DIE
ETHIK DES JUDENTUMS
DARGESTELLT
VON
PROF. DR M. LAZARUS
ZWEITER BAND
AUS DEM HANDSCHRIFTLICHEN NACHLASSE
DES VERFASSERS
HERAUSGEGEBEN VON
J. WINTER und AUG. WÜNSCHE
FRANKFURT am Main
VERLAG VON J. KAUFFMANN
1911
«'UPYRK4HT 1911 HV J. KAUPFMAN'N
6
b2Z5
Ju
MEINER GELIEBTEN GATTIN
NAHIDA
GEWIDMET.
LAZARUS.
2116156
Vorwort der Herausgeber.
Vor mehreren Jahren wurde mir, dem letztgenannten
der Herausgeber, von .Frau Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. Lazarus das Manuskript zum zweiten Bande der „Ethik
des Judentums" ihres verstorbenen Gemahls zur Yer-
öfientlichung übergeben.
Dasselbe bestand aus einem großen Konvolut größerer
oder kleinerer Blätter und Blättchen, teils mit Tinte,
teils mit Bleistift geschrieben, oft recht aphoristisch ab-
gefaßt, aber doch so, daß der beabsichtigte ethische
Gedanke immer klar vor Augen trat und es nur sehr
weniger Einschaltungswörtchen bedurfte, um ihn auch
dem nichtorientierten Leser verständlich zu machen. Die
erste vorläufige Sichtung und Ordnung der Blätter und
Blättchen hatte bereits Frau Geh. Regierungsrat Lazarus
selbst nach dem, dem ersten Bande der Ethik am Schlüsse
beigegebenen Inhaltsentwurf getroffen, welcher die beiden
letzten Abschnitte des Werkes umspannt: „Der Weg zur
Sittlichkeit OTT*)" und „Die Gestaltung der Sittlichkeit,
welche geschaffen werden soll pW")", von denen jeder
sich wieder in verschiedene Kapitel gliedert. Um aber
VI Vorwort dei tl> musgeber.
nur einigermaßen Anschluß und Zusammenhang in die
Entwürfe und Skizzen zu bringen, daß sie ein lesbares
Ganzes bildeten, das nicht nur dem Inhalte, sondern auch
der Forin nach, von dem ersten Bande nicht allzusehr
abstach, blieb noch immer viel zu tun übrig. Dabei
gewann ich zugleich die Überzeugung, daß ich mich zur
Veröffentlichung des Werkes wegen verschiedener Sitten
und Gebräuche, die zum jüdischen Kultus gehören und
deren rechte ethische Bewertung eine durch Geburt und
Erziehung mit ihnen verwachsene Autorität erfordern,
nutwendig mit einem jüdischen Gelehrten verbinden müsse.
Als dies mir zugestanden wurde, wandte ich mich an
meinen Freund. Herrn Rabbiner Dr. J. Winter, welcher
sich auch sofort bereit erklärte, an der Herausgabe sieh
zu beteiligen, falls ich das Manuskript der Veröffent-
lichung für wert hielte und der festen Zuversicht sei,
daß sich die Entwürfe und Notizen zu einem übersicht-
lichen Ganzen zusammenfügen ließen.
Bei unserer Zusammenarbeit im Druck sind noch aller-
lei Veränderungen getroffen worden. Manche Stücke sind
durch Versetzung in noch strafferen Zusammenhang ge-
kuiiiinen. Vor allem sind zahlreiche Stellen, die von
Lazarus nur Dach dem Standort im rabbinischen Schrift-
tum bezeichnet waren, von ans übersetzt worden, ohne
daß wir uns als die I bei ■ . ebneten. Nicht
3tellen wiederum, die nur itungsweise n
Anfangsworten angeführt waren, haben wir ermittelt
Vorwort der Herausgeber. VII
und ausgeführt. Neue fügten wir illustrierend hinzu. Aller
sonstigen sachlichen Einschaltungen oder Korrekturen in
der philosophischen und kritischen Beleuchtung der
ethischen Begrifiswelt des Verfassers aher haben wir uns
enthalten. Das Manuskript war uns heilig. Jeder Gedanke
mußte nach Inhalt und Form so auf die Nachwelt kommen,
wie er vom Autor auf die Zettel hingeworfen war. Wir
glaubten sogar, den Standpunkt des Verfassers auch in
solchen Fragen festhalten und scharf hervortreten lassen
zu müssen, wo der eine oder andere von uns im Wider-
spruche zu ihnen sich befand.
So übergeben wir den zweiten Band der „Ethik des
Judentums" der Öffentlichkeit. Er ist kein Torso im
strengen Sinne des Wortes, wenn wir auch gern zuge-
stehen, daß durch straffere Zusammenarbeit durch den
Autor manche Kapitel ein anderes Gesicht erhalten haben
würden. Andererseits würde mancher Punkt, der mit
einer bloßen Andeutung abgetan ist, ausführlicher und
tiefgründiger behandelt worden sein. Indessen geben wir
uns der Überzeugung hin, daß Lazarus, wenn er unsere
Arbeit an seinem Werke heute sehen könnte, uns seine
Billigung und Zufriedenheit aussprechen würde. Das
gebildete Judentum wird den Abschluß des Werkes sicher
dankbar begrüßen. Insbesondere wird für Rabbinen und
Lehrer die „Ethik des Judentums" von Lazarus ein gutes
Repertorium bleiben, das ihnen manchen Dienst in ihrem
Amte leisten dürfte. Schon die Sammlung des Materials
VIII Vorw ort der Eer&uBge
ist verdienstvoll. Es ist eiue Fundgrube für ethische
Erkenntnis erschlossen. Dafür wird auch derjenige Dank
wissen, der das Material anders wertet als der Verfasser.
Aber auch dem vergleichenden Religionsforscher und
Kulturhistoriker wird das Werk des seligen Lazarus will-
kommen sein, da es ihm den Blick in die ethische Vor-
stellungswelt des Judentunis auch ohne eigene Kenntnis
der biblischen und rabbinischen Quellen ermöglicht.
Der Verlagshandlung danken die Herausgeber beson-
ders dafür, data sie bemüht gewesen ist, den zweiten Bund
in derselben vornehmen Weise wie den ersten in Druck,
Papier und Ausstattung ausgehen zu lassen.
Dresden, im Januar 1911.
J. Winter und Aug. Wünsche.
Einleitung und Vorwort des Verfassers.
Zur Geschichte des zweiten Bandes.
Ein deutsches Sprichwort sagt: Wenn der Boden zu
fett ist, so erstickt die Frucht; das war die Gefahr, das
Material war zu reich. Das erklärt am besten, weshalb
so lange keine „Ethik" in der jüdischen Literatur zu-
stande gekommen. Auch ich war zwei- oder dreimal
nahe daran, die Flinte ins Korn zu werfen. Beachtet
man die Form der Systematisierung, so zeigt sich, daß
der Gedankengang der Rabbinen bald die Tugend, bald
die Pflichten lehrt, bald die Yollkommenheitstheorien
usw. verfolgt.
Man ist immer in Gefahr, bei der Auffassung eines
gegebenen Ideengehalts von der Form des Vortrags, von
der Rede- und Denkweise des Autors abhängig zu sein;
nur derjenige, welcher geübt ist, den Gedankenvortrag
verschiedener Völker und Zeiten zu beobachten, wird
dahin gelangen, den eigentlichen, inneren Denkgehalt zu
erfassen, ihn aus der Hülle der Denkform herauszuwickeln
und in einer geistig allgemeinen, gleichsam menschheit-
lichen Form festzuhalten.
X Einleitung und V i > vs.
Die jüdischen Gelehrten der letzten Jahrhunderte,
welche durch Peio und Leid häutiger Verfolgung zu einer
auch geistigen Abschliebuug gleichsam hingedrängt wur-
den, konnten deshalb dein hohen und reichen Ideen-
gehalt, der in den tahniidischen Aussprüchen niedergelegt
ist, nur selten gerecht werden. Glücklicherweise war der
alte Geisl der rabbinischen Sittenlehre tief genug ge-
wurzelt, zugleich reine Sitte und lautere Gesinnung genug
befestigt, daß wenigstens die praktische Ethik kaum
Schaden erlitt; aber auch theoretisch war trotz aller
Enge und Verkünstelung des Geistes — denn der in
ier Beschränktheit dennoch emsige Geist mußte sich
m.twendig verkünsteln! — der wirklich erhabene Ideen-
gehalt des talmudischen Schrifttum- nicht auszutreiben.
Die Et< le Über diese ethischen Dinge, über die Agada
überhaupt, war meistens abstrakt, hohl, an eigentlichen
Gedanken unfruchtbar, immer nur das Allgemeinste der
1 igend, Frömmigkeit und guten Sitte wiederholend, in
der Form entstellt, bis zur Komik verzerrt worden;
und dennoch und dennoch die geradezu erhabene
l. iiterkeil der Gesinnung, die Reinheit und der Adel
sittlich. T [deen der alten talmudisohen Überlieferung ist
aus dem Munde dieser Stummen, krausen und schnurrigen
Redner nicht gewichen. Für ans aber, die wir ihre Unzu-
länglichkeit • b zu deutlich fühlen, Bind sie wertlos!
dem Wiedererwachen « chaftlicher Behand-
lung de Judentui ging man nur historisch und lite-
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XI
rarisch zu Werke, daher fehlte die Ethik. Dieses Werk
ist der erste Versuch einer wirklich jüdischen Ethik. Die
Idealität des Judentums ist eben unverwüstlich.
Nachdem die Prinzipien überall mit Belegen aus deu
Quellen versehen sind, ist es in diesem Teile — um ihn
nicht zu sehr anschwellen zu lassen — nicht mehr nötig,
jedem Gedanken auch spezielle Zitate hinzuzufügen.1
Aufgabe.
Die Ethik als Wissenschaft bringt nichts eigentlich
und wesentlich Neues.
Wehe dem Volke, dem die Sittenlehre der Wissen-
schaft mit ihrem Inhalt ein Neues ist und ein Neues
bringt; — imd wehe der ethischen Wissenschaft, welche
als ein Erzeugnis des Einzelnen nicht aus dem Geiste
der Gesamtheit geschöpft ist; sie kann die Wahrheit
suchen, aber nicht finden, sie kann sie auch nicht im
Gemüt des Volkes bewähren und bewirken.
1 Einerseils war es unnötig-, da das Detail sich aus den
Prinzipien ergibt, welche als echt jüdische im 1. Teil genügend
nachgewiesen sind; sodann aber, weil es hier oft zu umständlich
war, den Nachweis zu führen (der ja nur ein historisches Interesse
halle). Denn oft sind die Gedanken laisächlich nicht in irgend
einem Überlieferlen Salze oder einer einzigen Überlieferlen Tatsache
enthalten, sondern man müßte als die wirkliche Quelle derselben
eine ganze Anzahl von Sätzen kombinieren, in denen der Gehalt
nur wie ein belebendes Fluidum herrschend ist. Man braucht
nicht jede lalmudische Anekdote, jeden überlieferten Brauch usw.
zu zitieren, aus denen die Darstellung der EÜiik Weisung empfängt.
\II Ihtleitang and Vorwort dei Verfanen,
GrolJe problematische Frage.
[mmer werden Urteile gefällt über einzelne Handlungen
des Einzelnen im ein/einen Moment: dagegen auch über
den ganzen Menschen, über einen Stand, ein Volk,
eine Geschichtsepoche usw.
Die Begriffe von der Zusammensetzung des All-
gemeinen aus dem Besonderen, und von dem EinllulJ
des Allgemeinen auf das Besondere Bind noch sehr un-
klar; bald wird das eine, bald das andere betont.
Es war nicht meine Aufgabe, alle Stellen aus den
rabbinischen Schriften, welche einen ethischen Gedanken
>ia r~ teilen oder andeuten, auch in diesem Werke zu
zitieren. War irgendeine Lehre als im öffentlichen Geist-
des Judentums and auch in einer besonderen Schrift-
quelle vorhanden nachgewiesen, so durfte ich nicht blolj,
ich maßte oft auf Anführung von anderen verzichten.
Nicht jeder findet in einem überlieferten Satze dasselbe,
ein anderer darin limlet. Können also die Kritiker
für einen hier vorgetragenen Gedanken noch andere
Stellen zitieren, so soll es mich freuen, wenn sie ihre
Leser damit bekannt machen Die Wirkung ine
Buches wird dadurch nur befördert und nicht herab-
:zt.
I»' 8< blufi aber. dafl eine Stelle mir. weil ich sie nicht
gefuhrt, auch nicht bekannt gl I in den meisten
Fehlschluß. Ea ist au< l> durchaus nicht immer
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XIII
die Rücksicht, den Umfang des Buches nicht allzusehr
anschwellen zu lassen; in vielen Fällen hat meine Be-
schränkung einen inneren wissenschaftlichen Grund. Der
Eifer mancher Kritiker, alles, was sie über eine Frage
wissen, an den Mann zu bringen, hat oft meiner Zurück-
haltung ein günstiges Zeugnis ausgestellt. Die Sache
wäre kaum der Rede wert, wenn sich daran nicht die
Frage knüpfte, wie es denn mit den Stellen sich verhält,
welche eine von der hier vorgetragenen Ansicht ab-
weichende enthalten? Zunächst verweise ich auf § 46
und 56—60 des I. Bandes; sodann: dies ist eben meine
Meinung und ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn
ich für die meisten Fälle hinzufüge: dies ist eben unsere
heutige Meinung! —
Sowie ich (bisher) wegen des Forschens (himmlischen)
Lohn empfing, so werde ich auch wegen des Unterlassens
Lohn empfangen. (Pesach. 22 b.)
Dies Buch ist kein apologetisches. Nichts ist von
Apologie darin! Gewiß werden wir angegriffen; man griff
der Juden und auch des Judentums Ehre an. Die Juden
mögen sich verteidigen. Das Judentum braucht keine
Verteidigung. Aus der Willkür des Angriffs folgt nicht
die Notwendigkeit der Verteidigung. Und nicht bloß
willkürlich, sondern aus Unwissenheit töricht, oder aus
Bosheit ungerecht sind alle diese Angriffe.
Die Systeme — die nationalen und die wissenschaft-
lichen sind bekannt.
XI V .leituug und Vorwort des Verfassers.
Man kann Bie Bchätzen Dach der Form oder nach dem
Inhalt
Nach dem Inhalt steht keines höher als das Juden-
tum; Begründung, Ziel, Weg und Gestaltung /der Einsei-
person und der Verbände). Was ich von Plato und
Aristoteles, von Kant und Herbart und auch Sohleier-
macher aus seinem wundersamen Buch'' Kritik der Bitten-
lehre gelernt, ist den Talmud Lehren, ihn deuten und be-
greifen, verstehen und würdigen, d. h. das darin zu rinden.
- wirklich darin liegt und nur wegen seiner uns mo-
dernen Menschen fernliegenden Denk- und Redeform
nicht sofort erkennbar ist. Man übertreibt nicht, wenn
mau sagt, wir vorstehen heute den Plato. so wie ihn nie
ein Grieche verstanden, ja wie er sich selbst nicht ver-
standen. Kein Wunder! Alle anderen Gedanken sind
Hüten zum wahren, vollen Verständnis, zur Vergleichung
USW. i>as ist der charakteristische Vorzug des wahr-
haft Tiefen, daß es wächst durch das Wachstum der
Empfänger.
Wie mancher Rabbi des Talmuds hat einen kurzen
»Spruch hing) d, neileicht mitten in der Diskus-
lion; aber weil er aua dem t^uoll der ethischen Substanz
chöpfl ist. birgt er m sich eine nie vei l< Keim-
kraft. Werden wir Menschen in ethischer Klarheit und
11 teil fortschreiten, so wird man auch aus Bibel und
Talmud immer mehr Lernen, immer mehr keimkräftigo
tkörner in ihnen linden.
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XV
Ich verlange nicht Nachsicht: aber etwas Geduld,
etwas Sanftmut und ein freundliches Entgegenkommen
gegen die Gedanken, die geboten werden. Und von
meinen Glaubensgenossen weiter nichts und nichts weiter
fordere ich, als daß sie gerecht, wahrhaft redlich, von
Herzen gerecht sein sollen.
Weil in den europäischen Kulturvölkern eine gewisse
Gemeinschaft und Gleichartigkeit wenigstens der sittlichen
Ideale vorhanden ist, meinen wohl viele, daß es einer be-
sonderen Ethik des Judentums nicht bedarf, sie sei in
der Ethik des europäischen Kulturlebens auf- und unter-
gegangen. Aber das Judentum ist da, es ist eine leben-
dige Tatsache, und der Kern dieser Tatsache ist die
Ethik des Judentums. Das Grundmotiv der jüdischen
Ethik ist — vergleicht man es mit dem der antiken
Völker — ein anderes, ein eigenes. Wie es mit den
modernen Völkern, welche ihre Weltanschauung durch
Vermittlung des Christentums gebildet haben, steht, das
zu untersuchen ist unsere Sache nicht. Die Ethik des
Judentums wendet sich an seine Bekenner; ob auch an-
dere daraus lernen können, lernen sollen, kann sie selbst
nicht entscheiden.
Alle religiös dogmatischen Vorstellungen müssen hier
fern bleiben; von den Wegen der Vorsehung reden die
Menschen gern, aber wer darf sagen, daß er sie kennt?
Nur als eine Tatsache ist der Bestand des Judentums
anzuerkennen, eine unleugbare, und darum gewiß nicht
XVI i i '••■ ing und V »rwoTt du Verfaaien
bedeutungslose Tatsache Was sie für die anderen
Stämme der menschlichen Familie bedeutet, kann die
Ethik des Judentums Dicht bestimmen.
Aber in ihrer Eigenart muß Bie dargestellt werden.
W'.im die Ethik des . Judentums ihre Stimme erhebt,
geschieht es allen zu lieh, aber niemandem zu leid.
Nicht die Erkenntnis des Besseren im Vergleich, sondern
die Erkenntnis des wahrhaft (inten bat die Ethik zu
suchen.
])as Judentum hat, nachdem es den Monotheismus
begründet und die Welt dadurch erleuchtet hat. sich
Dicht mehr mit der Vergleichung befaßt; kaum in den
apologetischen Schritten, sonst aber nirgends in seiner
Literatur hat es mit der Prüfung der anderen sich be-
schäftigt.
Wie jede Schule, jede Religion, jedes Volk, hält das
.Judentum seine eigenen Ideale für die wahren; das ist
sein Recht und seine Pflicht. Die Geschichte ist der
Zuchtmeister, welcher die Juden vor jeder L'berhebung
geschützt hat. Bs hält sich nicht für den „Prediger in
•ler Wüste",1 noch für die „Weisheit, die in den Gassen
predigt"*; aber seine Bekennerruft es auf: mite ro?J1 id1? 8,
und das ist da- Lieht sittlicher Weltanschauung, das
Licht, welches da^ Getriebe des Lehens, den Weltlauf
beleuchtet, und das Licht nicht blofi von Finsternis,
' Doreii bische Abteilung in Jes if| entstanden.
* Pmv. 1 , 20. 3 Je». 2, 6.
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XVII
sondern auch von Dämmerung und Schatten und dem
blassen Schein und falschen Glanz unterscheiden lehrt.
Der Bearbeiter einer Ethik befindet sich gegenüber einem
der großen Probleme: 1) er soll originell sein und doch nicht
Neues lehren, 2) er soll individuell sein und soll doch
das Allgemeine lehren, 3) er wird notwendig subjektiv sein
und soll doch die objektive Sittenlehre darstellen.
Wie diese drei Formen des Problems zusammenhängen
und ineinander übergehen, soll hier nicht erörtert werden.
Dagegen ist hervorzuheben, daß sie alle sich verschärfen,
wenn es gilt, nicht sowohl eine freie, philosophische
Ethik zu schaffen, sondern die tatsächliche, mit ihrem
Inhalt vorhandene einer Schule, einer Zeit, eines Volkes,
einer Religion darzustellen. — Form und Inhalt — Vor-
schrift und Begründung (diese kann in einer objektiv
gegebenen Ethik ganz fehlen — ) — Fortbildung im
objektiven Geist und aus objektiven Motiven sogar nach
(vorbildlich aus früheren Zeiten) gegebener Methode in
subjektiver Gedankenarbeit zu vollziehen.
Für die Systematisierung und für die Begründung sind
in der jüdischen Literatur wenige und noch weniger gute
Vorbilder vorhanden. — System, immer nur Anfänge,
immer wieder verlassen, Unterbrechungen! — Der Grund
für diese Erscheinung liegt klar auf der Hand. Be-
gründung: Wenn ein STDTD oder p^Dlina den Geist
befriedigt, wird er nach Gründen nicht lange suchen . . .
Dazu kommt, daß Beispiele der Alexandriner, später des
Will tleitang und Vorwort de« Verfassen.
Maimonides abschreckend gewirkt hatten. Die allegorische
ümdeutung »1er in der Schrift erzählten Tatsachen hatte
die greifbaren, festen Körper der Erzählung in unsicht-
bare Gasformen gewandelt; mochte der philosophische
Chemiker immerhin die Identität der Stoße behaupten,
für das schlichte Bewußtsein waren die Körper ver-
schwunden, zu nichts geworden. Das macht die Polemik
begreiflich, BOgar entschuldbar.
1 >ie Begründung, Ableitung aber war meist nicht ethisch,
sondern metaphysisch. Das philosophische Denken hatte
das Ethische nicht in sich selbst vertieft, sondern in
fremde Tiefen abgelenkt und versenkt. So bei Bachja
in die Mystik, welche eine allzu aristokratische Ethik
zur notwendigen Folge hatte.
Die Ethik des Judentums ist keine Güterlehre. Nicht
welche Güter erworben werden sollen, lehrt sie. Die
Schöpfung von Gütern ist Sache der Technik des Lebens;
die Ethik aber lehrt, wie der Mensch gut sein und wie
. r L'ut handeln soll; also Gesinnungen und Tugenden
und Pflichten und Handlungen.
Wohl gilt das Leben selbst als ein (!ut. und deshalb
auch /ur Steigern] elben, also zur Ener
V*erf( inerung, Zierde und zum GenuL desselben dient.
A.D6I alle Güter sind nur Erfolge des sittlichen Lebens,
nicht Zieh- desselben.
li der religiösen Wendung sind alle Güter ein-
alieulich des Lebens selbst Gaben Gottes, welche dem
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XIX
Menschen aus der Gnade Gottes oder aus der Gerech-
tigkeit Gottes als sein Verdienst zukommen. Nach der
ethischen Wendung aber sind alle Güter nur Bedingun-
gen, Mittel und Gelegenheiten zu sittlichem Tun, das
heißt zu dem, was sittlich gut ist.
Bisher wurde die Ethik meist — nach dem Vorgang der
Alten — entweder als Tugend- oder als Pflichten- oder
als Güterlehre dargestellt; hier aber finden wir sowohl
die Tugend- als die Pflichtenlehre. Die Güterlehre frei-
lich ist in der jüdischen Sittenlehre nicht bearbeitet;
daß sie dem innersten Prinzip derselben widerstrebt, ist
im ersten Teile gezeigt. Daher aber erscheint hier als
neue Form die Lehre von der Gestaltung der Sittlich-
keit im wirklichen Leben und in den Beziehungen der
Menschen zueinander, welche unter der Führung der
Idee zu sittlichen Instituten ausgeprägt werden.
Die Realisierung eines sittlichen Ideals ist von Um-
ständen und Bedingungen abhängig, unter denen sie erst
stattfinden kann. Die Gestaltung dieser Umstände und
die Erfüllung dieser Bedingungen ist also der zuerst
notwendige Schritt zur Verwirklichung des Ideals oder
des sittlichen Zweckes. Die wichtigste Bedingung ist
eine gewisse geistige Entwicklung des Menschen; diese
bildet also die nächste sittliche Aufgabe. —
Aus dem Inhaltsentwurf des zweiten Bandes kann man
auch jetzt schon sehen, welch einen Reichtum ethischer
Bestimmungen ich aus den Quellen schöpfen konnte.
b*
XX Einleitung und '
Individuuin und Individualität.
Der Wer! des Individuums (und der Individualität) steigt
in dem Maße, als es fähig ist, für die Gesamtheit und in
der Gesamtheit — als schöpferisches (Ilied derselben — zu
wirken. Auch die Momentalität, die Vereinzelung der indi-
viduellen Aktion, soll überwunden werden; das Leben soll
ein Ganzes bilden. Je reicher das Momentane, desto wert-
voller Umbildung zu einem Ganzen. Beilig heißt
beides : Ganz sein und mit anderen vereinigl sein. Heilig oder
gottähnlich Bollen die Individuen werden, indem sie immer
mehr aufhören, vereinzelte und in Momente te In-
dividuen zu sein. Gott ist absolut ganz und absolut eins.
Ilen jeder ganz werd< aund sich vereinigen, und auch
Vereinigung -"!l wiederum ganz werden, d.h. zweck-
voll mmi n ein < Ganzes ausmachend , plan-
mal Q •mtleben führend. Dir sit tlirln-n I < 1 • • 1 1
md Formen, Mut'], aufsteigende Zustände der Vereini-
. 7. Kapitel.
.1 Ine sittliche Handlung, jeder Akt ist ein
Beil S löpfung der Einheit — Gerechtigkeit und
Wohlwollen, Eingebung, Liebe. — Die historische Kon-
tinuität lies Geistes macht aus einem Volke eine fort-
le Einheit. Von dem Einzelnen, der dabin geht
im i iit mehr wirkt, aber an seiner Stelle gewirkt
• vcy bx *)DM1 Unkt ab. i rin [ndiyiduum
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXI
noch weiter, sein Werk, seine Gedanken, seine Ge-
sinnung als Vorbild usw., so lebt er eben aktiv fort,
schafft weiter an der Einheit, Kontinuität. Also N. N.
lebt in meinem Geiste. Daraus entsteht das Ideal:
Alle sollen in Allen fortleben.
Ebenso naiv und populär: dem Verstorbenen ein liebe-
volles Andenken bewahren. Als Prinzip gedacht: das
Fortleben des Vergangenen lebendig erhalten; sich mit
dem Vergangenen, das Vergangene mit sich vereinigt er-
halten; von der Endlichkeit zur Unendlichkeit aufsteigen.
Das Andenken Abrahams, Moses usw. wird solange dauern,
ihr Wesen wird wirken, solange es Juden, solange es
Menschen auf der Erde gibt.
Wenn einst in Allen ein Gedanke lebt, wenn es ihr
ganzes Leben durchdringt, alle vereinigt usw., dann ist
das ethische Ideal erfüllt. Aber der Inhalt ist unend-
lich. Die Vorsehung wird schon für immer weitere
Fortschritte sorgen, von denen wir ebenso keine Ahnung
haben, wie ein Mensch von vor 3000 Jahren keine Ahnung
von unserem Denken haben konnte.
Das K\T D^ötJO üb * sichert dem Menschen seine schöpfe-
rische Tätigkeit und Selbständigkeit.
In der Form des höchsten, des göttlichen Humors wird
der Gedanke vorgeführt. Humor ist die Einheit des Er-
habenen und des Komischen, des Unendlichen und des
1 Deuter. 30, 12.
XXII Einleitung and Vorwort des \ ra.
Endlichen, oder Jos unendlich Großen und unendlich
Kleinen, Gott lacht, das ist der Humor, und worüber
<i3 ,:,--j:. Eliezer, das Prinzip der Tradition, des ob-
jektiven Gehalt- der Idee, die. weil sie Wahrheit, als un-
veränderlich erscheint, wird durch Josua besiegt, durch
Josua, der nicht Tradition, Bondem Grund- verlangt;
«Tl raift fc6, d. h. selbsttätige, schöpferische Bewegung
des G Die Idee, weil sie ewige Wahrheit, ißt
ewige Entwicklung. Den Menschen ist gegeben, daß die
Entwicklung der [dee persönlich in ihm vollzogen wird.
Die Idee wird Person und die Person ideal. Besonders
im Göttlichen wird der Mensch *)nW. Bei der ferneren,
zarteren, edleren Bittlich« d Lebensgestaltung ist 2bb niDö
vorhanden; aber dabei heißt es gerade: WW, er muß sich
hüten, der objektiven Idee gerecht zu werden, ihr treu
zu folgen, nicht in Subjektivität auszuarten,
Josua ist so konservativ wie Eliezer; ist er doch in
dem Spezialfall, der den Anlaß zur Kontroverse gibt,
bei dem fataleo Achnaiofen der Vertreter der eren
Ghott lacht Das Endliche hat gesiegt. Wodurch?
Weil es, von den en-Idealen erfüllt, da unend-
liche ganz in sich B nun' n hat. Deshalb Lsl
Lbstschöpferisch geworden. Gott
lacht I1 ' wlute hat Beineu Zweck, dai Endli
durch die objektive [dee emporzuheben, DSTiBOri K'n o2,
1 I - Aiii.i! 2 Di Uta 1, «.
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXIII
so vollständig erreicht, daß nunmehr das Endliche selbst-
ständig geworden ist.
Umstellung der auf Psychologie zu gründenden
Aufgabe der ethischen Ausbildung des Menschen.
Die Psychologie als eigentliche Wissenschaft im mo-
dernen Sinne ist ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts.
Aber an psychologischen Theorien hat es keiner Epoche
menschlicher, veredelter Kultur gefehlt; meist gegen den
Schluß einer solchen drängt sie sich als Aufgabe auf.
Bei den Griechen stellt sie sich in der Zeit ein, welche
zwar die höchste Blüte bezeichnet, aber schon die ersten
Zeichen des Abstiegs erkennen läßt. Sokrates im Kampfe
gegen die Sophistik wird zum ersten Anreger der Psycho-
logie, und Aristoteles ist ihr erster Systematiker.
Die theoretische Psychologie der Rabbinen steht auf
einer niedrigen Stufe, dahingegen die praktische Psycho-
logie, das Sammeln und Festhalten der Erfahrung und
ihre Verwertung für positive Vorschriften für den gedeih-
lichsten Fortschritt, steht in hoher Blüte ; an ihr arbeiten
Tausende mit Eifer; es ist ihr wichtigstes Anliegen.
Statistik der religiösen und ethischen Vorschrift und
der psychologischen Anleitung und Erfahrung in Aboth!
Wir dürfen den Schein, als ob wir moderne Gedanken
in den Geist der früheren, besonders der talmudischen
Zeiten hineintragen, nicht scheuen. In Wahrheit handelt
es sich, den Gehalt, der in der Seele jener Männer ge-
\\IV and Vorwort des \
lebt und gewirkt hat, genauer zu erkennen, und dazu
bedürfen wir der modernen wissenschaftlichen B< jriffe.
Wir müssen nur gewissenhaft greifen, was wirklich im
äte der Rabbinen als Lebendiger Gedanke vorhanden
war; wag Bie i Lbs1 psychologisch wissenschaftlich dar-
gen, zu realisieren nicht ?ermocht hatten, müssen wir
zur Anschauung bringen. Die Ansichten di a BCaimonides
sind seinen Zeitgenossen notwendig anch als moderne im
Vergleich zu Talmud und Midrasch erschienen; er aber
war wenigstens bestrebt, den rabbinischen Gedankt
ialt, wenngleich mit Hilfe des Aristoteles, zn reprodu-
zieren. Aber auch die Beroen des Talmuds, dir Tanna-
r Denkweisen und Redewendungen,
welche im Vergleich zu den Lehren der Thora und den
Aussprüchen der Propheten als moderne gelten muül
B rerh< Bich damit ganz ähnlich, -wie mit den ana-
lytischen Begriffen moderner Wi haften. II naer
ist kein Grammatil ate keine grammatischen
Kategorien und Begriffe von grammatischen Gi etzen;
in , i, te aber wirkt die grammatisohe Gesetz-
lichkeil als leitende ideale Triebkraft, die grammatischen
ind in seinem Geiste in ihrer Anwendung reali-
siert In S »kies und den anderen klassischen Dichtern
wirkend] G • Sie schaffen ihre Werke
in Übereinstimmung mit und nach der Norm dieser Gi
. vc oichl in abstrakter Form.
i ■ BreAufg es, diese Gesetze zu erk< and ais in
Zur Geschichte de3 zweiten Bandes. XXV
ihrem Geiste gegeben und wirksam nachzuweisen. Sokrates
wird als der Erste danach getrachtet haben, diese Gesetze
als die schöpferischen Triebkräfte, als das, was den Grund
der positiven Tätigkeit ausmacht, zu erfassen, und er ist
erstaunt, — wir sind es nicht mehr! — daß die Künstler
selbst es nicht wissen, daß sie das, was doch in ihnen lebt
und wirkt, nicht erkennen, nicht anzugeben und auszu-
sprechen wissen.
Ebenso nun verhält es sich mit der psychologischen
Anschauung der Eabbinen. Abgesehen davon, daß sie
weitaus überwiegend empirisch ist, so werden die Er-
fahrungen sehr selten in abstrakten Sätzen ausgesprochen;
dagegen werden Vorschriften für das gedeihliche und erfolg-
reiche Verhalten gegeben, welche auf jene zwar erkannten,
aber selten ausgesprochenen Erfahrungen gegründet sind.
Also nur die praktische, auf das Leben angewandte
Ps},chologie begegnet uns in den Aussprüchen der
Rabbini-n; aber man kann die Erfahrungssätze, worauf
sie gegründet sind, zweifellos darin wiedererkennen. Eine
andere lehrreiche — unserem Gebiete besonders nahe-
liegende — Analogie bietet alle Erziehungstätigkeit.
Jeder pädagogischen Regel oder Übung auch der ein-
fachsten Menschen, einer Mutter, eines Erziehers, liegt
eine psychologische Anschauung zugrunde. Diese kommt
für sich allein, abgezogen (abstrakt), nicht zum Bewußt-
sein; aber sie ist vorhanden und wirksam (wenn sie nicht
bloß schlechtweg ererbt, angelernt ist; in welchem Falle
XXVI Einleitung and Vorwort des Verfassers.
aber wiederum der psychologische Gedanke im Urheber
der pädagogischen Regel zu Bachen ist). Jede päda-
gogische Kegel bedeutet zugleich eine psychologische An-
sicht, nur daß diese allein in ihrem Erfolge, aber nicht
im eigenen Bestand».' erkennbar wird.
Bei zwei verschiedenen Völkern also, oder in zwei
historischen Epochen desselben Volkes können die theo-
retischen Darstellungen psychologischer Ansichten voll-
kommen fehlen; aber in dem einen fehlt es in der Tat
an dem psychologischen <J ehalt, an den Ansichten und
Gedanken psychologischer Art, in dem andern aber sind
sie reichlich in mannigfacher Weise (vorzüglich in Päda-
gogik und Kthik) vorhanden, nur daß sie nicht abstrakt
zu Bewußtsein kommen.
Zuweilen gelangt auch der psychologische Inhalt aoeh
einen Schritt weiter. Zwar fehlt es noch gänzlich an
ausdrücklichen und abstrakten psychologischen Lehr«
tzen; aber eine bedeutsame psychologische Erfahrung
wird Lebendig erfaßt: es wird ein innerer Vorgang in
pi ifender poetischer (manchmal allegorischer) Form
■ ■ t. Hier ist wahre, tiefe Psycho) vorhanden,
nur dafi sie der analytischen Denkform und Redeweise
entbehrt, um als ein Glied in der Kette eines modernen
chologischen Systems eingereiht zu werden. Im vierten
K ipitel des lliob ist eine unsäglich feine und tiefe
lilderung über den Ursprung, da Werden und die
Entwicklung unserer Ideen enthalten.
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXVII
Der Dichter hat einen großen, gewaltigen, die ganze
ethische Welt durchdringenden Gedanken erfaßt, aber
er will uns auch sagen, wie er zu dem Gedanken ge-
kommen, oder vielmehr, wie ihm zumute war, als der
Gedanke in ihm aufleuchtete.
Man kann ohne Übertreibung sagen, daß alle unsere
theoretische Erkenntnis über die Entstehung und Ent-
deckung unserer Gedanken dieser Schilderung nichts von
ihrer poetischen Schönheit, aber auch nichts von ihrer
zugrunde liegenden Wahrheit raubt. (Vgl. Leben der
Seele: „Genius.")
Religion und Spekulation.
Jede Theologie umfaßt einerseits eine Religion und
andererseits eine philosophische Spekulation. Die von
Gefühlen begleiteten, infolge von Gefühlen entstandenen
und ausgestalteten Ideen bilden die Religion; die ent-
wickelten Begriffe von der Welt, von Gott und den Be-
ziehungen beider zu einander bilden den spekulativen Ge-
halt, welcher auch an sich ohne seine psychologische
Wirkung auf die Personen, in deren Geist er lebt, be-
trachtet und dargestellt werden kann.
Mit anderen, den psychologischen Tatsachen noch ge-
nauer entsprechenden Worten kann man sagen: In dem
durch das Erfassen des Unendlichen erregten Gemüt
offenbart sich die Religion; die Darstellung aber des in
einer Religion werdenden und webenden Gedankenkreises
XXVI II Einleitung and V les Verfus«
ist ihre Philosophie. Dieser philosophische Gebalt, in
aktiver, geistiger Arbeit enthalten, kann auf die Religion
und ihre weitere Entwicklung zurückwirken, oder sich
von :ben ablösen und selbständige Existenz gewinnen,
zu einem reinen Werke der Vernunft >ich gestalten.
rotere hat bei den Juden immer, bei den Griechen
ls mit Erfolg stattgefunden; das Letztere uin-
• Int ist bei den griechischen Denkern überall, bei
den jüdischen äußerst selten vorgekommen. Auch in
Maimonides Führer, in Albos Grundsätzen, in Mendels-
sohns Morgenstunden arbeitet die reine Vernunft unter
dem Einfluß des Gemüts. Vielleicht macht Spinoza eine
Au nähme? Nach meiner psychologischen Ansicht auch
dieser nicht; denn längsl habe ich behauptet, was ich
heut'- noch glaube: Spinoza fühlte den Gott seiner Väter,
während er dachte den G^tt ^tems (s. Leben
dex I.Auflage 8. 186; S.Auflage III 8.291).
Jed< r The I alt notwendig eine metaphysische
gründung der Ethik Auch der Pan-Theismu8; denn
. ob das Unendliche, <: - Ab olute als persön-
licher Gott, oder als Allgeist, '.der auch Weltall über-
haupt gedachl wird, immer wird Bich ans der Beziehung
n zu ihm eine Norm ergeben; so wie die
Erl I: lividuume des Bndlichen — die Hin-
ong — die Erregung — eine Religion ergibt
Man bal im öei te - Judentum nicht das Bedürf-
gefühlt, ! ründung d< I ink auch eine meta-
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXIX
physische Grundlage, oder eine Anknüpfung an die An-
schauung von den letzten Dingen überhaupt zu suchen. '
Aber wir sind nicht in Verlegenheit, aus den vielver-
breiteten Gedanken erlauchter Geister über das Wesen
des Unendlichen und über die Bestimmung alles End-
lichen eine solche Grundlage zu konstruieren; sie ist
immanent in der jüdischen Weltanschauung gegeben, und
es hat nur das Bedürfnis gefehlt, sie in wissenschaftlicher
Form zur Darstellung zu bringen.
Die letzten metaphysischen Fragen und Gründe
der Ethik.
Über die letzten metaphysischen Fragen und Gründe
der Ethik liegen bestimmte und besonders klare und
offenbare Aussprüche bei den Babbinen nicht vor. Nur
einige Andeutungen sind gegeben. Sie sind selbstver-
ständlich theistisch geartet, aber von einer solchen Weite,
daß sehr verschiedene theologische Denkweisen darin
Raum finden. Die Welt besteht durch die. Ausbildung
und naturgesetzliche Fortbildung der Individualitäten;
die Mannigfaltigkeit und eigenartige Besonderheit der
individuellen Erscheinungen ist die absichtsvolle Anord-
nung Gottes. Gott oder das absolute Wesen erzeugt
oder entläßt aus sich eine ins Unendliche gehende Fülle
von Erscheinungen des Endlichen. Diese Fülle ist die
1 Ob Bachja eine solche hat, die über ^X ump ^ vnn D'cnp
hinausgeht? Vgl. auch Maimonides inbezug hierauf.
XXX Einleitung und Vorwort d< a Verfasser».
Bereicherung, die Erscheinung der Herrlichkeit des Ur-
Beins; den endlichen Wesen, insbesondere den denkenden,
fühlenden, bewußten Wesen besonders bekannt. Den
Menschen ist ihr Dasein, ihre Gestaltung, ihre Wirksam-
keil eine Gnade. Um seine Gnade au ihnen zu erweisen,
hat Gott sie geschaffen. TMT lün üb)]} (Ps. 89.
Mit der Individualität ist die Endlichkeit verbunden,
ist zeitlich, quantitativ und qualitativ beschränkt
Mit dem Wesen der Individualität ist ihre Schianke not-
wendig und unausweichlich verbunden.
Aus der psychisch« n Notwendigkeil der Schranke und
Begrenzung in der Individualität entspringt aber eine
ethische Aufgabe.
Die Trennung, die Besonderheit und selbst die Eigen-
art wird aufgehoben in dem Matte, als die Individuen
sich zusammenschließen, ein jedes mit dem anderen zu-
sammen eme Einheit bildet Der Grundtrieb der Indi-
vidualität ist die Selbsterhaltung. Deshalb Absonderung,
kampfreicher G ;en andere, Egoismus. Der
lismua eben -"11 überwunden w< rden.
Etabbinische Auffassung der Sittlichkeit
Die Hauptfrage ist: Tritt der ethi ehe Gei t d< Ju-
dentums oder das ethische < Jesamtbewul.i gl in desselben
deutlich m seiner i rt hervor, ohne doch fremdartig
zu er cheinen? Fremdartig in ihrer Form Bind und bleiben
ja vude Aussprüche, welche als Quelle der Darstellung
Zur Geschichte des zweiten Bande9. XXXI
angeführt sind; die Frage ist nur, ob es gehingen ist,
den eigentlichen Gehalt derselben unverändert zu erhalten
und dennoch in einer Denkform und Redeweise zum Aus-
druck zu bringen, welche dem Leser durch Vermittlung
der modernen, auf griechische Anfänge zurückgehenden
ethischen Wissenschaft geläufig sind.
Auf eine Polemik gegen andere ethischen Anschau-
ungen ist aus zulänglichen Gründen überall verzichtet,
obgleich eine solche Gestaltung das Verständnis sehr er-
leichtern würde. Aber auf die bis aufs "Wort hervor-
tretende Gleichheit des Kantischen Grundgedankens mit
dem des jüdischen Geistes wird an vielen Stellen hin-
gewiesen.
Darf man nun hoffen, daß in dem andern, speziell in
dem christlich gebildeten Leser, ein deutliches Bild des
ethischen Idealgehaltes im Judentum entstehen wird?
Darf man hoffen, daß auch das Gemüt des Lesers von
diesem Bilde so getroffen und erregt wird, wie es von jeder
Besonderheit und Eigenart, in welcher allgemein Mensch-
liches uns entgegentritt, getroffen und erregt zu werden
pflegt?
Das Grundcharakteristische für die rabbinische Auf-
fassung der Sittlichkeit bleibt immer nicht nur
a) die Selbstverantwortung jedes Menschen, und weil
sie Bürgen für einander sind und weil wahre Sitt-
lichkeit nur in der Gesamtheit als solcher zur Er-
scheinung kommt, die Verantwortung der Gesell-
XXXII and Vorwort des Verfassen.
schaff in jedem Zeitalter, weiterhin der Mensch-
heil Lern auch
b) die Selbstschöpfang des Sittlichen, Deut. 30. 15:
„Siehe, ich lege dir heute vor das Leben und das
Gute, auch den Tod und das Böse." Das. V. L9: „D -
Leben und den Tod habe ich dir vi
aber du sollst das Leben erwählen." Vergl, dazu
die verschiedenen Stellen im Talmud. Das stimmt
mit der psychologischen Tatsache liberein.
Kann man einen Charakter im andern Bchaffen? Ist
Charakter denkbar ohne Selbsterzeugung?
Man mag immerhin göttliche Gnade als den Geber
■ r pezifischen Kraft der sittlichen Selbstschöpfung
ansehen; die Frage nach dem Ursprung aller natürlichen
und menschlich tigen Kraft ist eine metaphysische.
Ethisch aber erscheint die Kjafl als gegeben und von
keiner anmittelbaren I eiter bedingt, als von dem
krafttragenden Wesen selb t.
)b pjr»DO -hb1? Kan Lehren die Rabbinen Schabb. 104 ;
aber YIB^ fcO muß er aus rieh Belbsi Bein. Den 9, 14
d daher folgt auch: Die Lehre allein tut es nicht
Zwar auch Lehren kann ich dem andern nicht einfach
dii Empfänglichkeit, Empf and Emp-
• it muß im Schüler vorhanden Bein. 1 1 1
. dei 1- ; n ohne Kohle wird oft und mit
Vorliebe gebraucht!) Aber immerhin kann die theore-
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXXII 1
tische Lehre auf Grund allgemeiner psychologischer
Fähigkeiten und Gesetze überliefert werden. Dagegen
das ethische Leben blüht nur aus der eigenen Kraft.
Freiheit ist ihre Grundbedingung.
Sodann aber kann auch die Lehre nur aus dem Men-
schen selbst zur schöpferischen werden, sie kann ihm
nicht von außen gebracht werden. *6 «\"i D^ötPa t6
ü^b "Oyo. (Das.) Nicht von himmlischen, nicht von ir-
dischen Kräften außerhalb des menschlichen Gemütes,
sondern nur )iwyb "pa^21 YSS, als rein theoretisches
Bild von außen, als tatkeimend nur von innen.
Der Einfluß der Lehre und des Beispiels wird nicht
unterschätzt, aber bemerkenswert ist: HiS Yyn ]ö p"Hlt Ki"1
"ID1 mm niS nw HIB min.1 Schwindet ihr Glanz, ihre
Schönheit, ihre Pracht, d. h. die Erscheinung der ver-
wirklichten Sittlichkeit, aber nicht die sittliche Kraft und
die Bedingung der Sittlichkeit.
Die vorhandene Erscheinung der verwirklichten Sitt-
lichkeit ist für den Bestand der moralischen "Weltord-
nung und des Weltzweckes von der höchsten Bedeutung:
apa ib n »m «r:ni ^a «ran ^a»a D^ira toa n^yn te
rüti> a")J^ nat? aiJJD pnn Berach. 17b, vergl. Taan. 24 b;
Chullin 86 a und Jalk. Jos. Nr. 326 2, aber die Sittlichkeit
aller andern bleibt die gleiche Forderung und hat ihre
eigene selbstschöpferische Bedeutung.
1 S. Bereschith r. 68, 6. 2 Ausspruch des Rab und
Samuel, nach andern des R. Jochanan und R. Eleazar.
XXXIV i inleitung und V rs.
Das Licht leuchtet nur denen, welche Augen haben
und sie öffnen und sehen wollen.
Für die wi baftlich l1 r ellung der Ethik des
Judentums kommen vor allem zwei Fragen in Betracht,
welche wir nur in Verbindung beantworten können, L) die
Frage: gibt es überhaupt eine einheitliche Ethik •
Judentums? und 2) welches und von welcher Beschaffen-
heit Bind die Quellen, ans denen wir die Erkenntnis der-
selben schöpfen können?
Die Ethik des Judentums ist jedenfalls eine Erscheinung
des Gesamtgeistes, welche durch den Zeitraum von
drei tausend Jahren als eine lebendige Wirklichkeit Id-
stein; auch daß in dieser geistigen Gesamterscheinung
eine fortwährende Bereicherung und Entwicklung statt-
findet, ist eine offenbar geschichtliche Tatsache. Die
Grundgedanken (Prinzipien) werden fortschreitend •■
tieft, die Anwendungen auf das Leben werden erweit«
die Gesinnungen werden geklärt Gesetze und Institu-
tionen werden geschaffen, Handlungen werden auf Grund
derselben vollzogen. Das wirklich Einheitliche in alle-
dem zu erkennen and Dachzuweisen, ist die Aufgabe der
Wissenschaft \ '• i n wir vor allem nicht, daß auch
«der eine Mensch, den wir doch mein- als irgend-
eine andere Erscheinung oe Einheit ansehen mü
— wenn wir den Menschen als ethisch« Wesen und
ethischen Gehalt betrachten, eine Mannig-
fal- h schließt, wir müssen in ihm die ethische
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXXV
Erkenntnis, die von dor Seele erfaßten Normen des Han-
delns aufsuchen; von diesen ist die ethische Gesinnung,
die innere Zustimmung zu diesen Normen, und das Mali
und der Grund des Eifers sie zu betätigen und schließ-
lich die Willensakte, jene Gesinnung in Handlungen
umzusetzen und in der Wirklichkeit auszuprägen, zu unter-
scheiden; obendrein wird auch noch das allmähliche,
zeitlich sich ausbreitende "Werden, die angewandten Mittel
und Vorkehrungen samt den Erfolgen in Betracht
kommen. Alles dies aber kann und darf uns nicht hin-
dern, den ausgebildeten sittlichen Charakter eines Men-
schen als eine wahrhafte Einheit zu erkennen, wenn nicht
die Erscheinung sittlichen Gehaltes im Bereiche des
Geistes überhaupt völlig zersetzt und in lauter momen-
tane Regungen aufgelöst werden soll.
Man muß den Kern und Gehalt des Ethischen von
seiner Form und Erscheinung wohl unterscheiden.
Es gibt Handlungen, welche nicht unmittelbar und
deshalb scheinbar gar nicht ethisch sind und doch dem
Wesen des Ethischen im hohen Grade entsprechen können.
Die Übung einer religiösen Zeremonie ist an sich nicht
ethisch, sie kann es aber durch die Gesinnung und das Motiv
im höchsten und auch in verschiedenem Grade werden.
Fassen wir diese Sache konkret, um sie zu durchschauen.
Da steht ein Jude und legt morgens Tallith und
Tefillin an; er würde auch beileibe vorher nicht essen
oder trinken, oder eine Arbeit verrichten. Welches ist
\\XV1 11 1 V is>-r.t.
sein Motiv? Er tut es mon r\~A2yb\ Diese zwei Worte
Bind alles, was er uns als Antwort auf unsere I
bd würde und zu Bagen wüßte. Weder von der ob-
jektiven Tatsache Beines Bandeins noch von dem per-
sönlichen inneren Vorgang hat er einen genauen Begriff.
er tut. was er tut IttOn Wtt)^. Wir aber müssen bei
zu erkennen trachten, das wirklich-psychische Ereignis,
wek-he- vorliegt, durchschauen, um -einen ethischen
I irakter zu erkennen. Von der Verwandtschaft dieser
Bandlung mit dem Ethischen and dein pädagogischen
folg derselben durch das Element der Gesetzlich!
des Gehorsams zur Erfüllung de- Gesetze.- überhaupt,
niü— en wir absehen; uns« r Mann weiß nichts davon und will
nichts davon wissen. Auch von der symbolischen Deuti
und der dadurch gegebenen Beziehung auf das Ethische
uill er nicht ■ obgleich das Schriftwort, durch
welches die Z tusdrücklich auf
Beziehung hinweist1 E ichl nicht- neben
und außer der Bandlung Belbst; sie hat zu geschehen
und deht KTOn nrnapfc, isl alles. Nehmen wir
noch als wirklich gegebene Tal hinzu: m
M.,.,,. v ,;izirlit seine Bandlang heiter und frohgemut
Wir werd( n sp nnd wie dies auch anders
Al-er u - • • < 1 : • i ke würde abirren, wenn
ich hinzufügen wollte: und er fühlt sich glücklich dabei
I i..:i,i die I 1 1 Ick und seinem ( I bleibt
i [i.-ir Num. 1 •">. 39 H.
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXX VII
ihm durchaus fern; nicht ein irgendwie genußartiges
Glücksgefühl ist in seinem Gemüte, mit seinem persön-
lichen Schicksal und Befinden hat die Sache nichts zu
tun, aber eine Souveränität leuchtet in seiner Seele auf,
wie kein Glück und kein Genuß sie gewähren können. Er
fühlt, er weiß, er sei da und er handle N"l13n rviiaj^,
das ist alles. Und was bedeutet nun dies für ihn? Ist
es ethisch? Und weshalb? Zunächst bedeutet es nicht,
daß er Gott einen Dienst leiste, daß Gott einen Dienst
von ihm empfange; von einem solchen Irrtum, dem die
heidnischen Völker offenkundig unterlagen, haben schon
die Propheten das Volk Israel mit voller Klarheit, Be-
stimmtheit und Schärfe befreit. Nur um ihn, um ihn
allein, um den Menschen handelt es sich, daß er da sei
und handle KTDn mujft. Die Erörterung dieses Ge-
dankens bei Erklärung des 545. Gebotes vom Vogelnest
gehört zu den schönsten Partieen im Chinnuch.
Was aber dieses Kiun JYTQy^ wirklich bedeutet, ist,
ohne daß unser Mann es in Begriffen überzudenken
oder nur mit Worten zu sagen wüßte, zweierlei: einerseits
die Abwendung von allem Kleinen und Gemeinen, von
den Bedürfnissen und Befriedigungen, von den Freuden
und den Sorgen des alltäglichen Lebens, die Erhebung
über das Ringen mit endlichen Mitteln nach endlichen
Zwecken; und andererseits die Hinwendung zu Gott,
zum Ewigen, zum Unendlichen; — bei Gott sein, mit
dem erhabensten aller Inhalte, mit dem vollkommensten
WW'ill ind V Lea Verfassi
aller Gedanken Beine Seele erfüllen. Das ist Religion;
0 ler genauer gesagt: das ist das Ethische in aller Religion.
Auch alle anderen idealen Beziehungen and Aufgaben
der Menschen, Wissenschaft, Kunst und alle Kultur
erreichen ihr wahres Ziel nur dann und dadurch, dafi Bie
Endliche mit »lern unendlichen durch Hingebung
verbinden: und diese Hingebung ist ethisch, ist ethische
1 Leilig .
Nur unter dem Gesichtspunkt der geistigen Organi-
sation kann es uns gelingen, in dieser Mannigfaltigkeil
der T. heinungen dennoch das einheitliche Ganze
der ethischen Persönlichkeit zu durchschauen.
Ganz ebenso aber müssen wir in der geistigen Gesamt-
tatsache der Ethik des Judentums aus und in der Mannig-
faltigkeit zugleich die Einheit erfassen. Die Mannig-
faltigkeit der Erscheinungen liegt zutage, die Einheit ist
dann verborgen. Nicht hineintragen sollen wir die Ein-
heit dem sie herausschöpfen aus der Mannigfaltig-
•. i i.. • aber ist uns in den tatsächlichen hi uen
ben, welche uns über den Inhalt der ethischen
Lebensnonnen und Lebensformen belehren.
Wir fragen also, welches Bind die Quellen, aus denen
wir den ethis« hen Lebensgehalt des Judentums im weih Bten
köpfen haben? und wie verhalt« d Bie sich zu
einander?
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XXXIX
Die Abteilung in Paragraphen pflegt den gebildeten
Leser abzuschrecken; das Gegenteil sollte der Fall sein,
denn sie ist das einfachste psychologische Mittel, um
die gedeihliche Lektüre zu erleichtern. Es ist streng
darauf gehalten, jede neue Lehre, oder neue Wendung
ihres Gehaltes, jede neue Begründung oder Erläuterung
durch andere Tatsachen abzuscheiden; der Leser kann
dadurch dem Forschritt der Gedanken desto besser
folgen und es sind ihm besonders die Ruhepunkte zu
eigenem Nachdenken angedeutet.
Es wäre undankbar, wenn ich der Presse nicht ge-
denken wollte, die dem ersten Band eine so wohlwollende
Aufnahme gewährt hat. Das Buch ist reichlich in den
wissenschaftlichen wie in den Tagesblättern besprochen
worden und allgemein hat man ihm im Lob und im
Tadel eine Stellung angewiesen, welche ganz den Hoff-
nungen entspricht, die ich daran knüpfte.
Nur zwei Ausnahmen, eine christliche und eine jüdische
sind mir bekannt; beide von Grund und von Haus meine
Gegner: Oberlehrer Bonhomer (Thorn) im Antisemi-
tischen Jahrbuch für 1900 und Professor Hermann
Cohen (Marburg) in der Grätz-Brannschen Monatsschrift
1899. Die beiden Herren mögen sehr verschieden von-
einander sein, meinem Werke gegenüber sind sie durch-
aus par nobile fratrum.
\1, oleitosg and Vorwort des Verfassers,
i,, Schürer, der die Bpatere Literatur und das
Leben der Juden nicht genau /u kennen scheint, ist
Kunzes Zurückweisung in: Im deutschen Reich zu zi-
tieren. Einseitig Bind die Worte Konrad Furrers, des
Palästinaforschers, welcher Dekan und Pfarrer an der
Peterskirche in Zürich ist: „Fremdartig und seltsam wie die
Kaktuswälder Mexikos mag einem anfänglich die Geistes-
welt vorkommen, welche die scharfsinnigen, phantasie-
vollen Kabbinen im Laufe der Jahrhunderte geschaffen
haben. Hart neben einem Grübeln, das ins Kleine und
Allerkleinste geht, wird man ein Denken und Sinnen treffen,
■ mit Adlersflügeln zur l'ncndlichkeit emporstrebt;
neben Bchroffer, herber Abweisung alles Fremden eine
taunliche Innigkeit und Zartheit der sittlich religiösen
Gefühle. Man wird aber auch erkennen, daß mehr, als
die meisten es ahnen, die Synagoge die Lehrmeistern]
der Kirche des Mittelalters gewesm Ut" Siehe Allgem.
Zeitung des Judentums 1899. Nr. 45. Der Gleist der
Propheten war aber nie erloschen. Auch mit der A h-
wn-m, Fremd« d stand es theoretisch nicht schlimm.
Meine Antworten auf die Kritik: L'Uniyers Lsraelite
19 No. 43 gegen Schluß. L. Levy findet meine Er-
klärung biblischer und rabbinischer Worte »trop mo-
Dei Sats: ,.j'- crois bien que si ML Las. n'avait
i In Kant, ces ezplicationa n'auraienl pas ete* les
in M'hend, ab( r irreführend.
Do D( Text. - gewinnl man nur
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XLl
nach dem Maße und dem Inhalt der eigenen Bildung.
Erst durch Kant lernt man die Rabbinen besser ver-
stehen. Erinnern wir uns, daß deshalb spätere Zeiten
besser als die Zeitgenossen einen Autor ergründen. Wir
verstehen Plato besser, als ihn die Athenienser ver-
standen haben, ja als er sich selbst verstanden hat. Dies
gilt nicht allein in bezug auf Tiefe und Klarheit, sondern
ganz besonders auch auf Inhalt und Form des Gedankens.
Durch eine neue Form kommt erst der volle Inhalt
eines Ausspruchs zum Bewußtsein. Wenn ich nicht Kant
gelesen hätte! Jawohl; aber wenn ich auch nicht Spinoza,
nicht Plato, nicht Aristoteles gelesen hätte, dann würde
ich eben die Rabbinen nur in derselben Unbestimmtheit
denken, welche aus ihrer exotischen, unwissenschaftlichen
Form sich ergibt, und in welcher die Generationen seit
der Entstehung der Aussprüche sie gedacht haben.
Wir tun den Alten Unrecht, wenn wir ihnen die mo-
dernen Gedanken nicht zutrauen. Das Moderne ist nur
in der Form, es ist bloßer Schein; der Kern ist derselbe,
wenn man ihn redlich herausschält. VergL T. I, § 15
zu Anfang.
Der Hauptfehler unserer Literatur liegt nicht in dem
Mangel an guten, sondern in der Masse von schlechten,
wertlosen Büchern, welche hervorgebracht und publiziert
werden. Wir haben zu viel Ballast im Ballon unserer
Literatur, so daß er sich nicht erheben kann. Am
XL II Ein and Vorwort de« Verfassers.
Behummsten ist es, wenn viel tüchtige Arbeitskraft und
Anstrengung auf wertlose, nutz- und zwecklose Aufgaben
geudet werden, z.B. Ziegler, Die Königsgleichnii
des Südrasch (s. Zeitschr. f. das Judeni 1903. Nr. 2). Cui
bonor Bin Gleichnis wird dadurch nicht besser, daß
es aus der Wirklichkeit genommen ist Jedes Gleich-
hat seinen Wert darin, daß es den aufgestellten
und mit dem Gleichnis eingeführten Gedanken klarer,
eindringlicher, tiefer oder schöner macht. Hier leistet
• Erdichtete ebensoviel oder so wenig, wie das dem
ten Entnommene. Ob sich die Anekdote am Kais
hof in Rom oder Peking oder Moskau zugetragen, ändert
an d<r Leistuo d< Gleichnisses nichts, und ebenso
nichts, ob sie sich zugetragen hat oder erdichtet
Nun soll zwar nach dem Rezensenten Dr. Thiebei
der Welt des neuen Ihiches auch darin be-tchcli. daß
der römischen Kulturgeschichte eine neue Quelle eröfl
wird. Die Zuhörer der Darschanim mögen aua den
Anekdoten von Rom und Athen manche interessante
heu gehört haben, denn Kenntnis ihnen nützlich
und angenehm war. Aber wir? Erst schöpfen wir,
d. h. Dr. Ziegler, d tvolle und kenntnisreiche, wie
,, iL) nur können, ans den römischen und
griechischen Quellen die Anekdoten, du- in den Gleich-
et sind, und nun sollen di< Agadas wiedei
lür die i und griechische Geschichte
werden!
Zur Geschichte des zweiten Bandes. XLIII
Es ist und bleibt ein Mißbrauch der philosophischen
Kraft, sie auf eine an sich wertlose, weil erfolglose Auf-
gabe zu verwenden. Wir verstehen den Midrasch nicht
besser und erfahren von der römischen Kultur nur genau
das, was Ziegler aus den römischen und griechischen
Quellen geschöpft hat.
Werden einzelne Stellen, deren Sinn nicht sicher ist,
durch die griechischen und römischen Quellen besser
erklärt oder bestimmter erfaßt, dann mag man diese
Stellen zu diesem Zweck bearbeiten. Die Realität, also
Historizität des dargestellten Faktums wird dann immer
gleichgültig bleiben.
Inhalt
Dritter Abschnitt.
Der Weg zur Sittlichkeit.
8. Capitel.
Dauernde Eigenschaften, Tugenden (fino), die gewonnen
werden sollen.
§ 292. Ausbildung des Gemütes (Charakters) durch Intelligenz,
Gefühl und Willen. S. 2.
§ 293. Geistige Tätigkeit. S. 2.
§ 294. Scharfes, bestimmtes, präzises Denken wird gepriesen und
gefordert, S. 4.
§ 295. Es gilt, sich mit der Idee zu identifizieren, das objektive
Gesetz zum subjektiven zu machen. S. G.
Das größte Gewicht wird auf die Thora gelegt. S. 7.
Schärfung der Intelligenz durch Gemeinsamkeit. S. 9.
Von theoretischen Spekulationen, selbst metaphysischer
Gotteserkennlnis wird abgeraten. S. 10.
Gesinnung und Erkenntnis. S. 11.
Pietät und Anerkennung der Weisheit S. 12.
Studium und Anteilnahme der Masse. S. 12.
Das Wahrhafte und Wesentliche soll begriffen und fest-
gehalten werden. S. 13.
Wahrhaftigkeit. Was jemand als seine Überzeugung er-
kannt hat, darf nicht verleugnet werden. S. 14.
Die Lüge. S. 16.
§
29G.
§
297.
§
298.
§
299.
§
300.
§
301.
§
302
§
303.
§
304.
XI AI Inl
1 . en Aberglauben. S. 17.
Die Enlwickcluiif Billlichen Menschen. S. IV
Weitere Ausführung. S. 18.
* 308. Wesen S. 29.
! nleilung «Irr Gefühl . - 30.
110. Gefühl und die Sprache. S.
vj 311. Herrschaft über die Gefühle. S. 3 I
; 312. Energie und Schlaffheit der Gefühle. S. i
I :;. Grund, warum die Rabbincn üb'-r dieselbe Person oder
enselben Gegenstand immer wieder neue Bibel zitale
herbeiziehen. S. 37.
! !. Idealgefühle im Gegensatz zu den sympathischen. S. ^'J.
^ 315. Idealität millen im Realen. S. 41.
* 316. Pflichtgefühl. S. 42.
IT. Die Idealität soll auch in die Alltaglichkeil bmeinwirken.
S 13.
I v Wille und Gesinnung. S. 1">.
.-. 319 Wille ist intellektue es Begehren. S. 16.
Wirkung des Willens. S. IT.
21 Gcw inung zum Gehorsam als menschliche Grundlage
zur Sittlichkeit S. 18.
§ 322. Die Idee als Agens im pl gisch-psychologisch-mecha-
hen Prozeß. S.
323. Pflicht und Neigung. S. 51.
24 Innerlichkeit und Gesetzlichkeil als zwei nolwei
indcr ergänzende Prinzipien, S. 52.
'•"». Ei
§ :<20. Will.- in, l Gefühl. S. 54.
B Capitel.
I>m> Manifcsl.ilionrn der Tiipond.
2 7. i bersiebl. s. 57.
I reiheil (innere und äußere).
Inhalt. XL VII
§ 329. Skizze zur metaphysischen Frage der sittlichen Freiheit
S. 58.
§ 3:^0. Au* Her subjektiven Tätigkeit entspringt der objektive
Geis!. S. 59.
§ 331. Alle Sünde (alles Unrecht) folgt aus dem Negativen (dem
Unterlassen). S. 61.
§ 3 32. Psychologische Bedingungen der Freiheit. S. 63.
§ 333. Freiheil und Mechanismus sind keine Widersprüche.
S. 64.
§ 33 1. Stellung des Menschen in der Natur. S. 65.
§ 335. Schlimme Formen der Freiheit. S. 67.
§ 336. Das Gesetz der Erhallung der Kraft in der geistigen
Tätigkeit des Menschen. S. 6S.
§ 337 Die Willensfreiheil ist abhängig von der Sittlichkeit des
Wollens. S. 70.
§ 33S. Der geschlossene, ganze, freie Mensch. Die sittliche
Persönlichkeit. S. 71.
§ 339. Verpflichtung auf die Sittlichkeit des andern. S. 73.
§ 340. Gewissensfreiheit. S. 74.
§ 341. Sozialgesetze (Grundzüge). S. 75.
Wille, Selbstbeherrschung.
§ 342. Maß, Mäßigkeit, Mäßigung, Gleichmaß, Maßhalten. S. 77.
§ 34 3. Selbsterkenntnis. Selbslprüfung. S. 80.
§ 34 4. Pflicht und Neigung. S. 81.
§ 34 5. Von den Leidenschaften, die auf bestimmte Gegenstände
und deren Verhalten zur Persönlichkeit sich beziehen
(Selbstsucht, Stolz, Freiheilssucht, Eifersucht, Ehrsucht
und Herrschsucht). S. 81.
§ 346. Der Ursprung des Bösen. S. 82.
§ 347. Der Beginn heftiger Affekle äußert sich in einer Art
von Stillsland der Gedanken. S. 84.
§ 348. Harmonie aller Ideen und Individualität des Handelns.
S, 87.
XI.VIII Ini,
, I Die Sittlichkeit besteht Dicht darin allein, wie ich handle,
Bondern auch, wie der andere handelt. S. 90.
v? :'..")<>. Per innere Zusammenhang alles Sittlichen« S. 88.
51. her eigentliche Gehalt des gesamten menschlichen Da-
seins im Judentum. S. 92.
Die Tugendlehre hat zu ihrem höchsten Inhalt eine dein
idlichen, Ewigen sugewandte Stimmmung des Ge-
müts. S.
§ 353. Über das Verhältnis von riecht und Wohlwollen. S. 94.
§ 354. Mut und Tapferkeit. S. 95.
Reich i>l die Wertung der Arbeit bei den Rabbiner).
S. 96.
Nichts ist dem Judentum so zuwider als Quielismus.
S. 97.
§ 3.") 7. Ausdauer. S. 99.
58. Mfi iggang der Frauen. S. 101.
Praktische Ethik ist notwendig. S. 101.
Leiden und ihr ethischer Wert. (Die Geschichte Josephs.)
s. 102.
I. Volkserziehung. Berul und Genuß. S. 104.
Recht wird großes Gewicht auf sittliche Täügkeil
gelegL S. II
r GelG le. S. 1 10.
1. Gesinnung. S. 111.
§ 365. Reue s. 113.
Lohn und Strafe Erfolg des Hand. Ins. s. 1 18.
10. « apitel
Die Pflichten (frt3,n , die erfüllt, oder die Ideen, die re-
alisiert \\ erden sollen.
ersieht B 121.
l»ie drei Grundbegriffe Wahrheit. Recht Frieden.
S. l.
Inhalt. XLIX
§ 369. Die Bedeutung von n^n1?« D^va. S. 127.
§ 370. Eine den wichtigsten Regeln der ganzen Sittenlehre in-
bezug auf das Verhalten zum Nebenmenschen ist, sich
in die Seele, ins Gemüt, in den innnern Zustand des
andern versetzen. S. 129.
Pflicht und Schicksal. S. 134.
Genuß. S. 134.
Eudämonismus. S. 134.
Keuschheit. S. 140.
Ist Keuschheit eine Tugend zu nennen. S. 141.
Sprachliches über Keuschheit. S. 141.
Züchtigkeit in der Familie. S. 142.
Demut. S. 144.
Eitelkeit. S. 147.
Schonung des Selbstgefühls und der Würde des Neben-
menschen. S. 148.
Pietät. S. 149.
Pietät der Jüngeren gegen die Alten. S. 153.
Friede, Friedfertigkeil. S. 154.
Mitleid und Mitfreude. S. 161.
Ordnung. Kultur. Teilung der Arbeit.
§ 385. Ordnung. S. 163.
§ 386. Ethische Bedeutung der allgemeinen Kullurtätigkeil. S. 167.
§ 387. Ethische Bedeutung der Stellung zu Staat und Gesell-
schaft. S. 178.
§ 388. Ethik und Naturwissenschaft. S. 174.
§ 389. Die jüdische Ethik in ihrem Verhältnis zum Weltlaufe,
zur Industrie und zum Verkehr. S. 175.
§ 390. Verschiedenheit der heutigen ethischen Weltbetrachtung
und der rein natürlichen Auffassung. S. 176.
§ 391. Verschiedenheit in der Kultur ist keine Dekomposition.
S. 179.
§ 392. Das Gebot: Du sollst nicht verderben. S. 181.
§ 393. In der Technik des Lebens bedürfen wir der fortschrei-
§
371.
§
372.
§
373.
§
374.
§
375.
§
376.
§
377.
§
378.
§
379.
§
380.
§
381.
§
382.
§
383.
§
384.
Inhalt.
lendeD Belehrung durch Wissenschaft, Industrie und
Kunst s. 182.
Mannigfaltigkeit der Kultur und Ansichten. S. 183.
Kullur und Arbeit. S. 184.
Würdigung der W issenscliall seitens der Rabbinen.
s 185.
Ethik und Berufsarbeit. S. 188.
Arbeit wird auch von der Frau gefordert. S. IS«).
Studium. Erkenntnis und Tun. S. 1
Eine Hauptaufgabe des Studiunis ist die Wahrung des
I Ischrittes durch Sichtung des Überlieferten, Unter-
scheidung des Höheren vom Niederen. S. 193.
Studium wird von den Kabbinen gepriesen. S. 194.
Handlung und Lehre, Wissen und Bildung. S. 195.
Agrikultur. S. 1
Würde der Arbeit. S. 196.
Gleichwert aller Arbeit. S. 197.
Handwerk. Seine Bevorzugung. S. 1(.*8.
Das Gewerbe als allgemeines Interesse. B, 198.
iit ist die Ordnung der Gesellschall. S. 199,
Das Recht, welches das Judentum lehrt, ist Gerechtig-
keit s. 201.
Fortbildung les Gesetzes. B. 202.
Recht ist Unparteilichkeit, höchste und unbedingte Inter-
■ it. S. 202.
^ U2. Wahr e und reine Gerechtigkeit hat nichts mit der
ren Ordnu Rechts tu tun. S 204.
\ 113. Kritik ist Pflicht weil GesamtsitUichkeit. 8. 2
§411. Richter, ihr Gen äL B. 207.
$ 115. Unparteilichkeit der Richter. B. 208.
1 1 B. !;• ichribikiing. B. 2 I
N cht anklagen, sondi rn verl E '-' 10.
; i ^ Recht i i liftung. s. 210.
$ 119. Mild« B. 2 1".
| i. itc Redlichkeit S. 211.
.2 1. Bai^keit und Wohlwollen. S. 212
sS
:■ 1 i.
>s
§
396.
>s
897,
s
. 18
1
s
100.
§
401.
§
4(i2.
§
103.
6
404.
§
405.
8
106.
8
107.
8
108
8
109.
S
410.
3
11 1
Inhalt, LI
Gnade und Liebe. S. 214.
Gegen Verleumdung. S. 216.
Ehre. S. 218.
Unterschied zwischen Recht und Wohlwollen. S. 220.
Prinzip der Liebe. S. 222.
Durchgehendes Prinzip soll sein: Sich in die Seele, in
das Gemüt des anderen versetzen. S. 224.
Ethik der Wohltätigkeit. Ihr dauernder Charakter.
S. 225.
Frage nach dem moralischen Fortschritt. Private und
soziale Wohltätigkeit. S. 226.
Subjektive Tat und objektives System der Wohltätigkeit.
S. 232.
Beschämende Wohltätigkeit. S. 234.
Dankbarkeit. Undank. S. 235.
Rache. Nachtragen. S. 237.
Grundlose Feindschaft, Haß. S. 238.
Solidarität. Objektive Einheit des Sittlichen. S. 239.
Ist Verbrechen des Einzelnen zugleich Verbrechen der
Gesellschaft? S. 241.
Bürgschaft für einander. S. 242.
Keine Gelegenheit zu einer guten Tat vorbeilassen.
S. 242.
Sozialethik. S. 244.
Gemeinsamkeit des WTollens. Wert und Weihe der Lei-
den (Schmerzen). S. 248.
Vierter Abschnitt.
Die Gestaltung der Sittlichkeit, welche geschaffen
werden soll.
§
422.
§
423.
§
424.
§
425.
§
426.
§
427.
§
428.
§
429.
§
430.
§
431.
§
432.
§
433.
§
434.
§
435.
§
436.
§
437.
§
438.
§
439.
§
440.
11. Capitel.
Formen der Vereinigung.
§ 441. Formen der Vereinigung. S. 257.
§ 442. Der Begriff der Familie. S. 258.
d*
LH Inhal'.
Aboab und seine moralisch-religiöse Ensykli '",'-1
g 1 1 1 - . . .;■ griff der Binheit S. 2-
l 1 15. Gesamtheit s. 261.
j I 16. Aufgabe der Erzeugung eines Gesamtcharaktere. S. 263.
§ 117. Handlung und Gesinnung. Die Gesamtheit braucht
Handlung, der Einzelne Gesinnung. B. 264.
^. 148. Ehe. Die rahbin. Anschauung von ihr. S. 265
^ 149. Die rechte Ehe. S. 266.
; 150. Aufgabe und Leistung des Weibes. S. 266.
151. Familie. S. 266.
^ 152. I »ic Familie als Ganzes. S. 2
Die Unschuld in den Kindern als wellerhaltendes -
ment. S. 27 2.
^ 154. Liebe: Aufsteigend zu Eltern und Großeltern, nicht bloß
absteigend. S. 27 2.
Erziehung. 273.
An die Mutter. Ihre Aufgaben. S. 275.
Gastfreundschaft. S. 2 7 7.
Weihe des Heims. S. 278.
e und Freunde. S. 279.
Behandlung der Dienenden. S. 2S"
Behandlung des Fremden, des durchreisenden Wanderers
S. 281.
Fremdenbehandlung bei Gästen oder Wohltätigkeit. S. 283.
Behandlung und Furtbildung der Dienstleulc. S. 28t.
Ubeitgcbcr und Arbeiter. Lohn S. -85.
Mitleid mit Tieren. S. 287.
12. Capilel.
hie Schilt ik Mittelglied /wischen den Fin/elnen und der
Getelltcfcaft,
\ 166. Der Lehrer. -
Kinder milde straf, n. Geduld im Unterricht Leinen
und Lehren. S. 290.
*
15:..
8
456.
*
457.
*
158.
15 1
s
B
161
S
163
IM
>
465
Inhalt. LIII
§ 468. Erziehung und Fortbildung. S. 294.
§469. Unterricht und Studium. S. 295.
§ 470. Wert des Wissens und Würde des Lehrers. S. 296.
§ 471. Der Geist des Lehrers lebt in seinem Schüler. S. 29 7.
13. Capitel.
Die Gesellschaft.
§ 472. Der Einzelne. Sein Maß von Freiheit und ethischer
Bedeutung ist größer geworden. S. 299.
§ 473. Prinzip. Nicht obgleich, sondern weil der Grundgedanke
die ethische Zusammenschließung ist, ist die Bedeutung
jedes Einzelnen und jeder einzelnen Handlung im Juden-
tum so groß gefaßt. S. 302.
§ 474. Notwendigkeit der Individualität für jede höhere Kultur.
S. 304.
§ 475. Wohlwollen zur Gestaltung der sittlichen Gesellschaft.
S. 305.
§ 476. Besitz. Der Besitzer ist immer nur der Zeit nach der
berechtigte Vertreter der Familie. S. 306.
§ 477. Niemand besitzt etwas als Individuum. S. 307.
§ 478. Auf Recht und Liebe ist die Gesellschaft zu gründen.
S. 309.
§ 479. Liebe als Grundgesinnung. S. 310.
§ 480. Nächstenliebe ohne Grenzen. Wahres Wohlwollen zeigt
sich in mitfühlender Schonung. S. 311.
§ 481. Gespräche. S. 315.
§ 482. Einfälle. S. 316.
§ 483. Hindernisse in der Zusammenschließung. S. 317.
§ 484. Geschäftsverkehr. Hausierhandel. Äußerste Redlichkeit
in Gewicht und Maß. S. 318.
§ 485. Rechtsordnung. Gewerbegesetze. S. 321.
§ 486. Hygienische Vorschriften. S. 322.
§ 487. Rechtlicher Verkehr. Das Aufdrängen von Waren an
den Verkäufer wird streng verpönt. S. 322.
1 IV Inhal».
I | - und Gegenleistung;. v
189. Wahrhaftigkeit Treue und Glauben. S. 325.
§ 490. Vertragstreue und Worthalten. S. 126
g 191. Gelübde und Vorsatz. S. 327.
Her Ei.!. S. 328.
^ 193. Gemeinsamkeit «.es Wirkens und Geineinsamkeil
Schicksals. (Grundsatz: Einer für alle und alle lür einen.)
S. 330.
§ 494. Vorsorge für Zukunft S. 334.
Subjektive Vereinigung durch objektive Gcisleseinheit.
Zusammenschließung der Seelen. S. 33
§ 496. Kriegsdienst S. 336.
11. Capitel.
Kreise der Gesellschaft
; l.i 7. Kreise der Gesellschaft. Die Gesamtheit S. 33
§ l'J8. Streben und Wirken des Einzelnen tiir G ■ untheit.
- il.
; 199. Ge neinsamkeit der Interessen. S
00. Einschränkung der Eigentumsrechte S
»01. Wenn Eigenwille sieh gegen die Autorität auflehnt, dann
et die Stufenordnung dei Gesellschaft und die
Würdigung des Guten B. 844.
»02 Pflichten der Gesamtheit gegen den Einzelnen. S. B46.
03. Gesctzstudium und Kulturarbeit S. 350.
15. Capitel.
■ l Der Staat - 354.
taat im
06. SU Recht S 358
s Einheit - |>9.
Staat und Regierung. 8
s 5" I rille. 8
Inhalt. LV
Menschheit und Messianische Hoffnungen.
§ 510. Menschheit und messianische Hoffnungen. S. 361.
§511. Der erste Gedanke der Menschheit. S. 362.
§ 512. Das letze Ziel. S. 562.
§ 513. Idee der alttestamentlichen messianisehen Prophezeiung.
S. 364.
Nachträge. S. 368.
Dritter Abschnitt.
Der Weg zur Sittlichkeit
Lazarus, Ethik des Judentums II
8. Capitel.
Dauernde Eigenschaften, Tugenden (ivnty, die
gewonnen werden sollen.
§ 292. Die Ausbildung des Gemütes (des Charakters)
wird erworben und in der Jugend durch Erziehung vor-
bereitet
A) durch Intelligenz — Wahrheit — Erkenntnis und
Wahrhaftigkeit. Gegen Aberglauben;
B) durch Gefühl. Regsamkeit, Zartheit, Innigkeit.
C) durch den Willen. Er soll fest, ausdauernd, gleich-
mäßig sein. Energie.
A.
Geistige Tätigkeit.
§ 293. Die schöpferische Tätigkeit des Menschen ist
sehr mannigfaltig; überall nur Bilder und Gestalten; dem
Stoff wird Form, der trägen Masse Energie gegeben. Die
höchste schöpferische Tätigkeit ist die am Menschen, an
seiner Person, an seiner inneren Gestalt selbst. Bildung
ist ein treffender Ausdruck. Andere bilden oder sich
selbst.
■1
ler milde Billel schreckt \ d stärksten
nicht zurück, um den zu verurteilen, welcher
alle] ätigeu Beschäftigung und aller BLulturtät
hlägt
Stetiges Wachstum des inneren Menschen an Gehalt
und a:: Kraft, an Inhalt und Fähigkeit gehört zur sitt-
lichen Entwicklung.
•z -^t;~ rona pwi b» ft3V\ min meh DKJ
Wenn du deine Intelligenz ausgebildet, Erkenntnis der
Wahrheit, d. h. des Ewigen, Unendlichen, Notwendigen
— im isatz zu jedem ein: Fall und Ereignis,
die mehr dem Zufall angehören und nur an dem Tuend-
en Teil nenn erworben, so erblicke darin keinen
~':t;7. für dein eignes Selbst; denn dazu bist du
(Ten, das ist deine Bestimmung: und was von dem
lir, das gilt ja \ i lern Anderen, gilt von
■ dazu geschaffen, bestimml
.. !.. I >!• ä wird auch .t. da!', die
Thora d< r Wi Ltschöpfung voraufgeht, d. li. wie der < tedanke
und X ition vorangeht, die
und dii Gesinnung I d. h. die Bereitwillig-
st und las 81 Erfassung des
Kv. igen.
1 1 oken wird
rt. Bilder,
-i'-llui]'_ren mit ali rtenE ;enschafl
Intelligenz. Scharfes Denken. 5
mit allen vielseitigen Beziehungen; das befördert analo-
gisches Denken, bewirkt wahres Verständnis und regt auch
den Witz an, der nicht bloß ein häufiger freudebringender
Grast der rabbinischen Schulen, sondern ein mächtiger
Hebel der Gedankenschöpfung in ihren Kreisen gewesen
ist. ^seben der ruhigen Sammlung der Gedanken ist die
gegenseitige Reizbarkeit und Regsamkeit derselben das
Ideal der geistigen Tätigkeit gewesen. *
Auch die deutliche Aussprache — die ein wichtiges
formales Element für scharfbestimmtes Denken bildet,
was die Pädagogen nicht genügend beachten — wird im
Talmud gefordert; sie wird an denen im Westen gerühmt
und an denen im Osten wird der Mangel getadelt. Eru-
1 Oft genug ist es gar nicht der Gegenstand, das Resultat des
Denkprozesses, um das es sich handelt. Eine Halacha wird von
einem Forscher nach der Tradition entschieden, d. h. für die Praxis
wird an der Tradition von demselben festgehalten. Aber vorher
werden alle Künste des Scharfsinns, die allerfeinsten Spaltungen
und Zerlegungen der Begriffe und die kühnsten neuen Kom-
binationen derselben vollzogen, um zu beweisen, daß die Tradition
auf einem Irrtum beruht. S. Beispiele bei Weiß. Aber auch von
anderen Gebieten gilt dasselbe und nicht bloß in der Wissenschaft,
Exegese, Midrasch usw., sondern auch in weltlichen Dingen. Man
gesteht den Juden besondere Kunst und Fertigkeit im Handel zu;
aber man irrt sich, wenn man glaubt, daß nur der Erfolg des
Handels, nur der Geldgewinn die eigentliche und alleinige Trieb-
kraft dieser Fähigkeit ist; der Gewinn ist das Ziel des Handels
bei allen anderen Menschen ebenso wie bei den Juden. Wenn
dies Ziel nicht alle ebenso stark und ebenso sicher auf den Weg
leitet, so kommt es daher, daß im Juden der Drang und die Macht
der Tätigkeit und die Lust an derselben so viel größer ist.
Hl iohkeit
bin 3b wird an den Graliläern getadelt, nicht scharf
artikulieren, daher ihre Wörter vieldeutig klingen und
hu pen Sinn gehen,
".. Die Forderung ist: Sich mit d •■ zu identifi-
zieren, das objektive Gesetzjzuni subjektiven eigenen machen.
Wahrheit ist in der intelligiblen Welt als objektive
Wahrheit gegeben, der Mensch soll sie zu seiner eigenen
ben und erkannten machen. I >i<> deutet auch EU
höchsl Binnig mit der feinen und witzigen Unterschei-
de im Psalm 1, 2 an: „Erat heißt es:
■ Lehre G l)i'' Wahr-
heit der Idee ist zum persönlichen Inhalt, das Denkgesetz
ist im M' zum Denkakt Abodaz. 19\
Auch den Wert »rmalen Bildung hat Baba erkannt.
denn er wird durch die Ford« .rückt, zu lerueu.
man den Bingulären Inhalt wieder vergißt Die
...• Schulung de I bleibt, obwohl der
lle Inhalt wieder vergessen wird.1
i Es ist nur freilich Eweifelh - h nicht zu viel bestimmte
G koken in den jehobeni n ntni
-:--j vti bioeindenl e; ■ achten, • ü tlaba nicht
IlUr :,r tauet K m von der hö< bsten
Wertuj il rein ethischen
, 1. 1 Anh. Nr. 2'. S. 107 dal
M, - i, tolSSpIÜch«
: auf ihren
.,. v,i . B i :•• i DI ei R il a in Die
b. Amor. S. 114 — 139 r hat schon i
• Grund dazu (je irlbauen.
Thorastudiuin. 7
§ 296. Das größte Gewicht und Übergewicht wird
auf die Thora gelegt.
Alle Geister sind von der Überzeugung beherrscht, daß
es beim wahren Innehaben der Lehre am wahrhaft sitt-
lichen Leben nicht fehlen kann. Und wenn man auch
die Tatsache der Erfahrung nicht wegläugnen konnte,
daß auch der Gelehrte sündigt, daß also die Denkarbeit
des Wissens noch keine Gewähr für die Reinheit und
die Energie des Willens bietet, so hat man diese Fälle
nur gleichsam als Ausnahmen betrachtet, welche den
Grundgedanken nicht erschüttern können. War doch
auch dieser Grundsatz selbst nicht etwa auf die Erfah-
rung gegründet, so daß eine abweichende Erfahrung ihn
anfechten könnte; vielmehr galt der Grundsatz selbst als
in sich selbst feststehend, als unmittelbare, nicht weiter
zu deduzierende Wahrheit.
Das war aber dadurch allein möglich, daß unter Thora
nicht nur die subjektive Tätigkeit des Geistes, sondern
zugleich auch der objektive Gehalt verstanden wurde;
die subjektive Tätigkeit, die persönliche Beschäftigung
ist min llö^n; weil aber diese nur die Thora zum Ob-
jekte hat, ist sie aufs Höchste geschätzt und steht aller
anderen Handlung und Werktätigkeit gegenüber. Mit
anderen Worten: der Thoraforscher ist nicht bloß der
Wissende, der Gelehrte, sondern er ist der Weise. —
Treffend wird dies auch durch den Sprachgebrauch
ausgedrückt, daß die bei der Diskussion über einen Lehr-
111. Dei Weg zur Bittlichkeit.
ade Majorität als die DMMfl Bchlechtweg
inet wird. Gewiß hat niemand daran gedacht, daß
B die Einzelnen ans der Anzahl der entscheidenden
Majorität im Vergleich zu den Vertretern individueller
sichten, also zu den als Autoren derselben bei Namen
tannten Tannaim gescheiter wären, daß sie schärfere
Denker, feinere Beobachter u. dergl. waren, Bondernweil,
Lehren, als Wahrheit, als festgestellte Satzung gilt,
s die DIDDn; als die entscheidenden Lehrer der nun-
br als objektiv geltenden Wahrheit Bind sie die „Weisen".
In mannigfacher Beziehung sehr bemerkenswert -
auch die allegorischen, genau gesagt, mythischen Vorstel-
lungen, welche die Phantasie des Midrasch üh r dii Thora
hervorgebracht hat. Ich hebt hier nur einen Punkt 1.
vor: die Thora ist das Erste der Welt ; sie isl auch gerade-
zu zeitlich der Weltschöpfung vorai n; auf Bie hat
r allmächtige Schöpfer hingesehen, als er die Well Behuf,
Baumeister auf den gezeichnete! P in sieht, wenn
□ Palast baut (8. Ber. r. Par. I.)1 Der Sinn ist offen-
r: Nicht die aus der Erfahrui chöpften Um-
Verhältnisse, welche zusammen das Welt-
□ und den Weltlauf bestimi . haben die
adbaren Lehren und» e veranlaßt, son-
\ < > 1 1 1 1 der Anwendbarkeit der Satzungen
\\ • 1( -;.!./• . . bi det (Vgl die Stelle in T. I An-
i S. 418 Ql von ] löllinf •
nS. 4,
Schärfung der Intelligenz durch Gemeinsamkeit.
Hier haben wir den äußersten Gegensatz gegen die
modern utilistische Theorie, nach welcher alle Sittlich-
keit, kurz gesagt, nur aus der Mischung von Erfahrungen
und Begierden entspringt.
Schärfung der Intelligenz durch Genieinsamkeit.
§ 297. Der Talmud eifert gegen einsames Studium, er
fordert Gemeinschaft. Ein Messer wird an der Kante des
anderen geschärft, so die Forscher und Lernenden. Mak-
koth 10a vergl. Berach. 63b: R. Jose Berabbi Chanina
hat gesagt: Was heißt, was geschrieben steht (Jerem.
50, 36): „Ein Schwert über die allein Sitzenden, und
sie werden Toren sein"? Ein Schwert über die Feinde
der Schüler der Weisen (d. i. über die Schüler der Wei-
sen selbst), welche sitzen und einzeln sich mit der Thora
beschäftigen, und nicht dies allein, sondern sie werden
töricht.
Thaanith 7a: Nach R. Chama hat R. Chanina gesagt:
Was heißt, was Prov. 27, 17 geschrieben steht: Eisen
macht man mit Eisen scharf"? Es will sagen: Wie das
eine Eisen das andere schärft, so schärfen sich auch zwei
Schüler der Weisen, einer an dem anderen in der Ha-
lacha. Das. Rab Nachman bar Jizchak hat gesagt: War-
um werden die Worte der Thora mit einem Baume ver-
glichen, denn es heißt Prov. 3, 18: „Ein Baum des Lebens
ist sie für die, welche an ihr festhalten"? Um dir zu
sagen: Wie ein kleiner Baum den großen anzündet, so
111. Der Weg zur Bittlichkeit.
schärfen auch die kleinen Schüler der Weisen die großen.
I ■ i das im R Chanina gesagt hat: Vieles habe
ich von meinen Lehrern gelernt, \ n meinen l >en
mehr als von meinen I i meinen Schülern aber
ir als Ton allen.
E rkenntnis.
§ 298. Von theoretischen Spekulationen, selbst meta-
physischer Erkennt G wird eher abgeraten,
sie zu einer allgemeinen sittlichen Aufgabe des
Mei • macht würdi
rkenntnis, welche schon Jeremia 9, 23
pr, Erkenntnis der göttlichen Weltregierung und
i , lung des sittlichen Weltreiches. — Im Geg< nsatz zu
i.ach ird . sinnlichen Genüssen wi
5,12 allerdings auf die Erkenntnis göttlicher Werk.'
und göttl '• tin, aber daß auch hier vorzo
Weltregierung Gr< ind der Er-
in ; au nvma myn und naa"» rwyn b(
im Talmud nur einschränkende Vorschriften;
nir. je Pflicht
iu< b Maimonidi Iiur
all. Bind* tuf philosophit Erkenntnis.
ler Fors« hui bon von I 6, 3 ge-
1 she Erkenntnis wird «rst in ip&fa ren
rt.
Gesinnung und Erkenntnis. 11
fordert: „Wir wollen erkennen njni", ja: „wir wollen
nachsetzen (uns bestreben) zu erkennen." Vergl. das. 6, 6.
Nach talmudischer Auffassung ist die höchste religiöse
Aufgabe: Gott anzuhangen, ihm hingegeben sein, nur
dadurch erfüllbar, daß der Mensch den Anhang mit den
Forschern, Gelehrten, Wissenden sucht. S. Ketuboth
11 lb.
Gesinnung und Erkenntnis.
§ 299. Eine der merkwürdigsten Gedankenwendungen
ist die bei Jeremia 31, 33. Auf so etwas wie J"6DK "O
konnte kein griechischer Philosoph kommen. Vergl. meine
Schrift: Der Prophet Jeremia.
Mit der Einrichtung der Vorlesung aus der Thora
(eine im ganzen Altertum unerhörte Tatsache) beginnt
und Ton Jahrhundert zu Jahrhundert steigt die charak-
teristische Einschärfung, daß eigentlich jedermann aus
dem Volke sich mit der Kenntnis der Thora und dem
Studium befassen soll.
Auch auf die Bereitschaft der sittlichen Erkenntnis
ist zu achten; deshalb Studium und Nachdenken; in jedem
Augenblick kann ein zutreffendes Urteil über Menschen
und Handlungen erfordert werden. Die meisten Menschen
urteilen deshalb so wenig gerecht; sie würden es, wenn
sie die Sammlung und Vorbildung hätten. Vergl. dazu
Kidduschin 30 ab: Unsere Rabbinen haben mit bezug auf
Deut. 6, 7 gelehrt: Die Worte sollen in deinem Munde
III. Weg zur Sittlich]
d. i. sicher und geläufig) sein. Wenn dich näm-
lich jemand etwas fragt, <o antworte ihm nicht Btammelnd
(d. i. unsicher), sondi n es ihm sofort klar (deutlich).
Den Streit der Meinungen soll man nicht scheuen; i
die notwei Folge der Individualität; abt r ü
■ : ihn zum Ziele der Übereinstimmung zu
führen. S. Kidduschin 30 b : Was heißt: „Mit Feinden im
Ton - I'-. 127, ( < ija bar A.bba hat g< Selbst
der V;i!rr und sein Sohn, der Lehrer und sein Schüler,
welche über die Thora in einein Tore sprechen, geraten
teinander dadurch in Feindschaft, Bie sollen aber d
von dort weichen, bis sie dahin . men Bind, daß einer
rn wieder liebt.
t und Anerkennung der Weisheit.
". a keinem Geringeren als Josua ben Chananja
wird erzählt, daß er den EL Eliezer,
Gegners, küßt und sagt: Dieser Stein gleicht
- li und der darauf zu sitzen pflegt,
S. Biidr. Schir hasch, r. zu BohesL L, 3.
Man dar: 1 durch Parteiung,
der iftlichen Richtung usw. nicht
• trdbeu lassen.
idium und A nteilnahi r M B
Man bat Lei Gra c Mir d e Kultur
eii^ Lkes die A bme bezeichnet, welche es fQr die
Anteilnahme. 13
Leistungen geistiger Größe an den Tag legt. Bei den
Juden große Anteilnahme, s. „Treu und Frei" und „Vor
fünfzig Jahren". — Die großen Druckereien. — Dasselbe
besagt Berach. 63 b: „rDDn Merke auf" (Deut, 27,9), d. i.
machet Versammlungen über Versammlungen niflD mro
und beschäftigt euch mit der Thora, weil die Thora nur
durch in Genossenschaft (mUPü) erworben wird.
Auch der strengste Traditionalist, (wenn er nur ehr-
lich ist — ) ist gezwungen, die Vernunft fortwährend zu
Rate zu ziehen und zu prüfen, ob er nicht aus guten
Gründen von der Tradition abweichen muß; d. h. er
muß immer kritisch, immer mit kritischem Verstände
lesen, wenn er nicht auf Erkenntnis der Wahrheit ver-
zichten will.
Ein eklatantes Beispiel bietet der strengkonservative
Dr. I. Lewy, der zugleich ebenso streng kritisch ist und
doch kommt er dazu, im Text das absolute Gegenteil
von dem zu lesen, was wir in unserem Talmudtexte finden.
In der jerusalemischen Gemara zu Baba kamma Perek I,
Mischna 2 sagt Rabba bar Memel TiöB; Lewy im
Kommentar sagt: yri löft "psp "Sil1
Wahrheit.
§ 302. Das Innere und nicht das Äußere, das Wahr-
hafte und Wesentliche soll ergriffen und festgehalten
1 Siehe Jahresbericht des Jüdisch-theologischen Seminars Frankel-
scher Stiftung 1899, Seite (46) n"=.
11 Hl. Der Weg zur Sittlich!.
werden, anstatt am bloßen Schein, an der realen Tat-
Bache zu haften.
\\\r die Stätte der religiösen Übung und Gemein-
aft nur als Versammlungsort, als Volkshaus (und
nicht Gotteshaus ansieht, wer den heiligen Schrein
mit der Q tzesrolle, dieser edelsten Quelle aller sitt-
lich religiösen Erkenntnis, eine Urne nennt, er weiL. nur
vom toten Buchstaben, der darin bewahrt wird, aber nicht
vom Lebendigen Geist, der daraus spricht
Wahrhaftigkeit
§303. Und wenn man einem Menschen alle Glücksgüter
und alle Ehren, welche seine Mitwelt ihm er-
kann, böte, er darf seine Überzeugung, die Wahr-
heit, die er als solche erkannt, nicht verleugnen. Eines
verbr< iteten Sprichwörter des .Judentums
labtet: D gel Gol Wahrheit! 121 U3JWM
und Wahrheit ist in diesem Zusammenhange: Wahr«
ha it
len Berichten über die Hunderte und Hunderte der
talmudischen W hrer Tu senden, aber auch
ihr, cht wird, findet sich auch nichi einer,
de- ... i . • oel hatte, wii
Meinung auch ■ :< o ler den Anton-
ie! Zeit beatritti q, wie hart die Verurto ilung emp-
.;. I i H
irheit D. H.
Wahrheit und Wahrhaftigkeit. 15
funden, oder wie verlockend der Lohn eines Widerrufes
dargeboten wurde. Eliezer, genannt der Große, wird in
den Bann getan, weil er gegen die Autorität sich auf-
lehnt; er trägt hart und schwer, aber seine Meinung gibt
er nicht auf.1 Dem Akabia b. Mahalalel wird das Ehrenamt
angeboten, welches das Höchste bedeutet, was er überhaupt
im Leben erreichen kann, wenn er von seiner Tradition,
mit der er allein steht, lassen und der Gesamtheit seiner
Gegner zustimmen will. Was antwortet er? „Lieber will
ich mein Leben lang vor den Menschen ein Narr heißen,
(ein Narr der so Hohes nicht zu schätzen weiß) als eine
Stunde meinem Gotte, der Majestät der Wahrheit, un-
treu werden".2
Diese und ähnliche Beispiele waren in allen Schulen
überliefert, sie waren aller AVeit bekannt; die Idee der
Wahrhaftigkeit konnte nicht energischer der Volksseele
eingeprägt werden.
Irgendeine Wahrheit der Religion konnte zweifelhaft
sein, es konnte darüber gestritten werden, die Religion
der Wahrheit aber stand immer und bei allen fest.
Man hat mit Recht gesagt: Es ist viel ehrenvoller,
einen Irrtum oder ein Unrecht einzugestehen, als es über-
haupt nicht begangen zu haben. "Dl nnöiy n"2W Dipol
ist derselbe Gedanke; die Begründung s. in T. I.
Neben der Wahrheit wird Wahrhaftigkeit und freie
» ßaba mez. 59b. D. H. 2 Edujolh V, 7. D. H.
111 Der Weg zur Sittlich,.
Forschung gefordert R. Jose: die Gegner verketzern
ihn nicht, wir hören nicht- davon; aber Bie nehmen
ist -eine Meinung auf; Beine Autorität ist nicht ge-
mindert; aber sie modifizieren dieselbe behufs der Har-
monisierung. In der Tal wollte er gewiß allegorische
Deutung an die : wörtlichen Erzählung setzen;
die Gläubigen hatten am Wörtlichen; sie helfen sich allen
Ernstes und mit redlicher Absicht mit scholastischen
Spielereien, die in unseren < Ihren fast blasphemisch kling
S. Sukka
hie 1 , ü g e.
< 304. np»n 161 wror\ i6j pmn nptf lärmt Die
rohnheitsmäßige von Personen, die sich durch
nichts in der Wahrheit geltend machen können, geübt —
• anfangs meist nur leichtfertig. Auf keinem
Lei ihtfertigkeil ehr den Grund als
:••: [Trage der Wahrhaftigk« I
M;m muh die Notlüge von der wohlwollenden und
wohlm len unterscheiden, b. den Streil \"n Vf'2 und
"i3 — diese letztere wird nicht leicht Schaden anrichten.
sie hat immer eia gu I rissen in bezug auf da- Ziel.
retrebt. !' Ige ist das Entgegengesetzte
.der PalL Der Widerstreit in der Seele — — — Die
Notlüge aber ii eine wirkliche, son-
was vermieden werd
.11. . 7. -1 Kclhub. l'.1' ii 17 •
7 ii l».r VI I» II.
Lüge. Gegen Aberglauben. 17
soll, kann meist auf dem Wege der Wahrheit ebensogut
vermieden werden. Z. ß. „nicht zu Hause" — oder „be-
schäftigt"1 — man muß auch von dem anderen ein Ent-
gegenkommen und darum Schätzung der Wahrhaftigkeit
verlangen.
Gegen Aberglauben.
§ 305. Gegen Zeiten, Dinge von Bedeutung s. besonders
Sanhedr. 65b. Dl tSTDD TU. Völlig frei vom Aberglauben
usw. ist selten einer, tyrüö ÜW DTK bD KIT Wl mn fnflK "'in
V'Dl imK pD'flDD.a Es gilt, absolut fest an Naturgesetz
und der sittlichen Weltordnung halten. Man darf nicht
nachgiebig sein gegen den Abergläubigen; wo das
stattfindet, ist es ein Beweis, daß die Wahrheit nicht
tief, nicht rein, nicht klar und fest ist. Dies Herabsinken
auf die Stufe einer niederen Weltanschauung ist ein
Abfall, des wahrhaft Denkenden, Gebildeten unwürdig.
Die beste Art der Widerlegung der Zauberkunst s.Chull.7b.3
Man muß bedenken, daß das Prinzip (wie noch lange hin,
iVergl. die Erzählung von der Ortschaft xtsenp, Wahrheit in Sanh.97a.
2 Die Stelle Nedarim 32a lautet wörtlich: Ahaba, Sohn des R. Zeira
lehrte: Jeden Menschen, der nicht Zauberkunst treibt, läßt man in eine
Abteilung eingehen, in welche nicht einmal die Dienstengel eingehen
können; denn es heißt (Numeri 23, 23): „Denn nicht ist Zauberei in
Jakob und nicht Wahrsagekunst in Israel." D. H.
3 Die Stelle lautet wörtlich: Es war eine Frau, welche sich mühte,
Staub unter den Tritten des R. Chanina zu nehmen (um ihn damit
durch Zauberei zu schädigen). Er sprach zu ihr: Nimm, deine Sache
wird dir nicht gelingen. Es steht geschrieben Deuter 4, 35: „Es ist
keiner außer ihm." Vergl. Sanhedr. 67b. D. H.
Lazarus, Etbik des Judentums II. 2
1 - • Weg zur Sittlich!
viele \ noch jetzt) allgemein verbreitet war.
d solches falsche Prinzip ist et
mch jetzt noch!
Die Entwicklung des sittlichen Menschen.
106. Xu berücksichtig - ad:
a) Einseitige, vielseitige and allseiti twickelung d< r
( Jharaktere.
Erblichkeit und ihre Grenzen. Frühes Eingreifen
r Sitte, des i
ci Die eigentliche Erziehung,
d) Die Gewöhnung (und Selbsterziehung
Erhebung a) durch Leiden (ihre I'" leutung),
durch !.'• i and Ba
Weitere Ausführung des Gesu
^ 3'»7. l. Schon in aora und dann in der Spr
Propheten wird dir A A aen als „der
■pi bezeichnet, den er gehen soll, um sein Ziel
zu . o Beruf zu erfüllen, den wahren \\
u erringen und zur eigentümlichen Würde
.1 tieser Weg best« ht in d
Erfüllun • in der Vollziehung von ll
lungen und Ausführung von Tat« Zieh der
t führen. Das also, wa 5 blichkeil for-
i und bestimn I
and MaL I >;< verscl
Aufgabe der Sittlichkeit. 19
denen Tätigkeiten, welche ausgeübt werden sollen, heißen
deshalb Pflichten, mm
2. Hinter jeder Tat steht die Person als das Tätige.
Von der Beschaffenheit der Person hängt ihr Tun ab;
wie der Mensch ist. so handelt er. Wird also der ethische
Lebensgehalt durch die Gesamtheit aller Pflichten, welche
zu erfüllen sind, bezeichnet, so offenbart sich derselbe
andererseits in den Eigenschaften oder Fähigkeiten der
sittlichen Personen.
Ein vollständiges System der Sittenlehre hat deshalb
beides darzustellen, die Pflichten, welche erfüllt und die
Eigenschaften, welche erworben werden sollen. Sittliche
Eigenschaften werden auch Tugenden genannt. Die
Ethik ist also Pflichtenlehre und Tugendlehre. Würden
nur die Eigenschaften der Person, die zu erringen sind,
also nur die Tugendlehre dargeboten, so würden sich aus
ihr allein alle die bestimmten Pflichten, die für alle
Lebenslagen in Betracht kommen, noch nicht ergeben.
Würde aber nur die Pflichtenlehre als Ethik dargeboten,
dann fehlte noch die Erkenntnis, welche Eigenschaften
und wie sie erworben werden müssen, um die Erfüllung
der Pflichten zu sichern oder wenigstens zu befördern.
3. Aber durchaus nicht bloß um technische Gründe
handelt es sich, weshalb die Ethik nicht bloß Pflichten-,
sondern auch Tugendlehre sein soll; nicht bloß auf Voll-
ständigkeit, meine ich, und auf Leichtigkeit der ethischen
Erkenntnis kommt es an; vielmehr gilt es dabei, eine
2*
111. Der Weg rar Bittliohki
der wichtigsten und prinzipiellen Fragen über (las inner-
Wesen der Sittlichkeit zu Lösen.
Wenn man von allen metaphysischen und religiösen
Betrachtungen aber den Menschen, Bowohl aber das In-
dividuum, wie ttber die gesamte Menschheit, absieht, dann
bleibt die Sittlichkeit als Selbstzweck der letzte und der
höchste Gedanke, als die eigentliche Idee der ethischen
Wissenschaft. Diese Idee aber umfaßt beides: einerseits
die Beschaffenheit der sittlichen Person, der einzelnen
und der Gesamt- Persönlichkeit, welche ausgebildet wer-
den soll, und andererseits die Art und den Inhalt ihrer
Lebensführung; mit anderen Worten: die Idee der Sitt-
lichkeit offenbart und realisiert sich sowohl in der Ge-
staltung der Persönlichkeit Belbst, als in den Bandlun
und Schöpfungen derselben. (VgL T. I § 201 und An-
bau- Nr. 30).
1. In bezug auf die sittliche Person bietet uns die
Beilige Schrifl den Begriff der Vollkommenheil als die
höchste ideale Norm, als den Gipfel and die Zusammen-
ong aller Vorzüge, welch.- errungen werden sollen.
ppnri DW, .vollkommen bo11s1 du sein-', ist der Aus-
druck für die I1 form, /u welcher der Mensoh,
e aktive Persönlichkeit sich aufschwingen soll.
DTiodei =-,:r i..,i. . anz, vollständig, abgeschlossen, in
sich gleichartig und abgerundel und deshalb auch in der
i Deutet i\ i
Aufgabe der Sittlichkeit. zl
edlen Bedeutung des Wortes einfältig:1 die Hincinbil-
dung der Idee in die reale Wirklichkeit, die in den Taten
und Schöpfungen des Menschen sich vollzieht, soll auch
in dem Wesen und der Eigenart der Seele selbst sich
manifestieren; so wie der plastische Künstler den in
seinem Geiste lebenden Gedanken in einen Stoff, in ein
Stück natürlicher Realität hineinsenkt, so daß dadurch
der äußerliche, materielle Stoff vom Gedanken erfüllt,
vom Geiste gleichsam belebt, der Körper zum Range der
Idee erhoben und mit ihr wesensgleich und wesenseins
wird, so soll die Person des Menschen, sein Ich, seine
Seele und sein Gemüt von dem Bestände seiner natür-
lichen Realität zur innigsten Einheit und Gemeinschaft
mit der Idee sich erheben, seine reale Natur selbst soll
ideale Gestalt gewinnen, indem nicht bloß sein Tun, son-
dern auch sein Wesen, sein Können und sein Wollen
durch die Idee umgestaltet und verwandelt wird. Mit
einem Worte: die Idee soll im Menschen zur lebendigen
Realität werden, und sein reales Dasein selbst soll ideale
Gestalt annehmen.
5. Der Begriff der Vollkommenheit leidet von seinem
inneren Reichtum und von dem maßlosen Umfang, in
welchem er angewendet werden kann. Gewiß soll etwas
Bestimmtes durch ihn ausgesprochen werden; aber es ist
unsäglich schwer, diese Bestimmtheit zu finden. Der
1 Es darf daran erinnert werden, daß im Deutschen auch heilig
mit heil, ganz, vollständig zusammenhängt.
111. Der Weg zur Sittlich*
lanke der Vollkommenheit bedeutet mehr eine Rich-
tung di I '■ als ein Ziel desselben,
G • bwohl kann und solider i der Vollkommen-
heit nicht in ■ Schwebe gehalten werden; einfach durch
Beachtung der ibenen Tatsachen wird er klar
und deutlich.
Der Träger der sittlichen L\< e Ist von Haus aus eiu
Natur, von bestimmter Beschaffenheit; er ist von
Natur her ausgestattet mit vielerlei Anlagen, mit der
Fähigkeit verschiedene Funktionen auszuüben. Die Fähig-
keiten des Menschen aber, die zunächst nur als natür-
liche Anlage gegeben sind, bedürfen der tätigen Kntwick-
lung, der allmählichen und gedeihlichen Ausbildung; nur
in und dur< e Ausbildung seiner Kräfte kann der
Mensch das Ziel der Vollkommenheit erreichen.
6. War die Aufgabe der Sittlichkeil als der \\ eg
der zu gehen ist, BO ist damit Bchon an-
daß ihre Lösung schrittweise, allmählich sich
vollzieht Einerseits durch die psychologische Entwick-
lung in bestimmte Naturgesetze gebunden
durch das L ilter, die historischen Urn-
en um von Personen and Verhältnissen, in
di • in I ». tusfullt,
:• i. . tdmmt
.. An den Begrifi W li< I ich (natur-
< rründi q, welch*
I • : : Bild ll Auf-
Aufgabe der Sittlichkeit. 23
stiegs, des Emporstrebens in die Höhe; der Weg des
Lebens geht für den Weisen aufwärts" (Spr. 15, 24).
Dieser Satz drückt einen allgemeinen Gedanken aus, der
bei allen Kulturvölkern heimisch ist. Alles, was gut,
groß und edel ist. wird als hoch bezeichnet; was das
menschliche Gemüt am stärksten ergreift, unfehlbar an-
zieht, am würdigsten belebt, was Ergebenheit, Anerken-
nung, Hingebung erzwingt, das wird als Hoheit und Er-
habenheit gedacht. — Davon stammt in der rabbinischen
Sprache das Wort r6}?ö in der Bedeutung von Aufstieg,
Grad, Stufe, Vorzug, Eigenschaft, auch Würde und Wür-
den. Die vorzüglichsten, hervorragenden Männer werden
als rP^JJ \13, die Kinder, Jünger, oder wie wir im Deutschen
sagen würden: die Männer des Aufstiegs genannt (s. San-
hedr. 97b; Sukka 45b u. ö.).
8. In der vordersten Reihe steht die Gewinnung
des Lebensgehalts und die Handhabung und Bewältigung
desselben. Es gilt deshalb vor allem die Ausbildung
der Intelligenz im weitesten Sinne. Diese besteht in der
inneren xA.neignung aller Inhalte, welche den Gegen-
stand der Lebensführung ausmachen und in der Aus-
bildung und Einübung der Funktionen, vermöge welcher
wir die Inhalte gewinnen und verwenden.
Die Funktion oder die Tätigkeit ist überwiegend gei-
stige oder Denktätigkeit. Im Dienste derselben stehen
aber die Sinnesorgane, denen sie die ersten und wich-
tigsten Elemente verdankt.
IM. Der Weg toi Bittliohl
Unter der Form des ErfahrungBsatzes, daß dem Wai-
. also demjenigen, der auf dem Wege höherer
Entwicklung sieh befindet, yv ripaB1 zukommt, — ein Ver-
ken des Auges in den Gegenstand, am ihn in bi iner
Tiefe zu erfassen, — wir,d die Forderung ausgedrückt,
auch die sinnliche Tätigkeit su vollkommen wie mög-
lich ausgeübt werden soll.
Auch zur produktiven Tätigkeit, bei den Schöpfungen der
Zivilisation und Kultur, also in den Gewerben und Kün-
sten bedarf der Geist der Sinne und der Bewegungs-
und Wirkungsorgane, deren Ausbildung für die Voll-
kommenheit der Intelligenz nicht entbehrt werden kann.
B i der Berufung des Bezalel und seiner Genossen
(Exod. Kap. 31 und 35) wird die Schaffenstätigkeit da-
durch charakterisiert, daß in ihr aeben dem Entwerfen
Gedanken auch die Geschicklichkeit und Fertigkeit
hervorgehoben ist, deren der Künstler bedarf (2Vn?
-!-'--: und r"sy-
>. i • eht die Denktätigkeil zunächst in dei Br-
ost (diese mögen materieller
\rt Bein), also in dem Erwerb ihr Denk-
inhalte, so fuhrt die weitergehend« I bigung mit
Iben, das Denken über dir onenen Inhalte.
o dm Reflexionstätigkeil zur Vollendung derselben.
Wir find« Ä.i iui •. ■ vom [nnenleben in der
>t hp. i'. iL
Aufgabe der Sittlichkeit. 25
jüdischen Literatur durch die Erfahrung beherrscht, daß
unsere Gedankenwelt, unsere Vorstellungen, Begriffe.
Phantasie- und Erinnerungsbilder nicht plötzlich da und
mit einem Schlage fertig und wirksam sind, daß sie viel-
mehr der fortschreitenden inneren Aneignung, Einprä-
gung und Durchleuchtung bedürfen. Schon in der Bibel
steht neben dem njJTl das "pn1; bü nüBTfl1; und wenn
mit diesen auch zumeist das Zu-Herzen-nehmen, also die
sympathetische Innigkeit bezeichnet wird, die den Inhalt
vervollkommnen soll, so liegt doch auch die Reflexions-
tätigkeit darin angedeutet. Die Rabbinen aber drücken
den Begriff derselben, die logische Operation, welche zur
Aus- und Fortbildung der Begriffe führt, treffend durch
die Forderung aus, daß der Mensch "DI "JIJlö "11*1 )*2ö
sein soll; vom Bekannten soll man durch Nachdenken zum
Unbekannten fortschreiten, zu den Begriffen sollen die
Schlüsse sich fügen.
Die Ethik als Wissenschaft begnügt sich mit der all-
gemeinen Forderung; die Technik ihrer Ausführung ist
der Gegenstand anderer Wissenschaften; Erfahrung und
Theorie, ausgebildet in den Disziplinen der Psychologie,
Erkenntnistheorie und Pädagogik, haben die Anleitung
zu geben. Es fehlt bei den B-abbinen — in Talmud und
Midrasch — nicht an sehr vielen Einzellehren, welche
auch aus diesen Wissensgebieten stammen. Hier aber
1 Deuter 4, 39.
lli " Jittli
I dut zur Charakteristik ihrer Denkweise cur dies noch
ibrt werden:
D enentwicklung, der Fortschritt vom
fundenen und G Bnen zu dem, wa acht und er-
o durch geistige Energie daran- gewonnen wird,
kann man anter dem Begriff des WVi zusammenfassen,
übern tritt derselbe in der Auslegung und An-
wendung des Schriftworts hervor: für die darin li-
nde Me1 und N »rmen, rs.rz. ani llt, weh
teils ui Ibar der natürlichen 1- ntnommen sind,
ä auf Tradition beruhen. Kür die Halacha Bind von
Billel 7 solcher Regeln, von [smael L3 aufgestellt; für
die Eagada 'ich von Blieser 32: in unseren Tag
Malbim gar 613 erklügelt,
igen wir aber von der Forderung, die an alle
llt wird, zu der empor, welche an die Jünger der
\Y; • ch wendet, bo linden wir den TVrn beson-
iiin im v. ii Umfang, die
Kunst, durch Analyse der Begriffe, Gleichheil und Un-
• /n ,i g und dadurch neue Kombinationen
voi. len zu in. i durch diese wiederum neue
ii. isi der hervorragende Zug in
ien Geisi durch hui. e Jahrhun-
- • len, auch wahrend rin'_->-
nm ■ and ergötzt
in. Bei alh I ■ turvöll en :> Ent-
tlfl .in-
Aufgabe der Sittlichkeit. 27
Schöpfung der Patriarchen betrachten dürfen, deren
Lebenslage die Pflanzung und Pflege aufkeimender Ge-
danken in jeder Weise begünstigt. Die jüngeren Gene-
rationen der stammhaft zusammengehaltenen Familie ver-
richten die Arbeit, die Alten verleben ihre hohen Tage
in Muße. Umgeben von der dankbaren und gehorsamen
Ehrfurcht aller jüngeren Genossen, reich an angesam-
melten Erinnerungen und fortschreitend vertiefter Be-
sinnung, weit in die Vergangenheit zurück- und darum
auch in die Zukunft hinausschauend, üben sie das hohe
Amt der sorgenden und ordnenden Führerschaft durch
die geistige Beschäftigung aus, welche sich, alles in
allem, aus überlieferter Erinnerung, erlebter Erfahrung
und prüfenden und schöpferischen Nachdenken zusammen-
setzt. J
Ihre Erfahrung ist eine oft wiederholte; haben sie doch
in dreien oder vieren der absteigenden Geschlechter die
Schicksale, Neigungen und Triebkräfte, die Charaktere
mit ihrem "Widerstreit und Ausgleich beobachtet. Uns
erscheint ihr Erfahrungsinhalt überaus einfach und gleich-
artig, und, zusammengehalten mit der Mannigfaltigkeit
späteren Kulturlebens, ist er es auch. Aber eben des-
halb werden die feinsten Unterschiede, die leisesten
Schattierungen beachtet, der Geist dringt in die innerste
Tiefe der Dinge und Verhältnisse; auch Fragen tauchen
1 Über Pflege der Erinnerung, Tradition s. Deut. 32, 7 f.
111. Der Weg zur Sittlichkeit
dabei auf, welche keine genügende Antwort finden, und
sie werden zu Problemen, an deren Lösung folgende
Jahrtausende Bich abmühen, über Natur und Gi
Welt und Gott breitet sich das Nachdenken aus; aber
die Erfolge langen Sinnen? und Suchens werden in kur.
S tzen ausgesprochen, welche zumeist nicht theoretische
Lehrsäl Lende, richtende und führende Ge-
danken Bind. Je umfassender die Erfahrung, aus der sie
böpft, desto vielseitiger ist auch ihre Anwendbarkeit,
■he ihr Gewicht erhöht, ihre Autorität verbreitet
und befestigt In solcher ^ i 3< entstehen und wirken
auch bei allen Völkern die Sprichwörter, welche gleich-
sam dm esoterischen oder profanen Teil der Orweisheit
{machen, während andere Ausspruch- tiefer liegend nur
wie esoterisch von den auserlesenen Geistern überliefert
rden.
rität d.r Sprüche wachst. Bage ich. im Laute
der Zeiten; nicht weil sie alter an Dauer, Bondera weil
ien G< ht.rn als Wahrheit gegolten; Bie Bind
die Gedanken L&ngsi Verstorbener, die aber immer wieder
lebendig waren; sie wirken nicht als Vergangenheit, son-
rn oft wiederholte Gegenwart.
reilich verSchleifen sich die Inhalte der Sprüche;
a. oft und in Variationen vielfach wieder-
irend, an der 8 es B vorüber; Bie wea
h unklar, wie da Gi : rifiFener Münzen.
Dann kommen die Denker nachfolgender Epochen; mehr
Wesen des Charakters. 29
als ihre anderen Zeitgenossen schöpfen sie aus den alten
Sprüchen und sie trachten darnach, die "Weisheit der-
selben zu erörtern, ihren wahren Sinn zu stützen und zu
klären.
So entsteht auf dem Grunde der Urweisheit, welche
ursprünglich mit gewaltiger, aber unwillkürlicher und
naturwüchsiger Triebkraft blitzartig aufleuchtete, all-
mählich das absichtsvolle, ordnende, läuternde und
sichernde, mit einem Worte: das wissenschaftliche
Denken.
Das Wesen des Charakters.
(Übereinstimmung und Prinzip, Maximen und Grundlagen.)
§ 308. Gewiß ist nicht nötig, daß sich der Charakter auf
dem Grunde wissenschaftlichen Denkens über ethische
Prinzipien erbaut. Generale, Techniker, auch Staatsmänner
usw. können ohne ethische Theorie auskommen. Aber
diejenigen Menschen, deren Beruf sie zu methodischem
wissenschaftlichen Denken auf irgendeinem Gebiete leitet
oder zwingt, werden das beste Teil ihres inneren Lebens,
das Eine, was not tut, auf niedrigerer Stufe in Form
und Fassung finden; sie werden also notwendig das im
letzten Grunde wichtigste unter dem technischen
Wertvollen ihres Berufes finden. Die größte Vollkommen-
heit an Schärfe, Bestimmtheit und Energie des Denkens,
welche durch methodische Arbeit erreicht werden kann,
1». . Weg zur BittHchJ
mnfi dem höchsten Gehalt des Mensches zugewend
len.
Es ergibt sich daraus eine Progression für Jen Uru-
: und die I • der ethischen Gredankenbewegung auch
für • Völker. Je höher die Kultur, desto tiefer
und energischer muß die ethisch»' Gredankenbewegung
sein.
Die Sp sind ohne Philosophie und besonders ohne
ader und ilie Deutschen.
Die subjektive Seite des Charakters, die Lehre, die
Ideen, die Forderung, das prüfende Gewis.-en. das Be-
wußtsein soll kollektivistisch, die objektive Seite d< — iben
Gregebene, Empirische, die Leistung individuali-
o.
B.
Gefühl.
iL Ferner: Grewissen. — Allegorie:
I »;r. id und l i.itt.i
Q
b G Lhle werden eingeteilt in sinnliche
ind inl ;tuell<
Lhle sind: angenehme nnd unange-
G chmack, < reruch
(milde ETrühlingsluft, M
, ! • and Sitze, Lust und
Einteilung der Gefühle. 31
Unlust oder Schmerz. Lage, trübe, Witterung nachBrennen,
Stechen, Schneiden). Verschieden davon sind die vitalen,
die Lebensgefühle (Vitalsinn): Gesundheit, Rüstigkeit
und Kraftgefühl. Munterkeit, Behagen, Ruhe nach Arbeit
— Beklemmung, Schwäche, Krankheit, Unbehagen. — Die
Vitalgefühle -wirken als Stimmungen auf die gesamte
Tätigkeit. (Druck, Last, Ermattung, Erfrischung, Er-
quickung, Aufregung, Spannung.)
Die intellektuellen, ideellen Gefühle sind
a) schöne und häßliche,
b) moralische Gefühle.
Virtuelle Gefühle der Hemmung und Befreiung, der
Kraft und der überschüssigen Kraft, des Sieges über
Schwierigkeiten und andere Kräfte.
Dauernde, auf objektiver Grundlage ruhende Ge-
fühle, verschieden von den flüchtigen und momentanen.
Beipiele: Selbstgefühl, das des eigenen Wertes, welches
sogar vom Ehrgefühl (dann etwa als Selbstehre gefaßt
oder gedacht) sich trennen kann. Stärke des Selbst-
gefühls kann dazu leiten, empfangene Verletzungen und
Kränkungen zu verzeihen.
Gefühl der Harmonie, etwa in der Freundschaft.
Ethisches Gefühl überhaupt, das mit der Anerkennung
des Guten verknüpft ist.
Affekte, Gemütsbewegungen (im Gegensatz zum
Gleichmut, oder zur Gemütsruhe). Charakterisiert
werden die verschiedenen Affekte:
32 in Der Weg zur Bittlichk
1. durch die Vorstellungen und Strebungen, aus denen
die Bewegung hervorgeht, —
2. durch Gefühle, die sie begleiten,
3. durch die listigen Zustände, die dem Affekt
folgen,
1. durch die Leiblichen Erscheinungen, welche ihn be-
gleiten. 9 Bind nicht, wie man wegen der un-
mittelbaren Wahrnehmung wohl glaubt, aber irrig
annimmt, die Hauptsache.)
Dem Zornigen wallt daa Blut auf; der Beschämte
errötet und erbleicht; der Erschrockene erblalJt;
dem Ärgerlichen regt Bich die Galle; der Furcht-
same bebt, oder es sträubt sieh ihm das Haar; der
Ln-ti'_re lacht, oder weint; der Betrübte weint; der
Gekränkte lacht b
Dauer der Leiblichen Erscheinungen hält auch die
Wiederkehr der psychischen Gemütsruhe auf.
Psych er Affekt, Gegensatz gegen Gemüts-
ruhe. Diese i-t mittlerer Grad der Erfüllung des Be-
wußtseins mit in und mittlerer Grad der
- annung. Affekt leich ÜberfUllung oder Ent-
i und Anspannm I i tltation, Expansion.
i . pannun \ I '■ >n, Kontraktion.
1 1 w er h -el n i e Gefühle üb« elben ' I
M von den gemischten Gefühlen /u an
Jene erheisch« i \ i i akeit, denn
Gefühle und die Sprache. 33
sie werden leicht zum Sitz moralischer Schwäche und
bei häufiger Wiederkehr zum Gegenteil des Charakters.
Die nicht seltenen und oft unvermeidlichen gemischten
Gefühle aber bilden einen Gegenstand der Selbster-
ziehung, indem die einen gehegt und verstärkt, die
andern aber zurückgedrängt werden müssen.
Gute Beispiele zu geben.
Die gemischten Gefühle sind die aufregendsten. Da-
her können auch sittliche Gefühle, einerseits mit pathe-
tischen und sympathetischen, anderseits mit religiösen
Gefühlen gemischt, sehr aufregend wirken.
Das charakteristische Ethos eines Menschen, also sein
wesentlicher sittlicher Bestand offenbart sich (ihm selbst
und anderen) am meisten in den Gefühlen, welche sein
Denken und sein Handeln begleiten.
Der hoch entwickelte Charakter erhebt sich zur Klar-
heit der Einsicht und Festigkeit des Willens dergestalt,
daß beide vom Gefühl zwar begleitet, aber nicht beherrscht
sind; einen Gefühlsmenschen aber nennen wir denjenigen,
der sich ganz von seinen Gefühlen leiten läßt.
§310. Bei den Gefühlen ist zweierlei beachtenswert. Ein-
mal daß die Sprache (wenigstens die deutsche, welche aber
in diesem ganzen Gebiete innerer Vorgänge teils typisch,
teils voranschreitend ist — ) in bezug auf das Verhalten
zu den Gefühlen fast nur für die beiden Extreme einen
sprachlichen Ausdruck geprägt hat; wir nennen den
einen gefühlvoll und den andern gefühllos. Die dazwischen
Lazarus, Ethik des Judentums II. 3
111. Der Weg tax Bittlichi
aber bilden in der Tat eine Langgedehnte
• ter, deren einzelne Sprossen aber Bich dem Selbst-
bevi d des Menschen entziehen. Nur der psycho-
i empfindliche Beobachter gewinnt einen Thermo-
meter der < refühle.
Sodann rückt in der allgemeinen Vorstelhu e und
darum auch in der sprachlichen Bedeutung der sogenannte
Bhlsmensch fast an den Begriff des guten Menschen.
ob es nicht ebensowohl Gefühle der Abneigung wie
derZuneigurj !!.■- es wie der Liebe, der Rachsucht
und Barte wie der Verzeihung und Milde gäbe! Dennoch
liegt in diesem Irrtum — last hätte ich gesagt, eine
■ ätliche Wahrheit, in der Tat aber eine hoffnungsvolle
Vermutui ,
§ :;i 1. Es wird angenommen, dal. der gefühlige, der inner-
lich lebenswarm 1" . der den Dil en und Personen
g( heu. und von ihnen i rgrif-
■ Meii ch durch die Regsamkeit seine Gefühle auch
auf . i , ■ \\ i »innung geführt wird; in
.:. kalt« -. Menschen aber, der die Vorgang« I n
mpel und die I die Teile
einer wirkenden Masch • htet, fürchten wir di I
. nur vom i • • Iten, den Argen.
Man .,■!/! also, gq i ren ^ voraus, daß die
„;,• ichen, aus der Wahr-
nehme, und P« neu
her\ le als Gefühle d Rech-
Herrschaft; über die Gefühle. 35
ten, Schönen auftreten, aus denen wohltätiges Wollen
entspringt, wie sie auch die Erkenntnis der Wahrheit
fördern und beleben; den Mangel an Gefühl aber deutet
man zugleich als Mangel an Idealität.
Praktisch wichtig an dieser Betrachtung ist mir das
Folgende.
Die Erregbarkeit des Menschen im Gefühl ist wohl
mehr als die anderen geistigen Funktionen durch Natur-
anlage bedingt. Gleichwohl können wir zugunsten so-
wohl der Erziehung als der späteren sittlichen Fort-
bildung einen wesentlichen Einfluß üben.
Die Herrschaft über die Gefühle ist eine charakte-
ristische Forderung. Als Gegensatz zu unseren Roman-
tikern, welche der Souveränität des Gefühls alle geistigen
Kräfte als Vasallen unterwerfen möchten. Ausartung ins
Bodenlose als Folge davon.
Jede Gefühlsregung ist einerseits von der natürlichen
Regsamkeit, aber andererseits zugleich von dem Inhalt,
von den Vorstellungen abhängig, aus denen sie entsprin-
gen, oder an welche sie sich schließen.
§ 312. Die Naturanlage gleichgesetzt, werden diese
Vorstellungen, Tatsachen, Ereignisse, Lebensbilder, welche
der Seele dargeboten werden, den Menschen, sagen wir
gleich, das Kind mehr, andere werden es weniger er-
regen. Energie oder Schlaffheit der begleitenden Gefühle
wird durch den Inhalt der Vorstellungen bedingt; wir
erziehen die Gefühlstätigkeit, die wir anregen, durch die
3*
lil. i> v. nir Bittliohk
Denkinhalte, die wir darbieten. Von jeher hat man die
Erzählung der biblischen Geschichten als ein kräfti
Mittel zur ung sittlicher Geftthle betrachtet.1 Aber
nicht bloß um das Maß der Intensität der zu erregenden
Gefühle, sondern um die Mannigfaltigkeit und die sittliche
Beschaffenheit der Gefühle handelt es sich. Man weiß,
daß kein Buch der Welt an Fülle und Feinheit, an er-
greifender Gewalt und Reinheit der Inhalte der Bibel
chkommt über die Legenden der späteren Zeit s.
T. 1 zum Leben Abrahams. Die Rabbincn müssen diesen
pädagogischen Wert aufs Höchste geschlitzt haben. Sie
sind aber namentlich auch der Vielseitigkeit, der Mischung
der Gefühle nachgegangen, welche durch die biblischen
Personen und Gedanken erregl werden.
i Die Griechen gaben ihren Kindern den Homer, wir geben
ihnen die Bibel. Durch den Homer wird vorzugsweise die äslhe-
tigche i - Gemütea gefördert; aber die Bibel steht
ihm auch dann nicht nach. Die [ntensität der poetisch erregten
ihle mag beim Homer größer Bein, die Summe der geistigen
mg und Gedankenfülle ist in der Bibel ungleich größer; dort
B Qden der Reichtum oder Glani der Phantasie, hier
l, ihre Lauterkeit und Innigkeit Wichtiger ist freilich
det andere i nterschied. In den Homerischen G<
. ihische Belehrung seltener, matter, ja igt oft enug
in ihr G il um, indem die als hO A B en in
. drigkeit Binken. Von da Macht und Gewalt und
i . es ethischen I in der Bibel brauche ich kein W ort
Dichter und Dichtungen, da er wohl
,\ \ ,. e hat, deshalb aus Beinern Staate ver-
tue er wohl sicherlich Willkomm« ißen.
Die Kabbinen und das Gefünlsleben. 37
§ 313. Lange ist es mir zweifelhaft gewesen, was die Rab-
binen bewogen hat, über dieselbe Person oder denselben
Gedanken immer wieder neue Bibelworte herbeizuziehen.
Was ist, so mußte ich mich fragen, was ist damit ge-
wonnen, daß man die Anknüpfung an dieses oder jenes
Bibelwort darbietet, daß der eine diesen, der andere
jenen Yers zitiert? — Wohl mag es sich allgemein nur
um die unausgesetzte Vergegenwärtigung des Bibelwortes
und zugleich um die Verwendung eines jeden gehandelt
haben; sie lebten eben darin — — eine Person, eine
Sache, eine Lehre hatte ihren Adelsbrief, wenn man einen
Vers dafür fand, und der Vers hatte ein neues, ver-
jüngtes Leben, indem er durch die Anwendung neuen
Sinn erhielt. Und das mag auch zur bloßen Formel
und Methode für Viele geworden sein. Aber das genügt
zur Erklärung nicht. Allein genauer zugesehen findet
man, daß die Mischung der Gefühle, die Vielseitigkeit
und Mannigfaltigkeit darin ihren Ausdruck fand.
Entweder es wird von einem Vers ausgegangen: \XD
yfOT, oder wenn es wichtiger scheint . . "1 tJH*1, oder noch
wichtiger ... 1 tiHT HT J1K; meist wird der Sinn nicht
den Worten einfach entnommen, sondern er wird ihnen
untergelegt, eingedeutet; oder es wird ein Gedanke vor-
getragen, und die Frage ist ]b K3Ö oder auch K"lp ""NID,
in welchem Verse findet man den Gedanken? und nun
geben mehrere, jeder seine Quelle an. Dann erst, wenn
das Schriftwort als seine Quelle erscheint, ist der Gedanke
38 UX Der v • -
•ihn. < >:'t genug wird bloß die individuelle Erinnerung
: der Verschiedenheit Bein — namentlich später,
indem die Sache zur Formel, zur Methode geword
und es nur eine Turnei des Gedächtnisses wurde. I r-
Bprünglich aber und bei den bedeutenden Lehrern ist es
a) eine verschiedene Seit*.- des Lu dts in dem \ -
.•lMii Gedanken, der zu einem andern Vers führt.
oder b) die Entdeckung eines neuen Sinns im Schrift-
wort, welche diesen dem Gedanken anpaßt.
Ein lautloses Dahinli Ben i rgibt ein flüchtiges, undauern-
des Denken des Inhaltes mit einem andauernden Be-
wußtsein, das deshalb auch erfolglos bleibt, wenig
Ligung gew&hrt und darum die Freudigkeil der Einer*
gie v. müssen läßt; d D erregt lautes Denken die
Mitschwingung der Nerven (Jana* rwi — tea :mrß),
verleiht ihm Dauer (D*pnm — rrrr: — ^WDBf), die Ak-
zentuation des Wortes wird zur Akzentuation des Ge-
ns und 1 • ihn (nrv *;r - ttM 1), und die
Innigkeit und Yermnerliehung fQTI 7-s ™ — P"* ""
Bchöpft Befriedigung (13^ ntttn — lOI) und Freudigkeit
... _ s„.. , g Erubin •"»:;• u. 5 1
i Die tu 3l unv l: Bauria | Valeria) bemerkte |
Schfl r, .l.T leise lernte, da bü< D sie ihn mil dem l
xu ihm: Sieht nicht all ■ »In
■ and bewahrt rvam ~:- rwrn>)M, (v en will':)
\\ i t ist in
«rahrt... S prach KU El
Jefa . - en Mim en Mund,
Idealgefühle. 39
§ 314. Die Idealgefühle sind zu pflegen im Unterschied
von und sogar im Gegensatz zu den sympathischen. Diese
bilden nicht den wahren Grund, noch das rechte Motiv,
am wenigsten aber die sichere Xorni der Sittlichkeit.
Von Kant ist im I. T. schon gesprochen. Seine Kritik
der sympathischen Systeme. Der Talmud bietet uns eine
ganz gleiche Betrachtung. Wohl wird öfter die göttliche
Barmherzigkeit als Vorbild hingestellt; aber man soll
nicht das Gefühl der Barmherzigkeit ohne weiteres als
den Grund gewisser Gesetze betrachten. Die Erhaben-
lerne, damit du dein Leben verlängerst und deine Thora in deiner
Hand Bestand habe; denn es heißt (Prov. 4, 22): „Denn Leben sind
sie für die, welche sie finden, und für seinen ganzen Leib Arzenei".
Lies nicht: DTPKXfc^, die sie finden, sondern: DnWttfiV, die sie hervor-
gehen lassen (aussprechen) mit dem Munde .... R. Ammi hat gesagt:
Was heißt das, was geschrieben steht (Prov. 22,18): „Denn lieblich
ist es, wenn du sie bewahrst in deinem Innern, sie allesamt befestigt
(bereit) sind auf deinen Lippen"? Wann sind die Worte der Thora lieb-
lich? Wenn du sie in deinem Innern bewahrst; und wann bewahrst
du sie in deinem Innern? Wenn sie allesamt auf deinen Lippen be-
festigt (bereit) sind. R. Zera entnimmt (eig. sagt) es von hier (das.
15, 23): „Freude wird einem Manne durch das Aussprechen seines
Mundes, und ein Wort zu seiner Zeit, wie gut (treulich) ist es." Wann
wird einem Manne Freude? Zur Zeil, wenn er ausspricht mit seinem
Munde. R. Jizchak sagt es von hier (Deut. 30, 14): „Denn nahe
liegt dir das Wort sehr, in deinem Munde und in deinem Herzen, es
zu tun." Wann ist es nahe? Wenn es in deinem Munde und in deinem
Herzen ist, es zu tun. Raba entnimmt es von hier (Ps. 21, 3): „Das
Verlangen seines Herzens gibst du ihm und das Regen seiner Lippen
verweigerst du ihm nicht. Sela." Wann gibst du ihm das Ver-
langen seines Herzens? Wenn du das Regen seiner Lippen nicht
verweigerst. D. H.
40 Hl. Der Weg zur Bittlichl .
heit des S jjesetzes wird beeinträchtigt, wenn di<
nur durch ein sympathisches Gefühl begründet wird.
Im jer. Talmud Megilla I V, 76' liaben wir ein eklatantes
ispiel in R. Jose b§ Bun.1 Er ist dagegen, dali man
schlankweg in die Übersetzung des Gesetzes die Er-
klärung aus einem sympathetischen Gefühle hinzufügt;
ihm werden die im Text angegebenen Gründe vorgeschwebt
halien. Da£> er unter 'DI vnrm nicht Machtsprüche und
dergl. verstanden hat, sondern ethische Notwendigkeiten,
geht am besten aus der Parallelstelle Berachoth 9C her-
vor, wo immer von PffiTB die Rede ist und noch trefft -
der angedeutet, dab zwar Gott ]em ist, aber nicht im
D eines sympathetischen Gefühl
Die Vertreter einer geistlosen und bornierten Ortho-
doxie können e> natürlich nicht wissen, wie sehr sie die
Thora herabwürdigen, wie sie das Sitteng68etz seiner Er-
benheit entkleiden; aber vom Standpunkt einer kos-
mischen Betrachtung der Ethik gesehen, erscheint ihre
Ansicht wie eine Blasphemie.
Der arme EL Jose !••'■ Bun muß es sieh aber gefallen
. als Eideshelfer für die platte Ansicht von nffltt
' i;. Jose i •'• Bun, meist R. Jo mnt, war da letzte
pa .,,!.: st und Lehrer M im II. \ a
ist Amorier. 8. Bd., S. 72 1—29. D. H.
Pathetische und sympathetische Gefühle. 41
Idealität mitten im Realen.
§ 315. Alle pathetischen Gefühle sind sittlich gleichgültig,
alle sympathetischen sind sittlich wertvoll; wird aus einem
pathetischen Gefühl ein sympathetisches, so verwandelt
es sich aus einem natürlichen zum sittlichen. Der
Schmerz an meinem leidenden Finger ist natürlich, aber
nicht sittlich; das Mitleid mit dem Schmerze eines an-
deren ist sittlich. Sättigung und Teilnahme an der Sätti-
gung eines anderen. Psychologisch betrachtet kann (und
wird meistenteils) das Mit-Leiden und die Mit-Freude
schwächer sein als Leid und Freude ; aber ethisch ist es nicht
stärker, sondern es allein ist ethisch. Weshalb? Weil
das Zusammen sittlich ist, weil die Herausbildung der
Einheit des Lebens die Aufgabe, der Beruf der Men-
schen ist; im weitesten Sinn: aus den Menschen die
Menschheit. Zusammen mit Gott ist Religion; zu-
sammen mit den Menschen ist Sittlichkeit. Daher
mutet uns selbst das Zusammen des Bösen und der
Bösen wie ein Sittliches an, weil es die Form des Sitt-
lichen hat; die Treue der Räuberbande, die Hingebung
für den Räuberhauptmann usw. Wir bewundern die sitt-
liche Kraft (der Hingebung), welche nur das sittliche
Ziel verfehlt. Die Bande schließt das Zusammen mit
anderen aus; ihr Zusammen hat einen negativen Cha-
rakter; alle Vereinigung zu dem ausschließlich negati-
ven Zweck ist deshalb an sich unsittlich. Alle positive
Gemeinschaft muß Erhöhung, das Zusammen mit immer
11 i ]' ■ -\\
d Kreisen, Dienst lur das Allgemeine in sich
•hlt ihm der sittliche Wert.
mp.-itl Gefühl Lsl häufig, aber nicht immer,
„Nachbildung eines fremdes Gemütszustand
(Drobisch). Wenn wir Mitleid mit der Beschränktheit
eine- Erwachsenen, mit der Ohbeholfenheit eines Kindes
fühlen, dann haben nicht jene, sondern nur wir das Ge-
fühl ihres Mangels; wir fühlen nicht mit ihnen, sondern
für
Die [nnigkeit des Gefühls muß auf die Streu
Pflicht gestützt sein. Wohl gleicht das Gefühl seihst
dem Leben und Sprießen der Pflanze, wahrend die Pflicht
zuweilen nur ein dürrer Stab i^t: aber die Pflanze braucht
stützenden Stabes zu ihrer-' deutlichen Entwicklung.
L6. Eine sc! sychologisch zutreffende und ethisch
Ue Bildung Liegt in dem Begriff: Pflichtgefühl; es
umschließt die Kenntni . d i Vorstellung ?om Inhalt der
P licht und zugleich das Gefühl der Verpflichtung,
n inneren Anerkennung des [nhall
Die !.!• inen B< friedigungen und Sorgen des alltäglichen
0 im Grunde att8 leichten, fluchtig«
hwebenden < Gefühlen.
Dem ' ••!) daran, und die
kt und zur Leiden
Di( egehren im M< i zusammen ;
■ : I . roll, das L ichte gewichtig, das
Flu . sie h »halb da> Int. r-
Pflichtgefühl. 43
esse in die Sache hinein, welches sie aus ihr zu schöpfen
nicht vermögen. Am meisten charakteristisch für den
Durchschnitt ist das Sinnen und Sehnen nach Zerstreu-
ung. Reisen können zur Bereicherung und Belehrung,
Diners zur edleren Geselligkeit, Theater zur ästhetischen
Erregung und Erhebung, Konzerte zur verstandesmäßig
kaum faßbaren, aber tatsächlich gegebenen, fast mysti-
schen Ergriffenheit der Seele führen; — aber die meisten
Menschen suchen in alledem nur Zerstreuung.
Der Putz der Frauen ist ein Beispiel: Er ist zwar kein
moralisches Unrecht, — aber er erfordert Zeit, Aufmerk-
samkeit usw. und der Erfolg ist zu messen.
§ 317. Jene Idealität, welche in der Muße leicht ge-
deiht, weil sie vor den Konflikten mit den Ansprüchen
und Bedingungen des alltäglichen Lebens sicher ist, soll
auch in die Alltäglichkeit hineinwirken. Dies ist, glaube
ich, der allegorische Sinn von Pesachim 113»: R. Jochanan
hat gesagt: Drei werden der künftigen Welt teilhaft:
wer im Lande Israel wohnt, wer seine Söhne zum Stu-
dium der Thora erzieht und wer über den Wein am
Ausgange des Sabbats Kiddusch macht (den Segen
spricht, der sich auf die Heiligung des Sabbats bezieht
und bei Beginn des Sabbats zu sprechen ist). Was heißt
das? Wer Wein zurück läßt von Kiddusch zur Habdala
(d. i. zu dem Segensspruch am Ausgange des Sabbats. Der
Wein ist das symbolische Gegenbild der inneren idealen
Erquickung und Stärkung, welche durch den Sabbatgenuß
4 1 '. rar Bittlichi
and di( 8 batstimmung erzengt wird; ihr Erfolg soll in
Zi i1 des arbeitsamen Berufslebens hineinwirken. Ohne
alle ischi De a .■ wäri der Preis auf dies unbeträcht-
liche Zeremoniell kaum begreiflich.
chen bleiben unvergessen s. Sauhedr. 107 l.
David verlangt Vergebung von allerlei Sünden, es wird
ihm von Gotl gewährt; nun verlangt er. dal'» das Kapitel
seiner Sünde mit ürias Weib aus der Heiligen
8 .rift entfernt werde, Da sagt Gott: l>as ist unm -
lieh! Geschehen' Tatsachen lassen sich nicht aus dem
Buche der Geschichte streichen.
Als Beweis wird die Ausscheidung des .lud im Namen
der Sarah angefahrt Die Geschichte ist herzig. Viele
Jahre lieht das -Jod. das gleichsam verbannt ist, aber
nieni sterben darf (nicht gestrichen werden kann), um
eine Verwendung, bis es dem Josua zugelegt wird
. \um. 13. 16).
Gr< wissen.1 Die hebräische Sprache hat keinen Bpe-
.len Ausdruck für Gc . d. h. für den Znstand:
T mit Verurteilung und Schmerz, o
blol» mit Orteil) bewuü - — gutes
Aach alle rabbinischen Wörter wie: r-y.
p v.-. oder ~-i. ' n das griech. auveiötiaic;,
lat coi e Wort Gewissen tu
1". ist hinlänglich bekannt, wie hocl • ' und \
ui halb cren
zu widmen.
Wille und Gesinnung. 45
feiert Reue und Buße (rQWJl) von den Rabbinen werden.
Berach. 5a ist WJJM WBBtÜ" absichtsvoller Akt; aber das
unwillkürliche Gewissen.
Ich glaube in Ps. 119, 165 bedeutet b',U2'ü auch inneren
AnstoD. Gewissensbisse, was zu 11 W\b& im Gedanken
viel besser paßt, als ein äußerer drohender Anfall. Vergl.
I Sam. 25, 31; Ps. 16, 7; 32, 2. 10; 51, 5 und besonders
V. 8 (eine sehr wichtige Stelle) ; ferner das. V. 19, wo
"2121 "Dtfi 2b m2t?2 mi das vom Gewissen geplagte,
gedemütigte Herz bedeutet. Luther hat: ein geängsteter
Geist, ein geängstetes und zerschlagenes Herz.
C.
Über den Willen.
Wille und Gesinnung.
§ 318. Nach Kant gibt es nichts gutes als den Willen. Dies
ist berechtigt gegenüber anderen eudämonistisch gefaßten
Gütern, aber nicht vollkommen zutreffend. Nicht der
Wille allein, sondern die Gesinnung, welche sich auch
in Gefühl und Gedanken kundgibt, offenbart, betätigt,
ist die Hauptsache. Auch Gefühle sind gut und schlecht;
1 Die Stelle lautet : Wird jemand von Schmerzen heimgesucht, so
untersuche er seine Handlungen; untersuchte er sie und fand
nichts, so hänge er sie an die Unterlassung der Thora (des Thora-
studiums), hat er sie daran gehängt und nichts gefunden, so sind es
Schmerzen der (göttlichen) Liebe. D. H.
lil. D w - . ur 8ittli< ..:. .
ulil der i der Dankbarkeit »-ich einer Wohltat
nach .: ch erinnern; ohne jede Eandlung, /. 1!.
Dankbark d Verstorbene). Dankgefühl ist sittlich,
Gegenteil unsittlich. Doch es handelt sich nur um
fühl. Sobald die Erinnerung aufsteigt, rnulJ sie mit
Dankgefühl erfüllt sein; ja, die Erinnerung wird beim
a stattfinden, beim Undankbaren nicht. So
wirkt die Idee, die Gesinnung selb^ auf den Mechai
iuib! Neid, Mißgunst, Rachsucht, Schadenfreude. Nach
Dr< . Empirische Psychologie S. 185, soll der ,uute
Wille, der gefallende an d< m Verhältnis des eigenen
len Gefallen findende) sein; z.B. Wohlwollen
111 wegen der Harmonie zwischen dem Willen des
Wohtol len und dem der Person, <ier er wohl will, wie
er ihn nämlich in '..•danken sich vorstellt. „1
rQuint
L9. „Wille ist int • Um zu wollen
um • man will" — also ein B<
- bewußt ist." — Das \\ ollen
Möglichkeit der I I ;- ehrten unbe-
•
Jedes Begehren, auch d
. im W lurch die Erwartui
. Läßt dieses /.um Wollen
i — o '
Begehren. Wollen. -17
heit und Einsicht das Wollen leiten kann — ist in der
Erziehung Versagen nötig.
„So bildet sich sehr frühzeitig in dem Kinde aus dem
Begehren ein Wollen heraus, das durch „Unwillen" seine
Energie verrät, wenn ihm z. B. die gewohnte Näscherei
versagt wird, und das zum Eigenwillen ausartet, wenn
der Unverstand der Erzieher jene Gewohnheit, das Be-
gehrte zu erlangen, immer mehr ausdehnt und es ver-
absäumt, jene unbedingte Voraussetzung der Erreichbar-
keit alles Begehrten durch ein unerbittliches Versagen
zu brechen.
Je ausgedehnter die Sphäre ist, innerhalb welcher sich
die Gewohnheit, das Begehrte zu erlangen, ausbreiten kann,
um so allgemeiner wird aus dem Begehren ein Wollen,
das sich endlich an jede, auch noch so vorübergehende,
launenhafte Begierde knüpft, und dann zur tyrannischen
Willkür wird, die durch die Zufälligkeit des Ge-
wollten empört." (Drobisch.)
Man sieht hieraus, daß psychologisch begründete Be-
lehrung der Erzieher notwendig ist. Daher finden sich
auch schon in den „Sprüchen Salomos1-, besonders aber
bei den Eabbinen so viele Beobachtungen über Wollen
und Handeln.
§ 320. Wirkung des Willens: nach außen auf die
Bewegung unserer Glieder, nach innen : willkürliche Auf-
merksamkeit (nach außen hin und im Innern selbst);
Erregung der Eeflexion.
•I- III. Dei Weg zur Bittliohki
Wollen wird durch Leidenschaft unbesonnen, durch
I trlegung and Erwägung zur Wahl und dadurch zur
Tat. — Wahl der Zwecke = vernünftig; Wahl der Mittel
= verständig. — Gute Vorsätze und sittliche Maxi-
men. Charakter ist die allgemeine, feste Richtung auf
das Gute; vergl. den Ausspruch von R. Jannai nach
Schabb. 31 ab und Joma Tu : ..Wehe, wer kein Haus hat,
aber Bich eine Türe zum Hause macht". Nach dem Zu-
sammenhang an beiden Stellen ist der Sinn: Wer keine
praktische Gesinnung hat. aber Theorie treibt. Lernen
ist nur die Tür, der Charakter ist das Hau>! —
wöhnung zum Gehorsam als menschliche
Grundlage der Sittlichkeit.
§ 321. Die psychologische Erkenntnis des Menschen
muß darauf gericht« len, einzusehen, daß der Mensch
trotz b Bildsa keit und allem \\ andel der Ereignisse
Zustand D Eiern der Sittlichkeit besitzt.
l>iesen Kern herzustellen ist Sache der Erziehung.
Betrachtungen haben die Kabbinen an
ng in pDTil ---;:. Tun and Hören oder
knüpft, und eine reiche mit ari^t her
in Verbindung '_r<-br.ichte Auswahl der-
Abuh.ili in sein«'!:: Mi b li:anmaor ge-
1 1 ■ dm chaii che Ausdeutung
v. ben all bei
Ab .:. tb b muatergüll .
Die Idee und ihre Bedeutung. 49
Idee.
§ 322. Die Idee (mit ihren stufenweisen Wirksamkeiten
und Erscheinungen) tritt als Agens in den psychologisch-
physiologisch mechanischen Prozeß, ihre subjektive Ent-
faltung wird gesichert durch die Schöpfung und Fort-
entwicklung des objektiven Geistes.
Die Idee an sich ist immer; sie tritt in die Wirk-
lichkeit, wird ergriffen, gefunden im Gefühl — im
Gedanken — im Wollen — in der Realisation. Allen
diesen Formen des subjektiven Geistes, welche seinem
Dasein Inhalt, Wert und Würde neben dem natürlichen
Mechanismus und Treiben geben, entspricht der objektive
Geist.
Dem objektiven Geiste gegenüber verhält sich der
nachfolgende subjektive, wie dieser auch der Idee an sich
gegenüber.
Für jedes Individuum ist nur das, was es erfaßt, er-
greift, betätigt — man muß es fühlen, denken, wollen
und tun.
Dieses Ergreifen bleibt sich formal immer gleich, —
real ist es eben fortgeschritten.
Die Früheren haben den Vorzug des schöpferischen
Findens (große Epochen), die Späteren den der realen
Ausbreitung (Propheten und Apostel stehen immer allein),
und die Unendlichkeit der Idee birgt auch für sie eine
Aufgabe. Die Ideenschöpfung steht nicht still. So in
Lazarus, Ethik des Judentums II. 4
50 in. Der Weg zur Bittlichto
der Kunst, noch deutlicher im .Recht, auch in der Ethik
nur nicht so greifbar. '
Auch bei den Rabbinen ist die n2VTl&, der Gedankt
Plan, die Idee vor der Weltschöpfung da. Auch jrv.lLrnö
bvntT bttf ist vor der Weltschöpfung da, der Lsrael-
lanke überhaupt, d. i. im Sinne der Rabbinen der
Idealitätsgedanke.
Die Idee der S.lbstsehöpfung des Menschen (s. San-
hedr. 99": lBBpfe WffJJ tV*IO) findet ihren deutlichsten
Ausdruck in der Fortbildung durch geistige Tätigkeit.
1 >er Men-ch ist, auch nur an seinem eigenem Maß-
stäbe gemessen, nie vollkommen; denn Bern Innen-
leben kann durch Tätigkeit immer noch reicher, ener-
;her, fruchtbarer, weit schöpferischer werden. Alles
. iraa der Mensch zu seiner Entwicklung tut. ist ein
Akt der Selbstschöpfung; der Mensch ist das und nur
das. was er aU8 sich macht. Wir in jeder Selbstentwick-
lung aber rezeptive und produktive Tätigkeit rieh ver-
einigen, wie sie nach Anlage, Neigung und Willenskraft
individuell sich sondern oder mischen, sich gegenseitig
hemmen oder durch Wechselwirkung steigern, das hat
die Psychologie w< iter zu verfolgen.
Di( sittliche Idee, welche ttber alles Persönliche er-
haben, dem Menschen I über -teht. BOll zum innersten
i eigensten Wesen der Persönlichkeil selbst sich ge-
1 Der wahre ' nlet i len Idee an sich und objektivem
Geist!
Pflicht und Neigung. 51
stalten. Eine feine Deutung dieses Gedankens s. Aboda
zara 19 a: Raba hat gesagt: Anfangs wird die Thora nach
dem Namen des Heiligen, geb. s. er! genannt, zuletzt aber
nach seinem (des Lernenden) Namen, denn es heißt
Ps. 1, 2: „Sondern er hat Lust an der Thora des Ewigen
und er denkt nach über seine (eigene) Thora (imin)
Tag und Nacht." Vergl. mein Werk, Leben der Seele
II, 264 f.
Pflicht und Neigung.
§ 323. Mit freier Hingebung und Wahl, mit Neigung
ist das Gute zu ergreifen; nicht minder auch das
Studium dessen, wohin das Gemüt zieht. Bezeichnend
ist der Ausspruch Rabas Aboda zara 19 a: Immer soll
ein Mensch die Thora von der Stelle aus lernen, zu der
sein Herz ihn hinzieht (nach welcher sein Herz verlangt),
wie es heißt Ps. 1,2: „Sondern er Verlangen (Lust) hat
an der Thora des Ewigen."
Durchgehend durch die ganze Lebensanschauung des
Talmuds (wie schon der Propheten) ist der Gedanke, daß
nicht eine bloße Tat als solche, sondern die Gesinnung
erst die pfiichtmäßige Handlung zur sittlichen macht.
72 VQÜ *Oöm, der Barmherzige (Gott) fordert das
Herz; und selbst bei Wohltätigkeit, die mit ihrer
Wirkung ja auf den äußeren Erfolg für den Empfänger
geht, wird alle Handlung nur geschätzt nach dem Maße
der Liebe, der wohlwollenden Gesinnung, n2t? 1DH ^sh.
4*
111. 1>.T Weg zur Sittlich!.
Daneben wird pädagogisch empfohlen, die Tat zu üben,
um die Gesinnung allmählich sicher herbeizuführen. Von
dem Erleben des Wohlgefallens an der eigenen
guten Handlung wird die Hinsicht in ihren wahren
-innungswert erwartet, weil der Adel des Menschen
Tun Haus aus anerkannt wird.
Uies ist der wahre psychologische Sinn von übü "pna
HG)?- >X2 ffWfb Pesach 3: Nazir 23; Sota 22 und 47; Sann,
: Boraj. 10; 'Arach. 16. Es kann nicht fehlen, daß
der auf einen guten Zweck — wenn auch nicht aus edler
-innung — gerichtete Wille, seinen Lohn in der
eigenen Veredlung findet In TOfi TOB "Dtf (Aboth IV, 2)
und STOB t\yXÜ mso (Aboth IV. 2) drückt sich überall
der Qedanke von dem psychologisch notwendigen inneren
Wachstum des Guten durch das (inte selbst aus.
[nnerlichkeü und Gesetzlichkeit als /. v.
ootwendige, einander ergänzende Prinzipien.
2 I. Nicht bloß lehrreich, sondern geradezu ergreifend
ist das Bild, mit welchem Et. Josua ben CShananja seine
strenge B •■gen die Erschwerungen der Schammai-
3 hule „Au jei ■ I '■> '•■ (an wel-
htzehn Maßregeln1*1, meist gegen den Umgang
i i tehn Fragen, üb« - Her dei Chananja
I i beraten und im Sinne tiammai die
nie Hill« wurde b. Bchabb. I, I; Zabim •"), 12 u.
Lerner, Ma( u n 1882, 111 144 u. 188 •. 121—156. l». M.
Energie. 53
r:
und jede Vertraulichkeit mit Heiden gerichtet, eingeführt
wurden) hat die Schule Schammais das Maß der Lehre
abgestrichen; wie wenn man Wasser in ein Gefäß mit
Ol gießt; je mehr Wasser hinzukommt, desto mehr Ol
fließt ab. S. Schabb. 153 b. Und was hier gegen diese be-
stimmten Erscheinungen, das gilt in der Tat gegen die
peinliche halachistische Richtung überhaupt: Alles, was
sie hinzutut, gleicht dem Wasser, aber was sie dadurch
vermindert, ist das Ol wahrhafter religiöser Gesinnung.
S. meine: Ideale .Fragen S. 124 über Realität und
Idealität.
Energie.
§ 325. Zur rechten Zeit zur Tat sich wenden, und
nicht etwa von Gebet und Fasten das Heil und die Hilfe
Gottes erwarten. S. Schemoth r. Par. 21: Das Heran-
rücken Pharaos (njHS rDIpil) sei wichtiger gewesen als
hundert Fasten und Gebete (ni^Dn iniölS nKö) — als
sie wirkliche Angst hatten, wandte sich ihre Gesinnung
zu Gott.
Positive Energie.
Das bloße Fernbleiben vom Bösen genügt nicht, son-
dern positive sittliche Tat wird gefordert. Freie Initia-
tive aus sittlichem Grunde und Antrieb. S. Aboda
zara 19 b: Sollte vielleicht ein Mensch sagen: Weil ich
meine Zunge bewahrt habe und meine Lippen, daß sie
nicht Trug reden, so will ich hingehen und mich dem
B4 UL Dei Weg rar Bittlichl
Schlafe hingeben, so heißt es: „Weiche vom Bösen and
tue Gutes« (Ps. 34. 15).
Positive Energie und Initiative wird irrfordert. Ein-
greifen /um Guten, als Zeuge sich melden, zum Retter
Bich aufwerfen.
Alles Ethische bedarf der stet igen Anspannung der
Energie. S. Berach. 32b: Die Rabbinen haben gelehrt.
„Vier Dinge bedürfen der Energie (pitTi), es sind Thora
un.l i:ute Werke, CJebet und Derech erez". Auch Raschi
nimmt hier fTN "p"1 als Kulturtätigkeit (..zum Bandwerk,
zur Kaufmannschaft, zum Kriegsdienst").
Die geistige Beschäftigung ist mit ganzer Energie zu
betreiben. Maimonides, .lad lia-chasakn, Hilehoth Tal-
mud Thora 111,12. Vergl. Ber;i. hoth. o3b und Schab-
bath 831: I >i-' Worte der Thora haben nur bei dem
Bestand, der sich für sie tötet. Aber dies gilt wohl
allgemein: in der Not am wenigsten darfst du schlaff
Bein, sonst bist du eben kraftlos. Maimonides zitiert auch
Prov. 24, 10: „Zeigst du dich schwach am Tage der Ei
90 ist eng deine Kraft". „Bei dem Mutigen, der cm
Bewußtsein seiner £rafl in sich trägt, dient die Not nur
dazu, die Kraftentwicklung auf das Böchste zu steigern. u
• Bertheau zur Stell«
Wille und (Je fühl.
I fa Frag« ist: Hai der Wille Macht über dai l
ftkhl? M er FQ I I fühl verantwortlich? Schleiennacher
Wille und Gefühl. 55
behauptet es. Allein positiv kann der Wille gewiß nicht
jedes Gefühl erwecken; auch nicht das ethische unbedingt.
Man kann nur sagen: Bei einer bestimmten Entwicklung
der ganzen Persönlichkeit oder der Gesinnung kann ein
gewisses Gefühl gar nicht auftreten; so im sittlichen Men-
schen nicht das Gelüsten nach des Nächsten Weib und Gut.
Tlönn üb, „du sollst dich nicht gelüsten lassen". Frage:
Herrscht der Wille über den ganzen inneren Menschen?
über Denken, Fühlen und Wollen? Über Denken gewiß
nur so, daß die Tätigkeit erregt, der Geist in Bewegung
gesetzt wird, aber nicht über den Inhalt; der folgt den
Denkgesetzen und der Denkfähigkeit.
Und die Gefühle? Sie richten sich nach dem Inhalt
des Gedachten, Vorgestellten. Dies steht nicht allein;
es gehört der ganzen Persönlichkeit.
Die Persönlichkeit aber soll von einer gewissen Ge-
sinnung erfüllt, geleitet und durchdrungen sein; in ihr
werden die Gefühle nicht durch die Sinne allein erweckt.
Im sittlichen Menschen entstehen gewisse Gefühle nicht;
diejenigen nicht, welche er hinterher als unsittlich ver-
werfen und beklagen würde.
Tionn üb bedeutet nicht bloß: „begehre nicht" —
dies wäre ein Wollen und unterliegt also dem Gesetz
unmittelbar; sondern laß dich nicht gelüsten, fühle
kein Gelüste danach.
Chinnuch1 stellt mit Bezug auf das 10. Gebot die Frage:
1 S. Chinnuch bei Rosin (Seminarprogramm) S. 61. D. H.
111. Der Weg zur Bittiichi
es denn in der Gewalt des Menschen, sein Herz
von «lfm Verlangen . . . fern zu halten . . . ? Wie kann
d>in Menschen verboten werden, was er zu unterlassen
außerstände ist?" und antwortet: »Der Mensch hat es
allerdings in Beiner Gewalt, seine Gedanken und Gelü^U'
zu regeln; es liegt in Beiner Macht, sein Herz zu- und
abzuwenden vermöge seines freien Willens. — Der Wille
aber ist die eigentliche Wurzel und Grundlage unseres
uzen sittlichen Verhalten-.- —
Hoffe auf Gott! Sorge nicht auf morgen I das sind
Gefühle, aber von Gedanken abhängig.
Von der Gedankenbildung also hängt es ab, ob ge-
wisse Gefühle entstehen. Wenn ich Gott als allmächtig
und liebevoll denke, dann hoffe ich auf ihn in jeder
_re.
9. Capitel.
Die Manifestationen der Tugend.
Übersicht.
§ 327. Die Tugend soll sich manifestieren
A) in der Freiheit. Nur wer seinem eigenen Willen
folgen kann und folgen -will und wirklich folgt, kann
sittlich sein und sittlich handeln;
B) in der Selbstbeherrschung als jnn *12P tWO;
C) in Besonnenheit (in denkender Erwägung, njnn Sit?"),
Mäßigkeit, Mäßigung und Gleichmaß in Gefühl und
"Willen, wie in der Herrschaft über Affekte und Leiden-
schaften;
D) im Gleichmaß der Ideen und ihrer Herrschaft, wie
in der Harmonie des ganzen Menschen;
E) in der Energie: Fleiß und Tapferkeit (pew ptfl pl),
Standhaftigkeit und Furchtlosigkeit; das Schicksal über-
windend durch den Sieg der Idee.
Die Vorbereitung zu alledem geschieht durch Erzie-
hung, Gewöhnung und Selbsterziehung = innere Erhebung.
58 Hl Der Weg zur Bittüohk
A.
Freiheit (innere und äußere).
§ 328. Frei ist, wer fähig ist durch Gründe (objektive)
und Beweggründe (subjektive) bestimmt zu werden, unfrei.
wer der Gründe ungeachtet} so handelt, wie er nach
seiner AbliäiiLri^kcit von Gelüsten und Leidenschaften
handeln muß. Willkür ist unfrei.
Frei werden heißt: sich durch Überlegung, Wahl
und izute Gewohnheit der Abhängigkeit von Leidenschaft
und Gelüst entziehen.
Die subjektive ethische Entwicklung der Persön-
lichkeit. Freiheit — Bedeutung — aufsteigendes Mal»
und Art.
Freiheit und Charakter. Hingebung an die Sache.
Herrschaft der Idee — durch sie wird auch das
1\ leinste groß.
- izze /ur metaphysischen Frage der sittlichen
Freiheit.
A wirkt auf B, aber B muß mitwirken =
igendes [Jbergewicht des B.
In der S Früher« A wirkt, bewirkt Späteres;
aber der Akt B derGegenwari muß geschehen;
ohne den neuen A 1. 1 keine Folge aus dem
Fi l hbergewicht des B
l-'relli,
Motive. 59
Der Inhalt und das Subjekt = steigendes Übergewicht
des Subjekts.
Zwei Motive (Kollision). Das objektive und das sub-
jektive Maß der Stärke des Motivs = steigendes
Übergewicht des subjektiven Maßes.
Reale Motive, von außen, ideale von innen (auch
gelernte, innerlich vergriffene; frei geschöpfter
moralischer Fortschritt) = steigendes Übergewicht
der Idee = Freiheit.
Aus der subjektiven Tätigkeit entspringt der ob-
jektive Geist. —
§ 330. Es kann Einer in einem bestimmten Falle, in der
Absicht seine Freiheit zu bekunden, sich seiner Freiheit zu
versichern, es allerdings — gleichsam als caprice — da-
hin treiben, ein völlig unentwickeltes Handeln zu voll-
bringen, er will sich um alle Motive nicht kümmern;
weder A noch non A sollen ihn bestimmen. Wenn in-
determin. darin besteht, heute dies von zweien, morgen
das andere zu wählen, so tut ers, seiner Einsicht, seinen
Gründen für A oder non A zum Trotz; — selbst wenn
er das begründete, gewünschte oder sittlich vorgeschrie-
benen wählt, tut ers nur aus Freiheitssucht, nicht wegen
objektiven Motivs — was Hehler theoretisch mit Recht
S. 66 behauptet vom Rechthaben wegen alleinigen Recht-
habenwollens, das kann einer praktisch machen: dahin,
sage ich, kann es einer treiben, gerade so gut, wie er es
60 HI. Di r Weg zur Bittlichi
dahin treibt, die Entscheidung einem Lose zu Über-
lassen! allein es ist zu beachten, daß diese Art von Frei-
heit nicht bloli nichts zur Sittlichkeit beiträgt, sondern
uteil von sittlicher Freiheit ist.
Motive wirken nicht. Bind nicht aktive Wesen, Kräfte,
sondern erregen unsere Tätigkeit, indem sie Inhalt der-
selben werden. < >b sie, die Gedanken, zu Motiven werden.
hängt von uns ab, also von unserer Natur, unserem
Wesen; aber Natur. Wesen ist ja nichts Freies, son-
dern wird auch erst durch unsere Tätigkeit, durch
Einsicht, Wollen, Gesinnung. Zu den Objekten (welche
Motive, Ursache des Wollens sein -ollen) muß erst das
Suhjekt kommen; ZU den Sachen die eigenen Vorstellun-
gen des Wollenden von denselben; zu den anderen l'er-
sonen die eigene Person; und wenn nun in der eigenen
Person seihst der L'gruml liegt, so muß zu den
frühereu Akten der gegenwärtige treten. Nicht die früheren
Lanken wirken jetzt in mir, sondern Bie bestimmen
mich nur zu meinem jetzigen Wirken: im I nw;ir-
tigen Akte wirkt nicht der Inhalt auf das Subjekt, son-
dern dil 868 in -einem I nhalt.
Die fortschreitende Entwicklung ist ein fortschreiten-
in zur Freiheit «»der in der Freiheit Der
Mensch verdank! ab« h selbsl immer mehr (oder
durch die Au>hildung Beines Charakter ,
betrifft, so rechnen wir dem Men-
bloß d< fenwärtigen Akt, die
Der Kampf der Motive. 61
Handlung, sondern alle Vorbereitung derselben in Bil-
dung, Gesinnung und Charakter zu. Vor allem rechnen
wir ihm auch seine Unterlassungen an Tätigkeit und
Aufmerksamkeit, Besinnung zu, was früher hätte
geschehen sollen; hat es geschehen können: ja! woran hat's
gefehlt ? nur an ihm selbst, am letzten, am Akt im Moment !
§ 331. Es läßt sich zeigen, daß alle Sünde, alles posi-
tive Unrecht, jeder positive Fehler, nur aus dem Nega-
tiven, dem Unterlassen folgt — dem Mangel an
Energie, Besinnung usw. Sollen heißt letztlich: das
Motiv zum Handeln wesentlich aus sich selbst
nehmen, oder aus der sittlichen Forderung.
Der Determinismus sagt: Es hat am Antrieb zur
Tätigkeit gefehlt. Sollen aber heißt: den Antrieb aus
sich selbst nehmen; nicht bloß richtend und schlichtend
und wählend zwischen den Motiven, sondern auf Aktion
gerichtet sein, ist die Forderung. Der Mensch ist nicht
bloß ein vernünftiges, sondern ein tätiges Wesen; er
soll mit seinen höchsten Kräften tätig sein.
Daß Maß der Freiheit steigt mit der Anzahl der (ver-
schiedenen und widerstreitenden) Motive zum Handeln
(und Unterlassen: Trägheit, Furcht, Gewissenhaftigkeit.
Hamlet — ).
Hat die Kultur (der Genüsse, Absichten, Einsichten
und moralischen Gesetze besonders) einen Reichtum von
Motiven erzeugt, dann wird zu jeder Stunde die Wahl
notwendig und die Freiheit möglich.
62 HI ' ' W • ai Bittlichl
Der K;uiipf der Motive geschieht nicht gleichsam hin-
ter dem Rücken des Subjekte; die Motive haben ihr
W esen nnd ihre Kraft nur im Subjekte. Tatsachen.
Gegebenes sind nicht Motive, sondern werden es durch
das Subjekt Tatsachen, [Imstande, Bedingungen gehören
der Vergangenheit und Gegenwart: jedes Handeln, jede
Absicht und jedes Motiv (Tatsache als Motiv) geht auf
Zukunft; diese ist nicht gegeben, sie soll erst ent-
stehen. Der 1 »urchgang von Vergangenheit zur Zukunft
geht durch das Subjekt. Die getroffene Wühl zeigt,
welches Motiv das stärkere war, — aber es ist nicht an
sich stark, -ondern wird es erst nur durch die Wahl. Man
wählt nur — zieht vor das. was (in diesem Moment!) als
das beste erscheint: über daß es als das beste erscheint,
liegt nicht im Objekt ABC sind Motive für X
Y Z. X folgt A. Y i; und ZG; auch X allein folgt
in der Leidenschaft B, in der Muhe ('; m der Theorie.
in der Reue sieht X, daß nicht A, sondern C das B<
hätte sein sollen.1 —
A i; c i>t als Inhalt gegeben; die Qualität, die Macht
mint aus dem Subjekt — aus seiner Aus-
bildung li
i So im Manuskript Soll sbei wohl beißen „auch X f"i-t in dei
Lei« :t b, m der Kühe I i der Theorie, in dei Reue
:.: i; ■ '" bitte lein
sollen." I» II
Psychologische Bedingungen der Freiheit. 63
Psychologische Bedingungen der Freiheit.
§ 332. 1) A B C D (so viele Objekte und Motive wie
möglich) muß im Bewußtsein gegeben sein (auch
das Schlechte, damit das Gute gut sei).
D^na mroi "m ovn y^b Tina nav
2) Die Einsicht in die objektive, absolute, am allgemein
gegebenen Gesetz gemessene Qualität von A und
B und C. DsTü ninai — niemand wählt niO —
aber die Einsicht, daß dies DVn und jenes niö sei.
3) Selbständigkeit, gleichschwebendes Verhalten des
Subjekts: fiß^.
Verhalten des Subjekts zu seinem Inhalt.
a) Sinnlichkeit — Stimmung des Subjekts, Gesundheit
und Krankheit — dies ist jetzt süß, ein andermal
bitter — wegen des subjektiven Zustandes des Sub-
jekts. Jeder Zustand ist notwendig aus dem
Verhalten von Subjekt und Objekt, aber nicht
jeder ist normal, gesund.
Es gibt einen normalen Zustand, mit der Gesund-
heit, höchsten zweckmäßigen Leistung der Organe
zu gedeihlichem Ziel übereinstimmend.
b) Der Verstand, das intelligente Urteil; das mathema-
tisch logisches Gesetz; nur der Gesunde, Normale ur-
teilt richtig, sieht die "Wahrheit ein und wendet die
gesetzmäßige "Wahrheit auf den konkreten Fall an.
i Deut. 31, 15u. 19.
6 | in. Der Weg aur Sittlichkeit.
§ 333. Freiheit and Mechanismus sind keine Wider-
Bprüche; die Ausschließung der Freiheit beruht am' einer
oberflächlichen Beobachtung (und nur abstrakten I
hauptnng) des Mechanismus.
Der Mechanismus besteht in der menschlichen Gesell-
schaft und auch im Einzelnen nicht wie in einer künst-
lich« n Maschine und in gewissen kosmischen Vorgängen
aus lauter notwendig gegebenen, in sich zusammenhän-
genden oder gar auseinander entwickelten mechanisch
wirksamen Elementen. Kausalität i-t da; aher die Quelle
der mechanischen Ursachen ist eine zufällige; d. h.
außer der kausalen Notwendigkeit gegebene. Beispiel:
Coca wiid gefunden, Cocain bereitet; ein neues psychisch
wirksames, auf die Handlungen einflußreiches Element.
1 »aß Coca A uziehung übt, mag mau für ebenso mechanisch
notwendig erklären, wie daß es dann in best inmiterWeise ein-
greifend wirkt. Allein «las ganze gesellschaftliche Gefüge
mit Kräften, Antrieben usw. hat vorher ohne du- Element
bestanden und dies Element hebt die Mechanik nicht auf.
kann also au.-h als psychologischer Hrfolg Freiheit
der Wahl, der Selbstbestimmung als eine wirksame (be-
. rankt« Q e in den Prozeß, in den Kalkül eintreten,
ohne ihn im eigentlichen Sinn . 'ii.
l.li »ca; ich kann auch sagen: den Indianern
etwa wird :.. Grold gebracht; nun entsteht ein«
Handelns. — Audi das Gold der
Kp im i1 kann •
Zur Stellung des Menschen in der Natur. 65
§ 334. Zur Stellung des Menschen in der Natur.
Das Verhältnis ästhetischer Schöpfung und ethischer Hand-
lung zur psychologischen Gesetzmäßigkeit des Geschehens
in der Seele. Wie ein Mensch etwa bei der Schöpfung
der Uhr die mechanische Gesetzmäßigkeit der Körper in
den Dienst nimmt, ihr überall sie befolgend nachgeht,
aber dennoch nicht untertänig, sondern gebietend und in
seiner neuen Schöpfung frei gestaltend sie nur verwendet;
wie er seiner eigenen Muskelkräfte, welche nur nach
mechanischen Gesetzen wirken können, sich bedient, aber
die Handlungen, für welche er sie bewegt, mit Freiheit
wählt — wie nämlich diese Bewegungen der Muskeln nicht
aus ihrer Natur und Gesetzmäßigkeit von selbst, sondern
durch seine Absicht herbeigeführt werden, — so be-
herrscht der freie Geist auch den psychologischen Mecha-
nismus, den er in den Dienst nimmt.
Grade das letzte Gleichnis ist geeignet, uns das Ver-
hältnis der geistigen Freiheit zur geistigen Gesetzmäßigkeit
noch mehr aufzuklären. Viele Bewegungen unserer Mus-
keln gibt es, welche, dem organischen Zwecke des Leibes
dienend, allein nach dem mechanischen Gesetz vollzogen
werden, unwillkürlich und meist sogar unbewußt. So beim
Atmen, beim Blutumlauf usw. Nur zuweilen identifiziert
sich die freie Absicht mit dem organischen Zweck und
stellt sich selbst in den Dienst desselben, und die freie
Absicht bildet manche Bewegungen bis zur Kunst aus
(Turnen und alle Gymnastik), um den organischen Zweck
Lazarus, Ethik das Judentums II. 5
in. I ■ : W( g rar Sittlich]
desto vollkommener zu erreichen. Andere Bewegungen
aber und zwar alle, welche dem eigentlichen Sandeln
und dem Schaffen des Menschen, d.h. der Realisierung
theoretischer, ästhetischer und ethischer Zwecke dienen,
liegen an sieh außerhalb der Sphäre des organischen
Zwecki • werden von demselben nirgends gefordert
und würden aus der bloßen mechanischen Gesetzmäßig-
keit, die den Leib beherrscht, niemals entstehen.
Wie sehr also auch der Bestand des Organismus und
damit auch aller freien Tätigkeil desselben von jenen un-
willkürlichen und unbewußten, nur dem Mechanismus folgen-
den Bewegungen des I ieibi - abhängig ist, mit hin der I tereich
Notwendigkeit die unbedingte Voraussetzung für alle
Aktion bildet, erhebt sieh doch auf diesem Funda-
1'.;; einer beträchtlichen Gruppe von freier
T tigkeit, welche die mechanische Gesetzmäß mir
ein Material verwendet, welchem eine, seinem
G< tz durchaus fremde nur nicht feindliche —
Form ■ ii wird.
:id wird «ich laicht rühmen, die ganze Literatur
Freih< ndig zu kennen; ich am wenig-
h dem, was ich von ihr kenne, Bcheinl
mir — t ler feii,.;. Arbeil von Bebler — immer
Lück
Man sollte nämlich die Erwägungen, die Prüfung der
■ n_" d Sonderung der Zeiten an-
•• ' Wollend also als ver ■ o, als
Freie Tätigkeit. 67
gegenwärtigen und sein Verhältnis zur Zukunft, zu dem,
was ihm folgt. Kant hat die Scheidung herbeigeführt
zwischen der intelligiblen Tat als einer zeitlosen und
dem zeitlichen Vorgänge; aber innerhalb des Zeitlichen
werden die verschiedenen Zeiten wohl beachtet, aber
nicht in strenger Sonderung.
§ 335. Zu den schlimmen Formen der Freiheit, welche
in der Tat zu egoistischer Unfreiheit werden, gehört die
Verwechslung, daß das Subjekt an die Stelle seiner Selb-
ständigkeit in der Wahl des Motivs vielmehr seine Iso-
lierung im Ziel des Wählens setzt. Daraus folgt, daß
nicht die entfernten Objekte des Wollens, soweit sie
Personen oder Ideen sind, den wahren Inhalt des Motivs
ausmachen, sondern nur die eigene Beziehung des
Subjekts zu ihnen, die eigene Erregung dadurch usw.
Wer z. B. in der Liebe (und in allem, was er aus Liebe
tut; nicht sowohl den Geliebten, sondern nur die Wonne
des Liebens (oder G-eliebtwerdens); wer in der Religion
nicht Gott, sondern die eigene religiöse Erregung und
Erhebung; in der Verehrung des Guten, in der Schätzung
des Schönen nicht das Gute und das Schöne, sondern
nur das eigene Wohlgefallen daran sucht, der hat den
Kern der Liebe, der Religion, des Guten und Schönen
weggeworfen und nur die Schale behalten. Dieser feinere
Utilismus ist ebenso schädlich als der grobe, aber noch
viel mehr gefährlich. Dies ist die Klippe des moralischen
Fortschritts; denn die Art, wie (historisch, in Sprich-
5*
68 111. Der Weg zur sittlich,.
:i usw.) die Masse die Tugend preist, geht aus
Verwechslung hervor.
Dario ist die religiöse Fassung des Ethischen im Ju-
dentum mustergültig. Vom groben ütilismus (der B -
lolumng. auch zeitlicher, sinnlicher Belohnung des Gut'
hat • und langsam, vorzugsweise in rabbi-
nischer Zeit Losgemacht1; über in diesen feineren und ge-
fährlicheren Otilitismu« e nie verfalle] r doch
nie). «TOB Dts6, BW Dts6, — nichts von der eigenen Per-
son. Ichen A.usdrücken wie rz~' z'yi !TD1 i-- na
"in' z: DTIK2, merkt man '_rau/. deutlich, daß das D^yai HD
sich nicht auf die Subjekte Belbst, sondern auf un-
parteiischen Zuschauer bezieht, oder ganz absolut ge-
dacht
Gesetz der Erhaltung der Kraft in der
gei eil des Menschen ihre Fortsetzung fim
und namentlich auf di atliche Bedeutung der-
selben sich ersl int mir hi
liaft. . . lommen, daß jeder psychische Vorgang die
inea 01 nen sei. bo wird «loch wohl das
. der umgewandelten Kraft dasselbe sein für einen
luv einen ri en, für einen bösen wie für
mentlich für einen negativen wie für einen
. Mit and( 1 W rten: die Ums< tzung
1 Di( --:.-. - indrohu - nicht vorzulesen, damil
, urcht
2 Psalm 133, 1.
Utilitismus. Umsetzung der Kraft. 69
der Kraft kann sich nur auf den Akt, auf den Prozeß,
nicht aber auf den Inhalt beziehen.
Vielleicht liegt hier der wesentliche Unterschied des
Psychischen vom Physischen. Im Physischen ist der In-
halt immer mit dem Vorgang identisch : das Maß der Energie
ist das Maß dieser bestimmten Atome von dieser Qualität;
dahingegen enthält die Energie des psychischen Prozesses
keine Hindeutung auf den bestimmten Inhalt. Die ein-
fache Vorstellung der einen Qualität wird grade so
viel Kraftaufwand erheischen als die Vorstellung einer
andern.
Der Akt des Wollens mag genau dem Vorgang der
motivierenden Reize entsprechen; aber der Willensakt
kann positiv oder negativ sein, der Entschluß ein Ent-
schluß zu tun oder zu lassen sein.
Für den Entschluß, hier einen Baum zu pflanzen oder
nicht zu pflanzen, das Haus zu bauen oder nicht zu bauen,
wird in bezug auf die aufgewendete Entschließungskraft
die Energie des Willensakts der gleiche sein. Und doch
stammt der Verfall aller Kulturen und Kulturländer aus
den negativen Entschlüssen.
Man darf nicht vergessen, daß die Negation im Psychi-
schen ein positiver Akt ist und in bezug auf die Kraft-
verwendung dem positiven gleich, ja größer sein kann.
Wohlgemerkt: das Unterlassen, das Nicht wollen ist
gleich der Negation im Physischen; dahingegen das
Wollen, daß etwas nicht sei, nicht geschehe, ist in der
7 m III. Der Weg .
Ketl r Aktionen gleich dem positiven Entschluß, im
jolut ei ..t. Im Physisc]
lie Richtung mit der Bewegung gesetzt Bein; im
jen ist sie es nicht. S. Hehler.
Die Willensfreiheil n Sittlichkeit
s Wollei
th :i3 im.: Alles sieht in der M.
( i ■• • si'urchi . (I. 1. mc ist der
freien Wahl des M( q über] liberum arbitrium).
Wenn sie sich mit Thora und Erweisung von Liebestaten
•iL ist ihr Triet» in ihre Hand gegeben, nicht
aber sind sie in die Hand ihres Trie , Man
kann Bich nicht denken, daß das Gute nicht Int' img
dur< majeure finden boIL
[nnere !•' reiheit Es wird I. bei
dem Vi Lee Z Zizith (Knecht haft
mit- : nnlichkeit ":: R7l) und b< ' und I
:it auf den Auszug au ist; Be-
llt di-- Mammons, der Sinnlich-
■ und al 6] .:
1 D
r -"- den
n /iziili, den Auszug aus \- yplcn
Der II ich: Ich,
ich Igeborcnea uml
. gemacht
•reinst bi reicher sein G n et
Der geschlossene, ganze, freie Mensch. 71
Mamniondienst, Eigensucht und Sinnendienst sind Knecht-
schaft, eines freien Menschen unwürdig.
Zur Heiligung gehört die innere Freiheit. Die
rabbinische Anschauung weiß, daß die Freiheit ein
schwer erworbenes Gut ist, das fortwährend geschützt
und behütet und gestärkt werden muß.
Der geschlossene, ganze, freie Mensch. — Die
sittliche Persönlichkeit, der Charakter.
§ 338. 1) Die Freiheit: mmu
2) Mäßigkeit als Mittel. Freiheit durch Gesetz;
min ntcbrü poiyp «c tcta pin p -fi j»k.s
3) Freiheit wird erworben, man ns mm b& PDTJ K\~ p
Innerer Kampf. K"ÜK «nys Dl^>.4
4) Der niedere, physische und zugleich erhabene gött-
liche Ursprung des Menschen: V"\\yyo jn CHWl 2} "IS«
nrVHD nB^O«: aber: D3\T^K 7T^ CHN 0^3 7.
es an einen NichtJuden (MJ) hängt (d. i. es für Geld eines Nichljuden
ausgibt), auf Zins an Israeliten leiht, und den, welcher seine Gewichte
in Salz verbirgt (legt, um sie schwerer zu machen, vergl. Raschi zu
ßaba batra 89b, nach Tosafoth das. s. v. vbv um sie leichter zu
machen — ) und den, der türkisblau gefäibte Wolle (j^K xbp) an sein
Kleid (als Schaufäden) hängt und sagt, daß es himmelblau sei
(«in r6rn). Zu letzlerem vergl. ßaba kamma 93b un. Man färbt das
Zeug mit blau und grün schillernder Farbe, die nicht ausgeht («bn
12$?). D. H. i Deut. 30, 19. 2 ßaraitha de Aboth. 3
4 Abot V, 26. s Genesis 8, 21. 6 Aböl III, 1. < Deuter. 14, 1.
III. Der W. g zur Bittliohki
Daher einheitliches Leben, Ganzes, ~tt DMWl1
Lernen von Allen, von Tieren, /.. T>. Fleiß von der
Ameisi (n^M), Keuschheit (JTiy'33) von der K
- nn . 7011 1 leiden. -
1. Die Tat k- -inrat schwerer zustande, begegnet den
Bindernissen der Wirklichkeit; die Gefahr, daß sie be-
d -werde, i-t also nicht so groß, als die. einem bösen,
sündigen Gedanken (Neigung, Absichl usw.) nach-
zuhängen, was aber doch auch Sünde ist.
2. Der i neu Tat stehen dir vielen Arten, wie sie aus-
geführt werden kann oder soll, gegenüber. Indem der
Mensch den verschiedenen Plänen, wie sie auszuführen,
nachdenkt, begeht er mit jedem dieser Pläne das Un-
recht, mit jedem Plan begeht er in Gedanken die Sünde.
Selbst ■ chehen, ist das spätere zustimmende,
nichtreuige Denken darüber 'ine Wiederholung de- \ er-
brechens, rollende wenn er sich dessen in Beinern Herzen
rühmt. Dickens hat in einem -einer Bomane geschildert,
wie ein Mörder nach dem begangenen Mord den gas
larflber nachsinnt, wie er ihn anders, sicherer vor
Eni leckung, hätte begehen können; er entwirft, obgleich
völlig unnötig, Plan auf Plan. I ad I>. bemerkte mi1 Recht,
• •; mit ji d< m aeuen Plan von Neuem
er den Mord begang
i i : > Proverb. 6, 6 vrrgi. Km! id I00b mit
1 H II. P H
Naturgesetze. Selbstverantwortung. 73
Die Verwerflichkeit des Verführers der Menge,
der Gesamtheit.
§ 339. Verpflichtung auf die Sittlichkeit des
Andern. Aboth. V, 20: „Wer viele zur Sünde verleitet,
kann nimmermehr Buße tun". Der Einzelne kann bereuen,
sich bessern; aber die Verführten kann er dadurch nicht
wieder bessern. Ja es gelingt ihm nicht, seinen Fehler
wieder £ut zu machen, weil er in den andern fortdauert.
ö'
Der Gegensatz der ethischen Lebensführung.
Aboda zara 17a und 18a: Mancher erwirbt seine Welt
(d. i. das Leben der künftigen Welt) in einer Stunde
und mancher erst in vielen Jahren. Vergl. dazu Meno-
rath hammaor bei Fürstenthal I, 161.
Die Lohntheorie ist darauf von Einfluß gewesen, aber
auch ohne diese Theorie ist der höhere ethische Stand-
punkt geeignet, eine ethische Großtat, einen genialen
Akt besonders zu würdigen.
Die Legende von R. Eleazar ben Durdaja Ab. z. 17 a ist
sinnreicher als sie aussieht, die D'plDS über Himmel und
Erde usw. sind äußere Form, aber der innere Gehalt ist:
Durdaja hat dem Naturtrieb, dem Naturalismus, dem ge-
meinen Epikureismus gehuldigt; er kommt zur Erkennt-
nis, daß dies unsittlich sei; aber verteidigen möchte er
sich durch die allwaltenden Naturgesetze. In der ethischen
Frage aber lassen diese ihn im Stich; sie sind selbst
nicht ethisch, sie sind nicht das Ewige, Wahre, Höchste
74 UX Der Weg rar Sittlichkeit.
3. j : 10 und 51, 6 24 3; 34,4. Er sieht nun. daß
ji,. g au ihn gebunden sei. Das ist ethisch, das
. freie Tat, nicht Kausalität, Abhängigkeit
einen vom andern (s. Spin. Eth. I, 28*.) Durdaja
n\, wie di' Le ■ nde am Schlüsse berichtet, sein
Eaupt zwischen seine Knie, sehne und weinte, bis ihm
seil., ing. Fürstenthal spricht von „freiwilligem
Tod-, das ist Unsinn; man darf nicht 1 le mit ra-
tionalistisch! .tuug vermischen. Vielmehr mit der
Erkenntnis d dlichk mch ihr Ende g<
ade läßt ihn an Beinern Seelenschmerz sterl
Eleazar ben Durdaja geht in das Reich des Unend-
lichen ein.
Gewisse iheit.
.\ ■ . »lcher Au wii der d<
EL Jo e in Su Nie ist Mose und E a in die
n völlig um lert
v,;, - - auf et) m Grunde, d. h. in
halt. Innere ! I von
bloßen N( •■ Q,utilis1 \ '• u, nie-
d, nicht« cken.
Vermittlui
an au Ä.U8-
'•
P.
Sozialgesetze. 75
b"r\ hm»* 7123 12« omai« Bwon rrp &6p, 23-12« "oki b'n
iwe -p-12 ynte n ^2 w ^\sx" *dj> n« 712« *a« 2212« ^ki
"]*? 121, d. i. ..und ich werde sie segnen.- Damit die
Israeliten nicht sagen, ihre Segnungen hängen an den
Priestern, deshalb heißt es: „Und ich werde sie segnen-.
Damit die Priester nicht sagen: wir segnen die Israeliten,
deshalb heißt es: „Und ich werde sie segnen ■', was sagen
will: Ich werde mein Volk Israel segnen, wie es heißt:
(Deut. 15, 6): „Denn der Ewige, dein Gott, hat dich ge-
segnet wie er dir verheißen hat."
Sozialgesetze.
§ 341. Xur die ethischen Prinzipien, welche der Gesetz-
gebung zugrunde liegen, können und müssen heute noch zur
Anwendung kommen. Die Gesetze selbst, für einen kleinen
rein agrarischen Staat berechnet, finden im Groß- und
Industriestaat keine direkte Anwendung.
-■
Grundzüge
o
1) Politische: Alle Bürger sind gleich. Die Verwaltung
und das Recht liegt in den Händen gewählter Al-
testen. Die Wahl nach Würde! — nicht von Reich-
tum, Geburt und Abstammung und dergl. ist die
Rede, sondern nur: „Männer von Kraft (Energie),
Gottesfürchtige. Männer der Wahrheit, die den
Eigennutz hassen" (Ex. 18, 21).
76 111. Der Weg zur Sittlich!
2 S Nicht Individual- Bondern Familienbesitz,
Üich Erbpacht. — Durchschnitt: gleiche Wohl-
habenheit. Anhäufung von Kapital ist Belbst für den
König verpönt Arbeit als Quelle der Wohlhab» n-
• it. Der Acker will bebaut, der Weinberg und
der Olivenhain gepfli S bbath, Muße, aber
Arbeit Pflicht.
\\ • :. dennoch durch Krankheit, Mißwachs, Genuß-
sucht und schlechte Wirtschaft \ inng ein-
tritt: 1) zeitliche Beschränkung auf Schemitta und
Jobel 2) Unterstützung, aber als Aul'hilt'e 12 npffim,
zinsloses Darlehn Lev. 25,35), Armengesetzgebung
besonders für Witwen. Waisen und Fremde. Da-
nach Pflicht der Arbeit und der Selbständigkeit
3) Gleichheit Auch der fre Sklave i
-ich zu dir geflüchtet hat, soll nicht in ein Ghetto
gebannt werdei . Boll mitten unter dir wohnei o wird
] >._■ . 1 1 ich und Bchön zugleich an • S.
t«n, r bst wird auch gefordert, j<
A len, auch mi t
ihn nicht kränl
•■it.
wird \ len Rab den. Sich zu frem-
r-m I ben, nur nicht dl r Hilfe
,110*: Der Men
n, nur
e :. Anspruch nehm<
Wille. Selbstbeherrschung. 77
Jüdische Wirtschaftsgeschichte von Gustav Ruhland,
Professor in Freiburg, in: Die Zukunft 7. Jahrg. 1898
Nr. 11 und 12 (10. und 17. Dezember 98. S. 151): „Auch
der andere Stolz" usw.
Die Rabbinen haben sehr viel von der Wohltätigkeit
gehandelt, sie empfohlen, eingeschärft usw., aber sie haben
die Pflicht der Selbstverantwortung, der eigenen Ar-
beit für das Durchkommen ebenso stark betont. Nur
beides nebeneinander ist das Rechte! S. Pesachim 1 1 3 a :
Rab hat zu Rah Kahana gesagt: Ziehe einem Aase das
Fell auf der Straße ab, um Lohn zu erhalten, nur sage
nicht: Ich bin ein Priester, ich bin ein großer (vornehmer)
Mann, das schickt sich für mich nicht.
Arbeit und Müde. Sabbatverletzung, Sabbat-
arbeit ist Sünde; aber Müßiggang des Wochen-
tags ist ebenfalls Sünde.
Anstrengende Arbeit geboten Gen. 3, 19: „Im Schweiße
deines Angesichts" usw.
C.
Wille. Selbstbeherrschung.
Maß. Mäßigkeit. Mäßigung. Gleichmaß. Maß-
halten.
§ 342. Es ist sehr charakteristisch, daß die spätere
Zeit (obschon unter Einfluß des Aristoteles und der
7- 111. Der Weg zur Bittlichk«
tiker) das Maß ah Ausdruck für Sitte, Charak-
»rauchen. Die Talmudisteu haben für Mali. Norm,
- den Ausdruck: r~;:.
■: chung: Beherrschung der Affekte.
Den künstlichen und den natürlichen Affekt hat man
durch Maß zu mindern.
1) V. r orge, daß nicht ein bewußtloser anbeherrsch-
barer Zustand eintritt.
_ Nicht auf - arakter, d.h. Dicht auf ein-
M inung bestehei - ädern sich he-
hr' 'i. um an Ansicht mit freiem Sinn
prüfen zu können. S. P ■ L13b: Drei liebt der
H- . .er!: Wer nicht zürnt, wer sich nicht
berauscht, wer nicht auf Beinen Eigenheiten besteht
• h 29 : Zürne nicht
(wörtlich: i nicht im Zorn), daß du nicht
8Ü1
nkun g di ' I urt rieb« lört zur Heili-
Mittel. Maimonides behandi DM nraWD,
. und ruoa mo*K, Verbol , den I
d. m --■— —: i v..n der
II. . Numeri I " Dl "%rr und ihr Bollt
Bn asw., dam it ihr ein-
( h böte üb-
und L zusammen, d. h. also
ntilisti Sinn — kurz die
Leidenschaft. 79
Leidenschaft sind in ihren Grenzen notwendig. S. Sukka
52 V
Der natürliche Trieb soll gemäßigt, geordnet, in den
Dienst des Guten gestellt, aber nicht unterdrückt wer-
den, weil der natürliche "Weltlauf darauf gegründet und
davon abhängig ist. „Wäre keine Leidenschaft, so hätte
niemand ein Haus gebaut, noch geheiratet, noch Kinder
erzeugt, noch irgendein Geschäft betrieben". S. Ber.
r. Par. 10 u. 34 mit bezug auf Gen. 1, 31; Sanhedr. 107 b.
S. auch T. I: Naturgesetz und Sittengesetz.
Meisterung der Gefühle. Beispiel: das Maß und die
Art der Sorge — energische und nicht erschlaffende usw.
Wer vor Zorn seine Haare ausrauft, Kleider zerreißt,
Gefäße zerbricht, Geld verstreut, wird als Götzendiener
betrachtet, denn der Mangel an Selbstbeherrschung führt
zu allem Bösen s. Schabb. 105b. Alle zu Taten aus-
artende Zorneswallung wird von den Rabbinen wie
Götzendienst betrachtet.
Der Affekt macht dienstbar, ist dienstbar, wenn er
zur Tat wird anstatt durch Besonnenheit eingedämmt
zu werden.
Die unerfüllte Leidenschaft, in der Phantasie fortlebend,
steigert sich und zehrt am Menschen. S. Joma 29a:
Sündhafte Gedanken sind schlimmer (schwerer) als die
Sünde selbst. Yergl. dazu die treffliche Erklärung Raschis.
1 Wer größer (bedeutender) als sein Genosse, dessen Trieb ist
au:h größer. D. H.
BO in. Der Weg zur 3
Die Tatsache, daß es für eine Handlung oft viele
Mol ü kann. Bcheinl mir weder in der Ethik noch
in der Psychologie genügend beachtet zu sein. VergL
Megilla l"> . wo Tannaiten und A.moräer angeführt wer-
den, und jeder ein anderes Motiv dafür anführt, daß
Esther auch den Human . iden habe, und Elia end-
lich sagt: Sie hatten alle Ri sht
§ . | ;. s Ibsterkenntnis, Selbstprüfung. Wie im Drama
derMonoL B Ideo die Wendepunkte des äußeren (
ßchehi ds durch die innere Bewegung andeutet, so i
Monologische in aller geistigen Tätigkeit (besonders auf
ethischem Gebiete) das eigentlich Wirksame, Schöpfe-
rische. Was hellen alle Belehrungen, alle Gedankt -
reihen, welche durch Auge und Ohr der Seele dargereicht
werden, wenn nicht die innerliche Aneignung stattfin
: zu einer Selbstbewegung des G führt. Vgl.
r 77.7: Ich rede mit meinem Herzen — und -cht
a Geist Berach. •*>': Wenn jemand von Sehn
■ ■sucht wird, so untersuche (prüf« er seine Hand-
lungen.... untersuchte er und fand nichts Tadelhaftes,
tre er sie auf die Unter] Thora itudiums
zurücl und wenn er sie darauf zurückführt und
a, die Gott aus Liebe D
ihn verhängt hat. Vergl. Erubin n und Threni r. B4b.
I in- ontnis, Erinnerung der
ind V i Lben mit der
nFord rgriffen.
Pflicht und Neigung. 81
Pflicht und Neigung.
§ 344. Man muß Tugenden und Pflichten genauer schei-
den, sonst gibt es unklare Begriffe: D^'pOJ D^öm kann man
ja auch Tugenden nennen; aber es sind Pflichten. Die
Tugenden sind der Zustand, die Pflichten der Inhalt
der Tat. Die Gesinnung gründet sich auf Tugend und
enthält die Pflichten.
Die schwerere Pflicht, die im Kampfe gegen die
Neigung, soll und muß zuerst erfüllt werden, daher
in der Wahl, ob dem Freunde oder dem Feinde zu
helfen, ist es nach den Rabbinen Pflicht, dem Feinde
zu helfen (Tli"1 nx *"p^> HD, wörtlich: um seinen Trieb zu
beugen). Baba mez. 32b.1 Lieblosigkeit steigert sich
zuweilen von selbst bis zum Verbrechen.
§ 345. Von den Leidenschaften, die auf bestimmte Gegen-
stände und derenVerhältnis zur Persönlichkeit sichbeziehen,
wie Selbstsucht, Stolz, Freiheitssucht, Eifersucht, Ehr-
sucht und Herrschsucht, haben wir hier nicht zu handeln;
nur wird die Forderung ihres Gegenteils oder der Ein-
schränkung des leidenschaftlichen Begehrens auf das
rechte Maß bei den Pflichten zu besprechen sein.
Da innere Freiheit die notwendige Grundlage aller
wahren Tugend ist, so kann diese neben all jenen Leiden-
schaften nicht bestehen. Dies wird rabbinisch öfter durch
1 Die Stelle lautet: Komm und höre! Wenn man einem Freund
abzuladen und einem Feinde aufzuladen hat, so ist es Pflicht, dem
Feinde zu helfen, um seinen Trieb zu beugen. D. H.
Lazarus, Ethik des Judentums II. "
111. Der Weg zur Bittliohl
den kühnen, offenbar bildlichen Ausdruck auf ichen:
..i , igt: Ich und der Stolze, oder ich und der Selbst-
süchtige, wir können nicht nebeneinander stehen- 3. Sota 5*.
Wichtig aber ist es, hier schon jener Leidenschaften
zu gedenken, welche subjektiver Natur sind und auf
keine bestimmten Gegenstände sich beziehen, von denen
aber viel mehr Menschen und in einem noch viel mehr
[erblichen Maße b< herrscht werden. Dies Bind die
Lustsucht, die l'nlustscheu und die Leerheitsscheu (Lange-
weile! — ).
Am Leben der Durchschnittsmenschen zu schildern — !
Dagegen gilt es die positive Tugend auszubilden in
§ 346. Der Ursprung des Bösen ist nicht bo rätselhaft,
wie er vielen erschienen ist. Nur weil er vielgestaltig, war
iunkel. Allgemein und prinzipiell liegt er in der Selbst-
ttt Diese ist der Sauer im Teige, PID^a» TW» < Be-
rach. 17'». Die Selbstbehauptung und das Streben da-
nach ohne Beziehung, das heißt, ohne volle Anerkennung
reu. — Zwar erweist sich als unsittlich ji
Ar; ron M igkeit, Vergnügungssucht, Lustgier, maß-
• Furcht vor jedem Schaden eitusw.), aber diese
nennt man deshalb nicht eigentlich böse. Der Ursprung
joismus, welcher wiederum au* der
Lividuation und der Endlichkeit «der Kraft snt-
:.t und erst in Widerstreit andere zum Bi
•• i. I laher ist der E • • bekämpfen,
Ursprung des Bösen. 83
insofern er Ursache des Gegenteils von Zusammen-
schließung ist.
Wie alles Gute aus Zusammenschließung folgt und in
Zusammenschließung mündet, so folgt alles Böse aus
Mangel, Abneigung und Gleichgültigkeit gegen Zusammen-
schließung. (Neid, Mißgunst, Lust und Trost am Un-
glück anderer.)
Suche daher die Einheit, Verbindung usw. stufenweise
und meide die Trennung und das Trennende. Suche
die Freiheit als Allgemeinheit: Was dir recht, sei auch
allen recht, was dir nicht recht, sei auch allen nicht
recht, und noch mehr die Einheit als Gesamtheit.
Zu unterscheiden ist der Egoismus der Person, der
Sippe, der Partei (Meinung und Interessen der Nation,
des Staates). Je größer der Zusammenschluß nach innen,
desto größer ist der Egoismus nach außen oder der Schein
des Hechts. Von Interessenvertretung bis zur Vergewal-
tigung, von Uberzeugungstreue bis zur Verfolgungssucht.
Das Böse beginnt mit dem Neide (nj>"1 ])V) und dem
Gelüste, der unberechtigten Begierde (niNJY). — Der Neid
ist die schiefe Ebene. Er ist das Unsittliche des Gefühls,
mit dem noch kein Streben verbunden ist. Das Ge-
fährliche liegt darin, daß das Unsittliche daran kaum
merkbar ist; der bloße Wunsch, das auch zu besitzen
und zu sein, was der andere hat und ist. Etwas heißt
„beneidenswert", weil es so gut oder so schön ist, daß
man es sich auch wünschen könnte. Jemanden „neidlos
6*
84 Hl. Der Weg BÜX Sittlichkeit.
beii- heißt: ohne diesen Wunsch nur Jon Vorzug
des anderen anerkennen.
Mit dem Wunsche isi implizite ein Gefühl des Schmer-
wenigstens des d nagten Mangels ver-
bunden, das nicht zu haben, was man beim andern sucht.
Aus dem Neid, ans diesem Schmerz de> Xichtbesit:
entspringt das viel schlimmere, positiv unsittliche Gefühl
des Schmerzes, da 1J der andere es hat. was ich haben
möchte: die Mißgunst. Der andere ist der Et&uber,
er ist Schuld, daß ichs nicht habe; darum der Hak
In Behr vielen Fällen liegt es in der Natur der End-
lichkeit, dafi, weil der eine es besitzt, der andere es
nicht besitzen kann. Ein Haus, ein Feld, das einem ge-
hört, kann nicht zugleich dem anderen gehören. EjS gibt
nicht Wein genug in der Welt für alle. Dieser Mangel
des Bndlichen wird gegen die Wahrheit generalisiert.
\\ aa der andere errungen hat. wird beneidet, gleichviel,
ob ich e> auch erringen könnt
Hal> ist das Gefühl der Abstoüung. dal Q nteil
der Verbindung und Vereinigung, begleitel von dem
Wunsche, daß der andere das Gute enthehren und das
1 erleid« die!
Lchlich anbegründete Hat erzeugt II i
od; man denkt gai nichts mehr, man haßt nur.
VI. 1 »er Beginn ■• kte aul ch in e
• nid der Gedanken* Beim starken Staunen
teht uns der Verstand Btülw, ?or Furcht und Schrecken
Heftige Affekte. 85
„vergehen uns die Gedanken", und der höchst Zornige
steht „wie vom Donner gerührt". Deshalb sind auch alle
Affekte höchsten Grades stumm.
Auch ohne bestimmtes, oft fast ohne jedes Ob-
jekt, nur durch den subjektiv günstigen Zustand des
Kraftgefühls, der Freiheit von Beschwerden, der Aussicht
auf allerlei Annehmlichkeiten, des vollen Wohlgefallens
an der Umgebung (Personen und Sachen der Um-
gebung) entsteht Heiterkeit, Lustigkeit bis Aus-
gelassenheit. Durch entsprechende Objekte: Bewun-
derung und Entzücken, oder Staunen und Verwunderung;
mit Tatendrang oder innerer Erhebung des Selbst-
gefühls: Begeisterung.
Hoffnung, Mut und Mischungen mit den vorigen.
Freude.
Dagegen Traurigkeit (auch ohne momentanes Objekt),
Melancholie, Schwermut; mit Objekt: Kummer. Sorge
Niedergeschlagenheit und Kleinmut; Furcht, Angst, Be-
sorgnis, Gram, Verzweiflung.
Plötzlich: Schreck.
Leidenschaften sind „herrschend gewordene Begierden",
sie sind „ein eingewurzeltes und immer mehr um sich
greifendes Leiden der Seele."
Liebe und Haß (mit Schmähsucht und Rachsucht —
bei verschmähter Liebe). Wollust, Üppigkeit jeder Art.
— Spielsucht. Verschwendungssucht neben Habsucht
und Geiz. — Eigensucht, Selbstsucht. (Eitelkeit, Stolz,
86 111. Der Weg rar Bittliohi
Bochmut) Ehrgeiz und Ruhmsucht; Herrschsucht. —
Fr isucht. — Neid and Mißgunst.
ekte, Gemütsbewegungen sind subjektive Zustände
rychologischen Organismus und Abweichungen vom
Zustande des G-leichmuts; momentaner Schreck. Furcht,
Zorn; — Lachen — Weinen
Dauernde: Traurigkeit, Kummer, Sorge. Mut. Freu-
digkeit. Boftnung.
Mannigfaltigkeit der leiblichenZuständebei den Affekten:
9 hamröte, bleiche Furcht (gelber Neid), Zornesröte —
Verzweiflung erzeugt erhöhte Muskelkraft.
Die mechanisch-psychologischen Gesetze reichen nicht
aus. wo die Elemente der Bewegung (wie bei einem
d Kulturleben!) zn zahlreich Bind. Der ethische
Antrieb zur Ordnung, zur G-estaltung eines inneren
K" ismos (s. Leben diT S muß hinzukommen; von
N :ur bildet das [ch, der Egoismus, den gegebenen Zen-
tral- und Gravitationspunkt der inneren Ordnung und
Gestaltung. Die Ethik fordert, daß die Idee des Guten
n Zentralpunkl bilde.
Po itive Guttal wird als Mittel gegen Leidenschaft
Mt-t.l
!'.. Jochan m hat im Nun' n des R Bau
W rii ieo ttehl Je . 20 „Heil eu b, die ilir
in allen Wassern" usw.? Antwort Heil den Israeliten, denn
zur Zeit, w lieb mil n beschäftigen,
Trieb | ihn I • lens< baft i in ihre i •
wei Bi nicht in die Gewall ihrei Tri< i en. D, H.
Harmonie aller Ideen. 87
Harmonie. Energie. Leiden und ihr ethischer
Wert.
§ 348. Harmonie aller Ideen und Individualität
des Handelns. Viele Ethiker — große Sittenlehrer —
und zwar die größten darunter — haben sich zum Vorteil
der Ethik, aber auch zu ihrem Nachteile dadurch aus-
gezeichnet, daß sie einzelne Grundgedanken, sittliche
Ideen im höchsten Grade bevorzugt haben. Untergeord-
nete Sittenlehrer, Autoren späterer Zeit vollends meinten,
nichts besseres tun zu können, als daß sie jede Lehre in
ihrer vollkommensten, höchsten, unbedingten Form dar-
stellten.
Dabei ist nicht bloß die Tatsache übersehen, daß beim
notwendigen Widerstreit verschiedener sittlicher Ideen
in ihrer Anwendung aufs Leben die eine zu sehr be-
günstigt sein und dadurch ein Schaden am ethischen
Ganzen herbeigeführt werden kann; sondern auch, daß
die eine ganz unbedingt und abstrakt in ihrer höchsten
Stufe hingestellte Idee durchaus nicht zu dem ethischen
Erfolge führt, den man doch anstrebt, namentlich dann
nicht, wenn man die gegebene Wirklichkeit beachtet.
Ein Beispiel für viele. Die Friedfertigkeit ist eine hohe
Idee. Bekanntlich ist sie auch völlig schrankenlos aus-
gesprochen worden. Auch von vielen Rabbinen ist ihre
unbedingte Schätzung (um nicht gleich zu sagen Über-
schätzung) sehr oft und stark ausgesprochen worden.
III Der w KtUic]
dir deinen Rock nimmt, dem LTil> auch den
Mantel usw.
lurch leidet nicht bloß die Idee des Rechts; denn
diese fordert die Zurückweisung des un I Begehr-
lichen in seine Schranken; es ist ferner nicht bloß
Bestand der Gesellschaft dadurch gefährdet; Bie würde
in die Hand der Übelwollenden, Gewalttätigen fallen;
diese würden die Herren, jene Sklaven sein. Tanchuina zu
Mez r : ILEleazar hat gesagt: ^ enGrausai
barmh« i . wird zuletzt «_rrausam gegen den Barm-
herzigen.
Diese Konsequenz meint man aber ethisch ertragen 7.11
können; der Handelnde, der Friedfertige nämlich,
führt dabei doch das höchste Lehen: auch unterjocht
kam Dnung die reinste, sein Handeln das voll-
kommenste -ein. wie er ja eben dann beweist,
Lehr«- der Friedfertigkeit vollkommen erfüllt. A 1 anderen
atlich äußeren) Erfolge im Leben Bind ja gleichgültig.
Allein die Sache erscheint sofort in einem ganz an-
deren Lichte, wenn wir an die Gesellschaft, wenn wir
• rhaujit mir an den zweiten Menschen denken. Wäh-
men hai ch die
der : verharrt;
hilft dem bösen Willen zur Herrschaft.
Die Sittlichkeil bestehl nicht darin allein, wie
auch wie <ier and' re han •
auch welchen Einfloß ich auf seine 11 mdlungen ühe.
Sittlichkeit des Handelns. 89
Wohlwollen ist eine sittliche Idee; aber eben deshalb
ist meine Aufgabe, nicht bloß wohlwollend zu sein,
sondern zu sorgen, daß auch der andere wohlwollend sei;
eben deshalb nur gegen den "Wohlwollenden (nicht gegen
mich, sondern überhaupt!) wohlwollend zu sein.
Seine Gewalttätigkeit gegen dritte, vierte unterstütze
ich, nähre seine Begehrlichkeit, wenn mein Wohlwollen,
meine Friedfertigkeit keine Grenzen und keinen Unter-
schied der Personen kennt.
Es kann Tugenden geben, welche nur durch das Laster
des anderen möglich sind ; z. B. Versöhnlichkeit, Verzei-
hung. Allein auch diese soll ich zugleich deshalb üben,
um nicht bloß sittlich zu sein, sondern sittlich zumachen,
den anderen ebenfalls zu bessern. Dies ist der höhere
Sinn des rwipn p nnv nfrjjDn bm
In der Praxis ist die Begünstigung einer Idee ge-
stattet, nämlich dem Einzelnen, und sie gestaltet seinen
individuellen Charakter; aber in der Lehre und für die
wirkliche Gesamtheit ist die Harmonie erforderlich. Ein
schönes Beispiel ist Ben Azai s. T. I, S. 35. Ben Azai
befiehlt das Heiraten und heiratet nicht und sagt: Jlö
annw o^yn n*prv< man wea npwn nts^K. S. Thoseftha
Jebamoth Per. 8 Ende.1
1 Die Stelle lautet vollständig': Ben Azai sagt: TTer sich nicht mit
der Fortpflanzung- beschäftigt, den betrachtet die Schrift so, als ver-
mindere er die Goüähnlichkeit, wie es heißt (Gen. 1, 27, 25): „Denn
im Bilde Gottes schuf er ihn (den Menschen)", (und darauf folgt) :
90 in. Der Weg zur Bittliohkeit
Der innert- Zusammenhang alles Sittlichen.
I:. der Kontroverse Makkot 23 und 24* zwischen 3"1 und
sr-" 1 tritt Akiha. der allzeit optimistische, starkgläubige
uml scharfsinnige, mit dem Gredanken hervor, daß auch
die Erfüllung nur einer der ethischen Maximen des
15. Psalms die Bürgschaft für den Bestand des sitt-
lichen Charakters einschlielJt. Durch die allerdings mehr
witzige als hermeneutisch wahre Vergleichung von Psl5. 5
- blnß mit Levit 18,24 r6» ~:i W^ttJ? -s bat Akiha den
; 1 beruhigt Der Psalmist hat zweifellos gemeint, alle
diese Gebote soll der Mensch erfüllen, und auf diese
Erfüllung der gesamten Sittlichkeit seine Verheißung ge-
gründet.
Das Bachlich Wahre aber in Akihas Meinung ist: Wer
eine der ethischen Maximen im Prinzip erfal-'.t hat. der
kann in bezug auf die anderen nicht fehl Alle
konnten leshalb auch schließlich auf ein
i, ibot zui rerden, auf Arnos 5, 1. <1. L theo-
retische, wahre, aufrichtige Forscl r Sitt-
; p -j praktische Treue in der
1 1 ingeb u - und Ei füllun
el rel euch". Da cac m ihm:
hen aus dem Mun l<
Mancher bön; Ben '••
Da Bpra ii ei /.u ihm:
: lun, n i ihre Lust an der Thors, uml die
\v. i etUn : erhallen, D. II.
Innerer Zusammenhang alles Sittlichen. 91
Auf den Unterschied des Theoretischen und Praktischen
deutet sehr sinnreich hin Sota 21 a: Eine sinnliche Hand-
lung, eine gute Tat kann vereinzelt sein, sie bedeutet
einen glücklichen Moment und gleicht einer „Kerze",
dagegen die theoretische Einsicht in das Wesen der Sitt-
lichkeit und die Erkenntnis ihrer verpflichtenden Kraft
gleicht dem „Lichte" selbst, das die „Welt erhellt".
Auch löscht die einzelne Übertretung, Unzuträglich-
keit, Irrtum usw. nicht die Erkenntnis und Einsicht aus,
wenn nur die wahrhafte Liebe zum Guten im Gemüte
Wurzel gefaßt hat. Treffend wird der Vers Hoheslied 8, 7
herangezogen, denn auch leidenschaftliche Wallungen,
momentane Störungen usw. können die Liebe zum Guten
nicht überwinden.
Dazu kommt die vorzügliche Bemerkung von R. Jo-
seph: Die gute Tat schützt nur im Moment der Aktion,
die Erkenntnis aber auch zur Zeit, da sie unbewußt,
nicht gegenwärtig ist. Dagegen scheint Raba der
Ansicht zu sein: Nur die sittliche Energie ist dauernd,
nicht die bloße Einsicht.
Hingebende Gesinnung bei jeder Pflichterfüllung wird
so sehr gefordert, daß sie von gleichzeitiger Erfüllung
anderer Pflichten befreit, weil das Gemüt sich nur auf
eine ganz richten kann. S. Sukka 25 a: Wer sich mit der
Erfüllung einer Pflicht beschäftigt, ist von der Ausübung
einer (anderen) Pflicht frei.
§ 351. Prinzip. Als der eigentliche Gehalt des gesamten
lli. Der Weg .
menschlichen Daseins en Erzeugung die Aufgabe
chen ausmacht, erscheint dem Judentum
1) nach seiner r Seite die Erhebung des end-
lichen ^ zum Abbild d( ndlichen. Dies
I seine höchsl sntliche Bestimmung; dies
• bei allem Suchen und in allem Können seine
höchste Ehre, lud alles Einzelne, was der Mensch tut
und erstrebt, soll er zu dieser seiner Ehre tun. wie
Gott selbst alles, wa taffen, zu seiner Ehre
;aiTen. zu seiner < Offenbarung. Und so soll der
M -.'lisch in seinem Tun Bein höheres Wesen offen-
bar machen.
2) Nach der ethischen S< aber, nach der Bestimmt-
heit des Handelns, nach der Würde des Endlichen
für sich Belbst betrachtet, wird die gi Auf-
abe zusammengefaßt in den Begriffen: A) der
li . gke ' Ganz] t, Ei nheit der Ideen: B
Einheit der Zusammenschließung.
Auch die religiöse Vorstellung muß ethisch vertieft
und dazu ausgebildet (umgebildet en; zum Tieft
• : der im Ebenbild*
ab' auung rieht in Gott nur
alt- i d Mann ah 1 bracher 0
her ist auch der Mensch nur Individuum mit
; zeltugi rt nur M btel ist. Tap
Lrfhislosigkeit usw.). Dagegen
we. Itenrichten le, !■■• i de Prinzip;
Höchster Gehalt der Tugendlehre. 93
die Menschen trotz ihrer Beschränktheit und Endlich-
keit — durch Zusammenwirken — Reich des Geistes,
D'aff ma^ö, der Ideen, der Sittlichkeit.
Das Berufsleben führt notwendig zur Teilung der Ar-
beit. Aber diese Teilung wendet der einen Idee ihr
ganzes Interesse zu, macht leicht einseitig. Neben seinem
Beruf und mitten in ihm soll jeder Mensch ein ganzer
Mensch sein. Auch der Steinklopfer und der Straßen-
kehrer ist das Haupt einer .Familie, der Gatte seines
Weibes, der Vater seiner Kinder, ein Bürger der Stadt
und des Staates, und an seinem Ruhetage, seinem Sab-
bat oder Sonntag Auch der ärmste Knecht wie
der reiche Bauer, der Arbeiter und der Fabrikherr sind
vor Gott gleich, d. h. durch den Gott in ihrem Innern
sind sie gleich.
§ 352. Die Tugendlehre hat zu ihrem höchsten Inhalt,
das TTllTDa p2"in, eine dem Unendlichen, Ewigen zu-
gewandte Stimmung des Gemüts; nicht außerhalb des all-
täglichen Daseins, neben demselben für Feierstunden,
sondern im Leben. „Tugend" als Gesamtbegriff (im
Unterschied von einzelnen Tugenden — ) ist religiös ge-
faßt: Gottähnlichkeit. Es wird ausdrücklich gelehrt, daß
die Gottähnlichkeit in den "Werken des Wohltuns, in
sittlichem Wollen des Guten besteht. S. Sota 14 a.
Sehr schön ist die rabbinische Auslegung von Ex. 15, 2 in
Mechiltha, Beschallach (Haschira): Dies ist mein Gott,
ich will ihn verschönen (lnttNl). R. Ismael fragt: Wie kann
^4 in. Der Weg zur Sittlichkeit
• ineo Schöpfer verschönen? Abba Saal antwortet:
Wir Bollen ihm gleich zu sein Btreben, wie Q-ott barm-
herzig und gnadenreich, so sollst du barmherzig und
gnadenreich sein« 8. Winter und Wünsche, Aiechiltha
S. L22. „Göttern kann man nicht vergelten, schön ist's
ihnen bleich zu s<in'' (Schillei ,
Die Erscheinung des Göttlichen i>t überall da. wo
Menschliches erscheint. S. Mechiltha. Wajassa, Beschal-
lach 6. Abschnitt zu Ex. 17,6: ,,Siehe. ich stehe vor dir
dort auf dem Felsen am Horeb." Der Heilige, gebene-
deiet sei er! sprach zu ihm (Mose): Allwo du eine Spur
von MenschenfühYn findest, da bin ich vor dir.
Wer in vielseitiger Beziehung steht, erlebt täglich ^ -
burt. Khf. Tod in seinem Kreise; mitfühlend mulj er
in -ich Ausgleich und Ruhr finden, das Granze umfassend,
das Kin/.elne tragen und beleben — Gott als allumfas-
1. — Die Idee als Quelle und Ausgleich der sym-
pathischen Beziehung.
I'ber das Verhältnis von E&echl and Wohlwollen
(-= ( i-nade, Barmherzigkeit, I
3. Bi • Jh. r. l'ar. L8 g. K. GrOtl Bpricht: Wenn
Welt mit ischaft der Barmherzigkeit moa
UX — lie Sünder überhand nehmen;
wenn mit der E trengen Rechts pn moa,
I die Well nl All« ehe, ich e sie
Mut und Tapferkeit. 95
mit der Eigenschaft des (strengen) Kechts und mit der
Eigenschaft der Barmherzigkeit.
Mut und Tapferkeit.
§ 354. S. Rosin a. a. O. zu Maimonides S. 130 ff. „Die
Würde des Menschen zeigt sich ferner an seinem Mute. Die
natürliche Anlage dazu ist die Beherztheit, d. h. das Ver-
mögen der Abwehr dem Schädlicheu gegenüber. Schon im
Kindesalter sind verschiedene Grade dieses Vermögens
sichtbar. Es wird durch begünstigende Anschauungen und
durch Übung gestärkt, durch hinderliche Vorstellungen
und Mangel an Übung benachteiligt. Xot und Entbeh-
rung sind für viele Menschen eine Schule der Tapfer-
keit und Unternehmungslust. Selbst ein Mangel in die-
sem Bereiche, wie es die Schroffheit ist, läßt sich dadurch
verwerten, daß dieselbe im Dienste der Wahrheit und
des Rechts angewendet wird. — In der Schlacht soll
sich der Mannesmut durch Tapferkeit bewähren ; da muß
Vertrauen auf Gott und die gute Sache allein, die Seele
erfüllen und dazu antreiben, furchtlos das Leben zu
wagen, als ob man der Lieben daheim nicht gedächte.
(Maimon., H.Melach.VII, 15) Feigheit im Kriege sei durch
das göttliche Gesetz zu wiederholten Malen verpönt, da es
eines Jeden Pflicht sei, mannhaft standzuhalten und mutig
gegen den Feind vorzugehen."
Die ethische Forderung ist: Kraft und Gelegen-
heit zur Tat wahrzunehmen. S. Schabb. 151b: R. Simeon
HL Der Weg zur Sittlich!.
beii Eleazar sagt: Tue Gutes, während du (Gelegenheit
n findest und es dir möglich ist and es noch iu
deiner Hand (Gewalt) Ist VergL Koh.9,10. A.bothIV,2:
Ben Azai sagte: Laute zu jedem kleinen Pflichtgebote und
fliehe vor der Sünde (Übertretung). VergL Sifre" Ksk. 187.
Reich ist die Wertung der Arbeit bei den Rab-
b inen.1
5. Gittin 67b: Die Arbeit ist grob, denn sie erwärmt
den, der sich damit befaßt VergL j. Schekalim XL
Berueimtli 8: GröJ wer sich mit dem Mühen seiner
Hände ernährt, als der Gottesfürchtige. Tanchuma •!-';
Das Verdienst der Arbeit tritt auch da ein, wo das
'dienst der Väter nicht einzutreten vermag.
I >• Menschen fällt die Aufgabe zu, die Qn?ollkom-
menheit der Natur durch Arbeit auszugleichen. S. IV-
: In ~ da der Eeiligi i. er!
zu Adam Bprach: ..I>u wirst da- Iviaui des Feldes essen",
\ bd in 'I ränen; als er ab« r Bprach:
„Im v ■■•• leine-. Angesichts si»llst du Brot i
da beruhigte Bich an (G>
rei ner 1 1 bu □ g an die I dee und
at um Gi rinn und GenuÜ. ethub. 1<»1 . Rabbi
i Von 'ii Punkt üi S< briflen Kr.ni/
zur Zeil Jesu. Drille Aufl
. 1879; M II Kr. i nach ■ i«-r Bibel, dem
• r Weisen in Israel Brunn,
i im f dmucl. Berlin 1878. I». H.
Arbeit aus reiner Hingebung an die Idee. Quietismus. 97
richtete seine zehn Finger nach der Höhe und sprach:
Herr der Welt! bekannt und offenbar ist es vor dir,
daß ich mich mit den zehn Fingern in der Thora abgemüht
und keinen Genuß selbst mit dem Kleinsten für mich ge-
sucht habe; möge es dir gefallen, daß Friede in meiner
Ruhestätte mir beschieden sei!
§ 356. Nichts ist dem Judentum so zuwider als
Quietismus. „Auf der Bärenhaut liegen" hat nie als ein
wünschenswerter Zustand gegolten. Ich erinnere mich,
in meiner Jugend eine — handschriftliche — Predigt
von Schleiermacher gelesen zu haben, welche er über die
Trägheit gehalten hatte; er macht die Aktivität, die
Energie, zum Eckstein am Bau der Tugend, und kühn
schreitet er vor bis zur Yergleichung des Trägen mit
dem Bösen, des Faulen mit dem Verbrecher, und er
stellt jenen niedriger als diesen. Aber sein Text war aus
den Sprüchen Salomonis. Diese enthalten den stärksten,
lautesten, häufigsten Mahnruf gegen die Trägheit. Wie
oft kommt Trägheit in den Sprüchen vor! Die erste Ant-
wort Israels auf die göttliche Berufung ist nt5>JJ3 *, Tun.
Wirken. Handeln, Leisten, Schaffen. Die Natur, das
Universum ist Wirksamkeit, Bewegung, Schaffen und
Gestalten. Der Geist ist Leben, Tätigkeit; auch wo er
dem flüchtigen Blick als passiv erscheint, wenn er die
Bilder der Welt scheinbar von außen empfängt, — bei
genauerer Prüfung erkennt man sein eigenes Tun als
i Exod. 19, 8.
Lazarus, Ethik des Judentums H. '
98 III. D( " nr Sittlich;.
die gedankenschallende Kra t"t usw. (vgL Leben der Seele
I. 397 ptnr, p^TJflDl pö'Dtfö sind das Ideal der Rab liinen.
-_-;r "WH b22 *pl& \ynbi deuten Bie wörtlich mit dem
Nachdruck auf ntryn! Grottrertrauen, Vorsehung, g<">u-
liche Hüte und Beistand werden alle auf eigene Tätig-
ten.
Energie gegen Sorge. Vorsorge aber nicht Sorge.
S'.rge drückt herab, (regen Sorge s. Sirach .'50,22.23.
Lala die Sorge nicht in deinem Herzen aufkommen, denn
starke Männer werden von Sorgen gebeugt, denn bo sprach
schon Salomo ( Prov. 12, 25): „Kummer im Herzen des
Mannes beugt es nieder." Der Gegensatz ist in V. 24
der '""in, der die Dinge beherrscht. VergL .loma 7"> '
Sota 42 and Sanhedrin 1()0K.-
Dsr Talmud wendet sich gegen alle Schlaffheit s. Pe-
;i. 4-: Die Burtigen machen rieh früh auf, Ihre Pilichten
zu erfüllen. Besonders boII man nicht- Angefangenes
liegen lassen. S. Tanchnina. Abschnitt 2py ; „Wenn du
mit einer Pflichtübung begonnen hast, vollende sie."
Beresch, r. Par. s"> Jeder, der mit der Erfüllung eines
Pflichtgebotes beginnt, rie aber nicht vollendi t. und es
mmt ein anderer und vollendet Bie, bo wird es nach
Namen dec /weite- ,• • d. i. das Verdi»
1 Deuter 1 I. .
ist auch Sorge dich m<-lii wegen N >t des folgenden
nicht, waj ein l ag gebären mag" (Prov.
i cht ist er am folgend« • nicht mehr (siiriii er
h< ute , ' ei um eine V- eil gelitten, die n cht '«'•in war.
Vereinigung zu sittlichen Zwecken. 99
wird diesem zugeschrieben). Vergl. Sota 13 b, wo sich
derselbe Ausspruch findet.
Ausdauer.
§ 357. Der Mitarbeit an dem, was nicht vollendet
wird, soll man sich nicht entziehen. Aboth II, 21: Es
liegt dir zwar nicht ob, das Werk zu vollenden, du bist
aber auch nicht frei, bei ihm müßig zu bleiben, lautet
ein Ausspruch des R Tarphon; was sagen will: Obgleich
du selbst das Werk nicht zur Vollendung bringen kannst,
bist du doch nicht so weit frei, dich desselben zu ent-
ledigen. Tue deine Schuldigkeit.
Die unendliche Aufgabe und die endliche Lei-
stung. Der sachliche Wert und die persönliche Würde.
Steuerung. Es gilt, nicht von den Wogen der Ver-
hältnisse und den Wellen der zufälligen Umstände sich
treiben lassen, sondern selbständig steuern, nach Grund-
sätzen, aus der eigenen Kraft und Einsicht das Leben
gestalten. S. Prov. 1, 5. !
Stetiges Fortwirken; gegen Selbstgenügen am Ge-
leisteten, an Erkenntnis, Tugend und guten Werken.
Schöne Deutung von Hos. 6, 3 als Hindeutung auf die
Natur, in welcher kein Stillstand und Aufhören, sondern
1 Seltsamerweise sind die neueren Übersetzer und die mittel-
alterlichen Kommentatoren von der Erklärung- dieses Verses, wie sie
das aramäische Targum durch ttnu^B und die LXX durch
xüßepvT)<n; geben, abgewichen, welche auch etymologisch ge-
stützt ist.
100 HI Der Weg HD Sittlich!.
Sonne, Mond, 81 rne und alle Kräfte wirken alle Tage
ier. he Tanna 'lebe Elijahu, Friedmann 1
Nicht soll ein Mensch Bagen: ich habe geb-sen usw.
Bemerkenswert ist Goethe (Wanderjahre 2. Buch
- erste ist Ehrfurcht vor dein, was über uns ist. „d
ein Gott da droben sei" vgL A.b. 11,1: TOB r^b na JH;
genau dieselben Worte.
Von den drei Ehrfurchten die dritte, ihr Sinn: Nun
stehe er (der Zögling) stark und kühn, nicht etwa selb
isch vereinzelt; nur in Verbindung mit seinesgl Lehen
macht er Front gegen die Welt!
Alu hier als Let Höchstes: die Vereinigung, der
Zusammenschluß; aber nur zum Kampf. Gegensatz nach
auf
Das ist die alte Art. wie man Geschieht'' ehen
hat. Auch theoretisch für die Bistorik und didaktisch für
Verbreitung der Geschichtskenntnis wichtig: zu Lichte
. • S btenkultur und S I lichte. Zi aen-
schlufi zu positivem Schaffen. Dies g -. Tr< I ihke, s.
ben. Di( Vereinigung zu Bchöpferischeu
und sittlichen Zwecken ist die Haupl und am
meisten denkwürd
Der [ndividualismus hat Bein Geltungsbereich nur
in der Verpflichtung und Veranwortung, also in der Tat
und < Besinnung ein en der " i muß
immer dasAllgem« in. Dasselbe in bezug auf zeit-
/ isamm« Lei Ganzen, der G<
Müßiggang der Frauen. Praktische Ethik. 101
schichte; aber jeder Moment hat seine Auf-
gaben.
§ 358. Müßiggang der Frauen. Raba wendet sich
gegen die reichen Frauen von Machusa. S. Schabbath
32 bu. 33 \
Die Mahnung der Ethik gegen die Leerheit und Nich-
tigkeit eines müßigen Genußlebens dringt ja nicht zu
den Ohren der vornehmen Frauen; aber die Männer
sollen darauf halten, daß es ihren Frauen nicht an idealem
Lebensgehalt fehlt, der ihre Kräfte in Bewegung setzt.
Gegen den Müßiggang der Frauen, auch der reichsten,
wegen der Verleitung zum Laster. Kethub. Y, 5 werden
die Arbeiten aufgeführt, welche die Frau verpflichtet
ist, ihrem Manne zu leisten. R. Simeon ben Gamliel
fügt noch hinzu, daß Müßiggang zur „Geistesverwirrung"
führt.
§ 359. Praktische Ethik ist notwendig, nicht bloß
theoretische Einsicht. Bloße unpraktische Theorie zerstört
gleichsam die Welt, läßt sie eben zugrunde gehen. S.
Schemoth r. Par. 30: Der Weise, welcher Thora, Aus-
legung und künstliche Deutung kennt, aber von der
Witwe und Waise angegangen den Rechtsbeistand wei-
gert, weil er dem Studium ergeben sei, zu dem sagt
Gott, daß er die Welt zerstört!
Die Welt zerfällt bei solcher Zurückgezogenheit der
geistigen Tätigkeit aus dem realen Leben in eine leere
Gedankenwelt und ideenlose Realität.
102 in Dei Weg zur Sittlichkeit.
Leiden n ii (1 ihr ethischer Wert.
•'iO. Die Geschichte Josephs isl ergreifend durch
Leiden und ihre glückliche Lösung, durch Trennungen und
Wiedervereinigung, durch Verkennen der Personen und
endliches Erkennen, durch Spaltung und Hingebung.
Der Blick de8 Genie8, der idealen höheren Natur, wird
vor den Augen des Vaters sichtbar gewesen sein: daher
Doch nicht durch Taten begründet« ting,
welche zugleich in der Liebe zu Rahe! ihren Grund
hatte. Aber dieser Vorzug erzeugt den Neid der Brü-
der und ihr tatliches Vorgehen. Auch innerlich rächt
sich die Schuld in der Trauer des Vaters. So in Jo-
sephs Vorgehen: seine Zurückhaltung, nachdem er ge-
gen; er konnte die Seinigen aufsuchen lassen. Kr-'
Yerk>'ttuiiLr des Schicksal- führt sie zusammen. —
h die Tugend führt zu Leiden and aus dem Leiden
entspringen neue Energien.
Joseph in der Qberhebung wird verkauft; hier wird
rtelte Sohn des Hauses zum tüchtigen Ver-
walter, findet als,, die Vorbildung für Bein späteres, höhei
3ch lese ■ - Volke« und dat Heil ■ • iner
nilie b \mt. Sem Traum und Beine Keusch-
heit führt zu Leiden, Teilnahme für die Mitgefan-
•Mi und seme höhere Gabe bringt ihn empor.
' irtlicii, ■ Benjamin, hei dessen Anblick
■r Familie in ihm auflebt, un 1 die Verz.ei-
Der ethische Wert der Leiden. 103
hung gegen die Brüder und die Einsicht in die höhere
Fügung des Schicksals bildet den Schluß.
Als Verwalter und Erhalter eines fremden Volkes
wird er zugleich Erhalter des eigenen Stammes.
Durch die Leiden Josephs, Jakobs, eines Volkes und
des eigenen Stammes durch Hungersnot wird die Hand-
lung bewegt — Leiden bildet den Aufzug, und Handlung,
Energie den Einschlag für die Gewebe des Schicksals.
Jakob segnet zuletzt seine Söhne (Gen. 48, 15) und die
späten Enkel nehmen seine Gebeine mit nach dem ge-
lobten Lande. Sehr schön wird im Talmud das Wunder
am roten Meere darauf bezogen. *p"P b& W1K Htn, es
(das Meer) sah die Lade (den Sarg) des Joseph. — Histo-
rische Kontinuität.
Ein frohmutiger und energisch noch rüstiger, besonders
nach geistiger Tätigkeit sehnsüchtiger Zustand des Gemüts
wird gefordert; daneben aber wird den Schmerzen und
Leiden, besonders den sittlichen, eine vertiefende Macht
zugeschrieben, weil sie eben eine eigenartige Tätig-
keit der inneren Erhebung mit sich führen können und
sollen.
Das Erste fehlt dem griechischen Geiste nicht, wohl
aber das Zweite und vollends die unmittelbare und innige
Verbindung beider.
Die Art, wie die Leiden sittlich verwertet werden, ohne
die Energie des Menschen zu brechen, ist durchaus
charakteristisch für die rabbinische Anschauung.
[IL Der Weg zur Bildlichkeit.
1 ». ;• Wert der Leiden, wenn Bie zur Erkenntnis führen,
bestehl darin, daß Bie den sittlichen Bestand Bichern.
11 sind das Salz des Lebens; sie sichern den
Befand der Sittlichkeit; Bie lautem den .Meii^hen.
Wenn ein Mensch sieht, daß Leiden über ihn
kommen, so soll er seine Werke (Handlungen) unter-
suchen.
Erziehung. Selbstprüfung. Reue und Busse.
V'dkserzielumg. Beruf und Genuß.
§ 361. Man muß eine produktive und eine unproduktive
Bildung wohl unterscheiden; diese isl Lediglich auf den Ge-
nuß, lemgemäß auf den Geschmack, die Verfeinerung
u. dergL gerichtet Jene aber auf Erweiterung der Kr-
au;" Vertiefung der Gesinnung usw. töe-
und Chronique scandaleuse, hier Geschichte«
Wenn die höheren Schichten der Gesellschaft, die
Li) Arbeit scheuen, dann wer-
den den u BUassen die Bildung zu
•■n -:i >hen; umg Ihren beren
Klassen die Bildung, wenn elbsl die Arbeit nicht
ichten.
i erflacht bei den oberen Sei, chten,
■ • j < • 1 1 ; un IQ] fen sie
Beruf und Genuß. 105
dann den unteren Klassen die geistige Auszeichnung zu-
gestehen. Die Bildung am Hofe Ludwig XIV.
In England wendet sich die Aristokratie der produk-
tiven Bildung — zunächst in der politischen, dann aber
auch in der außerpolitischen, der praktischen Wissen-
schaft — mit Vorliebe zu und sie tritt in unmittel-
bare Berührung mit dem Volke. Staatsmänner ersten
Banges halten Vorlesungen in Agrikultur- und Arbeiter-
vereinen. Sie adeln dadurch die Arbeit und den
Stand des Arbeiters durch persönliche, eingehende Teil-
nahme.
Jede Arbeit muß erkannt und anerkannt werden als
ein Glied in der Kette der Kultur tätigkeit.
Die Muße ist schön, aber die Arbeit ist gut. Auch
dem untersten Arbeiter soll das Schöne zum Guten sich
mischen, auch dem höchsten Unabhängigen das Gute
zum Schönen.
Die geistige Nahrung, welche man allem Volke zuge-
steht, ist die Religion; aber ist es eine Entweihung der
Religion, wenn man bei der Pflege derselben mit einem
Auge auf die Erhebung des Gemüts blickt, mit dem
andern aber auf die vermutlich notwendige Dämpfung
der Gewalt des Volkes schielt? Dann ist es desto schlim-
mer, wenn man das Maß und die Art des Religions-
unterrichts nach der polizeilichen Dienstbarkeit bestimmt
und darüber den wahren Gottesdienst vergißt.
Wenn das Volk das Erhabenste versteht, die Religion.
Hl Der Weg tax Bittlioh]
dann sollte man es nicht für unfähig halten, die minder
ibene Wissenschaft und Bildung zu begreifen.
Wahrlich, niemand wird die Blasphemie wagen, zu be-
haupten, die Religion verderbe die Menschen, weil sie
iheil aller Mengchen vor Gott lehre, weil Bie
predigt, daß jeder Mensch als ein Kbenbild Gottes sich
denken und danach aufs Edelste zu leben sich bestreben
soll! und es sollte gegen die Religion gehandelt, oder
Btaatsgef&hrlich Bein, den Geist des Menschen zu erheben,
ihn auf die Stufe zu stellen, welche er vermöge seiner
Fähigkeit erklimmen kann?
Freilich halbe Bildung und halbe- Wissen schaden oft
mehr als Bie nützen. Aber gilt dies nicht auch von der
hallten Religion? Die Lehre von der Vorsehung kann
zur Arbeitsverachtung, die hehre vom jenseitigen Gottes-
reieli zur Weltverachtung, die hehre von der inneren
Berufum: des Gläubigen zur Menschenverachtung führen.
: Irrtum die Schuld der Wahrheit? und soll
hiebt unter den Scheffel -teilen, weil die
richten 'inen Brand damit anrichten können?
Man Bagl wohl, die Erziehung ist da- Mittel für den
Wir vollen nichl dagegen streit n,
• obwohl man auch wiederum n muß: Dei 3 tat hat
unter :en, für welche er Mittel ist, die Aus-
bildun inng der Bürger. Nur in der Wechsel-
irirkui - agl die Wahrheit Aber davon einmal al
Erziehung boII Mittel Bein für den Zweck
Erziehung für den Staat als Zweck. 107
des Staates, aber nicht für den Staat, wie er gerade ist,
und daß er so sei und bleibe; sondern für den Staat, wie
er sein soll, für den Staat als Zweck, nicht wie er be-
reits erfüllt ist, sondern wie er nach dem höchsten Maß-
stab der in ihm vorhandenen Bedingungen werden kann ;
für den Zweck, den der Staat sich selber vorsetzt, als
der Vervollkommnung fähig, wie alles Menschliche, und
nur in dieser Vervollkommnungsfähigkeit und durch das
Streben nach ihr wahrhaft menschlich und edel; — es
gibt dazu keinen Stillstand, weder in der Natur noch im
Geiste, man muß fortschreiten, um nicht zurückzukommen.
Die Jungen sollen nicht bloß sein , was die Alten
waren, sondern sie sollen besser sein, die nachfolgende
Generation soll den Volksgeist als Ganzes nicht bloß
erhalten, sondern erheben, nicht bloß erben, sondern
mehren. —
In der Fürsorge für die Erziehung mehr als in irgend-
einer anderen Einrichtung zeigt der Staat, welche Zwecke
er sich selber setzt, wie er seine Bürger in der Zukunft
geartet haben will, und für welche Art von sittlichen Kul-
tur- und Staatsleben er sie befähigen will.
Freilich ist dieser Maßstab kein absoluter, denn auch
ein guter Wille ist zumal in öffentlichen Dingen oft mit
verkehrten Anschauungen gepaart, und man steuert wohl-
gemeinten Zwecken mit rückwärts gewandter Dampf-
kraft zu. —
In Sachen der Erziehung stimmen die Aussprüche der
in. Der Weg rat Sittlichkeit
Religion mit den Aussprüchen ihrer Vertreter selten
Uberein. —
hebräische Spraohform uir den BegritY der Er-
i Shinnuch steht im innigen Zusammenhang mit
i Grün anken der Ethik, der die Eeiligung des
Lebens als Bein Ziel betrachtet Em Eeiligtum muß
• werden.
.: ist, dal» Chinnuch1, Erziehung, als
. W ün bezeichnet wird. 1D10 i^t Zucht. Er-
ror Sittlichkeit ist im Sinne von Heiligung gefaßt
Unterricht im Gegensatze zur \ hen Yererhui.
Zum erziehenden Unterricht gehört das Erlehnis, i
Vorbild Davon hat man oft gesprochen; aher nicht das
einzelne Vorbild, sondern da- Leben einer Gesamtheit —
nicht bloß des einen Ortes — Bondern 90 weit das Be-
wußtsein der Einheit reicht — .SDn in der n^np.
diesen Zustand der Gesamtheit hat aber j<
Einzelne Einfluß. Di'-> gibt einen Zirkel, welcher
ondern induktiv berührt;
he Flui'» ■ - und dieser ^<-h v. cht -• den
Juden immer vor. Ja insofern waren sie immer »'in
itorisches V lk.
A.nford< rangen babi n ucl tigert,
iirt und erhöht Nicht bloß durch die ver&n-
durch Zivilisation reicher und mannigfacher
i wohnen [• n
Sittliche Tätigkeit früher und heute. 109
wordenen Umstände, sondern auch durch Veredlung
der Gesinnung. — —
Früher wurden die WSö durch Schärfe und Feinheit
des Geistes ausgebildet, vermehrt, erschwert; jetzt brauchen
wir sie weniger, weil wir mehr direkt ethisches Tun
haben.
Ein leidlich wohlhabender und gebildeter Mann ist in
15 oder 20 Komitees, die alle ethische Zwecke ver-
folgen.
Er hat 15 oder 20 Statuten und Reglements und Usus an
Stelle der D^rUö zu befolgen, früher hatte man fürHände-
waschen, für Trauer so und soviel §§. In einer einzigen
Sitzung des D. I. GB. oder des U. H. Charities werden
viele wichtige Dinge behandelt, von denen unsere Vor-
fahren keine Ahnung hatten; zu den meisten fehlte die
Gelegenheit, zu vielen aber auch der Antrieb, die
Hingebung, sogar das Nachdenken.
Über JlBttn Ti wurde viel gedacht, gestritten, ge-
schrieben, aber über das edle D^y "023 nnin gab es keine
Abhandlungen und keine XTtyparagraphen.
§ 362. Mit Recht wird großes Gewicht auf eine sittliche
Tätigkeit gelegt, welche man als eine stetige, dauernde (per-
manente) betrachten kann, im Unterschiede von einzelnen
momentan auftretenden Handlungen, wie Begeisterung,
Liebestat usw. Kinder. Waisen. S. Kethub. 50a: Es
heißt Ps. 106, 3: „Heil denen, die Recht und Wohltat üben
zu allen Zeiten." Ist es denn möglich, Wohltat zu üben
J In in. Der Weg zur Etittliohkeit
zu allen Zeiten? Unsere Rabbinen /u Jahne, nach einigen
1;. Bliezer, haben vorgetragen und gesagt: Das geht auf
denjenigen, welcher seine Söhne und seine Töchter er-
nährt, wenn sie noch klein sind. Nach EL Samuel bar
Nachmeni dagegen ist derjenige darunter zu verstehen,
welcher eine männliche und eine weihliche Waise in
m Banse erzieht und sie dann verheiratet.
Religiöse Zeremonien gehören zur höheren edleren
Lebensführung. Man kann ja auch eiu braver Mensch
und ein guter Bürger Bein, ohne die Religion und ihre
Formen zu beachten. GewiL! Zur Prosa braucht man
keine Keime und kein Silbenmaß. Die religiöse Lebens-
weise gehört zur Poesie des Leben-.
I her Gelübde, als einer Form, seinen eigenen
Willen für die Zukunft zu binden, linden sich verschiedene
Ansichten. EL Melr sagt: Besser als der eine (der etwas
gelobl und nicht erfüllt) und der andere (der gelobt und
iini isl der, welcher nicht gelobt (Nedar. 9».) Also
überhaupt nicht geloben; den freien Entschluß für jeden
Momenl aufsparen, in welchem gehandelt werden soll.
R. Jehuda sagt: B< iser als der eine "der der andere [st
lobl und -ein Gelübde erfüllt (das.)..
- will kitgeloben ist nur besser, als das
Nichte! lullen des Gelübdes. 1 82' und 77b
mit bi Deut ! Wer ein (Gelübde tut, wird.
bj füllt. Bünder genannt
Die wahre sittliche Gesinnung. 111
Gesinnung.
§ 364. Die wahre sittliche Gesinnung ist nicht der
Erfolg eines vereinzelten guten Willens, sondern ernster
und eingehender Vorbereitung und Vertiefung. S. Suk-
ka49b: Vielleicht wirst du sagen, dafj jeder, der sie
(sc. die Gnade Gottes s. Ps. 33, 5) einsammeln will, sie
einsammeln kann? Daher heißt es (Ps. 36,8): „"Wie teuer
ist deine Gnade, Gott!" Ähnlich, aber doch ablenkend
ist die Erklärung Raschis.
Die Gesinnung soll ideal sein, ethisch, sie soll aus
den Gütern Kräfte machen und diese immer in den Dienst
der Idee stellen.
Die Triebkraft aller Tätigkeit = Gesinnung. Das Sub-
jekt des Ganzen = Gemüt.
Die Gesinnung entscheidet, nicht die äußere Tatsache.
So beim 1S1tJ> das 12b ]"D »b m iib jp ro Jttsty rm y&t? n?
s. Rosch hasch. III, 7. Dabei werden zugleich die bib-
lischen Wunder der nt^Q ^T und der Brandschlange alle-
gorisch gedeutet. Das. III, 8.
Auf die Gesinnung kommt alles an. Die lautere
Gesinnung des R. Akabia ben Mahalalel in Aboth III, 1.
Er soll zum Gerichtspräsidenten ernannt werden, wenn
er eine Ansicht zurücknehmen wolle; er lehnt aber ab;
„er wolle lieber alle Zeit seines Lebens ein Karr vor der
Welt heißen, als eine Stunde vor Gott und seinem Ge-
wissen." S. Negaim 1,4; V, 3; Sifre zu Behaalothcha:
[12 in. !■. i Weg rar Bittliohi
Berachoth l0-1. Schebuoth 15»; Mena-
choth lio.i
Wissen mit Wollen verbunden ist Pflichtgefühl,
Verantwortung. Der Mensch ist nicht
D ikorganiamua zu bloßer Verstandestätig-
keit geschaffen, sondern als wollendes, bändelndes
Wesen.9
Überwiegen des Gemüts, des Seelischen im
Bändeln. Diu freundliche und tröstliche Ansprache
inen wird höher geschätzt, als die geweihte Gabe.
S. Baba batra 9b: EL Jizchak bat ferner gesagt: Wer den
Armen eine Peruta gibt, wird mit sechs Segnungen ge-
rnet; wer ihn mit mildem Worte anredet, wird mit
elf Segnungen gesegnet
B 365. VorQ-efuhllosigkeit hat rieh der Mensch am mei
zu hüten. Kalte Verachtung ist schlimmer als Zornes«
mpfl werden und sich sogar in Liebe
wandeln; die Kälte bleibt n Los, VergL die schöne
merkung in Biidr. Helm r. zu Kap. 6, 22: EL Simeon
. Lakisch hat ft: Wo Verachtung stattfindet, da
.» es kein« Boffnung mehr, wo aber Erzürnen statt-
t noch Bofiliung, denn wer zürnt, wird sich
' endlieb dooh besänftigen lassen.
i y, s, daß einet viel gibt, sei es, <lali einer
in Hera aul den Himmel richtet
, \ pna Wei lernt, um nicht tu Qben, für n
baffen wordi ri
Reue. 113
Reue.
§ 364. Man hat beobachtet und hervorgehoben, daß
die Heue (nach der Tat) stärker ist als die Warnung
(vor derselben). Worauf beruht das, da doch das sitt-
liche Urteil (die Beurteilung) dasselbe ist? Vergl. Zange
S. 97 f. (auch Drob, und Kant werden bei ihm zitiert. — )
Ich glaube deshalb: Die Reue bezieht sich auf die
geschehene Tat; es ist eine reale Tatsache; alles Wün-
schen, Wollen, Mögen hilft da nichts mehr, es ist ge-
schehen, — es ist eine verzweifelte Sache; dem sitt-
lichen Urteil selbst kommt (psychologisch), weil es auf
eine reale Tatsache sich bezieht, etwas von dem Ge-
wicht der Realität zu; der Widerstreit zwischen
der gewissen, zweifellosen sittlichen Forderung und
der geschehenen Tat ist ein realer Widerstreit geworden;
das Unrecht steht da, es ist nicht wegzuschaffen. — In
der Warnung dagegen handelt es sich nur um Gedachtes,
um bloße Vorstellung (welche erst künftig real werden
soll) ; die Tat und die sittliche Beurteilung sind gleicher
Art, nicht hinausgetragen, wie in der Tat des Reuigen.
Auch im Guten macht sich dieser Unterschied der Hand-
lung gegen die bloße Gesinnung geltend und führt eine
Erhebung mit sich, die der bloßen Gesinnung fehlt.
Der Unterschied im psychologischen Prozeß ist auch
noch dieser: In der Warnung haben wir das Urteil und
die Forderung im Nichttun, verbunden mit der Furcht,
Lazarus, Ethik des Judentums IL
111 [II. Der Weg zur Sittlich*
daL> es ehe (ich meine nur Furcht vor der Sünde,
dem Unrecht Belbst! — nicht etwa Strafe), und der
Hoffnung, dalJ es nicht geschieht: ein Schwanken
und Schweben des Gefühls. Grade in diesem Schweben
wird der Schwankende oft. glaube ich. durch ein plötz-
liches l bergewicht der unsittlichen Neigung überrascht,
überrumpelt — l >ie Warnung ist also nicht so stark:
nur das vergossene Blut schreit zum Himmel.
Das Sittliche empfangt also durch die B :ne scharfe
Bestimmtheit. Festigkeit; daher wird der Durchgang
durch die Buße so gepriesen.
Bü!>er; „Freude im Himmelreich" — ist nämlich, weil
auch durch das Verzweifelte der Tatsächlichkeit und
Unabänderlichkeit eigentlich der moralische Mut ge-
brochen wird. Daher ruft Herbart is. Enzyklopädie)
auch hier die Religion zu Hilfe.
wifi ist das sittliche Gesetz und Beine Anerkennung
die Voraussetzung der Eleue; obwohl oft genug diese die
Form ist, der psychologische Prozeß, in welchem das
• (hl urteil zur Klarheit über sich selbst kommt (vgL
» •:!• Ursprung der Sitten). Daß da Urteil in der
Reue auch klarer wird, weil nämlich der Widerstreit der
dasselbe jetzt fehlt, — hat man schon
Wichtig aber ist nun: diese Klarheit der Be-
urteilung i-t nicht gleich d< jen des unparteiischen
Zu ;hem ja auch die Neigung als Störer
nicht ■ In ist), sondern au- derBealit&l des ge-
Beue. 115
schehenen Unrechts entspringt eine eigentümliche
Schärfe der Beleuchtung; die Tat ist da; sie ist mein,
als meine Tat da; die Verbindung zwischen sittlichem
Urteil und Realität ist — mit negativem Erfolg — voll-
zogen; ich bin mit dem Unsittlichen verbunden, an meiner
Tat haftet es, also an mir. Dieses Unsittliche, das so
real fest dasteht, so unabänderlich ist, ist also fester als
meine ganze moralische Gesinnung, die doch nur im Denken
und Fühlen besteht, keine Tat ist, erst Tat werden soll.
Daher auch wiederum „Gutes tun" als das eigent-
liche Gegengewicht gegen das Unrecht erscheint. Das
Sittliche muß auch positiv real in mir oder aus mir sein.
S. Berachoth 12 b. Rabba, Sohn des Chenana, des Alten,
im Namen Rabs hat gesagt: "Wer eine Sünde tut und
sich derselben schämt, dem werden alle seine Sünden
vergeben. E^flö, d. i. er findet es unter seiner Würde;
rnilllj? ^3, d. i. weil der ganze innere Mensch ein anderer
geworden, eine höhere sittliche Stufe erstiegen, darum
schwindet das ganze Vorleben dahin. Das tiefe, wahre
Gefühl der Reue soll nicht bloß Pein um das Vergangene,
sondern Bürge für die Zukunft sein, das Verwerfliche
in Wahrheit für immer verworfen zu haben. S. Meno-
rath hammaor III, 5 S. 132 bei Fürstenthal.
Reue und Buße vertiefen das sittliche Bewußtsein s. Be-
rach. 34 b: R. Abbahu hat gesagt: an dem Orte, wo die
Bußfertigen stehen, stehen nicht die vollkommenen Ge-
rechten.
1 [6 Ol. Der Weg rar Bittlichk
Wiederherstellung der reinen G-esinnung durch Be-
kenntnis vor sich (oder anderen), also durch Einsich!
in die Sünde und Selbstverurteilung. S. Midr. Bam.
midi», r. Par. 20, L5J
Selbstprüfung, /war oft bei aller Welt empfohlen,
wird selten gettb t.
Die Buhe und die Umkehr soll mau dem Verbrecher er-
leichtern. Es i-t vielleicht von den Kahhinen darin ZU
weit eigen, wenn sie dir Annahme de- Ersatzes nicht
gutheißen s. Baba kamma 94b*. VergL Bienorath bam-
i MI. 5 S. 132 Ö'. bei PürstenthaL
§ 366. ('her die TOWrt, Buße vergL die schöne Stelle in
Pesikta de Etab Kahana Piska 25. Man fragte die Weis-
heit: Was BOll die Strafe des Sünders sein? Sie antwortet
mit Prov. 13.21. Man fragte die Prophetie: Was boII
i Jeden, der gesündigt bat und Bpricht ich habe gesündigt,
üarf <ler (strafende) Engel nicht anrühren.
I Die Rabbineo haben gelehrt Wenn Räuber und Wucherer su-
kerstalten, s<> nehme man von ihnen nichts an. Und wei eta ts
von iimen annimmt, mit 'Irin sind die W< isen nicht zufrieden
....._ _-.. . ....._ _._ ..Xl j. jochanan hat Diese Lehn
, den Tagen R : Mit einem Menschen, der Buße
tun wol le, tru h ni, - d W< zu ihm sprach Öohl-
kopl • — '' wenn du Buße tun willst, bo ist selbst dein Gurt nicht
• dein. (Jnd er li< en und tat keine Buße. In •
sprachen sii Wenn Raubet und Wucherei zurückerstatten
ime in ni von ihnen nichts an, und wer etwas von
ihm imii, hui dem sind die Weisen nicht zufrieden. |
Dem '. meht ' und dei Frömmigkeit in
ihm i 1» H
Buße. 117
die Strafe des Sünders sein? Sie antwortet mit Ezech.
18, 4. Man fragte die Thora: Was soll die Strafe des
Sünders sein? Sie antwortet mit Lev. 1, 4. Man fragte
den Heiligen, gebenedeiet sei er! Was soll die Strafe des
Sünders sein? Er antwortete: Er tue Buße und bewirke
dadurch seine Sühne, denn so heißt es Ps. 25, 8: „Gütig
und gerade ist der Ewige, darum zeigt er den Sündern
den Weg." Vergl. jer. Makk. II, 8 und Jalk. zu Tehil-
lim Nr. 702. In derselben Piska erklärt R. Huna im
Namen des R. Chanina bar Papa in bezug auf den
Brudermörder Kain das Wort N2H Gen. 4, 16 dahin: Er
ging hinweg (von dem Angesichte des Ewigen) wie einer
der sich freut, sowie es heißt Ex. 4, 14: „Und siehe, auch
er geht dir entgegen, und wenn er dich sieht, freut er
sich in seinem Herzen." Als er von Gott hinwegging,
begegnete ihm der erste Mensch und fragte ihn: Was ist
mit deiner Rechtssache geworden? Kain antwortete: Ich
habe Buße getan, und meine Rechtssache ist geschlichtet
(ausgeglichen) worden: Da schlug sich der erste Mensch
mit der Faust aufs Angesicht und sprach: Das habe ich
nicht gewußt, daß die Kraft der Buße so groß ist. In
dieser Stunde sprach er die Worte (Ps. 92, 2): „Gut ist
es, dem Ewigen zu bekennen." Die angezogene Piska
enthält noch viele andere tiefsinnige Aussprüche über
den Wert und die Bedeutung der Buße. — Nach Rosch
hasch. 16 b vergl. j. Thaan. II, 1; Beresch. r. Par. 44 und
Pesikta de Rab Kahana P. 30 gehört die Buße auch zu
11-; nr. Der Weg «rar Bittliohk
«Jeu Dingen, welche das Verhängnis, d. L den göttlichen
Gerichtsbeschluß aufheben, über die Kraft der Buße
and des Gebetes b. Midr. Wajikra r. Par. 10. Nach
einer Ansicht bewirkt die BulW alles und das Gtebet nur
Bälfte, oach der anderen ist gerade das Gegenteil
der Fall. Daß die erstere alles bewirkt, wird durch das
Beispiel Adams, Hains und der Leute von Anathot er-
wiesen. Weiter unten wird ausgeführt, daß die BuUe
bängnis und Verfluchung aufhebt'
Lohn und Strafe. Erfolg des Handelns.
§ 366. Wohl seit 100 Jahren ist das Wort ., Hülle" und
„Höllenstrafen" in keiner jüdischen Predigt und auf keiner
jüdischen Lehrkanzel au ochen worden. Auch im
Volke hört mau das Gehinnom Easl nur im bildlichen
Sinne für ir.: nnen. Der Gedanke ist nicht
nur fremd geworden, sondern man riehl daraus, daß er
im Grunde immer fremd gewesen. Wenn die mittel-
u Moralisten ermahnt haben, sich WTC
i:— ; "s zu retten, so i Phant • labei wei
n. und wenn ein jüdischer Dicht
;i Ausspruch des EL Joehanan Qber die Krall «lcr Buße
lauii-i I. IT ' . denn sie zerreißt «len
. von Gott bi - Urteil Qber den Men-
schen» I> H
Lohn und Strafe. 119
poetische Kraft eines Homer und Shakespeare in sich
vereinigt hätte, so würde er kein Denker und kein Bildner
der Hölle geworden sein. Auch die beliebte Formel
des „Maß für Maß" ist schon im Talmud und ebenso
später auf irdische Schicksale bezogen worden. Nur den
einen Gedanken haben die trüben Jahrhunderte gehegt,
der uns neuerdings abstößt und anwidert, nämlich die
Lösung des alten Problems von "6 y*Vl pH3 ib 21B1 ytsn durch
die Annahme, daß der Bösewicht für seine guten Taten
hier abgefunden, der Tugendhafte vor jenseitigen Leiden
und Störungen seiner Seligkeit bewahrt wird.
Im allgemeinen ist der Glaube an Belohnung des
Guten auch in dieser Welt verbreitet; die genauere Be-
obachtung der Erfahrung führt auf die tiefere Auffassung,
daß die Sittlichkeit als solche von Lohn und Strafe über-
haupt unabhängig, die reine ideale Belohnung im Jen-
seits stattfindet, daß die künftige Welt keinen Genuß im
diesseitigen Sinne bietet. S. Berach. 17 a den Ausspruch
Rabs, ebenso Chullin 142 a und Kiddusch. 39 b. 1
Der wahre Lohn des guten Willens ist, daß er die
Mittel und daß er die rechte Gelegenheit zum
1 Es war ein Grewohnheitsspruch im Munde des Rab: Nicht
wie diese Welt ist die künftige Welt. In der künftigen Welt ist
nicht Essen und nicht Trinken, nicht Fruchtbarkeit und Vermehrung
und nicht Kauf und Verkauf und nicht Haß und nicht Eifersucht,
sondern die Frommen sitzen mit ihren Kronen auf ihren Häuptern
und laben sich an dem Glanz der Schechina. D. H.
L20 HI. Der Wi bui Sittlich,
Wohltun findet. S. Bab:i batra U "IV., wo eine lange Aus-
einandersetzung aesjeben i-t.1
1 Von K. MeTr wird Baba balra H»a bcrielitct, daß er
I habe, Gott habe die Armut nur deshalb ^zugelassen, am uns
Wohltätigkeit anzuspornen, damit wir durch sie vom Gericht
Gehinnom ^ereilet würden. Vergl. l.T. die Theodicee der
in der Welt S. 259f.
10. Capitel.
Die Pflichten (JYQin), die erfüllt, oder die Ideen
die realisiert werden sollen.
Übersicht.
§ 367. In den Kreis der Pflichten (mnin), die erfüllt
werden sollen, gehört
A) Selbsterhaltung (gegen Selbstmord).
B) Selbsthaltung und Pflege (als Gottesebenbild).
Keuschheit, Züchtigkeit.
C) Selbstschätzung und die Schätzung anderer. Ehre,
Bescheidenheit, Stolz, Hochmut und Demut. Die
Pietät.
D) Der Friede in sich — und mit anderen. Schick-
salsgemeinschaft; Mitleid und Mitfreude.
E) Kulturtätigkeit. Wissenschaft, Kunst und Gewerbe,
Handwerk. ntyjm 1PK fco. Wochenarbeit und
Sabbatruhe. Arbeit und Muße, erhebende Erholung.
F) Gerechtigkeit und Billigkeit. Leben, Gesundheit,
Eigentum (Fund und Schadenersatz), Ehre aller
(Schutz gegen Gefahr npj?D, ^W3D, besonders gegen
y\n ymb).
HL Der Weg zur Sittlichkeit.
G Gnade und Liebe — Wohlwollen und Wühltätig-
keit: Geiz. Dankbarkeit Verzeihung gegenüber dem
Eteuigen, Güti d den Fehlenden, gegen Grollende
(Tier vbl z'-r vh ; Erträgen des Starken Rachsucht
'13 0*3^371 und Leiten des Schwächeren 12 nptnm.
H) Wollen der Sittlichkeit auch der anderen, aller
anderen; der Gesamtheit, a"2"iy.
Die drei Grundbegriffe desR. Simeon benGamliel.
§ 368. l>i<- drei Grundbegriffe welche Sinieon ben
Ganiliel aufstellte: übv p HC«,1 haben gar nicht blob
einschränkende, negative Bedeutung; vielmehr grade in
der positiven Fassung gegenüber dem blolJen Verbote
in der älteren Form offenbart sich der bedeutende Fort-
schritt, der schon bei den Propheten angebahnt ist. nCNH
13TW inbir.T* und dergl. mehr.
1. Während in der ältesten Zeit bei Begründung mensch-
licher Gescllung das Übergewicht physischer Kraft (liebst
Geschicklichkeit besonders in der WaffenfÜhrung | als unbe-
dingt lobenswert erscheint, tritt das Übergewicht des( iristes
in der nach- >che hervor; hier gilt nun die List als die
neu*- Form d< iit. der „vielgewandl udungsreiche
i der im Kampfe erfolgreiche hervor. Wiebeiden
II ben Beiden, so auch im Benehmen der Etebekka
teD Jakobs und dergL erscheint die List ah durch-
. I, lv I) II.
c-i ii galh -- »X --■;-. i'. II-
Wahrhaftigkeit. 123
aus lobenswert. List, Macht und Herrschaft erheben den An-
spruch, in der individualisierenden Gestaltung der mensch-
lichen Persönlichkeit als unbedingte Vorzüge zu gelten.
Dem wird nun entgegengetreten. An die Stelle der
List, Schlauheit usw. soll offene, freie Wahrhaftigkeit
treten. Die List besteht tatsächlich nur durch den in-
neren Zwiespalt im Listigen, er muß zweierlei Entgegen-
gesetztes zugleich denken, 3^1 ibl l: mit zweierlei Herzen.
An die Stelle des Zwiespalts soll die innere Harmonie treten:
"tiäH DJV. Aber ebenso in der Beziehung zwischen den ver-
schiedenen Seelen; die List und die Lüge trennt die Seelen;
die Wahrheit, der offene Einblick des einen in die Seele des
anderen, verbindet beide, schafft einerlei Denken in ihnen.
Es ist ein G-eist, der in den verschiedenen Seelen waltet.
Das ist der positive ethische Zug in der Wahrhaftig-
keit, welche unmittelbar mit dem höchsten und letzten
Zweck des Sittlichen in Verbindung steht. Daher der
Preis des 1"QD DIH3, dessen Inneres wie sein Äußeres u. dgl.
Nicht bloß das Trennende in List und Lug soll ver-
mieden, sondern das Einende, Verbindende in der durch-
sichtigen Klarheit des offen erscheinenden inneren Lebens
soll gesucht werden.
H12K und JlilöK hängen zusammen; die wahre Auffas-
sung und Darstellung des Vergangenen und Gegenwär-
tigen, wie es wirklich ist. das ist nEN; dagegen die Zu-
i Ps. 12, 3. 2 Hiob 1, 8. 3 Joma 72b. Ein Jünger der Weisen,
dessen Inneres nicht wie sein Äußeres, ist nicht ein Jünger der Weisen.
124 HI. Dei Weg rar Bittlichi .
versieht, daß das Küntt o sein werde, wie es ver-
sprochen, (von Gotti verheißen wird, ist PÜ1DK,
ßeiJi- hängen mit DDK, Eusammen ' und nc\s. eis
ist eine durch Wahrheit zu einem Volke verbundene
M Qge. In bezog anf theoretische Erkenntnis der Dinge
wird der Ausdruck JTDH nicht gebraucht. Zwar wird
eine Portschreitende, nur durch geistig»- Arbeit zu er-
reichende Erkenntnis der Dinge gepriesen und gefordert;
namentlich alt Krkenntnis der Werke Gott Die
Eigenschaft, Tätigkeit und Ursache der Ding«- zu er-
kennen, v sucht: -'"- D3711, „schauen" d.i. genau
titen ; Jes. 5, 12 W»3< *b ~ ^JflB nW wird verachtet; aber
nicht der Erfolg, die Tätigkeit vielmehr wird hervorgehoben.
Daher die Bezeichnung als ~::~. n:*2. njH; alles subjektiv;
■ n aucli die r^zr, zuweilen hyp heint.
■ Erfolg der ethischen Einsicht istrtDK;
diesem Sinne ist nDM UTOm r\BH JWt und als Schluft-
Denkweise no« n z~~ \n IDTOn«, d< r gleich einem
( lharakter ist HDK.
1 auch di< nteiligen Begriffe Irrtum. Mangel
it, niedrige Stufe der Erkenntnis sehr selten be-
tet und v. i >:• Eigenschaften d<-r Dinge
:ennen I die Weisheit ihr« Schöpfers erkennen.
Ablauf und die Verkettung der natürlichen Ereig-
nen und unabänderlichen — selbst
Du ;si etymologisch unrichtig. I' li : Hiol
14*. * - \
Recht. 125
zur tatsächlichen Erreichung sittlicher Zwecke nicht ab-
geänderten — Gesetzen. Das wird allgemein anerkannt
und damit begnügt man sich.
Dahingegen dem sittlichen Gesetz bis auf den Grund
zu sehen, gilt als höchste Aufgabe: Tib'b) D8V U mmj
Ebenso soll man dem sittlichen Menschen bis auf den
Grund seiner Seele sehen.
2. Auf gleiche Weise bezeichnet p nicht bloß ein
objektives Verhältnis, sondern ein subjektives Verhalten.
An die Stelle des Beliebens, der Neigung, der indivi-
duellen (geistigen und bürgerlichen) Macht soll die Gesetz-
lichkeit als Norm des AVillens treten.
Die Vorschrift, Satzung, Gesetz sollen im Innern die
Persönlichkeit, und nach außen die Beziehungen zu Gott,
zum Nebenmenschen, zu den eigenen Verhältnissen regeln.
Daher ist p besonders das Recht; und hier vor allem das
Recht des Schwachen, der geschützt werden soll vor jeder
Vergewaltigung. Aber p ist nur das Minimum. Erst
)H»T mi»ö n^^b birgt das Hochmenschliche.'-1
p, Recht, ist schöpferisch, denn es schafft die Form der
Gesellschaft. Insofern schafft es am positiven Zweck der
Menschheit, als es eine Einheit der Menschen in ihrer
Gesetzlichkeit herstellt. Aber p als Recht schafft
nur eine Rechtssphäre für jeden Menschen (bezw. für jede
1 S. Josua 1,8. 2 s. Mechillha Jithro Anf. „Tue ihnen kund
die Handlung« (Exod. 18, 20), das ist die Linie des Rechts (das
genaue Recht); „was sie tun sollen" (das.), das ist innerhalb der
Linie des Rechts (Billigkeit). D. H.
111. Der Weg zur Sittlich!.
eng< inheit von Menschen, wie Familie, Geschlecht
.), sichert ihm seine Geltung, die Ausführung Beines
berechtigten Wollens. Alle Personen also kommen mit
B ihtssphäre zur G-eltung. Auf der einen Seite soll
Übergriff in die Sphäre des anderen (zumal des
Schwächeren), auf der anderen Seite die Unterdrückung,
Beeinträchtigung vermieden werden.
Die vor dem Gesetz und durch das Gesetz gleich-
geltenden Personen aber — auch der Fremde — sollen
eine positive innere Beziehung zu einander suchen und
linden, deshalb pn mWß tPtik gehen; — das Verwerf-
liche des min p ty BTO*1 TTBPtl.1 Denn p bindet unter
das Gesetz, aber trennt jeden in seine Sphäre hinein. Über
>hlichkeitderBichter(TnW)8.j.Kethub.X,33dfm.;bab.
Kethub.106 . Samuel fragte aus Dankbarkeit: Kann ich dir
mi: dienen? usw. 2 Diese Strenge ist charakteristisch,
der Anekdoten über dieselben waren viele im Schwange. Die
wahre und positive Verbindung der Menschen tritt hervor in
_-_•. Dies bedeutet vor allem «las Zusammenge-
d zu einem Willen. icvrir objektiv ist das
inverletzte) Bei] di Menschen.) Da-
lier Dl z~ryz 2-~~ -••• v "2";. wie auch ihr Wille be-
• schaffen Bei, wenn er auf das sittlich Höchste in der
rin des Willen Vielheit, nämlich der Einheil
i Babamei 30 S setzte in einer Fahre Ober. Da kam
om Mann und reichte ihm die II ind Darauf sprach Samuel m ihm:
In \ »rt i r ipracfa leb habe ein iche Daraul jener
,.r f.e Lei i untauglich geworden. D H
Möglichkeit der Überwindung des Egoismus. 127
des Wollens gerichtet ist, so wird er um deswillen gleich-
sam untadelhaft. DH3 yfb by rrapn )*K to.i
Die Voraussetzung (vollkommen berechtigt) ist, daß
böse Absichten, Ziele, eine solche Einigung der Willen
nicht zustande kommen läßt. Die formale Beschaffenheit
des geeinigten Willens aber steht so hoch, daß er die
Vollkommenheit des ethischen Inhalts zu bedrohen
imstande ist, so daß es eben jener Voraussetzung bedarf,
um die Wahrheit des ethischen Systems nicht zu verletzen.
§ 369. D\"6n D^S2 heißt: geistig. Im Prinzip des Geistes
liegt die Möglichkeit der Überwindung des Egoismus,
der Zusammenschließung.
Der Geist hat seine ursprüngliche Beziehung zum
Materiellen und behält sie auch; aber in dem Maße
als er sich auf sich selbst besinnt, seines eigenen
Wesens bewußt wird und ihn (den Geist) zum
Zweck erhebt, gelingt ihm die Vernichtung des
trennenden Egoismus und Herstellung der Einheit.
A. Der Körper und die ganze materielle Welt als Ob-
jekt des Erkennens. — Kampf ist vorhanden; aber
der Überwundene ist der Belehrte; der Schüler
gewinnt und genießt die Wahrheit wie der Lehrer.
— Die Wahrheit siegt über beide.
1 Götzendiener — wenn Friede unter ihnen ist, so kann der
Heilige, gebenedeiet sei er! wenn man so sagen darf, sie nicht an-
rühren. — Das Geschlecht des Turmbaus mußte durch die Sprachen-
verwirrung in Uneinigkeit geraten, um der Strafe zugänglich zu
werden. Bereschith r. 3b, 7 und die das. angegebenen Stellen. D. H.
HL. Der Weg zur SittUchieit.
Die Wahrheit wird nicht zur Wahrheit und
nicht wertvoller, weil sie meine Wahrheit, son-
n ich werde wertvoller, weil ich die Wahrheit
besitze, d. h. denke als mein'' Gedanken. S. Kiddu-
schin 32b. '
B. Plastische Gestaltung der sinnlichen Welt, Hinein-
bilden von Gedankei . Realisation von ästhetischen
[deen.
Der Besitz des Schönen ist eine fremde Bei-
mischung zum ästhetisches Interesse. Dagegen isl
htnng »bar fasl ohne Schranke: öffentliche
Hunten und Denkmäler; Museen (ein edles Prinzip
gemeinsamen, oder Gesa m tbes itz.e-
( '. Der stärkste G tz ist der Wille gegen den
anderen. Allein die Ldee zur Norm des Willens
erhoben ELberwindet sofort den Werl des egoistischen
Willens (8.Aboth2,4: "JiWO UWliW), namentlich
aber "ptn bö2 osw.a
Das Wollen gemeinsamer Zwecke erzeugt ge-
meinsamei Wollen, Wollen der Zusammen-
igt notwendig Zusammenschlie-
inhaltlichen Wollei
i i 1 1 ; ; wende aber ist da
dem Genuß, aus der Erregung durch
. . . -. _-._ |
Willen zu deinem Willen gib
em Willen. I> II
Verbalten zum NebenmenscheD. 129
das sinnliche Objekt. Hier also liegt die Haupt-
quelle des Egoismus: Genußsucht, Habsucht, Neid,
Mißgunst, Geiz.
Genau betrachtet zeigt sich, daß die geistige Irrung,
abstrakte falsche Auffassung, man könnte sagen
theoretischer Irrtum (z. B. des Geizigen!) Quelle
des Kampfes ist. 1. abstraktes Besitzen gegen
den wirklichen Genuß und die Verwendung; 2. Sorge
um die Zukunft und für das Geschlecht.
Gegenmittel: 1. Freude am Genuß des anderen;
2. Sinnliches Regen, Bewegen, Schaffen über Ge-
nießen 3. geistiger Genuß.
Kampf fordert Genügsamkeit des anderen; Friede
bietet die eigene Genügsamkeit; mit ihr ist die
Möglichkeit gegeben, daß alle Güter gemeinsam, sind.
Der Natur genügend abringen, aus ihr genügend
durch Kultur schöpfen: daher ein Ideal lJS:i nnn JJ^K
iniKn nnm.1
§ 370. Eine der wichtigsten Regeln der ganzen Sitten-
lehre inbezug auf das Verhalten zum Nebenmenschen
ist, sich in die Seele, ins Gemüt, in den inneren Zu-
stand des anderen versetzen.2 Schon die Thora gibt in-
direkt die Anleitung dazu: *UH t?B} n« DnjTP DD« "0,3
ferner bei WS3 n« KPtt «in y6« 'D rüW )nn löYO.4
1 Micha 4, 4. 2 Sich in die Seele des andern versetzen,
mit ihm fühlen und darauf die Behandlung einrichten. Vgl. Maim.
bei Rosin S. 139. 3 g. Ex. 23, 9. 4 s. Deut. 24, 15.
Lazarus, Ethik des Judentums II. 9
1 30 in. Der Weg zur BitÜiohkeit.
Der Durchschnitt der Menschen würde viel edler han-
deln, wenn er diese Regel befolgt''.
Es isl nicht nur der .Mangel an gutem Willen über-
haupt, an sittlicher Gesinnung, wodurch die Menschen
es an der wahren und vollen Gerechtigkeit, geschweige
an Li( bestaten fehlen Lassen, Bondern der Mangel an
Aufmerksamkeit, an Einsicht in die wirklich vorhandenen
realen und seelischen Tatsachen, welche im Zustand und
im [nnern des andern spielen.
Alle speziellen sittlichen Gebote stehen in Verbindung
mit der Geschichte, mit der erscheinenden Entwicklung
des Menschen, oder aber mit den Naturbedingungen,
welche den natürlichen Lebenslauf bestimmen. Die
Kabbinen haben eine schöne Allegorie über diese Ver-
bindung, s. Schabb. 88bu. 89*, wonach sich die Gebote auf
den Menschen beziehen, auf Nachbarschaft der Götzen-
diener, auf Sabbatruhe nach der Wochenarbeit usw.
Alles naturnotwendige Dinge betreffend.
Die Stelle lautet vollständig :R.Josuaben Levihal gt:
\N';i> bedeutet, was geschrieben atehl (Hoheslied 1,13
„Ein Myrrhenbündel ist m< d Geliebter, zwischen meinen
Brüsten übernachtet er?" Die Gemeinde Israel sprach
\,,r dem Beiligen, erl: Berr der Welt!
obgleich mein Geliebter mich bedrängt tPDBf) and mich
verbittert, so übernachte! er doch zwischen meinen Brfl
Eine Cyprosdolde ~::~ tatPM isl mein Geliebter in den
\\\ .:.'■ E — ;• (Li, derjenige, dem alles gehört
Eudaemonismus. 131
(fito blTW), vergibt mir die Sünde (]1J> *b 1B3ö) mit dem Böck-
lein (HU), die ich auf mich gehäuft habe ("6 TIB"DLS>). Woher
entnehme ich, daß D"D der Sinn von: häufen hat? Mar
Zutra bar K ab .Nachnian hat gesagt: Sowie gelehrt wor-
den ist (Kel. XXIII, 4): Ein Stuhl des Wäschers, auf
den man Geräte häuft ("pty D^onttt?). — B. Josua ben
Levi hat ferner gesagt: Was heißt, was geschrieben steht
(Hoheslied 5, 13): „Seine Wangen wie Balsambeete (vnb
Dtrnn runjD)?" Mit jedem Worte, welches aus dem Munde
des Heiligen, gebenedeiet sei er! (bei der Thoragebung)
hervorging, wurde die ganze Welt mit Balsamgeruch
(D^n) erfüllt. Wenn sie eben schon mit dem ersten
Worte erfüllt war, wohin kam dann das zweite Wort?
Da ließ der Heilige, gebenedeiet sei er! einen Wind aus
seinen Vorratskammern hervorbrechen, welcher das erste
immer fortwehte, denn es heißt (das. 5, 6). „Seine Lippen
Lilien, Myrrhe träufelnd." Lies nicht: D'Otrisr, Lilien,
sondern: triltftf, welche ändern. — R. Josua ben Levi
hat ferner gesagt: Bei jedem einzelnen Worte, welches
aus dem Munde des Heiligen, gebenedeiet sei er! her-
vorging, ging Israel die Seele aus, denn es heißt (das.
V. 6): „Bei seinem Sprechen hauchte ich meine Seele
aus." Wenn ihnen aber beim ersten Worte die Seele
ausging, wie konnten sie denn das zweite Wort aufnehmen ?
Er ließ jenen Tau herabsteigen, mit dem er einst die
Toten beleben wird, wie es heißt (Ps. 68, 10): „Mit reich-
lichem Tau ließest du träufeln, Gott; dein Erbteil und was
9*
| in Der Weg zur Sittlichkeit
itt.i war, stelltest du aufrecht." — R. Josua ben
I. vi hat ferner ur * ■ - ; i u t •. Durch jedes Wort, das ans dem
Munde des Heiligen, gebenedeiet sei er! hervorging, ginnen
die Israeliten li; Mil rückwärts und die Dienstengel liel
sie herbeihüpfen, wie es heißt (das. V. 13): „Die Engel
der Eerrscherin hüpfen, sie lassen hüpfen." Lies nicht:
pTT. Bie hüpfen, Bondern: ]HT, sie ließen hüpfen. — R. Josua
ben Leu hat ferner gesagt: In der Stunde, da Mose zur
Böhe stieg, sprachen die Dienstengel vor dem Heiligen.
gebenedeiet sei er!: Herr der Welt! was soll ein Weih-
geborener unter ans? Er antwortete ihnen: Die Thora
zu empfangen ist er gekommen. Da sprachen sie zu ihm:
Das Köstliche, das Verborgene (Aufbewahrte), das du
dir v.»n den sechs Schöpfhngstagen her 974 Geschlechter.
bevor die Welt erschaffen wurde, verborgen (aufbewahrt)
hast, wilKt dn Fleisch und Blut geben? „Was ist der
M nsch, daß du Beiner gedenkest, und des Menschen
Sohn, daß dn ihn bedenkst" (Ps.8,6)? „Ewiger, unser
Berr! wie herrlich ist dem Name auf der ganzen Erde,
de deine Pracht auf die Himmel gibst?" Der Bei-
lige, - leiet sei er! sprach hierauf zu Mose: Gib
,lu ihn \ ttwortl Er sprach ror ihm: Herr der Weltl
ich furchte mich, neileicht werden sie mich mit den,
Bauche ihres Mund [-brennen. Da sprach er tu ihm:
Balte dich fest an dem Throne meiner Berrliehkeit und
gib ihnen Antwort, denn et i I (Hiob26,9): „Über
ihn. <; cht des Thrones, breitet er
Demut und Bescheidenheit. 133
seine Wolke aus;" wozu R,. Nachum bemerkt: Das lehrt,
daß der Allmächtige von dem Glänze seiner Schechina aus-
breitete und ihn bedeckte. Darauf sprach er vor ihm:
Was steht in der Thora, die du mir gibst, geschrieben? „Ich
bin der Ewige, dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten
herausgeführt hat." (Exod. 20, 2 ff.) Da sprach er zu ihnen
(den Dinstengeln): Seid ihr nach Ägypten hinabgezogen?
wäret ihr Pharao dienstbar? was wollt ihr mit der Thora?
Ferner steht darin geschrieben : „Ihr sollt keine anderen
Götter haben"; wohnt ihr etwa zwischen den Völkern,
welche den Götzen dienen? Wiederum steht in ihr ge-
schrieben: „Gedenket des Sabbattages, ihn zu heiligen";
tut ihr etwa Arbeit, daß ihr der Ruhe bedürfet? Wieder-
um steht in ihr geschrieben: „Du sollst den Namen des
Ewigen, deines Gottes, nicht zum Falschen aussprechen
(KtWl N1?)". Gibt es etwa Handel (Nehmen und Geben)
unter euch? Wiederum steht in ihr geschrieben: „Ehre
deinen Vater und deine Mutter"; habt ihr etwa Vater
und Mutter? Wiederum steht in ihr geschrieben: „Du
sollst nicht morden, du sollst nicht ehebrechen, du sollst
nicht stehlen"; gibt es etwa Eifersucht (Neid) unter
euch, oder ist der böse Trieb unter euch? Sofort stimmten
sie dem Heiligen, gebenedeiet sei er! bei, wie es heißt
(das. V. 10): „Ewiger, unser Herr, wie herrlich ist dein
Name auf der ganzen Erde!" Es heißt aber nicht: „Gib
deine Herrlichkeit auf die Himmel". Sofort wurde ein
jeder ihm zu einem Freunde und übergab ihm etwas, wie
lll. l'. r Weg bot Sittlichkeit.
es heil'.t das. 68, 19): ..Du bist zur Höhe gestiegen, mach-
;gene. nahmst Geschenke von Menschen", näm-
lich: als Belohnung dafür, dati sie dich einen Menschen
genannt halten, hast du Geschenke empfangen. D. H.
EJine schöne Stelle über Bedeutung und Wert dir
Gebote s. Pesikta v. EL Kahana ed. Bnher, 8. K>2. Pis-
ka 33. Die Gebote sollen dir nicht wie eine alte Ver-
ordnung sein, deren man nicht achtet, sondern wie eine neue,
um derentwillen sich jeder in Bewegung setzt. Also Gebote
werden verschliffen, sollen aber ei ergischer erfaßt werden.
Pflicht und Schicksal.
§ 371. Den Erfolg deines Handelns mußt du der Vor-
sehung aberlassen, dich selbst aber nur um die Erfüllung
deiner Pflicht kümmern. VergL Berachoth LO'.1
i i enuß.
6 372. Die mittelalterliche jüdische Ethik zeigt sich
freilich dem Lebensgenuß abgeneigt, und will ihn nur auf
die Notwendigkeit zur Erhaltung der Gattung und der
Kräfte des Einzelnen beschränken. S. Maimon., H. Deotb
III i;;i. Bmun. we-deoth IX.".: X. ."» tV. : Orach chajim
Ni • Die mittelalterliche Anschauung hängt
nicht bloß mit den trüben Zeiten ihrer Entstehung überhaupt
i v. mein <l Geheimi B G lies)?
ciragi n itt, I. i Um tollen. Wal ab« dem
ii, er ton. D. H.
Genuß. 135
zusammen, sondern war gewiß auch durch die Erfahrung
unterstützt; wer durch den Trieb nach Lebensgenuß, viel-
seitigem Ergötzen ergriffen war, konnte ihn in den be-
schränkten Verhältnissen nicht befriedigen; mit dem
Hinausdringen aus den Schranken pflegten aber auch die
des Gesetzes und der strengeren Sitten zu fallen; dafür
hat es an abschreckenden Beispielen gewiß nicht gefehlt.
Der Ausdruck njn rVD*ir6 HSV ist sehr charakteristisch.
Wurde doch selbst das reine, sittliche Hinausgehen aus
Schranke und Überlieferung deshalb verpönt und wegen
der Folge gefürchtet.
Die talmudische Anschauung ist im Ganzen viel lebens-
freudiger, ebenso wie die biblische.
Die Askese wird im Talmud gradezu als töricht und
verkehrt abgewiesen.
In Bezug auf Genuß und Weltfreude siehe Kap. IV
(S. 23 bei Wolff). Sehr gut bei Maimonides der Irr-
tum geschildert über Heilmittel und normale Nah-
rung, „als ob Gott ein Feind des Körpers wäre!" auch
S. 25 über Fasten. Vgl. Note 21, S. 29.
Wenn Lebenserhaltung nur für einen von zweien mög-
lich (durch Löschung des Durstes in der Wüste bei
Wasser, das nur für einen zureicht!) ist, so will "HIBS p,
daß dann lieber beide sterben; dagegen will «^pj? 1,
daß einer sich erhalte. S. Sifra Behar. P. 5.
Die Ansicht des Ben Paturi geht offenbar dahin, daß
das Leben des Erhaltenen wert-, weil würdelos, vielleicht
136 in. Der Weg zur BittliohJ
sogar unerträglich wird durch das Bewußtsein, dem an-
ren die Lebensmöglichkeit entzogen zu hüben, also
Mitschuld an seinem Tode zu tragen; keiner will, oder
soll mit Bolchem Bewußtsein leben wollen. Akiba aber
ist der Meinung: Der sine gewinnt das Leben, der
Sterbende aber hat einen edlen Tod mit dem Bewußtsein,
dem anderen «las Leben zu erhalten. Selbstverständlich
gehen beide von der idealen Voraussetzung aus. die Un-
glücklichen streiten nicht um, sondern gegen die eigene
Erhaltung zugunsten des anderen, und so zartem Ge-
wissen soll di ; Weg gewiesen werden. — Wenn Akibas
Entscheidung die praktischere ist, so darf man nicht an
die niedere Praxis — daß wenigstens einer sich an
Leben erhält, — denken: sondern nach seiner Entschei-
dung werden beide Tugenden, die der Erhaltung und die
der Aufopferung, ausgeübt, nach Ben Paturi aber nur
von beiden die eine und gleiche, die Aufopferung. Man
rf annehmen, daß Akiba, wenn er selbst in dem Falle
wäre, für sich das Los des Sterbenden gewählt hatte; dies
bewi tin Letztes Wort, «las er gesprochen haben soll.1
1 Beracholfa 61 Mi man den R. Akiba hinführte, um ihn zu
n, \%.«r i. wo man Man zerfleischte
o ! b hui eisernen K&mmen. Er iber nahm dai Jo 1«
II. . . i .<■ - h (indem er dai PDV, Deuteron. 6, 1 — 9,
■i tu ihm: So weit (geht d
Kraft)! Bi erwiderte ihnen: Alle meine Tage habe icl ih w«
ekr&nkl: „Du m>üsi den Ewigen,
lieben mit inien H und mit deiner ganyn
Eudäinonismus. 137
Samuel sagte zu R. Jehuda „du Gescheidter! tummle
dich und iß! tummle dich und trinke! denn die Welt,
die du verlassen mußt, ist wie ein Hochzeitshaus" (heute
ist Hochzeit, morgen ist sie vorbei) s. Erub. 102\ Midr.
Wajikra r. Par. 34 wird von Hillel überliefert, daß er seinen
Leib gepflegt, gebadet usw., weil der Mensch im Eben-
bilde Gottes geschaffen. Jes. 58, 10 wird im Midr. Wa-
jikra r. Par. 34 dahin gedeutet: „Wenn ihr edel seid, soll
euch der Hunger Jakobs, wenn nicht, die Sättigung
Esaus zuteil werden"; die Sehnsucht der Idee im Gegen-
satz zum Genügen am Genuß wird gepriesen.
Lebensgenuß, reeller Genuß. Dagegen wird Bainmid-
bar r. Par. 22, 8 die Nichtigkeit, das wechselvolle des Be-
sitzes in allen Tonarten, auch in denen des Witzes und
Wortspiels demonstriert. '
Seele" usw., d. i. auch wenn man dir deine Seele nimmt. Ich
dachte: Wann werde ich die Möglichkeit haben, es (dieses Gebot)
zu erfüllen! Und jetzt, da die Möglichkeit mir gekommen ist,
sollte ich es nicht erfüllen? Er zog das Wort inx, Einzig, lang,
bis seine Seele ausging mit nn«. Eine Tochterslimme (Himmels-
slimme) ging aus und sprach: Heil dir, R. Akiba, daß deine Seele
mit nriN ausging. D. H.
1 Die Stelle lautet: Das ist, was geschrieben steht Psalm 75
7 und 8 : „Denn nicht vom Aufgang, k5»öö, und nicht vom Westen
und nicht crvi "irnoö, aus der Wüste Erhöhung; sondern Gott
richtet, diesen erniedrigt und diesen erhöht er." Was bedeutet:
„Nicht vom Aufgang (Osten) und nicht vom Westen"? Nicht davon,
daß er ausgeht, «sr, und sich mit Handel müht und hinzieht von
Osten nach Westen und umherzieht in den Wüsten und auf den
Bergen, wird der Mensch reich. Selbst wenn er auf Schiffen
in Der Weg zur Sittlichk
Euilämonismus.
ß 373. Gegen Genußsucht (Eudämonismufl über-
haupt) B.Sota47b: Mit der Zunahme der Wollüstlinge
dahinfahrt und von Osten nach Westen zieht and in Wüsten und
auf Bergen einherzieht, wird er nicht reich. Was bedeutet: „Und
nicht von der Wüste onn"? Et Abba aus Romagna hat gesagt:
Jedes onn in der Schrift bedeutet Berge, nur dieses nicht, welches
Erhöhung bedeutet Denn ein Mensch wird durch diese Dinge nicht
erhöht Was tut der Heilige, gebenedeiet sei er! Er nimmt die
Güter von diesem und gibt sie jenem, wie ea heißt: „r'«'U ist
Richter, diesen erniedrigt er und jenen erhöht er." Darum heißen
sie d"023, weil sie für diesen zugedeckt, D*D3J, für jenen aufgedeckt
werden. Und warum heißen sie (gewisse Münzen) Sus, pm?
Weil sie von diesem weichen, JMT, und man sie jenem gibt
Mammon, |\ÖÖ, heilien sie, weil man zum Besitzer spricht: Was
zählst du, rwo nnn re, es ist ja nichts, rfifü heißen sie, weil
ihnen gilt: ."•;■ TO, Was ist's? Für eine Zeit (nur hat es
en Wert). Ebenso deutest du und ebenso spricht Channa I.
,ue| o. 6 und 7 „Bei Ewige lötet und belebt lührt hinab zur
G ft und Rührt .heran!. Der Ewige macht arm und reich, er-
. auch ip erhöht er." Während er diesen im Zorn, epa,
edrigt erhöht er jenen. Eine Matrone fragte den H. Simcon
u in wievii l igen bat Gott die Welt erschaffen? Et
sprach zu dir: In sechi ragen, wie es (Exod. 20,11) beißt:
„Denn in se bs Tagen hat der I ■ den Himmel und die I
räch zu ihm: Seit dieser Zeit bis jetzt — was
!,t er da? l r sprach zu dir Ei sitxt und macht Leitern; den
en laßt er fa indem laßt er binabsli ea Darum
. Denn Gott ist Richter, diesen erniedrigt er und di<
erhöht er." Da k shea Als er (Gott) wollte, daß
,, bne iieiii.cn reich würden, wie n<
\ rmeri 31, B)? „und die Rinder Krads nah i n
! n Midjans und ihre Rind« gefangen, und all ihr Vieh
Eudämonismus. 139
werden die Urteile verkehrt und die Handlungen verderbt,
und es ist keine Ruhe mehr in der Welt. Vergl. To-
seftha Sota P. 14.
Raschi bem erkt schon, daß die nfcOn *by2, Genußmenschen,
nicht Zeit und Energie auf die Schöpfung des Rechts wenden.
Der ganze Satz zeigt Polemik gegen den Eudämonismus. Es
gibt keine Ruhe (P112Ö) mehr, sondern Hasten und
Jagen ist in die Welt gekommen. Die Ruhe, das Be-
hagen der sittlichen Zufriedenheit ist geschwunden.
Für den Perfektionismus (den Schaffer S. 33 f. fälsch-
lich schnell abtut und ohne Grund für gar nicht talmu-
disch erklärt) läßt sich anderes sagen, als daß er eudämo-
nistisch, egoistisch oder altruistisch sei. Er geht auf
Gestaltenbildung und nicht auf den Genuß, die Glück-
seligkeit. Es paßt sehr gut Jesaia 43, 7: „Indem der
sich nach meinem Namen nennt, zu meiner Ehre habe
ich ihn erschaffen und gebildet und gefertigt." Fort-
bildung durch die Menschen. An Stellen wird es im
Talmud und Midrasch nicht fehlen. Vergl. Berach. 64. g. E.
Toseftha daselbst heißt es: Seitdem die nWH tyl, die
Genußmenschen zahlreich sind, (ist der Zornesgrimm in
und all ihre Herden und ihr ganzes Gut plünderten sie;" nachher
heißt es (Das. 32, 1): „Und zahlreiche Herden hatten die Söhne
Reubens" usw. Es erniedrigte also der Heilige, gebenedeiel sei
er! die Midjanitcn und erhob die Israeliten, um zu bestätigen, was
geschrieben steht; „Denn nicht vom Aufgang und nicht vom Westen
und nicht von der Wüsle Erhebung, sondern Gott ist Richter,
diesen erniedrigt er und jenen erhöht er." D. H.
in. Der Weg rar Bittliohi
Welt gekommen und) die Ehre der Thora ist ge*
Bchwunden. Woher minn TD3 ?M? Ich glaube, bei
eudämonistischrr Gesinnung wird selbst bei geistiger Be-
schäftig uir_r Stadium der Thora unterschätzt; man
• dann lieber Romer als die Propheten.
Keuschheit. Rücksicht Demut. Hochmut. Stolz.
belkeit Gesell Beschämung. — Kerbt auf
Ehre.
§ 374. Keuschheit, WjriS, ist ein ganz eigenartiger,
ifisch jüdischer Begriff wie er in keinem Werke
der ethischen Weltliteratur wieder entwickelt ist. Er sollte
einmal monographisch behandelt werden. - eine der dank-
barsten Aufgaben; denn es wird sich zeigen, dafi der
jriff — reich in seiner Entwicklung überhaupt —
merkwürdige Wandlungen durchgemacht bat. Von H;iu>
der tiefsten und innigsten Richtung auf die Ktbisie-
rung des M( nschen angehörig, i-t er zugleich tiefgründig
•lielien und vielen • worden und bat eine ausge-
breitete Anwendbarkeit auf das Leben gefunden.1
G bz gegen Hochmut und Übermut, öffent-
liches pral . gegen jede Art yon Un-
;ibeit. Das biblische und ... Eitere Wort
■ - •" r;~ »XBI auch in religiös« riehung zu
teil | mp}| in d< i Tierwelt gilt mefa
Brub. i"0 die K mr ■ ihr<T heimlichen
r weil sie ihre Exkremente verscharrt
Keuschheit. 141
Gott! Vielleicht ist dies die Wurzel, aus dem der Baum
erwachsen ist. Während z. B. npTJ einseitig geworden,
ist mjT33 vielseitig geblieben.
Heute ist das Wort vorzugsweise ein Leitstern für die
Frauen! Das moderne Judentum, Kanzel und Katheder
sollten dafür sorgen, daß sein Glanz nicht ermatte. Aus
dem Leben quillt Leben! Die ethische Wirklichkeit war
die Bildnerin des Begriffes geworden; möge sie seiner
Erhaltung und weiteren Entfaltung dienen.
§ 375. Eine interessante Frage ist, ob man myOS als
eine Tugend, oder als eine Pflicht, also ob als eine Be-
schaffenheit der Seele, oder einen Zustand des
Gemüts, oder aber als eine Handlungsweise zu denken
habe! Für uns gilt zwar Gerechtigkeit als eine Tugend,
aber doch eigentlich nur sprachlich; sachlich ist Becht
üben die Pflicht. Für Plato nach seiner Definition ist
Gerechtigkeit eine Tugend und bedeutet auch ein Ver-
hältnis der Teile der Seele zu einander. Es wäre also
die Aufgabe rnj^iS als Tugend zu analysieren, den Seelen-
zustand zu schildern, aus welchem dann bestimmte Züge,
wie Demut usw. als Pflichten gefaßt werden können.
Sprachliches.
§ 376. „Keusch", lateinisch castus, purus.
Die neuhochdeutsche Bedeutung ist nur das Bruchstück
einer allgemeineren; denn mittelhochdeutsch „kiuschc"
war auch enthaltsam in anderer Beziehung, im Sinnen-
III. Der Weg zur Sittlich*
genufl überhaupt, auch in Essen und Trinken .... dann
auch leidenschaftslos überhaupt, o~wqppwv. dalier sanft-
mütig, mild, ruhig, ge Luidig, kaltblütig, besonnen, ent-
A Unlieb das althochdeutsche Wort, es wird
url<>-M«Tt mit Bobrius, honestus, modestus, parcus". Vergl.
mm. D. Wb.
ttsam, eigentlich „den Sitten oder allen Sitte:
hor8amu. < obgleich damit ein bestimmter sittlicher Zu-
.■1. ein bestimmtes Verhalten und Benehmen aus-
gedrückt wird, ist es dennoch an keim- einzelne Sitte
.nüpt't. wir etwa keu8Ch, geduldig, verträglich USW.
Die Mannigfaltigkeit des Wortsinns ist nicht bloß von
sprachlicher Bedeutung; viel wichtiger ist der psycholo-
be Erl Z : immenballung, resp. der noch nicht
auf ii Einheit des VorstelluDgsinhalts , besonder.
sich um einen ethischen oder überhaupt Gefühls-
inhalt handelt.
zusammengeballten Vorstellungen
vielen ethischen Merkmalen. 1 >a> deutsche „Keusch" —
Vorzug: Jedes '1er vielen Elemente empfangl den Wider-
ein, den ethischen Anreiz und Wert aller anderen.
k~. ISCh hat Mrh verei, , U tliger, aber 68 l-t üi
■ blich geword<
Schon ursprünglich bei Entstehung und
Ausbildung wei r solcher positiv« Begrifl -
Arten von törichten Begier-
i 1*111. q, Unbesonnenheiten, falschen
Züchtigkeit. 143
Schätzungen der Dinge und Erfolge. Allmählich in Ver-
lauf fortschreitender Zivilisation, bilden sich immer neue
Anziehungen und Verführungen; neue Genüsse, wirkliche
oder eingebildete, früher ungekannte Begierden kommen
auf. Solchem Schwall von Lüsten, denen zum sinnlichen
Reiz noch der psychische der Neuheit, der Modernität
sich anfügt, um sie zur Leidenschaft zu steigern — steht
der allererste ethische Begriff wie ein Fels im Meere
entgegen; auf diesen soll man bauen, man soll im Unter-
richt, im Gespräch, in der Predigt davon reden.
Die Beispiele aus dem Talmud, die in Menorath ham-
maor III, bei Fürsten thal S. 335 ff. mitgeteilt werden,
sind sehr verschiedenen Inhalts; auf bloße Züchtigkeit,
Keuschheit im Verhalten der Geschlechter, aber auch
auf Bescheidenheit sich beziehend.
Ein schamloses Wort, in der Familie gehört, ist ein
Gift in die Seele der Kinder geträufelt. S. Kethub. 8b:
Bab Chanan bar bar Hab hat gesagt: Alle wissen, warum
die Braut in das Brautgemach geführt wird; dennoch aber,
wer seinen Mund beschmutzt, indem er ein schmutziges
Wort hervorgehen läßt, dessen Glück wird, und wenn es
auf 70 Jahre ihm besiegelt worden wäre, in Unglück über
ihn verwandelt. Vergl. besonders Baba kamma VIII. l
1 Aus zahlreichen Betrachtungen ein Beispiel (Nedar. 20a): "Wer
Schamgefühl hat, sündigt nicht leicht .... Wer kein Schamgefühl
hat, von dem ist es offenbar, d.iß seine Väter nicht am Fuße des
Sinai gestanden haben.
1 i 1 in. I'. i Weg kui Bittliohkeit
über höchste Züchtigkeit der Frauen, Schamhaf-
tigkeit and strenge Keaschheil und Zurückhaltung der
Männer bei Beobachtung der Frauen usw.. auch bei den
Männern B. Joma 47 \ Baba batra Ö7b.
. I 'melius, der Priester, Berabbi Chama hat gesagt:
Die züchtige Frau im Hause übt eine versöhnende Macht
ich dem Altäre au>; s. Tanchnma Wajischlach. Grade
daii der Spruch von einem Priester kommt, lmtcht ihn
doppelt wertvoll.
78. Demut ist eine Tugend, welche den Menschen
[igt, die Theorie der goldenen Mitte zu verlassen und
das Extreme aufzusuchen; dem eifrigsten Vertreter jener
Theorie unter den Juden, dem Mainionides selbst, ver-
danken wir das treffende Q-leichnis: Ein gerolltes Blatt
Papier kann man durch alles Glattstreichen allein
nicht ebnen, man muß es nach der entgegengesetzten
rollen, damit es wieder in- Gel -de kommt; so auch
Entfernung von Stolz und Hochmut nur
durch die Neigung zur D< mut Pur die Bescheidenheit
Hilft man das rechte Mal'» nur auf dem Wege zum
Übermaß. Ganz charakteristisch für die Einscharfang
Geh der Demut ist das -hnd T1HB in dem Spruch
bbi Lerit von Jahne (Aboth 4, 4 Sehr, sehr sei
in die Bofihnng des Menschen ist Gewürm,
Dil grandlegende Stelle im jüdischen Schrifttum, das
der Demut keine Grenzen findet, bleibt ixni
Nun,. \'j.'A, w,i Moses, dem die 1 Intelligenz und
Demut und Bescheidenheit. 145
die vollkommenste ethische Gesinnung zugeschrieben ist,
dadurch charakterisiert wird, daß er m«n "?DO *ll«0 UJ?
gewesen. Wenn auch die Interpretation später schwankte,
manüj; mit „gelassen", geduldig, oder „sanftmütig", Luther
gar mit „der geplagteste" übersetzt hat — bei Mendels-
sohn und Dillmann z. B. findet man alle Übersetzungen
nebst ihren entsprechenden Begründungen, — so gilt die
Stelle im ganzen Talmud und Midrasch immer als Aus-
druck für Bescheidenheit, Demut.
Die Demut wird höher geschätzt als alle Opfer; sie wird
ja auch Ps. 51,19 selbst als eine Art von Opfer bezeichnet,
ein Opfer der Selbstschätzung ist sie. Sanhedr. 43 b. 1
Insbesondere wird gegen alle Überhebung der Reichen,
gegen jedes Protzentum und Übermut in feinen und
starken Wendungen geeifert. Ist doch der das Bedürfnis
überschreitende Besitz der größte Verführer der Men-
schen, er gaukelt ihm die Dauer des Bestandes vor und
verstrickt ihn in den unseligen Irrtum, Haben und Sein
zu verwechseln und Eigentum und Eigenschaft gleichzu-
setzen.
Ebenso wird gegen Überhebung des Gelehrten gewarnt.
1 Die Stelle lautet: R. Josua ben Levi hat gesagt: Zur Zeit,
wo der Tempel noch bestand, wenn ein Mensch ein Ganzopfer
darbrachte, so war der Lohn eines Ganzopfers, wenn ein Speis-
opfer, so war der Lohn eines Speisopfers in seiner Hand; wessen
Sinn aber demütig (nbsv injn» 'ö), den betrachtet die Schrift so,
als wenn er alle Opfer dargebracht hätte, wie es Ps. 51, 19 heißt.
Vergl. Sola 5ab. D. H.
Lazarus, Ethik des Judentums II. 10
[46 in. Dei Weg zur sittlich;.
Dabei ist an die Verachtung des pKn ny zu denken.
[mmer beides: Wert dea Wissens und Bescheidenheit. —
tjber Demnt und Bescheidenheit s. A.boda za-
i . Nach R. Pinchaa ben Jalr ist Demut (miy) die
höchste Tugend in der Tugendfolge. ' Der Sinn ist wohl:
b dem Ersteigen all der Tugenden soll der Mensch
erst recht Bescheidenheit an den Tag legen.
PesiLr. Par. ■!."> Auf. mit bezug auf Micha 6, 8: Bei
Gott ist nichts beliebter als die Bescheidenheit.
Stolz ist ein Laster wie die Verschwendung, welch
nach dem Maße gemessen werden muß, wie einer stolz
zu sein oder zu verschwenden Ursache und Mittel hat.
Nur der rechte Stolz darf nicht fehlen. Kaba (oder
EL Buna) hat das Nachdenken über die rechte Art, das
recht-' Maß und den rechten Grund für den Stolz durch
die witzige Bemerkung herausgefordert: luden Bann mit
,. der Stolz besitzt; in den Bann mit dem, der keinen
• j.g ta5\ Stolz sei der Mensch, damit er
nichl teil und nicht feige werde; und bannen soll er den
unrechten und unm D Stolz, damit er nicht steif und
nicht >tarr, nie: | DD und nicht seit I recht
werde, sondern in dem I nicht ermatte und
b m der Eingebung nicht erkalte.
i \n.h. I6b wird die Demul ~: all die Tugend hingestellt,
die rakflnftige Well sichert Santa 88 wird
■ irfen: Wer ist .-in Sühn <ler sukfinfligen Well? und
die An itet: Der D< und •■• D. II-
Stolz und Demut. 147
Stolz und Demut. Man kann zugleich stolz und
demütig, aber man kann nicht stolz und demütig in be-
zug auf dieselbe Sache sein. Den Juden aber ist das
glückliche Erbteil gerworden, beides zugleich und in be-
zug auf dieselbe Sache zu sein, nämlich in bezug auf die
Thora, in bezug auf die Gotteserkenntnis und das Sitten-
gesetz! Die anderen Völker werden schließen, sie werden
aus der objektiven Weisheit und Vernunft der Lehre
schließen: Dies muß ein weises und vernünftiges Volk
sein. Sie selbst aber wissen es von ihren Heroen, ihren
Gesetzgebern; von ihren Lehrern und Propheten ist es
ihnen oft gesagt," daß sie nicht die Schöpfer, sondern nur
Besitzer dieser Weisheit sind.
Gegen Hochmut richtet sich der schärfste Tadel in
mannigfachsten Wendungen. Vergl. Sota 4b — 5a; dagegen
wird die Bescheidenheit endlos gepriesen. Moses wird
nur als demütig (TOJ?) gerühmt.
Dagegen wird oft und sehr zum Nachteil des eigenen
Charakters und der sittlichen Korrektur des anderen
gefehlt! Ps. 15,4: D>Sö: WJö HD1
Eitelkeit.
§ 379. Der Naziräer wird gelobt, welcher um der sündigen
Eitelkeit, der er verfallen wollte, zu entgehen sein Haar
abschneidet. S. Nazir4b. Vergl. die Endymionsgeschichte:
der Jüngling sieht die Schönheit seines Haares im Wasser-
spiegel beim Schöpfen; aber mit streng sittlichem Erfolge.
10*
III. Der Weg bot BftUicU
Reinheit und Pflege des Körpers wird von Hillel geübt
unii 'i Schülern empfohlen -wegen der Gotteseben-
bildlichkeit, d. h. also wegeD der sittlichen Natur de?
Manschen. \ Wajikrs r. Par. 32.
Die Abstammung von nur einem Menschenpaar wird
;en jede Überhöhung des „blauen Blutes", gegen Stolz
der Guten und gegen Entschuldigung der Bösen betont;
die Erblichkeit hat nach beiden Seiten ihre Grenzen.
8. Sanhedr. 36-; Toseftha Sanh. P. 8 und jer. Joma VI.
tonnng des Selbstgefühls und der Winde des
benruenschen.
S 380. Gegen die Beschämung eines Menschen, die
hambl&e eugt (viel schlimmer als Schamröte!),
finden sich zahlreiche und einschneidende Sprüche.
p.escliiimui Eine merkwürdige Sitte lesen wir
tan. 30b, daß die Töchter [sraels am Versöhnuj
te in geliehenen Kleidern hinauszogen, um diejeni
nicht zu beschämen, die kein geeignetes Gewand hatten.
regen Beschämung des Nebenmenschen: S. Ba-
ii, .vi i Allan sprach zu Et l)mii. der vmi Palästina
ijlon gekommen war: Wovor hütet '-ich der
Ai • ■ tm meisten? I dieser ant-
woi Vor Be achen d< - Antlii
- Neb< en.
Ihanini i k) fahren drei ins Gehirn
auch der, der das Angesicht i aes Neben«
Schonung des Selbstgefühls. 149
menschen öffentlich beschämt. R. Simeon ben Jochai
hat gesagt: Es ist für einen Menschen besser, daß er
sich in einen brennenden Kalkofen stürzt, als daß er das
Angesicht seines Nebenmenschen beschämt. (Das. 59 a.)
Die Rücksicht der Rabbinen geht soweit, daß sie auch
den Sünder zu beschämen verbieten. S. Sota 32 b:
R. Jochanan hat im Namen des R. Simeon ben Jochai
gesagt: "Weshalb ist die Verordnung getroffen, das Ge-
bet leise zu verrichten? Damit der Sünder (wenn er
betend seine Sünde bekennt) nicht beschämt werde.
Der Mensch muß sich hüten, einen unnützen Verdacht
gegen sich bei den Mitmenschen zu erregen. S. Scheka-
lim III, 2.
Zur Charakteristik des Unrechts in der Verleumdung
gehört, daß sie mit Götzendienst (mt iTTDJ?), Blutvergießen
(D"ön nTBBty, Blutschande (JTmjJ i\bi) zusammengestellt
und allen dreien zusammen gleich geachtet wird, vergl.
jer. Pea I, 16a u. ö.
Pietät. Friede. Mitleid und Mitfreude.
§ 381. Pietät ist eine edle Form der Zusammen-
schließung und ein festes Band in der Kontinuität des
Geistes. Auf dem Wege der Pietät begegnet uns beson-
ders in Zeiten, die zu wissenschaftlicher Forschung oder
praktischer Umwälzung geneigt sind, eine viel umstrittene
Frage, — umstritten weniger mit Worten, welche leicht
nachgiebig sind, als durch Tat und Handlung — die Frage
L60 in. Da Weg bot Bittttohl
nämlich nach dem Verhältnis vod Pietät und Kritik. Es
wärt' nicht wahrhaftig, wenn ich verschweigen wollte, daß
die BeaatwortüDg dieser Frage, w-debe dem Bereiche der
llisioD der Pflichten angehört, Dotwendig eine subjek-
tive Form und Fassung Endet Als Ethik des Juden-
tums trage ich nach bestem W und (iewissen den
Inhalt dieses § TOr; aber für diesen übernehme ich allein
die Verantwortung. Ich werde es keinem verargen, der
meinem Richtmaß sein eigenes entgegenhält; wenn jeder
nur, was er denkt and lehrt, aus der innersten, für ihn un-
abweislichen sittlichen Gesinnung schöpft; wenn jeder
ehrlich vor der Welt, aber auch ehrlich vor sich selbst seine
{')>■ jung ausspricht, dann werden alle Gegensätze
sich nur als verschiedene Wege ZU dem gleichen Ziele
des ethisch« d I rehorsams erweisen, wenn auch der eine mehr
«lern Lehrer, der andere mehr den Lehren der Wahrheit
zu : -• ine Pflicht ansieht. — In dem einen waltet
lenheit vor, in dem anderen die sehnsuchts-
voll'' E in Forschung. Auch ist nicht
immer der ein beseht r, welcher der Meinung des
A trordern, sich unterwirft; oft genug
nimmt, wer der Aul I huldigt, den
Wid( Autorität für sich in An-
spruch.
on Kritik der Biter Lern w. isi unausweich-
lich: aber jfl und jüdisches Gewissen fordert,
Kritik nicht über die Lippen ra bringen; vor der
Pietät. 151
Welt gewiß nicht, aber auch nicht bei sich allein und
vor den Seinigen.
rvby DTin *6 «n^o 1ÖK nii «"m1 Kritik heißt nicht
Spott; was die Partei gegen die Partei darf, ist dem
Jünger nicht gegen den Meister gestattet; und alle Ver-
gangenheit ist Meister, und jede Gegenwart ist Jünger;
aber auch der Jünger muß trachten ein Meister zu
werden.
Man kann nicht bescheiden genug gegen den Lehrer,
aber man kann auch nicht eifrig genug in der Erforschung
der Wahrheit sein; vollends wenn man selbst wieder
Lehrer sein soll! Vom Jünger verlange ich Pietät,
vom Meister Kritik!
Pietät und Traditionalismus geraten leicht in eine
Wechselwirkung, welche die Erforschung der Wahrheit
und das Bekenntnis derselben gefährdet. Man darf nie-
mals die Kritik unterlassen, oder gar eine Überzeugung
unterdrücken, oder verleugnen, weil angeblich die Pietät
es erheischt. Nur gegen leichtfertige Kritik, gegen vor-
schnell gefaßte Überzeugungen soll die Pietät als Schutz-
mauer dienen.
In den Geist dessen, dem wir Lehre und Weisung ver-
danken, sollen wir uns versetzen und liebevoll versenken,
ihm mit Eifer und Ehrfurcht auf dem Wege folgen, den
er für den Weg der Wahrheit gehalten. Erkennen wir
aber dann die Lücken in seiner Anschauung, den Mangel
1 Beracholh 19b; Gittin 55b; Nidda 50b. D. H.
1 59 in. Der Weg tax Bittliohkeit.
in Beiner Methode, die Befangenheit seiner Zeit und den
Irrtnm in seinen Voraussetzungen, dann ist es die Pflicht der
wahren, der höchsten Pietät, dagegen Einspruch zu erheben.
Philologisch-historische Kritik von Texten ist nur die
unterste, eigentlich nur die Vorstufe der sachlichen Kritik;
aber wenn sie aus inneren Gründen geschieht, dann be-
weist sie. dal) man eben in die Kritik eintreten maß.
Die wahre Pietät gegen einen Lehrer der Wahrheit
bestellt darin, die Wahrheit zu mehren, sie zu begründen,
zu befestigen und zu vertiefen . zu verwerfen, und sie
nach bestem Wissen und Gewissen durch eine neue, eine
andere Lehre zu ersetzen.
Die echte Pietät besteht nicht darin, zu glauben, daß
der Lehrer unbedingt die Wahrheit gefunden, sondern
darin, zu glauben, daß er sie unbedingt gesucht hat;
. er der Wahrheit, weil ^ie für ihn Wahrheit war.
nnl gehuldigt hat. und daß der Jünger, weil ihm
eine, andere Lehre mit innerer Notwi ndigkeit als Wahr-
heit erscheint, dieser ebenso unweigerlich folge und huldige,
wie der Meister der Beinigen gehuldi
Wie die Pietäl eine \ Wu I im Gern Ute, je
h den P< n, den widmi t ist, einen 7er-
' schied« Grund und noch mehi Formender
I; währnn \ bildet ihr Wesen auch einen tielsi I
Begriff Wir um en diesen hi h allmählich
n in den modernen Sprachen durch
■•■ Wort, I . • ' ii'-n entlehnt, kaum
Pietät. 153
übersetzbar ist; aber schwerlich haben die Römer selbst
schon die ganze Fülle des Inhalts in dasselbe gelegt, die
wir darin finden. Auch das Hebräische hat kein deckendes
Wort für den ganzen Reichtum des begrifflichen Inhalts,
dessen verschiedene Merkmale durch verschiedene Wörter
bezeichnet werden.
Das einheitliche Grundgefühl ist zu erörtern und in
seiner Verzweigung durch die Objekte aufzuweisen.
S. Ideale Fragen: Die Stelle über die Alten S. 33.
Die starke Ausbreitung und die tiefe Einsenkung dieses
Gefühls im jüdischen Yolksgemüt.
§ 382. Pietät der Jüngeren gegen die Alten, der
Gemeinen gegen die Ehrenwerten.
Rab Dimi sagte, Jesaia habe die Schilderung des gänz-
lichen Verfalls der Nation erst damit vollendet, daß es
heißt (Jes. 3, 5): „Es erfrecht sich der Jüngling gegen den
Greis und der Gemeine gegen den Geehrten". S. Cha-
giga 14a.
Pietät gegen das Alter und Wert des Rates der Alten
S. Schemoth r. Par. 3 zu Ex. 3, 10: ^«"Ity ^pt n« HSDK1 "J1?.
Ehrenerweisung dem Verdienten ist hohe Pflicht.
S. Berach. 19 b: Ehrenerweisung gegen die Menschen ist
so groß, daß sie ein Gebot der Thora verdrängt.
Die Altvordern am Leben erhalten.1
1 Siehe Taanith 5b. fi. Nachman und R. Jizchak saßen bei
einem Mahle. Da sagte R. Nachman zu R. Jizchak: Möge der
Herr etwas vortragen. Er erwiderte: R. Jochanan hat so gelehrt,
164 III- Der Weg zur Ettttliohk
Mit (Jerem. 30,10) den Kindern vergleicht R. Jochanan
den Vati r. So lange die Nachkommen. Nachfolger seiner
ii leben, lebt .lach in ihnen t'urt.
§ 383. Friede. Das Ideal des Geistes und der Ethik
• der Friede. In der Theorie als im Geiste bedeutet
Friede nicht Vernichtung und nicht Ausbeutung des
Schwachen, sondern die Erhaltung, Förderung. Stärkung,
Ausbildung relativer Vollkommenheit im Schwachen.
Deut 16, 11: TT r» nnsn mnfi .... JP3H biw vb\ aber
das. V. 13: pajMl p:V^.
Daa ideal der Evolution ist: Kampf des Verschiedenen,
Erhaltung des Mächtigeren (nur die Macht erhält — )
und Vernichtuii- Geringeren.
Di' Mesalliance von Darwin und Schopenhauer.
Die Evolutionstheorie geht aufwärts, der Pessimismus
Die falsche Übertragung des Vernichtungskampfes
der Unterdrückung auf das geistige Gebiet.
sprich! nicht beim Mahle; denn es könnte die HalsrOhre voi
treten und man kfime in l.< tahr. Nachdem
,r '• eendel hatte, sprach <r Et Jochanan bat so
>hrt Jakob, unser Vater, ist nicht toL Daraul EL Nach-
rJal man grundlos um ihn Trauerkl len, ihn bal-
lert und ib< r B] räch Einen Schriftvers
30, i"i deute ich „Du aber furchte dich nicht, mein
Kne dt, Spi uml i Israel, denn
ie ich h ' r aus der Feme und dein« - en aus «lern
l • - :.t,u stellt ihn seinem Samen gi>
, so lebt auch er. D H.
Frieden. 155
Friede ist ein positives Element, nicht bloß Negation
einer Negation; der wahre Sinn ist Harmonie, Ein-
stimmigkeit mit anderen, vor allem mit sich selbst. Die
Normen des Lebens müssen bekannte sein, das Maß, an
welchem das eigene Ich gemessen wird, und mit der sub-
jektiven Norm soll die objektive Gesinnung und Tat über-
einstimmen. Daher Ps. 119. 165: "]rmn ^m*6 2"l Ü)b&
Durch subjektive Einsicht soll Einstimmung auch des
Tatsächlichen gefordert und gewährleistet werden: Itib )"W
^ltSOö, gleich 2b b)ü2£>, kein innerer Anstoß, kein Widerstreit
gegen Norm, kein Gewissensbiß und keine Gewissensangst!
Der Friede besteht in dem kampflosen, harmonisch
ineinandergreifenden Leben in der Gesamtheit.
Der wahre Friede ist erst der Friede mit allen Men-
schen, d. h. nicht Friede als Transaktion mit diesem
oder jenem, sondern Friede als Gesinnung, welche
allem Verkehr zugrunde gelegt wird. Midr. Bammidb.
r. Par. 11, 7.
Auch mitten im Kriege wird von den Rabbinen bereits
— wie bei den modernen Völkern — ein friedliches Ver-
halten in allem, was nicht unmittelbar zur Kriegstat ge-
hört, gefordert s. Sifre, Schoftim Pis. 199.
Der Priestersegen schließt mit: „und er gebe dir Frie-
den"; weil alle Segnungen vergeblich sind, wenn nicht der
Friede bei ihnen ist. S. Midr. Barn. r. Par. 11. Nr. 7.
Friedfertigkeit. Die Menschen entzweien sich so leicht
156 111. Der Weg zur Sittlichkeit.
kleiner Ursachen, l belnehmereien (Eigentümlich-
keit der Kleinstädter). — Nur bei kleinen Menschen
haben kleine Ursachen große Wirkungen.
Böchste Friedfertigkeit (des Eifersüchtigen, des
Beraubten) wird von den Talmudisten gepriesen; Gott
wird für ihn richten. S. Gittin 7a. ! Der Mensch sei
immer lieber von den Verfolgten, als von den Verfolgern.
S. Baba Kam. 9
itung des Friedens. „Aller Wohlstand ohne
ieden ist vergeblich". S. Sifra Wpro P. 1 Ende und
re zn Num. 6, 26 Piska A-i.
Die letztere Steile ist zu schön, als daß sie nicht ihren
Platz linden sullte. Banimidbar r. 11. .Nr. 7. Groß ist der
Friede: denn der (Gottes-) Maine, welcher in Heiligkeit
geschrieben, durfte (im Kluchwa>ser) ausgelöscht werden
' Die stelle Lautet: Mar Ukba schickte zu K. Eleazar und ließ
it Da Bind Menschenkinder, die sich erheben (die
sich mich feindselig zeigen), es steht in meine? Hand, sie
der Regierung zu überliefern, was soll ich tun? Da zog er Linien
un<l ihm zuniik den Verl P 39, 2 1 »Ich sprach: Ich
will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge, will be-
Mund mit einem Maulkorb, während ein Frevler nur
rtu, d. i q Frevler mir enl( • - • o ist, so will
.i meinen Mund mit einem Maulkorbe bezähmen. Da Heß
ihm Mar 1 ä [ufi en mich so sehr, d iß
ich nicht bestehen kann. Da b er ihm surück Ps. 37, 1
aul den Ewigen und harre seiner", d.i.
nd auf den I •••• igen, er wird icher
D. II.
Frieden. 157
des Friedens wegen, um Frieden zwischen einem Manne
und seinem Weibe zu machen.
R. Elazar sagt: Groß ist der Friede, denn die Propheten
haben in den Mund aller Menschen nur den Frieden
gepflanzt (1J?tM).
R. Simeon ben Chalaftha sagt: Groß ist der Friede
denn es gibt kein Gefäß, das soviel Segen befaßt, als der
Friede, wie es heißt (Ps. 29, 11): „Der Ewige gibt Macht
seinem "Volke, der Ewige segnet sein Volk mit Frieden.
R. Elazar Hakappar sagt: Groß ist der Friede; denn
selbst wenn sie (die Israeliten) den Götzen dienen, es
ist aber Friede unter ihnen, so kann der Satan, wenn
man so sagen kann, ihnen nichts anhaben, denn es heißt
(Hos. 4,17): „Götzen versippt ist Ephraim, laß es!" Wenn
aber Streitigkeiten (unter ihnen) sind, was ist da gesagt?
„Geteilt ist ihr Herz, nun haben sie sich verschuldet"
(das. 10, 12).
Groß ist der Friede, denn selbst in der Stunde des Krieges
bedarf man des Friedens, wie es heißt (Deut. 20, 10): „Wenn
du dich einer Stadt nahest, sie zu bekriegen, so rufe sie
(zuerst) zum Frieden auf"; desgleichen (das. 2, 26): „Und
ich sandte Boten von der Wüste Kedemoth an Sichon
den König von Cheschbon mit Worten des Friedens";
desgl. (Richter 11, 12): „Und Jiphtach sandte Boten an
den König der Kinder Ammon und ließ sagen: Was habe
ich mit dir zu tun, daß du zu mir gekommen in mein
Land, um zu streiten?" Was sprach er (der König der
III. Der WeL,' zur Sittlich',,
Kinder Amnion)? ..Und nun gil> es zurück in Frieden"
ls. V. L3 .
Groß ist der Frieden, denn selbst die Toten bedürfen
des Friedens, wie es heißt «Gen. 15, 15): „Und du sollst
kommen zu dein< rn in Frieden," ferner f. ler. 34, 5):
„In Frieden wirst du sterben und wie man deine Väter
verbrannt bat. die trüberen Könige, die vor dir waren,
so wird man dich verbrennen."
Groß ist der Friede, denn er wird den Bußfertigen
wie es beißt (des. ",7.19): „Scbaffend der Lippen-
frucht: Friede, Friede dem Fernen wie dem Naben."
Groß ist der Friede, denn er wird in ibrein Teile den
Frommen verliehen, wie es heißt (Jes. 57. 2): „Er gehe
ein zum Friedin, wo sie ruhen auf ihren Lagern."
Groß ist der Friede, denn er wird nicht in ihrem Teile
den Frevlern verliehen, wie es heißt (Jes. 57, 21): ..Kein
!•" prichl der Ewige, den Frevlern!"
Groß ist der Friede, denn er wird denen, welche die
ira lieben, verliehen, wie es heißt (Ps. 119, 165): „Großer
Frieden denen, die deine Thors lieben."
t i roß Friede, denn er wird den I demütigen verliehen,
i ' 17,1] : „Dil Di mutigen werden da Land
rben und sich o au der Fülle des Friede]
der Friede, denn er wird den Thorabeflissenen
liehen, b ( Jes. 54, ] 3 : »Und alle deine
Bai .;. i Lehrling Bwigen, und groß ist der
Fri de deii E£indei ".
Frieden. 159
Groß ist der Friede, denn er wird denen, die Gerech-
tigkeit üben, verliehen, wie es heißt (Jes. 32, 17): „Und
es ist das Werk der Gerechtigkeit Frieden."
Groß ist der Friede, denn der Name des Heiligen, ge-
benedeiet sei er! wird Friede gerufen, wie es heißt (Jud.
6, 23): „Und er rief ihm zu: der Ewige, Friede."
R. Chananja, der Stellvertreter der Priester, sagte:
Groß ist der Friede, denn er ist dem Schöpfungswerke
entsprechend gewogen,1 wie es heißt (Jes. 45, 7): „Der das
Licht bildet und schafft, Frieden stiftet und Böses schafft."2
Groß ist der Friede, denn die Oberen bedürfen seiner,
wie es heißt (Hi. 25,2): „Herrschergewalt und Schrecken
ist bei ihm, er macht Frieden in seinen Höhen." Siehe,
da haben wir einen Schluß vom Leichten auf das Schwere.
Wenn schon an einem Orte, wo es weder Hader noch
Streit, weder Feindschaft noch Anfeindung gibt, die
Wesen des Friedens bedürfen, um wieviel mehr an einem
Orte, wo alle diese Leidenschaften (nnöif) vorhanden
sind! Vergl. dazu Midr. Wajikra r. Par. 9 zu Lev. 7, 32
(Wünsche, Übersetzung des Midrasch. S. 58 — 61)." D. H.
Wenn Frieden unter den Götzendienern ist, so
kann ihnen gleichsam kein Übel anhaften.3
Der Friede wiegt das ganze Schöpfungswerk auf —
Zweck aller Schöpfung erfüllt sich im Frieden unter den
1 D. i. er wiegt dem Schöpfungswerke gleich. D. H.
2 Die im Texte angezogene Stelle Arnos 4, 1 3 stimmt nicht.
3 Vergl. Midr. Bereschilh r. Per. 58, 6. D. H.
111. Der Weg zur Sittlichkeit.
Lscben, Gott selbst wird der Friede genannt S. Midr.
[nidbar r. da
Gewiß wird U\bv yy\1 auoh ofl in einem minder hohen
. genommen, aber das beweist nichts tiefen die wahre
ideale Bedeutung des Begriffe. Wir nennen auch die
imkeit, die Schweigsamkeit usw. eine Tugend; aber
wer den wahren Begriff der Tugend induktiv definieren
will, wird sie nicht aus diesen Beispielen Bchöpfen.
Die zitierte Stelle mWl te wäre unmöglich, wenn man
nur die niederen «irade derselben als ihren wahren
Sinn bezeichnet.
Allgemein: alle ethischen Begriffe gelten für einen
weiten und mannigfaltigen umfang; dies ist aber nur
dadurch logisch zulässig, weil auch der Inhalt eine Stufen-
leiter umschließt. Den Höhepunkt der Bedeutung eines
Begriffs zn suchen ist nicht bloß eine theoretisch) Not-
wendigkeit, Bondern auch eine praktische Aufgabe. Erst
vollkommenen edlen Gresinnun abließt sich der
wahre, der höchste Sinn des Gedankens und des Wortes,
in ■ 'i er erfaßt ist
Die Wissenscl] i\ der Friede unter den Menschen.9
• Vergl. Midr. Bammidbar r. Par. 11, 7 gegen l So findest
I hora nur inii Frieden verglichen wird, wie es heißt
die ihre Pfa I l rieden." D. II
lidbar r. das G r Fi ■■. denn er ist denen
os heißt ' iv [19, 184):
i '.■ he deine Thors liebon." Vergi
g. i I- I).
Mitleid und Mitfreude. 161
Der geistige Fortschritt, Belehrung auch aus der
bösen Erfahrung ist die Sühne unter den Menschen.
Tosefta Bab. k. Per. 7 finden wir eine schöne Deutung:
non paa tön *ot p pnv -i rvn nrnn mm „Die Steine
zum Altar sollen nicht mit Eisen behauen werden, weil
Eisen das Symbol und Werkzeug des Kampfes ist; die
Gelehrten, welche den Frieden in der Welt bedeuten,
sollen um so mehr kampflos und integer sein".
Gegen Eifersucht der Gelehrten, Praktiker usw.
„Schwerer als der Tod zu ertragen". Mangel an Hin-
gebung, an Sachlichkeit bestraft sich selbst hart. S. De-
barim r. Par. 9.
Geistiges Zusammenleben, freundliches Verhal-
ten der geistig Schaffenden zu einander, Wohl-
gefallen aneinander finden wir mit großem Nachdruck
empfohlen. S. Sota 49".
Mitleid und Mitfreude.
§ 384. Ist das Los deines Nächsten beneidenswert,
blicke nur mit günstigem Blicke darauf; nicht nur seines
Glückes, auch seiner Talente und Fähigkeiten freue dich ;
keinen sicheren und keinen edleren Trost kannst du in
deinem eigenen Leiden finden.
Erztoren sind sie, die ihre Mitfreude durch Neid
sich vergällen. Seht her! das Schicksal spendet mit seg-
nender Hand eine Fülle der Gaben, goldene Stunden
der Mitfreude umschweben euch, ergreifet sie! Der
Lazarus, Ethik des Judentums II. 11
162 111. Der Weg zur Sittlichkeit.
1 ist eben so unklug, wie er niedrig an Gesinnung
ist. Mißgunst aber ist nicht bloß schlecht, sondern ge-
mein.
Das Licht der Liebe leuchtet im Dunkel des Leiden-
eines Nebenmenschen leichter und heller auf, als an
hellem Tage der Freude; aber darum ist auch Mitfreude
schwerer zu bewähren und zu erweisen alfl Mitleid.
Meine neidlose Freude an der Größe des anderen
wird gepriesen Schemoth r. Par. 3: R. Samuel, Sohn
des ]{. .lose, hat mit bezug auf Exod. 4, 14 „Fr wird dich
sehen und sich in Beinern Herzen freuen", gesagt: Das
Herz, welches sich über die Größe seines Bruders ge-
freut hat, soll die Frini und Thummim anlegen; daher
heißt es Fx 29, 30: „Und sie sollen auf dem Herzen
Aliarons sein." Wer in der reinen und absoluten Wür-
digung des Guten die Schöpfung desselben durch einen
Leren freudig wahrnimmt und anerkennt. i-t würdig
des Lichts und der Vollkommenheit und hat die An-
wartschafl darauf, denn sie fließen aus seiner Gesinnung.
li nfreude — Ul "•* to*2 Prov. 21. 17 - ist eine
Mißgeburl !• r Freude), für die S<
mehr -m Bcha len als eine Freude.
Ordnung. 163
Ordnung. Kultur. Teilung der Arbeit.
Motto.
Ein Volk, das heutzutage mit anderen
wetteifern will, muß für seine Bildung
sorgen, für die Bildung jedes Einzel-
nen, zum Vorteil der Gesamtheit.
Ordnung.
Eine beliebte Formel für allerlei Tun ist: DIN TlD^ D^IJ^.
§ 385. Ordnung in der Zeitfolge, in Haus und Gerät
und Gewand, in der Einrichtung des Tuns und Handelns.
Ordnung, nützlich, ästhetisch und ethisch.
nbty T1D, Gesch. unter d. Gesichtspunkt der Ordnung,
HDÖ b& VID,
rfrsn niTD,
ywrp tido.
Ich weiß sehr wohl, daß in solcher Benennung keine
direkte und strikte ethische Lehre gegeben ist; aber
es waren viele Bezeichnungen möglich; daß aber der Be-
griff der Ordnung gewählt wurde, ist charakteristisch für
die Schätzung desselben.
In solchen Bezeichnungen und Benennungen offenbart
sich der Gedankengang. Jedes Ritual, jeder gesetzliche
Vorgang usw. wird hier Ordnung genannt. Aber auch
der Lehrer, der Vortragende, besonders auf der höheren
« S. Schab. 1 19b und Aboda zara 7b. D. H.
11*
III. Di i Weg nur BitÜichl
- nie AJcademie) heißt der Ordner ft-flD, jer. Hör. III g.
!'.. 48eob.;ja noch mehr die Hochschule, »las Lehrhaus selbst
hieß nyrp = der Ort der Gedankenordnung, jer. Ber. 111
ob. und oft Man VgL Gymnasium. Lyceum, Aka-
demie und Sorbonne, welche historisch-anekdotische An-
knüpfungen Bind; aber Hochschule zeigt das Niveau der
Behandlung der wissenschaftlichen ( I in; Pakul-
Fähigkeit zum Amt, die in den Schulen aus-
• werden sollte: Universität i>t die Gesamtheit
alles zusammengehörenden W aller Fakultäten.
Hier die Ordnung, die Methode der geistigen Arbeit,
die hier zu leisten i>t.
Ordnung ist nicht bloL't ein utilistisches (technisch
nützliches) und ästhetisches Prinzip. Bondern auch
ein moralisches. Wenn Goethe einmal, weil er v
weise ästhetiscl timmt »n Bich selber bekennt
Werke Bd. 30 8. 32] i: „Es Liegt nun einmal in meiner
■ Mir. ich will lieber eine Di itigkeit begehen als
Unordnung ertragen", so muß d □ hervorgehoben
■ ::. daß alle Di rdnung ist,
denn alle Recht ist eine Ordnung der menschlichen
erhältnisse. Man | freilich nur ?om Etecht
daß es eine
( >rdnu : ,; mir moralische < Gerechtigkeit
nicht - :.t wird. 1 I mimt daher, daß
im anmittelbaren EU "fühl da Rechl allein .
t wird: die im • ündung
Oi'dnung. 165
desselben aber, seine Bedeutung eben als eine Ordnung
wird erst durch Nachdenken hinzugefügt.
Ordnen, d. h. die Dinge und Geschäfte, die man zu
besorgen hat, in stetige Raum- und Reihenfolgen bringen,
heißt vom Chaos zum Kosmos übergehen.
Einem beträchtlichen Teil der Juden, namentlich im
Osten, ist die Ordnung zu einen sehr beschränkten und
fast abstrakten Begriff geworden. Die Sache ist leicht
erklärt. Zu jeder Ordnung in Raum und Zeit gehört
ein gewisses Maß von freier Ausdehnung; das Ghetto
hat den Raum beengt, und Angst der Verfolgung hat die
Zeit gehetzt. Vollends nun. wenn die Juden bei Völkern
lebten und leben, welche selbst wenig Sinn und Trieb
zur Ordnung haben. Deshalb haben die Juden des
Westens, die unter zivilisierten Stämmen und Staaten, mit
der Freiheit auch sofort die Hochschätzung der Ordnung
in allen Dingen wiedergewonnen. Den Juden des Ostens
aber beschränkte sich der Wert und die Wonne der
Ordnung auf das wohlgefügte Gleichmaß in der
Wiederkehr der Ritualien und Liturgien. Gab es doch
fast für jede Stunde eine vorgeschriebene Verrichtung.
Und wie streng wurden die Reihenfolgen im Ablauf
der Zeremonien oder Gebote eingehalten, nachdem
oft sehr feine Fragen oder Kontroversen über dieselbe
gelöst waren! Hatte doch auch die Idee der Schönheit
sich fast ganz auf Dichtung und Gesang zurückgezogen;
dies beides aber empfing das Volk nur im Gotteshause.
III Der Weg KUX Sittlichkeit.
1>;.- Aufgabe der Volkslehrer, besonders im Osten, ist
deshalb, den Begriff der Ordnung wieder allseitig zu
erwecken, ihn auf alle (lebiete der Lebensführung anzu-
wenden. Bei unzulänglichem Denken erscheint die Ord-
nung wie eine bloße Form; man muß deshalb des Men-
Bchen zeigen, wie tief diese Form in das Wesen der
he selbst eindringt und den Wert und Erfolg der-
selben bedingt; wie Ordnung jedes G-ebahren mit ge-
ringerem Aufwand verrichtet, dir Erzeugung der Dinge
erleichtert, and wie die Erscheinung derselben verschönt
wird: denn wo immer eine Ordnung gesucht oder her-
gestellt wird, da tritt sofort Symmetrie, Harmonie und
angemessene Proportion zutage. Schließlich hat man zu
erkennen, daß Ordnung nicht bloß nützlich und schön,
sondern auch Symbol des Guten i-t.
Die mit Unsittlichkeil Bich paarende künstlerische und
werbliche Kultur hatte allerdings schon den Propheten
dazu verleitet, den eigenen Wert derselben für die ethische
A :'.Mhe .!>■- Menschen abzuweisen. S. Gzech. 28, 16.
eichnend ist doch hier die Anerkennung vor
aen sittlichen Verfall! Die Selbstüber-
• der Kultur und ihre Vernachlässigung der ethischen
be und d<r ethischen Schrankeu und Bedingungen
„I hi verdarbst deine E unst
durch die Ei auf den Glanz". (Das. 28, 17.») Die
■•uti t I. .> V. l u E> Kunslvertl
! i gi, Kofadclh.
Ethische Bedeutung der Kulturtätigkeit. 167
Übersetzung mit „Weisheit" hat Unklarheit des Gedan-
kens zur Folge, weil auch zum Grunde gehabt. —
Ethische Bedeutung der allgemeinen Kultur-
tätigkeit.
§ 386. In theoretischen Gedankengängen wird die
ethische Bedeutung der allgemeinen Kulturtätigkeit häufig
unterschätzt oder ganz übersehen; nur mit flüchtigen Ge-
danken wird sie gestreift und in matten Worten gerühmt;
aber weder genau betrachtet, noch streng gewürdigt. Ich
lasse hier den Einfluß bei Seite, den der Gegensatz von
geistlich und weltlich — der dem Judentum ursprüng-
lich in den beiden bedeutendsten Momenten seiner inneren
Gestaltung und Produktivität, im Prophetentum wie im
Babbinismus, fremd ist, — geübt hat und der immer
bewußt oder unbewußt, versteckt oder offen den Anspruch
mit sich führte, das ethische Moment auf Seiten des
Geistlichen zu finden. Ich lasse beiseite, daß der Gegen-
satz oft dadurch verschärft wurde, daß in der Kultur,
speziell der Wissenschaft ungläubige Kritik glaubens-
freie Forschung oft genug eine glaubensfeindliche Rich-
tung eingeschlagen und das geistliche Urteil, in welchem
ethisch und religiös untrennbare Begriffe sind, die Kultur,
wenn nicht als feindlich, doch mindestens als gleich-
gültig gegen das Sittliche angesehen und dargestellt hat.
Speziell bei den Juden hat sich besonders in den Zeiten der
aufgezwungenen und dann immer weitergetriebenen Ab-
III Der Weg zur Sittlich;.
Wendung von der allgemeinen Kultur ozliches Ver-
kennen derselben und ihrer ethischen Bedeutung !
ildet .Je mehr die „Geisteswaffenschärfung" ans-
lieülich gepflegt, die „Stoffesunterwerfung" rernach-
sigt war, desto mehr entschwand die Einsich.1
auch d lie gestaltende and waltende Beherrschung
der Naturkräfte, zum Beruf und zur Bestimmung des
Menschen gehören. Beides wurde übersehen, daß in-
zwischen die wissenschaftliche, künstlerische, industrielle
Kultur ganz neue Bündnisse mit den ethischen [deen
blossen, neue Formen der sittlichen Lebensführung
geschaffen, und daLi ganz besonders aus den neuen Kul-
tur- und Verkehrsformen der Menschen neue Aufgaben
der Versittlichung derselben hervorgehen.
Alle Erwerbstätigkeit, die praktischen Berufsarten,
waren zu einem Sittlichgleichgültigen irden, indem
es sich lediglich um den Erwerb der Mittel zum I
und zur Erfüllung der Gesetze handelte und zur Wohl-
lt im weitesten Sinne. Die Beziehung zur Sitt-
lichkeit war fast nur eine einschränkende auf Gerechtig-
Nur um die Redlichkeit des Erwerbes handelte
und um die ■ • " und wohltat ige V ' ■!""■
du: . -n. Der Inhal? der Arbeit aber war ethisch
unbeachtet Unter allen Beschaff ■ d war ethisch
11 nur Studium d< l ■■ ■ ' ses.
i doch bGi dankei
Kulturform« ( tffenbai
Ethische Bedeutung der Kulturtätigkeit. 169
und Erfüllung der sittlichen Aufgabe des Menschen er-
blickt, anderseits dieselben in den Dienst der Sitt-
lichkeit stellt, durchaus auf jüdischem Grunde. Im
8. Psalm wird die Herrlichheit des Menschen wegen
der Beherrschung der Natur gepriesen; und schon in
dem ersten Gottessegen, womit die Menschen gesegnet
werden, ist das ffiBDSl (Gen. 25 — 28) der Kernpunkt.
Vgl. die Talmudstelle Sanhedrin 58bl über: Sich in den
Dienst des Ackers stellen!
Es ist begreiflich genug, daß, als die Juden kein Wild
mehr erlegt, keinen Fisch geangelt, kein Schiff mehr aus-
gerüstet, ihnen der Sinn und die Bedeutung dieses Segens
fremd geworden; daß sich im öffentlichen Bewußtsein
derselben die beschränkte Meinung ausgebildet, daß ihre
ganze Lebensaufgabe erfüllt ist, wenn sie am Peßach
Mazzoth essen und am Sukkothfeste in Hütten wohnen
und am Jörn Kippur fasten und beten.
Und doch hatten auch die Rabbinen das mm mit "]TT
ps eingeprägt,2 aber pN "p"I war zu einer edlen, aber
beschränkten Privattugend zusammengeschrumpft. Da-
rum ist der freie Aufblick und Umblick in der Kultur
die alte, aber zu erneuernde Aufgabe; die Kultur, die
1 Resch Lakisch hat gesagt: Was bedeuten die Worte Spruch
Sal. 12, 11: „Wer seinen Acker bedient, wird des Brotes sali"?
Wenn er sich zum Diener seines Ackers macht, wird der Mensch
des Brotes satt; wenn nicht, wird er nicht des Brotes satt. D. H.
2 Abolh III, 21 sogar: ]'« ps "pn )'X ds p« "jti }"x min v« o«
min. D. H.
lTn III. Der Weg zur Sittlichkeit
günstigen Falle zu eiuer erlaubten Zierde des sitt-
lichen Lebens herabgesunken war, muß, indem die Juden
sieb ihr wieder zuwenden dürfen und mit Bif< r zuwenden,
wieder in ihrer ethischen und namentlich auch ethisierenden
leutung erkannt werden. : S. Delitzsch über das Handwerk.
1 Der \N i ri zivilisatorischer Tätigkeit wird anerkannt, wenn und
weil sie ethische Zwecke und Mittel ermöglicht, — Märkte, Hilder,
Brücken, Kriegführung usw. Nur sull sie nicht bloß egoistischen
Zwecken dienen, sondern in Verbindung mit Pflichterfüllung sein,
welche unicr Aufopferung des Angenehmen vollzogen wird
- Bne Allegorie dazu s. Aboda sar. 2h. R. Chenina bar Pappai,
an leren K. Simlai Bprach: In der Zukunft, die kommt, bringt
der He ebenedeiet sei er! ein Thorabuch und legt es auf
seinen Schoß und spricht: Wer sich damit beschäftigt hat, komme
und nehme seinen Lohn. „Alle Völker versammeln sich zumal"
(Jcsa ia 13,9) . . • Sofort tritt das Reich der Götzendiener zu-
ein (vor dem Heiligen, gcben<deni sei er!; .... It. Jochanan
.■•: Das ist Rom, dessen Ruhm über die ganze Welt hingeht ....
Der Hei et sei er! sprüht zu ihnen: Womit habt ihr
euch beschäftigt? Sie sprechen vor dun: Herr der Well! viele
Märkte haben wir eingerichtet, viele Bäder haben wir gemacht,
und Gold haben wir gehäuft, und all das haben wir
nur um der Israeliten willen getan, damit sie Bich mit der Thora
i der Heilige, gebenedeiet sei er! spricht zu
ihnen: ihr Narren, was ihr gemacht habt, habt ihr nur zu euerem
neu Bedarf gemacht Märkte habt ihr eingerichtet, um l'-uh-
lerinnen hinzusetzen, Bädi u eu b in ihnen zu ergötzen, Silber
und Gold ist il ■ r mem, - eschrieben Mehl (Hag 2, 8):
..Mein ist das Silber und mein ist das G . Spruch des Ewigen
Heerscharen14 .... Sofort geht sie betrübtet hinaus. —
ms geht das Reich Rom und hinein tritt das Reich Persien ....
Der Hei ge, -• ei er! spricht zu ihnen Womit habt ihr
euch i 3 - vor ihm: Herr der Well! viele
■i wir gebaut, vi< •■ StS Le I so wir bezwun
Ethische Bedeutung der Kulturtätigkeit. 171
Wir müssen auch hier zurückerobern, was wir besessen
haben. Herausgetreten aus dem Ghetto haben die Juden
zunächst nur die ökonomische Seite und die des Lebens-
genusses in der Kulturtätigkeit ergriffen. Sie teilen diesen
Irrtum, diese Befangenheit, freilich mit weiten nichtjüdischen
Kreisen; denn bei weitem die meisten Menschen be-
trachten die Kultur nur aus diesem engen Gesichtspunkt;
aber nur die Juden haben wir hier zu belehren. Nicht
mit neuer, sondern nur mit ihrer eigenen alten Weisheit
haben sie ihren Geist zu beleben; nicht im Sinne
einer Konzession an weltliche Bestrebungen, sondern im
großen und hohen Sinn einer religiös-sittlichen Forderung
ihren wahren Beruf als Menschen zu erfüllen.
Im Sinn Jesaias ist die Astronomie "1 ni*l (Jes.
40, 13). Die bildnerische Tätigkeit des Bezalel wird
als D\-6« nn bezeichnet Ex. 31, 2. 3; 35, 30 ff.; 36, 1.
Und wenn hier die Kunst zunächst nur im Dienste der
Religion auftritt, so darf nicht vergessen werden, daß
dies der königliche Weg aller Kunst in der Geschichte
ist; sie dient zunächst dem Höchsten, um sich dann aus-
viele Kriege haben wir geführt, und all. das haben wir nur um
der Israeliten willen getan, damit sie sich mit der Thora beschäf-
tigen. Aber der Heilige, gebenedeiet sei er! spricht zu ihnen:
Was ihr gemacht habt, habt ihr nur zu euerem eigenen Gebrauche
gemacht. Brücken habt ihr errichtet, um durch sie Zoll zu er-
heben, Städte, um in ihnen Frohndienst aufzuerlegen, die Kriege
aber habe ich geführt, wie geschrieben steht (Exod. 15, 3): „Der
Ewige ist der Mann des Krieges" .... Sofort gehen sie hinaus
betrübten Gemütes. D. H.
L72 Hl. Der Weg zur Sittlich!
zubreiten und alles zu idealisieren und es so in V
wandtschaft mit dem Eöchsten zu bringen und schließ-
lich sich selbsl zu Art des Eöchsten dadurch zu
gestalten, daß Bie der ethisierenden Macht nachstrebt, die
in ihr kann und soll.
387. Ähnlich wie mit der Stellung zur allgemeinen
Kultur verhält es Bich mit der zur Gesamtheit, zum Staate
und der Gesellschaft. Diese werden gleichsam nur gelegent-
lich erwähnt; ein paar allgemeine abstrakte Sätze über
Verhalten de> Individuums zu denselben bilden den
zen Inhalt, einen dürftigen Aus-chnitt d i eben
Gedankenkreise s.
in der älteren 1 1 ebung war Gottesdienst und
itspraxis, .Religionsvorschrift und Moralgesetz. Sta .
k und Privatleben gänzlich miteinander verflochten.
Albs Gesetz hatte politische und soziale Bedeutung. Auf
ethisch« Läutet Dg und Erhebung waren Belbst die n
Zeremonien unmittelbar bezogen. Auf D^TSB wwr
•. . . —
Wie lange wird es noch dauern, bis man für die I
arb( Ethik Bich darauf besinnen wird, daß
I Leg latur und der Wi laft in
,; /u v • und beide Aufgaben mit dem Bewußt-
1 einander zu erfüllen I
bd Staat jlebens achwindel
•. und mehr und im br gewinnt bik
lie B . Individualist d Charakter.
Stellung zu Staat und Gesellschaft. 173
Auch die nichtjüdische Ethik des Mittelalters verhält
sich sehr ähnlich, sie ist lediglich individualistische
Tugendlehre. Die ethische Gesamtgestalt wird in einem
Reiche Gottes gesehen, welches nur in der Kirche als
solcher realisierbar scheint; diese allein erscheint als
idealisierte Lebensform der Gesellschaft. Bei den Juden
wird die Idealisierung des ganzen Lebens in der Durch-
flechtung desselben mit den Mizwoth gesucht; dement-
sprechend ist der Blick auf die Gesamtheit nur auf
die Beziehung zum Gemeindeleben beschränkt. Die Ideen
sind ewig an sich und überall — Baum und Zeit sind
Form — sie werden wirklich und wirksam im Einzelnen.
Das Ziel aber, der Zweck ist nur in der Gesamtheit,
Nicht streng genug kann die Forderung an den Ein-
zelnen sein; aber nicht bescheiden genug kann man vom
Wert des Einzelnen reden. Nur als Glied der Gesamt-
heit empfängt er seinen wahren Wert.
Das chemische, das statische und physikalische Gesetz
gilt allgemein; der einzelne Fall ist verschwindend gleich-
gültig. Aber wirklich wird das Gesetz nur im einzelnen
Fall.
Selbst die religiöse Bestimmung des Judentums und
der Judenheit als Ganzes tritt zurück; die ethische Ge-
samtbestimmung, ein ethischer Gesamtberuf tritt zurück,
mit dem Aufhören der nationalen Selbständigkeit gleichsam
vertagt bis zur messianischen Zeit. Der höchste ethische
Zweck des Menschen ist insofern erhalten und gegen-
174 Hl. Der Weg zur Bittlichi
wäzüg als überall auf die Erzeugung und Übung der
ethischen Gesinnung des Individuums gedrungen wird.
A.ber beides, die ethische Aufgabe der Gesellschaft als
Ganzes, des Staate-, tritt zurück und noch mehr die B< -
ziehung zur Menschheit, da- Empfangen und die Kück-
wirkung auf die-e. Der Begriff de- z-:~D roVcD und ";
w"~~ i-t verdunkelt, verengt; er erscheint erfüllt, wenn
alle Einzelnen ihre individuellen Pflichten erfüllen. ( )b
bei Bachja nur einmal der Staat, die Gesellschaft,
oder die Judenheit als Ganzes vorkommt? [ch zweifle!
Vollends das WM TN1? TTITÜI1 — bleibt ohne alle Aus-
führung des Gedankens. Entwicklung des wichtigen
rHeimes,
Da die .luden vom Staatsleben gleichsam ausgeschlossen
waren, konnte sich eine Au-bildung dieses ganzen Ge-
dankenkreises natürlich nicht vollziehen; heute aber muß
er hervortreten.2
Ethik und Naturwissenschaft.
• S8. Die jüdische Weltanschauung fordert Natur-
ehauung, Erkenntnis, Bchon weil sie Gotteserkenntnis
und in -einen Werken fordert, namentlich im Ge;'
Jesaia
2 Die (folwem irr Ein l <lcs inneren Zusammen-
Qrundlage aller wahren Sittlichkeit wird mri
1 1 • teilt. Sifre P 16 Wie u | Pavillon),
eilt wird. Kr dauert, so lange
n; '-r s • nn s\c. sich trennen.
Ethik und Naturwissenschaft. 175
satz zum bloßen Genußleben; die Natur ist nicht bloß
Objekt und Stoff des leiblichen Genusses, sondern auch
der geistigen Erhebung, Erfüllung und Vertiefung s. Je-
saia 5, 12.
§ 389. Das Judentum und die jüdische Ethik im be-
sonderen muß sich in Lehre und Übung dem Weltlaufe, dem
Verhalten zur Industrie und dem Verkehr, zur "Wissen-
schaft und Kunst, zur gesamten Gesellschaft und dem Staat
zuwenden. Die Gesichtspunkte und Beziehungen, welche
mehr oder minder vernachlässigt sind, müssen hervor-
gekehrt werden. Dabei hat die jüdische Ethik nur auf
ihre eigene Höhe emporzusteigen. Die Grundsätze sind
in ihr alle und auf eine solche Weise, mit solcher Kraft
und Fülle und Tiefe gegeben, daß sie hinter keiner
ethischen Theorie, welche irgendwo in der Entwicklung
der Menschheit hervorgetreten ist, zurücksteht. Aber
eine lange Zeit ist die ethische Betrachtung abgetrennt
von dem öffentlichen Leben, von der allgemeinen Kultur,
von der Gestaltung und den Institutionen der Gesell-
schaft geführt worden. Nur die Privattugenden des Ein-
zelnen, die Normen der individuellen Gesinnung, die
einzelpersönliche Beziehung war ihr Augenmerk. Ver-
schleiert aber war der Blick auf die Berufsarbeit und
die Berufsaufgabe des Menschen, auf die allgemeine Auf-
gabe der Kulturtätigkeit und der verpflichteten Teilnahme
des Einzelnen an derselben und auf die sozialethische
Bedeutung des Einzelnen und seiner Lebensführung. Daß
Jll. Der V. Bittlicbi
ich bei anderen Religionen und ihren ethischen
der Fall ist, kann mit Bestimmtheit behauptet
und nachgewiesen werden; ans aber liegt hier die Kritik
anderer Systeme fern; nur an dem positiven Aufbau des
•neu haben wir zu arbeiten. Dabei aber liegen uns
jen durchaus fern, welche noch vor einem
Menschenalter die Gemüter in Bewegung gesetzt haben.
Eine solche i ist die nach dem Verhalten der Re-
ligion zu den Naturwi haften, zu der mechanischen
ltauffa88ung. Wir wissen heute, dafi die ererbten
Gedankenkreise und die Schriftwerke, in welchen wir tue
historische Grundlage unserer eigenen sittlichen Welt-
betrachtung finden, gelegentlich auch Ansichten und Er-
zählungen über Naturereignisse enthalten: Ansichten,
denen die heutige Naturwissenschaft und für uns völlig
■ t ab alle künftige Naturwissenschaft
wid( wird. Aber wir wissen auch. dal. eben
' i. die wir ihrer religiösen und ethischen
d mit blecht als heilige bezeichnen, keine Natur-
lehre enthalten wollten oder konnten; wir wissen, dafi die
Mir allmählich erwoi ben n konnten;
wir wissen aber auch, daß der ethische Wert und die
heiligen Schriften völlig unabhängig isl
den zu illigen im Erwähnungen einer
kindlichen A m Natnri i nungen.
Die hi \\ eltbetrachtung und ihre
hieden voneinander,
Ethik und Naturwissenschaft. 177
aber sie widersprechen einander nicht; grundverschieden im
Ausgangs- und in den Zielpunkten der Gedanken, können
sie doch in voller Harmonie nebeneinander bestehen;
die Wahrheiten, welche die eine sucht und findet, werden
von der auderen mit Fug weder bestritten noch aner-
kannt; sie sind nicht aufeinander gegründet, noch von-
einander abhängig. Die ethische Weltbetrachtung und
Lebensgestaltung übt höchstens auf die Energie, auf die
Absicht und die Anwendung der Naturwissenschaft einen
leitenden Einfluß. Sie kann die allgemeine, sogar bestimmte,
besondere Forschung grade jetzt zur Pflicht machen,
sie kann ihren Erfolgen (z. B. der Gesundheitslehre, der
Statistik) einen besonders fruchtbaren Einfluß auf sitt-
liche Lebensführung abgewinnen und ihnen deshalb einen
ethischen Wert beilegen; auf den etwaigen Inhalt aber
der erstrebten Naturerkenntnis, auf den Ausgang, die
Methode und den Erfolg einer Forschung übt sie nicht
den geringsten Einfluß. Umgekehrt schließt die erworbene
Ansicht von den Naturerscheinungen, von ihrer Ent-
stehung und den Gesetzen ihrer Entwicklung keinerlei
Gedanken ein, welche die sittliche Aufgabe des Menschen
bestimmen. Die Naturwissenschaften mögen weit voran-
geschritten oder zurückgeblieben sein, so werden die In-
halte und die Blüte der ethischen Wissenschaft davon
unmittelbar nicht berührt.
Vollends nun in längst vergangenen Zeiten, als die
Methoden, also auch die Erfolge der Naturforschung noch
Lazarus. Ethik des Judentum» IL 12
176 Hl. Der Weg zur Sittlich*
uui' sehr niedrigen Stufen standen, die ethischen I
Binnungen in den edelsten G-emütern and schöpferischen
Q-eistern zur Reife und Tiefe gediehen waren, tritt ihre
ceit voneinander deutlich zutage; es wäre
deshalb ebenso ungerecht und unweise, den Wert jener
ethischen Lehren nach dem Blaße der völlig unzuläi
liehen Naturansichten, die damit äußerlich und zufällig
»bunden sind, zu erniedrigen, wie es töricht und durch-
aus vergeblich wäre, die aller heutigen Erkenntnis wider-
sprechenden Erzählungen "der Theorien von Ereignissen
deshalb für wahr halten zu wollen, weil sie aus jenen in
ethischer Hinsicht SO lauteren und erhabenen Quellen
stammen.
l>a> Q-esetz fordert Allgemeinheit, also Gleichheit; die
Kultur, ihr Reichtum, ihre Fülle usw. erfordert Mannigfaltig-
keit. Di( Individualität. 8. W. ▼. Humboldt
und die Mischna Sanhedrin IV. ' . Talente können
1 Deshalb wurde der Mensch als Einzelner erschaffen, um dich
d Wer eine einzige Seele in Israel vernichtet, 'lern rechnet
es die S'-hrifi an, al9 halte er eine volle (ganze) Well vernichtet;
und wer eine einzelne Seele in I rhült, dem rechnet es die
S iir.ii in, rils hätte >r eine ganze Welt erhallen. — Wertung
I — Und wegen des Frieden! unter
nämlieb nicht ein M na b zum andern spre
Mein x- r (vornehmer) als d sin Vater; und damil
die Mii iei nicht sprechen ' G I im Himmel, um
ii ol i ! kund eu tun. Bin
Me igl viele Prägungen mit eine ', und ben
r andern, der He I prägt jeden
Mei sicgel des ei slen Mena h< n, un l nicht ein
Verschiedenheit ist keine Dekomposition. 179
■wir nicht schaffen; aber Fleiß und Gesinnung liegt in
unsrer Hand. Sie zu pflegen ist heilige Aufgabe. Ver-
gleich mit anderen Arten von Wissenschaften und Litera-
turen.
§ 391. Das wäre eine dürftige Kultur, welche keine Ver-
schiedenheit erträgt. — Verschiedenheit der Gruppen,
Richtungen. — (Berufsarten, Religionen, freie Verbände).
Dies gegen Paulsen und Mommsen. Stämme mit verschie-
denen Talenten, Schwaben, Sachsen usw., Juda und Israel,
die Griechen. Rom aber läßt die Individuen unbeachtet
und nur im Innern Interessengruppen bestehen, aber im
Kampfe miteinander.
Verschiedenheit ist keine Dekomposition, sondern Kitt.
— Die Einerleiheit erzeugt Zentrifugalität — die Mannig-
faltigkeit wirkt zentripetal! Fortbewegung der Geschichte
im Kampfe beider; beides ist erforderlich. Maß als
Forderung und Abwechslung (im Laufe der Zeiten — ) als
historische Tatsache und Erfolg.
In einem Volke kann auch beides nebeneinander wirken,
z. B. in der Politik Mannigfaltigkeit und in der Religion
Einheitsstreben, desgl. in Kunst, Industrie, Wissen-
schaft.
Gruppenbildung ist notwendig; nicht bloß geduldet;
sondern gepflegt. Aus verschiedenen Gruppen entwickelt
einziger von ihnen gleicht dem andern. Deshalb ist jeder einzelne
verpflichtet zu sagen: Um meinetwillen wurde die Welt er-
schaffen. D. H.
12i:
]80 »II Der Weg zur Sittlichkeit.
I schließlich Individualität der Einzelnen; Gruppen
Bind der Nährboden der Individualitäten.
Da- Konservatismus beruht auf Gesetz, Allgemeinheit,
im der Norm; aber der Gegensatz gegen ab-
soluten lvonservatisin'. nicht bloß Verletzung des
Umsturz (N( uerungssucht), Wechsel und Wandel
überhaupt, sondern auch das Schöpferische.
Beharren kann aus Gesetzlichkeit stammen, aber auch
aus Trägheit und sozial: aus Interesse der Be-
bten. Das Schöpferische verlangt Energie und
setz und < • lichkeit, aber auch für die neue Form,
für das Fit; rebildete.
sl nicht abstrakte Allg« meinheit, Gleichheit das
1, sonder: cnikeit, Gesamtheit, — des-
halb ist Individualität notwendig. Allgemeinheit ist nur
numerische Wiederholung; Gesamtheit i^t quali-
tative Steigerung.
Der Einzelne hat sein be>\>- Wesen and Beinen Werl
v.u. eise in dem. wodurch er Glied einer Gesamtheit
echtlicher der K I emeinschaft, als religii
• Kur. 3prachi , Berufsarbeit, ökono-
a rk e ii. usw.
Man soll die Mi d lehren, Bicb immi
zu ' , . .'. I habm. «
. | verächtlich nicht 'lies ist - nlimmsle
ei die Verachtung tragt, dso lein Schaden, sondern
Verschiedenheit ist keine Dekomposition. 181
Wie das Individuum zu einer Gemeinschaft, so sollen
die Gemeinschaften zum größeren Ganzen stehen. Ist
das größere Ganze organisiert, — desto besser;
die Organisation gewährt Vieles, — das Beste aber
ist der Anlaß zur Leistung des Gliedes; sie be-
stimmt und fordert und dadurch fördert und sichert sie
die Leistung. Aber auch ohne Organisation soll man
sich als Glied wissen und zum Ganzen streben (große
Städte, große Gemeinden pflegen selbstbewußt und selbst-
gerecht dagegen zu fehlen).
Sukka 5a: Vom alten Hillel geht die Sage: Wenn er
am Wasserschöpffeste erfreut war, pflegte er zu sagen:
Wenn ich (Gott) hier bin, ist alles hier, wenn ich nicht
hier bin, wer denn?
Kultur.
§ 392. mtiMl bn, du sollst nicht verderben. Der Grund
ist dreifacher Art:
daß die Gesellschalt es erleidet, ihn verachten zu müssen. Nicht
sein Gefühl, das der Gesamtheit ist das Wichtigste. —
Umgekehrt bei ehrenvoller Handlung, bei schöpferischer Tätig-
keit usw. — Jeder einzelne kann Glied vieler Gemeinschaften sein;
ist es bis zu einem Grade auch unwillkürlich und unbewußt; er soll
es aber absichtsvoll und bewußt sein. Die Vielheit und
Mannigfaltigkeit der verschiedenen Kreise, zu denen einer gehört,
sollen einander nicht widerstreiten; sie können und sollen
einander stärken; der bessere Familienvater, Stadibürger, Kirchen-
glied ist auch der bessere politische Bürger — hier in dieser
Mannigfaltigkeit der Kreise liegt der beste Anlaß zur Schöpfung
und Ausübung der Individualität; je nach Talent und Energie
stellt sich das Zentrum für die verschiedenen Kreise verschieden.
L82 HI. Der Weg zur Bittliohk«
1. privat-ökonomisch,
2. national-ökonomisch.
3. kultur-ökonomisch. —
Nicht blol'i der materielle, sondern der ideale \\ i rt,
die ordnende, schaffende Tätigkeit ist an einem Objekte
offenbart und soll nicht zerstört werden.
Alle Veredlung der Stoffe durch die Form, den Ge-
danken, die Verbindung mit der Idee soll so lange wie
möglich erhalten bleiben. Auch in dem Naturgebilde
ist ein Aufstieg von der geringeren zur höheren, TOn der
dürftigen zur reicheren Form; die elementaren Stoffe, —
die unverwüstlich sind. — haben Gestalt, Wirksamkeit,
Leben gewonnen: Mineral — Kristallisation, Pflanze,
Tier — ; die Form, das vollkommenere Sein soll nicht
ätört werden.
Verbot r'~2T ~2 hat durchaus nicht bloß ökono-
mische Bedeutung, sondern jedermann i-t Verwalter des
Natur- und Kulturguts und muß für dessen Erhaltung
mit In der Er: i ' ung ist das besonders notwendig,
dem Zerstörungstrieb, obwohl dieser nur eine
•. der au ine
■ will. S. Steinthal , „1 'S. 1 7 in
11; • r. Jahrbuch L901 - l 6ff.
893 In ler Technik de Lebens bedürfen wir un-
i] tschreitenden Bi lehrung auch durch Wissen-
• und Kunst, durch Kulturschöpfung über-
bau] \ Lker, die schöpferischen
Mannigfaltigkeit der Kultur und Ansichten. 183
Gesamtheiten, in deren Mitte wir leben, sie bedürfen. Wir
bedürfen dieser Belehrung und Anwendung und sind da-
zu — wie die Geschichte des letzten Jahrhunderts be-
weist — befähigt. Die Ethik des Lebens aber, ihre
Prinzipien, Gesetze und ihre Gesinnung besitzen wir im
Judentum selbst, hier bedarf es nur seiner eigenen fort-
schreitenden Entwicklung, welche, wie sie im Laufe der
Jahrtausende sich vollzogen hat, sich immer weiter
vollziehen soll und zuversichtlich vollziehen wird. — Es
ist historisch sehr interessant zu beobachten, wie selbst
diejenigen Richtungen, welche, wie die Orthodoxie und
selbst die Mystik, — Kabbalisten, Chassidäer — vermeinen,
ganz auf dem Standpunkt der bloßen Tradition zu stehen,
gleichwohl an der tieferen Begründung und dem Aus-
bau des ethischen Systems mitgearbeitet haben.
Mannigfaltigkeit der Kultur und Ansichten.
§ 394. Innerer Reichtum der Kultur, Mannigfaltigkeit
der Fähigkeiten und Bestrebungen, "Wettkampf der
Lebensformen usw. ist notwendig. Vergl. die Legende
von Ketia bar Schalom, er sagt dem Kaiser, der die
Andersgläubigen vernichten will: „Dein Reich ist dann
ein lückenhaftes." S. Ab. zar. 10 b. l
1 Ein Kaiser, der die Juden haßte, sprach zu den Vornehmen
der Regierung: "Wenn einem ein Geschwür an seinem Fuß ge-
wachsen ist, soll er es wegschneiden und leben, oder lassen und
leiden? Sie erwiderten ihm: Er soll es wegschneiden und leben.
Da sprach Kelia b. Schalom zu ihnen: Erstens, du wirst ihnen
181 Hl. Der \\Vg zur Sittlichkeit
Ethik und Kunst, Industrie, Bande] und Verkehr.
| ;'.'".. Kultur und Arbeit. Pinsische Notwendigkeit
und sittliche Aufgabe begegnen sich in der Tatsache, daß
zur Erhaltung der Gesamtheit eine Summe von Arbeit roll-
sogen werden mulJ. in welche sich die Menschen zu teilen
haben. Jeder Einzelne soll einen Teil dieser Arbeit
tan; nicht, wie nach dem physischen Bedürfnis, seinen
Teil für sich Belbst, sondern einen Teil für alle. Km
Austausch der Arbeit ist notwendig, desto mehr, je höher
die Kultur steigt
Kultur ist die Vermittlung zwischen physischer Not-
wendigkeit und sittlicher Aufgabe.
Die kulturlosen Stufen isolieren, gestatten vereinzelte
Arbeit für den Einzelnen oder engsten Kreis. Kultur-
stufe;, .leder Beruf fordert Arbeil für andere; auch
Handel und Verkehr wird notwendiges Glied in der
Kette les A ehes. Je niedriger der sittliche
9 ind, desto mehr Sklarerei und de-4o mehr Verachtung
der Arbeit. Die jüdische Grundanschauung selbst
lies m^y1? > und vorher schon ntP23l9 Die
allen ni l>i men, <!• 10 „heim vaito
-, wie <Iie \ier Himme ha o ich euch au et"
Was meint er (S > n cn : Du liast sie hii
ilreul m ilie vier ll ^enden, s<> müßte es heißen: nmn "\b.
\ in wie die Well nicht denkbar ist ohne <lie vier Himn
,si <lic Well nicht ohne Israel denkbar, bann a
wird dich (dein Reich) ein venlümrj lückenhaftes !•
D ll i Gi i i 2, 15. > Daa l,
Wissenschaft und ihre Würdigung. 185
Arbeit und Bearbeitung der Erde erscheint nicht als
egoistisches Motiv, sondern als Gesamtaufgabe. Der
Sklaverei wird früh ein Gegengewicht gesetzt, wenigstens
im Sabbat: my ]ynb.1 Jeder soll arbeiten: . . . "p-ü'1 ]ynb
ntryn iws "pp ntyye fcn>
Jeder Gewinn, der nicht durch wirkliche Arbeit
und Leistung herbeigeführt, sondern nur auf dem Ein-
verständnis des anderen, also nach Spielregeln, Wett-
gesetzen und Wucherverträgen erzielt wird, entwürdigt
die Person; und wer diese Art des Spiel- Wett- und
Wuchergewinns zu seinem Gewerbe gemacht, büßt die
Fähigkeit ein, vor Gericht als Zeuge aufzutreten. Siehe
Mischna Bosch hasch. I, 5 und Sanhedrin I, 3. Nicht
bloß die Ungerechtigkeit gegen den anderen, die Schä-
digung desselben, sondern die eigene Entwürdigung
ist es. — Daher auch Annahme von Gaben außer im
Falle größter Not streng verpönt. Spr. Sal. 15, 27. Vgl.
Maimonides, Hilchoth Matnoth Anijim IX u. X, der darin
bis zum äußersten geht.
§396. Wissenschaft. Der objektive Geist soll erhalten
und gefördert, fortgebildet werden; dazu gehört: Wissen-
schaft; subjektiver Geist; aber nicht bloß Gelehrsam-
keit, Wissen von einzelnen, sondern der Gesamtgeist;
der Durchschnitt, das Niveau soll gehoben werden.
Der Idealismus der Rabbinen äußert sich auch darin,
daß namentlich die geistige Tätigkeit von allem Nutzen,
1 Deuter, 5, 14. 2 Das. 14,29 u. a.
186 III. Der Weg zur Bittliohk« I
aller Selbstsucht und der Befriedigung sinnlicher Bedürf-
I wird; auch vom Ehrgeiz; „nicht zum Spaten,
um damit zu graben, und nicht zur Krone, um sich da-
mit zu schmücken". S. Pirke Aboth I V. 7. Erzäh-
lungen von der 8,UÜer8teiI Strenge darin bewahrt der Tal-
mud: die Almosenverteilung Rabbis.1
Die Würdigung der Wissenschaft bei den Kabbinen
zeigt sich in den Vergleichungen, welche Bogar rechtliche
itimmungen nach -ich ziehen. S. Horaj. 13*: [st der
stard ein Gelehrter und der Hohepriester ein Un-
Sender, SO geht der Ba>tard, der ein Gelehrter ist,
i Hohenpriester, der ein Unwissender ist, vor.
Noch merkwürdiger ist die Steigerung das.: Der Ge-
lehrte gehl dem Könige von Israel vor; denn wenn ein
• rbt, bo gibt es für uns nicht Beinesgleichen,
Btirbt aber • in König, bo sind alle Israeliten des König-
tums würdig.
Der König geht dem Hohenpriester voran.
Wei r Weise dem Könige \ d wird, weil
: etzt, erwählt werden kann, jeder wahl-
müßte tlich auch der Priester, der doch
,n muß, ebenfalls vorangehen. nicht
Grund der König durch Wahl i
lieh um die absolute Schätzung handelt es sich.
n Auir.'im. • Rabbis, gibt
er tuf Armenunterslölzung anf i n ist, als Am ha-
l lirr der Th ira1 Nutzen tu liehen
"Wissenschaft und ihre Würdigung. 187
Zivilisation (Industrie, Teilung der Arbeit, Verkehr
und Austausch), der Segen derselben und ihr Erfolg für
höheres, edleres und reicheres Streben! Sie befreit den
Menschen von der Überlast der Arbeit, die er zur Be-
friedigung der einfachsten natürlichen Bedürfnisse, zur
Nahrung, Kleidung, Wohnung aufwenden muß, und ge-
stattet ihm, sich und seine Kraft zu- konzentrieren, voll-
kommenere und höhere Leistung zu gewinnen.
Vom Kulturzusammenhang und der Teilung der Ar-
beit samt den günstigen Folgen derselben durch das
Ineinandergreifen der verschiedenen Tätigkeit haben die
Pabbinen klare Vorstellungen.
Wie Plato in der Republik, so hatte auch Ben Zoma
bereits eine deutliche Vorstellung von diesem schöpferi-
schen Erfolg der Teilung der Arbeit s. Berach. 58a
und Toseftha Berach. Per. VI. Ben Zoma sah eine Men-
schenmenge auf der Höhe des Tempelberges und sagte:
Gebenedeiet sei, der das Verborgene weiß, und gebene-
deiet sei, der alle diese erschaffen hat, um mir zu
dienen. Dieser Ausspruch des Ben Zoma zeigt deutlich,
daß er unter den Geheimnissen (D*nn) den verborgenen Zu-
sammenhang, das Ineinandergreifen der Kulturtätigkeit
versteht.
Mischungen (und Analysen), die der Mensch entdeckt
oder vorfindet, und Feuer, das er künstlich erzeugt und
verwendet, stehen höher als bloße Naturprodukte. „Das
Feuer und die Mischungen sind nicht von den sechs
III. Der Weg rar Sittlichkeit.
T -. der Schöpfung her, aber Bie Bind von den Becha
;en der Schöpfung her gedacht."1
E1 liik in der Berufsa rbeit.
§ 397. Allerdings sind die menschlichen Tätigkeiten
Vorzugs durch ökonomische Beziehungen geordnet.
Aber jede Arbeit hat einen ethischen Hintergrund,
und je mehr das Individuum sich desselben bewulJt wird.
desto mehr wird sie dem ethischen Ziele ent.^epenreifen.
Der ethische Zweck des Arztes liegt klar vor An
das Lehen der anderen verlangern, Knute erhalt
leil mindern. Das praktische Getriebe des Berufes
bewegt sich in den Bahnen der bloßen Kausalität; Kunst
und Übung mögen das Interesse fast ganz in Anspruch
nehmen, und der ökonomische Erfolg des Gewerbes einen
starken Hebel bilden; — bei edleren Naturen wird doch
die ethischf Gesinnung das Hergebende werden und in der
ethischen Leistung die moralische Befriedigung gewährt
. Ohne Zweifel wird die moralische Gesinnung auch
die Technik Einfluß üben. I >as moralische I reftLhl des A r.
• ii seine technische Pähigki ine Kenntnis und seine
I bung nicht« o; aber sie wird die Erleuchtung fördern,
spannen und dem Willen En geben. —
Und warum sollten nichl auch, grade so wie der Arzt,
der Koch und der Kellner sich »erhalten? Warum sollte
iit. dir Hungrigen zu Bättigen, ■ !:•• Ermatteten zu
1 v. :.i Berach. 54*; Abotfa V, 9; Mechütha Beschallach tu
16, .'.2 und Sifrö I . tu Deul 33, 21. D n
Arbeitspflicht des Menschen, auch der Frau. 189
laben, als deu Kern und das ethische Ziel seines Berufes
ansehen? Wir stecken noch zu tief in der egoistisch-
ökonomischen Anschauung des Berufslebens.
Es sollte doch jeder einsehen lernen, daß sein Leben
und Tun zum Ganzen des Kulturgetriebes gehört, daß er
ein Stift oder eine Schraube im großen Mechanismus des
Gesellschaftslebens ist, und an diesem Gedanken min-
destens in geweihten Stunden — wie Sonntags der religiöse
Mensch in der Kirche — sich erheben. Auch ohne diese
ErhebuDg kann und soll der Aufwand moralischer Ge-
sinnung im Verkehr — in Rechtlichkeit, Billigkeit usw.
das Leben ethisch gestalten, aber den Zweck des Daseins,
Lebens und Wirkens erkennen ist wahrhaft menschlich.
Arbeitspflicht des Menschen, auch der Frau.
§ 398. Obgleich die Verpflichtung der Arbeit für den
Mann je nach den Umständen und als Rechtsfrage sehr
verschieden ist, so wird doch auch Arbeit von der Frau
gefordert, „weil Müßiggang zur Ausartung (riOV) führt" —
und trägt der Mann selbst die Schuld ihres Müßiggangs, so
fordert R. Simeon ben Gamliel, daß er sich von ihr scheide;
denn der Müßiggang, zu dem er sie verurteilt, führt zur
Geistesstörung oder Geisteszerrüttung. S. Kethub. 59 b:
Auch wenn jemand inbezug auf seine Frau ein Gelübde
tut, daß sie nicht zu arbeiten brauche, so muß er sich von
ihr scheiden lassen, und er gibt ihr ihre Hochzeitsver-
schreibung (Kethuba), denn Müßiggang führt sie zur
Geistesverwirrung.
190 UI. Der Weg zur Sittlich;,
S t iid i um. Erkenntnis and Tun.
§ 399. Wie ein Widerspruch erscheint e-. daß eine]
unendlich oft, mit dem größten Nachdruck nsw. das Stu-
dium des Gesetzes, das Wissen, die Weisheit und Er-
kennte rt, gepriesen, aber alles an "Wert erhoben
wird: C^ID 1333 min TlD^n; ' auf der anderen Seite aber
immer wieder eingeschärft wird: nicht das Studium, die
Tat ist die Hauptsache, der Grund, die Wurzel uew.a
Auch daß es etwa verschiedene Personen sind, welche
eine oder das andere Lehren, selbst verschiedene
Zeiten oder Schulen, können den Widerspruch nicht lösen,
denn beides wird in einer Art und in einein Maße vor-
getragen, daß man überall deutlich wahrnimmt, es ist der
i, ist des Volk« ist die Seele der Gesamtheit, der
allgemeine Kern des inneren Lebens, der Bich darin
spricht Vielmehr Liegt die Lö darin, das eine
Leu Sinn und Zw« .1; des Studiums, da- andere
Art und Form der Tat
Gelehrsamkeil an sich ist nichtig, macht citri (nicht
, den Einzelne! inze Zeitalter, die Gesamtheit usw.),
wenn rie vorhandene, Ged inken wiederfinden,
durch Kritik wieder herstel Qt erläutern will
' I'.-.il, I, I. ti I, 17; S b XL A .
, ■ j, ,t . Sl idium So pfli
lt. . zu tun Wenn .-r 1 eine Lei \ic '"ler eine
, i nun r- ■■ lei H wurden, blickte
hülei und sprai b zu ihn n Die l >' hal den Vor-
. --ii. V< Ifa IV. 22. D. II
Studium und Tun. 191
und damit den Zweck der Tätigkeit erfüllt findet; wenn sie
in der geistigen Beschäftigung mit dem würdigsten Gegen-
stande (die Natur, ihre Erscheinungen und Gesetze, oder
die Lehren, Schöpfungen, Handlungen des menschlichen
Geistes, Geschichte und Gesetze), weil eine wertvolle,
eine absolut wertvolle Tätigkeit findet. In Wahrheit soll
dies alles bloß Mittel sein; jede historische und jede
kritische Erörterung früherer Gedanken (Gelehrsam-
keit) soll den Zweck des ursprünglichen Gedankens
erfüllen. Das ist die Frage: was wollte, was leistete der
frühere Gedanke, die Schöpfung, Lehre, das Gedicht, Gesetz;
diese, die praktische, die eigentliche ursprüng-
liche Bedeutung soll wiedererweckt, womöglich ge-
klärt, verstärkt werden. Alle geistige Arbeit soll Ver-
edlung des ganz en Menschen sein, d.h. also neben Verstand,
Phantasie usw. vor allem den Kern und Mittelpunkt, das
sittliche Bewußtsein, den sittlichen Willen treffen. Von
solcher Art muß auch die Gelehrsamkeit, alle Feststellung
und alle Verfeinerung und Fortbildung des Gesetzes sein.
Auf der anderen Seite kann die Praxis niemals ihren
Wert und ihre Würde in einem unwissenden Geiste er-
reichen; die sittliche Praxis ist keine bloße äußere Tat;
in einem wissenden und wissenschaftlichen Geiste geht
die Tat auf die Wurzel, auf den Zweck und die histo-
rische Entwicklung des Gesetzes zurückt sie ergreift den
wirklichen Zweck und Sinn des Gesetzes; in einem un-
wissenden, unwissenschaftlichen wird sie zur leeren
192 in. Der Weg «ur Sittiichk.it.
Bülse, im Körper ohne Geist Nicht einmal das "pno
- K3 TVü&b vbv* i>t darauf anwendbar; denn dieses
urilt nur von der Gesinnung ; also Z B. grade beim Stu-
dium, früher aus fremder Absicht. Eitelkeit usw., spät- r
aus reiner Idealitat. oder: Wohltaten aus Eitelkeit, später
aus reinem Wohlwollen.
Für das anwissende Erfassen der Dinge gibt es keine
andere Etemedur als — Wissen suchen.
Wissen aber ist nicht Selbstgelehrsamkeit. Die Ge-
lehrten müssen arbeiten, damit alle wissen: Studium
also nicht bloß Studium für Bich selbst, d.h. für den
einen, damit seine Praxis erleuchtet, wertvoll, der Norm
und dem Zweck entsprechend werde, sondern damit (all-
mählich!) im öffentlichen Geiste Norm und Zweck zu klarem
rächt und in klarem Bewußtsein er-
halten w Dies ist besonders der Sinn der for
r von Generation Gei eration dauernden Gelehr-
mkeit. Weil dies Letztere übersehen wird, meint man, es
müßten neue Feinheiten, Fragen nsw. ausgebildet werden.
Der Grundpfeiler der jüdischen Ethik ist also: er-
and aus ,], , (,, [nnung quellendes Gu1
i ! G oll mit jener
Buntheit, Initiative, [nnigkeit, Energie, bewul
Klarheit ergriffen and erfüllt werden, als oh da- Wollen
em eigenen Begehren ent prange: "JiUTa WT\ PR
er B igheit, gleichsam List und Findig-
" Nazir 2 I D. M Ibolfa II, 4. I» II.
Studium und Arbeit. 193
keit, womit die Leidenschaft ausgerüstet zu sein pflegt:
nmon o^ony — rrora nny). Berach. i?a.
§ 400. Eine Hauptaufgabe des Studiums ist die Wahrung
des Fortschrittes durch Sichtung des Überlieferten, Unter-
scheidung des Höheren vom Niederen, des Ewigen vom
zeitlich Entstandenen und Entschuldbaren, aber zu Über-
schreitenden und Überwindenden. Die Behauptung, daß
in irgend einer Literatur irgend eines Volkes alles auf
gleicher Höhe stehe und stehen soll, ist eine Dummheit
und Unwissenheit, welche nur der Haß für eine Wahr-
heit halten, nur die wissentliche Böswilligkeit für eine
solche ausgeben kann.
Daher sind falsche Apologien höchst verwerflich trotz
ihrer besten Absicht, oder weil die eigene Güte der Ge-
sinnung auch dem Mangelhaften und Unvollkommenen
früherer Zeiten die eigene Fülle und Vollkommenheit unter-
schiebt. Reine ehrliche Prüfung; auch weil man sonst
den wahren Genien, die höhere Stufe und Form gezeigt
haben, zu nahe tritt.
Nirgends in der Geschichte des Geistes tritt uns
solche Gleichmäßigkeit entgegen. Die jüdische ist reich
an mannigfaltigster Gedankenschöpfung. —
Selbst die Schädlichkeit vorhandener, minder hoch-
stehender Aussprüche beruht auf wissentlicher Lüge.
Wer guter Gesinnung ist, wird nur vom besten angezogen,
das ja auch allein in der besseren Zeit gelehrt
wird; wer schlecht von Gesinnung bei der besten
Lazarii6, Ethik des Judentums II. 13
11* I ui. Der Weg zur Bittliohk
Lehre, bedarf der unvollkommenen zu Beiner Deckung
nicht. —
Dir Aufgabe des Studiums ist: den Fortschritt anter
dem Einfluß der allgemeinen Entwicklung (und geg« n-
seitigen Belehrung) im Menschengeschlecht zu fördern.
Die Talmudisten nehmen Sittenregeln aus allgemeiner
Sitte und einzelnen historischen Tatsachen, Anekdoten
anderer Völker an; preisen sie. halten sich nicht für
allein weise, verwerfen nicht das Fremde als solc:
schreiten im Eigenen fort durch Beachtung und Ach-
tung des Fremden. (Gegen blöde Orthodoxie mit ihrem
D^WI npn). Sogar Formschönheit, wissenschaftliche Me-
thode wird herüber zu nehmen gepriesen, als Segen
deutet: "151 ns^ DVl^K HB\ Megilla 9h.
§ t"l. Nach Tausenden zählen die Stellen im Tal-
mud und Alidrasch, in denen die geistige Beschäftigung,
Studium gepriesen wird. Die Vergleiche mit allem
Lobenswerten usw. Es genügt, eine Stelle anzuführen.
Die Opfer bildeten den Eöhepunkt des Gottesdienstes
und die Ganzopfer, von welchen auch die Priester
nicht essen dürfen . . . Bind die wichtigsten. Aber in einer
Glosse zu Ps. 84, 11 l&ßt EL Jose ben Lei G " :en:
„Lieber ist mir ein Tag de. Studiums als tausend Ganz-
opfer" S. Makknth 10» im.
Handlung und Lehre, Wissen und Bildung. 195
Handlung und Lehre, Wissen und Bildung.
§ 402. Die Handlung ist nur eine einzelne, die Lehre aber
wird verbreitet und vererbt. Sota 21 a: Ein Pflichtgebot
bietet nur Schutz und Rettung zu der Zeit, wo man da-
mit beschäftigt ist, zur Zeit aber, wo man nicht damit
beschäftigt ist, gewährt es wohl Schutz, aber keine Ret-
tung; die Thora dagegen gewährt sowohl zur Zeit, wo
man mit ihr beschäftigt ist, wie auch zur Zeit, wo man
nicht mit ihr beschäftigt ist, Schutz und Rettung.
Wissen und Bildung. Falsch gestellte Ziele; wer
unfähig ist und doch mitwirken will, wird zum Pfuscher
und leitet irre, die ihm vertrauen.
Schaden an seiner Person, an der Allgemeinheit derer,
auf und für die er wirkt, und an der Sache — er hemmt
und lenkt ab. S. Chagiga 5b: Über drei weint der Hei-
lige, gebenedeiet sei er! an jedem Tage: Über den,
welcher sich mit der Thora beschäftigen kann und er
beschäftigt sich nicht damit; über den, welcher sich nicht
mit der Thora beschäftigen kann und er beschäftigt sich
doch damit; und über einen Vorsteher, welcher sich über
die Gemeinde erhebt.
Die ideale Beschäftigung mit dem Schreiben von
Büchern, l^sn und JYMtö (sowie der verbreitete Handel
damit) befreit von allen anderen Pflichten; folglich
befreit auch jede Kulturtätigkeit von den Zeremonien.
S. Sukk. 26a: mim nmDKn ms» ^3ö. Mit Recht: wozu
13*
196 Hl. Der Weg rar Sittlichkeit.
;e man Wp, erlulle mau andere Gebote? Um dir sitt-
liche religiöse Gesinnung, Idealität zu ptlegen. Dieser
der einer idealen Beschäftigung Hingegebene — ist
mitten in der Bewährung und Erfüllung der Idee.
Agrikultur.
§ 103. Nicht bloß den Ertrag für sieh soll der Mensch
bei der Bestellung des Bodens Buchen, sondern auch die
Vollkommenheit des Landbaues, den Dienst für die Sache.
..Wer sich in den Dienst des Bodens stellt, wird Beine
wahre Sättigung (Befriedigung) darin finden. - S. San-
hedr. 58b: Der Boden wird nur den Herren der Arme
verliehen. ■ . . Wenn ein Mensch sich selbst dem Boden
wie ein Knecht macht, wird er Brot die Fülle haben,
wenn er das aber nicht tut. wird ernichl Brot die Fülle
haben.
Dahin zielt auch das Wort: .. Besser, wer ein Feld pachtet,
es beharkt und düngt, als wer vi. le Felder verpachtet und
unwirtschaftlich behandelt." S Midr. BerescLr. Par. 82,2.
Letztere kann ja immer noch gröfr reu Ertrag er-
zielen, ab« eine Leistung in der Sache isl gering.
Wurde der Arbeit und d< ungestörten
I- • -. Ehrerbietung den Gelehrten wird hoch
priesen; der Bandwerkex aber, d< r bei Arbeil -itzt.
.■ darf oichl pWBTI pH) aufstehen, Dm »hu ( Jelehrten
zu begrüßen. Kiddusch. 33": Handwerker brauchen nicht
vor den G irtea (eig. Schülern der Weisen) aufzu-
Agrikultur. Gleichwert der Arbeit. 197
stehen zur Zeit, wenn sie mit der Arbeit beschäftigt
sind.
§ 405. Gleichwert aller Arbeit bei gleicher Ge-
sinnung. Der Landbau (Feldarbeit) wie das Gesetzesstudium
stehen einander gleich. Berach. 17 a: Ich bin ein Geschöpf
und mein Nächster ist ein Geschöpf; ich habe meine Arbeit
in der Stadt und er hat seine Arbeit auf dem Felde; ich
gehe frühmorgens an meine Arbeit und er geht früh-
morgens an seine Arbeit; sowie er sich nicht hervortut
in meiner Arbeit, so tue ich mich nicht hervor in seiner
Arbeit. Solltest du vielleicht sagen: Ich leiste viel
(eigentlich ich vermehre) und er leistet wenig (eigentlich
er vermindert), so haben wir die Lehre (Menach. 5 b letzte
Mischna): Einer, der viel leistet, und einer, der wenig
leistet (sind sich gleich), wenn nur sein Herz zum Him-
mel gerichtet ist. Sehr beachtenswert ist, daß der Aus-
spruch als ständiger Ausspruch im Munde der Rabbinen
von Jamnia angeführt wird. Wegen der ethischen Ge-
sinnung sind beide gleichgeachtet: Die Leistung des
Feldarbeiters ist ja geringer, aber seine Würde ist wegen
der Gesinnung gleich hoch.
Die Deutung von Raschi führt von dem einfachen Ge-
danken ab. Der wörtliche Sinn ist: So wie er sich durch
seine Berufsarbeit nicht unbedingt (vom geistigen Leben)
einengt, abschneidet — (denn er nimmt konsumtiven Teil
an derselben) — so soll ich mich nicht durch meine
(geistige) Berufsarbeit (vom weltlichen Leben und von
III. Der Won; zur Sittlichk
den Kulturaufgaben) abgeschieden betrachten; in der
-innun-_r sind wir gleich.
Schon in der Mischna wird gelehrt, daß der Vater
pflichtet ist, seinem Sohne die Bildung ßTWl) zu ver-
schaffen und ihn ein G ewerbe lernen zu lassen. K. Jehuda
fügt hinzu, ein wirkliches Gewerbe, d. h. eine Berufsart,
in welcher stetige Beschäftigung möglich ist. damit nicht
der Müßiggang zu Unredlichkeit verführe.
Wer ein Handwerk gelernt hat. ist wohlgeborgen, der
I'nv le ist unbewahrt. Das Handwerk wird mit dem
Weinberg, welcher wohl eingezäunt ist usw. verglichen
-. Toseftha Kidduschin Per. T.
^406. Handwerk. Die Bevorzugung des Hand-
werks geschieht deshalb, wreil der Handel, wenn Gelegen-
heit fehlt, müßige Stunden hat, welche zum Ersinnen von
Listen verleiten; dagegen die Handarbeit (auf Vorrat)
minier geschehen kann; also immer redliche Tätig-
keit, sittliche Energie. S. Cidduschin 30'': Wer seinen
Sohn kein Bandwerk lernen läßt, erzieht ihn zum
ib( r.
■ ii Jahre Hungersnot, aber den Handwerker triff!
• - Banhedr. I VgL das Sprichwort: „Hand-
werk lenen Bod<
Qew( rbe als allgem'einei Interesse.
Der Knecht, welcher ein Handwerk versteht, der Bader,
[, .. i il] dem Handwerk nicht ent-
i nur /u h&uslichen od< r nlichen
Recht ist Ordnung der Gesellschaft. 199
Diensten verwendet werden, weil jenes „dem Allge-
meinen dient" s. Mechiltha Mischpatim.
Recht und Gerechtigkeit. Gegen Verläumdung.
Ehre.
§ 408. Recht ist die Ordnung der Gesellschaft; die
Sicherung der freien Bewegung und Entwicklung aller
Einzelnen, also auch der Gesamtheit. Recht ist also ein
bloßes Mittel zum Zweck der allgemeinen und allseitigen
Entfaltung der Sittlichkeit. Es ist conditio sine qua non.
Deshalb ist es auch mit Zwang behaftet. Aber Recht
ist nur ein Minimum; das Recht zum alleinigen Inhalt
der Moral machen, heißt seine Bedeutung verkennen;
verkennen, daß es bloß Mittel ist, zu welchem der Zweck
hinzukommen muß. Daher eine Gesellschaft, welche sich
auf das Recht beschränkt — min p ty DiTiH lTDJ>n l —
wert ist, daß sie zugrunde geht.
Der Zwang aber ist keineswegs eingeschränkt auf
Recht im engeren Sinn; vielmehr kann und soll alles,
was zur Erhaltung und zum Bestände der Gesellschaft
als Ganzes in allen seinen Gliedern gehört, erzwungen
werden. Daher heißt es auch bei D^iJJ niiDö Armen-
erhaltung 2 : nmo n:>ö im« paü.
Die Sittlichkeit (Moral) aber fordert freie Tat, innere
i Baba mez. 30b. D. H.
2 Baba batra 8a u. b. Vergl. Rambam, Jad hachasaka, Hilchoth
Mathnoth Anijim Perek IX, 12 und Perek X, 6. D. H.
KM) 111. Der Weg zur Sittlichkeit
Teilnahme, Sorge für die <!• samtheit und jeden Einzelnen
nach Abstufungen.
An das, was Hecht und Gesetz ist. sind wir gebunden,
Niemand darf wegen seiner vom bestehenden und gelten-
den Hecht abweichenden Überzeugung mit seinem Tun
vom Hechte abweichen. Er darf nicht blolJ. er soll da-
nach trachten und mit allen erlaubten Mitteln darum
ringen, daß seine Überzeugung zur allgemeinen, sein Ge-
wissen zur Norm und zu geltendem, gesetzlich befestigtem
Hechte werde. Stellt seine eigene Ansicht und sein Ge-
rechtigkeitsgefühl strengere Forderungen an ihn als das
geltende Etecht, dann hat er für seine Person auch diese zu
erfüllen; von anderen aber darf er die Befolgung nicht
heischen. Nichts aber ist dem Menschen iu Wahrheit
erlaubt, bloli weil e^ ihm erlaubt Bcheint
Common wird der Tag, daß daa Hecht in Beinern wahren
und ganzen Idealismus, nämlich nicht bloß als sittliche
Idee, sondern im Zusammenhang aller [dealität, mit
dem Ganzen der Menschen, «lern Ganzen der Welt, mit
der Unendlichkeit gedacht wird.
Wenn auch heutige Juristen zu Bolchen Gedanken ihre
klugen Köpfe schütteln, der [dealismus Btirbt nicht
11 Elechl nur dem Staate anvertraut und
politisch verwaltet Gegen Einmischungen einer heuchle-
Orthodoxie und EConfi . die dem wahren
imus fernsteht,' an nur die Eteligion entwerten
und d I; rwirren. — Aber tiefere Lebens- und
Eecht ist Gerechtigkeit. 201
weitere Weltanschauung werden den Sieg davon tragen.
Hat es doch sogar auf der anderen Seite an dem Ge-
danken nicht gefehlt, das Recht noch mehr zu isolieren,
d. h. zu naturalisieren: Frederik Bastian hat (irre ich
nicht in Ce que Ton voit usw.) die Rechtsprechung in
Entreprise geben wollen. Welch ein Abstand gegen
D\"6k! • — Aber nicht umkehren muß die Wissenschaft, son-
dern fortschreiten, um sich und die Welt auf den wahren
Grund der Idee zu stellen.
§ 409. Das Recht, welches das Judentum lehrt, ist Ge-
rechtigkeit. Gehorsam gegen das bestehende und geltende
Recht; Gerechtigkeit sage ich, aber nicht das alte jü-
dische Recht. Nicht bloß weil der Staat es fordert und
allgemein jüdischer Grundsatz es ist: Das Gesetz des
Staates ist Gesetz; sondern weil dies in der Natur des
Rechts selbst liegt, daß es sich nach den natürlichen,
realen Kulturverhältnissen zu richten hat; weil es, um
wahres Recht zu sein, aus der Kenntnis derselben und
der Beziehung der Sittlichkeit zu den Verhältnissen ge-
schaffen werden muß. Vgl. Rümelins Aufsatz über Rechts-
geschichte, nay *nj> napn "O2 war einmal Recht und
damals edler, humaner, freier, als bei allen gleichzeitigen
Kulturvölkern; aber heute gibt es keine Sklaven mehr.
Mit der berechtigten Blutrache ist auch das Asylrecht
verschwunden. Vergl. Num. 35; Deut. 19 und Josua 20.
1 Deuler. 1, 17. «in d\-6n!? os»en '3, das Recht ist Gottes. D. H.
2 Exod. 21, 2 ff. D. H.
in. Dez Weg zur Sittlich'
Der Talmud hat tief einschneidende Veränderungen
vorgenommen, weil er das Verhältnis des wahren.
Rechte, der Gerechtigkeit zu den positiven
hten sehr wohl verstanden hat. Indem er sieh in
den Grundsätzen auf das biblische Recht stützt, bildet
er dasselbe fort und um durch nttpn usw.. tatTO und
dergl. Schebiith X, 3 u. 4.
HO Knrtbildung des Gesetzes. Abrogation eines
i , • •-. ■: ,-.'s war mich der ganzen Denkweise derüabbinen nicht
glich, aber gleichwohl Bind EL Akiba und R Tarphon
gegen Todesstrafe 8. Makk. 7*.
Sie üben die Kunst des Freisprechen« auf gesetzlichem
Wege durch Ausbildung des Prozeßrechts. Um-
gehung des einen Gesetzes durch das andere.
Man mag sich sträuben. BO viel man will: diese Um-
iing bricht das ursprüngliche Gesetz, erklärt es als
nicht zu recht bestehend, als ein vergeblich gegebenes.
Mir Bcheint zweifellos, obgleich dergleichen niemale
I wird, daß EL Akiba und EL Tarphon der Ansicht
waren, da G< etz paßte für frühere Z aber es paßt
heul t mehr. Ana der Bemerkung des raBPl in der
Mischna ersiehl man auch, daß die E£ontror<
i auch um die Zweckmäßigkeit, tun den Erfolg
• Gei st: •• • drehte.
in. Mit« btigkeit meine ich „nicht bloß die im
Bo G es vorgeschriebene Form, sondern jene
höhere, w< • die schönste Form ler Nächstenliebe
Kecht ist Unparteilichkeit. 203
Die Denker, welche den Begriff menschlicher Gerechtig-
keit an den der göttlichen knüpften, konnten nicht irre
gehen; sie konnten nicht an überlieferten Grenzen Halt
machen, sondern, in die Idee sich vertiefend, mußten sie
der ewig fortschreitenden Gestaltung zustreben. Wodurch
unterscheidet, worauf gründet sich die göttliche Gerech-
tigkeit? Auf die absolute Unparteilichkeit — alles
Ethische gedeiht nur im unparteiischen Urteil! — auf
die höchste und unbedingte Interesselosigkeit und
auf die schlechthin ungetrübte Wahrheit, aus welcher
das Recht hervorgeht und zu welcher es hinzielt. Sub-
jektives Recht — gegebenes oder ersehntes — objektives
Recht, das nur in Gott, im Absoluten vorhanden, sub-
jektiv aber ersehnt und stufenweise erreicht wird. Sach-
liches Recht und persönliche Gerechtigkeit. —
Wie die sanften, nützlichen Tiere bereits die meisten
Länder der Erde bewohnen, die wilden, massigen der
Urzeit (unter Mithilfe des Menschen) vertilgt sind — dies
ist das Gesetz des Fortschritts — so werden nicht
mehr die Mächtigen und Starken vermöge ihrer Macht
und Stärke die wahren und wirklichen Herren des
Landes sein, sondern diejenigen, welche das Recht, die
Wahrheit usw. vertreten.
Es gibt heute noch Unrecht, Verbrechen, Trug, Ver-
kehrtheit; aber es gilt nicht mehr als Recht, es hat nicht
die Herrschaft, es besitzt nicht das Land, wie ehedem.
Jes. 60, 21: „Wenn dein Volk aus lauter Gerechten be-
20 \ 1 1 J . Der Weg bot Sittlich!
>trhen wird, werden sie für ewig daa Land besitzen."
Das ist eine Prophezeihung : Die Herrschaft der Ge-
rechtigkeit anstatt der Macht. Hechtsstaat. Daher auch
V. 22: „Der Kleine wird zu Tausend und der Geringe
zum mächtigen Volk." Das ist der Fortschritt in der
Geschichte. V. 18: ..Nicht ferner sollen gehurt werden
Gewalttat in deinem Lande- usw. Y. 19 und 20: „Nicht
ferner wird die Sonne zum Lichte sein bei Tage, und
•/um Glänze wird der Mond dir nicht leuchten ....
Denn der Ewige wird dir Bein zum ewigen Lichte- usw.
Das will sagen: Nicht mehr am Licht, als dem Symbol
der Gerechtigkeit und Milde, der Sittlichkeit, wirst du
dich ergötzen, Bondern das geistige, ethische Licht wird
leuchten. Yergl. Ps. 37. 11.
Wird ein Volk von politischem UnglQck heimgesucht,
dann prüfe nur. oh es nicht an der wahren Gerechtig-
keit im Lande fehlte. S. Schabb. 139 : I«'. Jose ben
Elischa hat gesagt: Wenn du ein Geschlecht riehst, das
von vielen Drangsalen heimgesucht wird. ehe hinaus
und untersuche die Richter [sraels, denn nur wegen der
Richter [sraels kommen Strafgerichte in die Welt.
■ i •_'. I ber wahre, hohe, reine Gerechtigkeit; zartere,
: /. B. in der Beurteilung anderer Menschen.'
hat nnhts mit der äußeren Ordnung des Rechts,
rn mit der inneren Organisation der beseelten l
■eil ' zu tun.
> Vergl. /. 1'.. Aböl I, 6. D. H.
Kritik ist Pflicht. 205
Inbezug auf Urteil (über den andern) gilt nur Recht.
Mitleid, Liebe können einen Fehler, ein Vergehen ver-
zeihen; in der Feststellung der Tatsache dürfen sie
nicht mitreden. Das ist die Idee des Rechts, welches
nicht gebeugt werden soll.
Auch geistig heißt es : WD TWl vb bl) (Exod. 23, 3).
Daher besonders n&K p, ein Urteil der Wahrheit.
Ich soll die Ehre des anderen nicht beeinträchtigen.
Ehre ist das Urteil der anderen. Dies Urteil muß ein
wahres (nach bestem Wissen) sein. Hier gilt nicht
Liebe, nicht Gunst. So wie bei Verträgen; der wahre
Inhalt, wie sie gemeint waren, muß festgestellt werden;
nicht die wohlwollend günstige Meinung, sondern
nur die wahre ist im Recht.
Kritik des anderen, öffentliche besonders.
§ 413. Kritik ist Pflicht, weil Gesamtsittlichkeit
Beruf ist! Auch wenn man weiß, daß die Kritik nichts
nützt. Jetzt nicht! aber später wird sie doch nützen; auch
wenn man wegen der Kritik leidet, sie als Märtyrer übt.
Von hier aus, meine ich, wird die Idee des Rechts
festzustellen sein; nicht bloß vom Nutzen derselben für
die gesamte Sittlichkeit. Gegen Schaffer.
Daß „Recht" nicht bloß eine weltliche, eine der mate-
riellen Notwendigkeit entspringende, sondern eine objektiv
ideale Sache sei, läßt der Talmud ausdrücklich erkennen.
S. Berach. 6a. Woher entnehme ich, daß, wenn drei zu
20»', Hl Der Weg zur Bittlichkeit.
rieht sitzen, die Schechina (Gottheit) bei ihnen i
Weil es Ps. 8, 1 heißt: „In der Mitte der Richter riohtet
Und woher entnehme ich, daß, wenn zwei sitzen
und sich mit der Thora beschäftigen, die Schechina mit
ihnen i-t? Weil es Maleachi 3. 16 heißt: ..Dann be-
sprechen -ich. die den Ewigen fürchten, einer mit dem
andern, und der Ewige merkt auf und hört.- — ■
Wenn mm selbst bei zweien, um wieviel mehr bei drei
Du hättest sagen können, Recht sei nur eine Friedens-
-ache und die Schechina komme nicht. Deshalb bringt
er (R. Jizchak durch die Beweisführung aus der Schrift)
uns zum Verständnis: Hecht ist dasselbe wie Thora
(Vergl. Tirke Abot 111. 7.)
Die Folge des Rechts ist die Entfaltung aller [dealitat,
welche nur unter ihrem Schutze und auf ihrer Gruml-
lage gedeihen kann. Diesen Gedanken drückt der Mi-
drascb anzweifelhaft, aber in der ihm eigenen Form
aus, Debarim r. Parascha 6, 7. Der EL , gebenedeiet
8ei prach zu den Israeliten: Meine Blinder, bei
euerm Leben: Durch das Verdienst, daß ihr das Recht
wahret, werde ich erhoben. Woher (entnehme ich das)?
\\\- l es heißt: „Und erhaben ist der Ben
der Beerscharen im Gericht" Und weil ihr mich durch
•-i o übe ich npTS, Milde, and
meine Heiligkeit unter euch weilen. Woher? \R
. • i I1(i der heilige I totl wird geheiligt
durch Mihi. i ad wenn ihr beides wahret, r^pi^n
Das Gemüt des Kichtevs. 207
pill, die Milde und das Recht, so erlöse ich euch sofort
vollständige Erlösung (Höto fltatt). Woher? Weil es
(das. 56, 1) heißt: So spricht der Ewige: „Wahret das
Recht und übet Milde (Gerechtigkeit nplX), denn nahe
ist mein Heil zu kommen und meine Milde (TipISY) sich
zu offenbaren." Yergl. Midrasch r. das. Nr. 5: R. Elieser
hat gesagt: Wenn das Recht unten geübt wird, wird das
Recht oben nicht geübt (sondern es waltet npTS, Milde);
wenn aber das Recht unten nicht geübt wird, so wird
das Recht oben geübt,
Für strengste Rechtlichkeit wird gelehrt, daß es ohne
Reinheit von jeder Rechtsschuld kein Opfer gebe; des-
halb heißt es bei den Opfergeboten stets D1K, du sollst
rein wie Adam sein, der noch allein war und noch nie-
mand schädigen konnte; ohne Recht kein Wohlwollen
S. Tanchuina, IS 'S.
Richter.
§ 414. Das Gemüt des Richters. Wer keine Kinder
hat, soll nicht hochnotpeinlicher Richter sein. R. Jehuda
will, daß auch der Hartherzige und der Weichmütige
(pmi "n?3N) es nicht sein sollen. Also nur, wer des
gerechten Gleichmutes sich rühmen kann. S. Toseftha
Sanhedr. VII.
Der Richter soll nicht richten, welcher gegen eine
der Parteien Haß oder Liebe fühlt; er wird dort die Un-
schuld, hier die Schuld leicht verfehlen. S. Kethub. 105 b.
Der Mensch soll nicht dem als Richter dienen, welchen
in. Der Weg zur sittlich'..
er liebt, und auch nicht dem, welchen er haut: denn er
wird den. welchen er lieht, nicht für schuldig und den,
welchen er haßt, nicht für unschuldig erkennen. Aus-
spruch Kuh Pa]
§416. Unparteilichkeit der Richter. Gefordert
wird der Richter l'npurteilichkeit auch im gleichen
Benehmen gegen beide Parteien (nicht den einen
sitzen, den anderen stehen lass* S. Toseftha Sanhelr.
X.
Der ungerechte Richter trägt fünffache Schuld und
fünffache Folgen führt er herbei: Verunreinigung des
Landes, Entweihung des göttlichen Namens. Entfernung
des göttlichen Geistes, Verfolgung durch Schwert und
iL 8. Sifra Kedoschim Perek IV, 1.
Wer Bestechung nimmt, blendet seine eigenen Augen,
unpfl Belbst die Fähigkeit, das Rechte zu sehen
ab. 8 Kethuh. 105'. EL Abbahu hat gesagt: Komm und
sieh, v rerblendet (blind) diejenigen Bind, welche Be-
übung nehmen I Bat ein Mensch ein l " bei an seinem
bezahlt er dr\u Arzte Geld, und es isi Eweifel-
:. ob er geheilt wird oder nicht; sie (die Richter)
aber nehmen eine Peruta und machen ihre ' blind;
heiit F. vi. 23 „Denn die Bestechung machl
blind die Augen 105 : Etaba hat
Warum ist dii B< techung erpönt? Sobald
er ron ihm (dem Prozeßftthrenden Bestechung genommen
h ihm sein Ben, und er (der Prozeß-
Rechtseinschränkung. 209
führende) ist wie er selbst (der Richter), und ein Mensch
erkennt nicht eine Schuld für sich selbst.
Diese Aussprüche von R. Abbahu und Raba schärfen
die Verworfenheit der Bestechung ein.
Auch der kleinste Dienst, der geleistet wird, (Hand-
reichen zur Unterstützung auf der Fähre), gilt als Be-
stechung. Über die Art, wie sich völlig unversehens auch
dem strengen Richter durch zarteste Bestechung das
Urteil trüben würde, sind Beispiele mit großer psycholo-
gischer Feinheit von denen angeführt, die sich deshalb
des Richteramts in diesen Fällen enthalten haben. Das.
Samuel ging einst über eine Brücke, wo ein Mann auf
ihn zukam und ihm seine Hand reichte (um ihn zu
stützen). Er fragte ihn: Was ist dein Anliegen? Dieser
sprach: Ich habe eine Rechtssache. Da sprach Samuel
zu ihm: Ich kann dir nicht als Richter dienen. Ebenso
verhielten sich Amemar und Mar Ukba, R. Ismael b. R.
Jose, R. Ismael b. Elischa, Rab cAnan usw.
§ 416. Rechtseinschränkung. Baba kamma 100a:
pil r/Wö ü^sb. Gegen strenges, ausschließliches Recht.
Ebenso Baba mezia 30 b. R. Jochanän sagte: Jerusalem
ist nur zugrunde gegangen, weil sie mit peinlicher Strenge
jeder auf sein Recht bestanden, anstatt mit Milde, Wohl-
wollen und Friedfertigkeit zu verkehren. Baba mezia
83 a, Ende Perek VI. Dem R. Bar Bar Chana hatten
Tagelöhner ein Faß Wein zerbrochen; da pfändete
er ihnen ihre Mäntel ab zum Ersatz des erlittenen
Lazarus, Ethik des Judentums It. 14-
210 Hl. l>-r Weg BOX 6ittlichk.it.
Schadens. Als diese vor Kab klagten, entschied er, daß
jener ihnen die Mäntel zurückgeben sollte, "p"!2 pH jyo1?
E'212 (Pro?. 2.26) zitierend: und als die Arbeiter, weil
sie arme Leute seien und von dem Tageloho leben müßten,
auch um diesen baten, riel B ib wiederum, ihn zu geben.
Ist die- i m Recht? Wohl nicht; aber „die Pfade der Ge-
rechten sollst du wandeln." niDtrn D'p'"re mmNl (das.).
I). h. also die 0^*13 üben nicht strenges E&echt, Bonden
Milde und Billigkeit.
§ 417. X i ■ h t anklagen, sondern verteidigen. Du
niD? i)2b p *Vl ist schon in der Mischna da (Abot I, 6);
aber wertvoll ist die spätere sprachliche Prägung des Be-
griffs, daß man soll JTDT "Id'tö sein; beides: Tatsachen auf-
suchen und das Werturteil bilden nach der günstigen Seite.
^418. Recht als Friedensstiftung. Die Gesetzgebung
beginnt deshalb mit den Etechtss&tzen, weil durch
das Recht der Friede unter den Menschen her-
stellt wird. Zur Ergänzung des in T. 1 S. 343 dar-
stellten Gedankens. S. Meohiltha, Mischpatim Par, l.
§ 1 1 '.♦. Milde. Über Strafprozeß und Todesurteil
Q-rünbaum, Die Bittenlehre Judentums anderen
Bekenntni ;egenüber. Straßburg 1876. S. 210 ff
!i dem \ rerbre ..11 der Leichtere und weniger
unehrenhafte Tod zugebilligl werden. Die Tode
wurde von den P 0 verklausuliert, mit SO
vielen Förmlichkeiten m en, daß ne fcroti der Be-
mmupgen dec mosaischen Gtesetses fast als auf-
Strengste Redlichkeit. 211
gehoben betrachtet werden konnte. Ein Gerichts-
hof, der in einem Zeitraum von sieben Jahren ein
Todesurteil lallte, wurde ein mörderischer genannt;
nach einer Ansicht sogar, wenn dies in siebzig Jahren
geschah. Die berühmten Gesetzeslehrer R. Tarphon
und R. Akiba sprechen es gradezu aus: „Wären wir
im Synedriuni gewesen, es wäre niemals ein Mensch
hingerichtet worden", d. h. sie hätten die Todesstrafe
gradezu abgeschafft. Wenn nun R. Simeon ben Gamliel
diesen erwidert: „Sie würden die Mörder in Israel ver-
mehrt haben," so herrscht der Streit um das Prinzip der
Todesstrafe grade wie heute noch. Makkoth Mischna 1, 10.
Strenge Bestrafung des Unrechts; aber vielfache Vor-
kehrung zur Erschwerung der Verurteilung und zur Er-
leichterung des Beweises der Unschuld wird schon in der
Mischna gelehrt. Auch Wiederaufnahme des Verfahrens
usw. S. Sanh. I.
§420. Strengste Redlichkeit. Unwillkürlicher, aber
unberechtigter Gewinn (wie z. B. beim Schenken durch
Schaum im Maßkrug und dergl.) soll für Institute von
gemeinem Nutzen verwendet werden. S. Beza 29 a: Abba
Saul b. Bothnith hatte 300 Fässer Wein vom Schaume
der Maße (beim Eingießen) und seine Genossen hatten
300 Fässer Ol von den Resten (Neigen) der Maße ge-
sammelt, und sie brachten solche zu den Schatzmeistern
in Jerusalem. Diese sprachen zu ihnen: Ihr seid nicht
dazu verpflichtet. Jene erwiderten ihnen: Auch wir wollen
14*
812 in. Der Weg rar Sittlichkeit
Bolchefi nicht. Darauf diese; Weil ihr euch solche Strenge
auferlegt, so verwendet den Ertrag zum allgemeinen
ben.
Mechiltha yo-i Abschn. 1: pui WUö na hsm TöVö
iw avp l^tü vtv ptybi ttD^n nrna nran nn natwo
r6iD min™ :z. Wer im Handel und Wandel mit Treue
(Wahrhaftigkeit) verkehrt, an dem haben die Menschen
Wohlgefallen, und die heilige Schrift rechnet es ihm an,
als ob er alle Gebote damit erfüllt habe.
§ 421. Daß Billigkeit und Wohlwollen npiS, also eigent-
lich Gerechtigkeit heißt, hat nicht. wieMaimonidea Mor. 63
will (vergL Etosin 8.59), darin >eiuen Grund, daß es eigent-
lich „eine Gerechtigkeit gegen unser besseres Selbst" ist,
— .-nn dem dann, daß Recht im weitesten Sinn die
Ordnung der Gesellschaft zur Einheit bedeutet; enge]
Kredit Schranke des Einzelnen; weiteres ELecht = Form
Annäherung im Zusammenleben Daher die Gesamt-
gesetzmftßigkeit als nwn mwi ^33 nf*Ti DH9WWS1 Lyn
ichnet werden kann.1
1 dnn Armen Leihen ohne Zina gilt gleich der
Erfüllung allei Gebote. 8. Midr. Schemoth r. Para-
:;i, i ü. Darlehen, um den Nächsten vor dem Ver-
fall zu schützen, wird als unbedingte Pflicht angesehen.
3.M Dlischptttim Par. 19 bq Exod 93, 84: „Wenn
qi .i meinem Volke Geld leihst". EL tsmae] lagt: Je
DK „wenn" in der Tora bedeutet Freiwilligkeit aul «m.
i |, un,] (|„. i,, ml npn». D. H.
Billigkeit und Wohlwollen. 213
Zum Feinsten gehört das ntW3 l1? JVnn K^>, „du sollst
ihm nicht wie ein Forderer sein" (Exod. 22, 24). Dazu
bemerkt R. Dimi (Baba mez 75 b): „Wenn du weißt, daß
der Schuldner nicht zahlen kann, sollst du nicht bei
ihm vorübergehn". — D'Ocm bedeutet wesentlich „zart-
fühlend".
Die Entziehung, Nichterweisung der nötigen und mög-
lichen Wohltat wird als Raub bezeichnet. Das Verhält-
nis von Pflicht und Recht wird auf die notwendigen
Wohltaten (Speisung des Hungrigen usw.) überall an-
gewendet. Vgl. Tanchuma, Wajikra, Behar. Was be-
deutet (Mischle 22. 22): „Beraube nicht den Armen, denn
er ist arm"? Gibt es denn einen Menschen, der den
Armen beraubt? Was sollte er ihm rauben, da er nichts
hat? Allein wenn du ihn zu ernähren pflegtest und du
kommst davon zurück und sprichst: Wie lange soll ich
diesem sein Auskommen geben! und du weigerst dich
und gibst ihm nicht mehr — wenn du also tust, wisse,
daß du ihn beraubest. Darauf beziehen sich die Worte:
„Beraube nicht den Armen, wenn er arm ist." Sondern
ernähre ihn, da er keine andere Möglichkeit hat (sich
zu ernähren).
Eine Handlung des Wohlwollens, gegen den Feind
geübt, macht die Feindschaft schwinden. Dies wird in
naiv-poetischer Darstellung dargetan s. Tanchuma Misch-
patim. 'Dl Sil« BBiPö f^ö njn (Ps. 99, 4): „Du hast Gebühr
festgestellt." R. Alexander hat gesagt: Zwei Eseltreiber
214 III. Dar Wep zur Sittlichkeit.
Weges, die verfeindet sind. Da lauert sich
der Esel des einen (unter seiner Last). Sein Genosse
zieht vorbei und sieht ihn unter seiner Last lagern. Da
.spricht er: Steht nicht in der Tora (Exod. 23, 5): „Wenn
du den Esel deines Feindes siehst .... sollst du ihm
aufhellen.-' Was tut er? Er kehrt um, um aufzuladen
und ihn zu begleiten. Da fängt jener an mit ihm zu
reden: Lau hier ein wenig sinken, hier hebe, hier geh'
fort, bis er mit ihm gemeinsam aufgeladen hat. So
werden sie erfunden, daß sie Frieden miteinander machen.
Der Genosse aber spricht: Habe ich nicht geglaubt, daß
er mein Feind ist? Sieh, wie er sich über mich erbarmt
hat, als er mich und meinen Esel in Bedrängnis sah.
Infolgedessen gehen sie in ein Gasthaus, essen und trinken
zusammen und werden einander Freunde. Das wollen
Wort« an: ..Im h.-i-t Gebühr festgestellt."
Wer seinem Nächsten Mitleid, Wohlwollen verweigert,
gleicht dem Götzendiener, d. h. also die wahre Religion
fehlt ihm, und er wirft das Joch des Himmelsreichs von
b, d. h. er entschlagl sich aller sittlichen Verpflichtung,
i Bure" I tebar. Piska. 117.
Gnade und Liel
ASS. DieLehreHiUels(Sabb.3] i :TOpni6'pai6'JD^n
- •;: •?•: WH WTC* TTM1 r:'D mWVl "?:> KVJ 11, was dir
onlii •. tue deinem Neb< nmeiischen nicht. Das ist
• r;i. Daf andere ist Erklärung. Geh, lerne!
Gnade und Liebe. 215
Höchst wertvoll für das Prinzip der Innerlichkeit
bei Hillel ist die dem bekehrten Heiden gegebene Ant-
wort. Auf die Frage: Auf wen bezieht sich das Gesetz
(Numeri 1, 5): niD^ 21pn 11*11? sagt ihm Hillel: selbst auf
David König von Israel. S. Schabb. das.
Des Verfolgten nimmt Gott sich immer an, selbst
wenn der Gerechte den Ungerechten verfolgt. S. Wajikra
r. Par. 27, 5. „Gott sucht den Verfolgten" (Koheleth 3, 15).
R. Huna im Namen des R. Jose: In jedem Falle gilt:
„Gott sucht den Verfolgten1'. Du findest, daß ein Ge-
rechter einen Gerechten verfolgt, und „Gott sucht den
Verfolgten"; ein Frevler verfolgt einen Gerechten, und
„Gott" usw.; ein Frevler verfolgt einen Frevler, und
„Gott" usw. Aber selbst wenn ein Gerechter einen
Frevler verfolgt, „sucht Gott den Verfolgten". In jedem
Falle gilt: „Gott sucht den Verfolgten."
R. Elieser ben R. Jose ben Simra hat gesagt: Auch bei
den Opfern ist es so. Der Heilige, geb. s. er! sprach:
Der Ochs wird vom Löwen verfolgt; die Ziege wird vom
Panther verfolgt; das Lamm vom Wolf. Bringet vor mir
nicht von den Verfolgern dar, sondern von den Verfolgten.
Deshalb heißt es (Levit. 22, 27): „Ein Ochs, oder ein
Lamm, oder eine Ziege — wenn es geboren wird" usw.
Schädigung. Nicht bloß Schadenersatz, sondern dann
noch um Verzeihung bitten, und der Verletzte soll
nicht halsstarrig durch Verweigern der Verzeihung sein,
er soll sich erbitten lassen. S. Bab. kamma 92 a Mischna.
216 in Der Weg zur Sittlichkeit
Ea soll eben die innere Aussöhnuni:, die Aufhebung des
Trennenden stattfinden.
Wegen Menschenrettung darf das Sabbatgesetz über-
treten werden. Oft wird gelehrt: Der Sabbal ist für
euch, aber ihr seid nicht für den Sabbat da. S. Mechiltha,
Ki t i i ; — ; i Par. 1. ELSimeon ben Menasja Bagt: Woher Läßt
sich beweisen, dal'. Lebenserhaltung den Sabbal verdrängt?
Weil es heißt: „Denn heilig i-t er euch", d. i. Buch ist der
Sabbat Hb an, nicht aber seid ihr dein Sabbat Ober-
en.
Gegen Verleumdung.
^ 423. Die Lust an der Verleumdung stammt aus
grundlosem Menschenhaß; beide stehen als Ursache und
Wirkung nebeneinander; sie werden als die zerstörenden
Machte bezeichnet, welche den Organismus der Gesell-
schaft zugrunde richten S. Joma 9b, auch Taanith 71'.
II ... »hne Grund ist die eigentliche „Bosheit"; ea kann
aber auch der ausgewac] Menschenhaß ohne Grund
rorhanden Bein. I >och ist er niem ursprünglicher
im < lharakter eines Menschen.
Mit allem Nachdruck unter Anführung einei ganzen
K( i litionen wird der Gedanke vot ;en:
„Verleumdun ein Vergehen zugleich □ Bimmel
und Erde, i Gott und Mensch". 8. E£ohel*r. Par. 9.
Arachin 1 5. „Dl I wird di<' Zui Bnannt, denn
sie i Personen zugleich: den Verleumder, den.
die Verleumdung annimmt, und den Verleumdeten.
Gegen Verläumdung. 217
Von der Zunge heißt es: Ist sie gut, gibt's nichts Besseres;
ist sie schlimm, gibt's nichts Schlimmeres. Vergl. Jalkut,
Tehillim Nr. 767 ff.
Auch gegen Andersgläubige und Leute fremden
Stammes wird jede üble Nachrede verpönt. Debar. r.
Par. 6. Nr. 9.
Treffend bemerken die Rabbinen, daß Vereinsamung
die Strafe ist, welche den Verleumder trifft. Denn wird
der Verleumder erkannt, so wird er von allen gemieden.
Arach. das. und öfter.
Als Grund der Erlösung aus Ägypten werden drei
Tatsachen angeführt. Die Israeliten haben Namen und
Sprache nicht verändert, Ausschweifung vermieden, und
keine Verleumdung sich zuschulden kommen lassen.
Arachin das. und öfter.
Sehr seltsam ist die von Maimonides und Nachmani-
des behauptete Beziehung zwischen der (nicht natürlichen,
wie Maimonides selbst sagt, sondern wunderbaren, durch
besondere göttliche Anordnung hervortretenden) Erkran-
kung eines Gewandes und eines Hauses am Aussatz wegen
der Verleumdung; jene Krankheit soll symbolische War-
nung gegen Verleumdung sein. Vergl. die Stellen bei
Maimonides, Jad ha - chazaka, Hilchoth Tumath Zara-
ath 16, 10, Midr. Wajikra r. Par. 13 und den Biur
bei Mendelssohn zu Lev. 13, 46. Hier liegt ethisch be-
trachtet jedenfalls eine sehr energische symbolische Ver-
werfung jeder bösen Zunge vor. Die Erinnerung an
218 HI Dei W«g zur Sittlichkeit.
Mirjams abier Nachrede und ihren Aussatz ist gewifi
mitwirkend. Man brachte auch das Wort JHtlB mit
■;- D» x°t? in Zusammenhang. Arach. 15b. Als Beleg
Ihr wird j. Pea I, 16" unten und Wajikra r. Par. 26
Nr. 1 eine Geschichte erzählt.
Ehre
§ 424. Das Wesen der Ehre Hießt unmittelbar aus der
geistigen Natur des Menschen: aus der Dauer und dem
Bestände der einmal geschöpften Inhalte. Jedermann
trügt das Bild des anderen, mit dem er in Berührung
gekommen, in seiner Seele, und jeder -\veili, daL'i er in
der Seele des anderen als ein bestimmter Inhalt der-
selben lebt.
Im Wesen der Ehre also offenbar! sich der Anfang
der geistigen Gemeinschaft, welche das höchste Ziel
des Erdenlebens i-t.
Daher kann auch von der „Ehre Gott redet wer-
. weil aller Bfensohengeisl Gott und Bein Wirken zu
• in Inhalt halten soll.
Ali'T jeder Mensch l-t nicht blofi 'in einzelnes
rn (ilied einer durch Naturbande oder
durch «■ Zwecke and Bestrebungen gestifteten
naft; er hat die Ehre dieser Gemeinschaft
20 fördern und BU gewahren; daher auch I-'aini-
- und E ehre. — Ehre schließt also
;e, inner« Existenz (neben der realen und
Ehre. 219
materialen) in einem anderen ein; sie begründet also
eine Wiederholung, Vervielfachung der Existenz. Aus
diesem Gesichtspunkt der schöpferischen Tätigkeit —
den die Rabbinen in jeder Wendung geltend machen —
wird die strenge Heilighaltung der Ehre mit Nachdruck
gelehrt. Das Bild des anderen soll man mit Gerech-
tigkeit und Liebe umgeben und festhalten.
Daher das außerordentliche Gewicht, welches auf pti^
jnn, auf Verleumdung in jeglicher Form gelegt und in
zahllosen Aussprüchen bekundet wird.
Die Gedanken der Menschen, ihre Gefühle, ihr Wollen
und Handeln sind reale, wirkliche Vorgänge; auch der
Wert des einen lebt in der Seele des anderen. Daher
wird die Vernichtung dieses Wertes — durch üble
Nachrede — dem Morde gleichgesetzt; die böse Zunge
heißt JVi^ttp, „Umbringerin" und verübt dreifachen Mord:
an dem, der verleumdet, an dem. welcher verleumdet wird,
und an dem, welchem die Verleumdung hinterbracht wird.
Wie es zwischen zwei Punkten nur eine gerade Linie
gibt, aber unzählige gebogene, so gibt es über eine Tat-
sache in der Auffassung und Darstellung nur eine Wahr-
heit, aber tausend Abweichungen von der Wahrheit. Die
Gefahr, die Wahrheit zu verfehlen, ist also allgemein
so viel größer als die Hoffnung, sie zu treffen und bei
ihr zu bleiben. Folgen wir nun vollends nicht der Energie
der Erkenntnis, sondern dem Antrieb unserer Neigung;
sehen wir die Dinge nicht so, wie wir sollen, sondern wie
220 III. Der Weg zur Sittlich'
wir mögen, dann verfallen wir mindestens in Irrtnin und
leicht in noch Schlimmeres.
Es gibt im Talmud zahllose Stellen gegen den Ver-
leumder: mir die stärksten Ausdrücke sollen hier er-
wähnt werden, /. B.: „Wer ttble Nachrede weiterträgt imd
ufhimmt und wer falsches Zeugnis ablegt, ist
wei I vor die Hunde geworfen zu werden.- S. Pesachim 118n.
Oder: Wer Verleumdung weiter trägt, verleugnet alle
Sittlichkeit: "ip*V- "©3. Vom Verleumder Bagt Grott
die Wahrheit ist): [ch und er, wir können nicht zu-
umen in der Welt wohnen" Arachin 16 . Man soll
Nächsten selbst dann nicht lobend erwähnen, wenn
zu befürchten ist. dadurch auch den Tadel herauszufor-
dern. Das. und öfter.
§ 42.". Wohlwollen.' Beim Recht entscheiden die
; ebenen Verhältnisse, beim Wohlwollen die Wahl.
Die talmudischen Kontroversen über Abstufung and
henfolge der Liebespflichten nach persönlicher
Nähe aus di Stadt oder Fremder auch aus
-runden. 0 nach Wirbt igkeit,
Z w( ck m.i big keit: G ; rauen vor den
Männern usw. Bind -ehr bäui
Das Gresetz der abnehmenden Teilnahme (Erregung)
i II , iphen ül nr \\ n, Wohlton,
Wohltätigkeit selbst 0 n irbeiten können, so hätte
r in Blraflercm Zusammei l; wir haben es
t Hr unser« Pfl hl rehall unverändert zu lassen. D.H.
Unterschied zwischen Hecht und Wohlwollen. 221
nach Zeit Kaum und Beziehung jeder Art und die Idee
des Wohlwollens ist zunächst physiologisch begründet;
unsere Konstitution schließt dasselbe ein; aber auch
geistig — die Erzählung des Ereignisses von gestern,
einem Jahre, einem Jahrtausend; in der nächsten Straße,
in dem Ort, Lande, "Weltteile.
Dagegen:
1) Teleskopische Betrachtung, Denken in die Ferne.
Der Durchschnittsmensch denkt nur an das nächste,
Erhebung durch Kultur, Theorie und Verkehr,
Mitteilung, Presse — auch Abschwächung für den
Durchschnittsmenschen.
2) Betrachtung sub specie aeternitatis. Erzählung der
biblischen und homerischen Geschichten nach der
Art der Vergegenwärtigung und der subjek-
tiven idealen Erregung.
3) Der empirischen Tatsache steht die ideale For-
derung gegenüber. Lösung.
4) Auch diese schließt eine Stufenfolge ein,, aber nur
nach Erregung desWollens, Anlaß und Mög-
lichkeit des Wirkens.
5) Das Endliche des Individuums, der Kraft, des Wir-
kens — und das Unendliche des Wertes.
6) Aber gleichzeitiger Anlaß des Wollens ist unendlich.
7) Grund der Nähe und Ferne. VZtib TöWrU Jede
Konfession hat ihre Heiligen.
i Deuter. 33, 9.
222 in. Der Weg zur Sittlich;.
8) Die Kraft des Wirkens ist endlich.
:h Unaufhörliche Kollision der Ansprüche (Pflichten);
also gar kein Wollen kann' zustande.
„Auf sieben doch wieder ein-."
Solange seine Kinder leben, nicht gleich — jetzt —
im Unterschied von denen, die nur an der (ieburt, der
Naturangehörigkeit hängen - - ist's ihm sein Kind, für d
die Pflichten auferlegt sind. —
Verwandlung des Zufälligen im Idealismus. —
Das wahre Prinzip der Toleranz findet hier einen fast
stärkeren Ausdruck als in den drei Ringen. Ein Kind,
keine Frage, von wem stammt es. wem gehört es; daß
>■- keines Juden Kind i-t.
Wer ist mein Nächster; der meiner am meisten, jetzt
bedarf, und welchem zu helfen ich die Kraft habe.
Lucas LO, 29. Der Nächste ist der Liebende. Liebe
deinen Nächsten heißl also: Mache ihn zu deinem Nächsten,
indem du sein Nächster durch Liehe bist.
jn, der Nachbar. Gtesenius ttbersetzl y\ mit: einer, mit
dem ich Umgang habe, Freund, Bekannter. Gfonoi
D .Mühlau eig. ..einer, der -ich eine- andern an-
nimmt." Vortrefflich, aber woher hat er
Das Prinzip der Li ehe.
■ i • ler wirkt nicht bloß für ädern für andi re
■ • , J '/• empfih ' I ierechtig-
Prinzip der Liebe. 223
keit erst den vollen Sinn. Schaffen für sich, um für
andere z u leisten.
Erhebung jedes einzelnen zu vollem Werte, um der
Gesamtheit dienen zu können; Veredlung der Persönlich-
keit, um eine Gesamtpersönlichkeit möglich zu machen.
Nicht alle können gleich erhoben werden, sich durch-
ringen; aber alle sollen durch Gerechtigkeit befestigt
werden, eingeschränkt und angespornt nach festem Maß.
Aber wenn nicht alle Liebe gewähren, können doch
alle Glieder in einem Reich der Liebe sein, weil sie
Liebe empfangen.
Die empfangene Liebe aber führt dann auch zur
tätigen und gewährenden.
Man hat gesagt, daß die Liebe nicht zum Gegenstand
der Pflicht gemacht werden könne, und kein Geringerer
als Kant zählt zu denen, welche dies behaupten. Es
mag sein, daß die Zuneigung des Herzens zu einem an-
deren Menschen sich nicht gebieten läßt, der Wille kann
jedenfalls auf liebevolles Handeln gerichtet werden.
Die biblische und nachbiblische Auffassung des Juden-
tums ist in den Worten ausgeprägt: „Liebe deinen Näch-
sten wie dich selbst" (Lev. 19, 18). Ja, wie dich selbst; du
bist doch auch nicht immer liebenswert! du setzest doch
deiner Eigenliebe auch nicht immer Maß und Ziel je
nach deinem Verdienst.
Es gehört zu den schwierigsten und bisher unerledigten
psychologischen Fragen, ob der Wille auch unsere Ge-
824 HL Der Weg zur Sittlichkeit.
fühle zu beherrschen, sie zu leiten, auch zu erzeugen im
ade ist. Schleiermacher z. B. hat dem Willen die
souveräne Macht im Innern des Menschen auch über
seine Gefühle vindiziert
Das aber, was wir unbedingt vermögen, ist: unsere
le in die Lage zu versetzen, das milieu zu schaffen,
daL) gewisse Gefühle daraus mit Notwendigkeit entstehen.
Jn unserem Falle können und sollen wir eins tun: uns
in die Seele des anderes versetzen; nicht an uns allein,
sondern an ihn besonders denken, an sein Schicksal,
line Lage usw.
Die heilig« Schrift drückt in bezug auf den Fremden
das Gebot so aus: „Du sollet ihn nicht bedrücken, sondern
liebe ihn, wie dich selbst" (das. V. 33 u. 3-ii. d. h. also:
ine ihm nur seine Wohlfahrt, Beine Freiheit, und du
wirst ihn auch Lieben, Liebe ist Verbindung. Das Ge-
fühl der Liebe ist nichts anderes als Sehnsucht der Ver-
ein beurteile den anderen nur ge-
bt, prüfe auch seinen Wunsch, seine Sehnsucht, dann
wirst du dich nicht trennen, sondern verbinden. —
Dn ehendee Prinzip.
führender Gedanke, leitendes und
■ H Lnd< U immer -<,m:
b in - in ti Q iiiii t d 08 B nder «■ n ! l
Bild des anderen, seines Charakfc
seiner Lage, seine !'.• lürlni toll vor unserer Seele
Ethik der Wohltätigkeit. 225
stehen, dann können wir den rechten Weg des Handelns
kaum verfehlen. Abstrakt ist dieser Gedanke oft aus-
gesprochen und wird mit Worten leicht und oft wieder-
holt, zur lebendigen wirklichen Ausführung der-
selben kommt er schwer und selten. —
Ethik der Wohltätigkeit. Ihr dauernder Charakter.
§ 428. Unsäglich viele materielle und psychologische
Umstände sind zu beachten, um das wahre Ziel der
Wohltätigkeit zu erreichen.
Nur Aufgaben entstehen: Toynbee-university extension
— Settlements — die Akademiker, besonders junge, sollen
mitten unter dem Volke gesellig und freundwillig wohnen,
um den Geist des Volkes zu erforschen und zu erheben:
S. Der Lotse, Wochenschrift 1901, Heft 6; Förster: Zur
deutschen Hochschulbewegung.
Die Ethik der Wohltätigkeit braucht sich im Juden-
tum nicht zu ändern, aber die Technik wird durch die
geänderten physischen und psychologischen Beziehungen
notwendig eine andere.
Wir Juden haben den Geist der Wohltätigkeit längst
ausgebildet; wir brauchen kein Toynbee, kein extension,
oder vielmehr wir haben sie tatsächlich in Fülle;
vom Mittelalter her durch das Ghetto. Zusammen von
Hoch und Niedrig; Gelehrt und Ungelehrt usw. Das
Wissen, das man allein brauchte — denn die Handels-
formen erbten von selbst in der Familie fort — war die
Lazarus, Etpik des Judentums II. J **
i!i. Der Weg rar Sittlich*
ira- Chewravortrage;Nachtrebbe8JUBW. In Kreml und
I . verbunden, kennt der Reiche genan das Gemüt des
Armen; Bie werden auch in allem gleich; demokratisch,
mit guten und üblen Folgen.
Vielleicht kann man als spezifisch für die Ethik der
jüdischen Wohltätigkeit betrachten, dah auch in dieser
die Idee der Gerechtigkeit mitwirken, ihr Maß und
Richtung geben boII; nicht überfließende Sympathie (bei
aktueller Ehrregung), sondern Erwägung der Ansprüche
anderer usw.
Eine achtfach verschiedene Bezeichnung für den
Armen wird aus der heiligen Schrift nachgewiesen, um
alle Gremütsleiden desselben zur Anschauung zu bringen
und das Mitleiden desto sicherer und vielseitiger zu er-
regen, s. Midr. Wajikra r. Par. 34. 1 \\.
Keth.66b: In Jerusalem führt man folgendes Sprichwort
TOn p&Q H^D (oder "IDH in gleichem Sinne dea Bildes)2: das
(Bewahrungsmittel) des Geldes ist Liebeserweisung.
Wohltätigkeit ist die erhaltende Kraft dea I '.«sitzes.
Wühlt • ist heutzul ae Wissenschaft oder
Sin Studium und in der Tiaxis, wie alle an-
Ite W Qe K u ii Bt
129. Die alte I nach dem moralischen
1 I»>t Kaufmann, der am T;il-<- von Qeschiften in Anspruch
r, hielt i'n Hausrabbi, mit 'i*-m tuaammen i r
in der Na i.i Thora itudierte. - i ihrungs-
milld) ist, es weniger m . h Wolillun). I>. II.
Dauernder Charakter der Wohltätigkeit. 227
Fortschritt, welchen Buckle wieder verneint und allen-
falls auf Fortschritt in der Naturwissenschaft zurück-
geführt hatte, wird am entschiedensten bejaht durch das
Maß von Energie und eindringendem Verständnis wahrer
Wohltätigkeit. Die Prinzipien haben sich nicht geändert,
aber welch ein Unterschied in der ganzen Behandlung
der Sache! Auch bei uns. Wieviel reicher ist doch die
Literatur über lbr\2 ~)Ü2 oder rvbna als die über m —
gib, gib, und gib gern, dabei blieb es.
Der Gedanke einer „training school" ist ein herr-
liches Novum.
In jener glänzenden Zeit des jüdischen geistigen Lebens,
in welcher nach dem Zusammenbruch des Staates und
der religiösen Einheit und Verwaltung durch die Tannaim
das Judentum auf Grund der heiligen Schrift und der
Überlieferung neu auf- und eingerichtet wurde, ■ — da
brauchten die Akademiker nicht mit einer Art von Auf-
opferung ins Volk zu gehen, um es kennen zu lernen und
es dann desto sicherer und geschickter zu belehren, — son-
dern sie waren darin, Männer des Volks, Handwerker,
Gärtner, Winzer, Kaufleute voran, zugleich Akademiker
ersten und höchsten Ranges. Josua ben Chananja ist
Nagelschmied, aber eine höchste Autorität in der Akademie,
mehrmals Gesandter beim Kaiser in Rom usw. — Daher
fordert er auch bei gesetzlichen Einrichtungen Rücksicht
auf das Volk, die Majorität (TOSBl 3V1). — Gleichwohl
— und darin zeigt sich das historisch Echte der Sache —
15*
228 111. Der Weg zur Wirtlich!.
muß ßioh die patruasche Familie mit dem Patriaroheo
I überhaupt den herben Tadel gefallen lassen,
daß er. — der den Josua als Akademiker so gut kennt,
von dessen weltlicher und gewerblicher Tätigkeit nichts
weiß; bei einem Besuche, den er dem Josua offiziell ab-
tatten hat, sieht und erfahrt er erst, daß dieser ein
ist, und da er dies kund gibt, I ihm Josua
schlankweg ins Gesicht: Wehe dem Zeitalter, dessen
Fühvor so wenig vom Leben eines Gelehrten, der dem
Volke zugehört, weiß.
Studium" der Wohltätigkeit isl ein zweifaches:
(Zweck, Ziel) und ein technisches (Mittel,
Maß USW). Das ethische erhebt sich, ändert sich mit
dem Fortschritt der Ethik; das technische mit jener und
den öffei tlichen umständen.
gibt Wohltaten, die -ich .on das ganze Leben
leren und Belbsl einer Familie, weiter einer
1t (die Millionen der Frau Mende, die sie dem
chenkt, ohne jede nähere Bestimmung) beziehen;
aber auch Bolche, die in einer Stunde beginnen und
vollendet werden; /. B. man findet jemand in einem Walde
rrt — Bein Leben ist gehemmt — ; man führt
ihn in Bein Beim Eurück, er führt sein gewohnte! Leben
. —
\ früheren Z lind uns die ethischen Grund-
aber auch die [nstitutionen, die Einrichtungen
E bedarf heute , Beschreibung derselben
Private und soziale Wohltätigkeit. 229
in der Ethik nicht mehr; vielmehr von Jahr zu Jahr ent-
stehen neue Formen des Wohltuns nach den neueren
Arten des Bedürfnisses und den Mitteln zu ihrer Be-
friedigung. Die Wohltätigkeit bildet heute einen inte-
grierenden Teil des öffentlichen Lebens und sie bedarf
einer weitverzweigten Technik, um das Gute zu tun und
nicht mit dem Guttun zugleich Übel zu erzeugen. Was
uns die Ethik zu bieten hat, sind nur die Leitsätze.
Wir finden sie schon im Gesetz, in den Propheten und
bei den Rabbinen.
1. Die Not aufheben. 2. Nicht Almosen, sondern Auf-
helfen, — Leihen ohne Zins, Arbeit verschaffen usw.
Das 13 nptnm in Levit. 25, 35 übersetzt man am besten
ganz wörtlich: pin stark sein = Kraft haben; Hiphil
also Kraft geben, stark machen; die Konstruktion mit 3
ist ganz passend: „Wenn dein Bruder schwach wird, seine
Kraft sich neigt, dann sollst du Kraft in ihn bringen
— ihn aufrichten, daß er wieder kräftig sei. 3. Die Art
des Benehmens, die Schonung des Empfängers, die Im-
ponderabilien der Humanität usw. S. die Rede von Pea-
body in Östr. Wochenschau 1897, Nr. 27.
Das Schicksal der Juden hat sie, — bei der Absicht,
die Ideen der Güte und des Wohlwollens, die den bib-
lischen Gesetzen zugrunde liegen, in Ausführung zu
bringen — besonders auf die Gemeindebildung und Ge-
meindeleistung hingewiesen; die alte Sozialgesetzgebung
zur Verhinderung dauernden Elends in einer Familie
111. Der Weg zur Bittliohi
hatte zu funktionieren aufgehört; die Sozialgesetze waren
allgemein von Staat und Gesellschaft als Ganzes aus-
fahrt; jetzt mußten andere Faktoren eintreten: neben
privaten Wohltätigkeit die soziale in der Form von
teinde und freien Vereinen.
Die Selbstverwaltung war hier das Ursprüngliche;
ischen dem Staate und der Privattätigkeit liegt die
: innerhalb derselben sind verschiedene Vereine
für gesonderte Zwecke, wie Leichenbestattung, Kranken-
pflege, Armenernährung, Bekleidung, ßet-ha-midrasch,
\\ roth für Schiur '. Auch die kleinen Gemeinden können
da vi.-] leisten, oft mehr als die großen. Belehrende Sabbat-
nachmittag- (oder abend-) Vorträge kann der Lehrer
halten, ohne IV zu sein, welche mehr als die Pre-
• zur Erhaltung und liebung des ethischen Bewußt-
as beitragen.
Wir müssen der historisch überlieferten Arten und
i der Wohltätigkeit nur deshalb und in BO weit
lenken, als in ihnen die ethischen Motive und leitenden
lanken zum Ausdruck gekommen, also schon von
dem bibli nWD ■ --:_• vpb — nptnm — bi\\ nov:::\
;en Kapitalanhäufung and Ausbeutung
.•iL auch Talmud, dann Mittelall
Maimoi usw. Aber auch di< enwärtigen Ein-
ni'l. wie ihre umstände, zu beachten, trotz
\ eränderungi d der sozialen
1 D. i. ' Bludium der Ti,
Private und soziale Wohltätigkeit. 231
Bedingungen neue Formen fordern werden. Die Bedürf-
nisse des Empfängers sind mannigfaltiger geworden, aber
auch die Leistungen der Geber, besonders durch Asso-
ziation von Personen und Schaffung von Institutionen, wie
(D^in Tlp^n zu) Sanatorien, Kredite — Arbeitsnachweis —
Unterricht — auch Blinden- und Taubstummen- Unterricht
und Arbeit — Altersversorgung — Siechenhäuser —
Rekonvaleszentenhäuser.
Augenblickliche Not und Aushilfe — Einheimische und
Fremde. —
Die objektive, meist materielle Hilfe — aber auch
Schulen, Lesehallen usw. — und die persönliche Berüh-
rung. —
Persönliche und sachliche Leistung — Geld geben —
oder als Vorstand, Ehrendame, usw. persönlich wirken,
aber auch sachliche Leistung und persönliche Beziehung
zum Bedürftigen.
Der moralische Einfluß und das moralische Ziel; der
Geber als Glied der Gesellschaft, aber auch der Emp-
fänger als Glied der sittlichen Gemeinschaft.
Nicht bloß positiver Unsittlichkeit soll vorgebeugt,
sondern der moralische Stand soll gehoben werden.
Auch die Geber sollen sittlich veredelt werden. Frühere
Zeiten sprachen zwar von dem Segen, die die Wohltat
dem Vermögen bringt, von welchem ein Teil zur Wohl-
tat verwendet ist. Wir aber wollen noch mehr den in-
neren Segen erhoffen und erwarten; die Entlastung
III. Der Weg zur Sittlich!
dem krassen Egoismus der Einzelnen, von der Form. —
Die Lebensführung als Glied der Gesamtheit. Keine,
edle Motive. — Daneben persönliche, einsame Hingebung
sehr wertvoll; aber Gemeinschaft des Wohltuns und
Bewußtsein derselben sind ?on besonderem Wert.
Jede Generalversammlung eines Wohltätigkeitsyereins
ist eine WäSf XSth .td:d. Das Gefühl der gemeinsamen
Verpflichtung wird deutlich.
Subjektive Tat und objektives System der
Wohltätigkeit.
§ 430. Die Ethik hat nicht die Arten und Formen fest-
zukeilen, sondern nur die Maximen auszubilden, aus denen
jene für die Praxis nach den objektiv waltenden Um-
-• aden und Verhältnissen abzuleiten Bind.
Wohltätigkeit ist die subjektiv.' Tat und das
objektive 9 m zu unterscheiden. Die Ethik hat
die subjektive Gesinnung, die Gesellschaftelehre die
ktiven Erfolge zu untersuchen und zu lehren.
Ermahnungen über Wohltätigkeil und Kontroversen
über die Form (geheim in öffentlichen Kassen, oder persön-
lich usw. i.Baba batra8'— ll*. I osere moderne Einrich-
tung — di eo und Vereinstätigkeit wird bevorzugt,
• G< r und dieser jeneo nicht kennt.
Dai biblisi Gebot der Wohltätigkeit wird eingeleitet
mit den Worten "fflH 7-' *- ' Eine ganze Welt von
' i
Subjektive Tat und objektives System der "Wohltätigkeit. 233
Gemüt öffnet sich schon in der bloßen Bezeichnung des
Notleidenden als "JAK, dein Bruder. Das Band, mit
welchem die Blutsverwandtschaft schon von Natur die
Menschen verbindet, wird hier durch das Bedürfnis des
einen und die Hilfskraft des anderen ersetzt. Grade
weil er deiner bedarf, ist er *]TIK, dein Bruder.
Der Wohltätige tritt in den Riß der Gerechtigkeit
gegen die Armen. S. Wajikra r. Par. 34, 16.1
Die Wohltat stiftet auch den Frieden im Gemüt des
Empfängers; sein Los verbittert, die Wohltat besänftigt
ihn. Cima lD^Dö. Vorzüglich ist der Gedanke des B.
Jehuda bar Simeon: Der Arme fühlt sich isoliert, vom
Wohlhabenden getrennt, von Gott verlassen; er hadert mit
Gott; aber die Wohltat stiftet den Frieden wieder. S. das.
Not trennt die Menschen, Wohltat verbindet sie wieder.
1 Die Stelle lautet: Es heißt Jesaia 58, 12: „Und man nennt
dich Vermauerer des Risses". R. Abin im Namen des R. Be.echja
hat gesagt: Der Heilige, gebenedeiel sei er! sprach: Diesen Riß
zu vermauern lag mir ob, du aber tratest hm und vermauerlest
ihn. Bei deinem Leben! daß ich es dir anrechne wie die Tat
jenes Mannes, von dem geschrieben stehl Ps. 106, 23: „Wäre nicht
Mose, sein Erkorener, in den Riß vor ihn getreten". Ferner
Jesaia das.: „Wiederhersteller der Pfade zu wohnen". R. Jehuda
berabbi Simon hat gesagt: Dieser Arme sitzt und klagt: Was bin
ich anders als N. N.? Er schläft auf seinem Bett, und ich schlafe
hier; N. N. schläft in seinem Hause, und ich hier. Du aber tratest
hin und gabst ihm. Bei deinem Leben! ich rechne es dir an, als
hällesl du Frieden zwischen ihm und mir gemacht. Das ist, was
geschrieben steht Jesaia 27,5: „Er schallt Frieden mir, Frieden
schafft er mir1'. D. H.
23 t Hl. Der Weg rar Bittlidhkeifc
Der Empfänger einer Wohltat, saut EL Josna, gibt
Wohltätigen mehr als er empfängt; denn Geben i>t
Beuger denn Nehmen. S. Wajikra r. Par. 34, Nr. B Ende.
Mit Nachdruck wird oft eingeschärft, » 1 : i L*> öftere
Wohltal bei wiederkehrender No1 Pflicht sei. Am
meisten wird Unterstützung zur Verhütung des Ver-
mögensyerfalli boten; aufrichten, daß er nicht falle.
8. Sifra, Behar Pisk. 5. (Bei Maimonides D*J»)f riunö
Bchön und klar, wiederholt.)
Reich und arm ist von Gott eingerichtet \vegen <i'
chenden Wohlwollens. 8. Wajikra r. Par. 34. Vergl.
T. I. Theodicee.
ß 131. Beschämende Wohltätigkeit. Rabbi Jannai
te zu dem, der einem Armen öffentlich Almosen gab:
Besser du hättest ihm nichtf ben, als ihn durch die
be zu beschämen. 8. < Ihagi
Die ßabbinen baben besonders das Armenrecht aus-
gebildet. Wertvoll Bind die (nach damaligen Verhält«
bellten) Definitionen des berechtigten Armen.
Darlehen (die Aushilfe) wird höher gestellt als
Ali [eben. 8. Schabb. 63 : Wer einem Armen Geld
leiht. als der, welcher ihm Almosen gibt.
Di« rabbinische Anpreisung und Anordnung in bezug auf
alle Li. wir: Kranke besuchen, Nackte zu klei-
. Hui:. ; •■ i d . ' h fongene 1 1 elte) n lö
l behausen. 8. Nedarim 40': Wer einen Kranken
ler nimmt ihm den • I 1 von Beinern Schmerze
"Wohlwollen. Dankbarkeit. 235
— Wer einen Kranken nicht besucht, gilt so, als wenn
er Blut vergösse. — Wer einen Kranken besucht, wird
vorn Gericht des Gehinnoni errettet — ist endlos; man
kann mit den Zitaten darüber Bände füllen.
Wohlwollen. Wer aus freien Stücken mehr gibt, als
man von ihm fordert, ist der rechte Wohltäter. Schon
die Rebekka wird als Muster genannt Gen. 24, 18. 19.
Der Geber empfängt mehr durch seine Wohl-
tat als der Empfänger. R, Abin sagt: Der Arme
steht an deiner Tür, Gott steht an seiner Seite, d. i.
die sittliche Weltordnung, die sittliche Forderung steht
ihm zur Seite. S. Ruth r. Par. 5.
Grausam ("ntoN) heißt, wem eine Freude zukommt und
er teilt sie nicht mit anderen. S. Wajikra r. Par. 34. Nr. 3.
Es heißt Spr. Sal. 11, 17 „Wer seinen Verwandten kränkt
ist grausam". R. Alexandri hat gesagt: „Das ist jener,
dem eine Freude zukommt, und seine Anverwandten
nicht teilnehmen läßt, weil sie arm sind."
Kampfzwi seh enRechtundWohl wollen. Eigenes
und fremdes notwendiges Interesse wird, sobald nur die
eigene Not gedeckt ist, zugunsten des Wohlwollens ent-
schieden, (nur R. Jose stellt sich auf Seite des Rechts.)
S. Toseftha Baba mez. Per. 11.
Dankbarkeit.
§ 432. „Wirf keinen Stein in einen Brunnen, woraus du
Wasser getrunken". Auch daß zur Begründung des Verbots
III. Der Weg zur Sittlichkeit
der Undankbarkeit hier (Deut. 23, 8) auf das Verhältnis
I «eis zu Ägypten hingewiesen wird, zeigt die ideale Höhe
der Anschauung. I >ie Bebräer hatten in Ägypten viel Hartes
und Schweres ertragen; immerhin haben sie als Fremde
dort die Gastfreundschaft genossen. Dessen sollten sie
eingedenk bleiben. Des Guten gedenken, das Böse
vergessen!
Dankbarkeit ist noch keine Tugend, aber Undank ist
ein Laster.
Undank. Ich glaube, wer geneigl ist, Gutes mit
Bösem zu vergelten, der wird stets Gelegenheit dazu
finden; all unser Gutes, Besitz und Wissen, Ehre usw.
kommt uns ron der Güte anderer, schließlich Gottes,
also LSl in undankbaren Augen immer Ursache. Undank
zu üben. S. Prov. L7, L3: uT3ö Pljn BKDn »b. Zum Nach-
rgL die Kommentare.
•e Auflehnung de- Menschen d:tLr<'Lren, daß
er nicht Schöpfer und \b seiner Vorzüge und
Besitztümer Bein soll: TW? T DJflJfl to^ ist der Grund-
., d< r /um Verfall führt
1 Deutet s, i ".
Gegen Rache und Nachtragen. 237
Gegen Rache und Nachtragen.
.Nicht Böses vergelten. Gnade. Güte. Milde.
Bürgschaft für einander. Gemeinsamkeit.
Solidarität.
§ 433. Rache, Nachtragen. Sehr charakteristisch
für die Strenge, mit welcher das Nachtragen verpönt wird,
ist die Erklärung, welche den beiden Begriffen Rachsucht
und Nachtragen durch ein Beispiel gegeben wird. Das
Versagen einer Gefälligkeit, welche von der anderen
Seite versagt war, gilt schon als Bache; aber auch beim
Gewähren derselben wird schon die hinzugefügte Bemer-
kung: „Siehe! ich gewähre dir, was du mir versagt hast",
als Nachtragen angesehen und soll vermieden werden.
S.Joma 23 \
Das Sprichwort sagt: Rache ist süß! Ja, Rache ist
süß, aber süßes Gift. Rache und Recht, — die sophi-
stische Verführung des Rächers.
Nicht die große, schwere, in harten Taten geäußerte
Rache ist mehr möglich; aber was in der Gesellschaft
unheimlich wühlend und zersetzend wirkt, ist die kleine,
gemeine, geheime Rachsucht. —
Nicht-Rache. Böses nicht vergelten, aber auch
bei der Nichtvergeltung und bei Wohlwollen trotz der
Verweigerung desselben durch den andern, nicht sagen:
Sieh', ich bin hesser als du. S. Sifre, Kedoschim Pis. 4
III Dei Weg zur Bittliohi I
B hon Prov. 24 21» wird der alten. Überlieferten, dem
artrieb naheliegenden Regel, welcher der gewohnte
reale Weltlauf entspricht, entgegengetreten. „Nicht Ver-
tnng des Bösei ' Sprich nicht: „wie er mir getan, so
tue ich ihm, ich jedem nach seinem Tun."
43-1. Grundlos indschaft (Dan I\H&) zerstört
alle Heiligtümer im Gemüte; denn sie i-t das absolute
Gegenteil der Zusammenschließung, welche auch ohne
Grund stattfinden boIL S. Joma 9b.
Hl ß. Es gibt keinen Bpontanen, ursprünglichen Hau,
wie es ursprüngliche Sympathie, Liebe gibt, oder viel-
mehr: wie diese immer ein objektiv ge Motiv hat,
so auch der Hau. Seine Motive sind: Rache für emp-
faii • Böse — das entschuldbarste — oder für Hern-
um: d Guten, Undank (Gefühl des Druckes
im schuldigen und Lästigen D Neid (Mißgui
Haß und Neid vereinigt, (tOtPftttb ohne ünter-
II) II Liebe — zum Dritten oder Entgegen-
i! Fanatikers, aus ! /.u seinem
Glauben; freilich eine häßliche Liel
II !. ibe ist gewöhnlich Liebe nun Dritten und
halb Rache für ihn . den Zweiten, welcher jenen
gt, 1" ' hat. Di IM Haß kann man
b am • tschuldigen; nur wenn die Religion
der X den man üebt, darf HaQ keine Stelle
: denn Religion darf Bich nicht rächen und nicht
• II.
Solidarität. Objektive Einheit des Sittlichen. 239
Haß und Liebe sind natürlich; aber der Haß ist nicht
sittlich, er soll durch Sittlichkeit verschwinden, auch wo
er natürlich ist; die Liebe soll durch Sittlichkeit auch
da sein, wo sie natürlich nicht ist; und dadurch wird sie
auch da, wo sie natürlich ist, durch Sittlichkeit erhöht
und geadelt. —
Haß nach außen bringt Hader nach innen. S. Joma
ga-b. warUni ist das erste Heiligtum zerstört worden?
Wegen dreier Dinge: wegen Unzucht, Götzendienst und
Blutvergießen. Warum ist aber das zweite Heiligtum,
da man doch Thora, Gebote und Wohltätigkeit übte,
zerstört worden? Weil D3H nfcOt?, grundloser Haß, vor-
handen war. Das lehrt dich, daß grundloser Haß die
drei Sünden aufwiegt: Unzucht, Götzendienst und Blut-
vergießen.
„Die Babbinen lehren: Die gedrückt werden und nicht
wieder drücken, ihren Schimpf hören und nicht wieder
schimpfen, alles aus Liebe tun und auch Leiden mit
Freude tragen, von denen sagt die Schrift (Jud. 5, 31):
„Und die ihn lieben, sind gleich der. Sonne, wenn sie mit
Macht hervortritt". S. Schabb. 88 b.
Solidarität Objektive Einheit des Sittlichen.
§ 435. Viel ernster und energischer als die moderne
Weltanschauung hat es die rabbinische mit der Solidarität,
insbesondere mit der Wendung des Gedankens genommen,
daß ein grundstürzendes Verbrechen oder die Verleugnung
940 in. Der "Weg tat SittUdhfc
der sittlichen Prinzipien überhaupt. von dem einen begangen,
für alle anderen mit tiefstem Schmerze empfunden wird;
objektive ideale Substanz der Sittlichkeit selbst er-
scheint verletzt, die Idee selbst ist gleichsam erniedrigt
and nicht bloß die Person, welche ihr dienen sollte und
sich wider mpört
Nach rabbinischer Satzung sollen die Zeugen eines
Bolchen Vorgangs und auch die Richter, welche darüber
zu befinden haben, die Symbole der herbsten Trauer und
• 11 Kümmernis anlegen, die Symbole, durch
welche man den Schmerz um den Tod der nächsten An-
aörigen zum Ausdruck bringt S. Sanhedrin 56 und fiO.
Im Anhang ist in der angegebenen Stelle zwar nur
Aboda zara die "Rede, aber man darf zweierlei nie
vergessen; 1) daß ethische Dinge wie ])ü?
jnn und dergl. ausdrücklich als schlimmer noch denn
Aboda zara genannt wird; namentlich Ein nttitf, welche
in der Tal die B tili Gl [enteils vom sittlichen Be-
ruf dea Menschen ist; 2) daß Aboda zara selbst nicht
wohl dogmatische als ethische Bedeutung hat. Schon
in der Thora wird immer auf die lYQJJn, auf die sitt-
lichen Greuel hingewiesen, die der Götzendienst mit Bich
fuhrt Nicht theoretische Meinungen über daa Wesen
der ädern die Tatsache, daß unsittliche Hand-
lau ue falschen Gotteediei shörten, bildete den
,.,,: lendenl • I - l ed, welcher auch die Ausrottung
der Q machte. Nicht ein blöder
Objektive Einheit des Sittlichen. 241
Mangel an höherer Sittlichkeit haftete dem Götzen-
dienst an, sondern die positive Unsittlichkeit und daß
er als Gottesdienst galt, nicht erlaubt, sondern geboten
war usw.
§ 436. Neuerdings hat man gemeint, das Verbrechen ist
das Verbrechen der Gesellschaft. Das ist übertrieben aus
mancherlei Gründen. Der Talmud aber, der ebenfalls
die ethische Solidarität der Gesellschaft betont, ist in
seinem Gedankengang maßvoller. In bezug auf HBViy r6jj>
heißt es (Deuter. 21, 7): „Unsere Hände haben dieses
Blut nicht vergossen, und unsere Augen haben es nicht
gesehen." — Was gesagt sein soll, ist also dieses: Wenn
man einen Menschen, anstatt ihm die nötige Fürsorge
angedeihen zu lassen, seinem Schicksal überläßt, so daß
er zugrunde geht, dann trifft diejenigen, welche die Pflicht
jener rettenden Fürsorge hatten, die Schuld an dem ver-
gossenen Blute des Verlassenen. Die Solidarität soll
nach talmudischem Geist nicht die Verantwortung des
Verbrechers mindern, sondern nur die Pflicht der Gesell-
schaft einschärfen, ihrerseits alle diejenigen Mittel zur
Verhütung des Verbrechens anzuwenden, welche sie in
ihrer Hand hat; also Erziehung, gewerbliche Ausbildung,
nährende Beschäftigung, Unterstützung in der Not, Pflege
in der Krankheit usw. Da die Umstände und Ver-
hältnisse wechseln, kann man aus den speziellen tal-
mudischen Vorschriften, die sich daran anschließen, nur
den allgemeinen Gedanken herausheben. So hat z. B.
1 ß
Lazarus, Ethik des Judentums II.
HI. Dei Weg zur Sittlich!
das ;--v: jetzt und in Europa keinen realen Boden mehr.
S. Sota -i.V'iV.
§ 437. l>ie Bürgschaft für einander bedeutet bei den
Propheten und Rabbinerj die ernste und heiße Sorge, der
Gerechtigkeit unter den Menschen freie Hahn zu schaffen,
es jedem zu ermöglichen, daß er den Weg der Tugend
ohne Straucheln wandeln könne; jedem zu gewähren, daß
er ein menschenwürdiges Dasein führen könne.
An einem Kulturwerk müssen viele arbeiten. Der
belohnte Arbeiter boII aber oicht bloß wie eine Maschine,
oder als Teil einer Maschine her werden. Nicht wie
man die Lokomotive heizt, damit sie Dampf gibt,
man die Wirkenden belohnen, sundern als Mitarbeiter
betrachten und behandeln. Als Mitarbeiter nicht bloß
an diesem Werk, sondern am Werke der Kultur
überhaupt, das ohne Beine Tätigkeit nicht zustande
kommt; aber nicht bloß am Werke der Kultur, Bon-
rn der wesentlichsten, der innersten und wichtigsten,
hen Kultur; am Bau der sittlichen Gesellschaft.
8 438. Einer der en ethischen Grundsätze ist: Seine
Gelegenheit zu einer guten Tat vorbei lassen!1 Schon für
die Zukunft arbeiten und nicht ihr überlassen, für Bicfa
zu enn man es heu! an!
1 Pesachira 641 nvtt ■-■;•- g, Man gehl Ober ein Qe-
i, ii olh LO'. Mose besümmte die drei Aiyl-
■ t gpr ich: ß tu dem
nbeil - '. ■ .1 ich eHü len. D ll.
and Lohn. 243
Gibt es für eine gute Tat außer ihr selbst noch einen
Lohn, gibt es außer den natürlichen, wohltätigen Folgen
und außer dem frohen Bewußtsein der guten Tat noch
einen Lohn außer der Tat und dem Täter, so ist es die
gute Tat eines andern — oft vieler andern — welche
dadurch erregt wird. Dies, dies zumeist, vielleicht dies
allein mögen wir als einen eigentlichen Lohn des Guten,
als den ungesuchten und doch gefundenen, als den nicht
gewollten und dennoch geschaffenen Erfolg desselben an-
sehen. Wie das Licht an einem andern Licht sich entzündet,
so entsteht ein guter Wille des einen aus der guten Tat
des anderen. Wir leben in Gemeinschaft; alles wirkliche,
alles wahre Leben ist gemeinschaftliches Leben; was in
dem einen geschieht, wird in anderen wiederholt, fort-
gesetzt, fortgebildet. Auch ein Kind mit seinem Gehor-
sam, ein Schulknabe mit seinem Fleiß, ein schlichter
Arbeiter mit seiner Treue, ein Beamter mit seiner Ge-
wissenhaftigkeit wird zum Vorbild für seine Genossen.
Also willst du ein Lehrer, ein Förderer, ein Pflanzer
und Pfleger des Guten sein — sei gut!
S. Aboth 4. 2. Ben Azai sagte: Laufe zu jedem kleinen
Pflichtgebote und fliehe vor der Übertretung; denn ein
Pflichtgebot zieht ein anderes nach sich, sowie eine Über-
tretung die andere nach sich zieht; denn Lohn des Pflicht-
gebots ist Pflichtgebot, und Lohn der Übertretung ist
Übertretung.
Der folgende Ausspruch: Verachte keinen Menschen
16*
244 Hl Der Weg rar Sittlichkeit
nuil vernichte kein Ding, denn jeder Mensch hat Beine
Zeit und jedes Ding hat seinen Ort, erinnert an »las
deutsche Sprichwort: „Ein gutes Wort findet immi
gute Stätte"; diese gute Stätte aber ist in anderen.
izialethik.
139. Di<' alte Balachah fordert für alle ein menschen-
würdiges, dem Gesetz entsprechendes Dasein; der Zweck ist
in allen Menschen, in allen Gliedern der gleiche, und darum
soll für die Mittel zu Beiner Erfüllung bei allen gesorgt
werden. Am-li der Reiche boII am öffentlichen Fasttage
ben, auch der Arme boII Bein Festmahl haben; für sein
ungesäuertes Brot und seinen Freiheitswein, für seine
Laubhütte soll gesorgt werden. Wer, der es vermochte,
hätte auch je dem heischenden Ar d einen Platz am
ler '«<! ert, oder welche Laubhütte wäre voi der
i. istfreundschafl verschlossen gewesen!
In ethischer Beziehung ist jeder gleich wichtig, i>'\s bi
^KTßT Deuter 29, 9); auch offenbart sich in und an allen
dei md der Sittlichkeit — Jeder nach seiner Berufung
ist aktiv, aber auch passiv; die Kinder als Gegenstand
der Erziehung, Belbst der Böse, der Frevler, ihn gerecht
zu behandeln und zu begnadigen und zu 1" ssern. Alle sind
Bürgen für einander, für die G imtsittlichkeit S Tan-
chuma ü*21} -. v. ttp&av DDVM1 Der sittliche Gei I der
m i |i : • • • lebt . sich realisi« rt, isl selbst ei n e r.
-•;• ---; m -; nüpan by) D^TDCT ~V XVV& *?D hv vorn
Sozialethik. 245
D^üHiX „Seine Barmherzigkeit über alle seine Geschöpfe
(Ps. 145, 9), über Männer und über Frauen, über Ge-
rechte und über Frevler."
Der sozialethische Gesichtspunkt und die Bürgschaft
für einander wird streng betont:
orux *)M ^bnö tfoysi tkö D^ys üvn no nvn D^si on«
!d^j> -wxb "i -jb ?m 'ity n^y uro db^> t«h^ Tny bb1? n^stWB
(also auch Kontinuität der verschiedenen Zeiten und der
idealen Entwicklung!) aber zu dieser fortschreitenden
Entwicklung im Idealen gehört vor allem das Gesamt-
und Einheitsbewußtsein; deshalb fährt er fort: Tl^K
2DVH DD"?1D D"n 'iL? nn« mii« BB^IB W1W |Ö?B. Dazu ge-
hört die sittliche Macht des Einheitsgedankens, daher
fortfahrend KöLS» D<ip ^ mttK DIN ^>Ött 2« B^J>BÜ> iniin
»."Qtfö pwn i^bk nn« nnx btsii lWn ,nn« nBB d"ibb6 b)y-
Daher Gleichheit aller in der Verpflichtung für ein-
ander; daher ferner DB1? VTiötf wy» M) BB^Bt? DBWl
iniBTB i"?ib abiyn ^>b bb^b tn« pns i^bx ntB m d^b-ij; db^b
1 Deuter. 29, 8: „Ihr steht heute (ovn, an dem Tage)". Der
Tag- ist bald hell, bald trüb. Wenn ihr ein trübes Geschick haben
werdet, wird euch das ewige Licht leuchten, wie es heißt (Jes. 60, 19):
„Der Ewige wird euch zum ewigen Lichte sein." D. H.
2 Wann? Wenn ihr alle ein Bund sein werdet, wie es heißt
(Deuter. 4, 4): „Lebend ihr alle heute (nvn)". D. H.
3 In der Welt geht es so zu: Nimmt einer einen Bund von
Rohren, vermag er sie etwa auf einmal zu zerbrochen? Nimmt
er aber jedes einzeln, so zerbricht sie selbst ein Kind. D. H.
in. Der Weg zur Sittlichkeit.
yb inn hz Köln d::d ttimsoi c^.y tid* pnsi uriDiy
D^ül1 Auch der einzelne Gerechte, Edle, repräsenti
den Stand und die Stufe der erreichten Idealität
Gemeinsame Schuld. Pflicht dem Bösen zu wehren,
zu ermahnen und A: zuti rhindern, selbst dem Fürsten
zu wehren sind nach rabbinischer Anschauung die Ältesten
• et. S. Schabb. 54 b und 55*. a
Mitschuld trägt dii ellschaft am Verbrechen des
Verbrechers, wenn ch der Füi Obhut ent-
schlä{ •
,.\\ gleitung" als Form der Höflichkeit die ge-
1 „Euere Häupter, euere Stämme" (Deuter. 29,8). Obgleich
ich euch Häupter, Atteste und Beamten bestellt I >id ihr doch
r mir gleich, - heißt (Da und jeder Mann in
Eine and» re Aui A le m d ili a einer füi
eim andern. 1>i auch mr ein G er unter euch, bo hat die
/'•Well durch Bein Verdienst Bestand, wie is heißl (Prov. 10,2
bte ist der Grund der Well" Und wenn einer von
wird das g inte <i> -< h en. D. H.
2 Wem n L Uten Ha m wehren,
und wehrt ihnen nicht, wird verantwortl bl für die Leute
• i t. wird verantwortlich gemacht
für die Leu £ ten Well, wird verantwortlich
WelL 1; Papa bat gesagt Die um den
. w< rden fiir d e Well i u bt;
. : hat '•'. - die Worte • 14)
1 r( n hl iini d< i Volkei und
en f rslei •'• -rin dir Porsten igt habt n, vi ic i.
Allein ich i et den ältesten
hl), weil sie den Fürsten nicht gewehrt haben. I' II
Ermahnung. Kritik. 247
fordert wird, ist veraltet durch die Umstände; aber Für-
sorge bleibt beständige Forderung. S. Sota 46 V
Die Ermahnung des andern. Sehr charakteristisch auch
für die Erkenntnis der Schwierigkeit der Ermahnung,
(der rechten, zur Besserung führenden, der nicht beschimp-
fenden, nicht kränkenden und doch erfolgreichen usw.)
daß bezweifelt wird, ob in jenem Zeitalter, dem glänzen-
den (]1S1B "I und rmy p "NJ^K r"l), einer sich findet, der
der Ermahnung folgt und einer, der zu ermahnen ver-
steht. S. Arachin 16b. E. Tarphon hat gesagt: Es sollte
mich wundern, wenn es in diesem Geschlechte einen gibt,
der Ermahnung annimmt. Spricht man zu einem: Nimm
den Splitter von deinen Zähnen, so erwidert er: Nimm
den Balken von deinen Augen. E. Eleasar b. Asarja
hat gesagt: Es sollte mich wundern, wenn es in diesem
Geschlechte einen gibt, der zu ermahnen versteht.
Das Lob der Kritik, wer sie annimmt und wer sie
spendet, wird gepriesen.
Eabbi findet, daß Freudigkeit herrscht und Nebel ver-
schwinden, wenn es an Kritik in der Welt nicht fehlt.
S. Arachin 16a.
Die D^3ffö sind die Lehrer, die Theoretiker, welche
die Menschen einsichtig machen, die V*y\n p^Sö sind
die, welche die Menschen praktisch, tatsächlich auf eine
höhere Stufe bringen, sie vor Ungerechtigkeit bewahren.
i Vergl. oben S. 242
848 in Di i W g rax Sittlich!
D r Fabrikherr, welcher dafür Borgt, dal ae Arbeiter
ein menschenwürdiges Dasein führen; nicht bloß, daß sie
behaglich leben, sondern, daß Bie auch innerlich geläutert
werden, daß Bie nicht von Neid, Mißgunst erfaßt werden,
. der ist ein D^TTI p'HSD. \"<>llentls wenn einer wie
B. Biskia and seine Frau Tausende von der freiheitver-
nichtenden Not, von 'lern Triebe niederen Erwerbes...
befreit, Bie auf ein höheres Niveau des Sittlichen brin
gilt, die Gelegenheit zur sittlichen Eandlung (in
anderen, bei anderen und für andere) suchen, z. I'..
shulgeld, wer keine Kinder hat, für fremde Kinder be-
zahlen, Bücher kaufen, am sie anderen za leihen u-w ■
Midr. Bammidbar r. Par.14,2. Midr.Tehillim zu Ps. 101
Ketuboth 50\
Ubei Gemeinsamkeit des Wollei
; 10. Ein vielzitierter Spruch lautet: ."^>;en brm
\>ri Veranlasser, der durch Etat, Zuspruch osw. die gute
• eines andern herbeiführt, isl der geistige Urheber *\rr
l..t. Aber • chte man sich dabei? VW iWJWDH ^VU
und inwiefern kam. vtov npTtn rwyn nvn der
Anl I>ie Gemeinsamkeit de* Wollene, der
L< b ü 'i voran I Der ( tedanke, den der
denkt, wird vom anderen (der die Macht bat) aus*
■ z'"s Unter dieser \ letcung
Gemeinsamkeit des Wollens. 249
werden die Urheber solcher sittlicher Gedanken, welche
tatenzeugend sind, aufs höchste geschätzt.
Die Freude an dem Guten, das man getan, hat die
fortzeugende Kraft des Guten zur Folge; aber ebenso
das Böse, wenn man es nicht bereut, erzeugt weiter Böses.
S. Aboth de B. Xathan Kap. 25.
Über Wert und Weihe der Schmerzen s. die schöne
Stelle Sifre Debarim Rs. 32 zu Deut. 6, 5.*
1 Wir lassen die Stelle in ihrem Zusammenhange hier folgen:
„Und du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott, mit deinem ganzen
Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Ver-
mögen" (Deul. 6, 5). „Und mit deiner ganzen Seele", d. i. selbst
wenn er dir deine Seele nimmt. Und so heißt es (Ps. 44, 23):
„Denn deinetwegen werden wir erschlagen jeden Tag, sind gleich
geachtet dem Schaf der Schlachtbank." R. Simeon b. Menasja
sagt: Ist es denn möglich, daß ein Mensch jeden Tag erschlagen
wird? Allein den Gerechten rechnet Groit es an, als ob sie jeden
Tag erschlagen würden. Simeon b. Azai sagt: „mit deiner ganzen
Seele", d. i. liebe ihn, bis die Seele zur Neige geht. R. Eliezer
b. Jakob sagt: Wenn es heißt: „mit deiner ganzen Seele", wozu
heißt es: „mit deinem ganzen Vermögen", und wenn es heißt:
„mit deinem ganzen Vermögen", wozu heißt es: „mit deiner ganzen
Seele"? Es gibt einen Menschen, dem sein Leben lieber ist als
sein Geld; deshalb heißt es „(selbst) mit deiner ganzen Seele".
Es gibt aber auch einen Menschen, dem sein Geld lieber ist als
sein Leben; deshalb heißt es: „(selbst) mit deinem ganzen Ver-
mögen". R. Jakob sagt: Wenn es (bereits) heißt: „mit deiner
ganzen Seele", so folgt doch: um so mehr mit deinem ganzen
Vermögen! Allein (es bedeutet): Rei jedem Maße, das er dir zu-
mißt1, sei es im Glück, sei es im Unglück. So spricht auch
David (Ps. 116, 3 — 4): „Not und Kummer treffen mich, und den
"S" wird mit -"1 in Zusammenhang gebracht.
III Der Weg zur Sittlich]
en des Ewigen rufe ich an."1 So sagt auch Hiob (1,21):
„Der Ewige hat gi ■■ " hat genommen, der Name
des Ewigen sei gepriesen", d. 1. für das Glü k und »im wieviel
mehr für das Ui glück!3 Was Bprichl seine Frau zu ihm (das. 2,9):
Frömmigkeit fest. Segne Gott und
stirb." Was ht er aber zu ihr (Das. V. 10): „Wie eine der
Vei . redest du. Ja, das Gm - en wir von Goii
annehmen, und 'las Böse sollen wir nicht annehmen?" Die Leute
lies Geschlechtes der Flut zeigten sich häßlich im Glücke, als b
Jüek (die Bestrafung) über sie Kam, nahmen sie es gegen
. Willen an. Ergibt das nicht einen Schluß vom Leichten auf
re (a minori ad maius)? Wenn b r, welcher sich
im i, lieh zeigt, Bich im Unglück als Bchön erweist, um
wiewiel mehr muß sich sich im Glück als schön
im Unglück als Bchön erweisen! l»ie Leute von Sod
und Gonmr gten sich im Glücke häßlich, als aber das Unglück
r sie Kam, n ihmen sie es gegen ihren Willen an.
Schluß vom Leichten auf «las Schwere? Wenn schon
wer sich im Glücke häßlich zeigt, ßi h im Unglücke als schön
eist; um wieviel mehr muß - rjenige, der sich im Glück
■ ist, im k als schön er* w iv
er zu ihr - - e eine der Vi st du. Das
i, n wir von Gott annehmen, und das l'"">se sollen wir
nicht annel Weiler a »ich mit Leiden
:,r (reuen als mit dem (Guten) Glück. Heim wenn ein Mei
• seine Tage im Glücke ist, wird ihm die Schuld nicht vergeben.
Wodurch aber wird sie ihm ve ' Durch die Leiden wird
ihm •• R I ezer b. Jak he es heißt
(Prov. 8, 12): ..Wen er liebt, bu hl der I heim, und wie ein
- hn nimmt er ihn auf." Was erwirkt
er (s enommen v.
i . cn (Zücl R M«i b Siehe,
dein« m H«
rkUbrasg »r*iM »Ich Ml
Wert und "Weihe der Schmerzen. 251
daß, wie ein Valer seinen Sohn züchtigt, der Ewige, dein Goll,
dich züchtigt,'- d. i. du und dein Herz, ihr wißt, welche Taten
du verübt hast, und daß ich die Leiden, welche ich über dich
gebracht habe, nicht in dem Maße über dich gebracht habe, daß
sie den Talen entsprächen, die du verübt hast. R. Jose bar Jehula
sagt: Die Leiden sind vor Gott beliebt. Denn der Name Gottes
wird über den genannt (eig. die Herrlichkeit Gottes fällt dem-
jenigen zu), über den Leiden kommen; wie es heißt (Das.): „Der
Ewige, dein Gott, züchtigt dich." R. Nathan b. R. Josef sagt:
"Wie der Bund (Gottes mit Israel) hinsichtlich des (heiligen) Landes
geschlossen ist, so ist der Bund auch hinsichtlich der Leiden ge-
schlossen. Denn es heißt: „Der Ewige, dein Gott, züchtigt dich",
und darauf folgt (Das V. 7): „Denn der Ewige, dein Gott, bringt
dich in ein gutes und weites Land." R. Simcon b. Jochai sagt:
Beliebt sind die Leiden. Denn drei Gaben gab der Heilige, ge-
benedeiet sei er! den Israeliten, nach denen die Völker der Well
gelüsten, und er gab sie den Israeliten nur durch Leiden. Es sind
die folgenden: die Thora, das Land Israel und die künftige Welt.
Die Thora. Woher entnehme ich es? Weil es heißt (Prov. 1,2):
„Zu erkennen Weisheit und Zucht (Leiden)", und ferner (Ps. 94, 12):
„Heil dem Manne, den Gott züchtigt, und aus deiner Thora be-
lehrst du ihn." Das Land Israel. Woher entnehme ich das?
Weil es heißt (Deut. 8, 5): „Der Ewige, dein Goll, züchtigt dich"
und weiter (V. 7): „Der Ewige, dein Gott, bringt dich .in ein gutes
und weites Land, in ein Land mit Wasserbächen, Quellen und
Tiefen, die hinziehen in Tal und Gebirge." Die künftige Welt,
Woher entnehme ich das? Weil es heißt (Prov. 6, 23): „Denn
eine Leuchte ist das Gebot, und die Thora ist ein Licht, und der
Weg des Lebens sind die Unterweisungen der Zucht." Welches
ist der Weg, der den Menschen zur künftigen Welt bringt? Sage:
das sind die Leiden. R. Nechemja sagl: Beliebt sind die Leiden.
Denn wie die Opfer wohlgefällig machen, so machen die Leiden
wohlgefällig. Wie heißt es bei den Opfern? (Levit. 1,4:) „Und
es soll ihm wohlgefällig aufgenommen sein, um ihn zu sühnen";
bei den Leiden heißt es (Das. 2G, 43): „Und sie werden (durch
die Leiden) wohlgefällig machen ihre Schuld." Weiter aber: Die
252 Hl. Der Weg zur Bittlichkeit,
hen noch mehr wohlgefällig als die Opfer. Denn die
len mit Geld dargebracht, i en erleidet die Person.
hc t es iiliob 2, 1): „Haut um Haut, und alles, was eines
Mannes ist, gibt er für Beine Seele (Person).11 — H. Elieier war
krank, R. T.irfon, R. Josua, R, Eleazar b. Azarja und It. Akiba
waren gekommen, um ihn zu besuchen 11. Tarfon hub an und
!i: Rabbi, lieb bist <■ i 1 1 Israel, mehr als der Sonnenball. Denn
incnball leuchtet in dieser Welt, du aber leuchtest in dieser
:t und in der künftigen Well. R. Josua Imb an und sprach:
oisl du Israel, mehr als die Gabe des Regens. Denn
H gjen gibt Leben für diese Welt, du aber gabst ihm Leben
diese Welt und für die künftige Welt. R. Eleazar b< Azarja
. ii zu ihm: Rabbi, lieb bisl du Israel, mehr als Vater und
dulter. Denn Valei und Mutter bringen den Menschen in diese
Welt, du aber bringst uns in diese Well und in die künftige Well.
;>'ib an und Bprach: Rabbi, beliebt sind die Leiden. lu
ich R, I ezer zu Beinen Jungern: Stützet mich, und es Beizte
h zu ihm < H. Aki b Sprich, R. Akiba.
heißt Chi l ) : ,,^w.".lf Jahre
war Ml all, als er König wurde, und fünfundfünfzig Jahre
i m und tat in den Augen des
Ewi e-. (Prov. 25, l (: „Auch dieses sind Spräche
he die • i Chizkija's, Königs von Juda, über-
.i.'- Wird dir denn in den Sinn kommen, daß Cüizkija
die i elchrl und seinem Sohn Menasche nicht
ehrt hat! Allein alle Lehre, die er ihm gelehrt, und
die er sich um ihn gemüht, hat ihm nichis genützt;
Denn es hei . I d V. 10 — 14): „1
i er sie merkten
die He sten
inir. i bmen Menasche gefangen in
in : banden ihn mit Keti--n und führten ihn nach Babel
w.ir, Qehte er tum I seini m QoUe,
; V itet und beide
zu ihm. Und er li^u sich von ihm erbitten und erhörte sein Kleben
m in sein Königreich. Da
"Weg und Weihe der Schmerzen. 253
erkannte Menasche, daß der Ewige der Golt ist." Daraus lernst
du, daß die Leiden beliebt sind, R. Mei'r sagt: Siehe, es heißt:
„Du sollst den Ewigen, deinen Golt, lieben mit deinem ganzen
Herzen", d. i. liebe ihn mit deinem ganzen Herzen, wie Abraham,
unser Vater; wie es heißt (Genes. IS, 19): „Ich habe ihn zum
Freunde erkoren, dieweil er befiehlt seinen Kindern und seinem
Hause nach ihm, daß sie hüten den 'Weg des Ewigen, Liebe und
Recht zu üben" Deshalb heißt es: „Du sollst den Ewigen, deinen
Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen." Ferner: „und mit deiner
ganzen Seele", d. i. wie Isaak, der sich hat binden lassen auf
dem Rücken des Altars. „Und mit deinem ganzen Vermögen,
TpND", d. i. sei ihm dankbar, "b n-ntt »in, wie Jakob, bei dem es
heißt (das. 32, 11): „Zu gering bin ich für all die Gnaden und
für all die Treue, die du an deinem Knechte getan, denn mit
einem Stecken zog ich über diesen Jarden, und nun bin ich zu
zwei Lagern geworden." D. H.
Vierter Abschnitt.
Die Gestaltung der Sittlichkeit,
welche geschaffen werden soll.
au?«
11. Capitel.
Übersicht.
Formen der Vereinigung.
Die Formen der Gesellschaft, d. h. der Einigung aus
den gegebenen Verhältnissen der Natur und Kultur.
§ 441. Die Formen der Vereinigung, durch welche
die Charaktere gebildet und in welchen sie sich bewähren
und so die Pflichten erfüllt und die Ideen realisiert
werden sollen, sind
A. Die Familie.
ß. Das Haus.
Ä. Familie. Ehe. Frauen . . . (als Erzieherinnen).
A. Die Familie im engern und weitern Sinne.
1. Die Gatten.
2. Eltern und Kinder. Verstorbene. r3K PDö > und
besonders löKl V3K bip®/*
3. Geschlechter weiter' auf- und abwärts.
4. Die Verstorbenen.
i Exod. 21, 15. 2 Das. 21, 17.
1 7
Lazarus, Ethik des Judentums II.
IV. D lltung der Sittlichkeit.
B. Das Haus.
1. Seine Führung.
2. Eerrschaft und Dienerschaft; beiderseitige Pflichten;
Arbeitgeber und Arbeitnehmer; Botenpflicht.
3. Beziehung von Fremden zum Hause: Gäste, gesellig
= rrrrrb mne "jrra ■ wohltätig — *jjt2 *»* rayi;
Waisen als stetige Hausgenossen; die Nachbarn.
Gefangenenlösung.
4. Die Tiere.
142. Die Formen des Zusammenschlusses.
Der Begriff der Familie ist bei den Juden viel
weiter und viel tiefer al- irgendwo.
1. Der Bestand der Familie besteht auch in dei
Rechtsordnung und sozialen Einrichtung. S. die
!;• esetze, die liegenden Gflter.
2. Erweis rung im Stamm.
3. Abfolge der Zeiten und Generationen. Einheit.
a) Aufwärts: |pt »3B ffim» r\MH 11131
Di« S a (rgl. Grieser: die Altvordern kämpfen
mit von Elias und Mo
Die ethische Gemeinschaft .cm« in?» n«
snn rwtb "Di .oma* to van
b) Ab :_. - "--t mey1 — mzN by c%:2 ii nvrTH
- nnmo« DU2 - tfessianischei Zeitalter.
i kbo\h I. viticui 19 3 Prov. 1 I
IM 24. ta
Das Haus. 259
§ 443. Ein Romantiker des 19. Jahrhunderts, ein Tieck
oder Novalis könnte nicht gewaltiger von der ehelichen
Liebe im engsten Sinne, nicht mystisch tiefer und nicht
allegorisch erhabener sprechen, als Aboab (um 1300), der
brave Verfasser der moralisch-religiösen Enzyklopädie
unter dem Titel: Menorath Hammaor (s. Kap. 181).
Aber auch ein Lombroso kann der Bedeutung der
Bedingungen des natürlichen Werdens des Menschen für
die moralische Konstitution nicht größeres Gewicht bei-
legen als unser Aboab; daß diese seine Theorie aber
ohne Widerspruch gegen seine ethischen Anschauungen
zustande kam, wird niemand behaupten (s. Kap. 182, wo
die Agada durch aristotelische Lehren umgedeutet und
erklärt wird). Der Widerspruch ist ihm nicht entgangen
und Kap. 184 wird auch die Lösung durch die Macht
der psychischen Elemente versucht. lb)71 "jsnrp DK T6l?
BOTB& "ly toTa Voym nnom fcrram noion naa )oanb lyatö
mns mra ^m1?! inm1
Auch die ganz materialistisch-physiologischen Theorien
der Vogt, Moleschott und Büchner hat Aboab vorweg
genommen und überbietet diese fast noch, indem er seine
Lehre in den Sätzen gipfeln läßt: nicht bloß JJStt *B3
1 Außer wenn sich das Kind aus seiner natürlichen Art in deren
Gegenteil umwandelt durch die Kraft der Zucht, der Erziehung
und der Sitten und durch die Mühe der Erziehung, so daß es
seine Form (Art, Gestallung) auszieht und sich mit einer anderen
Form bekleidet. D. H.
17*
1\ Di " iltung der Sittlichkeit.
- -;; ytns^ JHDTI1, sondern auch niDMn ptD »A3 *3 KSBi
D^ian yrj RTF' (s. 183), \\<»bei er sich bereits auf den Tal-
mud Kttluili. t;i stützen konnte; und diese Theorie hat
er dann leicht mit dem Verbot unreiner Tiere in Ein-
klang [ ebi acht.
ialei Begriff der Einheit. 1 >ie Formen
iles Einheitsbegriffi sind darzustellen.
Dabei ist auf die interessante Anmerkung über d
Zusammentreffen dei I redanken mit Vircho^ hinzuweisen.
Nach der Huxley -Vorlesung Virchows im Herbst 1898
teilt der Ports* hritt der biologischen W issenschaft der
letzten Zeiten wesentlich darin, zu zeigen, daß der Organis-
mus nicht auf einer einheitlichen, Bondern auf „sozialer"
Funktion beruht: umgekehrt besteht der Portschritt der
völkerpsychologischen oder ilpsychologischen Er-
kenntnis gegen früher darin, einzusehen, daß die Punkl
b der Individuen im Bozialen Sinn • • saml und ein«
»In b i t.
1 1 • tige der beidi d Forsi bungsmethoden offen-
bart ich darin, 7u erkennen, daß jeder Organismtu
. ial wirkt, und daß ellschafi ein Organismn i I
l .• ben de • • I 5 inch die dai ml folgende
kleine
n. . r Natui da Nahrung ri btet sich dei KOrpei
Wesen) d< ihitcn. D. II
ergibt sid i Nahrung m die .Naiur
J' II
Einheit und Gesamtheit. 261
Das Wesentliche und Wertvolle dieser Erkenntnis für
unseren Gedankenkreis ist, daß in den rein psychologischen
und physiologischen Verhältnissen der Gesellschaft, also
in den Naturgesetzen, welche sie beherrschen, mit
einem Worte in dem Bestände, wie er in der mecha-
nischen Weltanschauung aufgefaßt wird, schon das ethische
Grund- und Zielverhältnis, nämlich die Einheitsbildung
der Gesamtheit enthalten ist. Nur das ethische Mo-
tiv muß noch hinzutreten. Aus den Reproduktions-
gesetzen ergibt sich das Gewissen; es tritt nur noch zu
den Tatsachen der unwillkürlichen Reproduktion die
ethische Beurteilung derselben hinzu.
§445. Gesamtheit. Es gab eine Zeit, in welcher die
Sorge für seine Familie als ny ^33 np~V TW)}1 gelten
durfte. Sie ist es noch für viele, weil sie dessen bedürfen.
Aber die Zahl derer, welche einen Überschuß haben, ist
größer geworden, sie genügen der ethischen Verpflichtung
nicht mehr damit.
Und mit Wohltätigkeit und großen Gaben ist es auch
nicht getan.
Nicht für sich allein, auch nicht bloß für seine Ea-
» Psalm 106, 3. Vergl. Keluboth 50a: „Heil denen, die das
Recht wahren, der Wohltat übt zu jeder Zeil." Ist es denn mög-
lich, zu jeder Zeil Wohltat zu üben? Unsere Lehrer in Jabne
haben erklärt und einige sagen R. Eliezer: Damit ist derjenige
gemeint, der seine Söhne und Töchter ernährt, so lange sie uner-
wachsen sind. D. H.
IV nie Gestaltung dei Sittlichkeit.
milie sorgen, für die Gesamtheit, das Ganze, wirkliche
Sorge im Herzen tragen und durch Tat bewähren.
Die Bestimmtheit des Familienkreises und Bedürf-
nisses machte die Sache einfacher und leichter; das All-
gemeine ist zu anbestimmt; das entschuldigt jetzt noch
die Lässigen und erschwert tatsächlich die wahre sozial'
PHicht.
\1rt Organisation! Auch wer geringes Überschuß an
Kraft oder Vermögen oder Einkommen hat. kann dienen-
des Glied mit kleinen Mitteln und in freien Stunden
sein.
Der Begriff der Familie war nur eine Stufe.
Zunächst jeder in -einem Kreise; der Herr für Diener,
der Arbeitgeber für Arbeiter usw.
Besonders gilt es, die Jugend der Reichen für
die- - rge erziehen, daß sie nicht Schmarotzerpflanzen
[en, nur Genuß und Sport suchen, sondern ihr
sorgenloses Dasein mit höherer, weiterer, edlerer Sorge
erfüllen.
Je mehr Vereinigungen derselbe Mensch angehört,
mehr ha1 er Antrieb zur Sittlichkeit, besonder-
Zügel gegen Dnsittlichkeit,
hi jeder Gemeinschaft liegt ein ethisch wirksames
Dient; wissen des Einzelnen isi • it/t dadurch.
daß es Teil ein» ewissens ist; und je inniger
;ehörigkeit, desto tärker die Wirkung.
Viele sittliche Vorzüge der .luden kommen nur auf
Aufgabe der Erzeugung des Gesamtcharakters. 263
diese Zusammengehörigkeit, vieles war nur DBM blb^n,
gehörte dazu, TODS zu bleiben usw. l
Die psychologisch naturalistische Erklärung steht auch
weit im Felde.
Der ethische Gesichtspunkt muß überall leiten. Das
ist keine Wahl, sondern innere Notwendigkeit. Gegen-
über dem Kollektivismus die Selbstverantwortung;
gegenüber dem Individualismus die Pflicht der Gesamt-
entwicklung und Gesamterziehung. Das Sittengesetz als
eins für die Gesamtheit.
§ 446. Aufgabe der Erzeugung eines Gesamt-
charakters.
Xicht der Individualismus, nicht der Kollektivismus in
ihrer Einseitigkeit und im Gegensatz zu einander ent-
halten die volle Wahrheit. Die Ethik weist ihnen Gren-
zen an. Einer tiefer dringenden Erkenntnis bleibt es
vorbehalten, beide miteinander zu vereinigen und eine
höhere Weltanschauung zu begründen.
In einem Bilde wenigstens können wir heute schon
den Vorausblick gewinnen, wie sich beide miteinander
vereinigen können. Zwei Bewegungen können in ihrer
Richtung und Bedeutung verschieden sein und doch zu-
gleich von demselben Wesen vollzogen werden; um ihre
eigene Axe dreht sich die Erde, zugleich bewegt sie sich
1 Nur gehört dazu, daß ein Bewußtsein von der mannigfaltigen
Zugehörigkeit stattfinde; von bloßen Vereinen bis Stadt, Provinz,
Staat und Religion — welch ein Abstand!
[V. Die G
am inne, und vielleicht auoh noch mit dem Sonnen-
ti in um eine Zentralsonne. So bewegt sich di r Mi nach
um Bein eigenes Ecb, zugleich um die Sonne der [dee in
Gemeinschaft mit allen übrigen Wesen, und die I
Guten und Allgütigen ist die Zentral onne, um
welche alles Gewordene sich bewegt, um den Abglanz
desselben und die Lebenskraft von demselben zu emp-
fangen.
Einzelne und Gesamtheit.
17. Handlung und Gesinnung. Die Gesamtheit
braucht Handlung, du- Einzeln»' d'' nnung.
Des Einzelnen Gesinnung kann ihn auf das II
auf rein Th< retisches, auf Verzicht, auf my tisch« Ver-
tiefung allein führen; dagegen dii G< amtheit braucht
den Aufbau dee Gi amtl in Kultur and Sitte. I
pM fTl DJ) min.«
Aber die Gesamtheit ist auch ein Sj tem von G
sinnung Charaktere zur Einheit verbunden Die
gi I Fnterordnung und E in dii I ! imtheil
dem Gesichtspunkt, d • sich nichl bloß um
meinschaftliche Sittlichkeit, sondern vor allem um sitt-
licl Q meinschaft bandelt Durch diese wird all»'
hing, auch aller p Dienst des Ein ■■ Inen
■••II.
1 • Lfa lil. 21.
Ehe. 265
Ehe.
§ 448. Auch innerhalb des ganz und gar nur ethischen
Gedankenkreises wird der Begriff der Ehe und ihres
Zweckes als Vermehrung des göttlichen Ebenbildes in der
Natur aufgefaßt.
In vorderster Eeihe steht der rabbinischen Anschau-
ung von der Ehe die Erhaltung der Gattung; aber eben
im Verein mit der sittlichen Lebensordnung soll sie ge-
schehen: Kann p lim« n^SS. Sodann soll sie die Kinder
— Natur gäbe zur Kultur führen, die Kinder er-
ziehen: W33 r6"ttö. Überall also ist die Ehe zur Be-
gattung, sittliche Kultur zur Natur fügen. S. Pesachim
113 b: Sieben sind vom Himmel (von Gott) verbannt, nämlich:
ein Jude, der kein Weib hat; wer ein Weib und keine
Kinder hat; wer Kinder hat und sie nicht zum Studium
der Thora erzieht; wer nicht Thephillin an seinem Kopfe
und an seinem Arme hat; wer nicht Zizith an seinem
Kleide hat; wer nicht eine Mezuza an seiner Tür hat;
wer seinen Füßen die Schuhe versagt. Manche fügen
noch den hinzu, der sich nicht einer Gesellschaft an-
schließt, die sich zur Ausübung eines Pflichtgebotes ge-
bildet hat. — Selbst von einem Weibe, das nicht immer
nach dem Herzen des Mannes ist, soll sich der Mann
nicht trennen. Diese Ansicht spricht R. Chija Jebam. 63a
aus, der ein Weib hatte, die ihn peinigte, der er aber,
wenn er Schönes fand, es selbst heimbrachte; und dies
iv Die Gestaltung der Ettttlichkeit
war die Autwort an Etab, der ihn eben befragte, weshalb
er sein böses Weib ^o verziehe.
I >ie rechte Ehe.
§ 449. AVer sein Weib liebt wie sich selbst, sie mehr
ehrt als >ieh Belbst und seine Kinder auf den rechten Weg
leitet, von dem heißt es: „Du wirst erfahren njnv, daß
Frieden in deinem Zelte". Jebam. 62 h.
Aufgabe und Leistung des Weibes.
8 450. Der Prophet Elia selbst soll es dem B. Jose auf
ae Präge, worin denn das Weib „die Gehilfin" sein solle,
gesagt haben: ,.sie erleuchtet seine Au-.n und stellt ihn
auf Beine Füße." Als" beides, was dem Mann von Na-
tur zusteht: Einsicht und Energie, soll Bie fordern. Auch
Ertrag der Natur wandelt in Kulturform.
Der Mann bringl den Weizen, und sie macht das Brot
c bringt den Flachs, und sie macht das ECleid.
I uiilie.
;")1. De] Werl des Daseins und Beine Würde be-
ruht darauf, dal M ben ihr Leben nichl isoliert,
gl fahren. Die Familie bildet die natür-
liche Grandlage für diese Vereinigung. Die Mitglieder
d gi trennt Leben, nach Raum und Z
b den Zielen, welche sie ro erreichen treben, und
nach dem ksal, das jedem beschieden ist: weil aber
Die Familie als Ganze?. 267
Freud und Leid eines jeden alle trifft, die Ehre des
einen die Ehre aller ist, bilden sie — nah oder fern —
eine Einheit des Gemüts, eine Seelengemeinschaft, welche
beglückt, erhebt und tröstet.
Die Familie ist das Urbild der Kontinuität. Es gilt, die
Gegenwart mit der Vergangenheit und Zukunft verbinden!
Sorge für die Alten, die nicht mehr, und für die
Jungen, die noch nicht arbeiten; Pietät gegen die, die
gestorben sind, und Vorsorge für die, welche erst werden
geboren werden.
§452. Die Familie als Ganzes. DerVat er ist Ober-
haupt. Mit der sinnigen Ausdeutung der Abwechslung in
der Vorschrift der Elternliebe in der Thora, daß es das
einemal heißt "pK 1T81 f 2K AK *T2D *, das anderemal 10« BW
tttTfl I^KI», wird auf die natürliche Zärtlichkeit gegen die
Mutter und die Ehrfurcht gegen den Vater hingewiesen,
aber bei beiden soll beides befolgt werden. Anderer-
seits wird vom Vater Strenge, von der Mutter sanfte
Führung gefordert.
Wenn auch die Schließung der Ehen wesentlich Sache
der Eltern war (ist doch der Vater verpflichtet, den
Sohn zu verheiraten, geschweige die Tochter, um die
Sittenreinheit zu wahren), so wird doch ausdrücklich ge-
lehrt, daß die Zustimmung der Tochter: den will ich
zum Manne, notwendig ist. Auf die Frage an Rebekka
1 Exod. 20, 12. 2 Lcviticus 19, 3.
[V. Die Gestaltu
!>• i dei Werbung Eliezers um Rebekka für Esaak Inzucht
als alte Sitte kaum hingewiesen zu werden.
Frauen und ihre Behandlung. Wenn von der
der Fraui a bi i einem Volke oder in einem
Zeitalter di< Rede i>t. muß man immer genau zwischen
der rechtlichen und moralischen Stellung nni recheiden,
also zwischen den Rech tsgrundsätzen, Dach denen Rechte
und Pflichten der Frauen bestimmt Bind, und dm mora-
lischen Vorschriften, welche die Männer den Frauen auf-
erlegen und nach denen die Frau behandelt werden soll.
Bei den modernen Völkern gehen die moralischen Vor-
schriften und Schätzungen unbedingt immer viel weiter
zugunsten der Frauen, stellen sie höher als die recht-
lichen Bestimmungen.
Dies war, wie ich glaube, bei den Juden auch immer
und besonders in d< d talmudischen d. h. also in denjenig« d
•'ii der Fall, in denen die jüdisch-ethischen Anschau-
ung« i der Familie sieb kristallisierten. Allerdings
tuch rechtlich itehen de Frauen bei den Juden günstiger
als bei den meisten alten Völkern. Noch größer war
der Unterschied in morali eher Beziehung. Ohne roman-
d Frauenkultu i, d( r B( ine hö« I b< l< i klichen
hat, wird den Frauen von jeher eine Wurde
b n und eine sittliche Verantwortung von ihnen und
efordert, welche von den modernen Völkern
nicht Qbertroffen wird.
Dieser I ued von Recht und Moral bilft auch
Stellung der Frau in der Familie. 269
vielleicht den Widerspruch lösen zwischen derjenigen
Schilderung, welche Tacitus von den alten Germanen
hinterlassen, und den wirklichen Tatsachen und Bestim-
mungen, welche neuerdings durch Weinhold so evident
nachgewiesen sind.
Die Bekenner des Judentums folgen in allen Kultur-
ländern den Anschauungen, welche sich im öffentlichen
Geiste derselben zur Geltung gebracht haben. Im ethi-
schen Schriftentum der Juden aber, besonders im Tal-
mud, sind Grundsätze aufgestellt, die nie veralten, weil sie
auch beim Wandel der Zeiten, im Wechsel der Lebens-
bedingungen und der gesellschaftlichen Forderungen, auch
gegenüber modernen Bestrebungen als leitende Prinzipien
sich bewähren. Auch gegenüber den reinen und feinen
Formen des Verkehrs mit dem weiblichen Geschlecht, zu
denen die besten Kreise der modernen Gesellschaft sich be-
kennen, erweisen sich die talmudischen Lehren als sittliche
Ideale, deren Verwirklichung alle Segnungen des Lebens,
sein Glück, seine Höhe und seine Würde sicherstellen.
Allerdings wird im Talmud von den Frauen fast nur
als Gattin und Mutter geredet . . .
In bezug auf die Ehefrau, ihre Beschäftigung — nach
Maßgabe der speziellen Stellung gibt es zahlreiche Aus-
sprüche; ebensolche aber auch gegen Müßiggang, Schmuck
und Putz der Frauen. Nicht Konnivenz — sondern
echt rabbinische, d. h. echt ethische Auffassung der
natürlichen Neigungen und Lebensverhältnisse! — nicht
87 IV. D Ict Sittlichkeit.
phantastische, romantische Formen schmachtenden Fraucn-
dienstcs Bind hier «las Ideal; aber die Frau soll das
gewinnende, erheiternde, beglückende Wesen Bein und
bleiben. Manche Stellen zeigen, daß die Fran die Keusch-
heit dc> Mannes bewirken soll! Die Frau ist bei den
Rabbinen Beraterin, Erzieherin, Teilnehmerin am höch-
sten Berufe des Mannes, am Thoralernen. Siehe die
Fran Akibas in Kethnb. 62bu. 63*.1
1 Die Stelle lautet: R. Akil>a war der Hiri des Kalha Sabua.
Als dessen Tochter sali, daß jener fromm und vorzüglich begabt
war, sprach sie zu ihm: Würdest <lu, wenn ich mich dir angelobte,
ins Lehrhaus gehen? I'.r Bprach zu ihr: Ja. Sie gelobte sich ihm
heimlich an und schickte ihn fort. Ihr Vater hörte es, jagte sie
aus dem Hause und tat ein Gelübde, daß er ihr von seinem Be-
sitztum nie einen Genuß zukommen lassen wolle. Jener aber ging
fori und weilte zwölf Jahre im Lchrhause. Als er zurückkam,
kamen xwOlflausend Junger mit ihm. I'a hörte er, wie ein Gl
zu ihr (seiner Angelobten) saute Wie lange wirst du dich noch
als Witwe eines Lebenden fuhren! und sie ihm erwi.erle Wenn
er mir folgte, bliebe er noch weitere zwölf Jahre. .Nun Bagle er
Mit ihrem Willen lue ich es. und ging wieder 1. >rt und blieb
••re zwölf Jahre im Lehrhause Ms er dann zurückkam, kamen
vierundzwanzigtausond Junger mit ihm. Seine Frau h<">rte es und
. ihm ei sprach einp böse Nachbarin zu ihr Wohin
willst denn du? Sie erwiderte (Proverb 12, 10) „Der Gerechte
inni sich ei Seele seines Tieres." Als sie zu ihm
le, sieh sul ihr Angesicht niederwarf und seine Knie küßte,
•ließen •• Junger) sie (ort Bi aber hört« es und sprach
tu ihnen Das Meine und das iure ist das Ihre (unser Wissen
ist ihr Verdienst), ihr Vater aber horte, daß ein großei Mann in
die Stad| gekommen war ha sprach er Ich will zu ihm hin-
ten; vielleicht ist i ich, daß er mir mein Gelübde löst.
Stellung der Frau in der Familie. 271
Nach Pirke de R. Eliezer Kap. 41 hat Gott Mose ge-
heißen, erst einmal auszuforschen, ob denn die Frauen
(die Thora) das Gesetz annehmen wollen; denn die
Männer pflegen den Frauen zu folgen. Denn was nützt
es, wenn die Männer das Gesetz annehmen, wenn die
Frauen sich sperren und nicht teil nehmen wollen. An
aller Kulturtätigkeit müssen die Frauen auf ihre Art
mitwirken!
Bei der Besprechung der Stellung der Frauen muß
man immer die Familie als Ganzes im Auge be-
halten. —
Wichtig ist die Möglichkeit, daß eine Frau hervor-
ragende Stellung gewinnt (Prophetie usw.), wenn dies auch
nicht die Regel ist. In Griechenland war dies nicht
möglich.1
So kam er zu ihm. Dieser sprach: Hast du dein Gelübde auch
in dem Gedanken getan, daß er (der Angelobte der Tochter) ein
großer Mann wäre? Kalba Sabua erwiderte: Selbst wenn er auch
nur einen Abschnitt, ja auch nur eine Halacha (wüßte, gälte ihm
mein Gelübde nicht). Darauf R. Akiba; Ich bin es, Da warf er
sich auf sein Angesicht und küßte ihm die Kniee und gab ihm
rlie Hälfte seines Vermögens. — Die Tochter des R. Akiba machte
es ebenso mit Ben Azai. Das ists, was die Leute sagen: Das
Multerschäfchen folgt dem IVIullerschäfchen; wie die Talen der
Mutter, so die Taten der Tochlcr. Vergl. Nedarim 50 a. D. H.
1 Frage an die Eherechtsgelehrlen! Es scheint, daß in der ganzen
Scheidungslehre (der "itJjn'pN nachzulesen!) von einem Antrag oder
Recht der Frau auf Scheidung nicht die Rede ist. Sonst wäre
auch ein solcher Grund für das Scheidungsrecht des Mannes wie
■prn 579 angibt,, unmöglich: ltewa xbx n«"i23 üb «M». Es spiegelt
272 IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit.
Kinder.
ß 453. Die Unschuld in den Kindern als welt-
erhaltendes Element Die Unschuld wird immer
wieder geboren und sichert dadurch den ethischen
Bestand und die Möglichkeil des sittlichen Portschritts.
s. Schabb. 1191 : Etesch Lakisch hat im Nami d d( II. Je-
huda •: Die Welt ha1 nur Bestand wegen des
Hauches der Schulkinder; denn es gleicht nicht der
Hauch desjenigen, in welchem Sünde ist, dem Hauche
rjenigen, in welchem keine Sünde ist.
Enterbung der Kinder zugunsten dritter ist juridisch
■ stattet, wird aber moralisch getadelt Nur wenn die
Kinder entartet sind, wird es von R. Simeon ben Gamliel
B iba batra 133 (Mi chna VIII, 6). Also ideal-
ethische und nicht bloß utilistische Auffassung des l'a
milienwi bi ds.
464 Lieb ' n Eltern und I rroßeltern —
nicht bloß absfc • wähl b ifl m< nschlich, nicht
den Tier« d anzutreffen.
talmudische Sprichwort tadelt die größere Liebe
lr,er die mittelalterliche n Anschauung« — Wir
halten uns verpflichtet, uil /■ Franke), Qrundlinteo des moaaic h-
lain d • i (Leipzig In Ki nmission i ei H. Hui
3 M.Vi M.VIII nicht w< eben
<* angeführt Bind, m denen der Frau das Recht ansteht, Schci-
Die Würde der Frau ist da vollkommen
i D II
Kinder. Erziehung. 273
der Eltern zu den Kindern als zu ihren Eltern. „Die
Liebe der Eltern wendet sich zu den Kindern, die der
Kinder wieder zu ihren Kindern." S. Sota 49 a.
Der Respekt vor den Eltern und seine pädagogischen
Folgen, die gegenseitige Behandlung der Gatten und
ihre pädagogische Folge im Respekt vor den Kindern.
Dies gehört zu den Dingen, von denen es keine Sta-
tistik gibt, sondern nur eine Durchschnittserfahrung; es
bedarf auch keiner Statistik; wenn man nie einen Trun-
kenen auf der Gasse oder gar in der Gosse findet, wenn
nie eine Anklage auf Ehrverletzung der Eltern usw. vor-
kommt
§ 455. Erziehung. Den Frauen vor allem wird der
Beruf und der Vorzug zugeschrieben ( — in idealistischer
Einfachheit : weil sie daheim in der Familie bleiben, während
die Männer draußen ihrem Gewerbe, ihren Studien usw.
nachgehen — ) die Kinder zum Studium und zur Sitte
zu leiten. S. Schemoth r. Par. 28, 2.1
1 Die Stelle laulel: Exod. 19, 3: „So sollst du sprechen zum
Hause Jakob und verkünden den Kindern Israel." „Das Haus
Jakob", das sind die Frauen. Er (Gott) sprach zu ihm (Mose):
Sage ihnen nur das Allgemeine. Das verstehen sie. „Den Kin-
dern Israel", das sind die Männer. Er sprach zu ihm: Sage ihnen
das Einzelne. Sie verstehen es. Eine andere Erklärung: Warum
die Frauen zuerst? Weil sie eifrig in der Übung der Gebote
sind. Oder damit sie ihre Kinder zur Thora führen. R. Tachlifa
aus Caesarea sagte: Der Heilige, gebenedeiet sei er! sprach: Als
ich die Welt erschuf, gab ich nur dem Adam das Gebot. Erst
später erhielt auch Eva das Gebot. Sie übertrat es und brachte
Lazarus, Ethik des Judentums II. *°
>274 iv D kltung der Sitth
Bemerkenswert ist, daß im goldenen ABO '1er Frauen.
im Spruchbuche Kap. 31 und auch sonst von den Frauen
als Muster vollkommener Erzogenheit oder als Brziehun
Lehrerin (die Mutter Lemuels*, auch allgemein CK nnp')7.
drum auch von argen Weibern, die zu meiden Bind, be-
Bonders in der Zeit der männlichen Erziehung, die Rede
ist; aber von dem Weibe als Zögling ist nie die Bede,
immer nur heißt es p 3. Ob di«-«-r so viel wie Kind,
als solcher Singular von D^a, Kinder. Überhaupt sein
kann? An einzelnen Stellen vielleicht, im allgemeinen
iß nicht.
Vermutlich herrschte die Ansicht: Die Erziehung des
Weibes ist eine rein praktische, auch in idealen
hingen nicht theoretisierend, sondern allein durch das
1 und Anleitung von Mutter zur Tochter gehend.
Pflicht, nicht bloß die blinder, Bondern auoh
E ;. el i erziehen, S. Sota 19. Bab A.cha bar Jakob
bei b mit der Erziehung des Etab Jakob, des Sohnes
! ichter. AN derselbe groß war, sprach er zu
ihm: Gib mir etwas Wi ' worauf jener ihm antwortete:
Bin ich denn «hin Sohn? Das ist es, was die Leute
i erziehe, aber ich bin doch nur der Sohn
dein« t TocmV r.
Well Wenn ich jetil nicht dii Frauen zuerst
rufe, werden m die Thorn Bunichle machen. Deshalb b<
-i u sprechen tum Haute Jakob" und dann erst: „und ver-
iw :•■. I». II. ' Proverb. 31, l.
ID ■ 17. • p wechselt mil "»)», aber nie na oder irqp. D.H.
Aufgabe der Mutter iu der Familie. 275
An die Mütter.
§ 456. Bewahret die Kinder früh vor allzugroßeni Genuß
und Reiz des Essens und Trinkens, denn dieser gemeinste
Egoismus des Magens wird zur Schlange, die sich immer
weiter ausdehnt und ihren Geifer weithin gegen jeden
genialischen und moralischen Keim tötend aushaucht.
Gewöhnt sie deshalb an geistigen Genuß durch Spiel,
Liebhaberei, oder irgendein Steckenpferd; Schmetter-
lingsammeln, Botanisieren, Zeichnen usw. Bei einem
Kunstgenie wird dieses freilich von selbst hervortauchen
und alles andere verdrängen. Nur hüte man sich, dieses
und noch vielmehr jenes allzugroßes Übergewicht erlangen
zu lassen, weil dies der Grund zur Einseitigkeit wird.
Die allerschlimmste Gefahr ist, wie gesagt, die des Magen-
und Gaumenübergewichts. Sprechet nie vor Kindern über
Küchenangelegenheiten, am allerwenigsten über die
Schwierigkeit und Wichtigkeit der Kochkunst; die werden
sie ohnehin früh und hoch genug schätzen, und werden sie
es nicht, ist's um so besser.
Unterrichtet Kinder nie in einer Kunst, wofür sie
keine Neigung oder Talent haben, — wie etwa Musik,
wenn es ihnen an Trieb oder gar musikalischem Ohr
fehlt — denn sie haben ohnehin nur eine gewisse Quantität
von Bildungstrieb, dessen Intensität im umgekehrten Ver-
hältnisse zur Extensität steht. Schlimm genug, daß sie
schon für manches Notwendige keinen Trieb haben
18*
876 iv. Die Gestaltung der Bittliohkeit.
und künstliche Mittel angewandt werden müssen. Künste
sind ja nicht um entbehrlich, sondern ohne Talent un-
erlernbar, bis auf eine gewisse Stümperei, die den Nach-
teil hat, daß sie erstens den Gesehmark und Genuli dieser
Kunst im Kinde untergräbt, so daß es mehr verliert als
rinnt, zweitens werden Bie zu Behr an Halbheit und
unvollkommenen Dilettantismus- ge- und verwöhnt und
Bind dann auch für alles andere untüchtig.
Befehlet einem Kinde alles, was es zu tun hat, so
kurz als möglich vor der Ausübung, sonst wird es daran
vergessen, und ihr seid in dem peinlichen Falle: entweder
für ein — unschuldig — Vergessen zu -trafen, oder eine
Nach! t hingehe und einwurzeln zu las>rn. Be-
fehlet überhaupt immer mir das Leichtmögliche, und wenn
noch Zeit zur Ausführung ist. verhütet überhaupt, daß
eure Aufträge aus ir( Lehen Gründen unausgeführt
'neu. Soll i Handlung des Kindes öfter
lerkehren und wurde einmal versäumt, bo wartet mit
der Etüge bis zur i ten Ausführung, dann wird euer
Zorn übel- die \(.; angene Versäumnis durch die
ade der jetzigen Erfüllung ebensowie der Schmi rz
des Kindes dadurch gemildert, Zeiget ihm Freude über
Pflichterfüllui lann wird die \ ang sicherer
verhütet als durch alle Elügen and Strafen.
Ordr ''•ird nur durch ' hnheif erlernt, denn
lie Bequemlichkeit, welche doch der höchste
ilien ist, n 17t zun.. irdnung, weil
Gastfreundschaft. 277
sie für den Augenblick das bequemste ist, und Kinder
leben nur in der Gegenwart, weshalb alles Anpreisen
der Ordnung ihnen wie Narrheit erscheinen muLi. Was
kann bequemer und förderlicher sein, als — so denkt sich
ein Junge — das Buch aufgeklappt auf dem Tische liegen
zu lassen?
Nachbarn. Gäste. Diener.
§457. Gastfreundschaft. In neueren Zeiten und be-
sonders in den mit Gasthöfen gesegneten Städten ist die
alte, eigentliche Gastfreundschaft obsolet geworden. Aus
dem nahrhaften Brot einei wirklichen Pflege und Herberge
des Fremden hat sich die Gastfreundschaft unserer Tage
zu einer bloßen feinen Würze der Geselligkeit gestaltet.
Auch so noch kann sie dem idealen Zuge der Herzens-
gemeinschaft unter den Menschen vorzügliche Dienste
leisten, wenn sie, echt und innig, über die Alltäglichkeit
des geschäftlichen Verkehrs emporhebt und erfreuliche
Stunden zu weihevollen macht.
Gastfreundschaft ist die älteste Form der Kultur-
gründung und der ethischen Erhebung, nämlich Durch-
brechung auch des in Familie und Miteinwohner gegebenen
erweiterten Egoismus; hier aber der Fremde, Un-
bekannte.
Die natürliche Abneigung bis zur Feindschaft gegen
alles Fremde, Unbekannte, vom Heimischen und Ge-
wohnten Abweichende.
iv Die Gestaltung der Sittlichkeit.
t Gastfreundschaft ist der erste Anschluß an einen Fremden;
sie ist die Erweiterung der Persönlichkeit im eigenen
Heini. I-t der andere eingetreten, soll er mil Liebe
und Fürsorge angei -en werden, 722 1K3 p ^V *0
Die Weihe den II ei m 8.
§ 458. Die den Menschen heimbegleitenden Engel aus
dem (lotteshause ins eigene Baus.3 Dort der Gedanke,
hier die Tat; dort die Lehre, liier die Enerj-'i.'.
Wäre ein Midrasch erlaubt, so würde ich sagen: Jes.
33, 7: 131 lpys thlWH jn, „wenn die Gotteslöwen — ideale
walten draußen Bchreien, dann weinen die Krie-
. bitter." Vergl. Schabb. 126 Mischnaund das.
s. 127 I.'. Jochanan hat gesagt: Aufnahme von Gästen
., wie der Besuch des Lehrhauses. DieVer-
chungdesjn - Hauses mit pip und mit «npDnJTa.«
i Gen« sis 1 9, S.
- - babbalh 119 R.Jose bar Jehuda sa I Zwei Dienstengel
geleilen «Ion Menschen am Vorabend des Sabbat aus dem Gottes-
baot in lein Haus, ein gutei Engel und ein liüsei Kngel. Kommt
,-r m s. :n II ins un ■ Qndet das Licht angezündet unil den Tisch
I and d i L ger hing* m let, so spricht der «--ui.- Engel:
der Wille (Gottes), da et I n Sabbat sei,
m n Willen Amen; wenn
r nicht, sn spi böte Enge • der Wille (Gott«
Q es nm folgenden Sabbat i i und «ler gute Engel spricht
gegen Seinen Willen Amen. I» II.
i ii gtum stand, sülmte der
.r; jrtzt nt der Tis. I, :,- Menschen sein Allai Menaehoth 97".
Gäste. Freunde. Dienende. 279
Pflichten der Gastfreundschaft werden höher ge-
stellt, als natürliche Blutsverwandtschaft. Wer dir
seine Tür geöffnet, dem bist du verehrungsvolle Behand-
lung schuldig. S. Schem. r. Par. 41
Teilnahme, Graste und Freunde.
§ 459. Eine alte Sitte. Wenn ein Besuch — ein Kind
des Hauses oder ein Fremder — in einer Familie eintraf,
dann haben Nachbarn und Befreundete den Wirten ihre
Teilnahme ausgedrückt und Gruß und Gregengruß wurde
gewechselt; „Mit Lieb sei dir dein Gast" — sagten die
Einen; „mit Lieb sollst du leben!" wurde geantwortet.
Es mag da viel Neugierde und Indiskretion untergelaufen
sein; an sich war die Sitte doch ein treffender Ausdruck
für das Gefühl der Gemeinschaft in Freud und Leid.
Ob der Brauch spezifisch oder ursprünglich jüdisch
ist, weiß ich nicht; ich habe ihn aber sonst nicht angetroffen.
Ein p. An Festtagen wird das sonst tägliche Buß-
gebet — pnn — nicht verrichtet. Ist nun eine Hoch-
zeit in der Gemeinde, so soll das Bußgebet ebenfalls
nicht rezitiert werden (nach Maharil). Jean Paul sagt
einmal: „Zum Mitleid gehört nur ein Mensch, zur Mit-
freude ein Engel." Nun, sie waren nicht alle Engel,
unsere Altvordern, aber sie wollten doch ihre Mitfreude
1 Mose will, von Golt entboten, nicht zu Pharao gehen, bevor
er es Jilhro gemeldet hat, weil dieser ihn gastlieh aufgenommen
halte.
280 IV. Die üesttilfung der Sittlichkeit.
wenigstens symbolisch, d. h. Liturgisch zu erkennen geben,
und das war ihnen so süß, als wenn sie vum Hochzeits-
kuchen gegessen hätten.
Diener Bchaft.
§ 460. Niedere Arbeit darf man dem Sklaven nicht
auferlegen, während man Nie dem eigenen Sohn und dein
Schüler zumuten darf. Mechiltha, Mischpatim Par. ül
und daselbsl Par. 22 wird gelehrt: Sein Wohl soll dir
(dem deinigen) gleich sein; er soll in Essen und Trinken
und Lager, also jeder Leibespfiege. am Deinigen Teil
nehmen.
Behandlung der Dienenden.
EL Jochanan gibt seinen Dienern die gleichen Speisen
uni Getränke, die er selbst genießt, wegen der Gleich-
heit der Menschen als Gottesgeschöpfe von gleich-
artiger Bildung ;c::; er zitiert: ,.der im Mutterleibs
mich und auch ihn geschaffen". S. j. Baba kamma IX
Di< Rücksichten auf den Appetit des Dieners und die
Gefahr, ihn nicht zu stillen, gehen sehr weit. S. Kethub.
61* . Der Prophet Elia unterhält sich mit dem, welcher
bei der Mahlzeit Beinen Teil früher gab all
Da D Arbeits-. LeistungsTerhaltnia soll mit Er-
haltung der Menschenwürde ausgeführt werden;
:- HVl rmaj6, keinerlei Schmach oder Schande soll
mit dem Dienst verbunden sein. Nidd. 47.
Y
Behandlung der Dienerschaft. 281
Der Diener aber soll seinen Herrn ehren. Schön wird
als Gleichung für den Vater und Herrn Maleachi 6 zitiert:
„Der Sojin ehrt seinen Vater und der Diener seinen
Herrn."
Herrschaft und Dienerschaft, beiderseitige
Pflichten. Die Herrschaft soll den Diener betrachten
om Standpunkt der ilttllt, Brüderlichkeit, der Diener
sich vom Standpunkte des nnay, Untertänigkeit. S. Sifra
Behar zu Leviticus 25, 39.
„AVer sich einen Sklaven kauft, kauft sich einen Herrn,"
— wegen der strengen Pflicht, die der Herr gegen den
Diener übernimmt, S. Kiddusch. 20 a.
Auch vor Versuchung muß man Kinder und Diener-
schaft bewahren.
Sich in die Seele versetzen, ist die Forderung, die
immer in neuen Bezeichnungen wiederkehrt. Auch kon-
krete Einwirkung der andern durch den Verband (der
Familie) gut zu machen wird gefordert.
§461. Behandlung des Fremden, des durch-
reisenden Wanderers. Siehe das Gesetz über nbty
nsny Deut. 21. Dazu der Talmud.
Ein Beispiel von der Fortbildung der Ethik durch den
Talmud und wie wir diese wiederum fortzusetzen haben.
(Vgl. die Anm. Bd. I hinter dem 6. Kap. S. 289ff.) Das
alte Gesetz von der gefundenen Leiche war schon zu den
Zeiten des Talmuds obsolet geworden, mit dem Aufhören
des Tempel- und Priesterdienstes war es geschwunden.
B2 iv. Die Gestaltung der Sittliohkeit,
Abei in das durch die historischen Verhältnisse völlig
veraltete Gesetz hat der rabbinische Geist Bioh dennoch
vertieft; von der naheliegenden Frage ausgehend Mp/D ^31
■jnjn wird gezeigt, daß als ein Vergießen an chuldigen
Blutes Bchon betrachtet wird, wenn man es an dm
Liebespflichten gegen den Wanderer fehlen Läßt; und
nun wird gelehrt, welche solcher Pflichten zu üben sind.
Diese bestimmten Vorschriften des Talmuds können
wir heute ebensowenig erfüllen, wie man in talmudischen
Zeiten das alte Gesetz erfüllen konnte. Jene Vorschriften
konnten für eine Stadt odt r ein Dorf gelten, durch weicht -
aller vier oder acht Wochen i inma] ein armer Wanderer des
Weges kam. Aber den ethischen Gehalt, den sie an den
alt« ».setz entwickelt, aus ihm geschöpft haben, und
r in ihren Vorschriften zur Erscheinung kommt, mQ
wir wiederum festhalten; die Gesinnung, welche man d
fremden notleidenden Menschen gegenüber hegen Bolle,
in Erkenntnis und durch Gesetze oder Vor-
iftei . welche Bich auf die heutigen Verhältnisse be-
ehen, zum Ausdruck und zur Anwendung bringen.
r Art des Verhaltens lebt jede ethische [dee
. .-in v bit'Oi b wandelnde-, aber kontinu-
. • ein m Grundgehalt Bich gleichbleiben
und allezeit gleichwertiges laben, das aber fori and fort
bereichert, erhöht und veredelt wird. Die rem symbo-
3ühne der Vorzeit, welche offenbar bei jedem
lenen Fall einer vermutlich verübten Schuld die
Behandlung des Fremden. 283
Notwendigkeit der eigenen Unschuld wieder einschärfen
sollte, war den Rabbinen zur positiven Lehre von der
Behandlung des Fremden, welche jeder Schuld wehren
soll, geworden. Diese positive Lehre aber bewegte sich
um primitive Verkehrsverhältnisse, denen die Vorschriften
angepaßt sind. Wir nun haben die noch weitere und
noch feinere, allgemein positive Lehre daraus zu ziehen,
deren Befolgung unseren Verhältnissen entsprechend sehr
mannigfaltige Vorkehrungen zum Schutze des Fremden
erheischen und tatsächlich in allerlei Vereinstätigkeit sich
vollziehen. Arbeitsnachweis usw.
Fremdenbehandlung bei „Gästen" oder „Wohl-
tätigkeit".
§ 462. Das Passah ist sicherlich mehr als irgendein anderes
ein spezifisch nationales Fest, denn es beruht nicht nur
auf Geschichte überhaupt, sondern es feiert die Gründung
des Volkes und seine Berufung. Die Feier gilt von jeher
als die heiterste und feierlichste. Gleichwohl gehört es zu
den ersten Gebräuchen der Feier, daß nach der Einseg-
nung des Tages, DVn WTp, die Türen geöffnet und mit
dem Spruch der Gastfreundschaft begonnen wird: „Jeder
der hungrig ist, komme und esse mit". Und Jaabez be-
merkt ausdrücklich zu dem Worte: „Jeder Hungrige":
„Auch von den NichtJuden", nach dem bekannten allge-
meinen Gesetz: wenn Juden und NichtJuden in einer
IV. D Bitttiohkeit.
•dt beisammen wohnen usw. s. I. Teil, Anhang Nr. 37
3. 124 und Baba mez. 71*.
Dieser Brauch ist ein Lauter Protest gegen jeden ethischen
Partikularismus, dessen Bedeutung um bo glänzender her-
vorleuchtet, da die ehemalige religiöse Opferfeier des
Passah mit einem partikularistischen Gesetze verknüpf!
(8, Exodus 12,43), welches ebenso natürlich wie he-
rechtigt war. 8. Friedmann, Das Festbuch „Haggadah"
ä 79.
Behandlung und Fortbildung der Dienstleute.
§463. Anknüpfend an Joel 3, 1 2 als messianisch. „Und
es wir hellen nach diesen Dingen, da werde ich aus-
gießen meinen Geist über alles Fleisch- usw. Siehe die
etliche Allegorie, wie Gott künftig in Beioem Bmon JV3
^TWI sitzt, und vor ihm die obiy "p'Ts mit Frauen, Kin-
lern, aber aueb Knechten und Mägden Bitzen.
Gegen Sklaverei. (i r hatte Jeremias Beine
soziale Reform der Aufhebung der Sklaverei auf den
inneren Sinn schon des alten Gesetzes zurückgeführt, in-
dem er ins der Vorschrift, jeden erkauften Sklaven im
zu entl . Bchlofi, daß „Knechtschs
also nur ein Dienstverhältnis sein und kein Eigentumsrecht
an einem Ifenschen Bein Bolle (Jerem. 84 14). Das wahr-
haft Große in der Denk« und Redeweise des Jerem
r offenbart sich darin, d.iL er, all nun nach dem
FreiheitsbundesschluQ dennoch die Knechte und Mägde
Arbeitgeber und Arbeiter. 285
wieder ins Joch gezwängt wurden, diesen Rückfall auf eine
niedere Rechtsstufe als eine „Entweihung des göttlichen
Namens" geißelte (das. 16).
Und Jeremia führt diese Tatsache als den Grund
für den Zusammenbruch des Staates und der Gesell-
schaft an. (Das. ff.)
Arbeitgeber und Arbeiter. Lohn.
§ 464. Die Arbeiter soll man nicht vergewaltigen und
nicht ausbeuten. S. Deut. 24, 14. 15. Man soll sie nicht
warten lassen auf den Lohn. Zu beachten ist, daß bei
"V2{5> ausdrücklich "pjö IN hinzugefügt wird.
Jede Vergewaltigung und Bedrängnis des Arbeiters,
Kränkung und Kürzung seines Lohnes wird als ein sträf-
licher Eingriff in sein Leben angesehen. S. Sifre zu De-
bariin: YJ3tt> P3Dn bD& Tö^tt WBi n« KPtt KW V^KI
ws: na wsna «in i"?«d ninan vty ntyo va*. Es heißt:
„Für ihn (den Lohn) trägt er sein Leben hin". Das
lehrt: Wer den Lohn eines Löhners vorenthält, der trägt
ihm das Leben hinweg.
Jede Bedrückung des Arbeiters, jegliche Art von
Schmälerung und jede Verzögerung des Lohnes wird
mit hohem Eifer verpönt. S. Baba mez. 110b und 1 11 ab.
„Wer dem Arbeiter seinen Lohn verkürzt, der handelt
so, als ob er ihm das Leben nähme".
Strengste Redlichkeit in der übernommenen Dienst-
leistung wird geboten, auch Schonung der eigenen Kraft
286 IV. Di« Gestaltung >ler Sittiti
für die bedungene Dienstzeit (also nicht Nachtarbeit für
Bich und dann Taga für die Arbeitgeber!). S - tha
ha mez. Per 8.
Ringe, Bereinigung der Unternehmer (Arbeitgeber)
soll es geben, aber nicht gegen die Arbeiter. Bondern zu-
gunsten derselben Ringe gegen den Druck der Preise
durch die Konkurrenz, 1 nicht bloß für den Besitzer
sollen die Preise sich auf ihrer Höhe erhalten, sondern
damit dem Arbeiter ein menschenwürdiges Dasein
wahrt und erhalten bleib
Auch Bing« gegen den Streik der Arbeiter soll es
geben, aber nicht Ringe, um den Streik zu vermeiden,
sondern um die Ursachen de— eilten aus der Welt zu
schaffen.
Auch international müssen die Beratungen werden,
an denen Repräsentanten der Arbeiter Belbst unter um-
ständen Ted nehmen müssen; die Ethik i-t nicht bloß
suzi.il, sondern weiterhin l-t Bie menschheitli
Falsche und roreilige Bilder verwirren die Q-edanken.
Die Notwendigkeit des Kampfes ums Dasein von der
Natur auf die menschlicl ellschaft zu übertragen ist
eme täuschende. Nicht Kampf sondern Friede! nicht
sei. er Kampf Bondern friedlicher gedeihlicher
W t!
w. im die M hen redlich wollen, so gibt es keine
it. dafl cm Teil derselben ein elendes Da-
■ ;i führen muß. Vir darf die Sorge für die Gesamt-
Mitleid mit Tieren. 287
heit nicht bloß ein Almosen sein, welches man der Ge-
sellschaft darbringt, sondern diese Sorge muß den Kern-
punkt aller Sorge bilden. Humanität in dem Sinne, daß
jeder Mensch an der Arbeit der Gesamtheit aber auch
am Erfolg, am Lohn derselben wohlgemessenen Anteil
haben soll; diese Humanität ist nicht ein Ornament am
Bau der Gesellschaft, sondern den Grundplan derselben
soll sie gestalten.
Mitleid mit Tieren.
§ 465. Eine sehr charakteristische Legende in bezug auf
Rabbi lesen wir Baba mez. 84b und 85 \ Dieser vielseitig
und heilsam wirkende Mann soll viele Jahre leidend ge-
wesen sein, als Strafe — wie leicht hätte die Phantasie
ein Vergehen des zugleich sehr reichen Mannes gegen
einen Menschen finden können — nein! als Strafe dafür,
daß er einem Kalbe, das zum Schlachten geführt ward,
sein Mitleid verweigerte; dann aber wird er geheilt
wiederum als Lohn für das Mitleid, das er . nutzlosen
Tierchen (einem Wiesel) gewährte.
Im ethischen Ganzen hat auch das Naturgebilde
seine Stelle. Die Läuterung und Veredlung des sitt-
lichen Willens vollzieht sich auch im Verhalten gegen
die Tiere.
nmnn n« jtq fp^ *6n psi nwrw) mraen uro vb. Bere-
schit r. Par. 44 Nr. 1.
12. Capitel.
Die Schule als Mittelglied zwischen den Einzelnen
und der Gesellschaft.
Hier sind zu betrachten:
A. Der Lehrer als Stellvertreter des Vaters (der
Idee Gottes).
B. Der Schüler (sein Verhalten gegen den Lehrer und
deo von ihm dargebotenen Unterricht; Zucht).
1 '. Die Mitschüler (Kameradschaft, Wetteifer).
Erziehung. her Lehrer.
§ 166. „Ge '> n moralische Einseitigkeit kann nur Ethik
als Wissenschaft sicher bewahren", Bagl I trobisch. Nur dafi
nichl jedermann wissenschaftliche T&tigkeit üben, philo*
ihisches Nachdenken aufwenden kann: allein darauf
•i, dafi der Erfolg der wissenschaftlichen
Ethik iin Unterricht sich geltend macht. D.i- ethische
tem — im Gegensatz zu fluchtigen and abgerissenen
gendlehren — kann in jedem Katechismus zur Dar-
-t'llung gebrachl und sein innerer Zusammenhang deut-
lich hl und den Kindern ans Ben gelegt werden.
Verherrlichung der Schule und des Unterrichts. 289
Wenn nur der wahre Zusammenhang der ethischen Grund-
lehren, also die Ethik als Wissenschaft im Gemüte des
Lehrers lebendig geworden, dann strömt sie in jede
Stunde des Unterrichts über. Keiner, auch der Prediger
nicht, bedarf der wissenschaftlichen Ethik so sehr, wie
der Lehrer.
Weiter kann man es in der "Verherrlichung der Schule
und des Schulmeisters nicht treiben, als R. Acha in
seinem Gespräch mit R. Nachman b. Jizchak Aboda zar.
3 b. So ist es wohl halb Ernst, halb Scherz, halb schlichte
Legende, für die Ohren und Herzen des Volkes geeignet,
halb tiefsinnige Allegorie für theosophisch geartete
Geister, wenn es da bei dem naiven Bericht, wie der
liebe Herrgott seine Tageszeiten auf die verschiedenen
Verrichtungen einteilt, heißt: ein Viertel des Tages sitzt
Gott und unterrichtet die (vorzeitig gestorbenen) Schul-
kinder."1 — Wer nun einen solchen Ausspruch nur von
außen ansieht, der wird die Achsel zucken und vorüber-
gehen; wer aber dem Spruch und seinem Autor ins Herz
sieht, der wird sich der psychologischen Tatsache nicht
verschließen können, daß ein solcher Spruch nur aus einem
Geiste stammen kann, in welchem bewußt oder unbewußt
die Ansicht herrscht: Göttlicher Geist ist es, der in der
Schule auch der lebendigen Kinder waltet; göttliches
Wirken ist es, den Menschen aus den Banden der Natur-
wüchsigkeit zu erlösen, das Kind aus der Niederung
i Vergl. S. 298.
Lazarus. Ethik des Judentums II. 1"
290 IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit.
des bloßen Naturdaseins auf die Höhe fortschreitender
G-eistesentwicklung dadurch emporzuheben, dal) ihm die
Überlieferung der Jahrtausende in die Seele gelegt wird.
Blinder milde strafen!1 Geduld im Unterricht!3
Lernen und Lehren.
S 467. I. rnen ist Bchön, lehren ist noch schöner; lernen
ist gut, lehren ist noch besser; denn heim Lernen lernt man
allein, beim Lehren belehrt man Viele. Das aber ist
auch die Wonne des Alters und ein Ersatz für Beine
Gebrechen und Gebresten. Dum man lernt viel mehr,
und man lehrt viel be88( r. Man lernt mehr, weil man
mehr 1 I Irgane zum Aufnehmen gewinnt; jedes alte
Wissen ist ein Rahmen, um Neues hineinzufallen;
je mehr einer weiß, desto reicher und desto tiefer
dringend ist Bein Einzulernen; is1 doch alle gewonni
i Küb tagte tu El Samuel bar Schilalh: Wenn «In ein Kind
schlägst, bo schlage es mu mit der Schnur der Sandale. Liest
so liest es; liest es nicht, so bleibe es dem Mit -<h»'jior an(
ttsen l ; i 2 1 \
i R Akii .i hat tagt: Woher entnehme ich, «Jjü «'in Menscfa
verpflichte! ist, Beinern Schüler den Unterrichts ind tu wieder-
en, bis er ihn denselbi irthatl Weil es heißt (Deuter 81,1
: lehre es den Kindern Israel.44 Und woher, bis es in ihrem
Mun i ist? Weil es heißl (Dai b es in ihren
Mund." Und woher, daß er (der Lehrer) ihm (dem s^imier) cm
FreundÜ Qesichl (D'äD) seigen solll Weil es (Ezod. 21, I)
Dl „Dies siimi die Rechtsvorschriften, die <iu DH'iE1? vor bio
- ..st" Elrubin
Kinder milde bestrafen. Geduld im Unterricht. 291
Erkenntnis, Einsicht zugleich Vorbereitung, um neue zu
erwerben.
Man lehrt aber auch nicht bloß mehr, sondern besser;
denn man hat aus eigener Erfahrung das Bedürfnis des
Lernenden immer genauer erkennen gelernt. Auch eine
beglückende Wechselwirkung vollzieht sich im Innern
des Lehrers selbst, die zu einer Steigerung seines Wesens
führt. Laß man durch Lehren lernt, sagt das lateinische
Sprichwort: docendo discimus, und der Rabbi hat seine
Erfahrung ausgesprochen. Taanith 7a: E. Chanina hat
gesagt: Viel habe ich von meinen Lehrern gelernt, mehr
von meinen Genossen, und von meinen Schülern mehr
als von ihnen allen. Und mit Hilfe des Gelernten lehrt
man wiederum.
Aus "lö^l llM folgt auch das "D "Möb6; denn vom
Schüler und Jünger fordert man naturgemäß die Bewäh-
rung der empfangenen Lehre; muß man nicht auch die
dargebotenen bewähren? muß man nicht auch durch das
Beispiel diese Bewährung lehren?
Das Detail der rabbinischen Erziehungslehre und
Schuleinrichtung ist uns nur fragmentarisch bekannt und
hat auch nur historisches Interesse. Die Prinzipien aber
sind aus einzelnen Vorschriften deutlich zu erkennen und
mögen stellenweise deshalb unsere Bewunderung erregen,
weil sie in der modernen Pädagogik erst spät ihre An-
erkennung gefunden. So z. B. daß ein Lehrer in seiner
Klasse nur 25 Schüler haben soll; sind deren mehr, so
19*
IV. I1 Jittlichki
müsse ein zweite] Lehrer angestellt werden.1 Noch vor
nalter und stellenweise auf dem Lande
heute noch finden wir einklassige Schulen mit (30 bis 80
Kindern Belbst in dein volksschulberühmten Preußen.
Jede Stadt mußte eine Schule hüben.
J • Gramala liat sich ein Denkmal gesetzt b. Baba
batra 21 . K* ging in Palästina etwa wie in Deutsch-
land auch: erst hat man -- um tue \V haft dem
dl ihr privaten Tradition und Fortbildung zu ent-
tien — Universitäten. Hochschulen, und erst zuletzt
Volksschulen. Das hat Josua ben GS-amla getan.2
1 Vergl. ßaba batr;i 21*. H aba hat gesagt: Seit der Ver-
ordnung «ies Josua ben Gamla bringt man nicht ein Kind von einer
frieren Sladl; abei em Versammlungshaus
in e m Versammlungsbau Schule innerhalb derselben Sl
Wenn aber ein Strom trennt, bringt man sie nicht;
ist eine l r< tle Brücke vorban len, brii I man sie; ist mir ein
malet Balken vorhanden, bringt man sie nicht Fernei bat
gl: I>ic Zahl der Elementarschüler dar! fünfundzwanzig
ler bell aber fünfzig, so setzt man zwei Lehrer
ein. Sind es vierzig, so setzt man em Oberhaupt des Katheders
eine Art Aufseher, der mit den Schülern den Vortrag des
derholL 1» 11.
-' Der Bericht lauli N aen R ibs: Für-
ge zum Guten gedacht werden! Josua
N 'ine. Denn ■ i nicht i n, bo ■-■
die in Itrael in V gekommen. Früher nämlich
Wer einen N iUe, den lehrte der Valer l bore;
i V ii-T i, ille, det lernte nicht Thora. Auf wi
l - heißt i Deuter. II, 19)
Dmat !.--•:-, und ihr sollt sie lehren", d. h. DTM smo^l, ihr
Eabbinische Erzieliungslehre. 293
In neueren Zeiten überwiegt die Schule in dem Maße,
daß viele Eltern nur diese als das eigentliche Erziehungs-
mittel ansehen und anderseits die Schule (im Gegensatz
zu früheren bloßen Lern- oder Wissensschulen) danach
trachtet. Erziehungsschule zu sein.
Innerhalb des Judentums wurde schon in alter Zeit
großes Gewicht auf die Schule gelegt (einiges Historische
auch aus späterer Zeit s. bei Güdemann — ), um so mehr,
da hier auf den objektiven Inhalt, die Thora. als erziehende
Kraft gerechnet wurde. Die Schule war da vor allem
ethisch-religiöse Schule! Aber auch den Eltern, nament-
lich der Mutter wurde hervorragender Anteil an dem
Werke der Erziehung beigemessen. Sota 21 a: Die Frauen
empfangen Lohn dafür, daß sie ihre Kinder Thora und
Mischna lernen lassen und ihrer Männer harren, bis sie
aus dem Lehrhause kommen.
(Väter) sollt sie lehren. Dann ordnete man an, daß man Kinder-
lehrer in Jerusalem einsetze. Auf welche Schriftauslegung stützte
man sich? Es heißt (Jesaia 2, 3): „Denn von Zion wird die
Thora ausgehen." Aber auch dann noch: Wer einen Vater hatle,
den brachte dieser hinauf und ließ ihn lernen; wer keinen Vater
hatte, der ging nicht hinauf und lernte nicht. Da ordnete man an,
daß man in jedem einzelnen Bezirk (Lehrer) einsetze. Man brachte
aber nur ungefähr Sechzehnjährige und Siebzehnjährige hin, und
wenn einer seinen Lehrer erzürnte, stieß dieser ihn von sich, so
daß er fortging. Nun kam aber Josua ben Gamla und ordnete
an, daß man Kinderlehrer in jeder einzelnen größeren und kleineren
Stadt einsetze, und man brachte ungefähr Sechsjährige und Sieben-
jährige hin. D. H.
JV. Die ßeatftltaxig der Sittlichkeit.
Erziehung und Fortbildung.
§ 468. Bis in die letzte Generation hat es in jeder irgend-
wie größeren Gemeinde eine öffentliche Bibliothek (Bet ha-
Midrasch) also Bücher und Lesehalle geueU-n. Aber Beil
alten Zeiten schon wurden diese zugleich als Bethäuser
benutzt, ein* rs< its, weil der Lehrvortrag zum überwiegen-
den Teil des Gottesdienstes geworden und andererseits,
damit die dem Studium obliegenden Personen nicht den
Ort zu wechseln brauchten, wenn die Zeit des Gebete-
herangekommen war. Diesen Hallen des Studiume
wurde auch eine größere Weihe zugeschrieben als den
bloßen Synagoge-Gebeträumen; das Stadium galt als der
höhere Gottesdienst Q ned "Ü cmn1? M31 rr1? id« s. Be-
:i. 8i. Der Heilige, gebenedeiei Bei er! hat gesagt: Wer
Bich mit der Thora beschäftigt, Werke der Liebe übt und
mit der Gesamtheil betet, den betrachte ich bo, als hätte
mich und meine Kinder *on den Völkern der \\ eil erlöst.
— Das waren die jüdischen drei Einheiten im täglich
abgespielten Drama des geistigen und religiösen Lehms.
EU b Lakisch hat gesagt: Wer ein Bethaus in seiner
1t hat und gehl nicht hin. in, um daselbst zu beten,
der wird ein böser Nachbai genannt b. -lerem. 12.14.
I oicht nur das. er verursacht auch, daß er und
Beine Kinder verbannt werden.
Im Gebet wendet Kid, der Mensch zu Gott, im Studium
kommt göttliche Lehre zum Menschen. Vgl. Zunz. Synag.
P ••- • . l Kap. Psalmist und Prophet.
Unterricht. Studium. 296
Die Pflicht einer jeden Gemeinde ist es, mindestens
eben so sehr wie für den Gottesdienst auch für die Pflege
von Wissenschaft und Bildung eine Stätte zu haben. Und
daß es sich nicht bloß um Religionslehre im engeren
Sinne, sondern um Wissen im weiteren, z. B. um Medizin
handelte, das ergibt sich deutlich aus Schabb. 82 a. R. Hu-
na ermuntert seinen Sohn Rabba, die Vorträge des
R. Chisda zu hören; auf dessen Einwand, daß R. Chisda
ja nur weltliche Dinge vortrage, nämlich hygienische Vor-
schriften, erwidert der Vater: Das nennst du nur welt-
liche Dinge? Erst recht, p» ^3, mußt du deshalb seine Vor-
träge hören,
Unterricht. Studium.
§ 469. Reicht das Vermögen nicht hin, um Vater und Sohn
zugleich die Muße zum Studium zu gewähren, dann soll,
wenn der Sohn tüchtig und scharfsinnig sich zeigt, der
Vater verzichten und den Sohn studieren lassen. S. Kidd.
29b. Unterricht, dem Kinde des Freundes erteilt, führt zur
höchsten Beseligung; dem Kinde aus ungebildeter, sitten-
roher Familie erteilt, führt eine Wendung des Schicksals
herbei. S. Baba mez. 85 a.
Die Mitglieder des Synhedriums mußten wenigstens drei
Sprachen beherrschen, vermutlich griechisch, lateinisch und
hebräisch neben der aramäischen Volks- und Haussprache.
Das Festhalten der Bildung (min) durch drei
Geschlechter bietet eine Gewähr für alle folgende
Zeiten. Das.
IV. I> . Bittlichki
Wert des Wisssens und Winde des Lehrer-.
• 7". „Der Lehrer ist der Schöpfer des Zöglings."
..her Weise geht vor den König; statt einen König kann
man einen anderen wühlen: der Weise aber geht nicht
ans der Wahl hervor." 8. T seftha Horajoth Per. 2.
IV. v. 24, :>fi". Wissen gibt Sicherheit. Wissen ist Reich-
tum, Wissen ist Macht. Audi im Kriege wird der Sie:,'
durch klugen Hat bereitet. Das. 24,14: „Erwähle Weis-
heit für deine S< i hast du sie gefunden, dein ist die
Zukunft und deine Boffnung trügt nimmer."
I;. rln des feinsten Anstands des Schülers gegen den
nicht rechts von diesem gehen, Dicht den
km. sondern das Profil ihm zukehren beim Abgehen)
•den von den üabbinen gelehrt S. Joma 37 und 6
Der Gelehrte boII sich nicht absondern! (-"11 nicht Btolz
A.uch der Schüler hat Einfluß auf d<-\\ Lehrer I
Ebenso i\>'v G-eringere auf dm Größeren! Siehe das B -
•Jj ''uns von Migdal Gedur Taan. 20
1 I1 ■ lautet l.s im- >*'. ii /u, daß K. l leazar bar Et
- eoo" ■■ '•' ■ ur ins dem Hause seines Lehrers kam
icl ml und sich am I einei Stromes erging
urvl sehr fi '.v.ir un a Sinnes, weil <t viel Thora ge-
t halte. Es ihm ab« i • in Mann, der
ich tu ilitn I •• le dir, Rabbi! I t al er erwiderte
n Fried« sprach zu ihm: Wicht, wie
esei Mannt Sind vielleicht alle Bewohner demer
h w ie 'in.' i i sprach zu ihm Ich i nicht;
l ban K Ki*»n»r
Der Geist des'Lehrers lebt in seinem Schüler. 297
Der Geist des Lehrers lebt in seinem Schüler.
§ 471. Es ist gewiß nicht erlaubt, die rationalistische
Uradeutung vorzunehmen, daß Sin D^IJJ im Gegensatz zu
ntn D^iy, der so oft vorkommt, die künftige Zeit hienieden
bezeichnet, wenn dies auch oft einen guten Sinn im Zu-
sammenhang gibt. Dagegen treffen wir ausdrücklich
auf den Gedanken, daß ein zwiefaches Leben des Geistes,
aber geh und sprich zu dem Meister, der mich gemacht hat: Wie
häßlich ist doch dieses Gerät, das du gemacht hast! Da er nun
selbst einsah, daß er gesündigt hatte, stieg er vom Esel herab,
warf sich vor ihm hin und sprach zu ihm: Ich habe ungebührlich
zu dir geredet*, vergib mir! Dieser aber sprach: Ich vergebe dir
nicht, bevor du zu dem Meister, der mich gemacht hat, gehst und
zu ihm sprichst: Wie häßlich ist doch dieses Gerät, das du ge-
macht hast! Er (R. Eleazar) ging nun hinter ihm (jenem häßlichen
Manne) her, bis er zu seiner Stadt kam. Die Bewohner seiner
Stadt waren ihm entgegen gegangen und sprachen zu ihm: Friede
dir, Rabbi, Rabbi, Meisler, Meister! Er (der häßliche Mann) sprach:
Wen nennt ihr Rabbi, Rabbi? Sie sprachen zu ihm: Den. der
hinter dir cinhergeht. Da sprach er: Wenn der ein Rabbi ist, so
sollen seinesgleichen nicht viele in Israel sein! Sie sprachen zu
ihm: Weshalb? Er sprach zu ihnen: So und so hat er mir getan.
Da sprachen sie zu ihm: Gleichwohl vergib ihm, denn er ist ein
Mann, groß in der Thora. Er sprach zu ihnen: Um euretwillen
vergebe ich ihm; jedoch soll er nicht öfter also tun. Sofort ging
R. Eleazar, Sohn des Simeon, ins Lehrhaus und lehrte: Stets sei
der Mensch weich wie das Rohr, nicht aber hart wie die
Zeder. ■ — Und deshalb wird das Rohr für wichtig erachtet, daß
man davon das Schreibrohr nehme, um damit das Buch der Thora,
Tefillin und Mezuzoth zu schreiben. D. H.
* Siehe Berachoth 28 a, Baschi e. v. »fr:*:.
298 IV Die '..«staltunfi; der Sittliclik.it.
eine zweite Welt der Seele sich darin nianifesti.it, dali
die geistigen Inhalte von ihrem Urheber in der empfan-
genden Seele des düngors fortleben. S. Bechoroth 31 b:
R. Jochanan hat im Mamen des EL Simeon hen Jochai
gesagt: Die Lippen des Gelehrten, aus dessen Mim de
man eine Tradition in dieser Welt sagt, bewegen sich
im Grabe. R. Jizchak beweist es ans Taut. 7, 10.
Niemals ist der Schule und dem Schule r eine
herzlichere Huldigung dargebracht worden, als in der
formal so naiven und sachlich so tiefsinnigen Allegorie,
daß der liebe Gott in seinen freien Mußestunden sitzt
and die Seelen der als Kinder Gestorbenen unterrichtet1
— Damit wird zugleich die Lösung eines Problems an-
. welches sich aus «lern vorzeitigen Tode noch
ntwickelter Kinder ergibt, indem •■ine Fortbildung
im Jei mmen wird und Gott Belbsl die Seelen
von ihrer geistigen Armut erlöst
i VergL 8. 289.
13. Capital.
Die Gesellschaft.
A. Die Gesellschaft überhaupt.
ß. Der Nächste (Nebenmensch).
C. Geselliger Verkehr. Höflichkeit bis zur Freund-
schaft. Maß und Kraft der Beziehungen. (Die
rabbinisch beliebten Abstufungen zur Sicherung des
allgemeinen Erfolges.)
D. Geschäftlicher Verkehr. Stand. Beruf. Ver-
tragstreue und Worthalten. (Treu und Glauben.
]0«i nn) Der Eid. Verschwiegenheit.
E. Gemeinschaft des Wirkens und Gemeinsamkeit des
Schicksals. (Einer für Alle und Alle für Einen).
Der Nebenmensch. Gegenseitiger Verkehr.
Zusammenschluß. Wohlwollen. Liebe.
A. Die Gesellschaft überhaupt.
§ 472. Das Maß von Freiheit und ethischer Bedeutung
des Individuums ist größer geworden, damit allerdings auch
die Gefahren, die isolierenden Bestrebungen, denen aber
der Trieb zur Gemeinsamkeit der Interessen die Wage hält.
300 iv D dtung der Bittlichkeit
Allerlei Steigerung von Licht und Schattet] - Ent-
deckungen und Trug — Pfahlbauten, phönizische and
syrische [nschriften. Handschriften nachgemachi usw.
Offenkundigkeit - und Eteklamewesen.
Sittlich-unsittlich; guter und böser Wille, immer wieder-
kehrend; aber der eigentliche Fortschritt besteht in der
SchOpfung und Erweiterung der ethischen Sphäre, in der
ein Mensch lebt
Die Teilnahme an all gerne inen ethischen Bestrebungen.
Schaffung einer ethischen Gesamtheit; im „Priester-
he und heiligen Volke"1 — im „Reich Gottes"; aber
in den meisten Köpfen und Herzen fallen di< je Gedanken
immer wieder herab zu den bloßen Idealen des Einzellebens.
Der gro ■ Vorzug dieses idealen Einzellebens besteht
in der Ti< e, Reinheit, [nnigkeit der Gesinnung; aber
verwende! muß diese G< innung • , ihr den Gedanken
der ethischen Gesamtheit Dieser Gedanke muß
all' nwärtig werden. Selbst in der [nt( n - enpolitik,
den Standeskämpfen usw. ist der Vorzug, das Individuum
höher zu heben. Es ist falsch zu Bagen: Schließlich
kommt alles auf die Einzelnen hinaus; der Bau bestehl aus
einzeh Qu ern, der Garten aus einzelnen Pflanzen
r nur da e macht den großen Bindruck,
1 1 1 i a n heu. das Zi< 1.
In der ökonomischen Seite welche Behr real ist,
lig Trennende, kotierende; man wird die
" Exod LS
Die Gesellschaft. 301
Menschen nicht dahin bringen, Geld zu erwerben behufs
Mehrung des Nationalvermögens; aber gegen Wissen und
Wollen vollzieht sich der Gewinn und das Wohl des All-
gemeinen. Dagegen auf ethischem Gebiet ist es möglich,
den Menschen zu zeigen, daß für sich allein sittlich sein
wollen schon unsittlich ist.1
Der Genuß geht auf den Einzelnen, in ihm auf den
Moment. Dagegen schon eine schöne Wohnung, Ein-
richtung geht auf die Dauer; ebenso gehen öffentliche
Gebäude, Straßen, Plätze auf die Gesamtheit; Vergnügen
auf den Einzelnen, Volksfest auf die Gesamtheit.
Es besteht ein fortwährender Antagonismus zwischen
dem Individuum und der Gesamtheit im Streben und
Wirken und Genießen.
Ideal ist nicht der einzelne Zug, sondern der ganze
Mensch2: Fühlen, Denken, Wollen; dem Endlichen und
Unendlichen, Natur und Geist zugewendet; nicht der
Moment, sondern das ganze Leben; der Charak-
ter ist der ganze Mensch fürs ganze Leben.
1 Vergl. Abolh V, 16. Vier Sinnesarten unterscheidet man bei
denen, die Gaben spenden (npns 'iniaa). Wer selbst geben will,
aber will, daß andere nicht geben, der ist mißgünstig gegen die
anderen usw. D. H.
2 Daher lautet die Bitte, welche nach der Übung eines einzelnen
Gebotes gesprochen wird : Es sei dein Wille, Ewiger, unser Gott, und
Gott unserer Väter! die Übung dieses Gebotes so zu achten, als halte
ich es in allen Einzelheiten, Feinheilen und Absichten erfüllt, ynni
m n^nn rmxo, und (zugleich) die 613 Gebote, die damit zusammen-
hängen.
309 IV. Die Gestaltung der Sittlich* I
■it der E i :elne 3t's, sondern die Gesamtheit; nicht
die Gegenwart, sondern die Geschichte; nicht 'Irr ein/.-
lanki des Einzelnen, sondern die Idee, aus welcher
alle Gedauken kommen.
Die Wohlfahrt führt immer wieder zum Individuum,
die Sittlichkeit zum Allgemeinen.
Der Einzelne ist Ursache in seinem Beruf-debeu, aber
die "Wirkung für andere; der Lehrer und seine Schüler,
der Fabrikant und der Käufer, der Landwirt und das
Brut usw.
Aber der Einzelne Boll nie vergessen, dato er selbst
mit seiner Kraft und Wirksamkeit) zugleich Wirkung
der andern, das Erzeugnis und der Erzeuger und Erzieher
der Gesamtheit samt ihrer Kultur ist. —
Der Einzeln.' ergreift nur den Beruf. Die Gesoll-
schaft ist nicht wahre lebendige Gesellschaft ohne das
verbinden Schon die öffentlichen Objekte and
Institutionen: Etathaus, Schule, Gericht, Kirche -teilen
dar, was die Einzelnen nicht schaffen, auch für die Ein-
zelnen nicht bestimmt ist, l samtheit als I r-
md Wirkung, als Mittel und ZieL Aber der ein-
heitlich! I in allem Tun soll als sittlich« Ldee zu
d kommen and in sittlicher Gesinnung se
Triebkraft finden.
inzip. Nichl bloß obgleich, Bond< rn weil der
i, lee die ethische Zusammenschließung ist, iRt
die Bedeutung j< L< Einzelnen una jeder einzelnen Hand
Der Einzelne und die Zusammenschließung. 303
lung im Judentum so groß gefaßt. Sota 3b heißt es: ßab
Chisda hat gesagt: Bevor die Israeliten gesündigt hatten,
ruhte die Schechina auf jedem Einzelnen, wie es heißt
Deut. 23, 15: „Denn der Ewige, dein Gott, wandelt in der
Mitte deines Lagers"; als sie aber gesündigt hatten, ent-
zog sich ihnen die Schechina, wie es heißt (das.): „Und
er soll nicht sehen an dir etwas Schandbares, und er
wird sich von dir abwenden."
Je wertvoller der Sichzusammenschließende ist, desto
wertvoller ist der Zusammenschluß. — An jedes Einzelnen
und jedem einzelnen Tun hängt der Wert der Zusammen-
geschlossenen.
Es gilt die Gemeinschaft der Guten zu suchen. Eabbi
Eliezer, Sohn Joses, des Galiläers, will, daß man seine
Reise um drei Tage aufschiebe oder verschiebe, um in Ge-
sellschaft eines Edlen zu reisen. S. Toseftha. Schabb. 18. l
1 R. Eliezer, Sohn Joses, des Galiläers, sagt: Siehst du, daß
ein Frommer eine Reise zu machen im Regriff ist, und du wirst
dieselbe Reise machen, so mache seinetwegen die Reise drei Tage
vorher oder mache sie seinetwegen drei Tage nachher, damit du
mit ihm zusammen die Reise machst, weil die Dienstengel ihn be-
gleiten. Denn es heißt (Psalm 91, 11): „Denn seine Engel ent-
bietet er dir, dich zu behüten auf allen deinen Wegen." Wenn
du aber siehst, daß ein Frevler eine Reise zu machen im Begriff
ist, und du willst dieselbe Reise machen, so mache seinetwegen
die Reise drei Tage vorher, oder mache sie seinetwegen drei Tage
nachher, damit du mit ihm die Reise nicht zusammen machst, weil
die Satansengel ihn begleiten. Denn es heißt (Psalm 109, 6):
„Bestelle über ihn einen Frevler, so daß der Satan zu seiner
Rechten steht."
iv. D iltung der Sittlichkeit.
SelbstTervollkommnung ist nur Mittel, Methode; Zweck
ist die sittliche geistige Einheit.
Selbstvervollkommnung heißt nur strebsames, wil-
es und fähiges Glied der Gesamtheit sein.
Eid vollkommener Jade, ein vollkommener Bürger, ein
vollkommener Mensch, überall ist es der Gesamtcha-
rakter, der zur Erscheinung kommen soll.
Gemeinschaft, auch mit den Unteren, ist nötig.
Trauben und Blätter. Chullin 92n|.
Notwendigkeit der Individualität.
§ 171. Individuen, Individualitäten Bind notwendig
für jede höhere Kultur. S. Berach. 58». Wer die
Scharen der [sraeliten sieht, spreche: Gepriesen sei, der
der Geheimnisse kundig ist. denn weder der Sinn noch
das Gesicht des einen ist dem des andern ähnlich!
J< le [ndividualität wächst aus der Gesamtheit,
zu de] gehört, das [ndividuelle aus dem Allge-
meinen, das in ihm ist. heraus. Die Individualität
abart sieh nicht bloß, Bie besteht in ihren Beziehungen
zu anderen, zur Gesell E sn Menschen von Beiner
1 I; . i . Lakisch hat Volk gleicht dem Wein-
Die Hei n i nd •■ Hausväter; die Trauben daran i
die Junger der Weisen, di< die I n wissenden; die
■ Uran lind die Leeren (nllcr Zucht und Sitte Baren)
in Israel. Urv: - it's, warum sie von dort (von Pa islina
Bi "ii haben: Dm Barmherzigkeit sollen die Trauben
f'ir die en, denn wären nicht Blätter, so wären auch nicht
Bammidb. 30, 1 2.
Das Wohlwollen zur Gestaltung der sittl. Gesellschaft. 305
Umgebung, von seinen realen und idealen Beziehungen
trennen, heißt, ihn von ihm selber trennen. Ein Indivi-
duum, eine Persönlichkeit für sich allein, ist eine bloße
Abstraktion, genauer gedacht, eine bloße Fiktion.
Schon was der Mensch ist, ist er nur aus einer Ge-
samtheit heraus geworden, und was er sein soll, kann er
nur in lebendiger; aktiver Beziehung zur Gesellschaft sein.
Der natürliche Egoismus soll zugunsten anderer, der
Gesamtheit, eingedämmt, der Individualismus soll zugun-
sten des Allgemeinen, der Idee, überwunden werden; bei-
des geschieht durch das Gesetz.
Das Gesetz ist seinem Wesen nach allgemein, es ist
für alle; für jeden aber ist es zugleich die wichtigste
Quelle, das stärkste Band zur Schöpfung der Gesamt-
heit. Durch die Unterwerfung unter das Gesetz, dem
auch alle anderen zu dienen haben, wird jeder einzelne
zum Gliede der Gesamtheit (wie durch den Gehorsam
gegen den Kommandeur aus einzelnen Soldaten ein ge-
schlossenes Heer wird!)
§ 475. Vom Wohlwollen muß hier in diesem Zusammen-
hang noch einmal die Rede sein, nicht indem es zu den
sittlichen Pflichten, oder zum sittlichen Charakter gehört,
sondern indem es zur Gestaltung der sittlichen Gesell-
schaft überhaupt beiträgt. Der bloße Bestand der Gesell-
schaft ist sehr vom AVohlwollen abhängig, vollends die
Erhaltung eines gewissen Maßes von Gleichheit unter den
Menschen, ohne welches eine innere Einheit unmöglich ist.
La/, uru8, btbik des Judentunja 1*.
20
306 iv. l' -> Bittüchkait.
E i muß oach der Forderung sittlicher Gestaltung
der Gesellschaft die völlige Verarmung eines Teiles der-
selben, die Aufhebung der äußeren und damit Gefahr-
dung der inneren Freiheit unmöglich gemacht werden.
Daa Gesetz hatte deshalb, weil Freiheit eine sozialethische
Bi Lingung des Guten ist, Vorkehrungen en völlige
und dauernde Verarmung getroffen.
In bezug auf die entsprechende jüdisch« tzgebung
sagt Döllinger S. 786: „Keine Gesetzgebung des Alt
tums hatte s«» trefflich L'-"_r'-n die Verarmung «ines
Teiles der Nation, gegen die Entstehung eines Prole-
als die hebräische. Eigentliche Bettler
urab es in .ludäa wohl nicht; die hebräische Sprache hat
:• kein Wort für den Bettel nsw.u
Besitz.
S 176. Wir haben in der Ethik des Judentums swei
entum zu Bcheiden, den juri tischen and den
moralischen "der moralisch-religiösen. Auch der juristische
Begriff ruht aui ••mein moralischen und einem religiösen
u weil es sich um dauerndes, also
um Grundeigentum handelt, a) Moralisch auf den Be-
:)' der Kamill-- (und d< E . -'11111111 isl da
nicht | Ibergi bend. b) Religiös, auch die
]•' tmilie hat d Big« ntum nur als < totteslehen.
Dei de> Eigentums ist immer nur der rar
V . pi der Familie.
Niemand besitzt etwas als Individuum. 307
§ 477. Niemand besitzt etwas als Individuum. —
Die physische und juridische Macht über den Besitz
und die ethische Befugnis der Verwendung decken sich
nicht. l
Ansichreilien des Grundbesitzes, übermäßige Aus-
dehnung in einer Hand hat die Zerstörung des Staates
herbeigeführt. S. Pesikta rabbathi P. 24.
nxw nom piosn ty i-üjw ly ans» tow bi xb& wso
IMtttl 0712 l^m. Wir linden, daß die Israeliten erst aus
ihrem Lande vertrieben wurden, als sie den Schriftvers
(Micha 2,2) übertraten: „Und sie gelüsteten nach Feldern
und raubten, nach Häusern und trugen sie fort."
Ein ökonomisches System zu entwerfen, welches allen
ethischen Forderungen gerecht wird, ist nicht Sache der
ethischen Wissenschaft. ISur von der sittlichen Gesin-
nung, von den ethischen Ideen, welche im System walten
und realisiert werden sollen, hat sie zu reden.
Die Thora freilich, welche die Ordnung des gesamten
Volkslebens zum Ziele hatte, bietet uns auch ein ökono-
misches System, nach welchem Besitz und Genuß, Arbeit
und Erfolg geregelt sein sollte. Es ist ein kühner Ver-
such, voll erstaunlichster Weisheit! Gegen Verarmung,
gegen die dauernde und allzu tief einschneidende Ver-
1 Aboth II F, 20. Alles ist als ein Unterpfand gegeben (es ist
Eigentum Gottes). Das. 8. Gib ihm von dem Seinen; denn du und
das Deine seid sein. So heißt es bei David (1 Chr. 29, 14): „Denn
von dir ist alles, und aus deiner Hand geben wir dir."
20*
IV. Di i Sittlichkeit.
m S liicksal der Menschen war er zumeist
Nur auf den Grundzug ist hier hinzuweisen. Das in
Familien geteilte Volk Bollte das in Axker geteilte Land
ritzen. Eine durch Krankheit, Mißwachs, Leichtsinn
usw. in N Familie konnte ihren Acker ver-
kaufen; dadurch könnt vor augenblicklicher Not -ich
Durch den Verkauf aher wäre sie nun zur
immerwährenden Besitzlosigkeil herabgedrückt, Bie wäre
eme für immer enterbte Familie geworden, sich selbst
i Eilend, der Gesellschaft zur Last. Dieser dauernden
der augenblicklichen Nol Bollte gesteuert werden.
ESa gab k< inen wirklichen Verkauf, keinen Verkauf auf
Z iten; vielmehr bei der Wiederkehr dea Jobel-
jahrea kehrte jedi Grundstück1 in das Eigentum der
zurück, die es verkauf! hatte; Kaut wai nur
Pacht Damit war du- dam e Verarmung einer Fa-
milie verhütet S. Deut L6 I. :zv und MBUD0 Bind Ab«
rzung der Not, Durchschneidung derselben durch den
Einschnitt der Jahre dir Freiheit. ~en Ziel. Zweck!
l>.i- isl der Zweck, es boII d }V3H keinen hoffnungslos
1 n i Jobel hat die Wunden gehi
ichheiten ausgeebnet Freilich können dies« und
•i notwendig wieder erscheinen: Gesundhi il o li i
Krankheit i M wachs, Fleiß oder T>
t, Strengt r I. an werden Wohlstand oder
Vera hü m Hausgrundttöck. 8. Levit 25.
Auf Recht und Liebe ist die Gesellschaft zu gründen. 309
Elend erzeugen. Darum Deut. 15. 11: mpö p^N 'nrp N1? O
pKH. Weil nun Elend immer wieder einkehren kann,
wird Wohltätigkeit gefordert! l
§ 478. Auf Recht und Liebe ist die Gesellschaft zu
gründen.
Liebe ohne Gerechtigkeit ist ein Palast ohne Funda-
ment; schön aber unsicher.
Lieblosigkeit führt zu allen Arten des Unrechts. S. Sifre
Debarim Pisk. 187. „Wenn ein Mann seines Nächsten
Feind ist und ihm auflauert" (Deuter. 19, 11). Von hier
haben die Weisen gesagt: Hat einer ein leichtes Gebot
übertreten, so wird er zuletzt (auch) ein wichtiges Gebot
übertreten. Hat er übertreten: „Du sollst deinen Näch-
sten lieben wie dich selbst" (Lev. 19, 8), so wird er zu-
letzt übertreten: „Du sollst deinen Bruder nicht in deinem
Herzen hassen" (das. V. 17). und: „Du sollst dich nicht
rächen und du sollst nicht Haß hüten" (das. V. 18) und
zuletzt auch: „Nicht sollst du von ihm nehmen Zins
auf Geld und Zins auf Getreide, sondern fürchte dich
vor deinem Gotte, damit dein Bruder neben dir lebe"
(das. 25, 36), bis es zum Blutvergießen kommt. Deshalb
heißt es: „Wenn ein Mann seines Nächsten Feind ist" usw.
Die Selbstsucht entfesselt jede Leidenschaft, sobald sich
die Gelegenheit für sie findet; und wann fänden Neid,
1 Der oft bemerkte und bemängelte "Widerspruch ist keiner: einen
dauernd hoffnungslos Armen soll es nicht geben; aber augenblick-
lich Bedürftige wird es geben, für welche auch gesorgt werden soll.
IV. D dtnng der Bittlichkeife
acht, Mißgunst, Streitsucht usw. nicht Gelegen-
heit?
B Der N ebenmensch. Liebe als Grund gesinnnng.
179. Auch denjenigen, den man wegen Beinea l d-
recl lenmußte, soll man durch nicht Dachlassende
Liebe wieder zu gewinnen suchen. 8 Mechiltha, Äjnalek
zu Exod. 18,6: „Wenn <lie Hechte ihn verstößt, ^oll die
Linke ihn wieder heranziehen."
Psychologisch fein und ethisch tief ist die Bemerkung
T i id Schabb. 32b: „Haß nach aul'.en lnin^t Hader
Dach innen!-1
Und eben so fein ist die Forschrift Baba mez. 32b:
.. \\ tit u der leichtere Liebesdienst (p'ir1? abzuladen) dem
Freunde, der rere aber i PJJÖ7 aufzuladen dem Feinde
zu leisten ist ;eht die Pflicht gegen den Feind vor.
um den natürlichen Trieb durch die Pflicht zu beu
(zu überwinden)." Deshalb wird muh die Maxime der
Auswahl des zu liebenden nach Beinen Vorzügen ab •-
und an Stelh derselben die unter chiedslose Liebes-
pflicht gelehrt Sifra, ECedoschim 8, L
ichen heißt Sifrö, Schoftim Pisk. 187: Der
1 an I - als Grundgesinnung des Menschen
aließt die Gefahr ein, daß die Lieblosigkeit sich
rt und Ihm zum Verbrechen gegen Gesundheit und
Lei ii fuhrt; d. b also die einzige Gewähr
I rundloten Hl <• hst d< i
H i • r [i nern dei II lusec I ». H
Liebe als Grundgesinnung. 311
für das vollkommen rechtliche Verhalten gegen den
Nächsten liegt darin, daß die Liebe als Gesinnung das
Grundverhältnis zwischen den Menschen ausmacht.1
.Nächstenliebe ohne Grenzen.
§ 480. Die Liebe zum Nächsten soll auch noch gegen
todeswürdige Verbrecher sich bekunden in der Anwendung
der leichtesten, am wenigsten schmerzhaften und am
wenigsten schmachvollen Todesart.
Keine pedantische Wahrhaftigkeit (auf der einen Seite
schammaitische Art); dagegen freundliche Milderung
des Ausdrucks, anmutiges erheiterndes und gefälliges
Wort (auf der anderen Seite hillelitische Art). S. Ke-
thub. 17a.2
Taktvolle .Rücksicht, Schonung des Gefühls beim Ge-
brauch der Worte; den Bekehrten nicht an seine Sünden
erinnern, nicht vom „Aufhängen" vor einem sprechen,
1 Die Slelle ist schon S. 309 dem Wortlaute nach angeführt. D. H.
2 Unsere Rabbinen haben gelehrt: Wie spricht man beim Tanze
vor der Braut? Die Schammaiten sagen : Man lobt die Braut, je nachdem
sie ist. Die Hillelilen sagen: 0 schöne und anmutige Braut! Da
sprachen die Schammaiten zu den Hillelilen : Siehe, sie ist lahm, oder
blind, sagt man da von ihr: 0, schöne und anmutige Braut? DieThora
sagt doch (Exod. 23, 7): „Vom Worte der Lüge sollst du dich fern-
halten." Die Hillelilen erwiderten den Schammaiten: Nach eueren
Worten — wenn einer einen schlechten Kauf auf dem Markte gemacht
hat, soll man ihn (den Kaufgegenstand) in seiner Gegenwart loben
oder schmähen? Gewiß doch, man soll ihn loben. — Von hier haben
die Weisen gesagt: Stets sei des Menschen Sinn mit den Menschen
verbunden. D. H.
i'.l 2 1 V. D i Sittlichkeit.
in • .. Familie ein Gehenkter war; auch den „Frem-
besonders nicht (auch _ seine Vorfahren nicht!),
weil Beine Leidenschaft stärker ist und er deshalb die
Kränkung tiefer fühlt. S, Baba mezia 59 '
„VI H1DV ':•":-•• wird von Levy anders gedeutet.
Von Samt m& unrichtig! "MD ist nicht Verkehr. Der
tzendiensl ist durch und durch als Wurzel aller On-
Bittlichkeit, als ~y;b\ (wn mfi BH» (Deut. 29, 17 ver-
werflich, aber der Götzendiener ist darum nicht recht-
los, auch nicht von unserer Teilnahme ausgeschlossen.
G ide weil er ein Götzendiener, muß er durch Güte
en ihn gewonnen, zum Guten geführt werden. Das ist
das p TOD» 'iDD in Baba mez. 59 .
Anknüpfend an Ps. 41,2 n :\x taps n»H ttüti.
oachdenkende Betrachtung, die I. Wohltuns, die
alle persönliche (Imstande und Gemütsbeziehungen
le Etücksicbl in der Wohltätigkeit wird von
1 Unsere Rabbinen haben gelehrt: Wer einen Fremdling krankt,
II reiVerbote Levit. 19,33 u.25,17). H. Bliezer,
. . gesagt Warum bat die 1 hora an 36, nach andern an
en es 1 ren dlii v- wem "-':. weil seine
\rt W ■ bedeutet ächriflworl (Ex od. 22,20
d den Fremd d i nichl kränken und nicht bedrücken;
i ■ ihr im Lan \ ■ •'■ r h i en in einei
L Natha ;l Einen Fehler, der an dir ist, wirf
islen n r. Das iat'i •■ u d e Menschen sagen: w • i
enkten hat, zu dessen Genossen sage nicht:
ll i: li auf. I». II
i Vergl Horajoth l '• unten D. II
Wahres Wohlwollen zeigt sich in mitfühlender Schonung. 313
altersher gepriesen. Recht beachtenswerte psycholo-
gische Beobachtungen und ethische Erörterungen darüber
werden angeführt in Midrasch Wajikra r. Par. 34, Nr. 1.
R. Jona sagte: Heil dem, der dem Armen gibt, heißt
es hier nicht, sondern: „Heil dem, der für den Armen
klug sinnt, ^DtTO", d. i. sinne klug über ihn nach, auf
welche Weise verdienstlich gegen ihn zu handeln ist.
Wenn R. Jona den Sohn vornehmer (Eltern) sah, der
sein Vermögen verloren hatte und sich schämte, (Gaben)
anzunehmen, ging er zu ihm und sprach zu ihm: Da ich
gehört habe, daß dir in einer Stadt jenseits des Meeres
eine Erbschaft zufiel, so nimm doch dies; wenn du freie
Hand bekommst, gib es mir wieder. Während er es ihm
aber gab, sprach er: ich gebe es dir als Geschenk.
Hoch und Niedrig. Freundschaftsdienst (Braut-
führerschaft) soll auch dem Geringeren freundlichen
Herzens geleistet werden. S. Berach. 61 a. „Und er
brachte sie zu Adam" (Genes. 2, 21). R. Jeremia
b. Eieazar hat gesagt: Das lehrt, daß der Heilige,
gebenedeiet sei er! sich dem ersten Menschen zum Braut-
führer gemacht hat. Von hier ergibt sich, daß die Thora
eine Sittenregel lehrt: Der Große soll sich um den Ge-
ringen als Brautführer bemühen und es sich nicht ver-
drießen lassen.
Das wahre Wohlwollen zeigt sich auch in mitfühlen-
der Schonung. Den Ausspruch der Mischna über die
passende Zeit für den besänftigenden oder tröstlichen
314 iv. Die Gestaltung der Sittlichkeit
Zuspruch (Abotb IV. 18 1: „Besänftige deinen Genossen
Dicht in der Stunde, da er zürnt, und tröste ihn nicht in der
Stunde, da sein Toter vor ihm liegt" bezeichnet Maimonidea
als eine Regel fttr die wünschenswerte Art menschlichen
1'm rn dem Gesetze vom „kri< angenen Weibe"
(Deut 21, 10 ff.) erkennt er die Forderung einer humanen
Rücksicht auf Schmerz und Traner. (Mor. 111.41 Schlaft.)
Anstands- und rücksichtsvolles Benehmen wird viel-
seitig erörtert und empfohlen (Beispiele: einen Gast nicht
mit Fragen belästigen, bia er Bich in die Gesellschaft ein-
bt; in eine Diskussion, zu der man kommt, nicht ein-
■ ifen wollen, bia mau ihren Verlauf und Zusammen-
hang kennt). S.Toseftha Sanhedr. Perek V 1 1 gegen Ende.1
Mannigfaltig werden Regeln deE feinen Anstände, be-
sonders auch der Pietät gegen da« Alter, gegen Gelehrte
eingeschärft Vor dem Greise aufstehen, nicht auf seinem
vohnten Standort stehn, nicht auf Beinern gewohnten
ä( sei Bitzen, ihn nicht in der Rede unterbrechen, mi1
• nheit und Ehrfurcht ihn tV.i ich nicht zur
Antwort drängen, ihm nicht widersprechen, ihn nicht
• Vgl. Aböl \, t. Sieben I nd am Ungebildeten und Bieben
am Weiten (Gebildeten). Da Weise spricht nidil vor dem, der an
A r als er; »»r ffillt den Q nicht ms Wort; er
itflrzl lieb nicht, um zu antworten; ei Ifl und nni-
wortet --oiii aß der Ha icha; er antwortet (spricht) auf das erste zuerst
hui auf das letzte zuletzt; betreflli dessen, was er nicht verstanden
hat ich habe es nicht verstanden; er bekennt die Wahr-
nteil davon findet man beim Ui gebildeten. D. H.
Gespräche. 315
zu widerlegen suchen usw. S. Midrasch Bammidbar
r. Par. 15, Nr. 17.
Beispiele hoher Freundschaft haben charakteristische
Bedeutung für die Völker. Siehe Leben der Seele.
David und Jonathan. Zugunsten des Reichen. Jona-
than will den bessern Mann auf dem Throne sehen.
Das Freundschaftsverhältnis zwischen pni" '1 und Wpb "1
ist wohl am meisten mit dem von Luther und Melanchthon
zu vergleichen.
Gespräche.
§ 481. Ich fürchte, daß in unserer Zeit auch den
Gelehrten die Kunst und Übung des hohen und er-
hebenden Gesprächs etwas abhanden gekommen, weil
die unsägliche Fülle der Spezialstudien auf allen Gebieten
die waltende Kraft des Allgemeinen vermindert. Vgl.
Ideale Fragen S. 289 ff. gegen Ende.
Die alten Juden hatten besonders min "HST Ein Fremder
kam daher, er geht in die öffentliche Bibliothek — aber
er geht auch ins Haus zu bekannten Gelehrten, er grüßt
das Handwerk, (nein, nicht das Handwerk, denn es war
keins, kein ökonomischer Beruf, sondern freie Kunst),
er grüßt den Genossen im Geiste — nach wenigen Worten
der Begrüßung stürzt man sich in die Diskussion. Wie
sprüht das Leben, wie loht das Feuer des Geistes, und
wenn ein Fähiger auf den Fähigen trifft, dann sind sie
auch im Gemüte durch Hochachtung fürs Leben ver-
bunden, eine gegenseitige Gastfreundschaft der Seelen
316 IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit.
kömmt zustande, denn jeder gibt und jeder empfangt
mit Dank und mit Wonne. S. j. Berach. IX g. B, Jede
i;. Lseligkeit ist schlecht, aber die Redseligkeit in der
Thora ist gut; jedes Schweigen ist gut, aber das Schweigen
in der Thora ist schlecht Die .Jünger der Weisen mehren
den Frieden in der Welt Woher ist das zu entnehmen?
Weil es heißt (Jesaia 54, 13): ..Sind alle deine Kinder
Jünger des Ewigen, so ist groß der Friede deiner Kinder."
Km falle.
182. Hat der Einfall Neues gebracht, dann hat die
Untersuchung der Sache ein Ende, und es wird nur nach
Gründen und Stützen für das Nene gesucht. Viele
Kenntnisse, viel Gelehrsamkeit werden aufgewendet, aber
nicht der Bachlichen Wahrheitsforschung wegen, Bondern
dem Beweise zu Gunsten, meist lern phistischen Beweise
des Einfalls. Das OTTOl by patfla ;\s war immer schön.
anregend, aber für wahre Erkenntnis ein Hemmschuh.
Also Kritik nicht ttet, Kritik nicht zu fürchten.
Freiheit für Einfalle. —
Die bös< Folge >i>v Einfalle ist, daß der kritische,
• richtiger, der einfach unde Menschenverstand vom
Individuum bei geschoben und nur die Tüftelei
und Grübelei nach Gründen und dem Sinn der an sich
: d und sinnlosen Behauptungen in Bewegt
etzt wird, z. B. wenn Löwy sagt, der Prophet Jona
ulie auf den Prophetismus,
Hindernisse in der Zusammenschließung. 317
Dergleichen ist ganz nett in Gesprächen bei Kaffe
und Zigarre. Darüber zu debattieren kann ganz vorzüg-
lich und sogar belehrend sein; nur ernst nehmen darf man
die Sache nicht, und die Literatur soll man verschonen.
C. Geselliger Verkehr.
Hindernisse in der Zusammenschließung.
§ 483. Ein beträchtlicher moralischer Defekt zeigt sich,
meist in kleinen Städten — also bei nahem Verkehr der
Menschen — vorzugsweise bei den Frauen, darin, daß sie
einander zu oft und zu leicht etwas übelnehmen; das Ver-
trauen in die Unschuld, in die gute Gesinnung des an-
deren ist gering, weil das Gewissen auch die eigene Ge-
sinnung mangelhaft findet. Durch diese Untugend der
Übelnehmer werden mehr Keime der Vereinigung zer-
stört und mehr Blüten freundlichen Behagens vernichtet,
als ein Aufwand von Kräften und Mitteln hervorbringt.
Die Welt ist so eingerichtet, daß die Liebe darin
walten und durch Wohltat sich bewähren kann. Ein
Mensch kann dem anderen, ein Kind seinen Eltern, der
Freund dem Freunde, der Liebende dem Geliebten eine
neue, eine eigene und beglückende AVeit bereiten. Höher
als alle Besitztümer, welche der Mensch durch seine
Wirksamkeit im Leben erringen kann, steht die Aneig-
nung einer zweiten Seele, und nur durch die Hingebung
an dieselbe kann sie noch übertroffen werden.
IV. Die G i äittliohkeit.
Daß ein Mensch den and- reu allein durch seine Ge«
BinnuDg su unendlich beseligen, dalj er ihm nicht nur den
Bchönsten, höchsten Genuß bereiten, sondern den höchsten
Wert darbieten kann, ist das Göttlichste in der göttlichen
S höpfung. Vielleicht hat ein solcher GS-edanke dem
Urheber des Ausspruchs vorgeschwebt: id^ij? niip tr1
nrot nyeo.
Wenn nach dein Ausspruche Y$bn PI CJ? HMD DV:n2
Heiligkeit als Gesinnung nur in der völligen Hingebung
an G<»tt und die sittliche Weltgestaltung, also in der Ganz-
heit, in der Charaktereinheit, in der ungeteilten Bichtung
der ganzen Person, all ihrer Krafl und all ihres Streb«
auf die sittliche Jd' e sich offenbart, dann erscheint auch
die völlige Hingebung des sittlichen Menschen an einen
leren als ein Abglanz der Heiligkeit
E wandeln zu jeder Zeil mehr Heilige unter uns, als
die durch trübe Erfahrungen verzagte und zum IV
mismu irrte Seele sich za gestehen wagt
Geschäftsverkehr. Gelübde. Her Eid.
B4. I ber den Verkehr hat nicht die Ethik G< etzc
er i-t von den örtlichen und zeitlichen Verhält-
de und der räumlichen Verteih
' l»cr A . i / i! i ! i) , 1 T • und 1 sv Da
. und sprach Manchei erwirbt die Ewigkeil in vielen
Jahn ei i •••. . | ! ■'. _ki-it in einei einzigen Stunde. An
bnel Stellen hat der Ausspruch einen mdern
-um. D II - Deuter. 18, 13.
Geschäftsverkehr. Hausierhandel. 319
der Zivilisation usw. abhängig. Der Hausierhandel z. B.
ist eine Frage, welche nach Zeit und Ort sehr verschie-
den beantwortet werden muß. Es gibt Gegenden, in denen
die Menschen so zerstreut in Dörfern, Weilern und Ein-
öden wohnen, daß zu ihnen nur der Hausierer mit seinen
Waren dringt, während die Käufer zum nächsten Markt
einen großen Weg machen müßten. Da ist es im Inter-
esse nicht bloß des Verkäufers, sondern einerseits der
Käufer, aber auch der Produzenten, daß der Hausier-
handel besteht.
Interessant ist sowohl der Spruch des Talmuds gegen
den Hausierhandel zugunsten der ansässigen Kaufleute,
und noch mehr die Ausnahme, welche gemacht wird,
samt dem Grunde dafür. Mit Schmucksachen soll der
Hausierer handeln dürfen, damit sich die Töchter Israels
für ihre Männer zu schmücken leicht Gelegenheit finden;
wohlgemerkt für ihre, nicht für fremde Männer. Obgleich
schon die Propheten gegen Luxus der Frauen geeifert,
wird hier für den leichten Bezug des Schmuckes gesorgt,
um die geschlossene Keuschheit unter den Gatten zu
sichern.1 Das Unrecht und die Unredlichkeit im Handeln
wird in seiner Verworfenheit durch einen fünffachen Ta-
delnamen gekennzeichnet. S. Sifre, Debarim Piska 148.2
Dergleichen noch in verschiedenen Wendungen, um
i S. Baba balra 22a, vergl. S. 321.
2 Dort zunächst auf Götzendienst bezogen, vgl. jedoch Raschi zu
Levit 19, 15. D. H.
320 IV. Die < - it.
vom unrecht abzuschrecken, ^eine Häßlichkeit zu kenn-
zeichnen.
Zu leicht»' Gewichte, zu kleine Maße sollen dberhaupl
oicht im Hause gehalten werden, auch nickt zu an-
rem Gebrauche al^ zum Messen, selbst nicht als Urin-
behältnis. Manch'' wollen . 1 i < • .-> an Orten erlauben, wo
alle Maße Gewicht sind; andere gestatten es mit Rück-
sicht auf Morgen- und Abenddämmerung nicht, weil
dann die geaichten von nngeaichten nicht leicht unter-
schieden werden können. Auch richtige Mala von leicht-
verwechselbaren (kleineu) Größen sollen nicht gemacht
werden. S. Baba batra 89»ff.
Die Rabbinen geben genaueste Vorschriften über V
und Gewichte zur Vermeidung .1er absichtlichen od< r
auch unwillkürlichen Schädigung bal 1 d( ä Verkauf
bald des K 3 Baba batra 89». Kein und edel
ist ilei Ausspruch dea EL Joch, ben Sakkai daselbst B
Betreffs ihrer aller (d i behenden Vorschriften) sagte
EL Jochanan b. Sakkai: Wehe mir, wenn ich sie lehre;
mir. wenn ich sie nicht lehre! Lehre ich sie, so
ichten du- Betrüger daraus lernen; lehre ich sie ni<
möchten die BetrUgei : Die Jünger der Weisen
: wir'a ti iben. Man fragte: Hat er es
nun gelehrt, Oder nicht? Kai» Samuel. S<>hn des Kab
Jizchak, i slehrl und zwar bal er es auf
'.rund des Schritt w ort. - (Hosea lt. 10) gelehrt: „<
die W( D, die I teil wan lein
Rechtsordnung. Gewerbegesetze. 321
auf ihnen, die Frevler straucheln auf ihnen." Die Unred-
lichen können lernen den Trug üben, auf dessen Ursachen
die Rechtslehre hinweist. Aber er hat es doch gelehrt. Die
Rechtslehre muß verkündet, das Rechtsbewußtsein
geschärft werden; der Erfolg ist dem Gewissen zu überlassen.
Rechtsordnung. Gewerbegesetze.
§ 485. Feine Beachtung der Verhältnisse. Eine inter-
essante Kontroverse über die Zulässigkeit des Hausier-
handels und seine Grenzen. Verbote mit Rücksicht auf
die ansässigen Kaufleute usw. S. Baba batra 22 a. Esra
soll denselben für Schmuck- und Putzsachen erlaubt
haben, damit die Frauen dieselben leicht erwerben können.
Aufseher werden angestellt über die Maße, nach anderen
auch über die Preise. S. Baba batra 89 a. Vergl. S. 319.
Vorsorge wird getroffen gegen ungebührliche Preis-
steigerung. — Der Vater von Samuel verkauft sein Ge-
treide gleich von der Tenne weg, damit der Preis auf
dem Markte nicht durch Zurückhaltung desselben sich
steigere; Samuel behielt es zurück und verkaufte es in
der späteren Jahreszeit zum Preise der früheren. Man
lobte das Verfahren des Vaters mehr als das des Sohnes,
weil, wenn einmal die Preise allgemein gestiegen, aie
nicht so leicht wieder sinken. Also wenn er selbst auch
später aus Wohlwollen zum niedern Preise verkaufte, hat
er doch zur allgemeinen Preissteigerung beigetragen!
S. Baba batra 90 b.
La/aru», Ethik des Judentums IL 21
IV. Die Gestaltung ler Sittlichkeit,
Hygienische Vorschriften.
186. Zwecks des Zusammenlebens der Menschen werden
hygienische Vorschriften zugunsten der Gesamtheit getroff« n.
Bressant Bind die rabbinischen Verordnungen, welche
bereits die öffentliche Gesundheit und Rücksicht auf
ale Annehmlichkeit betreffen. Gräber, Ableitung *on
[mmunditien, übelriechende Anlagen, wie Gerbereien, Bind
nur in rorgeschriebener Entfernung von der Stadt anzu-
legen. Sehr merkwürdig ist die Vorschrift, Bolche übel-
riechende Anlage nicht im Westen der Stadt anzulegen.
Baba batra IX, besonders Mischna 2.
Für Reinheit der Lui't ist zu Borgen. Mit b< onderem
Nachdruck b. Deuter. 23. 13ff. Auch dort gegen An-
steckungskrankheiten Quarantäne.
1). Gesc bäftl icher Verkehr,
leibst da i Aul Irängen \ on Waren an den
Verkäufer wird streng verpönt! Seit diejenigen, welch«
B isherren Wann aufd i, überhandnahmen —
nahm die Bestechung zu, wurde das Recht gebeugt und
die Menschen gingen rückwärts, anstatt vorwärts. Siehe
T . 5 P< r. u.
Uichi r G Sich bereichern dureb einen B< -
i.il.i "it. auf anredlichem Wege er-
worben, wird u dem Gätsendienst gleichgestellt.
3. C innuch Nr. LS
Der V hftrft das ethisrhr Verbot unredlichen
Geschäftlicher Verkehr. 323
Gewinns aus Raub, List, Wucher usw. durch die religiöse
Wendung des Gedankens, daß all solches unrechtliches
Streben uud Tun Götzendienst sei. Diese Wendung aber
erlangt er durch die psychologische Betrachtung, daß maß-
lose Ichsucht die Quelle des Unrechts ist, der Ungerechte
aber sein eigenes Ich zum Götzen macht, dem er alles opfert. l
Jede Veruntreuung eines Privatmenschen wird schlimmer
als die Veruntreuung von Heiligtümern bezeichnet. Denn
Gott ist barmherzig und verzeiht; aber der Mensch
bedarf des Menschen Verzeihung zur Buße, und jene ist
zweifelhaft. Baba batra 88 b.
Für ein Vergehen gegen den Nebenmenschen gibt es
keine Sühne als nur durch Versöhnung mit ihm. S. Jo-
ma, Mischna VIII, 9 (851-). Folgendes lehrte R. Eleazar
b. Asarja. Es heißt (Levit. 16, 13): „Von allen euren
Sünden sollt ihr vor Gott rein sein." Sünden zwischen
den Menschen und Gott sühnt der Versöhnungstag (durch
Buße), Sünden zwischem Mensch und Mensch sühnt der
Versöhnuugstag nicht, bis man seinen Nebenmenschen
versöhnt hat,
§488. Dienst und Gegenleistung. Gewisse ideale
Vorschriften werden im gewöhnlichen Lauf der zivilen und
zivilisatorischen Tätigkeit unmöglich; der ethische Kern
aber bleibt in Geltung und sucht sich seine Formen der
1 Daß es unser Autor auch an einem Schriftbeweis nicht fehlen läßt,
versteht sich von selbst. Beides, nämlich "Verletzung der Gerechtigkeit
und Götzendienst, werden als by^bz bezeichnet. Vgl. Deut. 1 3, 1 4 u. 1 5, 9.
21*
IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit,
Anwendung. So die Geschichte von Abba, dem Bader,
B. Taanith 21bJ Bei unseren Ärzten hat sich meist die
Praxis erhalten, die Gegenleistung für den Dienst nach
dem Vermögensstande des Patienten zu messen; auch
bei besonders wohltätigen Ärzten, daß sie arme Patienten
obendrein mit Arzneien und Stärkungsmitteln versehen.
Unser Abba hatte außerdem eine Vorkehrung, den Armen
nicht zu beschämen, weil er jeden das Honorar in eine
» Die Geschichte lautet: Wenn der Arzt Abba zur Ader ließ, be-
handelte er Männer besonders und Frauen besonders, und er hatte ein
Gewand, in welchem ein Schröplkopf angebracht war, indem es einen
Spall hatte, der Lanzette entsprechend Wenn nun eine Frau kam,
lcsle er es an, damit er sie niehl sähe. Und er hatte außerhalb (des
undlungsraumes) eine Stelle (Büchse), in welche man das Geld
er Dahin. Wer (Geld) hatte, warf hinein, und wer keins
hatte, wurde nicht beschämt. Wenn ein Gelehrter zu ihm kam, nahm
ei von ihm keine Bezahlung. Und wenn er wußte, daß einer nichts
h Ute, gab er ihm Geld und Bprach zu ihm: Geh, kräftige dich. Eines
1 \ aji zwei Rabbinen zu ihm, um ihn ;mf die Probe
/t] v Er hieß sie setzen, gab ihnen zu essen und zu trinken
und I ;•• tele in der Nacht Teppiche für sie hin. Am Morgen rollten sie
selben zusammen und n ihmen sie und erhoben sich und gingen
. M irkl und trafen ihn (Abba) daselbst. Sic sprachen zu ihm:
Der Herr s b&tze Sie uns ah, was sie wert sind. Kr sprach zu ihnen:
und so viel. Sir sprachen: Vielleicht Mnd 6ie mehr wert? Er
! v,.-i habe ich sie gekauft. Da sprachen sie. Dein sind
iben sie dir genommen Wir litten dich: Wessen hast
in, s VerdS QÜgtl Er sprach: [eh dachte: ls traf sich wohl, daß
M auszulösen hatten und sich schämten, es mir
in s i.-en. e sie der Herr nun zurücknehmen. Er
Von dem Augenblick an (wo ich dies dachte), wandte ich
- :i von ihnen (den Teppichen, ich betrachtete sie nicht mehr
als meinen Besitz, sondern bestimmte sie) zum Wohltun. D. H.
Wahrhaftigkeit. Treu und Glauben. 325
Büchse werfen ließ. Armen gab er obendrein zur Stär-
kung nach dem Aderlaß.
Wahrhaftigkeit. Treu und Glauben.
§ 489. Was man in seinem Innern (im Herzen) denkt, wird
auch ohne äußere Bekundung als Wahrheit festgehalten.
Vergl. die hübsche Geschichte von Rab Saphra, die uns
die Scheeltot des R. Acha erhalten haben.1 In dem Augen-
blick, da der andere ein Gebot getan, das dem R. Saphra
genügte, ist der Gegenstand, rein moralisch betrachtet,
Eigentum des anderen geworden; und er darf es ihm
also nicht noch einmal um einen höheren Preis verkaufen.
Worthalten, das zum Charakter des Gerechten ge-
hört, wird streng und oft eingeschärft, selbst wenn es zum
eigenen Schaden ist. S. Baba mez. 44 a und 48 ab2.
1 Siehe Makkoth 24a. Es heißt (Psalm 15, 2): „Und redet Wahrheit
in seinem Herzen." Wie z. B. R. Saphra. Dazu Raschi: In den Scheel-
tot des R. Acha (Frage 36). Und so war der Vorgang: R. Saphra halte
einen Gegenstand zu verkaufen, und es kam ein Mann zu ihm, als er
das Schema las, und sprach zu ihm: Gib mir den Gegenstand für so
und so viel Geld. Er antwortete ihm aber nicht, weil er das Schema
las. Jener glaubte, daß er ihn ihm für dieses Geld nicht geben wollte,
und fuhr daher fort: Gib mir ihn für so und so viel mehr. Nachdem
R. Saphra das Schema beendet hatte, sprach er zu ihm: Nimm den
Gegenstand für das Geld, das du zuerst geboten hast, denn es war
meine Absicht, ihn für dieses Geld zu geben. — Vergl. in der vor-
stehenden Erzählung von Abba den Verzicht auf die Teppiche, weil
er sie in seinen Gedanken, wenn auch in irriger Voraussetzung, zum
Wohltun bestimmt hatte.
2 Wer die Leute des Geschlechtes der Flut und des Geschlechtes
der Zerstreuung (des Turmbaues) bestraft hat, wird den strafen, der
sein Wort nicht hält.
IV. Die Gestaltung der Bittlidhki
Vertragstreue und Worthalten.
8 490. Wenn Etechtsformalien nicht erfüllt Bind, und
< ■
dennoch das bloße Wort eingelöst wird, so wird das von
riesen. 8. Schebiith X, 9. dazu Toseftha
,111.13. Auch in der Mischna. Das Nicht-
rthalten wird dem gänzlichen sittlichen Verfall
»ellschaft gleichgesetzt
Von Samuel bar Sutra Bagte man: „Und wenn man
ihm die Fülle (das Vermögen) der ganzen Well geboten
hätte, er hätte sein gegebenes Wort nicht, verletzt.-' Das.49*.1
1)., auch eine Vorschrift gegen reservatio mentalis.
i I». in Ja sei aufrichtig, und dein Nein Bei aufrichtig Man
ut anders mit dorn Munde und anders im Herzen. Unten folgt
Erzählung von S:unuol bar Sulra. Vgl. S nhedrin 97a. Raba
l,,i . Bner habe ich geglaubt, es gibt keine Wahrheit in
■ nur einer von unseren EUbbinen, und R. Tabuth,
h ander« El Tabjume se:n Nanu-, der, wenn man ihm alle
r Well - hätte, sein Wort nicht ri hätte. I'.mmal
kam ich nach einem Orte, dessen Name Wahrheit war, und wo die
le ihr.- Worte nicht änderten und wo K* in Mensch vor der Zeit
•tarb. Ich nahm ein Weih von ihnen, und ich haiii* twei von
ihr. Eil l meine Iran und kämmte das Haupthaar. De
kam N irin nn i klopfte an die rür. (Die Erzählung geht
ehöre sich nicht,
und sprach ra ihr Dai tuf starben ihm dir- zwei
ne Jetzt ks I wohner des Ortee zu ihm: Was ist •
Er sprach ra ihnen S nch's i n. Da sprachen sie ra
ihm: Wir bitten dich, verlaß untern Orl und r< - ht den Tod
in»..
Gelübde und Vorsatz. 327
Keinen Verrat üben, keine Angeberei, auch nicht um
der eigenen Gefahr zu entgehen. S. Gittin 70.1
Gelübde und Vorsatz.
§ 491. Gelübde sind nicht ethisch, jedenfalls nicht rein
ethisch, sondern religiös. — Grund: Dasselbe kann auch
ohne Gelübde geschehen. Psychologische Differenz — Wert
und Unwert des Vorsatzes. — Das Gelübde: Wert durch
Zusammenhang der Zukunft mit der Gegenwart; Handeln
nicht bloß aus dem Moment. Aber der Unwert ist zu erörtern
— deshalb (Koh 5, 4): nnn »b l&X 210 — *Ttt ^3 —
Die Gegner haben von der Strenge des Worthaltens
keine Vorstellung; die Übertretung soll schlechthin ver-
mieden werden, deshalb Aufhebung der Gelübde. Wer
diese Aufhebung kennt — und alle kennen sie — wird also
kein Gelübde tun, da es doch keins ist. Um den Miß-
verstand haben sich die Rabbinen nie gekümmert. —
1 Mar Ukba schickte zuR. Eleazar (und ließ ihn fragen): Menschen
stehen gegen mich auf und es liegt in meiner Hand, sie bei der Regie-
rung anzugeben, darf ich es? Dieser liniierte das Pergament und
schrieb ihm den Schriftvers (Psalm 39, 2) auf: „Ich sprach: Hüten will
ich meinen "Weg, daß ich nicht mit meiner Zunge sündige; hüten will
ich meinen Mund mit einem Verschluß, während der Frevler mir
entgegen ist", d. i. obgleich der Frevler mir entgegen ist, will ich
meinen Mund hüten mit einem Verschluß. Da schickte er zu ihm:
Sie kränken mich sehr, und ich kann bei ihnen nicht bestehen. Er
aber schickte zu ihm (Psalm 37, 34) : „Schweige dem Ewigen und harre
auf ihn, b ^innm", d. i. harre auf ihn, und er wird sie vor dir fallen
lassen haufenweise D^n wbbn. Geh ihretwegen früh morgens und
spät abends ins Lehrhaus, und sie werden von selbst fallen.
328 IV. I>ie Gestaltung der Sittlichkeit.
Ich lasse es dahin gestellt, ob allgemeine Aufhebung das
rechte Mittel war; es ist meine Sache nicht zu kritisieren;
aber der Zweck war edel. Die Einrichtung zeigt von
dem ungeheuren Gewicht, das dem Worthalten beigelegt
wurde, und dann sollte die feierliche Stunde das Volk
erziehen.
§ 492, Der Eid ist die Bekräftigung einer Aussage
durch den Zuwachs des religiösen Elementes einer An-
rufung Gottes in irgend einer Form.
/. allgemein gilt, daß auch jede unbeeidigte An-
sage ebenso auf die strengste Wahrhaftigkeit gegründet
sein soll, wie die beeidigte. Nicht die Wahrheit seihst
soll durch den Eid geschaffen, oder erhöht, oder befestigt
werden, sondern nur die Überzeugung, daL> sie vorhanden
soll in i in< in andern im Richter, in den Geschworenen,
in der Gegenpartei) dadurch herbeigeführt werden.
Der Eid ist ein augenfällig) i Beweis wie religiöse Vor-
i mit den ethischen Verhältnissen sich verflechten.
M ethischen Standpunkte aus ist der Eid '»der die
beki ende Anrufung Gottes nur (de facto) tatsächlich
mit der Übung der Wahrhaftigkeit verbunden, aber nicht
pflichtmäßig /n derselben gehörig. Vom dog-
matischen n Standpunkt aber ist Eidesleistung ver-
betra irden (s. Ohinnuch zu 435). Wahrend
Maürn dieselbe zu den positiven religiösen Geboten
tlt (als n:?y ITOD), sieht Nachmanides dann eine durch*
II indluni
Der Eid. 329
In der Anschauung des öffentlichen Geistes, wie er
durch die vorzüglichsten Vertreter und eifrigsten För-
derer des moralischen Bewußtseins sich ausgebildet hat,
gilt die ideale Forderung, daß man als Zeuge zur Eides-
leistung, vollends wenn sie vom Richter gefordert wird,
durchaus bereit sein, dagegen den Eid als Partei zu
eigenen Gunsten so weit als irgendmöglich vermeiden
soll.
Dieser Unterschied ist psychologisch sehr wohl be-
gründet. Die Wahrheit soll in der Aussage selbst vor-
handen sein, sie wird durch den Eid nicht verbessert
noch bestärkt; nur der Erfolg der Aussage, also der
Wahrheit wird durch die Institution des Eides gesetz-
lich verändert. In den Augen des Richters wird die
subjektive Wahrhaftigkeit der Aussage gleichsam in
eine objektive Wahrheit verwandelt; die Tatsache gilt
als nicht bloß subjektiv behauptet, sondern als objek-
tiv festgestellt; diese Feststellung wird vom Richter
deshalb gefordert, und der unparteiische Zeuge hat
die religiöse Pflicht ebenso wie die. ethische, sie herbei-
zuführen.
Nun aber kommt der Mensch, auch der Eidleistende,
über subjektive Wahrhaftigkeit nicht hinaus; deshalb
soll man auch die Wahrheit, wenn es zu eigenem Nutzen
(als Partei) geschieht, nicht beeidigen, der Aussage nicht
eine Kraft geben, die sie nicht an sich besitzt. Bleibt
doch auch bei der strengsten subjektiven Wahrhaftig-
330 IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit
keit ein objektiver Irrtum möglich. Gegen diese Mög-
lichkeit gibt es kein absolutes Mittel; aber eben des-
halb soll man sie in der eigenen Sache berücksichtig in
und den Eid vermeiden. Der Zengeneid ist notwendig,
aber der Parteieneid ist frei; der IiTtumsmöglichkeit
kann man durch den Verzicht aus dem Wege gehen.
Bin Fall ist zu erzählen.) Allgemein: Der Eid soll die
Prüfung schärfen, also das Streben nach Wahrhaftigkeit
psychologisch unterstützen.
Gemeinsamkeil de^ Wirkens and Gemeinsamkeit
Schicksals (Grundsatz: Einer für alle und
alle für Einen).
rhalten gegen die Dinge des Nächsten
Schonung, Hilfe asw, •• gegen die eigenen. Vor
herandrängender Flui boII auch das Feld des anderen
durch Deich und Damm gerettet werden. 8. Baba
mez. 31».
Zu: Q reise a ndei
wird die Symbolik pTK2 er;*-: mvh naifl n*rr6 Ber. 81'.
i darauf bedaci m Alten, dei Wi Ben •
Willen - len hat, (ehr* i
d.-nn -. Die Bundestafeln und die Trümmer der
Bui fein lagen in der Bui le. Vgl. Baba batra!4b.
Aber auch sonst soll die schwächere Form, die ungenii-
[nnigkeit oder Klarheil nicht gleich abgewiesen,
Einer für alle und alle für Einen. 331
nicht verachtet, sondern herangezogen und fortgebildet
werden.1
Beim Gesamtwirken darf das unbedeutende (D Yin V«
im blb) das Unvollkommene, auch das Nichtmehrvoll-
kommene nicht abgewiesen, nicht unterschätzt, sondern
muß ins System eingeordnet werden, z. B. untergeordnete
Berufe, geringe Talente usw. Aboth IV, 3.
Von der persönlichen Seite her t^yöön inKl mittn TnN
n1? pTL? "nVn. aber auch sachlich: es gehört zum Ganzen. 2
Sich von dem Schicksal der Gesamtheit trennen und
seines eigenen Wohlseins sich freuen, wird als ein schweres,
unsühnbares Vergehen bezeichnet; der innigen Teilnahme
aber an dem Leide der Gesamtheit wird als Lohn ver-
« Vgl. Berachoth 16b und 17*. R.Saphra sprach nach Beendigung
des Gebeies also : Es sei der Wille vor dir, Ewiger, unser Gott, daß
du Frieden machst In der Familie oben (unter den Himmelsscharen)
und in der Familie unten (unter den Weisen) und zwischen den
Jüngeren, die sich mit deiner Thora befassen, sei es, daß sie es um
ihrer selbst willen tun, sei es, daß sie es nicht um ihrer selbst
willen tun. Und alle, die sich nicht um ihrer selbst willen mit ihr
befassen — es sei dein Wille, daß sie sich um ihrer selbst willen
mit ihr befassen. D. H.
2 R. Eliezer war krank. R. Jochanan kam zu ihm. Er sah, daß er
in einem dunklen Räume lag. Da entblößte er seinen Arm, und es
fiel Licht auf R. Eliezer (R. Jochanan war sehr schön, und sein Arm
leuchtete). Da sah er, daß R. Eliezer weinte, und er sprach zu ihm:
Warum weinst du? Vielleicht weil du nicht viel Thora gelernt hast?
Wir haben ja in einer Mischna (Menachoth 1 1 0b) gelernt: Der eine
viel, der andere wenig; wenn man nur den Sinn auf Gott ge-
richtet hat. D. H.
339 IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit.
heißen, das wiederkehrende Heil der Gesamtheit mit zu
erleben. Taanith 11".
Auch von der Lebensform oder dem jeweiligen Ge-
mütszustand der Genossen soll man sich nicht absondern,
unter den Trauernden nicht fröhlich, unter den Frohen
nicht betrübt erscheinen. pN "J*n.
Teilnahme am Geschick der Gesamtheit! — Auch
der Weiseste und Frömmste soll sich nicht an seiner
Weisheit und Frömmigkeit genügen lassen, sondern er
muß hinaustreten und am Schicksal und dein Werke
der Gesamtheit Teil nehmen. S. irr1?« TU ed. Fried-
man!» L12: ..auch weise wie Moses und fromm wie Aha-
ron usw."
Teilnahme an der allgemeinen Lage. — Während
Zeiten der Not soll der Einzelne sich selbst Entbehrungen
auferlegen, damit er in seiner persönlichen Stimmung von
der allgemeinen nngetrennt sei. S. Taan. 11*.
Teilnahme, zumal an öffentlichen Leiden. Der wird
als verworfen erklärt, der während öffentlicher Not
seinem Q-enufl nachgeht S. Taanith 11'.
Line hQbsche Allegorie, am dem Gedanken Nachdruck
zn Die leiden Engel, die den Menschen begleit
legen die Hand auf den, der sich trennt —
Glied der (Gesamtheit soll der Einzelne sich fühlen
und danach handeln. —
Wenn der Mensch für sich auch genug hat, soll er
auch im Genuß sich eicht fOü der darbenden Gesamt-
Teilnahme an der allgemeinen Lage. 333
heit ganz trennen und die Last des Hungerjahres auch
leiblich tragen. S. das.1
1 Im Folgenden geben wir die ganze Stelle Taanith 1 la, aufweiche
Bezug genommen ist. R. Jehuda im Namen des Rab hat gesagt: Wer
sieh Hunger auferlegt in Hungersjahren, wird von ungewöhnlicher
Todesart errettet, denn es heißt (Hiob 5,20) : „Durch Hunger, DJTO, er-
rettet er dich vom Tode" . Vor Hunger, Sjn», rettet er dich, sollte es heißen.
Allein das will die Schrift sagen : Zum Lohne dafür, daß er sich in Jahren
des Hungers Hunger auferlegte, wurde er von ungewöhnlicher Todesart
errettet Unsere Rabbinen haben gelehrt: Wenn die Israeliten
sich in Not befinden und einer von ihnen sich absondert, kommen die
zwei Dienstengel, welche den Menschen begleiten, und legen ihm die
Hände aufs Haupt und sprechen: Dieser N. N., der sich von der Ge-
meinde abgesondert hat, soll die Tröstung der Gemeinde nicht schauen.
In einer anderen Baraitha wurde gelehrt: Wenn die Gemeinde sich in
Not befindet, soll nicht einer sagen: Ich gehe in mein Haus und esse
und trinke, und Friede dir, meine Seele. Tut er aber so, so gilt von
ihm das Schrift wort (Jes. 22, 13): Siehe, Rinder töten, Schafe
schlachten, Fleisch essen und Wein trinken, essen und trinken, denn
morgen sterben wir." Wie heißt es darauf (das. 14)? „Offenbart hat
sich in meine Ohren der Herr der Heerscharen : Nicht soll diese Schuld
euch gesühnt werden, bis ihr sterbet." Das ist die Art der Mittel-
mäßigen (die wenigstens noch an den Tod denken); wie heißt es
aber von der Art der Frevler? (Das. 56,12:) „Kommt, ich kaufe
Wein, wir wollen uns besaufen an Berauschendem, wie der heutige
soll der morgige Tag sein." Wie heißt es darauf (das. 57, 1)? „Der
Gerechte geht dahin, und kein Mann nimmt es zu Herzen, daß um
der Bosheit willen der Gerechte eingetan wurde." Sondern man teile
das Leid der Gemeinde. So finden wir es bei unserem Lehrer Mose.
Denn es heißt (Exod. 17, 13): „Und die Hände des Mose waren
schwer, und sie nahmen einen Stein und legten ihn unter ihn, und
er setzte sich darauf." Halte Mose nicht eine Decke, oder ein
Kissen, um darauf zu sitzen? Allein Mose sprach also: Weil Israel
6ich in Not befindet, will auch ich mit ihnen in Not sein. — Und wer
334 IV. Die Gestaltung der Sitclichkeit.
Vorsorge für die Zukunft.
§ 494. S. Taanith 23« die Geschichte von der Pflanzung
Johannisbrotbaumes.1
C ero schließt aus serit arborem auf Unsterblichkeit;
an dein Leid der Gemeinde teilnimmt, dem wird es zuteil, dalö er die
l'rüslung der Gemeinde sieht. Sollte aber einer sagen: Wer wird
•II mich Zeugnis ablegen? Die Steine seines Hauses und die
Balken seines Hauses legen Zeugnis gegen ihn ab, wie es (HabakuU
J, 1 1) heißt: „Denn der Stein aus der Wand schreit, und der Sparren
aus dem Gebälk erhebt die Stimme." In der Schule des H. Sclula
sagte man: l'ie zwei Dienstengel, welche den Menschen begleiten,
sie zeugen wider ihn, wie es (Psalm 91, 1 1) heißt: „Denn seine Engel
befiehlt er über dich." R. ChidUa sagt: Die Seele des Menschen zeugt
wider ihn, wie es (Micha 7, .">) heißt: „Vor der in deinem Schöße
Ruhenden hüte die Pforten deines Mundes." Und einige sagen: Die
Glieder des Menschen zeugen wider ihn, wie es (Jesaia 415, 1U) heißt:
„Ihr seid meine Zeugen, ist der Spru h d< 9 Ewigen." Vgl. Chagiga
17» und Scheellot zu Haasinu Nr, 1»/;'». I'. H.
1 EL Jochana Ute sich jener Fromme
(Choni . | mit diesem Schriflven i 126,1): „Stufen-
hed. Wenn der Herr die I oschafl Ziuns zurückführt, werden
w.r wie die Träumend' Er Sprach Gibt es denn einen, der
'ihre schlummert und träumt? Eines Tages ging er des Weges
und sah einen Mann, der Johannisbrotbäume pflanzte. Er sprach zu
ihm : Nach wieviel Jahren Iraj Je Früchte? Dieser erwidert«
siebzig Jahren Jener Ist es ...r denn gewii. . g Jahre
leben wirst? Dieser al i r sprai h I h habe die Well mit Johannisbrot-
nen vorgefunden. Wie meine Väter lür mich gepflanzt, So pllaii/<-
b ich (Ol meinen Sohn. ChoiÜ beizte sich hin und aü Brot. Da
überkam ihn da S Iscbiummerte. Eine Felsengrotte um-
gab ihn, machte ihn unsichtbar. So .schlief et 70 J.thre. Als er sich
1 rhob, Sah er einen Muni, der von einem der Johannisbrotbäume die
htc .ibl.is. Er sprai h zu ihm: Bist du es, der ihn c ; Qanil h it.'
Vorsorge für die Zukunft. 335
sonst ginge ihn ja die Zukunft nichts an. Im Talmud
dagegen schön: Ich habe die Welt mit Johannisbrot ge-
funden; meine Vorfahren haben dafür gesorgt, meine
Nachfahren sollen es auch finden.
Weil der Johannisbrotbaumpflanzer in die Vergangen-
heit blickt, so sorgt er auch für die Zukunft. Die gegen-
wärtige Generation erkennt ihre Abhängigkeit von der
Vergangenheit, darum ist Vorbereitung der Zukunft
nötig. — Kontinuität des gemeinsamen Lebens.
Die historische Einheit eines Volkslebens erzeugte bei
den Rabbinen eine seltsame Anwendung; frühere
Schuld und viel spätere Strafe; wegen der grund-
losen rraa bei den wbSTQ die späte HOS am 9. Ab. S.
Taan. 29 M
Dieser erwiderte: Dessen Enkelsohn bin ich. Da sprach er: Daraus
entnehme ich, daß ich 70 Jahre geschlafen habe. Er sah, daß
seinem Esel bereits Enkelkinder geboren waren. Er ging in 6ein
Haus. Er sprach zu ihnen (den Bewohnern): Lebt der Sohn des
Choni ha-Meaggel noch? Sie sagten zu ihm. Der Sohn ist nicht
mehr, aber sein Enkelsohn ist da. Er sprach zu ihnen: Ich bin
Choni ha-Meaggel. Sie glaubten es ihm nicht. Er ging in das Lehr-
haus. Er hörte, wie unsere Rabbinen sagten: Unsere Halachoth sind
uns so klar wie in den Jahren des Choni ha-Meaggel, der, wenn er
in das Lehrhaus kam, den Rabbinen jede Schwierigkeit, die ihnen
vorlag, löste. Er sprach zu ihnen: Ich bin es. Sie glaubten es ihm
nicht und erwiesen ihm nicht die Ehre, die ihm zukam. Es verzagte.
Er betete inbrünstig um Erbarmen und starb. Raba bemerkt dazu:
Das ist's, was die Leute sagen: Genossen — oder der Tod! D. H.
1 Der Heilige, gebenedeit sei er, sprach zu ihnen — zu dem Volke,
welches in jener Nacht (nach der Überlieferung in der Nacht des 9. Ab)
weinte (siehe Numeri 14,1): Ihr habt ohne Grund geweint, ich
336 IV. I>ie Gestaltung der Sittlichkeit.
er das religiöse Gesetz von der ncny röty und die
Bittlich hohe und praktisch bedeutsame Ausdeutung durch
die Kabbinen ist T. 1 § 73 zu vergleichen.
Zusammenschließung der Seelen.
'•">. Subjektive Vereinigung durch objektive
Geisteseinheit. Wertvoll ist der ziemlich isoliert in
Beiner ganzen Denkweise, aber blitzartig auftretende
Ausspruch bei Schemtob ibn Falaquera (ed. Venet.
8. 18): nt Trat m Mola (D'rr^sem d^id CTonn) v,t dm
131 nn« ITEiD DiTnWBi nr\lR Und wenn sie (die vor-
1 1 * tTlichen Formen und Glück Schaffenden) auch in auf-
einander folgenden Zeiten sind, so sind doch ihre Seelen
wie eine Seele.
§49'i. Kriegsdienst i. Ohinnuch Nr. 625. Tüchtigkeit,
Tapferkeit und treue Ausdauer im Kriege wird zur Pflichf
nacht und i .: bärft, dafi er Weibi - , si inei
Blinder und .seiner Hab" nicht gedenken und mit ganzei
Kraft auf seinem Posten stehen soll. Treffend bemerkt
Chinnuch § 526 dazu, daß kein Criegsmann wissen kann,
wieviel iner eigenen Leistung abhängt, wieviele seiner
Mr p er durch sein eigenes Tun retten oder verderben
kann; darum i"t jeder für da- Schicksal aller verantwortlich.
will euch i ii (begründetes) Weinen (nr die Zukunft restsetsen.
Dann wird < i.ir.mf hing« ,, dafi <I<t erste Tempel, der zweite
ipol und Rii',li Bethar im 9 \\ terstöii wurden.
14. Capitel.
Kreise der Gesellschaft
Zu betrachten sind hier
A. Die Koniniune (Provinz, ßeligionsgesellschaften
usw.).
ß. Pflichten des Einzelnen als Bürger (als Mit-
bürger: 'Dl ülisn *}»). Aboth II. 5.
C. Pflichten der Gesamtheit (zur Erziehung, zum
Schutz des Bürgers, des Verlassenen, des Gefähr-
deten).
D. Öffentliches Wohl. (Hygiene, Wasserläufe, Ufer-
wege, gewerbliche Anlagen. Gesundheitsrücksichten.
Zug nach Westen.)
Die Kommune.
§ 497. Daß man von einer sittlichen Weltordnung als der
einheitlichen Gesamtheit aller sittlichen Antriebe und
Leistungen redet, beweist, welche hohe Bedeutung dem
Begriff oder dem Wesen der Ordnung in ethischer Be-
ziehung beigelegt wird.
Schon die Natur imponiert uns am meisten uüter dem
Gesichtspunkt der durch Gesetzlichkeit alles einzelnen
Lazarus, Ethik des Judentums 11. 22
338 iv. Die Gestaltung der SitUichke
chehei ;esicl rten Ordnung. Die durch Äonen
and durch jeden einzelnen Tai: gleich sehr bestätigt«'
^nung im Naturlauf; Gestirne und ihr Lauf usw. Waa
wir aus Gründen engerer Zweckmäßigkeit als Störungen
in der Natur bezeichen, verliert seinen störenden Charakter,
sobald wir die Gesetzmäßigkeit erkennen, aus welcher
auch diese Ereignisse hießen. —
Alles universah' Geschehen ist von Ordnung erfüllt,
und im engeren Bezirk etwa des Erdballs und Beiner
Gestaltung sehen wir eine aufsteigende Reihe von Er-
• in, welche immer größere und immer wertvollere
i Irdnung herbeiführen. Treten wir in den engen Kreis des
menschlichen, sittlichen Lebens ein, so sehen wir schon bei
den ersten und untersten Bedingungen d< i ihlichen Aus-
bildung d hr bedeutende Holle spielen.
Dae 11 resen mit Beinern Behagen, die Leistung
d< r Arbeit, die Führung . alle Berufstätig-
keit usw. sind erst von Erfolg, wenn ßie dem chaotischen
[en und Ablassen entzogen und einer planmäßigen
rfen werden.
■neu Btören alle, alle Handlungen bemmeo
alle . . . wenn sich nicht jedes in einer bestimmten Ord-
nung 1
- bule leistet nicht am wenigsten einen ungeheuren
r Bittliche A isb Idung durch ihre feste Ordnung;
bier alles Dach den mitwirkenden Pei Onen, nach
. Dach dem Inhalt der Sachen usw. ge-
I»ie Kommune. 339
ordnet vor sich geht, das senkt in die naive und empfäng-
liche Seele des Kindes das leitende Prinzip, welches dann
in allen Zweigen des menschlichen Lebens herrschen soll.
Daher auch der Ackerbau mit seiner den ^saturver-
hältnissen unweigerlich und fruchtbar angepaßten, alle
Zeiten des Jahres und alle Teile des Geschäftes durch-
dringenden Ordnung so viel mehr ethisch erziehlich wirkt,
als etwa Jagd und Fischerei.
Weit über die sachliche und unmittelbar dienende
Wirksamkeit der Ordnung hinaus, liegt das formale
Element derselben. Die psychologische Analogie und der
selbst wieder geordnete Aufstieg von einer niederen zur
höheren, von der äußeren zur inneren usw. endlich bis
zur ethischen Ordnung sind die am meisten erziehenden
Faktoren. Unter den Ordnungen aber sind die kommu-
nale und politische von besonderer Bedeutung. Die kirch-
liche Ordnung und ihr Erfolg bildet ein zu schweres und
weitgreifendes Kapitel und darf hier übergangen werden.1
Sehr viel Gleichheit, auch sehr viel Gemeinsamkeit, wenn
es deren bedurfte — das ist die starke Seite des Gesamt-
lebens im jüdischen Stamm; aber sehr wenig gegliederte
Ordnung, sehr wenig Unterordnung — das ist seine
schwache Seite fast immer gewesen.2
1 Über Ordnung- vergl. oben S. 163 ff.
2 Jerusalem ist nach dem Talmud zerstört d. h. auch der Staat
ist zertrümmert worden, weil die Kleinen und Großen darin gleich-
geachtet waren. S. Schabb. 119b.
22*
;uo iv. Di
'S. Streben und Wirken für das Allgemeine besitzt eine
reale Macht. S. Bammidbarr. Par. 21,Nr.l4 Zu Numeri
_'T. 1.") u. 16: „Und Mose redete zu dem Ewigen also: Es
setze der Ewige, der Gott der Geister, einen Mann über
die Gemeinde" wird unter Bezugnahme auf den Aus-
druck "CT!, welcher unsanfte Anrede bedeutet, bemerkt:
Wer um die Bedürfnisse der Gemeinde bittet, gleicht
einem, der mit dem Arm (Gewalt) kommt ■ Gott mub
ihn erhören.
Ausdauer, energische, tapfere Hingebung an die Ge-
samtheit, auch unter Leiden durch dieselbe, wird
ordert und an dem Hei piele des Muse und Jeremia
erläutert. Das große Vorbild: Mose, der fortwährend
unter dem Murren und der Widerspenstigkeit leidet.
ibt unermüdlich in der Pur S. T.imhuma A b-
schn. rp~-. „Und Moses schickl Boten von Kade cb .
B dg von EdomH (Num. 20, i i . l'.s- ist, w
:. steht (Ps. 16,4): „Und nicht Schmach ti
den, der ihm nahe i^t." In der Well ist's üblich:
Wenn einer mit Beinern Nächsten i abschließt
D bat. so wendet ! r sich von ihm fort
und will ihn nicht sehen. Mose aber wurde wegen der
I raeliten bestraft, wie es heißt (Psalm 106, 32 : „Sie er-
zürnten bei den 11 , lerwas ern, und es erging dem M
üb.! ihrel Gleichwohl schüttelte er ihre 1
h1 von Bich ab. ■: „Und Mose schickte Boten"
Jeremia. Sieh« Jeremia 20, 7ff.
Aufopfernde Selbsfhingebung des Einzelnen an die Gesamtheit. 341
Aufopfernde Selbsthingebung für das Allgemeine
berechtigt zur Würde s. Bammidbar r. Par. 15, Nr. 20.
„Und der Ewige sprach zu Mose: Versammle mir sieb-
zig Männer von den Altesten Israels, von denen du weißt,
daß sie die Altesten des Volkes sind und seine Auf-
seher" (Numeri 11, 16). Pharao setzte die ägyptischen
Dränger (D^üli vgl. Exod 5, 10) über die israelitischen
Aufseher (D*lt9ltP). Die Aufseher aber wurden über das
übrige Volk gesetzt. Als Pharao nun zu ihnen sagte
(das. 5, 7): „Gebet dem Volke nicht mehr Stroh", kamen
die Dränger und zählten die Ziegeln. Wenn die Zahl
nicht voll war, schlugen die Dränger die Aufseher, wie
es heißt (das. 5, 14): „Und geschlagen wurden die Auf-
seher Israels." So wurden die Aufseher wegen des
übrigen Volkes geschlagen, sie überlieferten sie aber
nicht in die Hände der Dränger, indem sie sprachen:
Besser wir werden geschlagen, als daß das übrige Volk
zu Falle komme. So sagte dann Mose, als der Heilige,
geb. sei er! sprach: „Versammle mir siebzig Männer
von den Altesten Israels", vor dem Heiligen, geb. sei
er: Herr der Welt! ich weiß nicht, wer würdig und wer
nicht würdig ist. Der Heilige, geb. sei er! sprach aber
zu ihm: „Von denen du weißt, daß sie die Altesten des
Volkes sind und seine Aufseher", d. i. jene Altesten
und Aufseher, die sich selbst hingaben, um ihretwTegen in
Ägypten für die festgesetzte Zahl der Ziegeln geschlagen
zu werden, sie sollen kommen und diese Würde empfangen.
iv. Di iltung der Bittliohkeit.
Deshalb beißt 69: „Von denen du weißt, daß sie die
Ältesten des Volkes sind und seine Aufseher." Und
weil sie si h selbst hingaben, um für die Gemeinde
schlagen zu werden, deshalb: „Und sie sollen mit dir
die Last des Volkes tragen« (das. 11.17). Das lehrt
.lieh, daß d»r öeili er! Bie dem Mo ich-
gestellt hat. \'<>n hier kannst du lernen: Wer sich
selbst für [srael hinpibt. erlangt Ehre, Würde und dm
heiligen Geist. Deshalb heißt es: „Von denen du wi
daß sie die Ältesten des Volkes Bind und seine Auf-
seher." Wer Bind diese? Ks sind jene, von denen ge-
schrieben steht: „Und geschlagen wurden die Aufseher
Israels."
19. Gemeinsamkeit der Interessen und nament-
lich der öffentlichen. Die ökonomischen Gesetze müssen
befolgt werden ohne Rücksicht auf den Eigennutz, ohne
Isolierung der Interessen. S. To8eftha, Baba kamma
,;, X. 28. Z od in einer Wüste. Der eine
h;ti ,in Paß mit Wasser, der andere ein Faß mit
dg. Bekommt «las Paß mit dem Wasser einen
Sprunf gilt die behördliche Verordnung, daß
dies« : i inen Bonig au i und das w seines
:.;, Bie in bewohnte Gegend kommen.
gibt jener ihm da* Geld für seinen Bonig. Denn das
\\ it in der Wüste da« Li ben, aber nicht der
Bönig erhall in der Wüste dai Leben. MO xm mr
~:- m ■ — - -•- •:--• ;•:—• ;-:- :~: nm XI ir»?
Gemeinsamkeit der Interessen. 343
Ferner Tosephtha, Baba niez. Perek II, 28. Sieht einer
Wasser steigend sich ergießen, so ist er verpflichtet,
einen Damm zu errichten. Dies ist der allgemeine Grund-
satz: Für alles, was einen Geldschaden bildet, gilt das
Gebot über Rückerstattung eines Verlustgegenstandes.
Dem öffentlichen Nutzen und Bedürfnis muß man
Privatbesitz opfern; der Eigner eines Waldes am Fluß-
ufer muß einen bequemen Weg für die Schiffszieher (vier
Ellen breit) abholzen. S. Bab. mez. 107 b.
Die Gemeinschaft aller in der Kulturarbeit wird
auch darin gesucht, daß der Ungelehrte für den Gelehrten
arbeiten, ihn an seinen Erfolgen Teil nehmen lassen soll,
so wie tatsächlich der Gelehrte zugleich für den Un-
gelehrten arbeitet.1
Maimonides spricht demjenigen, der sich von der Ge-
samtheit ausschließt, auch ohne daß er gerade Gesetze
übertritt, sondern nur eben aller Teilnahme an ihrem
Gesamtschicksal sich entschlägt, die Seligkeit ab. S. Hil.
Teschuba III, 6 und 11.
Allgemeinheit des Gesetzes. Zu beachten ist die
i Vergl. Raschi zu Deulcr. 33, 18: „Freue dich, Zebulun, bei
deinem Ausgange und Isachar in deinen Zelten." Zebulun und
Isachar schlössen Gemeinschaft. Zebuion wohnte an der Meeres-
küste und zog in Schiffen zum Handel aus und erzielte Gewinn
und tat in den Mund des Isachar. Diese aber saßen und be-
schäftigten sich mit der Thora. Deshalb stellt die Schrift den
Zebulun dem Isachar voran. Denn die Thora des Isachar kam
durch Zebulun zustande. D. H.
IV. Die ler Sittlichkeit.
praktische Bedeutung der Allgemeinheit, der Kantischen
. I I du wollen kannst usw.-' Blumen
pflücken — Rasen betn-ten — den Ort der entstehenden
ihr fliehen usw.
Zu ingular nach dem allgemi nun
• in ihr erntet, Bollst du nicht die ICcke o
nehmen", Levit 19, 9. rttrn vb . . osispai
i will den Span vom 1! icht nehmen, weil,
wenn es alle täten, das Bolz bald verschwunden wäre,
Einschränkung der Eigentumsrechte.
»0. Obgleich Felder und Weinberge Privateigentum
sind und der Zutritt sonst verboten ist, so i->t er doch jed< in
Verirrten gestattet, um dadurch auf dem kürzesten Wege
sder auf den rechten Weg zu kommen. St hr Bchön
wird hinzugefügt, „denn nur unter Bolcher B unur
hat Josua das Land verteil . S. To eftha, Haha me&
Per. II. 2a VergL Baba kamma 81b.
l. Wenn Eigenwille -ich gegen Autorität auf-
lehnt, dann Bchwindel tufenordnung der Gesellschaft
und die Würdigung des Guten. — I nutz verblendet
und verkehi urteil, das (inte wird schlecht und
mannt, und dann : b allgemi iner
b XIV, 7. 5 □ zahl-
en wurden Bolche, die die Q ben deiner Güte wie
r hinnehmen und die die Gaben deiner Güte mitGe*
i auch zahlreich • on denen
Auflehnung des Eigenwillens gegen die Autorität. 345
das Schriftwort Richter 16, 7 gilt): „Jeder tut, was recht
in seinen Augen", und das ganze Reich verdarb und welkte
stetig hin. Seitdem zahlreich waren: „Jeder tut, was
recht in seinen Augen", wurden die Niederen hoch und
die Hohen niedrig. Seitdem zahlreich wurden die Miß-
günstigen und Habsüchtigen, das sind die Blutvergießer,
wurden zahlreich die Hartherzigen, und jeder verschloß
die Hand vor seinem Genossen. Seitdem zahlreich
wurden solche (von denen das Schriftwort Ezech. 33, 31
gilt): „Nach ihrem Eigennutz wandelte ihr Herz", wurden
zahlreich solche (von denen das Schriftwort Jesaia 5, 20
gilt): „Sie nennen das Böse gut und das Gute bös".
Seitdem zahlreich wurden: „Sie nennen das Böse gut
und das Gute bös", wurde die ganze Welt voll Wahn.
Deshalb wird das öffentliche Interesse als das
wahre eigene eingeschärft. Siehe die hübsche Legende
Toseftha, Baba kamma Perek II, 13. Eine Geschichte
von einem, der die Steine aus seinem Acker nahm und
sie in das Gebiet der Gesamtheit legte. Ein Frommer
trat an ihn heran und sprach zu ihm: Warum legst du
Steine aus einem Gebiete, das dir nicht gehört, in ein
Gebiet, das dir gehört? Jener lachte über ihn. Nach
einiger Zeit kam jener Mann in Not und verkaufte seinen
Acker. Als er dann über jene Stelle ging, strauchelte er.
Da sprach er: Nicht umsonst hat jener Fromme mir ge-
sagt: Siehe, du legst Steine aus einem Gebiete, das dir
nicht gehört, in ein Gebiet, das dir gehört.
IV. Die Gestaltung der Sittlichkeit.
cb mit den Öffentlich n Angelegenheiten beschäftigen,
sieb in den Dienst derselben stellen, wird der höchsten
idealen Tätigkeit gleich gesetzt. S. j>r. Berach. V, L.
Ausspruch des 11. Jirmja: Wer sich mit den Bedürfnissen
der Gesamtheit beschäftigt, gilt so. als wenn er sich mit
dem Stadium des Gesetzes beschäftigte. TUM WM pDiyn
mir, na*o poiya.
Öffentlicher Dienst. Rabban Gamliel und Beine
A • äg< enzuJabne haben bei der Beschäftignngmit
öffentlichen Angelegenheiten keine Unterbrechung
eintreten lassen, um n^Dm V p zu üben, um nicht ab-
gezogen zu werden. S. Toseftha, Berach. Perek II, 4.
Über die Pflichten der Gesamtheit.1
I >a- öffentliche W ohl.
§ 5' 12. ine Lücke im Aufbau des rabbinischen
lankenkri larf man es betrachten, daß neben der
staltung der sittlichen Persönlichkeit mit ihrem reinen
und ernsten Wollen nur die Handlung des Einzelnen
als die I« und Liebestal von einem zum
andern, zur vollen Geltung kommt I* i tritt Bowohl
allseil -■ Ausbildung der Kräfte, wie die Bachli<
Kultu: fang (die in der griechischen und römischen
' i ■ \ ichnitt findet nch im Manuskript kein MaterieX
Pflichten der Gesamtheit gegen den Einzelnen. 347
Denk- und Lebensweise dort vorwiegend auf Schönheit,
hier auf Rechtsordnung und Staatsmacht gerichtet, im
Vordergrund stehen) fast gänzlich zurück. Nicht ab-
geneigt und feindlich steht der rabbinische Geist den
weltlichen Dingen gegenüber, aber daran fehlt es, daß»
die sittliche Idee als organisatorische Macht dieselben
ergriffe und beherrschte. Organisatorische Tätigkeit
und Erfindung ist niemals die Stärke des jüdischen
Geistes gewesen. Mit voller Offenheit und Wahrhaftig-
keit berichtet die Bibel nicht bloß von dem Heranziehen
fremder Bauleute zur Herstellung des Tempels, sondern
höchst charakteristisch, daß die erste organisierende Ein-
richtung zur gedeihlichen Teilung der Arbeit dem Rate
eines Fremden (Jithro) verdankt wird. In der Herstel-
lung einer sozialen Lebensordnung hatte die älteste Ge-
setzgebung einen glänzenden Anlauf genommen; die Acker-
verteilung mit dem Ausschluß einer dauernden Verarmung
einer Familie ist ein unvergleichliches Denkmal von Weis-
heit und Fürsorge; aber schwerlich ist sie jemals voll-
kommen realisiert worden, und noch weniger ist ein Fort-
bau der Institution mit den veränderten und erweiterten
Verhältnissen wahrzunehmen. Wenn Jeremia, dieser gei-
stige Riese in einem Geschlecht von Zwergen, es dahin
bringt, die Sklaven frei zu geben und damit die Gesell-
schaftsordnung auf eine höhere Stufe zu erheben, so steigt
die Masse bald wieder von derselben herab. Für das
rabbinische Zeitalter kann man geltend machen, daß mit
IV. D . ■ ler Bittliobkeit
. Versen wind eil des eigenen Staatslebens die Macht
und Gelegenheit zu einer selbständigen Kulturgestaltung
und Gesellschaftsordnung ebenfalls dahin ist. Daher nur
Ordnung, Wohltätigkeitsübung, Familienbezie-
hungen, Verhältnis von Lehrer und Schüler. Alles fein
durchdacht, zart ausgebildet and mich fest geordnet;
während aber die geistige Einheit der Gesamtheit
fordert und der Kulturgehalt des Individuums erstrebt
wird, fehlt es an der Ordnung der Gesellschaft und
des öffentlichen Geistes. Dal es aber im innersten
Grunde d sung des sittlichen Grundgedankens,
Übergewicht des Persönlichen, das innerlich Moralische
ist, welches jene Lücke hervorbringt, dies erkennt man
ans dem ähnlichen Verhältnis innerhalb des Christentums.
War den .luden d atsleben durch Gewall entrissen,
so hat da I " b \ in demselben freiwillig ah-
let Der ] ; war der gleiche, und er wird von
Bücken treffend charakterisiert. i. anschannn
Her I >enl 3. 186 ..1 >ie Arbeit an dem Sach-
alt der Dinge, d bändliche Wirken, die Kultur
mg kommen nicht zur vollen Entwicklung
und Schätzung. I1 »er wird auch zur Einbuße für
da inliche Leben selbst, indei i -'dir auf die
•i Hin/einen zu I Inen I hränkt
wird, zu ■ allgemeinen Verhältnisse, di< 1 1
und Kulturarbeit er Da Q hichte
itlich vor Augen. Bei aller kirch-
Das soziale Problem. 349
liehen und hierarchischen Machtentwicklung war es viel
zu wenig bemüht, den Geist seiner neuen Welt in die
allgemeine Ordnung der Dinge einzuführen. Als das
Christentum den Sieg über die alte Welt davongetragen
hatte, hat es keineswegs versucht, die Gesellschaft als
Ganzes neu zu errichten. Bei aller Aufrufung der Ein-
zelnen zur Mildtätigkeit, bei aller Arbeit gegen Not und
Elend blieb das Erfassen des sozialen Problems als eines
Ganzen der Neuzeit vorbehalten. Nicht das Christentum,
sondern die moderne Humanität hat die Sklaverei als
gesellschaftliche Ordnung aufgehoben. Bei aller Empfeh-
lung friedfertiger Gesinnung hat das Christentum den
Kampf gegen den Krieg als Einrichtung des Yölker-
lebens noch immer nicht mit Nachdruck aufgenommen.
Ja selbst den Verhältnissen von Mensch zu Mensch droht
eine einseitige Gestaltung, indem die geistige Arbeit nicht
voll in die Aufgabe eingeschlossen wird. Die Liebe und
Fürsorge nimmt eine vorwaltende Richtung auf die
Elementarbedingungen der physischen Existenz und geht
oft gleichgültig, ja hart hinweg über die inneren Kämpfe
des zur Wahrheit und Weite eines Weltlebens aufstre-
benden Geisteswesens."
Wir haben heute in einer Ethik des Judentums nicht
mehr die einzelnen Rechtsgesetze oder das Rechtssystem,
noch auch die auf engeren oder weiteren moralischen Er-
wägungen begründeten Polizei-, Markt- und Verkehrsvor-
schriften zu erörtern. Diese haben für uns nur noch
350 iv. Die Gestaltung iet Sittlichkeit.
einen historischen Wert, da wir in der Praxis der Ge-
sgebung des Staates und seinen Anordnungen folgen
Nur der allgemeine Rechtsgedanke nach talmudischer
Auffassung ist zu erörtern, inwiefern er das ethische
Prinzip der G btigkeit und die moralische Gesinnung
der Rechtlichkeit zum Ausdruck bringt I5ei.li'> aber, die
feine und scharte Durchbildung des Rechtes und die
strenge Einschärfung desselben, treten oft auch in den
ziellen Forderungen und Ordnungen des Talmuds her-
vor und stellt seine Urheber auf die Hohe der heutigen
Gesetzgebung.
S 503. Im letzten Grunde besteht das Lebensideal des
Rabbinismus in der möglichsten Zurückziehung aus dem
gemeinen Weltlauf, in einer gewissen Gleichgültigkeit gegen
die gestaltenden Fennen d< !' -ins, dagegen in dem
\ fbau einer Welt der Innerlichkeit, der Gesinnung,
einer unmittelbaren Beziehung des menschlichen Wollene
auf den göttlichen Willen. Deshalb wird die geistige
Tätigkeit, die Erforschung des Gesetzes, aufs hoch
d nun aber von den einen als da Wesent-
licl das Ziel. Tjry, die Tat und nicht der Gedanke
hingestellt wud, von den anderen «war das Studium l>e-
vorzugt ist, aber doch mit der Begründung, weil es zur
toten Ta' führe,' so ist oicht zu rergessen, daß die
i Kiddm j, n 10 i: i rfon und die Allen waren im Soiirr
m Nitbza im Lydda versammelt, i'a wurde ihnen
• iirsr r ■ • m i Studium «richtiger, oder ist die Tat
Gesetzstudium und Kulturarbeit 351
Tat, ntyyon, hier nicht etwa Kulturtätigkeit, Lebensgestal-
tung, Werkschöpfung, sondern eben nur Erfüllung der
einzelnen sittlichen und religiösen Gebote bedeutet. Also
nur in dem Sinne wird von der geistigen Arbeit, dem
Studium, der Lehre auf die Tat hingewiesen, daß jene
nicht eine leere und hohle Gedankenschöpfung, sondern
eine von der Gesinnung und Willensenergie erfüllte und
auf Verwirklichung des Erkannten gerichtete sein soll.
Wenn dann ferner neben dem Gegensatz von PTIÖ und
Pltyye, also Gedanke und Tat, der andere von Gesetzes-
studium und Kulturarbeit, min und FQkVö, welche sogar
vorzugsweise als Handwerk gedacht ist, auftritt, so wird
zwar das Zusammengehen dieser mit dem Studium ge-
fordert und mit aller Weltflucht auch die ausschließliche
Forschung abgewiesen, weil eben der Weltbestand und
damit auch der Bestand der geistigen Tätigkeit selbst
davon abhängig ist (Aboth II, 2 und III, 21); dennoch aber
herrscht durch lange Zeiten die Vorstellung, daß die
Früheren, welche die Besseren gewesen, das Studium als
Hauptsache, die weltliche Arbeit aber als Nebensache be-
trachtet hätten. "Di bs>v ]ro*6öi ip^ ]min vn d^wkvi.1
wichtiger? R. Tarfon hub an und sprach: Die Tat ist wichtiger.
R. Akiba hub an und sprach: Das Studium ist wichtiger. Alle
aber stimmten überein und sprachen: Das Studium (der Thora) ist
wichtiger, denn das Studium führt zur Tal. Vergl. Sanh. 74 a;
j. Sanh. III, 21 b ob. und Sifre, Debarim zu Deuter. 11, 13.
2 Berachoth 35 b. Komm und sieh! Nicht wie die früheren
Geschlechter sind die späteren Geschlechter. Die früheren Ge-
IV. nie Gestaltung der Bittliohkeit,
1 >t also der Ausbau einer inneren Gedankenwelt, die
Erfüllung und Erhebung des Geistes durch unablässige
igkeit das Ideal der Etabbinen, so kann man es nur
der Ungunst der harten und rauhen .Jahrhunderte zu-
schreiben, wenn sich beim Überblick über die Gesamt-
löpfung der Talmude und Midraschim zeigt, daß der
Gei-t der Lehrer und Meister nicht immer auf seiner
d Böhe stand, daß das. was nach ihrer e
Lehre und Gesinnung das Eöchste, was in ihrem Denken
für die wahre Veredlung der Mensehen grolj und frucht-
bar gedacht war, nicht auch das Allbeherrschende
en. Es konnte deshalb auch nicht verhindern, daß
daneben jene mit einem erstaunlichen Aufwand geisti
Kraft und Arbeit erzeugl Forschung emporkam,
welche streu- und Bcharf, aber auch peinlich und klein-
lich b< »rs die Bitualgesetze auslegte und feststellte
und die Übung derselben als Lebenstat auffaßte. 1).
,nd Peinlichkeit d< iidiums und der
rfüllung, im Sinne dir Etabbinen selbst immer
mit dei Vorzug beha et, daß dabei stets um die
Hing, um den auf Beine Gesetzlichkeit gerichteten
Willen Bich handelt, konnte die große, reine und frucht-
en die Thora bui festen Pfl bl und die
ho, und diese wie jene batle bei ihnen
schier baben die Werk i u festen
i unu die l bot i lui i vedei ,:
D II.
Gesetzstudium und Kulturarbeit. 3B3
bare ethische Gedankenwelt der Rabbinen nicht ver-
dunkeln, aber es mußte sie beengen, und hat sie tatsäch-
lich an ihrer wissenschaftlichen Ausgestaltung, besonders
aber auch an der Hineinbildung in die wechselnden und
fortschreitenden Kulturverhältnisse gehindert. Hier liegt
deshalb auch vorzugsweise die ethische, wissenschaftliche
Aufgabe der Gegenwart und Zukunft des Judentums.
Lazarus, Ethik des Judentums II.
23
15. Capitel.
Hier sind zu betrachten:
A. Der Staat.
B. Die Staaten u. Völker.
C. Die Menschheit, (Messianische Hoffnungen und
messianische Pflichten.)
Der Staat.
§ 504. Die Ethik ist keine Politik. Diese ist eine Kunst,
. wenn dir Reg« In Qu er A.usübung auf Prinzipien zurück-
Ihrt und dargestellt werden, dann wird sie zur Wissen-
schaft.
Die Politik hat vorzugsweise alle Bedingungen eines
Staates, welche durch Natur und Geschichte des Landes
und der Bewoh] geben Bind, zu beachten. Deshalb
ist für den modernen Staat und ebenso für das moderne
Judentum die Politik auf ganz andere Grundlagen
stellt, als etwa die biblischen oder nachbiblischen Zeiten
des jüdischen Altertums aufweisen.
Die Beziehung zur Ethik Lsi im ganzen Ablauf der
chichte der Mens« bheil i Ind; ja diese Be-
siehung bildet einen blichen Teil der beschichte
Der Staat. 3B5
überhaupt. Bei Aristoteles ist Politik die Hauptsache,
bei Plato wenigstens in der Form, aber so, daß seine
Ethik sich in der Tat nach der Politik, die ihm vor-
schwebt, gestaltet. Die Propheten, besonders Jeremia,
fordern, daß die Politik sich nach der Ethik gestalten
soll — (Religion und Ethik fallen an diesem Punkte zu-
sammen).
Die Politik des hebräischen Altertums ist uns gleich-
gültig; sie hat nur historische Bedeutung und kann auf
unser heutiges politisches Denken nur geringen Einfluß
üben. Was uns heute noch interessiert, sind nur die ethischen
Maximen, welche in den politischen Vorschriften jener
Zeit enthalten sind. Hier haben wir nur einzelne Punkte
hervorzuheben, z. B. die allgemeine Wehrpflicht, die
Staatsleitung ohne Geburtsaristokratie, die Bezeichnung
der Eigenschaften, -wonach die Personen gewählt werden
sollen. Eine Aristokratie der Tugend, der Tauglichkeit
und Tüchtigkeit; vor allem der Hingebung ohne Egois-
mus: JJSn *KÄW (Exod. 18, 21). Das Königsgesetz (Deuter.
17, 14—21) ist in jedem Wort zu studieren. '13 *npl )b 3Jm
Die Gesetze über Kriegführung. Wohl zu unter-
scheiden sind hier die politischen Kegeln, welche den
Zeitumständen und momentanen Zielen entsprachen, von
dem ethischen Hintergrund.1
1 Ein Anhang zu: DD"*inn mnn erscheint uns sehr grausam;
es ist Politik. Aber die Feindschaft gegen das Unsittliche der
umwohnenden heidnischen Völker mußte gestachelt werden, die
23*
IV. Pie Gestaltung der Bittliohki
" . Der Einzelne kann nicht heilig Bein,nur nachHeilig-
keit streben; v>\r werden nur vergleichsweise mit anderen
denjenigen Menschen heilig nennen, welcher nicht blolJ
ganz auf das Sittliche gerichtet, sondern ilarauf, daß seine
volle Hingebung auf die Versittlichung aller anderen
ichtet ist Auch jedes Volk soll zur Versittlichung
aller Völker beitragen.
I »ieser Begriff und die Aufgabe der Vereinigung folgt
aus dem Begriff und der Natur der Heiligkeit Belbst
Denn heilig ist diejenige sittliche Anschauung, welche
immer unbedingt das Sittliche zur Erscheinung bringen,
wirklichen will. Nun erscheint zwar das Sittliche
immer in den Pei in ihren Motiven und Hand-
lungen; in den einzelnen Personen und in den gebildeten
Einheiten, Gemeinschaften derselben Aber in dem Be-
I der Heiligkeit, der absoluten Sittlichkeit, liegl
dali es sich gar nicht bloß um die Personen, sondern
um d Sittliche selbst handelt; ob in dieser oder
I . in diesem oder jeni m Volke, ob jetzl oder in
Z ikunft — darauf komml es an, sondern daß das Sittliche
zur T • e werd das Gresetz der Sittlichkeit er-
. tr w.ir EU proß, .---.. .;,;t wvnlni,
drohte.
1« man die Kampfe und Rampl <ler
Muhammedanismus mit dii
Von i) ver 3000 Jahren. Daneben vergleiche man det
An-r.i'. i) c^nn,
- --- -: ■ •;'"."-;• einzuschiffen.
Staat und Sitcliohkeit. 357
füllt, daß die Idee der Sittlichkeit eine Eealität werde.
Darum verschwindet auf dieser Höhe der Betrachtung
jeder Unterschied von Mensch und Mensch, Person und
Person, Volk und Volk; alles ist zur Sittlichkeit be-
rufen.
Aber was der Sittlichkeit fähig, ist durch das Band
des gemeinsamen Berufes, der einigen, in allen gleichen
Aufgabe vereinigt.
Eine der vorzüglichsten Leistungen des Staates ist
die Erziehung — sowohl der Erwachsenen, wie des nach-
wachsenden Geschlechts.
Zunächst Erziehung der Erwachsenen. So wie man
von der Selbsterziehung des Erwachsenen spricht, dessen
innere Fortbildung nicht aufhören soll, so auch von Er-
ziehung der Bürger durch den Staat. Sodann Erziehung
der Kinder, nicht bloß durch die Schule, denn diese
könnte überwiegend der Technik des Lebens augehören,
sondern die sittliche Erziehung. Das Leben, welches der
Staat in seinen Funktionären und seinen Bürgern führt,
soll auch auf die Kinder erziehend wirken. Dies ist nicht
der Grund, auch nicht die Korm und Richtschnur für
die Politik; diese ruhen in der politischen Idee selbst.
Aber als ein Erfolg, welcher mit dem Staatsleben ver-
knüpft ist, muß auch diese Erziehung betrachtet werden.
E3 verhält sich damit genau so, wie mit dem sittlichen
Leben der Eltern und Lehrer. Sie wirken auf die Kin-
der durch das Beispiel. Um es kurz zu sagen: Sie sollen
IV Die Gestaltung der Sittlichkeit.
Dicht deshalb der sittlichen Idee folgen, BOndera weil
lichkeit ihre Pflicht ist; über es wächst ein starkes
und würdevolles Motiv hinzu, daß sie Vorbild der Kinder
sein sollen.
Das Verhältnis von Staat und Rocht.
506. Wohl ist Recht ein integrierender Teil des Staats-
lebens, die Staatsidee ist von der Jdee der Gerechtig-
keit untrennbar. — Aber nicht das Recht, die Idee des
Rechts, hat dem Staate zu dienen, sondern der Staat hat
Idee des Rechts zu dienen
Gerechtigkeit ist der ideal»' Zweck, und die Form de-
Staats nur das Mittel zu seiner Verwirklichung.
Die Wechselwirkung von Staat und Recht. Das Recht
darf — auch im Staatsinteresse, zu seinem Nutzen nicht
. t werden. «U Eönn PIpS (Proverb. 14, 34). Das
Eöl iD ist zu urgieren.
Audi in der „Verwaltung" muß Gerechtigkeit herr-
•II. obgleich sie nicht immer kodifiziertes Recht ist
Der Staat ist weitaus Dicht bloß eine Rechtsgesellschaft,
P er hat die Pflicht, dem Rechte zu dienen, indem
er nicht bloß was Rechtens ist zur Ausführung bringt
die Exekution des Rechts als einen Teil der Re-
erung ausübt . dem da die erste Schöpfung des
!:■ ;• ••■ überall vorangeht, hat er für die
Erhaltung und Portbildung d< Rechts zu sorgen.
^ das B • bewußtsein, die Rechtsbegriffe und
Nation als Einheit. 359
ihre Anwendung auf die gegebenen (oder neu auftauchen-
den) Verhältnisse sich im Volksgemüt, im öffentlichen
Geiste — vielfach unter Führung der wissenschaftlichen
Denkarbeit — entwickelt, hat der Staat für die Hinein-
bildung dieses Bewußtseins in die Institutionen oder die
Ausbildung dieser und der Gesetze aus jenem zu sorgen.
Nation als Einheit.
§ 507. Schwabe und Ostpreuße sind schwer zusammen-
zuzählen, aber die Gemeinsamkeit des nationalen
Handelns muß die Grundlage der Einheit bilden. Die
Einheit und ihre steigende Bedeutung ist eine ethische
Forderung, welche jedoch die Mannigfaltigkeit nicht
aus-, sondern umschließt.
Der Wert der Institutionen ist, — durch ihre Dauer
und weil sie in der Folge dem Individuum vorangehen,
es in sich aufnehmen und ausbilden — nach „Syn-
thet. Ged." und das Verhältnis des Individuums nach
„Einzeln und Gesamtheit" zu geben.
Die Institutionen sind allemal nur Mittel zum eigent-
lichen Zweck, können daher auch wechseln. Aber der
Talmud ist überall praktisch; darum faßt er die Aufgabe,
TOD, überall individuell: (wie in TOST1 ]ö ttTlsn b»,
Abot IV, 7).
Eigennutz, Parteiung auf Gegenseitigkeit führt
zur Willkür und zur Anarchie, denn es ist gegen die
360 IV. Die Gestaltui Ltttidhfc
Wahrhaftigkeit in der eigenen l berzeugung. S. Tosef-
tha Sota, Perek XIV, 7: Die Politik ist korrumpiert
Vaterland An dem Pflichtkrieg, d.h. Krieg fürs
Vaterland □ alle teilnehmen, selbst der Bräutigam
und die Braut. S. Sota, Mischna VI II, 7.
Staat und R egierung.
§ 508. Die politischen Ansichten waren bei den Rabbinen
aul' Grund verschiedener Tatsachen und Erfahrungen
bereits ebenso verschieden wie heute bei den historischen
Politikern, die über einen so viel reicheren Schatz von
Tatsachen verfügen. Die einen meinten: Jedes Volk ist wie
Beine Regierung, jede Gemeinde wie ihre Führer; die
anderen meinten: jede Regierung ist wie ihr Volk. R. Jo-
chanan aber im Namen des R. Simeon b. Jochai war der
Ansicht: die Verantwortung trifft beide gleich Behr; ist
die Regierung schlecht, muß das Volk eintreten, ist das
Volk schlecht, muß der Fürst eintreten. S. Arachin 17'.
V olkswil le.
509. Wenn man auch die Macht hat, eine Be-
hörde in der Gemeinde einzusetzen, soll diese Dicht
ohne Vorberatung mit der Gemeinde edi t werden.
h>. Berachoth B5a. R. Jizchak hat gesagl Mau setzt
über die Gemeinde kein. Behörde ein, ohne daß man
h mit der Gemeinde beraten hat; denn es heiLt (Exod.
31. Bj n7W\ siehe, ich hal • mil Namen berufen bezalel"
Volkswille. 361
(Raschi: !"tK"), siehe, bedeutet: Ist es so in deinem Herzen?
Eichte dein Auge auf die Sache). Der Heilige, geb. sei
er! sprach zu Mose: Mose! ist dir Bezalel recht? Er
sprach, Herr der Welt! wenn er dir recht ist, um wie-
viel mehr mir! Er aber sprach zu ihm: Gleichwohl sage
es ihnen (den Israeliten). Mose ging und sprach zu den
Israeliten: Ist euch Bezalel recht? Sie sprachen zu ihm:
Wenn er dir und dem Heiligen, gebenedeiet sei er! recht
ist, um wieviel mehr uns?
In bezug auf den — ethischen — internationalen Zu-
sammenhang der Kultur der Völker können auch die
modernen Staaten auf den Mahnruf der Rabbinen hören.
„Durch den Segen, den die Leute von Sodom aus der
Hand Gottes empfangen, haben sie sich überhoben ("Ifcoru
= der griecli. ußpi$). Sie sagten: Unser Land hat
Silber, Gold und Edelsteine, wir brauchen den Verkehr
mit Fremden nicht, wir wollen die Wege zu uns ver-
gessen machen. Da sagte Gott: Ich will die Wege zu
euch und euch selbst vergessen machen." S. Toseftha
Sota, Perek III, 11.
Also gegen egoistische Abschließung vom Völkerverkehr.
Menschheit und Messianische Hoffnungen.
Allgemeines.
§ 510. Irgend ein Gedanke einmal gedacht, ist eine voll-
zogene Tatsache, eine geistig-reale Erscheinung; sie kann
iy D iltnng der Sittlichkeit.
niemals vernichtet werden, so wenig wie ein materielles
Molekül vernichtet werden kann.
Die Tatsache des Geistes mit Beziehung auf: vordem
Geschehen, während des Aktes und nach demselben.
Inhalt und Tat. objektiv und subjektiv.
1 objektive Wahrheiten, ewige, wahre Inhalts sind schon vor,
außer und nach allem Denken. S. Ideen in der Geschichte.
Bin objektiv gewordener Gedanken-Inhalt kann in die
subjektive Tätigkeit wieder eintreten; dies ist Kontinuität
des Geistes.
Was im früheren Dasein des Geistigen in der Tätig-
keit als [nhalt Wert hatte, was den inneren Bestand im
Individuum oder in der Volksseele ausmacht, das muß
auf der Schwelle des Bewußtseins bleiben. — Die Schwelle
Bewußtseins in der Volksseele!
| 511. Tm Gymnasium von Kyno wo auch die
Fremden Zutritt hatten, ist für (i riechen mit Ani
thenes von Athen — anfangs Schüler des Gorgias,
ter <]<■* Sokrates — der erste Gedanke der Mensch-
heit entstanden. Sowohl Beine Ansicht vom Welt-
bürgertum wie von der Binheil Gottes im (iegen-at/. zu
i hellenischen Götterglauben, erhielt durch ihn be-
A isdruck und .schai' l i mulierung. Aber
h früher, chon in Ägypten, war ■ ■ I rael, das unter
mden Volk«- dei Begi ii i M< d chheit findet1
' Der Begriff der Menschheit spiegelt sieh in der Ulmuditchen
e Sanhedrin 88bft Et Meli pflegte zu Der Staub,
Das letzte Ziel. 363
§ 512. Wir wissen alle, daß wir wenig zur Herbeiführung
des letzten Zieles beitragen können. Aber mit unserer Teil-
nahme, mit unserem Denken und Gefühl können wir uns
der Betrachtung desselben hingeben.
Es gibt für das menschliche Gemüt keine edlere Be-
schäftigung; das würdevollste Denken, die erhabenste
Poesie. Der ganze innere Mensch wächst mit seinem
Gegenstande; aus den Niederungen des alltäglichen
Lebens mit seinen kleinen Sorgen, engen Nöten, Be-
friedigungen und Genüssen usw. soll und kann der Mensch
sich erheben, sich als Glied eines Ganzen, dann des wahr-
haften, des menschheitlichen Ganzen fühlen und wissen.
Gehört nicht Hoffen, Sehnen, Planen zum gedeihlichen
Leben, müssen wir nicht, was geschaffen, was erlebt werden
soll, vorher im Herzen tragen, und ist solches Hoffen nicht
beglückend, erhöht es nicht unser Wesen und mehrt unsere
Kraft? So soll denn auch jeder als Mensch, als Glied der
Menschheit diese letzte höchste menschliche, menschheit-
liche Hoffnung zu seinem Trost und Heil im Herzen tragen;
solches Hoffen ist göttlich, ist das wahrhafte Hoffen auf
Gott: DnBttD "DK lty* PD lS,!:rr 1 Mpl (Jesaia 40, 31).
aus welchem der erste Mensch gebildet wurde, war aus der ganzen
Welt zusammengescharrt; denn es heißt Ps. 139, 16: „Meinen
Urstoff sahen deine Augen", und Sacharja 4, 10: „Die Augen des
Ewigen schweifen über die ganze Welt hin." R. Oschaja im
Namen des Rab s>e: Der Rumpf des ersten Menschen war aus
Babel, sein Kopf aus dem Lande Israel und seine Gliedmaßen aus
den übrigen Ländern. D. H.
3o4 IV. Die Qeitaltong der Sittliche *
Die natürliche Verl inigung soll zur ethischen werden.
Sowie die reale Einheit der Person zur idealen vermöge
ihres harmonischen Gehal erden boII, bo ist auch das
Volk von Natur uns eine Einheit, welche aher erstens
bewußt, zweitens durch Gehalte, drittens durch Organi-
sation zur idealen Einheit werden soll; was von Nätui
und von Baus aus *U, soll \ff\lp 'U werden. Schließlich
die Menschheit Sie ist eine Einheit, abei noch wichti
ist, Bie soll es im höheren Sinn (bewußt nach Gehalt und
anisation zu gemeinsamem Werke) werden. Mensch
sein und Mensch werden. — Siehe den Abschnitt über
Ehre.
Die Vervollkommnung des Menschengeschlechts ist
iflgend in den messianischen Hoffnungen und den da-
raus sich ergebenden Verpflichtungen ausgedrückt; der
mild lehrt aber auch aiisdi ücklich die lYrlektihihtat
des Einzelnen, welche auch nicht mit diesem Leben ab-
schließt, sondern auch im zukünftigen Leben in alle Ewig-
keit (weil sie eben unendlich ist . I tdauert S. Bo-
gen Ende. EL Levi bar Ühija hat gesagt:
'A i :•;- dem Bethan e in das Lehrhan geht und Bich
mit der Thoi beschäftigt, wird würdig sein, das Antlitz,
der Schechina i < rottheit i zu begi ußen ; denn es heißt I Psalm
^le wallen von Kraft ZU Bj aeimn vor
bt in Zionu. Et Chija bar Aschi im Namen Etab's
hat gesagt: Die Jünger der Weisen haben nichl Eluhe,
..t in Welt und nicht in der künftigen Welt;
Idee der alten messianischen Prophezeiung. 365
denn es heißt: „Sie wallen von Kraft zu Kraft, erscheinen
vor Gott in Zion".
Idee der alten messianischen Prophezeiung.
§ 513. Hier liegt der Vorzug der alten messia-
nischen Prophezeiung, daß sie den Menschen, lange
bevor er durch frühere Stufen zur Realisation der Idee
der Gesamtheit herangereift war, schon auf das letzte
menschheitliche Ziel hingewiesen. Die allgemeine Friedens-
idee — über dem landläufigen Patriotismus stehend —
hat hier schon Wurzel geschlagen. Sie birgt in sich
(und macht energisch wirksam) den Gedanken, daß die
Friedensidee nicht einen Gegensatz gegen den Patriotis-
mus, sondern die wahre Vollendung desselben ausmacht.
Der landläufige Patriotismus ruht auf der Voraus-
setzung des Gegensatzes, Widerstreites, "Wetteifers zwischen
den Völkern (um nicht von Herrschsucht, Prestige usw.
Handelsausbeutung usw. zu reden!); die messianische
Friedensidee lehrt, daß die Völker gemeinsam wirken
sollen, wie innerhalb des Staats die Städte, die Provinzen.
Wahrhaft patriotisch sein heißt: den eigenen Staat zum
wirksamen Gliede in der Gesamteinheit der Menschheit
erheben.
Vorbereitungen waren: Universalmonarchie, Welthandel,
Wissenschaft, besonders die praktische, erfindungsreiche
Wissenschaft, Geographie, das Kennenlernen der ganzen
Erde und aller Menschenstämme.
36fi IV. Die Gestaluu äittüohk«
i iverselle Zusammenschließung ist kein Phantom.
Die Gegenwart bat mit dem Erlbig für eine große Zu-
kunft die Tatsache erlebt, daß die ganze gebildete Welt
jenseits wie diesseits des Ozeans von einer Frage der
Gerechtigkeit erregt, bewegt erschüttert war, als ob es
sich um das eigenste Schicksal jedes Einzelnen und jedes
Landes handelte. Der Sieg der Gerecbtigkeit ist durch
das Bewußtsein aller redlichen Franzosen und aller Men-
schen, welche für den Gedanken einstehen, daß „Recht
muß Recht bleiben" gewonnen. Derjenige, um dessen
Recht gekämpft wurde, ist zum Märtyrer geworden; in
seiner Person wiederholt'- sich das Schicksal Israels.
Wie oft ist es zum Märtyrer für die messianische Idee
geworden?1
Für die Überzeugung, daß erst in der Zukunft, bei
'. • -ihr- in und lieberollem Zusammenschluß der Men-
. der Stämme, der Völker, der Staaten die Erlö-
sung kommt, die me88iani8Che Idee sich erlullen wird; in
der Zukunft, wenn die Worte Recht, Liebe nicht blo
Lippenwerk, nicht bloß leerer Hauch und Rauch bleiben,
sondern fuhrende Kraft in den Herzen sein werden! —
1 Die Affare l>r»-ylus isi ein mettianischei Erlebnis.
Nachträge.
Zu Seite XVIII.
Wir geben das der Darlegung1 zugrunde liegende Stück im Zu-
sammenhange: Dorl (Kelim V, 10) haben wir gelernt: Wenn man
ihn (einen Ofen) aus Ringen zusammengefügt hat, indem man
zwischen die einzelnen Ringe Sand tat.1 R. Eliezer erklärt ihn für
rein (unempfänglich für Unreinheit), die Weisen für unrein. Und
dies ist der Ofen des Achnai OiODJ?). Was ist \X33J?? R. Jehuda
im Namen des Samuel hat gesagt: Sie haben ihn mit Worten um-
kreist wie diese Schlange (welche einen Kreis bildet, indem sie
den Schwanz in den Mund steckt) und haben ihn für unrein er-
klärt.2 — Wir haben in einer Baraita gelernt: An jenem Tage
brachte R. Eliezer alle nur möglichen Einwendungen vor, sie nahmen
sie aber nicht von ihm an. Er sprach zu ihnen: Wenn die Ha-
lacha ist, wie ich behaupte, so möge dieser Johannisbrotbaum es
beweisen. Der Johannisbrotbaum riß sich von seiner Stelle los
hundert Ellen weit, nach anderen vierhundert Ellen weit. Sie aber
sprachen zu ihm: Man bringt keinen Beweis durch den Johannis-
brotbaum. Darauf sprach er zu ihnen: Wenn die Halacha ist, wie
ich behaupte, so möge es die Wasserleitung beweisen. Die Wasser-
leitung ging rückwärts. Sie sprachen zu ihm: Man bringt keinen
1 Der gewöhnliche Ofen glich einem irdenen Topfe und nahm
als beweglicher Gegenstand, als Tongefäß, (levitische) Unreinheit
an. Bei dem aus einzelnen gebrannten Tonringen durch Dazwischen-
tun von Sand hergestellten Ofen entsteht die Frage, ob er als Ge-
fäß zu betrachten ist oder als eine Art Bauwerk.
2 Tosafoth bemerken: Vielleicht hieß der Verfertiger des Ofens
Achinai.
ige.
Beweis durch <li'' Wasserleitung', Dann sprach er zu ihnen Wenn
die Halacha ist, wie ich behaupte, so mögen es die Wän
Lehrhauses beweisen. Dir Wände des Lehrhauses neigten sich,
um lusammenzustürzen Da riel EL Josua sie Bcheltend an. Er
sprach zu ihnen: Wenn die Jünger «1er Weisen in der Halacha
mit einander um den Sieg ringen, was habt ihr damit su tun? Sie
stürzten nicht zusammen wegen der tlire des I!. Josua, und sie
richteten Bich nicht wieder auf wegen der Ehre des It. Eliezer
und so stehen sie noch immer geneigt Darauf sprach er zu ihnen :
Wenn die Halacha ist, wie ich behaupte, so mö:;e vom Himmel
her «1er Beweis kommen. Eine Tochterstimme ging aus und sprach:
Was seid ihr neben R. Eliezer, überall ist «he Halacha, wie er
behauptet. Da stellte sich H. Josua auf seine Füße und sprach:
„Sie ist nicht im Himmel" (Deuter. 30, 12). Was bedeutet „Sie
ist nicht im Himmel"? R. Jirmija hat gesagt: Langst ist die Thora
vom Berge Sinai her gegeben worden. Wir achten nicht auf eine
Tochlerstimme, denn längst hast du am Berge Sinai in der Thoi i
[Exod. 23, geschrieben: „Nach der Mehrheil ist (die Entschei-
dung) zu neigen." — H. Malhan traf den Elia. Er sprach zu ihm:
Was tat der Heilige, gebenedeiet sei ei ! in jener Stundet Dieser
ich zu jenem: Er lachte und sprach: Besiegt haben mich meine
Kinder! besiegl haben mich meine Kinder! — Man sagt: An jenem
rage brachten sie alles, was R. Eliezer für rein erklärt hatte, und
verbrannten es und taten sich seinetwegen zusammen und taten ihn
in den Bann und sprachen: Wer soll hingehen und es ihm melden?
Da Bprach R Akiba zu ihnen: Ich will gehen; es könnte ein un-
würdiger Mensch hingehen und es ihm kund tun, und es hätte die
Folge, daß et die ganze Well zerstört Was tat er? Er legte
schwär: G «fand und einen schwarzen Überwurf an und
vor ihn in einer Entfernung von vier Ellen. Da sprach
, R I ezei zu ihm: Was ist heute an. iers als sonst? Dieser sprach
zu jenem Ra , es scheint, daß die Genossen sich von dir ab-
lern. Da zerriß auch jener seine Kleider und .
. i!> und ließ sieh nieder und setzte sich auf die Erde. Beine
:. rränen. Die Well wurde von einer Plage ge-
d Drittel an den Oliven, ein Drittel am Weizen und ein
Nachträge. 369
Drittel an der Gerste, und einige sagen: Sogar der Teig in den
Händen der Frau ging in Gärung über. In einer Baraila haben
wir gelernt: Großer Zorn war an jenem Tage; jeder Ort, auf welchen
R. Eliezer sein Auge richtete, verbrannte. Auch war R. Gamliel1
(an jenem Tage) auf einem Schiffe. Eine Meereswoge erhob sich
gegen ihn, um ihn zu versenken. Er sprach: Es scheinl mir, daß
dies nur wegen des R. Eliezer ben Hyrkanos geschieht. Er stellte
sich auf seine Füße und sprach: Herr der Well! offenbar und
bekannt ist vor dir, daß nicht für meine Ehre ich es getan habe
und nicht für die Ehre meines Vaterhauses ich es getan habe,
sondern für deine Ehre, damit der Streit sich nicht in Israel häufe. D. H.
Zu dem Worte mtJ^ auf der Titelseite 249.
Siehe Kidduschin 8, 40 Mischna: Wer Teil hat an der Schrift,
an der Mischna und an der guten Sitte, sündigt nicht leicht, denn
es heißt (Koheleth 4, 12): „Der dreifache Faden reißt nicht leicht";
wer aber weder an der Schrift, noch an der Mischna, noch an
der guten Sitte Teil hat, gehört nicht zum nw\ zur bewohnten
(zivilisierten) Welt. Dazu die Gemara: R. Jochanan hat gesagt:
Und er ist untauglich, Zeugnis abzulegen. Unsere Rabbinen haben
gelehrt: Wer auf der Straße ißt, siehe, er gleicht einem Hunde.
Und einige sagen: Er ist untauglich, Zeugnis abzulegen. R. Idi
bar Abin hat gesagt: Die Halacha ist wie „einige sagen". Bar
Kappara hat gelehrt: Der Jähzornige hat nichts als seinen Zorn, den
guten Menschen aber läßt man die Frucht seiner Taten schmecken,
und wer weder an der Schrift, noch an der Mischna, noch an der
guten Sitte Teil hat — gelobe, keinerlei Genuß von ihm zu haben
(gib den Umgang mit ihm auf), denn es heißt (Psalm 1,1): „Und
wer an dem Sitz der Spötter nicht sitzt". Sein Sitz ist ein Sitz
der Spötter. D. H.
Zu Seite 289.
Die Stelle Aboda zara 3b lautet vollständig: Zwölf Stunden hat
der Tag; in den ersten drei Stunden sitzt der Heilige, gebenedeiet
1 Der derzeitige Nasi.
24
Lazarus, Ethik des Judentums II.
370
er! und beschäftigt sieh mit «Irr Thora. In <len zweiten (drei
Stunden sitzt er und richtet die ganze Welt. Sobald er Bieht,
«lic Welt der Vernichtung sieh schuldig gemacht hat, steht
er aut vom Throne des (strengen) Rechts und Betzt Bich aul den
rhron drr Barmherzigkeit. In den drillen (drei Stunden) sitst ei
und versorgt (ernährt) die Welt von den Hörnern dei
ReSmim (Büffel) an bis zu den Eiern der Lause. In den vierten
• t er und spielt mit dem Leviathan, wie es I
(Ps. 104,26): „Der Leviathan, den du gebildet habt, um mit ihm
zu spielen." D. II.
Zu Seite 294.
Die betreffende Ste ich. S1 lautet: Raba sprich zu Baphram
har Papa: Möge uns der Herr doch eins von den vortrefflichen
Worten sagen, die du im Namen des Hab Chisda betreffs des Ver-
sammlungshauses (Gebet- und Lehrhauses) gesagt 'iasl- ''-r ri,il~
wortete ihm: So hat Hab Chisda gesagt: Was heiüt, was
schrieben steht (Ps. 87. 2) „Es liebt der liwige die Pforten Ziona
vor allen Wohnungen Jakol s"? (I»as will sagen): Es liebt der l.v.
«he Pforten, die durch die Halacha ausgezeichnet sind, mehr als die
1 ■ ■ j-)häuser und die Lehrhäuser. I». II.
Zu Seite 304.
Der Wortlaut dei AJlegorie in Mi<lr. Bammidbar r. 30, 12 zu
Numeri 23, 1" ist dieser: „Und ihr Sollt euch am ersten I
nehmen du- Frucht des schönen BaumeB (Elbrog), DattelpaJmzweige
und .Ute vom dichtbelaubten Baume (Myrlhen) und Bachweid<
,,l»ic Frucht ii Baumes." Wie der Elhrog Wohlgeschmack
t io.l, so gibt es unter den Israeliten Mensehen,
l r.i und gute w.rk.' haben. „Dattelpaln " Das
•<-n. Wie nämlich diese Dattel Wohlgeschmack hat,
i er nicht Wohlgeruch, so gibt es untei den Israeliten die
• i baben, .i >ei nicht kui<- Werke I n I Lsle vom dicht-
belaubten Baume.' Das sn..; die lsra< ilerj Wie die Myrthe Wohl-
omack, s es untei den Isra-
ite w erke habt n, aber nicht I bora. ,,l od
Nachträge. 371
Bachweiden." Das sind die Israeliten. Wie diese Bachweide weder
Wohlgeschmack, noch Wohlgeruch hat, so gibt es unter den Isra-
eliten Menschen, die weder Thora, noch gute Werke haben. Was
macht nun der Heilige, gebenedeiet sei er! mit diesen? Sie zu
vernichten — das geht nicht an. Sondern der Heilige, gebene-
deiet sei er! spricht: Sie alle sollen zu einem Bunde zusammen-
gebunden werden und die einen die andern sühnen. Wenn ihr
nun so tut, so werde ich in jener Stunde erhöht. Das besagt das
Schriftworl (Arnos 9, 6): „Er baut im Himmel seine Söller". Wann
wird er erhöht? Wenn sie zu einem Bunde werden, wie es
(weiter das.) heißt: „Und seinen Bund hat er auf der Erde ge-
gründet". Deshalb schärft Mose den Israeliten ein: „Und ihr sollt
euch am ersten Tage nehmen" usw. D. H.
I.
Namen- und Sachregister.
Von den Herausgebern.
(Die einfachen Zahlen bezeichnen die Seiten, die vorgesetzten Nummern
die Anhänge.)
Aberglauben 17.
Abneigung-, natürliche gegen alles
Fremde, Unbekannte 277.
Aboab, seine moralisch- religiöse
Enzyklopädie 259.
Aerzte und ihre Praxis in rabbin
Zeit 324.
Affekte, was sie sind 31.
— heftige, wie sie sich äußern 84 ff.
— ihre Beherrschung 78.
Agrikultur 196.
Allgemeinheit des Gesetzes 343.
Allgemeine, das, Streben und Wir-
ken für dasselbe 340.
Angst 85.
Anslandsregeln, ihre Mannigfaltig-
keit 314.
Antagonismus zwischen Individuum
und Gesamtheit 301.
Anteilnahme der Masse am Stu-
dium 12.
Arbeit, alle, ihr Gleichwert 197.
— aus reiner Hingebung an die
Idee, nicht um des Gewinnes
und Genusses willen 96.
Arbeitsleistung und Menschen-
würde 280.
Arbeit und Muße 7 7.
— ihre Wertung bei den Rabbinen
96.
— Würde derselben 196.
— geistige, was ihr Zweck 191.
— die von der Frau gefordert
wird 189.
Arbeitgeber und Arbeiter 285.
Arbeiter und Arbeitgeber 285.
Arbeitspflicht, wem sie gilt 189.
Arbeitsteilung 187.
Arme, wer berechtigte sind 234.
— achtfache Bezeichnung derselben
in d. heil. Schrift 226.
— Verpflichtungen gegen sie 2 1 3.
Armenrecht 234.
I. \ hu.'],- Ullil
\- & in Talmund l
aufdrängen von Waren an den
Verkäufer verpönt : i 2 2 .
Auflehn • gendieAutoi läl 3 1 1.
Ausdauer 99, 3K».
Ausgelassenheit 9
Aussprache, deutliche, als forn
nent für scharf bestimmtes
Denken
lt
Bekehrte] , ihn nicht an seine
früheren Sünden erinnern 311.
Belohnung des Guten 1 1 9 f.
ehmen, rücksichtsvolles 314.
Bi rufsarbeit und ihre Ethik 1 S8.
tläftigung, ideale, wovon sie
befreit 195 £
Beschämung, Belbst die des Sün-
is verboten 149.
— des Nebenmenschen 148.
Bescheidenheil 1 1 1.
— gegen wen sie besonders zu
üben ist 151 .
rili i_'M.
- im jüd. und moral.-rebf
. Sinn" ü'it'» f
desselben
137.
i/'-r, •■ im moral.-reli*
•
nen gilt 2"^ i.
Bildung, halbe L<
— und Wissen L96
— l>r<> luküve und unproduktive
104 ff.
— formale, ihr Werl ,;.
— ihre Verflachung bei den ojberen
- bichten I04f.
BUligkeil 211 f.
BÖSeS, woraus es folgt 93.
— sein Ursprung 82.
Buße 116 f.
I harakter, s \\ i Ben 29 f.
subjek. Seile desselben 30
sitllicherfundWohlwoUen 305 1
I>
Dankbarkeil 235 1.
Demut 1 1 1
— ihr Lobpreis I l l l.
— gilt bei den Babbinen höher
I I ipfer 1 15.
I lenken, scharleB, bestimmtes, prä-
zises, wird gepriesen I
Deutung, al • u Stelle der
wörtl. Briählung 16,
Dienerschaft und ihre Behandlung
280.
— und II eidi
Pflichten 281
hienst und G 8 I.
Dienstleistung und Menschenwürde
280.
I. Xainen- und Sachregister.
375
Dienslleute , ihre Behandlung und
Forlbildung- 284.
Dreiling (Zunge) 216.
E
Egoismus, wie er zu unterscheiden
83.
— natürlicher und die Gesamtheil
305.
Ehe, ihr Zweck 265.
— die rechte 266.
Ehen, wie sie früher geschlossen
wurden 267 f.
Ehre, ihr Wesen 218.
— die der Gemeinschaft 218.
— Gottes 218.
— in ihrem Wesen offenbart sich
die geistige Gemeinschaft 218.
Ehrfurcht 100.
Ehrgeiz 86.
Eid, wras er ist und sein soll
328 f.
Eifersucht 161.
Eigennutz, wie er wirkt 344.
Eigensucht 85.
Eigentumsrechte , Beschränkung
derselben 34 3 f.
Eigenwille gegenüber der Autorität
344.
Einfälle und ihre böse Folge 361.
Einheit, sozialer Begriff derselben
260.
— der Ideen 92.
— des Sittlichen, objektive 239.
Einsicht, ethische 124.
Einzelner und das Ganze 175.
— worauf sein Streben gerichtet
sein muß 356.
— sein Einfluß auf die Gesamt-
heit 108.
Eitelkeit 85, 147.
Eltern, ihr Anteil am Erziehungs-
werke 293.
Energie 53.
— Anspannung derselben 54.
— positive 53 f.
-- sittliche 91.
Entschluß 69.
Entwickelung des sittlichen Men-
schen 18 ff.
Erlösung, wann sie kommt 366.
Erkenntnis und Gesinnung 11.
— Gottes, metaphysische 10.
— ethische 11. 19.
— philosophische 10.
Erziehung 273.
— und Staat 357.
— die hebräische Sprachform da-
für 108.
— die der Enkel 274.
— die des Weibes 274.
— Fürsorge in derselben 107.
— ihr Zweck 106 f.
— .und Fortbildung 294.
Erziehungslehre, rabbinische 291.
Erziehungsschule im Gegensatze
zur Lernschule 293.
Erziehungsvorschriften an die Mül-
ler 275 f.
Ethik, wechselnd im Ablauf der
Geschichte der Menschheit 354.
76
I Namen- und Sftchret:.
Ethik, praktische, ihre Notwendig-
keit 101.
in der Berufsarbeit bx.
>ier Juden, mittelalterliche, ihr
Charakter 134.
— der jfldischen, fehlt die meta-
physische Begründung XXVIII.
ihre Fortbildung durch den
Talmud 281 f.
— ihre letzten inrl.ijihysist.hen
Prägen und Gründe XXIX.
— die des Judentums, eine
seheinung des Gesamtestes
XXXI
• die des Judentums, ist keine
Güterlehre XVI II f.
— warum in der jüdischen Lite-
ratur so laiKe keine zustande
gekommen IX £
— und Naturwissenschaft 1 7 1 ll'.
— und Politik 35 1.
— nicht bloß Pflichtenlehre, son-
dern auch Tugendlehre 19.
— und Verkehr 31 B.
— jüdische, und die Schwierig-
keiten ihrer Itcarbeitun- X\ll.
als Wissenschaft 25 iL S
— der Wohltätigkeit braucht sich
im Judentum nicht zu Indern
Ethisches, Kern und («ehalt des-
en sind zu 1 1 n t •
W.W.
>nismus 138
utionstheorie im i ntersd 1
zi- mismua 154.
Familie 259, 26»'. 1.
— ihr Begrifl 258.
- ihr Bestand 258, 262.
als Ganzes 2 6 7 f.
— Züchtigkeit in derselben l 12.
Feind 213.
Feindschaft, grundlose 23b f.
— was sie schwinden macht 213.
Formen der Vereinigung (des Zu-
sammenschlusses) 2 ."» 7 f.
Fortbildung, die, unentwickelter
Kinder im Jenseits 29
Forlschritt, moralischer 226 ff.
Frau und Arbeitspflicht 18'J.
Frauen und ihre Behandlung 268.
— ihr Anteil am ErziehungswerL
3.
— ihr Beruf und VofSUg in der
Erziehung 273.
— und ihre Stellung 268 f.
— ihr Putz 13.
— im talmud. Zeitalter 270.
Freiheit, ihr llafl 61.
— durchs Gesetz 7 1
und Mechanismus, keine Wider-
sprüche 6 1.
innere und äußere 58.
innere Bl.
sittlich.- 58 i.
— schlimme Formen derselben (>7.
— ihre -, he Beding
Preiheitssuchl v
I. Namen- und Sachregister.
377
Fremder, seine Behandlung 281. '
— Verpflichtung gegen ihn 224.
Freude, neidlose, an der Größe.
des andern 162.
— am Genuß des andern 129.
Freundschaftsdienst 313.
Freundschaften, Beispiele derselben
315.
Friede 125.
— was er ist 154 f.
Frieden, seine Bedeutung 156 ff.
— sein Umfang 160.
— einer der drei Grundbegriffe
der jüdischen Ethik 122f., 126.
— Lobpreis desselben in der tal-
mud. Literatur 156 ff.
Friedensidec, messianische 365.
Friedfertigkeit S8 f., 155 f.
Furcht 85.
G
Gastfreundschaft 277 f.
— und ihre Pflichten 279.
— als die älteste Form der Kultur-
gründung 2 7 7 f.
Gäste, ihre Aufnahme 278.
— und Freunde 279.
Geber und Empfänger 234 f.
Gebet und Studium 295.
Gebote, sittliche, ihre Verbindung
mit der Geschichte und mit den
Naturbedingungen 130.
Gedanke 50.
Gedankenwelt der Rabbinen und
die fortschreitenden Kulturver-
hältnisse 353.
Gefühl der Abstoßung 84.
— der Verpflichtung 42.
— und Wille, ihr Verhältnis 54 f.
Gefühle, ihr sprachlicher Ausdruck
33.
— ihre Einteilung 30 ff.
— dauernde 31.
— schnell wechselnde 32.
— geistige 30.
— sinnliche (materielle) 30 f.
— sympathische, im Gegensatz
zu den Idealgefühlen 39, 41 f.
— virtuelle, der Hemmung und
Befreiung 31.
— Energie und Schlauheit der-
selben 35.
— die Herrschaft über sie 34.
— gemischte 33.
— Innigkeit derselben 42.
— sittliche, Mittel zu ihrer Er-
regung 36.
— Meisterung derselben 79.
Gefühllosigkeit 112.
Gehorsam als menschliche Grund-
lage der Sittlichkeit 48.
— Gewöhnung dazu 48.
Geist, objektiver 49.
— subjektiver 49.
Gelehrsamkeit 190.
Geld dem Armen leihen ohneZins21 2.
Gelübde, ihre talmud. Bewertung
110.
— und Vorsatz 325.
— ihre Aufhebung 327 f.
— nicht rein ethisch, sondern
religiös 327.
378
l I ad Sao]
G . ilu Werlund Unwert 327.
b Wirkens und
einsamkeil 'los Schicksals
330 f.
u aller in der Kultur-
en* 843.
üt, seine Ausbildung durch
Intelligenz, Gefühl und Willen 2.
nütsbowegungen 31.
Gemütsruhe i<2.
Genügsamkeit l -'<■
Q und Weltfreude 134 f.
— inbezug auf Moment un<i Mauer
301
Genußmensehen 1 39 f.
Gerechtigkeit 202 l.
— göttliche, woraul sie si'h grün-
det 20
und iiuljerc Ordnung _'i» 1.
— und politisches Unglück '204.
imlcharakler, Erzeugung
ten 268.
uiiilieit, seine Einheit
348 f.
— - einer ethischen 300.
— im G Ix eu i
hie, Wie man sie ai
hat 1"
. ■■ n Mittel zui
lr G
halt, dii
l ■ i 257.
— ihre Kj
tu grfli 0 ■
/. in seinem Wesen 3
m es fordert 1 7 B
1/ der Erh I lei Im all in
der geistigen i aligkeit I 3
— seine Fortbildung 202,
— und Kullur 178 f.
Gesetzgebung, jüd.und Verarmung
306 ff.
Gesinnung, sittliche, was sie soll
l I 1.
— und Erkenntnis 1 1.
— und Wille 15f.
— und Handlung, waisiebraucb.cn
261.
— bei jedei Pflichterfüllung 91.
im i \N itle l i
Gespräche, erhebende, bei den
allen Juden '■'< I
i,ew erbe, ls allgemeines Interesse
198,
. erbegeselze 391.
Gewinn, redlicher 322.
— unberechtigter '-' l I .
en 14.
Gewissensbisse 15,
Gewissensfreiheit 7 l.
Gleichheit 76.
,7 7.
Gnade und Liehe 2 1 4
Goll als I. einer unentwickelte!
Kinder 298.
Gotlähnlichkeit, worin nebesleht93.
i , nicht rechtlos 8 1 '
Grundbegriffe, die drei, aul denen
•lie sittliche Weltordnuag t>nsicri
122.
Grün I . warum es die Menschen
an • ei w shren und vollen l ,■■
1. Namen- und Sachregister.
379
rechtigkeit und an Liebeslaten
fehlen lassen 130.
— dreifacher, des Gebots: Du
sollst nicht verderben lSlf.
Gründer des rabbinischen Schul-
wesens 292.
H
Handeln, was bei ihm überwiegen
soll 112.
Handlung und Gesinnung 264.
Handwerk, seine Bevorzugung 198.
Harmonie aller Ideen 87.
Haß 84.
— des Fanatikers 288.
— was er verursacht 239.
— ohne Grund 216.
— Motiv desselben 238.
— aus Liebe 238 f.
Hasten und Jagen 139.
Haus 259 f.
Hausierhandel, wovon er abhängt
— der Talmud gegen denselben
319.
— seine Zulässigkeit 391.
Heilig sein, was es heißt XX.
Heiligkeit, ihr Begriff 356 f.
— die des Einzelnen 356.
— als Gesinnung, worin sie be-
steht 318.
Heiligung 71.
Heim, das eigne, seine Weihe 278.
Heiterkeit 85.
Herrschaft und Dienerschaft, beider-
seitige Pflichten 281.
Herrschaft 86.
Herrschsucht 86.
Hingabe an die Gesamtheit 3 10 f.
Hoch und Niedrig 313.
Hochmut 86.
— schärfster Tadel desselben 117.
Humanität 349.
— am Bau der menschlichen Ge-
sellschaft, was sie ist und was
sie nicht ist 287.
Humor, göttlicher XXI f.
I
Ichsucht, maßlose, die Quelle des
Unrechts 323.
Idealität mitten im Realen 1 1 ff.
Idealität und Alltäglichkeit 43.
Idealgefühle, im Gegensatze zu
den sympathischen, sie sind zu
pflegen 39.
Idee, sittliche 50.
— als Agens im psychologisch-
physiologisch-mechanischen Pro-
zeß 49.
— ethische, ihr wechselvolles,
historisch wandelndes, aber kon-
lienuirliches und gleichbleibendes
Leben 282.
— sich mit ihr identifizieren 6.
— eine, Begünstigung derselben
89.
— der alten messianischen Pro-
phezeiung 365.
— der Selbstschöpfung des Men-
schen 50.
Ideen, die realisiert werden sollen
121.
3R"
i Kamen- und
Ideen, sittliche, was sie sind \\.
— äslhetiBche,ihreRea]i8ation] 28.
i höpfung 19 f.
Individualismus, sein Geltm
bereich 100.
Individualitat des Handelns 87.
— und Gesamtheit :<ti4.
— ihre Notwendigkeit für jede
höhere Kultur ^04.
Individuum, seine ethische Bedeu-
dung 2
— und Individualität XX.
— und Gesellsehall 302.
— und Gesamtheit, ihr Aul
nismus 301.
Individualismus, seine ethische
Grenzen 263.
Innerlichkeit und Gesetzlichkeit 52,
Institutionen, was sie sind 3!
Int. geistige Tätigkeit), Eis-
bildung dertelben l
— ihre Schärfung durch Gemein-
samkeit '•'.
Interesse, öffentliches, wie das
wahre eigene 3 I
Judentum, was et dec Well
i l,t hat XVI.
srmn Bestimmunf i i
17
b-wissenschafuiche
.\i,i ss. , .ii in derG
irt und Zukunft 358.
K
Kampf ums Dasein 2S6.
Keuschheit, was sie ist 140 I.
Kinder, als welterhaltendcs Kle-
inem 27 2.
ihre Enterbung nach talmudi-
s.-her taschauung 2 7 2.
— wie sie zu strafen 2(J0.
Kollektivismus, seine ethischeGren-
/..■ii 26
Kleinmut s
Kontinuität des gemeinsamen Le-
bens M3">.
Königsgeseti l'cut 17, 14-— 21
■ ■
Körperpflege, warum sie von den
Rabbinen empfohlen wird 1 iv
Kriegsdienst 336.
Kriegführung, die Gesetze darüber
55.
Kritik, von wem sie beton
\ erlang wird IM.
j — welche nicht staUhaflift 150
— leichtfertige l 51.
philologisch-historische 1 52.
Kultur, WU sie fordert 1 78.
— ihre Mannigfaltigkeit 183.
was sie vermittelt I
— und Gesell 1781
— lnlrriiali. maler Zusammenli
selben und Mahnrul der Rab-
binen darO M B61.
Kulturarbeit, die Gcmeiru ball sllaf
dar. in H4!<.
I. Namen- und Sachregister.
381
Kullurtätigkeit, ethische Bedeutung
derselben 167.
— ihre Hemmnisse 167 f.
— in ihrer Stellung zum Juden-
tum 167 ff.
Kullurverhällnisse , fortschreitende,
und die ethische Gedankenwelt
der Rabbinen 353.
Kullurzusammenhang und Teilung
der Arbeit 187.
Kummer 85.
Kunst und Übung des hohen und
erhebenden Gesprächs 315 f.
Leben, seine Technik 182 f.
Lebenserhaltung durch Aufopferung
135 f.
Lebensführung, ethische 73.
Lebensgenuß 137.
Lebensideal der Rabbinen 350 ff.
Lebensordnung, soziale 347.
Lehren und Lernen, ihr Verhältnis
290.
Lehrer 288.
— seine Würde 296.
— sein Geist lebt im Schüler fort
297 f.
— und Schüler, ihre Huldigung
298.
Lehrhaus und eignes Haus 278.
Lernen, man soll und kann es von
allen (Heiden, Tieren) 72.
— und Lehren, ihr Verhältnis 290.
Legenden, biblische, Mittel zur Er-
regung sittlicher Gefühle 36 f.
Leiden (Schmerzen), ihr ethischer
Wert 102 ff.
Leidenschaft 78.
— unerfüllte 79.
Leidenschaften, was sie sind 85.
Licht 123.
Liebe, ihr Prinzip 222 f.
— und Recht 309.
— als Grundgesinnung des Men-
schen 310.
— die der Eltern zu den Kindern
273.
— die der Kinder zu Eltern und
Großeltern 272 f.
— empfangene, wozu sie führt
223.
— und Gnade 214.
— und Haß 85.
Liebespflichten, ihre Abstufung und
Reihenfolge 220.
Liebeswerke, rabbinische Anprei-
sung 234 f.
Lieblosigkeit 81.
— wozu sie führt 309.
Lohn 285.
— und Strafe 118.
Lohnlheorie 73.
Lüge, wohlwollende, gewohnheits-
mäßige 16.
Lustigkeit 85.
M
Maß 78.
Maße und Gewichte, die talmu-
dischenVorschriften darüber 320.
Maximen, sittliche 48.
l Namen- und Sachri .
MQJ - der Frauen 101.
Mechanismus, worin er besteht G I.
Melancholie 85.
Mensch, seine Aul 12.
— der geschlossene, ganze, freie
M
— seine Stellung in der Natui
— seine physische und zugleich
göttlich erhabene Stellung 7 1
— als was er sich als solcher
fühlen soll 363.
— seine sittliche Entwiekelung
1 8 ff.
Menschheit und die messianischen
Hoffnungen 3ti l ff.
— der ersle Gedanke derselben
2 l.
Menschenwürde und Dienstleistung
280.
Messi mische Hoffnungen und die
Menschheil 361 ff
Milde 210.
Mißgunst 84,
Mitleid 161.
I
\ orbild für die II -
tng .in die Ges untheit 3 10.
Motive, ihr Kampl
dire Wirkui
Mu. . , der dei Fr men I
Mul und I
Mütter, Mahnruf au dii J 1
N
hrede, üble, verpönt 217.
— übt, was sie bewirkt 218.
Nächster, wer es ist 222.
Nächsten i< e ohne Grenzen ;> 1 I .
.Nachtragen 23 7.
N ition als Einheit 359.
Naturgebilde, das, im ethischen
Ganzen 287.
Naturtrieb, seine Beschränkung 78.
N ilurwissenschafl und Ethik 1 7 1 H
Naziräer, sein Lob 1 17.
I SM.
— (Mißgunst, 2:<s.
.Neigung und Pflicht 51.
Niedergeschlagenheit 85.
Notlüge, ihr Unterschied vuii der
wohl wollenden und gewohnheits-
mäßigen 16.
Notwendigkeit der praktischen
Ethik 101.
0
Opfi i, niedriger bei den Rabbinen
■ ertel tis Demut l !.">.
Ordnen
Ordnung 337 ff.
— als moi Prinzip 164.
— ihre Bewertung bei den Juden
165.
wer üt zu Weck« D hat I
dur< n Gewohnheil erlernt 27t;.
i . eil und Er-
findung des jüdischen Geistes
847 f.
1. Namen- und Sachregister.
383
Parleiung und
Eigennutz ,
wozu
sie führen 359.
Passah, seine Feier 283.
Perfektibilität des Einzelnen 361.
Persönlichkeit, sittliche 71.
Pflicht und Neigung 51.
— und Neigung, ihr Unterschied
81.
— und Schicksal 134.
— und Recht 213.
Pflichten, die erfüllt werden sollen
121.
Pflichtgefühl 42.
— was es ist 1 1 2.
Pflichlkrieg 360.
Pietät 149.
— wahre 152.
— ihre vielfache Wurzel im Gemüt
152.
— gegen das Alter 153.
— und Kritik 150.
Plan 50.
Politik, ihre Aufgabe 354,
— die der Propheten 355.
— die des Aristoteles und Plato
355.
— und Ethik 354.
— eine Kunst 354.
— eine Wissenschaft 354.
— die heutige, ist auf ganz an-
dere Grundlagen gestellt als die
in den biblischen oder nach-
biblischen Zeiten 354.
Preissteigerung,ungebührliche,Vor-
sorge gegen dieselbe 391.
Privateigentum 34 1.
Prophezeiung, messianische, ihre
Idee 365.
Prozeßrecht, seine Ausbildung 202.
Psychisches im Unterschiede zum
Physischen 69.
Psychologie, Aristoteles ihr erster
Systematiker XXIII.
— theoretische, steht bei den
Rabbinen auf niedriger Stufe
XXIII ff.
— die Rabbinen nur Vertreter
der praktischen XXV.
Putz der Frauen 43.
9
Quellen, aus denen der ethische
Lebensgehalt des Judentums zu
schöpfen XXXVIII.
Quieüsmus im Judentum 97.
R
Rabbinen, als Vertreter der Psy-
chologie stehen auf niedriger
Stufe XXIII
— nur Vertreter der praktischen
Psychologie XXV.
Rabbinismus , sein Lebensideal
350 ff.
— was ihm fehlt 346 f., 348.
Rache und Nachtragen, das Ver-
hältnis zwischen beiden Be-
griffen durch ein talmudisches
Beispiel dargelegt 237.
i Namen- and Baohreg
Bucht 237.
— kleine, geheime TM t.
Recht 1.
was es ist 1 ■ i i.
\< .is os im Judentum ist 201.
seine l<lec 205.
— als sittliche Idee 200
— gehört zu den drei Grund-
pfeilern der sittlichen Weltord-
nung 122 ll.
seine Folge 205.
Friedenssliltung '21".
- als alleiniger Inhalt der Moral
199.
— es wird einst in seinem wahren
und ganzen Idealismus zur Er-
scheinung kommen 200.
— und Wohlwollen, ihr Verhältnis
»11. u. 235.
— und Staat, lin Verhältnis und
ihre Wechselwirkung 358.
— und Liebe 309.
Rechtlichkeit, strengste, wird in
Liibel und Talmud gelehrt 20 7.
Rechlsbewußlscin 391.
ilseinschränkung 208 (
!/.-, dio der Rabbinen,
ihr Wert nur historisch S 19 f.
'1
Rechtsordnung 391.
Redlichkeit, itrengste 211.
in der Dienstleistui
erung und Sta.it :
igioa und Spekulation XXVII t
— N hnmg des Volks 1 05 t.
r Rindet w* den BHern
und seine pädagogischen Folgen
273.
Reue, in ihrem Verhältnis zur Tal
118 ff.
■ — ihre Voraussetzung 1111.
Richter, sein Gemüt 207.
seine Unparteilichkeit 208.
— wann er nicht richten soll 207 f.
— wie sie sich nach rabbinischer
Satzung bei Verbrechen zu be-
nehmen haben 21"
Ringe, der Arbeitgeber, ihr Zweck
36.
— gegen Streik 286.
Ruhmsucht 86.
Schadenersalz 215.
Schamlos 143.
Schicksal der Gesamtheit, «las Ver-
halten des Einzelnen dazu "'31 f.
— und Pflicht 134.
Schlauheit 123.
Schmucksachen, warum dar! der
Hausierer mit ihnen handeln 3 1 9.
Schonung, mitfühlende 313 t
— des Seil atgefühla und der
Würde des Nehenmenschen 1 l s.
Schule, ihr Charakter .
— und Lehrer, ihre lalmudischfl
Verherrlichung 289, 298.
— WSS m ihr wallen soll 28'.».
Schuleinrichtung, rabbimsehe 291.
Schulen, ■. Einfluß aul den Leh-
ret 29
S. -h wermul 85.
I. Namen- und Sachregister.
385
Seele, in die des andern sieh zu
versetzen 224.
Seelen, ihre Zusammenschließung
336.
Selbstbeherrschung 7 7 f.
Selbstentwicklung 50.
Selbsterkenntnis 80.
Selbsterziehung 33.
Selbsthingebung, wozu sie berech-
tigt 341.
Selbstprüfung 80.
Selbständigkeit, ökonomische 76.
Selbstsucht 85. 309 f.
Selbstverantwortung 74.
Selbstvervollkommnung 304.
Selbstverwaltung, worin sie be-
steht 230 f.
Sitte, alte, gegen Gäste und Freunde
279.
Sittenlehre, eine ihrer wichtigsten
Regeln 129 f.
Sittliches, seine objektive Einheit
239.
Sittlichkeit, das Grundcharakteristi-
sche derselben XXXI.
— rabbinische Auffassung der-
selben XXX.
— Antrieb zur 262.
— und Gesamtheit 302.
— ihre Idee und ihre Aufgabe
22 ff., 88.
ihre Gestaltung XIX.
— was sie fordert 18, 199.
Sittsam 142.
Sklaverei 349.
Lazarus, Ethik des Judentums II.
Sklaverei, gegen dieselbe 284 f.
Solidarität, rabbinische Anschau-
ung von derselben 239 f.
Sollen, was es heißt 61.
Sorge 85.
— Energie dagegen 98.
— für die Alten 267.
— für die Jungen 267.
— für die Gesamtheit 286.
Sozialethik, ihre Grundzüge 75 f.
Spekulationen, theoretische, von
ihnen wird abgeraten 10.
Sprache und Gefühl 33.
Sprachen, wie viele jedes Mitglied
des Synedriums können mußte.
295.
Sprichwörter 28.
Sprüche 28.
Staat, seine vorzüglichsten Lei-
stungen 357 f.
— und Sittlichkeit 356 f.
— und Erziehung 357.
— und Regierung 360.
— und Recht, ihr Verhältnis und
ihre Wechselwirkung 358.
— nicht bloß eine Rechtsgesell-
schaft 358.
Stolz 85. 146.
— und Demut, ihr Verhältnis
147.
— rechter 146.
Strafe und Lohn 118.
Strafen, der Kinder, wie sie ge-
schehen sollen 290.
Streik 286.
25
I. Kamen- and Baohre j
Sircii «ler Meinungen soll man
nicht scheuen 1 2.
Studium, als v galt 2'.'4.
— und Gel et 295.
— seine Hallen 294.
Beine Hauptaufgabe 1 93 f.
— sein rabbinischei Lobpreis 194.
— und Anteilnahme der Masse l 2
— und Tat 190.
einsames 9.
ie, symbolische, der Vorzeit
282 £
Sünde, naht nur ein Unterlassen
61.
>ünilen, die zwischen Mensch und
Mensch und zwischen Gott und
Mensch 223.
apathische Gefühle 41 f.
System der Sittenlehre, was es
fordert 19.
I thnih des Lebens, \v;is wir bei
derselben bedürfen I 82.
Teilnahme, abnehmende 2
— an allgemeinen ethischen Be-
strebungen '-'99.
— der Einzelnen am Geschick der
Gesamtheit 832 t.
Thora, ihr objektiver Gehalt 7, S.
Thora, ihre Vorschriften gegen
Verarmung 307 f.
Vorlesung aus ihr 1 1.
Tiere, Mitleid mit ihnen 287.
Todesstrafe 210.
Toleranz 222.
Traurigkeit 85.
Treu und Glauben 325.
Trieb, natürlicher 79.
Tugend, ihre Manifestation 57.
Tugendlehre, ihr höchster Inhalt
93 f.
Talmud, seine Vorschriften und
ihre Erfüllung früher um! hellte
282.
Tannaim, ihre Tätij keil beim Zu-
sammenbruch i tes -27 f
l . ihre Arten der Ausführung 72.
1 ii- 1 hen bleiben unvergessen 1 1
rUiche, ihre Bewert
10
eu mecha-
m- Q txmißigki
is ihr enls]
i
l)
Ueberhcbung, der Reichen und
lehrten 115.
Ueberzeugung, was man als solche
erkannt hat, ilarl nicht ver-
leugnet werden 14.
Ueppigkeit 85.
Umkehr 116 f.,
Undank 2:<.">.
i Dkeuschheil l lOf.
i echt, strenge Bestrafung i
ben 211.
— sein cht l 1 5 t
es wini in \ erworfen-
I. Namen- und Sachregister.
387
heil mit fünffachen Tadelnamen
gekennzeichnet 319.
Unterricht, Geduld im 290.
— am Kinde des Freundes, wozu
er führt 295.
— am Kinde eingebildeter, sitten-
roher Familie, wozu er führt
295.
Unredlichkeit im Handeln 319.
Utilismus, feiner und grober 67 f.
Vater, Oberhaupt der Familie 267.
Verarmung und jüdische Gesetz-
gebung- 306 ff.
Verbrecher 210.
Vereinigung-, Formen derselben
257. 259.
— die natürliche soll zur ethischen
werden 364.
Verführen, seine Verwerflichkeit
73.
Verfolgte, Gott nimmt sich ihrer
an 215.
Verkehr, wovon er abhängt 318.
— rechtlicher 329.
Verleumder, die Strafe, die ihn
trifft 217.
Verleumdung, Lust an derselben
216.
— wer sie weiter trägt, verleugnet
alle Sittlichkeit 220.
Verpflichtung auf die Sittlichkeit
des andern 73.
Verpflichtungen gegen Arme 213.
Vertragstreue 326.
Veruntreuung, wie sie angesehen
wird 323.
Vervollkommnung 364.
Verzeihung, um sie bitten 215.
Verzweiflung 55.
Volksleben, historische Einheit des-
selben und rabbinische An-
schauung 335.
Volkswille, rabbinische Ansicht
darüber 360.
Volkserziehung 104 f.
Vollkommenheit, ihr Begriff 21 f.
Vorschriften, hygienische, zwecks
des Zusammenlebens 322.
— der Rabbinen über Maße und
Gewichte 320.
Vorsatz und Geduld 327.
Vorsätze, gute 48.
Vorsorge gegen ungebührliche
Preissteigerung 391.
— aber nicht Sorge 98.
— die für die Zukunft 334 f.
W
Wahrhaftigkeit 325.
— ihr Wert 114.
— keine pedantische 311.
— subjektive 329.
Wahrheit 13, 123, 127 ff.
— sie gehört zu den drei Grund-
begriffen der jüdischen Ethik
122 f., 124.
Wahrheiten, objektive und ihr
Verhältnis zum Denken 362.
25*
i. Hamen- and
w.i lurchreisender und seine
Behandlung 281.
Warnung, was - e ist im psycho-
logischen Prozeß 1 1 3.
vor Ueberhebung 1 15.
Weib, als Zögling 274.
m ne Aufgabe und Leistung
6.
Weihe des eignen Heims 278.
Weisheit, Pietät und Anerkennung
derselben 12.
Weltbetrachlung, die heutige etln-
sclie 176 I.
WUle 15, 7 7.
und seine Wirkung 4 7.
Norm desselben 128.
und Gesinnung 15.
und Gefühl, ihr Verhältnis
5 1 f.
als intellektuelles Bekehren 1".
Willensakt, Energie desselben
Willensfreiheit, wovon sie ab-
igig 7o.
Wirtschaftsgeschichte, jüdische 7 7.
Wissen, sein Werl 296.
und Bildung 195.
Wissenschaft, ihre Würdigung
185 f.
iri und Individuum •
Wohlgefall« a an der eigenen Hand-
lung 52.
Wohltat 213.
ihre Wirkungen im Gemüte
des Empfangen 233 f.
Wohltaten, auf w< neb er-
strecken 22S.
Wohltätigkeit, eine Wissenschaft
■2-21) IV.
— eine Kunst 22G 11.
— ihr biblisches Gebot 2
— als subjektive Tat 232.
— ihre Leitsätze 229.
— ihre Ethik, sie braucht sich
im Judentum nicht zu andern
225.
ih.e Technik 225, 228 f.
ihre Arien und Formen 23<> II.
— als objektives System 232.
— gegenüber Fremden und Gästen
33.
— beschämend 23 I.
Wohlwollen 212. 235.
— und Recht, ihr gegenseitiges
Verhältnis 95.
— gegen den Feind 213.
worin es rieh Seigt 31 3 f.
— gegen den Nächsten 21 1.
— als sittliche Idee 89.
— zur Gestaltung der sittlichen
Gesellschaft 305.
wollen, gemeinsamer Zweck 128.
— und Handeln 17.
— sein Inhalt 12s.
Wollust 85.
Worthalten 325 i.
würde des Nebenmenschen 118.
Zaul erkunst, ihre Widerlegung 17.
Zeremonie, religiöse XWI. 110.
I. Namen- und Sachregister.
389
Zerstreuung 43.
Zeugen, wie sie sieh nach rab-
biniseher Satzung bei Verbrechen
zu benehmen haben 240.
Ziel, wahres 225.
— letztes, der Menschheit 363.
Zins 212.
Zukunft, Vorsorge für sie 334 f.
Zunge, wie von den Rabbinen ge-
nannt 216.
Zusammenschließung, ethische, ihre
Bedeutung 302 ff.
— was sie oft hindert 317.
— universelle, kein Phantom 366.
Zusammenhang alles Sittlichen 90.
Züchtigkeit in der Familie 142 f.
Zwang 199.
IL
Stellenregister zum I. u. 2. Bande.
Von den 1J itm usgebern.
a) Die angezogenen und bearbeiteten Bibelstellen.
Genesis
5, 1"
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341
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II
267
I
191
II. Stellenregister zum 1. u. 2. Bande.
391
31 u. 35 II 2-1
31,2 II 60f.
31,2.3 II 171
33,19.201 196
34, 6 I 89
34,6.7 I 193
35,3011.11 171
36, 1 II 171
Leviticus
1,4 II 117
1,4 II 251
7, 12 II 15(J
ll,44f. I 198
11,45-471 189
13,46 II 217
15 I 248
16, 13 II 323
18,5 I 29
18,24 II 90
18,25-281 248
19,2 I 198
19, 3 II 267
19,5-8 I 199
19.8 I 148
19.9 II 342
19, 11 II 16
19,14.321 400
19.15 II 319
19.16 I 308
19,18 I 198
19,18 II 223
19.32 II 258
19, 33f. I 173
19.33 I 296
19,33 II 312
19,33.341 199
19,33.3411 224
19.34 I 174
19, 34 I 29 7
21, 7 I 433
22,27 II 215
24,22 I 100
24,22 I 151
24,22 I 174
25 I 124
25 II 308
25, 14 I 295
25,14.171 304
25,15.161 298
25,25 II 232
25, 17 II 312
25.35 II 76
25,35 II 229
25,36.431 400
25,39 II 281
26,43 II 251
27, 10 I 233
Numeri
1,5 II 215
6, 5. 8 I 433
6, 23 f. I 322
6,26 II 156
11, 16 II 341
12, 3 II 144
13,16 II 44
14, 1 II 336
15, 15f. I 100
15, 15f. I 151
15,39 II 78
15,39.401 222
16,5. 7 I 433
19, 14 I 151
19, 14 l 379
20, 14 II 340
23,23 II 17
27, 15. 16 II 340
31,9 II 138
32,1 II 139
35 II 201
Deuteronomium
1, 17 II 201
2,26 II 157
4 I 397
4.4 II 245
4, 6 I 90
4.6 II XXII
4,34 I 23
4, 35 II 17
4,39 II 25
5, 14 II 185
5, 16 I 131
6.5 I 215
6,5 II 249
6, 7 11
8,5 II 250
8,5 II 251
8.7 II 236
8,7 II 251
10, 18 I 159
10, 19 I 173
11, 19 II 292
13, 14 II 323
13, 15 I 310
14, 1 I 156
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22, 13.
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24, 3
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60, 19 II 245
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11 157
27, 5
II 233
60, 19. 20 II 204
6,3
I 10
30,26
I 121
60,21 II 203
6,3
II 99
32, 17
1 344
66,21.23 I 152
6,6
I 19
32, 17
II 159
66,22 I 361
6,6
I 158
32,20
II 86
60,22 II 204
6,6
II 11
33,7
II 278
10,12
II 157
33, 15
34,4
40,3
40,10
42,6
I 106
II 74
II XVI
I 437
i 146
Jeremia
1,5 I 151
2,3 II 293
5,4.5 II 10
5, 12 II 10
Joel
1,14
2, 15
3, 1.2
I 276
I 276
II 284
43,9
II 170
9,22.23 11 89
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43, 10
II 334
9,23 II 10
5,3
I 108
40,31
II 363
12, 14 II 294
45,7
Jl 159
14, 12 I 276
Jona
49,6
11 174
20, 7 ff. II 340
3, 5 ff.
I 276
51,6
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20,25 I 394
54, 10
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Micha
54, 13
11 158
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II 307
54, 13
II 316
31,30-32 1 152
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I 271
56, 1
11 207
31,33 II 11
4,4
II 129
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I 152
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I 108
56, 12
II 333
31,34.35 I 242
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I 125
57, 1
II 333
34,5 II 158
6,8
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57,2
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34, 14ff. 11 284f.
6,8
I 353
57, 19
II 158
51, 13 I 394
6,8
II 140
57,21
II 158
6,8
II 146
58
I 352
Ezechiel
7,5
II 334
58,4
I 276
18,4 II 117
58, 5-7
1 277
18,7. 12.16 I 295
Habaku
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58,8-1
2 I 277 f.
20, 12 I 202
2,4
I 90. 108
394 li. Stellenregiiter zum 1. u. 2. Bande.
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37, 7 II L56 101,21 I 21''
Zacharja 37, n 111 1 04, 24 I 280
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39,2 II 156 105,25 I 393
Maleachi n, 2 II 312 10' II 261
•_>, 7 1191 11,23 II 249 106,3 11 109
3. 16 II 2 51,5 II i:. 106,3 II 248
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1,2 16 51. 10 II 145 110 II 340
1, 2 II 51 II 327 1 12,3 1 34(i
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II. Stellenregister zum 1. u. 2. Bande.
395
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II 98
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II
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3, 12
II
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II 274
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II 274
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II 159
8,2 I 78
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II
251
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I 345
12,10
II
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II 132
1 Chronika
12, 11
11
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28, 24-2S I 419
29,14 II 307
12,24.
25
II 98
35, 5
II 124
13,21
II
116
35, 11
II 72
2 Chronika
14,34
I
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I 153
20,3 I 276
14,34
I
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33, 1 II 252
15,23
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33, 10-14 II 252
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I
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II
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II 131
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II
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I 429
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I 429
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I 143
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II. ätellenn gutet zum 1. u. 2. Bai
b) Die angezogenen Zitate aus Talmud,
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Jerusalemischer Talmud.
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j. Pea
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j. Sota
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j. Baba mezia
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j. Makkolh
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Babylonischer Talmud.
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II. Stellenregister zum 1. u. 2. Bande.
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16b II 117
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50b Anh. I 408
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11 124
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11 234
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113b II 78
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113b II 265
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24b II EV. XXIX
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1
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II 337
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II 186
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21
21
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II 206
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1 264
II 169
II 197
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Bdujotfa
3
21
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1
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86« II KV. XXIX
II
1
Anh. 1 1
ll 304
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l
7
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112" ll 119
II. Stellenregi8ter zum 1. u. 2. Bande.
401
.rachin
16b
II 246
Naga'aim
15 11 216
17a
11 360
1,4 II 111
15b 11 218
16 II 52
Nidda
5,3 II 111
16* 11 220
47
11 280
16b II 146
50b
11 151
Tosephtha Berach
P. 2, 4 II 346
P. 6 II 187
Tosephtha Sche-
biith
P. 3,13 II 326
Tosephtha Schab-
bath
P. 18 II 303
Tosephtha Kiddu-
schin
P. 1 II 198
Tosephtha.
Tosephtha Gittin
P. 5 I 179
Tosephtha Sola
P.3,11 II 361
P. 14,7 11 344
P. 14,7 II 360
P. 14 II 139
P. 14 II 322
Tosephtha Baba
kamma
P.2,13 II 345
P. 7 II 161
P. 10 I 181
P.10,28II 342
Tosephtha Baba
mezia
P.2,28 II 342
P.8 II 286
P. 11 II 235
Tosephtha Sanhe-
drin
P. 7 II 207
P. 7g.E.II 314
P.8 II 148
TosephthaHorajoth
P. 2 II 296
Mechiltha
AmalekzuEx. 18,6
II 310
Jithro Anf. II 125
Jithro P. 2 I 15
Jithro, Absch. Ba-
chodesch I 25
Älterer Midrasch.
Beschallach zu Ex.
16,32 II 188
Beschallach (Ha-
schira) II 93
Wajassa, Beschal-
lach P. 6, zu
Ex. 17,6 II 94
Lazarus, EtLik des Judentums TT.
Wajassa 1 II 212
Mischpatim P. 1
II 210
Mischpatim P. 1 9 zu
Ex.22,24II212
Mischpatim P. 20
I 220. 227
26
402
11 Stellenregister zum 1. u. 2. Bande.
Mischpaüm P. 2 1 u.
22 II 280
Ki thissa P. 1
II 2 IG
Sifra
ScheminiAnf. 1 360
Kedoschim P. 4
I 1 18
Kedoschim P. 1. 1
II 208
loschim P. 8, I
II 310
Behar P. 5 II 135
Behai II 281
Behar P. 5 U 234
Achare motli P. 1 3
I IM
P. LS 1 167
<npnn Anf. II 112
Trtpna P. 1 Ende
II 156
Sifre*
Behalothcha Hill
zu Nuni. 6, 2f. P. 12
II 156
P. 42 I 359
P. 187 II 96
Schoftim P. 187
II 310
Schoftim P. 199
II 155
Deut P. 306 1 93
P. 346 M IT l
Debar.P.148 II 319
zu Debar. 24, 15
II 285
Debar. P. 32 u. 112
II 248
Heul. P. 4 1 I 93
Debarim P. 1S7
ll 309
Debar. P. 246 Anh.
I 396
zu Deut. 33,21
II 188
zu Deut. 11, 13
II 3T)1
Pesikta di Rah Ka-
li an a
P. 25 II 116
P. 30 II 1 17
P. 33 M 134
Jüngerer Mi drasch.
M i (1 r. Bereschith
rabba
P. 1 1211
P. 1 II B
P. 10 u. 81 ll 79
p. 12g.& II 'i
P. ;<8 I 3.".'.»
P. 38, 7 II 127
1". 11 II 1 17
P. 11,1 ll 287
l' 58,6 H 158
P. 82, 2 II 196
P. 85 II 98
P. 9s l ;
Mnir. Schemoth
rabba
P. 3
P. 3
3, l ii
P. i
P. 19
II i
ll 162
II 212
II .
I 153
&.6IIEV.XX1X P. 21 ll
P.28,2 ll 27 a
P. 31 1 155
P. 31 I 259
P 36 1 1 1
Midr. Wajikra
rabba
P. I
P. 7
p. 9
P. 9
P. in
I 8
I 4.'>
I 284
II 159
ll 118
II. Stellenregister zum 1. u. 2. Bande.
403
P. 13 II 217
P. 20 1 327
P. 25 I 124
P.26,1 11 218
P.27,5 11 215
P. 30 I 70
P. 32 II 148
P. 31 11 137
P. 34 ff. II 226
P.34,1 II 313
P. 35 I 133
Midr. Bammidbar
rabba
11,7 II 155
P. 14 I 159
P. 14, 2 247
P. 15, 12 II 315
P. 15,20 II 341
P. 19 I 189
P. 20, 15 II 116
Semachoth
2, 10 I 262
11 II 190
Derech erez r.
P. 6 II 16
Jalkut Schimeoni
zu Jos. Nr. 326
II EV. XXIX
P. 21, 14 II 340
P. 22, 8 II 137
Midr. Debarim
rabba
P. 1 1 135
P. 4 Anh. 1 397
P. 5, 7 11 206
P. 6,9 II 217
P. 9 II 161
Midr. Schir ha-
schirim rabba
zu Hohesl. 1,3 11 12
zu Kap. 8 I 357
Midr. Ruth rabba
P. 5 II 235
Midr. Echa rabba
54b II 80
zuKap.5,22 II 112
Kleine Traktate.
zu Ps. Nr. 702
II 117
zu Ps. Nr. 767 ff.
II 217
Menor. hammaor
Tanchuma
Wajikra, ßehar.
II 213
I1? -jb I 92
Misehpatim 11 213
D^Si 5. v. DDWfcn
D^Ont? 11 244
Pesikta rabbathi
P. 1 I 153
P. 14 1 189
P. 24 II 307
P. 45 Anh. II 146
Pirke di R. Eliezer
Kap. 41 271
AbothdiR. Nathan
4 I 19
31 I 257
34 280
35 248
bei Fürstenth. 1,161
II 73
259 Kap. 181 ff.
II 259
III, bei Fürstenthal
S. 335 II 143
bei Fürstenth. HI, 5 Maimon., Jad ha-
ll 115
chasaka
III, 5 bei Fürstenth. Hilchoth Deolh 3, 2
S. I32ff. II 116 I II 134
26*
404
LI. Stellenregister zum 1. u. 2, Bande.
i.Tumatxaraalb Maimon., Morc Ne-
16, 10 II 217
Hilch-Teschuba
u. 11 II 34
Nr. 135 II :<2S
Nr. 525 ll 336
bochim
I II 212
N. III, 11 Schluß JakoL) b< Ascher
Tur choschen
Misch |i it
Kap. I, Abs. 1 [15
31 l
Hilch.Mathnolh Ani-
jim l Xu. XII 18.")
Hileh.MulhrmtiiAni-
jiiu IX, 12 u.
X, 6 II 199
Hilch. Mdach. 7,15
II 95
Sank 23, Hai. 9 Sepher Chinnuch
Anh. [371 Nr. 429 II 322 Nr. 192 I 54
Saadja . Emun. we
Deolh
10, 3 IT. II 134
19,5 II 134
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Druckfehler.
5. 185 /. 1 v. o. lies: am Sabbat für im Sabbat.
S. 253 Z. 13 v. o. lies: -in« rmi für tn.
gulta ii
Vom Verfasser sind ferner erschienen:
Die sittliche Berechtigung Preussens in Deutschland.
Berlin 1850.
Das Leben der Seele.
3 Bde. III. Auflage. Dümmler, Berlin.
Über die Ideen in der Geschichte.
III. Auflage. Dümmler, Berlin.
Zur Lehre von den Sinnestäuschungen.
Dümmler, Berlin.
Ideale Fragen.
Beden u. Vorträge : Auf Herbart. Ein psychologischer Blick
in unsere Zeit. Über Aufklärung usw. C. F. Winter, Leipzig.
Erziehung und Geschichte.
Schottländer, Breslau.
Reize des Spiels.
H. Auflage. Dümmler, Berlin.
Schiller und die Schillerstiftung.
W. Friedrich, Leipzig.
Treu und Frei.
Reden u. Vorträge üb. Juden u. Judentum. C. F.Winter, Leipzi g.
Der Prophet Jeremias.
Schottländer, Breslau.
Was heisst und zu weichem Ende studiert man jüdische
Geschichte und Literatur?
Ein Vortrag. M. W. Kaufmann, Leipzig.
Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft.
Herausgegeben von M. Lazarus und H. Steinthal. 20 Bände.
Dümmler, Berlin.
Aus dem Nachlasse erschienen:
Die Erneuerung des Judentums.
Herausgegeben v. Nahida Lazarus. Georg Reimer, Berlin.
Pädagogische Briefe.
Herausgegeben von A. Leicht. Schottländer, Breslau.
Ein deutscher Professor in der Schweiz.
Nach Briefen, mündlichen Mitteilungen ihres Gatten und
Dokumenten verfaßt von Nahida Lazarus. Dümmler,
Berlin.
PLEASE DO NOT REMOVE
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