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Full text of "Die Fürstinnen des Hauses Burgund-oesterreich in den Niederlanden"

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■ Die 
Fürstinaen des Hauses 

.Bnrgand - Oesterreich 

io 

den Niederlanden. 



Aus Quellen, 
Dr. Ernst Manch* 

Erste Abtheilung; 

Margarethe von York. 
Maria von Burgand. 



L e i p z ig: 

F. A. Brockbaui. 



Digniod., Google 



:.Googlc ■ 



Maria von Bnrgnnd 

nebst 
dem Leben ihrer SüeJinutter 

Margarethe von York, 

Gemahlin Karla de» Kühnen, 

allerlei Beiträgen zai Geschichte 4es fifientlichen 

Rechts und des Yolkslebens in den Niederlanden ° 

va Ende des Jänfzehoten Jahrhooderts, 

Iranzösischen, flämischen, hoHändischeu 
und teutschen Quellen 

^ Dr. Ernst Münch. 

Erster Band. 



Leipzig: 
F. A. B I o c k h a n 1. 



;,GoogIc 






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rofeT?-/"*© 



Direr Königüchen Hoheit 

der 

Durchlauchtigsten Frau 

Grossherzogin 

Sophie zu Baden, 

gebonien Prinzessin von Schweden, 

ehrfurchtsvollst 



der Verfasser. 



.igniodD, Google 



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EuRB Königliche Hoheit 



Aaben dem Vet^mser vorliegende» Werkes 
gnädigst die Mrlmtbnist zu ertheilen ge- 
ruhtf dasselbe ALLEMBöcaaxBXMo Namen 
zue^nen zu dürfen^ damals, als er, mocA 
langer Entfernung, das blühende Land 
Baden wieder sah, und in den schönern 
JErinnerungen seines Lebens schwelgte. 
Es war um dieselbe Zeit, wo ein hochbe- 
giücbtes, treues zugleich und freisinniges 



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Volk seine ersten Huldigungen zu den 
Füssen des neuen Herrscherpaares legte. 
Die Liebe, welche den Verfasser zu die- 
sem Volke seit vielen Jahren erfüllt, 
dem er als Öffentlicher Lehrer ernst an- 
gehört, und worin zarte und unauflös- 
bare Freundschaftsbande mit vielen der 
edelsten seiner Bürger ihn verknüpft, 
trieb ihn an , ebenfalls eine Blume in den 
reichduftenden Kranz zu legen, welchen 
aufrichtige Stimmung der Oemüther zu 
schlingen, in die Wette sich beeilte. Der 
Unterzeichnete fand keine würdigere 



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Gabe, ah eines der Ergebnisse wissen- 
achaftlicher Forschtmg in der Geschichte 
seines dermaligen Berufs - Vaterlandes, 
welches durch gemeinsame Abstammung, 
Sprache und zum Theil auch Geschichte 
dem unsrigen vielfach verwandt ist. Er 
wählte das Bild der anziehenden Persön- 
lichkeit und der mann^fachen Schick^ 
sale einer durch Ltebenswurd^keit, Geist 
und Tugend hochgefeierten, und durch 
Leiden, seUtst mitten in der glänzendsten 
Lage der Menschheit, viehersuchten Für- 
ttm, der Stammmutter des gegenwärtigen 



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Hauses Oesterretch, sowie der Oründerm 
seiner politischen Grösse; neben ihr oder 
diesem voran ein anderes Bild einer durch 
Schönheit j Geist und Muth nicht minder 
ansiehenden liiirstiny melche die Vorzüge 
zweier Nationen in sich vereinigte. Er 
wählte es mit besonderer Bedeutung, da 
Eure Königliche Hoheit so viele Er- 
innerungen an die geistigen und sitt- 
lichen Vorzüge Jener herrlichen Frauen 
gewecht f also dass der Verfasser wohl 
nichts Besseres bieten konnte, als was er 
hier €mbot, ein tVerhy zwar voll Mängel 



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tmd Lucien, mit dem er jedoch coli Lust 
und Liehe sich beschäftigt, und darin er 
ahtMtngsvoll die bald darauf erfolgten 
verhängfiMSSchuieren, den Begebenheiten 
des fünfzehnten Jahrhunderts so schla- 
gend ähnlichen Ereignisse dargestellt hat. 
Dieselbe Parteiwuth, welche den Frieden 
und die Eintracht in den Niederlandenf 
sowie das Band zwischen Nord und Süd, 
m den neuesten Tagen zerstört hat, offien- 
bart sich schon in den l^en der Maria, 
und dabei zugleich die Arglist und die 
Anmaassuug von Fremden ^ welche mit 



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jenen Hydem zum Umstürze des Ganzen 
tick vereinigt. 

Es ist nicht der Geist der wahren 
freiheitf gnädigste Frau , welcher die 
Throne der Herrscher erschüttern und 
die Welt in Flammen setzen will: es ist 
der Geist der Lüge, welcher die Freiheit 
und die Throne zugleich bedroht, welcher 
nUt der Begeisterung der Ediern sich 
ausschmitckt und die Saaten der Weisen 
zerstört. Die Freiheit, welche vom Ge- 
setze ihre Rüstung en^fangen, ist die 



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getreuette Freundin jeher Fürsten, wel- 
ehe vertrauensvoll »ich ihr xumetgeny und 
Baden bietet ein solch erhebendes Bild 
uns dar. Die Tugenden des milden und 
gerechten Leopold , verbunden mit den 
Bemühungen aufgeklärter Staatsmänner 
und eifriger Vaterlandsfreimde , werden 
den Beteeis liefern, dass die Federungen 
des ewigen Rechts und der unverjährba- 
ren Menschenwürde harmonisch mit den 
^^g*iffsf* von gesetzlicher Ordnung und 
mit liebendem Vertrauen zu den Fiirsten 
verbuttdeny dass aber Esfreme, welche 



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die Mack$ oder die Freihetty ruhend o^f 
nchem Onm dlofen des Oetetxe», $eliwä- 
ehen, das Werk gemeinschaftlicher Feind« 
des Ti^nes uttd der Freiheit sind. Gegen 
jenen Geist der Lüge erhebt sich aber der 
bessere Smti des Zeitalters, iatd tausend 
HUente und Arme uterden stets m Tagen 
der (jteftdur die bedrohten Heiligthümer 
schützen. 

Auch die edle Maria fand solche mit- 
ten in tiefer Betrübniss und Bedränge 
nissj es ist der Tugend Vorzug^ dass. Je 



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wirrer «ire ijage, detto $tandhqfter die 
Treue ihrer Vertheidiger »ich hetvahrt. 
Eure Käxiei^rcBB Hobeit werden da- 
her das Gemälde der Leiden und An- 
strengungen einer FVau voll männlicher 
Stärke des Geiste» bei Entwichelung aller 
Milde ihres Geschlechts, roll Zärtlichkeit 
für einen ritterlichen Gemahl und stolz 
heranhlühende Kinder, endlich roll hm- 
opfernder Liebe für ihr Land, das in 
der That als Mutier sie verehrte — wie 
mich immer von Grossen und Niedemt 
Einheimischen und Fremden 8Mrme wi- 



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der sie erregt worden — nicht verschmä- 
hen. Es kömmt aus der Hand eines 
Mannes , welchem die Wahrheit in Altem 
und für Alle die erste Göttin ist, der 
er huldigt, welcher die Ideale der Mensch- 
heit auf Thronen und in Hütten mit 
gleichem Eifer zu suchen, und die Züge 
de» Rechts und der Ereiheity sowie sie 
dem Geschichtschreiber und Patrioten 
sich darbieten , mit gleich imparteiischer 
Begeisterung in Vergangenheit und Ge- 
genwart aufzufassen gewohnt ist, mit 
VeracAtung- der Schmeichelei, wie des 



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Parteigeistes. Die Farben des geschicht- 
lichen Lehens müssen reirty frisch und 
kräftig vor das Auge der Jetxtwelt ge- 
bracht werden, damit dasselbe dtirch den 
Anblick der Wahrhaftigheit sich stärie, 
und für das Bessere für und für ent- 
zündet werde. Was der Wahnsinn der 
Menschen auch IVügerisches aufbaut, 
Ufas die Imge Verderbliches erfindet, was 
die Hoffart Gletssnerisches ausspinnt — 
es wird durch den mächt^e^n Arm des 
Schicksals zertrümmert, und nur die Ge- 
bilde und Bauten der grossartigen Men- 



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sehetmatw, welche Itü$ und Ptan »o» 
emer hohem Macht entlehnt^ bestehen 
m den evng wechselnden Strömen und 
m den emg xerttörenden Stürmen des 
Lebens. 

Jh ti^tter Ehrßiroit enterbend 
BüRER KÖNIGLICHBN HoHEIT 



anteiwtitfigster Vtrebter 
Dr. Ernst Mütich, 

Professor und Bibliothekar Sr. Majestät 
des KJtnigt. 



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VORWORT. 



vrleichwie die Geschichte der Niednr* 
land« im Allgemeiaen noch immer nicht 
genügend behandelt, und erst theilweiae 
au« d«ni unenneBsUchen Vorrath von ge- 
druckte» und ungedrudcten Quellen ge- 
schöpfl; wordm i»t} DO gilt diess ganz be^ 
sonders VOR der buj^undischeR und der 
bm^undüch-Csterreichischen Periode, wel- 
che beide, zumal für den Süden, die des 
htkhsten GUnnes, Ruhmes und Reichthums 
waren. Romantik, Ritterthum, Kunst, Po- 
litik — Alles findet hier seine Rechnung; i 
dennoch sind nur wenige tüt^tige Männer 
aufgestanden, uro kritisch und geistvoll zu- 
gleich da« Vorhandene m benutzen, za sieh- 
Uia und darzustellen. Der Graf Bvrante 



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bdiaaptet darin vor allen Andern den Vor- 
zug In seiner Geschichte der Herzoge von 
Burgund. Aber auch ihm sind wichtige 
Quellen entgalten, und Manches bleibt noch 
nachzuholen. Die burgundisch- österreichi- 
schen Herrscher selbst, sowie die Statt- 
halter und Statthalterinnen aus der Mitte 
des Erzhauses, sind bis zur Zeit Margare- 
thcns von Parma, wo Hooft, Hugo de 
Groot und Männer ihres Gleichen dann 
auftreten, noch sehr vernachlässigt, und 
es steht entweder immer das reinteutsche 
oder rein&anzösische, das allgemein -poli- 
tische oder das kirchliche Interesse und 
Gepräge im Vordergrunde. 

Es ist nicht unsere Absicht, eine voll- 
ständige Geschichte dieser Periode zu 
schreiben; wohl aber möchten wir eine 
Anzahl weiblicher' Charaktere, deren Le- 
ben und Wirken doch wiederum den Rah- 
men für die allgemeine Zeitgeschichte lie- 
fert, und für die Niederlande, Teutschland 



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und Frankreidi von hoher Bedeutsamkeit 
ist, herausheben, und bei Zeichnung ihrer 
Individualität zugleich Gemälde der Zeit 
überhaupt liefern. Wir meinen die Frauen 
der beiden Hauser Burgund und Oester- 
reich von da an, wo Beide erst ein- 
zeln erscheinen, sodann in Eins zusam- 
menfallen, bis da, wo die reinteutschen, 
localniederländischen , französischen und 
spanischen Elemente sich scheiden. Da 
diese Frauen sämmtlich Sprossen emer 
Familie sind, so bilden ihre Biographien 
zugleich einen innem Zusammenhang und 
ein in sich geschlossenes Ganzes. Ueber- 
diess erhalten durch sie Kunst-, Literatur- 
und Cultur- Geschichte mannigfache neue 
Aufschlüsse und Bereicherungen. Es ist 
unerklärlich, warum noch Niemand dar- 
auf verfallen ist, den poetischen Charak- 
ter in diesen Gestalten und in ihrer Wirk- 
samkeit hervorzuheben, und die vielen lieb- 
lichen und schönen Zuge und Einzelnhei- 



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im VOR iliv«n und über 9ie im »ammdn 
und dwrfswteUw. 

Wir vOTsnchcB «, ohne weiten An- 
sprach, als ^ea, die erste Bahn gdbrochen 
und den ersten Verauch dazv gemacht gii 
h<d>en. In elnüelnen Abtheilnngen sollen 
aUo (srsditcglqeQ i 

I. Mwrgarethv eon Yori, Hensogin 
von Bui:gund, Gemahlin Karls des Küh- 
n«»; awac nur dieilweive blutverwandt, 
aber durdi Schicloaale und Nragungen eng 
niit den folgenden Personen zusammen- 
hängend und in ihr Leben und Geschick 
eingreifend. Alle auf sie 8i<;h beeiehende 
Briefe, Urkunden u. s. w. werden beigetügt. 

n. Äfww w« BwguHä, ilire Stief- 
toditer, neM allen Reliquien, die von ilu- 
zmigeut und Nachrichten über maoucherlei 
in Archiven und Bibliotheken vorhandene 
Quellen ?u ihrer Geechiehte. 

m. Mwgarethe vo» Qesterreich, ihre 
und üiIaximiliaRs Totster, erst Gemahlin 



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swtiet Könige, «odimn die ein«« dritten 
Ffirftm, StattJtalteräi der Niederiande, die 
gtHtiüe ßamoüellei mit ihre» geistreichai 
Bfriladen und Tatzen, mdt ihrem poUtiadi- 
wichtigea Bri^vcedisel, mit den Gedieh' 
Wa imd Lobreden (tuftgeKe{chnet«r Schrift- 
steller ftn nie, Kumal auch der w äussern 
selten gewordenen Cowrotuu Margtteri- 
tiquBy mit Nachriditen über Dichter, Mu- 
siker und Künstler ihres Hofes, und No- 
tizen Über die berüiimte Blbliothdc vMi 
Burgund. 

IV. LffOnore, Königin von Bwtug^ 
und JVdwtreicA, MU^aiethi Königin von 
Dänemark, Christients IL Gemahlin, und 
Mona, Königki von Ungant, ihre Nich- 
ten; Letztere ebenßüls vieljäfarige Statt- 
halterin der Niederlande, sämmtlich von 
Dichtem und Rednern nicht minder ver* 
herrlicht; Erstere weiblich - zarter, die 
Dritte männlich -fester Natur. 

V. Margarethe von Parma^ deren 



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Leben fast reinpolitisch in die Revolution 
und in den Freiheitskampf der Niedwlande 
eii^reift. Auch bei ihr wird eine voll- 
ständige Sammlung der wichtigsten Urkun- 
den, Briefe u. s. w. filr die allgemeine 
Zeilgeschichte höchst wichtig sein; denn 
auch hier ist noch alles theils zerstreut in 
vielen einzelnen Werken, theib nodi un- 
gedruckt in Archiven aufgeschichtet 

Vorstehendes "Werk kann zugleich als 
eine Art Prodromus und eine Eigänzung 
der Geschichte des Hauses Nassau -Ora- 
nien gelten, sowie es wiederum ein für 
sich bestehendes Ganzes und einen Cyclus 
von Biographien der merkwürdigsten 
Frauen im letzten Decennium des fünf- 
zehnten und in den sechs ersten des sech- 
zehnten Jahrhunderts bildet. 



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I. 

MARGABETHA VON YORK, 

UERZOeiS VOS BURGVSD, 
GEMAHLIN KARLS DES KÜHNEN. 



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TT ie wenig Erfreuliches die politische Ge- 
schichte der zwei letzten DezenuieD des fanf- 
aehnten Jahrhaaderts für den grössern Theil 
von Earopa enthielt^ ist anderwärts znr Genüge 
gezeigt worden; aber die grosse Bewegung der 
Geister in Italien, Deutschland^ Ffanhreich u. 
s, Vf., welche eine ne^e Zeitlage vofbereitet«^ 
und die Summe der sich drängenden Entdeckun- 
gen und Erfindungen, der erschlossene Verkehr 



AiniB>EDMe. Dia Torzuglichsteif Quellen und Materialien 
ED ^eiera Aufsatze sind : M^oirea de Philippe de Commi- 
Itei. Loudfes 1747. 4. Dunott du Ckamagt, Mämoires 
penr seftlr h l'hiatoire do Colntä de Boiitgdgne. Besan- 
9011 l740. 4. MAnoirea tPOtieier ia U Warehe. Ptra- 
4hI| ftUraoirea d« Bowrgogoe. Bob. Macjuerof, Recueil 
gia^al de l'Burope. Eicellent« ChraDJicke van VUcende- 
ren fol. Wondsrlijcke Oorloghen fol. Jean Molintl, Chto- 
lücquei. I. IT. Hume, Gescliichte des Hauses Tador. VI. 
VII. Sarante Hist. des Daca de Bourgogne. Du Nont 
(üorpa d)[doiitatique T. /. ff. StmtU JcRisptudeAtia beioica. 
T. n. HMf«r,lLü(dHtagiUMMttr. T. II. 



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mit andern Welttheilen und die ianigere Berüh- 
rung; der Völker in dem alten, endlich die rast* 
losen Bemühungen für Wiederherstellung der 
Altäre der Knnst und WiBsenachaft sprechen 
ein warmes Interesse an, und man vergisst gerne 
die politisch- kriegerische über der Kulturge- 
schickte, 

Das vielbewegteste Leben, ausgestattet mit 
Poesie und Liebreiz, drängte sich den Städten 
Italiens und Burgunds zu, während in England 
über Ruinen und Brandstätten und Schaffotten 
die bürgerliche Freiheit atlmählig sich ein wenig 
erholte, in Helretien zu neuen Triumphen sich 
stärkte, und der Ernst der Forschung in Teatach" 
land unbekannte Strahlen der Wahrheit in den 
Tielhundertjäfarigen Kerker des Glaubens und des 
Wissens brachte. Eine der merkwürdigsten Er- 
scheinungen bot ohne Zweifel jedoch das Her- 
zogthnm Bnrgond unter der Herrschaft Philipps 
des Guten dar. In einer glänzenden Kette der 
fruchtbarsten Besitzungen von der holländischen 
Nordsee bis zu den schweizerischen Alpen 
sich ausdehnend, und, unter vielfach bestritte- 
uer, französischer Lehttherrlichkeit, auch Ton 
dies«n Lande einen der sch5nern Theile in sich 
vereinigend, stand Burgnnd in der Beihe enro> 
päischer Staaten ersten Rangs, durch seinen 
Handel, seinen Beichthom und seinen Einfluss in 
politischen Angelegenheiten des WelttheiJs , da. 
Der Herzog Philipp war seinen Feinden fnrcht- 



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bar, seinen Freuoden unentbehrlich, rah hohem 
Kriegsruliine geschmückt, überdies Beschatter 
der Künste and Wisseaschaften. Nach Beendi- 
gung der mörderischen Franzosen-Kämpfe, oder 
zum mindesten seiner Thcilnahme daran, ver- 
wandelte er gern sein Schwerdt in die Sichel. 
Die flandrisch- brahäntiscben Städte priesen den 
Segen seiner Herrschaft. Brügge wurde derMit< 
telpunkt des Welthandels. Eine Reihe ansge- 
teichneter Ritter, Gelehrter und SSnget zierten 
seinen Hof und seinen Staaterath; eine Reihe 
von Fürsten und Grossen, welche aus Lehns- 
pflicht, oder aus freiem Willen dem Herzoge 
dienten, bildete die nächste Umgebung. Die 
feine Sttle, von der Anarchie des französischen 
Adels, der Zuchtlosigkeit Isabellens von Baiern, 
dem blutigen Argwohn Ludwigs und der kriege- 
rischen Rohheit der Engländer verscheacht, war 
nach Boigund geflüchtet. Arras ward ein grosser 
Bazai der Galanterie. Durch das ganze Volk 
ging ein fröhlich muthwiUiger Geist; ja bald 
kam, im Gefolge üppiger Leidenschaften, der 
ganze Uebermuth demokratischer Freihnt, wel- 
chen die Aristokratie schlau benutzte, um mit 
zur Theilnng zu gelangen. 

Dieser Zustand dauerte eine Zeit nach dem 
Tode des Guten noch fort, bis die Denkart sei- 
nes Sohnes bald allem eine andere Gestalt ver- 
lieh. Der troteige Karl^ ein Charakter, weU 
eher zum Fürsten wie zum Feldherm za viele 



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nad KU wenige EigeaBchiiften bcsasg, reixte bald 
im eigenfln Lande, bald bei den Nachbarn and 
in der Feme Leidenschaften mannigfacber Art. 
Er bekGnipfte sie mit der ganzen Kraft seines 
innern UngestüuiB. In allen Untemehraungen 
begleitete persönlicher Haas oder pergfinliche 
Neigung seine Politik. Sein beldenmüthiger- 
Sinn and seine energische Individualität, end- 
lich die grossen HüIfskrSfte , welche ihm zn 
Gebole standen, nnd der Schrecken» der tot 
seinem Namen herging, machten ihn zum ge- 
feiertsten Helden jener Periode, und man er- 
wartete oder glaubte von seiner Tapferkeit noch 
grossere Thaten, als er vielleicht ausgeführt 
hat. In den Verhältnissen mit fremden Fürsten 
und Nationen verfuhr er nicht minder rück- 
sichtslos, als in denjenigen zu den Yaiaiien 
und Unterthanen seines Herzogthoms. Zu aol- 
chea Uebermath trieben odet- kräftigten ihn 
die Bänke italienischer Häuptlinge und Frei- 
staaten, die nicht minder machiavellistischen 
Unternehmungen eines Ferdinand von Arragon» 
die moraliobe Nichtswürdigkeit eines Ludwig 
XI. nnd Alexander VI., die erbärmliche Schlaff- 
heit eines Friedrich III., die blutigen Fendal- 
Kämpfe and Treulosigkeiten der weissen und 
rothen Böse. Wo sollte damals ein Fürst, 
selbst wenn er für das Recht noch einigen Sinn 
hatte, Beispiele des Bessern heinehmenl Seine 
Zeit also erklärt Karls des KübaeD Charalfter. 



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Die Flamme des Genie's, welche in ihm I»derte, 
verwandelte sich leider in eine rerheerende Fa- 
ckel, bis der mächtigere Arm schweizerischer 
Freiheit sie erfssite und, znmHeil von Europa, 
vielleicht auch zu dessen grosiiem Schaden, 
aasloscfate. Ein starkes Königreich Bargnnd 
hätte- Enropa vor vielem Jammer und Unglück 
bewahrt. Diese Wahrheit stellt anch in neosten 
Tagen fuhlhar genug sich wieder ein. 

Die ganz eigenthnmliche Stellang des Her* 
sogs zn Frankreich und die geheimen Wünsche ei- 
nes glühenden Ehrgeizes, deren letztes Ziel die 
bnrgnndische Königskrone war, fährten ihn zu 
Bündnissen mit fjigland und Oesterreich, als 
naturlichen Feinden erst genannter Macht. Un- 
terhandlnngen mit Friedrich III. über eine Ver- 
mählung der jungen Fürstin Maria, Tochter aus 
erster Ehe, mit Maximilian , dem Erzherzog, wa- 
ren schon früh angeknüpft worden ; der alte Kai- 
ser sachte sie eifrig; Karl zSgerte, Hess aber Ge- 
währung wenigstens hoffen. Die eigene Heirath 
mit einer englischen Prinzessin gehSrte, nach- 
dem auch die zweite Gemahlin, Isabelle vonBour- 
bon, gestorben, zu den Planen seiner Politik. 

Der Gang der Ereignisse in England, wo 
Revolutionen, Heirenwechsel, Hinrichtungen and 
Gemetzel in rascher Folge sich dräi^ten, hatte 
Eduard lY. , aus dem Hanse York, auf den 
Thron geführt; aber der neue König hatte mit 
dem Hanse Lancaster, den au&ühriBeheii Grossen 



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nnd dem UDerschöpfiicheD Genie der Marga- 
rethe von Somerset harte Kämpfe za be> 
stehn. Als die finstern Wolken rings angezogen 
kamen, warf ei seine Blicke anf das Ausland 
nnd stachle dorch eine mächtige Alliaiz aich za 
stärken. Burgnnd schien die geeignetste zu sei- 
nen Zwecken. Zwar widersprachen hier Fami- 
lienrücksichten, denn Karl, von seiner Mutter 
Eleonore von Portugal, Tochter Johanns von 
Gaont, war der natürlichste Verbündete des ne- 
benbuhlerischen Hauses Lascaster. Allein die 
Staalsgründe entschieden wohl mächtiger als die 
Familienrücksichten. Karl neigte sich, in Rück- 
sicht auf das geminderte Ansehen des letztem, 
zn demjenigen, welcher über die grössern ma- 
teriellen und moralischen Kräfte von Englwtd 
verfugte. Er schickte seinen natürlichen Bru- 
der, den Gross-Bastard Anton von Burgond, 
dahin ab, um die Hand der Prinzessin Marga- 
rethe, Schwester König Eduards, zu werben. 

Diese befand sich damals in heitathfähigem 
Alter, und zeichnete sieh durch körperliche 
Schönheit nnd seltene geistige Vorzüge aus. 
Schon frühe halte sie an den Schicksalen des 
Hauses regen Antheil genommen; der Gemahl, 
welchem sie sich zu eigen gab, erhielt mit ihr 
zugleich eine verständige Bathgebeiin und eine 
brauchbare Verbündete. 

Als der Antrag Karls des Kühnen bekannt 
geworden, Kusseite sich in der Nation nicht 



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miodere Zufriedenheit, als bei dem Könige ' 
selbst. Die Handelsverhälttüsse beider LKader 
konnten dnrcb ein solches Bändniss nur bedeu- 
tend gewinnen, und die natürliche Eifersucht, 
welche zwischen England und Frankreicl^ wal- 
tete, mnsste es doppelt angenehm und wün- 
schenswerth machen. Der Vertrag, wodurch 
Eduard seine Schwester dem Herzog gab, kam 
also sehr schnell zu Stande, und ein zweiter, 
mit Bretagne, mehrte noch die Zuversicht Bei- 
der. (1468.) 

Noch in demselben Jahre ging die Heirath 
vor sich. Der Bischof von Salisbury und Tho- 
mas Vaguant, Franzose von Gebart und ge- 
wandter Unterhändler, hatten die Sache nach 
Kräften gefördert und die Einwilligung ihres 
Herrn nach Brügge fiherbracht. Die Anstalten 
za Vollzug des Beilagers in dieser Stadt wur- 
den auf das prachtvollste getroffen. Die Bnr- 
gundischen Geschichtschreiber, vor .allen aber , 
Olivier de la March«, schildern diese Hochzeit 
Karls und Margarethens als das glänzendste 
Fest, was je noch im Lande gesehen , worden, 
und' erschöpfen sich in Schilderung der Einzu- 
heilen desselben. Wir können uns, zumal fiir 
die allfttlligen Leierinnen unseres Werkes, nicht 
enthalten, hievon einen gedrängten Auszug zn 
liefern, nnd das Burgundische Modejournal, als 
interessanten Beitrag zur Sittengeschichte jener 
Zeit, ein bischeo oasinbreiten. 



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10 

König Eduard hfttte seiner Schwester ein 
reidies Geleit von schSn ausgestatteten Fahr- 
zeugen und Tomehmen Edellenten nnd FraaeÄ 
mit gegeben. In letzterer Zahl befanden sich 
verschiedene Jugendfreundinnen ■ Margaretli«ns 
ans den ersten HSusem Englands. Beinahe alle 
machten sich, da man in Burgund hierin nicht 
den Kürzern ziehen wollte, durch hohe kör- 
perliche und geistige Eigenschaften hemerkbar. 
Beim Fort Ecluse ging, am 35. Junius, die Lan- 
dung Tor sich. Des folgenden Tages erschie- 
nen die Herzogin Mutter, Eleonore Ton Lan- 
caster, und die Prinzessin Maria, Mademoiselle 
von Burgund. Das Fräulein von Axgoeil und 
eine grosse Zahl Frauenzimmer, gefolgt von 
ansehnlicher Dienerschaar, erschienen zant AVUl- 
komm-Besnch, und nahmen mit den Gästen ein 
Mittagmahl. Es war ein reizender Anblick für 
alle Zuschauer, als beide Schönheiten , die 
. Stiefmutter und die Stieftochter, zum ersten Mal 
sich sehwesterlich umarmten und eine in der 
andern Anblick verloren stand. 

"Von Seite der Herzogin Mutter blieben die 
Herren von Charny, Rubempr^, Thoolongeou 
und verschiedene andere Edle und Damen, als 
Ehrengefolge bei der Königlichen Braut. Der 
Herzog Katl selbst, von Ungeduld getrieben, 
fand sich gleich darauf ebenfalls zu Ecluse ein, 
als der Bischof von Salisbnry die Glut der Her- 
zen sah, rief er ohne weiters aus; „Gnädiger 



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Herr! Ihr habt daBJenige gefanden, nach dem 
Ihr 80 sehnsüchtig getrachtet, und da Gott Euch 
diese Dune im Porte des Heils zuführt, so 
däacht mir, Ihr solltet nicht von hinnen ziebn, 
ohne Ihr die heisse Liebe zu erkennen zu ge- 
ben , so Ihr zn ihr tragt, sondern vielmehr gleich 
hier Euch verloben." Karl war mit dieser Ab- 
kürzung der Fortnalien von Seite des galanten 
Bischofs ebenso zu&ieden, als Margarethe, wel- 
che, nicht ohne einiges ErrÖ^es, naiv erklärte: 
„Sie sey wegen dieser und wegen keiner an- 
dern Sache ron ihrem Bruder, dem Könige ron 
England, über das Meer geschickt worden.*' 

Der Herjiog, nachdem die Verlabniss ge- 
schehen, kehrte zwar noch denselbea Abend 
nach Brügge wieder, besuchte die Brant aber 
tSglich, bis die Anstalten znm feierlichen Ein- 
zug völlig bereitet waren. Am 3. JnUus erst 
•ollte er demnach vor sich gehn und iwar von 
Damme aus, wo Karl, begleitet von mehrern sei- 
ner Grossen kurz zuvor eingetroffen war, um die 
förnilicbe Yormählung vorzunehmen. Nach die- 
sem Werk, 'dessen Einzelnheiten ihn sehr er- 
müdet XR haben scheinen, l^te er. sich des 
Abends nodi einmal aufs Ohr, als wollte er 
Kräfte zn der beschwerliphsten Anstrengung erst 
iawmeln. 

Inzwisdiea begaben sich die Herren von Ba- 
vensteia» Arguflil» Chateau-Guion, St. Fol, 
BoassiJ , Viennes , Luxemboi^ , Nassau , der 



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12 

Bastard vod Burgnnd u. A. Dach Damme, diu 
die Piinzesain abzaholen. Sie stieg in eine 
reichveraierte Säidite, welche von den selten- 
sten Pferden gezogen ward, Margarethe trag 
ein weisses, goldverbräintes Hochzeitkleid; ihr 
Haupt zierte ein mit Steinen reich hesetztes 
Krönchen von Gold. Ihr zunächst sassen, und 
sodann auch in andern, mit Cannoisin umge- 
schlagenen Sänften, die ans England gekom- 
menen Damen, unter denen besonders die Her- 
zogin Ton Norfolk dffrch ihre Schönheit Auf- 
sehen erregte. Eine zweite Reihe fasste den 
Rest (der englischen und der burgandischen 
Fraaenzimmer , ohnge^r vierzig bis fünfzig an 
der Zahl. Der Historiogiaph des Festes be- 
merkt vor allen die geistreiche Frau von Es- 
calles, die reizende Wittwe Willibi and die 
Damen Clinton und Strop. 

Der Zug bewegte sich von Damme bis znm 
heiligen Kreuzthor von Brügge ohne Aufent- 
halt. Hier wurden die gehörigen Befehle er- 
theilt, damit keine Art von Unfall oder Un- 
ordnung die Harmonie des Festes störe. Die 
Grossen des Hofes, die vornehmem Ritter des- 
selben und die Angesehenem der Stadt Stros- 
sen in folgender Reihe sich an und bildeten 
zwei Reihen, durch welche die Ordonnanzen 
des Herzogs jederzeit frei und ungehindert hin 
und her reiten konnten: Zuerst kamen alle 
geistlichen Peisonen von Rang mit den Beli- 



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13 _ 

qnien der Heiligen, welche bei allen feierli- 
chen Anlässen hemmgetragen worden. Nach 
ihnen der GrossTogt nnd die Wethouders too 
Brügge, daraaf alle Edeltente, welche zun 
Dienste des Hofes nnd znta Geleite det Glos- 
sen geharten. Hinter diesen die Ajmbriut- 
schützen nnter dem Befehl des Bastards von 
Borgnnd; hierauf abermals Kammerherren und 
Edellente von verschiedener Raogabstnfang, dile 
in goldverbrämten Mänteln von Damast nnd 
Atlas, Sammt, Camelof und Seide, iüi deren 
Fracht der ehrliche Olivier kanm Worte genug 
findet Endlich folgten die Prinzen von ^eblnt 
mit ihren Hanptlenten. DieFeldmnsik, welche 
ans Künstlern verschiedener Nationen bestand 
nnd bei welcher Trompeten und Klarinette die 
Hauptrolle spielten, und eine zweite Abthei- 
Inng Armbrostschülzen ans England sowohl, als 
ans Bargund. Endlich kam Madame Marguerite 
selbst, mit dem obbeschriebenen Frauen-Cor- 
t&ge; zwei Hanptlente der herzoglichen Garde, 
Messire de Rosimbor nnd Messire Philippe, 
Bastard von Viefrille erhielten nra dieselbe ei- 
nen breiten freien Raum, nnd wehrten dem An- 
drang der Yolksmasse. 

Unter den bnrgundischen Edlen unterschied 
man besonders die Ritter des goldenen Vlies- 
ses in Pracht des Anzuges und in Würde der 
Haltung. Vor allen jedoch stachen Adolf von 
Cleve, der Grossbastard von Bnrgund, der Graf 



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14 

von Charny and die Herren von Creqai, Des 
Cordes, St. Pol, Lalain, Aaxi, Crevecoenr a. 
i. Vf. hervor. Unler d«n en^iiehen; die Her- 
ren von Escalles (Schwager K. Edaards), On- 
devile, Talbot, Montgomer;, Howard, d'Acres, 
Chandos, Vagan, Salengier nnd Anperre. De 
la Marche bemerkt, etwas lualitiSs-naiT, das« 
man alle diese engUacben Herren sehr gat ge- 
hriten und gemästet habe. 

Nach den Edlen and Damen von hohem Bange 
sah tnan die Gesandten der verschiedenen Staa- 
ten am bnrgundisehen Hof, Geistliche sowohl 
als Weltliche anftreten. Der Kanzler von Bur- 
gnnd und der Rath des faorzoglichen Hauses 
begleitete sie. Von Prälaten zählte man die 
Bischöfe von Salisbarj', Metz, Yerdan, Cam- 
bray, Utrecht undDornick; TonLorient, einen 
Bitter des Königs von Arragon , mehrere Edel- 
lente des Pfalzgrafea am Rhein, die Botschaf- 
ter der Republiken Venedig, Florenz und Ge- 
nua. Jeder von diesen wetteiferte, den andern 
an Prunk zu übertreffen; aber der vereinigte 
Prunk aller ward von dem der Burgunder über- 
strahlt *). 



*) Ke Genueser inbrten täa schdoea Mädchen, in wüs- 
sen Daouut gekleidet und za Pferde, bei ^ch. Ea sollte 
üne Kdoigstochter TOrstellen, «eiche St. Georg vor Dra- 
chen beschützt. Der heitjge lUtter selbst folgte in Persona 
nach, in rolbtändigei Rüstung, wie die Legende ihn mahlt, 
und halte drei Knapp« zo sdner Bedienung. 



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Die Stadt Brügge, durch denn Th«re und 
Strassen nunmehr der Zng langsam statt fand, 
erschSpfte sich in kostbarem Anfwuid und sinn- 
reichen Verzierungen and Spielen, Die Stras- 
sen waten mit seltenen Tapeten, seidenen Tü- 
chern und Stoffen aller Art behangen, und die 
Wohnungen ansge schmückt. Auf den Tapeten 
und Tüchern selbst waren die beliebten bibli- 
schen Oesohichten ron Adam und £ra (der 
Natnt so getreu, als möglich! nachgebildet); 
ebenso die Hochzeit der Kleopatra mit Alex- 
ander, und andere Dinge der Art mehr, abge- 
mahlt oder eingewirkt zn «ehn. Vor dem Pa- 
läste des Herzogs hing ein grosses Gemälde, 
in Gold und Azur eiugefasst, welches zwei Lö- 
wen wies, mit dem grossen Wappen von Bor- 
gnnd in deu Klauen« and die Heiligm Georg 
und Adrian als Schützer des Landes zur Seite, 
unter dem Wappen lagen die Biiehsen Karls 
des Kühnen abgezeichnet und stand die Devise: 
Je Pay emprü, beigeschrieben. Ebenso waren 
ein Grieche mit türkischem Bogen (oder ver- 
mutblicb ein Amaut) nnd ein Deutscher abge- 
mahlt, ans dessen Schlünde Wein von Beaune 
and ßheinwein stromweis in ein grosses stei- 
nernes Becken sich ergoss, weraas nach Be- 
lieben zu schöpfen Jedermann erlaobt war. 
£benso schwamm im Hofe ein grosser Pelikan, 
welcher jedoch, statt des Blutes, ebenfalls ein 



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16 

kostbares Getiftok aofl dem anfgeritztea Basen 
henmter tropfen liess. 

Der Zug hatte am vier Uhr des Mor^ns 
zu Datnme angefangen , nm zw5]f Uhr stieg die 
Braut in dem herzoglichen Hotel ab, und ward 
am Eingange des grossen Saales von der Her- 
zogin Mutter, dem Fräulein ron Bnrgnnd und 
einem Gefolge von etwa hundert Damen erwar- 
tet. Während die Sänfte von den Trägern nie- 
dergelassen wnrde, ertönte Trompeten- und 
Pankenschall. 

Eine Reihe von Sälen war auf des Herzogs 
Veranataltang zum Empfang der GSste znberei- 
tet and über jeden ein Tischmeister gesetzt 
worden, weichet die Ehre des Tages besorgte. 
Olivier de laMarche weiss nicht, wo er zuerst 
anfangen soll, um sein inniges Vergnügen an 
der hier geschanten Pracht and Ueppigkeit ge- 
nqgsam auszudrücken. Die schSnen und hel- 
len Gläser (damals vielleicht noch üne Sel- 
tenheit in den Wohnungen ), die grossen, herr- 
lichen Spiegel, die kostbaren Tapeten , die 
künstlichen Krön- und Wandleuchter, welche 
sogar die Gestalt von Schlössern, Beiden, Klip- 
pen, Menschen und Thieren künstlich nach- 
ahmten, und Bäume, Blätter, Früchte, Blumen 
darstellten, Ton der Hand des geschickten Mei< 
sters Jean S/aAtn, Kanonicns zu St. Pierre de 
l'lsle, ausgeführt, alles dies setzte die Gäste in 
unwillkühtliches Erstannen. 



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17 

In den Gängen ausserhalb des grosseh Saa- 
les, doch so, dass Alles, was darin vorging, 
den Blicken sich nicht entzog, waren för jene 
Damen, welche incognito das Fest mit anzuse- 
hen gekommen, mehrere Tribanen errichtet und 
drei verschiedene Tische aufgeschlagen. Auch 
diese Abtheilung zeichnete sich durch Eleganz 
und Erfindung aus. 

Wir lassen nunmehr das edle Brautpaar und 
die Gäste rahig schmausen, ohne ans mit Mei- 
ster Olivter in das Detail der Speisen und in 
die Anordnung der Tafel zu verlieren. 

Nach beendigtem Mahle ging es zum Turnier 
auf dem Hauptmarkte. Der beliebte pa» de 
l'arhre d'or ward aufgeführt. Der Herr von 
Ravenstein machte den ersten , der Bastard von 
Burgund den zweiten Bitter vom goldenen Baum. 
Letzterer war von einem Biesen begleitet, wel- 
cher einen Zwerg gefesselt hielt. Die Ursache 
dieser Fesselang stand in dem Schreiben des 
poiinuyvant, genannt ar&re d'or, welcher sich 
einen Diener der Dame de l'üte celee nannte, 
angegeben. Es war eine Barg künstlich gebaut, 
die Thore mit gemalten goldenen Aepfeln ver- 
ziert, und ein glänzendes Orchester von Trom- 
peten und Clarinetten aufgestellt worden. Die 
Damen, wie die Ritter, hatten sich zum Behufe 
dieses Spieles in neue, glänzende Garderobe 
geworfen. 

Die Schranken wurden , nachdem die Kampf- 
I. 2 



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18 

riohter auf teppiebbehangene Stühle sich gesetzt, 
and die Dtuneii eines tvunderlieblichen Kreis 
^bild«t, endlich erötfoet. Adolf von Cleve and 
det Bastard thaten den ersten Gang. Jener ward 
mit folgender Anrede an die Damen eingef5hrt, 
welche trotz des aherdiümlichen Französisch 
nnsem meisten Lesern dennoch verständlich 
sein wird: „Trh-haute et irii-puütaHte prin- 
eeMte, aut trh - redoutie et toaveraine dame, 
et vom antret, nablet priuceuet, dame» et 
damaüeiiet, votfez cy aa ancien Chevalier^ gut 
det longtempt a friquenti et exercS let armet, 
leqvel vout faU trit-hamble riverenee. Si ett 
ainti gue par longve vie il ett venu ä te» an- 
eient j^urt: et gueit ii te trotne /ort debüiti 
de ta pertonne: teliement gu'it ne peut plu» ne 
pourrait, let arme» tuymre ^ ne porter , et ä cette 
' caute a ditik longvement delaittS le metfier, et 
n'ett pat delihM de plu» porter arme». Mai» 
tontet Jitojfe» pource gu'ü a tceu cette grande 
et nouvelle Jette de noble pai; ei emprite du 
Chevalier de tarbre d'or, et la tri» -belle et 
ttoble at»enbl4e de damet d'icelle noble com- 
ptttgnie il ne »'ett peu tenir, pour ta demiire 
main de venir Jaire ton devoir, et te pr6»ente 
tri»-hmid>lemeat devant vau», Irkt-haute et trki- 
pttittante princette et vout autret nablet pr^- 
ceitet, damet et damoitelle». Foui requiert 
en taute himililij que le veuillez avoir pour re- 
commandi; et moir »en ion vouloir pour agrea~ 



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Me et d'ores en avant le tenier pour excuti ik 
eaute de son antiquUS et deiilitationi et ceite 
emprüe achevie, %l entend de toy rendre, et re- 
noncer aux artitet eu demowatit toujouri vottre 
trii-humble »erviteur, et de tontet damet** 

Mit dieaem Bitte, welchem eine Menge Ce- 
remonien Toran^egangeo waren, achloss sich 
der erste Tag. Eio grosses Baaquet folgte die 
Nacht darauf. Alle Färstenthüiner, Grafschaf- 
ten nnd Beaitinngan des Heraogs VBüAn in Back- 
werken, Speisen und Verzierungen künstlich 
angebracht und den GUsten zur Schau darge- 
stellt. Darauf kamen nachgemachte oder aus- 
gestopfte Thiere hintereinander in den Saal. 
Das erste war ein Leopard; er trug in der 
Schnauze das Panier von England und eine 
Blume, la fleur de Marguerile. Einer der Pa- 
lastmeister näherte sich ihm, nahm die Blume 
ihm ab und üherreichfe sie, vor dem Herzog 
ehrerbietig niederkniend, diesem mit denWorten : 
„Durchlauchtiger, hochmächtiger und unüber- 
windlicher Fürst, gestrenger Herr und Gebie- 
ter! der stolze und furchtbare Leopard von 
England kommt, diese edle Gesellschaft zu besu- 
chen, und zum Tröste von Euch sowie Enern 
Verbündeten, Landen und Untertbanen schenkt 
er Euch eine edle Margnerite." Karl empfing 
mit froher Laune die Blume, imd der Leopard 
verlieas den Saal auf dem gleichen Wege wie- 
der, auf welchem er hineingekommen. 
2* 



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Nach demselben schritt ein grosser L&we, 
geschmückt mit Gold und Seide und behangen 
mit deraWappea Ton Burgund, daher. Auf ihm 
sass die Zwergin der Prinzessin Maria, Ma- 
dame de Beangrand, ebenfalls reich gekleidet 
als Schäferin in violeltnem Obergewand; zwei 
Ritter, die Herren de Ternant nnd Tristran von 
Tbonlongeon, dienten ihr zn Begleitern. Der 
Löwe sperrte den Rachen nun auf nnd sang 
folgendes Gedicht zn Ehren der Braut: 

Bien viemie la belle beigere. 

De qni )a beaut^ et mani^e 

Nous read soulaa (solace) et esperance. 

Bien vienne l'eapoir et fiance 

De ceste seigneurie entib'e. 

Bien devona celle tenir cb^re, 

Qtü uons est garante et frontib« 

Contre danger, et tant qu'il pense. 

Bien vienne! 
C'est la aouTce, c'est la mim^e, 
De notre force gnmde et fi^e, 
Cest notre paix et assenrance, 
Dien louons de teile alliance, 
Crions, chantons k fie cb^e. 



Nach diesem Gesänge machte der Löwe sei- 
nen Gang durch den gainzen Saal, nnd als er 
ror der jungen Herzogin stand, kniete derselbe 



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Hofhieister, welcher die Blume überbrscht, vor 
ihr nieder und sprach: „Viel gestrenge Dame, 
die Länder, deren Crebieterin Ihr heate durch 
Crottes Gnade geworden, sind Eurer Ankunft 
hoch eifJreut, and indem sie sich der edlen 
Schäferinnen erinnern, durch welche vordem 
die Heerdeo gehütet worden sind, nnd welche 
jederzeit sich so tugendhaft benomroeD haben, 
dermassen, dass diese Länder sie nicht genug 
loben können, so machen sie Euch, damit Ihr 
mit ihren Tagenden und Eigenschaften besser 
vertraut werdet, ein Geschenk mit dieser schö- 
nen Schäferin und ihren beiden demüthigen 
Dienerinnen, welche Ihr tugendsam gekleidet 
vor Euch seht, nnd wollen Eurer Gnade sie 
bestens empfohlen haben." Damit ward die 
Zwergin mitten auf den Tisch gestellt. Marga- 
refha dankte huldreich; der Lowe sang sein 
Gedicht noch einmal und schritt sodann gravi- 
tätisch aas dem Saale. 

Ein Dromedar, saracenisch ausgeschmückt, 
löste sofort ihn ab. Es trug auf seinem Bücken 
zwei grosse K(5rbe, zwischen denen ein Führer 
sass. Als es den hohen Herrschaften näher ge- 
kommen, schüttelte es wild das Haupt, die 
Körbe öffneten sich, und indianische Vögel flo- 
gen heraus und erfüllten den Saal. Endlich 
Tüumte man die Tafel ab, and ein gläazrader 
Ball begann, welcher bis drei Uhr nach Mit- 
ternacht dauerte. Darauf beurlanhte man die 



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22 

Gftste, und das Brautpaar verfugte sich zur 
Ruhe. Olivier setzt schalkhafte Bemerkungeu 
bei, die der Geschieh (Schreiber weder über- 
setzen, noch Gommentiren nill. 

Die Schmauserrien und Festlichkeiten wurden 
den folgenden Montag tettgesetfet. Doch spei- 
sten die hohen HetrSchAflen besonders , und die 
beiden Herzoglntten bliebfen im Palaste, »Is Aas 
Turnier erneuert Warde. Der Herr von Cha- 
teaagniöA , Bruder des Prinsea von Orauien 
und Neffe des Grafen von Armagnac, brach nean 
Lanzen, während det Bitter rOm goldenen Baum 
zehn gebrochen; hierfür muBSte erstferer eine 
Rnthe von Gold als Sühne bezahlen. Der Ritter 
von Visian und iet Herr vOh Viennes, Neffe 
des Connetable von Frankreich, folgten hleranf 
und bestanden mit Ehren den ritterlichen Stranss; 
aber letsterem widerfahr das Gleich« wie dem 
von Viennes t der Chevalier de Tarbre de I'or 
hatte eilf, er nur sechs Lanzen gebrochen. 

Ein neues prachtvolles Banquet erquickte nach 
den Mühen des Tages. Unter Trompeten und 
Paukenklang pflanzte man zwischen den einzel- 
nen Gerichten, im Hintergrund des Saales auf 
einer Art von Bühne mit Vorhang, allegorische 
Figuren auf, welche die zwSlf Arbeiten des 
- Hercules vorstellten. Als in Folge der ersten 
That des Helden die Schlangen getftdtet waren, 
Otod die erwachten Wärterinnen , mit der Grosse 
der G«fiihr erst nach ihrer Besiegnng gani ver- 



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traat, ein durchdringendes Gesdirei hallen hä- 
ren lassen, fiel der Vorhang wieder, and ein 
angeschlagenes Gedichl theitle dem Pablicnm 
eine knrze Gescbichtserzählung mit: 

Hercnlea en son bers (berceau) soaa ponvoir de 

nouirice 
Tua deu^ grands serpeos de force, sans malice. 
A Im donc se moustra la forttine propice: 
Et son Aire moitnit, innoceut et sang vice. 
Puisqne aar deiuf bestens, portä d'ane ventr^, 
Fortime se d^part par diverse Uur^ 
Donc Ton lai«se päir aiiui qu'une ffun^e, 
L'antre poitc en ses bras croissaid en renomm^e, 
Bien devons Dieu douter, de coeur et de pens^; 
Car c'est ciel, qm d^part, ou il veat sa sond^e. 

Die zweite Arbeit war die Erlegung des 
tückischen Riesen, welchen der Kßnig Philotas 
besoldet. Sie war besungen in nachsiehenden 
Versen : 

HeTculea, pour meuer en.Gr^e le premier 
Les moutons et leur laine, comme bon cbevalier, 
Decoufit un g^ant, moult cruel et motdt fier, 
Et le roi Philotas, dont il fit sondoyer. 
Bien devoit Hercnle ^tre aimd par natare. 
Qaand pour enricbir Gr^ce emprit teile aTenture: 
L^ monstra il aux princes par rEÜson et droicture, 
Qu'ils doyveut coqis et veine estendre sans murmure, 
Et employer le tempa par Iravail, aans lasseure, 
Pour le publique bien: lequet üa out en eure. 



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24 

Der dritte Act brachte den König Fbilotos, 
Theseus undHercnles, die schöne Hesione und 
das Meerungehen er gemeinschaftlich zuSBOimen, 
und Hercules hatte das Glück, die liebenswür- 
dige Priazessin, zum Tröste aller künftig von 
Ungeheuern bedrängten Damen und zur Nach- 
eiferung für alle galanten Helden, zu befreien. 
Der hierauf sich beziehende Vers enthält aus- 
drücklich die Moral, für die Damen und ihre 
Erlösung keine Mühe noch Gefahr zu scheuen: 
Hercules conquesta de l'honneur grand monjoye, 
D'ocdre le fier monstre, qni voulait faire proye 
D'H^ionne, la belle, fille au grand roi de Troye: 
Et mit le peuple ä paix, ä repos et ä joye. 
O nobles Chevaliers, o toute gentillesse 
i'reoez id exemple, Hercules vous en presse, 
Pour garautir les dames, monatrez grand haidiesse. 
Faitez vous detrancher pour boneste prouesse, 
Deffendez lear honneur; car n'ont d'autre richeese. 
Qiii autremeut le fait, il oSense noblesse. 

Nach diesem Abenteuer kam das mit den 
drei Löwen, weiche Hercules bekämpfte und 
erlegte, während der König und der Bauer auf 
den Baum sich geflüchtet. Dem Andenken daran 
waren folgende Zeilen gewidmet, voll andäch- 
tigem Ermahnen zu frommen, nüchternen und 
keuschen Leben: 

Hercules se trouva assailly des lyons, 

Trois CD occit en l'heure, ainsi que nous trouvons, 



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Fier et fort se monstra sur tous les morteU hommes 
Plus troDvons ses fmcts grands, plus avaut les lüous i 
Les troU lyoos teiribles par Hercules vaiacus, 
C'est' le monde, la chaire et le diahle de plus, 
L'un soufQe, l'autre atise, et le tiers reuil abus. 
Maiats hommes out deceus, devor^ et perdus. 
Or soyons bataillans des glaives des vertus: 
A ce que de nos ames Dieu ne face refiis. 

Für diese Thaten erhielt Hercules die £t- 
laubniss, von seinen Anstrengangen ein wenig 
auszurulien, Dafür erfreute die Gäste noch ein 
Spectakel anderer, höchst wandersamer Art. 
Ein Greif, welcher Kopf und Flügel bewegte, 
als wäre er lebendig, und Federn von Gold und 
Azur hatte, bewegte sich durch den Saal. Sein 
Schweif war mit weisser und blauer Seide be- 
deckt nnd mit den Buchstaben des Herzogs und 
seiner Gemahlin übersäet. AU er den Schnabel 
öfifnete, flogen lebendige kleine Vägel heraus. 
Trompeten und Clarinelte ertönten zum jubeln- 
den Yivat. Man räumte ab, und ein Ball be- 
schloss ebenfalls den zweiten festlichen Tag. 

Gestärkt durch kurzen Schlummer ritten die 
Edlen zur Fortsetzung des Kampfspieles aus. 
Johann von Luxemburg, der Herr von Argueil 
und Anton von Hallewyn bestanden den Strauss 
auf prächtig geschmückten Rossen und von reich 
gekleideten Pagen zu den Schranken hingeführt. 
Der Herr von Hallewyn erhielt aus den Hän- 



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26 

den ies Chevaliers die goldene Ruthe. Das 
Gastmahl, veranstaltet unter seidenen Gezeiten 
zeichnete sieh dnrch neue sinnreiche Erfindun- 
gen ans. Alle Städte von Borgend, Brabant, 
Flandern, Hennegau, Holland u. s, w. , welche 
Karls Oberherrlichkeit anetkannten, waren auf 
den Wappen, die man in symmetrischer Reihe 
aufgestellt, veranschanlicht. Die Devise des 
Herzogs : „Je l'ay emprins ! " und jene Margare- 
thens: „Bienen avienne!" glänzten über jedem 
Gezelte. Ueberdiess ragte ein hoher Thnrm, 
dem von Gorknm nachgebildet, and dnrch ge- 
schickte Künstler in Eile aufgerichtet, fast in 
der ganzen Höhe des Saales hervor. Karl liess 
durch seine Capelle, auf welche er immer viel 
Sorgfalt zu verwenden pflegte, seine Lieblings- 
nriü'sche auffuhren. Ebenso wurden alle mög- 
lichen Thiere nachgemacht, welche verschiedene 
Instrumente spielten. Die ausführlichen Be- 
schreibungen, welche man davon in de% Chro- 
niken liest, sind anziehende Urkunden des da- 
mals am Hofe von Bnrgnnd herrschenden Ge- 
schmacks und der bizarren Individnidität Karls 
des Kühnen. 

Nachdem die Thiere abgetreten, stellten sich 
die Ritter wieder ein nnd gaben seltsame und 
abentenerliche Liebeispiele zum Besten, auf 
eine Axt, wie man sie in Romanen der ersten 
Sorte findet. Bezauberte Prinzen and gefiingene 
Damen girrten ihre Heizensseu&er her und 



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erachöpften sich in Anreden voll feiner Anspie- 
langen anf die hohen VermShlten. Der Bastard 
TOD Burgund, Johann Ton Luxemburg nnd Phi- 
lippe de Poitiers turnirten an diesem Tage. Ein 
BchÖnes Fräulein, die weisse Dame genannt, 
begleitete den letztern zn den Schranken. Sie 
aass anf einem Pferde mit einer Hermelin-Scha- 
braclie; die Haare fielen ihr in zierlichen Flech- 
ten über den Scheitel hemnter; sie aelbst trug 
ein prachtvolles Kleid von weissem Atlas nnd 
Geschmeide aller Art, Jedermann bewanderte 
ihre üppigen Reize und ihren edeln Anstand; 
zwei Knappen mit Baretten von violetten em 
Säumet und mit goldverbrämten, theils schwar- 
zen tbeils carmoisinen Röcken, zierlich aosge- 
schlitzt, dienten als Gefolge. 

Als die holde Blanchefloar dem Kranze der 
Damen näher gekommen war, welche, um das 
Turnier behaglich anzuschauen, sich in schöner 
Ordnufg aufgestellt hatten, hielt sie an Mar- 
garethe nachstehende Anrede: 

Tr&s-redout6e, excellente princeue 
Droit cy m'envoye, euvers Totre noblesse 
Une moult noble et gradeuse dame; 
Et m'a reqnis, que devers votu j'adrease 
Le Chevalier, pour croistre sa pronesse. 
Leqnel aiusi eile avone et confesse 
Son serviteiir et senl de ce royamne 
Nominer se fidct par nom la dorne Manch»! 



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28 

Or eile a ea n'agueres coDgnaissance 

De cestoy paa (qui est de noble Usance) 

Et (In perroD ä l'arbre d'or tres'riche, 

Dont pour sccroistre ea gloire et en vaillance, 

Le Chevalier, qui la braudit sa lance, 

Son serviteur, s'y offire d'amour francfae 

Pour le servir en tout humble serrice. 

Der Herr von Poitiers gewann nach dem 
zehnten Gang den Preis über seinen Nebenbuh- 
ler, den Bastard; dagegen siegte dieser über 
einen andern, Ciaudo de Vandrey, welcher zu- 
letzt tnrnirte. 

Am fünften Tage zeichneten besonders ein 
Deutscher, der Graf von Solni, und nach ihm 
ein zweiter Bastard, Balduin vonBurgund, und 
der Herr von Renty, aus dem Hause Croy, sich 
beim Kampfspiele aus. Bei dem Banquet aber 
prangten Pfauen und Schwäne und die Devisen 
des Ordens vom goldenen Yliesse. Hierauf 
wurden die Arbeiten des Hercules fort^setzt. 

Zunächst reihete sich an die früheren die 
Höllenfahrt mit Tfaeseus und Firithous und die 
Entführung der Proserpina. Als die Gardine 
gefallen, machte ein neuer poetischer Theater- 
zettel das Publicom mit der wundersamen Mähr 
bekannt : 

Hercules entreprit voye inoult-daDgereiue, 
Quand alla ä l'enfer, Tabisme penlleuae, 
Cerbenis combotit ä la porte douteuse. 



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Et reprit Proserpine, la belle et la joyeiue, 
Cerbenu signifie p4ch^ le devoyable, 
Qui garde des enfers' le goufFre redoutablc, 
Or, sojons Hercules le Tullant et buable, 
Combattons Cerbems par vertu honorable, 
Portant ä Proserpine un bon aecours aidable, 
Notre aine retirans hors de vice damnable. 

Nach dieser fiiaften Arbeit des Alkmeniden 
traten Amazonen aof den Schauplatz. Zwei blü- 
hende Fräuleins, in die bekannte Tracht jener 
E^ie§;erinnen gekleidet, mit Schwertern umgür- 
tet und mit Tiolettenen Baretten auf dem Haupte, 
rückten zu Pferde an; eine grosse Menge Frauen 
folgten zu Fuss diesen ihren Fühierinnen, be- 
wehrt mit allen Waffen der Amazonen. Eine 
Anzahr Ritter traf auf sie, ebenfalls kampfge* 
rüstet, und nnn ward zu Fuss und zu Boss die 
berühmte Schlacht vocgestellt, in der die Scy- 
thinnen, wie billig, den Kürzern zogen. Die 
hier ausgeführten Evolutionen ergötzten den 
Hof und die Zuschauer nicht wenig; den krie- 
gerischen Act aber scbloss folgende Moral, auf 
dem Vorhang angeheftet: 

Hercules le vaUlant et le prcux Theseua, 
En deux femmes ann^ea trouv^ent telz vertus, 
Que pour tous les perils, on se sunt embatos, 
Ds ne furent si pr^ d'estre morta ou raincns. 
Puia deux Amazonnes et deux fenunins corps 
Contre deux si ptüuants sonstindrent tei9 efforts; 



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30 

Exempie eM, qn'oa doH craiadre et babülle et dUcorde ; 
Son ennemy donter foible, manchot on tors, 
Car on a veu soavent (qae bien en est recore) 
Qne Jes victoirea sout, ou Dieu donne )ei sorts. 
Wie sehr die AnweDdung dieser letztern 
Worte ihn selber bald treffen wurde, ahnete 
der stolze Karl wol nicht. 

Nach den Amftzonen kam die Reihe an die 
berüchtigte Schlange, welche höchst künstliob 
nachgemacht war, und welche der Held, der 
alle möglichen Mordgewehre bei sich trug und 
sich nachschleppen Hess, ganz auf gehörige 
Weise erlegte. Diese siebente Arbeit war also 
besungen : 

Heicnlea es palns troora le fier aerpent, 
La teste Iny traadia: mais toat incoDtinent 
Sept antrea luy sullirent äBerreUlablement, 
Mais toatea les trencha Hercule» le vaillant 
Qiü nn yice rencontre d'aguet ou d'arenture, 
Sept autres en viendra par estrange figure, 
Et sera fort constant, qni n'en aura raoisare, 
Faiaona comme Hercules ä l'ennemy injure; 
Tranchoos luy les sept testes, qui sont plaiaes d'ordure, 
Et nous gardons de faire ä vice nourritnre. 
Die Anstrengungen bei Ertodtung des lernäi- 
schen UngethÜms hatten den starkmüthigen Her- 
cules so wenig ermüdet, dass er alsogleich 
auch an die Riesen sich machte, die ganze no- 
ble GeielUchaft in die Pfanne hieb, mit Aus- 



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31 

nähme jener, welche itm Gnade flehten und 
hnldigten. Daraaf setzte er sich also die Krone 
von Kramona auf, und der Dichter mit geschick- 
ter Anspielung nnf die Zeitrerhältnisse folg-erte 
nachstehende politische Ermahnung an Karls 
Widersacher : 

Hercules, remirant les hauts murs de Cr.imonne, 
Unze g^ans tronva, par maniäre felonne; 
Mais ä leur grand pouvoir n'accompta une pronne; 
Toua les d^ßt et prit cito et la couronne. 
Hercules c; noos monstre vertueui: eKcmplaire: 
Que pour toiirbe de gens, de menace ou pour braire, 
L'homme chevallereuK ne 3e doit point deffaire : 
Uiüa se digne d'avoir de conronne salaire, 
Qui contre grand pouVoir ose fronti^te feire; 
Car on vojt peu soavent bon defiTendenr deffaire. 

Tanz nnd Musik folgte nun von neuem, und 
darauf die Bitterspiele, bei deren einem der al- 
tere Bastard gefahrlich am Fasse verwundet 
wurde. Ein griechischer Zwerg, welchen die 
Herzogin Margarethe von ihrem Vater zum Ge- 
schenk erhalten hatte, belustigte die GesellschaüE 
dorch allerlei Kurzweil , und romantische Alle- 
gorien erquickten das Herz der schfinen Welt, 
nachdem ihr Zwerchfell mehr als genug erschüt- 
tert worden war. 

Der Hof hatte Kraft und Muth genug, die 
Feierlichkeiten noch vier Tage lang fortzusetzen, 
und die Künstler mnssten allen ^harfsinn und 



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32 

die Damen alle Toilettenfaktik anfwendeo, um 
das Interesse auch ferner zd fesselo und die Ima- 
gination zn beschäftigen. Ebenso turnirten die 
Ritter, welche der stets veränderte Anzog und 
die eitle Sacht, einander an Pracht zu überbieten, 
ungeheure Summen kostete, jeden Tag fröhlich 
fort. Die rielen Einzelheiten sind zn monoton, 
als dass wir fortfahren sollten, unsere Leser in 
dieselben einzuweihen, obwol vielleicht kein 
Turnierbuch jemals die Staatsaffairen von Putz 
mit solcher ästhetischen Gründlichkeit behan- 
delt und beleuchtet hat, als der ehrliche Oli- 
vier de la Marche, welcher immer noch dazu 
in Aengsten schwebt, etwas Wesentliches ver- 
gessen oder nicht deutlich genug auseinander-- 
gesetzt zu haben. Niemals ist auch vielleicht 
irgend ein Schriftsteller berufener daza gewe- 
sen, als Historiograph der Grazien die Annalen 
der Toilette von Damen und Herren zu schrei- 
ben, als der Chronikant von Barguöd. 

Die Beschreibung des nennten Abenteuers gab 
Fürsten und Regenten allerlei nützliche Regeln: 

Hercules eodronu, Cacas le fort larron 
Sea "boeuis luy desroba, trainant k reciüon, 
Mais (queiqne fort qa'il fast) l'occit le champion 
Et fit de luy suplice sans mercy ne ransou. 
Einpereurs, loys et ducs, princes en g^n^ral, 
Faites comme Hercules, le tr^ - especisl. 
Soyez prompts en justice et ä chascon ^gaL 



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Destrubez les tyram, dont il nc rient qne mal. 
Et TOU3 sourienne hien de ce vers principal: 
Justi.ce iäit aimer et doater le vassal. 

Der Herzog hat dieser Lehre sich gerade 
nicht sehr erinnert, als et seinen Vogt im £1- 
sass, P. von Hagenbach, nachmals das Volk 
so entsetzlich misshandeln liess, aber gleich- 
wohl liefert 1*. van Heuter ans Delft Züge von 
grossartigstrenger Gesinnong, aus denen her- 
vorgeht, dass es mit Handhabung der Gerech- 
tigkeit ihm Ernst, und das Gegentheil immer 
mehr eine Folge seines heftigen Temperaments, 
als vorselzlicher Absicht war. 

Der zehnte Act des hercnlischen Dramas 
zeigte Fluren nnd Wälder, arbeitende Landleute 
und weidende Schaafe, darauf den furchtbaren 
erym antischen Eber, welcher jene verwüstete, 
diese zeniss; endlich nahte der Held, und er- 
schlug das Ungethüm. Der Po^t richtete an 
den Herzog folgende Worte: 

Faites, conune Hercules, Prince de haut parage, 
St vous scavez faiu c'es en vostre baronnage, 
Wen vos sugets reg^r, chacun se monsfre sage, 
Car certes le sanglier merveüleux et aauvage 
Ne fait pas tant k craindre que le mauvais usage. 

Die Centauren machten den Beschlnss; der 
Po€t preist darauf die Resignation des Helden, 
welcher, in der Meerenge von Gades angekom- 
I. 3 



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men, seinem ferneren Strelen weise ein Ziel 
setzte; 

Or TODS tous, qui Ibez ceste signifiance, 
Mettez borae ä tos faictz, tn monstrerez prudence. 
Faites comine Hercales en Tostre desirance. 
Et boniez tos d^irs cn mondaine esp^raace, 
Car le joiir est escrit (et faot que l'on y pense), 
Que pauer ne ponvoDs, pour or ne pour chevänce. 

Der nennte Tag schloss anch nebst dem 
'Mahltheater die Anstrengungen der Ritter am 
den goldenen Baom. Der Bastard, welcher we- 
gen seiner Wände nicht gehen konnte, erschien 
in einer SSnfte, von Armbrustschützen umge- 
ben; nach ihm der Wappenköoig des goldenen 
Vliesses mit den Herren von Creqni und ron 
Gmthnisen, endlich Aet Herzog Karl selbst in 
glftnzendem Harnisch tind in vollständiger Bü- 
itnng. Ifam folgten sieben Pagen in mannig- 
feche Farben gekleidet. Die Riesen nnd die 
Zwerge fehlten acch nicht. Den letzten Gang 
that Karl in eigener Person mit dem Herrn von 
Ravenstein, Adolf von Cleve, Vater jenes Phi- 
lipps, der seiner Tochter, ihrem Gemahl nnd 
dem Sohne Leider nachmals so viel zu schaffen 
gegeben, sowie dem von Arguel. Die Damen 
waren verlegen, wem der Preis zuzuerkennen 
sei, da der Herzog, bei seinem bekannten Un- 
gestüm oft unglücklich, die wenigsten Lanzen 
gebrochen. Man blieb aber bei dem ritterlichen 



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35 

Geselz, und so erhielt der LetztgeDaaate den 
goldenen Stab. Als diess geschehen, wnrde 
das Thor des Schlosses vom goldenen Baum 
unter tauschender Feldmnsik geöffnet, und die 
sämmtlichen Bitter desselben hielten ihren feier- 
lichen Einzag. Der Herzog leitete persönlich 
noch eine grosse kriegerische Evolntioa, bei 
der er besonders sieh auszeichnete; daraufging 
es nach dem Palaste zurück, wo noch ein Spec- 
takel, jedoch von friedlicher Art erfolgte. Ein 
Wallfisch TOD noch nie gesehener drSsse war 
in den einen Saal schicklich hineingebraeht 
worden. Als er den Rachen Öffnete, kamen 
Syrenen zum Vorschein , welche maurisohe Lie- 
der sangen, und Tänze mit zwölf Meerrittern 
zom Spiel einer Tambonrine aufführten Bald 
setzte es jedoch unter dem Völkcheo Eifersucht 
and allerlei Streit hub an. Endlich kamen Rie- 
sen und trieben die Sirenen zur Rückkehr in 
den Bauch des Thiers. Nach dem Syrenentanze 
folgte zu guter Letzt ein Ball der Damen und 
eine Unters nchnng der Wappenköoige und 
Kampfrichter, wem der Türnierpreis zuzuerken- 
nen sei. Die Schmeichelei der Damen, welche 
för die vielen Vergnügungen ihren Dank bezeu- 
gen wollten, entschied für den Herzog von 
Burgund. Aber dieser lehnte den Preis ab, und 
er ward an Jean de Ondevile, den Bruder der 
Königin von England, Margarethens Schwager, 
verliehen, zuerst in seiner Eigenschaft als Frem- 
3* 



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36 

den , aodann als schönen nnd jugendlichen 
Manne, und endlich weil er bei dem Turniere 
selbst sich in der That tüchtig gehalten hatte '). 
Nach diesen zahllosen Festen und Spielen 
ruhten die beiden fürstlichen Gatten endlich 
aus, und Margarethe tiat bald, von denUnter- 
thanen geliebt und von Fremden verehrt, als 
Mutter des Landes aof. Es knüpfte sich zwi- 
schen ihr und Marien nicht nur ein seht fried- 
liches, sondern selbst inniges Verhältniss, und 
beide starke Seelen begegneten sich, da Maria 
schon als zaites Mägdlein seltenen Verstand 
und Charakter entwickelt, schon damals in der 
gemeinsamen Idee, wie sehr in ihrer wolken- 
ninhangenen Lebenslage Ausdauer und Muth, 
Entsagnng und Entschlossenheit nothwendig 
seien. Sie vertrauten sich wechselseitig die ge- 
heimsten Empfindungen des Herzens, und lehr- 
ten einander, bald des Gemahls, bald des Va- 
ters wilde Launen mit der sittlichen Kraft er- 
tragen, die einem edlern Franengemüthe allein 
eigen ist. Der Herzog, welcher die Wei- 
ber in der Regel nicht nur nicht liebte, son- 
dern sogar floh und ge rings chBtzte, begegnete 
seiner Gemahlin mit grosser Achtang, und be- 

*) VieUd(;ht oocb aDsiehender, aU die franzöibche 
Beichrdbang de» Olivier de U Msrche ist die flämische 
der Excellente Chionjcke yan Vlaenderen, wobei auch 
riele Vene TorkommeD, Ke Vergleichimg beider genäbrt 
groueo GenoM. 



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zeigte ihr sogar einige ZSrtliehkeit, iasofern 
solche einer Natur, wie die seinige, möglich 
werden konnte; ja es scheint sogar, dass sie 
anf ihn einige Herrschaft geübt. Auf jeden Fall 
bestand das Verhältniss rein und angetrübt bis 
za Ende, und die wenigen Tage, welche der 
Herzog häaslichen Geschäften und den Empfin- 
dungen des Herzens widmete , sah man sie 
stets an seiner Seite. Um die beiden Prinzes- 
sinnen bildete sich ein schöner Kreis von erge- 
benen Grossen und Bittern, worunter besonders 
Anton, der Grossbastard von Biirgund, der na- 
türliche Bruder Karls, aber ein Mann vom edel- 
sten Gemüth und der Familie sehr ergeben, 
beider Fürstinnen vertrantestei Freond;, sodann 
die Herren Bavenstein, die bei Hofe genies- 
Bende Gunst zu Speculationen für die Erhebung 
des Hauses Cleve benutzend; Engelbrecht von 
Nassau, ein ebenso geistreicher als tapferer 
Jüngling, aufblühend in ritterlichem Ruhm ; die 
Sprossen der mächtigen Geschlechter Gruithni- 
sen, Borsele, Chimaj, Neufchateau, RnbemprS 
geh orten. 

Die Launen des Gemahls, welche Hohn^ 
Widerspruch, Aufstand und Krieg nur wilder 
steigerten, besiegten oftmals Margarethens feu- 
rige Beredsamkeit und entschlossener Sinn, 
welche beide mehr, als ihre so grosse Schönheit 
"über ihn vermochten. Da, wo sie nicht durch- 
drang, lieu sie das Gericht des goldenen YUes- 



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38 

seil scharfe Rügen über zu heftige Ausbrüche 
T erkunden. 

Margarethe war und blieb nbrigens eine er- 
klärte Engländerin; alles, was zu ihres Hauses 
Nutzen und Ruhm dienen konnte, ward Ton ihr 
sorglich geföidert. Sie zog daher bald, nicht 
nur allein durch ihre Schönheit, sondern aacb 
durch ihren Verstand die öffentliche Aufmerk- 
samkeit auf sich, und dieser war es auch, der 
ihr bei Karl selbst ein beständiges Interesse 
sicherte. In der Leere des Herzens, welche 
der bloss nach Ruhm und Waffenspiel sehnsüch- 
tige Gemahl aaf keinerlei Weise auszni^llen 
im Stande war, bildete sich bei ihr ein politi- 
scher Charakter ans, welcher mit den Jahren 
und den Yerwlckelungea zanafam, und selbst 
an Intriken grosses Behagen fand, nm ao mehr, 
als glückliche Proben von Gewandtheit dazu 
ermnthigten. Oft aber war es auch eine ernste 
Nothwendigkeit , materiellen Kräften und d^m 
Uebermuthe mächtiger Bedränger die Macht des 
Geistes entgegenzustellen. Wir werden sehen, 
wie bedeutsam hierdurch Margarethe von York 
in die Schicksale ihres alten und neuen Vater- 
landes eingewirkt hat. Zunächst aber kehren 
wir in den Kreis ihres häuslichen Lebens im 
Lande Burgund zurück. 

Sie erschien fast immer in Gesellschaft der 
jungen Maria und der noch lebenden trefflichen' 
Wittwe Philipps des Qatan, und machte geduldig 



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39 

alle di.e Kreaz- uni, Qnerzüge mit, welche der 
nimmer rastende Heraog von dem einen Ende 
seines Reiches zum andern machte. Die Hof- 
statt war ein wanderndes Nomadengeselt , das 
abwechselod zu Brügge, Gent, Brüssel, Me- 
cheln, HeBdin a. s. w. hintereinander aofge- 
schlagen. warde. 

In letzterem Otte hatte sie im Winter 1468 
auf 1469 das Vergbügen, den Prinsen Maximi- 
lian TOn Oestorreich znm ersten Male kennen 
zu lernen, welcher in Arras mit dem Herzog 
zusammengettofien and nach ihrem Schlosse 
Hesdin mit demselben anf Besuch geritten war. 

Es scheint, dass sie schon damals viele Ach- 
tung und Neigung zu dem Erzherzog gewonoeo 
habe, was auch auf die Empfindungen der mit 
anwesenden Maria mit eingewirkt haben mochte. 
Die beiden Fürsten machten von da aus einige 
Lustreisen nach verschiedenen Städten, fanden 
unterwegs den Grafen Warwick und kehrten 
mit dem interessanten Landsmann zu Margare- 
then zurück, welche sie bestens bewirthete. 
Bald darauf schied der Erzherzog. 

Als das Frühjahr angebrochen, kam auch 
der Connetable von Frankreich auf Besuch. 
Die Herzogin bewirthete ihn festlich zu Gent 
und ebenso die Gesandten von Rom, Frankreich, 
Polen, Venedig u. b. w. Im Sommer machte 
sie verschiedene fröhliche Lastfahrten tax See, 
namentlich nach Middelbnrg auf Zeeland mit. 



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40 

Der Winter 1470 sah verschiedene Hoffeste, 
wobei sie die Wirthin machte; sie half die Hoch- 
zeit einer Tochter des Bastards, Jeanne de Be- 
Toes, mit dem Herrn ron Culemburg und ebenso 
die der Jeanne de Berghes mit einem andern 
Edelmaone, ausrichten. Mehrere dergleichen 
Heirathen kommen aach noch später vor. Nach 
den Fröhlichkeiten des Fasching begleitete sie 
ihren Gemahl anf einer Wallfahrt nach Ardem- 
linrg zu U. L. Frauen; darauf hielten sie sich 
meist in den grösseren Städten vonBrabant anf. 

Im Mai darauf ward zu Middelbnrg eine 
grosse Versaminlung der Bitter des goldenen 
Vliesses gehalten, welche der Herzog auch zu 
einen glänzenden Bankett Ind. Margarethe lei- 
tete das Ganze und erfreute alle Gäste durch - 
ihre sinnigen Anordnungen und ihren lebhaf- 
ten Geist. 

Man liest vonBeisen, welche sie mehrfach, 
nm die Herrschaft ihres Bruders zu befestigen, 
nach England unternommen hat. Sie unterrich- 
tete denselben genau von den französischen, 
deutschen und burgundischen Verhältnissen und 
brachte ihm Summen und Creditbriefe. Alle 
Bewegungen der Parteien im englischen Beiche 
verfolgte sie mit unverwandtem Blicke und suchte 
den Anhängern des feindlichen Geschlechts vom 
Niederland aus entgegen zu arbeiten. 

Als Eduard IV. dürftig und von allem ent- 
blösst in Holland angekommen, und nicht so- 



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41 

viel hatte, am den Schiffer za bezahlen, der 
ihn übergeßihrt, befand sich der Hof von Bui- 
gund in ganz eigener Lage und Stimmnng. Die 
Herzogin Mutter, welche damals noch lebte, 
sah in ihm den geschwornen Feind des Hauses 
Lancaster, Die Herzogin Margarethe fühlte 
aber ihres Brndera und des Hauses York zwei- 
faches Unglück die tiefste Betrübniss. Aber 
wie bedentend auch ihr Einfluss auf den Ge- 
mahl und wie entschieden desselben persönliche 
Gesinnung sein mochte, so nöthigten ihn doch 
die wichtigen Handelsverbältnisse , welche zwi- 
schen beiden Ländern bestanden, zu einiger 
Zarückhaltang, und er konnte seinen Schwager 
nicht alsogleich unterstützen, ohne einen förmr 
lieben Bruch herbeizufbhren , welcher von un- 
zaberecbnendem Schaden für die Interessen sei- 
ner Unterthanen begleitet sein inusste. 

Die Hülfe, welche Konig Eduard also vor- 
läufig erhielt, beschränkte sich auf Geldsummen 
und guten Rath. Dagegen unterstiitzte ihn Mar- 
garethe, seine Schwester, auf jegliche Weise*) 
in seineu Werbungen von Eriegsvolk, und sie 
verwendete sich ancb bei dem Herrn von Gruit- 
hosen, Stalthalter der Provinz Holland, das« 



*) Auch die Terachiedenen flSmigchen und hoUäodisdi«! 
ReimiJironikeD, besoiidera die excellente ChroDjdce van 
Vlaenderea und die von Laiigendijck , melden MugAfeÜieiw 
boKmdere Thätigkeit in dieier Sache. 



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42 . 

er TraDSportscfaiffe zur Ueberfiihrang dieser 
Truppen nach England lieli (1470). Man liest 
TOD verachiedenen Zasammenkünften mit ihrem 
Bmder, gowie mit dem Herzog von Glocester. 
Margarethe zeigte stets sowohl schwesterliclie 
Zärtlichkeit, als politischen Takt. 

Das folgende Jahr krönte Eduards Bemühnn- 
gen, und er sah sich durch einen kühnen Haupt- 
streich wieder auf dem Throne, welchen Hein- 
rich YI. und Warwick hintereinander einge- 
nommen hatten. Warwick fiel in der Schlacht, 
der Jüngling Eduard wurde hingerichtet, seine 
Mutter JVlargarethe biisste im Kerker. Als (noch 
im Jahre 1471) auch Eleonore von Lancaster, 
die Schwiegermutter, gestorben, hatte die Her- 
zogin einen bedeutenden Gegner ihrer Plane 
am Hofe des Gemahls weniger. Sie schloss 
von nan an ihr Interesse fest an das ihrer 
Stieftochter Maria, welche bereits das Ziel der 
Bewerbungen and Intriken von allen Seiten her 
war"). 

Margarethe lie«s zur Feier der errungenen 
Vortheile grosse Feste in Burgund anstellen; 
sie erschien in unaufhörlicher Tfaätigkeit and 
In genauer Verbindung mit allen grösseren Be- 
gebnissen des Tages. Nachdem sie die Augen 



') Die Addifioiu it l'Hüfoire du Roy Louü XJ. ent- 
halten eine Reihe dnzelilfer Notizen über die Beziehungen 
za, ihrem Bruder während der Kiwi^ 



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ihrer betagten Schwiegermutter zugedrückt, half 
sie die Prinzessin Maria von der Bewerbong 
des Herzogs ron Kalabrien befreien , Karls 
Unterhandlungen mit den Cresandten mehrerer 
Mächte regeln, nnd dessen Kriegsrüstungen be- 
treiben. Sie leitete daneben das Hanswesen, 
gründete Klöster nnd onterstützte Gelehrte za 
gleicher Zeit. 

Karl der Kühne, welcher inzwischen mit 
Frankreich harten Stranss bestanden, sah sich 
zwei Jahre darauf (1473) im Besitze der zwei- 
ten H&lfte von Geldern und zwar durch Erb- 
schaft, nachdem er in den der erstem, durch 
freiwillige Abtretung des Herzogs Adolf (für 
die wider seinen Sohn geleistete Hülfe) gekom- 
men war. Der junge Adolf leistete mit den 
Waffen Widerstand, zog jedoch denKürzeren und 
kam in lebenslängliche Haft. Die minderjährigen 
Kinder des Ueberwundenen, Adolf und Philip- 
pine, wurden an Margarethe gesendet, welche 
mit mütterlicher Sorgfalt ihrer Erziehong sich 
annahm, und soviel in ihren Kräften stand, ihr 
Loos rersüssen half, auch den Gemahl zn Shn- 
lichem Geiühle stimmte. 

Die Unterhandlungen mit König Friederich m. 
wegen Vermählung Mariens mit seinem Sohne 
Maximilian , nnd die Unterredung zu Trier fan- 
den in dem nämlicheu Jahre ebenfalls statt. 
Es scheint, dass Margarethe damals ihren Bru- 
der, den Herzog von Clarence, noch ausscbliess- 



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lieh im Auge hatte, and vielleicht dessfaalb 
mehr als einen Bewerbangsplao anderer Fürsten 
vereiteln half"). 

Bald (1474) begannen nun die grösseren 
Verwickelungen mit Frankreich , Ren6 von 
Lothringen, dem Kaiser und den Eidgenossen, 
deren tragischer Ausgang Burgnnd mit so gros- 
sem Jammer erfüllt hat. Die Verbindung mit 
Eduard von England ward durch Margarethen 
eifrig unterhalten und von ihrer Seite Bei- 
stand an Truppen geleistet. Ja sie bewirkte, 
dasB er in Person nach Calais kam, mit dem 
Gemahle sich vereinigte, und den Krieg wi^er 
Frankreich betrieb. Allein Ludwigs XI. politi- 
scher Verstand überlistcle den englischen Kö- 
nig, während sein Gold die Treue der Diener 
betäubte. DasrUngewitter, welches Frankreich 
gedroht, verzog sich, und Eduard schloss, zn 
Karls und Margarethens grösstem Aerger, ein- 
seitig seinen Waffens tili stand. 

Glück and Unglück folgten nun in raschem 
Wechsel, und dasselbe Nancy, welches den 
streitbaren Herzog als Sieger gesehen, sollte 
nach wenig Jahren ihn auf der Bahre, und seine 
Streilmassen ringsum vernichtet erblicken. 

Margarethe von York, in den Chroniken 



*) Ueber du aberflScUliche RaisonneiDeiit vod Variüat 
tünuchtUd dicfw IKoge vergl. weiter unten Muia'a Bio- 
gnphie. 



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45 

gewöhnlich nun die oude Princette oder die 
Douairiire schlechtweg geheissen, ertrug die 
furchtbaren Schläge des Schicksals mit rühm- 
licher Entsagung und männlicher Entschlossen- 
heit. Zwar machte sie in einer eigens nach 
England entsendeten Bothschaft dem Könige 
Eduard bittere Vorwürfe über das Verlassen 
ihres Gemahls, und der jüngere Bruder, Cla- 
rence, unterstützte sie darin"). Sie nnterdrückte 
ihren eigenen Schmerz, um denjenigen der ver- 
lassenen Maria mildern zu helfen; and sie Ter- 
gass das Aufhören ihres fürstlichen Ansehens, 
um die Rechte der Stieftochter gegen eine Beihe 
von innem and änssern Feinden vertheidigen 
sa helfen. Die erste Nachricht von Karls Tode 
(1477) ward darch ihre Vermitteinng selbst auf 
schonende Weise der Prinzessin mitgetheilt. 
Die Gobemaloren und Bäthe hiessen dieselbe, 
indem sie der Treue ihrer Unterthanen sie rer- 
flicherten, in allem die Bathschläge der Herzo- 
gin Wittwe befolgen, welche mütterlich ihrer 
lieh annehmen werde. Sie erzeigte den Manen 
des gefallenen Gatten auf würdige Weise die 
letzten Ehren und traf mit den Gläubigern des- 
selben über zahlreiche Privatschulden einen an- 
gemessenen Vergleich **). 

Beide Franen worden auch bald über die zu 



*) Bxcellente Chronjcke Tan Vlaendeien fol. 185. 
") Pwaäi» ftUmoire« de Boturgogoe. 



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46 

ergreifenden Maasregelo unter sich einig. In 
dem geheimen Rathe, den sie zusammen bilde- 
ten, und welchem der Herr von Ravenstein, 
Bnider des Herzogs von Clere und Vetter Karls 
des Kühnen, sowie gleich dacauf auch der 
Kanzler Hagonet nnd der Herr tod bnberconrt, 
beiwohnten, wurde eine Gesandtschaft an den 
französischen König beschlossen. Maria sehrieh, 
nach dem von Margarethen grosatentheiU ver- 
fassten, nnd von ihr auch mit unterzeichneten 
Entwurf, an Ludwig XI. Darin war die Absicht 
kund gegeben, ihre Hemcherrechte gegen die 
Anmaassnngen der Ilandrischen Beinagogen, zu- 
mal der Genter, aufrecht zu erhalten. Man 
rief des Königs guten Rath und brüderlichen 
Beistand an. 

Allein der treulose Ludwig, in seinem gan- 
zen Leben niemals eines edelmuthigen Ver- 
trauens würdig oder fShig, suchte aus den be- 
drSngten Umständen nur für sich Gewinn zu 
ziehen, nnd die Fürstin vonBurgund mit ihren 
Unterthanen zu entzweien. Er verrieth die 
Briefe, welche er erhalten, an die Abgeordne- 
ten der Genter, und rief dadurch über die zwei 
RSthe jenes traurige Loos herbei, welches ein 
Beispiel unerhörter Brutalität in der Geschichte 
bUdet. Man entfernte zugleich nun Margare- 
then von ihrer Stieftochter und Freundin, und 
die Demagogen erlaubten sich jede Art von Ge- 
waltthat nnd Rechtsvetletzung, 



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IVichtsdeBto'weniger £aiid Margarethe von 
York bald Gelegenheit nnd Mittel, mit Marien 
wieder in Verbindung zu kommen, und es 
scheint, daas sie nach einiger Zeit aach wieder 
in persönliche Berührung kam. Die Oberhof- 
meisterin von Ualleivyn, eine Dame von er- 
probter Treae und Einsicht, war die dritte ver- 
traate Person, welche bei diesen Berathangen 
das Medium bildet« und den Briefrerkehr unter 
sich nnd mit dem Auslande besorgte. 

Die Frage über die Wahl des Gatten setzte 
Mariens Hof vor allem in Bewegung. Marga- 
rethens Einflnss war der vorherrschende, und 
sie suchte ihn fortwährend zu Gunsten ihres 
Bmders Clarence zu benutzen, während die 
Gentet für Adolf von Geldern, der Herzog Jo- 
hann Ton Cleve für seinen Sohn, die Königin 
von England für den Herzog de Ririere und 
Kaiser Friedrich III. für Maximilian sich be- 
mühten. 

Unglücklicherweise gerieth Clarence in den 
Verdacht einer Verschwörung wider die Rechte 
seines königlichen Broders, and starb, statt in 
den Armen der schönen Maria, in einem Fasse 
Malrasierweins, nachdem die Art des Todes 
ihm freigelassen worden. Es finden sich in einer 
flfimischen Chronik") Andeutungen, dass die Her- 
zogin einigermassen darein verwickelt gewesen; 

*) Bxoelltirte Chronydce tu Vlaendcreo. 



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48 

doch war ihr Einflass anf den Bnid«r von der 
Art, dasB kein anderes Gefühl in die Länge 
wider ihn aufkam. Hierauf wendete Margarethe, 
welcher diese Katastrophe im Innern ihres vä- 
terlichen Hauses nicht wenig zu Herzen ging, 
ihre ganze Aufmerksamkeit den Interessen des 
Erzherzogs zu; diesen Prinzen schätzte sie 
nnter allen übrigen Bewerbern am meisten, und 
sie beschloss, den Gegenstand ihrer Wahl um 
jeden Preis zu begünstigen. Sie fühlte sich in 
diesem Augenblicke von einem doppelten Hasse 
wider Frankreich begeistert, als Tochter Eng- 
lands nnd als Karls des Kühnen Wiltwe. Beide 
wollte sie an dem treulosen Ludwig, die erlit- 
tene Kränkang wegen ihres zeitlichen Exiles 
aber an den übermüthigen Gentern rächen. 

Mit Entzücken rernahm Friedrich HI. die 
Mittbeilungen der Herzogin, und zögerte in 
Folge ihrer Auffoderung nicht, alsbald eine Ge- 
sandtschaft, bestehend aus mehreren Erzbischö- 
fen und angesehenen Reichs für steo nach Gent 
abzufertigen. Umsonst wendete Johann von 
Cteve Ränke und Drohungen au, um dieselbe 
noch auf halbem Wege einzuschüchtern; Mar- 
garethe ermuthigte durch heimlich Übermächte 
Briefe wieder, nnd die Frau von Hallewyn gab 
auf ihren Auftrag Cleve« Sendungen und den 
Sprechern der Demagogenpartei den naiven Be- 
scheid ; „Die Herzogin Maria sei in mannbarem 
Alter nnd bedürfe keines, fiondes zum Gtemahl: 



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. 49 

ein Kind zo haben, ^ei sie wohl selbst im 
Stande." Die Autwort gefiel ' selbst den Fla- 
mändern, sie täuschten sich nicht länger über 
die Absichten der Fürstin* nnd ergaben sich in 
dio Xothwendigkcit nm so mehr, da selbst sie 
allm&lig über Ludwigs Endabsichten Verdacht 
geschöpft. Die Boten wurden güostig von bei- 
den Fürstionen aufgenommen nnd Maximilian 
ersucht, seine Brauireise zu beschleunigen. 

Die Trauung zwischen dem Erzherzog und 
Marien ward mittlerweile durch Vollmacht and 
sinnbildlich, in Gegenwart' Margarethens, der 
Obristhofineisterin nnd der Bäthe vollzogen. 
Die Herzogin legte festlich geschmückt sich auf 
ein hochzeitliches Bett, und der eine der Ab- 
gesandten streckte das entblSste Bein elienfalls 
zwischen den Vorhang. Also brachte es die 
Sitte damaliger Zeit mit sich. 

Ludwig XI., zu spät von seinem Irrthome 
zurückgekommen, welcher ihnvom ersten Tage 
nach Karls Tode an in seinem Benehmen gegen 
den burgnndischen Hof missleitet, suchte nun- 
mehr durch hSmische Briefe nnd lügnerische 
Schilderungen der Prinzessin Besorgnisse über 
die PfifSÖnlichkeit Maxeos einzuflossen ; allein 
Margarethe zerstreute dieselben glücklich. Sie: 
stand der reizenden Stieftochter zur Seite, als 
am 1. August 1477 der Heissersehnte zu Gent 
endlich eintraf. 

Die Vermählang ward mit aller erdenklichen 



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Pracbt, nach den g;«s«häAigen Anordnungen 
d«K HeiBOgin , weleb« die Braut wie den Biitn- 
ügam mit ZSttliehkeit überhänfle *), gefeiert, 
and Margarethe ioM^ den süfweo Lohn, eio 
Weck gestiftet au hmheD, welches mebt nur mit 
ihren politiseheo Absichtea in vt^lem Einklage 
stand, sondeni auch das innflie 61ück zweier 
der edelsten Seelen begFÖndete. Sie genoss d«8 
liebeoMten Dankes und d«r hockachtungavoUen 
Frenndssbi^ beider Gatten fiiz nad für, wnd es 
hertsehte an diesem Hofe eine Eintracht der 
Gemüthar,. wt» üe vidleieht nur selten ia dar 
tieschifihte sich gezeigt bat. Alle djei bildeten 
üne einzige ans eitre anlache Fawüli»j uid Gates 
und Bftsea «ard genuinsan gefählt und getragen. 
roBwisch«! hatte» im diten Vat^lande all«^ 
lei wichtige Scencn sick hflgeben. Köaig 
Ednard FV. war gtstsrben,; und. lUnhard lU, 
nach trenlosar Ermordnng der rechtmässigen 
Ecbm des. Thron», gewaltsamer fiesitSur des- 
selben and Ejig^ds Geisse! geworden. Aber 
a«ek Uw erreidiite die Noinesia nach knraM 
Frist,. nnd HeiMvicbi Y«a Biiehmand wacd durch 
die Paitai Laneastex soMt K9nig ausgemfen. Di« 
Schlacht» weLabs' Riekerd III. mit dem Laban 
mgleiobj verb», madsM) dei Tyrannei ein Ende. 



*) um Wlederholangen zu vermeiden, tbälen vrir nun- 
mdir ihr fecnerea häusliches Leben atets iirZÜBBSHUenhiiege 
nit dM' SddUtMl«». du flnIlichM Faaisi. müi 



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. 5t —j- 

Der Deiie Monarch sachte ^gen die Riickwü- 
karigen des Haases York kräftig ^h za scbS- 
imütt. Glei(j]iwoi fanil eif «n IiIbqiI, welches 
SFch eiApÖrle, aA' deli' Grafen' Joha de Lineolo, 
eiaera ISohne^ Ten Edu^!^ IV. »weiter Schwe- 
ster, EKsabeth, vaA «tt ätfn Unternehnmngen 
der ReriiiO^n' AfaVgaräthe harte« Wide)rstand. 
Sie hegünsfigte Lincoln, fvelcher xum' HSn^e 
sich aufeuwerf«« gö*!«hee(;i4^>., ViWfschieAme 
persönliche tliAäd«» ^%m e^ owd ibre Frennde' ' 
am' eä glichen Hofe reizten nodh' niehir zur 
Rache. In genaueiüi EittveVstSfldAi«se mit liin- 
coln nnd debsetf VertTSOten^ BroQ^^iton und 
Eovel, Aalim äie mehrere TatMend detitäohe' 
Landsknechte in SbM, Stellte sie anter deif Be- 
fehl des tapfern Martin Sward, und sendeM sie, 
nebst beiden ob^etotmAt«» Ferren navh Mand. 
Von dort aus'wflrd der EiHftifl in England anter- 
DOmmen. Aber die SchMohr bbi Stoke (1487) 
eBfathied, nsich der (alpfersten Vertheidi^i^ 
gegen' die Insurg«ntetf. Margarete ward durch) 
das Mfiisling«n iftr^S AnMhlags zwar tief er-' 
schätte'rf, aber Bdch nich? z*» Bnhe gebmcht. 
Se liess ffltlf Jiihre später plöiateeh dnivh' üiw 
SlBndlinge Am Gericht äUBS»euen: ihr JV^ffie',- 
Bitihard PlantageiVet, If tfriMig von York,' mi dan^ 
Tower entronnen', WiMriH mätf seiüütf AtuUw 
efwfirgt, \aiiL habe eine Zeif \Ktt^ aidh vertwr- 
gen gehallen. Iv6tt Sei ei> berek, sein« RetJhte 
auf den Thron t'oU' Ebgf and- geltend zu mMhvn. 
4" 



;;c':,G00glc 



' 52 

Sie benutzte zu der politischen Comödie, wel- 
che sie aufzuführen entschlossen war, die Per- 
son eines Emporkömmlings, Pertdn Warbec, 
eines getauften Juden, aber von schönem Aens- 
sern und vielem Verstände. Dieser ward mit 
Geld and Truppen versehen, ani Hofe von Bur- 
gn'nd als Herzog von York und Kronprätendent 
von England mit aller, einem solchen gebüh- 
renden Aufmerksamkeit empfangen , und die 
Prinzessin wnsste nicht nur die niederlSndiichen 
Regenten und Grossen, sondern selbst Frank; 
reich und andere Mächte eine Zeit lang mit 
fortzureissen , bis endlich die Sache an den 
mSchllgern Umständen und den allzufühlbaren 
Zeichen der Täuschung oder des Betruges 
scheiterte. 

Wir kehren jedoch zu ihr nach den Nieder- 
landen zurück, und zwar noch einmal während 
der Regierung Eduards IV. In dem Kampfe, 
welchen Ludwig XI. durch ungerechte Vorent- 
haltung bedeutender Erbtheile der Maria erregt, 
und welcher nach nnd nach ungünstig für ihn 
sich wendete , entwickelte Margaietha von York 
fortwährend ihren Einfluss für das Interesse der 
Partei, diß sie ergriffen. Der König, den sie 
aus NationalgefÜhl schon gehasst, reizte sie 
noch überdies darch Privatbeleidigangcn. Seine 
Truppen plünderten und verheerten mit roher 
Grausamkeit die Herrschaften, welche ihr als 
Wittwengnt vetschrieben worden. Die stolze 



.,gniod.,GoOglc 



53 

Fürstin schrieb darüber an ibren Bruder, König 
Eduard; ,,Ihr habt mich hier za einer der be- 
deatendaten Damen der Welt gemacht; inzwi- 
schen bin ich zar armen Wittwe herabgesunken, 
verlassen von Jedermann, besonders von Euch, 
der Ihr doch nan mein einziger Herr, Vater, 
Gemahl und Bmder seid. Ich vertraue jedoch 
fest auf Euch, dass Ihr mich nicht so elend 
werdet zu Grttnde richten lassen, wie mir täg- 
lich Ton Seile des Königs von Frankreich wi- 
derfährt, welcher wirklich sein Möglichstes 
thnt, um mich für den Rest meiner Tage zur 
Bettlerin zu machen." 

Eduard. ward von diesen Vorwarfen sehr be- 
troffen und sendete gleich ein paar Tage darauf 
(5. April 147S) Thomas d'Annet mit hinreichen- 
den Instractionen an Ludwig ab, worin alle 
Beschwerden der Herzogin verzeichnet wa- 
ren. Darunter Avaren die sechs vorzüglichsten, 
folgende: 1) Der französische König hat die 
Schwester des englischen, mit welchem er doch 
im Frieden lebt , ohne Ursache angegriffen, 

2) Die Stadt Cassel, ihr Wittwensitz, ist ein- 
genommen und geplündert, und überdies sind 
zweiundfunfzig Dörfer verbrannt nnd in ihnen 
kein Stein auf dem andern gelassen worden. 

3) Die nämlichen Verheerungen hat man auch 
im Gebiete der ganzen Kastellanei Oudenarde 
angerichtet; ebenso 4) in dem der Probstei Bins 
in HennegBu, 5) nicht minder in Qnesnoi ; 6) end- 



..gniod^yGoOglc 



54 

lieh hält der König fortwäfarend die KasteUaneieB 
Chavssins nad la Pisrriere in widerrechtlichem 
Besitze. Der AJigeordnete FeHangte liir alles 
4ies Genugthunng and Entsehädigung. Ludwig 
«endete, naeb Dorshsicht dieser Punkte, eben^ 
falls einen Abg«iirilnetea, Yve de I« Tilli^e, 
nach London, mit Geg«iib«B,ehwM'den, aUz.B.: 
Margarethe, die Herzogin, habe b^ mehrero 
Anläaseo sehr wider seine uad seines Beiehes 
Intereftsen gearbeitet. Die PlSnderang einiger 
dieser Fürstin angehörenden Stüdte sei nickt des 
K&nigs Schuld. Chauasios , la Pixrriere and ' ' 
Oudenarde seien nach Karls Tode von der Pria- 
zessin Maria znm Wittwengnt der Herzogin 
geschlagen worden, ohne dass dieselbe hieza 
ein Reeht gehabt. Ludwig schloss sein Schreib 
ben an Edaard damit: obgleich Margarethe bei 
jeder Gelegenheit und nach Kräfteo feindselig 
gegen ihn sich bezeigt, so wolle man doch, in 
Anbetracht, dass sie eine Wittwe, ond er, der 
^'^''■g) geborner Schirmherr aller Wittwen sei, 
ebenso ftuch mit Rücksicht quf die königliche 
Abkunft der Prinzessin und ihr« Verwand tachaft 
mit Eduard, aeinem guten Vetter von England, 
sie and ihre Güter in Schutz nehmen, so- 
bald sie in Fr^nkreiob ihren Wohnsitz ooft- 
schlagen und die festen Plätze ihm anvertrauen 
wolle. Diese letztem werde er gadann verthei- 
digen, wie seiue eigenen. Dass Margarethe nicht 
sehr geaeigt sun konate, dem Fuchse die Eier 



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55 

zar Hat anzuvertranea und über den Antrag 
des TorsdiniitzteD Tyrannen bitter lachte, ver- 
steht sich von selbst. Die Bemühnngen Eduards 
blieben also fmditlos; daher Margarethe an dem 
Kampfe, welchen Maximilian sofort mit Frank- 
reich bestand, fortvrSbrend regen Antheil nahm. 
Sie anterstützte den Erxhersog auf alle Weise, 
nnd sachte dnrch ihre UnterhSadler and die fla- 
la&ndische Partei an ihres Bruders Hofe durchaus 
die von Ludwig selinlich gewünschte Verlänge- 
rung des Waffenstillstandes mit England zu hin- 
tertreiben, wenn nicht Maria und Max mit ein- 
geschlossen würden. Als sie die Ueberzeuga&g 
erhalten, jene htttten nicht kr&ftig genug dafür 
gearbeitet, schiffte sie sich seibat nach ihrem 
Vaterlande ein, nnd setzte die Vorschläge des 
Erzherzogs zn Emeuerong des bekannten Ver- 
trages von 1474 zwischen Burgond und England 
persSnlich dnrch. 

Dieser Vertrag war ein Uaupttrinmph für 
Margarethen und nützte der Sache ihrer fürst- 
lichen Günstlinge sehr viel. Sie leitete sogar 
darauf noch ein Ehererlöbniss zwischen ihr«r 
Nichte, Anna ron York, und Maximilians ent>- 
gebornem Sohne ein, welches aber spfiter sich 
wieder zerschlug *). Ihr Bruder Eduard ver- 
hiess seine Vermittlung zwischen Ludwig XI. 
und dem Erzherzog. 

*) Tergt. Dm Moni und die B«log«n zu dietein Bande. 



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56 

Inzwiscben hatte Margarethe mit nnaas- 
sprechlichem Vergnügen die Entbindung dei 
Maria erlebt und den neagebornen Prinzen 
Philipp mit grossem Pomp zur Taufe gehoben. 
Die Stadt Brügge liess es sich bedeutende Sum- 
men hiezn kosten, nnd die alte Gebieterin lei- 
tete peraSnlicb die Anstalten. Sie trug den 
jungen Erzherzog auf ihren Armen und schritt 
mit ihm allein, begleitet von einem gläneenden 
Gefolge Ton Rittern and Damen, bis zur Hanpt- 
kirche. . Dort erwartete sie der Bischof von 
Dornick an der grossen Pforte, and verrichtete 
selbst darauf die heilige Feierlichkeit der Tanf- 
handlang. Mariens Wunsch gemäss, erhielt er 
seinem Grossvater zu Ehren, den Namen Phi- 
lipp; Adolf von Ravenstein undPeter von Luxem- 
burg, im Namen des alten Kaisers und Kdnig 
Eduards, waren mit Margarethen die Pathen. 
Nach beendigter Ceremonie schritt die Fürstin 
auf gleiche Weise mit dem Täufling zurück bis 
auf den grossen Platz. Dort stieg sie aaf die 
hierzn erbaute Tribüne, wickelte das Kind von 
allen Tüchern los and zeigte es nackt dem Volke, 
nm dasselbe ganz von dessen Geschlecht za 
überzeugen; and *) zwar mit dem Ansruf: „Seht 
hier die würdige Frucht eurer Fürstin und den 



*) Dasselb« that ue auch dnige Zeit <lEiiauf hinsicht- 
lich des zweiten Kiadee, welches ihr za Ehren den Namen 
Margvrtiht in der Taufe eihielt 



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57 

rechtin&S8ig;en Beherrscher der Niederlande I <' 
Die Menge antwortete mit Jabelgeschrei. Nach- 
dem Margarethe das Kind wieder bekleidet, 
überreichten die beiden dclegitten Pathen ihm 
kostbare Geschenke; sie selbst aber hing ihm 
eine goldene Kette, mit Perlen reich besetzt, nm 
den Hals. Oaranf überschickte sie dem hoch- 
beglückten Vater die Bothschaft in das Lager, 
welcher durch Frendensalren in allen Städten 
des Landes sie verkünden liess und bald darauf 
persönlich sich einfand. 

Die Herzogin liess sich Bowol die Pflege 
der Mntter, als des Kindes äusserst angelegen 
sein, und eine flämische Chronik vom sechs- 
zehnten Jahrhundert theilt die anziehendsten 
Schilderungen des fernem freundlichen Zusam- 
menlebens zwischen den drei fürstlichen Per- 
sonen mit. 

Ludwigs XI. bittere Stimmung gegen Mar- 
garethen währte auch im Jahre 1480 noch fort, 
und als von Friedensnnterhandlangen zwischen 
ihm nnd Maximilian zu Theronanne oder Ax- 
ras die Rede war, nnd der König von dem Vor- 
haben der Prinzessin horte, denselben ebeafalk 
beizuwohnen, schrieb er seinem Gesandten: 
„Ihr seid wol Ochsen, wenn ihr glaubt, dass 
bei dieser grossen Versammlung Vernunft, wird 
angenommen werden. Die Herzogin Wittwe 
ist dabei; Grand genug, dass Alles unterwühlt 
werden wird." Was er vorausgesehen, traf ein; 



.,gniod.,GoOglc 



Margatethe, auf den CBg;liach«n Beistand ge~ 
BtHtzt, Isltete &e flandiiMhaa BerollHnäi^tigtea 
blindÜD^, und bestinunte «ie, hartnäckig anf 
Rückgabe der nacb Karls des Kühnen Tode 
eängesiogeaea Apaaagebesitzungcn, welche Lud- 
wig:, all der Krone h eimge fallen , erklärt, ais 
Grundlage jedes Ver^eicbs zu beharren. Nach 
langen und heftigen Erörterungen schied man 
unverrichteter Dinge anseinandet. 

Im folgenden Jahre (1482) erlebte sie den 
Schmerz , die holde Freundin, Tochter and 
Schwester, Maria von Burgund, auf die bekannte 
Weise zu verlieren, nachdem sie ihf noch die 
treueste Sorge geweiht hatte. Der Abschied 
auch von ihr ist in der alten Chronik rührend 
ausgedrückt*). Sie empfahl Margarethen ihre 
beiden Kinder nochmals, and täuschte sich in 
ihrer Hoffnung auf ihren fortgesetzten Eifer für 
das Haus keineswegs. Sie vertrat gleichsam 
Mutterstelle von nnu an bei Philipp und Mar- 
garethen. 

Der Name der Herzogin kommt auch noch 
Terschiedene Jahre hindurch in den meisten 
merkwürdigem Staatsverträgen und Verglei- 
chen vor, besonders was die Herausgabe der 
ihr entrissenen Besitznngen betrifil; aber man 



") Da wir das Leben der Maria von Burgand ebeii- 
falla noch za schildern gedenken, «o enthalten wir uns hier 
aller WedwbolangeD. 



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59 

weis«, wie treu beindie dies« sttniotlieh gehftUeii 
wui^leiL Gr^fiw« Kafriedeabeit imi >i« im 
ScfaoaiBe üirer FtmiU»; sie, 4ie deo Vat«, 
Pfailipf den SehihM<n, zitf Tmtt gettfegea, wu 
SP glöekUch, a»cb den ültestee JUifintcn, Don 
Carlos, geneinsam mit Mai^aretben voa Oester- 
reich, als Pathio, daraas xa hebea, und xwat 
zo Geot, im Jahre 1499, Zwei KaramerlierreB 
gingen vor ihr her, die noch rüstig' im Altw 
nit dem Täufling zur Kirche achritt, und stcen- 
ten Gold - and Silbennänzea in Menge ans. 
Das V«lk brachte auch diesmal dem Hanse 
Bnrgnnd jubelnde Lebehochs ! 

Nwht mehr jedoch erlebte sie die Nieder- 
kuDJit Oomia Juana's mit Don Fernando, dem 
zweiten Prinzen, sondern in der Oslerwoche 
des Jolires 1503 schied sie still und rnbig hin- 
nber, und ward zu Mecheln bei den IVancisca- 
nern mit allen ihrem Bang gebührenden Ehren 
bestattet. Die Familie des Erzhauses und das 
ganze Land weihten' ihr aalrichtige Trauer. 
Ihre Wirksamkeit für jenes Ifllzter« -nrar ehron- 
Toll und nützlich gewesen, und sie hatte nicht 
nur etwas vom Geiste ihres Gemahls und von 
dem der Margarethe von Flandern, Jakob's von 
Baiern und Isabellen's von Bourbon geerbt, son- 
dern auch viele Wunden, welche die unglück- 
liche Politik desselben ihm schlug, durch weise 
Besonnenheit, festen Charakter und versöhnende 
Milde zu heilen gesucht. Noch in allen Reixen 



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der Schönheit blühend, hatte sie in einem Alter, 
welches Anspräche anf Priratglück immerfort 
ZD machen erlaubte, alle eigenen Gefühle den- 
jenigen der Fteundechaft und den Interessen 
des Landes aufgeopfert. Der scharfe und un- 
parteiische H«me, welcher mit ihrem Hang zur 
Intrigne schlecht zufrieden ist, preist gleichwol 
ihre Tugendhaftigkeit , ihren Verstand , ihre 
Liebe zur Sparsamkeit und die Würde ihres 
Privatlebens. Eine Reihe nützlicher Stiftungen 
in Flandern and Brabant verdankte ihr Entslehen 
ihrem frommen Eifer ; sie erschloss der gefallnen 
Tugend eine Freistätte zur Wiedererhebong und 
setzte gegen ränkevollen Widerspruch der Prie- 
ster und Nonnen ihre Ideen siegreich durch. 
Sie beschützte Wissenschaften und Künste, und 
Niederland und Deutschland verdanken vielleicht 
ihr die Erscheinung eines Adrian von Utrecht, 
dessen Bildung sie aus ihren Mitteln bestritt, 
und für dessen ferneres Loos sie durch Stipen- 
dien und Pfründen sorgte '). Das Erzhaus 
dankte grösstentheila ihr den Erwerb der Nie- 



*) Er promovirte (1491) m Löwen auf ihre Kosten; 
erhielt durch ihre Verwendung die einträgliche Pfarrei 
Görre auf Seeland und wurde später Professur der llieo- 
logie und Dekan der Stiftskirche St. Peter, auch Kanzler 
der Universität zu Löwen. Die beiden Margarethen , von 
York nnd von Oesterreich, empfahlen ihn euch gemein- 
schaftlich als Lehrer des Prinzen Karl. 



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61 

derlande, so wie Maximilian den Besitz der 
schßnaten Fran. In den Annalen von Oester- 
reich and Burgand wird sie daher ebenso, als 
in den von England nnd Frankreich, bleiben. 
In Annalen, Chroniken, Reden, Gedichten und 
Epitaphien hat die Hochachtung des Zeitalters 
gegen sie klar sich ausgedrückt. 



Nachträge und Beweisstellen zur 

Biographie Margarethens von 

York. 

{ExotUente Chronij'eke van Viaenderen.) 

Als nn overleden was Elisabeth van Borbon 
hertoge Karels wijf, ende die mare van dien 
qnani in Inghelant aen den coninck Edewaert, 
doe seyde die coninc tot sijnder sasteie Mar- 
griete: „O mijn siistere ende mijn liefste ju- 
weel, naer dien da't die herloghe ran Borgoen- 
gien wewaer es, so wild ick wel dat hi ha 
ghebueren mochte tot eenen man ;'* waer up dat 
die schone maccht Margrtete antwoorde gaf: 
„Dat god aen mi ghehouden helft, dat sal mi 
wel ghewoorden." Doe sprac die cooiDck: „o 
mijn yuweel, het wäre goet visch diene wel 
ghevangen conste. Ende van dyer tijt voor- 



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waerl, trwite iy» mae«hl -roattem ontstefcen 
met Bafdes totteft voort» hevtoghe Kaieyle, e» 
hem Wort onsdecl fHn bnerei doccht, hnyteft 
welckeB hi haer »he mee aeynitni« wa« ghiften 
vaa vrieDdelie heden, wenr bi si nocb veel raetir 
Uefden tWit iracrt» gh««Tech. 

Item ap eeatui tntßi^eieW UfelK, sov ^fMft 
die Toors Margriet by den coninc baren broe- 
der, die welcke si vant alleene staende met 
' eenen Raddere, aen eenen Treesoor. Ende die 
Coninc willecommende sijn snstere, vraechde 
WBt baer begfheerte w&pb4 Ende si ^tfack : 
„Here, ic vaslen alle sateidaghe^ ende so doet 
ghi ooc, daer omnie comme ick tarenf met a 
collacie bonden." Ende in tbesle van der Col- 
lacie ao staut dye voors macebt Mavgiiete up, 
ende viel Toor den coninc bueren broedet up 
bner« bnyeH eade seyde: „Afijn allerliefirte here, 
ghi s0]'t eeae tot mi Tanden hertoghe K-aerle 
vä» BttTgoeng^eit dat by een goet Tisch Ware, 
diene ml ghevangben conste. Weif weerfe 
beere, dat ick by dter gracien godls dien fiswb 
wet vanghen sonde, in dien ghi mi daer inne 
ghehalphieh weerd«n heift. „Ende dbe^ np so 
g^ flBtdVFOMte die töws csninc ai'A\iB-: „Mijn 
stMteref ae« my en sal ran dien nemmermettr 
gbebrec ^li,. want iv bm' gode- lof oommetf tot 
rntjoder vaderltekeF eWC, ende ick 9al' hic avta 
belpeir met Kjve ende m«t goede."' SäÜria sO' 
rees'die Uefde tusscben hen- beeden, ende beime- 



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63 

Hjck waccB hier insseken vriendta wandeleiu^ 
iE^ ooc medo die coninck sandt itn bissebop 
van Salsbry byden Hertoghe Kaerle, die Int 
voorens huwelijck neerstich laboreirde, so dat 
thawelick ghenoach secretelick ghesloten was. 

Nach dieser eigenthümlich • sentimentalen 
Schildeirang vom Ursprange des Verhältnisses 
zwlsclien Karl dem Kähnen and Margaiethen von 
York» welche mit dem Charakter des Ersteren 
sowie mit der Politik des Königs E^luard einen 
aeltsEunen Koatrast biMet, werdem die Hini»r- 
nisse aufgezählt, welche Lndwig \^ . anf die 
ersten erhaltenen Winke hievon dem Vollzug 
der Ueirath in den Weg gelegt, sowie aach 
die folgenden darüber gepflogenen UoMrliaadlnB!- 
gAK. Viellfiicht halte aeben <hmals. Ü» Prin< 
zamüm den tieEen €!roU wider de» firaaaiiHiaeieii 
K«aig gafajst, dem sie nacfaauia so vielfaohev 
Ansbciush gestattete. 

Mehncse Capitel» von S. 130^146, g^mt 
mumehe di« H«cfazcilsCsieiKdik«tenr ^*>^ ZWM 
flämisab niclrt BÜnder anaiehciul, mti mit ebens» 
vie^n BefsBäns. und Redssprüjcke«, als- OKriw 
de 1a Marche in fkaBzäsifficdleE ^racbe. 

Was DMB fiamei tvb Afai^aretiKen bis zur 
Hochzeit ihtet Stieftochter m dieses Chmnä 
aufgezeichnet steht, trifft in der Hauptsache mit 
den Berichten bei andern Schriftstellern zu- 
sammen. Nor über ihr Verhältniss zu den nn- 
gliicklichen Bruder Clarence findet sich ein 



.,gniod.,GoOglc 



wichtiges Capitel vor, aas dem wir die Haupt- 
sache bereits im Texte angemerkt haben. 



Fr. Vinckant et A. Rouleau Annale» de la 
Prov. et Comte d'Hainaut. Moni 1648. fol. 

Marguerite d'York, pouss^e de charit4 vers 
les filles desbanch^es , poiir les remettre an 
chemin de salut, fonda dans Mont nne niaison 
poiir les retirer, sous le nom des Soeurt de 
la Magde/mne, qne oons disons, repentiet, et 
lear donna denx maisons avec des reTenng 
n^cesaaires. Henry de Berghes Evesque de 
^.Qambray leur donna quelqnes points de Begle 
k observer, avec l'habit blanc, Selon le desit 
de la dite Dame, sans les obliget k ancun voeax, 
et avec la puissance, de qaitter la maison Se- 
lon lenr volonte. On les establit de la Pa- 
roisse de St. Waudru, et ponr l'administration 
temporelle, elles fureat mises sons la protection 
et conduite da Magistrat. La diste Dame lenr 
fist batir nn petit couvent arec nne chapelle 
dedi^e ä St. Marie Magdelaine. 

(Noch rerschiedene andere Stellen erläateru 
nnd ergänzen diese Sache.) 



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— ^ 65 

''r. Steierl, Selectae ehritt. orb. delicto«. Col. 

1618. 

Ad Corthasianos. 

D. Margaritae Uxoria Caioli Dnc. Burg. 

Margaria, Anglonim sum stemmate nata superbo, 

Beg^ saror recitanda, Begis filia, 
Caroht» eat coojiu Burgundio Uarte peremptua: 

Ddu ter novem viduata dego Consules. 
Interea qoae cura, rogas? fuit nnica cara, 

Viros fovere sacrda, sacrasqne foeminas. 
Quid dActi? doctis templorum confero cnras 

Qmbnalibet, legem modo uorint sacram. 
Quid sibi Magnate«? sibi quid Simoob aliunm? 

Haie aadluDt, petentes quod daii est uefas. 
Haec aühi fasde Te, uarrabunt cetera veri 

Similem expetentea et aacri et docti viri. 



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.V,iod.,Googlc 



. 11- 

MARIA VON BURGÜND. 



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Erster Abschnitt. 



Mariens Schicksale bia zur Ver- 

mähluDg mit Maximilian von 

Oesterreich. 

MJie frühem Schicksale des Hauses nnd des 
Herzogthoms Btfrgund lie^n ausserhalb ansers 
Zweckes und sind von andern Annalisten und 
Historikern in französischer, tentscher and 
flämischer Zunge zur Genüge geschildert. Da- 
hin verweisen wir diejenigen Leser, welche 
nähere Belehrung suchen. Im Eingange zu un- 
serer Biographie der Maria werde demnach nur 
so viel angeführt, dass zum Unglück der Bur- 
gunder ihr Herrschergeschlecht mit der könig- 
lichen Dynastie ron Frankreich in enge Ver- 

. wandtschafCs Verhältnisse kam- und dadurch ein 
Apfel der Zwietracht für längere Zeit in die 
beiden Länder geworfen ward , welche das 
Schicksal abwechselnd von einander riss and zn- 

- saramenfögte. Der Meuchelmord, an Johann 
ohne Furcht auf der Brücke zn Montereaa ver- 



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70 

übt, ' brachte beiden, den Herrschera und den 
Staaten, unübersehbaren Jammer und nährte 
fiir die Zukunft neue, ja heftigere Glnten des 
Hasses, als nur jemals früher vorhanden gewe- 
sen. Der Dauphin, Karf, nachmals als König 
der Siehente dieses Namens, war eine der ver- 
hängnissvoUea P«n«Bea dabeL 

Durch die Heirath Herzog Johanns mit der 
Etbtochter von Henne^au, Holland und Seeland 
waren diese Besitzungen mit dem Hanse Bar- 
gnnd vereinigt, und der Besitz der alten Nie- 
derlande dadurch TervoILslBiMligt worden. Nach- 
dem die Blutrache Philipps des Guten* für die 
Manen- BehMS Vateri, dareh da« Unglück det 
DoQphiM, immb die Sieg* det Engttndvr and 
die Dnmgul» 'FfBnkr*ic)ia ntthr, a)>' geattttigt 
worden , stellten dio VerslSbtmng Bnrgnnds nnd 
das Schwert der wanderbaren Jeanne d'Arc d«n 
Thron der Valois an4 den ßlan» der Lilien 
wieder her. Philipp d«r G«te rechtfertigt« dia> 
sen N««R«n in hohem Grade dadurch, da» «r 
ans den ZwiUen d«« Vaters «nd des 8ofan«s 
€«wlnn für sich bu xiehea venohmähle, und 
zwar d«m letztern gf^n die Ahndnitg des er> 
Stern eine FreiefStt« bot, Jedooh ohne eht^el- - 
zlgen Planen Befriedignng xa gewähren. Auf 
die Zeiten üppiger Pracht , phantaBievolIen 
Knnstlebens, ' «eegenr elcher Indastrie und all- 
tnfilig frledsamer Politik: kamen die kriegeri- 
schen Tage Karls des Kühnen, deswn CIir- 



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71 __ 

rakter bereits im Leben aeiner zweiten Gemah- 
lin geaohildert wotden. Derselbe, unrahig, toll- 
kühn, ehrgeizig;, schlacbtendorstig, anklag und 
nnbesonneo, den Eindrücken des Hasses allza- 
flohnell hingegeben, aber auch grossaitig, un* 
verstellt, fireimüthig, widerstritt demjenigen Lud- 
wigs XI. iJlzasehr, welcher düater, argwöh- 
nisch, verschlagen, treulos, grausam mit den 
Schwächen ^der andern seine Laster zn decken 
und seine Leidenschaften zu nähren pflegte. 
Schon von Kindes Beinen an hasste dieser aus 
ganzer Seele Karin, nnd Karl verachtete Lud- 
wig aas Herzens Grund. Diese Stimmang der 
Gemütber gab sich sehen damals ofien kund, 
als dieser noch Dauphin und Flüchtling in Bur- 
gnnd, jener aber nur Graf von Charolais war. 
Der Dauphin hetzte mit Verleugnen alles 
GastrechtB Vater und Sohn an einander; sie 
schieden beide mit allen den Gefühlen, in denen 
sie während der ganzen Lebensdauer daraaf 
sich begegnet haben. Aber der König Ludwig 
zog aus dem Hasse des Dauphin grossem 
' Gewinn , als -der Herzog Karl aus der Ver^ch^ 
timg' des Grafen von Charölws. Die sehlimmen 
Saaten, welch« er in Bargund aaggestreot, gin- 
gen wuchernd au£ Die Vertreibung der no- 
. gelrea«n Croys war eine geringe Bache fiir 4ea 
erlittenen Schaden durch den Frieden von Ar- 
raa. Wirksamer zeigte sich die „Ligue da 
bi«D pnbKc'S welche Karl dem Könige auf den 



..gniod., Google 



Hals Ind. Siege and Niederlag^en weelTselten 
zwiscben Beiden; aber die Politik siegte zu- 
letzt über die Kraft Ludwig hetzte die Lätti* 
eher wider ihn, und zu heftigen Angriffen nnd 
grangamen Unbilden wider das Hans Bnrgund 
auf und unterstützte sie heimlich aaf alle Weise. 
Er brachte ihn mit grossen Vasallen in Hader, 
er verführte seine Diener, ja er nahm ihm den 
grossen Philippe de Coramines, das hellste Auge 
des Zeitalters nach Aeneas ajlvius Piccolon^- 
mini. Die Scene von Peronne und die Zerstö- 
rung von Lüttich erschütterten die Hoffnungen 
Ludwigs nicht. Er verwickelte den Feind, wel- 
cher anfs äusserste ihn gedehmüthigt, in Käm- 
pfe mit Teutschland nm Geldern. Der Kaiser, 
Oesterreich, Lotbringen, die Städte um Ober- 
rhein, die schweizerischen Eidgenossen standen 
wider Bnrgund auf. Das Bündniss mit England 
lösste sich, in Folge listiger Unterhandlungen mit 
dein schwachen Eduard, auf. Der Ausgang ist 
bekannt. Die einzige Erbin seiner Güter, seiner 
Unglücksfälle nnd des Hasses von Ludwig XI. 
war die Tochter Maria. 

Maria von Burgnnd ward ans der Ehe Karls 
mit Isabelle von Bourbon den 13. Febrnar 
1457 zu Brüssel geboren. Diese fröhliche Be- 
gebenheit fiel gerade in die Zeit, als der Dau- . 
phin am Hofe sich aufhielt. - Der Herzog Phi- 
lipp war jedoch damals in Geschäften abwesedd. 
IMe Tauffeierlichkeiten, welche, wie das Innere 



.,gniod.,?];OOgIC- 



73 

dei füratlicben Gemächer bis auf die Schlnf- 
stBtten, Kostbarkeiten und Meubel, von bur-* 
gundischen Annalisten sehr aiiBfiibrlich beschrie- 
ben werden"), danerten nicht weniger als fünf- 
zehn Tage. Der Graf von Charolais und die 
Stadt Brüssel wendeten den möglichsten Eifer 
dafür an. Ueber vierhandert Fackeln wnrden, 
bei Aalass der heiligen Handlung selbst, ver- 
brannt; Strassen und Kirchen prachtvoll ver- 
ziert. 'Die Henzogin Mutter, Isabelle von Por- 
tugal, Philipps des Goten Gemahlin, trug die 
Enkelin nach Cauberghe, da der St. Gndula- 
Dom allzuweit vom Palaste entfernt war. Der 
Dauphin von Frankreich hielt sie mit der Für- 
stin, ala Pathe, zur Taufe '*). Die Frau von 
Ravenstein (Beatrix von Portugal), Nichte der 
Herzo^n, trug die Schleppe des Mantels, in 
welchen das Kind ge\^ckelt war; der Gros*- . 
baslard, Anton von Burgand, ging ihr zur Sfeite. 
Der Herr von Eslampes, Johann von Burgund, 



' *) Vergl. besoaders ^e M^moirea ponr lervir k l'bi- 

- stoire ia Comtä de Bcnrgoipae par Dunod it Chantage 

p. 759 n. B. n. sowie «die Beilagen dieses Bandes. Sie 

enthalten einen anziehenden Beitrag zur Gesciuchte der 

Sitten und des Luxus jener Periode. 

") Elle l'adextia Monsieur le Dauphin lui eeul: et 

' oüis diie ä ceux, qui a'y conn6iaaent, que Mr. le Dauplüu 

adexireit Beul l'Enfant, parcequ'on n'eüt sceu Uouver son 

pardl, peur Tadextrer ä.t'un des cdt^s de Madame: lequcl 

kmuiear itmt fort gnu>d, comme j'oüis dite. 



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74 

Vetter des Herxogi, hielt dj» Kerie, der Heir 
'TOD RaTenstein das Salzgefäss, der PriDz von 
Geldern, Arnold von Egment^ daa Becken. 

Nachdem alles vorüber, ward die Nengeborne 
der Fraa von Betz6 , als künftigen Amme, über- 
geben. 

Maria hatte ihre trefEUche Mutter kaam ge- 
kannt, and nnr knrse Zeit hatte der schätzende 
Blick des Grossraters auf ihr ruhen können. 
Vom achten Jahre an stand sia nnler der har- 
ten Zucht ihres Vaters , welcher die zarten Ver- 
hältnisse des Bluts, wie wir liereits bemerkt, 
wenig achtete, oder vielmehr wenig kannte. 
Zum Glück wurden ' ihr als Hofmeisteiiaaen 
Anna von Salin s und Maria von Hallewyn, geb. 
von Commines, gegeben, zwei Frauen, welche 
durch geistige und sittliche Vorzüge einen ho- 
hen Grad in der Gesellschaft behauptet, und an 
Kenntniss der Menschen und Welt, ihrer Sit- 
ten,. Bedürfnisse, Thorheiten und Laster vor 
vielen Anderen ihres Zeitalters' sich bereichert 
hatten. Nachmals, als die Jangfrau schon et- 
was herangewachsen, trug anch die Stiefihulter, ' 
Margaretbe von YoA, manches zn ihrer wei- 
tem . AnsbilduDg bei. So stürmisch der Sinn 
des Vaters gewesen, so liiild war der Tochter 
Gemiith. Die Trefflichkeit der. Mottet hatte 
kich ganz auf sie vererbt und wurde mit nenea 
Tugenden vermehrt. Eine gross« Herzensgüte 
^seilte sich zum jungfräulichen StoUe« den sie 



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75 ■ 

ni« v«ricMgtMt Düod dntch ein Leben voll Sittea- 
■trenge und Reinheit dargestellt hat, ' Ein in- 
nigen' religiötes Gefühl, ohne sobivänneriscbe 
Uefaertreibnog, gab diesen Tugenden noch ein 
höheres Creprttge '). Die Festigkeit des Cha- 
nkters, welcher Karin bis zan Uebermass einst 
BoBgexeMhnet, zeigte sich bei Muien — und 
dies ivsr der einzig« väterlicbe Zng, der sich 
bei ihr wiederfand — in richtigefm Gleich- 
uais. Mit dem fiiratUchen Aasehen wuaBte sie 
die Aatnath einer liebenswürdigen Frau innig 
sn veihiaden. Ihr Geist hatte durch Erziehung, 
Beispiel, Uebang, Schicksale und YeibSltnisse 
eine frühzeitige Reifie eriialteo, und frnh schon 
wnsste sie in rerwickelte Geschäft* des Krieges 
nnd des Friedens sich zn finden. Es war mehr 
die Beieheidenheit einer groisartigen Seele, als 
das Bewusstsein wirklicher Schwäche , was ;8ie 
bestimmte, der AntoritSt kluger Bäthe und nach- 
mals dem Willen- des Gemahls schmiegsam sich 
binzageben; denn sie dachte so richtig, als sie 
fein empfand und tüchtig handelte, wiewol Zei- 
ten und yerhäUniBBe,.wie die ihrigen, auch für 
überlegnere, mHnnlicbe Kräfte sehr schwierig 
sich darstellten. 

Die physischen nnd geistigen Kräfte waren 
in Folge des gesunden Urtheils und sichern 
Taktes ihrer Lehrerinnen und der übrigen Lei- 

') AmHgmrd, fiwU budovi« Kl. 



..gniod., Google 



— _ 76 

terinnen ihrer Jugend gleichoiässig geübt und, ihre 
Fähigkeiten dadurch um 80 reicher entwickelt 
worden. Die zarte Maria lernte den gelter 
trotz dem gewandtesten Ritter zu tummeln und 
die gefährlichen Vergiiügnngen der Jagd heste- 
hen. Die Tonkunst mit ihren edlen Freuden, 
das Schachsptel mit seinem aastrengnngs vollen 
Genaise, der ^chlittschnhlanf and andere Spiele 
der Art, welche das Zeitalter liebte, gehörten 
zu den Zerstreuungen, denen sie gerne sich 
hingab. An Sagen, Liedern, CliroDiken ond 
Geschieh tsbüchern , deren Vorwurf die Thaten 
ihres Geschlechts und die der Vor- und Mitr 
weit bildeten, hatte sie das meiste Gefallen i 
doch verrieth sie bei Auswahl romantischer 
Leetüte einen Geschmack, welcher sowol dem 
jungfräulichen Gefühle als der fürstlichen Stel- 
lung gleiche Ehre machte *). 

Ihre äussern Züge trugen viel von denen des 
Vaters, doch hatte sie eine sehr weisse Haut 
und lebhaftere, frenndlichere Augen, in denen 
ebensowol Güte als Feuer xa lesen war, Ihr Kinn 



') HUtoiida w dabat, non illii) qni fabulü Tolomina 
implentcs, sc qnae contra raüoneiD natorainque lont, au- 
rantea, tenerain aetatem ineodacia admirari narrareque do- 
cent, quiqiie oleum igni addentea, e lictig, artefi-ciose ioani- 
bu« stuldaiimiaqae amoribus, verboram lenaditiüque in- 
fetÜM, in Teiam saepUainie miseriant teaeram adoleacentiam, 
per se in hunc morbum BaUa procliveai inganti cum iacom- 
modo coDJiriant fltyiun Matitu Bwgmubu, 



.,gniod.,GoOglc 



77 — •- 

war etwas langlicb, und detMnnd etwBB gross, 
ein Erbstöck der bargiindiach- franzSsischen Fa- 
milie, das nachmals anf alle Habsburger über- 
ging, Ton ihr jedoch darcb Kunst and Uebang 
besünSglich zu verdeoken gesacht wurde. Ihre 
Gestillt war* edel, ihr Körper frisch nnd voll, 
und das Ebenmass desselben bot dem Ange ge- 
fölUgere Beize dar, als kostbare nnd ausge- 
snchte GewBnder xu erhöhen im Sttuide waren. 
Meist kleidete sie sich einfach; nach flfimischer 
Weise Bah-man ihr Hanpt entweder darch eine 
Alt Tnrban geziert, odir durch einen Halbhelm^ 
oder das Haar zierlich in eine Haaptflecbte za- 
sammengebanden nnd durch eine goldene Spin- 
del befestigt; ein langer weisser Schleier wehte 
von derselben his aber die Hüfte herab. Ein 
d^ht anschliessendes Mieder rertieth weder zn 
sohl,. 'noch barg es allznängstUch das Heilig- 
thnm franlicher Züchtigkeit Eline reiche Per- 
lenschnur hing um den Hals; ein Kreuz mit 
kostbaren Steinen schmiickte die Brust. Oft, 
. besonders wenn sie zu f ferde sti^, oder auf 
die Jagd ging, gefiel sie sieh in Amazonin- 
tracfat. Man weiss, was dieselbe ihr für Un- 
heil brachte "). 



*) PoHtiu BttUenu (Elog. Mariae Barg-)- Der Juoit 
fiefat mit dcbtbuem VergirageB und mit gaUntei, g«- 
•dmuikvollei Auswahl unter allen Schriftitdlern dis but«n 
ZOge Hin Poitnat der F&ntlii. 



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73 

E« iflt durch «inen äflschichtMhreib« von 
Borgnod behaoptet worden, daaa sie nicht achöa, 
aber voll natfirlicher Grajde und Mirjeität gewe- 
sen "). Dies widerstreitet allen übrigni Beiioli- 
ten and Ueberlieferangen; ei ist wahr, das« 
sie vielleicht an kärperliehen Reixen von^hrra 
Stielnmttet Mvgarethe n»d«nd«ml>aam jener 
Zeit abertroffen wotdeo; ab« der Elndrcnlc des 
Ganaen riss ftr sie hin, andnHHi hat Gemälde, 
welche die harten ZSg« in Denknfinxen nnd 
Chroniken Lögen ilrafen "). 

Unter, die voriflglichsttni Tugenden, weldh« 
da» Gemüth der Maria zierten, gehärt wel Aa 
heldenmüHiige Ergebung, weU^ sl« üb sdlsn 
VerfaSltnimen des Lebens bewahrte, nnd mit 
welcher sie allen Stürmen des Jächidcsala wider« 
stand. Ste fügtösfchfrehin den Gedanken, dayc 
sie ein Opfer des Staats nnd dazu beätinndt 
tei, dem Ehi^ize nnd der Politik geopfert m 
werden.' Sie betrachtete alle ihre Freier nur 
utt den Augen ihres Vaters, war gegen sie 
freundlich oder gleichgültig, je nachdem dessen - 
Vo'rtheil den Absehlnss oder Brach de« einen 
oder andern Ehebfindnisaes jbq fodem sohien***). 



*) Blle ätoit bien falte, et quuiqu'elle ne fat pu belle, 
eile poisedoit de grecea natordlea et majettoeiueB. D»' 
Mi f. 1406. 

") Uebci £e Bildnüne der HarU >er^ dea Aitf^atB 
in du Boilagmi. 

.'") EGitoire de Marie de Bourgopie (Axt. 1S77. &> 



;,GoogIc 



Nur einmal liebte sie wafarlialt, nnd diese erEite 
Liebe ist vom Schiclual mit achoaer Gewähmnj; 
belohnt wordeD ; sie genoss sie nicht 'lange, * 
aber ganz, 

0er «tste sudringUche Freier war Mousiear 
von Frankreich, der Bmder des Königs Lnd- . 
wig gewesen; die Feinde desselben hatten hieza 
am meisten gerathen, Karl gefiel sieh in dem 
Gedanken, und zwar ans zwei Gründen; erstens 
konnte er die Hoffnung hegen, nat^ Ludwigs Idn- 
derlosem Hinscheiden seine Enkel auf dem fran- 
sdsischen Königsthrone zu sehen ; sodann hatte 
er das Vergnägen, seinen Gegner mit Unruhe 
nnd Verdmss über den Umstand erf&llt so se- 
Iran, dass der Bruder des Kdnigs ebenso näob- 
tig als dieser selbst nehea ihm hemtdien werde. 
Der Plan wntde auch vom Aenoge von Bi6> 
tagne nnd vom Grafen von St. Pol, den bekannten' 
H&aptem der lägne .da bien pnbliqo«, nnter- 
stützt. Nichts desto weniger zerschlng er sich, 
sowol an iU»ergewichtigen Staatagrfinden, als 
anch an der Unent8chlouenh«it des Herzog«. 
Es starb Monsieur, ohne seine Absichten er- 
reicht zQ haben. 



p. 48. Die iMkaopten MimoirM de Bourgognes, t toL k 
La Baje 8. Bind ßomaa und Fabeln nach dem damaligea 
Zütgeschmack, obne richtig!« Keantniu der gesdiichtlichen 
Vtridltiüue, Tid und brut mit aicbt1)arer FdndieliglEeit 



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'Der zweite, welcher in die Reihe der Be- 
werber trat , ' war der Herzog von Cala- 
'^'eflj'mnttunaBglicher Thronerbe von Neapel, 
welcher jedoch in partibus ioimicorum sich be- 
fand, damals Besitzer von Lothringeci und Bar. 
Seine persönlichen Eigenschaften und YerdieD- 
8te, sein ehrfurchtsvolles nnd bescheidnea Be- 
nehmen gegen Karl nnd Maria erwuben ihm 
die achtungsvolle Theilnahme dieser letztem, 
ohne dass sie gerade Liebe für ihn gefühlt 
hätte. ' Allein veränderte Umstände' brachten 
veränderte Gesinnungen; beiderseits gab man 
sich das Wort zurück. Der Herzog blieb übri- 
gens mit Pietät dem von Burgnnd ergeben und 
fortwährend ein stiller Yerehrer der Maria. 
Eine ansteckende Seuche raffte zu Nancy den 
fnafündzwanzigjäBrigen Jüngling hinweg. Die 
Prinzessin weihte . ihm eine schwesterliche 
Thräne und. bewahrte ihm ein freundliches An- 
denken. 

Als dritter Freier erschien nun Maximi- 
lian von OetterreicA, Sohn Kaiser Fried- 
richs m. Die Aussichten desselben anf die 
Kaiserkrone, sodann auf die Erbschaft seines 
Ohms, des Herzogs Sigismund vos Oester- 
' reich-Tfiol, waren lockende Gründe genug, 
diese Partie zu ergreifen, nnd schienen dem 
Hause Burgund neuen Glanz zu verbürgen. 
Dazu kamen die äussern Vorzüge des Prinzen 
nnd die Anzeichen glänzender Geistesfähigkei- 



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81 

. ten *). Im Hiütergnmde lag aach noch der ge- 
heime Plan Karls, die bnrgondischen Staaten 
in ein Königreich rerwandelt und von Frank- 
reich auch in der letzten Form nnabhängig zu 
sehen. Aber es missfiel derselbe drei dabei 
Betheiügten zugleich: dem Kaiser, dem Herzog 
SigiBraond und dem Prinzen Maximilian selbst; 
der eine fürchtete für die Reichsehre, der an- 
dere für die Güter, der dritte für das Uans- 
interesse. Es war aber bei einer Unlerrednng 
zu Trier, dass diese wichtigen Interessen be- 
sonders lebhaft verhandelt worden. Die alten 
Chroniken melden darüber Folgendes: 

Als nämlich der streitbare Herzog Karl im 



*)* I>er Franzose drückt mit groBser Unveracbämthdt 
fiber Maria und den trefflicheD Mux sich also ansi ,41 
KToit lur tODs ses concDireiiB nn autre avantage, qni nM- 
tmt pas indifferent ponr nne jeane Priacease; c'est qu'il 
ätoit le Prince de TEnrope le mieux fait. II luoit mime 
Fapparenee de quelquei guolif^« britlanlei, gu> n'abow- 
tirent a rien dant la luite. Histoire de M. de Bourgogne 
p, 55. IHesa heiut denn doch die Natioaalparteillchkeit zu 
ntüt, und mit der geschichtliciien Wahrhrät anf eine Weise 
Hissbranch getrie1>en, die nur von vielen flämisch -bral>an- 
tiachen Schriftatellem in ihren angezogenen Urtheilen über 
den nicht beliebten Maximilian übertroflen nird. Ueberhaupt 
gehdrte es lange znm gatcn Ton der französischen Histori- 
ker, den Charakter und die Thaten jenes trefflichen Für- 
■ten heninter zu setzen, hauptsächlich deashalb, ttüI er die 
tentache Eigenthümlicbkdt stoher nnd kräftiger, al« irgend 
ein anderer, der französischen entgegenstellte. 



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82 

JeiitB 1474 vor Neust zog nod mit seineo Kriegs- 
schaaren Unge davor lag, kam endlich Kaiser 
Friedrich HL mit ansabnlicher Macht hergezo* 
geo, in der Absicht, die Stadt zn entsetzen. 
Allein er verlor viel Leute im Kampfe wider 
die Bnrgnnditchen , and Karl behielt fortwäh- 
rend die Oberhand. Die Neigang xa einen 
Vergleich ward immer stärker and eine Zusam- 
menkunft anf einem kleinen vom Rheine rund 
amfloBsenen Eilande bei Nengg verabredet. 
Der Hers(^ empfing den Kaiser mit grosser 
Mfgestftt in seinem Zelte, also prachtvoll ge- 
schmQckt, dwts kaum genug er^Shlt werden 
konnte. Aneh der Kaiser, mit so zierlicheid 
Gefolg, als zasammen zn bringen ihm möglich 
gewesen, bewillkommte den Herzog seinerseits 
auf das Freundlichste. Sie sprachen lange mit 
eiuEuider über die Gegenstände des Streits , be- 
sonders aber über den Erzbischof von Köln und 
die Stadt Neuss; endlich kam man aber ver- 
schiedene Funkte überein. Der Kaiser, als die 
Bedingungen lebhafte ErÖrtemng nach sich zo- 
gen, sprach plötzlich gegen Karl einen Lieb- 
lingsgedanken seines Herzens ans: Herzog, Ihr 
habt eine tchiine junge Tochter, und ich einen 
stattlichen Jungen Sohn, noch sind beide frei 
nnd ledig; was sagt Ihr dam, wenn wir mit 
einander sie vermähltenl Dieis Bündniss würde 
den festesten Frieden herstellen, und nicht nur 
würden dadorch alle Eore Lande ansehnlich 



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TenlBrkt, Bondem aneh nach meinem und Eneim 
Tode in Ehre and Wohlfahrt stehen, denn die 
Sprossen solch einer Ehe worden kaiserUchen 
Namens and kfimea zniu Besitze des römischen 
Reiehes, von Allemannien, Oesterreicfa, Tarent, 
Kfimthen, Ai^bnrg nnd alles was zBsn römi- 
schen Reiche gehört *), Alf der Herzog diese 
minniglichen Worte ans Aem Kaisers Mnnd ver- 
Bomuien, dadite er bei sich selbst: Das wäre 
wirklich eim hübsche Venn&hlnng fär meine 
Tochter Maria, und er sprach: „Herr Kaiser, 
ich danke Each für den Antrag, den Ihr mir 
hier gemacht. Ich bin sehr dam geneigt, dass 
Ener Sohn , der junge Herzog von Oesterrcich, 
Fran Marien "} nm Weibe nehme. Doch 
lasst ans bei Trier darüber ein weiteres spre- 
ohen. Mein Volk liegt einstweilen vor Nancy; 
das lunss ich vorerst noch BÜcbligen, für den 
Schaden, den es mir und den Meinigeo uge- 
fügt hat." Der Kaiser entgegnete: „6ott iMse 
es Euch und Euern Landen mit dieser Heerfahrt 
gut ergehen!" 

Die Heirath wwd in der Tfaat zn Trier «b- 



Wir geben mit Ab«iolit He naire geograpUidie Cbr- 
GDinacriptioii der Wunderlijte Oorloghen, irelche im kriti- 
«cheo QvellenTerzeichniBte näher bBschrieben werden sollen. 

**) Da* Fridicat FroHW geben die flSmiseheo Chni- 
lüken itebi anch den nnrerheiratbeten PrimeBsiiuieii , wäh- 
rend die fransfirischen Immer dnrdi Mademoüelle ücb aut- 
drikAea. 



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84 

geHcMoasea, noch ehe die beideo Fürsten von 
einander geschieden. Der Kaiser reiste nach 
Insbrack und tfaeilte seinem Sohne niit> dass 
er onnmehro Brämigam der Maria sei; der Her- 
zog aber schrieb an seine Tochter nach Gent, 
wo er sie unter Obfant Adolfs von Ravenstein, 
als Robewarts des Schlosses, sowie des Grafen 
von Romont, gelassen"). 

Ehe wir jedoch zu diesen selbst niu keh- 
ren, müssen wir noch bemerken, dass die Völ- 
ker nicht die Stimmang der Füraten theilten, 
sondern dass iet bnrgnndische Uebermnth nnd 
die tentsche Einfachheit schon hei jener Zn- 
sammenknnft sehr sich gerieben; auch dass man 
es von Seiten des Herzogs and seiner Lente be- 
sonders darauf angelegt hatte, den armen Tent- 
sehen binaicbtlich ihrer Pracht, und schlichten 
Sitten, welche für grossiert^ galten, die fran- 
zösische Abgeschliffenheit, die als Blüte der 
Cultnr des Zeitalters briUiren mosste, gegen- 
über za halten "). 

Diese Erzählung, ans mündlichen VoUusa- 
gen von der Chronik aufgefasst und verarbeitet, 
mnss jedot^ historisch dahin berichtigt werden, 
dass über eine VermShlong der Maria mit Maxj- 



')Ueb«r die TeilobnngMirkimde vergl. Amtlgard: Gesta 
LodoTici XI. Dipnont Corps diplomat. und die SeJIagBD. 

") Vergl. I^ttT Ciesch. ■». SchwabCH, und Menzel 
Gesch. der TentKhen. 



.,gniod.,GoOglc 



milian schon im Jahre 1473 Unlerhandlangeti, 
. angekniipfiE worden; dass bei der merkwürdigen 
Unterredung zu Trier, welche vor der Belag«> 
rung von Nensa gehalten ward, dieaelben förm- 
lich Btattgefnnden , der Kaiser jedoch bald die 
Ueberzengnn^ gewonnen habe, dass man damit 
ihn nnr sm äffen suche. Nachdem daher gegen- 
seitig jeder zuerst den VoUzng des Vertrags tod 
dem andern erwartet, und der Herzog auf die 
Erlheilnng der königlichen Krone*), der Kaiser 
aber auf den Vollzug der Heirath gedrungen 
hatte, entfernte sieb Friedrich heimlich von 
Karls. des Kühnen Hoflager, und somit war das 
Ganze abgebrochen **). Späterhin (1475) ward 



') Nach einem Briefe Cbarfürtt Albrechts von Bran- 
denburg an Henog Wilhehu von Sacbwn hatte der Kaiser 
wider Wiasen nnd Willen aüne znstimmeiide Bfkifinuig 
hi«za schon ertheilt, nnd nur die iffentliche Veikflndignng 
and dei feierliche Act Muten noch. Bäberlm VH. p. 4 — 5. 

") TselTe jaer is Hertogh Carel, toegeoaemt den 
Btrijdtharen Hertoch, tot Trier in Du^talant by den Key- 
MT gerejat, hem verldarende, dat bijd Tooraemen waa, de 
Nederlanden tot een Comncrijk te maken, ende tot dien 
eynde bclooft hy den Keywr Predericna derde Sone rijn 
eerüge Doohter ten boawelijk te gfaerea, ende 't Nederiaat 
■otite genoemt worden t' Conüudjk van Borgondlen, also 
BorgondieD te vorca een Conincrijk geweait was; Ende 
dengle hy hier ovef metten Keyaer in handeHoge wat, so 
iner door toedoen Tau Loys den elfde C. van Franckrijk, 
een jalouüe benx^ tiuschen den Keyler ende heta, so 
dat den Keyser «onder adieo Bobijtelqkea vertrotk, waer 



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Boch einmal in der Sache gehandelt; doch fo- 
derte Maximilian eine neuerliche BeatSti^ng 
des geschlossenen Verldbniiaes , nach dem Be- 
richt hietaber in seinen eigenen Papieren "). 

Um dieselbe Zeit war das Hoflager Too 
Bnr^nd in der Regel xa Gent. Als der Boite 
mit des Herzogs Brief vor das Fräalein trat, 
befasd sie sich gerade von Ravenstein , Romont 
and andern gelreoen Vasallen des Hanses nm- 
gehen. Der Bote fiel auf seine Knie and ktisste 
den Brief, welchen er der Prinzessin äber- 
reichte. Mit freudigem Zittern erkannte sie 
des Vaters Siegel nnd erbrach es ; sie war ihn 
so lesen nicht im Stande; der Herr Ten Raren- 
stein machte mit dem Inhalte sie bekannt. Alle 
Anwesenden theilten ihr Gefühl der Freade 
darüber, nnd verbreiteten die Nachricht darch 
Brabant, Hennegan, Holland und Seeland. Der 
1} eher bringer ward reichlich beschenkt von 
Herren und Frauen. Za Gent selbst hielt man 
Turniere und Bankette. 

Nicht minderes Vergnügen empfand der Erz* 
herzog, als sein kaiserlicher Vater mit dem 
Geschehenen ihn bekannt machte. Nichtsdesto» 



doov dit voomemen acU«r gebleven. £. van Bauweliagm 
Fenningh-Boed oft« Wechnijger der Chroniktn , ran 
Knick den VII. tat H. Ptiilippiu van Borgandieii. Tot 
Rotterd. 1SS7. 4. 

') VergL den Wtiuimig. BibtrU» Vil. p. 81. 



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87 

weniger ood obgleich d«t Raf von den Reizen 
der Biant das Trefflichste verlcfladet, wünschte 
er ihr Büdniis und erklärte, das seimge ihr 
ebenfalls schicken xa wollen *). Der Kaiser, 
der Herzag von Sachsen and der Markgraf von 
Brandenburg fanden diess gerathen. Die Fürstia 
empfing das Portrait Maximilians za Brügge, und 
besah es wohl Kwaniig Mal des Tags mit inni- 
gen Behagen, so seht erquickten sie die Züge 
des Blattlichen Jünglings; ohne Verweilen ward 
auch ihr Konterfey verfertigt und durch den 
Uebeibringer des erstem an den Enherzog he- 
fSrdert. Dieser, sowie sein Vater, wurden 
darch den Anblick der lieblichea Züge begei- 
stert nnd entzückt. Von dem Tage aa schlu- 
gen die Herzen beider Verlobten in glühender 
Minne lur einander **). 



*) Ik hebb« ia d«a iSn, dat ick Vran Haiien will« 
OTeraeynden bet Hes^i van laja figversD, en dat ic be- 
gheere te aieii het fautioen haera Hchaems, so mach ic 
-weten, wien ic liefde draglien aal, en A oac der gbelijcke. 

") Entweder irren die WtmdtrHjkett OorUgkt» oder 
die Clirenigtit$ in Jtojr Lomfi Xl.f vielch« achsD in Jkhre 
1468 zu St Georges bd He«dtn lUe bddeu Verlobten dcb 
peraönlidt keuiea lernen lassen. Ver^ die Bailagen Qber 
Marguctbens und Mariens Familienleben. Violleiclit itt 
auch) was in den erstem gesagt wird, bloss poedsche Ans- 
echiaücknng der Tbataaehe. Dodi lässt aucb ein dritter 
Docb im Jahre 1477 die Herzogin angstvoll auf die Br- 
acbcdnong des Piiocen bairen, von dessen PersönUchkrit 
König Ludvrig XI. abschreckende Schilderungen gemacht. 



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88 

Aber noch traten viele schwere Ereignisse 
der ErfüUang ihrer Wfinache entgegen. Das 
Schicksal trieb den streitbaren Vater Mariens 
nach einen Schaaplatz , wo et , trotz aller 
Tapferkeit und Ausdauer, einer höhern Macht 
erliegen mnsste. Die Politik König Ludwigs XI., 
der als Flöchlling einst Gastfreundschaft bei 
Bnignnd genossen , und feierliche Eide beschwo- 
ren und gehrochen hatte, einerseits, ond der stolze 
Sinn der Eidgenossen andererseits, mit wel- 
chen die Blutrache an Peter von Hagenbach in 
blutigen Streit ihn verwickelt, rereitelfen die 
kühnen Entwürfe, zu deren Ausfühmng die 
Heirath Mariens mit Maximilian Ton Oester- 
reich wesentlich beitragen sollte. 

Im Jahre 1476 kam Marien die inhaltsdiwfere 
Botschaft za, dass der Herzog den Schlag bei 
Mancy verloren, und Niemand wisse, wo er 
hingekommen. Unbeschreiblicher Schreck zu- 
gleich überfiel das ganze Land, nicht sowohl 
um des erlittenen Verlustes willen, als wegen 
der Noth und Gefahren, welche ans der Lage 
der Dinge zd entstehen dtoheten *). 

Beide waren in der That nicht gering. Der 
König von Frankreich hatte gleich anf die erste 
Nachricht von dem tragischen Ausgange Karls, 
welche ihn in Freudentaumel versetzte, einen 



') Chllut Bchitdert die herrschende Stimmimg am krSf- 

tjgsten. 



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Anschlag auf Burgfond gemacht, und noch bei 
der Tafel mehreren Herren Stücke daroD als 
Preis ihrer Dienste verheissen. Er foderte Je- 
dermann aaf , seine „fünf natürlichen Sinne za 
entwickeln." An den Herrn von Craon, der 
in der Champagne befehligte, wurden die nSthi- 
gen VollmacljteD abgeschickt und ebenso an 
die gnten Städte von Borgnad Terführerisehe 
Schreiben, darin er viel von seiner Zärtlichkeit 
für die geliebte Baase und Pathin sprach, und 
die Unterhandinngen über eine VermHhlang der- 
selben mit dem Dauphin wieder in Anregung 
brachte. 

An demselben Tage , an welchem diese 
Schreiben von Plessis dn Parc abgegangen (9. 
Jänner), erhielten der Bastard von Bnrgond, 
welcher von der Sache seines Hauses sich ge- 
trennt und die Adniiralswürde von Frankreich 
angenommen hatte, sowie Philippe de Com- 
mines, der geistreiche Geschichtschreiber und 
Staatsmann, Befehl, den Weg nach der Pikardie 
und Artois einzuschlagen. Posten und Eilboten 
wurden aufgefangen, einestheils um die Verbin- 
dung swiscben Burgund nnd Teutschland zu 
hemmen, andemtheäs auch, weil man vom 
Tode oder Aufenthalte Karls des Kühnen noch 
immer keine ganz sichere Nachricht hatte, son- 
dern die Knnde seines Falls bloss auf Aussagen 
beruhte. Darauf fertigte Ludwig auch Sendlinge 
nach Flandern ab, daselbst seine Sache zu ver- 



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90 

treten. AGt den Ständen seines eigenen Reiches 
und mit den grossen Vasallen, znmal dem Her- 
sog von Bretagne, setzte er sich ebenblls in 
thätigsten Verkehr. 

Den folgenden Tag endlich erschien der 
Bote des Herzogs Beni tod Lothringen, wel- 
cher der peinlichen Ungewiasheit ein Ende 
machte und die nähern Umstände von dem 
Schlage hei Nancy mittheilte. Der König eilte, 
durch eine Wallfahrt nach Puy -Notre-Dame 
in Anjoa, den Himniischen seinen Dank abea* 
statten. So freTelvoU wurde das Heilige in die 
Gelüste irdischer Leidenschaft gemengt. Nach 
den Gebeten verwendete ei alle Sorgfalt auf 
die Heecbewaffnang, auf die Verpflegung der 
Truppen, «uf die Sicherstellung der Treae dec 
Beamten und den Gewinn des Vertrauens der 
Burgunder. Bedentende Geldsummen zum Be- 
hufe von Bestechungen wurden theils bereit ge- 
balten, theils verwendet"). 

Die ersten Nachrichten, welche aus Bnrgund 
und Artois einliefen, lauteten ziemlich günstig. 
Die Herren von Craon und Amboise, der .Prinz 
von Oranien und der Bischof tod Langres wa- 
ren mit siebenhundert Lanzen in das Herzog- 
thum eingebrochen. Bereits hatten die Stände 
desselben zn Oijon sieb veraanunelt. Später 
kamen sie in DöIe zuBanunen. Noch immer 



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91 

von Karls des Kähnen Tod nicht völlig über- 
zeugt, zeigten sie in den .Berathongen viele 
Zniückgehaltenheit nnd Vorsicht; doch Hes- 
sen sie zu, dass Ocanien and die beiden 
Mitfeldherm is jener Stadt ihren Einzog 
hielten. 

Der Prinz war ans persönlit^en Gründen 
des Ehrgeizes and der Rache für die Sache 
des Königs eingenommen; des Ehrgeizes, weil 
Ladwig ihm die Generallieatenantschaft in bei- 
den Burgunds verheissen nnd seine YerschwS- 
gemng mit französischen PriBzessinneB Sberdiess 
Yomeigung far dieses Land ihm eingeSösst 
hatte; der Rache aber, weil Herzog Karl meh- 
rere Herrschaften, die von den Oheimen des 
Prinzen, den Herren Ton Morency und Chatel- 
Gnyon, begehrt worden, deaselbea einst abge- 
schlagen, der König aber die Wiederüberant- 
wortnng derselben ihm zngcsicbert halte. Als 
der erste und reichste Vasall von Bargand war 
■ein Einflnss sonat zu allen Zeiten sehr gross. 
Er anterstützte die Vorscfaläge Lndwigs anf das 
Leidenschfd'tliehBte gegen die Abneigung der 
SiBnde, nnd drang aacfadröcklich daranf, dass 
sftmmtliche Lande Karls erster««, als natüi^ 
lichem Vormunde der Prinzessin, übergeben, nnd 
die Anstalten zur Vermählung mit einem franzö- 
sischen Prinzen, ja, wo möglich, mit dem Dau- 
phin selber, angesäumt getroffen würden. Der 
Prinz meinte: burgundisches Blnt würde besser 



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92 

mit dem franzÖsiHchen , als mit dem teutschen, 
sich Terraischen. 

Allein er fand hart nackiger q Widerstand, 
als er gehofil. Ein Edelmann besonders *) er- 
hob sich mit besonderm Eifer und behauptete: 
der Beistand von Franzosen würde für die Fran- 
zosen wie für das Land von grossem Nachtheil 
sein; bald werde der Erfolg lehren, dass der 
König Sir sein Interesse, nnd nicht für das der 
Prinzessin wirke; die Stände besäasen nicht die 
Befiigniss, einseitig über die gegenwärtige Frage 
zu entscheiden, denn auch Maria habe ein Wort 
dabei zu reden. Die Einwirkung des Prinzen 
von Oranien könne nur Verdacht erregen, da 
er noch kurz zuvor als Feind des Herzogs nnd 
sviner Staaten angetreten sei; man schütze als 
Grand der Verbindung mit Frankreich die Noth- 
wendigkeit vor, Borgund wider die Angriffe der 
siegreichen Lothringer, Schweizer und Teut- 
schen ^a schützen ; allein erstere seien hinläng- 
lich mit sich selbst beschäftigt, und die zweiten 
gar sehr dabei interessirt, dass das wichtige 
Land nicht den Franzosen zur Beute heimfalle; 
die letztem aber konnten bei dem Wunsche, 
Marien mit Maximilian vermählt za sehen, gar 

') Va brave et sage geotilhome, le Dom duquel (qui 
mMtoit tmitetoU une m^oire ^emelle), ne m'est venu en 
cognoisrance, et ne se tronve nomin^ dans l'escript de ce 
tempB \k. Oullul MAnolres des Bourgnignons de la 
Fnuicbe Corat& 



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93 

keine Absicht habend Staaten za verwüsten, 
die einen Prinzen ans ihrer Mitte zun Herr- 
scher erhalten sollten. Der remunftigste Rath- 
schlag durfte demnach unter den vorwaltenden 
UmstSnden der sein, dass beide Burgnnde alle 
ihre Kräfte vereinigten, die Lothringer und 
Teutschen beschwichtigten, den Franzosen aber 
tapfer Stand hielten; auf diese Weise würden 
sie einerseits dem Könige gegenüber unsterb- 
lichen Ruhm, bei der Prinzessin aber und ihrem 
künftigen Gatten nicht geringen Dank gewinnen. 

Dieser Vorschlag machte die Sache eine 
Zeit lang unentschieden; aber der Prinz setzte 
mit Ueberredung und halber Gewalt es durch, 
dass die Städte französische Besatzungen auf- 
nahmen, noch ehe die Stände auseinanderge- 
gangen. Die Einwohner wichen schweigend der 
Üebeimacfat; bei weitem die Mehrzahl bewalirte 
der Herzogin treue Anhänglichkeit *). 

Während Gewalt anfing, allem Rechte Hohn 
tu sprechen, wurden doch äusserlich die For- 
men geehrt, und dem Scheine nach Gründe 
nnd Gegengründe erwogen. Die Fode rangen 
Ludwigs an die Stände jedoch und die Titel, 
darauf er sie stützte, waren der Haoptaache 



') het habiUns furent contraincts de (emporiser, at- 
teodanE d'ex^nuter (comme iU feirent) qnelque bon esplaict, 
qni tut propre an Barrice de la Princetae, et pour monstrer 
la loyantä, qu'iU hiTineot en lenra coears et a 
Golkil 1. c. 



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nach folgende: das Herzogthom nnd die Graf- 
schaft Bnrgnnd , die Grafschaften M sBConois, 
Charolois nnd Auxerois, die Herrschaften Bar, 
Chinon n. s. w. , die Kastelliuiei von Besantjon 
gehörten demKSnige, ohne dass Maria den ge- 
ringsten Anspruch daran zn machen hstte. All 
diess nämlich sei Lehen der Krone Frankreich 
nnd könne Ton keiner Fraa innegehalten werden; 
denn die französischen Lehen seien Mannlehen, 
welche bloss an SSbne von Frankreich nnd 
anderen mSnnUche Abkunft übertragen würden, 
als Apanage nnd snm Genoss, and niemals sei 
den Töchtern des Hauses ein rechtlicher Grund 
zugestanden, das Gleiche zu fodern. 

Bei dieser Regel blieb man hinsichtlich des 
Herzogthnms Orleans, als Philipp, Bmder des 
Königs Johann, es innehielt; hinsichtlich der 
Grafschaft Poitiers, als Alfona, Brüder des Kö- 
nigs Ludwig deg Heiligen, sie besass; hinsicht- 
lich ebenderselben, sowie der Herzogtfaumer 
Berry und Auvergne, als Jobann, der dritte 
Sohn gedachten Königs Johann, Herr dar- 
über war. 

Gedachte Besitzungen, Burgund and die dazu 
gehörigen oder anhSngenden Provinzen waren 
auf jenen Ki5nig nicht als Verwandten Philipps 
des Kindes, letzten Herzogs vonBurgnnd, son- 
dern vermöge des saliaohen Gesetzes, als Per- 
tinenzstück der Krone, heinigefallea. Ueber- 
diesH ist Burgond, als eine Paiiie von Frankreich 



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von der nämlichen Bescbaffenbeit und Art, wie 
die Krone aelbst, und geht nnd kehrt nie anf 
das Hanpt der Franen wieder. Philipp der 
Kühne selbst halle das Herzogthnm nur unter 
der Bedingung des Bückfalls an Frankreich 
beim Abgang ohne m&naliche Sprossen erhal- 
ten. Dieser Fall war nachmals eingetret«i. Die 
Grafschaft dagegen war — so lautete der schon 
veraltete Einwarf — dnrch den letzten Otto 
xnm Vortheil König Philipps des Schöaen und 
dessen Sohn, Philipps des Langen, and somit 
zum Vortheil der Krone Frankreich, abgetreten 
nnd übertragen worden. 

In der Eigenschaft als Herzog Ton Burgnnd 
machte der König 8000 Livres de Vienne Jahr- 
rente ans dem Salxweike von Salins geltend, 
and sprach aus demselben Titel die. Yicegraf- 
Bchaft Auxone und das Fort St. Laurent an. 
In Bezog auf Artois behaoptete er, dasB die 
Apuiage, die er daraus beziehe, RobertL ver- 
liehen worden; er dehnte solches nnn auch auf 
die davon abhängenden Herrschaften, wie Bo- 
logne, Guinea, Ponthieu and andere Lehen von 
Artois ans. FlaDdem endlich beehrte er als 
französisches Lehen, die StXdte am Ufer der 
Saonne nebst den Probsteien als Stücke der 
Pikardie, ebenso die Stidte Monstreal, Beau- 
quesne, Durlena u.' s. w. Nicht minder: L'Isle, 
Donay, Orcfaies, Bethaue, als der Krone in 
den Jahren 1305 and 1313 durch Graf Robert 



.,gniod.,GoOgk' 



Ton Flandera zum Vortheil Philipps des Schö- 
Den and seiner Nachfolger übertragen , als Ent- 
Bchfidigang für jene Somme von 10,000 Franken 
pariser Benten, welche die flandrischen Städte 
binnen einer bestimmten Frist dem Kfinige zu 
bezahlen schuldig waren. 

Viele dieser Gründe und Titel waren von 
der Art wie jene, welche die Theilungen Po- 
lens rechtfertigen sollten, nnd selbst Philippe 
von Commines, so sehr er den Interessen des 
Königs anhing, erklärte sich von ihrer Unstatt- 
haftigkeit überzeugt. 

Die Abgeordneten der Prinzessin führten da- 
wider nachstehenden Gegenbeweis : das Herzog- 
thum Burgund ist ein Kunkellehen and gleich 
verschiedenen andern Pairschaften von Frank- 
reich aach von Franen, in Abgang männlicher 
Eiben, innegehabt worden. Dieser Fall trat 
namentlich imter Hugo Capet ein, welcher sich 
zum Könige gemacht; denn Gottfried von Bnr- 
gnnds einzige Tochter brachte es ihrem GenmbI, 
Otto, Bruder gedachten Hngo's, als Heirathsgut 
zu (958—964). 

König Johann erhielt dos Ilerzogthum nicht 
wegen des Anrechts der Krone, sondern wegen 
des der Verwandtschaft, mit Ausschluss aller 
übrigen, welche nach Philipps des Kindes Tode 
Anspiöche machen konnten. Denn der Bmder 
des Königs, der König von Navarra, Philipp 
der Glückliche, mnsste wegen des Erttgeburt- 



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rechtes, der Herzog von Bar aber wegen eines 
entferntem Grades^ zurückstehen. Auf jeden 
Fall beweist ihr Beispiel^ dass es in Frankreich 
nichts Ungewöhnliches, die vorzüglichsten Herr- 
schaften auch in Händen von Fiaoen zn sehen. 
Nunmehr wurde aasführlich die Geschichte 
aller Provinzen durchgegangen, worin die Pair- 
schaften erblich auf die Töchter gekommen; so 
von Flandern, Nonnandie, Aquitanien n. s. w. 
Ueberall fast in Europa gilt auch sonst dieses 
Rechlsaxiom. Der Aasspruch eines Parlamen- 
tes oder der Eigenwille eines Königs ist nicht 
die höchste Gesetzes-Antorifät, noch viel we- 
niger die Gewalt der Waffen; wo aber Aende- 
rungen von der Begel geschahen, so geschah 
es durch diese letztere, und bindet daher nicht. 
Aber selbst auf Bastarde, wie bei der Graf- 
schaft Verte, ging das Erbrecht über; sollte es 
bei Töchtern aus legitimer Ehe weniger der 
Fall seini Als Hngo Capet den Thron bestie- 
gen, gehörte nur ein Theil von Bnrgnnd ihm 
zu, oder so viel, dass er den Titel als Herzog 
davon fuhren konnte; die übrigen Theile wor- 
den erst von ihm und seinen Brüdern im Kam- 
pfe oder durch Heirathen gewonnen. Die Ver- 
schiedenheit des altburgnndischen Wappens von 
demjenigen, welches Hngo in seinem Schilde 
geführt, zeugt in dieser Sache ziemlich klar. 
Sodann zeugt dafür, was toq der Vermählung 
Leudegaidens , der Tochter Herzog Giselherta, 
I. 7 



..gniod., Google 



98 

mit Otto, dem Bruder König Hugo'8, gemeldet 
wird; diese hatte das Land von ihrem Vater 
ererbt und es dem Gemahl als Mitgift zuge- 
bracht. Da keine Kinder aus dieser Ehe zu- 
räckblieben, so kam das Herzogtbnm nach Ot- 
to's Tode auf den dritten Bruder Heinrich. Alle 
hiBtorischen Belege sind demnach dafür, dass 
das Haus Capet vor seiner Erhebung auf den 
franKÖsischen ITiron Burgund innegehabt. 

Da die angeführten Beispiele von weiblichen 
Erbfolgen dem Könige Johann, Vater Philipps 
des Kühnen, nicht unbekannt waren, und er 
wohl wusste, dass er rermittelst seiner Mutter 
Jeanne das Becht der Nachfolge, aof den Fall 
des Hinscheidens von Philipp dem Kinde, in 
Burgund besitze, so setzte er sich in den Ge- 
nnss der Herrschaft, ohne geradezu das Recht 
darauf anzusprechen, ohne erst zu dem könig- 
Ii<;hen Wappen, zu dem salischen Gesetz und 
dem Heimfall an die Krone seine ZuflutJht zu 
nehmen. Denn es wäre die Behauptung zu be- 
weisen ihm unmöglich geworden, dass gedach- 
tes Herzogthnm jemals der Krone einverleibt 
gewesen sei, seit den Tagen, wo Tfaierry und 
Richard durch die letzten Könige aus dem 
Hause Pipins damit als vollständigem Eigen- 
thom beschenkt worden', vielmehr konnte ihm 
unverborgen sein, dass vor und nach der Er- 
hebung der Capetingec das Herzogthum stets 
getrennt gewesen. Unter demselben sind aber 



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begriffen: Flandern, Normandie, Bretagne, die 
beiden Königreiche Bnrgund und andere fraiH 
zösische Herrschaften. Das Wort Heisifall 
konnte bei König Johann also nicht gebraucht 
werden, sondern er hatte als nächster Ver> 
Wandler des letzten Herzogs das Recht aof 
die Erbschaft desselben. 

Ans derselben Ursache bewie» König Johann, 
als er mit Karl von Navaria, s^äteiem Sohne 
Margarethens , der Schwester der Jeanne, Bru- 
der Herzog Philipp ron Orleans nnd dem Her- 
zoge von Bar, seinen Vettern, in Zwist ver- 
wickelt wnrde, dass er der ältere Sohn jener 
Tochter von Bnrgund sei, welche demnach vor 
ihm gekoinraeo sein würde, wäre sie' damals 
noch am Leben gewesen. So kam also seine 
Linie, niit Ausschluss aller übrigen Bewerber, 
zur Nachfolge, and in ebenderselben hatte er 
den Vorzug vor seinem Bruder, Philipp ron 
Orleans, als dem jnngern. 

Auch der ausdrückliche Vorbehalt Karls des 
Orossen, hinsichtlich der Petitions- und Besitz- 
rechte auf jene Länder, nnd die Schenknngen 
König Johanns, des bei Poitiers Gefangenen, 
an seine Söhne, nebst den dennlbea beigefüg- 
ten Klauseln, fahrte man borgundischer Seits 
widei des Königs Fodeningen und Gründe an. 

Nach diesem ward, durch rechtshistorische 
Erkläning der Urkunde, mittelst welches König 
Johann das Hensogtham Bnrgund an seinen 
7. 



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100 

Sohn, Philipp den Kähnen, geschenkt, die Sache 
noch ausführlicher, und jeder Einwarf Puolct 
für Paakt entwickelt. Allein, es handelt steh 
bei dem Könige, also fuhren die Sprecher der 
Maria fort, nicht sowohl um Recht, als am 
Gewalt. Seine Absicht geht dahin, Bai^nd 
zu reinichten, damit auch diesen letzten sei- 
ner alten Gegner die Reihe treffe, und damit 
der Kön^, der bereits auch seines Bruders 
Karl auf so hinterlistige Weise sich entledigt, 
in Frankreich, wo er die absolute Monarchie 
begründen will, keinen Widerstand mehr finde, 
sondern sein Ange ganz allein nach England 
Unäber weifen kann. 

Dieser Idee ganz nachhüngend , hat er die 
Prinzen des Hauses Anjon, hat er den Grafen 
von Armagnac geopfert und ihrer Güter sich 
bemftchtigt; auch Bretagne sollte die Reihe 
treffen, aber an diesem scheiterte er. Dafür 
wurden dem Herzog Karl von Burgand Feinde 
von allen Seiten an den Hals gehetzt, seine 
Feldherren und Vasallen zu Treubruch und 
Hochverrath wider ihren Herrn verführt, und 
seilte Ermordnhg durch Campo - Basso ver- 
abredet. 

Nach dem Tode des Herzogs ging des Kö- 
n^ erster Gedanke dahin, die Prinzessin Ma- 
ria mit seinem Sohne Karl zu vermählen; dies 
war zum mindesten ein ehrenvoller und Ternänf- 
tiger aogleich; denn dadurch würde die Vasal- 



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101 

lin in eine Königin verwandelt,, beide Länder 
mit einander verschmolzen, and die Waffen aller 
Franzosen znm ersten Mal wieder nach langer 
Zeit in einem und demselben Lager vereinigt 
worden sein. 

Der zweite Gedanke war, auf den Fall, dass 
die mannbare Fürstin sich weigern sollte, einen 
noch unreifen Knaben zu heirathen, dieselbe 
mit einem kleinen französischen Prinzen nach 
ihrer eigenen Wahl zu vermählen; er hatte 
ihr sodann einen kleinen Strich Landes gelas- 
sen,- das Uebrige aber an sich gezogen. Allein 
die Furcht, die Prinzessin oder ihr Gemahl 
oder irgend eines ihrer Kinder möcbte dereinst 
in Yersuchang geialfaen, allfälliges Missver- 
gnögen der Burgander zu benutzen, des Restes 
ebenfalls sieb zu bemächtigen und das Beispiel 
der grossen Vasallen Orleans and Bretagne 
nachzuahmen, hiess ihn den letztern Gedanken 
aufgeben. Er griff daher zum dritten Mittel, 
nämlich: Namen, Waffen, Macht, Devisen und 
alle Erinnerungen an Bnrgnnd geradeza zu zer- 
stören, und ohne Scheu dasjenige sich anzu- 
maassen, was Maria besass. 

Die Nachricht vom Tode seines Feindes 
hatte ihn mathigei and kühner gemacht; hatte 
er doch sich gegenüber Niemanden, als ein 
junges verlassenes Madchen, und dessen Armee 
nichts, als einige schlecht bewaänete Kriegs- 
knechte , die Trümmer des grossen Heeres,, 



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102 

mathloa und niedergebeugt durch d«B Unglück 
der drei letzten Schlachten. 

Das Einzige, was von anmiltelbarem Zugrei- 
fen ihn abhielt, war die Rücksicht auf England.. 
Es stand zu befärchten, dass dieser ewige Feind 
Frankreichs die Lage der Dinge benntzen, and 
ohne auf die Yerhältnisse der SchwKgersehaft, 
die mit dem Herzog ihn verbunden, and ohne 
anf die Erinnerung an die Wohlthaten und 
Hülfe, die König Eduard als Flüchtiger und 
Verbannter ans seinem Reich in Bnrgand einst 
genossen, zu achten, mit der Beute desselben 
sich bereichern und über Frankreich sodann 
triumphiren würde. Es entschloss sich daher 
Ludwig zuvörderst Gesandte nach England ab- 
zuschicken und ein Heiiathsbändniss'^ sowie 
eine Theilung der bargondiscben Verlassen- 
Schaft vorzuschlagen. Englische Feldhanptleute 
wurden bestochen; der König Eduard handelte 
unedel und unwürdig gegen soine Junge Stief- 
nichte; er versprach sogar einen Angilff auf 
Holland, und lödtete seinen Bruder Clarence, 
weil er Marien mit englischem Volke za un- 
terstützen vorgehabt! Ludwig aber verstand sich 
daza, Holland, das er nicht behalten konnte, 
und allenfalU auch Namur und Hennegaa teut- 
schen Fürsten, die mit ihm hielten, zu überlas- 
sen. Durch seine Sendlinge sollten die ver- 
schiedenen Städte Brahants and Flanderns em- 
pört imd aamentlicb die Genter aufgereizt wer- 



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103 

den, ran deren alineitfertigein Auffuhrgeist er 
völlig überzeugt schien; der Reat sollte dnrcb 
offenbare Gewalt erbalten werden. 

Allen diesen Recbtsgründen und gescbicht- 
lichen Mqliven fugten die Frenode der PrinKea- 
lin die dringlichaten Bitten an die Stände bei, 
selbige doch ja nicht za verlassen, snd den ver- 
führerischen Worten des Königa kein Gehör zn 
schenken. Dies thaten besonders der Herr von 
Traisignies, welcher damals zu Poligni ■ich 
aufhielt, and Prinz Johann, Sohn des Herzogs 
von Cleve, Gene ralstattb alter in der Grafschaft, 
durch Briefe «od Boten 

Aber es ist naninefar Zeit, von den Staats- 
V erhandln ngon in das Innere der verwaisten 
Fürstenbarg zd treten, und Marien in ihrem 
Schmerz und im Kreis ihrer nächsten Freunde 
anfzusnchen "). 

Man hatte von Seiten der Rftthe Alles vor- 
gekehrt, um das Fränlcin mit der furchtbaren 
Botschaft nicht allziuchnell zu liberraschen, und 
ihre Fraaen daza vorbereitet. Msirgarethe voB 
York selbst, die gebengte Stiefrnuttei, in der 
Blüte der Jahre um Gemahl und Krone dod 
gebracht, hatte, wie wir firähn' eiz&blt, den 



*) OoHut in Terschledeaen Caplteln. Allein eine noch 
wichtigere, bisher UDgedruckte Quelle: Querelle de 
Marie de BourgogDe avec Louia XI. in der leidcner Bi- 
bliothdi. VergL in den Beilagen. 



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IM 

eigenen Schmerz heldenmiithig besiegt^ um die 
Freandin aofzurichtea. 

Der Kanzler Hngonet, gemeinsam mit dbm 
Herrn von Lnbeiconrt, trat an der Spitze der 
Räthe vor seine Gebieterin and hielt eine An- 
rede, worin er tog Wechseln des Geschickes, 
TOD Gefohren des Landes nnd des Henogs 
sprach , sofort auf die Terlornen Schlachten 
fiberging nnd endlich erklärte , ihre Damen wür- 
den ihr den Best mittheilen. Dies geschah, 
and letztere brachten ihr auf die schonendste 
Weise die Gefangenschaft der beiden Ohme 
nnd den Tod ihres Vaters hei. Zugleich er- 
mahnten sie die Prinzessin, in diesem Unglncke 
nicht za verzagen, sondern standhaft den kom- 
menden Stürmen zu stehen, und da sie ange- 
hört, eine Tochter za sein, dem Lande nunmehr 
eine Mutter zn werden. Sie versicherten sie, 
was bereits auch Hngonet nnd Imbercourt ge- 
than, der treuen Anhänglichkeit ihrer Stände, 
nnd empfahlen ihr, in Allem sich nach dem 
Rathe der verwittweten Herzogin zn richten, 
anf deren Weisheit Jedermann das grSsste Ver- 
tranen setze. 

Maria, obgleich seit Jahren an Kummer and 
Besorgnisse ob des Vaters Tollkühnheit und 
Ungestüm gewöhnt, brach gleichwohl, als das 
LAngstgefürchtrte nun so plötzlich eingetreten, 
in einen Strom von Thränen aus, und äberliess 
sich, trotz der zärtlichsten Zureden Margare- 



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105 

thens und ihrer Frauen der namenlosesten Vet- 
zweifluDg. Als die Sprache ihr wieder gewor- 
den, wendete sie sich za den Räthen nnd rief 
ans: „O ihr Herren des Landes, nun bin ich 
ganz eine Waise, ohne Vater und Mutter! Wer 
wird mir nun beistehen? Wo soll ich Trost 
und Hoffnung finden, ist doch selbst Philipp 
von Crevecoeur, den ich als Gesandten nach 
Frankreich geschickt, zum Könige tibergegan- 
gen! O Adolf von Ravenstein, was werden 
wir ansrichten wider den Andrang der Franzo- 
sen, die ron allen Seiten uns zn rerderhen 
drohen?" Da nahm der Herr von Ravenstein 
das Wort und sprach: „O edle Blume, Frau 
Maria, Eure Bedrftngnisg nnd Enre Thtänen 
rühren mich innigst; aber tragt Geduld, so lang 
ein Leben in diesen Adern, werd' ich Euch nie 
verlassen *). Dasselbe gelobten Tersohiedene 
Andere. Der Kanzler Hngonet setzte noch bei: 
„Die Noth wendigkeit erheische, dass ihre Unter- 
thanen, zumal die, welche ihr zunächst stun- 
den, weniger Theil an ihrem Schmerze nähmen, 
als sich wohl gebühcte. Es sei nnn Zeit zu 
handeln, nicht zu weinen." Dies war grosse 
Verstellung , denn niemals erregle der Tod 
eines Fürsten allgemeinem iubel, als der des 

•) Wundoriyke Oorlogheo 8. 8. Leider zeigt »ich Id 
dieier Chronik gerade, wo die achöiut« Scene gesctuldert 
werden boU, eine L&cie tod mehr«reu Blättern. 



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106 

Herzogs Karl. Mit AaBnahme Derer, welche 
von ihm Würden getragen und nonmehr sie zu 
verlieren fürchteten, überlieas sich Alles den 
nngemessensten Hoffnungen. 

Die Prinzessin fasate sich endlich, wiewohl 
sie ihre hülflose Lage ganz begriff und alles 
Kommende durchschaute; eine Ait Staatarath 
bildete sich unter dem Vorsitz des Kanzlers; 
Ravenstein and Hugonet waren die Beisitzer. 
Margarethe nahm thätigen Antheil daran, und 
es ward verabredet, dase diese vier Personen 
alle Beschlüsse und' Briefe jederzeit gemein- 
schaftlich unterzeichnen sollten. Es schien, dass 
nicht Eines allein die ganze Verantwortlichkeit 
bei öffentlichen Acten übernehmen wollte. 

Wie schon früher gemeldet ward, so wollte 
man — sonderbar genug — noch lange nicht 
an den Tod des Herzogs im Ernste glauben, 
oder stellte sich wenigstens so. Der Brief an 
die Rechnungshanuner zu Mecheln drückt diese 
Zweifel Törmlich aus: „Vielgeliebte und Viel- 
getreue! Ihr alle kennet hinreichend das herbe 
Geschick, welches Monseignenr ohnlSngst za- 
gestossen, und welches in solchen Schmerz und 
Kummer uns gestürzt hat, zu dem wir weder 
Mass noch Worte finden. Nachrichten, welche 
von verschiedenen Seiten her uns zugekommen, 
lassen zwar die Hoffnung übrig, dass unser Vater 
noch gesund und am Leben und, den Händen 
seiner Feinde entronnen, an irgend einem sichern 



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107 

Orte sich befinde, wofür wit Gott inniglich Dank 
sagen nnd ihn anflehen, dass es so sein mdge; 
nichtsdestoweniger, da es immer sehr iingewiss 
ist, wo er wirklich sich aufhalte, wovon wir 
jedoch bald in Kunde gesetzt zu werden hof- 
fen, und weil leicht allerlei Unruhen io gegen- 
wärtigen Umständen vorfallen könnten, so hal- 
ten wir es gleichwohl für höchst nothwendig, 
~ im Lande und gegen die Unterthanen genaue 
und milde Gerechtigkeit auszuüben, sowie man 
es von der Rechnnngskammer und allen übrigen 
Behörden bisher gewohnt war. Desshalb ver- 
mahnen wir Euch dringend, dass jedes Mitglied 
streng seiner Pflicht obliege und hinsichtlich 
der Steuereinnahmen nnd anderer Dinge alles 
so regele, wie es bisher geschehen. Wir sind 
überzeugt, dass Ihr dem Herzog dadurch einen 
sehr wichtigen Dienst erzeiget ; denn sein 
eifrigstes Verlangen geht dahin, dass die Ge- 
rechtigkeit pünktlich durch die Kammer nnd 
die Stande, die dennal in Kraft bestehen, ver- 
waltet werde. Dazu bieten wir Euch uns mit 
□nserer ganzen Macht bei allen vorkommenden 
Ereignissen an, wo Ihr derselben gebrauchen 
solltet, und wir hegen zn Euch ein unbeding- 
tes Zutrauen. Gott nehme Euch in seinen hei- 
ligen Schutz I Wir wünschen übrigens, dass Ihr, 
Herr Präsident der Kammer, nach unserer Stadt 
Gent Euch verfuget und zwar bis zum letzten 
Tage dieses Monats, die übrigen Rätbe aber 



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108 

bis zu Eurer Rückkehr auf ihrem Platze vet- 
bteiben und den laufenden Bedürfnissen oblie- 
gen. Also geschehen. Margarethe — Marie "). 

Di« Meianng von Karls Rettung und Ver- 
borgenheit war übrigens anch unter dem Volke 
zahlreichverbreitet, und es giebt Schriftsteller, 
-welche die geringe Theilnahme der Genter an 
dem Leichenbegängniss daraus erklären. Denn, 
während Viele ihn gefangen in Teutschland, 
Andere in Frankreich zurückgehalten sein lies- 
sen, liehanptete eine dritte Partei: er sei ir- 
gendwo in Bnrgnnd verborgen und werde nach 
siebenjäEiriger Busse (etwa wie Nabochodono- 
80r) wiederum zur Regierung seiner Staaten 
gelangen. Leute, welche kostbare Möbel ver- 
kauft, wollten den Preis dafür nicht eher, als 
nach des Hei^ogs Rückkehr annehmen'*). 

Alle diese Vorkehrungen kamen zu spät; 
es fehlte an materiellen Kräften des Wider- 
standes, \ne an Zuversicht in die eigne Sache. 
Ueberdiess hatte der Eigennutz schon zu selir 
die Hände im Spiel. Jeder der grossen Herren 
des Herzogthums dachte nur darauf, unter so 



*) Hot/nek Tan Pappendregt, Atialecta Belgica. T. II. 
P. I. zu Ende. Vergl. auch den Brief im Originale in den 
Beilagen. 

") Fabert p. 7. Warum das Letztere, irt schwer 
auszuBinnen. Etwa, weil jeder gerichtliche Act, mcht in 
seinem Namen ausgeübt, ab gesetzlich null erklärt wer- 
den konntet 



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gateo Bedingungen als möglich, seinen Frieden 
mit dem Könige za schlieasen. Die Stände 
selbst, welclie für die Prinzessin noch kein be- 
sonderes Gefühl von Theilnahme trieb, suchten 
dorch Nachgiebigkeit in die Wunsche des Kö- 
nigs für das Land einen Zuwachs Ton neuen 
Gefreitheiten zu erwerben, statt durch nnberech- 
nelen Widerstand gegen dessen Uebermacht die 
alten auf das Spiel zu setzen. 

Ludwig, von der Stimmung der Gemüther 
genau unterrichtet, säumte nicht, sie zu benntzen 
und den Foderungen der Stände entgegen zu 
kommen. Der Bischof von Albi, Ludwig von 
Amboiae, und mehrere Parlamentsräthe von Paris 
wurden nnverweilt nach Dyon geschickt, nu 
die Unterhandlungen zu betreiben. Die Fo^^- 
rungen der Stände waren aber .folgende: 

1) Die Bevollmächtigten des Königs haben 
ungesäumt das französische Kriegsvolk in * 
den Provinzen zu entlassen und dafür zu 
sorgen, dass nirgendher ein Schade ge- 
stiftet, vielmehr der allenfalls gestiftete 
ersetzt werde. 

2) Der König macht sich anheischig, durch 
offene Patente Jedermann in Stellen , Wür- 
den, Diensten, Besoldungen und Pensionen 
zu bestätigen, und den gewesenen Anhän- 
gern des Herzogs I^rl vaUkoinmene Am- 
nestie zu ertheile». 

3) Alle seit Herzog Philipps Tode eingefUhr- 



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HO" 

len neaen Steaera nnd BelaBtnngen sind 

für null nnd nichtig erkl&rt. 
4) Die BeToIlmficbtigten wenden ihren ganzen 

Credit an, am aach andere billige Begeli- 

len, welche man bei ihnen anbringen würde, 

durchgehen zn machen. 
Schon früher hatte der Herr tob Craon bei- * 
nahe Alles dieses zugesichert; der Konig eilte, 
seine Znstinunnng zu gehen. Noch am 19. JSn- 
ner, Bwei Tage nach seiner Abreise von Ples- 
sis da Parc, sendete er das Amnestiedecret von 
Selommes aas. Die StSnde, sobald neue Ge- 
waltbaten angekommen, zögerten ebenfalls auch 
TOB ihrer Seite nicht, zu erklBren: da der Kö- 
nig einen so guten, grossen and innigen Willen 
für das Fräulein von Barguad an den Tag gebe, 
so sei er anterth&nig ersacht, alle Rechte seioer 
Mündel and Pathin in seinen Schutz und Schirm 
zn übernehmen. Sie erboten sich, das Herzog- 
thum in seine Hand za stellen, am alle die 
Rechte aaszaüben, welche er darin habe oder 
haben könne, ebenso auch die Grafschaften 
Ma^onnais, Cbarolais und Auxprrois, mit den 
Herrschaften Chateau - Chinon and Bar - sur- 
Seine; voransgeselzt, dass jene Landschaften 
keinen Anstand n&hmen, dem Vertrage beizu- 
treten. Unter diesem Vorbehalt erboten sie 
sich zur Leistung der- üblichen Eide. Bedangen 
ward jedoch auch noch, dass, im Fall der todt- 
geglaubte Herzog Karl wieder zom Vorschein 



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käme, der König seines Besitzes und ihres Ge-. 
horsBiuB sich enlschlage und den neuDJährigen 
Frieden halte, welcher za Solothurn geschlos- 
sen worden *). Hinsichtlich der Heirath des 
Dauphins mit der Prinzessin, welche der König 
in's Werk za setzen gedenke, drückten die 
Stände ihren Dank ans. 

Erst als diese Dinge sämmtlich geschehen 
und verabredet worden, erhielten der grosse 
Rath und die Rechnuagskammer *), weiche in 
dem wichtigsten Zeitpunkte ohne alle Verhal- 
tongsregeln gelassen werden, eine Zuschrift 
ihrer Gebieterin. Sie enthielt die Antwort anf 
die erstes Mittheiinngen vom Einbruch der fran- 
zösischen Tmppen in Burgnnd und die Ansin- 
nen der königlichen Bevollmächtigten. 

„Ihr seid wohl anterrichtet — meldete sie — 
dass das Herzogthum Bnrgund niemals eine 
Domaine der Krone Frankreich, sondern das 
Eigenthnm einer Linie gewesen ist, welche 
ganz andere Namen and Wappen führte. Durch 
den Tod des jungen Herzogs Philipp fiel es 
dem Könige Johann zd; dieyer gab es seinem 
Sohne gleiches Namens, für sich und seine ge- 
sanunte Nachkommenschaft ohne Unterschied. 
Somit weist es einen von den französischen 



*) V«rgl. D. StUliüigt ChroDilc and Joh. S/Uilhn 
Sdnrriz. GcMbicbt« (Irtiter Band). 

'*) Lm gtm du frand Coasnl et dea Conpte«. 



..gniod., Google 



. Apanagen ganz verschiedenen Charakter auf. 
Auch die Grafschaft Charolais ist durch Philipp 
von dem Grafen Armagnac angeltanft worden. 
Ma^fon nnd Anxerre gingen durch den Frieden 
von Arraa an meinen seligen Ahnherrn über, 
für ihn and seine Erben, männliche und weib- 
liche. Ihr habt alle diese Dinge anseinander- 
znsetzen, wenn Ihr es nicht schon gethan. 
Bereits hah' ich an den König gesendet, and 
die Dinge werden sich schlichten and verglei- 
eben. Denn der König selbst hat mich wissen 
lassen, dass er*weit entfernt davon sei, mir von 
meinem Erbe etwas za rauben. Aus diesen und 
andern Gründen trachtet Aufschob zu gewinnen. 
Sollte der Statthalter von Champagne sich nicht 
zufrieden geben, so trefft wenigstens Anstalten, 
das Land im Gehorsam gegen mich zu erhalten 
and die besten Städte und Plätze zu behaupten. 
Bald soll Euch mit Gottes Hülfe auf irgend 
eine Weise Trost und Beistand werden. Ueber- 
diess ist die gegenwSrtige Jahreszeit nicht dazu 
geeignet, Belagemngen zu unternehmen." 

„Was die Bewachung der Frei^afschaft be- 
trifft, so ist es nicht nöthig, dass diejenigen, 
welche auf der einen Seite mir das Meinige zn 
nehmen trachten, sich das Ansehen geben, als 
wollten sie es auf der andern mir schützen. 
Ich übersende Euch Machtbriefe, am mit den 
Teutschen eine Verbindung zu schliessen. Lasst 
die Sache durch Simon von Cleron betreiben. 



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_ 113 

Haltet also, ich ersuche Euch noehmala, sowohl 
im Herzogthtim als in der Grafschaft, das Laod 
so viel als möglich in meinem Gehorsam, auf 
den Fall, dass Euch Verzögerang der Unter- 
handlangen nnmöglich; doch mass dies Enre 
wesentlichste Sorge sein. Dem Ueberbringer 
dürft Ihr völlig trauen." — 

Dieser Brief war aus Gent vom 23. J&nner 
datirt In einer Nachricht bat Maria, den Prä- 
laten, Edlen und Stfidten bestens sie zu empfeh- 
len, nnd übergab sich ganz der Trene der Bnr- 
gnnder, diese werde sie gewiss allen zn er- 
balten wissen, auch wenn die Umstände nöthi- 
gen sollten, eine andere Sprache zu fuhren '}. 

Nachdem Maria die nuthigslen Vorkehrun- 
gen für Sicherang der Herrschaft, und Briefe 
an die Stände nnd Städte erlassen, dachte sie 
nunmehr darauf, ihrem Vater die letzten Ehren 
zn bezeigen. Sie sandte an den Herzog von 
Lotbringen und bat um den Leichnam Karls, 
welcher einsweilen in der Hanptkirchc von 
Nancy beigesetzt worden war. Zugleich unter- 
handelte sie bei diesem Gelegenheit wegen Aus- 
wechselung der Gefangenen. Letzteres ward vor- 
erst noch abgelehnt, ersteres, nach einiger Wei- 
gerung, zugestanden. Ren£ tröstete sie über 
dea Verlast ihres Vaters und bemerkt«^: Europa 
hätte keinen ruhnueichern Mann als ihn beses- 



") Barmte. 
l. 



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sen, hftUe er es mir dahin bringen können, mit 
seineia Erblande zufrieden zu sein. Er versi- 
cherte sie übrigens seiner aufrichtigen Freund- 
Schaft '). 

Das Leichenbegängnis s ward mit aller er- 
denklichen Pracht gefeiert und ein seiner Ta- 
pferkeit nnd GrSsse würdiges Denkmal, anf 
der Tochter nnd der Wittwe gemeinsame Ver- 
anstaltung, ihm gesetzt**). Allein schon bei 
dieser Gelegenheit offenbarte sich der bfise 
Geist der flandrischen StHdte, zumal der Gen- 
ter, deren Charakter und Tendenz an andern 
Orten bereits hinlänglich Ton uns geschildert 
worden ist. Letztere murrten laat und unver- 
bohlen über die Verschwendung, angebracht zu 
Verherrlichung eines Schattenbildes von Grösse 
nnd der Manen eines Herrn, der, ihrer Ansicht 
nach, eine Geiasel seiner Völker gewesen. Dies 
anedle Gefühl gab sich dadurch kund, dass 
m^ den Hof und die Priester allein für die 
Seele des Verstorbenen beten Hess, und alle 
Kirchen leer blieben ***). 

Die Abneigung gegen das Fürstenhans ging 
bald in förmlichen Trott und später in feindse- 

•) Faberl p. 8, 

■') S. duaelbe bei OolM. 

'**) Dies stimmt mit Faierü BemeikoDg; Tont te 
monde aembla combattre k qni färoit de pliu magnifiquea 
obseqDM i U memoire de aoo bon Piince (p. 7), schlecht 
fiberein. 



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115 

ligen Widerstand über. Brügge, Briissel, Ant- 
werpen verweigerteh die Stenera and Abgaben; 
die Einnehmer worden gemisshaDdelt, die Obrig- 
keiten verachtet. Der demokratische Geist, wel- 
cher in jenen Städten damals vorherrschte, liess 
seinem tiefen Hass gegen den Adel freien Lauf 
Man beschuldigte Ihn, dem Herzog mit knech- 
tischem Eifer gedient und In allen Planen zor 
Unterdrückung klter Reahte und Freiheiten mit 
täckiacher f^chadenfreude ihn unterstützt zu ha- 
ben; man warf ihm vor, dass er des alten flä- 
mischen Charakters sich geschämt, und entwe- 
der btirgundisches oder franaösisches Gepräge 
angenommeni ferner, dass er, in der Begierde, 
reichen und mächtigen Fürsten zn dienen, Flan- 
dern dem Könige von Frankreich in die Hände 
gespielt. Diese Sprache ward zumal da ge- 
führt, wo die flämische Sprache und nicht die 
JiranzSiisehe die vorherrschende war. Man hasste 
das Bargundische ausser allen übrigen Gründen 
anch noch aas dem, weil man es als Uebergang 
zum Franzoaenthum ansah *). 

Des Königs Hand war auch in der That 
überall fühlbar; überall begünstigte er den meo- 
terischen Geist, der in Flandnn seit anvor- 



') Baraale XI. 198—199. Wer die Mühe sich neh- 
men mUI, die Verhiltniaae Ton 1477 und 1830 zu verglei- 
chen, wird muiche Aehnlichküt zWichen den Part«ien und 
ibrcD Zwecken von ehemals und jetzt finden. 



.,gniod.,GoOglc —-^ 



116 

denklichen Zeiten bald da, bald dort thUtig 
sich gezeigt hatte, and welcher von wahrem 
FreiheitsgefShl oft sehr verschieden war. Sein 
Hanptgrondsatz dabei war, dass seine Angele- 
genheiten desto besser gingen, je schlechter 
die der übrigen ständen. 

Zn aolchen Planen schien der berüchtigte 
Olivier el Dain vor allen Uebrigen mit GescHck- 
lichkeit nnd Eifer dienen zu kwinen, und Herr 
und Knecht waren in der That gegenseitig ein- 
ander würdig. Dem Herrn von Commines, Fta- 
münder von Geburt*), und bei aller politischen - 
Raffinirtheil ein Mann von Ehre, mochte Lud- 
wig im gegenwärtigen Falle weniger trauen; er 
bedurfte eines Mannes, welchen PenSnlichkeit 
nnd Umstände allen Bedenken dieser Art uner- 
reichbar machten, und ein solcher Mann war 
Olivier, den einige seiner Zeitgenossen den 
„Bösen", andere gar den „Teufel" genannt ha- 
ben. Beide Namen entsprachen seiner Rolle 
and seinem Rufe. 

In der Pikardie ging dem Könige gleich An- 
£BDga alles nach Wonach. Des Herrn von Com- 
mines Bestechungen und ein Aufstand des Vol- 
kes brachten Abbiville in seine Gewalt. Arras 
jedoch, von den Herren von Ravenstein and 
Philippe de Crevecoeur vertheidigt, hielt län- 



*) Die Fmn von Hallcwyn war auch, ni« ichoa gt~ 
«agt, seiiie VernMidte. 



.,gniod.,GoOgk' 



117 

ger Stand"). Coiumiaes entwickelte in den Uu- 
terhandluDgen , die et mit jenen zwei Grossen 
pflog, sein ganzes diplomatisches Talent und 
lieas es weder an juristischen Sophismen fehlen, 
am sie zn überzengen, noch an glänzenden An- 
erbieten, um ihre Ttene wankend zu machen. 

Inzwischen traf der König, welcher sowol 
von den burgnndisoben Ständen freiwillige Bei- 
träge zu denYereinigungskosten, als von denen 
von Langnedoc eine Stener von 187,975 Lirres 
begehrt hatte, persönlich im Lande ein, om die 
Unterwerfung von Artois und Flandern zn roll- 
enden. Yerachiedene Städte huldigten angen- 
blicklicfa; andere riefen von freien Stücken 
seine Feldfaerrn herbei. Verrath am Hanee 
Bnrgnnd war anter den Hauptleaten und dem 
Kriegsvolk an der Tagesordnung; es gab keine 
Treue, als für den, der am meisten bez^lte. 

Ludwig, von den glücklichen Folgen seiner 
persönlichen Gegenwart berauscht, spottete über 
Commines und denAdmiral, dass sie erst zwei 
Städte ihm zugebracht , während ihm selbst bei 
dem ersten Nahen so viele sich ergeben. Fr 
versicherte sie, dass Meister Oliviei sich tüch- 
tiger als sie erwäbren nnd gewiw bald die 
Schlfissel von Gent ihm überbringen werde. 



*) Dbsb die Wunierlijken Oorloghen Marien «chon 
bei der BotBch&ft von des Vaters Tode über den Venath 
CreTecoenrs Bprechen luieD, ist Anagbromui»». 



..gniod., Google 



118 

Die GegenbemerkuDg des Herrn von Argenteau: 
es sei höchst unwahrscheinlich, dass decgleicbea 
kleine Leute so grosse Dinge vollfiihien, und 
ein Volk, wie die Genter, zm Ergebung brin- 
gen würden, erregte noch mehr Anzüglichkei- 
ten, nnd alle Hofapassmacher ergriffen sie be- 
gierig, um knechtische Verehrung der Geniali- 
tät ihres Herrn bei dieser Gelegenheit an den 
Tag zn legen. Bereits war der König so über- 
raütbig, dass er den alten Plan der Yermäh- 
Inng des Dauphins mit Marien als Qberflüssig 
aufgab und im Staatsrathe blos die sweok- 
mtlssigste Art Ton Einverleibung der verschie- 
denen bargandischen Provinzen erörtern liess. 
Die Heirath sollte blos aaf den sohliramsten 
Fall, oder auf den Fall von unvermuthetea 
Schwierigkeiten im Hintergrande stehen. Alle 
Staatsakten, Erlasse, Reden und Briefe jener 
Tage atfamen diese Gesinnung and Sprache. 
Er liebta allzusehr, vom Einflass seiner Räthe 
frei, nach eigenem GutdQnken in Allem ev 
handeb; darum entfernte er von sich siimmt- 
llche Mfinner, deren Einsicht die seinige iiber- 
flfigeln, oder dei«n Rath seine Entsahlüsse 
massigen in wollen schien; ans diesem Grund« 
erhielt Comiatnes im wichtigsten Augenblick 
eine ausserordentliche Sendung nach Bretagne, 
jedoch nicht ohne zuvor dem Könige die Liste 
abgegeben zu haben, in welcher die Namen der 
vorzüglichsten Anhänger Frankreichs in Flan- 



..gniod., Google 



119 

dern und die Summen verzeichnet standsD, 
welche mao als Preis des Verrathes ihnen zu- 
gesichert. 

Nichtsdestaweniger schadete dieser übertrie- 
bene Handel mit allen einflassreichen Personen 
des Landes dem Konige in manchen Dingen 
wiederum sehr, da er bisweilen nach seiner al- 
ten Art knaaserte , und bei Einzelnen zur Geld- 
gier aach Ehrgeiz mit in das Spiel sich mischte. 
Namentlich beging der Herr de Lude, welcher 
an Commines Stelle diese Art Geschäfte fort- 
trieb, in den Unterhandlungen mit einem Ver- 
wandten desselben, welcher fiir Hennegau ge- 
kommen war, jedoch tbeils die Beibehaltung 
der alten Verhältnisse dieser Provinz mit dem 
teutschen Reiche wünschte, theils fut sich be- 
sondre Foderungen stellte, einen groben Fehler, 
dass er den Gegenstand allzuleichtsinnig be- 
handelte. 

Während so auf der einen Seite die bur- 
gundifichen Hauptleute ihre Treue and Dienste 
lo hoch als möglich verkauften, suchten auf 
der andern' die französischen im Lande gelager- 
ten Kriegshänpter die grösstmögliche Beute für 
ihre eigene Rechnung zu machen. Es bildete 
sich ein System von Plünderung und Brand- 
schatzung gegen Städte und Flecken aas, und 
es wurden überdies so vielerlei Ausschweifun- 
gen der Soldateska begangen, dass der König 
selbst die Absicht erhalten mnsste, es würde 



.,gniod.,GoOglc 



120 

ihm dadurch das Veruanen der Bewohner uar 
wenig gewonnen nnd sein InteresBe schlecht 
gefördert werden, um so mehr, da selbst 
die dffentUchen Kassen mit ausgeleert wurden. 
Die Grossen standen hierbei an der Spitze; 
man mnssle daher einesthcils schonen, andrer- 
seits Einhalt thun. Ludwig, in Kenntniss ge- 
setzt, dasB selbst die nocb vorhandenen Schätze 
Karls mit in die angedeutete Kategorie gekom- 
men,' erwiderte den Herren von Craon und Ani- 
boise, welche auf klnge Weise die Vorwürfe 
von sich abzulehnen gesucht, und dem Konige 
Bechnong abzulegen sich erboten hatten, in sei- 
Dem lakonischen Styl: Er danke sehr, dass sie 
die Ehre ihm gönnten, bei Yertheilung der 
Beute mit zugelassen zn werden ; immerhin 
möchten sie die Hälfte derselben behalten, den 
Best aber wünsche er für sich bei Seite gelegt 
und die Yertheidigung der Grenzplätze gegen 
die Tentachen davon bestritten; sollte ihnen 
solches nicht anstehen, so möchten sie die Gel- 
der geradenwegs ihm zusenden, und dafür sor- 
gen, dasa nichts davon verloren gehe. Sämmt- 
lichen Wein in den Kellern des Herzogs schenke 
er ihnen. 

Die edeln Herren befolgten diesen Befehl 
so ziemlich nach dem Worte; sie fuhren fort 
zn theilen, dienten jedoch mit dem Reste dem 
Monarchen so gut, als möglich. Die Klagen 
des Landes kamen nur wenig in Betrachtung. 



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Bald ahmte die Freigra&chaft das Beispiel des 
Herzogthoins nach. Zwar retteten die Stände 
den Bussern Schein und ihre Ehre; sie sprachen 
von der Unzulänglichkeit der Fodemn^n des 
KSnigB und der Nichtigkeit seines Rechtes auf 
ein Kunkellehen; ferner von den Verhältnissen 
der Grafschaft zam teutscheu Reiche; allein die 
gänzliche Anarchie im Kriegswesen, der Man- 
gel an Kraft und Einheit der WiderBtandsmit- 
lel, der Anblick überlegner Kriegsmassen und 
gränelvolle Anfänge von Mord, Plünderung and 
Ausschweifungen machten hald sie zittern und 
geschmeidig. Der Herr von Craon verbürgte 
auf seine Ehre Wiederherstellung von Ruhe and 
Ordnnng auf den Fall der Ergebung; und so 
huldigten denn endlich die Stände, wiewol mit 
Widerstreben und Vorbehalt aller Rechte , bei- 
nahe auf dieselben Bedingungen, wie das Her- 
zogthum (10. Februar) *). 

Inzwischen befanden sich die Herzogin Maria 
und ihr Staatsrath in der nnangenehmiten und 
kritischsten Lage von der Welt, und sahra 
einen Abgmnd von Gefahren vor sich aufge- 
schlossen, ohne Hoffanng, denselben entgehen 
oder begegnen zu können. 

Zu allen Verwickelungen, welche die flan- 
drischen Stände und das Verhältniss znm Konige 
von Frankreich gebracht, kamen nun auch noch 

') Barattte. 



..gniod., Google 



die Zudrioglichkeiten und Foderungen der Pro- 
vinzen and Städte des Nordens, welche über 
Karl den Kühnen nicht geringere Ktagen ge- 
führt, als Brabant, Lüujch uod Flandern. 

Alsbald nach dem Tode des Herzogs waren 
in Holland grosse Bewegungen noter den be- 
kannten Parteien, welche das Land so oft zer- 
röttet, den Houk'schen und den Kabbeljanw'- 
sehen, entstanden. Jene klagten: Aemter wür- 
den an Fremdlinge gegeben, Eiogeborne zarück- 
gesetzt. Gegenwärtig sei gerade der rechte 
Zeitpunkt, diesen und ähnlichen Missbräuchen 
mehr au steuern. Man müsse sich demnach 
vereinigen und von der jungen Fürstin be- 
gehren, dass die alten Vorrechte und Gebräa- 
che wieder h«rgefitellt würden. Die Kabbel- 
janw'schen billigten diesen Plan, nahmen die 
Versöhnung an, und man kam auf mehreren 
Tagfahrten zu Haarlem, Leiden und im Haag 
überein, dass weder geistliche noch weltliche 
Behörden irgend einer Stadt um Bestätigung 
ihrer Gewalt einkommen sollten, bis zu gemein- 
samer Verabredung über die Bedürfnisse des 
Landes. Diese sollte zu Gent in einer allge- 
meinen Tagsatznng vor sich gehen. Man ver- 
fasste darauf den Entwurf zu einer neuen Charte, 
welche alle wesentliche Elemente der frühem 
ßechle und Gefreitheiten in sich schllessen sollte. 
Als dies geschehen, reisten die Bevollmächtig- 
ten von Holland und Seeland nach Gent ab. 



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123 

Bei Hof«, wo sie erBchienen, wiud denselben 
die kritische Lage geschildert, in welcher die 
Fürstin und die Lande, ob der feindseligen Ge- 
sinnungen and gewaltsamen Eingriffe des Königs 
von Frankreich, sioh befänden, nnd man foderle 
die Grafschaften zn kräftiger Unterstütsnng mit 
ßalh und That auf. Darauf erklärten die Ab- 
geordneten: Man sei gewillt, ihrer Gebieterin 
Maria mit Leib und Gut beizustehen. Allein 
durch die Kriege, welche der verstorbene Her- 
zog, ihr Yaler, bis ans Ende seines Lebem 
gefGbrt, sei das Land in nicht geringe Armath 
gerathen, und mehr berechtigt, Erleichterongeo 
anzusprechen, denn dass ihm neue Lasten an- 
gesonnen würden. Zudem sei binnen einer An- 
zahl Jahre sehr viel gesohehen , was die Freihei- 
ten und Vorrechte der Landschaften und Städte 
untergraben; diese müssten vor allem Andern 
wiederhergestellt werden. Die Abgeordneten 
blieben hartnäckig bei dieser Erklärung nnd 
setzten so heftig zn, dass Maria sieb dazu ret- 
■tand, auf den 14. Marx (Lentemaand) das groiie 
Privilegium zu ertheilen, welches in der Ge- 
schichte des niederländischen Recht« eine so 
merkwürdige Rolle spielt. 

Die Herzogin hatte knrz zuvor alle Behör- 
den in den Grafschaften bestätigt, namentlich 
auch den Herrn von Gruithuisen als Statthaltet 
von Holland. Xach Ausstellung des neuen Pri- 
vilegiums jedoch ernannte sie an die Stelle des 



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124 

letztern Herrn Wolferd van Borselen, Herrn 
van Veere; auch setzte sie viele andere neue 
Beamten ein, welche gleichwohl nicht sämmt- 
lieh Eingeborne gewesen zu sein scheinen. Sol- 
ches veranlasste in der Folge noch manchen 
Streit and heftige Erörteroogen '). 

Im Staatsrath der Herzogin wurde wenige 
Tage nach der Ankunft des Königs zn Peronne 
beschlossen, eine Gesandtschaft an denselben 
abzufertigen. Sie bestand ans dem Kanzler Hn- 
gonet, dem Herrn von Imbercourt, dem Pro- 
tonotar von Cluny, dem Herrn von Gniithuisen 
und einigen andern GroBsen. Sie übergaben 
Ludwig XI. ihre Vollmachtbriefe, welche von 
Marien eigenhändig geschrieben und von der ver- 
wittweten Herzogin , sowie von dem Herrn von 
Ravenstein, Adolf von Cleve, mit unterzeichnet 
waren. Die Prinzessin kündigte in dem Schrei- 
ben an den König diesem an, dass sie, gemäss 
ihres guten Rechtes, Besitz von der Erbschaft 
ihres Vaters genommen und die Zügel der Re- 
gierung über die Staaten desselben ergriffen 
habe. Ihr ganzes Vertrauen sei auf den Rath 
gesetzt, welchen sie gebildet, und der aus der 
Herzogin-Wittwe, dem Herrn von Baveostein 
und dem Kanzler Hagonet bestehe. 

') Wagenaar, Vaderlandathe Historie. IV. Deel, 
p. 165 — 173. Ueber das „Gcoot-PriTilegie" vergl. die 
AktenslQcke in dea Beilagen und die hiatoriMh - bibllogra- 
phiMhen Eiläuterungen zu denselben. 



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125 

Die Abgeordneten, nachdem die FSmilich- 
keiten vorüber, erklärten sich im Namen ihrer 
Fürstin bereit: alle die Herrschaften nnd Kron- 
güter zurückzustellen, welche durch die Frie- 
densschlüsae von Arras, Conflana nnd Peronne 
gewonnen worden, kurz za Wiedeiherstellnng 
der Dinge auf den vorigen Stand , wie vor Phi- 
lipps des Kühnen Zeit. Aach die langbestrit- 
tene Gerichtsbarkeit des Parlaments von Paris 
verhiess man anzuerkennen; ebenso die Lei- 
stung der Lehenapflicfat an den König für Bur< 
gnnd, Artois und Flandern. Indem man sich 
nnterthänigst za diesen Bedingungen verstand, 
hofile man von dem Gerechtigkeitsgeßihl des 
Königs, dass er seine Kriegsbanden zurückzie- 
hen nnd den besch^ornen neunjährigen Still- 
stand von Solothum beachten werde. 

Der König gab der Gesandtschaft zur Ant- 
wort: Er sei keineswegs gekommen, um das 
Fräulein von Bnrgund , seine theure Baase 
und Pathin, zu berauben, sondern im Gegen- 
theil hege er kein anderes Verlangen, als sie 
und ihre Staaten In seinen Schatz zu nehmen. 
Es sei solches sogar seine Pflicht, als ihr Ober- 
lehensherr, da der Gebrauch in Frankreich es 
mit sich bringe, dass im Falle des Abgangs von 
Verwandten, die Garde noble einer minderjäh- 
rigen Vasallin vom Herrn übemommea werde. 
Ueberdies gehe er ernstlich damit am, seinen 
Dauphin mit der Prinzessin za vermählen. In- 



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zwiscbeD bis diete wichtige Angetegcabcit ins 
Reine gebracht sein würde, habe er glcb auf- 
gemacht, um mit der Krone alle die Hertschaften 
wieder zu vereinigea, welche ihr heimgefallen, 
und de« Restes der Staaten des Fräaleins blos 
in der Absicht sich bemSchtiget, demselben sie 
za bewahren. Auf den Fall, dass man Gerech- 
tigkeit ihm verweigere, führe er mit sich eine 
Kriegsmacht, stark genug, um «leb solche selbst 
za verschaffen. 

Die Abgeordneten erklärten, dass sie hin- 
sichtlich der erwähnten Hftirath gar keine Voll- 
macht zn irgend einer Unterbandltmg bitten; 
andererseits bemerkte der Konig, das« er über 
keinen andern Punkt Unterhandlungen einzu- 
gehen habe. Obgleich man sich also fiber nichts 
verstanden, so behandelte Ludwig dennoch die 
Bäthe Matiens mit grosser Auszeichnung, und 
inoble durch Schmeicheleien sie zu verführen 
nnd auf seine Seite herüber zu bringen. Selbst 
den Umstand, dass der eine aus der Pikardie, 
der andere aus dem Herzogtbum Burgund ge- 
bürtig, benutzte er dazu, ihnen vorzustellen, 
dass sie keine Teuttc&e, tondem Franzoien 
geien. Allein er vermochte Nichts über die 
getreuen Diener. Nur der Punkt wegen der 
A'ermählung schien ihnen aufrichtig am Herzen 
zu liegen , und sie drückten deasbalb ihren 
Wunsch enlsebieden aas; der König stellte sich, 
als gehe er in ihre Aoiiditen ein und'ala Mi 



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127 

er von ihrem guten Willen gernhrt; aber im 
Innern dachte er ganz anders. 

Als der Groasbastard , Anton von Burgaad, 
und sein Brader Baldain,' welche beide in fran- 
zösischer Gefangenschaft sich befanden, die An- 
sinnen des Königs Ternommen, welcher zugleich 
an die Gewährung derselben, ale an eine Be- 
dingung »ine qua non, ihre Freiheit knüpfte, 
regle sich in ihnen das Blut ihres Vaters, und 
der burgundische Stolz ward widet französi- 
schen Uebermuth wach. Nach kurzer Berathnng 
unter einander gab Ersterer den Räthen, welche 
mit Ludwigs XI. Erlaubniss sie besuchten und 
ihre Ansicht einzuholen gekommen waren, fol- 
gende Erklärung: „Ich erkenne nur za wohl den 
Plan des arglistigen and Terschmilztea Königs; 
wenn er Marien überredet , in seine Anträge ein- 
zugehen , so wird unsere Befreiung freilich ohne 
Schwierigkeit vor sich gehen; im entgegenge- 
setzten Falle schwer und langsam. Allein ich will 
nicht, dass unsertwegen die Herzogin etwas thne, 
was ihrer unwürdig, oder etwas unterlasse, was 
t dem Lande Bargnnd zum grösaten Schaden ge- 
reicht. Den Verlust zweier Männer mag man 
leicht verschmerzen, wenn es sich um die Er- 
haltung eines Staates und die Wohlfahrt von 
vielen tausend Menschen handelt. Niemals wird 
es der Maria, so Gott will, an tapfem nnd- 
geistvollen MSnnem fehlen, welche das, was 
allen Niederländern am meisten frommt, einzn- 



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128 

sehen and za entscheiden wissen. So gtiisst 
sie denn also in nnserer heider Namen auf das 
frenndlicbste , und ebenso alle die Statthallei 
and Räthe, nnd meldet ihnen, unsere eifrigste 
Bitte gehe dahin, dass sie die wichtigen Staats* 
angelegenheiten männlich und einträchtig ver- 
handeln. Und damit lebt wohl'"*) 

Ehe die Gesandten zurückreisten, drang Lud- 
wig sehr stark daranf, dass, zum Beweis guter 
Gesinnung, Arras, das von ihm belagerte, in 
seine Hände gestellt werden möchte. Solches 
hatte der Herr von Esqaerde, Philippe de Cre- 
vecoeur, ihm gerathen, welcher schon früher 
mit Comniines Handels eins geworden, jedoch 
den Schein der Ehre zu retten entschlossen war 
nnd die Uebergabe im Namen der Herzogin 
vollzogen zn sehen wünschte. Da wenig Aus- 
sicht sich zeigte, mit Gewalt lange zu wider- 
stehen, so willigten die Räthe, mit Zustimmung 
Mariens nnd unter Vorbehalt ihrer Rechte, ein, 
dass Ludwig die Stadt mit seinen Truppen be- 
setzte; der andere Theil oder die Vette selbst 
ward nicht zugleich mit übergeben. 

Als die Abgeordneten nach Gent zurückka- 
men, fanden sie die Stadt in wilder Anarchie 
begriffen und ihre Gebieterin in grössten Gefah- 
ren schwebend. Das Volk hatte die Bürger- 
meister, Schöffen und Wethouders abgesetzt. 



*) Pont. Heuler p. 48 — 49. 



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' 129 

Dud den eiaen Theil hingerichtet^ den andern 
aber eingekerkert. Gewaltsam halte es die drei 
Stände einberufen and denselben von Seiten der 
Prinzessin feierlich versprechen lassen, Nichts 
ohne ihren Rathschlag than zn wollen. Zu 
allein Unglück und nm die Verwirrong zu ver- 
mehren, war inzwischen auch der alte Herzog 
von Cleve, älterer Bruder des Herrn von Ra- 
venstein, in der Sfadt angekommen und betrieb 
mit vieler Zodringlichlieit eine Heirath zwischen 
Marien und seinem Sohne Johann. Von einer 
andern Seite war der Bischof zn Lütlich er- 
schienen und fodcrte die seiner Stadt anf lo 
grausame Weise entrissenen Bechte und Ge- 
freitheiten, wie aach alle die von Karl dem 
Kühnen erpressten Geldsummen zaiiick. Um 
diesen Foderangen Nachdruck zu verschaffen, 
hatte man ihm den furchtbaren Eber aus den 
Ardennen, Wilhelm von der Mark'), beigege- 
ben, dessen Name allein schon erzittern machte, 
nnd dessen grftnelvoller Ruf dnrch persönlichen 
Anblick nur noch steigen konnte. 

Die Genler waren über die Frage, ob Bor- 
gund tentsch bleiben oder franzdsisch . werden 
zollte, sehr gleichgültig, nnd sie fürchteten die 
Heermacht des Königs ebenso wenig, als die 
Empfindlichkeit des Reiches; sie alle belebte 



') Ver^. über ihn die Seriplorti rerutn LtodUtunim 
I Ch^taweüU, Foulon Aü(. Leo4. o. A. 



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130 

jetzt BUK ein Gedanke, der Herrschaft sich n 
cntledigea, welche ihneB ein Joeh dänehte, nud 
aber dessen allxia lange Daner ihr atslz-reps- 
Uikaniscber Geist sieh schämte. Der Anblick 
von Mariem Schwäche nnd Hulflosigkeit er- 
fnUte sie mit Vergnägen nndHofihnng; sie s»a- 
Ben vor Allem non darauf, an den rerbassten 
RatheH des Herzega , welche so lange ihre Ent- 
wätfe dnrcbkreiut, Untige Badie sa oefanen. 
Die eigentlichen Urheber jener Acte, dnich 
welche sie ihrer PrlvilegieR beraubt and iar 
den Widerstand gezüchtigt worden, und die 
nBldergesinnten RKthe, welcher zzr Missignng 
oft ermahnt hatten, wurden in eine und dieselbe 
Kategorie geworfen. Ihr EinQiias galt für Ty- 
rannei, nnd ihre Benennang als „FraBzosen" 
und „Fremdlinge" reichte hin, dem öffentlichen 
Ba»a6 sie preiszngebeQ. Vor allen aber stan- 
Aeir in demselben Hngftwet, der Kanzler, nnd 
der Herr von ImbercoortL 

Diese StinuBtiBg der Gemütfaer war nicht 
sehr geeignet, die Idee ciaer Heirath Marieira 
mit dem Dauphin za begünstigen. Man ersah 
darin einen Plan, die Henschaft des- Franzo- 
senthtnis fartxosetzea und die ErMbeiten des 
Landes Flandern an einen noch furchliiBrem 
Feind, als die Herzoge tod Burgund ihtten er^ 
schienen waren, zu überliefern, weil derselbe 
grössere Macht hatte, jeden Widerstand der 
Unterthanen zu bekämpfen. 



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Zu dieser allgemein -fmft'ona/en Ansicht ge- 
feilte sieli noch der Abachsii vor der ubb»' 
icbrSnktea Macht, mit veldier Köaig Ludwig XI. 
ober Frankreich herrschte, »it welcher er alle 
Rechte nnd Privilegien dar U&terthanen unter- 
drückt ") , alle blindlings Beinen Bon. plaüir 
Hntcrwonfen , nnd unerschwingliche Stedem and 
Abgaben onbedenklich tsr ihnen erhoben hatte. 
Sehen d«r Uom» Gedanke matht« die Oenter, 
welche auch den bsätea Ftirsten für ein tronri- 
gesUebel, und dl« mindeste BeaclHltnknBg per* 
sSnlicber Freiheit fvt «taten Nachtheil de« all- 
gemeinen, ansäen, kanffchen; nod n«n kam 
noch die Persttnlicbkeit de« fransösiscfaen ÜLth- 
Barchen hinzu. Ad Hirte und Cb-auBamkeit, Hin- 
terlist nnd Meineid hatte er vor omf neben sish 
wenige gleichkommende Musterbilder. Er, der 
mitten im Frieden eise junge wehrlose Waise, 
£e CbenHeas durch leibHch« and geislÜelte. 
Verwandtschaft ihm nahe stand, wie ein Axt- 
bcrischer Wolf fiberfi«], solhft der eines Latt- 
des Freiheit achte», doS üunfteOHi war, aad in 
dem auch nicht die geiingVten Erinnerungen ihn 
hioKogen? Er, der s)^ ihren gnten Frewnid 
nnd Besehätzer nannte , aber gieicbwcthl Stidite, 

*) Id einer Hituicht üt di«H vrabr, in anderer aber 
■dtr übertrieben, denn ea jat bekanot, Aom Ludwig Xt. 
die Stidte hob, freiHcb nra die Grossen und den Adel' ta 
ittAaAgta nad M idiwftdnB. 



..gniod^yGoOglc 



132 

Vesten nnd Flecken gewaltsam einDahm, wäh- 
rend ein feierlich beschwomer Vertrag and 
das ergebnngs volle Flehen seiner Yerwandtin 
ihn abhalten sollten, war dieser sehr geeignet, 
Vertrauen in andere Eide auf Charten und Per- 
gamente einznüässeo? Endlich, wessen konnte 
man sich zu dem Charakter eines Fürsten ver- 
sehen , welcher zwanzig Jahre voll des schänd- 
lichsten Undanks am Untergange desselben 
Hanses Bnrgnad gearbeitet, welches in trüben 
nnd schicksalschwaagern Tagen Gastfreund- 
schaft, Schutz nnd Beistand ihm geleistet? Sol- 
che Belrachtnngen stellte der praktische Ver- 
stand der rastlos- unruhigen Flamänder an. 

Allein es gab von einer andern Seile wie- 
derum so viele Gegenrücksichten, dass die Noth- 
wendigkeit, mit dem Könige in Unterhandlang 
zu treten, gar bald einleachtete. Olivier el 
Dain arbeitete nach Kräften, nnd suchte fär 
sich das Vertrauen einznflSsien, daa man seinem 
Herrn verweigerte, obgleich Einer so schlimm 
als der Andere war. Er beredete die Stände 
zn Gent, Abgeordnete an Ludwig nach Peroone, 
dem damaligen Aufenthalt desselben und dem ein- 
stigen Schauplatz seiner Schmach, zu schicken. 
Die Personen, welche sich mit der neuen Sen- 
dung befassten, waren ihm weit angenehmer 
als die Bäthe Mariens ; denn er sah zwar stolze 
nnd trotzige, aber in eigentlicher Politik auch 
sehr nnerfohme, nnd meist voa beschräokten 



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133 

Gflsichupunkten und eiaseitigen Sladtinteressflii 
aasgehende Mäoner vor sich, deren Verstand 
xa überfliigeln war, sobald man die Eitelkeit 
kitzeln, oder die Habgier befriedigen konnte"). 
Sie traten vor ihn mit rauher aber ehrlicher 
Sprache, als der einer Partei, welche ihre Sa- 
che im Trocknen, und ihr Ansehen geachtet sa- 
hen; redeten lang und breit von der Unwürdig- 
keit des Planes, ihre Herzogin zn beraaben, 
während man dieselbe vielmehr beschirmen 
■oUte; sie bctheiiertea die friedliche Gesinnung 
Mariens, also zwar, dass sie erklärten, als 
Bürgen für dieselbe einstehen zn können, zu- 
mal da jene das .Versprechen gegeben , in Altem, 
was sie nnteraebmen werde, nar nach dem 
Bathe der Stände von Flandern sich zn richten. 
Auf diese Anrede lächelte der König iro- 
nisch and mit teuflischer Schadenfreude und er- 
widerte den Abgeordneten: „Wohl bin ich dess 
gewiss, dass lir den Frieden wollt, wärt Ihr 
nur Meister der GeichSfte ; in diesem Falle wür- 
den wir bald uns verstehen. Allein wenn Ihr 
mich versichert, dass das Fräulein von Burgund 
Nichts ohne Euren Batfasohlag unternehmen wird, 
so halt' i<^ dafür, dass Ihr Sasserst schlecht 
berichtet sein müsst, denn ich weiss schon, seit 
längerer Zeit, als Ihr selbst, dass Mademoiselle 
ihre Angdegenlieiten dorch ganx andere Leute 



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— m — 

regeln iRssen will, nnd zwar dnreh Leute, die 
kelneiwega den Fiiedea lieben!'* — 

Die Genter, verwint doreh dien, mit bit- 
tf rm Hohn gesalnene Bemeikung, erklärten, dau 
lie nicht gewohnt seien, mit ho grossen Per- 
sonen verwickelte Fragen zn erSrtem, daas sie 
jedoch von der Wahrheit ihrer Behauptung sioh 
Terg;ewissert hielten. Darauf Hess der König 
Worte ren Papieren fallen, die das Gegentheil 
erhärteten. 

AU nun die Abgeordneten heftig auf deren 
Vorlegung drangen, Hess jener den Brief, wmrin 
die Hersogio ihm erklilrt hatte, dasa sie nach 
dem Willan der von den Gentem m «ehr ge- 
haasten R&the regieren werde, nloht nur lesen, 
sondern er gab Ihnen denselben sogar in die 
Hand zu beliebiger Verfügung. 

Ein uabesehreibliober Unwille ergriff hiep. 
bei die Erstaunten ; sie beniiaubten siolir ohne 
Weiteres, reisten In aller Elle nach Gentmrflok 
und ersohienen in der feierlichen Andlenx, wel- 
che die Prinzessin zn Anhörung ihres Berichtes 
. verliehen. Die Abgeordneten fingen gleich da> 
mit an, die Behauptung des Königs mttxuthel» 
len, dass Mademoiselle erklfirt, nicht nach dem 
Willen der drei StBude regieren zu woU«b. Er 
besitze einen Brief toH ihr, der soidiss ärm- 
lich ausdrücke. Muia nulerbraoh den Redner 
hastig und mit Feuer, und sagte : Diess sei falsch, 
und Niemand werde wohl einen soIoheB Brief 



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135 

vorzeigen köhaeo. Alsbald sog der rofae Büt- 
^r da« Schreiben aiu eeioem Busen hervor 
and überführte die Priosessin von der Unwaihr- 
beit ihrer BehaofttuDg. 

Maria stand, wie vom Blitz gerührt, über 
diesen nichtswürdigen Misshrauch deBVertraaeDS 
von Seiten Ludwigs, und sah sich ÖQentlioh . 
der Beich&maDg preisgegeben. Zwar üasste sie 
sich nach einer Pause, in vrelcher Ueberra- 
sehuDg ihr den Mnnd geschloasen, und sie ent- 
gegnete: „Ich, E^re Fürstin, glaube nicht we- 
niger ein Beeht zu besitüea, die MXnner zur 
Regierang des Landes nach meiner Wahl n 
erküren, als die Stande von Flaodeia nud die 
Stadt Gent die Uirigea für ihre Sachen')." Al- 
lein der Stadt bemächtigte sich, nachdem der 
Yorfall und die Ändienz berichtet worden, Zorn 
nnd Wuth, zumal gegen Hngonet und Imber- 
court. Was diese, vermehrte, war noch die an- 
dere Mittheilnng des Königs, dais die beiden 
B8the sehr für die Vetmählang mit dem Dau- 
phin arbeiteten. Nun aber bildete gerade die- 
ser Punkt den Hanptgegenstand der Furcht der 
Stände. Ihr Plan ging dahin , Marien mit irgend 
einem tentsch^i Prinzen vom zweiten Range zu 
vermählen, welcher den Beistand des Reiches 
sichere, ofineMncht, ihre Freiheiten zu sohmSr 
lern. Der Hersog von Cleve nnterstütste sie 

*) P»KL Buim, Rer. Barg. f. 4B. 



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136 

darin nachdräcklich , denn er schöpfte daraus 
Ho&biingen für seinen Sohn. Er hetzte dämm 
insgeheim die Bürger noch mehr gegen die RS- 
the auf. Auch die LiiKicher nnd Wilhelm von 
der Mark schürten das Feuer der Zwietracht 
ans Kräften , indem sie ' an Imberconrt sich 
rächen wolllen, welcher Letztere -nach der be- 
kannten Katastrophe Statthalter von Liittich ge- 
worden war, ob er gleich diess Amt mit Be- 
sonnenheit und Milde verwaltet. Der Graf von 
St. Pol ward zu blutigem Hass gegen die zwei 
Männer durch die Erinnerung angetrieben, dass 
sie es gewesen, welche seinen Vater einst über- 
liefert. So vereinigten sich die Leidenschaflen 
Vieler, um die za verderben, welchen gleich 
Anfangs Verderben geschworen war. 

Die Opfer hatten das Kommende, geahnet 
und der Volkswuth sich zu entziehen gesucht. 
Allein sie wurden bald in dem Kloster, wo sie 
sich verborgen, entdeckt und verhaftet; mit 
ihnen auch der Protonotar von Clnny, ein drit- 
ter bnrgundiscfaer ßatb. Allen alten Gesetzen 
des Landes entgegen, stellte man das Verhör 
vor einem Specialgerichte an, welches aas er- 
klärten Feinden der Beschuldigten zusammen- 
gesetzt war, und welchem sogar einer von der 
Bande des Ebers der Ardennen beiwohnte. 

Die Hauptpunkte der Anklage beschränkten 
sich aof drei: 1) die RStbe haben Arras an den 
König ausgeliefert; 2) in einem Prozesse zwi- 



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137 

sehen der Stadt GeDl und einem Privatmanne, 
den sie za schlichten hatten, haben sie G«- 
schenke nad Geld angenonunen nnd datnach 
das Recht bestimmt; 3) sie haben mehrfach ^e 
Privilegien der Stadt Gent verletzt, ein za 
allen Zeiten todeswürdiges Verbrechen. 

Auf den ersten Punkt vertheidigten sich die 
Bälhe; was ihnen hier vorgeworfen werde, sei 
wahr, doch hätten die Genter, deren Interesse es 
nniuittelbar nicht berühre, darüber keineswegs 
sie zn richten; anf den zweiten-: sie hätten ein 
gutes Gewissen, und die Geschenke von Seite 
der Stadt erst nach geschlichtetem Prozesse als 
Belohnung für ihre Mnhewaltong angenommen; 
anf den dritten: sie hätten hinsichtlich der Pri- 
Tilegien der Stadt sich anf eine Weise benom- 
men, welche den Vergleichen zwischen der 
Stadt and den Herzögen Philipp und Karl, nach 
den unglückseligen Kriegen der Genter, ent- 
sprochen. 

Diese Gründe wnrden jedoch wenig beach- 
tet, nnd ebenso wenig die Vorstellungen Cluny's 
und Hugonels, dass sie dem geistlichen Stande 
angehörten nnd unter dem Schutze der demsel- 
ben verliehenen ImmanttSten ständen. "Man 
folterte sie sechs Tage hindurch mit barbari- 
scher Graasamkeii ') und venirtheilte sie znm 



') Id kölner Volkigeidiiclite findet maii tod den älte- 
n bU Ruf die nenem Zeiten igk^eu blntdAntigeD und 



..gniod., Google 



138 

' Tode. Die Berafang an das Parlanent von 
Paris ward Tcrworfem. 

Die UnglücldieheD hatten alio keine andere 
Wahl, denn als MSnner and Chiiaten sich zam 
finstem Gange vorz abereiten. Rührend war der 
Abschied, welchen der würdige Kanalei von 
seiner Gattin nahm *). 

Maria, welche ihre BSthe mit einer Art 
kindlicher Verehrung lieble, hatte Alles, was 
in ihren Kräften stand, vetsncht, das Todesur- 
theil abzuwenden. Sie hatte ihre Procoratocen 
za dem Tribunal als Beisitzer gesandt, aber nan 
trieb sie von dannen. Sie hatte selbst an die 
Sttbide geschrieben und die alten Landesrechte 
für die Gefangenen geltend gemacht; aber ihre 
Briefe wurden Terspottet ""). Jetzt trachtete sie 
den Vollzog des Urtheils nm jeden Preis xu 
verhindern. Verkleidete Sendlinge waren schon 
einige Tage vorher anter dem Volke hemrage- 
gangen, nm das Mitleid der Menge zn erre^n, 

rachsüchtigen Charakter, -wie bei den Flamindern, und zamal 
in den Städten Gent and Brggge. Es waren xai lind diua 
noch die Wirkungen einer von Prieitein geleiteten bigottan 
nnd &Dstem Erziehung, weldie bl«M den VaraUnd znr Pfif- 
figkeit ((bärit, dai Herz aber unveredelt läast. Die Revolu- 
tion von 1890 bat neuerdingg achauervolle Belege geliefert. 

") Vergl. den Briet an die Dame dkpoitiet et du 
Süillanl, bei Barmlt XI. 

") Pont. V. Hnttr meldet dieu auMlrildüich, doch 
dieser alMa. 



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Als die Z«it endlich «ich g«näh«rt, wo derselb« 
vor sich gehen loUte« verliess «ie deo Palast 
KU Fasse , in Trauet gekleidet^ das Haapt 
mit einem einfachen Schleier Tethöllt, und 
eilte dem Stadthanse 2u, das Leben ihrer ge- 
treuen Diener sich zn erbitten. Sie ward nicht 
angefaört. In Wahrheit — rief der GiossschÖffe 
TOD Gent ihr zu — sie sind ohne triftigen 
Grand Terurtheilt ; aber Ihr seht, Madame, dass 
das ganze Volle in Wuth ist; man musa es 
wohl «ofrieden stellen *). 

Die Gefangenen wurden Donmebr ans ihrem 
Kerker hervor und auf einen Karren gebracht 
Der Zug ging dem Marktplatze zu; eine nner- 
messliche Menge Volkes drängte sich zu dem 
blutigen Schauspiel. Die Gliedmassen des Kanz- 
lers und Imbercourta waren von der Folter so 
zerrttdert und zerschlagen, daaa sie nicht mehr 
sieh halten konnten, sondern auf das Scbafibtt 
hinaufgetragen werden mnaaten. Maria, beiden 
gtftssliohen Anblick erbebend , wendete sich, 
DÜt anfgelösten Haaren, mit Thräaen in den 
Augen ubd mit Worten, die von lautem Schluch- 
zen oft unterbrochen wurden» bald links, bald 
rechts nn die Wütlienden und flehte: Mitleid 
init ihr zu haben und die alten getreuen Räthe 
ihres Vaters, die Stützen und PAeger ihrer Ju- 

*) Eins «liehe Spnohe nag woU auch der Birgti- 
nntter tm Combnigghe im Jatuv 1880 geführt haban. 



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140 

gend, ihr za Bchenken , welche auB LeideDSchaft 
und wider alles Recht verurtheilt worden. 

Schon begann bei einem Theile der Za- 
sehauer das Mitleid sich za regen ; die Persön- 
lichkeit der Fürstin regte das Interesse an, nnd 
es ging Unt der Rnf omher, ihr die Freude 
zu machen; allein der andere Tfaeil schrie mit 
entsetzlichem Griiiune: „die Verrälher müssen 
sterben!" Schon erhoben beide Parteien die 
Piken wider einander, nnd ein Bürgerkampf 
drohte mitten in der Stadt auszubrechen, ab 
einige der entschiedensten Häupter der wüthen- 
den Partei den Henkern zuriefen: ihre Pflicht 
za thnn, was denn auch rasch geschah"). 

Als Maria das Blat der drei MSnner hinnn- 
terströmen sah, sank sie ohnmächtig zusammen 
und ward halblodt nach Hanse getragen. Län- 
gere Zeit überliesB sie sich, zum Bewnsstsein 
wieder envacht, dem grenzenlosesten Sehmerze ; 
es war nicht nur das Entsetzen über der Hin- 
gewürgten Schicksal , es war anch zugleich 
durchdringendes Gefühl von Allverlassenheit in 
der kritischen Lage und eine Ahnung aller über 
Bnrgnnd einbrechenden Drangsale. 

Das bisher Erzählte ist grösstentheils aus 



') Nach ttndem Bericbten vrard iu der Art abgeaümmt, 
daii die fSr den Tod und die für die Gnade Sprechenden 
je rechts oder lioka in eine Rmhe traten; dai Ergebnis 
der HehcuU vru für den Tod. 



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141 

Fhüippe de Comminei geschöpft und tr&gt also 
dessen eigetithümliche Farbe. Die meisten 
neqern Geschichtschreiber , selbst Barante, ha- 
ben mehr oder minder es nachgesprochen. Al- 
lein zur Steuer der Wahrheit muss man beken- 
nen, dass jener Staatsmann and SchriftBteltet 
in der ganzen Sache etwas interessirt er- 
scheint, nnd sein Urtheil daher dem Verdachte 
der Befangenheit nicht ganz entgeht; dass fer- 
ner das Benehmen der Räthe auch noch von 
andern Seiten zn ptnfen ist, als bloss von den 
bisher aufgestellten Gesichtspnnkten , nnd dass 
wirklich Thatsachen vorliegen, welche anf ihren 
Charakter ein zweidentiges Licht werfen, die 
Handlungen der Gentet aber in moralischer nnd 
juristischer Hinsicht wenigstens in etwas mildern. 

Eine Note bei Olivier de la ßfarche')y der 
dem burgundtsch-habsburgischen Interesse sehr 
ergeben und in der Hauptsache stets ein siche- 
rer Gewährsmann ist, spricht ziemlich nngän- 
"tig gegen Hagonet nnd Lnbercourt sieb ans, 
und wirft ihnen geradezu Verrath gegen den 
Herzog Karl und Begünstigung der Interessen 
des Königs vor. 

Gleichzeitige Denkschriften nnd Chroniken 
vereinigen sich', dem Herrn von Argenton ent- 
gegen, in der Anklage der Räthe, und es ist 
von wichtigen Actenitüeken die Bede, welche 

') MianittB dup. 



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142 

Karl der Eähne noch in laiRma Feldlager vor 
Nanc^ fertigte, nnd deren Kenntnits zur rech- 
ten Zeit über das Schickval des Forsten nnd 
dea Heeres Tielleicht anders entscldeden haben 
würde; diese Actenstiicke soll der Kanzler un- 
terscfalagen nnd in einem Schranke bei sich auf- 
bewahrt haben. Diese Thatsacbe, welche spä- 
ter rnehbar geworden. Sei einer der Haapt- 
beweggrfinde des anrersühiiticben Haue» der 
Center gegen die trealosen Diener ihres Herrn 
gewesen , eines Hastei , der nnr in ibrem Blute 
gel&icht werden konnte. Freiluh ist diese Note 
nicht von de la Marcbe selber, sondern von 
dem Cominentatof desselben; aber er beiaft 
sich anf Zengnisse , die niciit so leicht xtt ver* 
werfen sind. In dieser Hinsicht wäre denn die 
Behanptong von Commines, das» der blatige 
Act ein Werk persönlicher Racbe gewesen, 
■ehr zu emässigen, and auf jeden Fall bleibt 
f3r den denkenden Leser das Protoktrfl nicht 
gecchlosaen *). 

8e Tiel ist jedoch ancb anf der andern Seite 
imnerhin wabr, dass die Farm, in welcher der 
Prozess geführt, nnd die wilde ErlHftertmg, mit 
der er betrieben worden, sehr gegen die Cen- 
ter zeagen, and dass nameatUcb der Umstand 
der Tbeilnabme Wilhelm« von der Mark, dei 



*) Deute hat zaent wieder auf dieien Uputuid >af- 
merkMUi gemacht, Hüloin de la Belgifpi*, 'S. V. p^ tM «qq. 



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-^ 143 

blol^erigsten Mratoes Jener Zeit, am Verhör 
und am Ürtheil einen adtweren Verddcfait ^gea 
ihre UnbefangeDbeit in dieser Sache begrändet*). 
Auf die Hinrichtung der beiden Bäthe folgte 
eJD« völlige Veränderung im Stadtregiment und 
ira Hofitaats, Eine starke bewaffnete Mitdit 
besetzte den Markt, wie zur Zeit der frühem 
Rerplutioncn. Alle bnrgandiube Beamten und 
Diener wurden Te^agt, mbshandelt oder ge- 
brandscfastzt. Vielen zändete man das Haas 
über dem Kopfe an. Alles diees geschah nntm 
dem Titel gneohtar Znchtigang gegen Feinde 
der Stadt und Verräther am Vaterlande "*). Die 
HerxegiBoWittwe musste die Stadt veriassen, 
als Haaptnrheberiii der InCrike, und ebenso der 
Herr von RaTengtein, als Mitnnterzeichner des 
Krw&hirten Briefes. De« Bischof Ton Lüttich, 
weleher nach aetser Stadt zurück wollte, zwang . 
man in Gent zu bleiben, indem alle Thore ge- 
sperrt wurden. Maria selbst ward unter ge- 
tnaer Aobicht gebalte«, und, aaeh des Herrn 



') Aaf bSehrt mpasMade Wei«« auckt VariBoM (Hiatoiie 
dt Louii XI.) die Sache zb GiBMttn iet znei Rätbe zn 
erkULren. Er führt eiMa Artikd dea Friaiso« vea AriM 
(1435) an, aaf welchen die Gefangenen sich bemfen; alleia 
dieser Artikel findet üch In dieseiu Friedenavertrage gar 
nidit vor. 

") Sie kamen, wie in neuester Zeit die getreuen An- 
hSuget de» Königs und der Verfaaanng, in den Bau» dtr 
»UM«. 



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von Argenton hdchst adelig- vornehmer Bemer- 
koDg, in die Hfinde der alten Verfolget ihres 
Vaters übergeben, welche übrigens in ihren 
Handlungen immer melir Narrheit als Bosheit 
verriethen, und grobe Handwerks! ente waren, 
ohne allen Credit nnd ohne alle Kenntnis« der 
zar Begiemng von Staaten erfoderlichen Dinge. 
Die Fürstin konnte fortan weder einen Brief 
lesen noch' einen Besuch annehmen, ohne be- 
sondere Erlaubniss der Genter. SämmtUche 
Anhänger des Hofes wurden hierauf ihrer Stel- 
len entsetzt und durch entschiedene Demagogen 
besetzt. 

Die Zwischenzeit benatzte der französische 
KSnig bestens, am durch Drohung, Gewalt und 
Verführung fast aller Städte von Artois nnd 
der Pikardie sich zu bemächtigen. Der Pöbel 
in denselben war auch nicht nnthätig, sondern 
plünderte, sengte und mordete nach Herzens- 
lust. Die meisten Edelleule jener Provinzen 
hielten es mit Ludwig, and beschleunigten ver- 
rfitherisch die Uebergabe mehr als eines Platzes. 
Der König hielt hier Wort und bezahlte gut 
and schnell. Am meisten tmg durch seine Kün- 
ste der nichtswürdige Herr von Esqnerdes, Phi- 
lippe de Crevecoeur, hei, welcher mehr als ir- 
gend ein anderer Vertäther dem Hause Bur- 
gund anberechenbaren Schaden zufügte *). Es 



*) Et hatte gleichwohl wenig Unadi« hierzu, denn e 



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— Ui — 

war in diesem Mantie etwas Diabolisches, was 
mit Ludwig XI. mehr als homogenirte , und die 
Schlechtigkeit seines Charakters war ebenso 
gross, als seia Genie, sein Unternehmungsgeist 
nnd seine Tapferkeit. Die schimpflichsten Sce- 
nen fielen in Folge seines Yerfuhrnngseifers zn 

, Theroueane und Hesdin vor; die ärgerlichsten 
za Boulogne. Der König, gleich als wollte er 
alles Recht noch durch feierlichen Znsatz ver- 
spotten, machte die Herrschaft dieser, zu Artois 
(lehenhar) gehörigen, Stadt der Jangiran Maria 
znm Geschenk, zu welcher er stets eine beson- 

,dere Andacht trug, und welche in jenen Mauern 
besonders heilig war; darauf kniete er, ohne 
Gürtel und Sporen, vor ihrem Bilde nieder and 
empfing von ihr Boulogne zu Lehen. Als Zei- 
chen der Vasallen Schaft aber legte er ein golde- 
nes Herz, im Gewicht von 2000 Thalern, nieder 
nnd setzte eine ähnliche Verpflichtung für alle 
seine Nachfolger fest. Es war eine Art Versach, 
den Himmel zu bestechen, dass er einen Schel- 
menstreich gut heissen sollte. 

Das Volk selbst theilte nicht überall gleiche 
Sympathie für die Franzosen i an vielen Orten 
musste nachdrückliche Gewalt angewendet wer- 
den. Besonders zeigte sich der Widerstand im 
Hennegau heftig, obgleich hier die Sprachvet- 



war Tom Hofe jederzeit mit Woliltbaten i^berhäuft vrorden. 
J>i>th ynr söne Treue glüch An&iigs bezwnfell worden. 
I. 10 



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^— 146 

wandtaohaft die Gemüther sich oäher hätte brin- 
gen aoIleD. Arru weigerte sich, dieThore den 
Trappen zn öffnen, selbst nachdem der Konig 
einige Zeit zavor Aufnahme erhalten hatte. 
Die Hauptmasse der entschiedenen Bargander, 
Reste des geschlagenen Heeres oder Flüchtlinge 
ans den Städten, hatte sich hier concentrirt. , 
Aber der schlimme Geist, Philipp ron Creve- 
GOenr, vereitelte anch hier die Anstrenguogeo 
der Bessern; es kam ein nener Vergleich zu 
Stande, welcher Folgendes festsetzte : Dem KÖ> 
nige wird der Eid der Trene, nnd seinen bür- 
gerlichen wie den Kriegs-Behörden Gehorsam bis 
za den Augenblick geschworen, wo die Herzo- 
gin für die Grafschaft Artois die Lebenspflicht 
in der Weise geleistet hat, zu welcher sie ge- 
halten ist. Auf den Fall, dass sie dessen sich 
weigern nnd einen Feind des Königs zum Ge- 
mahl erküren würde, erkennen die StBnde von 
Artois die Gra&chaft als bleibend bei der Krone 
Frankreich an , nnter Vorbehalt aller alten 
Rechte nnd Ge&eitheiten. Der Königs einerseits 
sichert allgemeine Verzeihung des Geschehenen 
m, und verpflichtet sich, alle Angestellten bei 
ihren Aemtern zn lassen; für die meisten war 
letzteres die Hauptsache. 

Der König sowohl als seine Bevollmäch- 
tigten Hessen sich's äusserst angelegen sein, 
den Fodemngen und Wünschen der Provinzen, 
hinsichtlich der Localbedürfhisse, durch Amne- 



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14T 

stie, Erleichternng der Abgaben and ZdUe, und 
durch Erweiteriing dei Bechte dw Bürger tu 
genügen; und deonocii genvann nun ihre Her- 
zen nnd ihre Treue nicht. Kaum hatte Ludwig 
(Anfangt April) di* Stadt Arras verlassen, so 
griff die Gegenpartei wiederum zu dea Waffen 
, and erhielt die Oberhand. Die Thoie woiden 
geschlossen and alle VerbinduDg mit der Un- 
terstadt nad der fipanaflsisehen Besalaang darin 
nntMbrochen. Der Bischof, Cardiiud von Bour- 
bon, gerieth in Lebensgefahr, ujid Herr de 
Lude, der Befehlshaber der Giti, mnssla sich 
starker befestigen und Geschnts herbAfühien 
lassen. 

Der Aufstand, welcher zu Arras mit Glück 
gebildet worden, theilte sich auch andern Stfid» 
ten der Provinz mit. Donai, Lille nnd Orchies 
sympathisitteu mit jener, nnd man unterstützte 
sieb gegenseitig mit Waffen. Der Hfraptrest 
des vor Nancy geschlagenen Heeres lag in die- 
sen letztern OitCD und ergriff begierig die Ge- 
legenheit, sieb wieder aassozeiohnen und die 
Ungereohtigkek des ^liicksals durch neue 
Tapferkeit gut m machen. 

Ein bargondischer Edelmann von Entschlos- 
senheit, Herr von Arel, welcher delr Prio» 
zessfn standhaft treu gehlieheu, stefite sieh an 
die Spitze. 

Sofort sendete man an den Cardinal, ihn 
•idlufodem, d«is «r SitJierheitsbriefB &r'Ab- 
10" 



..gniod., Google 



148 

geordnete an den König ond an die Herzogin 
ausfertige. Bourbon gewährte. Nach Hesdin, 
wo ersterer damals sich anfielt , S^'^S Meister 
Oadart de Bussi, ein Pariser von Gebart, aber 
in Burgand eingebürgert, an der Spitze mehre- 
rer Andern ab. Es war diess ein gleich ver- 
ständiger, wie rechtlicher Mann, in seinen 
GmadsStzen anbestechlich , in seinen Gefühlen 
unbeugsam. Er widerstand den Lockungen des 
Königs , welcher durch eine Parlamentsrath- 
Stelle ihn hinüberzuziehen gehofft. Der König 
empfing die Abgeordneten gnädig und erwiderte 
ihnen %uf die Bemerkung, daas sie an den Hof 
der Prinzessin nanmehr gehen wurden, um sie 
vom Zustande der Stadt zu unterrichten: „Sie 
waren gescbeidte Leute, welche wiissten, was 
sie m thun hätten." Ohne Verzag reisten sie 
anch wirklich nach Gent. 

Während sie auf den Weg sich gemacht, 
waren die Besatzungen von ValencieaneB , Lille, 
Oonai und Orchies , den Herrn von Arci an 
der Spitze, aufgebrochen, nm in Arras einzu- 
dringen. Da die Burgunder stolz genug waren, 
nm nächtlichen Einzag zn verschmähen, ward 
den bestürzten Franzosen Zeit gelassen, sich 
tum äussersten Widerstände zu rüsten und die 
Verstärkung der Kriegsmacht in der obern Stadt 
SU verhindern. In der That erhielt Lude die 
Oberhand, und nur Arci selbst, mit ungefilbr 
600 Mann, konnte in die Stadt sieh werfen. Der 



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149 

König empfand über die Nachricht voo dieser 
Bewegung solche Wnth, and über die von dem 
glücklichen Aasgange solchen Uebermuth, dass 
er alabald Befehl gab, die Abgeordneten von 
Arras auf dem Wege einzuholen and zn ver- 
haften. Zu Lena wurden sie, friedlich beim Mit- 
tagsmahl sitzend, überrascht und nach Hesdin 
geführt. Meister Triatran befolgte die Gedan- 
ken seines Herrn gewissenhaft und liess sie fast 
in dem Augenblicke ihrer Ankunft hinrichten. Als 
Ludwig hievon Kunde erhalten, belobte er den 
Eifer seines Dieneis, und veranataltete nur noch, 
dass der Kopf Meister Oudarts wieder aus der 
Erde genommen und mit einem schartachnen und 
mit Hermelin verzierten Pelze angethan , wie es 
damals den Parlamentsräthen gebührte, auf dem 
Markte zu Hesdin ausgestellt würde. Solch 
gransamen Spott trieb der König noch mit den 
Opfern, die er geschlachtet, und noch wider- 
licher klingt der Inhalt seines Schieibena an 
den Herrn von Breasuire, worin der Vorfall 
mit teuSitcher Schadenfreude and empörend- 
eisigem Lakonismus mitgethellt wnrde. 

Die zu Arraa wurden jedoch durch die Be- 
richte liieTon nur zu grösserem Hasse, ja bis 
zu einer an Wahnsinn grenzenden Wuth ge- 
steigert. Sie überschütteten die Franzosen von 
den Maaern beronter mit Schimpfworten und 
Spottliedera; nod als der König in P«raon her* 
zog, die Belagemng lu betreiben, entwickelten 



..gniod., Google 



sie in der Vertheiäigang eine M furchtbare 
Kraft t daM viele der tapfetaten Krieger ihm 
«niBhltgeii wnrden and er seibat in Lebensge- 
fahr g«rieth. Allein ' diese Kraft erlftbmte an 
der Uebemiaoht mni Kriegsnacht der Belagerer, 
und erst, ala eia Theil der Mauern geworfen 
und tlle Ausfälle zuräokgetrieben worden, mi> 
bea die von Arras ihre verZweifluiigBTollfi h»ge 
ein. Der trotzige Uebermnth verwandelte 
sich in demfilbiges Flehen. Man onterhandelte, 
und Lndwig nahm ihre Ergebung Bclbst auf 
die Bedingung an, Ana» die BaaatEung frei ab- 
ziefaen durfte und dvn Bürgern volle Aainestie 
zngeiichert wurde. Er heuchelte Mitleid mit 
dem annen Volke, das durch schlinam« Räthe 
verführt worden, und beceigte seinen Absehen 
vor Yergiessung alles MenBcfaenbluls. Darauf 
hielt fii feierlichen Einzug in die Stadt, nicht 
durch das Haupttbor. sondern dnroli die-fire- 
Bche. Auf dem Markte tief er den Bürgeni Kui 
,4hr seid grob g«gea mich ^weeen; . abtr idi 
verzeih' Euch. Bleibt hinfür« mir gute Unter- 
thanen, und ich will Ench ein gnftidiger Herr 
sein ! " 

Der König hielt sein Veraprecben wBgen 
der Amnestie schlecht; denn Alles, was thäli- 
gen Antheil an den Aufstände and an der Yer- 
theidigung gegen 1ha genommen, ward hinge- 
richtet Lude und die dto^- Befdblshaber, 
welche er nach seinem Abrage über die Stadt 



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- — 151 

selxte, befolgten «ein Beispiel, und jeder Tag 
Bah blutige Scfaaupiele und GüterconfiBcationea 
in Menge. 

Das RachegefUhl .der Einwohner stieg, und 
die Hoffnungen der Erlösung erwachten. Man 
suchte neue Unterhandinngen mit der Prinzei- 
sin anzuknüpfen; aber sie wurden entdeckt, und 
neue Opfer fielen. Die französischen Hänpt- 
litige bereicherten sich mit dem Gate derselben, 
sowie durch Erpressungen jeglicher Art auf das 
SchimpfiUchBte und uiachten jede Annäherung 
der Gemüther unmöglich. Andrerseits sprach 
auch der Cardinal von Bourbon, inzwischen 
zum Abte Ton St. Waast ernannt, durch ein 
höclut luderliches Leben den Leiden des Lan- 
des Hohn, ood die Domherren, welche sich 
seiner woUögtigen Verschwendung zu wider- 
setzen wagten, wurden von ihm als Rebellen 
gegen den König vertrieben. 

Aber wir kehren nunmehr von den wechsel- 
reicheu Kriegsbegebnissen an den Hof zorfiek. 
Nachdem das Blntwerk in Gent vorüber, 'er- 
suchte BrSgge die Iranemde Fünitin, in seine 
Manem zu kommen und ihren Sitz hinfSro hier 
aufzuschlagen. Maria , wohl wissend , dass 
der öffentliche GeiBt in letzterm Orte nicht viel 
besser als in ersterm bestellt sei, erwiederte: 
„Wenn sie von einem Kriegslärm nur in den 
andern hineingerathen sollte, so ziehe läe es 
vor, in Gent zu verbleiben." Die Behörden ver- 



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152 

sicherten sie jedoch, dass ihr nicht die gering- 
. ste Unrnhe in Brügge znstossen sollte, nnd so 
entschloss sie sich denn eadlich, in Folge wie- 
derholter dringender Einladungen, nach einge- 
holtem Ralh ihrer edlen Herren, zur Reise da- 
hin auf Ostern desselben Jahres. 

Wirklich ward nm die bestimmte Zeit'Ton 
Gent aufgebrochen; man geleitete die Fürstin 
his Ursel mit stattlichem Gefolge. Die Brüg- 
ger aber zogen entgegen mit einer grossen Menge 
Volks, mit Schntters and Bogenschützen, in 
reich geschmückten Harnischen, theils zu Pferd 
und theils zn Fnss. Ebenso ritten eine beträcht- 
liche Zahl edler Herren ond Franen mit; in 
Sänften und auf Rossen, kostbar ausataffirt. 

Die Stadt hatte in ihren Mauern selbst Nichts 
versäumt, um durch Pracht nnd Festlichkeiten 
die Freudenlose aufzuheitern. Das Krenzthor 
war ganz mit weissen Tüchern behangen, woran, 
gehalten durch feine Kordeln, zwei schwarze 
Schilde mit den Wappen und Devisen, von Bur- 
guhd und der goldenen Namensziifer : M. befe- 
stigt waren. Mitten auf dem PfeUei, der die 
beiden Thorflügel trennte, hing eine kostbare 
Tafel. Von dem Eingange in die Stadt bis zu 
der Hofburg standen die Zünfte , in Spaliere anf- 
geschaart, jede mit ihrem besondern Fähnlein, 
und einem schönen Mädchen, das in weisser 
Kleidung und mit Edelsteinen geschmückt, auf 
einem Baldachin sagg. 



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., 153 

Die übrige schSne W«lt von Brügge kam in 
geschmackvoll geoidneten ReiheD der Herzogia 
entgegen nnd überreichte ihr mit passenden 
Sprüchen nnd Anreden durch das Organ von 
dreien, die man für die Königinnen des Tages 
hielt, einen sinnig-gewnndenen Kranz ans Ro- 
sen aof einer kostbaren Platte von Krystall; 
diesB Geschenk machte Marien ein ganz beson- 
deres Vergnügen, nnd sie erwiederte die Grösse 
anf so geistvolle Art, als man von ihr erwar- 
ten konnte. 

Der Schönheit schloss sich die Kirche an, 
repräsentirt in den Mitgliedern sämmtlicher 
Stifte nnd Klöster, regnlären nnd nnregniären. 
Darauf kam die edle Mnsica nnd liess in man- 
nigfachen Variationen sich hören. Nach dieser 
die bildende Knnst, mittelst biblischer, mytho- 
logischer und allegorischer BildsSnlen mit In- 
schriften. Die Geschichten von Moses, Axa 
nnd Priarnns waren Gegenstand derselben *). 

*) Item aen d' honde mnelenbragge dsec itoDt een rij~ 
chelic parc met itommen tigueren, hoe dat Moyses jonck 
sijade, Terloat vras, ende daer stont gescrevea: „Orniiä 
virgo it aqttii Mortem dttibtravil;" ende daer atont Doch 
geacreven: „Domitnu Dent patntm ■eatromm, Deut 
Abraham, Dea* Jtaae, Beut Jacob miiil ad nat. Item 
Toor blaackeberghe stont een ander rijkelic parc, hoe dje 
■chooDe maccht Axa die ben«dictie ontfine van hären vadere. 
Bade daei »tont geacreven : „Axa Virgo beneüelioKem 
Itacepit," ende daeronder atoDt noch geacrevcn: „Ommm 
Optra ^ftu itt fiit: nte fiitn twaa UK^utm ntutmit ab to." 



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154 

Sie waren ia drei Abtheilungen oder Parken, 
von der Mülileobtiicke bis zur Hofstatt, anf- 

gestellt. 

In der Hochstiasse , deren Wähnungen man 
mit seltenm Tapeten and Tiiehem, schwarK, 
weiss and grün von Farbe, behängen sah, hatte 
der Handel seine ^nldigungen bereitet, nod 
die Kaoflente der damals noch so reichen und 
blähenden Stadt, je nach den verschiedenen 
Nationen, versammelt. Eine der bedentendern 
Wobnungen glänzte znmal durch Wappen, 
woran eine Masse Gold verschwenderisch an- 
gebracht, and vor Allem dasjenige des Kaisers 
sn sehen war. 

Die Prinzessia sass in einer Sänfte, gehüllt 
in schwarzes Trauergewand und ohne besondern 
Schmnck. Sie verliess sie, dankbar gegen das 
Volk voa Zeit ta Zeit sich verneigend, erst, 
als man im Prinzenhof angelangt. Dort ward 
sie von den Wethonden der Stadt feierlich 
begrusst. 

Nach den ersten Feierlichkeiten desEmpfangs 
fingen gleich wieder die Zwiste an. Die eigent- 

Item voor mijaa heren baf stont «ea derde parc, sc« 
rijckelic, hoe die ConioghiaiM van Panthasalia tbb den 
CodIdc Pryaen van Trayeo bCjdelic ontfangen was, ende 
daer iloot getcrevec: ,^anthutalia virga ix ciciMteH 
tresattani amicabÜiler reetpta fuit." Ende daer itoot 
nach gesnevMi: ,^ faclum ttt gauiiiim m Uta ewitote 
mm tKrbtt pbinm» etc." 



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165 • 

liehen Bürger und die sogenanntMi Fr^sa strit- 
ten seit Ififlgerer Zmt über gegenseitige Rechte, 
und Maria ward am Unterdrückuag dieser Letz- 
tern, Howia nni Auirechthaltung und £rweite- 
nng der Pzivilegien der Erstero dringend an- 
gegangen. Es kam beinahe unter ihren Aagen 
zu Thätliehkeiten, da die Zünfte bewaffnet aof 
dem Markte eine drohende Stellnng eiaUahmen 
und alle onbeUebten Mitglieder der Stadtbe- 
herde gefangen setzten "). Mit Mühe ward eis 
blutiger Ausbrach verhindert. Das Nähere er- 
a&blt die Bechtsgeschichte der NiMlerbnde un- 
ter MarieüB Regierung im Zusammcohange. 

Das System, welches die Genter im revolo- 
tionSxed TanSMl eingeschlagen, hielt gleich- 
wohl nicht lange Stand. Mehrere von den 
Uthebem der strengen Ordonnanzen wider die 
burgundischen Bäthe, die Freundinnen Maiia's 
und die Anhänger der fransSsisohen Partei ge- 
reuete es s^OD nach wenig' Tagen wieder. Si« 
gedachten des Wechseh der VerhHltaisse, und 
dasB eines Tages die Ueberzengung wider 8ie 
aufkommen könnte: sie h&tten die Interessen 
des Landes und dw Fürstin sagleidi Terrathen, 
' dadurch, das« sie zur Lostrennui^ der beiden 
Burgunds von den Niederlanden und zur Ver- 
einigung der erstem mit Frankreich gewirkt. 



*) Die ExctBente Ckronytte von Flantiltrm \n meh- 



DyGöogle 



156 

Allein wi« sehr anch diese spätere Ansicht 
über die anfängliche Leidenschaft gesi^t, so 
hielt doch falsche Schaam, die den Irrtham oder 

die Leidenschaft nicht gestehen wollte, nnd 
Furcht vor Ahndong; der Prinzessin sie ab, das 
Werk ihrer Ränke wiedernm rückgängig, und 
ihre Gebieterin xo mächtig zn machen, dass 
ihr solche Ahndung möglich werden konnte. 
Sie zogen es vor, anch ferner noch auf die 
Schicksale Jener überwiegenden Einfluss zn üben 
und ihre plebejischen Anmaassungen auf Kosten 
der geschmälerten Fürsten macht fortzusetzen. 
Doch geboten Ehre nnd Selbsterhaltnog, die 
Franzosen wenigstens von Angriffen auf das 
noch unverletzte Gebiet der Niederlande abzu- 
halten, nachdem Artois bereits in deren Gewalt 
geralhen war. Die Genter rüsteten also ein Heer 
aus, bestehend aus etwa 15,000 Mann, theils 
Reiterei, theils Fussvolk. Eine Zeit lang im 
Zweifel, welchen Feldherrn sie darüber bestel- 
len sollten, fiel endlich ihre Wahl auf einen 
Fürsten, welcher — nach dem Ausdrucke eines 
französischen Geschieht Schreibers — ^von Gott 
nnd den Menschen gleich sehr veräacht war." 
Es ist im Leben der Margarethe von York 
bereits angemerkt wordeo, dass Mariens Vater 
den grausamen nnd vatermörderischen Herzog 
von Geldern, Adolf, zu ewiger Haft verurtheilt 
halte» nachdem er zuvor ihn seines tyrannisch 
beherrschten liandes berauht. Diesen Prinzen 



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157 

. halten die Machthaber den Tages ans seinem 
Gefängnisse hervor und übergaben ihm den 
Befehl über die bewaffnete Macht von Bur- 
gund. Sie verbanden damit den Plan einer Hei- 
rathj womit der frühere, die Wahl eines teut- 
scben Fürsten dritten Ranges, glücklich verein- 
fiart schien. Durch Veiwirklichang desselben 
sicherten sie sich eine bestfindige Oberleitung 
der öftentlicben Angelegenheiten, da Adolfs Per- 
sönlichkeit nnd Dankbarkeit ansser alle Gefahr 
von seiner Seite sie versetzte; nnd zugleich 
fanden sie einen legitimen Anlass, den stolzen 
Sinn der ihnen grollenden Fürstin empfindlich 
ZQ demülbigen, dadurch, daas sie dieselbe znm 
Ehebnnd mit einem Menschen zwangen, vor 
dem sie, wie vor Niemanden, Ekel nnd Grauen 
empfand. Die reichste Erbin von Europa sollte 
durch diese teuflische Politik zugleich die un- 
glückseligste aller lürstlichen Frauen werden. 
Allein ihr Todfeind , der König von Frankreich, 
welcher um diese Zeit unablässig auf ihr Ver- 
derben sann, ward wider Willen ihr Retter, 
nnd befreite sie von einer Verbindung, welche 
ihr bitterer däachte als der Tod, und welche 
ihrem Herzen den ersehnten Gatten ihrer Wahl, 
dem Hause Oeste'rreich aber einen nnzuberech- 
nenden Zuwachs seiner ohnehin schon bedeut- 
samen Hausmacbt verschaffte *). 

■y rwtOai, ICstoire da Roy Lovja XT. 



..gniod., Google 



158 

Bereits ist der gateo Dienste gedacht wor- 
deii} welche OUvier, der Teufel, seinem Herrn 
bei vlelMi diplomatischen Geschäften, anch in 
den Niederlanden, geleistet; sodann jedoch des 
unglücklichen Erfolges der letzten Sendnag nach 
Gent,' die der zum Grafen von Melun erho- 
bene Barbier nach Gent übernommen, radlich 
der Affairen Ton Domik, Der Herr' von Moa]* 
versuchte . fort nnd fort, nnnmehr die Genter 
darch Schrecken zu freendliciierM' Sprache zn 
zwingen, nnd Terwüstete Alles mit Feuer und 
Schwert bis in die Umgegend ihrer Stadt. Adolf 
von Geldern erhielt also den Auftrag, den Fran- 
zosen Aehnliches im Gebiete Ton.Doxnik zn ver- 
gelten y und .man sagte ihm die Hand der Prin- 
zessin, als Preis des Gelingens, -ani. Die Macht- 
haber verhiessen, dieselbe mit Gewalt dazu zn 
zwingen, falls sie in Güte sich nicht bequemen 
wollte. Allein das Schicksal war milder als 
die Genter, und liess diesen Grfiuel nicht ku. 
Eine Kugel raffte den Wütheiich in einem 
Treffen hinweg, dos mit fdnnlicher Niederlage 
der Genter endigte. Die Uebergabe von Cam- 
bray folgte schnell anf dieseo Schlag. 

Maria heuchelte darüber eineb Schmerz, den 
sie nicht empfand; denn ihr Inneres jnbelte 
vielmehr über ein Ereigniss, welches den ver- 
hasstesten aller Menschen und eine grosse An- 
zahl Werkzeuge schimpflicher Tyrannei zu glei- 
cher Zeit ans dem Wege ihr gerftnmt, . Die 



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159 

G«Dter, empfindlich über den erlitteDen Yer- 
loBt, mUchten sich fortan weniger als biehei: 
in die Innern Angelegenheiten des Palastes, und 
ihre Freunde hatten wieder freiem Zutritt. Man 
arbeitete demnach von nun an mehr dipl(>niatiach, 
nm ihr HerK oder ihren Verstand für den einen 
oder andern Freier za bestechen. 

Der Bischof von Lütüch, Ludwig Ton Bour- 
boo, wie schon &üher bemerkt worden, die 
Seele der firanzSsisclien Partei, nnd als ihr 
Oheim und väterlicher Freund, sonst in vielen 
Dingen ihr vertraoter Rathgeber war fSr die 
Heirath mit dem Dauphin wie zuvor eifrig be- 
müht; allein die Anhänger der entgegengesetzten 
Systeme wussten vom Hofe ihn zu vertreiben, 
nnd ei erlag zu Lüttich der Rache der Einwoh- 
ner und der Eisenhand des Ebers der Ardennea 
auf furchtbare Weise. 

Die zweite Partei war für den altern Sohn 
des Herzogs von Cleve, Adolf zu Ravenslein, 
welcher am Hofe von Bnrgnnd ebenfalls die 
Rolle eines väterlichen Freundes spielte, und 
Marien, als von den Gentem bestellter Vor- 
mund, fortwährend wie unter der Ruthe hielt*). 

Allein diesem Plane stellten sich mehrere 



*) Er war ögentlicli su gldcher Zdt ebne Art von 
Generalgabemator in Flandern; Jan van DuyttU, oder 
Dazaele, hingegen Generalcapitän der Stadt Gent und 
OberanfUrer d«r Schotten. 



..gniod., Google 



HinderDiase Entgegen. Das Gebiet von Clere 

irrenzte so nahe bq Holland, dass zn befürch- 
ten war, der künftige Gemahl der Herzogin 
könnte einst der Macht Gents sehr gefShrlich 
werden, nnd zn jeder Zeit gar leicht teutsche 
Trappen bis hart an ihre Thore bringen , schon 
unter dem Vorwande, wider Frankreich sie zu 
führen. 

Das zweite Uinderniss lag in der Gemüths- 
Btimmnng beider nächsten Interessenten selbst. 
Der junge Prinz und Maria waren mit einander 
anferzogen worden und hatten allzugenan per- 
sönlich sich kennen gelernt, als däss Täa< 
schnng von fremder Seite hier stattfinden konnte. 
Cleve, nicht unangenehm von Gestalt, aber bös 
von Gesinnung und entarteten Geistes, war 
nicht der Mann, welcher der hellgebildeten und 
tugendhaften Prinzessin würdig schien. Maria 
hatte seine Fehler alle mit jenem neugierigen 
Scharfsinn beobachtet, welcher jungen Frauen- 
zimmern zu Gebote steht, und mit welchem sie 
diejenigen bald durchschauen, die man plan- 
mässig ihnen zur Ehe aufdringen will, ohne 
abzuwarten, oh sie selbst nur im Herzen Liebe 
für sie fühlen. Sein ganzer Charakter lag klar 
vor ihr aufgeschlagen. Die Zeit, welche ho 
manchen Unrollkonimenheiten ein milderes Ge- 
präge giebt, hatte Nichts gethan, um diejeni- 
gen des Prinzen bei ihr vergessen zn machen; 
ja sie hatte vielmehr die innere Abneigung zu 



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einem Grade von Vtiracbtung gesteigert, welcbeF 
mit einem, aach nalr halbwegs frenndschaftlicben 
Verh&ltDiiSse sich keineswegs vertrag. Trotz 
der nnaofhorliehen ZndriDglichkeilen des Vaters 
konnte sie diess Gefühl nicht ganz bezwingen, 
and wie immer die Umstände und die Bedürf- 
nisse ihres Landes ihren schleunigen Entscbloss 
zu einem die Parteien so berahigenden Schritt, 
wie die Wahl eines Gatten, sie auflodern moch- 
ten, 80 war Maria dennoch offenherzig genng, 
zugestehen: dass, wenn sie auch einst, in Folge 
väterlichen Willens, Gewalt genug über sich be- 
hauptet, um dnrch eine Vermählung mit dem Prin- 
zen, den sie niemals lieben gekonnt, ja wofal 
verachtet hatte, sich unglücklich zu machen, 
sie doch jetzt, aU selbstständige Meisterin ihres 
Schicksals, zu einem solchen Schritte sich kei- 
neswegs berufen fühle, der ihre Person einzig 
und allein betreffe. Nach dieser Erklärung, 
welche das Herz des Vaters allerdings verwun- 
den konnte, sendete der Herzog seihen Sohn 
nach Cleve zurück '). 

Der dritte Freier war d<t|' .JG^aS de Rivers, 
König Eduards IV. von England Schwager vob 
seiner Gemahlin her. Er besaas ausgezeichnete 
Vorzüge des KSrpers und des Geistes. Für ihn 
arbeitete Mariens Stiefmutter, welche mit der 
nicht minder einflussreichen Königin übet poli- 



■) Nach Farilbn; p. 2504^360. 
l. 11 



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ÜBche EreignisM bftufig tvßwnmwVirkta unä 
von ibrwn Brnder veM«hlBdeii dof^t« '). Sie v«r- 
bie« in dem Falle einer Vsnuqblttng Miwift» mit 
den Qritf«n 4«n BiQ^h £agl«t)d« mit Frankreich, 
du» £r«eheinfln «iwr «ngUwhen Awnee jo Flan- 
d4in« den Abtohluss eine« ^olmtR- und TniU- 
bündnifl»«« mit d«n Niederlanden und die Wie- 
dereroberong aller durch Ludwig XI. erebwten 
Provinxon, AUeio reravbiedene Un^tilnde nnd 
mra«l die wadusme ^ferBocht Edofirda traten 
hemmend diesem Plane entgegen. Später soUte 
der Heryog von CUrenoe an die Stelle des 
Grafen treten ""). 



*) Fartllai redet also tob der KSalgln von Bnglftnd : 
„qiü gMiTornoit le Roy wn maiy par eea duurmet ti \ea 
Aacloi* pv ion tinnt", 

**) SeltMim gmag Mxlt Varitbu tack noch Polgen- 
dM) tiLa HUle «how, 9*1 pwDquoit au Coint« do Eirlm, 
ebut da n'Mr« pM ni de Uaison SoDTaraine: cependant 
eile guf^t peur liij' dQOwr raxcliuian. On a ddja remaiv 
qa£, qoe Marie de Boargogne ägit des dcax Cdtez soitie 
de I'augDste Mnison de France. Elle 89avoit, qu'il n'y 
avoit polnt d'aDIaiice toet-ä-Mt conveaable ponr eile hors 
de cette HalaoR; et iquo;fqa'aIla fdt reaala« de D'^pauier 
aami ^no^mM, eile «iroit 4t4 ^«Me, qqe Lonia Ouia 
tut litn <le lu} räprpciher, qit'elle «e f4t mäwlliancte jus- 
qil'au pojrn de se donaer U.n ho|B|]ie ai et ileyi dana la 
copdition privie." p. 260 — «61. Also das Haus Yorjc, 
welches SD lange mit dem Bnidergeschlechte Lancaster um 
Englands Krone buhlte, war Lein königlichcst als» ^e Vcr- 
bindang einer Valota mit dneiQ Schwtgei dca Königs von 



..gniod., Google 



— ie3 — 

Der Elrzherzog Maximilian ward der Glück- 
liche > begUostigt darcb persünlichß Eigenschaf- 
ten, durch feierliche Verträge, durch günstige 
Umstände, durch die Achtung' der Herzogin 
Mutter and die eigen« Neigung Mariens. Beide 
Letztern erinnerten sich gern und oft seiner 
liebenswürdigen Erscheinung vor einer Anzahl 
Jahren im Schlosse zn Hesdin. Margarethe und 
die Frau von Hallewyn übernahmen, wie schon 
früher gesagt, das Geschäft, ihn zu Geltend- 
macbang des alten Verlöbnisses aufzufodern, 
und tilgen beiden Theilen dazu ihre ei&igea 
Dienste an. Die Bedenklichkeiten der Stände 
wurden durch die naiv- energische Sprache der 
Oberhofmeisterin besiegt, deren Philipp de 
Commines selbst nicht ohne schalkhaftes Lä- 
cheln gedenkt'), und welche zwar alle Umste- 
henden zu schallendem Gelächter bewegte, aber 
gleichwohl als triftig, natürlich nnd den Um- 
ständen gemäss gefunden ward '*). 

Der Einwilligung der Stände also sicher, 
welche die wachsende Noth des Landes endlich 
zu einem Entschlüsse gebracht, ordnete der 

Eogland eine WiialUanee} Bin trauriger Geichichtachrei- 
ber, vrelcbet nicht einmai die oothdüdligtte Genealogie 
and die Reibe der Tbeilnchmer ut Stinlte der beidMi Ro- 
•en keimt! 

') nßMoim, L. vni. 

") Pen». Beuter. 

11' 



..gniod^yGoOglc 



_„ 164 

Kaiser eine festliche Oesan^schaft, begleitet 
TOD mehr als 300 Pferden , ab , aai gab ibnen 
den kostbaren Ring mit, welchen sein Sohn 
einst Ton Marien zamj P&nd ihrsr Trene er- 
halten. 

Die Antwerpener Chronik *) eixfthH, die Her- 
xogin sei anmUtelbar TOr Ankunft dieser Bot- 
schaft über die Niederlage and den Tod Adolfs 
ron Cleve in Trauer versenkt gewesen-, ein Ana- 
chronismas» welcher der epischen Haltung des 
Ganzen enupricbt, nnd dem Verfasser, der Alles 
voll Treu nnd Glauben beschreibt, versieben wer- 
den mnsa. Vielleicht übte Maria in der That 
noch eine Weile Verstellung (eine Kaust, worin 
ihre eigen thümliohe Lage früh sie unterrichtet 
haben mochte), um den Unwillen des Heisogs 
über ihre biidierige Abaetgung zd «twaffnen 
•der seine Frenndaehafi sieh wieder zu erwer- 
ben, so langem Ut sie ihrer Sache gewiss 
schien. Wir lassen, um den Leser des Reizes 
dieser Einkleidsng nicht zu berauben, so viel 
müg^ieh, die Chronik selbst reden. 

Maria, von dem Ereignisse bei Doroik tief 
etgriffen, rief ans: „Mein theurer Vetter und 
Herr von Ravenstein t Was sollen wir nun 
treiben! Haben wir doch den frommen Fürsten 
von Geldern nnd alles Geschütz and eine grosse 
Menge Volks verloren, das der gottvergessene 



*) Pie womitrl^et*m Ootlogktn. 



:.Googlc . 



16& 

Tonioy Giennaa uns ertödlet. O Bomont, edlet 
Graf, und Ihr Herrea alle, die Ihr hier mich 
mosteht, weu Bollen wie machen f Da eirt> 
gegDete Letzterei : ,,Tre£ELiche Fürslin, gebt 
Euoh doch znüriedea; es wird sich Alles zam 
Bestea wenden: vertraut dem Willen GottM, 
der wird es Each zum Glücke lenken!'* Mit 
RoiBont vereinigten sich Bavenateia und Anders 
in solchen Tc&itangen. 

Während sie noch so sprachen, bau Heri 
Jan van Daysele bereingeeilt nnd rief: „Gni- 
digste Prinzeisin, «rhebt Euer Herz snr Freode, 
denn ich bring' Euch neue Mähr." Mmia nickte 
ungläubig, die erstickten TluSnen kaum zu- 
rückhaltend, mit dem Haupte; da eiiählte Da;- 
sele: dass eine Giesandtachaft von Seiten Kaiser 
Friedrichs gekommen, bestehend ans den Erz- 
biftchof von Trier, dem Bischof von Metz, dem 
reichen Herzog Ludwig vop Baiarn and dem 
Kanzler Jotten; diese begehrten bei ihr Gehör. 
Die Hersogin hiess sie willkomme« sein and 
gab Befehl xa ihrem festliohen Empfutg. Als 
alle Anstalten getroffen waren, uad man die 
Fremden bereits längs der SotcJde hfCaazivlkeA 
sah , konnte Maria ihre Ungeduld nicht länger 
bemeistem; sie bestieg ihren Renner und ritt, 
umgeben Ton ihren schönsten Franen *), ihnen 



') Die bade goddinui icheoen da» nanicliai, wtat « 
mlle «eer rijdcelijck TMchierC vrarea. WonierL OtrUgk. 



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166 

entgegen. Die vier Hetreo hielten eine pas- 
aende Anrede, welche sie sehr wohl aufnahm; 
sie grÜBSte jeden insbesondere und kfisHte ihn 
auf die Wange; das Entzücken entlockte ihr 
sogar Thränen. Die Boten selbst standen ganz 
verlorea im Anschauen der. reizenden Jung- 
frau und bewunderten den Anstand, mit dem ' 
sie zu Pferde sass, und die Kraft, mit d^r sie 
die Zügel hielt; denn „sie war sehr wild von 
Geist." Den ganzen Weg über pflog man freand- 
licfaer Reden, und Ritter und Hofdamen mach- 
ten wechselseitig schnell Bekanntschaft unter- 
einander "). 

In der Hofburg angekommen, wurden sie 
auf das herrlichste bewirthet; die Stadt, nach 
alter Sitte , schenkte de'n Wein. Man überliess 
sich nuninehro ganz der Freude, und sie öffnete 
gegenseitig die Herzen. Maria klagte den Gä- 
sten das grosse Leid, welches König Ludwig 
täglich ihr und ihren Unterthanen zufüge, und 
wie sie von Jedermanns Hülfe entblösst sei. Da 
nahm der Erzbischof von Trier das Wort und 
sagte: „Edle Prinzessin von Bnrgnnd! Uns 
Viere haben der römische Kaiser Friedrich und 



*) Pie viec ambasaaden reden aevea haer, en vrou 
Marie reet tuachen hen vieren, en A ander heereo reden 
al contende met baer dienatyrounen. Deo staet van hea 
allea reet som vore som acbt«re. Äldai reden die heren 
methen lieden te hove, dur d van bann peerden ston- 



..gniod., Google 



167 

der Erzherzog von Oesterreich Maximilian hier- 
her entaendet, um zu erfahren, ob das Verlöb- 
nias in Kraft erhalten werden soll, welches 
zwischen dem Letztem nnd Euch, mit Zastim- 
mong Eorea Vaters, des Herzogs Karl seligen 
Gedächtnisses, zuerst za Neuss und sodann zu 
Trier, in Gegenwart vieler vornehmen Herren, 
stattgefunden 1" Hierauf übergab der Sprecher 
das eigenhändige Schreiben des alten . Kaisers 
nnd den Diamantring, mit der fernem Frage, 
ob sie denselben für den einst gegebenen er- 
kenne? ") 

Maria erwiederte: „Hochgeborne and edle 
Herren! J)a% Wort, welches einst mein Vater 
seliger, der Herzog Karl, ausgesprochen, das 
soll in guter Würde aufrecht erhalten bleiben, 
wenn anders die Stände meines Landes nicht 
entgegen sind." Den Ring selbst, welchen. sie 
küsste, erklärte sie für den einst an ihren 
Bräutigam Maximilian iibermBchten. Von dem 
Vertrage, der damals geschlossen worden, be- 
sitze sie noch eine Abschrift. Die Grossen, 
' welche Mitglieder der Stände waren , von 
Bavenstein an der Spitze, erklärten sich, im 

') J>er uoverachämte VariUat bemerkt: Maximilian 
habe in der Manier Beines Laadea am die Prinzesain ang«- 
haltea, d. h. „dans lea formea lei plus grossi^res." Hier 
Buchte billigemüw ge&agt werden, weldie Zärtlichk^t 
und Galanterie denn Ludwig XI. damala gegeu föratliciie 
Frauen beobachtet? 



.,gniod.,GoOgk- 



_ 168 

Namen derUebrigen, ungefragt, in bejahendem 
Sinne. Daranf bat der Herzog von Baietn, vl- 
cher die Apkanft Maximilians in Flandern vor 
VerflasB eines Monata fest zasicberte, die Feier- 
liclikeit des BeiLagers nach gewohnter Sitte 
anzuordnen, womit Maria aisbald einverstanden 
war. Ein glänzendes Fest ward an deinselbeD 
Tage noch gehalten^ und nachdem die ganze 
8tBdt, voll Hoffnung, durch eine endliche Ver- 
mShlang ihrer Gebieterin den zweifelhaften Zu-' 
stand der Dinge entfernt xa sehen , Theil daran 
genommen, Bauket und Tanz geendigt, und Her- 
ren und Damen sich entfernt, wurde die Fürstin 
auf ein prachtvoll zugleich mit zwei Wappen ans- 
Btaf^rles Bett, and zwischen sie und den Her- 
zog, der in zierlichem Harnisch ebenfalls Platz 
neben ihr nahm, ein blosses Schwert gelegt, zum 
Zeichen, dass der Bräutigam gegen alle ihre 
Feinde sie and ihr Land beschützen werde '). 



*) Die Chronik drückt sich naiv also darüber aus: 
„Ghi HeereD en Vron Marie, op die voorwaerde eo op die 
Gondicie beloven wi n hier den prince, äai jon^e her'' 
toghe Maxiaiiliarai n te bringhene e«r een maent van deien 
dagbe, ende Toort vron Marie moet ic u bealapen uiten 
n»me van hem, ab in conterpande van aijn ghetronde nijf; 
CD deen helft Tau lüjn Ucbaem moet ghenapent lijo tot 
een littecken, dat hi uwe viandeD ral hnlpen keerea ende 
BCt mtdite uit den velde tl«ea. KU ia du last dea Key- 
■an ende ooc aiJDs soona Maximiliaso. Doen aprac her 
Adolf van Baveileyn, segghende: Heer Hertoghe, ghi wlt 



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Die Phantasie dei Verfassers der wnnder- 
baren Kriegithaten lässt den feierUchea Act 
am Ende des Abends vor sich gehen and eine 
Wache von BogeiiaGhützen das fürstliche Ge- 
mach behüten; allein es scheint aas andern 
Berichten, dass er am Tage vorgenommen wor- 
den sei, nnd zwar in Gegenwart der Herxogin- 
Mnttei and der Bäthe. Nach ihm, sowie nach 
mehreren andern holländischen, flämischen nnd 
brabantischen Chroniken, hatte die Heirath auch 
gar keine Einsprache erfahren; allein eine ge- 
nauere Ansicht anderer Quellen, znmal des 
Berichtes der Gesandten selbst, die Stellen des 
Weisskunig nnd des Thenerdank, femer die 
übrigen flandrischen , brabantischen und holtän- 
discben Chroniken, welche «ämmtlich mit ein- 
ander übereinstimmen , widerlegen das poetische 
Gemälde, schUdem die vielen Ränke Adolis 
von Ravenstein, welcher noch immer für sei- 
nen Sohn bisher gehofft nnd mit Gmithoieen 
nnd Romont sicher die Originale zn den drei, 
auch in der brabanter Chronik beschriebenen 
Widersachern Maximilians geliefert bat, sowie 
aach die wenige Neignng der übrigen Grossen 

daer aßiebbeu t\ uwe bdiefen. O Muie Friacasse, >Tat 
ae; dyei toe? Die Frincease antwooide: Ghy beeren, nat 
ghi ungaende dien aen mi begheerdt, ic bens te vredeo, 
len pro^rt« Tan niijn gbemejnte, en ^ nüja landen." Die 
Cereioonifl ■niiA nim itntfBhrHeh beichrieben. Woniert 



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für den Vollzog des YerlöbnisseEi. Wenn man 

dagegen andrerseits die geoffenbarte Freude der 
Flamäader im Allgemeinen darüber und ihren 
HasB wider Frankreich mit diesen Thalsachen 
nicht recht zasammenreimen kann, so hebt sich 
der Widerspruch durch den Umstand, dass die 
Grossen und die Städter zweierlei Interesse, 
nod diese Letztern, im Blicke auf die Lage der 
Niederlande, ihre Gesinnungen geändert hatten. 
Der Herr von Bavenstein, als Verwandter und 
' alter Freund der Maria von Vaters Zeiten her, 
mochte es persönlich immerfort mit der Fürstin 
wohl nicht übel gemeint liaben, und die mei- 
sten neuern Geschichtscfareiber stellen ihn durch- 
aus unrichtig in ein /eindteliget Verhältniss 
der Prinzessin gegenüber, da er im Gegentheil 
auch nachher noch oft rathend und hülfreich 
erscheint; aber eine schwer zu beschwichti- 
gende Eitelkeit hatte ihn bestimmt, an seine 
Treue gegen das Haus Karls des Kühnen den 
Wunsch der Erhebung seines eigenen Hauses 
dnrcb eine Heirath zu knüpfen. Er hatte daher 
vielleicht, nach der Zurückweisong des altem 
Sohnes, einen äfanlicben Plan mit seinem zwei- 
ten, dem nachmals so berühmt oder berüchtigt 
gewordenen Pliilipp von Cleve, entworfen, wel- 
cher die Verschmähung seiner Familie durch 
Anzettelung langjährigen Bürgerkriegs und Un- 
terhaltung feindseliger Elemente bitter genug 
gerächt und bald in der Opposition der Grossen, 



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bald in der Abneigung der Gomeinen, dem Hanse 
Oesteneich einen niemals völlig besiegten Geg- 
ner ia den Niederlanden groHSgezogen hat. Was 
Philippe rott Crevecoenr begönnen, nnd Groit- 
hniaen fortgesetzt, brachte Philipp von Cleve 
nachmals zu einem vollendeten System. 

Bei dieser Stimmung eifersüchtiger Grossen, 
welche ohnehin einen teutschen Prinzen ungern 
im Besitze dpr schönen Fraa und der schönen 
Länder sahen, mag man sich die Ränke leicht 
erklären, welche gegen die vier Gesandten 
selbst nach ihrer ^^l^unft angesponnen wurden, 
nnd die letzten Zeichen des Widerspruchs der 
Stände. Sowohl letztere seihst, als die Au- 
dienz bei der Fürstin mossten einigermassen 
erstritten werden *). 

Einer der nützlichsten Freunde , welcher 
durch seine Mitwirkung die letzten Bedenklich- 
keiten der Genter schwinden machte nnd Maxi- 
milians Werbung kräftig nnterstülzte , war der 
gefangene Grossbastard, Mariens Oheim. An- 
ton von Bnrgund schrieb mit derselben Treue 
an seine bedrängte Muhme , welcher et 
schon früher, hinsichtlich des Ansinnens Lud- 
wigs XI., Trost nnd Math zugesprochen, auch 
jetzt von seiner Lotharingischen Haft aus , nnd 
ebenso den Ständen von Flandern : dass die 
Heiratb mit Maximilian Herzog Karls WiUe 



') MSlUn Reichstags -Theater. B. I. S. S4. 55. 



:.Googlc 



172 

gewesen, und dasi der Selige noch kurz vor 
der letitea Schlacht in semer 6egenwart die 
spätem TrRctste mit Frankreieh förmlich wi- 
derrufen habe. Wer nnn wohl das Recht be- 
sitze , Marien zu zwingeD, dass sie nicht ihress 
eigenen Herzen folge ? *). 

Das Beilager durch Yollnuicht war jedoch 
nicht Bo rasch roHzogen worden, als die Un- 
gednid der meisten Chroniken i|nd Geschicht- 
schreiber alsbald zu Gent nach Ankunft der 
Gesandten geschehen lästt; denn diejenigen 
Glieder der Stände, welche zu Gent sich be- 
fanden, konnten wohl im Namen der einen 
Stadt, aber nicht auch in dem der übrigen ent- 
scheiden. Maria rief also eine allgemeine Ver- 
sammlung der niederländischen Stände nach Lö- 
wen zusammen, wohin auch die kaiserliche 
Gesandtschaft eingeladen ward. Nach einer 
weitläufigen Rede des ErzfaiBchofs Von Mainz, 
worin Längstbekanntes abennal auseinanderge- 
setzt wurde, gaben die Generalstaaten ihre Ein- 
willigung, und es wurde zugleich die Heiraths- 
Abrede in arknndlichei Form niedergesetzt und 
besiegelt '"), gemäss der niederländischen Staata- 
nnd Privat- Rechte. Die beiden Prälaten kehr- 
ten (den 23. Heumond) mit dem Docnmante und 
mit frenndlichen Schreiben and Gesdiwikeo der 



') MulterM Reichstags -TheatrUm I. < 
") Vergl, die Beilagen. 



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173 

beidea Herzoginnea xa den behackten Bräu- 
tigam znrü^*). Bondouin de lainnoj, Marien» 
Oberhofmeiater, ging in der Eigenschaft eines 
Gesandten mit. Der Herzog and der Kanzler 
aber bliaban in Gent bis zur Ankunft des Prin- 
zen. Das gemeine Volk in den StSdten ward 
der Knnde des Geschehenen fingseist froh; es 
fanden Feste zar Feier dieses Entschlnsses ihrer 
Fürstin schon im Vorans statt, und die Bede- 
rffkeri setzten sich mit passenden Gedichten 
and Beden in Bewegung**). Ebenso hielt man 



') K« exceUente Chronydce v, Tlatnierai, fol. 190iq. 
") Einer dieser Talluthümlichen Befirtjfnen, wddie 
Muien zugeichickt worden, lautete also; 
Hijne gheminde ick lödda heitelick, 
Aeumet hoe letCel miia Toys gheacht es 
ReRcdie«tt mijn lijdcn Bmertelick, 
In also Tirre aUt in ha macht es. 
Ben weese, een maecht die dos Torciacht «s, 
Van hem die my ter vonlen hief, 
Acli doet ml bijstant, eert al veramacht es, 
No«yt volck so goede cause besief. 
Betraut in gode bebby my lief 
Voor een maecht vecbten es es eor en nrueobt, 
Raept moed gbi bluscht bn eygbea grief, 
God (al ans helpen bi} Bijnder dnecht. 
Odc biddic bu minlic hebt of ghi mnechC 
' Eendrachtigchejt tsamen wats gfaeadiicht. 
Beweyst in dj beycracht nz ongebii«eht. 
Int meesi« tdIc en licht dye victorie niet 
fi!ere jooat en dnecht mijn liele ha bledt. 



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Bettage für glückliche Beendignng der Hoch- 
zeitfeietlichk«iten und für Erholtang des Frio- 
deD8 "). 

Maria benutzte die Zwischenzeit, nm in 
den Terichiedenen flandrischen und brabanti- 
lohen Städten, die sie nach einander bereiste, 
alte Privilegien und Gerecbtsame zu beschwö- 
ren und neue zu ertheilen. Es war fast keine 
Gemeinde, welche nicht den Znstand der Dinge 
benatzte und Ton der Fürstin etwas herans- 
presste, was früher niemals g-efadert, oder doch 
niemals erhalten worden war. In der Bechlsfo- 
Bchichte der Niederlande unter Marien« Herr- 



Sy my als jonghe prineesse cleena 
J)oet byatant, dat hn god Tmecht Teileene! 
ExetlltnU Chronyke Cap. LXV. 

•) Also blijckt in dit naervolghende tncamaeim. 
Jonstelicke sielkij» vouchtu ter bedinge 
Inwendiglie tränen aenschaut ons eere, 
ftoBin deser oorloghe crljcht ons beuredinge 
Voort dat god debruioft in duechtü raere, 
Voorspoedicb wetere, bldt daeronirae seeA 
Vervlijt odb bonefadua dona es en loy 
Verloorne goda heiegben vnl ivijsor leere, 
Lacen anders blijven nij int vernoy, 
VcrlecD es b' voIei wijsheyt al idet dan hoy 
Coofortart ons dan in ons Terswaren, 
Conadencie sniaect niet dan sondegben toy; 
Cracht doet ons dies gien in oogat übaren, 
Met procesiien inuilic teo predicaren. 
£ini iitttibe fol. 91. 



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175 

Schaft werden wir Gelegenheit finden, za zei- 
gen, wie diese Zugeständnisse bis zum Scha- 
den der Freiheit selbst ausgedehnt wurden, and 
wie der Provinz iaigeist auf Unkosten der Na- 
tionalkraft seine Gelüste befriedigte. Wenn je 
ein Land in frSherer Zeit den Beweis geliefert, 
dass die Freiheit durch Uebertreibnng sich selbst 
geläfarlich werden kann, so sind es, ausser den 
italienischen Freistaaten, die niederländischen 
Provinzen. Allein bei jenen brachte der schö- 
pferische Geist des Südens in dem grossen 
Kampfe der KrSfie zugleich unvergängliche Blfi- 
then der Cnltur, Knnst nnd Wissenschaft her- 
vor, welche der Humanität iur die verübten 
Gifinet Ersatz gewährten, aber welche Denk- 
male liefern, ausser ewig sich wiederholenden 
Gemetzeln, Hinrichtungen und Grausamkeiten, 
die Bürgerkriege der Niederländer bis zur öster- 
reichischen Periode* 

Die Wirksamkeit Philipps des Guten war 
mehr französischen Ursprungs, die Hemmungen 
kamen jederzeit von Innen. Das I>and brachte 
viele grosse Charaktere, aber wenig grosse Tha- 
ten hervor, und das Beste war jederzeit von 
Aussen eingeimpft. Es dürfte für einen Ge- 
Bchichtschreiber kein unwichtiger Versuch sein, 
einmal eine Parallele zwischen den Parteinngen 
der Gibellinen und Guelfen und jenen der Hon- 
ders und Kabeljaaws, sowie ihrer politischen 
nnd moraluichen Einwirkung auf beide Länder, 



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176 

düTchEnfohren. Ueber letxteie mangelt weDig- 
Btra* noch immer eine genügende Arbeit. 

Alsbald nachdem die Nachricht vom glück- 
lichen Erfolge der Botschaft za Wien einge- 
troffen, ordnete der Erzherzog die ReiseanstaU 
ten. Der W^ ward über Frankfurt am Main 
genommen; der Kaiser lad eine Anzahl Für- 
Ken and StSnde zur Unterslütinng des Zuges 
ein und bestimmte jene Stadt als Sammelplatz. 
Besonders freundlich mahnte er die Glieder des 
Hauses SachKen za der niederländischen Braat- 
fahrt ein ■). 

Gern hätte der firanzSsische KSnig dieselbe 
verhindert, und da ein falsches Gerücht aus der 
einfachen Zusammenknnft in Frankfort einen 
fBrmltohen Reichstag mit allerlei kriegerischen 
Abaicbteo gegen fremde Staaten bildete, so 
ergriff er denAnlass, am den bekannten Histo- 
riker Robert Gaguin ebenfalls dahin abzu- 
schicken, mit folgender Erklärung an die 
Beichsstände : 

„Zwischen dem beil. rÖm. Reiche teulscher 
Nation nnd der Krone Frankreich bestehe ein 
altes FreondschaftsverbBltnisi ; der Kaiser Fried- 
rich möge sich vorsehen, dass Nichts geschehe, 
was dasselbe trübe oder auflöie, indem dadnrch 
für die gesammte Christenheit nnznberechnen- 
der Nachtheü erwachsen kSnnte. Das Frftutein 



*) VergL i»B Btteripl in den BeilogM. 



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177 

von Burgand sei der Krone Frankreich ver- 
wandt und lehenpflichHg. Demnach sei es un- 
gebührlich nnd den französischen Gesetzen zu- 
wider, dass sie als Prinzessin von 9eblüt zn 
einer Ehe schreite, ohne Yorwissen nnd Ein- 
willigung des Königs." Allein der Botschafter 
vernahm schon zu Slrassburg, wohin er erst 
Ende Jnni's gelangte, dass von keinem Bei chs- 
tage die Bede, nnd Maximilian bereits auf 
dem Wege nach Köln sei; daher hielt er es für 
zweckmässiger, seine Bückreise nach Frank- 
reich anzutreten. Er hatte zu Mainz, wo die 
Gesandten der Maria schon vorher die Gemü- 
ther wider ihn aufgereizt und den Eraherzog, 
wiewohl vergeblich, erwartet hatten, und nach- 
mals auch zn Köln, welche Stadt äusserst feind- 
lieh gegen die Plane Ludwigs XI. sich zeigte, 
grosse Gefahren bestanden, und unter allen 
Fürsten nur den einzigen Herzog von Jülich ger 
fanden, welcher seiner sich annahm, jedoch 
auch dieser mehr in der Absicht, um vor. der 
Volkswuth ihn zn schützen, als um seine Auf- 
träge zu befördern *). Auf Umwegen kam Ga- 
guin demnach durch die Champagne und Artois 
nach der Helraath zurück. 

Höchst anziehend ist in den Chroniken, zu- 
mal in den Konderlijcken Oorloghen, der Gram, 



') V«rgL R. Gaguini Annal. Her, GalUcar. JL X. p.S7S. 
]ffüir«rf Reichstags -Theater S. 57. 

I. 12 



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178 — 

die Wnth und die Verzweiflung deB franzosi- 
schen Königs beschrieben, welcher alle Ele- 
mente zu beschwören sncht, nm den tödlichen 
Schlag von seinen bisherigen Planen abzuweh- 
ren und die Verm&hlnng zu verhindern. Er 
nimmt selbst za den gefangenen E^en Zuflucht 
und berätb sich über Mittel und Wege. Aber 
sie gewähren ihm keinen bessern Trost. Die 
Ereignisse sdireiten vor, während er auf Hem- 
mung sinnt, und die Burgunder kehren zu Ge- 
fühlen Ton Pflicht und Treue zurück*). 

Von Franküirt aas reiste der Erzherzog über 
Köln, Düren, Aachen, Maastricht, Doest, Lö- 
wen, Brüssel nnd Dendremonde nach Gent, 
wo er den 18. Angust endlich wohlbehalten 



Die Beschreibung seiner Reise, von einem der 
sächsischen Gesandten rer&sst, enlhfilt viel An- 
ziehendes, sowohl in Hinsicht auf die Ortsbe- 
■chteibong, als auf den Charakter der beglei- 
tenden Fürsten nnd Ritter und auf Stimmung 
und Gesinnung der Einwohner in den verschie- 
denen Städten. Die Jungfrau von Burgund hatte 
nberall ihre Sendlinge nnd Späher, und ihre 
Gesch&ftitrfigec und Botschafter, welche sowohl 
über sätiuntUche Vorfölle der Reise sie unter- 
richten, als für die möglichste Bequemlichkeit 



') Di«. Otrlegkt» enthftlten darüber aehrere Capitel, 
welche ganz dramatisch lolcb«» daritellen. 



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des Geliebten uad Verlobten soi^en mnssten. 
Za Maastricht hatte gelbst der grimmige Wil- 
helm von der Mark die Artigkeit, ihm einen 
Besuch za machen nnd mit 400 Pferden ihn 
bis Löwen zu begleiten. In d'eser Stadt ward 
er feierlich mit Prozession, brennenden Kerzen 
und allerlei kui^weiligen Spielen empfangen *). 
Nach der einen Chronik hatten die Lowener 
ihren Meyer (Schnitheissen) weit voransgesandt, 
um über des Prinzen Reiseplan ErknndigingeD 

') Binneu dien U die tydinghe komea t« Loven Ma 
den Meiere Heer Lodew^c Pinnoc , aen die Bor^nneettere 
«Dde -wethouders van dei atadl, dat (lertAge Mudmilia^D 
was JI mijlen na Ldtcd, dies si alle te peerde Baten, ende 
reden liem eerlljc te ghemoete, om hem ininlijc te ontfane, 
also dat behoorte. Want hi met schoonen state quam tut op 
dieLoo, daer atelden si haer oordene om heerlijcken in te 
comen. Sijn mana Tan wapenen te peerde reden vijfdick, 
die dnjtsche kiiecht«n fingen tusBchen bejden ooc 'räfdicke, 
die hellebaerdierB over beeda lijdeB van den jongbeo heitoge. 
Voor hem reden die tneebisacoppenen die bertoge van Zasseii. 
By bem reet Brandenborcli ende die Lantgrave ran Hcasen. 
Coenrat sjin Nar liep bi hem H. Maximiliaen, ende all sijn 
edele reden hioota hoofts met peerlen cranskena, die coste- 
Bjc waren thd gestheenten. Masmillaen reet in een silve- 
fca banasch over dat hamaich was een «wart flaweelea 
bourgoena cmjs. All« drye edele hadden dck ooick eea 
«wart fluweelen Bonrgoens cruys over haerlieden hamaacb. 
Aen baerlieden lancen die si roerden, waren Tossesteerten, 
den groten atandaert «aa smart damast, ende alle ^e stai^ 
daerden waren swart sonder eenen, dye was root, wit- 
een «wart 

12* 



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180 ■ 

einztuiehen and ihm es ztir Pflicht gemacht, 
nicht wiederzukehren, ehe und bevor er den 
Sohn des Kaisera von Angesicht erblickt. Nach 
einer starken Uebertreibnng hatte der Meyer 
ihn wohl 100 Meilen oberhalb Köln getroffen 
nnd Rücksprache mit ihm über die Drangsale 
des Landes genommen. Max hatte die Verri- 
cbernng ertheilt, binnen einigen Tagen in Köln 
zn sein , nnd anverweilt znm Entsätze seiner 
Braut mit so grosser Heeres macht herbeizu- 
eilen, dass es ihre Feinde verdriesseo sollte. 
Zum Pfand seiner gu&digen Gesinnung schenkte 
er dem Meyer einen schönen goldenen Becher 
mit 1000 nngar'scben Dncalen. 

Als der Herr van Pynnoc in Löwen zurück- 
gekommen, traf er die vier Stände von Flan- 
dern versammelt, seiner Mittheilongen harrend, 
welcher sie aus grosser Sorge befreite, da die 
Kriegsgefahren tfiglich grösser und die Berichte 
trauriger geworden waren. Es erwachte somit 
eine Art anfrichtiger Neigung für die Heirath, 
welche bisher nur mittelst Zustimmung zn den 
persönlichen Wünschen Mariens, und in Folge 
der noch grössern Abneigung gegen König Lud- 
wig beschlossen worden war. Es war von 
Löwen aas, dass Abgeordnete der Stünde zur 
Bewillkommnung des Erzherzogs bis Maastricht 
entgegen gesendet wurden *). Er nahm bei dem 

*) ExeOtnU ChrmtfAt, fol. 188 sqq. 



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181 

Meyer, der solches zur Ehre sich ansbat, seine 
Herberge; das übrige Gefolge aber übernachtete 
bei Herrn Claes van St. Goricq. 

Am glänzendsten aber war die Aufnahme zn 
Brüssel, Montags nach St. Lorenzentag. Sämuit- 
liche Innungen oder Ambachten standen unter 
ihren Fahnen nnd mit rauschender Musik aufge- 
stellt. Allegorisch-historische Mimik und kostbare 
Tücher vor den Häusern gaben einen Begriff von 
dem Geschmacke und dem Reichthume der Stadt. 
Der alte Herr von Ravenstein hatte seiner ausser- 
halb der Mauern, auf einer Rossbahre, geharrt; 
der junge Herzog, sein Sohn, aber zu Pferde. Die 
Fürstin mit den schönsten Damen ihres Gadems 
and der Stadt, in reicher Kleidung, paradirten 
nicht minder. Es wurden Tänze und Figuren 
mannigfacher Art dabei au^eführt, und es schien 
unter den Wirthen eine aufrichtige Fröhlichkeit 
zu herrschen. Mit Freudenthränen und aufge- 
hobenen Händen pries man den Angekommenen 
als Erretter. Merkwürdig ist, dass man dem 
Erzherzoge die Weiterreise nach Gent auszu- 
reden, und ihn durch die Furcht vor Bewegungen 
unter der trotzigen Volksmosse daselbst da- 
hin zu bringen suchte, das Beilager in Brüssel 
zu vollziehen. Allein diess war, nach den be- 
reits getroffenen Anordnungen, nicht wohl mehr 
möglich, und auch eine förmliche Kriegserklä- 
rung wider die Genter gewesen, welche man 



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bei ihrer überoas reizbaren Sllmmang ohnebin 
sehr zn achonen hatte *). 

Maximilian wnrd überdiess von heftiger Sehn- 
ancht getrieben, die Biant einmal in seine Arme 
ZB sehliesHen; doch verbarg er sein Gefühl in 
den Mantel der Pflicht , Fürstin, sowie Land und 
Leute wider die Franzosen beschützen za müs- 
sen. Die leunderiaren Krtegs(äi(/'e drücken 
diesen innern Zustand mit liebenswürdiger Ge- 
schwätzigkeit ans, näd lassen die Prälaten nnd 
Fürsten in der iSothwendigkeit ihn bestärken, 
nnverweilt nach Gent zu reiten *'). 

Die Reise ging also des folgenden Tages wei- 
ter nach Dcndremonde. So oft die Fürsten, 
welche baarhäuptig, gescliinückt uit Perlen- 
kränzen nnd bnrgnndischeh Kreuzen, dahenit- 
ten, durch einen neuen Ort kamen, liessen sie 
sich, sie mochten einzeln oder neben einander 



niuott, chacim l'boiKran^t; chaBoo le prlMiit. Oneqnei A 
bc«B prince ae fea v«ti; sDcqaes »i bean ttieäl ne Iniit miT 
UOfltre Title. Les naia» joincUa var le dd, r«Bierdoi«nt 
NoBtia-Seigneur de ceste jojeuae adreoue. Les yanx, qui le 
regardoient, administroient si grande jaie au coenr, qn'il,'~eii 
; ent mQIe et mille courera de lannes : et lea bouches qni 
pOToIent parier disoient: Füe Bourgogntl Tivt, qui *»t 
v«n»S vim MaxitaUiumtl J. nolUtl cap. 46. p. 97. 

*■) Wy gheloofen wel dat waer is. Dwell Lern die 
Hertoghe Maximiliaen giotep daoc mate. 



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183 

reiten, jederzeit ein blMses Schwert vortragen. 
Diess war vielleicht mehr Vorsicht aU Cere- 
monie. Doch anch in erstgenannter Stadt war 
der Empfang sehr freundlich. 

Die Braut selber hatte mit nicht minderer 
Ungeduld geharrt. Schon von Löwen ans war 
ihr die Nachricht von Maxens Ankunft auf nie- 
derländischem Boden zngekonuaen ; der Bote 
hatte ein Pferd todt geritten und konnte keu- 
chend kaum seine Depeschen übergeben. Sie 
fragte ihn wiederholt: „ob er denn anch wirk- 
lich Wahres verkünde." Jener beschrieb so- 
dann, was er gesehen; den stattlichen Zng, 
die Pracht der Ritter, die Schönheit des Für- 
sten und Andere^ mehr. Maria gab ihm ein rei- 
ches Geschenk, für welches der Bote mit flä- 
mischer Naivet&t auf die schönen Franen sich 
bedankte, dass Alles zum Lachen gebracht 
wnrde '). 



') Die wakers ende dsrthiers gavent boveu te kennen 
aen TTon Marie, «n mijn here van Ravestejn, dat daer 
eeo bode was comen, die goede nieiiwe tijdlnghe brockte, 
daer si alle af verblijt senden atjn. Vron Marie dit barende, 
bevai dat in«D den bode by baer liet comen, op dat si hem 
aprekcn mochte. Aidss was gheerken die bode van Lueteil 
inne gbelaten, ende gheleyt bi Vroa Alane, bi mijn here 
van Raveate^n, Toort bi dander heren, die daer bi haer 
waren. Als hi bi vrou Marie quam, groette hijse leer, 
ende voort all« dander heeren, met soeter apraken, also 
hi wel conate, ende hi knidde ter «erden. Vron Marie de- 



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184 

Endlich, Montags nach Maria Himmelfahrt, 
war das Ziel erreicht, nnd der Erzherzog ward 
von dem Hofstaate and dea Einwohnern zu 
Gent ausserhalb der Thore aaf das Feierlichste 
empfangen. Was der flämische Laxas erfinde- 
risch auftreiben konnte, ward hier den &emden 



den op staen ende sprac: Bade, wat ia die blijde oyeninare 
die gU ons brepghtl Doen aprac die bode: O ghensdige 
Princesie, ic brenge u die tijdtnghe, dat die jonghe her- 
toge V. OoatenrijcLe , Mairiiniliaen dea Keysera Fredeiik 
sone is op dese vre le Lueuen in Brabant met ichoone 
State Teel edele mannen te peerte ende ooc te voete. Vrou 
Marie dal hörende, Terblijde seere ende sprac: O lioTe 
bode, eest ooc waracbticb, hebdy hem selven gesien? Dje 
bode antwoorde daecop en aprac: Ghenadige vronwe, jae 
ick, ende alle dedele die hy met liem brochte, reden bloota 
booft» int volle liamaach, ele op eijn hooft liebbende een 
sdioone CTBn« Tan peerlen en gesteenten die seer costelijcke 
waren, met om te vrijkelijkene. Mer boven al nun dei 
Keyaers sone oyt van schoonhede, van franheden, Tal 
welgbemaedliede, so dat ic sijos gbelijcke daer oiet eiuach 
Tan alle denghenen, die ick ersacb; nochtans sach ic daer 
meenigen rromen, schonen fraejen man, cloec in die wa- 
pene, ende seer wel ghemonteert. Als dit boorde Vrou 
Marie, beer A. t. RaTGsteyn ende alle di andem beeren, 
waren A seere verblijt door die tijdinghe di hi daer brocble. 
Ende Vrou Marie gaf den bode Leeuwea voor sijn ^ifte, 
om dat hi haer die blijde tijdinghe brochte. Gheerken ^e 
bode was te«re Tcrblijt, ende hi bedancte haer* netdallen 
Beere, ende hi aeyde om dat si alle lachen soliden: hieraf 
moeten die schoone Tiouwen meto deeleo. Mit dien schiel 
hi van daer. Wonitrlyckt OorlogAta p. 9. 



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185 

Fürsten zur Schau gestellt. Noch nie jedoch 
war übrigens auch ein tentschee Gefolge mit 
solchem Kostenanfwande in ein fremdes Land 
gezogen, uad der Anblick so vieler stattlichen 
und reich geschmückten Bitter in ihren glän- 
zenden Harnischen und in ihrem trotzig edlen 
Wesen erregte allgemeine Bewunderung*). 

Ueber dem Portal des Thores, dnrch das 
der Fürst von Oesterreich ritt, las man in la- 
teinischer Sprache die Worte: „D» litt unter 
Herzog; ttrette uruem Streit, und lo Du et 
thutt, werden teir in Allem Deinen Geboten ge- 
horchen !" Nur mit Mühe konnte Maximilian 
mit den vornehmsten Begleitern dnrch die wo- 
gende Volksmenge bis zum Schlosse gelangen, 

') Verschiedeae GeacMchtachreiber mchen auch bei 
diesem AnksB die Armnth der tentschen Füntea, den Geiz 
des Kaisers Friedrich and die Grtnsieretd dea Gefolges 
von Maximilian herrorzuheben. Aber alle uedeTläadiacheD 
nod (eutscheD Hanptqnellen iptechen anf das Entschieden- 
ste fQr das Gegentbeil. Die Nachricht, dass MaximiliaD 
von seiner Braut erat Geld entlehnt habe, niu ihrer würdig 
erichdaen zu kSnnen, ist dn frostiger 8pas« des erfin-' 
dimgsr^chen N«de* franzSsischer Historiographen, nnd 
ebeDio unwahr als eine andere NotiE, dasa König Lodnig XT. 
noch kurz vorher den Prinzen als einen ungestalten Mann, 
ja als eine Art Ungehener, beschrieben, nnd Marien 
dadnrch mit Sclireclcen erfüllt habe. Sie baUe ihn froher 
Ja persSnlich geiehen nnd ein getreues Conteffey nachmals 
von ihm erhalten nnd bewabit, wie wir uätm früher 
bemerkt haben. 



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186 

und aach hier wiweD die Zugänge so versperrt, 
dasB er kaam die Treppe gewann. Die Prin- 
zeasin und die Herzogin-Wittwe standen ober- 
halb derselben und empfingen ihn, nach Landes- 
sitte, mit freundlichem Kusae, die holdselige 
Brant aber, überwallend ron dem Gefühle end- 
lichet ErhiSrnng ihrer Wünsche, glücklicher 
ErlSsnng aus so vielen Leiden, und hingerissen 
vom Anblick des trefflichen Jünglings, welcher 
in stolzer Schone, vom Kopf bis zu den Füssen 
in silberner Rüstung, vor ihr stand, rief ihm 
die von Thräneu begleiteten Worte zu: „Nun 
sei willkommen das edelste teuteche Blut, nach 
dem mein Herz so lange sich gesehnet ! " *). 

Die Prälaten, nach vielen frommen Betrach- 
tungen, welche sie über die wohlthätigen Fol- 
gen dieser Verbindung für das Land, wie für 
die Liebenden angestellt, und nachdem sie die 
Fürstin mit den Worten der Schrift begriisset: 
„Maria hat den bessern Theil erwftblt," wen- 
deten sich zn derselben nnd riefen pathetisch und 
. mit Anwendung des bekannten Textes ans: 
„Glückselige unter den Frauen! Auf Dich hat 

') Teratoat, als hectoghe Haximiliaen bi vrou Marie 
quani, omheUte hy haer en ei htm aeer lieflijcke; daer was 
ecne vricndelijcke onlfanck van beede sijden. Wondtrl. 
Oorlogh. p. 11, Der Theuerdank drickt im letzl«ii Ca- 
pitcl ohngeßhr dssaeibe aus, als der Held, Dach ünmtlich 
überstandeaeii Ge&ihi'en, am den lüssen Lolui der Minne 
bittet. 



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__- 187 

der erhabene Kaiser Friedrich sein Ange ge< 
worfen, and sein Sohn zam Freand und Gemahl 
Dich auserkoren. Diesem wirst Da einen Solin 
gebähren, welcher sein Volk ans den Finster- 
nissen des Todes befreien soll. Sein Name 
wird gross sein unter den Menfichen, denn er 
wird der Sprosse des mächtigsten aller Fürsten 
sein." Diese Anrede erwiederte Maria mit klu- 
ger Demnth, in die Ideen der Bischöfe schnell 
eingebend; „Ich bin eine schlechte IVIagd mei- 
nes bochgebietenden Herrn. Gefallt es ihm, 
also geschehe es, and sein Wille ist mein Ver- 
gnügen." •) 

Margarethe nnd die Fraa von Hallewyn be- 
deuteten dem Glücklichen: „Die Jong&an von 
Bargnnd bewahre ein Xelkenblömlein ; das ge- 
bühre seiner Gnaden zu Sachen." Der Biänti- 
gam begann mit zwei Fingern zücbtiglich dar- 
nach zu Sachen, mocht' es aber nicht gewinnen. 
Da sprach der Erzbiscbof von Trier, mit einer 
Galanterie, die dem Pr&laten nicht übel anstand : 

„Schnürt der Jungfrau das Gewand auf, so 
wird das Blümlein Euch bekannt werden." Der 
Erzherzog that also; er löste bescheiden and 
mit zitternder Hand das Mieder Marions und 
holte die Nelke ron dem hochklopfenden Bnsen 



') J. UoUiul, Chroiüques. Cap. 46. „Je nia la pc- 
üt« anseile de moa ttea-ezodleot Sugnenr. PeiBqD'il liü 
pl^, qa'iüiui idt: it me ddet tr^-bien [il<üre.'1 



.,gniod.,GoOgk"- 



188 

der sittig- erröthenden und in zarter Schaam 
erglähendeo Geliebten hervor. Er kusste die 
Blume sowohl als den Altar, von dem er sie 
liinweggenommen *). - 

Bald darauf meldete nun der Marschall 
von Pappenheim in Auftrag des Prinzen, dass 
männiglich zu seiner Herberge kehren sollte, 
und so man des Dienstes begehren dürfte, 
würde man es schon verkündigen. Die Lieben- 
den, nach dem ersten Gespräch- and Grüsse- 
Wechsel, setzten sich zu Tische; mit ihnen 
die Fürsten von Trier, Baden '*) nnd Anhalt. 
Margarethe hatte Jedem für Unterhaltung ge- 
sorgt, dadurch, dass sie die schönsten Damen 
ihnen zu Genossinnen gab. Die jungen Prin- 
zessinnen von Geldern nnd Cleve machten die 
Honneurs an der Tafel. Man war daran fröh- 
licher Dinge bis eine Stande nach Mitternacht. 
Darauf ritt Jeder nach seiner Herberge. 



•) Daa Reichttagi-Thealrum (S. 6iu. 6ä.), wo man 
solche erotische Gemälde schwerlich gesncht haben nürde, 
sichert uns gegen den Verdacht eigener Ausmalnng der 
Scene. Die OSenherzigkeit, womit ein wahres Natar- und 
ächönbeits- Gefühl, ohne Gefahr vor dem Vorwurfe der 
Indecenz, hier sich ausspricht, bildet einen anziehenden 
Contraat zoi IHigendheuchelei onaerer modernen Etikette. 

") El war der Markgraf Karl, von Mätttr'n immer 
ungeschickt von Badaw genannt, welcher mit MoximiHan 
gezogen. Nach der Chrenyeke van Hollandt war es Mark- 
graf CArMtopA ndt uAmm zwd SShnen Aio^ und FAttffp. 



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189 

Dienstags darauf hatte die wirkliche Ver- 
mählung in der Capelle des Schlosses statt. 

Die Herren sänuntlich waren schwarz ge- 
kleidet und trugen kostbar veizierte Helme, 
Barette und Mutzen; der Erzherzog kam auch 
diessmal in gilbernetn Harnisch vom Kopf bis zu 
den Füssen. Margarethe nahm ihn liebend bei 
der Hand and führte ihn zum Altar. Darauf 
holte sie die Braut, welche von den Gräfinnen 
Ton Chimay nnd Wincester begleitet war. Ma- 
ria trug ein kSsttich weisses Gewand von Da- 
mast, durch und durch mit Gold äberstickt; 
über demselben ein Mäntelchen Ton demselben 
Zeuge, gefüttert mit Hermelin. Den Leib am- 
scbloss ein Gürtel von Gold und mit den sel- 
tensten Edelsteinen besetzt, und von demsel- 
ben hing ein gleich reicher Beutel herunter. 
Ihr Haupt zierte die Krone von Bnrgund, wel- 
che in sich das' Seltenste nnd Merkwürdigste 
an Juwelen und Steinen vereinigte, was der 
Reicbthum und der Luxus früherer Herzoge zu- 
sammengehäuft. Das kastanienSranne Haar 
hing in grossen Locken geringelt über den 
blendend weissen Nacken. Die Frau von Ra- 
TCDstein und eine natürliche Tochter Herzog 
Philipps des Guten trogen die Schleppe ihres 
Kleides. Die edelsten Damen nnd Verwandten 
des Hauses bildeten das übrige Gefolge und 
geleiteten sie bis in die Nähe des Altars. Mar- 
garethe und Maria hielten einander innig und 



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190 

schweigend bei der Hand *). Der päpstliche 
Legat verrichtete selbst die Feierlichkeit. 

Der Bräutigam und die Braat knieten de- 
müthig zur Erden; sie liielten darauf einander 
schweigend in den Armen. Und als ihre Blicke 
liebend sich einander begegnet, ergriff sie das 
Gefühl ihres Glückes so mächtig, dass Beide 
die Farbe wechselten nnd weiss wie der Sclmee 
wurden **). Margarethe aber, die Hanptschüpfe* 
rin dieses Glückes , schloss den Bräutigam eben- 
faUs nun mit schwesterlicher Zärtlichkeit in 
den Ann, kÜMte ihn auf den Mund and rief: 
„Nun habt Ihr, womach Ihr so sehnsüchtiglicb 
begehrt ! " "") 

Der Legat setzte die Ceremonie weiter fort, 
verlas die Erlanbniss des heil. Vaters zo die- 
ser Vermählung, welche wegen naher Ver- 
wandtschaft nöthig geworden. Er segnete sie 
mehrmaU, über Nator und Pflichten des Ehe* 
Standes sie der Länge nnd Breite nach belehrend. 
Darauf nahm er des Herzogs Hand und steckte 
den Ring, welchen dieser darin hatte, an den 
Finger der Prinzessin, mit den Worten: „Mit 



•) Clronyehe v. Hollandt p. S71— 372. Der Anzug 
und der Schmack Mvieaa aiad wohl in 4er b«i Sfierü ab- 
gebildeten Denkmünze der EiTzähluDg am getreueiten nacb- 
kominend Ausgedrückt. 

'*) Dwelc was eeo teeken rsn terUlicker Uefden. 

"*) ExetUeiitt Ckronyeke m» FJtuniertn f. 191 aqq. 



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191 

diesem Ringe geh'' icb Euch meine männliche 
Treue!" Sodann steckte er dem Btfintigam den 
Ring Mariena an den Mittelfinger and sagte: 
,^it diesem gelob' ich Euch gegenseitige Treae ' 
und Liebe, und Alles das zu halten, was zwi- 
schen Euerm Yater und dem meinigen einst 
verabredet worden, in Bezug auf meine Länder 
und Provinzen!" Und nun gab der Prinz sei- 
ner Braut ein Stück Goldes, welches sie in 
ihren Beutel steckte. 

Nach diesem ward die Messe im Innern der 
Capelle gelesen. Die Stufe des Hochaltars, vor 
dem sie knieten, war mit 6old und Stoffen reich 
Russtaffirt, und grüne, kostbar durchwirkte Ge- 
stnhle mit Kissen, worauf die Wappen von 
Bnrgnnd, standen ßir das Brautpaar bereit. 
Adolf und Philippine von Geldern, die durch 
Margarethens Sorgfalt erzogenen Waisen des 
unglücklichen Herzogs, welchen Maria stets 
mit schwesterlicher Liebe begegnet, hielten 
Wachskerzen in der Hand. Der Legat sang 
das Amt mit lanter Stimme. Bei der Opferung 
reichte er den Vermählten die Patene; heim 
Paternoster segnete er sie wiederholt; und beim 
Pa.v vobi» küsste er den Herzog auf die Wange, 
dieser aber seine Braut. Darauf genossen sie 
das heilige Abendmahl. 

Ein reiches Bankett stärkte von den An- 
strengungen der Feierlichkeit. Der Bräutigam 
und die Braut, mit noch vielen Orationen und 



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192 

BenedietioDen begrüsst, nafaiaen für eine Weile 
Urlaub von einander, sahen sich jedoch bald 
wieder und zwar aUein; ihre Herzen strömten 
zum erslen Male frei nnd schwelgerisch in ein- 
ander *). 

Das Gefolge des Erzherzogs verlor die Ge- 
duld, da es nicht weniger, als eilf Standen auf 
neue Befehle seines Herrn warten musste, wie 
der Gesandtenbericht, mit ziemlicher, hier nn- 
mitlbeilbarer Naiv etat sich an ad rückt. Wir 
Qbergeben nonmeht die fernem EinzelnbeitOD 
Ton den Gastmählern, Tänzen nnd Freuden der 
Ritter, Damen nnd Bürger, von den Verdriess- 
lichkeiten anter den verschiedenen Geleiten der 
mitgezogenen Fürsten, von den Berährangen 
der wälschen und tentschen Manieren und von 
den Artigkeiten, welche man sich gegenseitig 
erzeigt. Bald ward aaf borgnndisch, bald aof 
teutsch getanzt. Margarethe suchte überall 
bestmögliche Fröhlichkeit unter den Gästen zu 
verbreiten. Der Hauptberichterst alter erzählt 
von den femern Vorg'ängen in der Haupt- 
sache folgendes: Mittwochs, nach dem Essen, 
vor der Vespeizeit, trat der watsche Untermar- 
schalk in die Herberge der fürstlichen Äbgeord- 

') CAronycht «an BoUandt, Zetlanil tnx. Alles hier 
Kiz&blte ist treo historisch. Eine VergWchung der poeti- 
gchen Scene mit jener der Hochzeit Siegfrieds und duimlüt- 
den« in dea Nibelungen dürfte nicht geringes Tntereise 
gewäbreo. 



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193 

neten nnd bat sie, bei der Herzogin tod Oester- 
reich auf den Abend ein Banket zu feiern; 
desEgteiclien lud Maximilian dnrch Rudolf von 
Pappenheiiu ein. Die Gäste setzten sich, meist 
ohne Ordnung nnd Unterschied^ sowie sie Platz 
gewonnen, nieder. Die Tafeln waren mit Spei- 
sen nach der Landesart besetzt, und »war 
Alles aaf einmal. Das Gemach strotzte von 
Gold und Edelgestein. Des süssen Getränkes ward 
so viel aufgetragen, dass schon das Inländische 
die Zangen lähmte. Der Reiche von Nassau 
hatte den Ehrentanz; darauf kam Jdhann von 
Bergen; hernach Maximilian selbst , und sodann 
die Fürsten von Baden und Anhalt, welch« teutsch 
tanzten; doch wurde fleissig auch mit französi- 
schen nnd flämischen Tänzen abgewechselt. 
„Es erschien die bemeldete Herzogin von Oester- 
■ reich mit guten Sitten, mit hoher Vernunft, 
mit geradem Leibe, lieblicher Farbe, schwa- 
chem Gesicht, mit etwas grossem Mund and 
(gehüllt) in Ylolfarbe, das Ihre Gnaden ein 
wenig entzieret; ihr Alter,' als man vernommen, 
bei achtzehn Jahren. Sie trog auf dem Haople, 
als die Art fodert, ein dünn seiden Tuch, in 
die H5he geformet, wie zwei Hörnet. Bei ihr 
erschienen viel Jungfrauen, wohlgezieret und 
schön. Der Fürst von Oesterreich in ein gol- 
den Stück, als etliche sagten, ganz tait subtilen 
sUberneD Drähtleio überzogen, ganz auf Wall- 
fisc'.waar gekleidet." 
I. 13 



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194 

Die FestlichkeiUn mannigfacher Art, damn- 
ter aatnal ein Ringelitechen bemerkt werden 
moBs, wShieten bis Sonnabends in der Nacht fort. 
Am Sonntage selbst aber ward ein feierliches 
Hochamt gehalten, welchem der Erzherzog mit 
seiner Braut, seine fürstlichen Begleiter, ein 
Ausschusa der flandriaehen Stände nnd eine an- 
zShlbare Menge ViJks beiwohnten, and nach 
dessen Beendigung Maximilian den Eid anf die 
Rechte nnd Freiheiten des Landes leistete. 
Wfthrend er schwor, Ifintete der Eidwart die 
Glocke, damit die Gen;eine nnd Gesellen in 
Gent es h3ren sollten. 

Nach solchen Formalien, deren Beobachtung 
die Bürget mit der grBssten Aengstlichkeit ab< 
gewartet, ritt der Prinz auf den grossen Markt 
und sodann auf das Stadthans und nahm andrer- 
seits nunmehr auch das Volk in Pflicht and 
Treue. Während der Eid verlesen ward, äber- 
sah er «oa einem Fenster, zn dessen Verziemng 
keine Pracht gespaH worden, die wogende 
Menge. 

Et gab daranf derselben seine Abaicht kund, 
nach drei fernem Tagen Rast zu Gent, gen 
Brügge sich verfiigen nnd alle Anstalten zur 
Vertheidignng des Landes gegen den König von 
Frankreich treffen zn wollen; was einen sehr 
gnten Eindruck auf das Publikum machte. Seine 
mannhafte PeraSnlichkeit enthielt schon in sich 
selbst eine Bürgschaft und durchdrang das 



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igS 

Volk mit neuer Hoffnung nnd mit nenem Le- 
bensmiithe. 

Der Evtbeixog, anf das Schlosa zurückge- 
kehrt, dankte nun allen seinen Begleitern für 
die bezeigte Freundschaft von Beginn des Zu- 
ges an bit hieher, und beurlaubte die Botschtiftet 
jener Fürsten, welche demselben aus Auftrag 
ihrer Herren bis Gent gefolgt waren; mebferen 
der Fürsten und Ritter aber machte er AntrBge, 
in seine Dienste treten zu wollen; der Erzher- 
zog ahnete die Zukunft und fühlte den Werth des 
Beistandes von erprobten WafftDbrtidem. Der 
grftsste Tbeil des Zuges trat den Rückweg erst 
am letzten Tage an, d. h. an demjenigen, wo 
Max ebenfalls gerastet war, am nach Brügge 
sieh zu begeben. Diess War auf ausdrückliche 
Bitte geschehen. Man sieht bierans, dass man 
den Gentern noch immer nicht völlig tränte 
nnd jederzeit sehr auf seiner Hat war. 

Die Bückreisenden empfingen von der Für- 
stin Geschenke verschiedener Art, and ebenso 
von den StSdten, durch welche sie nach und 
nach gelangten; doch leuchtet' oneb bei ihnen, 
nach der fiesehreibai^ der sitcbsisoben BoU 
Schaft, et^s MissrergnSgen harr», wie wenn 
sie nicht genug bedacht worden wären, nnd 
bisweilen spricht sich Empfindlichkeit Über 
den einen oder andern Missgri ff gegen sie, bei 
Anlass der Vermählungsfestlichkeiten , komisch 
aas. Es war nicht anders möglich; die Berüh- 
13' 



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196 

rang mit ganz andern Sitten und Menschen 
musBte bisweilen Verwirrung veranlaBsen, and 
da die Fläminger das Gross - Ceremonienbuch 
sSmnitlicher Chnrfütsten und Fürsten des heil, 
roro. Reichs nicht genau stndirt hatten, so ward 
natürlich bald der eine, bald der andere Stand 
in der Person seiner Abgeordneten zurück- 
gesetzt *). 

Der Erzherzog heschloss, nunmehr nnrerweilt 
auch nach Brügge zu ziehen, und sowohl das 
eigentliche Hochzeitfest daselbst zu feiern, als 
die Freiheiten und Privilegien der Stadt zu be- 
schwören, worauf man bereits so ungeduldig 
harrte. Jede Zögemng von Seiten eines neuen 
Herrschers erregte schnell in den Herzen jener 
selbst gewaltsamen Demokraten Argwohn und 
Misstranen. Am 28. August ging die Abreise 
von Gent vor sich. Die StEinde, die edlen 
Herren, die Bürger nach den verschiedenen 
Zünften, die fremden Kaufleute nach Nationen, 
die Schotters aber nach alter Sitte gereiht, hat- 
ten zu Brügge bereits alle Anstalten getroffen, 
und mit schwarzen Standarten, darauf Tauben 
abgebildet zu sehen waren, sowie mit einer 
grossem, welche das Bild einer Jungfrau wies, 
versehen, sich in Ordnung aufgestellt. Maximi- 



') Ueber die Details vergl. das mehi* angefahrte Reich4- 
tagt-Thtatrum, wo auch säinmtUche Gaben specificirt zu 
finden nnd. 



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197 - — 

lian erschien auch dieBsmal in pEacbtvoller 
Räitang; auf einem Bosse, das vom Kopf bis 
zu den Füssen mit goldenen und silbernen Ket- 
ten behängen war. Die Empfangsfeierlichkei- 
ten, die Inschriften, die Verzierungen, die 
Fackelzüge glichen den früher angezeigten *). 
Die Beschwörung der Freiheiten ging mit nicht 
weniger Ausfnhrlichkeit und Prunk vor sicli. 

Von Brügge zogen die Neuvermählten nach 
Antwerpen, wo die zu Gent und Brügge stalt- 
gefundeoen Bewillkommnungen, Huldigangen 
und Ceremonien sich wiederholten **). Wir ver- 
weisen, was die Einzelnheiten der Yerfassungs- 
acte betrifft, auf die Recfatsgeschichte zu Ende 
der Biographie. 

Alle diese Dinge beschrieb der nachmalige 



*) Unter den InachrifCen zeichneten sich nachitehende 
aus : „Benedictua , qui veiüt in nomiiM Dondni." Unter 
dem Bilde Julius Cssars, vor dem die ESuier huldigend 
knieten: „Gtorions^me princepa, defende no«, ne peiea- 
mns." — Ein seltumer Begriff- WiderBpmcli Ton Seite su 
wüthcnder RepablikaoeT wie die Brügger, — „SapienUam 
amavi et eiqnisiTi a javentutB mea, et exquUivi eam spon- 
Bsm mihi oisumere." Aach das Porträt des Kaisers Theo- 
dosius prangte dabei: „Justiüa indutna fni, et vestivi me, 
■icut Teitimenbi et diademate, Jodide meo." Ein fl&mi- 
«cher chonologiBcheT Hauptieim aber bildete den Scblugs: 
„Maximiliaen hooch prinche ontfaen Achtenttmodch in 
Ongit M. nf ghedaen. 

**) Exetllmtt Chronsekt ettn VUtmdtren. 



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Historiograith von Bui^nd, Jetm JVelinetj in der 
schwulsligen Sprache, die ihm lo sefar eigen*), 
in einer langen, blumenreichen Rode, welche 
oftmals wie eine Predigt klingt, and welche 
das Hanpttheraa der Sermonen des Legaten, 
sowie der Erzbischöfe von Trier nnd Mains 
neben historischen Tbatsachen aufgenommen za 
haben scheint. Von Bibeltes.ten , faistoriachen 
Namen, Mytliologien und Allegorien wird darin 
oft geistvoll, oft bis xnm Ekel überladen, Ge- 
branch gemacht. Maximilian, in dessen Namen 
Mo/inet tiefe Bedeutung und Winke des Schick- 
sals ersieht, ist ihm der vollkommenste Menaofa, 
Bitter nnd Fürst; Maria die Blume, Krone und 
Zierde der Frauen des Jahrhunderts "). 

Biese historische Rede MolitteU ist nm so 
merkwürdiger, als die Grundideen und Haupt- 
grundsätze - darin niedergelegt werden, nach 
welchen die Dynastie damals geherrscht zu ha- 
ben scheint, und können somit zugleich als po- 
litisches Glaubensbekenntniss des Geschicht- 
schreibers gelten, welches freilich oft ein sehr 
biblisch -serviles, von den consdlntionnellen 



") Ueber Molinet als Kchta: und Hiatoriker vergl. 
das fcrit. QueHenverzeichniss in den Beilagen. Auch Mr. de 
Reiffenherg „Notices bdc Ib Bibtlotheqae dite d« Bourgo- 
gne." BruxeU. 1829. T. I. 

") Chroniqne* de J. MoKitet, Chap. XI; v«rgl. die 
Beilageo. 



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199 

Tbeoriea der flUmuchen Städte hiinmelweit ver- 
schiedenes war: 

„Das Volk, welches in FiDStemissea wandelt, 
hat ein grosses Licht gesehen.^' (Jeiaiaa IX.) 

,J}er göttlichen, menschlichen und natür- 
lichen Einrichtung zufolge, sind untergeordne- 
tere Wesen durch höhere geleitet und regiert, 
die sterblichen dnrch unsterbliche, die sichtba- 
ren durch unsichtbare, die menschlichen durch 
göttliche. Gleichwie es nur ein einziges himm- 
liflches Reich und einen einzigen Gott und ewi- 
gen Kaiser giebt, welchem al|k erschaffenen 
Dinge gehorchen und welcher dnrch seine nn- 
Irügliche Güte diese höhere Monarchie verwal- 
tet, deren Bestandth eile die englischen, je nach 
der Beschaffenheit ihrer Natur und dem Grade 
ihres Ranges geordneten Schaaien, Throne und 
Hoheiten bilden; also haben wir in diesem nie- 
dern Erdenreich auch nur einen einzelnen Kai- 
ser, welchem die Welt xinsbar ist, und wel- 
cher durch seine Majestät sie und das Rad der 
Begebenheiten leitet, sowie den ganzen Kreia 
untergeordneter Personen, als da sind: Könige, 
Herzöge, Markgrafen, Grafen u. s. w,, jeder 
nach seinem Range." 

„Diesem Kaiser, welcher den glorreichen 
Namen eines Aogustas angenommen, sind wir, 
wie schon Vegetiut bemerlct hat, Treue, Erge- 
benheit und Gehorsam schuldig, gleichsam als 
dem gegenwärtigen und verkörperten Gotte." 



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g^eder, der einem kaiserlichen Edicte Ge- 
horsam verweigert, ninss als sein Feind be- 
trachtet werden, da ein solches Edict gleichsam 
ein Abbild des SoayerSns selber ist." 

„Der ewige Kaiser sah sich einst genötbigt, 
die bösen Engel vom Himmel auszaschliessen, 
desshalb, weil sie, von Uebeimuth getrieben, 
ihren Sitz nach Norden verlegt wissen wollten, 
um dadurch der höchsten Majestät selbst ähn- 
lich zu werden, und nachdem sie auf diese Erde 
gekommen, sind diese verstossenen Engel die 
schlimmsten geistigen Feinde geworden ; auf 
gleiche Weise haben sich empört, einestbeils 
des heil. Reiches bemächtigt, und sind unsere 
irdischen Feinde geworden, jene Leute von der 
fränkischen Nation, welche, ursprünglich troja- 
nischer Abstammung, im Herzen von Germanien 
sieb niedergelassen, und zwischen Rhein und 
Donau von dessen Mark sich genährt. Diese 
Leute haben die Frechheit gehabt, in der sikara- 
brischen Stadt sich unabhängig von der kaiser- 
lichen Krone zu erklären; sie bewohnen die 
untern Gegenden und nennen in der Regel sich 
FraHchoüy allein nach dem Griechischen soll- 
ten sie eher Ferochoii heissen, ihrer angeerb- 
ten Graasamkeit nnd Unbändigkeit wegen. Sie 
sind die Haaptfeinde, welche gegenwärtig ans 
versuchen und schlagen, welche uns Verheis^ 
snngen machen , jedoch blos den Ruin bringen, 
und welche das heilige kaiserliche Bild seiner 



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201 

Slelle in der geistlichen Kammer entkleiden 
nnd dafür ihren babylonischen Götzen aufpflan- 
zen wollen. Auf dieselbe Welse, wie einst 
das Volk Gottes anter der Hand des Königs 
Pharao litt, nnd datch Nabuchodonosor in Ge- 
fangenschaft abgeführt wurde , weiden nnn 
auch die armen Untcrthanen des einst so hoch 
geehrten Hauses Bargnnd grausam zerQeiacht, 
gegeisselt, mit Füssen getreten und geknech- 
tet. Das Gesetz ist umgestürzt , die Tempel 
sind entweiht,, die Altäre zertrümmert, die 
Schiffe: ausgeplündert; das Geschrei der schmäh- 
lich Unterdrückten nnd nnmenschlicli Miashan- 
delten dringt big zu Gott empor nnd ruft des- 
selben schwere Bache auf die Urheber dieser 
Thaten herab," 

„Das arme verlassene Früulein von Burgund, 
gebengt im Herzen, in ThrSnen zerfltessend, 
erscheint vor seinem Schöpfer und verklagt in 
schmerze nre icher Klage das Geschlecht des 
Mars , des Gottes der Schlachten. Sie ruft den 
Adel , unter dem sie so manchen Vasallen zählt, 
um Beistand für sich an ; sie erhebt ihre Stimme 
zum Obetbanpt der Welt, jenem geheiligten 
Reiche der Tentschen. Der ewige Triumpha- 
tor, der Vater der Waisen, der Tröster der 
Betrübten, hat den harten Druck seines cbrlsu 
liehen Volkes vernommen, und die thränende 
Bitte seiner demüthigen und frommen Magd er- 
hSrt; mit seiner süssen Milde erquickte er ihr 



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juogftSoUcbes Herz, erbarmte sich ihres ua- 
schuldigen Blutei, und beschloss in seiner 

Gnade die Wiederherstelinng des gewaltthätig 
beschimpften Thrones von Burgand. Weil je- 
doch dieser Fall in den Bereich der zeitlichen 
Herrschaft einschlägt, and er gerne menschli- 
chem Muthe einen S|iielrauni vergönnt, darin 
er durch ritterliche Thaten die ewige Seligkeit 
verdienen kann, so sandte er trotz dem, dass 
er seine Gerichtsbarkeit über Alles sich vorbe- 
halten, die Bittstellerin an seinen weltlichen 
Stellvertreter, den erhabenen und glorreichen 
Kaiser Friedrich, allezeit Mehrer des Beichs." 

„Kanm waren die Beschwerden und Bitten 
der edlen Jungfrau in der kaiserlichen Audienz 
zur Kenntniss seiner trinmphir enden Hoheit ge- 
kommen, als diese inniges Mitleid über die 
Sache und mit der Demuth seiuer Magd empfand, 
und den Unterdrückten beizustehen sich rasch 
entschloss. Und wie einst durch eine Jnngfrau 
Maria aus königlichem Geschlecht die Befreiung 
ihres Volkes und des Menschengeschlechts her- 
vorging, also sollte anch jetzt durch das Bünd- 
niss einer andern Jungfrau Maria, ebenfalls aus 
königlichem Geblüle, Errettong, Freiheit, Wie- 
derherstellung, Frieden and Ordnung den Bur- 
gundern zurückkehren.'* 

Der Chronist überlas st sich nach diesem 
pathetischen Eingange einer noch begeistertem 
Anrede, and weiss vor Entzücken sich kaum 



..gniod., Google 



203 

zu faisea; dsrdaf aber beweist er, dass die 
Vereinigung Marieoa mit Maximiliaa oiclit an- 
ders, als 8egenr«ich sein könne, möge man sie 
nach dem einen oder andern der vier m einer 
gISoklicben Heiratb durchaus nolbwendigen Er- 
fodernisse betracbten; nämlioh: nacb der Weit- 
heil, Schönieit, dem Reichthun nad der Grotte. 

Nnn aber stösst der Historiograph erst recht 
in die Posaune, und nachdem er Maxen als 
„klug in der Tbat, besonnen im Bathe, vor- 
sichtig in der Rede, imstandsvoU in der H^tnng, 
gewandt in der Staatsknnst, elegant in der Schrift, 
spitzfindig in der Untersachung , andächtig in 
der Kirche, katholisch im Glauben, mildthätig 
gegen die Armen, human gegen seine Freunde, 
onternehmeDd gegen seine Widersacher, tapfer 
in den Waffen, angenehm bei den Damen, 
zScbtig im Gemüth, ausgerüstet mit Kenntnis- 
sen jeder Art u. a. w." hingestellt hat, preist 
er auch eine Reihe ron Tagenden an dem Fiäa- 
lein, Tugenden, welche aus ihs ein Modell 
ihres Geschlechts und eins zweite Rebekka, 
Esther oder Sybille machen müssten. 

Sehr artig ist die Schildemng des zweiten 
Punktes, der Schöakeit beider Gatten. Pygma- 
lion konnte — nacb onserm Molinet — kein 
vollendeteres Ideal zu seinem unsterblichen 
Kunstwerk gefunden haben, als Maxens Ge- 
stalt; er ist ein wiedererstandener Naisiss, und 
wenn dem Absalon die reiche Fülle seiner tchö- 



..gniod., Google 



204 

neu Goldhaare das Leben gekostet, so wird 
MaximiliaD hineichtlich dieser weit über iba 
dea Preis gewinnen. Ea kann im Lande Bnr- 
gond kein ancb noch so reizendes Frauenzim- 
mer geben, das nicht, wenn es einen aolchen 
Gorgias znm Gemahl — wie der Ptioz von 
Oesterreich — erhielte, zn&ieden sein inüsste. 
Wenn auch andererseits die Prinzessin eben 
nicht ein Ansbnnd von Schönheit (de n appa- 
rente mongtre) ist, so ist sie doch immerhin 
sehr niedlich, graziös, lieblich und liebenswür- 
dig, von angenehmer Haitang und sehr schö- 
nem KSrperwuchs. lieber den Rest mögen die 
Damen entscheiden; ich aber sage: ihr ausneh- 
mend bescheidenes Wesen und ihr lebhafter 
Geist zugleich wiegen wohl ein Meisterstiick 
von Schönheit auf. 

Natürlich werden nan auch , und' zwar mit 
gesteigerter Weitschweifigkeit, bei dem Punkte 
des Reichthum» die gegenseitigen Vorzüge hervor- 
gehoben, sowohl was die Abkunft des Paares, 
als den Umfang seiner bereits geerbten und 
noch zu erbenden Länder betriff):. Der Histo- 
. riograph macht sohin Ausflüge ins Gebiet der 
Geographie, die ihm nicht besonders glücken; 
denn nach ihm sind Römer, Britten und Hen- 
negauer gemeinschaftlich von Troja hergekom- 
men; diese Stadt ist die Urquelle der Herrlich- 
keit aller nachmaligen Könige, Herzöge, Gra- 
fen nnd Barone; das Hans Bui^nnd gründete 



.,gniod.,GoOglt: 



205 

io Europa und Asien Reiche und Städte. Rom 
und Frankteich, RomnlaB nnd Franciolaa, die 
jüdische Geschichte and der heidnische Olymp, 
Jnlins Cäsar und Baro, König David and Bru- 
nehild erscheinen bnnt antei einander. Nach 
Molinet, der sich auf Nikolaut Renclerq und 
andere berühmte Geschlchtachreiber der Beider, 
als seine Qaellen, beruft, behauptet er endlich : 
Branehanlt, ein Zeitgenosse König Davids, habe 
in sieben verschiedenen Richtungen Reiche ge- 
stiftet, welche alle mit dem seinigen zusam- 
mengehangen, nämlich; Dänemark, Norwegen, 
Preussen, Sklavonien, Ungarn, Germanien, Al- 
lobrogien, Celtenland, Sequanien, Russland, 
Neastrien, Aquitanien und Spanien. Aus die- 
Sern Königsgescblechte stammten die Fürsten und 
Grafen von Hennegau; wie glanzvoll erscheint 
also nicht die Abkunft der Prinzessin Maria! 

Aber nun kömmt erst noch die GrStge. Sie 
stammt aus einer Dynastie, welche zuerst die 
aller christlichste genannt wurde, und welche 
reichet als irgend eine andere an kanonisirten 
Heiligen and Heiliginnen ist. Was sind die 
Hänser Orleans, Savoyen, Lothringen gegen 
dieses Haus, zu dem dasjenige der Grafen von 
Hennegau gehört? Und hat wohl Frankreich in 
seinem reichen Liliengatten irgend eine aus- 
gesuchtere, dnftendere, blüliendere, glanztei- 
chere Blnme, als jenes Fräolein aas dem bur- 
gundischen Herrscherstamm, welches zur Rech- 



..gniod., Google 



206 

ten and zur Linken, in auf- und abiteigen- 
der Linie nnr Kdoi^e und Herzoge aU Sip- 
pen siehtf 

Eb liegt alio klar am Tage, dasa unter 
allen jetst regierenden Fürstinnen ei keine giebt, 
welche an Ruhm, Erhabenheit and GtÖBse der 
Jangftau von Burgund vetglichen werden mag. 
Sie ist edel von Körper und noch edler in ihrer 
Seele, und gleich ihrer seliges Mutter, Madame 
de Charolaia, der Tochter des gaten Herzogs 
Ton Bourbon, demätbig, sanft und gut roti 
Wesen. Sie trügt den Namen der himmlisdiea 
Jungfrau Maria, und gleich dieser folgt sie den 
Pfaden der Weisheit, und ist zugleich eine 
Königin der Bannherzigkeit und der Milde, und 
eine Inhaberin aller guten Sitten nnd Yorzüge 
ihres Gesehlechts. So wie der Name jener 
himmlischen Maria ein Gegenstand der Verherr- 
lichung der Engel und dessen Bedeutung für eine 
Dame die all erheilbringendste ist, so wird auch 
derjenige dieser irdischen nicht ohne trostreiche 
Empfindang ausgesprochen und ohne heilbrin- 
genden Sinn Pär die Zukunft, der uns sie selbst 
als einstige Beherrscherin sehen Ifisst. 



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Zweiter Abschnitt. 



Die Schicksale Maria's von Bur- 

gund vom Zeitpunkt ihrer Ver- 

mähiung mit Max.imiliaD bis zu 

ihrem Tode. 

■tMaximilian machte nunmehro Anstalt, den Krieg 
mit (tem KSoige von Frankreich tüchtig zn betrei- 
ben und das Weib seines Herzens in ihren so hart 
angefochtenen Rechten zu schirmen. Dem Gra- 
fen von Romont, zum Generalcapitän von Artois 
ernannt, and dem Landgrafen von Hessen, sei- 
nem trenen Frennde, wurden Hauptrollen dabei 
zugedacht. Eine ansehnliche Menge teutschen 
Kriegsvolkes zn Fnas und zn Ross brannte vor 
Ungeduld, den Uebermuth der Franzosen züch- 
tigen EU helfen. In dieser Stimmung nahm es 
von der Prinzessin begeisterten Urlaub. Der 
Erzherzog, von welchem inzwischen auch Mainz 
und Sachsen Abschied genommen, sandte die 
beiden Feldherren voraus, und verhiesa onge- 
sRnmt nachzukommen; jetzt noch trieb ihn ge- 



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bi«tflri8che Pfliebt, ia alleo übrigen Städten, 
wo es noch nicht geschehen, die verschiedenen 
Rechte zv begchwören. 

Der Herr von Crevecoeiir war init bedenten- 
dem Kriegsvolk in Aitois, und vorzugsweise 
bei Theronane und in den Umgegenden gela- 
gert; er hatte den Grafen von Nivere and meh- 
rere andere Feldhauptleute von Rang bei sich. 
Diese entsandte er vor Arras zu neaen Angrif- 
fen auf die Stadt. Sie verbrauchten Kriegs- 
listen und Geschosse wider die Besatzung mit 
gleicher Geschicklichkeit und setzten dem Be- 
fehlshaber Wouter Tan Oyn jeden] Tag hefti- 
ger zu. 

Inzvrischen war der Graf von Romont und der 
Lendgraf von Hessen, welche von dieser Gefahr 
Nachricht erhalten hatten, in Eilmärschen vor 
gedachter Stadt angekommen. Unter dem don- 
nernden Schlachtruf : „Hie Oesterreich und Bur- 
gund!" fielen die teatscben Knechte über die 
französischen Bogenschützen mit grossem Un- 
gestüm her und zerstreuten ihre Reihen. Cre- 
vecoenr floh nach Blangef. Die gefangenen 
Landleute ans der Gegend, welche mehrere 
Tage hindurch Ton dem Feinde mnthwillig ge- 
quält worden, entliess man nach Hause; die 
Sieger plünderten die Leichname der Erschla- 
'genen nnd warfen sie darauf in eine einzige 
grosse Grube; darauf hielten die beiden Feld- 
herrea ihren Einzug in die Stadt und wuidea 



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von den angit^freiten' Bürgern mit Jubel be- 
gräsu. Dbb folgenden Tages eilten sie, St. 
T'hom^'zD verwahren, gegen welchen Ort, laat 
xag«]i]Miiitieiien>'Gerütfate»^' Crevecoeur bereits, 
dci'Gelingebs üidmlitib sicher ,' einien heimlicheii 
Angriff) '«nttrorfsn hatte. Der Landgraf über- 
nahm in Person den Befbfal Über. -die Besatzung 
des' BoteK dem damaligen. ' 'Umstinden bdchst 
wiohtig«» Blatzbs.' '' - I' ■ r 
' Den Het^n von K«<tue«dflK wärmte der Schimpf 
r»r AiTas:'^elr^ 'idod seinfiegleiter Nevera, das 
Gef^U jdes-'Sfchmermstfa^ilend, rief abs; „Der 
Teufel h^'(ta« Bitsswlk ihei-gezaBbert, das so 
mqnlgtii^ig iins in den Röcken fiel, in eiiiem 
Aagenblick, -woiwir itu U«berg«be' der Stadt 
gewiss sein- konhten. Aber geschehen ist nun 
g^sofaeheniVtH— i^,^^ wahl^ — ' ISsst der Sftmi- 
fohe, Bsziehtcrstattw den französiichen Ober- 
feldherrn daranf . ttrwiedem — so ist es; ver- 
maledeit seien all': diejenigen, die ubs diesi 
angethan!-.: Hat d^' Herzog' Maximilian noch 
f'iele solcher frischen Männer, so werden wir 
mancherlei Ungvinach »dulden mässenL- 'in 
Wahrheit, es sind Kerls wie 'Bissen, mA in den 
Waffen so gefibt, dass. ändere. -Fradzosen gal^ 
»ioht Stieb halten ikoablcra.Sicheslichj wenn 
wir die Flucht nicht ergriffen, würden sie uns 
alle getödtet, oder doch gefangen haben^ Der 
Graf vonRomont und.derXandgzaf von Hessen 
fiigten ans Schimpf und Mord zn; allein, so 
I. 14 



.,gniod.,GoOglc 



210 

vaiiT ioh Philipp von Crevecoenr bcin«, ieh 
will an den Flamfindarn Bache nehmen; es ist 
noch nicht aller Tage Abend; komm' ieh wie- 
der in ihr Land, so loll mancher FUmingoi 
weinen, der jctit öbenaütfaig lacht!**" — Sol- 
che und andere Worte mehr ndoten nnter lioh 
die Anführer der Feinde, 

IniwiBchen hatten Maria und Maximilian 
hintereinander Ryssel (lille) nad Cortrjk (Conr* 
trai) bereiat, nnd nicht nar von den Biii^m 
die Beweise der ionigaten AnhäogUdiknt, aon- 
dem aneh von edlen Herren ana Henn^^a nnd 
Arteil, welche an ilinen gereist waren, die Zo- 
sicherong des thfttigaten Beistandes arhalton, i 

König Uidwig XI. teinerseita war durch die 
Nachricht von der Schlappe hei Arras hSdiit 
Terdrieaslidi geworden, hoffte aber, schnell 
■leb wiederum fassend, znu miodestcn durch 
•ine Ueberlistnng tob St. Thomas einigen Er- 
lati und Genngthntmg an erhalten *). Anf den 
Bath daa Hei»^ von AlenQon antschloss er 
sich, «inige leimr Anhanget in St. Thomas, 
darnntait er besonden anf einen gewissen Jan 
d« la Hajre, Sehaltheisscoi oder Wethooder der 
Stadt, vieles baute, für einen geheimen Streik 
SU verwenden. Er sandt« dem Letzten, eineas 



*) (B?) ^nw naEJcx idtta nnneD emd« «vroer ainen 
e«dt, i^gHtde: Tax le Pu qaa Dien! Je ul mij eens 
wrekts «Ut paa g«eft, ou eat. 



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211 

erprobten Spion and RSnketdunled am seiner 
eigenen Schale, insgeheim ein Schreiben n, 
woiiD er ihm fSr die Bemeiatemng oder den 
Verrath der Stadt 3000 Kronen als Belohnung 
anbot. Der K3nig irar in seinen Einfall so 
verliebt, dasi er St. Thomas bereits als sein 
Eigenthom ansah, und davon, als von einet 
anageaachten Sache, sprach*). 

Jan de la Hsye leitete -wirklich, gemeinsam 
mit der Bande, die er befeUtgte, Alles se eia^ 
dass er dem K3nige nnr die Thore erSfflien 
m kSnnen glanhte g allein einer der Hüter der- 
selben, welchen er n gewinnen sachte, var- 
rietfa den Anschlagt derVerrfither ward herbet 
geholt, verh&rt nnd anf die Folter gelegt, da- 
mit «r die MitHchaldigen bezeichne. Deis wei- 
gerte er sich beharrlieh, wiewohl er die Hab- 
gier bitter rerflnehte, welche ihn in diese Lage 
gchraoht. AI« KBnig Lndwlg daranf, der Ab- 
rede gemftss, unter die Manem von St. Thomas 
geritten kam, sah er das Werkseng seines Tru- 
ges bereits am Stadtthor hangen. Die fibrigen 
waren, anf das erste GerBcht von des Führers 
Qefahr, ans der Stadt gewieben. Der KfilHg 
that einen schweren FlniA vor Aei^r nnd 
meinte: „man habe diessmal eines Flelschhaners 



*) „Haer wansn bedriodit neoighcD meotdien, desgha- 
BJcx lal ije Coniac ooc vir«D, want njn wanen u1 bem 
lle^toi,** raft der Ktne nmwtr «ArihAen Chnmikantea aiu. 
,14- 



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— - 212; — 

Gang gethaii." Der Heir von Crevecoeor be- 
fl&Dftigle ihn dnroli das VeraprecheD, einen Zug 
längs der Lys nnteinehmen and dorcli das An- 
zünden einer Beihe von Ortschaften, sowie dorch 
einen Hanptangtiff auf die KriegsmaGht der Fla- 
niänder ihn r&ehen sn wollen. Der Seneschall 
von der Norinandie sollte 2a diesem Behuf mit 
einer Ahtheilnng Heerbanden voransräcken, was 
auch geschah! Der König selbst und sein Feld- 
herr rüsteten zn Therouanne, wohin sie zurüclc- 
gekebrt, sich za Grösserem. 

Die atmen Landlente, geplündert, abgebrannt 
und gemisshandoltf liefen nach Ypern , nnd klag- 
ten dem Erzherzog nnd Marien ihre schwere 
Noth. Max versprach glSnzende Genngthnung; 
auch die Herzogin redete ihnen Trost zn, mit 
den Worten: „Kinder, gebt Euch doch zufrie- 
den; Ener Schaden betrübt uns inniglich, aber 
er soll Euch ersetzt' und gerochen werden!" 
Der Prinz war entschlossen, alsbald persönlich 
ins Feld zn zieheni vergebens suchten Romont 
and Ravenslein, nnd von Nassan Herr Engel- 
biecbt ihn abzuhalten; er rief mit edlem Un- 
willon aas: „Soll ich meine und Marions Un- 
teithanen vom Feinde schinden lassen, nnd hier 
massig im Neste sitzen bleiben! Fürwahr, das 
br&chte mir grosse Schmach!" Mit Mühe nur 
gewann es Maria durch zärtliches Kosen, nnd 
dadorcb, dass sie alsbald auf Absendung eines 
tüchtigen Haufen Volkes gegen den nar drei Mei- 



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313 

len weit entfernteo Feind rieth, .über des Gatten 
jogendliofaen Ungestüm, dass er „noch Maas 
hielt;" sie gingen Arm in Arm zom Bankette; 
aber der Erzherzog sprach murmelnd immer 
vor sich hin: „Es ist eines Prinzen würdig, 
dass. et seihst für seine Unterthanen sorgt, und 
immer tut sie in Wehr nnd Waffen steht!" 

Der Fetdhaapbn&nn , Jan de Gheest, nahm 
Rache für ihn, und jagte den Franzosen die ge- 
machte Beute wieder ab. König Ludwig, aufs 
neue hierdurch beschimpft, suchte nun durch 
Aufhetzung der Lüttieher wider ihren Bischof 
nnd die Regierong Marieos auf dieser Seite zum 
mindesten sich zu entschädigen, und eä gingen 
demnach geheime Unterhändler mit Boten nach 
jener Stadt ab. 

Inzwischen hatten Max und JVIaria Ypern 
verlassen, um zu Byssel nnd Dooai in der Graf- 
schaft Hennegau und im Lande Namnr, sowie 
im Herzogthnin Brabant, die Huldigung anzu- 
nehmen und die Privilegien zu beschwören. 
Die Prinzessin war nach Antwerpen vorausge- 
ritten, und es war festgesetzt, später daselbst 
wiederum zusammenzutreffen. Des Erzherzogs 
Einzug in allen Städten, ging auf glänzende 
Weise vor sich, nnd man schien überall gleich 
sehr von Begeisterung za. dem Herrscherpaar 
nnd vom Hass wider die . Franzosen erfällt. 

Maria ihrerseits fand zu Antwerpen einen 
besonders freundlichen Empfang. Nach über- 



D, Google 



214 

■taadtoMi FflrtUoUccUeB war Uir cnrttt Gvg 
snm Grabe ihrer Matter, irelohe in dicier Stadt^ 
in St. MichMU Dom, beerdig war. Ihr fron- 
OMa Hera itr&mte hier in ■till^ EriannungeD 
und !■ laatea Gebeten für die Seele der Ver- 
kllrtsD fiber. Die Rnheetttte der Todtni gab 
ihr eise etärkeade Kraft and ihren Thrinen m 
den künftigen Sttiimen des Lebene eine innere 
Weihe. Naeh diesem trat ile wieder ia den 
Saal der Fr&blidwn nnd wohnte der ^ehre^ 
bei, weldie die Hftapter der Stadt ihr an Ehren 
Teranetaltet. 

Wahnnd dieser Feite nrbeitete inswiicben 
sn Lätti^ lohwaner Vemtfa, und Wilhetm 
Ton Aremberg entfaltete aetne böten Küate. 
Die von Loon boten starken Wideratand. Als 
•r mit gefthrliehen AaachlMgea wMer des Her- 
zogs Macht und Leben selbst nach Namnr, wo 
damals das Hoflager war, sich wagt», kamen 
aune wüsten DEnge endÜ^ an den Tag. Der 
gehwme Briefwechsel fiel in des Primen Hand, 
und er aandte den £&or, aof ein Pferd geben- 
den oad Ten vier BeM^Mndirem bewacht, dem 
Bisdwfe von Lnttieh sn. Daranf reiste Max 
nach LSwen und Herxogei^scfa , wohin Maria 
ebenfalls in EUe gwitten kam. Denn ihre 
Sahaaneht naeh dem Gatten war bei der aonat 
featgesianten und ataikmnthigen Frau ao nn- 
iiberwiadlioh, dasa die ohne ihn veifloaaenen 
Tage ihr Jahre dftochten, nnd der Gennss der 



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315 

Liebe iauner nur etirkere FlAmmen in. Ihram 
Henen anfaehte. Es trieb sie eine Art ge- 
heimer AfaBtiDg, dwM ihr CÜüek ndi für kurze 
Dnner ihr xagemeesen «ei; darnm wollte sie den 
Becher derFrende bis mr Neige, nnd so lange 
leeren, als das Leben freandlioh ihn ihr darbot. 
Die Meiarei TenBerdogeiAosch^— wie die Pio- 
vinx Nord-BralMUtt frfiher gmaant worden ist — 
huldigte nan ebenfalls dem Herracbarpaare and 
mnpfing deaien Eid gegenseUig. Herr Barth»« 
lomä von VaseUtein, Jan Ton Egmont und 
Kornelis van Berten leisteten ihnen in der 
Stadt GmeUiGbaA and leiteten die Feierlich' 
keiten ■). 

-Vom Bosefae ^ng der Zng satfh Antwerpen 
inrück, wo der Böiger Aahftn^ii^eit das 
Paar rereinigt noc^ einmal bei sich zn. sehen 
wünschte. Man enehS^fte sich von Nettem im 
BinDreichenBewlIlkommiieu..Vordem Stadtfaanse 
war eine grosse Tribüne Bofgesehlagen, sUseD 
mit Tapexeten and inwendig^ mit der koetbarMen 
Seide 8DtBta£&rt. Des Henogs Wappen prangte 
in der Mitte; aar Bediten raid Linken hingen 
die der Harkgrafschafi. Des folgenden TagM 
worden die Handvesten beschworen. Die Bnr> 
g«, der Bastard von Brabant and die Henen 



*) Historie van d? stad en meyerie vaa'» Heriogen 
Boi, als mede de vgmaemite daeden van te hertogen 
VW BnUwnt 



.,gniod.,GoO(jJc 



— sie — 

TOD Cni7k«y)«ck, tä» dasuilige Vsnreser. der 
Markgrafscliaff , an d«! Spitze, fügt^a den Ban- 
ketten Geschenke Ton hoheiN'Wexdw bei. Eine 
Menge TerdfichtigenBaubgesiDdelB, das in die- 
sen Tagen der St^t sich zu nähern gwagt, 
ward 'aufgefangen und algetbaa. 

Der Erzherzog war bald hienivf.nit geinetai 
Lager itAoh Lens in Artoiii 'au^f^ii^bhen: '.Bier 
Tereitclte er mefareve heimKche Ränke Lnd\rigs 
und seiner Sendlinge. Einen' Hauptmann, wel- 
cher im Interesse der FranzosoB^ einen h5cbst 
verderblichen Anschlag aasgeitrfitet , bekam er 
in seine'Gewalt^iund: lieiH iko' als Ansspfther 
nach kriegs rechtlichem Spruche hängen, loder 
Tielntehr thatea ea\die 'Behörden zii Brügge, 
wohin! niaii dan. Gifangen^n: gesandt '). 

'. Bei idsni' Könige' äosierte .aich nach dieseü 
Widerwärtigkeiten dei:'l;}Viiinaoh,;dilrch üngeü- 
aobe. FriedensünterhandlungeRlKeit an starkem 
Rüstungen zu gewinnen. MaxJuitian selbst hatte 
ihm daiaa einen bequemen Aalass ^geben.' 

'::Bal4 nach beendigten FrendeoEesten hatte 
di«;ier 'nämlich dem K-fi^ige ' einen bittern Brief 
geschrieben, wMin besondeirB geklagt' war:, das« 
Ludwig den Solotbiun er i frieden so scfamähHch 
gehrochen, und einön Tlicil dlir Domänen nnd 
Herrschaften, die Vpdame Mari^, seiner Gemah- 
lin, zugehörten, allem Recht and aller Billig- 



') Wonderi. Oorlogh. p. 25 d 



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317 

k«it SOM Hohn, an sich gezofen. Sollte es 
wirklicb Punkte zu regeln geben, worüber das 
Recht nicht ganz klar sei, bo sei er, der Prinz, 
gern bereit, anf dem Wege des Vergleichs sie 
xn erledigen. Uebrigens gebreche ea ihm dnrch- 
Ros weder an Muth für seine Penon , noch am 
Beistande befreundeter Fürsten, nin ungerechte 
AnniaasBungen mit Nachdruck zu bekämpfen. 

Der König hatte in seiner Antwort mit dem 
feierlichen Sch^vur sich entschuldigt, den er zu 
Rheims geleistet, und welcher ihn verpflichte, 
die Rechte der Krone ungeschmälert zu erhal- 
ten. Er warf der Herzogin die lehensrecbt- 
widrige Zurückhaltung von Provinzen vor, wel- 
che durchaus nach ihres Vaters Tode an die 
Krone Frankreich zurückfallen mussten. . Auch 
für Herrschaften, die sie aas verschiedenen 
andern Rechtstilein besass, verweigere sie die 
Huldigung dem Monarchen. Nichtsdestoweni- 
ger erbot sich Ludwig, wenn man seine so ge- 
rechten Beschwerden würdigen wollte, Abgeord- 
nete ins Iiager nach Lens zu schickeoi wo der 
Prinz um diese Zeit gelagert war. 

Der Kanzler d'Oriole, Philipp Pol, Herr 
von la Roche, GulPot, der Bailli von Verman- 
doi, der Herr von Esquerdes, GuiUanme Bische, 
Herr von Apremont, Kriegsschatzmeister, und 
Pliilibert BoutiUat trafen mit den Herren de 
Lannoi und von Slarrhemberg, sowie mit eini- 
gen andern Räthen des Erzhenogs und der 



..gniod., Google 



— ai8 — 

Huia sosaimnen *). Die Cbronik *^ eniklt dia 
Verbandliuigen sehr naiv also: 

Die Feldhanptlente erklärten ihrem Gebieter 
Maximilian: „Die Waffeamhe stünde uns an, 
wire nar dem Könige wa tränen. Laeit nns 
darum anf jeden Fall Bargen, Yesten nnd Städte 
tflchtig mit Volk vergehen." Aof diese» lies« 
Maximilian den Herzog vor sich kommen nnd 
gab iiun folgenden Bescheid: „Sagt dem KSnige 
Lfldwig, Eurem Herrn, ich nehme die seobs 
Monate an, aber auf dai Geding, daxs keiner 
der Seinigen anf meine Leute einen Anschlag 
mache, noeh irgend einen meiner Untertbaneii 
miflshandle, sonst werd' ich anf eine Art Raehe 
nehmen, dass es ihm granen soll.'* 

Der WaffenstillBtand wari vorerst nur auf 
xebn Tage angenommen, sodann aof nnbeitinunte 
Frist, gegea vorherige AafJniDdnng von ^er 
Tagen, verlKngert. Doch sollte er anf das Her- 
KOgthnm nnd die Grafschaften Bnrgond sieb 
nicbt erstrecken. In der That ward er hier 
gar nicht, and auch in den Niederlanden nnr 
schlecht beobachtet***). 



*) BaranH XI. 805. S07. 

**) IK« WvHitrl. Owrlogk. p. 26. u. •. w. IKe Ge- 
bort Philippi geht der RnSblvng voran, wa* natCrUdi t&a 
AaaebronluDUa M. 

el. c 



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219 

WlhreDd der Bote nach Theronann« Kurfick- 
' eilte, deckte der Herzog die Grenzen auf das 
Bette; Hea»en, CfaimaT-, Bomont und Braaden- 
bnrg blieben zn ihrer Hnth. Die Antwort, wel- 
che König Ludwig empfangen, wärmte ihn et- 
was; er erkandigte sich nach des Prinzen Stel- 
lang and seines Volkes Stärke, und war ver- 
wundert, CO hdren, dasB 80 viel Edle zur Seite 
ihm stünden, und in den Flämingem solche Za- 
veraicht herrsehte. Die französisohen Grossen 
aber. Welche ihn umgaben, bedeuteten ihm : er 
inüsse Ton den Flämingem keine so geringe 
Moinnng hegen; sie besSssen, wenn sie Ter- 
einigt wären, eine farchtbare Afacht, so, dass 
sie wohl ehedem Frankreich selber bezwungen, 
und anch jetit dürfe man auf harten Stoss sich 
gefasst machen. Der König achtete solcher 
Worte nicht sehr viel, sondere meinte: er sei 
selbst Stark genug, um aof dieis Volk mit Ver- 
achtung herabbticken zu kennen; am sie besser 
zn seinem Willen zu bringen, werde er noch 
«ine neue Abtheilang Beiter, sodann die Frao- 
qaenuwtBner und £e Atemberger aufbieten; 
diese würden statt seiner den Handel wohl zu 
Ende bringen, ohne dass ex besonder« Mühe 
anwenden müsstc. Vergebens erinnerte ihn der 
Hercoig von Orleans an den so eben'beichwo- 
renen Vertrag; der König sendete zu jenen 
Verbündeten Werbboten, welche zur Verhee- 



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— sao — 

TDDg des Landes seiner Gegner sie aufreizen 
sollten *). 

Es ist Jedoch nnnmefar an der Zeit, zn den 
Ereignissen in Bnrgu'nd zornclunkehren , nnd 
sowohl die Verhältnisse Burgands und Lud- 
wigs ZB andern europäischen Mächten, und die 
nenen Affairen auf dem bisherigen Schauplätze 
des Krieges, als die T baten und Unternehmun- 
gen des Priozen von Oranien, sowie die der 
ihm gegenüberstehenden Feldherren Ludwigs im 
Zusammenhange zu schildern. Zwischen diesen 
Begebenheiten, welche ein abermaliger Waffen- 
stillstand fat einige Provinzen kaum auf kurze 
Daner unterbrach, haben wir zugleich die Pri- 
vatgeschichte Mariens und ihres Gemahls an 
den geeigneten Stellen wieder einznschalten. 

Der König, dessen Gemüth nach dem grau- 
samen Justizmorde, an seiner eigenen Familie 
verübt, täglich wilder, argwöhnischer, blutgie- 
riger, fajaatischer geworden, heftete gleichwohl 
in dem hartnäckigen Kampfe, den er mit Marien 
nnd Maximilian führte, fortwährend den Blick 
auf alle politischen Yerhältnisse, welche auf die 
Entscheidung der grossen Frage ihm zu Gun- 
sten oder Nachtheil einwirken konnten. Wäh- 
rend daher der Erzherzog die kostbare Zeit mit 
nutzlosen Belagerungen einzelner Festungen ver- 
lor, unterhandelte Ludwig für seine Interessen 



■) fFnitrt. Oortogien. 



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221 

an mehr als einem earöpSiflchen Hofe, So mit 
Bretagne, welcfaas aeit einiger Zeit zu Marien 
sich hingeneigt; 80 mit Venedig, mit Aragon, 
mit Portagal, ja mit dem Kaiser selbst, welcher 
die Attentate wider Cambrai, die Reichsatadt, 
hSchst übel empfunden hatte, während er für 
die übrigen Angelegenheiten seines Sohnes nnd 
seiner Schwiegertochter eben nicht sehr eürig 
sich bemühte.' Lndwig schob auch hinsichtlich 
Cambrai's, wie Bnignnds, alle .Schuld auf 
das lehenrechtwidrige Benehmen Karls nnd 
Marions. 

Der HanptgegeDStand seiner Sorge aber blieb 
England. Hier war des Volks Gesinniing und 
Margarethens von York Einflnss ihm sehr hin- 
derlich , und nur dag charakterlose Wesen 
Konig Eduards Hess ihm noch Hoffnung, für 
seine Plane doch noch mit Erfolg wirken ta 
k8nnen. 

Schon um die Zeit, wo die Heirath des 
Fräuleins von Burgund mit dem Prinzen von 
Oesterreich bereits entschieden war, hatte er 
eine glänzende Gesandlschaft nach London ab- 
gefertigt, an deren Spitze Gui, der.Erzhischof 
von Vienne, stand. Seine Beredsamkeit wirkte 
mächtig unter den englischen Grossen, noch 
mehr aber das reichlich gespendete Gold, ge- 
gen welches die Habsucht der stolzen Lords 
nichts weniger als unempfindlich war. We- 
nige Wochen vergingen , und ein Waffen- 



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ftUlstand onf sieben Jabre ward zn Paeqaig;ni 
naterzeicfaoet, nnd einige Zeit daianf sogar 
auf die ganze Lebensdauer beider Kdaige aus- 
gedehnt *). 

Zn Anfang des folgenden Jahres (1478) sandte 
König Eduard Lord Howard, Sir Richard Tnn- 
stall und den Doktor Langton nach Frankreich, 
um den Waffenstillstand in einen festen and 
daoerbaften Frieden umzuwandeln. Ludwig aaa- 
derte lange mit der entscheidenden Antwort, da 
er seinem Nachbar nicht TöUig tränte; endlieh 
aber, nachdem er durch mehrere seiner lUthe 
den Dr. Langton besonders klag ausgeholt 
hatte, ward er über die wirklich günstige Ge- 
sinnung Ednards in sichere Kenntniss gesetvt, 
und erfahr die bisherigen Hindernisse eine« 
ganz freandachaftUchen Verhältnisses, deren 
rcrzüglichstes in VetsSgernng der Oeldsnmraen 
für Mai^;aretha von Sommersets Freiheit be- 
stand. Der englische KBnig hatte die Schwach- 
heit, «ich desshalb zn entschuldigen, das* er 
den Werbern Maria's nnd ihres Gemahls die 
Werbung erlaubt, and sieh dahin an erklären, 
dass dieselbe blos anter der Bedingung, das 
geworbene Kriegarolk einzig wider Geldern 
and Laxanburg, und niemals wider den K3nig 
Ludwig selbst zn verwenden ,'< gestattet wor- 
den sei. 



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223 

LnAwig war über solche Mitthailnngen hoch 
erfreut, und die guten Dienste der von ihm mit 
Penaicnen entluBeoeD Lord« Howard niid Hastlogs 
•chienen leine Sache aaf das Beate gestellt so 
haben; als die neoen heftigen Berührungen, In 
welche er mit der Herzogin -Wittwe von Bur- 
gvnd geriethf derselben einen neuen gefWir- 
Uehen Stow versetiten. 

Von dem Haaao seines Hentens getrieben, hatte 
er knrxe Zeit zuTOr das Witthum Margarethena 
Ton York anf eine Eusserat feindselige Art ao- 
gegiiffen und verwüstet, wie schon im LebeA 
derselben beschrieben worden, nnd dadurch das 
nnrers^hnlichite RachegefUhl bei dieser ohne- 
hin ihm grollenden Prinzessin erregt. Ihr Bru- 
der von England, theils ans wirklicher Nei- 
gong zur geliebten Schwester, theils ans Fnreb« 
Tor ihren femsm Vorwürfen, denen sein sehwa- 
eher, von ihr oftmals beherrschter Geist sich 
nicht zu entziehen vermochte, that bei Ludwig 
das Beste, nm den Handel ins Reioe m brin» 
gen; allein dieser zog ihn, mittelst allgt« 
meiner nnd nlehtskostender Versprechungen, In 
dieLBnge, bis die, bereits früher angedeuteten, 
Zerwflr&iase im Innen des engliadien KSnigs- 
Kanses Ednard IH, mehr m «einen ChiastMi 
stimmten, da auch Margaiethe. in die AfiUre 
ihres Lieblings, des Hersogs von Clarence, ver- 
wickelt schien, übrigens ohne die gefiUirlichan 
BückwirkoBgan zn thailen, denn bald trat sie 



..gniod., Google 



224 — ~ 

wieder als die sehr geliebte und verhfttacfaelte 
Schwe«ter auf*). 

Die fl&raischen Chroniken ttellea diese £r- 
eigniBie, sowie die Bemühungen Margaretbeu 
fOr Maria anid Maximilian, etwai verworren dar, 
jedoch mit vielen ansiehenden £inxe]nheiten 
über den Aufenthalt der Doaairidie in England 
und ihre Unterredungen mit Eduard wie mit 
ClareiM«. ' Merkwürdig ist auch die Ton den 
meiaten Annalisten übergangene Oescbichte Vob 
einer Werbung Lndwigs, im EiäTerstandnisse 
mit Lord H«ward, noeh im Jahre 1477 odec 
1478, welche sie durch ihre Sendlingezu hi»- 
tertteiben gewosst. Mehrere Schiffe waren mit 
grossen Geldsummen und Geschenken nach 
England ausgerüstet worden, um, durch Ho- 
wards Vesmlttelung,: 10,000 B<^enBchützen zn 
erhalten. AJbbaid hatte sie davon Nachricht 
erhalten, und von Brügge aus den Grafen vod 
Bomont in Kentalnias gesetzt. Der Graf säumte 
nicht, mit einer Abtheilung Volks- nach Dnnkir- 
ahetl . zn marschiren , nm die Abreise jener 
Weibschiffe XU verhindern. Er bemantite meh- 
rere Fahrzeuge, die im dortigen Hafen lagen, 
liesa Jedoch aus -Vorsicht die buTgundischcFla^e 
herunternehmen, nm vom Feinde nicht sogleicli 
erkannt in werden; darauf segelte er aus dem 
Hafen, in der^ lUcbtung von Bneuen bis za 



•) BmtmmH I. & Exe. Ckntmrkt 

DigniodD, Google 



225 — - 

dem Punkte ' hin , welchen die franzSsischen 
Fahrzeuge nolhweadig passiren mussten. 

Die Bargundischen hauen halben Wind und 
Begelten darum rasch hindurch; die Gegner aber 
mussten lange laviren und konnten nur gelten 
schnell segeln. Endlich kamen Erstere so nahe, 
dass sie die Franzosen den Küsten von Hain- 
ton entlang die Richtung nach England nehmen 
sahen. Basch gab Roinont das Zeichen, segelt« 
dicht an die Feinde an, Hess die Fahne Ma- 
riens, mit dem Wappen von Oesterretch geziert, 
aufstecken und die Parole rufen; „Qni viveV 
Die Franzosen antworteten: „Vive le Roy de 
Franchel" und ogleieb geschah der Angriff. Die 
Burgundischen warfen brennende Fackeln und 
andere Materialien in die dn>i Schiffe und enter- 
ten sie. Heftiger Kampf begann am Bord; eine 
Menge Franzosen wurden in die See geworfen, 
und zwei Schiffe förmlich erobert. AI« die 
Mannschaft des dritten den Handel verloren 
sah, eilte sie auf B5ten an das Land, dem 
Könige die Hiobspost zu übeibringen; dertiraf 
von Romont aber fuhr mit seiner Beute nach 
Slays, wo dieselbe verkauft und aus dem Er- 
löse den Soldaten der rückständige Sold be- 
zahlt ward. Zu Gent empfing ihn Maria mit 
dankbarer Freude, und man hegte an ihrem 
Hofe die Hoffnung, dass durch dieses Aben- 
teuer die Lust nach Hnlfeleistnngen zu Gun- 

I. 15 



..gniod., Google 



226 

■ten Ladwigi den Engländern benommen Bein 
würde •). 

Während der Soenen in England, der Kata- 
Itropbe Clarence's and den verschiedenartigen 
Uoterhandlangen hatte der Krieg in Flandern 
(im Winter 1478) fortgedauert. Die franz&- 
sische Armee stand, vor der Anlmnft des Kö- 
nigs , anter den Befehlen des Grafen von Dam- 
martin bei Qnesnoi. Beide Parteien bescbrfink- 
ten sicbjedocb anf einzelne Scharmützel, lieber- 
fillle, Plünderungen, Verwüstnngen ; der trau- 
rig -monotone Charakter der meisten Kriege 
jener Zeit. Der Umstand, dass nichts Ent- 
f cbeidendes nnternommen wurde, gereichte übri- 
gens den FlamSndern mehr zum Nutzen, als 
den Franzosen. Denn sie ordneten und vec- 
Märkten sich immer tüchtiger, und die Wieder- 
erscbeinnng Maximilians im Lager kob das 
Selbstgefühl 4ind steigerte den Muth der Sei- 
nigen. 

Als er Ton Marien das letzlemal Abschied 
genommen, halte er die Trauernde, welche be- 
reits ihrer Entbisdung entgegensah, der Pflege 
des RuDwords, Adolf ron Ravenstein, wieder- 
)m\t empfohlen und demselben eingeschärft, se- 



*) Wonitrlijdct Oerlogk. Sie eraäblen in «Dem Brnste 
und aufrichtig geaag; idieser VorfaB habe dm Lord Ho- 
ward den Kopf gekoatet 



DyGoogle 



bald das wichtig;e EreigniBS eingetref en , es un- 
gesäumt ihm za melden. 

Maria konnte kaum vor tiefem Herzeleid 
sich fassen; denn des Gatten kriegerischer Un- 
gestüm und thatenverlangende Jugend malten 
ihr im Geiste tausend Gefahren vor, welchen 
er zur Beute heimfallen könnte. Res est sol- 
Itcifi plena timoris amor! — 

Endlich, am 22. Janius 1478, während Maxi- 
milian gerade im Lager bei Pont-ä-Vendin sich 
befand, kam Maria zu Brügge mit einem schö- 
nen and gesunden Knaben nieder, welcher den 
Namen Philipp erhielt. „Das geneine Wesen 
und das arme Volk jener Lande — bemerkt 
Jean Molinet — seit langer Zeit durch Tyran- 
nei nnterdrückt, jubelten im Herzen hoch anf, 
und erwarteten das Ende der grossen Trühsale. 
Es war der Nation, als wenn sie aast der Fin- 
Bterniss wieder hervor ans Liciit gezogen wor- 
den, und sie achtete sich nicht minder glück- 
lich, als das Volk Israel, als es ans der elen- 
digen Dienstbarkeit des Königs Pharao sich er- 
löset sah. Seine Traurigkeit verwandelte sich 
in Freude, seine Verzweiflung in Trost, sein 
Elend in Kraft, und zwar nicht ohne Grund. 
Denn das erlauchte Hans Burgund, in welchem - 
der Tod so furchtbar gewiitbet hatte, and das 
dem völligen Ruine nahe war, erhielt durch die 
Gebart dieses männlichen Sprösslings wieder 
einen Stab für unser Alter, eine Zierde ßr 
15* 



:.Googlc 



228 

uDBer Land, einen starken Arm für den Streit, 
ein Schwert gegen die Feinde, einen Port des 
Heils nnd der Rettung." 

Drei Tage lang feierte man za Brügge, und 
nachmais in allen Städten des Landes das 
glückliche Ereigniss. Dankprozesaionen , Ften- 
denfeaer, National tanze, Ringelspiele verherr- 
lichten es. Am 2S. Junius ging die Tanfe vor 
sich, bei welcher Abgeordnete Ton ganz Flan- 
dern mit zugegen waren. Achtzig Edelleute 
eröffneten das Gefolge; eine reiche Zahl von 
Prälaten und Priestern, die Bischöfe von Dor- 
nik und Sarepta an der Spitze, sodann der 
Kanzler des Vlieisordens, der jnnge Bastard 
von Bnrgnnd und viele Fürsten und Grosse, 
nebst den Tomebmsten Damen, mit deren aus- 
führlichem VerzeichnisB wir den Leser verscho- 
nen, nnd von denen wir blos die Frauen von 
Ravenstein nnd Geldern, Adriane von Bnrgnnd, 
Agnese von Bonrbon, Johanne von Knlemburg, 
die von Hallew^o und Gmithusen nennen, schlös- 
sen den prnnkvoUen Reihen. Die Feier lieh - 
ketten selbst sind bereits im Leben Margare- 
Ihens, der Pathin des Prinsen, geschildert. 
Die Mutter drückte den Neugeborenen, als 
er nach der Taufe ihr zurückgebracht worden, 
mit Inbmnst an das Herz nnd iuhlte sich über- 
glücklich •). 



*) Bt ce jovr HooMJpwnr da Holembaix i 



.,gniod.,GoOglc' 



Nicht minder glücklich v/aw der Vater, wel- 
cher grosser Noth und Sorgen, sowohl was sein 
Herz, als seine Politik betraf, nunmehr erlöst 
war. Der Bote, welcher Tag und Nacht in 
einem fort geritten war, bis er Pont de Yendin 
erreicht, wurde königlich beschenkt, und das 
ganze Lager, dem die Gebnrt des Prinzen darch 
Trompetenschall verkündigt worden, theilte 
seine Freude *). Man horte Nichts als Trom- 
melngewirbel und Schalmeyen, und neue Lie- 
der wurden auf die glückliche Begebenheit 

et argent araot les mes et aa travera da march^ cd tr^a- 
grande aboadance. Paurquoy les trompettea dnrenant grande . 
resjoQysiement, ensemble les ti^raulta crfoient hanltemeDt: 
„Largeiiel Largeiie!" I'enfant ssulTemeat rapportä, sana 
quetqae destourbier, a rhoitel deMU dict, Madame de Baur- 
goingne sa marine, entra en tme chambre tendue de tres- 
riche tapisaerie d'or, oü estoit an dresgoir lichenient gami, 
Dn lict de parement, et on aiiltre, oil Madame conchoit, 
avironnie de Damea et Damoiaelle» k grand plantd et gar- 
Aie pai mesaire Robert de MenneTille, son m^etre d'hostel, 
et Monirignenr de Monsqueran, maütre d'hoitel de Hft- 
dame Marguerite de Bourgogne; et U fut ce noiiTel chrä- 
tien apellä Philippe, präentä it aa tr^a-redout^ m^re, 
Madame d'Auatrica, qni le receot k trfs-grand joje; puia 
on donna vin et espicea. J. Moliatl Cbap. 59. 

*) Eia Poet des Lagere improvinrta den latmiüacben 
Vera! 

„Ommbna acceptua r^nat dotub, eccel Fhilippua." 
MoUnit Cbap. S9. 



,;m;,G00<^Ic 
* 



gedichtet*) and von dem Volke- fleissig abge- 
suDgen **). 

Der Erzherzog, welcher gerade um diese 
Zeit einen neuen Späher des Königs gefangen, 
und eine Bande von 600 Franzosen niederge- 



*) Eine Incamation anf Philipp« Geburt lautet abo: 
XXII. In Junij Marie ghelach 
RaTesteju, Saint Pol, de DawBgiers 
Hieven Philips np «int^ Pictera dach 
Siote Donaei ghedoopt, lof den beatiere. 

Anno MCCCC «o. LXXVlfl. > 

Flsndria gaude, Francia luxit, Brugia in arb« 
Pallo produsit Aquilae Doxisaa Leonem. 
Exe. Chreityekt f. 318. 

") Mijn beere ran Ravestsyn gat den bode eenen 
brief, tot hem aeggende; Bode rjidt wech met haeaten, ao 
verre tot ghi cnmt hj den hertoghs, enäe gheeft hem de- 
■en brief. Dye bode aeyde: Ick saelt gheerne doen, ic en 
aal niet rüsten voot ick ben te Pontevendy, oft ter plaetaa 
daer die Hertoghts ia. Dus aadt dye bode op een reet sj-n- 
der veerden na Dizmnyden, na Poperinghen, ende also 
overe na di RirieTe van Pontevendy, ao langlie niet neei- 
aticheden over berch ende dal rijtende, dat bj bi tbejt 
quam, mer die tente Tan H. MaximiL en kende hy nyet. 
Doen vraechde b; na den hertoghe, die hem daer gewesen 
was ataende voor aijn .tante. Hl reet by den hertoghe en 
acreet van lijn peert, ter eerden knielende voor den her- 
toghe. Hy cnite den brief dye hem mijn beere van Ra- 
vesteyn hadde gliegeveu, ende gafien den H. Maa. dy cd 
op brack. Maer eent ao vraechde hi, hoe aijn vronwe 
Toer? Die hode autwoordende ipcac: Seer wel, alsoo uwe 
ghenade vinden aal in den brief; eni. enz. Wmdvl. Oorlogh. 



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231 

worfen hatte, sprach in einem Briefe, den et 
durch den Ueberbringer der freudigen Nachricht 
an seine Gemahlin sandte, sowohl seines Her- 
zens GefGble über die erhaltene grosse Botschaft 
aus, als auch der GeSngstigten Muth wegen der 
Begebnisse des Tages zu; er bat Margarethen 
von York nnd den Herrn von Bavenstein, für das 
Weib seines Herzens, wie bisher, nnd auch für 
. den theuern Sprössling hinfiiro redlichst Sorge 
tragen zn wollen, nnd er erklärte, seinerseits 
der siebersten Hoffnung zu sein, dass er seiner 
and ihrer Feinde Meister bleiben würde '). 

Die Familie nnd die treuen Freunde des 
Hauses, Margarethe insbesondere, empfanden 
die herzlichste Freude über die erhaltenen 
Mittheilungen. Letzlere war stolz daranf, 
die Beschützerin des theuern Helden gewe- 

*) Der gemüthlichs BrieF lautet im Ori^ml aber 
„Salujt ende groeteniiw «ea vroB Marie, miju tief tronwe. 
Stjt goeti moeti, en doet n 'wel ta gbemakel Ic hop« 
mijn reyte «al ieec goet nljn, iraat Toor Leu* ia Artoya 
^a Tenlegea meer dan lei liondert Fraiuoyien,. eode den 
capiteyn heb ic selTs ghevaen met mijader hint, dus hopa 
ick noeh meer der vlctorie te verrerveD. Ende ick bidde u, 
B«er Adolf tbd RsTaneyii, dat gh; met Margriets tmi 
York dye oude Princeue wel gade «laen nllt ttdu Maria 
miJn beoiinde wijf, ende Philippni, mijnea lone. Ic bope 
eer lanc bij u te comen, om te beüen, hoe ghj ende alle 
a» vrienden Taren moecht. Scrijft mi weder overa ho« 
dat met u alten i«, ende hoe dat gby alle vaart, Djwt near 
ep deei tijt. Wotii<rl. Oarhgh. g- 25. 



.,gniod.,GoOgk' 



aen zu sein, welcher noch in jungen Jahren 
„ein so kluges Herz und einen so stolzen Sina" 
in sich trag, und so männliche Thaten bestand. 
Alsbald wurde ihm auf das heizlichste zuriick- 
geschriehen und von dem Innern seines Hauses 
ebenfalls das Tröstlichste berichtet. 

Am 19. des Heumond hi^t die Herzogin zu 
Brügge ihren Kirchgang; alle Glocken ertönten, 
alle Strassen hallten von Freudengeschrei. wider, 
und die schönsten Jungfrauen überreichten der 
Gebieterin Blumenkränze und Lieder *). 

Maria pflegte des zarten Lieblings mit der 
hingehendsten Mnttertreae in eigener Person, 
nnd es bedurfte der eifersüchtigen Wachsam^ 
keit der flandrischen Stände nicht einmal, wel- 
che von Amtswegen eine Art Beistandschaft und 
Kuratel aastibten. Das Kind selbst gfidieh mit 
ausserordentlicher Schnelle und verrieth früh 
schon einen lebhaften heitern Geist. 

Der Erzherzog bereiste nach diesem Ereig- 
niss nonmehro verschiedene StSdte, wie Douai, 
Ryasel, Valenciennes n. s. w., hinter einander, 
suchte die Besatzungen dieser wichtigen Punkte 
zu standhafter Vertheidigung zu entflammen 
und brachte ihnen die nöthigsten Geld- und 
Lehensmittel. Den Bürgern selbst verlieh er 
neue Gerechtsame nnd Freiheiten, auch ver- 



-) IHe Eteell. Chro». twn FUunderen foL 208 d 
■cb)ld«rt w>lches ansföhrlich. 



..gniod^yGoOglc 



233 

sicherte er sie seines ritterlichen und fürstlichen 
Schatzes gegen jede Gewalt von Innen nnd 
Aussen *), 

\aeh den Yorgängen hei Conde, welches 
die Franzosen nnrdurch Verrath genommen, sam- 
melte Maximilian ein nenes Heei zii Bergen 
(Mons). Fast alle Edle Hennegau's trafen in 
seinem Lager ein und vereinigten sich brüder- 
lich mit denen Flanderns. Der König aber 
war nach Arras gegangen nnd halte, da der 
Gegner durch Waffen noch nicht besiegt wor- 
den, einen gerichtlichen Kamj»f gegen ilin, 
oder vielmehr gegen Maria, eingeleitet, welcher 
weiter unten im Zusammenhange beschrieben 
werden soll. 

Maximilian dagegen nahm zu Pont-ä-Yendin 
mit nngeföhr 20,000 Mann aufs neue eine feste 
Stellung ein und sann über einen Hauptplan. 
Der Wiedergewinn Cond4's war das erste Ziel ; 
der König aber, welcher wohl erkannte, dass 
diessmal die Uebermacht bei den Bnrgundiscben 
sei, Sherliess von freien Stücken, und ehe noch 
die Belagerung ordentlich begonnen, jene Stadt 
ihrem Schiclualj d. h. seine Armee steckte sie 
an verschiedenen Punkten in Brand, nnd Ludwig 
löste so auf vandalische Weise das den Bür- 
gern für die frühere gastfreundliche Aufnahme 
gegebene "Yenprechen schonemfer Behandlung. 

*) Btrmttit XL 896. 898. 



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234 

Ein gleiches Looa erfuhr Mortagne. Die Masse 
der franzSsischen Heerbattden wälzte sich so- 
fort QueSDOi zu, während der Erzherzog in der 
BichtuDg von Valenciennes sich bewegte. Der 
Graf Dammartin schlag einen Angriff der Elfi- 
mlnger zurück, aber ohne Gewinn fiii ihn and 
ohne Verlust für diese Letztern. 

Es regte sich bei den beiden kriegführenden 
Theilen gegenseitig das Bediirfniss einiger Ruhe. 
Daher geschahen Anträge eines neuen AVaffen- 
stillslandes. Am fi. Junius 1473 ward ein sol- 
cher auf acht Tage eingegangen, nnd der Herr 
Ton Ctoj, Graf zu Chiinay, spielte dabei die 
Bolle des vorzüglichsten Unterhändlers. Lnd- 
wig wünschte den Stillstand auf längere Dauer, 
doch kam man blos für Hinf fernere Tage übet- 
ein. Yergebens waren die eifrigen Bemühun- 
gen Oliviers de la Marche; die Ftäminger er- 
riethen des Königs Stimmung und Lage, und 
je mehr dieser einem entscheidenden Treffen 
auswich, desto mehr setzten jene sich in ach- 
tanggebietenden Stand. Sie überschritten den 
Kanal de la Heale, stellten sich in völliger 
Schlachtordnung anf, und sendeten Herolde, 
eine Schlacht anzubieten. 

Allein die Verfassung beider Heere litt keine 
grossen Unternehmungen; es gebrach an Le- 
bensmitteln, welche Ton den ausgeplünderten 
oder erschöpften Städten nicht mehr in solcher 
Menge, als dag BedürfniM foderte^ herb«ige- 



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235 

schaSl werden konnten. So erzwang denn die 
Noth den Vertrag über einen eiiqährig;en Waf- 
fenstil latand. 

Der König bequemte sich diessmal zu un- 
gewöhnlichen Opfern. Um mit dem teutachett 
Reiche nicht ferner in Feindseligkeiten zu sein, 
und die bnrgundischea Händel nicht zu ÄfTairen 
des Kaisers and des Reichs zu machen, machte 
er sich anheischig, alle seine Trappen aus dem 
Hennegau'schen zu ziehen. Er stellte hielur 
die nöihigen Ordres ans. Quesnoi, za dessen 
Verbrennung er nichtsdestoweniger heimtückisch 
gerathen hatte, ward, da der Feldherr edler 
als der König dachte, unbeschädigt dem Herrn 
de BosshI, Bevollmächtigten des Erzherzogs, 
übergeben. 

In besonderer Lage befand sich Doraik. 
Diese Stadt, welche man als im Königreiche 
gelegen ansah , war nichtsdestoweniger von flan- 
drischen Städten umgeben. Besatzung und Ein- 
wohner hatten nicht aufgehört, trotz des Waf- 
fenstillstandes, Ausfälle und Stieifzüge zu ma- 
chen, sodass die letztgenannten Städte aufs 
Uebelste mitgenommen wurden, and deu Unter- 
händlern Maximilians darüber Rache schworen, 
dass sie ihre Stellung, jeuer Stadt gegenüber, 
festzusetzen vergessen hatten. Es musste somit 
in Bezug auf Dornik ein besonderer Vertrag 
geschlossen werden. Solches geschab zu grossem 
Verdrais deijenigen, für welche die Plöndening 



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eine Quelle des Reichthutns war, und welche 
naniuehro der Bache der Flainänder ausgesetzt 
wurden, wie ein Chronist sich ausdrückt. 

Die Reihe kam nun auch an Cambrai. Die- 
ser Ort sollte dem Reiche zuräckgegtellt wer- 
den; nach den grausamsten Verwüstungen und 
willkürlicben Bedruckungen von Seiten der 
Kriegshäupter und Statthalter stellte der König 
in Person eine Art Ordnung und Gerechtigkeit 
wieder her. Man kam auch über gemeinschaft- 
liche Besatzung im Schlosse von beiden Par- 
teien überein *). 

Als Maria die Nachricht vom Abscbluss des 
Stillstandes empfangen, war sie im innersten 
Herzen froh, da er den Gemahl für eine ge- 
raume Zeit ihr wiedergab. Sie ordnete Alles 
zn festlichem Empfange desselben an. Von 
Ungeduld der Liebe getrieben, war er auch 
alsbald ans dem Lager nach Brügge mit weni- 
gem Gefolge vorangeeilt. Als die Trompeten 
die Ankunft des Ersehnten im Weicbbilde der 
Stadt verkündigten, eilte sie, aller Rücksich- 
ten der Hofsitte vergessend, unter das'Haupt- 
thor, den jungen Philipp auf dem Arme; und 
als der Prinz vom Pferde gestiegen, stürzte 
sie mit dem tbeuera Pfand ihrer Liebe ihm ent- 
gegen und rief mit grosser Innigkeit des Ge- 



*) J. Molinel Chap. 60. enthält den Vertrag am voll- 
sländigst«»; v«rgl, die Beilagen. 



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£37 

iniithes, den Säugling ihm in die Arme Ie< 
gend, ans: „Herr, das schenk' ich Euch zum 
WiUkomm; seht hier Eurea Sohn, nnser Bei- 
der Kind, dan jungen Philipp, aus kaiserlichem 
Stamme." Max schloss den S&ngUng aa seiil 
Herz und sprach : „Gesegnet sei das edle bnr- 
gundische Blnt, und Heil dem, der nach Philipp 
TOB Valois den glorreichen Namen trägt, doch 
mnss er fortan nun memen Namen tragen; was 
sagt Ihr dazn, geliebte Marial" Die Fürstin 
erwiederte: .„Herr, was Euch beliebt, das ge>- 
fallt auch mir; Euer Name muss billig roran- 
gehen." Und also hiess der junge Philipp fiir- 
der von Oeiterreick. Die beiden Gatten aber 
ritten nach ihrer Herberge; die getreuen Ritter, 
in die Freude derselben sich theilend, folgten. 

Sofort treten nun Oranien und die Ereig- 
nisse in den Bnrgunds auf die Scene. 

Bereits früher ist bemerkt worden , wie - 
der Prinz von Oranien die im Anfange der 
hnrgundischen Wirren gespielte Rolle zn Gan- 
Bten der Maria gewechselt und zu den Füssen 
seiner rechtmüssigen Gebieterin zurückgekehrt 
sei; ferner, wie er in der Franche - Comt£ wi- 
der den Herrn von Craon wirksam aufgetreten. 
Den Vorwurf wegen solchen Widerspruchs zwi- 
schen beiden Handlangsweisen entwaffnete er 
durch die ErklSrang: „loh habe längere Zeit 
eine Heirath Mariens mit dem Dauphin für das 
Vortheilhafteste angesehen, and diesen Plan 



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ans allen Kräften zn befördern gesncht; die 
Wahl der Prinzessin hat anders entschieden; 
unterwerfen wir uns ihrem Willen!" Also re- 
dete er auch zu den Frei-Bargondern, deren 
GeraUthei er auf jede Weise nun niastimmen 
wollte. 

Nachdem KSnig Ludwig XI. durch ein 
Schreckenssystem die gegen Maria forldanernde 
Sympathie der Bewohner dieser Grafschaft be- 
straft, und Craon durch allzugrosse Sicherheit 
und Zuversicht den grossem Theil wieder ein- 
gebüsst halte, während Oranien, nunmehr Ge- 
nerallieutenant in sämmtllchen Prorinzen der 
Herzogin, von den Yaudrey's unterstützt, das 
Redlichste gethan, concentrirle sich der Streit 
hauptsächlich um die Mauern vonVesoul, wel- 
ches ebenfalls gefallen, von den Franzosen 
aber aufs Neue nun eingeschlossen war. Lei- 
der entschied sich das Kriegsglück auch diess- 
mal wider Ludwig XI.; in Treffen und Hinter- 
halten wurden ihm Tansende der besten Söld- 
ner erschlagen, und die Flnthen der Saone 
färbten sich von Franzosenblut; andere Haufen 
6elen in die unerbittliche Hand des aufgereiz- 
ten Landvolks; Craon war nach Grey geflüch- 
tet, dem einzigen wichtigen Orte, welcher dem 
Könige noch in der Franche - Comt6 geblieben. 

Der Zorn Ludwigs bei allen diesen VorfUIlea 
war ohne Grenzen. Er liess dem Prinzen von 
Oranien, wie einem gewöhnlichen Staatsveibre- 



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23Ö — " 

eher, den ProzeBi machen, dnreh einen Sptnoh 
de> Parlamentes von Grenoble das Fürstenthaia 
Orange ihm abschätzen und der Dauphin^ et 
einverleiben; den Prinzen selbst hing man int 
Bildniss an Händen und Füssen aaf, und zwar' 
in allen Städten des Herzogthnms Bargand; 
ÜB faktische Ausführung an seiner Person selbst 
ward dem Herrn von Craon aufgetragen, wel- 
cher freilich dazu grossere Lust, als Gelegen- 
heit halte. 

Der Prinz, mehr ausgezeichnet durch das 
grosse Geräusch, welches diese Art von Rache 
in Europa machte, als dnrch die Misshandlnng 
seines Namens in der Meinung gebrandmarkt,, 
suchte des Königs Hass seinerseits redlichst za 
verdienen. Dieser Letztere ging so weit, dass 
er, auf die verdächtigen Aussagen eines Aben- 
teurers hin, Ocanien sogar als Giftmischer hin- 
zustellen suchte, und durch das Parlament 
neue Unheile zn dem bereits erlassenen fEllleB 
Hess. Diese Anschuldigung, welche mehr Lud- 
wig XI. selbst, als seinem Gegner, ähnlich sah, 
hatte im Publikum nicht die gewünschte Wii^ 
kung; man glanbte meistens alle Verbrechen, 
sobald sie anf des Königs eigene Beclinung 
kamen, und selten eins, sobald es gegen ihn 
gerichtet war. Man hatte sich daran gewöhnt, 
dass er zu Meuchelmord und Giftmischung selbst 
oft nnffoderte, hlos um gegen diejenigen, welche 
•r TerderbcD wollte, Stoff tind Vorwand zu haben. 



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Der Brader dei Prinzeo, Hugo von Chalons, 
Herr zu Chateau- Gojon , rückte mit starken 
Haufea nanmehr vor Grey, um den Franzosen 
auch diesen letzten Ort noch zu entreissen. Aber 
Craon, durch das Unglück weiser und kräftiger 
geworden, schlug die Stürme ab und tödtete 
dem Grafen über 1200 Mann. Die Frei-Bur- 
gnnder eilten, für die Einbusse Ersatz zu neh- 
men, und fielen verwüstend in die Graftchaft 
Cfaarolais ein; sie verbrannten St. Gengonl and 
eroberten im Herzogthume Burgund mehrere 
feste Plätze. Auf die Kunde hiervon erklärte 
sich jetzt auch die Partei der Maria entscbie- 
.dener inDijon. Der Bürger Chretieti Noot er- 
hob die Fahne des Aufstandes, tödtete den Prä- 
sidenten des neu eingesetzten Parlaments und 
erfüllte die Stadt mit Mord und Verwirrung. 
DerBrandsioff iheihe sich auch andern Städten 
mit; schon halten die Einwohner von Chalons 
den Abfall beschlossen: da eilte Craon mit 
Macht herbei, verhinderte ihre und Toulon- 
geons Anschläge, und stellte mit Hülfe des hur- 
gnndischen Adels, welcher in seinem Verrathe 
dnd in seiner Abneigung gegen Maria beharr- 
lich lieh zeigte, einigermassen das Gleichge- 
wicht wieder her. Der Aufschwung des getreuen 
Volkes ward also hier durch die rereioigten 
Bemühungen des Feindes von Aussen und der 
Widersacher im Innern wieder unterdrückt. 

In der Franche-Comt^ ging es nicht n 



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341 

leiehti hier wirkte Alles zusammen für die In- 
teressen der Maria, nnd der Hass gegen die 
Franzosen wurde vorherrschend. Craon suchte 
die Empörung dnrch verdoppeltea Schrecken zn 
ersticken. Von dem Gewinne Döle's hing daa 
Meiste ab. Er leitete somit die Belagerung die- 
ser zweiten Hauptstadt der Grafschaft ein, und 
mehr als 14,000 Mann Kernlruppen, sowie eine 
änssetst zahlreiche Artillerie wurden daza ver- 
wendet. 

Der Herr von Toulongeon befehligte in Ddle 
an der Spitze einer sehr geringen Besatzung; 
aber der Muth der Bürger ergänzte den Man- 
gel an numerischer Macht; alle Classen, die 
Studirenden der Universität mit eingeschlossen, 
nnd diese voran, ergriffen die Waffen und 
schwuren , für die Sache der geliebten und ver- 
ehrten Maria bis zum Aeussersten zu stehen. 
Hie Briefe Kaiser Friedrichs III., weichet in 
diesem Augenblicke mehr Trostworte und Ver- 
mahnungen als Geldsummen und Truppen 
schicken kannte oder wollte, steigerten die Ent- 
schlossenheit. Die Universität ging allen an 
Beharrlichkeit und Eifer voran; ihr Beispiel 
goss auch in das Herz der Frauen und Mädchen 
die Flammen der Begeisterung, und Craons 
verachtungsvoller Spott vermehrte nur die Er- 
bitterang nnd schliff noch schärfer das Schwert 
des Widerstandes. Mörderische Stürme wurden 
heldeumüthig -abgeschlagen und durch allgemeine 
L 16 



..gniod., Google 



Aufille erwiadart, wddie <t«ii Fraaaoien mbc 
Menge ihtar besten Leute kaUcten. WübreiMl 
ihie Väter, Söbae und Brüder in bnnem 
Kani^e mit den Feinden üch nuuen, lagen 
Jene grosaheraigeM Seelen aaf den Kniecn in 
Kirchen nnd Kapellen, oder bewachten die Zu- 
gänge, und sorgten iiir Stfirkang sad ErqDwknng. 
TriunpbireDd kehrten die Dolenaer in ihre 
Maaern aarnck, and der nnerbittlidie Craoa 
liess znm Abzug blasen. Jährliche Dankfcate, 
TMi den Frauen im rerhfingnisa vollen Angen- 
Uicke angelobt, verherrlichten die Tbat der 
Aettang; mhmrtdle Devisen, ven Maria v^ 
liehen, verewigten daa Andenken an dieselbe. 

deich darauf schlugen die Vandrej'a noch 
da» TrQmmet der Belagerungaamee , and der 
Prinz TOB Oranien einen Theil der Bentinng 
TOB Cirej. Da fiel endlich aneh dieser I%itz 
ia die l^nde der Erzbenogltelien ; die Franzo- 
tan verHessen ihn in Flammen, die sie Torher 
aach angezündet;, aibar die Reiterei der Fraacba- 
Comteien lachte ibcen Ruin dadurnh, dasa sie 
die Mordbrenner In Slüeke hieb. 

Das Ansehe» Craons hatte dnrek diese g»- 
hinfiten UnfiLlle bei dem eiUtterten Könige be- 
devtcnd gelitten; vergebana strengte er die letx- 
ten KrttfitB für Wiederherateünag des veBlomen 
Kriegflglnekx an; aelbat sein gelungener lieber- 
ftfl Oraniena bei Gy, nnd aeia erfolgloser 
Si^ über Toaloagaon (weldrar bei dieaaa An- 



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243 

l«iM in ■•!■• Eläade gmielh) kontito ei nicht 
wniem henIcUen. Unermaislit^« RiiicIitimBCT 
trSstetea iea is Un^aiide gcfaLÜntm FeMbem 
mat sennea Getcmiy wohin «r, darHafganM nnd 
den Gesrhttften antangendT sich znrüciligeza^;«« 
Itttle. CharUwiM Chaumont, Hmf za Anboise, 
toigtB IImb ia aeine» ^cilm;. ein Charakter voll 
TspferkMt und Einsidit^ T«U Tnaa nad Un- 
•igfennäti^eit für die Intensatn des KSt^s. 

Die Sachen des Priozen Ton Oramen selbst 
stasden, trerlz all' d«r aDgedentetca^ rnlnneidMa 
Veniehtoi^eD, nicbts vreniger ats gi&Dseard; 
Er halt» sein' Privatgui im Dicaste der Sa«be, 
weicher er sieh geweiht, «» zieaalicb sag», 
«etat; er sewartete Tcrgebcas voa: den reinheny 
aber geiziges O&eini MaxiiBiliHiu, d«n Eia- 
henoge Sigiswaiid in Tjrol, Getdaateratütanng; 
and Äea« hemmte «eise Plane und Operatiaasa 
nicht wenig. Es war ein grones Ungtäch, dm 
oft die R&tbe der Gtegnex selbst vsa Lodwig %l. 
bestsehen waren oad desaen Abaiehten wwt ^eds 
Weise befSrdein halfes'. 

Von praktiMkevem Naftnen: zeigte «iefl nia 
diese Zeit die Freundschaft der twAviiSfrittHe» 
Ktägmantn. Diese, obgieioli des KAaiga Söld- 
aer nnd Verbündeter mterstütsteir daana^ 
bsimrlich Ha Ba^nder nrit Batht and Tbof, 
aad gingen aut Urnen VerbändaiMe eiw. Urs 
geinnde Politik zeigte ihnen die Gefalir franzS- 
sitchec Nachbarachaft für ihien Staat. Sq nur 
16* 



..gniod., Google 



244 

war es demnach m&glich, daas sie fast in der- 
«elbea Periode xa Lnzern einen Traktat mit Lud- 
wig, and einen andern mit Maiia schloBsen. Sie 
verboten öffentlich unter Todesstrafe BSstungen 
wider den König, und erlaubten dagegen Btill- 
schweigend allen denen den Dnrcbzng, welche 
bei den Burgundischen Dienste zu nehmen eilten. 

Der Prinz von Oranien , durch seine Neuen- 
burgscben VerhSltniase mit den Eidgenossen 
vielfach in Berührung, .hatte bei den Untei^ 
handlnngen Bahn gebrochen. Eine Gesandt- 
schaft war noch im Jahre 1477 an Mariens Hofe 
erschienen, und anf das huldvollste empfangen 
worden. Man wSlzte die Schuld des Unglück« 
in den drei Schlachten (hei Granson, Murten 
und Nancy) anf ein höheres Geschick, anf die 
Fehler der Vögte und auf b^dagenswertfae Miss- 
verständnisse *). Doch musste die Fürstin die 
Freundschaft solch gieriget Söldner thener ge- 
nug bezahlen, und das Geld mangelte daför. 
Andrerseits gingen tentsche Söldner, welche 
□nter burgundiacher Fahne gedient, haufenweise 
lur französischen über, weil diefiezahlang da- 
selbst richtiger floss. 

Nichtsdestoweniger zeigten die Einwohner 
des Herzogthums denselben Enthusiasmus für 
Maria, wie die der Freigrabchaft. Jeder 
Tag sah einen neuen Abf^ oder eine neue 



*) MiäUn Schw. Geachidile, letzter Band. Banmu I. c. 



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245 

Uebergabe des einen oder andern Platses. Der 
Strom der Bewe^ng riss aach Zweifelhafte 
oder minder Gutgesinnte mit sich fort. Was 
solche Dinge bedeutend f5rderte , war die lüb- 
müng, welche, in Folge des Feldhermwechsela, 
in die Operationen des feindlichen Heeres ge- 
kommen war. 

Karl Ton Amboise entwickelte grössere Be- 
sonnenheit und Energie zugleich, als aein Vor- 
gänger Craon. Er trat zuerst als Diplomat and 
später als General auf. Er wnsste einen grossen 
Theil der Teutschen von der Prinzessin Sache 
abtrfinnig, und die Schweizer unthätig zu machen. 
Während er durch grosse Gelder sie in sein 
Lager hinüberzog, kirrte der König, sein Herr, 
den Stolz der freien Eidgenossen dadurch, dass 
er ihren republikanischen Formen und ihrer 
weltgeprieaenen Tapferkeit schmeichelte und 
sieh deif Titel eines „Bürgers von Bern", als 
den für ihn allerehr envollsten ansbat, sowie 
anch, dass er in den Sffentlichen Verhandlun- 
gen mit den Cantonen den „des besten Freundes 
und ersten Verbündeten der löblichen Eidgenos- 
tenschiA" Ton sich gebrauchte"). Auch verstand 
er es, mit grosser Geschicklichkeit die Erinnei- 
mogen an die schweren und TteUacben Unbilden 



') II fallet, poni lui accorder ce tltre, faire ud pas«»- 
droit au Dac de Saroie, qui £toit le prämier en date. 



..gniod., Google 



246 

i«UiBft BD naclMii, welche jene Bepnblik tob 
de« Himera Habiburg und Qvrgnnd erduldet. Et 
ward daher immer mehr die Idee gangbar, daM, 
wUireiid dieae beiden als die geechwomen Erb- 
feinde der Schweizer UngeUellt worden, Frank- 
reich der nlchste und natiriide VetbÖRdete 
derselben bleiben müsse. 

Nachdem Karl Toa Anboiae durch Unler- 
handlflDgen so glücklich rorgearbeitet, begann er 
haninehro anch auf offenem Felde seinem Feind« 
znmsetzen. Er vemicbtete den A^iderstand 4er 
Partei Marieni im Herzogthom nnd unterwarf 
daeaelbe fast gans dem Könige. Der Prinx von 
Oranien, theiU ia Folge wichtiger Versänm- 
niMe, theils durch die Notbwendigkeit der Ver- 
tfaeidiguog der Freigrafs^aft zaruckgeballen, 
iberiie«a die Provins ihi«m Schicksale. Er 
begnügte lieh, Simon von Gningcjr«nit einigeo 
Tmppea ^hin za beordern, welche aMr etwu 
Eibebliches nntzurit^tea weder Kraft noch 
Willen besnssen. && ging denn aacb Verdnn, 
wcleheB man in 4unaügeff LfigO) nngeicbiokt 
gienng, na balten fest aiab vMgesetxt, duicb 
Stern en die Frann— n aber; Benane, wrietMS 
Ittnger steh Tcrtfiei^gte, büaate nncfamaU sei* 
■en WidentAMl iaTtk vn^vbenve BrandncbMtSBB- 
gen; Aassonne aber fiel durcb Yerratb. 

Amboise, auf diesem Punkte ferner nicbt 
mehr gehemmt, brach sofort onn auch in die 
Franche-Comte ein. D61e, welches dai «rste 



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Mal a» beroMdi uoli gehalten, erlag codUdi 
b«i eiBeoerlei Belagenuig ebeo&iUji A%m Ga- 
flctiicke in Folge s<^n(iliGbea Verratfas. Eint 
gewonavae Partei and 'die iontschea SöUner 
brachtea bei«inem T«rabredef en , falschen Asa- 
Uäf «IM« Masse frantosiscfaer Freischätaan mit 
d«rch die Ttiore hereid; die Stadt sah sich 
pbMalkh übenchweuHit und bewältigt, fedu 
ferner« WidenstanJ war fruchtlos. Eine allge- 
UMine Plündcrw^ ümi aUHt, «od eine gänxticfa^« 
Einascfaerniig yaü oade ta 4b8 Traaersfi«!, w*l- 
«hea der Herr roo Chaanont, sor Säfana Bii 
den früher erlittenen Schimpf der WaffKMhr« 
aainea Monarchen anOtihrte. 

Glnckllcher war Beaanqon, wekliea, ala freta 
Stadt des teutach^i Reich«s, nur dea Schatz 
und nicht däe Henaehafi vMi Bwgnnd aaar- 
kanot hatte. Kein drüigeiidcs Interess« be- 
«timmte die Bürger aar Wehr gegen die Trwp- 
f«m Lndwlgs; und da Karl von Antbaiae du 
JBocbte Bod PrivUegian der widttigan Stadt xa 
ahrMt verhteaa and «ine Urkunde darüber ana- 
stallte, ao «fihete sie, in Folge Veigleidis, di« 
Tihore. Letxerer aalbst ward, gegen die G«> 
«r«ihDheit der ünoiöaiBchcn FeUfaenran, gewis* 
aMhaft beabadhtM. j)er Rest des Lnndea £id 
Min «lue adiwer« Arbeit, nach Einnahme dar 
Hauplplfitze , dem Kiinige otitnfatls so. 

Dieser, so hocher&eut er über all' die 
glänzenden Erfolge war, fühlte doch eine dop- 



..gniod., Google 



pelte Uorah«, iheiU bei dem Gedanken, dasB 
Amboixe, nach Craons Beiipiel, dadurch zum 
Uebetmathe verleitet, die erworbenen Tro- 
päen durch irgend ein Unglück wieder ver- 
scherzen könnte, theiU auch bei dem, dass 
die Iftngere Anwesenheit in der blühenden Pro- 
vinz seine Feldhaiiptleute und Soldaten vev- 
weichlichen dürfte. Er gab daher seinem Feld- 
herrn eine andere Bestimmung, nämlich die 
Besetzung des Herzogthums Luxemburg, wo 
zahlreiche Verständnisse mit der dortigen fran- 
zosischen Provinz den günstigsten Ausgang zu 
verbürgen schienen "). 

Ehe wir jedoch die dortigen Vorfälle me^ 
den, mnss des augenblicklieben Aufstandes er- 
wähnt werden, welcher das rastlos -nnrnhige 
Gent um jeue Zeit zu zerrütten drohte. 

„Als die tödliche Zwietracdit — so erzählt 
Molinet mit seinem gewöhnlichen Pathos — nvr 
mühsam ein wenig eingeschläfert, and von den 
Fürsten ini einige Zeit in Folge der angenom- 
menen Waffenruhe sich vertrieben sah, sachte 
sie, die niemals unthätige, eine andere Stitte 
auf, wo sie ihre grausamen Werke fortsetzen 
möchte. So geschah es denn, dass sie zo'Eade 
des Februars in Gent sich niederliesi und die 
Meuterer dieser Stadt \f;ider meine gnädige« 
Herren von der Jnstiz empörte." 

') OaUlari i. H. W, 



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Die Veranlassung gab eine anbedentende 
Erböhnng der Malz- oder Bier-Stener. Die 
betheiligte Zunft brachte alsbald anch andere 
in Bewegung; verschiedenen Personen, die man 
für die Urheber der Neuerung ansah, wurde 
der Tod geschworen. Die Behörden traten mit 
bewaffnetet Hand dazwischen; inehiere Tage 
lang stritt man sich in den Strassen hernm, bis 
die Aufruhrer endlich auf allen Punkten über- 
wältigt und zu Paaren getrieben worden. Nur 
ein kleiner Hanfe hielt lange noch in einer 
Kirche Stand, die sie wie eine Festung ver» 
th eidigten. 

Verschiedene der Hartnäckigsten waren auf 
dem Platze geblieben; andere hatten die Flucht 
ergriffen. Von den Gefangenen begnügte man 
sich die meisten aus der Stadt au verbannen; 
acht oder zehn der schlimmsten jedoch winden 
aof dem Markte enthauptet. Die Punkte, welche 
Uir Verbrechen enthielten, waren folgende: Es 
war ihr fester Entscbluss gewesen, die zwei 
Baillis, die zwei Dekane und die Schöffen der 
beiden Bänke, und endlich alle diejenigen zu 
tödten, welche sich ihrem „näiriabhen Auf- 
stand" entgegensetzen würden; sodann did Kir- 
chen von St. Peter, St. Bavon, die der drei 
Bettelorden, endlich alle reichen Bürger und 
Xombarden za plündern. Das Schlimmste abeir 
von Allem war wohl ihre Absicht: alle relthen 
nnd hübschen Wittwen mit jungen Leuten aus 



.igniodD/GoOgle 



2S0 

ikter JkCtta cu vuheü-athea, nnd 4>e VciTai- 
sMg XU äadei», d«Bit sie die Stadt köBftig 
Mtcfa ihnM Gntdüoiben m regeren im Stande 

Es ist früher ichoa enShlt worden, duii 
der Köaig tod Frankreich , «]s er das letxte Mal 
v«a Cambrai schied, die Lilie« von dsu Stsdt- 
thore wegbringen, und den Reichsadler wieder 
aofiiflaDBen liesa; und ferner, dass er dem Be- 
fehishaber i» Schlosse de Seiles strsoge JKea- 
tralität anempfahl. Nicbtsdestoweoiger eilte 
Lenis de la Salle, sich stark zn befestigen, 
am von da aus die von Cambrai stets im Zmim 
nad in Forcht zu eifaalten. Die Bärg«c liessen 
sich hitfai^ eine Bande tentscher BfiehsMi- 
•ohützeo TOB Vale««ie«Bes aus kommen, ebens« 
eine Abtheilang ^Jesehüta und Train, nm gegen 
^Adlige Zndriaglicbkeiten der Franzosen sieb 
mm scürmch. Die Herren voa, Booiwa uad Her- 
diie« leisteten ifasen vcm Bachnia «us iaUti' 
^•n Beistand. 

Die Cmabreser wäre« ^rtschlossen, die Fi9U- 
zosna in iibrer Verte selbst «nn aimgretTwi 
allein «inige reühs Indtvidnen ans ihrer Mitte, 
Welteke ihre Scfaätc« oncfa deraelbpa geflOobtM 
haften, waten «n eebr bei der Sadie betheili^ 
■is dass cäne Besehiewang in ibren WünseJwn 
liegen kenate. Sie veriaäderten also die dn»- 

■ . I- i) M tUt i tC^ 6«. 



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251 

fSbfung der Maanegel, und sah«n «t liabsr, 
dasi die Franzosen aaf ihre Stadt sohossea and 
manche Le>ate tödteten, statt durch mntbig«B 
ÄDgriff cnTonakonmen. Mbd twvchte das Ge- 
Schulz sofort noch ValenicienBes , nod di« Hee- 
ren TOD BouBS« und Herchiea kehrt«» zn ihren 
Getcbäften xaiäck. 

Jacques de Luxerahnrg «nd der Herr von 
Fiennes bewahrten abwechselnd Bonchain die 
■evtl Monate bindnrcfa in sieaitidieiB Friede«. 
Gegen Ende Aprils jedoch fährten die Batgwi* 
diHGben, von geheimen Anhängern tmterstötKt, 
•inen Schliß auf de Soles ans, und nahraen 
die Bnrg; die Besatinng ward kriegsj|;eSaiigeit. 
Nadidein die beiden Anföhrer durch die Pforte 
St. Johann in Cambrai ihre» EiiKOg g^ialMtt 
und mit Kriegsbedürfaissen sieb verstttrkt, aa«h 
die Gefangenen von deSolea freigeg^ea, rück- 
ten si« T«r Crevecoear, Ebb«, Laidaing and 
Honeoonrt, welcbe '«ämntlicb sieb antenvarfea. 
Nach dreiatfindigem Sturme wand daratif a««b 
die Barg Badiain ganaaunan , da di» iEünwohoer 
der Stadt glaidies Naia^, vor der Baobe dar 
Fraazosen ziMerod, die Borgnadiadun selbM auf 
das dringendsta bienn eiogcladen batten. Bean- 
ravoir^ Avm Bastard vo« St. Pol angabareAd, 
folgte. Nichtsdestoweniger verloren Jene nach 
allgemeinem Wiederbeginn der Feindsaligkeiten 
ha Mai mehrere der eroberten Plätze w!e3er, 
da die Freischätsen dea Königs Ludwig luioe 



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252 

AmtrengaD^n gespart hatten; nur von Bohain 
Biassten die Franzosen anrerrichteler Dinge 
abziehen. 

Der gröaste Dorn im Ange war den Letz- 
tem die 8tadt Douai, aus Spott nur die rolhe 
Stadt genannt. Diese zählte viele tapfere and 
stolze Kriegsleute unter ihrer Besatznng, und 
die Feldherren der Maria and det Erzherzogs, 
Bomont, Fiennes, Chanterain, Saleazar und 
Andere unterhielten rüstig diesen Math. Sie 
verstfirkten die bereits vorhandenen Werke, 
legten deren neue an, Hessen liefe Gräben am 
die Stadt herum aufiiihren nnd besetzten alle 
Posten mit grosser Sorgfalt *). 

Ehe aber liier etwas von Seiten Creveeoeurs 
anternoRimen wurde, erlitten er und sein Bru- 
der Antoine grosse Schmach vor derselben Stadt, 
die den Namen ihres Geschlechts trag. Bo- 
mont, Fiennes nnd Santray waren nächtlicher- 
weile dort angekommen, hatten Anlon von Cre- 
vecoenr überfallen, und den Ort selbst gestürmt 
nnd geplündert. Mit Zähneknirschen empfing der 
Feldherr Philipp den oenen Unglücksbericht nnd 
schwur: „Wenn er noch zwei Jahre das Leben 
behalte, diesen Streich den Burgnndiscben zn 
vergelten **)." Sein Gefolge aber meinte : „Er 



•) MoNaet Chap. 64. 

") Der Dialog, den die Chronik (di« WönderL Oor- 
Itghat) ihn Mit aÖDem Bmder haltm läirt, ift aehr anäe- 



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253 

habe ihnen schon mit Wtioher zum rorans es 
gethan, und liethen ihm einstweilen, von Hes- 
din ans, wo das Hauptvolk lag, eine Kriegs- 
list anf Douai auszuführen. Einzelne Partieen 
von Soldaten sollten, als Marktleute verkleidet, 
in die Sitadt sich einschleichen und den übii- 
gen die Thore öffnen." Aber die Sache miss- 
lang, und die Franzosen wurden mit blutigen 
Köpfen, und mit grossem Schimpfe beladen, 
nach Hans geschickt *). 

Der Herr von Bouggu gab sich alle Mühe, 
Cambrai zu erhalten, was von den Franzosen 
onaufbörlich bedroht wurde. Mit Arras an- 
terhielt er geheime Einverständnisse, and die 
scblinune Gesinnung der Bürger dieser Stadt 
machte denKÜnig so sehr besorgt, dass ei den 
grSssten Theil derselben heraustrieb und ins 
Innere von Frankreich verpflanzte, dagegen 
aber eine Anzahl Franzosen ans ergebenen 
Städten zur Ansiedelung in Arras bestimmte. 
Es erhielt von der Zeit an den Namen „Fran- 
cbe-Ville"; der Offizial des Bischofs aber 
nannte sich später: „0.ffiei^i$ Lüertinen- 
*ü" "). — Die prachtvoUe Ablei St. Yedast 



hend. Jeder Sieg Aber die Franzosen wird Ton den Flä- 
mingern mit der ledieügsten Babmredigkeit in die Länge 
und Breite erzälilt. 

') Molinet Chip. 64. tFonJerl Oorlegk. p. 8i-86. ' 
**) ^eniez — ruft MsIm«! ans — qve) doril an coeor 



..gniod., Google 



i'Anss, g«xiert dnrdi so viele rimvüFäi^ Prie- 
■tcr, lag fbvtari wüite, and vfmri Mos tod robes 
Kriegsle«lea besetzt; Icrwh körte man noch 
•ine Mesie ed^ einen feierlicheK Gesaig;; das 
riecben der {nnnösiseliea Rftnber, nneitlliobe 
Lieder nnd Spiele traten bd die Stelle dar- 
■elben ■). 

WiÜirend des Wstfenatilktandes wai die 
Shadt Feriam (Firiom} ron Fraasoses, BnifiiB- 
dem, Spaniern, Lothringern nnd BarrcFn, s«w>c 
▼•■ allerlei g;eRiiKliteD ^Idtiuppen genwinsam 
beswttt geweeen, wel^e DiclstB ala Raab nnd 
Hfindarug fncben wai dae Hcnogthnui Lnxe»- 
bw^ und, das Gebiet Ten Meta sehr bedrück- 
ttm. Vim dlttsei» st^mi^cbcn ZusUnd cm Ende- 
rm leaekca,. belagerte dei Graf voa. Ckma^, 
nnterstätzt tsm La- Baifae^ dem. EJbir aus de« 



i* autaat k* ob» que k» mttre», b l'aagri^ 
(«IX dipartiment du Ueu de kuc aatint^, et delaJHUit 
lenr» häritages, nalBona, gardiru et lieux |;iIaiBani„ et qni- 
rant estrange patrie diiT^rente ä leur nation." Ein nücdi-. 
gea GegeartScK znr ßekaontea Maasregel des llIiGrina. 

*) „Aimi estolettt tant prienn et poSia dispers, fiigf- 
tift , Tagabead» et Kendiana pa« lei pajr. Et estment leon 
eloiitres, dortotrs et devotes chapelles planes des r^ligienx 
de Man, de gendannes et compaignons de guerre, les- 
qnels, en lieux de plaina chanta notables et k Biea adm~ 
aaiiB, chsntoient chaasoof iofamea et deshonestea et k loi 
depIaisBDs, jonoient ä des, k tables, cartes et anltres jeax 
m^ehaata, •* «a IWu d» «aincte lectara g — i — t k Dien 
ii^ue." KaÜMt p. ISe. 



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253 ■ 

AnttoBWMt, dem Manofaall vim Laxembai^ «ad 
«■igen ^Mlern Fähiem , wui an <Eer Spitie von 
Biig«fäbr 10,000 MaBBj £e Stadt, und bonibar- 
dirte si« auf das Heftige, bii si« «or Uvb«- 
gabe «icli renUod (27. Jimiu 1479) "). Aber 



*> „Pcaduit CBB Uirta la Tille de Tertom Mtoit gar- 
nie de Franfois, Buiugoignons, Espagiwb, Lerraine, «t 
Bairois entremesHs eosemble, et de pliiiia>ra lontierB et 
grand pUlard« de gverre, taut de choTil qae de ^ed, les- 
qneh teoaUnt la ]>Hch£ de LHxenbonrg, et cenx de Meti 
«n tria-grande nibjeetion, Dont, pou däivm lei pays i 
renricoo de cette craelle et mis^nble aerritude et ezUiper 
la {Wotene racMne de cette faoUe ef bomble laiOBiwii«^ 
Homeigoe^ le Caat* de CUraajr, La Barbe, k Sanier 
d'ArdeoDe, le maruial de hxaxakiemrg, le SeigneM d'Aa- . 
M, le SeigDcor du Vay^ W SmgMui d'Eatroen, le Yeau 
de Bonzentoii et lea Nsmartä , «n nrnnbra qaari de dix 
■ille, asiügwent la -riUe, et kt^ella M hanibl«BMnt bat- 
tOB de b»baj'dBa et graa engina." 

„Ceux, lesqaeU eatoient dedana, doubtoieBt l'aseMdt; et 
ceuDM dempt^ .et monlt «hoconragte, T«yan» ^» pliu 
kvaot ne polrest temer aatia, teant ceotrifati far pve 
. Diceuitd de queric lenra a{ipoiiitemeiu; at tse^verent ea 
subBtanoB tnöetä tel ql^ü ■'aasoiC" 

„A. VkatMa supplicatian et leqneatre de l'eijco de Lo- 
r»do et gena d» gaem, msytat, jmtice, et habUBUs de 
la Tille de Verton, ACeuarägiieur kCbrnte de Cbh— y, p«e- 
■icr ChambelUu de loan trte-iedeabU Seigneor, Moni^ 
gneor le Sac d'Antiice, de Bcargongne, et lon Ke W wi M t 
gteAral ea wa paya da LazeaibauTg; aojonrd'hai lingt- 
•epti«ne janr da ca praHot mo» da Joia, a pand le trait^ 



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266 

nun mfit den Gesohichtsehreiber die glänzende 
Tropäe TOD Gainegate, nnd damit das ausge- 
zeichnetste Ereigniss des ganzen Krieges , nach 
einem andern Schauplatz. 

Der Erzherzog Maximilian hatte für die sei- 



„Premier, 1«. ville de VertoD aera mise es mains de 
mon dict Seignenr le Lientenuat, et de ce en aeront ball- 
te de bona hostages." 

„Item, toUB priBonaien qni sont des pays et serriteors 
de mon tres-redoubt^ Srignear, de Madame la Oncheue 
la compaigne, et qui tont es maiDB des gern de gneire 
eatani au dit Verton, et od qu'ils eoient, aeront qnites; et 
autres prisoaiiieri, •taat de Metz et avtres lieux, eeront 
nU es inains de mon dict Seignenr le LieuteQBut et de ce 
. eu balUeroat lei dicts geiis de gaerre bona hostages." 

„Item, toui gens de guerre, tant de cheval que de pied, 
qui setont des rojaulmes de France et d'Espaigne, a'en 
iroot a {ä«d et «n ponrpoint, nn Uanc baiton eu leor 
poing, saus pevoir portec anlcnne diose de leon bagnes 
et biens." 

„Et toas anlb-e», qid Bont des pays de mon dict Sü- 
gneor et Hadame la Duchease sa compaigne, ou manans et 
habitans en lenrs dicta pays, demoureront ea la boane 
gräce et plaisir de mon dict Seignenr le Llentenant." 

„Bt tons ceni, qm sont des paya de Lorraine et Bar- 
rois, 011 qni aont infractenis de paix ou traictä laict pac 
Measeignenra dea alliancea de la Hanlte Allemagne, da- 
DODTeront an bon plaLnx et Tolontd de mon dict Seigneor 
le IJeutenanL" 

„Et lera comprii le Grand G9et an traict« de cenlx, 
qni a'ea iiont nn blanc baaton en lenr poing." 
. „Et ne polront le« dicta ge» de gnane eitre ponr la 



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257 

ner Gemahlin Maria nnd ihm selbst zn^fii^eii 
Unbilden bei mehreren Anlässen an König Lud- 
wig XI., in der Person seines Feldherrn Phi- 
lipp de Crevecoear, Bache genommen; doch 
■t^le ein entscheidender Schlag die unwandel- 
bare Treue der Burgunder gegen das ange- 
stammte Fürstenhaus nnd die aligelieble Maria 
noch glänzender bewähren, nnd ihr jagendli- 
cher Gemahl als Schirmer ihrer ihm anvertrau- 
ten Lande sich in der Meinung der Niederlän- 
der stärker als je befestigen. 

Als der sechsmonatliche Waffenstillstand, 
welchen der französische König so schlecht ge- 
halten, im Julius des Jahres 1478 endlich ab- 
gelaufen war, brannte er vor Begierde, mit dem 



pment eo Ja dite ville de VerIwD, ne aller dedani nn 
moia is placea de Dampvillera, Marrille, Chuuery et Lonp- 
per; et mon dit Selgaeur le Lieutenant ten canduire le« 
dicti genB de guerre« jaaques oultre la riviere d'Othan 
•urement et saDlreraent des attjeta et serviteDn de moa dict 
Sügnenr et de ceulx de la <dt4 de Metz." 

„Toutes les quellea cbosef, et nne t^acoae d'icellei, 
noDa, Perico de Iiorado, ponr moi et ponr toutes le« gen* 
de guerre, taot de cberal qoe de pied et noiu , inajeur, 
jn»tice et commonaiitä de In dite TÜle de Verton avana 
promia et juH de bien et loyaumeat entreteiür le traictj 
dessus dict et le contenn d'icelui, tänoins noa seingi na- 
aneli de moi, Perico, et de noos, let dit« mayear, jnttice et 
boorgeoia cy mit, le dit Tingt-sepÜeme de Juin l'an mit 
^Datre centi soixante diz neuf." Jb/ütf Chap. 6S. 
I. 17 



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258 

tienloMB Feinde in oflener FeldschlBcfat sich zu 
metsen, und er zog in der CiegeDd von St. Omer 
eine nBgewöhiiliche Tmppeninacht zosRimneii, 
welche ans Bargnndem, Teotichen, Flämin- 
getn und Pikarden, sowie ans englisehen und 
Seidnern mehterer anderer Ntfionen bestand. 
Hierzu stiessen spKter anch nocb die Heerhan- 
fen des Prinzen von Oranien nnd des Grafen 
von Chimay. Man berechnete die Gesammtzahl 
der vorhandenen Streitmasse auf etwa 27,&00 
Mann. Maximilian verliess St. Omer am 25. 
Jalin* nnd nahm sein Lager tat drei Tage za 
Arqaes, sodann zu Clarqnes; endlich rückte er 
Tor Theronanne, an der Grense Ton Flandern 
und Artois, , Jenes schlimme Fenster, dnrch 
welches der französische Zagwind nnanfhörlich 
blies; er wollte es für immer versperren nnd 
zunageln," also erklärt sich der Historiograph 
der'Regentin Matgarethe. Der Prinz stellte sich 
an, als sei er zu einer formlichen Belagerang 
der Stadt entschlossen, nnd Hess auch wirklich 
sein Geschütz aufpflanzen, Schanzen auffuhren 
nnd Laufgräben eröffnen; sein Hauptlager war 
bei der Abtei St. Jean-au-Mont. Allein die 
Franzosen empfingen ihn gleich bei seiner An- 
kauft mit einem fürchterlichen Feuer aus Feld- 
schlangen, SD dass seinen Truppen die Arbeit 
s&ner wurde. Auch die 400 LanzentrSger und 
die 1500 ArmbruBtschützen , welche in der Stadt 
lagen, nnd welche der Herr von St. Andrieo 



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259 

aU FeldhasptmanD befehligtet machten den Flä- 
mändern viel za achaffen. 

Der Prinz errieth bald den Plan der fran- 
xdsisefaen AnfBhrer , ihn %a einer grossen 
Schiacht zu nSthigen; sein tapferer Sinn ver- 
mochte ihn jedoch , sie keineswegs abzuleh- 
nen, oder vielmehr sein eigener «ehntiichtiger 
Wunsch traf mit der Absicht des Feindes in- 
nigst xnsammen. 

Dreihnndert Lanzen des Letztern waren be- 
reits bei dem grossen Dorfe Tenen aufgestellt 
nnd harrten nngednldig irgend eines Ahenteoers. 
Max beschloBs, diese Abtheilnng ohne ZSgern 
onzogreifen , und trug demnach die Sache sei- 
nem Kriegsrathe vor, welcher iszwischen aller- 
lei Bedenken hegte, zumal aus dem Grande, 
dass man selbst im Ganzen nur 826 Lanzen 
habe, qnd von diesen ein grosser Theil so den 
Operationen seihet nicht in dem Maasse zu ge- 
brauchen sei, wie die Noth des Augenblickes 
wohl erfodere. 

Gleichwohl kam man znletEt dahin überetn, 
dais Le Petit Saleazar, begleitet von etwa 126 
Rittern, den Angriff aaf die Franzosen begin- 
nen sollte. Dieser Saleazar, „niemals müde, 
da, wo es ein gutes Abenteuer galt, kühn wie 
Hektor, verschlagen wie IJlfss, glücklich wie 
Cäsar, und seiner kleinen Scipionen mehr ver- 
sichert, als Achill einst seiner Myrinldoner" — 
also betitelt den wackcm Kriegamann det vie|- 
17» 



..gniod., Google 



phrasige Molinet — ritt bis Tenen, wo er 
die Franzosen alsbald überraschte und scfalog. 
Er nahm ihnen grosse Beute an Pferden ab 
and kehrte mit etwa 50—60 Gefangenen in das 
Lager zurück. 

Bald darauf erscholl das Gerficht, die Fran- 
zosen seien zu Blangey (in den flämischen Chro- 
niken Blangijt) angekommen. Der Erzherzog, 
„lechzender nach dem Anblick ihrer Fahnen, 
als der Hirsch nach der Wasserqnelle," wollte 
selbst bei jenem Orte sie aufsuchen; allein der 
Kriegsrath seiner edeln Barone, in solchem 
Waffenhandwerke besser geübt, als der jugend- 
lich unerfahrene Prinz, stellte ihm mit vielen 
Gründen ror: wie Blangey ein ganz unangreif- 
barer Ort sei, sowohl schon dnrch seine natür- 
liche Lage und durch seine Flüsse und Canüle, 
als durch die angelegten Verscbanznugen, also 
dass Maximilian von dem Gedanken abliess, 
den Feind Her anzngreifen. Einer der Gefan- 
genen Saleazars (welch' Letzterer oft „das Ange 
im Lager seiner Feinde hatte") theilte die 
Notiz mit, dass der Herr von Crevecoeur einen 
allgemeinen Schlag wider sie für Samstag, den 
17. August, festgesetzt habe. Bei dieser Kunde 
schlug dem Erzherzog das Herx hoch auf toc 
Freude, denn in einem franzSsischen Heere 
einmal recht wüthen zu können war seit ISn~ 
gerer Zeit der herrschende Gedanke seiner Seele 
gewesen. Allein da seine Streitmacht in drei 



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verachiedeDe groase Heersäulen oder Einzel- 
Armeea vertheilt war, deren jede der andera 
Dicht so leicht za Hülfe kommea konnte, ao 
hielt man eine inllränderang des Lagers nnd 
der Stellung für nöthig, ehe die Feinde näher 
gekommen. Das Geschütz, die Gezelte nnd 
das Gepäck worden desshalb nach Äire gebracht; 
darauf nahm man die erste Stellung wieder ein. 
Es ist nicht zu beschreiben, welche schänd- 
liche Schmähworte, empörende Spottlieder and 
giftige Beleidigungen die Franzosen ins bargnn- 
disch-flSmische Lager hinüber schlenderten, und 
wie sie mit triuinphirendem Hohngelächter aus- 
riefen: „Die Feinde sind geflohen; wir haben 
sie vor uns hergejagt!" Aber ea fiel Allea 
ganz, anders ans, als sie gedacht. 

Die Fläminger, welche diese Dinge ange- 
liürt, wurden aufs äusserste erbittert und schwu- 
ren, an den Franzosen bluüge Rache zu nehmen. 
Der Herr von Fiennes, Marschall, erhielt den 
Auftrag, Brücken zu schlagen, nnd die Herren 
von Liilain und Berghes begleiteten ihn dabei; 
der van Mingoval aber ward vom Erzherzoge 
ansgeschickt , einen passenden Uebergangsponkt 
aofzufinden, wo man Volk und Train gemäch- 
lich hiaübergeleiten konnte. Eine kleine Brücke 
stand beim Bache Cresecq schon fertig; für die 
Mehrzahl der Compagnien jedoch, sowie für 
das Gepäck und das Bombardierzeug mnsate 
üne gioxaeie ent noch geachlagwi weiden. AU» 



:.Googlc 



262 

nicht immag&nglich Nothwendige and alles 
Banmsterial ward dbgIi vollbrachter -Ueberfahrt 
in diu Walser geworfen, damit der Feind aich 
deisen nieht bem&chtigea könne. Herr Engel- 
bert von Nassan, der ritterliche Graf, dessen 
Tfaaten nachmals in alle tentsche nnd wSliebe 
Lande erschollen, und welcher diese Arbeiten 
mit rascher Geschicklichkeit geleitet, Hess die 
Ffthre durch eine Abtheilang Ton 4000 FlamSn- 
deni, unter Befehl von Lonis de Cene nnd 
Georges d'Escomet, bewachen. 

Samstags in aller Frühe geschah der Hanpt- 
äbergang über denFlnss, in schdner nnd preis- 
werther Ordnung; die Burgnndischen zogen, 
FBhnlein fflr FShnlein, nadi dem jenseitigen 
Ufer, „singend nnd freudetrunken, wie Bräute 
na Hochxeil." Alle dürsteten gierig nach Streit. 
Die Franzosen ffihlten nicht mindere Lust, sidi 
einmal rieht mit ihren Feinden zn messen, über 
welche sie des Sieges sich scfaen vergewissert 
hielten. Sie brachen also bei Blange/ aa^ 
marschirten bei Libnrg durch, nnd Hessen ihr 
Gepftck und ihre MandvonStbe nach dem Berge 
Enqni bringen. Ihre Macht bestand aas 22 
FShnleins, 1800 Lanzen, 14,000 Bogenschützen 
und ein« zahlreichen fliegenden Artillerie, deren 
Hauptstücke zu Qringade nnd Girade aufgestellt 
waren. Als sie selbst anf dem Berge endlich 
fti^elangt, schien dessen HShe mehr ein nnge> 
henres StSek dm feinsten Stahls, denn ein 



:.Googlc 



263 

Stück Erdreich zu sein, also erglSoKten die 
Schwerler und Speere und ihre Helme und 
Büstnngen im Strahle der aafgehenden Sonne 
iDB Thal hernieder. Zwischen diesem Berge 
Enqui nnd dem bnrgandischen Heere stand abef 
noch ein anderer grosser Hügel, Eigtmifgate 
oder Gtättegate ') genannt, auf welchem der 
Herr von Baudriconrt mit einer Anzahl Banden 
erschien, um za Scharmützeln; zwischen den 
beiden Hügeln selbst lag die Hauptmacht der 
Franzosen. 

Als der Erzherzog die furchtbaqB Macht sei- 
ner Feinde erschaut, ward sein Muth keines- 
wegs geschwächt, sondern vielmehr erhöht; ei 
ordnete rahig die Sehlacht nnd gab Saleazar 
Befehl, die ersten Scharmützel tapfer auszn- 
halten. Das gesammte Heer ward jetzt in ein« 
einzige Masse gebracht. An ihrer Spitze stan* 
den 500 englische Bogenschützen unter Thomas 
d'Orican, denen ungefähr 3000 Tentsche mit 
Hakenbüchsen beigefügt wurden. Hierauf ka- 
men die Schützen des Erzherzogs selbst, von 
der erprobtesten Gewandtheit und Fertigkeit im 
Handwerke. Herr Anton de Dus^e, Bastard 
Ton Burgund und OberstallmeiHter , tmg das 
Hauptbanner, Josias de Heim das Banner von 
Oeslerreich: „das Zeichen der Zuversicht, den 
Port dos Schirmes.** Unter ihm traten auf: dio 

•) Aaeta Emgw^isttt. 



..gniod., Google 



264 

Schaaren der Grafen von Bomont, Nassan und 
Joigny und vieler anderer streitbarer Edlen , nn- 
ter denen wir die \ainen der Herren von Ra- 
venstein, vonBeveren, von Croy, von Fiennes, 
Lalain, Lnxembnrg, Lannoy, Harn, Berghes, 
Habonrdin, Ligne, Barbenchon, Erchonwez, 
Montigny, Mingowal, d'Adise (Daysele), Pier- 
nez, Chanteraine, Briinen, Famars, Quleavrain, 
Chimay, Grnithuisen, Saleazar, Zncre, Le Meine 
de Benti n. s. w. vorzugsweiHe anführen. Alle 
beseelte das eine Gefühl, diessnial sei ihnen 
keine andere Wahl gestellt, als zwischen Tod 
oder Sieg, zwischen der Befreiung Burgonds 
oder schimpflicber Knechtschaft. 

Der Graf von Bomont war Haoptanfuhrer 
der Fl&minger; an seiner Seite and nnter ihm 
führten die ZoUern, Salenove, d'Anby, de Zn- 
cre nnd einige andere erprobte Waffengenossen 
an. Auch det Graf von Nassau hatte eine grosse 
Zahl flämischen Fussvolks nnd Armbrustschützen 
anter seinem Befehle. Ein edler Borgundier, 
La Mouche, stand ihm an diesem Tage hülfreich 
bei; ebenso Jan de Bye, Philippe d'AU, Bobia 
Gaillard, Claude deRosaillon nnd einige andere 
in KriegageschafteD tiefbewanderte und ergraute 
Ritter unterstützten ihn in allen seinen Opera- 
tionen mit Batb nnd That. Die 135 Lanzen, 
welche der Erzherzog selbst zu führen über- 
nahm, bestanden aus dem Kerne des Ganzen 
und wurden in solcher Art BufgesteUt, dass 



..gniod., Google 



sie überall zu EutacheidiiDg herbeifliegen 
konnten. 

Während dieser Zeit waren aber anch di« 
Franzosen nicht müssig gewesen, sondern hau 
ten ihre Sachen anfs Beste geordnet. Der Herr 
von Esqnerdes, Philippe de Crevecoem, Gene- 
rallieotenant des Königs in Bnrgand , hatte 
erprobte Feldherren und ansgezeichnete RUter 
am sich. Wir nennen davon ans nabms weise 
die Herren von BandtiGonrt, St, Pierre, Magn;, 
Brandelies de Champagne, La Sanlragne, St. 
Andrien, Bellay, Conbiian, Le Moine, Cochier 
de Beanvoisie, Kerkelevont, d'Aillon, Pierrin 
des Aiges, Torsi, Joyense, Chanu und Mann- 
nonry, „sämmtlich Feinde alles Friedens, Schü- 
ler des Mars, Geissler der Völker, hart wie 
Metall, leicht wie Hirsche und geübt im Ver- 
giessen Ton Menschenblat." 

Der Herr Ton Crevecoenr, dessen Jngend 
im glorreichen Hause von Burgnnd gepflegt, 
nnd welcher als Milch bm der des streitbaren 
Karls mit ihm zugleich erzogen worden, brannte 
gleicbwohf vor Ungeduld, seinen rtichtmissigen 
Herrn und Fürsten za verderben. Er stachelte 
seine Bitter und Kriegslente durch Alles, was 
in ihren Gemüthem Anklang and Eingang fin- 
den moebte, und. hielt anter andern folgende. 
Anrede ao sie: 

„Edle Bliithe der Ritterschaft, gefürchtet 
dnrch ganz Eoiopa , Lente hoch beröhmt in in 



.,gniod.,GoOglc 



gaDien Welt, bereits hat £aer Ann so glot^ 
reiche Thateo Tollbracht, und Ihr seid lo Til- 
len Gefahren ohne Uebel entschlüpft, dais ich 
des8 sicher bin, Ibr werdet auch an diesem 
Tage ein nnrerzagtes Herz bewähren. Erfüllt 
dämm Eore feierlichen Versprechen f dient dem 
Könige gnt! gewinnet neue Ehrel Habt Ihr 
je Kriegslist snd Kriegskaost an den Tag ge- 
geben, so bewShit Eure Meisterschaft] heate! 
Blicht her einmal auf diese hochmüthige Mass* 
von geschwomen Feinden, die Ihr so oftmals 
zn beliKnipfen gewünscht; betrachtet diese wi- 
derbellen den , anfrülirisehen Hunde, welche die 
Verfolger nnsers schönen Königreiches sind, 
und welche den Glanz unserer Krone verdun- 
keln wollen. Aufl liefert sie an die Spitze Eurer 
Schwerter I tfaut Eure Pflicht, denn die Stunde 
der Entscheidung ist nun angebrochen I " 

Der Fürst von Oesterreich aber nnterliess 
von seiner Seite ebenfalls nichts, was die 
Sireitbegierde in den Seelen der Seinigen wecken 
und zu edler Begeisterung sie entflammen 
konnte; doch redete er in anständigerer Spra- 
che von seinen Feinden, als der trotzige Cre- 
vecoeuT von ihm und den Seinigen, „Freuet 
Each — also rief er den Streitglnheoden zn — 
freuet Euch, meine Kinder, ans vollem Herzen. 
Der langersehnte Tag ist endlich angebrochen. 
Wir werden die Fransosen beim Barte fassen, 
dieselben, welche ans so oft aaf unsere Felder 



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267 

gelaofeo, welche nnsere Güter rerwüstet, nnaere 
Hftaser verbranot, nod pecsÖnUch ans genÜH- 
handelt haben, ßranclit Eure Sinne; denn der 
Augenblick ist dringend. Unier Streit iit gut 
nnd gerecht. Boft Gott xa Eurer Beschntznng 
an; er allein kann den Sieg nns Terleiben. Ge- 
lobt ihm demnach mit irilligem Henen, dau 
Ihr zu Ehren leinek Leidens drei Freitage hin- 
ter einander nur Brot nnd Wasser geniessea 
wollt, und so seine Bannfaarsigkeit Euch erhd- 
Ten will} so werdet Ihr sieher an diesem Tage 
den Sieg daran tragen!" 

Das ganze Volk erhob bteraof die Httnd« 
nnd schwär, also zu thun, wie der Herrscher 
geboten. Vor Allen aber waren die Flämingsr 
ausser sich vor Freude darüber, dass Gelegen- 
heit zu Thaten einmEil nun geworden; Viele 
sogar Tergossen Thränen der Freude, nnd rie- 
fen: „O edle Blome der Jagend, kanigliohet 
Sname, kaiserliebe Pflanze, Herzog, Erzherzog 
nnd berühmter Weltfdrst ! der Du aus der Arche 
Deines vSterli^en Hauses gestiegen und nach 
Flandern gekommen bist, um ans unserer tiefen 
Knechtschaft nni zu erlösen. Wir sind Deine 
getreue Heerde; Du bist unser Taterliober Hirt! 
Wir sehen vor nns die hnngrigen Wolfe, wel- 
che schon die Zähne fletschen und den Bachen 
aufsperren, uns zu beissen und zn vencblin- 
gen. Zweifle nicht au ans, erhabener Beherr- 
seher, wir werden mit Dir leben ond stadwn; 



.,gniod.,GoOgk"- 



268 

und hast Dn jemala treue Unterthanfln gekannt, 
bereit, ihrem Herrn zu dienen. Du wirst sie 
im gegenwärtigen Aogenblicke thatkräftig vor 
Dir erblicken!" 

Um nnter den Edlen den Trieb zu männ- 
lichen Thaten noch mehr zu erwecken, schlug 
der Erzherzog kurz Tor der Schlacht verschie- 
dene neue Ritter des Yliesses, eis: Charles de 
Cioy, Herrn de Quieuvrain (altem Sohn des 
Grafen von Chimay), Ädiien de Blois, Jean 
Gncy, Georges de la Roche, Pierre de No^^elles, 
Ludwig van Praet, Jan van Gniithuisen, Michel 
de Coodi, Anton de Barlette, Thomas d'Aiuican 
und einige Andere. 

Kanin war das Looszeichen gegeben, so be- 
zeichneten sich die englischen Söldner, welche 
an der Spitze standen, nach Sitte ihres Volkes, 
mit dem Zeichen des Kreuzes und kUssten die 
Erde. Die Burgunder und Fläminger, denen 
Wind und Sonne günstig waren, erhoben ein 
donnerndes Geschrei. Es war gerade zwei Uhr 
Nachmittags, nnd die Hitze brannte glühend auf 
Jedermann herab; nichtsdestoweniger vergassen 
die Erzherzoglicben Speise nnd Trank, und 
man hörte weit und breit den Schlachtruf er- 
tönen: „Vive St. Georges! Vire Bourgogne ! " ') 

*) Du Fraozösiiche war äit Hofifraehs, und Koch 
die det ConunaBdo'i hdm Hene,- weil damkU ttehre», 
iMhdiBiBU Rbgerüwiie ProTinzen ätr NiederlMtde, auMcr 



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Die Schaaren des Prinzen setzten den Fran- 
zosen wacker zn, sodass ' der H«rr' von Esqtier- 
des sich genöthigt sah, seine Macht in grosso 
Schwadronen za vertheilen, um überall den 
Bnrgundischen Widerstand leisten zu können. 
Er wählte sich etwa 500 bis 600 Lanzen und eine 
erlesene Zahl von Freischützen ans, mit den 
Ordonnanzschützen , welche unmittelbar ihm ge- 
folgt. Dieselben erhoben ein iorchtbares Ge- 
schrei nnd begleiteten es mit den drohendsten 
Gebehrden; sie marschirten in der Richtni^ 
TOQ Dunkirchen ein, machten einige &LM^e 
Bewegungen, und warfen sich von einem Ge- 
hölze aus mit grossem Ungestüm aaf die bnr- 
gnndiscfaen Garden zu Pferde. Diese hielten 
den Angriff längere Zeit standhaft ans nnd sach- 
ten sich mit mehrern andern Compagnien zn 
vereinigen, welche inzwischen ebenfalls vorge- 
TÜckt. Allein die Franzosen hinderten dnrch 
Uebermacht diese Vereinigung, sofanitten sie 
von den Pikarden ab , welche zunächst zu ihnen 
zu stossen im Begriffe gewesen, und 1»achten 
sie so sehr ins GedrKnge, dass sie den Weg 



den baden Borgondi, welche BÜnrntlich Dater der Herr- 
■chaft dea Hwiie> Borgnnd geitanden, diese Sprache rede- 
tCQ, und weil Söldner ans Fränkisch aed England den 
Fcldnig mitmacbt«!, welche die flimiBche Sprache nicht 
ventandeD. Doch war die Landutpracit, wie fast aus 
allen Chroidkeo dieser Zeit heirorgeht, die flSmische. Alle 
Bidetleütongen geichaheo fait immer in dieiem Idtoiii> 



.,gniod.,GoOgk' 



270 

von Theronanne einschlageD mussteD. Die Her- 
reD Ton Brimeu, Boaienton und Wolkenstein 
worden bis an die Grfiben von Aire darcb eine 
Abtheilnng FransoHen verfolgt, an welche un- 
mittelbar aach noch eine andere sich Bcbloss. 

Nnninehi aber itieasen sie anf die Masseii 
jes Gn^en von Nassau, welcher die Fransosen 
so tflchtig in Empfang nahm, dass es ihnen 
hoiss genng wurde, nnd das» sie weder die Bo- 
gen gehörig spuiaen, noch die Schwerter na«h 
Notbdurft schwingen konnten; sie worden dem- 
nach bis in dem nächsten Derfe snriickgeworfen, 
und ein gr&nliehes Blutbad begann unter ihnen. 
Der Streitlftrm war so gross, nnd der Ton der 
Trompeten ko gellend, „dass Gott selbst nicht 
gehört worden wäre, wenn er in diesem Augen- 
blicke hätte donnern wollen", wie Melinet 
poetisch ticb BBsdrfiokt. 

Der Enheraog in Person Umpfte heldenmfl- 
thig, erlegte mit eigener Hand verschiedene 
Foüide, und nahm mehrere andere gefangen. 
Auf das Gerücht von diesem neuen Zufalle rück- 
ten 300 frische Lanzen vom Heere der Franzo- 
sen heran, machten eine Seitenbewegnng und 
unternahmen in der fiichtnng von Viefvilte einen 
mörderischen Angriff anf den Train des Erz* 
herzoga, tödteten viele Mannschaft, sowie eine 
Menge wehrlcaen Volkes , und verübten entsetz- 
liche Grausamkeiten. Sie erbeuteten alles Vor- 
handene, den Schatx des Erzherzogs und die 



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271 

Kriegfcasae mit eingeteehnet. Die Trnppfln, 
wsiche znr Bedeckang hier gelasBen worden, 
lietsen diese Dinge ifiinnitlich im Stich, um 
unter der Fahne de» GeaammtheereB dnrch mnthi- 
ges Streiten einen Bahm zq erwerben, tvelchM 
den Vereinzelten auf dieier Seite unmöglich 
werden konnte. 

Die Franzosen inzwischen standen mit be- 
harrlicher Anstrengang den ArmbrostsdiätseD 
und dem Fuuvolke der Grafen von Bomont und 
Nassau entgegen; doch mnssten sie unverrich- 
teter Sache nnd in grosser Verwiirung ablassen. 
Die Schaaren, die der. Graf Engelhrecht fiihrte, 
machten auch die mörderischsten Angriffe zu 
Schanden. Der von Nassau stand fest und an- 
beweglich, wie eine Maaer. 

Endlich nahete eine neue Abtheilnng Fran- 
zosen von dem Haapthee^, nnd ihr Stoss war 
so iSrchterlicb, das* sie fast das ganze Ge- 
schütz des Eizherz<^B erbeutete, and die Stel- 
lang der Streitenden hatte sieh inzwischen der- 
massen verändert, dass Wind nnd Licht gegen 
die BnrgimdischeD waren. Die Franzosen feuer- 
ten nun auf sie aas ihrer eigenen ArtiUerie nnd 
brachten ihre Beihen in Yerwiming. 

Diese Noth ersah der Giaf von Romont noch 
zur guten Stande, und voll Verzweiflung, dass 
die Ehre des Tages auf einmal wieder verloren 
geben sollte, kehrte er plötzlich mit Verstärk 
knng in das zweite Treffen znr&ck, störst» 



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272 

„wie ein Tiger, und «wie von gKttlielier Einge- 
haag und Kraft b^eistert**, auf die Feinde, 
welche das eriieotete GetchütE dea Erzherzogs 
bereits auf dessen eigene Schaaren Uiteteo, 
nahm ihnen solches wieder ab, und wüthete 
nan mit Macht gegen die Franzosen. Noch we- 
nige Minuten, nnd die Burgunder waren Meister 
des Sehlachtfeldes. Eine grosse Menge von 
Geschütz nnd Mnndvorrath, nnd eine nnzähl- 
bare Beate fielen den Siegern in die Hände. 

Die Franzosen flohen, aof allen Punkten 
geworfen und geschlagen, in verschiedenen 
Btchtnngen, and wurden von den nachsetzenden 
Burgundern, Flttmingem nnd Teutschen bis un- 
ter die Thore von St. Pol, Hesdin, Bethune 
und Darlea verfolgt. Mehrere dieser Städte 
weigerten sich, sie auiznnehmen, nnd der Geist 
des Volkes im Allgemeinen zeigte sich so gnt 
bnrgnndiach , dass , wenn man den ersten 
Schrecken. benutzt hätte, ein grosser Theil der 
entrissenen Provinz Aitois der rechtmässigen 
Gebieterin gehuldigt haben wnide *). 

Zu Brügge und Gent hatte man inzwischen 
in der peinlichsten Ungewissheit über die Lage 
der Dinge im Feldlager geschwebt, und die 



') Die HanptqDeUen zur Geicbichte der Scblacht b«i 
Blangüi oder Gulnegate iind: TFtnitrl. Oorlogk. — Pi. dt 
Comi»et, Molrntt, Brnnml* (Letet«rer fMt wSrtüch utch 
iem Vorigeu). 



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273 

NachrichMn Tom Yerlnite dei Geschütses, 
Schatxes und GepSckes waren die ersten gewe- 
seD, welche die bekümmerte Maria erhalten. Sie 
ward daher von aasaerorden(]ichem Januner nnd 
von mancherlei Schreckbildern über das Schick- 
sal des Geliebten erfüllt. Die Furcht malte ihr 
hundert wahricfaeinliche Gefahren vor ; es 
dänchte ihr stets, dass ihr Gemahl doch allza 
jaog Hei, nnd fost all' sein Geleite ebenfalls 
ans Jünglingen, nnd nur aus wenigen Alten 
dabei bestehe. Der Herr Ton Ravenstein aber 
tröstete sie bestens *). Bald erfuhr sie anch, 
dass dsB Glück sich wieder gewendet, und bei 
demselben Orte der K5nig geschlagen worden 
sei, wo sein Feldherr so hinterlistig gehandelt. 
Die Chronik setzte mit grosser Uebertreibnng 
den Verlust der Franzosen auf mehr als 4<^000 
Mann. 

Die Herzogin, ireudetiunken nach bitterm 
Kammer, ordnete in allen Städten des Landes 
Feste zur Feier des Sieges an , und die Strassin 
ertönten von Gesfingen und Refrains **) ; sie 



*) Nach dem Berichte daes GeiitlichcD, deuen Name 
nnd Werk mu nicht gleich wieder beifällt, b&tte RaTen- 
■tMD der Herzogin togat die Nachricfat Ton Maxens Falle 
VHMhnell ^berbracht, mit erneuerter Hofinuog, du« tätar 
■tiner Söhne nnn in deueo Stelle treten vrerde. 
") Biner denelben lautet akoi 
Hopelick herte 
Eerneerdich prioche 
I. 18 



..gniod., Google 



274 

selbit eilte nach Gent larfick, am alle nöthi- 
gen MaaBregeln za treffen, welche aaf Unter- 
halt nnd Urgänziing ihrer Stteittiuu^t - Betfag 
hatten. 



Rijiende 'aterre 
Vlaanucbo volck 
Ontnend» Hex 
Grier^cb venleghen 
I>a kItcd hausende 
Onde n tdIcL meeat 
Myracle goda 
Annende gfay 
Verfiiyit wBMT 
TiMUrlinfr B vlaoa 
Het facht« mcn 

Leen die djt vnl moeta 
Jbcius nil ba 
All Vn. in Ougit 
Weertiek Toor ods 
Hoejt CD WB9 ^e crone 
Alanlick gheadert 
Cniieosdick ^rooit 
Crachdch vergadert 
Oouckelick dat beglooft 
CImo altrraiudie rooft 
Lerereode ter doot 
Try ongheDDoat 
Trnecht e» dies gioot 
Vlooch in hovreii Bchoot 
Vechteiide voor hn recht 
Tenmoort in bloede root 
In dat ghvre^ 



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_„ 275 

Während der KSnig seiDen aDglncklichen 
Feldherra mit etwas scheeler Miene zd Paris 
empfing', WQhin ex ihn eiligst eDlboten^ hielt :dei 
Erzhenog, welcher anf einige Wochen Urlaub 
sich genommen, zu Gent einen feierlichen Ein- 
xng, unter grossem Jnbel der Bürger, welche 
den Verlust seines Schatzes dnrch bedenteade 
Geschenke und freiwillige Beiträge ihm vei^es- 
sen za machen suchten. £r kSaste seine Ge- 
mahlin nnd seinen Sohn vor allem Volke mit 
grosser Inbmnst, nnd erklärte,' dass sein Schwert 
noch scharf genug sei, um sie Beide, sowie 
das Land seihst, gegen die ungerechte Gewalt- 
that der Franzosen zu Bcbimten; was Alles anf 
die Flamfinder elektrisch wirkte *), 

Im October des Jahres 1479 zog der Erz- 
henog die Hauptmasse seines Heeres wieder 
zusammen; in der Gegend von Air e, anf ver- 
schiedenen Punkten, lagen über 900—1000 Or- 
donnanzpferde nnd an die 36,000 Foftsgänger, 
sowohl Burgunder, als Flamfinder und Braban- 
ter. Der Prinz Hess alsbald die Veste Malan- 



Jooite tlinwaert ledit 
Ick hier can gfaeacrijreii 
Ingbelick benrecfat 

Hem alle dijne roucbt in «endraclitidiede 
Speghelt bu hier in m hebdy vrede. 
ExetUenlt Chrottgeke van FImtndmn. 

■) ExeO. Chromgek*. — WmderL Oarügk. 
18" 



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276 

QOy belagern, welche durch drei, ziemlich an- 
sehnliche Forts und eine tapfere Besatzung ver- 
theidlgt wurde. Allein das Geschütz des Gra- 
fen von Romont und die nnaafhSiIich ernener- 
ten Stniroe brachten wKhrend drei Tagen den 
Belage' ^en so grossen Nachtheil, dass zwei der 
Forts 1 die Hände der Trappen des Erzher- 
zogs fielen. Gegen die Gefangenen wurde das- 
selbe Kriegsrecht beobachtet, welches König 
Ludwig seinerseits in der Regel zu üben pflegte, 
nümlich : sie wurden fast alle anfgekniipft. Auch 
der Anführer, Cadet Ramonet, eines bessern 
Schicksals werth, erlitt schmerzvollen Tod. 
Als die Leote im dritten Forte solche Dinge 
mit angesehen, zogen sie es, endlich znm 
Aenssersten gedrängt, vor, Bich selbst in die 
lAfi m sprengen, und die Feinde, welche beo- 
tegierig zu nahe sich gewagt, büssten ihre Vor- 
eiligkeit theaer genug. Die Besatzung des 
Schlosses Liettes ahmte diesa Beispiel naeh, 
warf selbst den Feaerbrand in Thürme nnd 
Maoem, nnd zog sich dahin, wo sie am sicher- 
sten sich halten konnte. Nach einem Besuche 
ZQ Zällera, das dem Herrn von Yanrin eigen 
war, kehrte die bnrgnndiscbe Heeresabtheilung, 
welche alte diese Dinge vollbracht, ins Lager 
des Prinzen znrück *). 



*) ESa Liebling Hueoi, Wolfgang von Polhüm, und 
mahrere uidere Ge&uig«iie «oUteD, da der über Rumm^ 



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— arr — 

Maximilian, nach GrÖsserm begierig, sen- 
dete seinen Herold des Vliesses an den Herzog 
von Geldern, des Königs Generallientenant, ab, 
welcher gerade damals zu Heidin verweilte; 
doch dieser hochmuthige Vasall gab schnöden 
Bescheid. Der Erzherzog zog sich bis in die 
Nähe von Arras und suchte den Feind za einer 
neuen Hauptschlacht zu bewegen ; aber die 
Franzosen verachmfihlen solches, in Erinnerung 
an Guinegate. Wir äbergehen die vielen klei- 
nen Gefechte, Angriffe, YerheeniDgen , Plün- 
derungen u. s. w. bei Solennes, Bethune, The- 
ronanne, St. Pol, Bourbnrg, welche weder in 
der Hauptsache etwas entschieden, noch an 
und für sich einiges Interesse gewähren. 

In diese traurige Periode der Gewaltsamkeit 
und des Blutdurstes ßllt wieder ein heiteres 
Familienfest am Hofe von Burgond. Maria war 
(am 10. Jänner 1480) von einer Tochter entbun- 
den worden, welche in der Taufe den Namen 
Mnrgarethe — der geliebten Süefinutter und 
Freundin zu Ehren — erhielt. Der Piinz von 



Hlnricbtnng InMent erintterte Ludwig ao Holrtev Trirtrui 
raenrilte txtU blanche f<lr den Strick gegeben, fflr Jenen 
nnd adne Gefährten bÜMen. Enteret entreim dem Tode 
wie dordi ön Wunder; denn adioD hatte er die Ltitet be- 
siegen. El erregt ein Moderbares Gefühl, wdm man auf 
den Holzidudttea der alten Chroniken fut nach jeder Frea- 
deOKene einen Act äee hohen Jutis von dieser Art abge- 
bUdet Mit. 



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Omnien hielt mit der Herzogin- Wittwe , als der 
Pathin, sie Bnr Taufe. Der pfipsiiiche Legat 
nahm in St. Gadnla die heilige Handlaag vor. 
Als maft dem glnckliohen' Vater bei der Rück- 
kehr da» Knid vorwies, wnsEle er sich vor 
Bühmngi lange nioht zu fassen, und er froh- 
lockte lant ob der „nenen süssen Frucht im Gar- 
ten seines Lebens" und der nenen Ehre, wel- 
che seinem Hanse zu Theil geworden. Freaden- 
spiele feierten das Ereignisi, wie gewöhnlich; 
der Erzherzog aber kam nicht vom Bette der 
Wöchnerin, und „sorgte für Alles, was einer 
»etcien Frau zu than sich gebührte" *). 

Es ist anziehend, mitten in den Berichten 
über Siaatswirren , An&uhr, Kämpfe, Belage- 
rnngen und diplomatische Verwickelungen, Ton 
Zeil m Zeit anf liebliche Schilderangen vom 
Leben Matia's im häuslichen Kreiae, mit ihrem 
Gatten, ihren Kindern und ihren Franen, wie- 
derum zn Btossen, von der Zeit ihrer ersten 
Sohwaogctt^chaft an bis zu Ihrem Tode, als die 
zarte Sorge Margarethens fiir die physisch Lei- 
dende und im Herzen vielfach Betrübte, die 
heitern Spiele des jungen Philipps (wie z. B. 
als man ihn scherzhaft' mit hölzernem Schwerte 
zum Ritter schlug), woran die Flainänder kein 
geringes Vergnügen bezeugt, die Luatpartien 
der Herzogin mit ihrem Gatten, die mehrfachea 



*) tFonilerl. Oarhgkttt. — J. Moliatt. 



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Abeateaer zu Brügge and Hencogenbosch » alle 
in Folge der aosterordentlichen Lebhafii^eh 
Marien« herbeigeführt. Bei einem jener Tar- 
niere wwr einst ein prachtvolles SchiuigerfiBte 
für den Hof errichtet worden. Die Herzogin, 
mit etoem reichen Gefolge schSner Frauen and 
Jangfrauen, trat auf dastelhe; man verübte 
aber so vielen Mnthwillen, dass die Breter 
nicht langer die Lait ertragen konnten, son- 
detn die Tribüne einstürzte, mit Allem was 
darauf sieb befanden. Maria hatte weder für 
ihre Schaamhaftigkeit, noch für ihren Leib 
Schaden genommen ; desto komiHchem An- 
blick bot die Mehrzahl des Gefolges, nnd die 
Fürstin wollte sich darüber halb todt lachen, 
nnd that es nm so rabiger, als von keinem 
wirklichen Unglücke die Rede war, sondern 
bei den meisten Alles sich aaf leichte Qae^ 
sehnngen an Haften und Knien beschrBokte, 
worüber die eine Chronik in nicht wenig bos- 
haften Bemerknngen sich anslässt. 

Ungemein anziehend ist auch der Bericht 
über die Art der Beschäftigungen im Innern 
des Palastes, wenn der Hof vollständig unter 
sieh beisammen war. Man sieht daraus, dafls 
das Leben daseibat nicht blos politisch oder 
erotisch war, sondern eine tiefere Ansicht von 
der Bestimmung des geistigen Menschen und 
den Pflichten der Herrscher die beiden Gatten 
erföllt habe. Gleich in den ersten Rosenmona- 



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280 

ten der Liebe begannen sie eine Art wechsel- 
seiügea Unterrichte, und jeder Tbeil lehrte 
den andern die Spracbe, deren Kenntnisa ihm 
noch fehlte. Anch Margarethe von York nahm 
Theil daran, nnd lehrte den Erzherzog das 
flämiache, darin sie es znr Fertigkeit gebracht 
haben mnaste. Der Wem-Kunig ist die Tor- 
züglichste and sicherste Quelle biefür *). 



*) „Alis Nun die firewdt der Hochtzait vi 
ein jegcUcher widenimb tiaim in hawss kamen nai, be- 
gimnt der Jung Kowg tob tag zu tag, lich gegen aünem 
gemahl in lieb nod frenndUchafft zd ofTeabaren, vad als" 
Sy also , a\a zeit bey ain annder wonneten , haeben S; a>, 
Ains da« annder lein spracb zu lerneD, vnd ain jedes nard 
juBonnderhait beflissen, des anndern sprach in Icartz zn ler- 
nen; nnn erfordert die gross natturSt, das der lang weiss 
knnig snner gemahl sprach, nemlichen die Burgundisdie 
sprach, pald lernet, damit Er säner Gemahl lamtd, dester- 
pasa Regiren mocht. Alsdann ünem Jeden knnig not thnet, 
■einer Underthannen sprach zn knndten, und uns aölicher 
nraach, het der Jnng konig, za seiner gemahl sprach, aon- 
deo vlnw, und lernet dieselb sprach in knitzer Zeit, und 
kandt diesdb sprach alls wol reden, vcrsteen und schra- 
ben, als were Er ain gebornec von derselben sprach ge- 
nett, Salich apnch Ime, in yü me^ichen Sachen, und 
nemlichen in den grossen kriegen, zu sonndem Nutz nnd 
Gnetem kam." Weitt-Kttnig 117. 

„Wienol der Jnng weiss kunig vil mae het, seiner 
hawi&awen sprach zn lernen, so understnndt Er sich doch 
daneben die flemiscb sprach so lernen. Dann es was ain 
alte Fnntin von diser spradi. Die begeret oft, nüt dem 
Jungen weissen konig cn reden, desglalohen het der Jnng 



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281 

Nach dieseo Notizea und bei der aUgemein 
bekannten, ganz vorzüglichen Bildung, die 
Maximilian von Oesterreich in jedem Zweige 
der Wisaenachaft, und in jeder edlern Knast 
genossen*), klingt die Stelle Barante't höchst 
befremdlich, dass der rohe Vater des Etzher- 
zogs ihm keine Erziehung gegeben, dass aber 
sein edles Aeussere und sein anslandvolles We- 
sen ihm Achtung bei den Flam&ndern erworben; 
diess Alles wird blos ans dem Umstände gefol- 
gert, dass Max bei der Ankunft im Lande das 
FranzSsiscbe noch nicht gekannt, und erst spä- 

weisi Vaiüg auch oSt gern mit Ir geredt, rad ans sali- 
clier Ursach beflisB Er dch so vast, das Er dieeelb flemisch * 
sprach auch lernet, Tod die obgemelt alt forstiD lernet Ine 
dieielb sprach mit sannderm vleiss, dann wann der Jung 
weiss konig mit Ir redet, het Sy «onuder frewdt darab, 
Tnd lernet dieselb sprach, das Er die kundt reden, vrie 
sein aigen sprach, vad kam Ime sSlichs auch 2U grossen 
«taten, dann da« lanndt derselben sprach gehSrt auch sei- 
ner gemahl zu, Tnd het dai in seiner Kegirong, Alls Er 
Nun mit demselben Volk Ir sprach reden kundt, helen Sy 
darab ^n gross wolgebllen, vnd trnegen dardurch sonndere 
ndgnng zn Lue." Ebenderi. 118. • 

MSgUcb jedoch näre es auch, dass die Frau von Ra* 
Tenstein diesen Unterricht im Flämisdien, und Margaretbe 
den im Englischen gegeben, davon im folgenden Ca|^ 
des Weiu-Kiaügt ebenfalls die Eede ist. 

*) VergL den Weiu-Iümig in täaee ReilM von Capl- 
tela, und den Anfsatü: BÜAotgtguekiektt MMximHiaiu f., 
Tom Verf. in Ffilitu Jalub&cliem 1881. 



..gniod., Google 



ter es erlernte *). . Natürlich koiiDte der kaiun 
achtxehqjKhrige Prinz nooh nicht alle Sprachen 
nm diese Zeit gelernt haben^ wiewohl er achon 
vieie ventaad. Doch ^ebSrte er so. d«i ^otg- 
artigem Naturen, weldie ihr gaoxea Leben hin- 
dorch lernen an müflaen glauben, und welche 
selbit in vorgerücktem Alter neofi Kenntnitae 
ZB sammeln nicht Tenchmähen. Alle , der 
teutBche^ Geichichte Kondigen, wnrdea ihm 
dies» Zeugnüts geben. 

Nicht minder anziehend ist ailch zu lesen, 
wie Maria von Zeit zu Zeit ihrem Gemahle und 
seinen Leuten Standreden über Klugheit und 
Vorsicht hielt, wie sie brieflich den älteren 
Feldherren die erfahrungslose Jugend ihres 
theuern Bitters zu wachsamer Hut anempfahl, 
und wie sie stets demselben mehr zu viel, al« 
zn wenig zutraute. In dem Staatsiathe, wie 
hei festlichen Anlässen redete sie eine bald 
traaUcfae, bald energische Sprache, stets mit 
heitern Scherzen und Witzspielen untermengt; 
aber immer izt es das liebende Weib, welches 
am scfaöDsten und liebenawätdigsten durch Alles 
hervorblickt; nnd über die Fürstin siegt**). 

Wir dürfen aus manchen Aenssernngen mit 
Grund schliessen, d^s ihre Bildung mehr fran- 



') SHtotn it^ Dan da Bowrgogxe XT. 
**) ffioraber nnd in venchiedenea rinMlnen Chromkao 
firie zflntnnle Stellea 



;, Google 



983 

zSaiseh denn tentsch war, und für erttere , wie 
fBr die Sprache selbst, eine entschiedene Vor- 
liebe bei ihr blieb. Sie selbst erklärte entere 
für ihre Muttersprache, und wenn sie nicht durch 
Rücksichten an die Niederlande gebunden war, 
wo das Flämische durchanfi Carialsprache blieb, 
erliesH sie Briefe und Edicte meist in französi- 
scher Sprache. In damaliger Zeit mochte sol- 
ches sehr natürlich scheinen, denn die Sitten und 
Bilder waren an den meisten europäischen H5- 
fen etwas plump, und bei den Flamändern viel- 
leicht am allerplumpsten ; nur Italien, Frank- 
reich und Burgund waren die Staaten, wo Kunst 
and Romantik die Lebensformen etwas veredelt 
nnd verfeinert hatten. Damit ist aber nicht 
gesagt, dass es den Tentschen an geistigem 
Schwung und Gefühl für das Schöne gefehlt 
habe; das Vaterland der Hohenstaufen , der 
MinnesKnger nnd grossen Künstler war reich 
an ausgezeichneten Geistern; aber gleichwohl 
war seit dem Untergange des schwäbischen Hau- 
ses mehr Rohheit wieder eingerissen, und Ueber- 
ladung von Luxns an den Höfen benrkondete 
Dicht selten einen falschen Geschmack, welcher 
den Fremden häufig zum Gegenstand des Witzes 
diente. Dass die Tentschen an gründlicher 
Bildung gemeinsam mit den Italienern damals 
auf der Höhe des Zeitalters standen, ist bekannt. 
Doch wir kehren zu den politisch -kriegeri- 
schen Begebenheiten in den Niederlanden nnd 



.,gniod.,GoOgk' 



Bargnnd nuGck. Im Heanegan war inzwiscliea 
ebenfaÜH mancherlei rorgegao^en. Nach dem 
WaffenBtillBtande hatten Raubbanden die 3ffent- 
licfae Sicherheit, znm empfindlichsten Schaden 
der Bewohner, gestört, welche von der bewaff- 
neten Macht za Valenciennes eiogefangen nnd 
sodann hingerichtet wnrdea. Allein mit den 
grossem Rotten, an deren Spitze dienstlose 
Haaptleate nnd raubgierige Edle standen, konnte 
man nicht so leicht fertig werden *). Der Herr 
von Cbimay, Statthalter der Herzogin in der 
Provinz, suchte dem Uebel bestmöglichst sa 
steaern; allein ieine Remotutranz, so rortreff- 
lich sie in der Theorie war, hatte gleichwohl 
keinen Erfolg, da die niedem Behörden und 
die PoUzeibeamten nicht mitwirkten , oder wohl 
gar mit den Plünderern nnd Quälern gemein- 
same Sache machten. 

Als den drei Ständen von Flandern durch 
den Herrn von Trazegnies solches angezeigt 
worden, sendeten sie tausend Pikeniere unter 



*) Et alnsi qne In petita chati soiit de plns ligäre 
prinw, qae ne lont lei grans chata inouffloa, qui deiTclop- 
peat Im grifFes de leon patei, quind ili tont ahon. Im 
peüts compagnoiia ae laiBsercnt preadre et peudre ; mai» le* 
gros lODtierE de guerre, qoi ettoient faTorUte et porU» 
d'aolcniiR gram - BUgneon, ne lonfiroient eulz approGber 
dn meoD peuple, aini lea grlffoient et mordolent horrible- 
■nent, obfänj* et cndordi en Icun roberiei, [öllAdei et 
JbäMf 281. 



DyGoogle 



■ 285 

dem Befehle Adrians ron Basaengfhes and Adrians 
Ton Liedekerke, sowie 600 andere ans der 
Kastellanei Ath aus. Diese Truppe sclilug die 
Biehtnng von Mods ein, and erwartete von Va- 
lenciennes her Verstftrknng. 

Sie erreichte nnt allmälie; and mühsam ihren 
Zweck, da die Tomehmen RSnber weit mehr 
Künste, als bewafinetea Widerstand entgegen- 
setzten, und die Thore mehrerer Städte ver- 
schlossen; eine gute Anzahl büsste zu Ath mit 
dem Kopfe fiit den Landfriedenbrach; andere 
gelobten hinfüro Gehorsam, and dem Erzherzog 
ihre Dienste. Ein fbi^htbarer Winter nnd eine 
noch iorchtbarere Hnngersnoth vereinigten sieh 
mit den Plagen, welche die Menschen selbst 
einander zugefügt. 

Bald nach der Eroberung von Verton, ge- 
gen Pfingsten des Jahres 1480, erschienen die 
Franzosen über 20,000 Mann stark , ange- 
ftihrt von dem Goavemear der Champagne, 
Herrn von Chaomont, aofs nene im Herzog- 
thnme Lnxemharg, nnd suchten das Verlorene 
wiederzugewinnen. Verton konnte auch nicht 
lange die Belagerang aushalten, da ein sehr, 
zahlreiches Geschütz von grossem Caliber Tag 
nnd Nacht die Manem erschütterte, nnd fiel 
bei einem Hanptstnrm. Nur Wenige von der 
BesEAzung retteten ihr Lehen. Yvni, ans Man- 
gel KU Unterstützung, folgte; ein Angriff von 
tiOO Reitern ans Ailoa aof Laxembnrg kam 



..gniod., Google 



tbeaer zn stehen. Dagegen errang der Herr 
von Chimay wi^demm einige Vortheile tot klei- 
neren Bargen. 

Um die Mitte des Angntt erschienen Maximi- 
lian und Maria zu Nai|)iur> in der Absicht, 
persönlich nach Lnxembarg sich za begeben, 
und den Math der Ihrigen wieder anzufrischen ; 
der Prinz von Oranien and der Herr de Cban- 
teceine begleiteten sie auf dieser Beise^ und 
die Sachen nahmen bald eine andere Wendang, 
besonders nachdem letztgenannter Edle den 
Oberbefehl übernommen, and Virnel^arg, l^as- 
saa, Chimay, Boussa und Croy ihrerseits k^f- 
tig mitgewirkt; der grössere Tbeil des Landes 
•chWnr dem Enherzoge and Marieq Gehorsam, 
Sie hatten in Laxemborg selbst IhreQ feier- 
liehen Eüisng gehalten, and von den Ständen 
die Huldigung angenommen. Die Freiheiten 
nnd Gerechtsame, welche die alten Grafen ofd 
Herzöge theils dem Lande überhaupt,, theils 
einzelnen Städten gegeben, wurden bei diesem 
Anlass von beiden Gatten bestätigt *). 

Kaum, war jedoch das fürstliche Paar abge^ 
reist, so gerieth der Herr von Chiuiay, welcher 
im Schlosse zurückgebliebep , in grosse Ge- 
fahr darch das meuterische teatsche Soldrolk, 
welches raubend und plündernd in die Umge- 



*> Btriholei muolre An Duch^ de Lniemboucg et du 
ConU de CUnj. T. VI et TH. VeigL die BoUagoi. 



..gniod., Google 



gend sich warf und iha letbtt gleicbsam be- 
lagerte. 

Von Lnxeinbnrg jedoch wenden wir ans nach 
dem lange verlasienen Norden der Niederlande 
xnrück, weichet als ein nicht minder bewegter 
Schanplatz von inneren Veiwickelnngen nnd 
Kftmpfen lieh dantellt. 

Wir heben die hollKndischen Angelegenhei- 
ten anter Mariens Regierang bei dem allgemei- 
nen Landtage iäinmtlicher ProTinzen der Nie- 
derlande za Gent nnberlihrt gelauen. Alsbald 
nai^ diesem Landtage brach der inzwischen nnr 
anagesetzte Streit z^rischen den Hoaders und 
Kabbeljawfl aofs nene aOs. Die noch immer drü- 
ckenden Abgaben bildeten deni vorzüglichBten 
Gegenstand der ÖffiAntÜcIlett Unzufriedenheit ; so- 
dann die Niehthandhabung der HandrestiB Jana 
von Baiern, welches die Fremdlinge ansdrück- 
lieh von den btfdentenden' Staatsfimtern aus- 
BchlosH, tini übet die Verwdtung Lndwigs von 
BrB^e, Herrn von GraitfauiBen, welchen man 
dnrch «inen HollSnder 'ersetzt haben wollte *). 
Die HoUders eräffhefen die Scenen za Gouda, 
wo ihr Anhang auB der Mehrzahl der Einwoh- 
ner bestand, nnd wo Jan van Kats, Schlossvogt 
der Maria, durch seine Persönlichkeit man- 
nigfach ^e Erbitterang hervorgeriifea liatte. 
Die Aiifrfifarer reichten in trotzigem Tone ab- 

*) Htwun 6r»Ten tui Hollaadt ms. 



o;,GoogIc 



gefaitte Denluchriftfla ein, darin sie Über Un- 
terdrückang ihrer Privilegien klagten, von den 
Schöffen and Wethonders Rechenschaft von 
der Art der Verwendung des Staatsgutes be- 
gehrten, and anf bessere Organisation des Ma- 
^trats drangen. Da derselbe grösstentheüs 
ans Kabbeljaws znsanunenge setzt war, so sah 
man leicht, worauf sich letztere Beschwerde 
vorzüglich bezog. Die StadtbehSrde, von den 
Umständen gedrängt, wich denselben klnger- 
weiie, und die Honders nahmen die erledig- 
ten Stellen ein. Engelbrecht von Nassau, Herr 
zu Breda , in Holland ein populärer Name, 
wnrde , in Folge der Vemiittelang Johanns von 
Motttfort, für Jan van Kats gewSfalt, und der 
neu eingesetzte Rath von Maria ohne Einrede' 
bestätigt. AelinUche Dinge gingen auch zu 
Scfaoonboven vor, wo die Kabbeljaws den förm- 
lichen Angriff nicht erst abwarteten, sondern 
ihrer Widerpart äeiwlllig daa Feld rBamten. 

Zn Dortrecfat traten beide Parteien vereinigt 
wider die bestehende Oidnnng der Dinge auf; 
Beide verlangten den Zustand wie vor Karls 
des Kühnen Regierangsantritt, sowie strenge 
Rechenschafit übei die Yerwendang der Stadt- 
einnahmen. Der Magistrat sagte Beides zu; 
aber die Opposition wollte, dass Ersterer, bis 
man über Alles im Reinen sein würde, persön- 
lich in Haft sich stellen sollte. Darüber ge- 
rieth die Stadt in allgemeine Gähmng, da jede 



DyGoogle 



289 

Partei sich etwas vorzuwerfen, und nicht das 
beste GewisseD hatte, somit Beide gegenseitig 
sich vorwaifen, dessen sie sich selbst achnldig 
gemacht. Die neutralen Bürger legten sich end- 
lich ins Mitte], und vierzig der angesehensten 
Bäthe und Wethouders, sowohl Honders aU 
Kabbeljaws^ masstea wirklich ins Geßlngniss 
wandern und Bechnung stellen. Das Ergebniss 
war, dass die Letztern grosse Geldsummen nn- 
terschlagen hatten; beschämt und verwirrt ge- 
lobten sie dem Gemeinwesen völlige Erstattung 
binnen zwei bis drei Jahren. Darauf Hess man 
sie los, und Einer nach dem Andern wich ans 
der unheimlichen Stadt. Die Honders feierten 
ihren Sieg und leiteten fortan das Ganze. 

Auch der bisherige Schnltheiss von Dort- 
recht, Jakob Poot Pietersson, war, der Necke- 
reien müde, zuletzt abgetreten und nach Ant- 
werpen ausgewandert; Adrian Westfaaling Jans- 
sen aber zu seinem Nachfolger bestellt worden. 

Um dieselbe Zeit zerrütteten die Parteien 
aoch Hoorn, wo Dirk Janssen Banjaart an der 
Spitze der Missveignügten so lange die Gemü- 
ther der Stadt und der Umgegend bearbeitet, 
bis das Landvolk in Schaaren angezogen kam, 
und, vereinigt mit Banjaarts Anhang, dem Ra- 
the verschiedene neue Zugeständnisse auszu- 
pressen anchle. Der Schnltheiss Martin Ve- 
laar, gegen den der Parteigeist am meisten sich 
gerichtet, wfihnte, durch einige Erklärungen 
I. 19 



.,gniod.,GoOgk"- 



die Geinüther beruhigen , und darch ver- 
mehrte Dienerschaft mit glänzender Linie den 
Borgern imponiren z« können. AUein diess 
brachte deuAnfetand erst recht zur Reife; man 
erhob sich mit wüthendem Geschrei gegen diese 
Aeusaemngen aristokratischen Trotzes, wie es 
schien, nnd federte nebenbei die Ab«chafiFang 
verbasster Accite, nnter der Drohong: diese 
Maasregel müsse ergriffen werden, nnd soUten 
anch alle Herren darüber zu Gmnde gehen. 
Endlich begriff der Magistrat seine Stellnng 
bener; die fatalen Edicte Karls des Kähnen, 
ein immerwährender Gegenstand tiefer Empfind- 
lichkeit der freiheitstolzen Holländer, wnrden 
herbeigeholt, nnd in spottreichem Ununge anf 
Stangen in der Stadt hemmgetragen; darauf 
schnitt Banjaart selbst die Siegel davon ab. 

Fernere Begehren der Gemeinde, als z. B. 
das Becht, den Versammlungen des Rathes bei- 
mwohnen, blieben anerhört , bis sie anf gewalt- 
same Weise durchgesetzt, und verschiedene 
Personen von Bang verhaftet, anch das Hans 
des nach Gent abgegangenen Scholtheissen ge- 
plündert worden. Obgleich nun dieser Letztere 
mit der Urkunde Mariens, welche in seinem 
Amte ihn bestätigt, nach Hoorn zurückgekom- 
men war, BO sah er sich doch gezwungen, das- 
selbe an Banjaart, den Günstling der aufreg- 
ten Menge, Bbcntreten. Die Bathstellen wur- 
den sfimmtUch mit Günstlingen desselben besetzt, 



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- — 291 

and den fHihain Inhabeto derselben förnUchc 
Versprechen abgenonunen, dass sie niemali trach- 
ten würden, sich ihrer jemals wieder eu hemäch- 
tlgen. Einer derselben hatte beim Ansbruch der 
Unruhen die Unklugheit begangen, za äussern: 
„Heate oder morgen müssten doch noch Köpfe 
ipringen" ; dafür nSthigte man ihn , einen 
künstlich gemachten Kopf bis zur Kirche fen 
tragen und bei dem Kreuze damit Ittngere Zeit 
fltehen zn bleiben. Nach dieseil Scenen ward 
«< wiederum ruhiger xn Hoorn. 

Es war ein Glück für die Stftdto Amst«r- 
dam, Haarlem nnd Delfi, daw die Kabbeljaws 
.darin die stärkere Partei bildeten; so wurden 
sie für diessmal von der Geiaael de« Bil^r- 
kampfes befreit. Man begnügte sich zu Am- 
iterdam die Zahl der Schoppen m Termehreo, 
und der Umstandi das« man auch von der andern 
Partei einige in denBath aufnahm, trag zu Ver- 
hindernng schlimmer Auftritte' nicht wenig bei. 

Der Besitz des Schlosses Mniden gab der 
Regierung einen festen Punkt in diesen Gegen- 
den. ISichtsdestoweniger fehlte es auch hier 
an Intriken und Störnngen nicht; doch nahmen 
sie keinen heftigen Charakter an. 

Den Stolz der HoUfinder hob es nicht wenig, 
als noch im Jahre 1477 ihre Kriegsflotte eine 
Abtheilung französischer Schiffe wegnahm und 
die Sicherheit anf dem Meere wieder herstellte. 
Aber der König wnsste später durch Wegnahme 
19* 



.,gniod.,GoOglc 



der ganzen Hfiringsflotte das AndeDken an die- 
sen Schimpf glänzend »a tilgen *). 

Nach der Huldignng der Nord -Provinzen 
der Niederlande, welche wir schon früher be- 
merkt, kam zu Ryssel am 12. Julias 1478 zwi- 
schen Maximilian und Maria einerseits, und 
König Eduard IV. andrerseits ein Handels- und 
E^ch fang -Vertrag zu Stande, welcher für beide 
LSnder von grÖRiter "Wichtigkeit war. 

Dia geldrische Frage beschäftigte Boforl Ma- 
rien und ihren Gemahl vorzugsweise, Uie Kin- 
der des verstorbenen Herzogs, Karl und Phi- 
Uppine, waren nach Karls des Kühnen Tode 
unter Vormnndschafit ihrer Muhme, Katharine, 
gestellt worden, und Lndwig XI., an welchen 
diese um Schulz sieb wandte, gab ^e Zusiche- 
rung kräftigsten Beistandes; Maria und Max 
aber weigerten sich» wie natürlich, die noch 
immer zu Gent behaltenen nnd mit grosser 
Sorgfalt erzogenen Waisen herauszugeben. Die 
Provinz selbst hing an Urnen, nnd machte 
grosse Anstrengungen zu ihrer Befreiung. Der 
Bischof von Münster, Heinrieh von Schwarzen- 
berg, zom Scbirmherm des Herzogthums wäh- 



*) Früher jedoch hatte auch eine hoUändiiche, zu Am- 
Rterdam anagerüitete Flotte von 85 Schiffeo Vorthtile Aber 
die frenzSrische erfochten und dieie zur RQckkehc au die 
helmathlicbe KQste gezwungen. /. Koek Ainateldamache 
Jaarboekco. Anwterd. 1781. I. DmI. 



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rend der Abwesenheit Karls nnd Philippinens 
ernannt, leitete die ftffentUehen Angelegenhei- 
ten; das Ansehen des burgnndischen Hofes ward 
ferner nicht anerkannt, und bald worden Gel- 
dern nnd Zfitphen von Holland nnd Brabant 
aus mit den Waffen bekämpft. Nach allerlei 
WechselfWen gewannen Maria nnd Maximilian 
die Oberhand, nnd die beiden Provinzen leiste- 
ten ihnen (1478) die feierliche Hnldigung "), 

Inzwischen hatten sich die Unrahen zn Hoorn 
erneuert, in Folge des Versuches einer Gegen- 
nmwälzung von Seiten der überwundenen Kab- 
beljaw'schen Partei, allein ohne Erfolg für diese ; 
ihre schlimme Lage vermehrte sich blos da- 
durch, sowie die Zahl der Yerbannten. Glück- 
licher war diese Partei zu Leyden. Unter dem 
Verwände einer angestifteten Verschwörnng 
und eines beabsichtigten Mardanschlages der 
Houder'schen , kamen die beiden Bürgermeister, 
Gerhard van Poelgeest nnd Willem van Zyl, in 
den Fall, die Stadt verlassen zu müssen. Die 
Herren Jan van Egmond, Jan van Wassenaar, 
Willem van Schagen, Jan van Bietveld nnd 
Jakob van Kats, an der Spitze einer Anzahl 
Bürger aus Haarlem, Delft und dem Haag, hiel- 
ten im Julius 1479 ihren Einzug in Leiden; 



*) Ueber Karl und Philippiae von Geldern und inter- 
essante Romane in Walter Scott'icher Mauler von dorn Fla- 
minder' Mokt und dem Engländer ßrMam voduuiden. 



.,gniod.,GoOg|i: 



2M 

das Regiment wurde in ihrem Sinne bestellt, 
uad ein groBser Theil der Gegner vertriebeo. 

Bald darauf k^m die Reibe aach an die 
Houders za Haarlem; ein angeblicher Versuch 
junger Edlen t«i dieser Partei veranlasite hef- 
tige Beibungen and den Sieg des Kabbeljaw*- 
acben Prinzipa. 

Auch zu Botlerdam fühlte man die Wehen 
der grossen Entzweiung. Der Generalstatlhal-. 
tec von Holland, Wolfart van Borsden, hatte 
(zu Anfang dei Jahres 1479) s&mmtliche Städte 
und Edle zu einer allgemeinen YerBanunlutig 
nach jener Stadt beschieden. Allein die Furobt 
vor Umtrieben der Houdera hielt den Bürger- 
meiater Jan van Reimerswaale ab, die Abgeord- 
neten von Dortrecht, Gouda und andern Orten, 
wo die Partei vorherrschte, einzulassea; ja so- 
gar der Generalstatthalter selbst ward an der 
Tafel anr Abreise genöthigt, da er als ein ei&i- 
ger Beschützer der Houder'sohen galt. Solches 
mehrte nur die Erbitterung. KGlten im Haag 
trieben die Parteien ihr Spiel , und die Kabbel- 
jaws, denen Borselen beharriloh den Wieder- 
einlass ihrer Verbannten in Dorirecht, Gouda, 
Sehoonhoven und Ondewater (inzwischen eben- 
falls in Gährung) abgeschlagen hatte, vergriffen 
sich sogar an der Dienerschaft und an dem Pa- 
läste des Statthalters. Die von Egmond und 
Wassennar waren die Anstifter der Unruhen 
gewesen. Der Statthalter, damals auf Seeland 



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abwesend, zog mit rächeriscben Kriegshaaren 
wider den Haag, nabni seinen Palast wieder 
ein, und liesa die Hänser der Kabbeljaws plün- 
dern. Diese jedocb übten alsbald nacb seiner 
Abreise Wiedervergeltnng an den Häusern der 
Hondera. Der Statthalter verlegte sofort des 
obersten Gerichtshof nach Rotterdam, nm die 
Haager für solchen Unfng zu strafen. Noch im 
Sommer desselben Jahres fiel das grosse Un- 
glück Tor, wodurch die ganze Häringaflotte bei 
Cherbonrg in französische Gewalt gerieth. Nur 
der glorreiche Ausgang der Schlacht bei Gui- 
negate konnte für den Verlust Sühne and Trost 
gewähren. 

Dieses Ereigniss ' setzte den Erzherzog in 
den Stand, eine Beise nach Holland zn unter- 
nehmen, um die Leidenschaften der Parteien zu 
bändigen und den zerrütteten Dingen wiederum 
einige Gestaltung zu geben. Ueberdiess waren 
die Steuern, deren Maximilian zu Fortsetzung dea 
französischen, sowie dea geldrischen, inzwischen 
wieder entloderten Krieges bedurfte, einHanpt- 
beweggrund seiner Erscheinung im Norden. 

Die einfloBsreichaten Häupter der Kabbel- 
jaws, Ton denen wir den grössern Theil bereits 
genannt haben, suchten aufrichtig mit dem Hofe 
sich zu veraöhnen, vielleicht weil sie der Uu- 
mheo aelbflt müde oder von Ehrgeiz and Sacht 
nach Aemtem, getrieben waren. So kam also 
die VerwUligang von 80,000 PhUippathaI»n (zu 



..gniod., Google 



30 Groschen flämischer Wahnuig) auf ^cht 
Jahre und einer Rnndsoinme von 100,000 Tha- 
lern baar int Namen der drei Landschaften Hol- 
land, Seeland, und Friesland, nicht schwer zu 
Stande; daßir gab der Prinz denselben neue 
Freiheiten. Amsterdam, Leyden nnd Haarlem, 
welche sich ungünstig gezeigt, wurden durch . 
die Zosicherung eines durch Holland zu ßihren- 
den Kanals gewannen. Diese Nachgiebigkeit 
der Kabbeljaws Ward von dem Hofe mit Ent- 
fernung des verhassten Gnhemators Borselen 
belohnt. Der Patriotismns der HollKnder nnd 
ihrer VerbSndeten , im Besitze materieller Vor- 
theile, kümmerte sich wenig nm den Genuas 
der neuerworbenen politischen Freiheit, and sie 
Hessen sogar die Anstellung eines Hennegaaers, 
Jobst de Lalaing, als Nachfolger Boraele's in 
der Generalstatthalterschaft zu. Die Yerschwä- 
gemng dieses fremden Edelmannes mit den Bre- 
derode's beschwichtigte die Abneigung der Hod- 
ders. Max finderte auch das Personal des ho- 
hen Gerichtshofes, welcher inzwischen wieder 
nach dem Haag verlegt worden war. Lalaing 
erhielt gemessene Befehle zu Anfirechthaltung 
des Landfriedens; allein mit Ausnahme Hooms 
nnd Gonda's achtete Niemand auf dieselben. Bios 
in diesen beiden Städten wurden die Kabbel- 
jaws, nach gethanen demüthigen nnd feierlichen 
Znsicbernngen eines friedlichen Wesens, wie- 
derum in den Schoos der Bfirger auigenonunen. 



..gniod^yGoOglc 



297 

' Die Abreise des Erzherzog ans Holland gali 
dag LooBzeiehen za oeaen blntigea Auftritten, 
wobei an{ dem einen Punkte die Hondeis, auf 
dem andern die KabbelJawB den Meister spieU 
teo. Zn Anfang des JSnners 1481 watd von 
Anhängern der Eratern ein Anschlag aof Ley- 
den entworfen nnd auch -wirklich aasgeföhrt. 
Ein Gelderer, Beyer von Brnckbnisen} stand 
an der Spitze; nnter dem Geschrei: „Breeioo! 
Breeroo! (Breederoode) Montfort «tc," woide 
dasRaihbans gestürmt; es Sog gleich daranf zn 
grossem Schaden der benachbarten Strassen in 
die Laft, da, dotch Zufall oder aus Absicht, 
die aufgehäufte Pnlvermasse im untern Gewölbe 
entzündet -worden war. Fait alle bedeutenden 
Kabbeljaws wurden gefangen gesetzt, nnd alle 
Stellen von den Siegern eingenommen. Eine 
Miliz von 6000 Mann, anf tüchtigem Fass ein- 
gerichtet, sollte der nenen Ordnung der Dinge 
Kraft verschaffen. 

Allein die Houders zn Leyden hatten etwas 
begonnen, was sie in die Länge nicht durch- 
setzen konnten; sie hatten nicht erwogen, dass 
die Kabbeljaws zu Haarlem , Delft und Amster- 
dam an der Spitze, nnd der Erzherzog und 
Maria mit denselben einig seien. Man beschloss 
daher am Hofe am uo mehr den Uebermuth der 
Houders za züchtigen, als die so eben genann- 
ten drei Städte dringend darum ihn angingen. 

Der Herr ron Lalaing rückte ohne Sänmen 



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in die Gegend von Lejden, imd oalim alle 
Sehlöifer uad Orte, welche der Stadt als Vw- 
niaaem und Bollwerke bisher gedieat; dien 
setzte die Hoadera in nicht geringe Bestürzang, 
noch mehr aber die Kande Ton dem gehädfiten 
Uogliicke, das ihre Partei in Dortrecht, Goada, 
SchoonhoTen und Oadewater getroffen, welche 
StKdte aämmtlich in die Hände der Kabbeljaws 
snrückgerathen waren. Die Hofpforte im Haag 
war mit Tomehmen Gefangenen angefüllt In 
allen Städten kamen die Gegner der Honders 
wieder an das Ruder, nnd worden von Maria 
und ihrem Gemahl in ihren Aemtern neu be- 
stätigt. 

Endlich erkannte Leyden, daw es des Hofes 
nnd der Gc^er vereinigtex Macht in die Länge 
nicht werde wiederstehen können, und es de- 
müthigte sich vor dem Erzherzoge und toi sei- 
ner angestammten Giebieterin. Hinrichtungen, 
Aechtongen, Gütereinziehungen rächten an Ein- 
zelnen das Verbrechen desAufstaades; die Mehr- 
zahl der Gefangenen erhielt Gnade aof die instän- 
digen Fürbitten der Henogin Margarethe , wel- 
che früherer Dienste mancher Honders dankbar 
sich erinnerte. Unter den Häuptern, welche 
im Haag wegen Ungehorstoi und Aufruhr wi- 
der die Frau von Oesteneich tind Burgund xnm 
Tode gefahrt wurden, befanden sich vorzüglich 
der Schultfaeiu von Dortrecht, Adrian JanssoD 
Westfaling, und der Bürgermeister Dirk von 



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Beaumont; sie fielen nicht ohne aulricbtiges 
Bedauern Mancher, welche in ihnen blos stand- 
hafte, vielleicht allm eifrige Verfechtet der Pri- 
vilegien des Landet gegen TerfaasnQgswidrige 
Anginnen and Eingriffe dea Hofes erblickten. 

Fortan blieb Utrecht der eissige Mittel- 
punkt nnd die einzige Stütxe der unterliegenden 
Hooders, and die Gewalt des Bischofs, David 
Tan Bnrgand, Bmders von Kail dem Kühnen, 
aehr geschmSlert. Maximilian fasste den Ent- 
■ehluBi, aach hier sein and seiner Gemahlin 
Ansehen nra jeden Preis zn befestigen; aber 
der wider die Utreohter nntemonunene Kampf 
kostete grössere Anstrengungen, als et wohl 
geglaubt heben mochte; sie schlagen die hol- 
l&ndische Streitmacht bei dem Kanäle von Jnt- 
faas, doch zogen sie bei Westbroek in einem 
blutigen Treffen den Kümem, Naerden, Jnt- 
faas, Emmenes, Baam und Zoest gingen bei 
diesen Affairen hintereinander in Flammen auf. 
Die Utrechter stellt«! dem Bischöfe David den 
Primen Engelbreeht von Cleve, als Sehirmherrn 
und Regenten, en^;egen; aber der gestörte Han- 
delsverkehr und die grosse Hungersnoth be- 
stimmten znm Anknüpfen von Unterhandlungen, 
Zn Schoonhoven hatte eine Znsammenkunft der 
Ahgeotdneten vieler holländischen Stfidte und 
des Generalgubemators Lalaing mit Bevollmäch- 
tigten von Utrecht statt; jedoch (fhne Erfolg. Die 
Einnahme von Vianeo, einem Nefien Lalaings 



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angehörig, war eine der letztern Tropäen der 
Bürger. Der Tod Mariena trat naohmalB Hö- 
rend in diese Begebenheiten ein '}. 

,^Ie diese Feindseligkeiten — bemerkt Gaä- 
lard mit vielem Scharfsinne — konnten anf der 
einen nnd der andern Seite wohl einigen Pcirat- 
peitonenBahm, aber zuletzt in der Hanptsache 
doch keine Entscheidang bringen. Ein lang- 
wieriger Krieg zwischen zwei, nngeföhr gleich 
starken Mftcfaten erzeugt als Besultat ungefähr 
die gleiche Summe von errungenen Vor- und 
erlittenen Nacbtheilen, dem zufolge wechsel- 
seitige ElrBchöpfong wechselseitig zn einem Frie- 
den notliigt, den man mit etwas mehr Verstand 
irüher hätte haben können, oder niemals hfitte 
brechen sollen. Im Allgemeinen sind es anch 
mdit Bündnisse and Trnctate, als Kriege, wel- 
che das Loos der Staaten in Europa bestimmen. 
Man kennt darin das Becht der Eroberung nicht, 
jenes faassenswerthe Vorrecht minder gebildeter 
Nationen **). Allein wenn die Kriege der Er- 
oberer hassenswerth sind, weil ihr Gegenstand 

') VergL über dieie hollind. Affiüren i die eicell. Chro- 
njke T. Vlaenderen — Vtliiu Chroo. vw Hooni — Die 
Chronyken vac HoUandt, Zeelandt en Vrietlaudt — Sim. 
tan Leeuwen — Oroulhoetm — BmerwycJb — AT. Sa- 
Itn. Mareiand — SligltnJuirtt — MoUatt in den bekann* 
Un Werken; endlich WagoMar TaderL Hbtorie VI. 

**) Der franzödtche G«iclilchtachrdber macht hier 
eine bnaaende Sfttyre aof «diM dgeoe NfttiMi. 



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301 

ein ungerechter, ao sind die onsrigen lächer- 
lich, weil sie ohne allen Gegenstand, und weil, 
wenn die Wage zu stark nach einer Seite 
drückt, man gleich wieder neue Gewichte Kr 
die leichtere Schale näthig hat. Unsere Kriege 
sind, nm ganz eigentlich mich auszudrücken, 
grausame Spielpartien, bei welchen die ver- 
schiedenen Mächte sich so gat unter und wi- 
der einander vereinigen, als möglich, fast im- 
mer nur für kleine, oft chimärische Interessen, 
und welche oft damit endigen, dass alle dabei 
verloren und nichts dabei gewonnen haben." 

Der französische Monarch überzeugte sich 
radlich von der Wahrheit dieser Ansicht, so- 
wie derjenigen, dass er Maxen in die Länge 
doch nicht würde besiegen, und dass die Macht 
dieses Fürsten (zumal vereinigt mit der bald 
noch zu erbenden Hanamacht) die seinige im- 
mer würde im Schach halten kSnnen. Auch der 
Umstand entging seiner Aufmerksamkeit nicht, 
dass die Niederländer, die Genter mit einge- 
schlossen, anfingen, für die Fürstin aufrichtige 
Neigung zu empfinden; in den Herzen der an- 
terjocbten Burgunder selbst erhielt sich fort- 
während ein heiliges Feoer treuer Anhänglich- 
keit und Liebe zur angestammten Gebieterin. 
Der tiefe Menschenkenner zu Tours ahnete diess, 
sowie die daraus entstehenden Wechselfälle; 
noch irrte d^r grüsste Theil des Adels der Fiei- 
grafscbaft in Wäldern umher, bereit zn kühnen 



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302 

Uatemehmnngen manaigfacherArt; dietem miuB- 
ten Vor wand and Gelegenheit künftig abge- 
acbnitten werden. Der geßlhilichste Feind für 
Ludwig XI. aber war die penönliciie Vereb- 
rang, welche man Maxinüiatt zollte. Diese 
Verehrung war, wie selbst ein französischer 
Historiograpb bemerkt hat, die Frucht seiner 
Tugenden. Der Prinz, der so rein in seinen 
Sitten, 80 tugendhaft in allem Wirken und 
Watten dastand, erhielt noch grössern EinJlnss 
in der Meinung durch die Rolle, welche er als 
Gatte und als Bitter der interessanten und an- 
gebeteten Maria überaommen. Die Geburt 
zweier Kinder hatte die Niederländer noch mehr 
an die Herzogin gefesselt; selbst Mutter, föblte 
auch sie die Leiden und Freuden der grössern 
Familie nunmehr zwiefach und ganz. 

Eine moralische Macht von anderer Art, 
deren bedenUamen Einfluss wir schon früher 
geschildert, und welche auch in der letzten Zeit 
mit erneuerter Stfirke wirksam auftrat, -war die 
' zärtliche Freundschaft der verwittweten Herzo- 
gin von Burguad, Margarethe von York, und 
ihre unversShnliche Feindschaft gegen den fran- 
zösischen König. „Die edle Frau — wir las- 
sen nun anch einen Franzosen sie schildern — 
welche auch jetzt noch Ansprüche machen 
konnte "), wies- beharrlich alle Anträge auf ihre 

') „BUe' ebdt jetuw eaoor«, ctpoi»nt.nüwBMbkmetit 



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303 

Hand znrSck. Sie lebte nnnnterbrochen nur für 
Marien nnd deren Gemahl, and kein persön- 
licher fiewe^mnd — bemerkt ein Franzose — 
war jemals im Stande gewesen, die Reinheit 
ihrer grossmäthigen Gefühle zn trüben. Maximi- 
lian ond Maria waren gleiclisam ihre Kinder 
geworden, und sie arbeitete wie eine Mntter 
nnr fiir sie. Ihrer Schritte liir das junge Paar 
in England selbst, beim Könige, dem Parla- 
mente, den Grossen, ist schon früher Erwäh- 
nung geschehen; wir bemerken also hier nur, 
doss andi eine Vermählung zwischen dem noch 
in der Wiege befindlichen Philipp nnd einet 
Tochter Eduards ebenfalls ihr Werk war. filos 
die 50,000 Thaler, welche Ludwig XI. pünkt- 
lich auszahlte, hielten König Eduard noch vom 
Brache mit jenem ab. Margarethe vermochte 
ihre Stiefilochter , diese Snmme für sich zn über- 
nehmen, und das letzte Bond zwischen den 
beiden Königen war zerrissen. England er- 
klärte sich fortan för Marien und Maximilian. 
Margarethe wirkte auch auf einem andern 
Punkte mit nicht geringerem Erfolge. Sie suchte 
den Herzog von Bretagne an England und Bur- 



Mnger k des Douvelles näcea. On lui proposa des puti« 
avoDtagenx ; eile les retusa toDB." GaiÜard 192. la dec 
That war Margarethe damals noch nicht dreissig Jahre alt, 
und ihre Schönheit noch imgemiDdert. Verschiedene Stel- 
len bei Annalisteo dieser Zeit deuten daraut 



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— 304 , 

gund xa ziehen, und uaterhaodelle desshalb-eine 
Heirath zwischen der Erblochter Anna und dem 
Prinzen von Wales, ihrem Neffen. Die .alten 
Verbindungen zwischen den Häusern und Bnr* 
gund wurden erneuert. Von London and Nie- 
derland aus spann die schlaue und geistreiche 
Frau eine Menge der feinsten politischen Fä- 
den, welche der Krone Frankreich die grösste 
Gefahr, und dem mühaamen Lebenswerke Lud- 
wigs XI. den Untei^eng drohten. 

Die politischen Verhältnisse wirrten sich 
daher täglich mehr, besonders da nach die 
Schweizer über die Fortschritte des französi- 
schen Monarchen eifersüchtig nnd ob dessen 
buignndischer NachbEuwcbaft besorgt, sowie 
durch die angedrohte Kriegserklärung des Kai- 
sers etwas eingeschüchtert wurden. Nun kam 
auch noch der allgemeine Schrecken Europa's vor 
der Türkenmacht, nach Constantinopela tragi- 
schem Falle, und endlich der zerrüttete Zustand 
der Gesundheit Ludwigs XI. dazu. 

Durch all' diese Dinge bestimmt, wünschte 
der Künig die Verlängerung des Waffenstill- 
standes, welcher im Jahre 1481 auf sieben Mo- 
nate geschlossen worden, und er begnügte sich, 
als derselbe, nicht ohne zahlreiche Schwierig- 
keiten, zu Stande kam, die gegenseitigen Rechte 
Frankreichs und Burgunds, und seine und Ma- 
riens Verhältnisse auf staatsrechtlichem Wege 
erörtern zu lassen. 



.,gniod.,GoOglc 



305 

Merkwürdig genng, hatte er in dieser letz- 
ten Hinsicht Bchon im Jahre 1478 za seltsamen 
Pioeednren seine Zuflucht genommen, um der 
an Marien ausgeübten Gewaltthat in Bezug auf 
Bnrgund, Artois und Flandern einen Schein 
TOD Asstand und Gerechtigkeit zu geben. Man 
hatte bnrgundischer Seits zur Genüge dai^ethan, 
dass, zumal die beiden lietzten Provinzen, in 
früherer Zeit von der französischen Krone ab- 
getrennt worden, und bei derselben sodann zu 
Lehen gegangen. Doch hatten sie auch diese 
letztere Eigenschaft nie verlängnet, und die 
Meinung der gründlichsten Juristen dahin eich 
vereinigt, dass die Lehen auch auf Weiber 
übergehen könnten. Jene Provinzen waren auch 
blos durch die Heirath eines borgnndiichen 
Prinzen mit der Erbin von Flandern dem Hanse 
Burgund zugefallen; somit hatte der König von 
Frankreich nichts Anderes von den Grafechaf- 
ten anzusprechen, als die Huldigung und den 
Eid der Treue. 

Aber Ludwig XI. hatte bereits etwas ans- 
gesonnen, was ihn seiner Ansicht nach zum 
vülligen Schiedsrichter der Schicksale j«ier Pro- 
vinzen machte. Die Felonie Karls des Kühnm 
gegen ihn musste zur Folie dienen; da der Her- 
zog jedocb bereits vor zwei Jahren gestorben, 
nnd die persönliche Yorladung vor den <d>er- 
sten Lehenhof somit nnmöglich war , sollte 
Maria, die Erbin, dafitr bauen. Der König 
I. 20 



.,gniod.,GoOglc 



Hess der Fürstin nnd ihrem Gemahl sicheres 
Geleit anbiet«n, am in Person oder durch Pro- 
cnratoren vor den Pairs von FraDkreich ihren 
Vater über die angeschuldigten Punkte zo ver- 
iheidigen. Ludwig bot an, auch eineiV Legaten 
des Papstes und Abgeordnete des Kaisers, so- 
wie des tentscfaen Reiches, zuzulassen. 

Natürlicherweise weigerten sich Maria und 
Maximilian , ihre Sache dem Spruche eines 
Parlaments preiszugeben, welcher zum vorans 
schon zu Gunsten des Köuigs gefasst war. Die 
Untersuchung ward demnach ohne Weiteres in 
den üblichen Formen eingeleitet, nnd in langer 
Reihe von Thatsachen and Raisonnenients eu(> 
wickelt, wie der Herzog Karl dein Königreiche 
Ungemach ohne Zahl bereitet and gegen den 
rechtmässigen Oberlehensherm Untren« viel- 
facher Art geübt. Auch die Tochter, Maria, 
sei in seinen Fnsstapfen fortgewandelt nnd habe 
in Briefen die Stände des Landes zum Unge- 
horsam wider den König von Frankreich auf- 
gereizt; ein noch grösseres Verbrechen aber 
durch die Schreiben begangen, worin sie die 
Eidgenossen und England zum Kriege wider 
denselben König an^e muntert. Der Kaiser 
Friedrich III. trat ins Mittel und schilderte in 
einem langen Manifeste sämmtliche Ungerech- - 
tigkeiten Ludwigs gegen das tentsche Reich and 
das Herzogthnm Burgund. Der König antwor- 
tete seinerseits ni^ Beschwerden andrer Art. 



..gniod., Google 



307 

Als Gründe und Gegengründe frachtlos von bei- 
den Theilen verscliwendet worden, kam die 
Beihe an die Waffen wieder, wie wir' bereits 
ausführlich erzählt haben. 

Alle di« Remonstrances, Besognes und Rap- 
ports in den folgenden and in den letzten Jah- 
ren hatten keinen günstigem Erfolg; doch zÖ> 
gerte diessmal Maximilian, als et den Gegnei' 
ermüdet sah, mit Absicht, nnd, des nahen To> 
des ven^Lndwig XI. gewiss, trachtete er dftm 
roindeijäbrigen Nachfolger, Karl VUI!, dieselbe 
Lage zu bereiten, welche 'dessen Vater einst 
der rerwaisten Maria, beim Tode des ihrigen,' 
herbeigeführt. Man hatte daher von burguadi* 
scher Seite eine Reihe Ausflüchte, den End- 
frieden in die Lunge zu ziehen^ und wenn der- 
selbe auch endlich darchaos eingegangen wer- 
den musste, so wollte man ihn doeh so günstig 
und vortheilhaft , als möglich, schlicssen. Mar- 
garethe steckte bei dem Allen mit ihren uner- 
schöpäichen Rathschlägen im Hinterhalte, und 
wenn Ludwig auch die alten Verwickelungen 
glücklich beseitigt, so hatte sie jederzeit wie- 
derum neue, achwierigere herbeigeführt*). 

Ungefähr um diese Zeit nahmen der Erz- 
herzog und seine Gemablin an Philipp de Cre- 
vecoenr und den Anhängern des französischen 
Königs für vieljährige Untreue and Kränkung 

') Gaillarä Hist. de Marie de BonTgogni, 
20* 



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dadurch Ba«he* dass alle die Betreffenden, wel- 
che Mitglieder des Vlieases waren, in einer 
feierlichen Sitzung za Herzogenbnach ansge- 
stossen worden*). 

Am 2. September 1481 kam Maria in Brüs- 
sel zum dritten Male nieder, nnd zwar mit einem 
Knaben, welcher in der Tanfe den Namen JiranXt 
za Ehren des Herzogs Franz von Bretagne , er- 
hielt. Die heilige Handlang, welche in der 
Kirche von St. Gudnla vor sich ging, waxd von 
einer Menge rangehender Feierlichkeiten be- 
gleitet; daz Kind starb jedoch bald darauf**). 



*) VergL die Beilagsn über dieaea Fest and ein frü- 
here« ZQ Brügge. 

") „Et pDur cfl^brer !& ■olraunit^ da bapüaement da 
celui uifEint, fut faicte nne boille comuiBiichaiit an dit hostel 
t^ fiuBiit k Vigüse de Sainte-Goule (Gudule); et y avoit 
Dne torche de üx piedi de longaear; et eitait Jiooneste- 
ment coDTerte de drapa de couleur, et lea raes tappiasjei 
conne au jouc du aacre. Au miliea de l'^liu de 8t. 
Gonle, lichement tapiasäe, estoit uq honrd aomptueoMment 
jdifid, OD eatoieat lea fona notablemeat •oinäa, et aosii 
Heaaeignellra , lea präata et nümatrea de l'^gliie, qqi le 
bapteune debTtneat &c(»iiDplir." 

„Bn teste noble compagnie allecent sni od cheraUet 
Bl dist bapteame Honaeigneur Philippe d'Autriche, Comte 
de Charolloia, et Mademoiselle Marguerite, aa soenr, en- 
fkna da dit Dac et Dudiease; et fut baptiaä le dit eofant 
pir Hoiueigneor Hemi de Berghea, £veaqne de Camlway; 
«t le tindrent aur lea fona Honaeigneur Philippe de Cray, 
CoMte de Chimay, an nara du Dne de Bcetaigne, en la 



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Das Unglück , welches Marien mit dem drit- 
ten Kinde widerfahren, war der Vorbote eines 
noch gröBsern, das sie selbst traf, ond zwar in 
Folge einer ihrer Liebhabereien, wovon Adolf 
von Barensteins wamnngSToller Rath vergebens 
sie znräckznhalten gesucht. 

Am 22. \ovember 1481 war Maria noch ein- 
mal nach der Grafschaft Hennegan gereist, am 
daselbst in Person die Hnldigang anzonehme», 
welche bisher blos durch Abgeordnete geleistet 
worden. Zn Mona nnd zn Valenciennes wurde 
sie auf das Feierlichste empfangen. Man hatte 
in letzterer Stadt die Strassen, wie gewöhnlich, 
mit kostbaren Tapeten geschmückt, and auf die 
sieben Verse des „Ave Maris Stella'* sinnt^iche 
FignrcD and historische Pantomimen in Lebens- 
grSsse geordnet, welche der Fürstin, die solche 
Sachen sehr liebte, ein besonderes Vergnügen 
machten. Des folgenden Tages wurde in dem 
sogenannten Grafensaal der feierliche Schwor 



contemplation et foTcnr doqaal il fnt nommä fVoifOÜ. 
MoDseigneni Ferry de Cluuj, Cardinal do Toaniay, le tint 
paraUemeot iTecq Madune la Piincesse d'Oraog«; et fut 
luct oe baptisement le vingt-Mptieine jour du nuü» da 
Scptembre aa deum dict. Le jour St Etienne eiuuiTBat - 
treapsMa de ce lüecle le dit Francob; de qoei tont le 
people da pays fat, fort ennuy^, auurBialneinent les Bnixel- 
luii} car ceux, qui de aa nativitä avoieut eu rejouissance, 
eurent alors pour lon tr^pas tr^-angoiaeuse deaplaiaance." 
J. Hoinul Clup. 85. 



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310 

geleistet; die BesaUnngen von Gaise, St. Qnen- 
tia und andern Städten der Bunde, lagerten 
sich, nm ihr ein Bild der Kriegsgräuel recht 
anschaulich zu geben, um Cond4, nod die Frau 
von Bnrgund sah die lodernden Wachtfener 
nnd die Verwüstungen der Nacht am folgenden 
Morgen ganz in der Nähe, nicht ohne Grauen 
und Schrecken. Sie eilte von Valenciennes 
weg nnd nach Brügge zarück, um daselbst, ge- 
meinsam mit ihrem GemfAle , welcher von dem 
Lager Urlaub genommen hatte, einen Theil der 
Jahreszeit zozubringefi. Sie traf vor ihm ein, 
and je näher der Frühling rückte, desto mehr 
fühlte sie schmerzliche Sehnsucht nach ihm in 
ihrem Herzen; denn unaufhörlich breitete sich 
Über ihr ganzes Wesen ein trüber Flor and 
eine unendliche Bangigkeit, sobald sie von Max 
getrennt war. Der Herr von Bavenstein trö- 
stete sie bestens, und meldete ihr endlich die 
Ankunft des Prinzen im Weichbilde, Noch 
niemals war der Erzherzog von den Einwoh- 
nern mit solchen Beweisen von Aufmerksamkeit 
und niemals mit solcher Zärtlichkeit von Ma- 
rien empfangen worden, als dieses letzte Mal, 
wo sie zusammentrafen. 

Als der Erzherzog die Gattin, welche eben 
mit einem vierten Kinde schwanger ging, in 
der Hofburg nmfasste, entströmten ihr heisse 
Thränen der Freade und des Schmerzes zu- 
gleich, denn es war wie eine Ahnung, was sie 



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311 

dnrchfahr und ihr sagte, dass sie ihn snm letzten 
Male in ihre Arme achliesse. Sie empfand nun 
anch für and für eine iineodüche Schwermatb, 
welche durch nichts mehr verdrängt nerden 
mochte. Vergebens befragte sie der Prinz vm 
den Grund; sie Itonnte selbst ihre Gefühle nicht 
deuten, sondern sprach blos: „Mein Herr and 
Frennd! mir fehlt nichts; lasst uns fröhlich sein 
nnd morgen snisammen auf die Jagd gehen , denn 
es dürstet mich nach dem Freien ! " Max sicherte 
ihr solches willig zu und veranstaltete durch 
Ludwig von Gruilhuisen die Jagdpartie; diess 
geschah zu Anfang des MSrzmonats 148?. 

Kaum war der Morgen angebrochen, so 
setzte sieh Alles in Bewegung und zu Pferd; 
die Herzogin, wie gewöhnlich, mit ihrem Sper- 
ber und begleitet von ihren Frauen, welche 
auf niedlich verzierten Saamrossen hinter ihr 
herritten; die Herren Engelbert von Nassau, 
von Beveren, Gmithaisen, Chimay and Andere 
waren im Gefolge des Paozen. Maria erSffoete 
rüstjg die Falkenjagd, während ihr nicht min- 
der ungestümer Gemahl dem Wilde nachspürte 
und mit seinen Jägern voranstürmte. 

Verschiedene Beiger waren schon gefimgen 
worden, nnd die Prinzessin, ungewöhnlich hei- 
ter über den Erfolg, ritt immer rascher dnreh 
den Than, bis sie auf einem Baume einen be- 
sonders grossen Beiger ersah, nach welchem 
sie ihren Vogel alsbald fliegen Hess. Das Pferd 



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. 312 

wollte jedoch niclit vorwärts, da eine Kragt 
(ein Wasset^aben) hemmend daEwischen lag; 
und als sie es mit der Hand heftig schlug, am 
es znm Spninge darüber zn vermögen, ward es 
plfttulich sehen und warf die Reiterin anf eine 
so nnglückliche Weite ab, dass sie fiber einen 
Baomstrunk, das Pferd aber auf sie, fiel. 

Ihr Jammerruf zog schleunige Hülfe von Sei- 
ten des Gefolges herbei. Man trag «ie, nach- 
dem die furchtbare Last von ihr abgewälzt 
worden, in das znnächststefaende Hans, und 
eilte, dem Erzherzoge zu melden, wie seiner 
Gemahlin ein Unglück zugestoaaen, und sie stark 
ge^netscht worden sei. Maria war jedoch nicht 
nur einfach geqoetscht worden, sondern das 
Boss hatte ihr einige Rippen zerbrochen,- ein 
Baumatrunk war ihr in den Leib gegangen und 
hatte sogleich einen starken Blntverlnst nach 
sich gezogen. Sie verschwieg aber ihren fürch- 
terlichen Schmerz nnd den grossten Thail des 
Uebels. Maximilian kun in «ntsetzlicher Angst 
daher gesprengt, nnd äberliess sich, als er seine 
Gattin in solchem Zustande erblickte, einem 
unendlichen Jammer. Sie selbst jedoch sprach 
ihm Trost nnd Mnth ein, und bat blos, dass 
man sie anf einer Ronbahre nach Brügge brin- 
gen mdchte, was anch alsbald geschah. 

In der Hofburg angekommen and in ihre 
Kammer gebracht, erhielt sie stärkende Arz- 
neien. Aber da sie, aus nnieitiger Sdhaam, die 



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313 

Hanptwnnde Tenchwieg und ttandhaft einer 
nShern Besichtigung answich, konnte ihr die 
nöthige Hülfe nicht gesehaffi werden. Der Erz- 
herzog verwünschte den Tag, wo er fUr eine 
eitle Last das Thenerste anf das Spiel gesetzt. 
Ihm blieb die schwere Gefahr nicht lange ver- 
borgen , und er rief mit gesteigerten Klagen ans ; 
„Soll ich nan verlieren die Fracht meines Le- 
bens, nad die Wohlfahrt meines Landes? Sol- 
len meine Kinder Waisen werden, die noch so 
• jnng and zart sindf Mein geliebter Sohn Phi- 
lipp, mein süssea TSchterlein Margarethe, schei- 
det Eure Mntter jetzt schon von Euch, «o habt 
Ihr und das Land allzuviel verloren t Daa sei 
Gott geklagt!" Der Herr von Ravenstein trö- 
stete ihn sanft und ßihit« ihn an der Hand zum 
Lager der Kranken. Maximilian kniete vor 
demselben nieder und &agte sie in dem Tone 
der innigsten liebe: „Maria, meine Minne, wie 
fahrt Ihr?" da lispelte die Herzogin leia und 
z&itlich dankend: „Hwr und Fürst I ich hoffe, 
es soll Allel gat werden; aber ich bitte Euch 
dringend, lasst ungesfiomt die Ritter vom VliesBe 
kommen, desn ich habe mit ihnen Wichtiges 
za spretien.** 

Der Erzherzog willfahrte Maria's Wniweh, 
Hess inzwischen za Brügge feierliche Bit^ilnge 
anstellen, und verordnete, dass man das heilige 
Sacrament vorantrage, damit vielleicht durch 
deaaeo Kraft der Kranken in ihrer harten Noth 



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geholfen werde. Er selbst wohnte in Person 
and'baarbanpt einet solchen Procession bei, nnd 
alle Edlen folgten ihm, anter dem Zuströmen 
und der Theilnahme einer nnztthlbaren Menge 
Volks. Alles vereinigte sich zu flehentlichem 
Gebete am Rettung der Fürstin. Nachdem diess 
geschehen , eilte er zur Leidenden zurück, deren 
Kräfte sichtbar Abgenommen hatten. Margare- 
the TOn York, die Frau von Chimay und an- 
dere ihrer Damen umstanden sie mit Trost und 
Hülfe, nnd wehrten ihren Thr&nen nur dann, ; 
wenn es galt, die noch häufigem des Prinzen 
zurückzuhalten. Et selbst ward nicht müde, 
mit „lieblichen Worten** zu ihr zu reden, und 
hielt ihre kalte Hand fieberhaft in der seini- 
gen. Endlich waren die Ritter vom goldenen 
Vliesse sSnuntlich eingetroffen und wurden 
der Herzogin angemeldet. Man bemerkte dar- 
unter vorzüglich die Grafen von Romont, Clii- 
may und Nassau, den Markgrafen von Bran- 
denburg nnd die Herren von Fiennes, Dayselo, 
Beveren, Gruithuisen n. s. w. Als der Erzher- 
zog, welcher zu ihrem £^mpfange hinuntergeeilt 
war, mit ihnen in die Kammer trat, rief er: 
„O Maria, mein Trost und Leben, wie steht 
est Will das Uebel sich noch nicht bessern?" 
Die Fürstin etwiederte mit betrübtem Herzen: 
„O Herr und Fürst, es steht schlecht mit mir, 
nnd ich fühle, dass wir scheiden müssen. Ich 
habe demnach eine dringlich« Bitte an Euch, 



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315 

Ihr Herren vomVIiesse, nämlich, dags Ihr mei- 
nem Berrn, demHenoge, die Trene bewahren 
wollt, 8o Ihr ihm geschworen; dass Ihr in sei- 
ner Noth ihn nicht verlassen, sondeni Ihm so 
gut und geneigt verbleiben möget, wie Ihr es 
seither and bis zu meinem Tode gewesen. Hal- 
tet — ich bitte Euch wiederholt dumm — den 
Eid, den Ihr geleistet, zosammenznstehen wie 
Brüder, und bleibt seine Freunde and meiner 
Kinder Freunde , dann sterb' ich getrost." Die 
Ritter alle, in grosser Rührung, schwären ihr 
Gewährung nnd schieden von dannen. Die Für- 
stin fühlte ihr Herz erleichtert; nor Maximilian 
stürmte, übermannt von dem Augenblicke, in 
die Hofflar und liess seinem grenzenlosen 
Schmerze abermals freien Lauf. 

Nach einer Weile kehrte er an das Siech- 
bette zurück, da man das Ende der Leidenden 
jede Stunde erwarten konnte. Er stellte sich 
mit Margarethen, den Kindern and den getreuen 
Frauen vor die Sterbende. Diese, filicke der 
zärtlichsten Liebe auf ihn heftend, fühlte durch 
sein namenloses Leiden ihren Hingang nur noch 
mehr erschwert, und seine strümenden Thrftnen 
drangen gleich blutigen Pfeilen in ihr gebro- 
chenes Herz. Sie bat ihn demnach mit zittern- 
der Stimme, „die Kammer doch zu verlassen, 
da es so besser für sie Beide sein dörfEe." Der 
Prinz aber rief ans : „Liebe , was verlangt Ihr 
voB mir? Ich soll Euch in dieser Stunde ver- 



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316 

lasaen, und mein Heiz ist ho schwer nnd ge- 
presst, wie niemals eines Edelmannes Herz! 
Ach! daB sei Gott geklagt!" Nichtsdestoweni- 
ger ging er auf Ravensteins Ersuchen, die 
Kranke za schonen, und auf dag Versprechen, 
jederzeit fleisgig Knnde von ihrem Befinden ihm 
bringen zu wollen, in sein Gemach. Dort rang 
er verzweiflangaroU die H&nde und zerraufte 
sich das Haar. 

In sämmtlichen niederländischen Geschicht- 
Bchreibern findet sich keine so zarte, so röh- 
rende Scene, als die Schilderang der letzten 
Stunden der Maria, wie sie in den Chroniken 
in schlichtem, einlUtigem Styl and mit ange- 
nehmer Weitschweifigkeit geschildert sind, nnd 
der Einklang Aller, oh sie in flfimischer, in 
holländischer oder in franzdsischer Sprache ab- 
gefasst sind, beurkundet die grosse Liebe, wel- 
che das Land zu ihrer Person und za ihrem 
treuen, mütterlichen Walten getragen. 

Inzwischen waren die vom Vliesse noch ein- 
mal nach der Hof barg gekommen , nm noch die 
etwaigen Befehle der Fürstin za rernehmen, 
und mit ihnen auch der Bischof von Domick, 
in der Absicht, geistlichen Trost za spenden. 
Die Herzogin schien za schlafen, aber es war 
der nahende Schlaf des Todes. Nach einer 
Weile regte sie sich wieder, aber auf die Frage 
über ihr Befinden, schüttelte sie daa Haupt nnd 
sprach : „es ist mit mir sehr schlimm gestellt." 



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— 3ir — 

Und imii begann sie nBch dem Gemahl sich za 
sehnen, über das Schwinden des Gedächtnisses 
sich za beschweren , über ihr junges Leben za 
jammem, von dem sie schon jetzt scheiden 
müsse, und klagte bitteilich sich selbst als die 
Urheberin ihres Unglücks an. Noch düsterer 
traten aber die Drangsale des Landes vor ihre 
Seele, die sie alle übersah, und besonders la^ 
ihr schwer auf dem Herxen, dass der Friede 
mit dem KSnige von Frankreich noch immer 
nicht geschlossen sei. Sie fürchtete Gefahren 
für den Erzherzog, Gefahren für ihren Sohn, 
Gefahren für die Niederlande, und erneuerte 
Uire Vermahnnng an die anwesenden Grossen 
auf das Dringlichste, dass sie doch aller drei 
tüchtig sich annehmen nnd dafür wirken möch- 
ten, dass weder die beiden Fürsten, noch das 
Land za knrz kSmen. Allen flössen Tbr&nen 
aber die Wangen, und sie schwuren wiederholt 
dem Hause Bargund-Oesterreich Schirm und 
Treae bis an ihr Ende. 

Maria dankte mit freundlicher Miene und 
sprach: „Ihr Herren, nun will ich minniglich 
sterben, und dem allmächtigen Gotte danken da- 
für, dass er mir nicht länger hienieden zu ver- 
weilen gSnnt. Zwar hätt' ich gern noch eine 
Zeitlang Anfschab gehabt; da es ihm aber an- 
ders gefallen, so will ich seinem Willen mich 
fügen und ihn am Verzeihung bitten för das 
hofiärtige Leben, das ich gefuhrt." Da tnrt 



..gniod., Google 



318 

der Bischof mit salbnngsieicher Rede zu ihr, 
lind redete lang und viel von dem bittera Lei- 
den und Sterben, von der Versöhnung und den 
Verdiensten Christi, und übergab sie der un- 
endlichen Gnade desselben, welche allen frommen 
Glänbigen gewiss sei. Endlich schloss er mit 
den Worten: „Ehrwürdige Fürstin, haltet dieas 
Alles zu Herzen nnd achtet nicht mehr auf die 
eitle Glorie dieser Welt; denn die Welt ist 
bettäglich, und Alles, was sie in sich fast, ver- 
gänglich. Aber das Reich Gottes ist ewig und 
unvergänglich." Maria hörte ihn mit frommer 
Ergebung an und dankte freundlich; daraufrief 
sie die unendliche Barmherzigkeit des Eriösers 
an , in dessen Reich sie noch vor Abend zu sein 
hofile, and begann nunmehr Abschied von Jeder- 
mann zu nehmen. 

Zuerst rief sie; „Ade, theuerster Maximi- 
lian, kaiserliches Blut, wir müssen fortan ge- 
schieden sein! Ade, geliebter Philipp, mein 
Sohn, noch so zart von Jahren; Du wirst fiir 
lange Zeit eine mutterlose Waise bleiben ! Ade, 
süsses Töchterlein Margarethe! Ade, ihr beid« 
junge Wesen! ach, ich verlasse Euch allzu- 
bald; aber ich darf nicht länger zögern, ich 
mnss zu denjenigen, die vor mir hinübergegan- 
gen. Ade, Adolf von Ravenstein, mein treuer 
Freund in aller Noth. Ade, edler Bannerträger 
Romont, der Du meinen Herrn jederzeit be- 
schiimt. Ade, Engelbert von Nassau, gleich- 



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319 

falls mein Freund in so mancher heissen Scblacht. 
Ade, Prinz von Oranien , Fiennes, Chimay, Be- 
veren , Grulthuisen , ihr Alle vom Yliesse , lebt 
ewig wohl. Ade, mütterliche Freundin und 
Schwester Margarethe von York. Ade, Ihr 
Frauen, treue Beschützerinnen meiner Kinder!" 
Und nun raffte sie ihre letzten Kräfte zusam- 
menini Blick auf ihr Land, und lispelte krank- 
haft und zitternd: „Ade, meine Herrschaft von 
Burgund und ihr alle meine Provinzen der Nie- 
derlande, und da, edle Stadt Brügge, die noch 
einmal mich in deinem Schoosse empfangen. 
Ich gehe wohl allzuzeitlich von euch; aber wi- 
der den Tod giebt es kein Mittel; ich fiihle, 
mein Stündlein nahet!" Da sank sie mit dem 
Haapte zurück, und die Augen begannen zu 
brechen. 

Nunmehr Hess der Bischof ein paar grosse 
Kerzen anzünden, an deren einer ein grosser 
goldener Gnadenpfennig hing. Maria schlug noch 
einmal die Augen auf, wiederholte ihren Ab- 
schied, und bat alle die Herren um Yerzei- 
hnog für das Leid, welches sie dem Einen oder 
Andern vielleicht in ihren „kindischen Tagen" 
zugefügt haben möchte.' Sie rang daranf län- 
gere Zeit stark and heftig mit den Qualen der 
Auflösung, rief den Beistand des Bischofs apd 
der Heiligen an, und verschied endlich mit 
fironunem Ruf zu Gott und seinem Sohne. „Es 
war ein unheilbringender Tod für alle Lande,*^ 



.,gniod.,GoOglc 



setzt einer der Chroniatea tiefbewegt hinzu. 
Der Tag, an dem er stattgefnaden, war der 
27. März 1482'). 

Die Edlen hielten nnn Rath, wie dem Prin- 
zen die niederRchlagende Nachricht am leichie- 



*) Qaiüard (p. 805) eatnirft am Schhuse leiner Iho- 
graphüchen Sldice folgrade Cluurakteriadk voa Marien, 
welche viel Wahre«, aber uich manche« Unrichdgaafgefaiite 
und Spielende enthSlti 

„Cette vie n courte avoit itt agiKe de« plni -rio- 
lentea traverae«. Son enfanc« üit tri«ta, la JeuaesH mal~ 
heqrenie. Cependant le lort lemblint depid« qvelque temp« 
■'dtre laaaj de la pen&mter. Son manage protpävit, te« 
Bujet« avoleat enfia renda justice k «ei vertoa, lea Gantois 
avoient fatei de la rävolte k Yadontlea. Ui adaiiroient 
arec enthonaiasme cette donceur affable et giniceiua, su- 
pjriaore anz ontrafei et ä la vengeance, qui n'avoit jamais 
■ü qoe pardooner on r^compenaer; cette tendreue pour »es 
peuplei, la premi^re qnalitj dea loiiTendiis; cet attachement 
k toni Ml ddvoin de S^le, d'BpoQBe, da M^, d'Ämie, 
de SooTeraine; cet amoor de l'Ordre et de la Jaitice, cette 
patieoce dana le malhenr; cette modesde dana la prospecit^ 
tonte« ce« Tertne paiaible« et tonchante«, qu! la rendirent 
plus aimable qne cäibre. Bn effpt, Harie n'affecta paint 
oe« qualitJB ^atantes, m^liea de verta et de vice, qai ont 
ilevi an rang de« pliu gra^^s hommea les SemicamU, le« 
Z^obie«, lea laabellei, les Bliaabeth, etc. Ou ne la vit 
point k la täte de «es ann^a : eile avoit affäire h un Ci/- 
nu — dit Pierre Matthieu — et eile n'iloit powt une 
l%Mtyri(. Elle n'enleTa point k «on man le« r^nes da 
gouTeraement. Elle Im partagea Molement, an grand 
aranlage de rAichidnc mäne, et de «e« titata. Blle D'ent 
qne le« vertu de «Dil lex«; na!« eile lea est tonte«, c« 



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stea beinbcingen sei, and sie kamea überein, 
unmerklich um darauf hinKa^hien. Sie äbet- 
liessen die Leiche den Frauen, welche sie wu- 
schen nad mit kjostbaren Essenzen besprengten, 
and gingen in die Kammer Maximilians, wel- 
cher mittlerweile ebenfalls zwiachea Tod und 
Leben geschwebt. Die Frage, wie es mit der 
Kranken stehe, beantworteten sie mit einem 
},Wobl!" Er ahnete das Geschehene und brach 
von iVeoem in grenzenlosen Jammer ans : „Ver- 
maledeiter Tod, was habe ich Dir gethan, dass 
Da mein schönes, junges Weib so froh mir ge- 
nommen, das liebste, das tbeaarste Franenbild, 
das meine Aogea jemals gesehen? O Maria, 
geliebte, treae Moria, meine Uoffnang, meine 
Wonne , wo ist nun die Freundschaft geblieben, 
die so inniglich war zwischen uns Beiden? O 
meine Kinder, nun seid ihr Beide zwei arme 
Waisen I Wo soll ich noo femer Trost her- 
nehmen 1 Ich will hingehen nnd mich auch ent- 
leiben, damit ich jenem süssen Wesen znr Seite 
begraben werde. Wahrlich, nie hat ein Ritter 
bitterern Gram erduldet, ; wie ich ; Gott sei's 
geklagt!" Die vier Herren, itavensteia, Nas- 
sau, Romont und Beveren, trösteten den Prin- 
zen mit all' den Gründen, welche in einem 



n'Moit point Dn Härot, c'jtoit une femme aimable, uu 
•ellemeDt ümie et que Im rdgreta lea pliu ^c^rea i 
iMit an tombeto." 

I. 21 



..gniod., Google 



sdeh«n Falle gewöhnlich angeweadet werden, 
nnd snchteD seine Sorge von der Geitorbenen 
ab und aaf die hülflosen Kinder, anf das lei- 
dende Land an richten, dai seine» Annes nun 
wider Ludwig und Crerecoenr bedürfe. Max 
faiBte sich endlich, venprach, das zerbrochene 
Leben der Gemahlin an den Feinden ihrer Staa- 
ten feierlich sa rKchen , and begehrte bloB noch 
eimnal die Leiche Mariens an sehen, mit den 
Worten: „Nie, so lange ich lebe, werde ich 
diess tränte Weib vergessen!" 

Sie wurde inzwischen sorgMtlg und köst- 
lich balsamirt und angekleidet, auf ein Parade- 
bett gelegt, und das bestörKte Volk ohne Be- 
denken sragelassen. Sie hatte, nach Gewohn- 
heit, die Ilande gefaltet; ihre Züge waren wie 
die einer Schlammernden. Als Max das schiene 
bkiohe AnllitB sah, ans dem so oft das reinste 
Qlück der Liebe ihm gelächelt, küggte er zit- 
ternd den Terschlossesen Mnnd, den keine harm- 
los -mothwilligen Scherze mehr bewegen soll- 
ten, und es war> als wolle er noch einmal die 
entflohenen Lebensgeister zu einem einzigen 
süssen Gmsse, und die entfesselte Seele zn 
neuem, innigem Verbände mit der seinigen be- 
schwören. Sein Herz wollte ihm fast brechen, 
nnd die Klagen strömten mit den Thränen reich- 
lich und in die Wette herror. 

Die verwittwete Herzogin, welche ihn und 
die Verstorbene die ganze Zeit ihres Beisam- 



..gniod., Google 



323 1 

laenieini faindnioh so «ras nnd Bchwestvrlich 
geliebt halte, straft* di«89 Uebermua mit sant- 
tein Tadel; sie erinBerte ihn an Rücksichten 
gegen die omstriiendeu Freunde und an Pflich- 
ten fiir das Land. Doch Hess er nochmals den 
Ausmf hören: „Waren mir doch Vater nod 
Matter, ja alle »eine Vasallen dafür gestor- 
ben! denn die dahin nnn geschieden, frar mir 
lieber als Alles auf der Weh, und ala selbst 
Vater and Matter mir gewesen 1" Maria wnrde 
in der Kirche V. L. F. zn .Brügge auf des Feier* 
liebste begraben, and eineMenge TodlenAniterj 
Traiierlieder nnd Volksgebete drQckten die Ge- 
fühle der Hinterbliebenen und die Sorgbit ffir 
das Heil ihrer Seele ans *). 

Maximilian hielt Wort; er vergass sein gan- 
zes Leben hindurch niemals die tugendhafte 
und liebenswürdige Maria, das Weib seines 
Herzens und seiner Jagend. Noch in spftten 
Jahren erweckte die Erinnerung an sie Ihm 
ThrSnen and Sehnsucht nach dem verlornen 
Liebensglück. Kr fand es in dem Arme keiner 
andern Fraa wieder; seine Zärtlichkeit ging 
Tetdoppelt auf die hinterlassenen Kinder über, 
von denen Philipp der Mutter and des Vaters 
Schönheit und Ritterlichkeit, Margarethe aber 
beider Aelteni Verstand and Geist, wie eine 



') Ueb«r di« Gedidite auf Maria'i Tod, über äi4 Grab- 
«cliriflai, Bloßen n. ■■ w. verg). dk Bdlagea. 
21' 



..gniod., Google 



33A -^~ 

ForUetzoDg des Wesena Beider, geerbt za ha- 
ben Bcfaienea. Mit Maiiens Tode begann für 
die Niederlande eine Reihe der verworrensten 
Schicksale anzubrechen, oder vielmehr diejeni- 
gen, deren Knäal schon bei ihrem ersten Anf- 
treten gewanden lag, entwickelten lieh nnn- 
mehr in rascher Folge, and nur die lange Ver- 
waltung der klngbn und starkmüthigen Marg»- 
tethe beschwor noch einmal in einer nüunrei- 
chen Zwischenperiode die Geister der Zwie- 
tracht iind des Bürgerkrieges unter den ver- 
schiedenen Provinzen, welche die Nator zu den 
gesegnetsten geschaffen hat, während ihre Ge- 
sefaichte die allerunglücklichste ist. 



:.Googlc 



Dritter Abschnitt. 



Die Rechtsgeschichte Burgunds 

und der Niederlande unter der 

Regierung Maria's. 



A, Die Verwaltung von Burguad unter dem 
Haute Vaioig bit zum Uehergange der 
Gr((/ieht^ an Frankreich. 

Mßie Rechtaverhältnisse nad Rechtsanstalten der 
firuhern, rSmiscbeo nad fränklBchen, Perioden 
in Burj^nd zu entwickeln and za beschreiben, 
liegt ausserhalb anserer Aufgabe, und gehört 
theils in die teutsche , theils in die französische 
Rechtsgescbichte , worin in neuester Zeit durch 
so geniale als gründliche Gelehrte, hervorge- 
gangen aus der Mitte unseres Volkes, so ~Vie> 
les geleistet worden ist. Nur über die folgen- 
den Zeitabschnitte reihen wir somit diesem 
niuerm Werke aus den Berichten nnd Auf- 
schlüssen der Schriftsteller des Landes eine ge- 
drängte Schilderung zam Verständnisse mancher. 



.,gniod.,GoOglc 



in der politischen Geschichte der Herzogin Ma- 
ria angodentefen Punkte nnd BBziehnngen zn 
den Stfinden, Behörden und Würdentrttgem, 
und zu Groisen nad Gemeinen des eigentlich- 
bargnndischen Antheils ihrer HerrBchaft, liier an. 

In den frühem Jahrhunderten hatte der geist- 
liche Friedensrichter, oder der Offizial von 
Besannen, dem Parlamente nnd den kfiniglichen 
itichtem zoi Seite, einen wichtigen Einflnss, 
nicht nnr auf rein -kirchliche Geschäfte, son- 
dern auch auf alle Angelegenheiten des bnrger- 
lichen Rechtes, ansgeQbt. In der Folge ward 
derselbe jedoch anf rein -persönliche and geist- 
liche Fälle, zumal aber anf diejenigen, welche 
Verbrechen gegen die Religion und die Kirche 
betrafen, beschränkt. Die königlichen Richter 
erkannten zwar selbst über Streitigkeiten, wel- 
dte auf Benefixien nad Zehnden Bezog hatten, 
allein aus keinem wirklichen Rechtatitel. Aneh 
nach gefiÜltem Eritenntnisse des weltUehen Ge- 
richtes präfte der kirchliche Richter noch ein- 
mal nod bestätigte, verwarf oder crmässigle 
dasselbe. Erat ia dam Zeilraoiae nach der Ver^ 
einigsng der Gtitfschaft nit dem französischen 
Königrei<^e schritt die weltliche Macht Btreng 
gegen diese Anmaassnng der geistlichen ein and 
untersagte durch PatlamenldescUüsse allen 
Laien die Unterwerfung unter das Ansehen des 
Oßiziids von Besan^on. 

Was die Oericbtdliarkeit der Laien betraf, 



.,gniod.,GoOgK 



327 - — 

so halte schon der Eingang in d«n burgnndi- 
schen Gesetzen die Richter dieser Nation, von 
welcher die nachmalige Gra&ehaft gleiches Na- 
mens, wie das grosse Königreich, einen Be- 
standtheil gebildet, näher bezeichnet. £a wa- 
ren die Optimates, die Comites Consiliarü, Da- ' 
mestlci et Majores Domns, Cancellarii, et tarn 
Burgandiones qnam Romani Civitatum aat Pa- 
goram Comites, vel Jadices depntati. Somit 
war ein Theil der Richter vom König« , der an- 
dere von der Nation nnmitlelbar gewählt; und 
sie bestanden theils ans den Vornehmsten der^ 
selben, theils ans den grossen GiiterbesitEern, 
Avelcb« die Anführer des Heerbannes waren. 
Sie hatten das Recht, den j&hrlichen Volksver- 
Sammlungen, den AssembUes gin^rales, beizu- 
wohnen, wo die Fragen über Krieg nnd Frie- 
den, aber die neuen Gesetze nnd die Regiemag 
des Landes entschieden wurden. Zu Ende bei- 
nahe jedes Jahres aber bildeten sie Piovinzial- 
und Communal-Versammlungen, nm gemeinsam 
mit dem Grafen die sogenannten Procis de con- 
seqaence abznthon. Sie hiesseo, wie bekannt: 
Lendes oder Barons, nnd die VerBtunmlnngen 
selbst: Malberge, Malstätten, was mit Plaids 
und Parlement zusammen triffi. 

Nachdem die gewöhnlichen Sitzungen dieses 
Parlaments nach und nach eingegangen, und 
die Wörde der Grafen and Herzoge angefangen, 
»blich zn werden, eigneten sich die Barone 



.,gniod.,GoOglc 



1 



328 

die Rechtspflege auf eigene Rechnung zn, die 
sie frfiher blos im Namen des Staates geübt, 
und sie verbanden diesefbeB, als 90 ipso ihnen 
zustehend, mit ihren Bürgen nnd Gütern; selbst 
der niedere Adel riss sie ebenfalls an sich; 
doch gab er dem hohem irgend ein Zeichen, 
dass er sie al; delegirt von dem hähern übe, 
und er schmückte bald mit diesem, bald mit 
jenem scheinbaren Titel sich ans. Die gewöhn- 
lichen Edlen standen somit unter den Baronen, 
die Barone nnter den Grafen and Herzogen, and 
die letztern selbst wiederum unter dem Sonrerän. 

Dieses Institut brachte in der Rechtsverwal- 
tung einen neuen Gebrauch in Kraä^ Der Herr 
des Lehens wurde der Richter seiner Vasallen, 
nicht als ob er ein Recht besessen, für sich 
allein über sie zu erkennen, sondern er that 
es gemeinsam mit ihren Pairs, d. h. der Ver- 
sammlung der übrigen Vasallen, welche von ihm 
abhingen. Wurde er in Streitigkeiten mit ihnen 
verwickelt, so brachte er sie vor den Baittij 
Ton dem man an seinen Obern sich berufen 
konnte. Von daher schrieb sich der Ursprung 
der Attiien, welche nachmals durch die ganze 
Grafschaft Burgnnd in den Äemtern der alten 
Baronien das Recht verwaltet. 

Anfänglich sassen die Grnndherren in Per- 
son zu Gericht; nachmals vertrauten sie die 
Ausübung der Rechtspflege in allen Dingen, 
welche nur leichte Summen, persönliche HSn- 



.,gniod.,GoOglc 



1k 



del und wenig bedeutende Irrnngen betrafen, und 
ebenso anch die Instivction von gröasem denen 
von ihren Beamten «n, welche in der Regel mft 
Einnahme der Gefälle auf ihren Gütern beauf- 
tragt waren; diese hiesaen Pr&vot» (Praepotid) 
oder Maires, Meyer (Villici). Auch diese Bich- 
terämter gingen eiblich auf die Familien über, 
und der Ertrag derselben verschmolz mit ihren 
sonstigen Einkünften. So entstanden die nie- 
dera Gerichtsbarkeiten. Die Herren, mitKrie- 
' gen Busw&rts beschäftigt, übertrugen später die 
Sorge des zu Gerichte-Sitzens oftmals Indivi- 
duen aus dieser Beamtenclasse, welche je nach 
dem ersten oder zweiten Grade der Instanz, 
in der sie erkennen dürften, im Bargundischen 
die Titel Chiüelams oder Baälif» hatten. 

Die Grafen, deren Amt zu Ende der Karo- 
linger-Zeit einging, hatten ihren Aufenthalt - 
fiir Bnrgnnd der Eine za Besannen, die Andern 
aber in den vier Cantonen Varasque, Port, 
Scodingue und Amous. Sie wurden nachmals 
dnrch UntergrtifeH oder Vicomtet (Vice-Domini) 
ersetzt, welche sfimmtlich von dem einen noch 
gebliebenen Grafen abhingen. Auch ihre Würde 
ward erblich. Der Vicomte von Besannen be- 
kannte sich zum Vasallen desErzbist^ofs, wel- 
cher des heiligen römischen Beiches Fürst ge- 
worden; die übrigen vier aber trugen ihre Wür- 
den von der Erbgraftchafi Boigund zu Lehen, 
and nannten sich von den Oiten, wo sie ge- 



;,GoogIc 



330 

wohnlich die Gerechtigkeit aaiübten, nämlieh: 
von DöIe, Salin«, Veiool nnd Baanie. 

In der ganzen Provinz gab es also Beamte, 
bekannt nntet dem Titel: Preröts, jeder la 
seinem Gebiete mit Einnahme der Gefölle und 
mit Bewahrung der Domänen beauftragt, wo er 
zugleich die niedere Gerichtiharkeit ausühte. 
Ueberdiesa war ihnen eine allgemeine Gerichti- 
harkeit übet die Erzeagniste des Bodeni anver- 
traut. Dicht nur in den Herrschaften der DomSne, 
sondern anoh in andern Gebieten ihrer Districte. 
Der Graf heslallle ebenfalls Richter, welche 
die hohe nnd mittlere Jutic in jeder seiner 
Herrschaften bildeten, onter dem Titel ron 
Kastellanen; die Anfiücht über die Forste trog 
ein anderer Beamter, der On^er. 

SSmmtlicbe Prevots waren der Oheranbicht 
des SinSehal nnterworfen, welcher an der Spitze 
der Beamten des fnrstlichen Hauses stand nnd der 
Verwalter seiner Güter war. Dieser versam- 
nelte die bewaffnete Macht und befehligte sie 
unter Oberaufuhrung des Connetable. Die S£- 
nichansa^e der Grafschaft Borgund wurde erb- 
lieh im Hause Rans; von diesem kam sie auf 
das Ton R^ey, nnd endlich auf die Familie 
Vergy. 

Der erste Beamte des freigrBflichen Hauses 
führte den Titel eines Connetable; seine Ver- 
riehtnngen waren sehr wichtig nnd darum nicht 
erbU<^. Als es keine festrefidirenden Grafen 



DyGoogle 



331 

mehr gab, bSrte ihr Titel anf; doch daaerteD 
die Senesehalle oder ihre Verrichtangeo seibat 
in der Wurde eines Marichnlls von Burgund, 
dea Obetbefehlshabers sämmtlicher Trappen, 
noch lort. Nach der Yereiitlgniig Bnrgnnds mit 
Oesterteieh ward anch dieser neae Titel mit 
dem eines Gourerneors vettaascht. 

Nach den Bestimmungen des Leheorechts 
erkannten die Grafen über Streitigkeiten ihrer 
Vasallen in den Plaids oder in den Baronever- 
sammlungen; in diejenigen, welche sieh anf 
den Gebieten der Edlen begaben, mischten sie 
sieb nicht. Vor der Mitte des dreizehnten Jabr- 
handerts finden sich keine Baillis vor *). Sie 
naren nachmals die ordentlichen Richter In den 
Doraanialgebiet«) nnd über die Unlerthanen des 
Fürsten. £dle, Priester und auch Unterthanen 
der Herren, welche Beschwerden über diese 
Letstern aDzabringen hatten, konnten damit 
sich an sie wenden. Der Gener albailli oder 
GroBSVoigt der Giafschaft fährte daher anch 
den Titel: Gardien (vielleicht Eins mit dem 
flämischen Ruwaard oder BtAwart). 

Bis zn den Zeiten Philipps des Kühnen hatte 
es nnr einen üozigen Ballll vea Bnrgnnd ge« 
geben; dieser Fürst emamite Jedoch deren stwei, 

') Hoe de Poligni nar der ente BaiUi G^d^bI An 
Comtä de Bourgogne. Dwnod glaobt, daM du Amt ia 
Folge der VenrachiäBiigaDg des Soueschallatea, durch die 
FuBiUe Bigwg, snfgekoimneu sei. 



..gniod., Google 



davon einer von Amont, der mdere von Aval 
tÜMs; Philipp der Gate fngte noch einen drit- 
ten hinza, welcher von Döle den Titel erhielt. 

Die Bailli'a wurden gewöhnlich ans der 
Mitte des hohen Adels genommen. Anfänglich 
entschieden sie die Proaeaae allein, and hielten 
ihre Assisen in verschiedenen Haaptorten ihrer 
Gerichtsbarkeit abwechselnd. Allein die Ver- 
vieliältigung der Gesetze, prozednrea snd Ge- 
sefa&fte setzte sie in die Nothwendi^eit, Stell- 
vertreter zn wShlen, welche gemeinschaftlich mit 
ihnen oder in ihrem Namen die vorkommenden 
FSlte behandeln mnssten; ja später ward ihnen 
diese Collegialität sogar zur Pflicht gemacht. In 
der Wahl der Personen seihst zn solchen Iien~ 
tenantsstellen waren sie durch gewisse Vor^ 
Hohriften und Rücksichten sehr beschränkt. 

Die residirenden Grafen hatten keine andern 
Conseils, als ihre Gronbeamte nnd StahtrS^er 
(Grands Officiers et Batons). Die Register der 
Beohnnngskammer beweisen dagegen, dass die 
gemeinsiunen HersSge und die Grafen von Bnr- 
gnnd aas der späten Periode vier verschiedene 
Conseils errichtet: ein engeres oder den Staats- 
ratb, einei^ grossen Rath, einen Kriegsrath 
und ein Finanzconseil. Der Erstere war aus 
blos sechs Personen zasammengesetzt, welche 
ans dem Adel, dem Priester- und Advocaten- 
Stande hergenommen wurden. Er hielt seine 
Sitzangen im Palaste des Herzogs und beglei- 



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335 

tefe ihn fiberall. Die Zahl d«r Mitglieder des 
grosien Rathes war DDbestimmt; die FSrsteii 
beriefen dazu Edle, Priester nnd Rechtsgelehrte, 
nach freier Wahl. Die Beqnetenmeister, die Pa- 
lastbeamte und die GeheimschreUier hatten vet- 
möge ihres Amtes das Recht, demselben beiXH- 
wohnen. Der Sitz dieser BehSrde war D^on. Der 
Hersog eröfihete ihre Verhandlangen in der Regel 
selbst; in seiner Abwesenheit der Kanzler, oder 
der Präsident. Die Justiz gehörte mit in Seine 
Abtheiinng. Im Kriegsrathe sassen:' der Kanzler, 
der erste Kammeriierr, der Marschall von Bnr- 
gnnd, der Admiral, der Grossmeister, dei Mar- 
schall von Lost, der Marschall der Quartiere, 
der Grossmeister der Artillerie, der Wappen- 
k5nig des goldenen Yliesses, einige ari'abrene 
und kenntnissreiche F.dle, die der Herzog selbst 
wählte, and zwei Gebeinischreiber, welche die 
Berathnngen leiteten und die Protokolle abfaas- 
ten. Ihr Versanunlnngssaal war in der Woh- 
nung des GrosskSmmerers. Alle Beschlüsse wur- 
den dem Herzoge jederzeit erst vorgelegt. 

Der Finanzrath hatte ebenfalls gleich dem 
grossen Rathe zu Dijon seinen Aufenthalt, Die 
Mitglieder waren: der Maitre de la Chambre 
aux Deniers, die Tr^soriers des Finances, 
der IUcereur-G£n£ra], der Tr^sorier des Gaerres, 
der l'Argentier nnd der Audiencier *). 

*) Wir geben Uer üe altan tigenthümlielieii Nbbmi. 



..gniod., Google 



3S4 

Der grosse RBtb entschied alle JostissacbeD, 
in denen Berafang an die Plaids, die Jonn ge- 
niraax oder die Parlamente stattfand. Diese 
Pailamente worden voin Herzoge abwechselnd 
in dem einen and dem andern Bnrgnnd eröffiiet. 
Die Wahl des Ortes hing zwar von der Be- 
quemlichkeit des letztern ab; doch war in der 
Regel Döle der Sitz für die Grafschaft, Banme 
ßr das Herzogthum, St. Laurent fär das Land 
Oatre-Saonne (im Jahre 1237 mit dem Hetzog- 
thnme vereinigt). 

Die Parlamente, als eine Fortsetzung der 
alten Plaids •Gin^nx, genossen sowohl durch 
den Umstand, dass der Fürst in Person, oder 
später durch seinen Kanzler"), ihnen vorsass, 
und durch ihr Alterthum, wie durch die Wich- 
tigkeit der abgehandelten Materien und die 
Wahl der Personen, ans denen sie gebildet 
waren, grosses Ansehen im Luide. 

In der Folge haben sich zwischen den Ge- 
Bcbicbtscbreibern mannigfache Zwiste vitm den 
Umfang der Befagnisse der Parlament« erho- 
ben, je nachdem dienstbeflissener Eifer oder 
Freibeitsgefühl den Eingriffen der Macht in die 
Rechtsverhältnisse alterer Zeit viel oder wenig 
zuzuwenden oder zn entziehen bemüht war. 
Auch Ist das Parlament za Döle mit der Cham- 



') Wai oDter Philipp dem Guten, KmI dem KQbneo 
imd Maria der Fall war. 



DyGoogle 



335 

bre de Conaeil des Fürsten bisweilen verwech- 
selt worden. Wie anch französische Historio- 
graphen der spStern Zeit, ans leieht erklär- 
lidien Granden, es in Abrede gestellt, so gebt 
doch ans Urkanden and Zeitbüchern klar her- 
vor, dass die Farlamento weteniUche Vorrechte 
genossen nnd constitutionnelle Beschränkungen 
der Macht der Herzöge in mehrem Zweigen 
der ^^etzgebang nnd Staatsverwaltang geltend 
machten *). 

Das Parlament zn Ddle im Jahre 1451 stellte 
seohszehn Artikel fest, welche die Gebräuche 
fär die Freigrafsehaft enthalten, nnd künftig bei ' 
Entscheidung der Processe als Noimea gelten 
sollten. Die Stände jedoch verlangten, dass 
die Gebräuche des Landes in der Regel darch 
BflTollmäehtigte und nach Torangegangsner Prü- 
fung verlßcirt werden sollten. Der Herzog wil- 



') Goliuf, von Dunod beitritten. giebt daraber fol- 
genden Aufichlusai ,^a premiire inititvtioii d'aaüette, w- 
nir^ du Parlement de Frsncbe Comt£ choisie k Däle, eat 
due HU bon Duc Philippe, leqad en Flandre but le Conseil 
PrivÄ mia ä Mslines en 1455, et ea Bourgogne le Parle- 
ment de Ddle en 1423, et liü doniut toutei lea pmteiinces 
^ la. SouTeraioetä, mAne d'Bvia» Bor le« conititatioiu da 
Prince, ponr les homologuei, pablier et mirseoir, dispenMr 
contre le« Bdits, babiliter, proroger 1« tempB, donner reUi- 
tulion en eaüei , et enfin Commander ce quo le Prince com- 
manderoit; sanf ponr lea deniera publica, legitimation de* 
bfttarda, graeea pour dAit« et dfirogadoD k la coutume 
gäidrale. 



:.Googlc 



ligte, bei forfgeietztem Widerstände, in diese 
Fodemng, nnd die UnterHocfanng mnsBte künf- 
tig düTcb sechs seiner Rfithe ans allen Ständen 
vorgenommen werden; von diesen Rfittiea wor- 
den drei dnrch den Herzog selbst ernannt, die 
übrigen drei dnrch die Stände. Die Bevoll- 
mächtigten traten zusammen und arbeiteten eine 
Art Gesetzbuch aus, bestehend aus dem Coü- 
tome en dix-neuf titres. Eh erhielt die ^j^eh- 
raignng des Fürsten durch die Lettres Patentes 
vom 28. Christmonat 1469. Alle andere Bran- 
che waren ansgeschlossen ; in Fällen, welche 
die neunzehn Artikel nicht vorgesehen, ent- 
schied das ritmische Recht. Dieses Gesetzbuch 
mit den offenen Briefen Philipps des Gnten 
wurde au das Parlament nacli Döle gesandt, 
und von den drei BaiUi's der Provinz in allen 
Hauptorten öffentlich verkündigt. 

]VIit ziemlicher Gewissheit kann angenommen 
weiden, dass das Parlament der Freigrafschaft 
zu Däle erst unter der Regierung Karls des 
Kühnen seinen bleibenden Sitz in jener Stadt 
genommen *). 

Als nun dieser Fürst gestorben , und die fran- 
zösische Heereimacht in die beiden Bnrgnnds 



*) Orhel, Mitglied dieser Behörde, ÜuäXt darüber 
AüBEÜge BUS Briefen nad Acten dei Herzoge mit; Dunod 
nill gie jedoch nicht al> echkgeodeu Beweia für jene Be- 
hanpbing gelten laaseo. 



DyGoogJe 



337 

eingebrochen wai, gab König Ludwig XI. eben- 
falls Lettres-Patentes berans, dea Inhalts: ^ie 
Principaleo der drei StSnde dieser Provinzen 
hätten ihn ersacht, in dem Herzogthame Bdf- 
gand einen obersten Gerichtshof (Conr sonve- 
raine) anzuordnen und einzusetzen, weichet 
Gerichtthef det Parlament» geaannt werden 
sollte, bestehend ans einem Präsidenten, zwölf 
Käthen und andern Beamten, in der gleichen 
Zahl, wie weiland das Parlament zu Banne. 
Dieser Gerichtshof sollte auch die Grandi'Jaura 
du Ducke betitelt werden können, und dessel- 
ben Ansehens geniessen, wie das Parlament za 
Paris, von welchem diese Grands-Jours einst 
abgehangen. Ebenso sei er, der König, gebe- 
ten worden, die Parlamente zu D6le und St, 
Laurent für die Grafschaften Bnrgnnd , Au^onne 
und die andern Gebiete Ton Ontre-Söne auf- 
recht zu erhalten, als diejenigen, welche von 
Alters her die obersten GerichtshSfe darin ge- 
bildet, and den Umfang der herkömmlichea 
Rechte derselben zu bestätigen. Er, der König, 
setze nun im Herzogthame eine Coor et-Jaria- 
diction souveraine ein, unter dem aasschliess- 
lichen Namen eines Parlaments, welches an 
die Stelle und in die Bechte der frühem Granda- 
Jours treten sollte ; das gleiche YerbUltniss 
werde auch künftig mit den Parlamenten zu 
Döle und St. Laurent ataltfioden, d. h, ihre 
I. 22 



..gniod., Google 



älterthamliobe Bmtlminntig aiü* dfltuidtMa «r- 
haltflü bleiben*)." 

Der König Änderte jedoch bald leiben Enl- 
ichluBS, nachdem er ron der UndidgUchkeit 
-itcfa Bbetzeagt, dais diese Parlaniente, in Folge 
der Uitmhen in beiden Burgnndi, tich vfirden 
erhalten können, and er fQhrtfl dafür gleich im 
nKehsten Mai eioe Chambte de ConteU zb Dijott 
ein, welche die Rechtsh&ndel iti den beiden 
nrbviflzöni kfinftfg idlein za sAhlfchten befi^ 
«ein sollte. Nachdem fer der Volkabewegong 
und de» Waffen wiederum Meiater geworden, 
atellU er im Angnai gleichirofal die angeho- 
benen Parlamente wiedmr her, nm in der Volks- 
meinnag nicht allräsehr anznatossen, und er 
beaaftragte den BiHchbf von Albf , Ludwig d'Am- 
bolH (Bradel- des Hem von Cfawmont), seiaen 
Statthalter iA But^nd, mit yoUriehung d« 
neoea LeHreS- patentes, die <dar6ber erlassen 
trovdm waren. 

Dijm Uieb abrigMiS der Süls der Ptarlattente 
de* Henogthams, und der Ressorts ven St. Lan- 
rent und Stilins für d4« Gnftehaft. Diesi^lMi 
BeamleB waren VMi Al>ei4]e!iig«n biü Osterft 
und von Oslftl« bis Unser Lieben Fiaa im 
Antust ta Salim in Wirksamkeit. 

Üer grou« Bath ^m grand Conseil) erhtblt 



■> Lettraa Patente! i. i. 18. Hu* 1477 (Dmm«, 
596-SW). 



:.Googlc 



seiae HbnptaBabildoDg oaler Phüipp dem 6ateii. 
Er amfaaMB alle DeparteneBte der HtaaUrtr- 
w^tnng, die JiuBtiz, ^a PolizAi, die Finanzen, 
diB Fragen über Krieg Bad Feieden , die KJoterr 
haadlun^n mit den framden Mächten, die Ad- 
miFalilfit ^d Marine, and äa» dubemiam der 
TenehiedaDea Pioriiuen. Er war der nniver- 
sdle, dev Hof-, Collstenil- and Staalsratb. 
Die GesohSüte, welck« ihn zur EnUclieidung 
Tsrgslegt wurden, biessva die groiten Materie». 
Karl der Kübne erhob ihn mta obenten 
Parlanwatehnf (Sonreraina Cour de ParlemeiU), 
ned verlegte leiaen Sitz nach Medteln (1473). 
£r gab ssines Yerric^a^eo nwib grössete 
AiudEihnitag; «ad sehlng aiub alle die bishai 
ausgudilsiuDsn Gegesstfinde der Jnatizverwal- 
tnag das«, in der Absicht, ihn auf diese Weise 
in gleiche Lii^e und dem Parlamente von Paris 
gegenüber zu stellen. Sein Anflehen und seine 
GesclAfite waren dieselben. Allun gleichwie 
da« Parlament . von Paris aad das Ministerion 
Mwei von einander sehr Terschiedeue Autorir 
lAlen bildeten, also bestand aaeh in Bürgend 
wfthrend Karls des Kühnen Herrschaft ein he- 
dembuider Unterschied zwischen der Macht dfW 
grosaee Raths tob ehemals, und darjenigen, 
welche die wichtigem Staatsgeschä&e und 4i0 
grandes matiäres wirkUch behandelte. Dexj^er- 
zog entschied — WBfi bei .KjBJ^eqi ba^ewtev 
Charakter zum voram ucb ervvt^n lies« r~ 
22" 



..gniod., Google 



340 

Aber Krieg und Frieden, ohoe mertt die Ent- 
würfe dazu nach Mechelo sa schicken *). 

Mit dem Tode Karis des Kühnen borte das 
nene Parlament anf; denn die Henogln Marm 
berief alsbald die Abgeordneten ans sSmmt- 
licfaen zahlreichen Provinzen ein, und die Ge- 
necalversammlang za Gent, welche im Februar 
des Jahres 1476 eröffnet warde, trachtete ^e 
Staattbedürfnisse, von einem doppelten Stand- 
pnnkte, dem des Gesammtlandes und dem der 
einseinen Provinzen ausgehend, zu berathen und 
Am ergangenen Bescbwerdeu abzuhelfen. 

Fast einmüthig beschloss man eine Adresse 
an die Fürstin des Inhalts: „Dass das fraglicbe, 
nenerrichtetfl Parlament wieder aufgehoben, ond 
jeder Provinz eine eigene Reebunngikammer — 
statt der bisherigen gemeinsamen — zurückge- 
geben werden möchte.** Dieser Bitte war bei- 
gefügt: „Es aei billig und nothwendig, dasa 
Jede der verschiedenen Landschaften nach ihrer 
EigenthQmllchkeit nnd Natnr dnrch Eingebome, 
nicht durch Fremdlinge (wie unter der frühem 
Regierung allerdings bis zum Uebermaass der 
Fall gewesen) verwaltet, auch jede im Genosse 
ihrer alten Fr«iheiten , Privilegien , Keuren 
ond GebrKnche unverknmmert gelassen werden 
möchte." 



*) BU dahin sind: Dwtod de Chanrngt, OoUut und. 
^e Hülokre du Parlntent da D^on die Hauptc|aelleii 
d[«ter rechtihiitorifcbeii Uebnrncht. 



.,gniod.,GoOglc 



—^ 341 

Durch eiDe Acte vom 11, dei nSnlichen Mo- 
natt Tcrwilligte Marin die Begehren der Stände 
in folgflndea Audrückea; „Qne les Coniitoires 
dn Parlement et antres pnis B'agnerea mis ans 
ä Malines cesseroient et d6s-lä en arant Beroient 
aniantiB k perpetnit6, et demeoieroient deati- 
taez, Sans poavoir jamaU en tems futnrs plua 
^figer semblablM JadieatnreB: qae tontei le« 
Canses, qni itoient attraites par Evocation an 
dit Parlement et j pendoient eneore ind^ciaea, 
teroieDt renvoyia avec tons les Actes et Eacri- 
tnres y appartenans, vers les Lienx, Loix et 
Jages^ desqnels icelies estoient ^Toqnis, ponr y 
£tre procid^ avant en icelies, comme il con- 
vlendroit seien Droit et Contnoies." 

Mittelst einer zweiten Acte von demselben 
Tage erhielten die geistlichen Stände und Glie- 
der von Flandern auch noch die nachstehenden 
VeigQnstignngen von Seiten der Jnngfrnn von 
Bnrgnnd: „Qne tous les Proois pendant an 
Parlement it Malioes et tonchant les Pals de 
Flandres, et Habitans d'icelny, ensemble les 
Procis renroyez & la Chambre dn Tresor, et 
des G^niranx illec aerojent renvoyez k la 
Chambre de Conseil ordinaire en Flandres, en 
tel itat qo'ils aeroient, ponr 6tte jngez et ter- 
minez en Icelle Chamhre, comme il appiqrtien- 
droit. Qa'elle remettroit la Chambre des Com- 
ptes riaidant li Malinet ponr autant qu'il ton- 
choit le Pals et Comt6 de Flandres, et ce qui 



..gniod., Google 



3t3 

y appartjent, ensflinblB to» let Bigistrei, Chai- 
tres, UvTM, Comptes et sotrca enieignemens 
•j repoaBns ceaoernaD» le di^ PiAs, et fakoit le 
tont Tenir i lAtle, «vl aültnrs en Flmdrca, oä 
eUe le tr«av«r«it bon et Iny plMniit;'* 

So gingen denn alle jnridisehen SehSpfnn^n 
KrtIs des Kofanen für immer eis, und daaPai^ 
lament hSrte nieht mr fSrmlich anf, sonderm 
keiaie Mitglieder zerstrenten mA saash in der 
That. Bas St^bteksal HngenetB «od ladrtncanirts 
und des Aaditora Gros ist bokannti F«nf d« 
^»£■'71 Bistihof Ttm Darnik, «Of Hioh nach Itai- 
li«n ZDiti^, -no er nariimidB Cardinal wurde 
und im Jahre 1483 za Rom star^. Mehrere 
andere Rätbe traten in die Dt«nste KöMig I^nd- 
^gs XI. y wekbier ein neaes Parlarasttt in 4eni 
Tan ihm eraibenm Heraog;thnnie BM^^nd nM- 
%etzte tind Leonard d« Pottes ntm entMi BrK- 
«Menten davon bestellte. Wilhd« von it«ehe- 
t^rt wnT<dein'iderFolg«}faB^r'ro«FnihkTeii^; 
Thomas d* PltiiAes^ Herr so Maigny , dagegen 
Iftfarfe in die Dienste Maxin^liani znrüdc (11492), 
nitdhte« er eine Zelt lang das -Ant eiaes «wei- 
ten -Pritsidenten beim Parlamente m Biyra -he- 
Icleidet. Von den gviidicben SGt^edern dei 
-anfgelöBton PailaniMrts von Mecbeln widmeten 
-sidi drei so ganx den Intereffsen der -fi-anaöu- 
'wfaen Krone, dais «io die reichen Aisthnmer 
'Poitlere , Antm und Anxenw «m fteic ihrer 
Ajistrengungen «rhielHn. 



DyGoogle 



343 

Die bürgerlichen Mitglieder (les Gens du 
Pays) sachten nach der Zerstreuung andete 
Steilen im Land« auf. Jetm de la Bonrerin in 
Brvbant; Philipp Wieland (a)v Schnftettdler 
aatfgeieichnet) in Flaaderit, als Kanzlsr der 
Giafichaft (1483); Panl de Baenst, Herr «d, 
Vormizelle, aber wurde znn Präsidenten dex 
CouB^ils deraelban ernannt *), 



*) „ExpoiltloD lüitcriq^a et jurjdiqne des Pririlig«* 
de b Protiaee de Flindrci et des Prärogatirea da Coa- 
ml ^OTindal pur lea Prändmit et Gens du la^e CoiumI 
<te B. U. rimpentrice-RaDe (M&rie TbiiHB), ComteaM 
de FlondreB eta. ordonad en Fluidres, contre les Prtaident 
et Gent da grand Consell de Sa Majestä k Maline«." Gand 
1753: in fol. Eine bAt wichtige Staatiichrift, all Mana- 
•eript gedruckt, and Terfaut bei Gelegenheit ichwerer 
IrraDgen fib«r die CkimpetenigegeiMSiide swiscfaeo beiden 
ateUen. Man findet darin aodi die foUitio^gaten und 
giA[idlidut«a ÄDfacfalQue aber ZuaMmnenaeteung, Befug- 
■ioae and Verrichtungen des ProTinnalconHÖIi nui nikond-^ 
lieben Docamraiten and Chroniken geaohöpft. In demielben 
Faicik'el (anf der köni^. Bibliothek Im Haag) , welche« 
dieaelbe enthält, finden rieb auch die ,^etti dei Privil^gef, 
Ltttfot«, Fia«ebUei, DroUa, htif, J^e^rea, ,b«Baes Cou- 
«tuoes et U»age», dout lea Beorgpw'trca et Bcheviu dn. 
P&ya et tenoir dn Franoq, Noble«, Nid<d>les et gäadrale- 
meot toua lea habitana d'icehiy paja ont joajr et paä da 
dnut a bon et leal titre, Muba les prwiiwa Co|Dtv et 
Comteaaet de Flandre, lea S)ici de Botirgoigpe de l|t ftbu- 
■OD de Fcaoce, lea Pftoce» de la niuMfa d'Autcicfae k con- 
men«« de L'Bmpereiv SfaxiiiüUai), ig^v de SStrji* i» 
BowgoigHt noiQie Juiiitij^ in O^c Cfaule dp Boni- 



.,gniod.,GoOglc 



344 

B. Die BeeittverhäÜniite «o» Brabant, unter 
der Regierung Marient '), 

Das Herzogtbma Brabant hatte yon den Be- 
herrschern in mehrern frühern Perioden, znmal 
aber von Jan II. , den Herzögen ans den Häa- 
aem Laxembnrg and Sachsen, sehr bedentenda 
Privilegien and Gerechtsame erhalten, welche 



joigne, confiim jes de PhSippe le Bei, de l'Emperenr Cbarle 
le Quint et de tauti ses illustres deecendans, jiuqn'k Chaile 
■econd Roy de« Eipagnea, Comte de Flandre, de floriente 
memoire, Leqnel, animä du m^me esprit de «ea predece*- 
sears pour le bien de aes lujets, y peraeiera jaaqu'ä et 
aprei lon dernier Boupir, ce qui pftroit par la teneur de 
um testament et dermere volonte en [Bcommandant & lon 
■Qcceueur de faire olwerrer lea Loii, Privileges et Coa~ 
gtnmei, ce qoe le Roi Philippe V k present reguant a bica 
voula nitifiei, ea faisuit ierment de les obaeirer, le jour 
de soB inauguratiaii le 19 de Mara 170ä." fol. Dieae 
SanmluDg entbilt nelirere nichtige Stücke, von deuen die 
Originale Terioren gegangen, und welche anderwärta nir- 
gendwo gedruckt aniutrefTen siod. Sie befindet sioli anf 
der kSni^. Bibliothek im Haag. 

*) „EI liMtre jp la Gloria dd Dueado de Brebanle, 
demofdado por la Hiatoria Genealoglca de lUi Principee 
SoberoDOi 7 enriqnezido con el teioro de loi Privilegioi, 
Ordonnaims y Reglamentoi jnridico«, politicoi, y econo'' 
iDicoa de la tUIb de Bniwela*.** fol. Dem KSdge -von 
Spaniea zagetigaet. E^e höchst nichtige und sdtene 
Sammlnng und die Hanptqnelle des öffentlichen Kecbta f9r 
die ProTinzeD, die das Henogithom Brabant gebildet. Vergl, 
damit Btaitiu Tiophtes d« Siabut. Belgia Sacra. 



..gniod., Google 



345 

aaeh von den bargandiichea Behemchem ' 
gtossentheilB bestätigt wordea. Mit Karls det 
KnhneD abaolutistischem Walten waren übrigens 
aach die BiabSnter höcbst unzufrieden geweseai 
desto mehr beeilten sie sieb , naehdem die An- 
gelegenheit wegen des Parlaments, der Rech- 
nnngskammer und des obersten Gerichtshofes 
beendigt worden, von Marien, der neuen Be- 
herrscherin, nnd ihrem Gemahl und Mitregen- 
ten MaximüiaH ebenfalls die Beschwerung der 
Torhandenen, nnd die Ertbeilang der noch fer- 
ner gewünschten Freiheiten zn erhalten. 

Es ist schon im Verlaufe der Biographie Ma- 
rions selbst der verschiedenea Reisen in den 
grössern Slfidten des Herzogthums Meldung ge- 
schehen, welche der Prinz theils allein, theils 
gemeinsam mit seiner Gemahlin unternommen. 
Am 5. December 1477 ging die Hanptfeieriich- 
keit vor sichi und Max beschwor zu Löwen auf 
das Evangelium die Blyde Incomptie im Namen 
geiner Hau^rau, auch bestätigte er sümmtliche 
von dieser sowohl als ihren Vorfahren gege- 
benen Urkunden und Freibriefe. Es entband 
der Erzherzog in dem Haoptinstrumente die 
gemeinsamen Untertbanen ihres Eides der Treue 
anf den Fall, dass entweder er oder einer sei- 
ner Nachkommen jemals wider diese Briefe 
etwas Verlragbrächiges unternehmen würden. 

Weil sich jedoch in der Joyense Entrie Ma- 
rieni allerlei Gebrechen nnd streitige Pnnkte 



..gniod!, Google 



346 

yerfattden, welclw eiaer weitern Aml^anfr odet 
Verbeaaeiang bedmfleD, so gab Maximilian im 
JSnner des Jahraa 1476 «ine sogenannle Provi- 
sion, des Hanpfinhalti : 

1) der Umstand, dass, den Privilegien gemlisSi, 
die Landstände bq Antwerpen noch nieht 
versammelt worden, solle diesen Privilegim 
8eU>st keinerlei Sefaadea bringen; 

2) der Ratfa von Brf^ant solle sich künftig 
dnrchans innerhalb des fiä'eises seiner Be- 
fugnisse bewegen, und nieht in diejenigen 
der Stfidte sich «nmiBchen; 

3) die Reqoetennieister sollen den Staaten von 
Brabant den Eid der Treae für genane Be- 
wahraag der Landesfreiheiten ablegen; 

4) der berzoglicfae Rath solle keiner Dinge nivk 
nnterwinden, wdiche anf die Beebtspfleg« 
in den Städten sieh beziehen, .sAm im Weg« 
der Refbtmation, sowie waa jw Heizogen- 
bosch, zaThienen nnd in Streitsacben zwi- 
schen Beasiten des Herzogs ond den Par- 
teien xa Terfligen beliebt hätte; 

6) die Bechtsbank xn Eersele nnd die Bem- 
fatkg der DStfes Bercbeycke, Westerboven, 
R^ove nnd Domele, in Zwisten mit Kass- 
ier nnd Bntb von Brabant, blieben £ortet- 
halten, wie w«iland asu IL»XQg KwJs Zeit; 

ti) dos Maridxecbt in den t^entchiiedeneii Sitäd- 
Cen, weUies von Kanter 'Und Kath bii- 
inÜMi — <wit «• mhsi— n woUe — g«at8tt 



..gniod., Google 



347 

worden) loUe für fremd« kowohl als «in- - 
k^nuu^ KnuQeute in aeinsr gEuu«n alten 
Freiheit und in ^er ganzen Gestalt, wie toi^ 
dem, gegen Erlegung der gaaetstUcben Zölle, 
fortbestehea ; 

7) Kanflente, welche in Herzogenbosch den Zoll 

bezahlt bfitten, sollten an Molle und ElBvaer 
keinen feinem mehr zu entrichten haben; 

8) die Zölle zu Antwerpen, Rypermonde nnd 
Tonrnehoad sollten nicht erhäht werden 
düEfen ; 

9) die Giiterfnbren von Brüssel und andern 
Stttdten, welebe ihren Weg bei Antwerpen 
vorbei nnd nach Bnrgen, und von da zoriick- 
nSlunen, tollten durch die Seeowisobe Zoll- 
stätte bei Ysikeroet furder keine Beein- 
trächtigung mehr erleiden, nnd dem jüngst 
erlassenen Nantizationedict gemäss, den 
Kanfleaten die über Gebühr al^enoRmieneQ 
PfMinige snd Pf&nder zarückgestelh wwden ; 

10) alles zu münzende Gold nnd Silber solle 
tutagert werden; 

11) alle Beamteten im I^uide taUten den Sehwar 
auf die Piirilegien leisten; 

12) die Herren Angnatn van 4en Boobenen, 
Ritter JTaa van Greeseo, Meyer der ^tadt 

' Löwen, nnd Hendrik Reamale, welch«, den 
Landeapiivilegäea zuwider, sn Lüttich be- 
■ehwert wordan, sollten ihtvt Uagebühr 



.,gniod.,GoOglc 



34S 

13) TOD i«n Besehverden der Einwohner vod 
Eenele fiber di« ko ihrem Nacbtheilo un- 
terhalten« Jagd dagelbst aolle Rechenschaft 
gegeben werden; 

14) kein Drostaert (Drost) BoUe sein Amt an- 
treten dürfen, ehe er nicht xavor die Lan- 
dsHTerfatsung beschworen; 

15) die Eingeseasenen von Antwerpen und an- 
dere Bürger der Markgrafschaft sollten ihrer 
Frohnden nnd Liefernngen an den Herzog 
von Jülich entlassen werden; 

16) TOD verkanften Gütern werde zn Herzogen- 
bosch künftig kein andres Schiffgeld mehr 
entrichtet, als die Privilegien zulassen; 

17) alle brabantischen Angelegenheiten würden 
in Zakunft blos durch den Rath roa Bra- 
bant eatschieden; 

18) die Siegelrechte nnd Scbreibergebühren 
erhielten darch die Staaten nnd den Kanz- 
ler von Brabant künftig eine regelmässige 
Taxation ; 

19) alle Rathsstellen, deren Schöpfung mit dem 
Geist der Landesprivilegien im Widersprä- 
che stehen, würden aufgehoben; 

20) keine Finanzkammer habe mit Erledigung 
von Rechtssachen im Lande Brabant sich 
mehr zu befassen; 

21) der Rechtsstreit, welcher zwischen dem 
grossen Ratbe und verschiedenen Kanfleo- 
ten der Stadt Lyon über die im Heno^an'- 



DyGoogle 



gehen dieaen Letzten abgenommenen Waa- 
reo noch immer obschwebe, solle seine end- 
liche Erledigung erhalten, nnd zwar im In- 
teresse des Sffenlllchen Credits des Landes; 

22) der Herzog trage dafür Sorge, dass die 
Brabänter hinsichtlich der KanfiDaannsgüter 
unangefochten bleiben, welche weiland vom 
Herzoge Karl entwälirt worden; 

33) die Befugnisse der Förster, Hnndebalter, 
Otternjager n. s. w. würden geregelt; 

24) der vor der Stadtbebürde zu Brüssel oh- 
schwebende Process des ehemaligen Artil- 
leriemeisters Orlande de Moqostan solle vor 
den grossen Bath des Herzogs gebracht, 
nnd der Yollzog des Spruches ssinec Zeit 
den Aebten von Villan, Dilegem und An- 
dern ubertrageD werden; 

25) die Wahlen in den Abteien und Prälatnren 
sollten durchaus frei und ungehindert sein. 

Der Best betraf noch geistliche Pfründen im 
Hersogthnme, worüber Max nnd Maria der 
brab&ntiBchen Pr&latnr volle Berahigang vei^ 
hiessen. 

Die alten Qetehlechter zn Briiflael waren in 
Folge ilirer schlechten Wirthsehaft nnd ihrer 
Unternehmungen gegen die Freiheiten der Bür- 
ger nm ihren firühem Einflnss nnd endlich auch 
am ihre Stellen gekommen; die Gemeinen oder 
die sogenannten Nationen hielten die meisten 
denelben besetzt, und Maria hatte darüber am 



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4. Janttw t477 ein« baMtStigende Urknnda ans- 
gestellt. Da jene die Voriiebs des Erzfaerzogs 
fDr den Adel kannten, so vrendetan aie gegen 
das Jahr 1480 ihr MSglichuei an , um dia ent- 
rinenen Vorrechta wieder an eriialten; aia stell- 
ten ibm mit vielerlei Grüadan und Sophismen 
▼or, wie di« Nationen gmsaenlheils die Urheber 
der meisten Meoiereien nnd dorch B«tmg in den 
Besiti dar Stadtragiernng gekommen seien, nod 
dass ihr Uebergewicfat dia Rechte des Soave- 
rttna, wie ihre eigenen, beeinfrfichti^: 80 dran- 
gen sie denn in der That endlich durch; Max 
▼ernichtet« den Brief seiner Gemahlin und er- 
nenerta die alten Ordonnanzen des Herzogs 
Wenzeslaoa i/om Jahre 1375 nnd die Znsatz- 
■rtikel de« Bnwaerta tob Bubaat, PfaiUpp von 
St. Pol, vom Jahre 1430. Uehar das Ganze 
kam demaaeh etee Aeta mit falgandeD Bestün- 
mnngan heriuia: 
1) die Wahl der 8oh5S«i an Bräaael soll« Ehr- 
lich, am St. Johanoisafaead, «rnsoect WMdw* 
3) dia GeaeUeditar «eilten mal dem BtadthasM 
eine Liste von Personen ans ihrer Uittn, 
Ba«h ebenem Gntdnnken, xa entwerfen be- 
reehtigt sein, «nd diesalhe dem Erzharwg 
oder dasaen Bevrilmä*^ igten übei^jwben^ 
welche fBr jede« Gsichlet^ einen SefaöS« 
basteUcn wärdem^ 
3) aa dem glräihen Tage solle andi aa^eidh 
&r die Gaadilechter «te gwaainnchwftliffhBr 



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351 

Obcrbürgenneister ernannt werdea; wie in 
frühem Zeiten; 
4} ebenso h&tten die Natiooea ein Verzeichniss 
Ton achtzehn Personen ans ihrn* Mitte zu 
äbermachen, damit ein Bürgermeister und 
drei Schöffen daraus bestellt werdenkünnten; 

5) die sechs Rathsmänner sollten mit einander 
abwechseln ; 

6) um Schöffe zn BrÜBsel werden za können, 
sei hinfüro dnrchans nothwelidfg, dass man 
Bürger der Stadt, in der Ammanei ange- 
sessen sei und znm mindesten eine Jafar- 
rente von 50 Golden geniesse; 

7) dieselbe Bedingting sei an die Stelle des 
Bürgen» eis (ers nnd der ScfaölFen der Na- 
tionen geknüpft; 

8) beim Absterben eines Scbüffen solle alsbald 
ZOT nenen Wahl in gesetzlicher Form ge- 
schritten werden; 

9) ffie SdiÖffen and Reatmeister sollten alle 
zwei Jahre itßle iteiea nod emettert werden; 

10) die Rentmeister oder Terwaltra der Stadt- 
einkünfie, deren Zahl auf sechs festgesetzt 
werde, sollen ans den sechs ersten Notablen, 
drei ans den OescUechtern, nnd drei ans 
den Nationen genommen werden; 

11) beim Absterben des Einen oder Andern 
werde, wie bei den Schöffen, alsbald zn 
neuer Wahl geschritten; 

12) die Deien und die vier Achten der Qe- 



.,gniod.,GoOglc 



352 

tekleeiter HtUen ani den Schöffen nnd dem 
GesammtkÖiper derselben, nnd jene der 
Nationen ans den zwei Bürgermeistern und 
andern Personen der Letztern, welche im 
Amte ständen, sowie ans dem Gesammtkor- 
per ebenderselben gewählt werden. Alle 
Jahre sollen auf beiden Seilen zwei Achten 
austreten, ond die übrigen nicht länger als 
zwei Jabre bleiben ; eben so solle za Ende 
jedes Jahres einer der Deken austreten; 

13) vier Personen ans den Geschlechtern nnd 
vier ans den \ationen sollen die acht Frie- 
densrichter, gewählt aus den Schöffen, den 
Bürgermeistern und andern \otabIea bilden; 

14) um die Parteilichkeit bei den Wahlen in 
der Art za verhindern, wie sie vor Zeiten 
in Brüssel sich knnd gegeben, sollen die 
austretenden Magistrate eine Liste von No- 
tablen übergeben , welche ihren Eid auf die 
Landesverfassung besonders geschworen; 

15) zu Obermomboirs sollen bestellt werden 
die abgehenden Bürgermeister und die er- 
sten Schöffen der Geschlechter, wie der 
Nationen, mit den zwei vorgehenden Bür- 
germeistern und einem der Schöffen für 
das erste Jahr; 

16) zu Momboirs (Pflegern, KastvSgten) der 
Gotteshäuser würden einerseits die sieben 
Schöffen der Geschlechter, und andrerseits 
die zwei Bürgermeister, drei Schöffen der 



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Nationen und die Dekeo der C^dea etnannt. 
Ihre AmtBTerrichtang solle aof zwei iahte 
sich beachränken, jedes Jahr in Gegenwart 
zweier Wethoaders der Geechlechter, eini- 
ger andern ans der Mitte der Nationen, so- 
wie zweier Rentmeisler and einiger Becfa- 
nnngsräthe (Yisiteerder van de Rekenin- 
gfaen); endlich 
17) die Bewachung der Porten und Thnrnie 
der Stadt solle unter die Magistrats personea 
beider Theile nach einem billigen Verhält' 
nisse Tertheilt werden. 
Di« Klagen über unbefugte Einmischnng des 
Kanzlers und des Rathes von Brabant in Sachen 
der Rechtspflege nnd Verwaltang, welche, der 
LandeSTerfassang und den Privilegien gemäss, 
vor die Magistrate der Commuaen gebort, dauer- 
ten inzwischen noch längere Zeit fort, und der 
Hof wnrde mit bittern Vorwürfen. so lange be- 
stnnnt, bis auch diese endlich dnrch eine neue 
Acte (datirtMecfaeln, tun Ostern 1480) beseitigt 
wurden. 

Die firüssler, nicht zoErieden, mit dem Ton 
Maximilian and Maria erhaltenen Plaoaert Sber 
die Art der Emeaemng der Behörden, begehr- 
ten ein noch festeres Reglement, und es ward 
endlich im April 14S1 formlich gegeben. Die 
Bestimmangen des Frühem erhielten grüssere Er- 
läuterung im Einzelnen, die Terschiedenen ein- 
tretenden FttUe nähere Bezeicluiang, and die Ge- 
I. 23 



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ietsg«bBiig, Adminiitration , öffentliche Sidier- 
lisitspoUzdi, iowie auch die SitteDpollzel nnd 
di« Kleidertraoht, die Stadtvertbeidigung, die 
Strafen, die Verbannangen und viele andere 
Paukte mehr und mehr mit besonderer Genaoig- 
keit Erörterung ond Erledigang. Ihre Verglei- 
ehang gewfthrt ein anziehendes Gem&lde vom 
Treiben der Parteien und ¥on der Richtung des 
öffentlichen Geistes. 

Aafrflhrisehe Scenen, die noch im Jalure 1461 
EU Brüssel stattgefanden , nnd durch welche 
nicht nnr verschiedene Personen schwere Krän- 
kangen an ihrer Ehre , sondern auch bedeuten- 
den Verlast an ihren 6ntem erlitten, veran- 
lassten, in Folge erhobener Klagen, eine strenge 
Untersuchung, welche der Generalstatthalter 
Mariena, Adolf von Cleve, anordnete, und end- 
lich ein Injurien- und Sicherheits- Mandat, wo- 
durch man tbeils haftige Reactionen in der Ge- 
genwart XU verhüten, theils auch gewaltsamen 
Ausbrüchen des Parteigeistes in der Zuknnft 
vorbeugen wollte. Trotz dieser Vorkehrungen 
und trotz aller Sorgfalt der Magistrate für Auf- 
rechthaltung der Privilegien, und trotz aller 
billigen Zugeständnisse des Hofes und seiner 
feierlichen Erkl&rangen im günstigsten Sinne 
für die Verfassung des Landes , war es doch — 
wie ein älterer Berichterstatter sich ausdriickt — 
all ob man eüt^en Möhren gevaicien hätte. Es 
kam xa netten onangenebman BeiührungeB swi- 



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355 

sehen den Ständen ond der Re^erung, dtnn 
Entere sahen in jeder LehensBasseriing der 
Letzt«:» einen anagedachten Plan su Vemieh- 
tnng der Freiheit. Somit ntossten nene Untere 
handlangen gepflogen und nene Vergleiehe ge- 
lehlossen werden. Diees geaebah noch im De- 
cember des Jahres 1461. Die Verhftltnisae nri* 
sehen Kanzler nnd Bath tod Brabant einerseits, 
nnd den Bürgermeistern, Wethonders, SehSffen, 
Decanen, AmmKonern, Ambachten «. s. w. ait- 
drerseiu wnrden nochnaU ger^elt, nnd aneh 
die minatidsesten Punkte dabei nidit aoaset 
Acht gelassen. 



C. Die Bechtnerhältnitte von Flandern v>äh' 
rend der Begierung Marien» *), 

Das öffiantliehe Recht der Grafschaft Flas- 
dern bestand von den Ufestea Zeiten bis znr 



*) Die Hanptqo^e fflr diesen Abscbnitt üt daa nich- 
tige WerL: „Verzameling tbh XXV origioeele Cbsiten, 
PriTilegien en Keoren van de Provincie vaD VlaenÜeren 
Tan de XHI, XIV, XV en XVI Benw, zoo in de Arcliie- 
*en Tan bet Land Tan Waes, ala tei Greffie tui d'Heeren 
Schepenen, ea in de Archieren der Stad BeHd banutende, 
door t berel en op kost Tan de Staeten der leive Pro- 
tinde gednikt in de Jaeren 1787 en 1788." Gend. fol. 
Ke Samminng ward zur Zeit, als die Unmhen In Flandern 
wider KSnig Joseph II. BUBznbrechen begannen, anf BefeU 
der Staaten TcranitalteL Nadiden man nimUeh luge nnd 
23* 



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356 

Periode der Maria aas aebt Frieäegien, Chartera 
and Keuren. Die erste Uckuade stellte der Graf 
Thomas von Saroyen und die Gi&fin Johanna 
von ConstaDtino{iel im Junios 134t ans, und 
zwar in lateinischer Sprache. Diese Keure de 
Waes bestätigte Dachmals Herzog Philipp der 
Gate von Burgund, als Graf von, Flandern, za 
Byssel, im März 1453, nod zwar in französi- 
scher Sprache; ond im Jahre 1531, König 
Karl V., welcher den HauptschÖffen der Graf- 
schaft die schriftliche Wcisnng der Procetse 
gestattete. 

Die fernem Urkanden sind die Charter, 
darch König Philipp den Schönen von Frank- 



vielfiuh von verletztca Iitindeipri*ile^eii vod Rechten g«- 
•prodMn, lachte man dietelbca ent in den Archiven lu- 
nauDCn; denn der ^rÖMt« Tb«i war im Luide selbit, Vor- 
■tehnen nnd Niedern, ODbekinDt. Der also Euiuiuiieage- 
itoppelte Codex juris publici muMt« all Unterlage der He- 
clamationen vrider das System dei Kidsen dienen, doch 
-worden nur wenige Exemplare gedruckt und als Manuscript 
■n die Behirden versandt. Der Bachdmdter (Beioard 
Poelmann) log jeda«h eiüge mdir ab, äe als groue Sel- 
teabeit verkauft nnd theoer bezahlt worden, lodeiieu fehlt 
aodi diesen der Titel ond die Inhaltsuizeige, und du auf 
der kSnigl. Bibliothek im Haag befindliche gehört xa den 
paar wenigen completten. Dieses letztere Bxemplar, ans 
der Verl>sBenicha.ft des Bibliographen Qtrari angekauft, 
hat viele nichtige handschriftliche Noten , Verbeaserangeii 
vbA BrUUiterangen. Auch enthält es die oben mitgethdUen 
■iotisen Qber die Bntatehnng und ScUcksala der Sammlnof . 



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357 

reich im Jahie 1295 (von Paris buk), ond zwar 
in Folge bitterer Beschwerden der Fläminger 
über unleidliche Lasten nnd Bedräckungen, ans- 
gesteUt; der Friedens- nnd Yersöhnangsvertrag 
zwischen dem Grafen von Flandern, Ludwig 
van Maele, nnd den Gemeinden des Landes, 
welcher zu Mecbeln am 1. December 1379 ge- 
schlossen worden; (ebenderselbe ist nach einer 
berichtigtem Abschrift noch einmal abgedruckt); 
die Punkte und Ansncben der Schöffen von Gent 
und der Abgeordneten von Brügge, Ypern und 
des Landes der Freien an Herzog Jobana den 
Unerschrockenen von Burgund, nebst den dar- 
auf ertheiltea Antworten, vom 21. April 1405; 
die Ordonnanz und Antwort desselben Fürsten, 
unmittelbar vor seiner Abreise nach Frankreich 
(Rfssel, den 28. Jnlius 1417) in französischer 
Sprache; die Charte Philipps des Guten, aus- 
gestellt den 9. Angust 1423 vor seinem Einsag 
in Burgand. 

\anmebr tritt in dem Codex Maria in die 
Reihe, nnd zwar mit sechs Urkunden, davon 
fünf auf sie selbst, nnd die letzte auf ihren 
Gemahl Maximilian komme 
sogenannte Pr»viiie und du 
ttellt an alle ihre Lande 
(Gent den 11. Sporkelemon 
ben, nach einer Varianten A 
3) die Privilegien, Freikeitt 
lervanzen , zugestanden zum 



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35g 

de* der Freien (G«iit den 11. Spark«lftinonat 
1476); 4 nnd b) die Briefe der &tUffe% «»» 
Gtent und Brügge, wodurch si« %u dem zwi- 
achen der Herzogin and dem Erzherxg^ einer- 
seits und den schweiaerischen Eidgenoaseo 
andrerseits eingegangenen Frieden ihre Zu- 
Stimmung ertheilten (vom April 1478), tämmt- 
lich in flämischer Sprache; 6) endlich der wich- 
tige Friedensvertrag von Arra* (33. December 
1482) iwischen König Ludwig XI., dem Ers- 
herzöge, und den südlichen und nördlichen 
Provinzen der Niederlande, in franaSsiscber 
Sprache. 

Allein noch finden sich in den Plaoaerten- 
bfiehem, Arohiren und Protokollen der flandri- 
schen StSdte viele andere GeseUe, tbeils all- 
gemeinen, theils besondem Inhalts, Wir wer- 
den Otts bemöhen, eine Uebersicht der Anstren- 
gangen zn geben, welche von den Sl&nden der 
Grafschaft, den drei bedeutenden Städten und 
dem Lande der Freien während der fUnf Jahre 
von Mari^B* Regierung mr Anshildnng und 
Erweiterung der bereits beaeatenen Privilegieo 
gewagt, nnd die Zngvständnisae und Acte, wel< 
eh« von der Fürstin und deren Gemahl den 
Flamändera während «tteaea Zeitmums ertheilt 
worden sind *). 



*) Hierin riad nniere HauptfÜIireri „Btaueoari rfa 
N««rtt>«M« JurbMfctD ru den Ltiria van den Vryeii, m- 



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359 

Noch im FebrnaT des Jahres 1476, ab Ma- 
ria gerade lu Geat sich aafhieU, drangen die rom 
Lande derJFreie» auf Bestätigung ihret Schöffen- 
anttalt, and die Herzogin stellte eine Acte aus, 
welche die von ihren Vorfahren gegebenen Pri- 
Tilegien beitätigte. Die Zahl dei Schaffen 
.ward anf gechs und zwanzig featgegetzt *). 

Am 30. März desgelben Jahres empfing die 
Stadt Brügge ihre Briefe, Keoren und Freihei- 
ten in mehrern einzelnen Punkten ansehnlieh 
Tennebxt oder zum Vortheil der Bürger ab- 
geändert **). Gegen Ende des Jahrea fanden 
jedoch neue Unterhandlangen, besonders von 
Seilen der Freien, statt, welche sie seit ISngerec 
Zeit, von den StSdtem immer durchkreuzt, für 
das Recht der MitstandschaüE angeknüpft hatT 
ten; die Genter undBrügger, welche ilüce Fr«i- 

dert zyn eerste Beginzelen tot en iMt den Iwet« 1764." 
Tot Bmgge 1785. 8. IL Deel. „CmtU iMiboeken d« 
Stadt Brügge." — Vermischte Materialien in cleii vmA 
melirfach angsFOhrten flÜniiachen Chroniken: „Wonitrl^ekt 
Oorloghttt*' und „Exallatlt Ckronijcke tan VUuKieren." 
Ueber die Organisation der Städteverfaiaungea und rer- 
ichiedenen Inititate derselben, Itt welche eiozeln wir Uer 
nicht eingehen können, Tergl. die trefffidie Sclrift Toa 
RkMftati: „\at Communea de la Elandr&" S. 

*) Diese Acte iit im Brflgger- Stadt- Arcbir aod zwar 
im sogenannten Rw)den-Botk nüt Nr. HL foL SO. ver- 
ceiehnet. 

") PmnpUtt»-Bo*k Nr. VI. foL 219. 



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heit 80 werth hielten nod fast in jedem Jahre 
Alles dafür in Aufruhr und Flammen setzten, 
konnten sich nicht dasn entschliessen , sie anch 
an Andern zu ehren, und ihr stolz-ochlokrati- 
Bcher Geist unterdrückte mannigfach die wohi- 
beg;riindeteB Ansprüche einer zahlreichen Classe 
der flämischen BevälkemDg. Endlich ward dem 
Lande der Freien gleichwohl für seine Beharr- 
lichkeit der Sieg. Maria erkannte es feierlich 
als viertes Glied der Provinz, mit Sitz nnd 
Stimme hei allen Berathnngen üher gemeinsame 
Angelegenheiten nnd Bedürfnisse derselben, an. 
Ein „ewig danerndes Privilegium" hezeichnele 
den Umfang seiner Rechte *). 

Diese Ewigkeit danerte jedoch nnr vrenige 
Monate; schon vor Ostern 1477 war das Re- 
präsentationsrecht der Freien wiederum dnrch 
sogenannte Brieven van Abalitie, in Folge ge- 
waltsamer Zndringtichkeit der Stände , vernich- 
tet worden, and man findet den Namen der er- 
stem neben den drei Leden van Viaenderen blos 
anhangsweise beim Ausschreiben einer Steuer 
angeführt, zu deren Abführang sie, unter An- 
drohung von Zwangsmaasregeln , aufgefodert 
werden *'). 

In den ersten Tagen des Mai war der be- 
rüchtigte Aufruhr zn Gent ausgebrochen, wel- 



') PampUrm-BoA Nr. VI. fol. 287 
") BMitn-BtA-^t. IV. fcl. 1Ö4. 



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361 

eher deo Tfirtiaaten RSthen Maiia'B, wie bereits 
erzählt worden ist, das Leben kostete. Dieselbe 
Partei, welche das blutige Schanspiel aufge- 
führt, hatte anch das Collegium der Freien für 
aufgehoben erklärt, und an dessen Stelle zwei 
Bürgermeister und Tier Schöffen gesetzt, wel- 
che jahrlich ernenert werden sollten. Das Pri- 
Tileginm der vierten Gliedschaft blieb vernich- 
tet, und blieb es bis zum Jahre 1485, um wel- 
che Zeit eine günstigere Wendung der Dinge 
eintrat *). 

Bei Aolass der Vermählung Mariens nothig- 
ten die Stände von Flandern der Fürstin eine 
Provüioa und verschiedene Gesetze ab, die 
sowohl auf die öffentliche Sicherheit, als auf 
die Landesbewaffnung sich bezogen. Bald dar- 
auf, im September (1477), erschienen zu Brügge 
Bevollmächtigte des Herzogs und seiner Gemah- 
lin, in der Person des Abtes van den Duinen, 
des Herrn von Gruithuisen, Philipps von Store 
und des Wouters van der Grachten. Sie nahmen, 
am St. Gillistage, eine neue Wahl von Schöffen 
vor, deren nunmehr dreizehn bestellt wurden. 

Der Erzherzog beschwur auch alle Verord- 
nungen und Privilegien Karls des Kühnen. Dar- 
auf wurden die Weten zu Brügge mehrfach ge- 
ändert. Die Freien erhohen über die Milstände, 



*) tUgitlen van de Kamtr van it» Lmti* vtm it» 
Cfjr« fdl. J. 



:.Googlc 



welche aie so gewaltumi and illiberal TerärKitgt 
halten^ bittere Klagen, fodeiten die Bestäti- 
gung des Zostaadea der letzten sieben Jahte, 
wfthrend welcher ihre Verhältnisse bedeutend 
veibessert worden waren, sowie das entrissene 
' Privilegium Maria'i ziuück. Eine flämische 
Chronik wagt die Behauptung: die Freilaeten 
hätten die bereits vom Hofe beschwomen Ge- 
setze ZQ cotrumpiren ge sacht. Sie federten 
jedoch nur ihr gutes, Terfassungsmässiges Recht. 
Maximilian gab jetzt eine nene Erklämng 
von sich, mit einem neuen Formulare des bis- 
herigen SchKfiTeneides. Die Gesetze der Vryn* 
laeten sollten fortan auf die Grundlage der 
neuen Privilegien geregelt werden; alle Beru- 
fungen auf bestimmte Weise and mit jedes Ein- 
seinen Namen versehen, vor sich gehen; die 
Schöffen aus den drei Abtbeilangen der OiU 
/reien, Nordjreiea und Wei(freien eTamint vim~ 
den. Mehrere Herren aus der Mitte des Lau- 
des zeigten sich damit anzufrieden; endlich 
wurde gleichwohl ein Bettand erwirkt und öffent- 
lich ausgemfen. Man feierte diese Gesetzre- 
fonn durch einen allgemeinen Bittgang. 

Am meisten machte dem Hofe die ßegnli- 
rung des Münzieeieni *) zn schaffen, welches 
unter der Regierung Karls in gräuliche Ver- 



*) Vm(1. di» darüber erichienea 
den Bdlagen. 



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363 

nirroog gerüthea war, and dem Credit dei. Lan- 
des nicht geringen Nachtheil brachte. Aao^ 
das Sleaersystem sn Slays ward einer gröad-' 
liehen Verbesserimg unterworfen , nnd den 
irgerlichen Wacherbriefen Dachdrücklich Ein- 
halt gethan. Die Sluyser aetsten diesen Refor- 
mea einen sehr hartnäckigen Widerstand ent- 
gegen, sachten die Brügger mit ins Interesse 
zu ziehen nnd ihres Beistandes sich zu ver- 
sichern. Der hohe Rath Ton Flandern Tersnebte 
indessen zu allseitiger Zuitiedenheit nüttelnd 
einzDSchreiten. 

Die Klagen über den Münxfoss danerten 
jedoch unnDterbrocben fort; man trachtete von 
Seiten der Begiemng den Werth der Scfaeido- 
laünze zu erhöben, nnd steigerte den Werth 
der Philipps- nnd Karls -Pfennige von 4 auf 
44-* und sp&ter sogar auf ö: ein Unternehmen, 
das zwar die Verlegenheit des Augenblicks in 
etwas minderte, aber für Handel nnd Credit 
eben nicht die günstigsten Wirkungen hatte. 
Diese Experimente mit dem Mfioxfosse liefer- 
ten auch in der Folge noch unter Maxens Vor- 
mund scbaftlicher Regierung fär seinen Sohn 
Philipp einen reichen Stoff von Beschweidra 
und An&tänden , welche besonders Herr Engel- 
breoht von Nassau mit so grosser Energie m 
dSmpfeo wuMte. 

Nicht minder heftig waren die Kligen über 
die unrerbttltnissmasaigQ Seiuldenlaat wcmüt 



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364 

die flandrischen Stftdte, zumal aber Brügge, 
sich beacbwert glaubten. Sie mehrte sich ia 
Folge der vielen Anstalten znr Landesverthei- 
dignng, nnd besonders der Aasbesserang der 
Vesten nnd Borgen, und der Anlegung neuer 
Schnliwefaren gegen UeberKlle der Franzosen. 
Die FlSminger zeigten sich anch hier als ein 
flonderbarea Volk: sie foderten von Marien und 
Maximilian kräftige Maasregeln gegen Ludwig, 
aber es sollten dieselben ohne Geldopfer be- 
werkstelligt werden. 

Nichtsdestoweniger Hess man eine Abgabe 
von 100 Pfennigen auf das Gesanuntvemtögen 
jedes Bürgers sich gefallen. Anch in dem wich- 
tigen Industriezweige der Bierbrauereien wur- 
den neue Anordnungen getroffen. Die betheiligte 
Zunft erhob darüber einen entsetzlichen L&rm; 
es kam zu Aufständen, wie in Marions Ge- 
schichte bereits erzählt worden ist, nnd die 
Brngger, Genter, Yprer und Sluyser bildeten 
eine Art regelmässiger Opposition, welche zahl- 
reiche Verhaftungen und Verbannungen zur 
Folge hatte. Bald äusserte sieb der Parteigeist 
nnnüttelbar gegen den Hof, bald mittelbar ge- 
gen die eingesetzten Behörden. Dieses Beispiel 
wirkte selbst auf die Brabanter, und als Maria 
gerade einst zu Brüssel Hof hielt, entstand in 
der Nacht ein so furchtbarer Tumult, dass die 
Herzogt, geschreckt, ihr Lager verliess, und 
kaum mit dem Nöthigsten bedeckt, von dem 



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3C5 

Fenster des Palastes heraus FersÖhnende Worte 
zur wildtobenden Menge heranterreden mosste. 

Eine allgemeine Yeräammlung der flandri- 
schen Stände zu Gent, im Jahre 1478 gehalten^ 
beschäftigte sich mit den Mitteln, die Öffentlichen 
Bedürfnisse auf so schonüche Weise als mög- 
lich für die Interessen der Gemeinden zu he- 
streiten. Eine erhöhte Auflage auf das Bier ge- 
hörte zu den dabei angenommenen ; anch diess- 
mal erhob sich von Seiten mehrerer Zünfte ge- 
waltiger Widerspruch, jedoch ohne Erfolg. 

In den Yerhällnissen der Freien waren in- 
zwischen ebenfalls einige Neuerungen vorgegan- 
gen. Die Schöffen , Philipps Herr von Mal- 
degem, Roeland Herr von Pouckes, Willem 
van Grysperre und einige andere aof Lebens- 
zeit Gewählte hatten (am 2S. November 1478) 
einen güustigen Spruch gegen die nur auf Jah- 
resfrist erDBonten Bürgermeister und Schöffen 
des Landes der Freien in der zu Brüssel ge- 
haltenen grossen Rathsversammlung , und die 
Einsetzung in ihr Amt, daraus man sie vertrie- 
ben, wieder erhallen. Doch liess man den Par- 
teien frei, in kurzen Denkschriften ihren Streit 
auf dem Wege Rechtens weiter auszuführen *); 
auch waren die Magistratur für Damme und die 
Angelegenheiten der Appendant - Laeten schon 
einen Monat früher mehr geregelt worden *"). 

') Sooden-Botk Nr. III. foL 31. 
") Ibid. [Ol. 204. 



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In demselben Jahre fand auch eine allge* 
meine Versammlung der Freien statt, welcher 
Herr Philipp Wieland, derzeit Bärgermeister 
der Schöffen, Rath und Requctenmeister, Tor- 
sasa. Man trachtete darin, znr grüssem Bern- 
faignug des Landes, die ahgedankten Schöffen 
dllbin za vermögen, dass sie aller fernem An- 
sprüche freiwillig sich begaben, und daa vom 
Eraherxoge angenommene System, dem alten 
Geiste der Verfassong getreu, zn nnterstfitzen. 
Im Weigemngsfalle sollte die Gemeinde die 
Sache vor das Colteginm %a fernerer Berathnng 
bringen. Die mit zur Versanimlnng berufenen 
alten Schöffen behielten sich jedoch vor, dass 
ihnen die TheUnahme daran zu keinem Nach- 
tbeile gereichen sollte, und bethenerten, dass 
sie nicht ihre persönlichen-, sondern des Landes 
Interesse verfochten. Es worden demnach in 
Folge dieses Umstandes keine allgemeinen Voll- 
machten für das Land ausgestellt, da der Ge- 
genstand dieses selbst nicht beträfe ; man über- 
liess dem Vorsitzer, welcher ja doch der Aus- 
leger der Vorrechte nnd Privilegien der Graf- 
schaft sei, an den Gesetzen dasjenige zu ändern, 
was er dem Vortheile derselben am zuträglich- 
sten finden würde '). 



•) Pampieren-Beek Nr. VI. foL SS&-S4«. 



..gniod., Google 



367 

D. Die Recklsverhii/lnüte im Nord - Nieder- 
lande, zumal in Holland^ Seeland und 
Frietland. — Die hlyde Incomst. — Veber 
die Privilegien im Allgemeinen. 

Die Siteste Inauguration der niederländiBcheil 
Beherrscher hiesB die Blyde Inkomst, die In- 
(rede, Inhuldiging; sie gingen unter vielen, 
meist kriegerischen, Feierlichkeiten vor sich, 
and Spiele und Feste der Vornehmen und des 
Volkes begleiteten dieselben. 

Obgleich mehrere spätere Schriftitellei in 
den vereinigten Provinzen zwischen den eigent* 
liehen Batavern oder Holländern , und den Ka- 
Dinefalern oder Friesen einen Unterschied dar- 
zathan gesucht haben, so zeigt sich doch bei den 
beiden stammverwandten Völkersohaften eine 
und dieselbe Art der Inaaguration. Eine Stelle 
in Klaat Kolynt alter Retmehronik spricht be- 
zeichnend hierfür. Sie lautet: 

Ente in fan te Friesen Scaer 

Te Sudermada wolde gangea 

Na Kostüme 't Schild ontfangtn. 

Spraken zi overlut 

Zi ne wilden van em gebrat 

Niet sien, nochte em hulden, 

Nochte zine dwaiich dulden *). 



') VerfL duüber die icbac&iiuiigeii Glaasen voat tan 
Tkgt H. de Groot (Reap. Batav.), £e Aiunerk. zu Vclw 



..gniod^yGoOglc 



I 



Mit 4ik' Inaagnration selbst darf jedoch der 
erste Einzng der Beherrscber nicht Terweehselt 
werden. Zwar fanden dabei ebenfalls rauschende 
FtendenbezeiguDgen statt; allein der eigentliche 
Schwur- and Huldigongs-Act ging erst später 
vor sich. Gewöhnlich ertönten sodann alle 
Glocken, und die Schntterei stand in feierlicher 
Parade da. Die Person des Tages aber ward 
durch die Stadkouder-Poort in den Grafenhof 
geführt. Diese Oration oder dieser feierliche 
Einzag ward von den benachbarten Brabantern 
Blgde Inkemitgenaaat, und mit der Hulde selbst 
in Eins zosanunengeschmolzen ; daher auch ihren 
Fuadamenialgetetxen der Name: „Biyde Inkomtt, 
Laeti Introitut, Jopetuei EntrSet"^ geworden ist. 

Yiele hollfindisohe Publicisten nehmen das 
Erbrecht ihrer Grafen in den betreffenden Pro- 
vinzen in Ansprach, da nach dem Aussterben 
der Karolinger das oberherrliche Ansehen des 
Kaiserthnms in denselben so gnt als untergegan- 
gen sei. Zwar wurde Dirk II. noch tob Otto II. 
zum Grafen Ton Holland und Seeland, durch 
ein noch vorhandenes Diplom, bestallt; doch 
meinen jene Schriftsteller, der Kaiser habe einen 
Solöcismus damit begangen, nnd sie verlegen 
den Ursprung der holländisch-seenwischen Erb- 



Stokt R:ra-Cbroa;k, van Heutdm (Hiat Bpiicop. . Me- 
diob.), W. WMioßlMiT. VBD Äver-YsMil, und A- M«- 
Ikaei Kami. Bdg. vm. 



..gniod., Google 



grafschaft bis in die Zeiten Karls des Kahlen 
zurück. Andere, von gediegenem Kenntnissen 
und kritisch6rin Blicke , haben in gelehrten 
historisch-staatsrechtlichen Werken,- nnd ge- 
stützt auf Urkunden, die an unterbrochene Ober- 
hoheit des römisch - tentschen Reiches übet ihr 
Vaterland von den Zeiten seiner Errichtung an, 
bis auf Karl Y. darzufhun gesucht, wie beson- 
ders Miert'i nnd van Loon, welche MSnner 
überhaupt um die Rechtsgeschichte , wie um die 
politische der Niederlande bleibendes Verdienst 
sich erworben haben. 

Nach der Meinnng Ersterer fiel — wenn 
man schärfer blickt nnd der Ansicht der Letz- 
teren zu folgen sich veranlasst sehen muss — 
das Recht der Wahl det Grafen, in Folge des 
Aussterbens der alten Erbgrafenlinie, dem Volke 
anheiin. Solches halten sie zumal durch das int 
Jahre 1351 , znr Zeit G. Wilhelms geschlossene 
Bündniss verschiedener Städte bestätigt, da in 
dem darüber gefertigten Vertrage die Worte 
vorkommen: ,,Ende teuer dat täte dat otu 
Heere gebrake londer oir van zyne lyve, dat 
God verhoede, $oe kebhen wy gemeenlick gelo^ 
gheenen Heer t'on^aen, wy eu tauen gemeen- 
lick oH^aen." 

Nach der Wahl oder nach der Anerkennung 
des erblichen Fiirsten wurden die Primlegien, 
Gebräuche , Cotlamen , Immunitäten und Fuada- 
mentalgetetze entweder vor oder während dem 
■ I. ■ . 24 



..gniod., Google 



370 

Acte der Holdignug selbst feiwlioh bekififtigt. 
0er Schwur des Fanten eothielt dos Venpre- 
chen: dem Lande gute Treae za leisten, dessen 
Macht SU erhalten nnd za mehren, die Unter* 
thanen zu vertheidigen und strenge Gerechtig- 
keit für nnd gegen Alle zu üben. Diess Ver- 
sprechen konnte jedoch nicht blos den Ständen 
des Landes im Allgemeinen ertheilt, sondern 
es musste jeder einzelnen Gemeinde noch be- 
sonders gegeben, die Yerfagsnng jeder dersel- 
ben besonders sanctionirt, und somit die Hul- 
digung in jedem einzelnen Orte gleicbsam wie- 
derholt werden. 

Darin unterschied sich die VerfasBong der 
Niederlande von derjenigen vieler andern ger- 
manischen Länder. Als die YerbKltnisse der 
Herrscher nnd die Bedürfnisse des Landes noch 
einfacher waren, mochte diese strenge Rechts- 
gleichheit und diese Achtung toi der Indivi- 
dnalität wohl genauer und gewissenhafter beob- 
achtet werden kSnnen; nachdem aber die Nie- 
derlande unter den Fürsten aus der letzten 
burgundischen nnd der neuen österreichischen 
Periode in den Kreis grosser Wellbegebenhei- 
ten gezogen worden, geschah den Privilegien 
und Gerechtsamen der Einzelnen vielfacher Ab- 
trag; daher die vielen Klagen über Rechtsver- 
letzung und Eidbruch, und die vielen Meute- 
reien and Aufstände. Die Revolution im Staats- 
rechte dieser Provinzen lag mehr in der veiän- 



DyGoogle 



371 — 

d«rten Lage der Z«it nnd im Zutanimeiidrang« 
der BegebenheAen, all in vonetzlicher Will- 
kür und im aoBgesprochenmi Hange nach Ab- 
ulntiRmuB. 

Bei den VerfaBsangen and Freiheiten det 
niederländischen ProTinzen mnss man sich übri- 
gens Ja kein durchdachtes Recfalssystem, keine 
Terbindendfl Grundidee nnd einen Innern Zn- 
sammenhang denken. Die meisten entstanden 
allmKlig and bei verschiedenen Veruilassangen, 
bald in Folge von Verdiensten der einen oder 
andern Commone in Kriegen and BSndnissen, 
oder in Folge entrichteter Geldsammen nnd 
ansserordentlicher Stenerrerwillignngen bei 
dringenden Verlegenheiten der Grafen ; nnd 
sie flössen so in die bereits erworbene Masse 
Gber, bis etwn spater irgend ein CollectirnanM 
oder eine gemeinschaftliche Rubrik den Schein 
eines einzigen Codex ihr gab. Dieas war 
z. B. mit der Sammlung von Bewilligungen, 
Gesetzen nnd Verordnangen, im grotaen Pri- 
vilegium der Maria von Burgund ffir Holland 
nnd Seeland, in den IjemtUrteven van het Bgh 
van NymKegen, Over-Beiiaee «nz., für Gel* 
dem, und in dem Landbriev van Bitschop Ar^ 
noud van Hoorn für Utrecht, der Fall. Be- 
rühmte Schriftsteller, wie Philipp von Leidm 
nnd Andere, beschäftigten sich in sehr gelebr- 
ten Tractaten mit der Frage: ob diese enor^ 
nen Privilegien vor den Naofafolgem Derer, so 
24- 



DyGoogle 



^— 3T2 

sie auagestellt, ' widennfen werden konnten 
oder nicht? alles Ernstes. Während dieser ge- 
lehrten Untersnchung hatte das Schwert oder 
der Macchiavellismas bereits dieselbe überflüssig; 
gemacht, und die Frage in einem Sinne entschie- 
den, dass es der ganzen Anstrengongen meh- 
rerer Menschenalter, and aller -geistigen and 
materiellen Kräfte der Edelsten nnd Weisesten 
bedurfte, nm die alte nnd neue Zeit auf eine 
der Bildung wie der Freiheit gleich zuträgliche 
Weise mit einander zu versöhnen. 

Verständig genug hatten auch eifrige An- 
hänger der politischen Freiheit schon frühe den 
grossen Nachtheil bemerkt, welcher eben die- 
ser Freiheit in Bezug auf das Gemein- Bette 
durch übertriebene Begünstigung und Ausstat- 
tung der einzelnen Communen erwuchs, nnd sie 
tadelten mit Recht sowohl die Provinzialstaaten, 
welche durch kein Fund amen (algesetz solchem 
Unfage des PriTilegien - Erpressens oder Er- 
schleichens gewehrt, als die Räthe, welche 
ihren Fürsten die Verleihung nicht ausgeredet. 
Es geschah wohl von diesem richtigen Gesichts- 
punkte aus, wenn die Friesen iliren Verträgen 
mit dem Herzoge von Geldern die Bestimmung 
einschalteten : „Dat die Fürst van Gelre die 
Steden in Vriesland, van wat party waeren, 
gheen privilegien of vryheden solde geren of 
verleenen in praejadicie en achterdeel der Land* 
schappen en wjken, solx wat bj den Stadhol- 



., Google 



373 

der oft« Berelslayden doer qnade informacie 
waer gegeven, solde aül zyn." 

Dass die Bestinunangen , welche das grosse 
PriTÜeginm der Maria enthielt, dnrchaoa über- 
triehen und zum Nachtheile der Krone, sowie 
vielleicht dei Consolidirnng der Staatskraft und 
zar Befestigung der Grundlagen einet wohlrer- 
staDdenen Freiheit selbst gegeben worden, war 
noch ror dem sechzehnten Jahrhundert Ansicht 
einiger Patrioten, und noch mehr diejenige 
der fürstlichen Bathgeber, welche die allzu- 
Btarke Beschrfinkung der Macht eben so schmerz- 
lich empfanden , als dieser Letztem für anwür- 
dig betrachteten. Viele gingen in ihrem ver- 
werfenden Urtfaeile noch weiter, and behaupte- 
ten: die Nachfolger Mariens seien die Dinge 
nicht zn halten schuldig, welche man der min- 
deijähiigen fürstlichen Jnngfraa in Tagen der 
- Bedrängniss abgezwungen. 

Es scheint, dass die letztere Meinung schon 
in Philipps des Schönen Cabinete siegreich 
ward; denn ungeachtet sein Vater Maximilian, 
als Momboir der Mutter und nachmals als sein 
Vormund, die beschwornen Verträge gehalten 
hatte, 10 fand er selbst, der König nod Erz- 
herzog, es nicht för oöthig, bei der Gelegen- 
heit, wo er alle Charten seiner Vorgänger und 
auch die PrivUegien seines Vaters erneuerte, 
ein Gleiches mit deqjenigen der Mutter zn thnn ; 
ja das PriTilegiom ist in der oben angezeigten 



.,gniod.,GoOglc 



374 

Beihe tob Charten völlig anigelasaen und 
ignorirt, aDgeachtet es an der Spitze oder am 
Ende von allea hätte stehen sollen. In gtei- 
ebem Geiste handelte auch nach ihm die Schwe- 
ster Margaretha , als Oberst atthalterin der Nie- 
derluide, nnd sie weigerte sich geradezu, die 
mütterlichen Freibriefe xn beschwören. Die 
Bechtslehier Hollands während der Republik 
«rgiessen sich über solch ein Benehmen in bit- 
tere Klagen, wie zu erwarten war, nnd beson- 
ders trifft ihren Collegen Zapaeui, der als Ver- 
theidiger desselben aufgetreten, ihre scfa^ste 
Ahndung *). 



'y „Nnin Tera acripaeric Zt/paeui — also SuHert sich 
tan 2%y« (De Inangnr. Princip. Belg. Cap. IV.) — jore 
dnbiUri potent: etenim ei Fritiltgium Ulud 3fa^um re-, 
spiciajnaa, negBTem, eitortom itli fuiwe: qnippe dndam 
acte ilUm (Honam) apud antecewatea vigoemot illa« lege* 
in aaam edictum contractae, qnae Tel ad aalatem 'pabUcam 
absolute ftdobant cantelasqae praeMribebant cootra ad- 
fectatam prioniin Comitam tjrannidem. Hanc tcto poterta- 
tem competiiase Ordiiubua, negare baud potcrit, qoi here- 
ditarinm quidem illonim impeiium , origine laa tarnen electi- 
cinm fuiHe cogitet. Injurios aic fuiiset Zypaeua in Ordi- 
nes, qaernin est absolute foitqae semper limnl cum Frio- 
dpe emeadare et cotngtat oaeroi rtnpnblicae ; ü vero, nt 
WBJicio, noonulla ciritatoB ügalaiia privtlegia retpexerit, 
escutandoB Tidetur, modo revokat, succeiaorea et haec 
dein , preüo Tel preübiu indoctoa mox confirmaaie , nt 
paolo poat Tidebimn». Potentia sna confiiiu et «atia pro 
Imperio Ordmibu dedarabat PUfippw: „„DmI Ajp ftmm 



..gniod., Google 



_ 375 

£. Da» grotte Privilegium der Maria för die 
Gre^tchaften Holland, Seeland und Fries- 
land. Rückblick at^f die Reckttverhältniite 
einzelner niederländiicher Städte , loteie aiif 
Geldern ttnd Luxemburg . 

Bereits ist an xwei Stellen der Biogiaphi« 
Mariens jener Begeboiase erwähnt worden, wel- 
che anmittelbar nach dem Tode ihres Vaters 
in Nord-Niederiand stattgefanden , femer der 
Anstrengnngen , welche sowohl die drei Graf- 
schaften im Allgemeinen, als einzelne Gemein- 
den insbesondere za Verbessernng ihres Rechts- 
zustandea imtemommen. Die Chroniken dieser 
Provinzen schildern ziemlich breit, und für den 
ausländischen Leser ohne grosse« Interesse, 
die Schritte hin and her, von der einen Seite, 



AM itigehuUlgt te tpordta aU ttfaeitig m müilMrlfk 
Printt CR Htert , Grmve van Holland en Htert van Frin- 
Innif;"" quBii vero electitiiu hereditarius Princeps pacta et 
beneficia msjatum haud iniqna confinnare haud obilriage- 
retar. „„Dar hy dt Privilegien hettpetre» mlde, £a dt 
Herl»gen PUlipi tn Kord en dentletr Voonaele» Brtmt» 
m Gramtmtn wm Heiland ttt Httrmt <n Frouatn tm» 
Vritiltmd gtgtve» haiden."'^ Sicdoe vero Ordioeiet i»- 
qos omnia Philippi Boni et Coroli AndacU acta, rata haben^ 
uhilqae extordoaibai opponere debuiuent? San« contra- 
riam prodentiorea e noitratiboi probarunt «t anb Carolo T 

et PbiUppo n in effectnm äedinenmL Tentu band 

andebant Ordinal conlzahiMera Ragi tone tes^ori* Hia- 



.,gniod.,GoOglc 



376 

um die gefoderten Maasregeln abzuwenden, von 
der andern, om dieselben dnrchzaaetzen. Die 
wirre Lage dei Dinge und die grosse Noth, 
darin die Herzogin, einerseits wegen der Gen- 
ter und Brögger, andrerseits wegen des Königs 
Ludwig XI. sich damals befand, hatten sie znr 
Annahme auch der härtesten Bedingungen and 
nnbeliebtesten Artikel vermocht. Man fand für 
gerathen, Viel aufzugeben, um Einiges zu retten. 

Sämmtliche Punkte, worüber Beschwerde 
. und Streit obgewaltet, wurden in einer Haupt- 
urknnda erledigt, welche gleichsam eine neue 
Charte für die drei Grafschaften bildete, and 
den Namen des grouen Privilegiumr erhielt. 
Jeder einzelnen Prorinz kamen jedoch noch 
besondere Bestimmungen zu gute, welche in den 
verschiedenen PI akaatenbü ehern, ausser dem ge- 
meinsamen GrandgesetzQ, meistens mit aufge- 
nommen worden sind. 

Selbst ein sehr republikanisch gesinnter Hi- 
stbriograph der nachmaligen vereinigten Pro- 
vinzen*) gesteht, dass die Hollfinder viel zu viel 
Wesens von jenem Privileginm gemacht hätten. 
Da es im Znsammenhange (anter den Urkunden 
des zweiten Bandes) den Lesern milgetheilt wer- 
den wird, so heben wir hier für die der hol- 
Iftndiachen Sprache weniger Kundigen nur die 
wesentlichsten Artikel heraus. 



•) Wngtnaar XIV. V. 



.,gniod.,GoOglc 



377 

Die Herzogin macht sich verbindlich, kei- 
nem Fürsten, als Gemahl, die Hand zu reichen, 
welchen nicht die Herren von Geblüt und die 
Stände der drei Grafschaften ihr anrathen nnd 
genehmigen werden. Holland wird von der dem 
Herzoge Katl im Jahre 1475 Terwilligten Steuer 
frei erklärt, obgleich fünf von den sogenann- 
ten sechs grossen Städten, nämlich: Dortrecht, 
Delft, Leiden, Amsterdam nnd Gonda, schrift- 
lich hiezu sich verpflichtet. Auch die 500,000 
Kronen anssergewohnlicher Jahressteuer, wozu 
man früher sich verstanden, uaterblieben hinfüro. 
Dortrecht nnd Südholland insbesondere werden 
von der Entrichtung der 6000 Elinkaarts ent- 
bunden, welche man als jährliche Abgabe und 
als Aeqaivalent für die bisher entrichteten und 
künftig abzutragenden Steuern im Jahre 1468 
eingegangen. 

Alle Aemter und Stellen, deren Vergebung 
im Bereiche der Befugnisse des Souveräns steht, 
sollen von der Herzogin Niemand anderm, als 
Eingebornen, anvertraut werden können. Nie- 
mand soll fÜrder zwei Stellen zn gleicher Zeit 
bekleiden, ein Gegenstand, welcher seit einiger 
Zeit besonders ärgerlich auf die Meinung des 
Volkes eingewirkt. Der Missbrauch der Ver- 
pachtung der Aemter hört hinfüro ebenfalls auf. 
Auch dadurch war die Verwaltung mehrerer 
ehrvergessenen Grossen, in ihrer Eigenschaft 
als Statthalter, befleckt worden. 



o^yGooglc 



378 

Der Rath voa Holland wiid künftig ans 
einem Statthalter nnd acht Beisltzetn gebildet; 
zwei derselben mStten Edle von Gebart, die 
übrigen Recfatsgelehrte , und zwar sechs ans 
Holland, zwei aber ans Seeland genommen 
sein. Diesen acht RSthen werden noch zwei 
andere (ebenfalls Nord -Niederländer aas den 
zwei Provinzen) beigefügt, welche ihr Amt ob- 
entgeltlich verwalten. Vor den grossen Rath 
sollen in erstem Gerichtsstande keine Angele- 
jg;enheiten gebracht werden kSnnen, in welchen 
der Spruch, alten Rechten gemäss, den einzel- 
nen Städten nnd Dörfern zusieht, sondern blog 
solche, in denen von dem Urtheile der Unter- 
gerichte eine Berofong stattfindet. 

Das Recht der Städte und Landschaften, das« 
Niemand aoss erhalb ihrer Grenzen gerichtet 
werden dürfe, soll in Kraft bestehen. Die Or- 
ganisation nnd Zusammensetzung der Gerichte 
soll nach den alten Normen vor sich gehen. 

Den Städten bleibt es frei, sowohl nnter 
sich, als mit andern Provinzen der Niederlande, 
an denselben Orten zusammen zu kommen nnd 
in Verbindung zu treten, welche ihnen belieben. 

Keine Zölle nnd keine Abgaben sind ohne 
Einwilligung det Stände auszuschreiben nnd 
zu erheben. Sämmtliche Bewohner sind bei 
ihrem freien Handel, Vetkefar nnd Gewerbe 
zu schützen. 

Die Herzogin and ihre Nachkommen können 



DyGoogle 



379 

keinen Krieg» weder znm Angriff nocbi zur 
Vertheidignng , ohne die Stände eingeben; thun 
sie es dennoch, so erlischt die Verbiodlichkeit 
des Dienstes für die Eingesetsenen , obgleich 
eine Ordonnanz des rentorbenen Herzogs hieza 
ennächtigt. 

In allen Briefen, den offenen sowohl als 
den versiegelten, wird man binföro der teut- 
iciea Sprache allein sich bedienen. 

Alle gr&flichen Befehle ermangeln ihrer Kraft, 
wenn sie den Vorrechten der Städte widerstreiten. 

Die Becbnangskammer zu Mecfaeln soll, in- 
sofern sie holländisch' seenwische Angelegen- 
heiten betrifft, nach Holland rerlegt werden. 

Jedem Staatsbürger bleibt es unbenommen, 
seine im Schiffbruch verunglückten Güter zu 
sich zn nehmen, gegen Erlegung einer billigen 
Taxe. (Sie waren früher, als der gräflichen 
Schatzkammer gehörend, angesprochen worden.) 

Die kleinetn Bedienungen, als z. B. Kirchen- 
und Schul-Aemter, Botenstellen u. s. w., wer- 
den auch künftig von Denjenigen vergeben, 
welche seit sechzig Jahren sie vergeben hatten. 

Keine Münze soll geprägt, noch ihr Coara 
erhöbt oder herabgesetzt werden können, als 
mit EinwilUgting der Stände. Für Holland bleibt 
Dort recht die Münzstätte. 

Das Land Strien wird als mit der letzten 
Grafschaft für immer vereinigt erklärt. 

Keine Provinz entrichtet Steuern, fnt die 



.,gniod.,GoOgk' 



aifl ihre Zastiimnung nicht ertheilt. Keia Graf 
von Holland darf künftig in Person kommen 
und Steuern fodern. 

Es ist untersagt, die Lehen irgend eines 
Bewohners der zwei Provinzen zur gräflichen 
Tafel zu ziehen , ehe und bevor er nicht durch 
ein gerichtliches Urtheil seiner Felonie über- 
führt worden. 

Die Herzogin verpflichtet sich, dnrch keine 
Briefe die Befngniss zu ertheilen, Moder zam 
Salzbrennen aus Grundstücken zu graben, wel- 
che in den eingedeichten Ländern in Holland, 
Seeland und Friesland gelegen sind. 

Alle diese Punkte und noch viele andere 
von geringerer Wichtigkeit beschwor Maria bei 
der BIfdc Incomst, und ihr Kanzler und ihre 
Räthe, sowie der Statthalter und der Rath von 
Holland, mussten sie ebenfalls bei Antritt ihrer 
Aerater zu erfüllen geloben. 

Es lässt sich nicht läugnen, dass gleich an- 
fangs mehrere Bestimmungen nicht sehr beob- 
achtet, und dadurch mehr odei minder gegrün- 
dete Beschwerden veranlasst wurden, welche 
auch den Bruch des gegenseitig zu Leistenden 
nach sich zogen. Allein wenn die Regierung 
der Maria, um nicht ganz zur Puppe der Stände 
herabzusinken, nach befestigterer Gewalt strebte, 
in einem Zeitpunkte, wo sie, von äussern Fein- 
den rings umlagert, derselben allerdings be- 
durfte, so trieben auch auf der andern Seite 



..gniod^yGoOglc 



381 

die Gemeindea und Landschaften ihre Fodernn- 
gen oftmals ins Unglaubliche und Unmögliche — 
wie schon im frühern Abschnitte angedeutet 
worden ist — und über dem Hange zur Indivi- 
daalität und Selbstständigkeit, welcher in einem 
allgemeinen dunkeln Gefühle von Freiheit ohne 
Ziel sich kund gab, vergassen die Provinzen 
oft ganz, dass sie ein gemeinsames Vaterland, 
die Niederlande, bildeten oder bilden sollten, 
und dass für das grössere Ganze jeder Einzelne 
etwas von seinem, selbst begründeten, Rechte 
aufopfern mnss. 

Der Erzherzog Maximilian säumte nachmals 
nicht, sowohl unmittelbar nach seiner Heirath, 
als nachdem seine Gemahlin gestorben, das 
von derselben Gegebene zu betätigen, und die 
desshalb gefertigten Urkunden erscheinen meist 
gemeinsam mit dem grossen Privilegiuni ab- 
gedruckt *). 



*) Unter den Schätzen der Hof- und Stantsbibliothek 
im Haag befihdet sich ein Codex dieser Eandraaten auf 
Pergament, in 4., fünf and zwanzig Blittei stark. Das 
erste Blatt bat folgende Worte zur Ueberschrift : 

f^et raer m greot Primlegit van Vrou Maria f t« 

Oent an im Biiäeneap *lk ander m»l den Sleitem 

A. 1476, g^tven votr HoUt (Haüani), Vrieüant, 

Zttlmnt, ete. tn ook nogh in Vtreeht, A. 76." 

Zn Ende des enten Blattea aber steht, den Text un- 

tetbrecheod, noch eine andere hiBtorische Bemerkong: „k. 

1478 approbeert Hertog MaximUiaen als Kerokelijke Voocht 



.,gniod.,GoOglc 



382 

Die Frieten erhielten nocb einen besondera 
grossen Brief, weloher sowohl in lateinischec 
als in der Landessprache vorhanden ist, nnd in 

en momboir van njn Vrou Maria, voorsz. groot Privilegie 
in d«i Hag« op rijn huys lijnde «d 't itah hier agtei." 

Der Bftum auf dem Pergamente, der die letzten awM 
Zdlen enthilt, zeigt noch einige, mit Bchnächerer Dinte, 
hier überscbriebene Worte. 

Diese Bandvesten , wovon der Haagtr - Abdruck Tont 
Jahre 1663, und der bei MitrU (Handvesten der Stad 
Leyden) herrührt, sind unstreitig unprüaglich fSr die Stadt 
Alkmaar erlaiBen norden, und eine Copie der bernhntea 
Urkunde, welche kauSg Toa Vielen ist beatritten worden, 
je nachdem die Becht«tüatoril[er mehr oder nindar Grttnde 
(ür oder gegen ihre Echtheit aofgefonden haben. 

Aus der zweiten Bandveste oder dem Privilegium Ton 
Maximilian, als gesetzlichem Anwalt (Momboir) aeiner 
Gemahlin Waria, nnd in der Eigenschaft als KirchenTogt 
der Stadt Alkmaar (28. Mars 1478) erlassen, geht hervor: 

1) das« diese Urkunde vom Herzoge hauptsächlich «r- 
theilt worden zur Befestigung nnd Bestätigung der 
schon früher von Alkmaar genossenen Rechte und 
Freihdten ; 

2) dass dieses beiondere Privileginm nudh mit densel- 
ben Worten, das qnaesdende groot Privilegie van de 
Gravione Maria, d. d. 14. Uarz 1476, bekfäfügt, 
welches denn auch n diese« Ende voransgesclückt 

Ba nuss Verwunderung orregen, dasa Eyidenberg 
oder Boomkamp, in Ihren ,,6ttchi*d»aiitt» van Alekmaar*' 
gar keue Erwähnung von üuem Privilegium machen, das 
för die Rechts - Verhältnisse jener Stadt doch lo wichtig, 
und dessen Echtheit wohl mhhi allem Zweifel ist; Doch 



DyGoogle 



383 

welchem alle von dea früherD Grafen ertheilten 
Privilegien hinter einander angeführt werden*). 
Aber nicht nar die Grafschaften äbefhanpt, 
sondern auch beinahe jede einzelne Stadt in 
Brabant, Flandern, Holland n. s. w., erhielt 



mebr stellt sich dieie Vemundening ein, wenn man ge- 
radezu, S. S5 jenes Werkes, ron einer ,^a)atigiag aan 
i* Sitae groole Baek door MagimitiaaH op den 2 April 
1478 bittain Aletmaar gtdan" tiest und sooiit eine Ur- 
kunde von fünf Tage späterm Datum angezogen findetj 
endlich, wenn nao anf die ausdrückliche Stelle itöut; dass 
Maximüuui zum Vogt aeinea nünderj ährigen, mit Frau 
Maria gezeugten Sohnes, hestaüt worden sei. 

Ans den Hanävttttn und Prieitegitn der StSite Leg- 
4m, heransgegeben tod Mierit, und den Mitiivei vam dem 
Deleantie, Freteniit en Btioftt van de Stadt Haarlem 
erüeht man, dou die letztere Stadt nicht, gläch Delft, 
Leydeo und Amsterdam , ein besonderes Kiemplar der vier 
Briefe oder Gopten dea grossen PriTÜeginma von Maria 
empfangen hatte, wohl aber: 

1) daas man vier Copien desselben auf gemeine Kosten 
dea Landes rerfertigen, und an die Stidte Dortrecbt, 
Delft, Lejden nnd Amsterdam Teraenden Hess; 

2) daas Haarlem den Vorrang über die Städte Delft, 
Leyden und Amsterdam ansprach; 

5) dass Enr Entscheidung hierüber das Loos Torgeichla- 
gen and die Art und Weise der Vertbeilnng der Co- 
pien Ton der Orig^nal-Urtonde und dem Siegel auf 
augemeaiena Weise geregelt i^urde. 
') Vergl. die Beilagen und Sek»arze»htTg Placaaten- 
boek Tin Vrieilant T. I., eine kostbare, grouartig ange- 
legte und gründlidi dnrchgeföhite Urknudenummlung. 



..gniod., Google 



besoadere VergnnstiguDgen and. GerechtBame, 
wie wir schon einmal bemerkt haben. So finden 
sich TOR Brüssel, Antwerpen, Lierre, Amsterdam, 
Rotterdam, von Briel und dem sogenannten Lande 
Voorne eine Reibe Urkunden, wichtigern oder 
geringfügigen! Inhalts, welche för das Ganze 
hier kein Interesse darbieten, nnd meist auf 
besondere Oertjichkeiten sich beziehen *). 

Die Verhältnisse des Herxogthnms Geldern") 
wurden meistentheUs erst nach dem Tode Ma- 
riens, unter der vormnndschaftlichen Regierung 
Maximilians, geregelt. Der Statthalter, Adolf 
von Nassau, spielt dabei eine Hauptrolle*"). 

Da das Herzogthnm Luxemburg meist eine 
Episode in der Geschichte der Niederlande bil- 
det, nnd mehr denselben zur Seite, als znsam- 
menhängend mit den Schicksalen der übrigen 
Provinzen, betrachtet werden muss, so führen 
wir am Schlüsse in Bezug auf diese Besitzung, 
sowie auf die Grafschaft Cbiay, nur an, dass auch 
diese beiden die alten Freibriefe und Gerechtsame 
bestätigt erhielten, nachdem sie an Marien und 



') ^«''g'- di^ Beilagen and die Sttehryvmgi wat thn 
Britl m der Lanie van Voome. 

") Vergl. die Beilagea. 

'") Potttani Hi«L Geldrica, van Spatn GeidiiedMÜi 
na C^lderen I. II. Adsertio Juris Cuoli V. in ducafaim 
Geldriae. S., mit öner wichtigen Urkunde, weictie Marien* 
imd ihrer Ansprüche erwälmt. 



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335 

Maximllinn die gefoderte Haldigang geleistet. 
SolchcH geschab iowohl in dem Herzögtbnme and 
der Grafschaft im Allgemeiaen , als In d*n eitt- 
zelneb St&dten, namentltch in der Hauptstadt 
Selbst insbenondere. Die melaten dieser Privtlä' 
g^en and Rechte bestehen sich auf Rückgabe des 
früher entrissenen Steg«l9, anf Zölle Und Ohm- 
gelder, Handel und Verkehr. Die Verwaltung 
und die Gesetzgebung erhielten mannigfache 
Verbesserungen, doch wurden sie erst unter 
der Regierang Karls V., namentlich durch die 
Statthalterionen Margarethe I. und Maria von 
Ungarn , völlig geregelt *). 

Wenn man die ganze Reihe von urknnd- 
liehen Verrichtungen übersieht, welche wäh> 
rend Mariens Regierung vor sich gegangen, so 
musB man sich über den Umstand wundern, dass 
bei den ewig sich wiederholenden Beschwerden 
and gehäuften Verwickelungen noch Kopf und 
Zeit für andere Dinge übrig geblieben > und 
noch mehr über den Vorwarf erstaunen, welchen 
man bisweilen dieser Periode, als einer Periode 
der Willkür und Rechtsverletzung, bat machen 
können. Niemals, weder früher noch spSler, 



*) BtrthoUt Histoire du I>uch£ de Lnxembourg et du 
ComU de C\äay. T. VH ; vergl. damit die BeUagen und 
die Schrift dea Verfassers: „Da« GrosdierzogUniiQ Luxem- 
burg, Integrirender Theil des teutschen Bundesgebi«ts, in 
sräneu älteni, bistoris«h -staatsrechtlichen VerhlitiuMeD etc.", 
Brannschndg, bei Vievreg, 1S81. 

I. 25 



..gniod., Google 



hatten die Niederlande eines grössern Umfanges 
Ton politischer nnd bürgerlicher Freiheit sich 
zu erfrenen, es sei denn, dasi die Anarchie, 
welche ein anssch weifender DemokratisraaB, zu- 
nal In Flandern, angestrebt, mit diesem Namen 
sich schmücken wollte, und als letztes Ideal 
nnd Ziel im Hintergninde stand. 



DyGoogle 



Nachschrift. 



-Wie kleine Biographie „Margarethe voa York*' 
war schon früher geschtieben, ehe der Verfas- 
ser den Entscfalnss gefasst hatte, das grossere 
Werk über „Maria von Burgund" anszuarbeiten. 
Jene dient somit als eine Art Einleitung, würde 
aber, wenn dem Verfasser die Wahl noch frei- 
gestanden hätte, mit in die zweite Schrift ver- 
woben worden sein, nm den Uebelstand der 
Wiederholung mehrerer Thatsachen im Leben 
beider Fürstinnen zu vermeiden. Ganz aber 
BoUte der frühere Aufsatz nicht verworfen wer- 
den, und da eine Biographie die andere ergänzt, 
so werden sie aach neben einander wohl sich 
lesen lassen. 

Der Verfa&ser^der Maria von Bnrgnnd würde 
manche Partie noch ausfülirlicher und sorgfölti- 
ger behandelt haben, wenn ihn nicht der Ana- 
brnch der belgischen Revolution einerseits nm 
die Benutzung vieler, in der borgundischen Bi- 
bliothek zu Brüssel aufbewahrten, handischrifiE- 
25« 



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litten Qaellen, welche ifam bereits xogedacht 
waren, andrermeits die darans entatandene Reihe 
von BegebenbeiteD nm die gehörige Geiatea- 
BÜBunaDg and Mane gebracht hKtte. Er reicht 
somit sein Werk nicht ohne einige Besorgnias 
dar, doch bearbeitet ana ho vielen Mateiialiea, 
ala ihm zn Gebote gestanden. 

An dem venpiteteu Dmcke des eisten, 
Iftngit angekündigten, Bandes tragen die poU- 
tiachen Erei^uaae allein die Schnld. 

Münch. 



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Ornckfehlet ood Berichtigungen 

nur 

Maria von Bnrgnnd. 



. 59 Z. 7 V. n. st Jakob's ). Jakobea'B. 

72 - 11t. u. Ut anf dorchzoftreiclHn. 

75 bd der Charakteristik Maiiena muM (in Folge des 
ZeugniMCB von Ponlui Htuttrut) bei^fügt wer- 
Aea: dass na aofbranaeDder Natar und zum Zorne 
etwas geneigt, aber ia demselben Augenbli<^ 
Buch wieder yersöhnt und milde war, nnd durch 
doppelte F'reundlichkeit diesen *on ihrem Vater 
geerbten Fehler wieder gut zu machea rachte. 

78 HiuBichÜich der äussern Gestalt Mariens luuas daa 
Urtheil einer geistvollen Frau: Madam* de Im*- 
(cn (Histoire de Louis XI) verglidien neiden. 
Auf jeden Fall hat ibr neuester Biograph in dem 
Leben ihrer Stiefmutter etwas zn viel gesagt, 
wenn er sie, hinsichtlich der äassero Reize, in 
eins Reihe mit Margarethen von York gesetzt, 
welche eine vollendet« Schönheit war. 

ai Die Zusammenkunft Friedrich* III. mit Karl dem 
Kühnen ist im WeUi - Kwäg anf anziehende 
Weise beschrieben. 

83 Ut der Note üb«r die Bedeutang TrotOM beizoni- 
gen, da» in vieleo Chroniken Mademoiselle auch 
dardi JoncTTonwo gegeben wird. 
103 ut in der Note der Satzt Allein eine noch 
angedruckte Quelle, Qnorelle etc. gänz- 
lich dnrchzuatreichen , da dieses Actenstück der 
Leidener BlbHolliek, wiewohl es eine andere 
Ueberscbrift führt, mit dem bei Läbmu (Corp. 
dipl. J. Gent) ond im II. Bande der Biographie 
ebenfaUs abgedruckten dn und daaselbe ist. 



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). 171 Z. 9 w. o. tt. ■chSnen Fnu t iutereisaiiteii 

Frftu 
-183-15 *. M. St. mit fl&mucher NaiveUt 1. mit Com- ■ 

plimeiitenTotl flämischer Naivetät 
-187 - 12 T.o. it alM gescheba es, 1. bo geicbebe es, 

- 195 - 14 T. u. lt. dui man 1. dtiia d«r Hof 

- SiS - 1 V. •■ «L koBot« es lucht Aie<l«r becateUen. ). 

könnt« diese WiedeiheraUHuDf nicht 

- 267 - 10 T. 0. ab und m 1. und nen* 



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