No. 12.
Romanische Bibliothek.
DIE GEDICHTE
DES
FOLQÜET VON ROMANS
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. RUDOLF ZENKER.
HALLE a. S.
VERLAG VON MAX NIEMEYER.
1896.
Digitized by the Internet Archive
in 2011 with funding from
University of Toronto
http://www.archive.org/details/diegedichtedesfoOOfolq
ROMANISCHE BIBLIOTHEK
HERAUSGEGEBEN
VON
DR WENDELIN FOERSTER,
PROF. DER ROMANISCHEN PHILOLOGIE A. D. UNIVERSITÄT BONN.
XII.
DIE GEDICHTE DES FOLQUET VON ROMANS.
HALLE a. S.
VERLAG VON MAX NIEMEYEE.
1896.
DIE GEDICHTE
DES
EOLQUET VON ROMANS
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. RUDOLF ZENKER.
HALLE a. S.
VERLAG VON MAX NIEMEYEB.
1896.
THE INSTITUTE OF tfEDIAEVAL STUOiES
10 ELMSLEY PLACE
TORONTO 5, CANA04|
SEP 2 4 1931
112
Seinem lieben Vater
Prof. Dr. Friedrich von Zenker
zu seinem siebzigsten Geburtstage
in herzlicher Dankbarkeit
der Verfasser.
PC
3330
Vorwort.
Folquet von Romans, dessen Werke hier zum ersten
Mal in kritischer Bearbeitung erscheinen, blühte zu Anfang
des 13. Jahrhunderts und gehört mithin noch der besten
Zeit der provenzalischen Lyrik an. Freilich nimmt er
neben den berühmten Liederdichtern jener Epoche, neben
einem Guiraut von Bornelh, Raimbaut von Vaqueiras, Peire
Vidal u. a. m. nur einen bescheidenen Rang ein. Seine
poetische Hinterlassenschaft ist von geringem Umfang, und
wenn wir auch annehmen dürfen, dass ein grosser Theil
seiner Gedichte uns verloren gegangen ist, so würde doch
eben dieser Umstand dafür sprechen, dass dieselben keine
weite Verbreitung gefunden haben, — wie ja auch von
den uns erhaltenen mehrere nur in einer einzigen Hand-
schrift überliefert sind. Trotzdem sind seine Gedichte nicht
ohne Verdienst, sie können den besseren Erzeugnissen der
provenzalischen Literatur beigerechnet werden und schienen
mir einer kritischen Ausgabe wohl werth zu sein. Dass für
eine solche nicht gerade ein dringendes Bedürfniss vorlag,
dessen bin ich mir wohl bewusst; sämmtliche Gedichte
Folquet's sind ja bereits an leicht zugänglichen Stellen ge-
druckt, auch bieten sie inhaltlich dem Verständniss keine
besonderen Schwierigkeiten, und was die Lebensumstände
— VI —
des Dichters betrifft, so war über diese etwas neues nicht
zu eruiren. Dessenungeachtet wird man die Ausgabe, denke
ich, nicht als überflüssig bezeichnen; wenn sie auch kein
anderes Verdienst hat, als dass sie den poetischen Nachlass
des Dichters feststellt, bisher Zerstreutes zu bequemer
Uebersicht vereinigt und von den Gedichten einen cor-
rekteren Text giebt, so dürfte das immerhin genügen, ihre
Existenz als gerechtfertigt erscheinen zu lassen.
Benutzt habe ich für die Lieder das gesammte hand-
schriftliche Material; hingegen war mir für die Epistel,
Nr. XIII, die Cheltenhamer Handschrift (jetzt im Besitz des
des Rev. Fitz Roy Fenwick) nicht zugänglich. Da indess
die Ueberlieferung dieses Gedichtes in den drei zu Rathe
gezogenen Handschriften eine sehr gute, nahezu identische,
ist, auch an den wenigen Stellen, an denen sie differiren,
ein Zweifel über die aufzunehmende Lesart kaum irgendwo
möglich war, so konnte die genannte Handschrift meines
Erachtens ohne Schaden unberücksichtigt bleiben,1) Die
Pariser Handschriften sowie die von Mailand und Florenz
habe ich, soweit sie noch nicht gedruckt waren, selbst
verglichen, ausgenommen allein Y zu Gr. 156, 10, welches
ich übersehen hatte und welches Herr Prof. Stürzinger so
freundlich war, nachträglich für mich zu copiren. Für die
Beschaffung des Materials aus den Handschriften zu Rom
(L) und Oxford (S) bin ich zu lebhaftem Danke verpflichtet
*) Ob vielleicht auch das mit den Worten Eu pren comiat
beginnende Gedicht, welches nach der Beschreibung von Milä y
Fontanals, Rev. d. 1. r. X, 228 in der Saragossaer Handschrift steht,
mit der Epistel identisch ist, vermag ich leider nicht zu sagen,
da Mihi darüber keine Auskunft ertheilt und ich auf eine dies-
bezügliche Anfrage bei dem Besitzer der Handschrift, Herrn
Pablo Gil y Gil, eine Antwort nicht erhalten habe.
— VII —
den Herren Alfredo Monaci, Assistent an der Vaticana und
Adolf Neubauer, Bibliothekar an der Bodleyana, desgleichen,
für Uebersendung von Collationen der beiden in der Flo-
rentiner Handschrift (c) enthaltenen Lieder, bevor ich diese
selbst einsehen konnte, Herrn Prof. Stengel zu Marburg.
Was die Reihenfolge der Gedichte betrifft, so habe
ich zunächst eine Scheidung nach Gattungen vorgenommen,
wobei ich die Sirventes-Canzonen mit den Canzonen vereinigt
habe, da sie nicht nur als solche beginnen, sondern auch
ihrem wesentlichen Inhalte nach sich als solche darstellen.
Ich habe dann bei den Liedern eine chronologische Ord-
nung angestrebt; diese ist freilich, da einige der Lieder
sich überhaupt nicht datiren lassen, bei anderen das gegen-
seitige chronologische Verhältniss nicht zu bestimmen ist,
zum Theil eine rein hypothetische, auf wenig beweiskräftigen
Indicien oder allgemeinen Erwägungen basirte; immerhin
schien mir auch eine solche im vorliegenden Falle der
nach dem Metrum oder der ganz äusserlichen nach dem
Alphabet vorzuziehen zu sein; die letztere, die alphabetische
Anordnung, habe ich nur adoptirt bei den Coblenwechseln,
welche für eine Bestimmung ihres gegenseitigen chrono-
logischen Verhältnisses keinerlei Anhaltspunkte bieten.
Hinsichtlich der Orthographie bin ich bei Gedichten,
die in mehreren Handschriften erhalten sind, überall, wo
C vorlag, diesem gefolgt. Wo das nicht der Fall war —
nur bei Nr. II und XIII — , habe ich die Handschrift an-
gemerkt, deren Schreibung ich adoptire. Doch habe ich
durchweg folgende Vereinfachungen getroffen: ich scheide
zwischen i und j, u und v, unterdrücke h im Wortanlaut,
bezeichne mouillirtes l und n mit Ih, nh, ersetze y durch
i> c = qu vor e, i durch qu, füge u nach q ein, wo es
fehlt, ersetze g durch s, ss oder #, ex durch cs1 sz durch
— VIII —
#, sc im Wortanlaut durch s, und vereinfache Doppel-
consonanz im Wortauslaut und im Inlaut nach Consonanz.
Gehandelt wurde bis jetzt über Folquet von Romans
hauptsächlich an folgenden Stellen: Hist. litt, de la France
XVIII, 621 (Emeric-David); Cavedoni, Memorie della R. Aca-
demia di scienze, lettere ed arti di Modena t. II, 282; Diez,
Leben und Werke der Troubadours2 S. 453; Zeitschrift f.
rom. Phil. IX, 133 (0. Schultz); Romania XVIII, 557 ff.
(G. Paris).
Folquefs Leben und Werke,
i.
Da wir unsere Kenntniss von Folquet's Lebensum-
ständen vornehmlich aus seinen Gedichten zu schöpfen
haben, so wird es unsere erste Aufgabe sein müssen, fest-
zustellen, was von dem in den Handschriften unter seinem
Namen Ueberlieferten ihm wirklich zugehört und was nicht.
Bartsch führt im Grundriss Nr. 156 unter Folquet von
Romans 14 Gedichte auf; von diesen sind indess zwei zu
streichen, wie schon V 'tthoeft, Sirventes Joglaresc (Ausg.
und Abh. LXXXVIII) S. 1, beziehungsweise Levy, Guilhem
Figueira S. 70 bemerkt haben:' n. 7 Luzens larcs et ar-
äitz gehört nämlich vielmehr dem Pons von Capdoill, es
ist identisch mit Gr. 375, 14 Lials amies, citi amors ten
jojos (Napolski, Pons de Capdoill S. 69), nur sind in c,
welches allein die Attribution Folquet von Romans auf-
weist, die beiden ersten Zeilen abgefallen; sodaun sind
n. 11 und 13 identisch: Tomate es en pauc de valor
ist der Anfang der II. Strophe von n. 11; Bartschens Ver-
sehen rührt daher, dass in CR die Strophenordnung ver-
tauscht, die I. Strophe zwischen die IV. und V. eingeschoben
ist und das Gedicht also mit der IL Strophe beginnt. In
M wird dasselbe übrigens dem Guilhem Figueira (en
figera) zugeschrieben; dass diese Attribution falsch ist, er-
giebt sich, wie gleichfalls schon Levy a. a. 0. S. 12 be-
merkt hat, abgesehen von der Uebereinstimmung der übrigen
Handschriften, daraus, dass das Gedicht an Otto von Car-
retto gesandt wird; denn dieser wird bei Folquet noch in drei
Gedichten, Nr. IV, V und VI (Levy sagt: in zwei, weil ihm
Zenker, Folquet von Romans. \
— 2 —
Nr. IV, damals noch unedirt, nicht bekannt war), bei Fi-
gueira hingegen nirgends erwähnt. Als nicht ganz sicher
bezeichnet nun Appel, Provenzalische Inedita S. 98, die
Autorschaft Folquet's noch für Nr. V: Jeu no mudaria;
Appel macht darauf aufmerksam, dass das Gedicht in der
einzigen Handschrift, die es überliefert, in C, dem dort
gleichfalls dem Folquet von Romans zugeschriebenen Pus
entremes nie sui de far chanso, Gr. 155, 17 (M. G. 85),
das aber vielmehr von Folquet von Marselha sei, folge,
und zwar ohne Ueberschrift und ohne Initiale, so dass nur
ein Zeichen am Rande den Beginn eines neuen Gedichtes
anzeige. Doch meint Appel, die Autorschaft des Folquet
von Romans werde einigermassen wahrscheinlich durch die
metrische Form: ein Lied mit der Reihenfolge a b a b zu
beginnen, sei bei Folquet von Romans gewöhnlicher als bei
dem andern und die Mischung von weiblichen Fünfsilbnern
und männlichen Siebensilbnern komme ganz ähnlich bei
Folquet von Romans Gr. n. 6 vor. Die Sache liegt indess wesent-
lich anders. Dass nämlich das in C vorausgehende Lied Pos
entremes me sui de far ehanso wirklich Folquet von
Marselha zum Verfasser hat, wie Appel meint, das steht
nicht nur nicht fest, sondern ist sogar in hohem Grade
unwahrscheinlich. Von den 14 Handschriften, welche das
Gedicht überliefern, nennen allerdings 8 (ADEMOTaf)
Folquet von Marselha als Verfasser und nur 4 (D a G R S)
bezeichnen als solchen Peirol, 2 (C c) Folquet von Romans.
Dass indessen im vorliegenden Falle die Minorität der
Handschriften gegenüber der Majorität im Rechte und nicht
Folquet von Marselha, sondern Peirol der Verfasser ist,
das wird in hohem Grade wahrscheinlich gemacht durch
die metrische Form des Gedichtes. Sämmtliche Lieder
Folquet's von Marselha nämlich, soweit sie die Form der
Canzone haben, 22 an der Zahl, sind abgefasst in eoblas
unisonans d. h. die gleichen Reime gehen durch sämmtliche
Strophen hindurch1) (Gr. 155, 26 Vers deus, el vostre nom
J) Die Angabe CanehVs, la Vita e le Opere del Trovatore
Arnaldo Daniello. Halle 1S83 S. 19, Folquet v. M. bediene sich
schon der rimas Singulars, ist mithin nicht zutreffend.
— 3 —
e de sancta Maria [M. W. I, 335], dessen Strophen die
Reimbindung AABBB aufweisen — ich bezeichne mit
gleichen Buchstaben Strophen, welche die gleichen Reime
haben — ist eine geistliche Alba mit 4 -zeiligem Refrän,
tritt demnach inhaltlich und formell aus der Reihe der
übrigen Lieder heraus und kann hier nicht in Betracht
kommen); das vorliegende Gedicht dagegen zeigt coblas
doblas d. h. £s sind nur je zwei Strophen durch gleiche
Reime verbunden (Str. II steht in den Handschriften, nach
denen das Gedicht bis jetzt allein gedruckt ist — ES —
offenbar an verkehrter Stelle; das Schema für die Reim-
verknüpfung der Strophen wäre nach diesen das folgende:
ABACCB; eine solche Unregelmässigkeit widerspricht
aber durchaus dem Gebrauch der Trobadors; da nun
Str. VI als am richtigen Platze stehend sich dadurch aus-
weist, dass sie das Geleit enthält, so ist Str. II zwischen
Str. V und VI einzuschieben, wodurch wir dann regel-
mässige coblas doblas erhalten). Eben diese coblas doblas
hat nun der von 4 Handschriften als Verfasser genannte
Peirol mehrfach verwandt, nämlich in Gr. 366, 4, 11, 12,
19, 26 und 27. Dazu kommt, dass genau die gleiche
Reimfolge ab b a a c c bei Peirol nicht weniger als zweimal
begegnet, nämlich in Gr. 366, 5 (Rev. d. 1. r. 1888, 570)
und 28 (M. W. II, 9), von denen das letztere, abgesehen
davon, dass es coblas unisonans hat und dass Reim b
männlich ist, metrisch identisch ist mit Pos entremes. Da-
gegen hat Folquet v. M. genau die gleiche Reimfolge in
keinem einzigen seiner Gedichte verwendet. Was den In-
halt betrifft, so liegt irgend ein Bedenken gegen Peiroi's
Autorschaft nicht vor; vielmehr erinnert die Wendung
Str. IV (der Handschriften):
Luenh m'es dels hueils, mas del cor m'es tan pres
cela per cui plane e sospire . .
an ähnliche bei Peirol sich findende Wendungen, so Gr. 366, !>
(Arch. 36, 434), Str. III:
Que fin amor juin e lia
tals que(s) pari luindas pais . .
ib. 22 (M. W. II, 23;, 1. Toni.:
Que'l res es que plus mi greya,
qite tan lueinh de mi estai.
ib. 31 (M. W. II, 18), Str. I:
Si bem sui hing et entre gen estraigna
eu mal pens er d'amor . .,
während mir bei Folquet v. M. eine derartige Aeusserung
nicht begegnet ist. Von Seiten der metrischen Form würde
nun allerdings auch der Autorschaft Folquet's von Romans,
dem zwei Handschriften das Gedicht zuschreiben, nichts im
Wege stehen, indem eines seiner Lieder, 156, 10, in coblas
dohlas abgefasst ist. Indessen würde im Hinblick auf die
Zahl der Attributionen seine Autorschaft offenbar nur dann
in Frage kommen können, wenn sich ein gewichtiger Grund
für dieselbe geltend machen Hesse; das ist aber nicht der
Fall, vielmehr scheint mir der Inhalt des Gedichtes da-
gegen zu sprechen, insofern er nach meinem Gefühl jenen
frischen entschiedenen Ton, der Folquet's Lieder aus-
zeichnet, vermissen lässt.
Somit können wir, denke ich, mit gutem Grunde das
Gedicht dem Peirol zusprechen. Dann ist also die Frage
nicht mehr die, ob das in C folgende Jen no mudaria
statt dem dort als Verfasser genannten Folquet von Ro-
mans nicht etwa dem Folquet von Marselha, sondern ob
es nicht dem Peirol zuzusprechen sei. Ich glaube nun,
da ss diese Frage zu verneinen ist, und zwar wiederum aus
einem Grunde metrischer Art. Zwar der Strophenanfang
a b a b und die Mischung von Fünf- und Siebensilbnern
finden sich bei Peirol ebensowohl als bei Folquet von Ro-
mans; dagegen begegnen wir nur bei letzterem, nämlich in
Gr. n. 6 und 8, der in der provenzalischen Lyrik seltenen
Form der coblas Singulars d. h. der von Strophe zu Strophe
wechselnden Reime, welche das Gedicht aufweist. Peirol's
sämmtliche Lieder sind abgefasst entweder in coblas uni-
sonans oder in coblas doblas oder es geht doch, wenn auch
der erste und zweite Reim von Strophe zu Strophe wechseln,
wenigstens der dritte durch sämmtliche Strophen hindurch;
eigentliche coblas Singulars kennt Peirol nicht. Bedenkt man,
dass uns von ihm nicht weniger als 25 Lieder erhalten
sind — ich rechne die Tenzonen nicht mit — , so wird
man dieser Beobachtung eine ziemliche Beweiskraft nicht ab-
streiten können und ich glaube mich denn zu der Behauptung
berechtigt, dass Jeu no mudaria aller Wahrscheinlichkeit
nach in der That von Folquet von Romans herrührt.
Es existiren nun noch eine Anzahl Lieder, für die nur
einzelne Handschriften Folquet als Verfasser nennen; von
diesen können die meisten auf Grund des Zeugnisses der
weitaus überwiegenden Mehrzahl der Handschriften ihm
ohne weiteres abgesprochen werden; es sind:
Gr. 30, 16. Arnaut von Maroill zugeschrieben in A C D E
MPSUVc, Raimundus in Q, Blacatz in f, — Folquet
von Romans nur in C reg. R;
70, 10. Bernart von Ventadorn ACDGIKMNQVa,
Guiraut von Borneill P, Arnaut von Maroill C reg. R, —
Folquet von Romans ebenfalls nur C reg. R2;
155, 2. Folquet von Marselha A Da E I K N P V f, Ar-
naut von Maroill CR2, — Folquet von Romans wiederum
nur C reg. R;
155, 13. Folquet von Marselha ADaIKNPQ, Pons
von Capdoill a, anon. 0, — - Folquet von Romans C R ;
155, 17 wurde schon oben besprochen.
332, 1. Peire von Bussignac A B C D I R, Guillem von
Bussignac C reg. «, Peire Cardenal Db T, Peire von Maen
sac H, Richard von Berbezill S — Folquet von Romans
nur M R2;
332,2. Peire von Bussignac ABCDIK, Peire von
Maensac H, Raimbaut von Vaqueiras R — Folquet von
Romans nur M;
352, 2. Peire de la Mula A C DaR, anon. L, — Fol-
quet von Romans E.
Reine Entscheidung gewährt die Zahl der Attributionen
nur bei Gr. 132, 8 Mas camjat ai de far chanso und
155, 26 Vers deus el vostre nom e de saneta Maria.
Ersteres Lied wird in C E dem Elias von Barjols — unter
dessen Lieder Bartsch es einreiht — , in C reg. dem Aimeric
von Belenoi, in a dem Peire Raimon, in R2 dem Pons de
la Garda, endlich in C reg. R dem Folquet von Romans
— 6 —
zugeschrieben. Gegen die Autorschaft Folquet's spricht
offenbar, dass, wie wir oben sahen, das Register von C und
R gemeinsam ihm noch 3 — R sogar 5 — andere Lieder
falschlich zuschreiben, ihrem Zeugniss also keinerlei Ge-
wicht beigemessen werden kann. Form und Inhalt des Gedichts
würden, soweit ich sehe, eine Handhabe für die Entscheidung
der Verfasserfrage nicht bieten. Aus dem gleichen Grunde
können wir Folquet das zweite der genannten Gedichte,
Gr. 155, 26, absprechen, indem dieses ihm gleichfalls nur
im Register von C und in R zugeschrieben wird. Es
spricht hier aber ausserdem gegen Folquet's von Romans
Autorschaft noch ein zweites Moment. Es kann nämlich
keinem Zweifel unterliegen, dass das in Rede stehende
Gedicht und Gr. 155, 19 Seigner deas, qite fezist Adam
(M. W. I, 332) von demselben Verfasser herrühren. Wer
die beiden von leidenschaftlicher religiöser Inbrunst erfüllten
Gedichte mit einander vergleicht, wird das ohne weiteres
zugeben. Nun nennt die einzige Handschrift, welche 155, 19
überliefert, R, als Verfasser den Folquet von Marselha;
da wir nun keinen Grund haben, die Richtigkeit dieser
Attribution anzuzweifeln, vielmehr der Inhalt der beiden
Gedichte vollkommen zu dem stimmt, was wir über Fol-
quet's Charakter und Lebensschicksale wissen, so müssen
wir auch 155, 26 dem Folquet von Marselha zuschreiben.
Es ist schliesslich noch eines Gedichtes Erwähnung
zu thun, welches Folquet zwar nicht direkt zugeschrieben
wird, für welches aber seine Autorschaft vermuthet worden ist.
Gr. 152, 1 und 382, 1 führt Bartsch eine in PT er-
haltene „Tenzone" — es ist vielmehr nur ein Coblenwechsel
— zwischen Folquet und Porcier auf (gedruckt nach P
Arch. 50, 282, die erste Strophe nach P unter Benutzung von
T auch Choix V, 148 und M.W. III, 105) und Schultz, Zeitsohr.
f. rom.Phil. IX, 133 spricht die Vermuthung aus, der Interlokuten'
sei vielleicht Folquet von Romans. Nun lautet allerdings die
Ueberschrift in P: Cobla de FolJcet e den Forcer del cont
de Tolosa, indessen sind in Wirklichkeit, soweit ich den arg
verdorbenen Text verstehe — den eigentlichen Sinn des-
selben vermochte ich nicht zu enträthseln — die Unter-
redner nicht Folquet und Porcier, sondern Porcier und
— 7 — '
dessen S eigner (der in der Ueberschrift genannte Graf von
Toulouse?) und wird ein Folquet darin nur in dritter
Person erwähnt. Die Ueberschrift beruht somit auf einem
Missverständniss und Folquet's Autorschaft kommt für das
Gedicht überhaupt nicht in Betracht; ob darin nun viel-
leicht von ihm die Rede ist, das interessiert uns hier
nicht und wird sich auch schwerlich entscheiden lassen.
Sind wir somit in allen diesen Fällen zu einem ne-
gativen Resultat gelangt, so liegt die Sache nun anders
bezüglich einer 254 Achtsilbner umfassenden Epistel —
wohl als der domnejaire zu bezeichnen, wenn gleich mit
domna nur beginnend, nicht auch schliessend — , als deren
Verfasser in einer der Handschriften, die sie überliefern,
Folquet von Romans genannt wird; es ist die Epistel:
Domna, eu pren comjat de vos (Gr. § 29), die in L N
anonym überliefert ist, in G dem Pods von Capdoill, in c
aber dem Folquet von Romaus zugeschrieben wird. Dass
der Brief von Pons von Capdoill herrühren sollte — wie
Bartsch im Grundriss annimmt, doch mit der Bemerkung,
dass seine Autorschaft nicht sicher sei — , das hat schon
Napolski in seiner Ausgabe dieses Dichters (Halle 1880)
S. 46 als unwahrscheinlich bezeichnet; er meint, das Ge-
dicht sei dem Pons vielleicht deshalb zugeschrieben worden,
weil darin V. 182 der Name eines von dem Dichter in
seinen Liedern mehrfach genannten Freundes, Andren, be-
gegne, während an der betreffenden Stelle doch einfach
von dem bekannten Romanhelden, „Andreu de France", die
Rede sei. In wie weit nun den von Napolski gegen die
Autorschaft des Pons angeführten Gründen Gewicht bei-
zumessen ist, das brauche ich nicht weiter zu untersuchen,
da sich positiv zeigen lässt, dass vielmehr Folquet von
Romans der Verfasser sein muss. Dieser Nachweis lässt
sich führen auf Grund von Lied II: Ma bella domna, per
vos dei esser gais, welches, wie die Epistel, gerichtet ist
an eine Dame, von der der Dichter sich — offenbar kurz
vorher, und zwar infolge ihrer Abreise, — hat trennen
müssen. Fast sämmtliche Gedanken des Liedes, Zeile für
Zeile, zum Theil — und das ist das wesentlichste — mit
den gleichen Worten, finden sich nämlich in der Epistel
8
wieder; ich stelle im Folgenden die Parallelstellen neben
einander, links die Stellen des Liedes, rechts die der
Epistel :
V. 2 cral departir nie dones un
clolz bais,
tan dolzamen, lo cor del
cors mi trais;
lo cor avez, domna, qu'eu
lo vos lais
per tal coven, qu'eu no'l
volh cobrar mais
10 Ma bella domna, a vos
me valha deus,
que mil aitanz soi melh
vostre que meus
12 ob e dient plus que serf
ni judeus
13 e de vos teng mon aloc
e mos feus
10 e morrai tot aissi com
fes n' Andreus
?1 qu'eu ai ben vist e cone-
guz en sort
qu'en breu de temps
m'auran li sospir
mort,
se eu ab vos en chambra
noin deport
26 s'enaissi mor, pechat
n/aurez e tort
30 que nulla ren non am tan
ne desir
com eu faz vos
V. 53 ... de cor soi mondes e
Mos,
bella domna, vos nüavez dos,
que vos avez lo meit e'l
vostre,
et ai ben talen que'l vos
mostre :
quan preses mon anellet
d'or,
mi traisses dinz del
cors lo cor . .
1 0 Domna , que ja no' m
valha deus,
se melhz non soi
vostre que meus
129 que vostr' oms soi e vostre
sers,
plus obediens qu'uns
convers
48 bella domna, valenz epros,
de cui teing tot quant
ai en feu
1 S 1 e scm tenez en tal balansa,
companhs serai An-
dreu de Fransa
que mori per amor s'amia
180 que, s'en breu temps
non m'ajudaz,
mort mi trobarez, so
sapchatz
37 mos vos n aurez pe-
chat e tort,
se mais non m'amaz viu
que mort
204 quar ren del mon tan
non desir
cum faz vostre bei
cors lejal
9 —
34 na f rat m'avez . . .
71 qu'eu non cre que negus
fos naz
con tan hei glavi fos n a -
vraz
com eu soi . .
Hier wie dort wird Salomo erwähnt, allerdings in ver-
schiedenem Zusammenhange:
121 e val mais merccs que
razos
en amor, so dis Sala-
mos
43 que per amor fu vencuz
Salamos
Hier wie dort vergleicht sich der Dichter mit Floris,
allerdings wiederum in verschiedener Hinsicht:
6 que melh non pres a Raol I
de Cambrais
ne a Flori, can poget
el palais,
com fez a mi . .
135 que tan vos soi ferms e
lejals
que Tristans fo vers Ysout
fals
contra mi, e vers Blancha-
flor
Floris ac cor galiador.
Derselbe Vergleich findet sich bei Folquet noch zwei
mal, nämlich Nr. III, 17:
sowie IV, 17:
anc no fo de joi tan rics
Floris, quan jac ab s'amia
E sapchatz c7anc plus coralmen
non amet Floris Blanciflor.
Dazu kommt, dass, wie ja schon aus den angeführten
Parallelstellen einigermassen zu ersehen ist, der Ton der
Darstellung in beiden Gedichten geradezu identisch ist;
wer dieselben nach einander liest, der wird den entschiedenen
Eindruck bekommen, dass Lied und Epistel von dem näm-
lichen Verfasser herrühren und der gleichen Situation ihre
Entstehung verdanken müssen. Somit glaube ich mich zu
der Behauptung berechtigt, dass die Epistel Folquet von
Romans zuzuschreiben ist.
Damit wäre denn der Bestand von Folquet's dichte-
rischem Nachlass fixirt; derselbe beläuft sich auf 13 Stücke,
nämlich:
— 10 —
5 Canzonen: Gr. n. 2, 3, 5, 8, 14, darunter drei, Gr. n. 2,
3, 14, als Sirventes-Canzonen zu bezeichnen — 14 nennt
der Dichter selbst clianso sirventes.
4 Sirventese: Gr. n. 6, 10, 11, 12; davon eines, Gr. n. 12,
ein Kreuzlied, die übrigen persönlichen, politischen, all-
gemein moralischen oder moralisch -religiösen Inhalts.
3 Coblenwechsel : Gr. n. 1, 4, 9.
1 Epistel (domnejaire): Gr. § 29.
Ich gehe nunmehr über zur Erörterung der Lebens-
schicksale unseres Dichters.
IL
Von Folquet's Lebensschicksalen haben wir nur sehr
mangelhafte Kunde. Die Quellen, welche uns dafür zu
Gebote stehen, sind die folgenden:
1. Die provenzalische Lebensnachricht.
2. Die bekannten, von Gaston Paris in der Romania
XVIII, 553 eingehend besprochenen Strophen, in denen der
nordfranzösische Ritter und Trouvere Hugo von Berze Fol-
quet zur Theilnahme am Kreuzzug auffordert.
3. Folquet's eigene Gedichte.
4. Seine Erwähnung in einigen Urkunden.
Die provenzalische Lebensnachricht fasst sich sehr
kurz und ist ganz allgemein gehalten:
Folquet von Romans, meldet sie, stammte aus Viennois,
aus einem Orte Namens Romans.1) Er war ein tüchtiger
Joglar, verstand es gut, sich an den Höfen zu bewegen2)
und war von sehr munterem Wesen3); und er war wohl
angesehen in der guten Gesellschaft. Er dichtete Sirven-
tese nach Spielmannsart, in denen er die Edlen lobte und
die Schlechten tadelte (sirventes joglarescs de lanzar los
x) Arrond. Valence, an der Isere, nicht weit von ihrem Ein-
fluss in die Rhone.
2) So dürfte das prezentiers en cort wohl am zutreffendsten
zu übersetzen sein.
?j) Es ist schwer, für das provenzalische de gran solatz einen
adäquaten Ausdruck zu finden; „ein guter Gesellschafter" würde
dem Sinne vielleicht noch am nächsten kommen.
— 11 —
pros e de hlasmar Jos inalvatß), und er dichtete treffliche
Coblen.
Irgend welche nähere Angaben über Folquet's Lebens-
schicksale erhalten wir hier also nicht; welche Art von
Sirventesen der Biograph mit den „Sirventesen nach Spiel-
mannsart" meint, wird weiter unten besprochen werden.
Bessere Auskunft als die Lebensnachricht erth eilen
uns die unter n. 2 und 3 namhaft gemachten Quellen. Die
Strophen Hugo's von Berze bieten uns zunächst eine Hand-
habe, um die Geburtszeit des Dichters annähernd zu be-
stimmen. Da dieselben auch in anderer Beziehung für
Folquet von Interesse sind, so theile ich sie hier nach der
von G. Paris a. a. 0. gegebenen kritischen Restitution voll-
ständig mit. Sie lauten mit der nur in H erhaltenen
Ueberschrift folgendermassen :
N'Ugo de Berste mandet aquestas coblas a Folquet de Rotmans
per im joglar q'avia nom Bernart d' Ar gentau per predicar lui
que vengues con lui outra mar.
Bernarz, di moi Fouquet qu'on tient a sage
que n'emploit pas tot son sen en folie,
que nos avons grant part de nostre eage
entre nos deus usei en lecherie;
et avons bien dou siegle tant apris 5
que bien savons que chascun jor vaut pis;
por quoi feroit bon esmendeir sa vie,
car a la fin est fors de juglerie.
Dieus! quel dolor, quel perte et quel damage
oVome qui vaut quant il ne se chastie! 10
Mais tel i a, quant voit son bei estage
et sa maison bien pleine et bien garnie,
qui ne cuide soit autre paradis.
Ne le penseiz, Fouquez, beaus douz amis,
mais faites nos outre meir compaignie, 15
que tot ce faut, mais Dieus ne faudra mie.
Bemarz, encor me feras un message
au bon marquis cui aim sanz tricherie,
que je li pri qu'il aut en cest voiage,
que Monferraz le doit d'anc eiser ie\ 20
que autre foiz fast perduz li pais,
ne fust Conraz, qui tant en ot de pris
qu'il n'iert ja mais nul teirips que Von ne die
que par lui fu recovreie Surie.
— 12 —
Bernarz, di moi mon seignor au marquis
que de part moi te dont ce que m'as quis,
que fai la crois qui me defent et prie
que ne mete mon avoir en folie.
Wie G. Paris a. a. 0. überzeugend darthut, stammt das
Gedicht aus dem J. 1201; der in Str. III genannte Mark-
graf von Monf errat ist Bonifaz I. (1182 — 1207), der Kreuz-
zug, an dem Theil zu nehmen er wie Folquet aufgefordert
wird, ist der vierte; ein zweites, nur in der einen der beiden
Handschriften überliefertes Geleit, dessen Inhalt zu dieser
Annahme nicht stimmen würde, muss als späterer Zusatz
betrachtet werden, beigefügt in der Absicht, das Gedicht
zu modernisiren, es den Verhältnissen des Jahres 1223
anzupassen. Verfasser ist von den beiden Hugos von
Berze — Berze-le-Chätel bei Mäcon — , welche nach Ville-
hardouin am 4. Kreuzzug Theil nahmen, der jüngere,
Hugo von Berze der Sohn, von dem uns ausserdem noch
fünf lyrische Gedichte1) und ein unter dem Namen der
„Bible au seignor de Berze" bekanntes moralisch -didak-
tisches Gedicht erhalten sind. 0. Schultz, Zeitschrift IX, 133
hatte gegen die Beziehung des Gedichtes auf den 4. Kreuz-
zug Bedenken geäussert, und die Vermutung ausgesprochen,
es möchte vielmehr in das Jahr 1215 oder etwas später
zu setzen sein, indessen ist auch er jetzt ib. XVI, 506 der
Ansicht G. Paris' beigetreten.
Es sind in diesen Strophen nun vor allem V. 3 — 7,
welche für die Bestimmung von Folquet' s Geburtszeit in
Betracht kommen. Hugo erklärt hier, er und Folquet
hätten „einen grossen Teil ihres Lebens der Welt-
lust (lecherie) gehuldigt; sie hätten vom Weltleben nun
genug kennen gelernt, um zu wissen, dass es den einen
Tag weniger tauge als den andern, darum thäten sie gut
daran, jetzt ihr Leben zu verbessern". Aus dieser Aeusse-
rung geht offenbar hervor, dass beide damals, also im Jahre
1201, über die erste Jugend bereits hinaus waren, wir
*) Hgg. von C. Engelcke, Die Lieder des Hugues de Bregi.
Rostocker Dissertation. 1885.
2) Hgg. bei Barbazan et Meon, Fabliaux et contes, t. II,
394 — 420.
— 13 —
dürfen annehmen, dass sie mindestens Ende der zwanziger
oder Anfang der dreissiger Jahre standen. Zu dem gleichen
Schlüsse scheinen mir, was speciell Folquet betrifft, Vers
11 — 14 zu nötigen. Denn wenn Hugo hier erklärt, es
gäbe manchen, dem sein bei estage und seine maison bien
pleine et bien garnie wie ein zweites Paradies erscheine,
Folquet möge nicht so denken, so liegt darin doch wohl
implicite, dass Folquet selbst im Besitz eines solchen „wohl
gefüllten, wohl ausgestatteten Heims" sich befand. Dass
aber ein von Haus aus doch in der Regel mittelloser, auf
die Gaben der Grossen angewiesener Joglar, wie Folquet
es war, zu Vermögen und Wohlstand gelangt sein sollte,
ohne schon während einer längeren Reihe von Jahren
seinem Berufe obgelegen zu haben, das ist gewiss nicht
eben wahrscheinlich.
Haben wir somit für Folquet's Geburtszeit eine un-
gefähre Grenze nach unten gewonnen, so erhalten wir
nun eine solche nach oben, wenn wir die Thatsache in
Rechnung ziehen, dass zwei seiner Liebeslieder, Nr. IV und V,
erst nach dem Jahre 1220, innerhalb der Jahre 1220 und
1228, entstanden sein können, indem in beiden Friedrich IL
bereits als Kaiser bezeichnet wird. Sind die soeben aus
Hugo's Strophen gezogenen Schlussfolgerungen zutreffend,
so muss Folquet zu dieser Zeit mindestens bereits ca. 50
Jahre alt gewesen sein. Das ist ja nun gewiss recht wohl
denkbar, aber andrerseits ist es doch, besonders wenn wir
den jugendlich frischen, munteren Ton dieser Lieder be-
rücksichtigen, gewiss wenig wahrscheinlich — wenn auch
nicht geradezu ausgeschlossen — , dass er schon wesentlich
älter gewesen sein sollte. Wir dürfen demnach annehmen.,
dass er, als er die in Rede stehenden Lieder verfasste, im
Alter von 50 — 60 Jahren stand, — womit denn also die Zeit
seiner Geburt annähernd fixirt wäre: dieselbe ist aller Wahr-
scheinlichkeit nach gegen 1170 anzusetzen. Es stimmt zu
diesem Resultate, wenn nach G. Paris die Gebuit Hugo's
von Berze in die gleiche Zeit fällt; denn es ist doch wohl
anzunehmen, dass die beiden Freunde ungefähr gleichaltrig
gewesen sind.
Was nun Folquet's Schicksale betrifft, so erfahren wir,
— 14 —
wie soeben bemerkt, zunächst aus Hugo's Strophen, dass
er in jungen Jahren mit diesem seinem ritterlichen Gönner
zusammen ein lustiges Leben geführt und die Freuden der
Welt gründlich genossen hatte. Dass sein Sinn einst auf
die Welt und ihre Lust gerichtet gewesen sei, gesteht Hugo
auch in seiner Bible ein, und was er hier von sich sagt,
das gilt gewiss ebensowohl von Folquet. Die Welt (li siecles),
erklärt Hugo, habe einst solchen Wohlgeschmack für ihn
gehabt, dass seine Gedanken Tag und Nacht auf nichts
anderes gerichtet gewesen seien; er habe sie mehr geliebt
als irgend einer. Auch welcher Art die Freuden waren,
die sie ihm — und mit ihm also Folquet — bot, erfahren
wir hier: er hat seine Lust gehabt „am Lachen und Singen,
am Turnieren und Umherziehen, am Abhalten und Be-
suchen von Höfen" :
V. 93 : Solaz de rire e de chanter,
et de tornoier e d'errer
et de corz mander et tenir . .,
auch hat er der Minne seinen Tribut gezahlt:
V. 739: D'un pechie c'on apele amor
me prent sovent molt yrant paor . .
G. Paris setzt in diese Zeit, also in's letzte Jahrzehnt
des 12. Jahrhunderts, die uns erhaltenen 5 Lieder Hugo's;
dass auch Folquet damals schon dichterisch thätig war, ist
wohl nicht zu bezweifeln, doch lässt es sich nicht ent-
scheiden, ob von seinen uns erhaltenen Gedichten eines so
weit heraufgerückt werden darf — wahrscheinlich ist es
nicht; denn diejenigen seiner Gedichte, welche überhaupt
eine Datirung zulassen, stammen alle aus einer wesentlich
spätem Zeit.
Die joie du siede hatte nun aber auf die Dauer Hugo
nicht zu befriedigen vermocht; er hatte sich, wie er das in
den oben citierten Strophen und mit grösserer Ausführlich-
keit in der Bible ausspiicht, von der Nichtigkeit und Ver-
gänglichkeit aller irdischen Lust überzeugt; er hatte Ein-
kehr in sich gehalten und beschlossen, „sein Leben zu
verbessern" — , ohne darum doch zum Kopfhänger zu
werden, denn, meint er in seiner Bible V. 127 ff., „auch
— 15 —
missmutig, traurig und griesgrämig kann man wol das
Paradies verlieren und mit einem Herzen voll Freude und
Heiterkeit, wenn man sich nur vor anderweitigen Ver-
fehlungen hütet, kann man es recht wohl gewinnen". Den
Anstoss zu seiner Sinnesänderung scheint Hugo eben die
im Jahre 1201 sich eröffnende Gelegenheit zur Theilnahme
an einem Zuge nach dem heiligen Lande gegeben zu haben;
jedenfalls nahm er — wie oben bemerkt, gemeinsam mit
seinem Vater — das Kreuz. Zu dem gleichen Schritte
suchte er nun in den citirten Strophen seinen Freund
Folquet zu bewegen, aber seine Mahnungen blieben offenbar
ohne Erfolg. Dass Folquet an der Kreuzfahrt nicht Theil
genommen hat, ergiebt sich aus dem Umstände, dass er in
einem seiner späteren Lieder, Nr. III, den Weggang des
Markgrafen Bonifaz von Monferrat nach dem Orient be-
dauert und klagt, mit ihm sei auch die Freigebigkeit von
dannen gezogen, und dass er ebensowenig dem weltlichen
Leben, der folie, in der er nach Hugo's Aussage damals
ganz befangen war, entsagte, das können wir daraus ent-
nehmen, dass von seinen Liebesliedern eines erst nach 1212,
zwei, wie schon bemerkt, erst nach 1220 entstanden sind.
Folquet muss sich, wie gleichfalls schon erwähnt
wurde, zu jener Zeit in sehr angenehmen äusseren Ver-
hältnissen befunden haben, es scheint, dass er ein „wohl
versehenes, wohl eingerichtetes Haus" sein eigen nannte,
in dem er sich, mit Hugo zu reden, „wie in einem zweiten
Paradiese" fühlen konnte. Somit führte er damals nicht
das unstäte Leben eines von Ort zu Ort wandernden Jo-
giars, sondern hatte irgendwo dauernden Aufenthalt ge-
nommen. Da Hugo nun in der III. Strophe seines Ge-
dichts sich an den Markgrafen Bonifaz von Monferrat wendet
und, wie wir eben sahen, Folquet dessen Wegzug beklagt,
so dürfen wir annehmen, dass er an dem Hofe eben dieses
bekannten Gönners der Trobadors verweilte und dass Bonifaz
Freigebigkeit vor allem es gewesen war, welche ihn in den
Stand gesetzt hatte, sich ein eigenes Heim zu begründen.
Falls in dem bei Raimbaut von Vaqueiras Gr. 392, 25
(M. G. 1078) Str. III genannten en Folquet c'a cortezia
lay pari Alexandria unser Folquet — wie ich im Hin-
— 16 —
blick auf die in der Biographie von ihm gegebene Cha-
rakteristik (vgl. S. 10) allerdings glauben möchte — und
nicht Folquet von Marselha zu verstehen ist, so würde
diese Stelle der soeben ausgesprochenen Annahme zur Be-
stätigung dienen können, indem aus ihr hervorgehen würde,
dass Folquet sich vielleicht schon 1195 — in dieses Jahr
setzt Schultz, Briefe des Raimbaut von Vaqueiras S. 120
vermuthungsweise das in Rede stehende Lied — , in jedem
Falle aber vor 1202 zu Monferrat aufgehalten hat. Sicher-
lich hat er dann daselbst die persönliche Bekanntschaft
des Raimbaut von Vaqueiras und des Peire Vidal gemacht,
welche beide im Jahre 1202 am Hofe des Bonifaz ver-
weilten (Raimbaut wahrscheinlich schon seit 1196, vergl.
Schultz a. a. 0.; P. Vidal ed. Bartsch S. LVII).
Ob und wie lange Folquet in Monferrat geblieben,
nachdem Bonifaz die Kreuzfahrt angetreten hatte, das wissen
wir nicht. In dem ältesten seiner Lieder, welches eine
Datirung zulässt, in Nr. III (Gr. n. 1 4), finden wir ihn wieder
am Hofe seines — Bonifaz' — Sohnes, des Markgrafen Wil-
helm IV. von Monferrat (1191 — 1225), jedoch nur vorüber-
gehend. Das Lied muss nämlich, da Friedrich IL darin V. 34 als
„König" bezeichnet wird, entstanden sein nach dem 9. Dez.
1212, an dem Friedrich zu Mainz als römischer König ge-
krönt wurde, und vor dem 22. Nov. 1220, an dem er zu
Rom die Kaiserkrone empfing. Dass Folquet damals nur
vorübergehend am Hofe von Monferrat verweilte und seinen
dauernden Aufenthalt vielmehr in seiner Heimat, in Viennois,
hatte, das geht hervor aus Str. I. Das Lied, eine Sirventes-
Canzone, ist nämlich gerichtet an eine Dame ^u Viennois,
deren Gunst gewonnen zu haben der Dichter sich rühmt:
Seit er Viennois verlassen, denkt er an nichts anderes als
an ihre vollendete Schönheit. Stets erinnert er sich des
Tages, wo sie zu ihm sagte: Schöner süsser Freund, gehe
schnell und säume nicht, wenn du nicht willst, dass ich
sterbe. Ihr Herren, fragt er, bin ich nicht glücklich, dass
die schönste, die ich weiss, mir gesagt hat, was ich Euch
eben sagte? (1 — 12). Durch treuen Dienst hat er ihre
Neigung gewonnen; wohl haben Verläumder sich bemüht,
ihm zu schaden, aber es ist ihnen nicht gelungen (19 ■- 27).
— 17 —
In den folgenden beiden Sirventesstrophen rühmt er den
Markgrafen Wilhelm, „seinen Herrn", als klug, höfisch
und leutselig, und erklärt, es werde ihm leid thun, wenn
er sich von ihm werde trennen müssen; doch tadelt ei-
sernen Geiz: König Friedrich, meint er, habe mit Recht
gesagt, man würde eines Pickels bedürfen, wenn man Geld
aus ihm ziehen wolle (28 — 36). Und doch habe kein Lom-
barde je so viel um des Ruhmes willen ausgegeben, wie
sein Vater (Bonifaz); als dieser nach Romanien gegangen
sei, da sei auch die Freigebigkeit mit ihm von dannen ge-
zogen, dadurch seien sie, die Hofleute, in grosse Not ge-
kommen, so viele von ihnen wanderten nun arm und bettelnd
in der Lombardei umher (37 — 45).
Aus dem Anfang dieses Liedes geht also in unzweideutiger
Weise hervor, dass Folquet damals Viennois erst kurz vorher
verlassen hatte und dass er beabsichtigte, baldigst dahin zu-
rückzukehren. Aus seiner Klage über Bonifaz' Wegzug lässt
sich überdies entnehmen, dass in seinen äusseren Verhältnissen
seit dem J. 1201 sich ein Wandel vollzogen hatte; augenschein-
lich war er jetzt nicht mehr der aller Sorgen um die Existenz
überhobene Mann, als welcher er in Hugo's Strophen er-
scheint, sondern war genötigt, als fahrender Spielmann sich
seinen Unterhalt zu verdienen. Ueber den Zweck seines
Besuches am Hofe von Monferrat erhalten wir keinerlei
Auskunft. Ebensowenig erfahren wir etwas näheres über
die Persönlichkeit der Dame, welche in dem Liede gefeiert
wird; ich halte es nun nicht für unwahrscheinlich, dass es
dieselbe ist, an welche Nr. II (Gr. 8) und die, wie S. 7 ff.
gezeigt, mit diesem Liede eng zusammengehörige Epistel
gerichtet sind: hier wie dort hören wir, dass die Neigung
des Dichters von Seiten der Dame erwidert werde und die
eben citierte Stelle V. 7 — 9, in der die Dame redend ein-
geführt wird, erinnert lebhaft an eine ähnliche Stelle in
der Epistel V. 172 — 175. Lied wie Epistel enthalten eine
leidenschaftliche, an die Adresse einer hochstehenden, nicht
genannten Dame gerichtete Liebeswerbung. Die Dame hat
dem Dichter — so erfahren wir in dem Liede — , als sie
von ihm Abschied nahm, einen Kuss gegeben; durch diese
Gunst fühlt er sich hochbeglückt. „Meine schöne Herrin",
Zenker, Folquet von Romans. 2
— 18 —
beginnt er, „um Euretwillen muss ich fröhlich sein, denn
beim Abschied gabt Ihr mir einen süssen Kuss, so süss,
dass er das Herz mir aus dem Leibe zog; das Herz habt
Ihr, Herrin, ich lasse es Euch, mit der Bedingung, dass
ich es nie zurückhaben will; denn besser erging es nicht
Raoul von Cambrai noch Floris, als er zum Palaste empor-
stieg, als es mir erging, weil ich treu bin und wahr, meine
schöne Herrin" (1 — 9). Er ist der ihrige mit Leib und Seele,
jegliche Mühe, die sie ihm auferlegt, wird ihm angenehm
und leicht sein; wird sie nicht die seine, so muss die Sehn-
sucht ihn töten, sie allein kann ihn retten (10 — 27). Aber
sie möge ihn nicht sterben lassen, er liebt sie ja tausend
mal mehr als er sagen kann; sie selbst wird den Schaden
haben, wenn sie seine Bitten nicht erhört ; je mehr er sie
sieht, um so schöner erscheint sie ihm (28 — 36). Sie ist
so reich an Anmut, dass Jeder, der sie erblickt, sich in
sie verliebt; durch die Liebe wurde Salomo besiegt, so ist
auch ihm geschehen (37 — 45). Den gleichen Gedanken,
in breiterer Ausführung, enthält die Epistel. Der Dichter
ist tief betrübt über die Abreise seiner Freundin, die er
mehr liebt als alles auf der Welt; sie hat sein Herz ge-
fangen genommen, so dass er keinen anderen Gedanken
hat als den, ihr zu dienen. Im Traum weilt sein Geist
bei ihr, wie glücklich ist er dann! Wenn er erwacht,
möchte er sich die Augen ausreissen, dass sie ihn dieses
Glücks berauben. Sein Schicksal, Leben oder Tod, liegt
in ihrer Hand; unrecht würde sie handeln, wenn sie seinen
Tod wollte (1 — 38). Er weiss wohl, dass er sich einer
grossen Kühnheit schuldig macht, wenn er um ihre Gunst
wirbt; aber handelt der nicht thöricht, der seine Leiden
dem Arzte nicht klagt, der ihm helfen kann? Darum will
er ihr sein Leid klagen: er hat ja kein Herz mehr, sie
hat der Herzen zwei, das seine und das ihre; als sie seinen
Goldring annahm und ihm dafür ihre Börse gab, da hat
sie ihm das Herz aus dem Leibe gezogen und ihn zu ihrem
Gefangenen gemacht; schweres Unrecht würde sie begehen,
wollte sie ihren Gefangenen tödten — und doch, es wäre
der schönste Tod, der je einem Menschen geworden, wenn
er um ihretwillen stürbe (39 — 73). Im Leben und im Tod
— 19 —
ist er der ihre, denn ihre Schönheit hat nicht ihres Gleichen
unter der Sonne; wenn er ihr Antlitz, das weisser ist als
Schnee auf Eis, ihren rothen Mund, ihre schönen lachenden
Augen, ihre weisse Stirn und ihre feinen blonden Haare
betrachtet, die heller leuchten als lauteres Gold, dann glaubt
er im Paradiese zu sein und feiert in seinem Herzen ein
Freudenfest. Freilich, wenn er erwägt, wie gering er ist
und wie hoch sie über ihm steht, dann muss er wohl in
Sorgen leben. Aber ihre vornehme Geburt und ihr Reich-
thum darf ihm nicht schaden, denn in der Liebe gilt ja
hoch und niedrig gleich (74 — 120). So möge sie ihm denn
Gnade beweisen, da er sie mehr liebt als alles. Wenn er
Jemanden trifft aus dem Lande, wo sie weilt, dann fragt
er ihn aus und bringt ihn auf sie zu sprechen; und dann
vermag er sich vor Erregung nicht auf den Füssen zu
halten, sondern stürzt zu Boden, so dass er oft deswegen
Scham empfindet. Wenn sie doch nur ein wenig von seiner
Pein fühlte (121 — 162). Unter Lachen und Scherzen hat
sie ihm eine Falle gestellt und er hat dieselbe nicht be-
merkt, bis er gefangen war. Sie hat ihm einmal den Arm
um den Hals gelegt und ihm gesagt, er sei der erste, in
den sie je verliebt gewesen sei, und solle der letzte sein ;
ja, wenn sie ihm das nur beweisen wollte! Wenn sie ihn
so in der Schwebe lasse, dann würde es ihm ergehen wie
Andren von Frankreich, der aus Liebe starb. Aber in der
heiligen Schrift steht geschrieben, dass eine Dame, die
wissentlich ihren Freund tötet, Gott nicht sehen soll!
Darum möge sie Mitleid mit ihm haben (163 — 207). Er
vermag ja Gott um nichts anderes zu bitten, als dass er
sie ihm freundlich stimme. Wenn er die Kirche betreten
hat, wo andere Sünder Gott um Verzeihung anflehen für
ihre Sünden, dann betet er zu ihr, und wenn er denkt, das
Vaterunser zu sprechen, dann kommen die Worte über
seine Lippen: Herrin, ich bin ganz der eure! So hat sie
ihn bethört, dass er Gott und sich selbst vergisst. Aber
wenn sie ihn erhören wollte, dann würde all sein Leid in
eitel Freude verkehrt werden; denn so gross ist die Macht
der Liebe, dass eine Freude, die sie giebt, tausend Leiden
vergessen macht, und nur den wird sie beglücken, der zu
2*
— 20 —
dulden versteht. Das muss er besser wissen als alle andern,
denn ihm haben in der Stunde seiner Geburt drei Sehicksals-
schwestern bestimmt, dass er alle Zeit verliebt sein solle;
er ist gemacht, um den Frauen zu dienen. „Meiner Herrin
ergebe ich mich, meiner Herrin gehöre ich, denn ich bin
geboren, um ihren Willen zu thun, und es helfe mir Gott
und Gnade zu ihrer Liebe und mein treuer Sinn"
(208 — 254).
Ich halte es, wie gesagt, nicht für unwahrscheinlich,
dass diese Epistel sowie Nr. II an die nämliche Adresse
gerichtet sind wie Nr. III, in welchem Falle sie, da der
Dichter in ihnen uoch als Werbender erscheint, einige Zeit
vor III, also innerhalb der Jahre 1212 — oder etwas
früher — und 1220 verfasst sein müssten; freilich liegt
ein einigermassen zwingender Grund für jene Annahme in
keiner Weise vor. Vollends nur als möglich möchte ich
es bezeichnen, dass auch Nr. I (Gr. 5) und Nr. IV (Gr. 3)
dem gleichen Verhältniss ihre Entstehung verdanken könnten.
Nr. I, für dessen Datirung keinerlei Anhaltspunkte vor-
handen sind, ist gerichtet an eine Gräfin, der der Dichter
aus der Ferne seinen Gruss sendet. Aus Freude über die
Geliebte will er ein neues Lied singen; alle seine Gedanken
sind bei ihr, darum ist er froh und heiter (1 — 8). Un-
längst hat sie ihn durch ihren Stolz gequält; aber nun hat
er reichen Trost gefunden, darum hat er Grund zu lachen
und zu singen und zu frohlocken (9 — 16). Kummer und
Sorge verscheucht sie ihm durch ihre Freundlichkeit;
schlafend wandet er sich nach ihrem Lande — wie wohl
thut es ihm, wenn er den Wind spürt, der von dorther
weht (17 — 32). Er hat seinen Sinn hoch gerichtet; wer
ihm früher gesagt hätte, dass solches Gut ihm zu Theil
werden könnte, den hätte er für einen Thoren gehalten.
Nun möge das Lied zu ihr wandern — wie gern würde
er selbst es begleiten und die Freundin aufsuchen (33 — 48).
Nr. IV, eine Sirventescanzone, ist nach dem 22. Nov.
1220 entstanden, da unter dem Kaiser, an den der Dichter
sie sendet, natürlich Kaiser Friedrich zu verstehen ist. Das
Lied, das nur vier Strophen umfasst, singt das Lob einer
Dame, von der der Dichter bemerkt, dass sie ihm wohl
— 21 —
geneigt sei. Die Toniada enthält einen Preis des Grafen
Otto von Caretto (in Oberitalien, nicht weit vom Meerbusen
von Genua), eines Anhängers des Kaisers, der nach Schultz,
Zeitschr. VII, 195 — wo näheres über ihn — in den Jahren
1179 — -1231 nachzuweisen ist; da Folquet seiner auch in
drei anderen Liedern, in Nr. IV, V und VI mit dem höchsten
Lobe gedenkt, so dürfen wir annehmen, dass Otto einer
von seinen Hauptgönnern gewesen ist.
Wer nun die Dame zu Viennois war, an die Nr. III und
also möglicherweise auch Nr. II, XIII, I und IV gerichtet
sind, darüber lässt sich, bei dem Mangel jeglicher festen
Anhaltspunkte, nicht einmal eine Vermutung aufstellen.
An Beatrix, die Tochter des Markgrafen Wilhelm von
Monferrat selbst, welche der Dauphin Andreas von Viennois
nach der im J. 1210 erfolgten Verstossung seiner zweiten
Gemahlin im J. 1220 heiratete — vgl. über sie Schultz,
Briefe des Raimbaut von Vaqueiras S. 121 — kann doch
schwerlich gedacht werden. Dagegen wäre es allerdings
wohl möglich, dass Folquet's Aufenthalt in Viennois und
seine von dort nach Monferrat unternommene Reise mit
der Uebersiedelung der Beatrix im Zusammenhang stünde.
Ende des J. 1220 oder Anfang des J. 1221 muss Fol-
quet wieder in Italien gewesen sein, und zwar muss er
entweder direkt Friedrich's Kaiserkrönung am 22. Nov. 1220
zu Rom beigewohnt oder doch bald nachher sich an seinem
Hofe aufgehalten haben. Es ergiebt sich dies aus der
V. Strophe von Nr. VI (Gr. 6), einem Sirventes, welches,
wie die gleiche Strophe beweist, bald nach der Kaiser-
krönung, jedoch, V. 26 zu Folge, nicht mehr an Friedrichs
Hofe, entstanden ist. Das Gedicht gehört, wie unten ge-
zeigt werden wird, zu den sirventes joglarescs de lauzar
los pros e de blasmar los malvatz, welche Folquet nach
Angabe der Biographie verfasste; es hat zum wesentlichen
Inhalt einen Appell an die Freigebigkeit des Kaisers. Der
Dichter will sagen, wo pretz zu finden sei: pretz verweilt
bei den „Höfischen" und verlangt als Nahrung Freude und
Trefflichkeit (valor); pretz hat der, der unterrichtet, frei-
gebig, edelgesinnt (franc), leutselig (iimil), wohlwollend
(plazeri) und gemeiner Denkungsart abhold (ses avoleza)
— 22 —
ist; aber leider besitzen nicht drei unter 100 Baronen diese
Eigenschaften (1 — 18). Möchte doch von des Dichters
Freunden nie einer reich werden! denn sein Herr Friedrich,
der jetzt über alle herrscht, war ehedem freigebig, seitdem
er aber reich geworden ist, hält er Land und Habe an
sich: so erzählt jeder, der von seinem Hofe kommt (19 — 27).
Aber er möge des Sprichwortes eingedenk sein: Wer alles
behalten will, verliert alles, und möge sich wohl hüten,
dass das Rad sich nicht drehe, denn darüber würden alle
seine Feinde frohlocken (28 — 36). Der Dichter dankt
Gott, dass er Friedrich die Kaiserkrone verliehen hat, jeder-
mann urteilt, dass sie ihm Glück bringen müsse und mit
Recht, denn er selbst ist Zeuge gewesen, mit welcher Liebe
ihm der Markgraf von Este und der Graf von Verona be-
gegnet sind (37 — 45). So möge er denn seinen Freund —
Folquet — wert halten und ihn alle Zeit reichlich be-
denken; er hat ja mehr als irgend ein anderer die Macht,
gutes zu thun; er möge es dem Dichter nicht verübeln,
wenn er ihm offen seine Meinung sage; nur herzliche Liebe
sei es, was ihn dazu bewege (46 — 59). — Aus diesem Ge-
dichte geht also auch hervor, dass Folquet ehemals von
Friedrich Wohlthaten empfangen hatte, er wird sich mit-
hin wohl zeitweilig an seinem Hofe aufgehalten haben.
Dass er es wagen durfte, demselben mit solcher Offenheit
seine Meinung zu sagen, lässt darauf schliessen, dass er
sich in seiner Gunst sehr sicher gefühlt haben muss.
Gleichfalls nach der Kaiserkrönung, aber vor dem
28. Juni 1228, als dem Tage, an dem Friedrich die
Ueberfahrt nach Palästina antrat, müssen verfasst sein
Nr. V, VII und X, da in ihnen allen von dem bevorstehenden
Kreuzzug des Kaisers die Rede ist. 0. Schultz, Zeit-
schr. VII, 196 setzt diese Gedichte kurz vor 1228 an und
speciell Nr. X, ib. IX, 133, um 1227, „als Friedrich die Vor-
bereitungen zum Kreuzzug traf". Indessen, da Friedrich
das 1212 abgelegte Kreuzzugsgelübde 1220 bei seiner Kaiser-
krönung erneuert hatte und die Vorbereitungen zum Kreuzzug
seitdem nie ganz ruhten, da andrerseits in den in Rede
stehenden Gedichten von dem Kreuzzuge nicht gerade als
einem unmittelbar bevorstehenden die Rede ist, sondern
— 23 —
in V und VII Friedrich nur aufgefordert wird, denselben
anzutreten, in X aber nur der Fall gesetzt wird, dass er
ihn antrete, — so liegt, denke ich, kein Grund vor, die
Gedichte in engere Grenzen als die oben angegebenen ein-
zuschliessen.
Maus, Peire Cardenai's Strophenbau S. 52, behauptet,
Nr. VII müsse zwischen dem Juni 1227 (soll offenbar heissen
September, s. das folgende) und dem 28. Juli 1228 ent-
standen sein, indem er unter der „ersten Ueberfahrt"
(primier passatge), an der nicht Theil genommen zu haben
Folquet V. 18 bedauert, die Ueberfahrt des Herzogs Hein-
rich von Limburg verstanden wissen will, den Friedrich,
bevor er selbst am letztgenannten Datum den Kreuzzug
antrat, schon im September 1227 mit einer starken Flotte
vorausgeschickt hatte. Aber Maus sagt seltsamer Weise
nicht, av eichen Grund er hat, das primier passatge gerade
auf diese Expedition zu beziehen und die von Levy, Guilhem
Figueira S. 104 darin vermuthete Bezugnahme auf den 3.
oder 4. Kreuzzug — nur der letztere kann in Betracht
kommen — zu verwerfen. Mir scheint die Auffassung
Levy's mindestens ebensowohl zulässig zu sein: wie wir
sahen, war Folquet ja ausdrücklich aufgefordert worden,
am 4. Kreuzzug Theil zu nehmen; ich sehe deshalb keinen
Anlass, von der gegebenen Datierung abzugehen.
Das erste der drei genannten, also zwischen 1220 und
1228 verfassten Gedichte, Nr. V (Gr. 2), ist wieder eine Sir-
ventescanzone. Obgleich er weder Vogelgesang vernimmt
noch Blüten sprossen sieht, — beginnt der Dichter — will
er doch nicht aufhören zu singen, denn sein ganzes Herz
ist voller Freude; das dankt er seiner Geliebten, seitdem
sie sein Herz gewonnen hat, ist Freude bei ihm Tag und
Nacht (1 — 11). Ihre Liebe hat ihn süss verwundet, lachend
und spielend ist sie ihm ins Herz gedrungen, ganz ist er
der ihre — wäre doch auch sie die seine (18 — 22)! Nie
liebte ein Mensch so herzlich und wartete so geduldig auf
seinen Lohn (29 — 32). Er ist schon eifersüchtig, wenn
Einer nur mit ihr spricht; schliesslich wird die Sehnsucht
ihn noch tödten (36-37; 44). Die nun folgenden Sir-
ventesstrophen enthalten eine Aufforderung an den Kaiser,
— 24 —
das Land, „wo Gott geboren wurde", und das heilige Grab
zurückzuerobern, allzu lange schon hätten Sarazenen und
Mauren es in ihrer Gewalt. Daran schliesst sich ein offenbar
wieder an Friedrichs Adresse gerichteter Tadel des Geizes:
„Ein reicher Mann, der niedrigen Sinn hegt, thut wohl an
dem Tage, an dem er stirbt, und es frohlocken über seinen
Tod Kinder und Verwandte, denn lachend theilen sie die
Schätze, die er angehäuft hat" (45 — 62).
Wer die Dame ist, der Folquet in diesem Liede hul-
digt, das wissen wir nicht; nur soviel lässt sich sagen, dass
sie nicht identisch sein kann mit der in Nr. III besungenen,
indem der Dichter sich dort rühmt, die Gunst der Dame
schon zu besitzen, während er in dem vorliegenden Liede
noch um dieselbe wirbt.
Nr. VII, ein Sirventes, ist in Frankreich, und zwar
höchst wahrscheinlich in Viennois, entstanden, da der Dichter
es über den Mont Cenis an Otto von Caretto sendet. Der
Ton des Liedes ist von dem der bisher besprochenen sehr
verschieden: bittere Klagen über das Elend der Zeit und
den Niedergang höfischer Sitten machen seinen Inhalt aus.
Der Dichter möchte sterben vor Schmerz, wenn er in seinem
Herzen bedenkt, wie höfisches Wesen (cortezid) und fröh-
liche Geselligkeit (solatz) im Verfall begriffen sind; wer
sich mit Frauendienst abgiebt und heiteren Sinn zur Schau
trägt, wer sich nicht von aller Freude lossagt, den heisst
Jedermann einen Narren (1 — 10). Die Welt liegt im Argen
und die Geistlichen, die doch das Gute fördern sollten,
sind gar die schlimmsten; so gross ist ihre Bosheit und
Schlechtigkeit, dass sie den Krieg mehr lieben als den
Frieden. Wäre er -*■ Folquet — doch schon bei der
ersten Ueberfahrt (nach Palästina) davon gegangen (11 — 20)!
In der Seele verhasst sind ihm auch die schlechten Reichen;
durch ihre Habgier und ihre Hinterlist haben sie sich selbst
des Adels entkleidet und so verlieren alle ritterlichen
Tugenden ihren Glanz (21 — 30). Wäre doch ein Herr da,
der die Macht hätte, ihnen ihren Reichthum und ihre Länder
zu nehmen, und beides den Edeldenkenden zum Erbtheil
übergäbe; könnte man doch die schlechten Reichen weg-
schicken, wie es die Lombarden mit ihrer Podestas thun
— 25 —
(31 — 40). Zum Schluss ermahnt der Dichter deu Kaiser,
den Kreuzzug energisch anzutreten: Wir müssen es Christus
danken, was er aus Liebe für uns gelitten hat. Wohl dem,
der ihm mit dem Zeichen des Kreuzes dient; seit man ihm
sein Erbe geraubt hat, ist die Christenheit der Ehre bar
(51 — 60). In der 2. Tornade wird Otto von Caretto auf-
gefordert, sich der Kreuzfahrt anzuschliessen und so seinem
Ruhme die Krone aufzusetzen.
Gleichfalls in Frankreich, „zwischen dem Meer und
der Durence", ist Nr. X (Gr. 4), der Coblenwechsel mit dem
bekannten Trobadorgönner Blacatz, entstanden, an dessen
Hofe sich also Folquet wohl damals aufhielt. Folquet
fragt den Blacatz, was er zu thun gedenke, wenn der
Kaiser die Fahrt nach dem heiligen Lande antrete, ob er
an der Kreuzfahrt Theil nehmen oder daheim bleiben
werde; die Gräfin von Provence habe unlängst erklärt, er
sei aus Liebe zu ihr Sänger. Blacatz entgegnet, er liebe
und werde Aviedergeliebt, seine Dame könne mit ihm machen,
was sie wolle, er ziehe es vor, seine Busse „hier, zwischen
dem Meer und der Durence", nahe bei ihrer Wohnung,
abzumachen. — Die Gräfin von Provence ist Beatrix, die
Tochter des Grafen Thomas von Savoyen, welche seit dem
Dezember 1220 mit Baymund Berengar IV. von Provence
(1209 — 1245) verheiratet war.1) Folquet's Bemerkung, er
wolle berichten, was Blacatz zu thun gedenke, zusammen-
genommen mit der Erwähnung eines Ausspruchs, den die
Gräfin unlängst gethan habe, lässt vermuthen, dass er, be-
vor er zu Blacatz kam, sich selbst am Hofe von Provence
aufgehalten hatte und dass es eben die Gräfin war, der
er über Blacatz' Absichten Bericht erstatten wollte, dass
er mithin auch vorhatte, an den Hof von Provence zurück-
zukehren.
In der gleichen Zeit wie die drei zuletzt besprochenen
Gedichte, vermutlich nicht lange vor 1228, ist wohl auch
Nr. VIII, ein Kreuzlied, entstanden. Allerdings liegt
ein zwingender Grund zu dieser Datierung nicht vor; in-
sofern das Lied ganz allgemein gehalten ist und irgend
x) Art d. ver. 1. dates, nouv. ed. 8. 7(;i
— 26 —
welche specielle Anspielungen gerade auf den Kreuz-
zug Kaiser Friedrichs sich darin nicht finden, würde
auch nichts im Wege stehen, es auf den Kreuzzug des
Jahres 1202 zu beziehen. Indessen scheint mir Folquet's
Aeussernng V. 3, er habe aus Kummer und Zorn über das
Elend der Christenheit sich lange des Gesanges enthalten,
sowie 'der ganze tiefernste Ton des Liedes überhaupt, schlecht
zu dem Folquet des Jahres 1201 zu passen, den Hugo
von Berze glaubte, ermahnen zu müssen, „dass er nicht alle
seine Zeit in Thorheit hinbringe". Diese Erwägung, zu-
sammengehalten mit der Thatsache, dass in den drei anderen
Liedern Folquet's, in denen eines Kreuzzuges Erwähnung
geschieht, es sich überall um den 5. Kreuzzug handelt,
giebt uns, denke ich, das Recht, auf eben diesen auch das
vorliegende Gedicht zu beziehen: Jetzt, da der Frühling
kommt, — beginnt der Dichter — , will er von neuem
seinen Sang anstimmen, denn schon allzu lange ist er
stumm gewesen aus Schmerz und Zorn über den Nieder-
gang der Christenheit (1 — 8). „Grafen und Könige, Her-
zoge und Fürsten und manchen Baron und manchen Po-
destä sehe ich Krieg führen aus reinem Eigensinn und die
Starken nehmen den Schwachen ihre Länder; und doch
müssen wir alle sterben, das wissen wir wahrlich, dann
wird ein Jeder sein Erbe verlassen müssen, aber das, was
wir gefehlt und gesündigt haben, werden wir alle am Tage
des Gerichtes vorfinden" (9 — 16). Dann werden denjenigen,
welche Gott gedient und ihr Blut für ihn vergossen haben,
ungemischte Freuden zu Theil werden, diejenigen aber,
welche sich an ihm verfehlt haben, werden ins höllische
Feuer gestürzt werden (17 — 24). Dann wird Weinen und
Klagen sein, wenn Gott sagen wird: Gehet, Unselige, in
die Hölle, wo ihr in alle Ewigkeit gepeinigt werden sollt
unter Qual und Schmerzen dafür, dass Ihr nicht glaubtet,
dass ich für Euch gelitten habe; den Tod erduldete ich
für Euch, dessen seid Ihr nicht eingedenk gewesen. Die-
jenigen aber, welche mit dem Zeichen des Kreuzes ge-
storben sind, werden antworten können: „Auch wir, o Herr,
sind für Dich gestorben" (25 — 32). „Wehe, wir Unglücklichen,
wie gross wird unser Schmerz sein, und was werden wir sagen,
— 27 —
wenn wir auf blühendem Gefilde versammelt sein werden
und Gott erblicken werden an's Kreuz geheftet für uns
Sünder all, in der Seite so kläglich verwundet, mit der
Dornenkrone auf dem Haupt. Dann werden wir alle
wünschen, dass wir das wahre Kreuz und sein heiliges
Grabmal erobert hätten" (33 — 40).
Ob Folquet etwa selbst an dem Kreuzzug, für den er
hier so eindringlich wirbt, Theil genommen hat, darüber
haben wir keinerlei Kunde. Ausgeschlossen ist es nicht,
wenn auch, im Hinblick auf das vorgerückte Alter, in dem
er damals bereits stand, nicht eben wahrscheinlich. In
jedem Falle müsste er ins Abendland zurückgekehrt sein,
da er, wie wir unten sehen werden, noch zum J. 1233 in
Frankreich nachzuweisen ist.
Keinen festen Anhaltspunkt für eine Datierung bieten
schliesslich Nr. XI (Gr. 9) und Nr. XII (Gr. 1) — die
beiden Coblenwechsel mit Nicolet von Turin und mit dem
Grafen von Blandra — sowie Nr. IX (Gr. 10), ein Sirventes
moralisch- religiösen Inhaltes.
In Nr. XI bemerkt Folquet dem Nicolet in scherzen-
dem Tone, er habe mit Bedauern gesehen, wie übel es
ihm im Kampfe ergangen sei; die Sporen, so habe er
sagen hören, hätten ihm bessere Dienste geleistet als
die Lanze; Nicolet könne nicht leugnen, dass er Harnisch
und Schwert, ohne einen Streich zu thun, einem Diener
übergeben habe, er möge sich fragen, ob er durch seine
Handlungsweise nicht seiner Geliebten Unehre bereitet
habe. Nicolet erwidert, mit den Burgundern sei schlecht
Kirschen essen, gleich am Anfang hätten sie ihm das
Lachen vertrieben, darum habe er sich schleunigst em-
pfohlen und sich lieber dem tapferen Grafen Gottfried und
dem Grafen Hubert angeschlossen. — Nicolet von Turin,
von dem uns ausserdem noch ein Coblenwechsel mit Uc
von St. Circ (Arch. 34, 411) und eine Tenzone mit Joanet
von Albusson (Arch. 33, 297) erhalten sind, blühte nach
Schultz, Zeitschr. VII, 215 nach 1225; die Tenzone mit Jo-
anet setzt Schultz in's Jahr 1238. In den beiden von
Nicolet genannten Grafen erblickt er wohl mit Recht die
Grafen Gottfried und Hubert von Blandrate, von denen der
— 28 —
erstere in den Jahren 1210 — 47, der letztere in den
Jahren 1246 — 47 zu recognoscieren ist.
Einer von diesen beiden Grafen wäre nach Schultz
auch zu sehen in dem Grafen von Blandra, Folquet's In-
terlokutor in Nr. XII. Den Inhalt des Coblenwechsels
bildet eine abfällige Beurtheilung einer gewissen, nicht
näher bezeichneten Person, welche die Leute in rücksichts-
loser Weise ausbeute (tond e pela) und gut thue, sich
schleunigst nach Hause zu packen. Da aus dem Strophen-
wechsel nicht hervorgeht, wen die beiden Unterredner im
Auge haben, so besitzt derselbe für uns nur geringes
Interesse.
Nicht sicher datiren lässt sich, wie gesagt, auch Nr. IX.
Immerhin möchte ich daraus, dass der Dichter in dem Liede
von Todesgedanken erfüllt erscheint, den Schluss ziehen,
dass es aus seinen späteren, vielleicht aus seinen letzten
Lebensjahren stammt ; ist diese Vermutung richtig, so würde
man vielleicht in dem Mangel eines sonst durch den In-
halt doch so nahe gelegten Hinweises auf einen bevor-
stehenden Kreuzzug ein Zeichen dafür sehen dürfen, dass
das Gedicht erst nach dem Jahre 1228 entstanden ist.
Wenn er recht nachdenke, meint der Dichter, so müsse
er sagen, dass alles eitel sei ausser Gott allein. All unsern
irdischen Besitz müssen wir verlassen, aller Reichthum dieser
Welt ist vergänglich. Darum sei der Mensch gottesfürchtig
und ohne Falsch, ein Jeder ist ja hienieden nur ein Wanderer
(1 — 9). Seit dem Augenblicke seiner Geburt ist der Mensch
auf der Reise wie ein Pilger und es ist eine ernste Sache
um diese Reise, denn Jeder eilt mit raschen Schritten dem
Tode entgegen, vor dem ihn nicht Gold noch Silber retten
kann (10 — 16). Ein Thor, wer sich nicht darauf besinnt,
von wannen er kommt und wohin er geht! Wer in seinem
Leben nicht gutes thut, dessen Seele wird dereinst dem
ewigen Tode verfallen (19 — 27). Darum sieh zu, was du
treibst, so lange es noch Zeit ist! Plötzlich kann der Tod
an den Menschen herantreten. Thue gutes so lange du
kannst (28 — 33). Keiner, er sei wer er auch sei, kann
dem Tode entgehen; keiner ist ein so geübter Fechter,
dass er sich gegen die Streiche des Todes zu decken ver-
— 29 —
möchte (37 — 45). Der Dichter weiss nur einen Rat: Dass
der Mensch darauf bedacht sei, Gott zu dienen und sich
vor Fehltritten hüte, so lange er dem Tode entgegen geht;
auch wir werden ja in den Hafen gelangen, in den alle,
selbst die Könige und die Kaiser, mit Schmerzen einlaufen ;
dort werden wir vorfinden alles, was wir gutes und schlechtes
hienieden gethan haben (46 — 54). Möge Gott uns die
Gnade erweisen, dass er uns vor dem Tode bewahre, bis
wir seinen Willen gethan haben (55—58).
Von den Gedichten Folquet's, welche eine sichere
Datierung zulassen, ist keines nach dem J. 1228 entstanden;
dass unser Dichter aber noch im J. 1233 am Leben war,
evgiebt sich aus vier aus diesem Jahre stammenden Ur-
kunden, in denen er, wie zuerst Schultz, Zeitschrift
IX, 133 bemerkt hat, als Zeuge auftritt.1) Daraus, dass
die beiden ersten dieser Urkunden, ausgestellt zu Avignon
am 29. März und am 24. April 1233, beide Bezug haben
auf den Grafen Raymund Berengar von Provence, dürfen
wir wohl den Schluss ziehen, dass Folquet sich damals
wieder an dem Hofe von Provence aufhielt, an dem er ja,
wie wir oben bei Besprechung des Coblenwechsels mit
Blacatz sahen, schon vor dem J, 1228 geweilt hatte. Die
beiden anderen Urkunden sind ausgestellt am 18. Mai zu
Aix und Marseille und enthalten Erlasse des Kaisers
Friedrich, beziehungsweise seines Nuntius, an Geistlichkeit
und Adel von Burgund sowie an die Stadt Marseille.
l) Papon, Histoire de Provence, pr. Dr. 55, 56, 57, 58; nr. 55
und 58 auch bei Winkelmann, Acta Imperii, I. S. 505 und 509.
In nr. 55 schwört Graf Wilhelm von Forcalquier vor dem kaiser-
lichen Nuntius in seinem Namen und in dem des Grafen von
Toulouse und ihrer Freunde, dass sie sich in ihrem Streite mit
dem Grafen Kaymund Berengar von Provence und mit Arles dem
Spruche des Kaisers oder seines Nuntius unterwerfen wollen,
nr. 56 hat zum Gegenstand das Versprechen des Grafen Raymund
von Toulouse, sich hinsichtlich der Beendigung seiner Fehde mit
dem Grafen Raymund Berengar von Provence der Entscheidung
des Kaisers oder seines Gesandten fügen zu wollen. Die 3. Ur-
kunde betrifft die Berufung der Geistlichkeit und des Adels des
Königreiches Burgund behufs Einziehung des Heerbannes. In
nr. 58 endlich setzt der kaiserliche Missus der Stadt Marseille
einen Termin zur Annahme seiner Friedensstiftung.
— 30 —
Mit Folquet zusammen werden in den Urkunden genannt
dreimal der Trobador Bertran von Avignon, von dem wir
eine Tenzone mit Raimon de las Salas und einen 1218
oder Anfang- 1219 entstandenen Coblenwechsel mit Gui
von Cavaillon besitzen (der Coblenwechsel hat die gleiche
metrische Form wie Folquet's Lied Nr. II; vgl. über Bertran
Schultz, Zeitschr. IX, 126) sowie ein Willelmus Augerius,
in dem wir wohl den Landsmann unseres Dichters, den
gleichfalls aus Viennois gebürtigen Joglar Guilhem Augier
erblicken dürfen; Folquet hat also in jedem Falle die per-
sönliche Bekanntschaft der beiden gemacht, vielleicht hat
er in näherem Verkehr mit ihnen gestanden.1)
Aus dem Umstände, dass unser Dichter nach dem
Jahre 1220, beziehungsweise 1221, in Italien nicht mehr,
wohl aber noch dreimal — Nr. VII, 66, Nr. X, 27 und in
den eben erwähnten Urkunden — in Frankreich nach-
zuweisen ist, dürfen wir vielleicht den Schluss ziehen, dass
er nach jenen Jahren Italien, wo der Markgraf Wilhelm
und Kaiser Friedrich es ihm an der nötigen Liberalität
fehlen liessen, überhaupt den Rücken gekehrt und den Rest
seines Lebens in seiner Heimat Viennois und in der Provence
verbracht hat.
Ueber das Jahr ' 1233 hinaus vermögen wir Folquet
nicht zu verfolgen; wann er gestorben ist, wissen wir nicht,
doch dürfen wir, falls seine Geburtszeit oben richtig an-
gesetzt wurde, annehmen, dass er die Mitte des Jahrhunderts
nicht überlebt hat.
Soviel über Folquet's äusseren Lebensgang und den
zu ihm mehrfach in Beziehung stehenden Inhalt seiner
Gedichte. Von seiner Persönlichkeit vermögen wir uns
auf Grund des Gesagten wohl einen ungefähren Begriff zu
machen. Wie wir sahen, rühmt die provenzalische Lebens-
nachricht von ihm, „er habe es gut verstanden, sich an
den Höfen zu bewegen, sei sehr munter und unterhaltend
*) Der gleichfalls in den Urkunden erwähnte Giraudus
Auiicus ist wohl identisch mit dem bei Guilhem von Montanhagol
Gr. 225, 1 (Bartsch, Denkm. S. 50) im Geleite angeredeten, zu den
Jahren 1222 und 1244 zu rekognoscierenden Guiraut Amic, von
dem Schultz, Zeitschr. XV, 238 handelt.
— 31 -
und wohl angesehen in der guten Gesellschaft gewesen"
(die provenzalischen Ausdrücke lauten: prezentiers en cort,
de gran solatz und ben onratz entre la bona gen). Was
wir nun aus den Strophen Hugo's sowie aus Folquet's
eigenen Gedichten entnehmen können, das scheint durchaus
geeignet, diesen Angaben zur Bestätigung zu dienen. Wenn
zunächst ein vornehmer Herr, wrie Hugo von Berze es war,
Folquet, den einfachen bürgerlichen Joglar, einer so herz-
lichen Freundschaft würdigte, wie sie aus jenen Strophen
unverkennbar spricht, dann dürfen wir daraus wohl den
Schluss ziehen, dass dieser nicht ein Joglar gewöhnlichen
Schlages gewesen sein kann, sondern empfehlende persön-
liche Eigenschaften besessen haben muss, welche ihn aus
dem grossen Tross seiner Standesgenossen heraushoben, dass
er sich im besonderen eine feinere höfische Bildung an-
geeignet hatte, vermöge derer er sich in den vornehmen
Kreisen, denen Hugo angehörte, wohl sehen lassen konnte.
Eben dafür spricht des weiteren doch wohl auch der Um-
stand, dass er allem Anschein nach bei den Frauen wohl-
gelitten war. Wenigstens finden sich Klagen über den
Stolz und die Gleichgültigkeit der Dame, wie sie ja bei
den Trobadors so häufig sind und wie sie z. B. in er-
müdender Eintönigkeit den fast ausschliesslichen Inhalt der
Lieder seines berühmten Namensvetters, des späteren Ketzer-
richters Folquet von Marselha ausmachen, in den uns er-
haltenen Gedichten Folquet's nicht, aus allen — Nr. V aus-
genommen — geht vielmehr deutlich hervor, dass die
Neigung des Dichters nicht unerwidert geblieben war und
in der Epistel hören wir ausdrücklich, dass eine Dame
von hohem Stande ihn ihrer Gunst versichert hatte; aller-
dings ist nicht ausser Acht zu lassen, dass möglicherweise
alle die in Rede stehenden Gedichte dem gleichen Ver-
hältniss ihre Entstehung verdanken könnten. Eine Be-
stätigung für die Angaben der Biographie darf des weiteren
eventuell auch darin gesehen werden, dass die Zahl seiner
vornehmen Gönner nicht gering gewesen zu sein scheint —
wenn anders wir nämlich alle jene Grossen als seine Gönner
betrachten dürfen, welche er in seinen Liedern preist oder
doch rühmend erwähnt; es sind dies: der Markgraf Bonifaz
— 32 —
von Monferrat (III, 37), sein Sohn Wilhelm IV. (III, 28) —
welcher freilich andrerseits wegen seines Geizes getadelt
wird — , Kaiser Friedrich IL selbst (IV, 26; VI passim),
— welcher sich den gleichen Tadel gefallen lassen inuss — ,
der Markgraf Otto von Caretto (IV, 34; V, 63; VI, 60)
sowie einer der beiden Markgrafen von Malaspina (Wilhelm
oder Conrad I; III, 46); vielleicht sind ihnen ausserdem
noch Raymund Berengar von Provence und Blacatz bei-
zuzählen, an deren Hof sich Folquet wenigstens, wie wir
sahen, vermuthlich aufgehalten hat. Wenn schliesslich die
Lebensnachricht unserem Dichter besonders gran solatz
nachrühmt, so stimmt das einerseits zu einer Bemerkung
Peire Vidal's (ed. Bartsch 27, 70), wonach gai solatz vor-
nehmlich den Bewohnern von Viennois, Folquet's Heimat,
eigen gewesen wäre, andrerseits zu dem Inhalt seiner Ge-
dichte; denn aus der Mehrzahl derselben spricht ein frischer,
heiterer, lebensfroher Sinn, gelegentlich, in den Coblen-
wechseln mit Blacatz und mit Nicolet von Turin, macht
sich eine Neigung zu Scherz und Neckerei geltend, und
ein liebenswürdig- schalkhafter Zug geht vor allem durch
die Epistel. Dass es freilich auch Zeiten gab, wo all seine
Heiterkeit den Dichter verlassen hatte, ja wo jegliche
Freude am Leben ihm geschwunden war, das beweisen die
beiden Sirventese Nr, VII und VIII, in denen er sich in
bitteren Klagen ergeht über den Verfall höfischen Wesens
und die unablässigen zwecklosen Kriege der Grossen. Beide
Lieder legen zugleich Zeugniss ab von dem ernsten, religiösen
Geist, der in dem Dichter lebte; noch stärker ausgeprägt
erscheint dieser in dem Sirventes Nr. IX, in dem er, wohl
selbst bereits von Todesahnungen erfüllt, unter Hinweis
auf die Kürze des menschlichen Lebens und die Vergäng-
lichkeit alles Irdischen, zu einem Gott wohlgefälligen
Wandel mit eindringlichen Worten mahnt.
Auf den Grad von Folquet's dichterischer Produktivität
gestattet natürlich die Zahl seiner uns in den Handschriften
überlieferten Gedichte einen Schluss nicht. Denn es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass nur ein Theil, — ver-
muthlich nur ein geringer Bruchtheil — seiner poetischen
Erzeugnisse auf uns gekommen ist. Einmal nämlich hören
— 33 —
wir in der provenzalischen Lebensnachricht, dass er Joglar-
Sirventese verfasst hat, während uns doch nur ein Sirven-
tes erhalten ist, dem, wie unten gezeigt werden wird,
dieser Name zuzukommen scheint; sodann kann die eben-
daselbst sich findende Angabe, er habe gute Coblen gedichtet,
sich doch schwerlich nur auf die uns überlieferten drei
Coblenwechsel stützen; endlich ist es an sich nicht glaub-
lich, dass er, der sich allem Anschein nach viel an den
Höfen der Grossen aufgehalten hat und als Joglar darauf
angewiesen war, sich durch seine Kunst seinen Lebens-
unterhalt zu verdienen, den Trieb zu eigener dichterischer
Produktion so selten empfunden haben sollte, wie es der
Fall gewesen sein müsste, wenn sein geringer auf uns ge-
kommener poetischer Nachlass die Gesammtheit oder auch
nur den Hauptteil seiner poetischen Erzeugnisse darstellen
würde. Wir werden somit annehmen dürfen, dass die meisten
seiner Sachen eine weite Verbreitung nicht gefunden haben
und uns deshalb verloren gegangen sind.
Was den ästhetischen Werth von Folquet's Ge-
dichten betrifft, so zeichnen dieselben sich zwar in keiner
Weise durch eine besondere Originalität noch auch durch
Reichthum und Schwung der Gedanken oder eine unge-
wöhnlich kunstvolle Behandlung der Form aus, wohl aber
muss ihnen allen Wahrheit und Innigkeit der Empfindung,
Frische und Unmittelbarkeit des Ausdrucks nachgerühmt
werden. Es ist durchweg unverkennbar, dass der Dichter
nicht etwa Worte macht, dass er sich nicht in leeren Redens-
arten ergeht und es ihm auch nicht darum zu thun ist,
durch neue Einfälle, sinnreiche Wendungen, ungewohnte
Bilder Aufsehen zu erregen, vielmehr empfangen wir über-
all den Eindruck, dass, was er sagt, ihm von Herzen kommt,
dass er dichtet aus wirklichem inneren Drang; seine Poesie
trägt, obwohl sie sich im allgemeinen der Conventionellen
Formeln bedient, doch kein conventionelles, sondern ein durch-
aus persönliches Gepräge. Eine schöne Wärme und Innigkeit
atmen besonders Nr. II J) und die Epistel, beide Stücke dürften
*) Ich verstehe nicht, wie Emeric David, Hist. litt. XVIII,
621, Angesichts dieses Liedes über Folquet das Urtheil fällen
Zenker, Folquet von Romans. 3
— 34 —
wohl dein besten, was die provenzalische Lyrik uns hinterlassen
hat, angereiht weiden. Nüchterne, verstandesmässige Reflexion,
subtile Gefühlsdialektik liegt Folquet ebenso fern, wie hohler
rhetorischer Prunk. Seine Gedichte treten sowohl hinsichtlich
der Form als hinsichtlich des Inhalts einfach und anspruchs-
los auf, sie unterscheiden sich in dieser Beziehung vorteilhaft
von denen mancher anderen Trobadors, bei denen eine raffi-
nirte Technik den Mangel wahrer Empfindung ersetzen muss;
sie scheinen rasch und mühelos hervorgebracht, besonders die
Epistel zeichnet sich durch einen ungemein leichten, flüssigen
Stil aus. Vor der Verirrung der sogenannten dunklen Manier
hat den Dichter, soweit wir urteilen können, sein gesunder
poetischer Instinkt bewahrt und auch metrischen Künsteleien
zeigt er sich durchaus abhold. Von seinen 9 uns erhaltenen
Liedern sind nur 3 in der bei den Trobadors gebräuch-
lichsten Form der coblas unisonans abgefasst, d. h. mit
gleichen Reimen durch alle Strophen hindurch, eines zeigt
coblas äoblas d. h. Reimwechsel von 2 zu 2 Strophen,
die übrigen 3, also fast die Hälfte, weisen die einfachste
Form, die im Provenzalischen so seltene Form der coblas
Singulars d. h. Reim Wechsel von Strophe zu Strophe, auf;
ausserdem sind die Reime, die Folquet verwendet, aus-
schliesslich leichte, und von den bei den Trobadors so be-
liebten Reimspielereien begegnet bei ihm einzig und allein
zweimal die Verwendung des Refränreims (in Nr. IV be, in
Nr. V cor . . mor). Dass ihm darum doch der Sinn für
Wohlklang und die Bedeutung der Form keineswegs abging,
das zeigt der leichte gefällige Rhythmus von Nr. I und V
sowie das Versmass von Nr. II, welches mit seiner 8 maligen
Wiederholung des nämlichen Reims das leidenschaftlich
drängende des Inhaltes gleichsam zu versinnlichen scheint.
Alles in allem ist der Eindruck, welchen Folquet's
Gedichte in uns hinterlassen, entschieden ein erfreulicher.
Können dieselben auch nicht eben als bedeutend bezeichnet
werden, so tragen sie doch durchaus den Stempel der Blüte-
kann: „Esprit chagrin et im pen froid, Folquet de Romans ne
montre pas beaucoup plus de chaleur daus ses chansons d'amour
que dans ses sirventes."
— 35 —
periode der provenzalischen Lyrik und ihr Verfasser darf
wohl darauf Anspruch erheben, unter den Dichtern jener
sangesfrohen Zeit mit Ehren genannt zu werden.
III.
Es erübrigt noch zu untersuchen, welche Art von Sir-
ventesen mit den Joglar - Sirventesen, den sirventes jog-
larescs de lauzar los pros e de blasmar los malvatz
gemeint ist, die Folquet nach Angabe der Biographie
verfasst hat.
Der Ausdruck findet sich in der provenzalischen
Litteratur nur noch zweimal, nämlich in der Biographie
des Augier (erhalten in IK) Chabaneau, Biographies des
Troubadours S. 88:
Ogiers si fo im joglars de Vianes . . . e fez sirventes
jo glareses que lauzava'ls uns e blasmava los autres,
sowie in der Biographie des Peire Guillem von Tou-
louse (erhalten gleichfalls in IK), Chabaneau S. 76 :
Peire Guillems si fo de Tolosa . . . e fez sirventes jo-
glar es es e de blasmar los baros . . .
F. Witthoeft in seiner Abhandlung: Sirventes Jogi aresc,
Ausg. und Abh. LXXXVIII, hat sich nun bemüht, darzu-
thun, es sei unter einem sirventes joglarese zu verstehen
ein Sirventes, das „im Interesse eines Joglars verfasst sei:"
Spielleute, deren Repertoire erschöpft war, hätten wohl
berühmte Trobadors angesprochen, ihnen durch ein neues
Lied zu einer Einnahme zu verhelfen; diese hätten dem An-
suchen oft willfahrt und hätten dann in einem Liede ent-
weder den Bittsteller der Gunst ihnen bekannter Gönner der
Dichtkunst empfohlen, oder auch denselben zur Zielscheibe
ihres witzigen Spottes gemacht, was letzteren nicht verhin-
dert habe, das Lied zu fremdem Ergötzen selbst vorzutragen.
Als sirventes joglarese wären mithin zu betrachten Guiraut
von Bornelh's : CardalhaCj per im sirventes, Bertran von
Born's: Fulheta, vos mi preiatz que ieu ehan und Ful-
heta ges autres vergier und ähnliche Gedichte. Diese
Ansicht Witthoeft's hat die Zustimmung Jeanroy's Rev. des
Pyrenees 1893, S. 14 gefunden, und auch Stimming, Grö-
bers Grundriss II, 2, S. 23, ders., Bertran v. Born2, S. 46, und
3*
— 36 —
Kolsen, Guiraut von Bornelh, Berlin 1894, S. 14 gebrauchen
den Ausdruck in dem von Witthoeft vorgeschlagenen Sinn.
Dass W.'s Ansicht indessen nicht haltbar ist, hat m. E.
schon 0. Schultz in seiner Besprechung der genannten Arbeit
Littbl. f. germ. u. rom. Phil. 1891, Sp. 237 mit vollkommen
ausreichenden Gründen gezeigt. Schultz weist einmal darauf
hin, dass uns von keinem der drei in Rede stehenden Dichter
solche Sirventese, wie sie Witthoeft im Auge hat, erhalten
seien, und dann — und dieser Grund ist m. E. ausschlag-
gebend — , dass ja zwei von denselben, Folquet und Augier,
in der Biographie selbst als Jogiars bezeichnet werden,
es mithin nicht einzusehen sei, wie dieselben solche Ge-
dichte hätten verfassen können. Die Erklärung nun, welche
Schultz selbst von dem Ausdruck gibt, trifft sicher das Rich-
tige, nur bedarf sie, wie mir scheint, einer Modifikation.
Ausgehend von der Biographie des Peire Guillem von
Toulouse, in der er das e vor de blasmar als sinnlos
streicht, nimmt Schultz an, sirventes joglaresc seien Sirven-
tese gewesen, nicht für Jogiars, sondern Sirventese, wie
sie Jogiars zu verfassen pflegten, Sirventese, in
denen die Barone, die nicht freigebig genug waren, geschmäht
wurden. Die ursprüngliche Bedeutung von sirventes joglaresc
sei also „Schmähgedicht", die in den Biographieen Folquet's
und Augier's gegebenen Definitionen stellten „eine abge-
lenkte, sich mit dem Namen nicht mehr ganz deckende
Auffassung" dar. Schultz macht darauf aufmerksam, dass
ein Sirventes von Augier, Gr. 37, 3, in der That Schmähungen
auf die flac ric und im besonderen auch auf die Barone
enthalte, und dass ebenso in dem Sirventese Gr. 205, 6,
dessen Verfasser Guillem Augier bekanntlich aller Wahr-
scheinlichkeit nach mit dem Joglar Augier identisch ist,
die geizigen Reichen, die malvatz baros recrezens, getadelt
werden. Ich bin nun mit Schultzens Auffassung des Aus-
drucks joglaresc, insofern er ihm die Bedeutung „nach
Spielmannsart" beilegt, vollkommen einverstanden und ich
glaube auch, dass die angeführten beiden Gedichte solche
sirventes joglaresc im Sinne des Biographen sind. Dagegen
kann ich Schultz nicht beistimmen, wenn er annimmt, man
habe im provenzalischen mit dem in Rede stehenden Aus-
— 37 —
druck jemals den Begriff „Schmähgedicht" verbunden. Ich
bin nämlich der Ansicht, dass sirventes joglaresc als ter-
minus technicus für eine bestimmte Gattung von Sirventesen
im provenzalischen überhaupt nicht gebräuchlich gewesen
ist. Zu dieser Annahme wären wir meines Erachtens nur
dann berechtigt, wenn sich sirventes joglaresc auch allein,
ohne nähere Bestimmung, gebraucht fände; das ist aber, wie
wir sahen, nicht der Fall, vielmehr hält in allen drei
Lebensnachrichten der Biograph es für notwendig, noch
in einem Zusatz zu erklären, welche Art von Sirventesen
er eigentlich im Auge hat. Dass der Ausdruck überhaupt
von verschiedenen Autoren gebraucht worden sei, scheint
mir keineswegs fest zu stehen. Erwägt man die nahe
Uebereinstimmung des Ausdrucks in den drei Biographieen,
erwägt man ferner die Thatsache, dass Folquet sowohl als
Augier aus Vianes stammen, sowie, dass alle drei Biographieen
in den Handschriften I K, nur die Folquet's ausserdem noch
in dem mit I K nahe verwandten A und in H, erhalten
sind, so scheint mir der Gedanke nicht zu fern zu liegen,
es möchten alle drei von demselben Verfasser stammen,
der sich den Ausdruck vielleicht selbst gebildet und zur
Charakterisierung der gleichen Art von Gedichten mehr-
mals verwandt hat. Doch gesetzt auch, es hätten sich ver-
schiedene Autoren desselben bedient, so liegt doch kein
Grund vor, in dem joglaresc etwas anderes zu sehen als
ein von jedem einzelnen selbständig gewähltes Prädikat,
durch welches von den im Folgenden bezüglich ihres
Inhalts näher charakterisierten Sirventesen ausgesagt wird,
dass eben Jogiars solche zu verfassen pflegten. Dann
handelt es sich also nicht mehr darum, eine im allgemeinen
gültige Definition von sirventes joglaresc zu gewinnen, es
kann auch nicht mehr von einer „ursprünglichen" und einer
„abgeleiteten" Bedeutung des Ausdrucks die Rede sein, son-
dern es handelt sich einfach um eine Definition von Fall zu
Fall. Es kann nun allerdings, wie mir scheint, keinem Zweifel
unterliegen, dass in allen drei Fällen genau die gleiche Art
von Sirventesen gemeint ist. Nach Angabe der Biographieen
waren die Sirventese „nach Spielmannsart", die Augier und
Folquet verfassten, solche in denen die Einen, die Edlen
— 38 —
(los pros), gelobt, die Andern, die Schlechten (los
malvatz), getadelt wurden, in den Sirventesen des Peire
Guillem wurden „die Barone getadelt". Die Edlen sind,
wie ich mit Schultz annehme, vom Standpunkt des Jogiars
aus natürlich die Freigebigen, die Schlechten die Kargen.
Gemeint sind also in den Biographieen Augier's und Folquet's
Sirventese, in denen die freigebigen Herren gelobt und die
kargen getadelt wurden. Liegt es nun auch in der Natur
der Sache, dass Lob und Tadel oft Hand in Hand gegangen
sein werden, so ist doch durch jene Definition in keiner
Weise ausgesprochen, dass das immer der Fall war, viel-
mehr können von den betreffenden Gedichten sehr wohl
die einen ausschliesslich Lob, die anderen ausschliesslich
Tadel enthalten haben. Insofern bilden also die dem
P. Guillem zugeschriebenen Schmäh gedichte auf die
Barone d. h. auf die kargen Barone nur eine Unterart der
in den Biographieen Augier's und Folquet's als joglaresc
bezeichneten Gattung von Sirventesen und es ist nicht der
mindeste Grund vorhanden zu der Annahme, dass die Ver-
fasser jener Biographieen unter sirventes joglaresc irgend-
wie eine andere Art von Sirventesen verstanden haben
sollten als der Verfasser der Biographie Peire Guillem's.
Da übrigens in letzterer die handschriftliche Lesart sir-
ventes joglaresc e de blasmar los baros doch einmal keinen
Sinn giebt, so scheint mir im Hinblick auf die Fassung
der beiden anderen Biographieen die Annahme, dass vor dem
e ein dem de lauzar los pros, bezw. que lauzava'ls uns
entsprechender Ausdruck, etwa de lauzar, ausgefallen
sei, ebensoviel Wahrscheinlichkeit zu haben wie die An-
nahme Schultzens, es sei e fälschlich eingeführt worden,
— in welchem Fall also die Uebereinstimmung zwischen
den Definitionen der drei Biographieen eine vollkommene
sein würde.
Es spricht nun, was Folquet betrifft, für diese Auffassung
des Ausdrucks sirventes joglaresc, dass in der That eines
seiner Sirventese, nämlich Nr. VI, zum wesentlichen Inhalt
ein Lob der Freigebigkeit und einen Tadel der Kargheit
hat, indem der Dichter darin als eine der Haupteigen-
schaften des Mannes, der auf pretz Anspruch machen wolle,
— 39 —
die largueza bezeichnet und Kaiser Friedrich wegen seines
Geizes tadelt. Dieses Sirventes wäre also m. E. als ein
sirventes joglaresc im Sinne des Biographen zu betrachten.
Das nämliche Thema wird von Folquet auch in Nr. III,
V, VII angeschlagen — Nr. VII insbesondere enthält hef-
tige Schmähungen auf die ric malvat, — doch können
die genannten Gedichte, weil auch von andern Gegenständen
handelnd, wohl nicht als sirventes joglaresc bezeichnet
werden. Eben der Umstand aber, dass Folquet wieder-
holt auf das Thema zurückkommt, macht es wahrscheinlich,
dass er dasselbe in andern uns verloren gegangenen Sirven-
tesen ausschliesslich behandelt hatte, welche der Bio-
graph denn bei seiner Angabe im Auge gehabt haben wird.
Ich bin also der Meinung, dass als joglaresc in den
Biographieen bezeichnet werden Sirventese nach Spiel-
mannsart und zwar sowohl Sirventese welche Lob der
Freigebigkeit und Tadel des Geizes vereinigt, als auch
solche, welche nur eines von beiden, entweder Lob oder
Tadel enthielten. Mir scheint diese Auffassung bei unbe-
fangener Prüfung der Thatsachen die einzig mögliche zu
sein und kaum einen Zweifel zuzulassen; als terminus
technicus für Sirventese, die für Jogiars bestimmt waren,
wird man den Ausdruck sirventes joglaresc mithin zu
streichen haben.
Gedichte.
Die proYenzalische LebensnacMclit
Handschriften: A 210, I 189, K, H 51 ; gedruckt Eayn. V,
152; Parn. Occ. 121; Arch. 34,405 (H); Mahn, Biogr. 72; Cha-
baneau, Biogr. d. Tr. 94; Studj cli fil. rom. III, 650 (A); ib. V,
519 (H).
Folquet de Romans si fo de Vianes, d'un bore que a
nom Romans. Bons joglars fo e prezentiers en cort e de
gran solatz; e fo ben onratz entre la bona gen. E fetz
sirventes joglarescs de lauzar los pros e de blasmar los
malvatz. E fetz molt bonas coblas. 5
1 Folqetz AH — rotmans H I — 2 rotmans HI — e f o
b. jogl. A — cortz K — 3 las bonas g . A — 5 E bis coblas
fehlt K.
Canzouen und Sirventes-Canzonen.
I.
Gr. 156,5.
(Vergl. S. 20)
Handschrift C 228. Gedruckt bei Appel, Prov. Inedita S. 98.
I. Jeu no mudaria
qu'un vers novel no comens
pel ioi de m'amia
qu'es pros e conhd' e Valens;
ab lieis estai, on que sia, 5
totz mos sens;
entendens
en sui e gais e jauzens.
IL Non a gair, enquera
qu'us orguelks m'avia mort; 10
mas trobat n'ai era
ric cosselh, que*m n'a estort
e trag del peril ont era,
a dreg port;
be* m vai fort, 15
qu'ieu ri em chant e*m deport.
III. Erguelh ni pezansa
non ai, s'aver non o dei,
quar tan luenh mi lansa
la bella a cui m'autrei, 20
6 sens] pessauiens; die Conjektur rührt von Appel her. —
16 em eh.
— 44 —
quar amistat ni semblansa
qu'ela fei
endreg mei
non es qu'al cor no'iii estei.
IV. Si nonqua*m remire 25
de rnidons son beih cors gen,
de lieis mi cossire
e*n estau en pessamen;
que ves son pais me vire
en durmen, 30
contrai ven;
tarn bo mi sap, quant ieirl sen.
V. El sobran estatge,
lai on sos gens cors fis es,
ai mes mon coratge, 35
de sai lrn refier merces;
be m'o tengra a folhatge,
qurm disses
qu'aitals bes
esdevenir m'en pogues. 40
VI. Aras vai ta via,
que tot mon cor saps, chansos!
mas petit m'embria
quar no lai anam abdos,
lai on mos cors diria 45
qu'a rescos
ab lieis fos
lo sieus amics fis e bos.
VII. Comtessa francha e corteza,
largua e pros, 50
mas chansos
fauc, e sian lai ab vos.
22 qelam fezes, -- 25 non quan. — 33 sobeiran. —
41 uey.
— 45 —
IL
Gr. 156, 8.
(Vergl. S. 17 ff.)
Handschriften: P 28, S 162, c 16 ; gedruckt Arch. 33, 309 (P),
danach btr. I Kaoul de Cainbrai ed. Meyer und Löngnon Paris
1882 S. L. — Orthographie nach P.
I. Ma bella domna, per vos dei esser gais,
c'al departir me dones im dolz bais,
tan dolzamen, lo cor del cors me trais;
lo cor avez, domna, qu'eu lo vos lais
per tal coven qu'eu noi volh cobrar mais; 5
que melh non pres a Raol de Cambrais
ne a Flori, can poget el palais,
com fez a mi, car soi fins e verais,
ma bella domna.
II. Ma bella domna, a vos me valha deus, 10
que mill aitanz soi melh vostre que mens,
obedient plus que serf ni judeus,
e de vos teng mon aloc e mos feus,
e null trabalh no me pot esser greus,
soi ca vos plaza, anz m'es plasenz e leus, ( 15
e morrai tot aissi com fes n'Andreus,
e volgra mais qu'agues mort vint romeus,
ma bella domna.
III. Ma bella domna, ja vos am eu tan fort,
se no vos ai, venguz soi a mal port, 20
qu'eu ai ben vist e coneguz en sort
qu'en breu de temps m'auran li sospir mort, <A
se eu ab vos en chambra no*m deport;
ha, dolza res, vostre cor s'i acort
1P durchweg dompna. — 6a mol de c. c — cambras S
— 7 ni cf
10 ma bella domna wird in allen 3 Handschriften nur am
fccnluss jeder Strophe wiederholt, nicht am Anfang der folgenden
wo es aber durch das Versmass gefordert wird. — vallia c —
die Handschriften haben im Reim alle die Formen ohne s: deu
meu, mdeu etc. — 11 sön c — 13 mon feu P S c — 14 non ü c
— 17ualgraS. F*
22 maura P — sorspir P — 23 a v. P S — non c.
— 46 —
que ren sen vos no me pot dar conort; 25
s'enaissi mor, pecliat n'aurez e tort,
ma bella clomna.
IV. Ma bella domna, no me laissaz morir,
que mill aitant vos am qu'eu no sai dir,
que nulla ren non am tan ne desir 30
com eu faz vos per cui plang e sospir,
lo danz er vostre, s'enaissrm faz languir;
can plus vos vei, mas vos ve enbelir,
nafrat m'avez, no sai tant d'eschermir,
ab dolz esgart et ab genz acolhir, . 35
ma bella domna.
V. Ma bella domna, de vos soi enveios;
sabez per que? car es valens e pros
e ges parlant e d'avinent respos;
c'om no vos ve que non si' amoros, 40
que deus vos det cors ab bellas faichos,
e ja no*us pes, s'en soi un paoc gelos,
que per amor fu vencuz Salamos,
aissi soi eu, cortesa res, per vos,
ma bella domna. 45
III.
Gr. 156, 14.
(Vergl. S. 16 ff.)
Handschriften: C 228, E 132, R 15, T 182. V. 28 — 45 sind
gedruckt und übersetzt bei Diez , L. u. W.2 S. 453; das ganze
ist kritisch herausgegeben nach sämmtlichen Handschriften von
Appel, Prov. Ined. S. 1 00.
I. Una chanso sirventes
a ma dona trametrai,
qu'anc pueis d'alre non pensai,
25 poi P S c — 26 pechaz P S — 34 del scrimir P S.
40, 4 1 com no uos ue de cors ad bellas faichos P — 40 qanc
on qe non si anioros c — 41 de cors Sc — bella c — 42 sein
P — 43 e p. a. c.
E 3 bis 1 2 durch Ausschneiden verstümmelt; es fehlt : 1 (p)ueys
— 5 mas — 6 (d)el dia — 8 (to)ste — 9 no sia — 1 1 la plus — 12 vos.
= l sirventes c. R. — 3 p.] pus eys C — d' fehlt T — pens sai C.
— 47 —
pus parti de Vianes,
mas de sa beutat complia; 5
qu'ades nii soven del dia
qu'ellaTn dis: „belhs dous anrics,
vai tost, e guarda no*t trics,
si vols que morta no sia".
IL Senhors, e no'Di n'es ben pres, 10
quar la plus belba qu'ieu sai
m'a dig so que dig vos ai?
jamais no*ni devede res,
qu'ab lieis ai tot quan volia
d'amor e de drudaria, 15
malgrat de mos enemics;
anc no fo de ioi tan rics
Floris, quan jac ab s'amia.
III. Per gent servir ai conques
de midons tot quan mi plai; 20
e quar m'i trobet verai,
mi det mais que no*m promes,
e*m tornet el cor la via;
anc no m'i noc gelosia
ni fals lauzengiers enics, 25
que n'an fag manhs fals prezics,
mas elha no'ls en crezia.
IV. De mossenhor lo marques
de Monferrat vos dirai
que mal m'er, quan me*n partrai, 30
tant es savis e cortes
e de belha companhia;
mas, qui ver en jutjaria,
4 puöis T — 5 mas fehlt R — beuta conplida T —
7 bei T — 8 non tr. T.
10 nomen es T — es C ß - peres T — 11 que s. C R —
12 cieu T — 13 non CR — deuedieres T, deman res C R —
14 Puois aitot q. v. T — 17 An T.
19 sutrir E — 23 al E — uida T — 24 noc unleserlich C
— 25 lauzengier C — 26 man T — faitz E — manli C.
28 mossenher C, mon senhor E — 29 monfort T — S\ t. e
s. T — 32 bei T — 33 e quil C, e qui R - iuraria E.
— 48 —
ver dis lo reis Frederics
que mestier i auria pics, 35
qui Faver trair' en volria.
V. Et anc Lombartz tan no nies
per pretz, qui ver en retrai,
cum fes sos paire, que fai
gran sofrait' a nos cortes; 40
quant anet en Romania,
tenc larguez' ab lui sa via,
e mal aja Salonics,
tans en fai anar mendics
e paupres per Lombardia. 45
VI. Malespina, guerentia
vos port que granren d'amics
avetz e pauc d'enemics
lai on renha cortezia.
IV.
Gr. 156, 3.
(Vergl. S. 20)
Handschrift: T 183; gedruckt bei Appel, Prov. Ined. S. 96.
I. Cantar vuolh amorosamen,
situt no vei fuolha ni flor,
que free no*m fai ne gels paor,
tant ai lo cor gai e gausen;
e autressrm plai alegrars 5
d'ivern com d'estiu o cantars,
puois per servidor mi rete
34 rey C, reys R — 35 mestiers C R, obs T — aurian C
— 36 lauzar tal ren u. C R — uolia E.
37 Que C R — Ceganc T — lombart C R T — 38 qil —
39 sou CR — p. o qe f. T — 40 sofraccia a T — 42 large
ab R — 43 sanh lonicx C, solonicx T — 44 Qe tans C, Tant T
— faie T — 45 paubre T.
47 Vos en p. T, Li p. C — granrens T — 48 Aura C,
Auzetz R — pauex CR — 49 renhab C.
2 tute, ; flors. — 3 Ci — no f. — gel paurs. — 5 Cautres-
sim. — 6 cantrs. — 7 p. son s.
— 49 —
tals qu'es complida de tut be.
IL Anc domna non m'er tan plaisen
ni ab tan entera valor; 10
et a be plus fresca color
que rosa ni flors d'angilen,
bella bocha, bels voltz e nars,
et estai li tant gen parlars
c'a nuls tenips no vos dira re 15
mas onors e plazers e be.
III. E sapchatz c'anc plus coralmen
non amet Floris Blanciflor
qu'ieu am lieis que*m val em socor;
e noi son privatz d'avol gen; 20
ja mi no plai aprivasars
ab un croi ni trop consilhars
ab lausengier, car qui los cre
pro fai de mal e pauc de be.
IV. Ogonet, porta*m per presen 25
ma canson al emperador,
qu'el sap ben triar lo melhor,
tant a de valor e de sen;
e par ben als sieus rics afars
s'el s'es pros, qu'anc no fo sos pars; 30
co plus om retrai que i ve
a des i trop eu mais de be.
V. Emperaire, bei senher cars,
no cre que sia plus francs bars
que'l coms de Caret, que mante 35
pretz e fai tuz jortz mais de be.
8 t. ce c. — tutg.
9 me t. — 10 ualor] ssalosrs — 1 1 a be] ab — colors — 12 f.]
frolr — - J3 e bei nas — 14 et fehlt — 15 tenp — no fehlt.
18 blanciflors — 20 sont — gentc, — 21 aprivasers —
22 abm — 23 ab] ni ab.
25 p. p.] perresent — 26 inas — eperadors — 27 meglliors
— 28 ualors — 29 al sieu — 31, 32 undeutlich, 31 nur herauszulesen:
co plus so reter qelue, der obige Text beruhtauf Conjektur; 32 eu fehlt.
33 Eperaire — 34 que fehlt, es einzuschieben, schlägt schon
A. vor; franc — 35 del cont dcl C.; A.: del conte de C. — 36 de
fehlt, ist schon von A. eingeschoben.
Zenker, Folquet von Romans. 4
— 50 —
V.
Gr. 156, 2.
(Vergl. S. 22 f.)
Handschrift: L 32; gedruckt Archiv 34, 426; Strophe I auch
Zeitschrift III 378.
I. Aucel no truob chantan
ni no vei flor novella,
mas ieu nom lais de chan
ni de joi quim n'apella;
qu'en joi ai tot mon cor, 5
qu'om no sai qu'ora's mor
e ma donna*m te let,
qu'ab joi plagen
mon fi cor gazanhet,
per qu'ieu lim ren; 10
qu'ainch puois no fui ses joi noit ne dia.
IL De joi deu far semblan
qui fm amors capdella,
per qu'ieu fach son coman,
quar tan gen me cembella; 15
qu'en tal ai mes mon cor
c'onors m'er si lai mor;
que s'amors me nafret
tan douchamen
qu'inz en mon cor m'intret 20
jogan rizen;
totz soi sieus — qu'aissi fos ella mia!
III. Tan Tarn de bon talan
que'l cor me ressancella,
quez ainch no amet tan 25
Tristanz Ysolt la bella;
qu'ieu sai de mon fin cor
que per sobramar mor,
qu'ainch mais hom no amet
tan coralmen 30
1 Aucels — 2 flors — IG mos cor — 17 muor —
20 coi fehlt.
51
ni melhz no atendet
son joi sofren;
qu'aissi conquer amics bon' amia.
IV. Qui m'en vol tener dan,
aj' en son olh postella, 35
qu'ieu ai temencha gran,
quan nigus li favella;
donna, ajaz chal cor,
que mieus es lai que mor,
qu'ainch un jor no*m lonhet 40
vostre cors gen
ni re no desiret
tan coralmen;
las, ar crei quel desimrs m'aucia.
V. AI emperador man, 45
pos valors renovella,
que mov' ab esfortz gran
contra la gen fradella
ez aj' en dieu son cor,
que sarrazi e mor 50
an tengut li destret
trop lonjamen
la terr' on dieus nasquet
el monumen,
e tank he que per lui cobrat sia. 55
VI, Ries om qu'es d'avol cor
fai be lo jor que mor
e son n'alegr' e let
fil e paren,
qu'aicho qu'el amasset 60
parton rien;
gardaz si fai foldat qui s'i fia.
VII. N'Oth del Caret, lo cor
avez on prez no mor;
38 chail — 40 ujor — 44 deszirs — 49 dieus — 55 be fehlt.
4*
— 52 —
qu'ainch nulhz bars no renhet 65
plus franchamen
ni genchers no obret
home valen,
per qui'eu am la vostra senhoria.
Sirventese.
VI.
Gr. 156, 6.
(Vergl. S. 21.)
Handschriften: A 210, C 218, D 134, E 131, H 40, I 190,
K 175, P 28, E 15, S 163, T 182. In P S fehlt die letzte Strophe
nebst den beiden Toniaden, in CEET die zweite Tornada.
Wie gewöhnlich bilden die Handschriften ADIK zusammen
eine Gruppe; sie weisen einen gemeinsamen Fehler auf (mit CT)
V. 48: sos amics für son amic, welches durch den Reim car
gefordert wird, und haben gemeinsame Varianten V. 2, 8, 12, 19,
23, 28, 37, 39, u. s. f.; dass von ihnen wieder, wie auch sonst,
D I K sich näher stehen, darf wohl aus dem diesen (mit T) ge-
meinsamen Fehler V. 24 reingna für tenha geschlossen werden, wie
denn auch ihre Varianten V. 2 : Far vuelh eu un sirventes, gegen-
über A : Far vuelh un nou sirventes und V. 9 : ques daital vianda
gegenüber A: qa daital vianda schwerlich ursprünglich sind.
Als eine zweite Gruppe sind auszusondern die Hand-
schriften PST; sie zeigen gemeinsame Fehler V. 43: si cum vi
laltres für qu'ieu vi, sous autrei und V. 28 : Duna uoill qe siaz
cert für Mas dJuna re sia cert ; ausserdem haben sie gemeinsame
Varianten gegenüber allen übrigen Handschriften V. 1, 24, 26, 34,
37, 45. Eine Unterabteilung bilden wieder P S; beide gehen
offenbar auf die gleiche direkte Vorlage zurück, ihr Text ist,
auch bezüglich der Orthographie, — abgesehen von ganz mini-
malen Abweichungen — geradezu identisch. Der Vereinigung
von T mit P S zu einer Gruppe scheint nun allerdings zu wider-
sprechen, dass dieses, wie oben bemerkt, mit ADIK V. 48 den
Fehler sos amics und mit D I K V. 24 den Fehler reingna gemein
hat; ich sehe hier keinen andern Ausweg als die Annahme, dass
T eine zweite Vorlage des Typus D I K benutzt habe, wodurch
es sich denn auch erklärt, wenn T V. 56 mit ADIK greu für
mal der übrigen Handschriften liest.
Zu einer dritten Gruppe lassen sich zusammenfassen die
Handschriften C E H R; sie haben gemeinsam die fehlerhafte
Lesart V. 44, 45: so quel al marques d' Est fei El coms (es
müsste heissen: e al conte, was aber das Versmass verbietet,
s. die Anmerkung zu der Stelle) de Verona, ferner die Varianten
— 53 —
V. 1,2, 44, 48. Innerhalb dieser Gruppe muss, wie es scheint,
wieder ein engerer Zusammenhang angenommen werden zwischen
CEE; diese Handschriften lesen V. 8 melhor für seignor aller
übrigen Handschriften und entbehren der 2. Tornada, welche
in H erhalten ist. Andrerseits spricht nun aber für eine Unter-
abteilung EHR V. 15, wo an Stelle der offenbar richtigen Lesart
ei a von ADIK und C E en cui a, H cui a, R on a hat, welch
letztere Lesart doch wohl durch Aenderung des Copisten behufs
Herstellung der richtigen Silbenzahl aus der von E entstanden
ist ; und wiederum eine Unterabteilung GEH scheint gefordert
durch V. 52, 53, wo diese Handschriften fälschlich far für fatz
und veus für vec vos der übrigen Handschriften lesen. Wie man
sieht, kommt man in allen drei Fällen nicht durch ohne die An-
nahme, dass zwei von den Handschriften C H R eine doppelte
Vorlage benutzt haben, nämlich in Gruppe C E R — C und R,
in Gruppe E H R — H und R, in Gruppe C E H — C und H,
indem es nicht wahrscheinlich ist, dass C V. 15, H V. 8 und R
V. 52, 53 selbständig die ursprüngliche Lesart sollten wieder-
gefunden haben. Da nun C anerkanntermassen eklektisch ver-
fährt (vgl. Böhmer's Rom. Stud. II, 401) und, wie gleich gezeigt
werden wird, C und R vermutlich auf die gleiche Quelle zurück-
gehen, so entscheide ich mich für die Gruppe C E R und nehme
für C und R Benutzung einer zweiten Vorlage an. Dass C R
aus der gleichen Quelle geschöpft haben, wird wahrscheinlich
gemacht durch V. 24, wo beide li par ques tenha für li platz
que tenha aller übrigen Handschriften und durch V. 58, wo sie
— mit D, worüber unten — allein finalmen für coralmen lesen. Dem
widerspricht nicht, wenn die C E gemeinsamen Fehler V. 4 mi
demanda für demanda und V. 53 resp. 54 falhimen fai sich in
R nicht findet, indem eben R die erwähnte zweite Vorlage hier
zu Rate gezogen haben wird.
Was nun das Verhältnis der hiermit abgegrenzten Gruppen
ADIK, PST und C E H R zu einander betrifft, so liegt ein
Grund, die beiden ersteren auf einen gemeinsamen Typus zurück-
zuführen nicht vor. Dagegen möchte ich allerdings glauben,
dass ein solcher zu statuiren ist für P S T und C E H R, auf
Grund nämlich von V. 15 und V. 1. V. 15 haben wir folgende,
sämmtlich fehlerhafte, Lesarten: en cui ha E, cui a H, on a R,
e cui a T, quilla P S; ich bemerkte oben, dass die Lesarten
von II und R jedensfalls erst aus der Lesart von E entstanden
sind; mit dieser nun ist identisch die Lesart von T, und was
die Lesart von P S betrifft, so ist es, da sie gleichfalls relativisch
an das vorhergehende anknüpft, m. E. wahrscheinlich, dass auch
sie behufs Herstellung der durch das Metrum geforderten Silben-
zahl erst aus der Lesart von E T entstand. Somit hätten wir
hier einen sämmtlichen Handschriften der beiden Gruppen ge-
meinsamen Fehler. V. 4 haben C E fälschlich nol mi demanda,
T nolm demanda, welches offenbar auf die Lesart von C E zurück-
54 —
gelit. Da nun sonst kein Grnnd vorliegt, für T, für das wir
oben schon die Benutzung einer zweiten Vorlage des Typus
D I K anzunehmen uns genötigt sahen, noch eine dritte Vorlage
des Typus C E zu statuieren, da andrerseits H R und P S leicht
unabhängig von einander des Metrunis wegen das fehlerhaft
eingeführte mi weglassen konnten — PS mit Aenderung von nol
oder nolm in non — , so liegt die Annahme nahe, dass auch dieser
Fehler schon in der gemeinsamen Vorlage der beiden Gruppen
enthalten war. Ich glaube deshalb, dass sich das Verhältniss
der Handschriften durch folgendes Schema darstellen lässt:
0
y(?)
a
A
ß
D
\
i
K
II
s
C R
Das Gedicht ist gedruckt Lex.rom. I, 486; Archiv 33, 308 (P);
Bartsch, Prov. Lesebuch 86 (R); Prov. Chrestom.4 195 (CE I); M. W.
111,98; Studj d.fil.rom. III, 650 (A); ib. V, 484 (H).
I. Far vuelh un nou sirventes,
que razon n'ai granda,
e dirai de pretz on es,
s'om tot noT demanda:
pretz sojorn ab los cortes 5
e noi quier liuranda,
mas joi e valor
e ten celui per senhor
qurl da tal vianda.
1 Eu farai un s. P S T — eu un s. D I K, un nouel s. II
— 2 pos r. C E II R, et raison PS-n' fehlt D S - 4 so t. D -
nol mi d. C E, nolm T, non PS — 5 lo c. P S, lor c. I K
— 6 non A, noll S, noill P, no lur T, nos H — 7 e fehlt II —
et amor A — 8 tenc E — rnelhor C E R — 9 ques (qui es C)
daital C D I K, qill dai tal P S, quil dat a H, qa daital A —
vida C.
— 55 —
IL Pretz vol ome conoissen 10
ab fina largueza,
franc e umil e plazen
e ses avoleza,
a celui se don' e*s ren
ei a s'amor meza; 15
mas pauc n5a conques,
qu'en cen baros non a tres
complitz de proeza.
III. Jamais negus mos amics
no vuelh rics devenka, 20
pos mos senker Frederics,
que sobre totz renha,
era larcs ans que fos rics;
er li platz que tenha
la terr' e l'aver, 25
aisso m'en comta per ver
cascus qui qu'en venha.
IV. Mas d'una re sia cert
qu'als savis aug dire:
qui tot vol tener tot pert; 30
en aiso se mire
e tenha donar ubert
quel roda no*s vire
10 om c. T, om enconoisses PS — 11 tuta LT — 12 leial
e p. A D I K, leial et cortes PS — 14 si dona eis ren A, no
dona res P S — 1 5 en cui ha E, e cui a T, cui a H, quilla P S,
onaE- 16 paucs (paucxR) ACDER- 17 mill b. S, null
b. P — coinpli P S.
19 nulhs de m. a. C E H E — 20 esde venha E — 21 per
mo C — s eignen I K — 22 qi H — teingna 1 — 23 quera C —
fo 1. enanz A D I K - quel E, qil (eil T) H P S T — 24 or
P S T, anz H — li par ques CR — qel H, qil P S, eil T —
reingna D I K T — 26 caisoin T — comtan ADK, contora
P S, cömtom T, canta c — 27 qeni P.
28 Mas ben uuoill que sapcha cert A D I K, Dana uoill
qe siaz cert P S, Duna uoigll ce si acort T — 29 cal s. D T,
ca il sabi P S - - 30 tenir ADPST-31 etena. II — en so
se remire A K, en so remire I, e no sen remire D — 33 qe
H P S — nois u. A.
— 56 —
so desus desotz,
qu'al virar faria totz 35
sos enemics rire.
V. Et am dieu que sus l'a mes
e l'a dat Corona,
e son cosin lo marques,
que cascus razona 40
que venir Irn deu grans bes,
eil razos es bona;
qu'ieu vi, so*us autrei,
l'amor que cel d'Est 11 fei
e\L coms de Verona. 45
VI. Per qu'eu li vuelh cosselhar,
car Tarn ses bauzia,
que son amic tenga car
e ric tota via,
que ben a poder de far 50
miels c'om qu'el mon sia
fatz d'ome valen;
vec vos doble falhimen,
si non o fazia.
VII. Emperair', ieu*s vuelh prejar 55
que ja mal no*us sia,
34 lo d. H, cel d. P S T — 35 qtiel v. C, car v. E —
fai totz H.
37 Anz am P S T, E laus (lau CE) CEE, E ia H - lo
mes A — qi sul a mes T — 39 e moseuhor CEE, en mons. II
— 41 venir leu deuret g. b., que fehlt, PS — li deu T — 42 er.
C E H E P S T — et ualora b. P S, euentura b. T — 43 e vic
ADIK — si com ui laltres PST — 44 so quel al (que al C E)
marques dest fei C E H E — li fes P S T — 45 el cont P S T,
com E.
40 Daitant 1. v. T — qvvull v. E, quiel v. II — lo v. A
C D T - 47 ce 1. T — 48 sos amics ACDIKT-t. cars T -
49 rics A C D I K T - 50 cel na ben p. T - del f . D E II I K
— dar C — 51 mais H — miel re dorn cel m. s. T — 52 far
C E II — 53 veus CEE, e vos T - gran d. C — f. fai E —
54 sil T — fai si no f. C.
56 greu A D I K T — non s. T.
— 57 —
s'ieirs die mon talen,
que car vos am coralmen,
vos mostr' aital via.
VIII. N'Otz del Carret, be*us tenc car, 60
car en Lombardia
no sai plus valen,
ni negus no inen desraen
de ben qu'eu en dia.
VII.
Gr. 156, 11 und 13.
(Vergl. S. 22 ff.)
Handschriften: C 229, M 237, R 52, T 183, c 16. In M
wird das Gedicht dem Guillem Figueira (en figera) zugeschrieben,
vgl. S. 1. Die Anordnung der Strophen in C R weicht von der
in M T c ab ; das Gedicht beginnt dort mit Str. II, Str. I ist
zwischen Str. IV und Str. V eingeschoben; wie schon oben be-
merkt, ist Bartsch dadurch verleitet worden, das Gedicht im
Gr. 156 zweimal, als n. 11 und n. 13, aufzuführen. Str. VI und
die 2. Tornada sind nur in T c überliefert, die 1. Tornada steht
ausser in T c nur noch in C, hier aber in etwas abweichender
Fassung. M schliesst mit V. 50, R mit V. 47, der aber hier, wie
in C, ersetzt ist durch V. 50; V. 48 — 50 lauten in C anders als
in M T c.
Was das Verhältniss der Handschriften betrifft, so sondern
sich zunächst C R auf Grund der verkehrten Anordnung der Stro-
phen und auf Grund von V. 47 als Gruppe ab. Dass die Strophen-
folge von C R thatsächlich fehlerhaft ist, unterliegt wohl keinem
Zweifel. Str. I von M T c enthält offenbar die Einleitung, zwischen
Str. IV und V passt sie nicht in den Zusammenhang. Ebenso
haben V. 47 ff. augenscheinlich M T c das richtige ; die Lesart
von C lässt sich ohne Schwierigkeit aus der von M T c ableiten :
in der gemeinsamen Vorlage von C R werden V. 47—49 von
M T c ausgefallen gewesen sein, so dass V. 50 unmittelbar auf
V. 46 folgte; in dieser verkürzten Form wird uns die Strophe in R
geboten; der Schreiber von C hingegen dichtete, um die Strophe
voll zu machen, selbständig drei neue Verse hinzu. Wollte man um-
gekehrt annehmen, die Lesart von C sei die ursprüngliche, so wäre
es schwer begreiflich, wie aus dieser die Lesart von M T c hätte
werden sollen ; man müsste dann annehmen, es sei in der Handschrift,
57 sieu E II T — en d. T — 58 finamen C D R — qe tan
v. H — 59 mostri tal T, mostrarai tal D.
60-64 fehlt GERT — 63 deffen D.
— 58 —
welche die Quelle der gemeinsamen Vorlage von M T c bildete,
V. 48 — 50 des Textes von C abgefallen gewesen und es habe
der Schreiber der Vorlage, um die Strophe voll zu machen,
zwischen 46 und 47 des ursprünglichen Textes die Verse, welche
jetzt als V. 47 — 49 in MTc stehen, eingefügt. Offenbar wäre
es in diesem Falle nicht einzusehen, warum der Schreiber V. 46
und AI auseinandergerissen und die selbstfabricirten Verse zwischen
sie eingefügt haben sollte, statt, wie es doch am nächsten lag,
einfach an V. 47 drei neue Verse anzuhängen. Ich glaube deshalb
die Lesart von M T c als die ursprüngliche und die Lesarten von
R und C als aus ihr abgeleitet betrachten zu sollen.
Für die Stelle nun, die wir M anweisen wollen, ist es
entscheidend, ob wir die allein in T c überlieferte Strophe VI
für echt oder für interpolirt halten. Da, soweit ich sehe, von
Seiten ihres Inhalts sowohl als ihrer Form ein Bedenken gegen
ihre Echtheit nicht vorliegt und auch die sicher echte 2. Tornada
in T c allein erhalten ist, so ist m. E. kein Grund vorhanden, ihre
Echtheit in Zweifel zu ziehen. Dann geht also M mit C R auf
die gleiche Quelle zurück, da es doch nicht wahrscheinlich ist,
dass zwei Schreiber unabhängig von einander die nämliche Strophe
weggelassen haben sollten. Im übrigen nimmt bezüglich der
Textüberlieferung M allerdings durchaus eine Sonderstellung ein,
irgendwelche Fehler hat es mit C R nicht gemein.
Dass endlich T c zu einer Gruppe zu vereinigen sind, be-
weisen die Lesarten von V. 18 (hier war quäl, das c fehlt, offenbar
schon in der Vorlage ausgefallen, T setzt, um die Silbenzahl
voll zu machen, lo ein), 22, 27, 40, 4L
Danach können wir folgenden Handschriften - Stammbaum
aufstellen :
0
M
C
R
Das Gedicht ist gedruckt Rayn. IV, 126; P. 0. 121; M. W.
III, 97; ib. III, 106; kritisch herausgegeben wurde es schon von
Levy, Guillem Figueira S. 70, aber, da Levy die Identität vöp
Gr. 11 und 13 zu spät bemerkt hatte, nur nach MTc und mit
Zugrundelegung von M, welches gerade einen stark überarbeiteten
Text zeigt. In der Lesung der Handschriften weiche ich bis-
weilen von Levy ab.
— 59 —
I. Quan eng chantar, ieu plane e plor
per so que vei esdevenir,
car per pauc no mner de dolor,
quan en mon cor pens e cossir
la perd' e*l gran dampnatge 5
qu'a pres cortezia e solatz;
que si de servir vos mesclatz
ni'us donatz alegratge,
totz diran que'us etz fols provatz,
si de tot joi no vos laissatz. 10
IL Tornatz es en pauc de valor
lo segle, quii ver en vol dir,
ei clergue son ja li peior
que degran los bes mantenir,
et an aital uzatge 15
que mais amon guerra que patz,
tan lur plai malez' e peccatz,
per qu'al premier passatge
m'en volria esser passatz,
quei mais de quan vei mi desplatz. 20
III. E son ves eis mezeis trachor
li ric malvat, per queis azir,
quil an uelhs e non an lugor,
nin re no sabon avenir
que sia d'agradatge; 25
qu'aissiis eissorba cobeitatz,
2 daisso C, de so R — cieu v. T — 3 qa c, qe M — 5 la
gran perda el d. M — 7 servir] chantar M — no m. T — 8 nieus E
— 9 il diran Tc, hom dira M — que'us] vos C R T — fols auratz
C R — qe fols iest p. M — 10 totz joys M — ioi fehlt T.
12 segles Mc — qui v. C R — 13 qel c. M — clerc T —
14 qi c — lo ben enantir T, lo mon in. M — 15 im tal Tc, ital R
— 16 guerras c — 17 e m. T — 18 per quel R, per lo T —
quäl fehlt c — 19 volgra ieu M.
2 1 Entrella mezeises son t. M — vers eus T, vers lor c —
22 lo (le) mais dels rics T c — nazir C R, air c — per cieu lasir T
— 23 quels CR — qe nueg ni iorn non hau 1. M, qil ant oilc.
on non a 1. c, qe igll an uogiil e n. a. lusor T — '24 res C R
— qen re T c — qe sapchon en ren a. M — 25 qe lur torn a
barnage M — 20 tan los essorba M — asorba T.
— 60 —
enjans, feuni' e malvestatz
que perdut an paratge,
e per aisso pert sas clardatz
pretz e valors e Halt atz. 30
IV. Ben volgr' aguessem un senhor
ab tan de poder e d'albir
qu'als avols tolges la ricor
e nois laisses terra tenir,
e dones Teretatge 35
a tal que fos pros e prezatz,
qu'aissi fol segles comensatz,
e no*i gardes linhatge,
e müdes om los rics malvatz,
cum fan Lombart las poestatz. 40
V. Ar prec al bon emperador
que s'es crozatz per dieu servil-
que mov' ab fors' et ab vigor
ves la terr' on dieus volc murir
e mes son cors en gatge 45
per nos en fo en crotz levatz,
et es totz oms desesperatz
qui no*i a ferm coratge,
qui ve com el fo clavellatz
per nos e batutz e nafratz. 50
27 e. e dol am.M — enjans fehlt T — feunia e m.j c fina
m. Tc — 28 per qan perdut p. M — perdut] destrutz T c —
29 ez enaissi x>ero M — per aicels T, p. aqels c.
31 agesem T, agessen c, accem CR — fossem dun scinhor M
— 32 aib aitan de T — 33 quäl c — avols] auls T — 34 ni no
lur laises T — noil c — e fezes lals pros departir M — 36 qui c
— entre los ualentz eis pr. M — 37 fo lo s. M — 38 lignagnos
T, parage M — 39 hom] totz M — 40 si c. f. lombart poestatz
C R, ansi com peior abatz T, si com fai prior et abaz c.
41 E p. C R — al nostre e. M — 42 qui c — per qe
si croge p. d. s. M — 43 qel m. T — esmou a. f. e sa v. M
— 44 uenscr T — uenc m. Tc, in c übergeschrieben uolc —
45 cor Tc — 47 — 49 fehlt in CR, auf 46 folgt 50: e per nos
b. e n.; damit schliesst R, in C folgt als v. 48 —50 : Don fam grau
vilanatge Quar per nos son tan sufertatz Los turcx fals e des-
nofetatz — 47 tot hom c — ces t. oms T, e t. h. es M — 49 el
fehlt T quie con fon marturiatz M — 50 M schliesst mit v. 50.
— 61 —
VI. Tut deuriam aver paor,
quar melh no li sabem grazir
so qu'el sofri per nostr' amor;
qu'el receup mort per mort auch*,
tan volc nostr' omenatge; 55
per que fo de bon' ora natz
totz om quii servira crosatz
ni faral sieu viatge;
qu'anc pos qu'el fo deseretatz,
non ac onor cristiandatz. 60
VII. Emperaire, si be#us pessatz
cum dieus fai vostras voluntatz,
mout l'aurez bon coratge;
qu'el vol, et es ver, so sapchatz,
que vos cobretz sas eretatz. 65
VIII. Sirventes, Mon Cenis passatz
et an Oth del Carret digatz
qu'ieirs tramet per messatge
qu'el s'an lai on Jesus fo natz,
puois er son bon pretz coronatz. 70
VIII.
Gr. 156, 12.
(Vergl. S. 25.)
Handschriften: C '229, E 15, M 247; in M ist die Ueberschrift
Uns clers. C und E haben gegenüber M gemein die Anordnung
der Strophen — in M: I, II, V, IV, III — sowie die Mehrzahl der
Varianten, vergl. 5, 11, 14, 15, u. a.
Das Gedicht ist gedruckt bei Eayn. IV, 123 und M. W. III, 96.
I. Quan lo dous temps ven e vai la freidors
e de razo atruep mout gran viutat,
ben dei chantar, quar trop n'aurai estat,
51 deurian c — paura T - 52 sabon c — 53 sofre c —
57 quel T c — 59 can T.
61 ben uos T — 62 fay dieus C — faic T — 63—65 lauten
in C: E lavetz fin coratge Hom dira vos etz coronatz De pretz
sobre totz e renhatz; der Eest fehlt C - 63 li au. c — 64 vers c
— 65 co T — (h)erita(t)z T c.
66 Serventes c — 68 qieu uos T, qeus c — 69 quez an c.
1 Qan lc uai e uen 1. f. M — 2 de — viutat fehlt M uieutat E,
— 62 —
et a m'o tont marrimenz e dolors
que ai, quan vei anar a perdemen
e destruire sanhta cresti antat
e tot segle vei perdut e torbat,
per qu'ieu nom puesc dar gran esbaudimen.
IL Comtes e reis, ducs et emperadors,
e manh baro e manhta poestat
vei guerrejar per plana voluntat
e*l fort tolon als frevols lurs onors;
e morrem tilg, so sabem verainen,
doncs laissara quascus sa er etat
e so qu'aurem de tort e de peccat
trobarem totz al jorn del jutjamen.
10
15
III. Quan dieus dira: „Selhs qu'an freitz ni calors
sufert per mi ni lur sanc escampat
e m'an blandit e temsut et amat
e m'an servit e fag be et onors, 20
aquilh seran ab gaug ses marrimen,
e selhs qu'auran de mi tort ni peccat
ses falhimen, que no'ls er perdonat,
cairan lains el foc d'infern arden."
IV. Adoncs er fag Lira e*l dols el plors, 25
quan dieus dira: „Anatz, malaurat,
ins en infern, on seretz turmentat
per tos temps mais ab pena et ab dolors,
quar non crezetz qu'ieu sufris greu türmen;
mortz fui per vos, don vos es mal membrat." 30
E poiran dir selhs que morran crozat:
„E nos, senher, mort per vos eissamen."
4 marrimen CR - 5 qieu hai qar u. M — 7 troblat M.
9 e e. C M; ducs fehlt R — 11 pl. cobeitat M — 12 eis
fortz CR — 14 e laissera . . la er. M — 15 e quant au. M.
17 e c. M — 18 e 1. M — 19. ni t. R — 20 ni m. s. ni mä f.
be ni onor R — 22 e p. c — 23 noilh e. M.
25 eis d. eis pl. C; el dol el plor R — 28* fehlt M —
29 sufri C — 30 m. soy R; p uos fui mortz . . . mal menat M
— 32 p vos mort M.
— 63 —
V. Ailas caitiu! com grieus er la dolors
e que direm, qnan serem ajostat
en camp florit, on veirem clavellat 35
dieu en la crotz per totz nos peccadors,
e pe'l costat nafrat tan malamen
e de ponhens espinas coronat!
Adoncs volgram quascus aver cobrat
la vera crotz el sieu sanh monimen. 40
IX.
Gr. 156, 10.
(Vergl.S.27f.)
Handschriften : C 229, E 310, G 116, J 4, P 28, R 52, S 164,
Y 2, c 14, f 5, i») 107, t*) 77; in G Y anonym. Der Copist von Y
war ein Franzose, die Formen sind grossenteils französirt ; ausser-
dem ist die Seite, auf der das Gedicht steht, stark abgenutzt,
so dass von einzelnen Wörtern fast nichts mehr zu sehen ist
und die Lesarten vielfach unsicher werden, t enthält nur Str. 1,
III und IV.
Die Beziehungen der 12 Handschriften zu einander sind
ziemlich verwickelte. Zunächst weisen GPSYcfV. 56 eine
gemeinsame Lücke auf und eben diese Handschriften, dazu noch E
und i, haben V. 50 gemein den Fehler nos conven für nos er.
Trotzdem geht es nicht an, E G P S Y c f i zu einer Gruppe mit
der Unterabteilung G P S Y c f zu vereinigen, da, wie unten
gezeigt werden wird, i mit R auf's engste verwandt ist und f
gleichfalls in fast sämmtlichen übrigen Fällen zu J R i steht;
wir müssen f und i ausscheiden und annehmen, dass beide stellen-
weise eine zweite Vorlage benutzt haben. Es bleibt also be-
stehen die Gruppe E G P S Y c, mit deren Ansetzung im Ein-
klang steht V. 14, wo alle diese Handschriften fälschlich totz vor
eslaissatz einschieben. Schwierigkeiten macht indessen die Zu-
teilung von E; allerdings stellt sich E in dem eben erwähnten
Falle sowie V. 50 (s. o.) zu G P S Y c, auch geht es speciell mit
G Y c V. 31 und V. 37 — denn das fet der Handschrift ist doch
sicher zu fehle zu ergänzen — und mit G c V. 7, aber andrerseits
weist es den G P S Y c fehlenden Vers 56 auf und hat mit J f
33 fehlt CR— 34 direz R; qez aurem tuit q. s. a. M
— 35 cap C; eu.M — 36 dieus . . . tug li peccador C — 37 ez
er feritz el costat duramen M — 39 be uolriam adonc a. c. M.
1) Die von Stengel, Zeitschrift I, 387 abgedruckte Kopen-
hagener Handschrift.
2) Ich bezeichne mit diesem Buchstaben das von P. Meyer,
Daurel et Beton. Paris 1 880 S. LIXX— CXX beschriebene Didot'sche
Manuskript.
— 64 —
gemein die Varianten V. 14 enlaisatz für eslaisatz und V. 53 — 54
trobarem-caurem. Wir werden im Hinblick auf die grössere Zahl
gemeinsamer Varianten E von G P S Y c nicht trennen dürfen,
aber wir werden nicht umhin können, anzunehmen, dass es gleich-
falls nachträglich aus einer zweiten Vorlage, und zwar aus einer
Vorlage des Typus J f, einzelne Lesarten aufgenommen hat.
Innerhalb der Gruppe E G P S Y c gehören nun wieder P S eng
zusammen; von ihnen gilt auch hier das oben bei Lied VI
bemerkte, ihre Ueberlieferung ist identisch. Sodann besteht
eine nähere Verwandtschaft zwischen GYc, wie die Varianten
V. 17 plus für mais, V 31 a dolor für ab dolor und V. 37 fehle
für frevol zeigen; was ihr gegenseitiges Verhältnis betrifft,
so steht c teils zu Y teils zu G ; es hat mit Y gemein die Fehler
V. 4 tutz las heritaz- touz les heritaz, V. 3 qe hörn lais — que
om laise, V. 17 e qant om uiu plus dans ( — 1), V. 49 ver la mort,
auch wohl die Lesart V. 43, — denn dem cum faxt un fol des-
mesurai in Y liegt doch jedenfalls eine Wendung mit com fal,
wie sie c bietet (com fal sordeior) zu Grunde — , endlich die
durch die Uebereinstimmung der übrigen Handschriften — aus-
genommen J — als fehlerhaft erwiesene Variante V. 55 : preghen
dieu — our prion deu; andrerseits stimmt c mit G V. 7 und 33,
beidemal deuria für deu, V. 23 e sen für car sen, V. 29 mens
que für mentier que und V. 28 At bezw. Ar für Donc. Es Hesse
sich also ebensowohl eine Unterabteilung Y c als G c recht-
fertigen; ich entscheide mich für die letztere Möglichkeit, mit
Ansetzung einer zweiten Quelle für G, da eine solche, und zwar
eine Quelle des Typus J, mir ohnehin auf Grund von V. 4 und
V. 42 für G angenommen werden zu müssen scheint.
Mehrfache gemeinsame Varianten gegenüber allen anderen
Handschriften thun dar die enge Zusammengehörigkeit von R
und i, vergl. V. 11, 20, 44, 51, 52, 53; zu ihnen tritt f auf Grund von
V. 2 und 52 und diesem wieder ist nahe verwandt t (nur 3 Strophen,
s. o.), wie V. 3 (die gemeinsame Vorlage von E f t hatte offenbar
an der Stelle von laloc eine Lücke, die in den drei Handschriften
verschieden ausgefüllt wurde), 20, 21, 30, 34, 36 zeigen, doch hat
letzteres, nach V. 4, 22 zu schliessen, daneben noch eine Hs.
des Typus G verwertet. Auf die gleiche Vorlage mit Rif(t)
muss dann J zurückgehen, wie sich ergiebt aus dem ihm
mit f gemeinsamen Fehler V. 44 : mal plag für nul plag, der
offenbar auch in der Quelle von R i vorhanden war, hier aber,
weil sinnlos, in son plag geändert wurde, sowie aus der ihnen
gemeinsamen Variante V. 53, 54 (s. o.), die offenbar gleichfalls
auch in der Quelle von R i stand. Wir erhalten somit eine
Gruppe J f (t) R i, welche in der That allen übrigen Hand-
schriften gegenüber eine Reihe gemeinsamer Abweichungen auf-
weist: V. 17 sei que und qui (J) für für quant hom, on om, com,
V. 22 mogutz für vengutz (ausgenommen t), V. 34 breu dora für
breu de temps, pa\ic de temps, un sol puntz, V. 37 Non ia für
Queu oder Eu non vei. Doch müssen wir, wie oben bemerkt,
— 65 —
für f und i auf Grund von V. 50 und 56 die Benutzung einer
zweiten Vorlage des Typus G P S Y c ansetzen, durch welche
Annahme es sich denn auch erklärt, wenn beide Handschriften
V. 9 mit G P S Y c es viandans für em viandan J R lesen, und
wenn i V. 28 mit der Variante Or zu G c (G At, c Ar) steht. Aber
auch J tritt mit der Variante V. 55 (s. o.) aus der Gruppe Rf i
heraus, es wird somit auch für dieses die Annahme einer zweiten
Quelle des Typus G Y c nicht zu umgehen sein.
Was endlich C betrifft, so werden wir dieses in Berück-
sichtigung der Thatsache, dass es anerkanntermassen mit R nahe
verwandt ist, der Gruppe J f R i zuweisen dürfen, wenn auch
ein Beweis für seine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe aus den
Varianten nicht zu entnehmen ist.
Somit dürfte folgendes Schema das Verhältnis der Hand-
schriften annähernd richtig darstellen:
0
ß
E P
9
Y
G c t f R
Das Gedicht ist gedruckt Lex. rom. I, 488; M. W. III, 99:
Arch. 35, 104 (G); M. G. 1073 (R); Archiv 49, 305 (P); Zeit-
schrift I, 394 (i); P. Meyer, Daurel et BetonLXXXIX (Str. I, III.
IV nach t).
I. Quan be me sui apessatz,
tot- l'als es niens mas dieus;
qu'om laissa l'aloc e'ls fieus
Strophe I ist in E durch Ausschneiden verstümmelt, es fehlt :
Quan . . tot . . dieu ... eis f ... . tatz . . . mal . . . espassamens per
quom d . . .
1 mi sui ben a. G — On mielhs m. s. a. R — E quat heu
m. s. b. a. Y — perpensatz J — 2 tutz lals c, touz laus P S, totz
laus t, toi lautr G, . . . lalre E — tout autre est ren mais semr (?)
deu Y — nulha res non es m. d. R f i — 3 laissale alos C — los
alos . . . ieus E, alos e f. J, la locs el feus P S, lalou el fieu i,
onors e f. R, solas e. f. f, teres e. f. t — con laisa los alou el feu G,
que om laise le lonc el faic Y, qe hom lais lalou el feu c.
Zenker, Folquet von Romans. 5
— 66 —
e totas las eretatz;
ricors del segle malvatz 5
non es mas trespassamens,
per qu'om deu esser temens
e lejals ses totz enjans,
quar quascus es viandans.
IL Qu'aitan tost cum om es natz, 10
mou e vai coma romieus
a jornadas et es grieus
lo viatges, so sapchatz;
que quascus vai eslaissatz
vas la mort, qu'aurs ni argens 15
non Ten pot esser guirens,
et on om mais sai viu d'ans
ses dieu, mais fai de sos dans.
III. E tu, caitiu, que faras,
qui conoisses mal e be? 20
4 t. sas eretatz R f, tutz 1. her. c, touz lez h. Y, las autras
(autres t) ereptatz G J t — 5 el ricor GJPRSci, ela ricor E,
quel ricor Y f — 6 mais un tr. c — 7 deuria G c, ... euria E
— tremenz S, trement Y — 8 ehal f — sus i — tut enzan G R Y t
— 9 que qu. C G J i — em v. J R t — vianda G, viandan R.
10 Aissi t. C, Aitan t.Rci, Car tan t. E P S Y, Sti t. G —
cant hörn. R — 11 mou enuia P, m. en uai S, vai e mou R — com
r. Pc, come r. S, co fal romieu R, cum fa romeu i — 12 azornada
Gi, aiornaz c — breu G — 13 lo viatges so fehlt R — 14 via i
— enlaisatz J — car cascuns vay enlassatz f, que ia pueis que
es lassatz R, cascuns uai totz enlaisatz E, car c. v. tuz eslaissaz
S, e vai sen tot eslaisaz G, car si sen uay cha6un tont eslaissat
Y, qa hom sen va toz eslaissaz c ; der Vers fehlt in P — 15 vers
GPS, ver Y c, ves J — a la m. R — 16 ne li p. aueir Y — li
p. R — garenz S P Y cf — 17 et can hom m. P S, e qui mais J
— com mais uiu hom dans E, e qand hom plus s. v. d. G, e qant
om uiu plus d. c Y (in Y nach plus 4 Buchstaben ganz verwischt),
e sei que may sai vieu dan R, e sei qui sai mai vien danz i,
e sei que m. sa uiu d. f — 18 ses d.] ni dias R — i fai i, fai
mais G — son d. P S Y c, son dan G R.
19 Las tu i — chatis P S, chaitis Y — 20 qe conois los
mais el be G, qe conosc lo mal el ben P S, que conoisses le
mal et el bien Y, qui conoisel mal e ben c, que sabes los mais
sei bes R i — m. eis bes E, mais eis (e t) bens ft.
— 67 —
fols es si non t'en sove
don iest vengutz ni on vas;
s'en ta vicla be no fas,
tu mezeis t'es escarnitz
e si s'en part 1' esperitz, 25
carguatz de peccatz mortals,
ta mortz es perpetuals.
IV. Donc garda cum obraras,
mentre vida te soste,
quen pauc d'ora s'esdeve 30
que om mor en un traspas;
per qu'om non deu esser las
de ben far, quan n'es aizitz;
qu'en breu de tems es falhitz
lo jois d'aquest segle fals, 35
qu'a totz es mortz cominals.
V. Non i a frevol ni fort
que tan sapcha d'escremir
21 greu er C — ten soues E, ti souens f, te souen G c, ti soue
JE — sei ne ti s. Y — Si dontcas no ti sobes t — 22 inogutz
J R f i — e ont v. Y — un es v. n. un v. P S — 23 sin C J, si en R,
ni en t, e sen G c, que sen P S f , quar sa E, car sen Y — 24 tiest
J R, ten escarnis E, te scarnis G, nes e. P S, eis scarnit Y —
25 que si C, aisi s. p. E car sei s. Y — e sin pert lo speriz G
— 26 del P S, dels J — peccat mortal R — 27 la toa mortz E —
er p. CRfi, sera Y — perpetual R — qar a tutz es mors p. c.
28 Donx E J R f, Dun P S, Adont t, Ar c, At G, Or i — cant
o. R — 29 mentre que J, mentier que Y, mens que G, meine,
que c, tan quan C, tan com PS — vidat soste J, vide te sostes
E, v. ti sosten f — 30 breu d'ora C R f t, breu de temps G —
qa mantas uez c, car mainte feis Y — sendebe t, se denen G,
qen deuen c, deuient Y — 31 com mor E, com sen mor G, com
es mors P S, fehlt t — 32 pour que Y — deuria G c — p. que
non qeu hom t — V. 33 — 47 sind in E durch Ausschneiden
verstümmelt, erhalten : de . . . en breu de tems .... seigle fals
cat . . . Eu no uei fet . . . cha descremir . . . quar non gar . . .
zura ni tort . . . e lo plus bei c . . . per nuill pla . . . trag. Eu no
sai ma . . . . se prengua d. s. — 33 q. est a. c, qui nes ai. GPS f,
en est aisit Y, car ades es auzit t — 34 pauc de t. G, breu dora
J R f t — quen breu dores hom f. i — car en breu t. Y, qan un sol
puntz c — es fenit t — 35 la iost R — 36 qu' fehlt G f t — la m. Y.
37 Quar noy a C, Eu no vei E P S c, Qeu non uei G, Que
heu ni uey Y — feble n. f. G Y c, fet . . . E — 38 qar t. c —
de lescremir Y.
— 68 —
qu'a la mort puesca gandir;
qu'il non garda agur ni sort, 40
dreg ni mezura ni tort;
qu'aissi tost pren lo melhor
el plus bei co*l sordeior
e negus hom per nulh plag
no*s pot gardar del sieu trag. 45
VI. Eu non sai mas im conort:
qu'om pesse de dieu servir
e qu'om se gart de falhir
mentre que vai vas la mort;
qu'a passar nos er al port 50
on tug passon ab dolor,
li rei e l'emperador,
e lai trob' om atrazag
lo ben el mal qu'om a fag.
39 o posca R — 40 tan guarde C, qe n. c, car ni g. Y, car
n. g. E, quil non val f — qui uol gardar aur ni sort ß — 41 fehlt
in C — ni d. GPScf — in Y nur: dreit nie . ., das übrige aus-
gekratzt — 42 quaitan t. G J E f i, cautressi Y — tost] leu f —
prendal m. c — ruelor C — 43 el p. b. c] com fal c — com lo
peior G — col s.] cum fait un fol desmesurat Y — el plus ric cum lo
peior C — el plus pauc con la mayor f — 44 ui n. P S, pero
n c — e doncx nulh h. R, e ya negun f — mal plag J f, son
plag Ri, negun p. Y — 45 non puosc c — guandir CR — nos
gardara f — de son t. C Y f i7 daquel t. R, del soi t. c.
46 noi J R — Non y sai C, 0 ni as c, Ära non uei G, H om-
ni uey Y, Non uei i — mas un fehlt G — 47 qe hom pens c, com
se pung PS,... se prengua dieu s. E, com so (?) pens Y, mais
com pens G Rf i, cal com p. J — en d. s. c — 4b e que s. g. E,
e ques garde J — se gardi P — e que ora s. g. Y — 49 m. quom
v. C R i, mentre sen v. P S, mentrom v. c — que fehlt E — vau
v. i — a 1. m. R — menter con (?) enver 1. m. Y, qades uas hom
u 1. m. G — 50 qar PSc, que Y, e G — nos conven a. p. GPS
Y c f i — car nos cauem passar a. p. E — als portz f, a cel p. Y
— 51 pason tugh R i — a dolor E G Y c, ab paor R — 52 et r.
et e. P S Y c, e li r. el e. E, reys coms et e. R i, coms e reys enpera-
dors f — 53 trobon a. C — e lai trobarem J, lai trobarem E,
e trobarem f, aqui parra(n) R i — in Y von dem Verse auf
Rasur nur: tout entresait — 54 los be el mals G, el b. e. m. c,
lo mal el ben s, los mals eis bes E, lor mals eis ben i, li mal
el bei R — que an f. C, caurem f . E J f , cauras f. R, couen an
f . i — in Y nur : lou ben et . . . que . . ge . . fait.
— 69 —
VII. A dieu prcc per sa doussor 55
que nos fassa tan d'onor
quems guart de mortal aguag,
tro son plazer ajam fag.
Coblenwechsel.
X.
Gr. 156, 4.
(Vergl. S. 22 u. 25.)
Handschrift: II 51; gedruckt Archiv 34,405; M. G. 1134;
Studj di fil. rom. V, 519.
I. En chantan volh que'm digatz,
senh'en Blancatz,
se vai l'emperaire
vas la terra don deus fon natz,
vos qirea pessatz 5
o quen cuiatz faire ;
qu'eu volrai retraire
zo que*us n'er veiaire,
sei viatge vos agenza
o si'os platz la remanenza ; 10
c'ancor non a gaire
qu'il contessa de Proenza
dis que per sa entendenza
eratz gais e chantaire.
En Blancatz li respondet en aquesta cobla:
IL En Falquet, ben o sapchatz 15
qu'eu sui amatz
et am ses cor vaire
leis en cui es fina beutatz
55 Preguem (preghen c) dieu J c, Hour prion deu Y —
56 fehlt in G P S Y c f — quelh n. C i, quem E — 57 guar C
— quem g. E G P S f , qe nesgard c, nos g. R — dcl m. a. C P S
— 58 tro 1 sieu p. J ß c — lajam C, li ayam f — aia E P S — taut
que son plaixer ayan fait Y — pro qaia mais de ben faiz G. —
7, 8 Qeu volrai qem digatz Zo qeus ner ueiaire Qeu volrai
retraire — 9 e s. viatz — 13 que fehlt — 15 be — o fehlt. —
1.9 en lei c.
— 70 —
e gais solatz ;
qu'elam po desfaire 20
e se*s vol refaire,
que de prez es maire;
ab sen et ab conoissenza
et ab bels dichz de plaisenza
sap cor de cors traire ; 25
eu farai ma penedenza
zai antre mar e Durenza
apres del seu repaire.
XL
Gr. 156, 9 und 310, 2.
(Vergl. S. 27.)
Handschrift: H 54; gedruckt Archiv 34,412; Studj di fil.
rom. V, 534.
Falquet de Roman a Nicolez:
I. iVicolet, gran malenansa
ac, can vos vi desconfire;
mais vos valgron que la lanza
li esperon, zo auc dire;
d'aizo no vos podetz esdire 5
que l'ausberc el bran rudolen
rendes ses colp ad un serven,
ni no-us en podetz escondire;
gardatz si fezes falhimen
vas la bella que*us acuolh gen. 10
Nicolez de Turrin li respondet:
IL Trop son de dur' acoindanza
Borgonhon, per qe'ls adire,
Falquet, qu'a la comensansa
me tolgron solatz e rire;
enoios son al meu albire, 15
per quem parti de lor fugen
e segi lo comte valen
21 resfaire.
3 qe mais — 5 no vos] nos — 10 la bei.
11 dura coindanza — 17 segil c.
— 71 —
Godofre de cui sui servire
el pro comt' Ubert eissamen
c'avia de vezer talen. 20
XII.
Gr. 181, 1 und 156, 1.
(Vergl. S. 27.)
Handschrift: H 51; gedruckt Archiv 34,407; Studj di fil.
rom. Y, 522.
Lo coms de Blandra:
I. Pois vezem qu'el tond e pela,
Falquez, e no gara cui,
s'eu era no*m gart de lui,
serai folz, zo poira dire;
äoncs conselh li darai gen — 5
et er folz s'el no l'enten —
c'ades son viatge
tenha dreit vas son estatge;
que zai van las genz disen
que per eine cenz marcs d'argen 10
no*ill calria metre gage.
Falquetz de Roman li respos:
IL Aissi com la clara Stella
guida las naus e condui,
si guida bos prez selui
qu'es Valens, francs e servire, 15
e sei fai gran falhimen
que fo pros e s'en repen
per avol corage;
que un sai tal c'a mes en gage
prez e valor e joven 20
si quel febres lo repren
qui renquer, tant lh'es salvage.
5 pero c. — 7,8 cades tegna s. v. Dreit lai v. s. e.
18 per flac a. c. — 21 si qe la f.
— 72 —
Epistel.
XIII.
Gr. § 29.
(VergLS. 17 ff.)
Handschriften : G 120, L 57, N 20, c 1 7 ; dazu komuit möglicher-
weise noch die Handschrift von Saragossa, da diese ein mit den
Worten Eu pren comiat beginnendes Gedicht enthält, vergl. das
Vorwort. Der Brief wird in G dem Pons von Capdoill zu-
geschrieben, er steht anonym in L N; die richtige Attribution
Folchet de Roman findet sich nur in c.
Gedruckt sind bei Eayn. Lex. rom. I, 489 V. 1 — 70, 83 — 94,
105—144, 150—164, 169—175, 181—254 nach L; nach c ist das
Gedicht gedruckt bei Napolski, Pons de Capdoill, Halle 1 880, S. 1 08.
Die Orthographie ist die von c ; N konnte ich nicht benutzen.
Donna, eu pren comjat de vos,
ez anc non fui plus angoissos
com soi de vostra departia;
e comant vos a deu, m'amia,
per cui mos cors languis e fönt, 5
que mais vos am que ren del mont;
car depuesc que'us paiiai nius vic,
ren del mont tan non m'abelic;
car neguna tan ben non fai
tot quant a valen pretz s'eschai, 10
ni neguna tan ben non di
bels plazers ni tan gen non ri.
Qu'ab bei semblan, franc e cortes,
avez mon cor lassat e pres,
tan que d'al re non pueis pensar 15
mais de vos servil* et onrar;
e s'en grat servir vos sabia,
jamais marriment non auria,
donna, que ja no*m valha deus,
se melhz non soi vostre que meus. 20
Que la nueit, quan soi endurmiz,
s'en vai a vos mos esperiz;
donna, ar ai eu tan de ben
4 in' fehlt G c — 10 t. qu.] cho q G — 16 et amar G c —
22 ab v. G — 23 donna ar agues eu, eu einkorrigiert, c — ar
aij argues, übergeschrieben au, G.
— 73 —
que qnan resvelh e m'en soven,
per pauc no*m voih los olhz crebar, 25
quar s'entremetton del veibar;
e vauc vos per lo leicb cerchan,
e quan no*us trob, remau ploran;
qu'eu volria toz temps dormir,
qu'en sonjan vos pogues tenir. 30
Mas aissi, con vos plaira, sia,
qu'en vos es ma morz e ma via;
qu'autra no me pot ajudar,
vos me podez far e desfar;
qu'eu am pro mais per vos morir 35
que per autra domna guarir;
mas vos n'aurez pecbat e tort,
se mais non m'amaz viu que mort.
E sai ben que gran ardimen
faz, domna, quar en vos m'enten, 40
que ben sai c'a mi non s'atanh ;
pero fai que fol qui no's planh
al mege qui lo pot guarir;
qu'om non se deu laissar morir,
que non fassa son mal saber 45
al mege qui li pot valer;
per qu'eu o faz saber a vos,
bella donna, valenz e pros,
de cui tenh tot quant ai en feu;
e comandarai vos a deu, 50
que senz cor vauc e senz cor venh,
e ses cor ades me sostenh,
que de cor soi mondes e blos,
bella domna, vos n'avez dos;
que vos avez lo meu el vostre, 55
et ai ben talen quei vos mostre:
quan preses mon anellet d'or,
mi traisses dinz del cors lo cor,
qu'anc pueis en mon poder non fo,
25 no v. G — 26 sentremettcnt c — 31 com p. c — 41a]
ab G — c'a mi] ca mort c — 42 fai fol qi no se (sen) p. G c —
48 cortesza e p. L — 50 qe v. G c.
74
anz remas en vostra preiso ; 60
e vos per fin amor enteira,
domna, mi des vostr' almosneira,
don eu vos rent eine cenz merces,
qu'ainorosamen m'avez pres;
e farez peccat a sobrer, 65
s'auciez vostre preisoner,
domna; mais d'aitan me conort
qu'anc om non fez tan bella mort
com eu farai, s'eu mor per vos,
per que*n dei esser mout jojos; 70
qu'eu non cre que negus fos naz
con tan bei glavi fos navraz
com eu soi, ni ab tan plazen;
o muer' o viu', a vos mi ren;
que vostre cors non a parelh 75
en tan quan hom vei lo solelh,
que tan l'avez bei e ben fach
qu'il autre*m semblan esser lach;
que quan vei la gul' e la fassa,
plus blancha que neus sobre glassa, 80
e vei lo menton ben assis,
ben euch esser en paradis;
e quan vei la bocca vermelha
qu'anc deus non sap far sa parelha
per baisar ni per rire gen 85
ni per enamorar la gen,
adonc soi eu enamoraz
que non sai que die ni que faz;
e quan vei vostras bellas denz,
plus blanchas que n'es fins argenz, 90
e vostra color natural
que deus fez que noi a ren al,
aissi soi d'amor entrepres
que, qurm sona, no'ill respon ges.
Quan vei vostre bei nas traitiz 95
:0 p. qti.] qeu en G — 74 on muoira o uia G
fehlt G — 78 que li au. L — ni fehlt G — 84 la p. G
r. L, non r. c - - 95 traitz c.
75
G
e*ls cils, ginhosez e petiz,
eis bels olhs, rienz en la testa,
de joi faz dinz mon cor gran festa;
e quan vei lo fron bei e blanc,
tal que son parelh non vi anc,
e vei los cabelhz genz e sors
qui reluison plus que fins ors,
si soi esperduz e pensis
que non sai, si soi morz o vis.
Domna, no'us aus dir mon corage,
mas, si be*m volez el visage
esgardar, lo*i porez chausir,
que*us es cella qui'm fai murir,
e si esguardaz cals vos ez,
de quäl beutat e de quäl prez,
ni de mi, qui soi ni quan valh,
toz temps viurai mais ab trebalh;
mas non mi den noire parages
ni riqueza ni auz linhages;
c'om non deu gardar en amor
gran parage ni gran richor;
qu'amors deu esser comunals,
pois Tuns es ves l'autre lejals;
quar fm'amors pren a amic
tan tost lo paubre com lo ric,
e val mais merces que razos
en amor, so dis Salamos;
per qu'eu dei ben trobar merce
en vos, pos mais vos am que re;
domna, tot aissi o fai deus,
quar, qui melhz lama, melhz es seus.
Donc, pos eu vos am mais e plus,
melhz vos dei aver que negus;
que vostr' om soi e vostre sers,
plus obediens qu'uns convers;
e s'en amor volez entendre,
non vos devez ves mi defendre,
98 gran fehlt G — 105 au c — 106 ben v. c — 107 lor
108 faiz G — 109 esez c — 110 e] ni G — 112 a t.
100
105
110
115
120
125
130
c, lo
G.
— 76 -
qu'encar non fassaz mos plazers,
se*l deus d'amor es dreiz ni vers.
Que tan vos soi ferms e lejals 135
que Tristans fo vers Ysout fals
contra mi, e vers Blanchaflor
Floris ac cor galiador.
Envcrs vos soi tan francs e fis
que, quan truep omen del pais 140
on vos estaz, noil aus parlar
nrm pueis partir nrm sai lonliar,
anz li vauc demandant razos
tant que lo faz parlar de vos;
e adonc non me pueis tener 145
en pes, anz mi ven a cliaer,
si que vergonha n'ai soven;
chascuns s'en vai aperceven;
qu'eu non o pueis far desconoisser,
qu'uns orbs o poria conoisser 150
que vos m'avez pres e lazat;
e volgr' aguesses la mitat
o*l terz o*l quart del mal qu'eu ai,
qu'adonc sabriaz co m'estai.
Mas vos non sentez la dolor 155
ni'l mal qurm ven de fin amor,
ez eu non serai jamais lez,
se vos vostra part non sentez;
qu'adonc sabriaz vos de ver
que-us es cella quvm fai doler; 160
qu'altre mal mi semblavan juec
tan qu'eu senti d'amor lo fuec.
Vers es Feixemples de Rainart:
tals se cuida chalfar qui s'art;
quar el primer acondamen 165
me trais pres de vos planamen,
e vos ab joi et ab solaz
133,34 mon plazer . . .ver L c — 134 e v. L — 13G Yseutz L
— 139 En vers] E. que L, Aues qe G, Aues qeu c; tan fehlt G c
— 144 qeu G - - lös f. L — 146 mi ven] inaue L — se v. G —
150 poriad e — 161 qautres mals L — 165 lo p. G.
— 77 —
mi tendez en rient im laz
qu'eu non gardei tro que fui pres:
aissi fai d'amor sobrepres. 170
E pagues nii ben coma fol,
quan mi meses lo braz al col
e'm disses qu'eu era primers
amics e seria derer s
don vos anc fos enamorada; 175
ar fos la veritaz provada!
A! que n'agues crebat Fun huelh!
Domna, ben sai qu'eu die orguelh,
mas non m'en devez piez voler,
que per toz luecs vos ai dit ver; 180
e se*m tenez en tal balansa,
companhz serai Andreu de Fransa
que mori per amor s'amia;
e pueis venc tart la repentia;
qu'ella s'en repenti mout fort, 185
quar non l'ac eschapat de mort.
Atrestal avenra de me,
domna, se non avez merce;
que, s'en breu temps non m'ajudaz,
mort mi trobarez, so sapcliaz, 190
e so es ben veritaz pura
que trobem en sainta scritura:
que domna que aucit lo seu
a escien, non vei pueis deu.
Ma bella domna, se vos plaz, 195
de mi vos prenda pietaz;
que mort me podez far cazer
o viu me podez retener;
qu'eu soi tot en vostra merce,
faire mi podez mal o be. 200
Mas eirs prec per vostra franquesa,
quar es del mont la plus cortesa,
la plus plazens e la plus bella,
171 cö a f. L — 173 em dis quez eu G — 175 donc c —
177 Ab que L — 187 auentura d. m. c, avengra d. ni. L — 195 sill L
— 201 eup. G.
— 78 —
e eil qui genzer se capdella,
qu'un pauc m'aleugez mon martir, 205
quar ren del mon tan non desir
com faz vostre bei cors lejal;
que deu non sai querre ren al,
domna, mas que*us meta bon cor
vas vostr' amic qui per vos mor; 210
qu'eu vos dirai que m'esdeve
per vos c'am mais que nulla re :
quan m'en soi intraz al moster,
si com autres pechaires quer
a deu perdon de sos pechaz, 215
ez eu vos or entre mos braz;
qu'eu non sai far autr' orazon,
anz pens tant a vostra faison,
que quan eu cuit dir patre nostre,
ez eu die: domna, tot soi vostre; 220
aissi m'avez enfoletit
que deu e me en entroblit.
Pero tant es granz la vertuz
de vos, a cui me soi renduz
que, srm faziaz d'amor tan 225
que me retenguesses baisan,
mos maltraicbz, qu'es pejers que morz,
devenria jois e deporz
e serian tuit mei sospir
e mei afan e mei desir 230
tornat en joi et en dolzor;
que tals es la forsa d'amor
qu'uns bens fai oblidar cent mals
e uns jois cent iras mortals,
ni non sab d'amor ben jausir 235
qui non sab celar e sofrir,
ni ja non sera benananz
qui non es sofrenz e celanz.
205 uialeugesez L c, malegras G — 208 qua d. L — 211 mes
desie c — 213 el m. G 215 perdös G == 219 eu fehlt, dire, G
— 221 enfollit c — 222 en] m L — 225 srm] sen c.
— 79 —
Enaissi o cre et o cuit,
e d'aiso sai eu mais que tuit, 240
qu'e mi non a ren mais amors;
qu'aisrm faderont tres serors
en aquel' ora qu'eu fui naz,
que toz temps fos enamoraz,
qu'amors nos partes ja de me 245
ni eu d'amor per nulla re;
d'amor soi e d'amor me plai
tot quant ella mi dis ni fai,
qu'eu soi faiz per domna servir,
qu'anc res nom poch tant abellir. 250
Midonz m'autrei, midonz mi ren,
qu'eu nasqui per far son talen,
e valha mi deus e merces
en s'amor e ma bona fes.
239 o vor cre fehlt c — 249 dönas L.
Anmerkungen.
i.
Schema :5a'7b5a'7b|7a'3b3b7b
6 Strophen, 1 Tornada, coblas Singulars. Die Tornada über-
nimmt von der letzten Strophe nur den Eeim b, für a tritt ein
neuer Eeim ein, welcher also ohne Bindung bleibt. Ein Gedicht
gleicher Form ist bei Maus, Peire Cardenal's Strophenbau (Ausg.
u. Abh. V) nicht verzeichnet.
16. cm chant. Reflexives chantar findet sich auch in dem
von Tobler in den Sitzungsber. der Berliner Ak. d. Wiss. 1885 II,
941 edirten Liede des Bernart von Ventadorh Gr. 70, 24 nach der
Lesart von C E: Atressrm chant e ni'esbaudei) Tobler nimmt
es in den Text auf mit der Bemerkung, der reflexive Gebrauch
von chantar „sei wohl denkbar, wenn auch vielleicht nicht er-
weislich"; vgl. dazu Diez, Gr. III4, 192.
19. Als Objekt zu mi lansa ist erguelh ni pezansa zu
ergänzen: „weil sie mir ihn, d. i. den Kummer, so fern hält."
Man vermisst das hinweisende Pronomen; vielleicht ist mi'l lansa
zu lesen.
25. Si nonqucvm remire „wenn ich auch nimmer schaue."
Appel liesst Si non quan, was aber, wie er selbst anmerkt, keinen
passenden Sinn giebt ; die Correctur rührt her von Levy, Litteratur-
blatt XIV, Sp. 17.
37. be rrfo tengra a folhatge etc. „wohl würde ich es als
eine Torheit betrachtet haben, wenn mir Jemand gesagt hätte,
dass solches Glück mir dadurch zu Teil werden könnte." Das
Relativum mit condicionalem Sinn = si quis ist im Prov. häufig,
vgl. Diez, Gr. IIP, 384, auch Tobler, Vermischte Beiträge zur
franz. Gramm. S. 99. Ueber den Gebrauch des einfachen Tempus
für das umschriebene im condicionalen Satzgefüge (tengra — disses
für agues tengut — agues dit) handelt Diez, ib. 365.
45. lai ist zweisilbig.
IL
Schema: 10 a 10 a 10 a 10 a 10 a 10 a 10 a 10 a 4 b'
5 Strophen, coblas Singulars. Die Cäsur steht überall nach
der betonten 4. Silbe; epische Cäsur liegt vor im ersten Verse
jeder Strophe sowie V. 15 und 32.
— 81 —
Gleiche Form hat der Strophenwechsel Gui's von Cavaillon
mit Bertran Folco von Avignon Gr. 192,2 = 83,2: Doas coblas
farai en aquest so (Arch. 34, 406), nur hat die Refrainzeile, welche,
wie in unserem Liede, die Anrede enthält, männlichen Reim.
Der Strophenwechsel fällt nach Schultz, Zeitschrift IX, 126 Ende
1218 oder Anfang 1219. Da das Lied keine sichere Datierung
zulässt, so muss es unentschieden bleiben, auf welcher Seite die
Priorität ist. Strophen aus einreimigen oder assonirenden 10-Silb-
nern mit viersilbiger Refrainzeile wurden bekanntlich in der alten
Romanzendichtung verwendet; der Refrainzeile entbehrend be-
gegnen sie auch sonst nicht selten ; wie es scheint, wurden sie, ihrem
epischen Charakter entsprechend, zumeist in Sirventesen angewandt.
Aus Strophen von je 5 einreimigen 1 0-Silbnern mit 6-silbiger Refrain-
zeile besteht das berühmte, im Kerker gedichtete Lied des Richard
Löwenherz Gr. 420,2. — Ueber die Verwendung der Refrainzeile in
der provenzalischen Lyrik vergl. Maus, a. a. 0. S. 94 Anm. 20.
6. Wie schon die Herausgeber des Raoul de Cambrai S. L
bemerkt haben, enthält dieses Epos in der uns vorliegenden
Fassung nichts, worauf sich Folquet's Anspielung beziehen könnte ;
Raoul hat allerdings eine Geliebte, Heluis de Ponthieu, aber diese
tritt erst nach Raoul's Tode, Tirade 180—182, auf. Birch-Hirsch-
feld, Epische Stoffe S. 76 meint, der Dichter nenne den Raoul
hier wohl nur, weil er einen Reim auf als brauchte; ich möchte
eher glauben, dass ihm das Epos in einer von der uns vorliegenden
abweichenden Fassung bekannt war.
7. Anspielung auf V. 2035 ff. des Romans von Flore und
Blancheflore ed. du Meril, Paris 1856. Erwähnungen dieses Romans
bei anderen provenzalischen Dichtern s. bei Birch- Hirschfeld,
a. a. O. S. 31.
III.
Schema: 7a7b7b7a|7c'7c'7 d 7 d 7 c'
5 Strophen, 1 Tornada, coblas unisonans.
Gleiche Form und gleiche Reime zeigen noch drei uns er-
haltene Gedichte, nämlich Arnaut Plagues 1, hgg. von Appel,
Peire Rogier S. 85, Bernart von Tot-lo-Mons 3, hgg. von dem-
selben, Prov. Inedita S. 47, sowie Uc von St. Circ 21, hgg. von
Witthoeft, Sirventes Joglaresc S. 54 ; die Herausgeber haben an
den genannten Stellen zugleich über die Form gehandelt. Vor-
bild für die übrigen war nach dem Zeugniss des Uc von St. Circ
das Lied des Arnaut Plagues:
Messonget, un sirventes
ni'as quist, e donar lo t'ay
al plus tost que ieu poirai
et son d'en Arnaut Plagues.
Das Gedicht des Bernart ist wie das des Folquet eine
Sirventes-Canzone ; dieser Umstand, sowie die auf der einen oder
Zenker, Folquet von Komans. 6
— 82 —
anderen Seite doch wohl auf Reminiscenz beruhende, fast voll-
kommene Uebereinstimmung von V. 35 bei Bernart: ni fa/s
lausen giers destrics und V. 25 bei Folquet: ni fals lausengiers
enics machen es wahrscheinlich, dass dem einen von beiden das
Gedicht des anderen als Muster gedient hat. Bernart's Lebenszeit
steht nicht fest; ist mit dem von Bernart genannten Grafen
Heinrich, wie Chabaneau vermutet, der Graf Heinrich IL von
Rhodes (1274— 1302) gemeint, so wäre die Priorität auf Folquet's
Seite; ister dagegen identisch mit Heinrich I. von Rhodes (1214-27),
wie Appel wohl für möglich hält, so könnte das Verhältniss auch
ein umgekehrtes sein. (Appel findet hier, nebenbei bemerkt,
eine Schwierigkeit darin, dass Bernart 2 V. 22—24 (Inedita S. 46)
einen Grafen von Comminge und Astarac preise, während doch
die beiden Grafschaften nicht vereinigt waren. Die betreffende
Stelle lautet bei Appel:
pero pels pros es plus prezatz
lo coms de Cumenges, sapchatz,
(de bonas gens vuelh dire be)
e d' Astarac, que pretz mante.
Der Anstoss ist leicht zu beseitigen, wenn man nicht, wie
Appel thut, V. 22 als Parenthese betrachtet, sondern hinter
sapchatz Semikolon setzt und d' Astarac als abhängig fasst von
dire be: „von guten Leuten will ich gutes reden und — speciell —
von Astarac d. i. vom Grafen von Astarac")
14, 15. Diese beiden Verse sind vollkommen identisch mit
zwei Versen bei Rainion von Miraval Gr. 406,42 (M. G. 1089)
Str. IV; die Strophe wird citirt in Raimon VidalFs Novelle So
fo el temps dorn era jays und lautet in der Ausgabe von
Cornicelius, Berlin 1888, V. 681—88 folgendermassen :
Pus ma dona m'a coven
c'autr'amic non am ni bays,
ia dieus ncrni sia verays,
s'ieu ia per nidW autra'l men;
c'ab Heys ai tot cant volia
d'amor e de drudaria;
que menor ioy ni pus marih
no vuelh c'ab Heys mi remanh.
Wir haben es also bei einem der beiden Dichter mtt einer
Reminiscenz zu thun. Das Lied des Miraval, der noch zwischen
1216 und 1218 am Leben war (Diez, L. u. W.2 S. 319) muss, da
unter dem in der Tornada genannten Audiart Raimon VI. von
Toulouse zu verstehen ist (Diez, S. 308), innerhalb der Jahre
1194 — 1222 entstanden sein, eine genauere Datirung ist, soweit
ich sehe, nicht möglich; das Lied Folquet's stammt, wie in der
Einleitung gezeigt, aus den Jahren 1212 — 1220. Die Frage, bei
welchem der beiden Dichter Reminiscenz vorliegt, lässt sich mithin
mit vollkommener Sicherheit nicht entscheiden. Da indess Miraval
— 83 —
der weitaus bekanntere und auch der ältere ist — der Beginn
seiner dichterischen Thätigkeit wäre nach Suchier, Jahrbuch XIV,
122 um 1180 anzusetzen — , so ist es sehr wahrscheinlich, dass
die Reininiscenz auf Seiten Folquet's ist.
28. mossenher lo marques. Vgl. S. 23.
37. Et „und doch".
39. sos paire. Vgl. S. 22.
43. Salonics. Nach der Eroberung von Constantinopel, Ende
September 1204, war Bonifaz das Königreich Thessalonich zu-
gefallen.
46. Malespina. Entweder Wilhelm (1 194 — 1220) oder Con-
rad I. (1 1 96—?). „Der Name des Gebiets fiel bei den Malaspina mit
dem Geschlechtsnamen vollkommen zusammen", in den Urkunden
und Chroniken stets marchio Malaspina, Gen. marchionis Mala-
spinac etc., vgl. Schultz, Briefe des Rannbaut von Vaqueiras S. 63.
IV.
Schema: 8a8b8b8a|8c8c8d8d
4 Strophen, 1 Tornada, coblas unisonans; be in der letzten
Zeile der Strophe ist Refrainwort. Die Form gehört bekanntlich
zu den meistgebrauchten der provenzalischen Lyrik.
9. plaisen. Acc. in Funktion des Nom.
22. Appel schlägt vor, zur Erreichung der Silbenzahl zu
lesen: ahm croi ni'm plai trop consilhars.
27. Worauf sich dieser Vers bezieht, weiss ich nicht; von
Dingen, zwischen denen der Kaiser eine Auswahl treffen könnte,
ist im Vorhergehenden nicht die Rede. Sollte vielleicht eine
Strophe ausgefallen sein ? Das Gedicht mit seinen 4 Strophen ist
auffallend kurz.
31,32. Ich übersetze den durch Conjektur hergestellten
Text: „Je mehr man (mir) erzählt, was man dort (beim Kaiser)
sieht, um so mehr lobenswertes finde ich daran (an seinen Hand-
lungen)." Jedenfalls muss dies ungefähr der Sinn der beiden
Zeilen sein.
35. Der Vers hat bei Appel, wie dieser selbst bemerkt,
eine Silbe zu viel.
Schema: 6a6b'6a6b' |6c6c 6d4e6d4e 9 f
5 Strophen, 2 Tornaden, coblas unisonans; cor und mor,
als Reime durch sämmtliche Strophen hindurchgehend, sind
Refrainworte , das erstere stets Obl. Sing, von cor, Herz, das
letztere = *morit, ausgenommen Strophe V, wo es = Manri;
weitere Beispiele für Verwendung von Refrainworten giebt
Stimming,B. de Born1 S. 192.
6*
— 84 —
Sehr beachtenswert ist der die Strophe schliessende Neun-
silbner, der nach Bartsch, Zeitschr. III, 371 sonst von der Kunst-
poesie der Franzosen wie der Provenzalen so gut wie ausge-
schlossen ist, Die Leys I, 112 erklären, derselbe habe keinen
angenehmen Rhythmus und sei deshalb von den alten Dichtern
nicht angewandt worden ; nur dann gewinne er einen besseren
Klang, wenn nach der 4. oder 5. Silbe ein Eeim eingefügt werde.
Der Vers findet sich, abgesehen von dem in den Leys citirten
Beispiel, im Provenzalischen nur noch ein einziges Mal, bei Guilhem
Figueira ed. Levy Nr. 7, hier aber mit der Cäsur nach der 3. Silbe.
Häufig begegnet er dagegen in altfranzösischen Refrains, also
auf volkstümlichem Gebiet, s. die von Bartsch citirten Beispiele,
der übrigens keltischen Ursprung für den Vers vermutet. Refrain-
artigen Charakter trägt er ja auch hier; durch seine Stellung am
Strophenschluss, durch seine syntaktische Selbstständigkeit sowie
dadurch, dass der Reim ia Korn ist. Eine feste Cäsur weist er
nicht auf; dieselbe fällt Strophe II, IV, V und Torn. II nach der
3. Silbe, ist Strophe I und III wohl nach der 4. anzusetzen und
scheint Torn. I überhaupt zu fehlen.
6. „Denn ich weiss Niemand, der augenblicklich stürbe."
Dieser sonderbare Gedanke hat wohl nur den Zweck, die An-
bringung des Refrainworts mor zu ermöglichen.
21. jogan rizen. Ueber solches „Unvermitteltes Zusammen-
treten von zwei Adjektiven oder Participien im Provenzalischen"
handelt O.Schultz, Zeitschrift XVI, 513. Die Verbindung rizen
jogan oder jogan rizen findet sich häufig. Die vorliegende Stelle
citirt Seh. als Beispiel dafür, dass der Ausdruck formelhaft ge-
worden ist.
24. resancellar ist bei Raynouard nicht verzeichnet; es ist
jedenfalls = resarcellar und dieses eine Ableitung von im afr. be-
legten resarcir, „reprendre de la force, de lavigueur" (s. Godefroy).
35. aja en son olh postella. Weitere Beispiele für diese
Verwünschung s. bei Stimming, B. de Born1, S. 231.
38 — 43. Ich übersetze: „Herrin, nehmt hier mein Herz, denn
besser ist es, dass es dort (d. i. bei Euch) stirbt (oder : besser
ist es dort als dass es sterbe?); denn nicht einen Tag entfernte
es mir (d. i. Hess es mich vergessen) Eure schöne Gestalt und
nichts ersehnte es so herzlich."
44. Der Vers hat in der Hds. eine Silbe zu wenig ; den Vorschlag,
für desirs desiriers zu lesen, macht schon Bartsch, Zeitschr. III, 371.
51. destret = destrictus hat e, es liegt also unreiner Reim
vor; solche unreine Reime von e zu e finden sich bei den Tro-
badors bekanntlich hie und da, s. die Beispiele welche Levy,
Litteraturblatt IV, Sp. 319 zusammenstellt; ganz gewöhnlich sind
sie bei dem Italiener Zorzi, vgl. Levy's Ausgabe S. 34.
62. si „ob nicht".
68. ome valen. Loos, Nominalflexion im Prov. (Ausg. u.
— 85 —
Abh. XVI) S. 33 bezweifelt das Vorkommen des hier durch das
Versmass gesicherten N. S. ome für die ältere Zeit, während er
allerdings für das 14. Jh. selbst Belege beibringt.
VI.
Schema: 7a5b' 7 a 5b' I 7a5b' 5c7c5b'
6 Strophen, 2 TornadeD, coblas Singulars.
Das Sirventes stimmt in der Form überein mit Peire Raiinon
von Toulouse 10 : Pessamen ai e cossir (M. W. I, 14), einer Canzöne,
nur haben wir hier coblas doblas. Da Peire wesentlich älter ist
als Folquet — Diez setzt ihn in die Jahre 1170 — 1200, Folquet's
Gedicht stammt aus dem Jahre 1220 oder 21, — so ist die Priorität
auf seiner Seite.
33. que'l roda no's vire. Stimming, B. de Born2, S. 197
citirt diesen Vers als Beispiel dafür, dass im Provenzalischen
die französische Endung -e statt -a eintreten könne, — offenbar
mit Unrecht, da vire doch Conj. ist: „Damit das Rad sich
nicht drehe".
37 — 45. „Und ich liebe Gott, weil er ihn erhöht hat und
ihm die Krone verliehen hat, und seinen Vetter, den Markgrafen,
demi jeder urteilt, dass ihm (dem Kaiser) viel Gutes daraus (aus
der Kaiserkrönung) erwachsen muss, und dieses Urteil ist richtig ■
denn ich sah, das versichere ich Euch, mit welcher Liebe ihm
der Markgraf von Este begegnete und der Graf von Verona", d. h.:
das freundliche Entgegenkommen, welches ihm schon die ge-
nannten beiden Fürsten bei seiner Krönung — oder in Folge
seiner Krönung — bewiesen haben, berechtigt zu der Erwartung,
dass ihm noch weiterer Segen aus derselben erwachsen wird.
Das li V. 41, das ja syntaktisch auf den Markgrafen zu beziehen
wäre, kann meines Erachtens trotzdem nur auf Kaiser Friedrich
gehen, da, V. 55 — 59 zu Folge, unter dem li V. 44 und 46 doch
allein er verstanden werden kann. Die Annahme, dass Folquet
bei dem li das eine Mal den Markgrafen, das andere Mal den
Kaiser im Sinne habe, ist doch wohl nicht zulässig.
37. Et am dieu. An sich würde mir die Lesart von C E R
e laus (lau) dieu besser zusagen, aber das aufgestellte Hand-
schriftenschema weist sie ab; wollte man sie als ursprünglich
betrachten, so müsste man PST von C E H R trennen und für
ADIK und PST eine gemeinsame Quelle statuiren. Dem
würde ja nun in sofern nichts im Wege stehen, als die Ansetzung
einer gemeinsamen Quelle für C E H R und P S T nicht allzu
fest begründet ist. Indessen da anderweitige Indicien für eine
Zusammengehörigkeit von ADIK und PST nicht vorhanden
sind und auch die von ihnen gebotene Lesart doch wohl zu
rechtfertigen ist, so wagte ich es nicht, auf diese Stelle allein
eine abweichende Auffassung des Handschriftenverhältnisses zu
begründen.
— 86 —
39. son cosin lo marques. Cavedoni, Trovatori provenzali
alla corte dei marchesi d'Este S. 276 vermutet, es sei hier
vielleicht Azzo VII. von Este gemeint, der sich Vetter Friedrich'sII.
habe nennen können mit Rücksicht auf Giuditta von Este, Mutter
Friedriche I. Doch ist diese Beziehung natürlich ausgeschlossen,
da ja Azzo gleich nachher, V. 44, als cel d'Est genannt wird.
Vielmehr kann unter dem eosin kein anderer als der Markgraf
Wilhelm von Monf errat verstanden werden, der auch in der den
Strophen Hugo's von Berze nachträglich angefügten zweiten Tor-
nada (Rom. XVIII, 559) als Friedrich's „Vetter" bezeichnet wird.
Das Haus Monferrat war mit den Hohenstaufen verwandt durch
Wilhelm's Grossvater Wilhelm III. , der Giulitta, die Schwester
Kaiser Konrad's III. , zur Frau hatte (Sicardi Chron. in Rer. it,
Script. VII.) Uebrigens ist das Lob des marques an dieser Stelle wohl
nur durch das Reimbedürfniss veranlasst, denn in den Gedanken-
gang der Strophe passt der Vers nicht, da sich UN. 41 m. E., wie
bemerkt, nur auf Friedrich beziehen kann und also über V. 39
hinweg wieder an V. 38 anknüpft.
44, 45. Die Lesart von C E H R ist zu verwerfen, da der
Obliquus von coms im Provenzalischen stets zweisilbig ist, s. Loos,
Nominalflexion im Prov. S. 33; der Vers hätte dann eine Silbe
zu viel. Der Markgraf von Este ist Azzo VII. Novello, der Sohn
Azzo's VI., der 1215 seinem Bruder Aldobrandino in der Regierung
gefolgt war. Er war, damals erst 14-jährig (geb. 1206, vgl.
Winkelmann, Philipp v. Schwaben und Otto IV. v. Braunschweig,
II, 410), Friedrich bis Modena entgegengezogen und war bei der
Kaiserkrönung anwesend, bei welcher Gelegenheit er mit der
Mark Ancona belehnt wurde (Winkelmann, Friedrich IL, L 123).
In dem Erlass Kaiser Friedrich's vom März 1221, in dem dieser
ihm den Besitz aller seiner Erblande bestätigt, wird er bezeichnet
als dilectus fidelis noster Azzo Marchio Estensis (Muratori, Anti-
chita Estense I, 426). Mit dem Grafen von Verona kann nur
Azzo's Freund und Verbündeter, der Graf Richard von San
Bonifazio, gemeint sein, der in Verona eine grosse Rolle spielte
und speciell im Jahre 1220 daselbst das Amt eines Podesta be-
kleidete (Chron. rer. Veron. in Onuphrii Panuvini Antiqu. Veron.
S. 191).
VII.
Schema: Sa8b 8a8b I 6 c' 8 d 8d6c' 8d8d
6 Strophen, 2 Tornaden, coblas unisonans.
Ueber die Form handeln Levy, Guilhem Figueira S. 27 und
Maus S. 50 — 53. Levy teilt den Abgesang in zwei dreigliedrige
Versus; der regelmässig nach der 4. Zeile des Abgesanges ein-
tretende Sinnesabschnitt scheint mir indessen mehr für die oben
gegebene Gliederung zu sprechen. Maus verzeichnet nicht weniger
als 5 Gedichte, welche gleichen Bau und gleiche Reime aufweisen.
— 87 —
Als Erfinder der Form betrachtet er den Guiraut von Bornelh
(Nr. 51, M. W. I, 185), doch hält er auch die Möglichkeit nicht für
ausgeschlossen, dass als solcher Bertran von Born (Nr. 42 bei
Stimming2) zu betrachten sei. Ob übrigens Bertran's Lied wirklich,
wie Maus annimmt, vor 1 1 99 entstanden ist, bleibt nach Stimming
S. 48 ungewiss, da das Geleit, auf welches sich die Zeitbestimmung
gründet, möglicherweise unecht ist
1. Aehnlich sagt Guiraut von Bornelh 242,43: AI co m'ave,
dieiis m'aiut, Qu' er, quan cug chantar, plor. — plane e plor.
Weitere Beispiele der Alliteration im Provenzalischen s. bei
Stimming, B. de Born1 S. 236; Appel, Peire Kogier S. 22; Kolsen,
Guiraut von Bornelh, Berlin 1894, S. 106.
9. Es liegt eine Construktion ano xotvov vor; der gleiche
Fall bei Schultz, Prov. Dichterinnen Nr. IV, 19.
18. al premier passatge. Wohl der 4. Kreuzzug, an dem
Teil zu nehmen Folquet ja aufgefordert worden war, vgl. S. 12.
40. Die Podestas in den lombardischen Städten wechselten
bekanntlich jährlich.
VIII.
Schema: 10 a 10 b 10 b 10 a I 10 c 10 b 10 b 10 c
5 Strophen, coblas unisonans.
Gleichen Bau und gleiche Beime weist auf Bichard von
Berbezill 10: Tuit demandon qu'es devengucV amors (M.W. 111, 36).
Richard blühte nach Diez, L. u. W.2, S. 432 zu Anfang des 13. Jh. ;
da sein Lied eine Canzone ist, das vorliegende aber ein Sirventes,
so wird er als der Erfinder der Form zu betrachten sein.
2. „Und da ich an Stoff grosse Billigkeit finde" d. i. da
sich mir reichlicher Stoff zum Singen darbietet. Die Uebersetzung
von Rayn. Lex. V, 544, wo die Stelle citirt wird: De raison je
tr ouve moult grand avilissement halte ich nicht für zutreffend.
13. e „und doch", wie III, 37.
14 — 16. V. 14 steht zu den beiden folgenden in gegen-
sätzlichem Verhältniss: sein Erbe wird jeder verlassen, aber
seine Sünden wird er am jüngsten Tage wiederfinden.
22 — 24. que no'ls er perdonat. Es liegt hier offenbar der
von Diez, Gr.4 III, 339 besprochene Fall vor, dass „der mit der
Copula eingeleitete Satz einem Gegenstand des Hauptsatzes irgend
ein näher bestimmendes Verhältniss beilegt"; que no = „in der
Weise, dass nicht", „ohne dass". — no'ls. los für lor belegt Bohn-
hardt, das Personal-Pronomen im Altpro v. (Ausg. u. Abk. LXXIV),
S. 38 aus gascogniseken Texten ; käufig ist es im Catalanischen,
s. Appel, Peire Regier, Anm. zu 1, 19; enklitisch angelehnt findet
es sich auch Bartsch, Chrest. * 331, 38; 347,10; 400,21.
— 88 —
IX.
Schema :7a 7b 7b 7a|7a7c7c7d7d
6 Strophen, 1 Tornada, coblas doblas.
Ein Gedicht von identischem Bau scheint nicht zu existiren ;
dagegen findet sich die gleiche Eeimordnung allerdings häufig.
5. Der Vers hat in allen Handschriften ausser in C, dem
ich folge, eine Silbe zu viel; das Asyndeton und das Fehlen
des Artikels bei ricors ist freilich auffällig; ich wüsste aber nicht,
wie Abhülfe geschafft werden sollte.
37. No i wird allerdings häufiger einsilbig gebraucht, doch
findet es sich auch zweisilbig nicht eben selten, vgl. Suchier,
Dkm. S. 510, Anm. 9.
40, 41. Aehnlich im Girart de Koss. (ed. K. Hoffmann) V. 5093 :
No i ac gardat mesura, agur ni sort.
X.
Schema: 7a 4a 5b' 8 a 4a 5b' I 5 b' 5b' 7c' 7c' 5b' 7c' 7c' 6b'
Ein Gedicht von gleichem Bau existirt nicht.
1. Der correspondirende Vers von Strophe II hat nur 6 Silben;
auf welcher Seite der Fehler ist, lässt sich nicht entscheiden,
doch liegt die Annahme wol am nächsten, dass vor sapchatz ein
o oder lo ausgefallen sei.
7, 8. Vers 7 der Handschrift wird als unecht erwiesen durch
Strophe II, welche an dieser Stelle augenscheinlich einen correkten
Text bietet, während in Strophe I schon die Wiederholung von Qeu
volrai V. 7 und 9 der Hds. auf Textverderbniss schliessen lässt.
9. viatge ist Conjektur; ein Substantivumm viatz, welches
die Handschrift bietet, existirt meines Wissens nicht.
XL
Schema: 7a' 7b' 7a' 7b' I 8b' 8c 8c 8b' 8c 8c
Im Bau sowohl als in den Keimen stimmt mit dieser Cobla
überein Gaucelm Faidit 17: Com quem des benanansa (M. G. 125),
eine Maria von Ventadorn feiernde Canzone, welche nach
Robert Meyer, Gaucelm Faidit. Heidelb. Diss. 1876 in die
Jahre 1199 — 1201 fällt. Die Priorität kommt also Gaucelm zu.
XII.
Schema: 7a' 7b 7b 7c' I 7d7d5e'7e'7d7d7e'
Die ursprüngliche Silbenzahl einiger Verse konnte, da sie
in beiden Strophen einige Male differirt und aus dem Text nicht
hervorgeht, auf welcher Seite der Fehler ist, nur ermittelt
werden auf Grund eines Vergleiches mit Peire Eaimon von
Toulouse 5: Atressi cum la candela (Bartsch, Chrest. 4 S. 87),
— 89 —
einer Canzone, die gleichen Bau und in Str. I und YI auch gleiche
Reime aufweist mit dem vorliegenden Coblenwechsel (Peire's Ge-
dicht zeigt teilweisen Reitwechsel von Strophe zu Strophe, Str. VI
hat schliesslich wieder die gleichen Reime wie Str. I, jedoch in
anderer Reihenfolge). Peire's Canzone ist vor 1196 entstanden,
da mit dem König von Aragon, an den sie sich wendet, Alfons II.
gemeint ist (Diez, L. u. W.2 S. 98); die Priorität ist natürlich
auf Seiten Peire's.
1. tond epela „scheert und rupft". Die Verbindung begegnet
in übertragenem Sinn öfter, so B. de Born ed. Stimming2 14,24:
e no'ls enoi se be'ls pela ni'ls ton; P. Cardenal 51, 15: cobeitatz
pela e ton e rauba et acuza e pren. In gleichem Sinn rindet
sich in der Verbindung mit tondre gebraucht raire, s. die Bei-
spiele bei Stimming' Anm. zu 28,9. Im Gegensatz stehen pelar
und tondre bei Guiraut von Bornelh 69, 28, Ausg. von Kolsen,
G. v. B. Berlin 1894, S. 77: Mais vtielh pelar mon prat c' autre
lo'm tonda. (Der Herausgeber fasst in den Anm. S. 107 pelar
„enthaaren, die Haare abbrühen" im Sinn von „gänzlich enthaaren",
tondre „abscheeren" im Sinn von „nur teilweise der Haare be-
rauben". Diese Auffassung und die auf ihr beruhende Deutung
der Stelle S. 95 vermag ich nicht für zutreffend zu halten. Dass
ich „lieber den ganzen Ertrag meines Feldes selbst einernte, als
dass ich einen Anderen einen Teil davon nehmen lasse", das
versteht sich denn doch wohl von selbst. Der Sinn der Stelle
kann dem Zusammenhang nach nur der sein: entweder umgekehrt:
Lieber will ich den Ertrug meines Feldes nur teilweise —
oder: gar nicht (pelar= ausrupfen vor Eintritt der Reife?) —
einernten, als dass ein Anderer ihn nimmt, oder aber: Lieber
will ich den Ertrag meines Feldes langsam, mit Mühe ein-
ernten, als dass ein Anderer ihn erntet (pe lar = abrupfen d.i.
mühsam, langsam ernten, tondre, abmähen, ernten schlechthin?).
5. Der Vers hat in der Hds. eine Silbe zu viel, wie der
correspondirende Vers bei P. Raimon beweist; doncs ist Conjektur.
7, 8. V. 7 hat in der Hds. zwei Silben zu viel, V. 8 eine zu
wenig, wie wiederum ein Vergleich mit P. Raimon zeigt ; von
den verschiedenen sich darbietenden Möglichkeiten einer Remedur
dürfte die in den Text aufgenommene die nächstliegende sein,
da sich die Ueberlieferung der Hds. dann sehr einfach erklärt
durch die Annahme, ein Copist habe tenga zu V. 7 gezogen,
habe dann des Reimes wegen tenga Und son viatge umgestellt
und V. 8 behufs Erreichung der erforderlichen Silbenzahl lai,
zweisilbig gesprochen, eingefügt.
18. Der Vers hat in der Hds. eine Silbe zu viel; ftac ist
entbehrlich.
XIII.
23. „Herrin, dann (nämlich wenn mein Geist bei Euch
weilt) bin ich so glücklich, dass etc." Die Lesart von c, auf die
— 90 —
auch die Lesart von G wol zurückgeht, Hesse sich zwar zur Not
auch rechtfertigen: „Herrin, wäre ich doch jetzt (nämlich wachend)
so glücklich (sc. wie ich im Traum bin)! denn etc."; indessen
kann an der Ursprünglichkeit der Lesart von L kein Zweifel sein.
29. qu'eu volria toz temps clormir etcv Anders empfindet
der Verfasser des von P. Meyer, Bibl. de 1' Ec. des Chartes 28, 139
publicirten Briefes; dieser verkürzt sich den Schlaf nach
Möglichkeit, um wachend möglichst viel an die Geliebte denken
zu können :
V. 181. Se lieve (1. S.) tempre et couche tart
Poxir penser ä vo douch resgart.
42. fax que fol. Ueber diese Verwendung von que als rela-
tives Neutrum ohne determinatives ce mit Ellipse eines faxt oder
feroit handelt Tobler, Vermischte Beiträge zur franz. Gramm. S. 11 f.
50. Dieser Vers, syntaktisch selbständig, steht logisch doch
dem vorausgehenden, durch de mi eingeleiteten Eelativsatze
gleich: „von der ich alles, was ich besitze, zu Lehen habe und
die ich Gott befehle"; denn V. 51 gibt offenbar den Grund an
nicht für V. 50, sondern für V. 47.
72. Wir haben hier jene bekannte Ellipse des relativen
Ausdrucks nach verneinenden Formeln wie „es gibt Niemand",
„es gibt Nichts", von der Diez, Gr. III4, 381 handelt; in der
Kegel ist nicht nur der regierende, sondern auch der abhängige
Satz negativ, der hier vorliegende Fall, dass der letztere der
Negation entbehrt, findet sich selten. Nach Diez wäre nicht
das Pronomen, sondern die Conjunktion qxie zu ergänzen,
doch kann an unserer Stelle offenbar nur das Pronomen ergänzt
werden: „es hat Niemand gelebt von der Art, dass er mit
einem solchen Schwerte verwundet worden wäre", gäbe keinen Sinn.
84 — 86. Napolski setzt vor qu'anc und nach gen V. 86
Gedankenstrich, betrachtet den Satz also als Parenthese und
nimmt qxte im Sinne von „denn". Diese Auffassung ist offenbar
unzutreffend; vielmehr haben wir es hier mit jenem von Diez
Gr. III4, 380 erwähnten Fall zu tun, dass „das Casusverhältniss,
welches die Partikel que zu vertreten hat, durch ein in demselben
Satz enthaltenes Personalpronomen, oder, wenn der Gen. gemeint
ist, durch das Possessiv angezeigt, der verwahrloste Casus also
nachträglich bestimmt wird". Wir haben genau die gleiche
Construktion V. 92 und 100, nur dass das an vorliegender Stelle
und V. 92 zu supplirende tal V. 100 ausdrücklich gesetzt wird.
92. „Welche Gott so machte, dass es in ihrer Art nichts
anderes gibt" d. h. : der Gott keine gleich machte ; vgl. die voran-
gehende Anmerkung.
109. Die sonderbare analogische Form esez in c vermag ich
nderweitig nicht zu belegen.
121. Weder dieser noch ein ähnlicher Gedanke findet sich
i Salomo.
— 91 —
140. hörnen. Eine seltene Form für den Obl. Sing, und
Nom. Plur; einige Belege s. bei Mahn, Grammatik S. 272.
171. „Und Ihr bezahltet mich wie einen Toren" d.h. unge-
nügend, mit Worten — mit denen nur ein Tor zufrieden ist — ,
statt mir Eure Liebe durch die Tat zu beweisen.
1 76 ff. „Würdet Ihr mir doch die Wahrheit (dieser Eurer
Behauptung) jetzt beweisen!" Aber kaum hat der Dichter
diesen Wunsch ausgesprochen, so überkömmt ihn die Befürchtung,
er möge zu viel gesagt haben. „Ja, fährt er fort, ich verdiente,
dass man mir dafür (als Strafe für meine Kühnheit) das eine
Auge ausstäche."
184. tart „zu spät."
216. entre mos braz „zwischen meinen Armen" d. h. das
Haupt zwischen meinen Armen; es ist hier also angezeigt die
Stellung eines im Knieen betenden, der die Arme aufgestützt,
die Hände gefaltet und das Haupt zwischen die Arme geneigt
hat, d. h. die Stellung eines mit tiefster Inbrunst betenden.
219. f. Aehnlich sagt Uc de la Bacalaria in seiner Alba
Gr. 449, 3 (M. W. III, 212) Str. II: Depus mon cor li donelis,
(Mahn nach Eayn. druckt doneris, der Eeim fördert aber l) Tis
Pater noster non dis, Ans qu7 ieu disses: Qui es in Coelis, Fon
a Heys mos esperitz.
239. Enaissi bezieht sich auf das Vorhergehende.
241. qu' „denn".
Sclilussbemerkung.
„Herr Prof. Fo erster macht mich, da die Aushängebogen
des bereits zu Ende gedruckten Heftchens ihm in Vorlage ge-
bracht werden, darauf aufmerksam, dass in verschiedenen Texten
der Dichter F a 1 q u e t heisst und dass dies, nicht F o 1 q u e t , mög-
licherweise die richtige Namensform sei. Ich muss zugeben, dass
die Frage eine Untersuchung verdient hätte; augenblicklich fehlt
es mir indess an der Zeit und den Hilfsmitteln, eine solche vorzu-
nehmen. Ich werde, sobald es mir möglich ist, an anderem Orte
auf die Frage zurückkommen. Sollte wirklich ein Fehler vorliegen,
so wird man mir denselben, hoffe ich, nicht zu schwer anrechnen,
da sämtliche Forscher, die bisher über den Dichter geschrieben
haben, denselben Folquet nennen, und mir, trotz der abweichenden
Schreibung einiger Handschriften, ein Zweifel an der Richtigkeit
dieser Namensform nicht gekommen war."
Florenz, Oktober 1895. Rudolf Zenker.
Druck von Ehrhardt Karras, Halle a. S.
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