprach 

,  R    I    ezei   zu  ihm:   Was  ist  heute   an. iers  als  sonst?     Dieser  sprach 

zu  jenem     Ra     ,  es  scheint,  daß  die  Genossen  sich  von  dir  ab- 

lern.     Da  zerriß  auch  jener  seine  Kleider  und  . 

.    i!>  und  ließ  sieh  nieder  und  setzte  sich  auf  die  Erde.    Beine 

:.     rränen.      Die    Well    wurde    von   einer   Plage   ge- 

d  Drittel  an  den  Oliven,  ein  Drittel  am  Weizen  und  ein 


Nachträge.  369 

Drittel  an  der  Gerste,  und  einige  sagen:  Sogar  der  Teig  in  den 
Händen  der  Frau  ging  in  Gärung  über.  In  einer  Baraila  haben 
wir  gelernt:  Großer  Zorn  war  an  jenem  Tage;  jeder  Ort,  auf  welchen 
R.  Eliezer  sein  Auge  richtete,  verbrannte.  Auch  war  R.  Gamliel1 
(an  jenem  Tage)  auf  einem  Schiffe.  Eine  Meereswoge  erhob  sich 
gegen  ihn,  um  ihn  zu  versenken.  Er  sprach:  Es  scheinl  mir,  daß 
dies  nur  wegen  des  R.  Eliezer  ben  Hyrkanos  geschieht.  Er  stellte 
sich  auf  seine  Füße  und  sprach:  Herr  der  Well!  offenbar  und 
bekannt  ist  vor  dir,  daß  nicht  für  meine  Ehre  ich  es  getan  habe 
und  nicht  für  die  Ehre  meines  Vaterhauses  ich  es  getan  habe, 
sondern  für  deine  Ehre,  damit  der  Streit  sich  nicht  in  Israel  häufe.  D.  H. 

Zu  dem  Worte  mtJ^  auf  der  Titelseite  249. 

Siehe  Kidduschin  8,  40  Mischna:  Wer  Teil  hat  an  der  Schrift, 
an  der  Mischna  und  an  der  guten  Sitte,  sündigt  nicht  leicht,  denn 
es  heißt  (Koheleth  4,  12):  „Der  dreifache  Faden  reißt  nicht  leicht"; 
wer  aber  weder  an  der  Schrift,  noch  an  der  Mischna,  noch  an 
der  guten  Sitte  Teil  hat,  gehört  nicht  zum  nw\  zur  bewohnten 
(zivilisierten)  Welt.  Dazu  die  Gemara:  R.  Jochanan  hat  gesagt: 
Und  er  ist  untauglich,  Zeugnis  abzulegen.  Unsere  Rabbinen  haben 
gelehrt:  Wer  auf  der  Straße  ißt,  siehe,  er  gleicht  einem  Hunde. 
Und  einige  sagen:  Er  ist  untauglich,  Zeugnis  abzulegen.  R.  Idi 
bar  Abin  hat  gesagt:  Die  Halacha  ist  wie  „einige  sagen".  Bar 
Kappara  hat  gelehrt:  Der  Jähzornige  hat  nichts  als  seinen  Zorn,  den 
guten  Menschen  aber  läßt  man  die  Frucht  seiner  Taten  schmecken, 
und  wer  weder  an  der  Schrift,  noch  an  der  Mischna,  noch  an  der 
guten  Sitte  Teil  hat  —  gelobe,  keinerlei  Genuß  von  ihm  zu  haben 
(gib  den  Umgang  mit  ihm  auf),  denn  es  heißt  (Psalm  1,1):  „Und 
wer  an  dem  Sitz  der  Spötter  nicht  sitzt".  Sein  Sitz  ist  ein  Sitz 
der  Spötter.    D.  H. 

Zu  Seite  289. 

Die  Stelle  Aboda  zara  3b  lautet  vollständig:  Zwölf  Stunden  hat 
der  Tag;  in  den  ersten  drei  Stunden  sitzt  der  Heilige,  gebenedeiet 

1  Der  derzeitige  Nasi. 

24 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums  II. 


370 

er!  und  beschäftigt  sieh  mit  «Irr  Thora.  In  <len  zweiten  (drei 
Stunden  sitzt  er  und  richtet  die  ganze  Welt.  Sobald  er  Bieht, 
«lic  Welt  der  Vernichtung  sieh  schuldig  gemacht  hat,  steht 
er  aut  vom  Throne  des  (strengen)  Rechts  und  Betzt  Bich  aul  den 
rhron  drr  Barmherzigkeit.  In  den  drillen  (drei  Stunden)  sitst  ei 
und    versorgt    (ernährt)    die  Welt    von   den    Hörnern    dei 

ReSmim  (Büffel)  an  bis  zu  den  Eiern  der  Lause.     In  den  vierten 

•     t  er  und  spielt  mit  dem  Leviathan,  wie  es  I 
(Ps.  104,26):  „Der  Leviathan,  den  du  gebildet  habt,  um  mit  ihm 
zu  spielen."    D.  II. 

Zu  Seite  294. 
Die  betreffende  Ste  ich.  S1  lautet:  Raba  sprich  zu  Baphram 

har  Papa:  Möge  uns  der  Herr  doch  eins  von  den  vortrefflichen 
Worten  sagen,  die  du  im  Namen  des  Hab  Chisda  betreffs  des  Ver- 
sammlungshauses  (Gebet-  und  Lehrhauses)  gesagt  'iasl-  ''-r  ri,il~ 
wortete  ihm:  So  hat  Hab  Chisda  gesagt:  Was  heiüt,  was 
schrieben  steht  (Ps.  87.  2)  „Es  liebt  der  liwige  die  Pforten  Ziona 
vor  allen  Wohnungen  Jakol  s"?  (I»as  will  sagen):  Es  liebt  der  l.v. 
«he  Pforten,  die  durch  die  Halacha  ausgezeichnet  sind,  mehr  als  die 
1  ■    ■  j-)häuser  und  die  Lehrhäuser.     I».  II. 

Zu  Seite  304. 
Der  Wortlaut   dei    AJlegorie  in    Mi<lr.  Bammidbar  r.  30,  12  zu 

Numeri    23,    1"    ist    dieser:    „Und    ihr    Sollt    euch    am    ersten     I 

nehmen  du-  Frucht  des  schönen  BaumeB  (Elbrog),  DattelpaJmzweige 
und  .Ute  vom  dichtbelaubten  Baume  (Myrlhen)  und  Bachweid< 
,,l»ic  Frucht  ii  Baumes."     Wie  der  Elhrog  Wohlgeschmack 

t io.l,    so    gibt    es    unter    den    Israeliten    Mensehen, 

l     r.i  und  gute  w.rk.'  haben.    „Dattelpaln  "    Das 

•<-n.    Wie  nämlich  diese  Dattel  Wohlgeschmack  hat, 
i  er  nicht  Wohlgeruch,  so  gibt  es  untei   den  Israeliten  die 

•  i    baben,    .i  >ei    nicht    kui<-  Werke       I  n  I     Lsle    vom  dicht- 
belaubten Baume.'     Das  sn..;  die  lsra<  ilerj     Wie  die  Myrthe  Wohl- 

omack,  s  es  untei   den  Isra- 

ite   w  erke    habt  n,   aber   nicht   I  bora.     ,,l  od 


Nachträge.  371 

Bachweiden."  Das  sind  die  Israeliten.  Wie  diese  Bachweide  weder 
Wohlgeschmack,  noch  Wohlgeruch  hat,  so  gibt  es  unter  den  Isra- 
eliten Menschen,  die  weder  Thora,  noch  gute  Werke  haben.  Was 
macht  nun  der  Heilige,  gebenedeiet  sei  er!  mit  diesen?  Sie  zu 
vernichten  —  das  geht  nicht  an.  Sondern  der  Heilige,  gebene- 
deiet sei  er!  spricht:  Sie  alle  sollen  zu  einem  Bunde  zusammen- 
gebunden werden  und  die  einen  die  andern  sühnen.  Wenn  ihr 
nun  so  tut,  so  werde  ich  in  jener  Stunde  erhöht.  Das  besagt  das 
Schriftworl  (Arnos  9,  6):  „Er  baut  im  Himmel  seine  Söller".  Wann 
wird  er  erhöht?  Wenn  sie  zu  einem  Bunde  werden,  wie  es 
(weiter  das.)  heißt:  „Und  seinen  Bund  hat  er  auf  der  Erde  ge- 
gründet". Deshalb  schärft  Mose  den  Israeliten  ein:  „Und  ihr  sollt 
euch  am  ersten  Tage  nehmen"  usw.      D.  H. 


I. 

Namen-  und  Sachregister. 

Von  den  Herausgebern. 

(Die  einfachen  Zahlen  bezeichnen  die  Seiten,  die  vorgesetzten  Nummern 

die  Anhänge.) 


Aberglauben   17. 

Abneigung-,  natürliche  gegen  alles 

Fremde,  Unbekannte  277. 
Aboab,    seine    moralisch- religiöse 

Enzyklopädie  259. 
Aerzte  und  ihre  Praxis  in  rabbin 

Zeit  324. 
Affekte,  was  sie  sind  31. 

—  heftige,  wie  sie  sich  äußern  84  ff. 

—  ihre  Beherrschung  78. 
Agrikultur  196. 

Allgemeinheit  des   Gesetzes  343. 
Allgemeine,  das,  Streben  und  Wir- 
ken für  dasselbe  340. 

Angst  85. 

Anslandsregeln,  ihre  Mannigfaltig- 
keit 314. 

Antagonismus  zwischen  Individuum 
und  Gesamtheit  301. 

Anteilnahme  der  Masse  am  Stu- 
dium 12. 


Arbeit,  alle,  ihr  Gleichwert   197. 

—  aus  reiner  Hingebung  an  die 
Idee,  nicht  um  des  Gewinnes 
und  Genusses  willen  96. 

Arbeitsleistung     und     Menschen- 
würde 280. 
Arbeit  und  Muße  7  7. 

—  ihre  Wertung  bei  den  Rabbinen 
96. 

—  Würde  derselben   196. 

—  geistige,  was  ihr  Zweck  191. 

—  die  von  der  Frau  gefordert 
wird   189. 

Arbeitgeber  und  Arbeiter  285. 
Arbeiter  und  Arbeitgeber  285. 
Arbeitspflicht,  wem  sie  gilt  189. 
Arbeitsteilung  187. 
Arme,  wer  berechtigte  sind  234. 

—  achtfache  Bezeichnung  derselben 
in  d.  heil.  Schrift  226. 

—  Verpflichtungen  gegen  sie  2 1 3. 
Armenrecht  234. 


I.      \   hu.'],-    Ullil 


\-     &    in  Talmund   l 
aufdrängen    von  Waren    an    den 

Verkäufer  verpönt  :  i  2  2 . 
Auflehn         •  gendieAutoi  läl  3  1  1. 
Ausdauer   99,   3K». 
Ausgelassenheit   9 
Aussprache,  deutliche,  als  forn 

nent   für  scharf  bestimmtes 

Denken 


lt 


Bekehrte] ,    ihn    nicht    an    seine 
früheren  Sünden  erinnern   311. 
Belohnung  des  Guten   1 1 9  f. 

ehmen,  rücksichtsvolles  314. 
Bi  rufsarbeit  und  ihre  Ethik    1  S8. 
tläftigung,   ideale,    wovon  sie 
befreit    195  £ 
Beschämung,  Belbst  die  des  Sün- 
is  verboten   149. 

—  des  Nebenmenschen   148. 
Bescheidenheil   1  1  1. 

—  gegen    wen  sie  besonders   zu 
üben   ist    151 . 

rili   i_'M. 

-    im  jüd.  und  moral.-rebf 

.    Sinn"    ü'it'»  f 

desselben 
137. 
i/'-r,    •■  im  moral.-reli* 

• 

nen  gilt   2"^  i. 


Bildung,  halbe   L< 

—  und   Wissen    L96 

—  l>r<>  luküve    und    unproduktive 
104  ff. 

—  formale,  ihr  Werl  ,;. 

—  ihre  Verflachung  bei  den  ojberen 
-  bichten   I04f. 

BUligkeil  211  f. 

BÖSeS,    woraus    es   folgt  93. 

—  sein  Ursprung   82. 
Buße   116  f. 


I  harakter,  s  \\  i  Ben  29  f. 
subjek.  Seile  desselben  30 
sitllicherfundWohlwoUen  305 1 


I> 


Dankbarkeil  235  1. 
Demut   1  1  1 

—  ihr  Lobpreis   I  l  l  l. 

—  gilt    bei   den   Babbinen  höher 
I    I  ipfer    1  15. 

I lenken,  scharleB,  bestimmtes,  prä- 
zises, wird  gepriesen    I 

Deutung,  al  •  u  Stelle  der 

wörtl.  Briählung    16, 

Dienerschaft  und  ihre  Behandlung 
280. 

—  und    II  eidi 
Pflichten  281 

hienst    und    G  8  I. 

Dienstleistung  und  Menschenwürde 
280. 


I.    Xainen-  und  Sachregister. 


375 


Dienslleute ,  ihre  Behandlung  und 

Forlbildung-  284. 
Dreiling  (Zunge)  216. 


E 


Egoismus,  wie  er  zu  unterscheiden 
83. 

—  natürlicher  und  die  Gesamtheil 
305. 

Ehe,  ihr  Zweck  265. 

—  die  rechte  266. 

Ehen,  wie  sie  früher  geschlossen 

wurden  267  f. 
Ehre,  ihr  Wesen  218. 

—  die  der  Gemeinschaft  218. 

—  Gottes  218. 

—  in  ihrem  Wesen  offenbart  sich 
die  geistige  Gemeinschaft  218. 

Ehrfurcht  100. 

Ehrgeiz  86. 

Eid,    wras    er   ist    und    sein    soll 

328  f. 
Eifersucht  161. 
Eigennutz,  wie  er   wirkt  344. 
Eigensucht  85. 
Eigentumsrechte ,      Beschränkung 

derselben  34 3 f. 
Eigenwille  gegenüber  der  Autorität 

344. 
Einfälle  und  ihre  böse  Folge  361. 
Einheit,  sozialer  Begriff  derselben 

260. 

—  der  Ideen  92. 

—  des  Sittlichen,  objektive  239. 
Einsicht,  ethische   124. 


Einzelner  und  das  Ganze    175. 

—  worauf  sein  Streben  gerichtet 
sein  muß   356. 

—  sein  Einfluß  auf  die  Gesamt- 
heit  108. 

Eitelkeit  85,  147. 
Eltern,  ihr  Anteil  am  Erziehungs- 
werke 293. 
Energie  53. 

—  Anspannung  derselben  54. 

—  positive  53  f. 
--  sittliche  91. 
Entschluß  69. 

Entwickelung   des  sittlichen  Men- 
schen 18  ff. 
Erlösung,   wann  sie  kommt  366. 
Erkenntnis  und  Gesinnung  11. 

—  Gottes,  metaphysische  10. 

—  ethische   11.   19. 

—  philosophische   10. 
Erziehung  273. 

—  und  Staat  357. 

—  die  hebräische  Sprachform  da- 
für  108. 

—  die  der  Enkel  274. 

—  die  des  Weibes  274. 

—  Fürsorge  in  derselben   107. 

—  ihr  Zweck  106  f. 

—  .und  Fortbildung  294. 
Erziehungslehre,  rabbinische  291. 
Erziehungsschule    im    Gegensatze 

zur  Lernschule  293. 

Erziehungsvorschriften  an  die  Mül- 
ler 275  f. 

Ethik,  wechselnd  im  Ablauf  der 
Geschichte  der  Menschheit  354. 


76 


I      Namen-  und  Sftchret:. 


Ethik,  praktische,  ihre  Notwendig- 
keit 101. 

in  der  Berufsarbeit  bx. 

>ier  Juden,  mittelalterliche,  ihr 
Charakter   134. 

—  der  jfldischen,  fehlt  die  meta- 
physische Begründung  XXVIII. 

ihre  Fortbildung  durch  den 
Talmud   281  f. 

—  ihre  letzten  inrl.ijihysist.hen 
Prägen  und  Gründe  XXIX. 

—  die  des  Judentums,    eine 
seheinung     des    Gesamtestes 
XXXI 

•   die  des  Judentums,    ist  keine 
Güterlehre   XVI II  f. 

—  warum  in  der  jüdischen  Lite- 
ratur so  laiKe  keine  zustande 
gekommen  IX  £ 

—  und   Naturwissenschaft   1  7  1  ll'. 

—  und  Politik  35  1. 

—  nicht  bloß  Pflichtenlehre,  son- 
dern auch  Tugendlehre   19. 

—  und  Verkehr  31  B. 

—  jüdische,  und  die  Schwierig- 
keiten  ihrer   Itcarbeitun-    X\ll. 

als    Wissenschaft    25  iL    S 

—  der  Wohltätigkeit  braucht  sich 
im  Judentum    nicht   zu  Indern 

Ethisches,    Kern   und    («ehalt   des- 
en     sind     zu     1 1  n  t  • 
W.W. 

>nismus    138 

utionstheorie    im    i  ntersd 1 

zi-  mismua   154. 


Familie  259,  26»'.  1. 

—  ihr  Begrifl  258. 

-  ihr  Bestand   258,   262. 
als   Ganzes   2 6 7  f. 

—  Züchtigkeit  in  derselben  l  12. 
Feind  213. 

Feindschaft,  grundlose  23b  f. 

—  was  sie  schwinden  macht  213. 
Formen  der  Vereinigung  (des  Zu- 
sammenschlusses)  2 ."» 7  f. 

Fortbildung,     die,     unentwickelter 

Kinder  im  Jenseits   29 
Forlschritt,  moralischer   226  ff. 
Frau   und    Arbeitspflicht    18'J. 
Frauen  und  ihre  Behandlung  268. 

—  ihr  Anteil  am  ErziehungswerL 

3. 

—  ihr   Beruf  und    VofSUg    in   der 
Erziehung   273. 

—  und   ihre  Stellung   268  f. 

—  ihr  Putz    13. 

—  im  talmud.  Zeitalter  270. 
Freiheit,  ihr  llafl  61. 

—  durchs  Gesetz  7  1 

und  Mechanismus,  keine  Wider- 
sprüche 6  1. 
innere  und    äußere    58. 
innere    Bl. 

sittlich.-  58  i. 

—  schlimme  Formen  derselben  (>7. 

—  ihre  -,  he  Beding 

Preiheitssuchl  v 


I.    Namen-  und  Sachregister. 


377 


Fremder,   seine  Behandlung  281. ' 

—  Verpflichtung  gegen  ihn  224. 
Freude,    neidlose,    an   der  Größe. 

des  andern   162. 

—  am  Genuß    des    andern   129. 
Freundschaftsdienst  313. 
Freundschaften,  Beispiele  derselben 

315. 
Friede  125. 

—  was  er  ist   154  f. 

Frieden,   seine  Bedeutung   156  ff. 

—  sein  Umfang   160. 

—  einer  der  drei  Grundbegriffe 
der  jüdischen  Ethik  122f.,  126. 

—  Lobpreis  desselben  in  der  tal- 
mud.  Literatur   156  ff. 

Friedensidec,  messianische  365. 
Friedfertigkeit  S8  f.,   155  f. 
Furcht  85. 

G 

Gastfreundschaft  277  f. 

—  und  ihre  Pflichten  279. 

—  als  die  älteste  Form  der  Kultur- 
gründung 2  7  7  f. 

Gäste,  ihre  Aufnahme  278. 

—  und  Freunde  279. 
Geber  und  Empfänger  234  f. 
Gebet  und  Studium  295. 
Gebote,  sittliche,  ihre  Verbindung 

mit  der  Geschichte  und  mit  den 
Naturbedingungen   130. 

Gedanke  50. 

Gedankenwelt  der  Rabbinen  und 
die  fortschreitenden  Kulturver- 
hältnisse 353. 


Gefühl  der  Abstoßung  84. 

—  der  Verpflichtung   42. 

—  und  Wille,  ihr  Verhältnis  54  f. 
Gefühle,  ihr  sprachlicher  Ausdruck 

33. 

—  ihre  Einteilung  30  ff. 

—  dauernde  31. 

—  schnell  wechselnde  32. 

—  geistige  30. 

—  sinnliche  (materielle)  30  f. 

—  sympathische,    im    Gegensatz 
zu  den  Idealgefühlen  39,  41  f. 

—  virtuelle,    der   Hemmung  und 
Befreiung  31. 

—  Energie   und   Schlauheit   der- 
selben 35. 

—  die  Herrschaft  über  sie  34. 

—  gemischte  33. 

—  Innigkeit  derselben  42. 

—  sittliche,    Mittel   zu   ihrer   Er- 
regung 36. 

—  Meisterung  derselben  79. 
Gefühllosigkeit  112. 
Gehorsam  als  menschliche  Grund- 
lage der  Sittlichkeit  48. 

—  Gewöhnung  dazu  48. 
Geist,  objektiver  49. 

—  subjektiver  49. 
Gelehrsamkeit  190. 

Geld  dem  Armen  leihen  ohneZins21 2. 
Gelübde,  ihre  talmud.  Bewertung 
110. 

—  und  Vorsatz  325. 

—  ihre  Aufhebung  327  f. 

—  nicht    rein    ethisch,     sondern 
religiös  327. 


378 


l      I  ad  Sao] 


G  .  ilu  Werlund  Unwert  327. 

b  Wirkens   und 
einsamkeil    'los    Schicksals 
330  f. 

u  aller  in  der  Kultur- 
en* 843. 
üt,    seine    Ausbildung    durch 
Intelligenz,  Gefühl  und  Willen  2. 
nütsbowegungen  31. 
Gemütsruhe  i<2. 
Genügsamkeit   l -'<■ 

Q  und  Weltfreude   134  f. 

—  inbezug  auf  Moment  un<i  Mauer 
301 

Genußmensehen   1  39  f. 
Gerechtigkeit  202  l. 

—  göttliche,  woraul  sie  si'h  grün- 
det 20 

und  iiuljerc  Ordnung   _'i»  1. 

—  und  politisches  Unglück  '204. 
imlcharakler,  Erzeugung 

ten  268. 
uiiilieit,  seine  Einheit 

348  f. 

—  -  einer  ethischen  300. 

—  im  G  Ix  eu   i 

hie,     Wie     man     sie    ai 

hat   1" 

.  ■■  n  Mittel  zui 

lr  G 

halt,  dii 
l    ■       i  257. 

—  ihre    Kj 

tu  grfli  0  ■ 

/.  in  seinem  Wesen   3 
m   es   fordert    1 7  B 


1/   der  Erh    I  lei  Im  all  in 

der  geistigen   i  aligkeit  I  3 

—  seine  Fortbildung  202, 

—  und   Kullur    178  f. 
Gesetzgebung,  jüd.und  Verarmung 

306  ff. 
Gesinnung,  sittliche,  was  sie  soll 
l  I  1. 

—  und  Erkenntnis   1  1. 

—  und    Wille    15f. 

—  und  Handlung,  waisiebraucb.cn 
261. 

—  bei  jedei   Pflichterfüllung    91. 
im  i   \N  itle    l  i 

Gespräche,    erhebende,    bei    den 

allen  Juden    '■'<  I 
i,ew  erbe,     ls  allgemeines  Interesse 

198, 

.  erbegeselze    391. 
Gewinn,  redlicher  322. 

—  unberechtigter  '-'  l  I . 

en    14. 
Gewissensbisse    15, 
Gewissensfreiheit  7  l. 
Gleichheit  76. 

,7  7. 

Gnade  und   Liehe  2  1  4 

Goll     als    I. einer    unentwickelte! 

Kinder    298. 

Gotlähnlichkeit,  worin  nebesleht93. 
i ,  nicht  rechtlos  8 1  ' 

Grundbegriffe,  die  drei,  aul  denen 
•lie  sittliche  Weltordnuag  t>nsicri 
122. 

Grün  I .  warum  es  die  Menschen 
an  •  ei   w  shren  und  vollen  l  ,■■ 


1.    Namen-  und  Sachregister. 


379 


rechtigkeit   und   an  Liebeslaten 
fehlen  lassen   130. 

—  dreifacher,    des    Gebots:    Du 
sollst  nicht  verderben  lSlf. 

Gründer   des  rabbinischen   Schul- 
wesens 292. 

H 

Handeln,  was  bei  ihm  überwiegen 

soll   112. 
Handlung  und  Gesinnung  264. 
Handwerk,  seine  Bevorzugung  198. 
Harmonie  aller  Ideen  87. 
Haß  84. 

—  des  Fanatikers  288. 

—  was  er  verursacht  239. 

—  ohne  Grund  216. 

—  Motiv  desselben  238. 

—  aus  Liebe  238  f. 
Hasten  und  Jagen   139. 
Haus  259  f. 

Hausierhandel,  wovon  er  abhängt 

—  der  Talmud   gegen  denselben 
319. 

—  seine  Zulässigkeit  391. 
Heilig  sein,  was  es  heißt  XX. 
Heiligkeit,  ihr  Begriff  356  f. 

—  die  des  Einzelnen  356. 

—  als  Gesinnung,  worin  sie  be- 
steht 318. 

Heiligung  71. 

Heim,  das  eigne,  seine  Weihe  278. 
Heiterkeit  85. 

Herrschaft  und  Dienerschaft,  beider- 
seitige Pflichten  281. 
Herrschaft  86. 


Herrschsucht  86. 

Hingabe  an  die  Gesamtheit  3  10  f. 
Hoch  und  Niedrig  313. 
Hochmut  86. 

—  schärfster  Tadel  desselben  117. 
Humanität  349. 

—  am  Bau  der  menschlichen  Ge- 
sellschaft, was  sie  ist  und  was 
sie  nicht  ist  287. 

Humor,  göttlicher  XXI  f. 

I 

Ichsucht,  maßlose,  die  Quelle  des 

Unrechts  323. 
Idealität    mitten    im   Realen    1 1  ff. 
Idealität  und  Alltäglichkeit  43. 
Idealgefühle,    im    Gegensatze    zu 

den  sympathischen,  sie  sind  zu 

pflegen  39. 
Idee,  sittliche  50. 

—  als  Agens  im  psychologisch- 
physiologisch-mechanischen Pro- 
zeß 49. 

—  ethische,  ihr  wechselvolles, 
historisch  wandelndes,  aber  kon- 
lienuirliches  und  gleichbleibendes 
Leben  282. 

—  sich    mit   ihr   identifizieren  6. 

—  eine,  Begünstigung  derselben 
89. 

—  der  alten  messianischen  Pro- 
phezeiung 365. 

—  der  Selbstschöpfung  des  Men- 
schen 50. 

Ideen,  die  realisiert  werden  sollen 
121. 


3R" 


i     Kamen-  und 


Ideen,  sittliche,  was  sie  sind  \\. 

—  äslhetiBche,ihreRea]i8ation]  28. 

i  höpfung   19  f. 

Individualismus,     sein     Geltm 

bereich    100. 
Individualitat  des  Handelns  87. 

—  und   Gesamtheit   :<ti4. 

—  ihre  Notwendigkeit  für  jede 
höhere   Kultur   ^04. 

Individuum,  seine  ethische  Bedeu- 

dung  2 

—  und   Individualität   XX. 

—  und   Gesellsehall   302. 

—  und   Gesamtheit,    ihr    Aul 
nismus   301. 

Individualismus,  seine  ethische 
Grenzen   263. 

Innerlichkeit  und  Gesetzlichkeit  52, 

Institutionen,  was  sie  sind   3! 

Int.  geistige  Tätigkeit),  Eis- 

bildung dertelben    l 

—  ihre  Schärfung  durch  Gemein- 
samkeit '•'. 

Interesse,  öffentliches,  wie  das 
wahre  eigene  3  I 


Judentum,    was  et  dec  Well 

i  l,t  hat  XVI. 
srmn  Bestimmunf    i  i 

17 

b-wissenschafuiche 

.\i,i  ss. ,  .ii  in  derG 

irt  und    Zukunft    358. 


K 


Kampf  ums   Dasein   2S6. 

Keuschheit,   was  sie   ist   140  I. 

Kinder,    als    welterhaltendcs    Kle- 
inem  27  2. 

ihre   Enterbung  nach  talmudi- 
s.-her    taschauung  2  7  2. 

—   wie  sie  zu  strafen   2(J0. 

Kollektivismus,  seine  ethischeGren- 
/..■ii  26 

Kleinmut    s 

Kontinuität  des  gemeinsamen  Le- 
bens M3">. 

Königsgeseti    l'cut    17,    14-— 21 
■  ■ 

Körperpflege,  warum  sie  von  den 
Rabbinen  empfohlen  wird  1  iv 

Kriegsdienst  336. 

Kriegführung,  die  Gesetze  darüber 

55. 

Kritik,     von    wem    sie    beton 

\  erlang   wird    IM. 

j —  welche  nicht  staUhaflift  150 

—  leichtfertige   l  51. 
philologisch-historische   1  52. 

Kultur,    WU    sie    fordert     1  78. 

—  ihre  Mannigfaltigkeit  183. 
was  sie  vermittelt   I 

—  und  Gesell  1781 

—  lnlrriiali. maler   Zusammenli 

selben  und  Mahnrul  der  Rab- 
binen  darO  M    B61. 
Kulturarbeit,  die  Gcmeiru  ball  sllaf 

dar. in    H4!<. 


I.    Namen-  und  Sachregister. 


381 


Kullurtätigkeit,  ethische  Bedeutung 
derselben   167. 

—  ihre   Hemmnisse   167  f. 

—  in  ihrer  Stellung  zum  Juden- 
tum   167  ff. 

Kullurverhällnisse ,   fortschreitende, 

und  die  ethische  Gedankenwelt 

der  Rabbinen  353. 
Kullurzusammenhang  und  Teilung 

der  Arbeit   187. 
Kummer  85. 
Kunst  und  Übung  des  hohen  und 

erhebenden  Gesprächs  315  f. 


Leben,  seine  Technik   182  f. 
Lebenserhaltung  durch  Aufopferung 

135  f. 
Lebensführung,  ethische   73. 
Lebensgenuß   137. 
Lebensideal  der  Rabbinen  350  ff. 
Lebensordnung,  soziale  347. 
Lehren  und  Lernen,  ihr  Verhältnis 

290. 
Lehrer  288. 

—  seine  Würde  296. 

—  sein  Geist  lebt  im  Schüler  fort 
297  f. 

—  und  Schüler,    ihre  Huldigung 
298. 

Lehrhaus  und  eignes  Haus  278. 
Lernen,  man  soll  und  kann  es  von 
allen  (Heiden,  Tieren)   72. 

—  und  Lehren,  ihr  Verhältnis  290. 
Legenden,  biblische,  Mittel  zur  Er- 
regung  sittlicher    Gefühle   36  f. 


Leiden  (Schmerzen),  ihr  ethischer 

Wert  102  ff. 
Leidenschaft  78. 

—  unerfüllte  79. 
Leidenschaften,  was  sie  sind  85. 
Licht  123. 

Liebe,  ihr  Prinzip  222  f. 

—  und  Recht  309. 

—  als  Grundgesinnung  des  Men- 
schen 310. 

—  die  der  Eltern  zu  den  Kindern 
273. 

—  die  der  Kinder  zu  Eltern  und 
Großeltern  272  f. 

—  empfangene,    wozu   sie    führt 
223. 

—  und  Gnade  214. 

—  und  Haß  85. 
Liebespflichten,  ihre  Abstufung  und 

Reihenfolge   220. 

Liebeswerke,  rabbinische  Anprei- 
sung 234  f. 

Lieblosigkeit  81. 

—  wozu  sie  führt  309. 
Lohn  285. 

—  und  Strafe   118. 
Lohnlheorie  73. 

Lüge,  wohlwollende,  gewohnheits- 
mäßige  16. 
Lustigkeit  85. 

M 

Maß  78. 

Maße   und  Gewichte,    die  talmu- 
dischenVorschriften  darüber  320. 
Maximen,  sittliche  48. 


l      Namen-  und  Sachri . 


MQJ  -  der  Frauen   101. 

Mechanismus,  worin  er  besteht  G  I. 
Melancholie  85. 
Mensch,  seine  Aul  12. 

—  der  geschlossene,  ganze,  freie 
M 

—  seine   Stellung    in    der   Natui 

—  seine  physische  und   zugleich 
göttlich   erhabene  Stellung  7  1 

—  als    was    er    sich    als    solcher 
fühlen  soll   363. 

—  seine     sittliche     Entwiekelung 
1  8  ff. 

Menschheit  und  die  messianischen 
Hoffnungen  3ti  l  ff. 

—  der    ersle  Gedanke    derselben 

2  l. 
Menschenwürde  und  Dienstleistung 

280. 
Messi  mische  Hoffnungen  und  die 

Menschheil  361  ff 

Milde    210. 

Mißgunst  84, 

Mitleid    161. 
I 

\  orbild    für    die    II    - 
tng  .in  die  Ges  untheit  3  10. 
Motive,  ihr  Kampl 
dire    Wirkui 

Mu.  .        ,  der  dei  Fr  men   I 

Mul    und    I 

Mütter,    Mahnruf  au   dii  J  1 


N 

hrede,  üble,  verpönt  217. 

—  übt,  was  sie  bewirkt  218. 
Nächster,  wer  es  ist  222. 
Nächsten  i<    e  ohne  Grenzen  ;>  1  I . 
.Nachtragen    23  7. 

N  ition  als  Einheit  359. 
Naturgebilde,    das,    im   ethischen 

Ganzen    287. 

Naturtrieb,  seine  Beschränkung  78. 
N  ilurwissenschafl  und  Ethik  1 7  1  H 
Naziräer,  sein  Lob   1  17. 
I    SM. 

—  (Mißgunst,    2:<s. 
.Neigung    und    Pflicht   51. 
Niedergeschlagenheit  85. 
Notlüge,   ihr   Unterschied    vuii   der 

wohl  wollenden  und  gewohnheits- 
mäßigen  16. 
Notwendigkeit     der     praktischen 
Ethik    101. 

0 

Opfi  i,  niedriger  bei  den  Rabbinen 

■  ertel    tis  Demut  l  !.">. 
Ordnen 
Ordnung   337  ff. 

—  als    moi  Prinzip   164. 

—  ihre  Bewertung    bei  den  Juden 

165. 

wer    üt    zu    Weck«  D    hat   I 

dur<  n  Gewohnheil  erlernt  27t;. 
i    .     eil  und  Er- 
findung  des   jüdischen  Geistes 
847  f. 


1.    Namen-  und  Sachregister. 


383 


Parleiung    und 


Eigennutz , 


wozu 


sie  führen   359. 
Passah,  seine  Feier   283. 
Perfektibilität  des  Einzelnen   361. 
Persönlichkeit,  sittliche   71. 
Pflicht  und  Neigung  51. 

—  und  Neigung,  ihr  Unterschied 
81. 

—  und  Schicksal   134. 

—  und  Recht  213. 

Pflichten,  die  erfüllt  werden  sollen 

121. 
Pflichtgefühl  42. 

—  was  es  ist  1 1 2. 
Pflichlkrieg  360. 
Pietät  149. 

—  wahre   152. 

—  ihre  vielfache  Wurzel  im  Gemüt 
152. 

—  gegen  das  Alter   153. 

—  und  Kritik   150. 
Plan  50. 

Politik,  ihre  Aufgabe  354, 

—  die  der  Propheten  355. 

—  die  des  Aristoteles  und  Plato 
355. 

—  und  Ethik  354. 

—  eine  Kunst  354. 

—  eine  Wissenschaft  354. 

—  die  heutige,  ist  auf  ganz  an- 
dere Grundlagen  gestellt  als  die 
in  den  biblischen  oder  nach- 
biblischen Zeiten  354. 


Preissteigerung,ungebührliche,Vor- 

sorge  gegen  dieselbe   391. 
Privateigentum  34  1. 
Prophezeiung,    messianische,   ihre 

Idee  365. 
Prozeßrecht,  seine  Ausbildung  202. 
Psychisches  im  Unterschiede  zum 

Physischen  69. 
Psychologie,   Aristoteles  ihr  erster 

Systematiker  XXIII. 

—  theoretische,  steht  bei  den 
Rabbinen  auf  niedriger  Stufe 
XXIII  ff. 

—  die  Rabbinen  nur  Vertreter 
der  praktischen  XXV. 

Putz  der  Frauen  43. 

9 

Quellen,  aus  denen  der  ethische 
Lebensgehalt  des  Judentums  zu 
schöpfen  XXXVIII. 

Quieüsmus  im  Judentum  97. 


R 

Rabbinen,  als  Vertreter  der  Psy- 
chologie stehen  auf  niedriger 
Stufe  XXIII 

—  nur  Vertreter  der  praktischen 
Psychologie  XXV. 

Rabbinismus ,  sein  Lebensideal 
350  ff. 

—  was  ihm  fehlt  346 f.,  348. 

Rache  und  Nachtragen,  das  Ver- 
hältnis zwischen  beiden  Be- 
griffen durch  ein  talmudisches 
Beispiel  dargelegt  237. 


i     Namen-  and  Baohreg 


Bucht  237. 

—  kleine,  geheime  TM  t. 
Recht  1. 

was  es  ist  1  ■  i  i. 

\<  .is  os  im  Judentum  ist  201. 

seine  l<lec   205. 

—  als   sittliche    Idee    200 

—  gehört  zu  den  drei  Grund- 
pfeilern der  sittlichen  Weltord- 
nung  122  ll. 

seine  Folge  205. 

Friedenssliltung   '21". 
-  als  alleiniger  Inhalt  der  Moral 
199. 

—  es  wird  einst  in  seinem  wahren 
und  ganzen  Idealismus  zur  Er- 
scheinung kommen  200. 

—  und  Wohlwollen,  ihr  Verhältnis 
»11.  u.  235. 

—  und  Staat,  lin  Verhältnis  und 
ihre  Wechselwirkung  358. 

—  und   Liebe   309. 
Rechtlichkeit,    strengste,    wird   in 

Liibel  und  Talmud  gelehrt  20  7. 
Rechlsbewußlscin  391. 
ilseinschränkung   208  ( 

!/.-,    dio  der   Rabbinen, 
ihr    Wert    nur    historisch    S  19  f. 
'1 
Rechtsordnung  391. 
Redlichkeit,  itrengste   211. 
in  der  Dienstleistui 
erung  und  Sta.it  : 
igioa  und  Spekulation  XXVII  t 

—  N  hnmg  des  Volks  1 05  t. 

r  Rindet  w*  den  BHern 


und  seine  pädagogischen  Folgen 
273. 
Reue,  in  ihrem  Verhältnis  zur  Tal 
118  ff. 

■ —   ihre  Voraussetzung    1111. 
Richter,  sein  Gemüt  207. 

seine   Unparteilichkeit   208. 

—  wann  er  nicht  richten  soll  207  f. 

—  wie  sie  sich  nach  rabbinischer 
Satzung  bei  Verbrechen  zu  be- 
nehmen haben   21" 

Ringe,  der  Arbeitgeber,  ihr  Zweck 
36. 

—  gegen  Streik  286. 
Ruhmsucht   86. 


Schadenersalz   215. 
Schamlos   143. 

Schicksal  der  Gesamtheit,  «las  Ver- 
halten des  Einzelnen  dazu  "'31  f. 

—  und  Pflicht   134. 
Schlauheit  123. 
Schmucksachen,    warum  dar!  der 

Hausierer  mit  ihnen  handeln 3 1  9. 
Schonung,  mitfühlende  313  t 

—  des    Seil  atgefühla     und     der 
Würde  des  Nehenmenschen  1  l s. 

Schule,   ihr   Charakter    . 

—  und    Lehrer,    ihre   lalmudischfl 

Verherrlichung  289,  298. 

—  WSS    m    ihr    wallen   soll    28'.». 

Schuleinrichtung,  rabbimsehe  291. 
Schulen,  ■.  Einfluß  aul  den  Leh- 
ret 29 

S. -h wermul   85. 


I.    Namen-  und  Sachregister. 


385 


Seele,  in  die  des  andern  sieh  zu 
versetzen  224. 

Seelen,  ihre  Zusammenschließung 
336. 

Selbstbeherrschung   7  7  f. 

Selbstentwicklung  50. 

Selbsterkenntnis  80. 

Selbsterziehung  33. 

Selbsthingebung,  wozu  sie  berech- 
tigt 341. 

Selbstprüfung  80. 

Selbständigkeit,   ökonomische   76. 

Selbstsucht  85.  309  f. 

Selbstverantwortung  74. 

Selbstvervollkommnung  304. 

Selbstverwaltung,  worin  sie  be- 
steht 230  f. 

Sitte,  alte,  gegen  Gäste  und  Freunde 
279. 

Sittenlehre,  eine  ihrer  wichtigsten 

Regeln   129  f. 
Sittliches,    seine  objektive  Einheit 

239. 

Sittlichkeit,  das  Grundcharakteristi- 
sche derselben  XXXI. 

—  rabbinische  Auffassung  der- 
selben XXX. 

—  Antrieb  zur  262. 

—  und  Gesamtheit  302. 

—  ihre  Idee  und  ihre  Aufgabe 
22  ff.,  88. 

ihre  Gestaltung  XIX. 

—  was  sie  fordert   18,   199. 
Sittsam   142. 

Sklaverei  349. 

Lazarus,  Ethik  des  Judentums   II. 


Sklaverei,  gegen  dieselbe  284  f. 
Solidarität,    rabbinische   Anschau- 
ung von  derselben  239  f. 
Sollen,  was  es  heißt  61. 
Sorge  85. 

—  Energie  dagegen  98. 

—  für  die  Alten  267. 

—  für  die  Jungen  267. 

—  für  die  Gesamtheit  286. 
Sozialethik,  ihre  Grundzüge  75  f. 
Spekulationen,    theoretische,    von 

ihnen  wird   abgeraten   10. 
Sprache  und  Gefühl  33. 
Sprachen,  wie  viele  jedes  Mitglied 

des  Synedriums  können  mußte. 

295. 

Sprichwörter  28. 
Sprüche  28. 

Staat,    seine    vorzüglichsten    Lei- 
stungen 357  f. 

—  und  Sittlichkeit  356 f. 

—  und  Erziehung  357. 

—  und  Regierung  360. 

—  und  Recht,  ihr  Verhältnis  und 
ihre  Wechselwirkung  358. 

—  nicht  bloß   eine  Rechtsgesell- 
schaft 358. 

Stolz  85.   146. 

—  und    Demut,     ihr    Verhältnis 
147. 

—  rechter   146. 
Strafe  und  Lohn   118. 

Strafen,  der  Kinder,  wie  sie  ge- 
schehen sollen  290. 

Streik  286. 

25 


I.    Kamen-  and  Baohre  j 


Sircii    «ler    Meinungen    soll    man 

nicht  scheuen   1 2. 
Studium,  als  v  galt  2'.'4. 

—  und  Gel  et  295. 

—  seine   Hallen    294. 

Beine  Hauptaufgabe   1 93  f. 

—  sein  rabbinischei  Lobpreis  194. 

—  und  Anteilnahme  der  Masse  l  2 

—  und   Tat   190. 
einsames   9. 

ie,    symbolische,    der  Vorzeit 

282  £ 
Sünde,   naht   nur   ein   Unterlassen 

61. 
>ünilen,  die  zwischen  Mensch  und 

Mensch  und  zwischen  Gott  und 

Mensch  223. 

apathische  Gefühle  41  f. 
System    der    Sittenlehre,    was    es 

fordert    19. 


I     thnih    des  Lebens,   \v;is  wir  bei 

derselben  bedürfen   I  82. 
Teilnahme,  abnehmende  2 

—  an  allgemeinen  ethischen  Be- 
strebungen '-'99. 

—  der  Einzelnen  am  Geschick  der 
Gesamtheit  832  t. 

Thora,  ihr  objektiver  Gehalt  7,  S. 

Thora,  ihre  Vorschriften  gegen 

Verarmung   307  f. 
Vorlesung  aus  ihr   1 1. 
Tiere,  Mitleid  mit  ihnen  287. 
Todesstrafe   210. 
Toleranz  222. 
Traurigkeit  85. 
Treu  und   Glauben   325. 
Trieb,  natürlicher   79. 
Tugend,  ihre   Manifestation   57. 
Tugendlehre,  ihr    höchster   Inhalt 

93  f. 


Talmud,    seine    Vorschriften    und 

ihre  Erfüllung   früher  um!  hellte 

282. 

Tannaim,  ihre  Tätij  keil  beim  Zu- 
sammenbruch i  tes  -27 f 
l     .  ihre  Arten  der  Ausführung  72. 
1  ii- 1  hen  bleiben  unvergessen  1 1 
rUiche,  ihre  Bewert 
10 

eu  mecha- 
m-         Q      txmißigki 

is  ihr  enls] 
i 


l) 


Ueberhcbung,    der    Reichen    und 

lehrten    115. 
Ueberzeugung,  was  man  als  solche 

erkannt    hat,     ilarl     nicht     ver- 
leugnet  werden    14. 

Ueppigkeit  85. 

Umkehr   116  f., 

Undank  2:<.">. 

i  Dkeuschheil   l  lOf. 

i     echt,  strenge  Bestrafung  i 
ben  211. 

—  sein  cht   l  1 5  t 

es  wini  in  \  erworfen- 


I.    Namen-  und  Sachregister. 


387 


heil  mit  fünffachen  Tadelnamen 
gekennzeichnet  319. 
Unterricht,  Geduld  im  290. 

—  am  Kinde  des  Freundes,  wozu 
er  führt  295. 

—  am  Kinde  eingebildeter,  sitten- 
roher Familie,  wozu  er  führt 
295. 

Unredlichkeit  im  Handeln  319. 
Utilismus,  feiner  und  grober  67  f. 


Vater,  Oberhaupt  der  Familie  267. 

Verarmung  und  jüdische  Gesetz- 
gebung- 306  ff. 

Verbrecher  210. 

Vereinigung-,  Formen  derselben 
257.  259. 

—  die  natürliche  soll  zur  ethischen 
werden  364. 

Verführen,    seine   Verwerflichkeit 

73. 
Verfolgte,   Gott   nimmt  sich  ihrer 

an  215. 
Verkehr,  wovon  er  abhängt  318. 

—  rechtlicher  329. 
Verleumder,    die  Strafe,    die   ihn 

trifft  217. 
Verleumdung,   Lust   an  derselben 
216. 

—  wer  sie  weiter  trägt,  verleugnet 
alle  Sittlichkeit  220. 

Verpflichtung   auf   die   Sittlichkeit 

des  andern  73. 
Verpflichtungen  gegen  Arme  213. 


Vertragstreue  326. 

Veruntreuung,  wie  sie  angesehen 
wird  323. 

Vervollkommnung  364. 

Verzeihung,  um  sie  bitten  215. 

Verzweiflung  55. 

Volksleben,  historische  Einheit  des- 
selben und  rabbinische  An- 
schauung 335. 

Volkswille,  rabbinische  Ansicht 
darüber  360. 

Volkserziehung  104  f. 

Vollkommenheit,  ihr  Begriff  21  f. 

Vorschriften,  hygienische,  zwecks 
des  Zusammenlebens  322. 

—  der  Rabbinen  über  Maße  und 
Gewichte  320. 

Vorsatz  und  Geduld  327. 
Vorsätze,  gute  48. 
Vorsorge      gegen     ungebührliche 
Preissteigerung  391. 

—  aber  nicht  Sorge  98. 

—  die  für  die  Zukunft  334  f. 

W 

Wahrhaftigkeit  325. 

—  ihr  Wert  114. 

—  keine  pedantische  311. 

—  subjektive  329. 
Wahrheit   13,   123,   127  ff. 

—  sie  gehört  zu  den  drei  Grund- 
begriffen der  jüdischen  Ethik 
122  f.,   124. 

Wahrheiten,    objektive    und    ihr 

Verhältnis  zum  Denken   362. 
25* 


i.    Hamen-  and 


w.i  lurchreisender  und  seine 

Behandlung  281. 
Warnung,  was  -  e  ist  im  psycho- 
logischen Prozeß    1  1  3. 
vor  Ueberhebung    1  15. 
Weib,  als  Zögling  274. 

m  ne    Aufgabe    und   Leistung 
6. 
Weihe  des  eignen  Heims  278. 
Weisheit,  Pietät  und  Anerkennung 

derselben   12. 
Weltbetrachlung,  die  heutige  etln- 

sclie    176  I. 
WUle    15,   7  7. 

und  seine  Wirkung  4  7. 
Norm  desselben   128. 
und   Gesinnung    15. 
und     Gefühl,     ihr    Verhältnis 
5  1  f. 
als  intellektuelles  Bekehren  1". 
Willensakt,  Energie  desselben 
Willensfreiheit,     wovon    sie    ab- 

igig  7o. 
Wirtschaftsgeschichte,  jüdische  7  7. 

Wissen,   sein    Werl   296. 

und  Bildung   195. 
Wissenschaft,     ihre     Würdigung 
185  f. 

iri  und   Individuum    • 
Wohlgefall«  a  an  der  eigenen  Hand- 
lung 52. 
Wohltat  213. 

ihre    Wirkungen    im    Gemüte 
des  Empfangen  233  f. 
Wohltaten,   auf  w<  neb   er- 

strecken 22S. 


Wohltätigkeit,    eine   Wissenschaft 

■2-21)  IV. 

—  eine  Kunst  22G  11. 

—  ihr  biblisches  Gebot  2 

—  als  subjektive  Tat  232. 

—  ihre  Leitsätze  229. 

—  ihre  Ethik,  sie  braucht  sich 
im  Judentum  nicht  zu  andern 
225. 

ih.e  Technik  225,  228  f. 
ihre  Arien  und  Formen  23<>  II. 

—  als  objektives  System  232. 

—  gegenüber  Fremden  und  Gästen 
33. 

—  beschämend   23  I. 
Wohlwollen  212.  235. 

—  und  Recht,  ihr  gegenseitiges 
Verhältnis   95. 

—  gegen  den   Feind    213. 
worin   es   rieh   Seigt   31  3  f. 

—  gegen  den  Nächsten  21  1. 

—  als  sittliche  Idee  89. 

—  zur  Gestaltung  der  sittlichen 
Gesellschaft  305. 

wollen,  gemeinsamer  Zweck  128. 

—  und    Handeln    17. 

—  sein   Inhalt    12s. 
Wollust  85. 
Worthalten  325  i. 

würde  des  Nebenmenschen   118. 


Zaul  erkunst,  ihre  Widerlegung  17. 
Zeremonie,  religiöse   XWI.   110. 


I.    Namen-  und  Sachregister. 


389 


Zerstreuung  43. 

Zeugen,  wie  sie  sieh  nach  rab- 
biniseher  Satzung  bei  Verbrechen 
zu  benehmen  haben  240. 

Ziel,  wahres  225. 

—  letztes,  der  Menschheit  363. 

Zins  212. 

Zukunft,   Vorsorge  für  sie  334  f. 

Zunge,  wie  von  den  Rabbinen  ge- 


nannt 216. 
Zusammenschließung,  ethische,  ihre 
Bedeutung  302  ff. 

—  was  sie  oft  hindert  317. 

—  universelle,  kein  Phantom  366. 
Zusammenhang  alles  Sittlichen  90. 
Züchtigkeit  in  der  Familie  142  f. 
Zwang  199. 


IL 


Stellenregister  zum  I.  u.  2.  Bande. 

Von  den  1J  itm  usgebern. 


a)  Die  angezogenen  und  bearbeiteten  Bibelstellen. 


Genesis 

5,  1" 

11 

341 

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0    12 

II 

267 

I 

191 

II.    Stellenregister  zum  1.  u.  2.  Bande. 


391 


31  u.  35  II  2-1 
31,2  II  60f. 
31,2.3  II  171 
33,19.201  196 
34,  6  I  89 
34,6.7  I  193 
35,3011.11  171 
36,  1        II   171 

Leviticus 

1,4  II  117 
1,4  II  251 
7,  12  II  15(J 
ll,44f.  I  198 
11,45-471  189 
13,46  II  217 
15  I   248 

16,  13  II  323 
18,5  I  29 
18,24  II  90 
18,25-281  248 
19,2  I  198 
19,  3  II  267 
19,5-8     I   199 

19.8  I   148 

19.9  II  342 
19,  11     II   16 
19,14.321  400 

19.15  II  319 

19.16  I  308 
19,18  I  198 
19,18     II  223 

19.32  II  258 
19,  33f.    I   173 

19.33  I  296 
19,33     II  312 


19,33.341  199 

19,33.3411  224 

19.34  I  174 
19,  34  I  29  7 
21,  7  I  433 
22,27  II  215 
24,22  I  100 
24,22  I  151 
24,22  I  174 
25  I  124 
25  II  308 
25,  14  I  295 
25,14.171  304 
25,15.161  298 
25,25  II  232 
25,  17     II  312 

25.35  II  76 
25,35  II  229 
25,36.431  400 
25,39  II  281 
26,43  II  251 
27,  10       I  233 

Numeri 

1,5  II  215 

6,  5.  8  I  433 

6,  23  f.  I  322 

6,26  II  156 

11,  16  II  341 

12,  3  II  144 
13,16  II  44 

14,  1        II  336 

15,  15f.    I  100 
15,  15f.    I  151 
15,39     II  78 
15,39.401  222 


16,5.  7  I  433 

19,  14  I  151 

19,  14  l  379 

20,  14  II  340 
23,23  II  17 
27,  15.  16  II  340 
31,9  II  138 
32,1  II  139 
35  II  201 

Deuteronomium 

1,  17  II  201 

2,26  II  157 

4  I  397 

4.4  II  245 
4,  6  I  90 

4.6  II  XXII 
4,34  I  23 

4,  35  II  17 
4,39  II  25 

5,  14  II  185 

5,  16  I  131 

6.5  I  215 
6,5  II  249 

6,  7     11 
8,5  II  250 
8,5  II  251 

8.7  II  236 
8,7  II  251 

10,  18  I  159 

10,  19  I  173 

11,  19  II  292 
13,  14  II  323 

13,  15  I  310 

14,  1  I  156 
14,26  1  283 


II. 


iter  zum  1.  u.  2,  Bande, 


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125 

2.  6         II 

XVI 

17 

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II      II 

246 

17 

II 

76 

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II 

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II   285 

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16       1 

24,  l.". 

II 

11,12      II 

167 

...  16     II 

206 

II.    Stellenregister  zum  1.  u.  2.  Bande. 


393 


5,20 

I   342 

58,  10     II   137 

28,  16  u 

.  17    II  166 

11,9 

I   76 

58,  12     II   233 

47,21-23  1    173 

22,  13. 

14   II   333 

58,  13       I   289 

22,  18 

I   284 

60,  19       I    121 

Hosea 

24,  3 

II    74 

60,  19     II   245 

4,17 

11    157 

27,  5 

II    233 

60,  19.  20  II  204 

6,3 

I   10 

30,26 

I   121 

60,21      II  203 

6,3 

II   99 

32,  17 

1   344 

66,21.23  I   152 

6,6 

I    19 

32,  17 

II   159 

66,22      I  361 

6,6 

I    158 

32,20 

II   86 

60,22     II  204 

6,6 

II   11 

33,7 

II  278 

10,12 

II    157 

33,  15 

34,4 

40,3 

40,10 

42,6 

I   106 

II  74 

II  XVI 

I   437 

i    146 

Jeremia 

1,5         I    151 
2,3       II  293 
5,4.5   II   10 
5,  12     II   10 

Joel 
1,14 

2,  15 

3,  1.2 

I  276 

I   276 
II  284 

43,9 

II    170 

9,22.23  11  89 

Arnos 

43,  10 

II   334 

9,23     II   10 

5,3 

I   108 

40,31 

II   363 

12,  14     II   294 

45,7 

Jl    159 

14,  12       I   276 

Jona 

49,6 

11   174 

20,  7  ff.    II   340 

3,  5  ff. 

I   276 

51,6 

IT   74 

20,25       I   394 

54,  10 

11   74 

22,3         I  295 

Micha 

54,  13 

11    158 

30,  10     11    154 

2,2 

II   307 

54,  13 

II   316 

31,30-32  1   152 

4,4 

I  271 

56,  1 

11  207 

31,33     II   11 

4,4 

II   129 

56,  1-7 

I   152 

31,34       I   76 

6,8 

I   108 

56,  12 

II   333 

31,34.35  I   242 

6,8 

I   125 

57,  1 

II  333 

34,5       II   158 

6,8 

I   149 

57,2 

11   158 

34,  14ff.  11  284f. 

6,8 

I  353 

57,  19 

II    158 

51,  13      I  394 

6,8 

II   140 

57,21 

II   158 

6,8 

II   146 

58 

I   352 

Ezechiel 

7,5 

II  334 

58,4 

I   276 

18,4       II   117 

58,  5-7 

1  277 

18,7.  12.16  I  295 

Habaku 

i 

58,8-1 

2  I  277 f. 

20,  12      I  202 

2,4 

I   90.  108 

394  li.    Stellenregiiter  zum  1.  u.  2.  Bande. 

ii  .^  ii  32,    l  1    15  ,2  l   368 

2.8  11    IT"  :<3'5  '   :',,,s  97'  '-  '   282 

33,  II    111  98  1  S89 

Sacharja  35,  l  l  1    2 T ti  '.19,  4  II    213 

10      1  27  1  36,  B  II    Hl  l"".  2  l   282 

I,  10      11    :  37  II   327  104,9  I    2  12 

37,  7  II    L56  101,21  I    21'' 

Zacharja  37,  n  111  1 04, 24  I   280 

8,  in     II    122  ..  11  II   204  in  -,  15  I    77 

39,2  II    156  105,25  I    393 

Maleachi  n,  2  II   312  10'  II   261 

•_>,  7         1191  11,23  II   249  106,3  11    109 

3.  16     II   2  51,5  II    i:.  106,3  II   248 

l      l:  51,8  II   45  106,  Iti       I    1 

;,1,  12.  13   I    219  100,23  II   233 

Psalm«  51,  1;)  11    1;,  lu'j,  6  II   203 

1,2         16  51.  10  II    145  110  II    340 

1,  2        II    51  II    327  1  12,3  1    34(i 

II    169  67,2^  I    390  1  12, 9         I   437 

s,  |        II    2  ^,Ki  II    131  116.  3.  I  II    249 

II    132  3,  13  M    1  119,  Itil  II    16U 

8.9  II   XXXI  08,  19  II    13  1  I  19,  165  II    15 
12,            II    123  7;,,  7.  s    II     137  UM,  165  II    l."-"> 
i;,            11'  77,  7  II   B0  1 19,  165  II    l 
15            [149  84,8  II   364  126,  I  11   ! 
15,2         II    :•  M,8  13  127,6  II    12 
15,  I        II    1  17  B4, 11  II    194  128,  3         l   271 
15,4        II                         .11  12   l   249  133,  1  II   68 
1:,           11  90  B5,  12  1   390  139,  16  n   863 
[6,7        II  45                      II  I   22  14  1,  12       I    27  11. 

284  1  •"■  181 

1    13«.  91,  1  l  11  3>  Proverbia 

I  ii  'II.  11  11    9  1.3         1    . 

11   l  17  91,15  1   261  1,  5  11 

.,  I  1       II    18  .2  II    117  I,  20  II    XIV 

l    10  II    1  94,  1  !  11   251  2.  l         l    1:.'. 


II.    Stellenregister  zum  1.  u.  2.  Bande. 


395 


2,9 

I 

368 

27,  1 

II   98 

9,10     II   96 

2,26 

II 

210 

27,  17 

9 

12,13       I   253 

3,  12 

II 

250 

30,17 

II  274 

3,17 

11 

160 

30,  22  f. 

I  282 

Esther 

3,  18 

9 

31,1 

II   274 

4,3         I   276 

4,22 

II 

39 

31,4ff. 

I  281 

4,  16      I   276 

5,  19 

I 

272 

6,6 

II 

72 

Hiob 

Esra 

6,23 

II 

251 

1,8 

II   123 

8,  21  ff.  I  276 

7,  18 

I 

272 

1,21 

II  250 

9,11       I   248 

8,22-31 

[  419 

2,9.  10  II  250 

8,30 

I 

272 

5,20 

II  333 

Nehemia 

10,  25 

II 

246 

25,2 

II   159 

8,2         I   78 

12 

II 

251 

26,7 

I  345 

12,10 

II 

270 

26,9 

II   132 

1   Chronika 

12,  11 

11 

169 

28,  24-2S  I  419 

29,14     II  307 

12,24. 

25 

II  98 

35,  5 

II   124 

13,21 

II 

116 

35,  11 

II   72 

2   Chronika 

14,34 

I 

157 

31,32 

I    153 

20,3         I  276 

14,34 

I 

380 

33,  1        II  252 

15,23 

II 

39 

Canticum 

33,  10-14  II   252 

15,24 

I 

183 

1,  13 

II   130 

15,24 

II 

23 

5,  6 

II   131 

Sapientia 

17,6 

II 

258 

5,13 

11   131 

7,  25  f.    I  419 

17,  13 

II 

236 

7,  10 

II  298 

8,4         I  419 

17,22 

I 

282 

9,9         1  419 

18,  1 

I 

353 

Ruth 

21,3 

I 

368 

4,1 

I  429 

Sirach 

22,18 

II 

39 

2,9 

I   429 

30,22.23   II  98 

22,  22 

II 

213 

3,  13 

I  429 

24,  3  ff. 

11 

296 

Römer 

24,  10 

II 

54 

Koheleth 

6,  14 f.    I   226 

24,  14 

II 

296 

1,3 

I   120 

7,7         I   226 

24,  17 

II 

162 

1,3.? 

I   252 

24,29 

II 

23S 

5,4 

II   327 

1   Corinther 

25,1 

II 

252 

1       5,  17 

I    143 

15,56       I  226 

II.     ätellenn  gutet  zum  1.  u.  2.   Bai 


b)  Die  angezogenen  Zitate  aus  Talmud, 
Midrasch  usw. 


Jerusalemischer    Talmud. 


j.  Beracholh 

III,  t,"ul.   II    IG  I 

\ .  1        [I  346 

IXg.E.    II   316 

j.  Pea 

I,  IG1    II    I  19 
I,  lGuu.  II    218 

j.  Schck  al  i  m 

3,  :<        1   396 

j.  Megilla 

i   ;  ,     ii    in 


j.  T  aanith 

II,  1        II    117 

j.  Joma 

6  II    1  !-> 

.  Kethuboth 

1,3         I   3 
10,  33d   ll    I2G 

j.  Gitlin 

5,9         I    179 

j.  Ned  arim 
10,3         I    14s 


j.  Sota 

■I,  24«     1  261 

j.  Baba   h  amma 

IX,:-         II  2m ' 

j.  Baba  mezia 
4, '.f1        I    301 

j.  Makkolh 

11,8       II    117 

Horajoth 
111,4s-  g.  F.  II    164 


Babylonischer  Talmud. 


Bei  achoth 

17» 

Anh.  1 

los 

32" 

Anh. 

i    109 

1 

279 

17« 

II 

82 

32b 

Anh. 

1    41S 

l 

260 

17' 

II 

1  19 

a 

i  1 

8»          II 

294 

17' 

II 

193 

33b 

1    70 

II 

17' 

II 

197 

16 

li.»          II 

134 

17" 

II 

\.\i.\ 

l    115 

12     Anh.  1 

17 

Anh.  1 

380 

351 

II 

1  15 

1    1 

II 

1  12 

54« 

i    188 

18    u.  17' 

n   331 

19* 

II 

IM 

I  360 

17»             1 

50 

1 

72 

58" 

1     1S7 

17»              1 

182 

II 

7s 

304 

17»              1 

27  1 

1 

•.]  i 

s  i  a 

17»  Anh.    1 

\  h.  I 

HS 

dl 

136 

II.    Stellenregister  zum  1.  u.  2.  Bande. 


397 


63b 

11   9 

H9b          11    163 

Rosch  haschana 

63b 

11    13 

119b          11   276 

2,9         I  93 

63b 

11   54 

H9b          11   339 

3,  7  u.  8  11    111 

64bg. 

f.  II   160 

126b(Mischn.)u.  127» 

16b          II    117 

11   276 

17b          11   118 

Pea 

139»          U   204 

25             1    55 

1,1 

11    190 

153b          H   53 

28a  Anh.  I   394 

1,1 

Anh.  1   423 

Erubin 

Taanith 

8,7 

1   36 

13b          11   80 

1,  3 (Misch na)  Anh. 

31a  Anh.  1   394 

I   426 

Scheb 

ith 

53bu.54«  11   38 

2,  1  (Mischna)Anh. 

10,9 

11  326 

54b          11   290 

I  426 

10,3 

u.  4  II   202 

100b          II   72 

3,  9(Mischna)Anh. 

100b          11    140 

l  426 

Schabbaln 

5b          II   153 

10a  Anh.  1   371 

Pesachim 

7a          II  9 

lla 

I   177 

3            II   52 

7»          II  291 

30b 

I  288 

4a          II  98 

7b          II  216 

31» 

11  214 

13a  Anh.  I   396 

11»           1   262 

31ab 

II  48 

22b     II  EV.  IX 

11»  Anh.  I  433 

51a 

11  95 

49b  Anh.  I  373 

IIa          11  332 

54b 

II  245 

50b  Anh.  1   407 

llau.llbI  273 

55a 

II   14 

50b  Anh.  I  408 

20ab        II   296 

55» 

11   124 

64b          II  242 

21b          II  324 

63a 

11  234 

108»          II  96 

22»           1   281 

83» 

II   54 

113b          II  78 

23»           I   358 

88b 

11  239 

113b          II  265 

23»          11  334 

88b 

u.89a  II   130 

117             I  49 

24b     II  EV.  XXIX 

105b 

II  79 

118f.          I  248 

29»         11   336 

105b 

Anh.  I  391 

118»          II  220 

106a 

Anh.  I   391 

Schekalim 

114a 

11   24 

Chagiga 

111,2        11    149 

119a 

I  286 

5a          11   234 

119b 

I  77 

5b          11   195 

Joma 

119b 

I  80 

IIb           1   88 

9b          11  216 

119b 

I  272 

14a          11   153 

9*          11   238 

li    [51 

l    L88 

61 

1   28 

61« 

1    179 

Nedarim 

9" 

II    110 

20« 

II    l  (3 

22« 

II     1  10 

32* 

l   256 

II     17 

Ju- 

II  234 

"     >'"11"        '    '  «un  l.  u.  2.  Bande. 
23-  II    237  63*  j    ll5 

11  '  Anh.  I    -Ms 

U.53«  II   i  ,,   2ß5 

^  Anh.  ,,    16 

11    l11  I    167 

I    227 
I    ,(j  Kethubolh 

I    :                    8b  ||    143 

II    ■  16bu.  17»  II    [6 

II    123  17'  U   311 

"    ■           II  50»  |    261 

78«  Anh.  I    ;i?3  50»  |    340 

•uli.  I    373  "'"'  II    109 

61  «253               79bAnh'J 

89  is;, ',11    3  ,;'  II    280                            "    "" 

1,1,8  "      !M''-!'7  Va,ir 

Mikk;i  ,    .  >  iz.ir 

1 05 '  u. ('     II    2(i> 

II    16  ,„51,  u    l26  lb  II    IL 

II    7  1  ,,,  „    ,,  II   52 

11    17:t  II    192 

25»         11   9]  Kidduschin 

I   58               20«  ll   281  Sol:i 

49b           iL'  II  2  I    U-5M1    1  17 

I9h  Anh.  I   368              :(u'''  II    M.I2  ''           ü    1  16 

l'.»b         ii    in  [264  :,,b        ll    1  15 

I   264             3°b  II    198  I    1 

31«  11   228  ll   86 

II    128  8,7    .M.s.hna, 

33"  11    196  ll 


II    194 


11  ll  '   Kode   (Miacboa) 


II   so 


II    1  19  Anh.   1    [03 


11  im  12  ii'         11  :.:< 

Jebamöth  "  •  21"         " 


21«         11 

21'*  [91 

"'**.  ,  7.       „  22        M 


>"  1    160  Oittin 

61"  Anh.  I    .  7« 

7.      u 


II.    Stelleuregister  zum  1.  u.  2.  I  laude. 


399 


32b 

II 

149 

61b 

U 

70 

2bu 

.  3a  I 

122 

35' 

Anh.  I 

371 

71a  Anh.  I 

392 

3a 

I 

29 

36a 

1 

124 

71a 

II 

284 

3a 

I 

226 

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11 

98 

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II 

213 

3a 

1 

256 

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:    ii 

242 

83a  (P. 

6  f.] 

11   209 

3b 

11 

289 

46b 

ii 

246 

84bu.  8 

15a 

11   2b7 

3b 

11 

305 

47 

ii 

52 

85a 

11 

295 

4a 

I 

354 

47b 

ii 

138 

87b 

II 

16 

7b 

II 

163 

49« 

ii 

161 

107b 

11 

343 

10b 

I 

330 

49a 

ii 

273 

110bu.  111' 

II  285 

10b 

II 

183 

49a 

ii 

27  1 

114b  Anh.  I 

378 

10b 

11 

318 

Baba 

kamma 

Baba  batra 

17a 

II 

73 

1,2 

II 

13 

8a 

II 

186 

17au 

18a 

11   73 

38a 

1 

226 

8M1 

1  11 

232 

17  u. 

18a 

II   318 

81b 

11 

344 

8au.b 

II 

198 

18a 

I 

330 

92a(Mischna)H2i;, 

9b 

II 

112 

19a 

II 

6 

93a 

11 

156 

9bfT. 

II 

120 

lba 

11 

51 

93b 

11 

71 

10b 

I 

158 

19b 

11 

53 

94b 

II 

116 

14b 

II 

330 

20a 
20b 

I 

249 

100a 

II 

209 

16a 

I 

264 

11 

146 

54b 

I 

242 

r»  ^  l 

21a 

II 

290 

Baba 

mezia 

54b 

I 

243 

21a 

II 

292 

30b 

II 

126 

30b 

II 

198 

22a 

57b 

II 
11 

321 
144 

Sanhe 

drin 

30b 

II 

209 

74a 

II 

124 

lla 

I 

10 

31a 

II 

330 

89aft'. 

II 

320 

29a 

II 

198 

321, 

II 

81 

89b 

II 

71 

35a 

II 

148 

44a 

II 

325 

90b 

II 

321 

IV,  5 

(37ab 

)  11    178 

4Sab 

II 

325 

4,  10 

60 

IX,  2 

II 

322 

■"■)     * 

58b 

II 

14S 

43b 

I 

45 

59a 

II 

149 

133b(MischnaXlII,5) 

43b 

II 

145 

II 

272 

59ab 

I 

307 

142b 

I 

56 

56 

II 

240 

59b 

I 

180 

58b 

II 

196 

59b 

II 

15 

Aboda 

zara 

60 

11 

240 

59b 

II  EV.  XVIII 

2b 

1 

256 

67b 

11 

17 

59b 

II 

312 

2b 

11 

170 

88b 

u 

146 

II.    8  eilen  ■  /.um  i.  u.  2.  Bande. 


II    17 

1 

6 

II   210 

1.  7         11    . 

1    16 

1 

17 

Anh.  i   423 

1.   15         1     60 

II 

1, 

17 

II    190 

1.  IS      ||    :;  14 

101*           1   2' 

1, 

18 

1    126 

1.  21  f.   1    141.143 

:                 l   158 

I 

18 

II    122 

1,22     ll    190 

105           II 

2 

1 

1    125 

1,29      I  104 

II    79 

2 

1 

1   237 

5,  3         1   330 

2. 

1 

ll    L00 

5,  7        [I  314 

Makkoth 

2 

2 

l   324 

5,  9        l   24  1 

3  (Mischna)  i 

2 

11   351 

ll    188 

7»          11    202 

2 

1 

II    12s 

5,  16     ll    301 

10«          II   9 

2 

1 

II    192 

:..  20     11  73 

u.      II    194 

5 

II   337 

...  26     11    71 

23bu.24*  II   90 

2 

1 

1    17 

6,  1         1    257 

24«          ll   3 

2 

9 

11    1 

»'.,  2        1   2.". 

24             1 

2 

13 

l    l 

l         1   273 

24             l    L07 

2 

13 

Auh.  1    142 

1    126 

ebuoth 

3 

3 

1 
l 

II    71 
II    1  1  1 

Menachoth 

15»          ll    112 

Horajolh 

10           II   52 
II    186 

3 
3 
3 

•» 
• » 

3 
3 

7 
7 
12. 

21 
21 

1   2  1 
II   206 

II    . 
1   264 
II    169 

II    197 

l.:1'  Anh.  1    12  1 

II    2 

1   5 

1  n»1           II    112 

1  Ki             ||    331 

Bdujotfa 

3 

21 

II   351 

Bechoroth 

l.l        (48 

\nh.  1   384 
5,  7       U  15 

1 
1 
1 

1 

2 
2 

1   268 

I    134 

237 

26"          ll    112 

31           ll  2 '.is 

1 

2 

II 

Chullin 

l'irU.-    Alioih 

1 

,2 

ll 

7>  Anh.   1    37:< 

1,  2        l   30 

l 

2 

n   2 

71'  Anh.  1    391 

1    126 

l 

3 

ll   3  M 

7U           II    17 

1  1 

l 

1 

Hin 

86«     II  KV.  XXIX 

II 

1 

Anh.    1     1 

ll   304 

ll   2 

l 

7 

ii   im; 

112"          ll    119 

II.    Stellenregi8ter  zum  1.  u.  2.  Bande. 


401 


.rachin 

16b 

II   246 

Naga'aim 

15            11   216 

17a 

11   360 

1,4          II    111 

15b          11   218 
16            II   52 

Nidda 

5,3          II    111 

16*         11   220 

47 

11   280 

16b          II    146 

50b 

11    151 

Tosephtha  Berach 

P.  2,  4    II  346 
P.  6        II  187 

Tosephtha     Sche- 
biith 

P.  3,13  II   326 

Tosephtha   Schab- 
bath 
P.  18     II   303 

Tosephtha  Kiddu- 
schin 
P.  1        II   198 


Tosephtha. 

Tosephtha  Gittin 
P.  5         I    179 

Tosephtha  Sola 

P.3,11  II  361 

P.  14,7  11  344 

P.  14,7  II  360 

P.  14      II  139 

P.  14      II  322 

Tosephtha   Baba 

kamma 

P.2,13  II  345 
P.  7  II  161 
P.  10  I  181 
P.10,28II  342 


Tosephtha  Baba 
mezia 

P.2,28    II  342 
P.8  II  286 

P.  11        II  235 

Tosephtha  Sanhe- 

drin 

P.  7         II  207 

P.  7g.E.II   314 

P.8  II   148 

TosephthaHorajoth 
P.  2  II   296 


Mechiltha 

AmalekzuEx.  18,6 

II   310 
Jithro  Anf.  II  125 
Jithro  P.  2   I    15 
Jithro,  Absch.  Ba- 
chodesch  I  25 


Älterer  Midrasch. 

Beschallach  zu  Ex. 
16,32  II   188 

Beschallach  (Ha- 
schira)  II  93 

Wajassa,  Beschal- 
lach P.  6,  zu 
Ex.  17,6  II   94 


Lazarus,  EtLik  des  Judentums  TT. 


Wajassa  1  II  212 
Mischpatim  P.    1 

II  210 
Mischpatim  P.  1 9  zu 
Ex.22,24II212 
Mischpatim  P.  20 
I  220.  227 

26 


402 


11     Stellenregister  zum  1.  u.  2.  Bande. 


Mischpaüm  P.  2  1  u. 

22     II   280 
Ki  thissa    P.    1 

II    2 IG 

Sifra 

ScheminiAnf.  1  360 
Kedoschim    P.   4 

I  1  18 
Kedoschim  P.    1.  1 

II  208 
loschim  P.  8,  I 

II    310 
Behar  P.  5  II  135 
Behai    II   281 
Behar  P.  5  U   234 
Achare  motli  P.  1  3 
I    IM 


P.  LS      1    167 

<npnn  Anf.  II 112 
Trtpna  P.  1   Ende 
II    156 


Sifre* 


Behalothcha  Hill 
zu  Nuni.  6,  2f.  P.  12 

II    156 
P.  42       I    359 
P.  187  II   96 
Schoftim  P.   187 

II   310 
Schoftim  P.   199 

II    155 
Deut  P.  306  1  93 
P.  346  M    IT  l 
Debar.P.148  II 319 


zu  Debar.  24,  15 

II   285 
Debar.  P.  32  u.  112 

II   248 
Heul.  P.  4  1    I   93 
Debarim  P.   1S7 

ll   309 
Debar.  P.  246  Anh. 

I   396 
zu   Deut.  33,21 

II    188 
zu   Deut.    11,  13 

II   3T)1 

Pesikta  di  Rah  Ka- 
li an  a 

P.  25  II  116 
P.  30  II  1  17 
P.  33      M    134 


Jüngerer  Mi  drasch. 


M  i  (1  r.  Bereschith 

rabba 

P.  1  1211 

P.  1        II    B 
P.  10  u.  81   ll   79 
p.  12g.&  II    'i 

P.  ;<8      I   3.".'.» 
P.  38,  7    II    127 
1".  11      II    1  17 
P.  11,1   ll  287 
l'  58,6   H    158 


P.  82,  2  II    196 
P.  85     II   98 
P.  9s      l    ; 

Mnir.  Schemoth 

rabba 


P.  3 
P.  3 

3,  l  ii 
P.  i 
P.  19 


II  i 

ll  162 

II  212 

II  . 

I  153 


&.6IIEV.XX1X         P.  21     ll 


P.28,2  ll  27 a 

P.  31       1  155 

P.  31       I  259 

P  36       1  1  1 

Midr.  Wajikra 
rabba 


P.  I 
P.  7 
p.  9 
P.  9 
P.  in 


I  8 

I  4.'> 

I  284 

II  159 
ll  118 


II.    Stellenregister  zum  1.  u.  2.  Bande. 


403 


P.  13  II  217 
P.  20  1  327 
P.  25  I  124 
P.26,1  11  218 
P.27,5  11  215 
P.  30  I  70 
P.  32  II  148 
P.  31  11  137 
P.  34  ff.  II  226 
P.34,1  II  313 
P.  35      I   133 


Midr.   Bammidbar 
rabba 

11,7  II  155 
P.  14  I  159 
P.  14,  2  247 
P.  15,  12  II  315 
P.  15,20  II  341 
P.  19  I  189 
P.  20,  15  II   116 


Semachoth 

2,  10      I  262 
11  II   190 

Derech  erez  r. 
P.  6       II    16 

Jalkut   Schimeoni 

zu    Jos.    Nr.    326 
II  EV.  XXIX 


P.  21,  14  II   340 
P.  22,  8     II   137 

Midr.  Debarim 
rabba 

P.  1         1    135 
P.  4  Anh.  1   397 
P.  5,  7  11  206 
P.  6,9  II    217 
P.  9       II   161 

Midr.    Schir    ha- 
schirim  rabba 

zu  Hohesl.  1,3  11  12 
zu  Kap.  8  I   357 

Midr.  Ruth  rabba 
P.  5       II  235 

Midr.  Echa  rabba 

54b        II  80 
zuKap.5,22  II 112 


Kleine  Traktate. 

zu   Ps.  Nr.   702 
II   117 

zu   Ps.  Nr.   767  ff. 
II   217 

Menor.  hammaor 


Tanchuma 

Wajikra,  ßehar. 
II  213 

I1?  -jb     I  92 
Misehpatim  11  213 
D^Si  5.  v.  DDWfcn 
D^Ont?   11   244 

Pesikta  rabbathi 

P.  1  I  153 
P.  14  1  189 
P.  24     II   307 

P.  45  Anh.  II   146 

Pirke  di  R.  Eliezer 
Kap.  41      271 

AbothdiR.  Nathan 

4  I    19 

31  I   257 

34  280 

35  248 


bei  Fürstenth.  1,161 

II   73 
259     Kap.    181  ff. 

II   259 
III,  bei  Fürstenthal 
S.  335     II    143 


bei  Fürstenth.  HI,  5     Maimon.,   Jad    ha- 


ll  115 


chasaka 


III,  5  bei  Fürstenth.     Hilchoth  Deolh  3,  2 
S.  I32ff.  II  116  I  II   134 

26* 


404 


LI.    Stellenregister  zum  1.  u.  2,    Bande. 


i.Tumatxaraalb     Maimon.,  Morc  Ne- 
16,  10   II   217 
Hilch-Teschuba 

u.  11  II  34 


Nr.  135     II   :<2S 
Nr.  525     ll  336 


bochim 

I     II  212 
N.  III,    11    Schluß     JakoL)     b<    Ascher 

Tur  choschen 

Misch  |i  it 

Kap.  I,  Abs.  1    [15 


31  l 


Hilch.Mathnolh  Ani- 

jim  l Xu. XII  18.") 
Hileh.MulhrmtiiAni- 

jiiu     IX,     12     u. 

X,  6   II  199 
Hilch. Mdach.  7,15 

II  95 
Sank   23,     Hai.   9     Sepher  Chinnuch 

Anh.    [371  Nr.  429     II    322  Nr.  192      I   54 


Saadja .  Emun.  we 
Deolh 

10,  3 IT.     II    134 
19,5         II    134 


ResponsendesCh.v 
woth  Jair 


Druckfehler. 

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Vom  Verfasser  sind  ferner  erschienen: 

Die  sittliche  Berechtigung  Preussens  in  Deutschland. 

Berlin   1850. 

Das  Leben  der  Seele. 

3  Bde.     III.  Auflage.     Dümmler,  Berlin. 

Über  die  Ideen  in  der  Geschichte. 

III.  Auflage.     Dümmler,  Berlin. 

Zur  Lehre  von  den  Sinnestäuschungen. 

Dümmler,  Berlin. 

Ideale  Fragen. 

Beden  u.  Vorträge :  Auf  Herbart.  Ein  psychologischer  Blick 
in  unsere  Zeit.     Über  Aufklärung  usw.  C.  F.  Winter,  Leipzig. 

Erziehung  und  Geschichte. 

Schottländer,  Breslau. 

Reize  des  Spiels. 

H.  Auflage.     Dümmler,  Berlin. 

Schiller  und  die  Schillerstiftung. 

W.  Friedrich,   Leipzig. 

Treu  und  Frei. 

Reden u. Vorträge  üb.  Juden u.  Judentum.  C.  F.Winter,  Leipzi g. 

Der  Prophet  Jeremias. 

Schottländer,  Breslau. 

Was  heisst  und  zu  weichem  Ende  studiert  man  jüdische 
Geschichte  und  Literatur? 

Ein  Vortrag.     M.   W.  Kaufmann,  Leipzig. 

Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  und  Sprachwissenschaft. 

Herausgegeben  von  M.  Lazarus  und  H.  Steinthal.  20  Bände. 
Dümmler,  Berlin. 

Aus  dem  Nachlasse  erschienen: 

Die  Erneuerung  des  Judentums. 

Herausgegeben  v.  Nahida  Lazarus.  Georg  Reimer,  Berlin. 

Pädagogische  Briefe. 

Herausgegeben  von  A.  Leicht.      Schottländer,  Breslau. 

Ein  deutscher  Professor  in  der  Schweiz. 

Nach  Briefen,  mündlichen  Mitteilungen  ihres  Gatten  und 
Dokumenten  verfaßt  von  Nahida  Lazarus.  Dümmler, 
Berlin. 


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