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Full text of "Die grosse politik der europäischen kabinette, 1871-1914 : Sammlung der diplomatischen akten des Auswärtigen amtes, im auftrage des Auswärtigen amtes"

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t,V: 1967()6 


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Brigham  Young  University 


http://www.archive.org/details/diegrossepolitik06germ 


*    '^ 


Die 

Große  Politik  der 

Europäischen  Kabinette 

1871-1 914 

Sammlung  der  Diplomatischen 
Akten  des  Auswärtigen  Amtes 

Im  Auftrage  des  Auswärtigen  Amtes 
herausgegeben  von 

Johannes  Lepsius 

Albrecht  Mendelssohn  Bartholdy 

Friedrich  Thimme 


1 


DEUTSCHE  VERLAOSOESELLSCHAFT  FÜR  POLITIK 
UND  GESCHICHTE  M.B.H.  IN  BERLIN  W8 


6.  Band: 


Kriegsgefahr  in  Ost  und  West 
Ausklang  der  Bismarckzeit 


1967(16 

1  9  2 


DEUTSCHE  VERLAOSGESELLSCHAFT  FÜR  POLITIK 
UND  GESCHICHTE  M.B.H.  IN  BERLIN  W8 


1.  Auflage 
1.— 13.  Tausend 

Alle  Rechte,  besonders  das  der  Übersetzung  vor- 
behalten /  Für  Rußland  auf  Grund  der  deutsch- 
russischen Übereinkunft  /  Amerikanisches  Co- 
pyright 1922  by  Deutsche  Verlagsgesellschaft 
liir  Politik  und  Geschichte  m.  b.  H.  in  Berlin 
\V  8  /  Unter  den  Linden  17/18  /  Gedruckt  in 
der  Buchdruckerei  Oscar  ßrandstetter  in  Leipzig 


Inhaltsübersicht  des  sechsten  Bandes 

KAPITEL  XXXVIl 
Russisch-Österreichische  Kriegsgefahr  1887 — 1888 1 

KAPITEL  XXXVIII 
Österreichisch-Deutsche  Besprechungen  über  den  casus  foederis  1 887—1 888      53 

KAPITEL  XXXIX 
Russisch-Französische  Allianzfühler  1886 — 1890 8^ 

KAPITEL  XL 
Französisch- Deutsche  Kriegsgefahr  und  ihre  Nachwirkungen  1886 — 1890    125 

KAPITEL  XLI 
Italiens  Mitwirkung  für  den  Fall  eines  französisch-deutschen  Krieges ....    223 

KAPITEL  XLU 
Kaiser  Friedrich  III.    Das  Battenbergsche  Heiratsprojekt 275 

KAPITEL  XLIII 
Kaiser  Wilhelm  IL,  Bismarck  und  die  auswärtige  Politik  1888—1890       299 

Namenregister  zu  Band  I — VI    377 

Berichtigungen  zu  Band  I — VI    417 

Ein  ausführliches  Namen-  und  Sachverzeichnis  erscheint  zum  Schluß  des 

gesamten  Werkes 


Kapitel  XXXVII 

Russisch-Österreichische  Kriegsgefahr 

1887—88 


1    Die  Große  Politik.  6.  Bd. 


Nr.  1150 

Der  Geschäftsträger  in  Wien  Graf  Monts  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  ßismarck 

Ausfertigung 
Nr.  442  Wien,  den  7.  November  1887 

Die  Stimmung  der  hiesigen  maßgebenden  Kreise  gegen  und  be- 
treffs Rußland  verdüsterte  sich  in  den  letzten  Tagen  zusehends.  Graf 
Wolkenstein  hat  in  mehreren  Privatbriefen  dem  Grafen  Kälnoky  wenig 
erfreuliche  Schilderungen  von  den  in  der  dortigen  Staatsleitung,  nament- 
lich aber  im  auswärtigen  Departement  herrschenden,  an  Anarchie 
grenzenden,  disziplinlosen  Zuständen  gemacht,  Mitteilungen,  die  zwar 
nichts  Unbekanntes  brachten,  aber  doch  das  Gefühl,  sich  unberechen- 
baren  Potenzen  gegenüber  zu  wissen,  noch  vermehrten. 

Die  jetzt  endgültig  bestätigte  Meldung  der  Verlegung  der  13.  Ka- 
valleriedivision in  den  südöstlichen  Teil  des  Königreichs  Polen  wirkt 
ferner  verstimmend  auf  Graf  Kälnoky.  Derselbe  machte  mich  heut 
darauf  aufmerksam,  daß  die  Division  von  ihren  neuen  Garnisonsorten 
aus  gemeinsam  mit  der  ohnehin  in  jenen  Gegenden  schon  überaus 
zahlreichen  Reiterei  den  Teil  Galiziens  bedrohe,  in  dem  sich  mehrere 
Bahnlinien  kreuzten,  und  welcher  daher  für  den  Aufmarsch  der  öster- 
reichischen Armee  von  größter  Wichtigkeit  sei.  Wenn  eine  Verstär- 
kung von  vier  Regimentern  Kavallerie  an  sich  zwar  geringfügig 
scheine,  so  käme  in  Betracht,  daß  die  polnischen  Provinzen  Rußlands 
schon  sehr  dicht  mit  Truppen  belegt  seien,  wie  denn  in  Wien  eine 
Unterbringung  von  noch  mehr  Soldaten  dort  für  unmöglich  gehalten 
wurde. 

Auch  der  heut  abend  im  telegraphischen  Auszuge  vorliegende 
Artikel  des  „Journal  de  St.  Petersbourg"  über  seine  Delegationsreden* 
mißfällt  dem  Minister.  Er  glaube  nicht  schroff  gesprochen  zu  haben 
und  habe  sich  beeilt,  auf  die  nicht  zu  vermeidenden  Äußerungen  über 

*  Am  5.  November  hatte  sich  Graf  Kälnoky  im  Ausschuß  der  ungarischen  Dele- 
gation ausführlich  zur  bulgarischen  Frage  geäußert.  Sein  Standpunkt  war  der, 
daß  Österreich-Ungarn  den  Prinzen  von  Koburg,  der  keineswegs  als  österreich- 
ungarischer Kandidat  anzusehen  sei,  zwar  „heute"  noch  nicht  als  einen  legal 
auf  dem  bulgarischen  Thron  befindlichen  Fürsten  anzuerkennen  vermöge,  wohl 
aber  die  bulgarische  Regierung  als  eine  de  facto  bestehende  anerkenne.  In  Graf 
Kälnokys  Bemerkungen  über  Rußland  klang  kaum  verhüllt  der  österreichisch-russische 
Gegensatz  durch:  er  gebe  die  Hoffnung  nicht  auf,  daß  „Rußland  sich  mehr,  als 
dies  gegenwärtig  der  Fall  ist,  den  friedlichen  und  konservativen  Bestrebungen  der 
Zentralmächte  nähere,  und  daß  wir  mit  diesem  großen  und  mächtigen  Nachbar 
auf  einem  Fuße  bleiben,  der  den  beiderseitigen  Völkern  eine  größere  Beruhigung 
für  die  Zukunft  bietet". 


Bulgarien  noch  das  „Pflaster  von  den  freundschaftlichen  Beziehungen 
zu  Rußland"  zu  setzen. 

Keinen  guten  Eindruck  haben  endlich  auf  Graf  Kälnoky  die  Äuße- 
rungen Nelidows  zu  Herrn  von  Radowitz  gemacht,  mir  mitgeteilt  sub 
Nr.  576  vom  30.  v.  Mts.*,  welche  hier  schon  durch  Bericht  des  Baron 
Calice  zur  Kenntnis  gekommen  waren.  Graf  Kälnoky  wies  mir  gegen- 
über darauf  hin,  daß,  im  Widerspruch  zu  den  Anschuldigungen  des 
russischen  Botschafters,  Herr  von  Burian**,  wie  alle  anderen  Agenten  in 
Bulgarien,  die  strikteste  Ordre  hätte,  sich  jeder  Parteinahme  für  den 
Prinzen  von  Koburg  zu  enthalten.  Die  Haltung  dieser  Agenten,  deren 
man  in  Wien  sicher  sei,  entspräche  der  österreichischen  Politik,  die  be- 
kanntlich bisher  nicht  für  Prinz  Ferdinand  eingetreten  wäre. 

Fast  noch  besorgter  wie  im  Ministerium  des  Äußern  ist  man  im 
hiesigen  Generalstab  i***,  doch  möchte  ich  fast  glauben,  daß  man  dort 
auch  manchen  rein  administrativen  militärischen  Maßnahmen  in  den 
westlichen  russischen  Gouvernements  ausschheßlich  kriegerische  2  Mo- 
tive unteriegt.  Monts 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopf  des  Schriftstücks: 

Pet[elr[s]b[urg]    B[otschaftl    vertr[au]l[ich]    m[it]th[eilen]    mit    Zusatz,    daß    hier 
gleiche  Besorgniß  sich  an  Truppendislokation  knüpft. 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

^  So  auch  hier 

-  welche  sonst? 

Nr.  1151 

Militär bericht  des  Militärattaches  in  Wien  Major  von  Deines 

Ausfertigung 
Nr.  79  Wien,  den  9.  November  1887 

Ganz  vertraulich 

Bei  einem  Besuche  bei  dem  Herrn  Chef  des  Generalstabes  der 
Armee  kam  heute  die  Sprache  auf  die  fortgesetzten  russischen  Truppen- 
vorschiebungen. 

*  In  seinem  Berichte  vom  30.  Oktober  1887  hatte  Radowitz  Klagen  und  Be- 
schwerden seines  russischen  Kollegen  über  die  österreichische  Politik  wieder- 
gegeben: „Das  Auftreten  des  Wiener  Kabinetts  trage  immer  mehr  den  Charakter 
einer  Provokation  gegen  Rußland.  Auch  hier  [d.  h.  in  Konstantinopel]  werde  jetzt 
von  österreichischer  Seite  in  der  bulgarischen  Sache  gegen  Rußland  Partei  ge- 
nommen; er  habe  den  Sultan  sowohl  wie  die  Pforte  unter  dem  lebhaften  Ein- 
druck gefunden,  daß  die  österreichische  Regierung  im  Verein  mit  der  italienischen 
und  gestützt  auf  den  Hintergrund  des  deutschen  Bündnisses  entschlossen  gegen  die 
russischen  Interessen  auf  der  Balkanhalbinsel  vorgehen  wolle  und  bereits  dem 
gegenwärtigen  Regime  in  Bulgarien  offene  Unterstützung  leihe.  Darin  allein  liege 
momentan  eine  Gefahr  für  den  Frieden.  Von  Rußland  würde  dieselbe  nicht  aus- 
gehen." 

**  Österreich-ungarischer  diplomatischer  Agent  und  Generalkonsul  in  Sofia. 
***  Vgl.    Kap.  XXXVIII:   Österreichisch-Deutsche    Besprechungen   über   den   casus 
foederis  1887/88. 


Seine  Majestät  der  Kaiser  geruhten  bereits  bei  dem  vorgestrigen 
Hofdiner  mir  mitzuteilen,  daß  die  Regimenter  der  13.  russisciien  Ka- 
valleriedivision nunmehr  per  Bahn  in  dem  ihnen  angewiesenen  Rayon 
bei  LubUn  angekommen  sind,  nachdem  die  beiden  Batterien  bereits 
früher  in  Lublin  ausgeschifft  worden  waren. 

Feldmarschalleutnant  von  Beck  hatte  eine  nach  seiner  Ansicht 
glaubwürdige  Nachricht,  daß  in  der  allerletzten  Zeit  105  Militär- 
züge aus  dem  Innern  Rußlands  an  der  Weichsellinie  angekommen 
seien.  Den  Bedarf  an  Zügen  für  die  Kavalleriedivision  nebst  Batterien 
berechnet  der  General  auf  höchstens  60  Züge,  mit  Troß  und  allem. 

Nach  anderen  Nachrichten  soll  auch  im  Siedlecer  Gouvernement 
Artillerie  angekommen  sein,  und  wenn  man  annehmen  will,  daß  die 
neuerdings  gegen  die  preußische  Grenze  disponierten  beiden  Dragoner- 
regimenter bereits  bei  Lomza  und  Mlawa  eingetroffen  sind,  mit  Be- 
nutzung der  Bahn  über  Warschau,  so  gewinnt  die  zunächst  übertrieben 
erscheinende  Meldung  von  105  Militärzügen  an  Wahrscheinlichkeit. 
Immerhin  will  Baron  Beck  Bestätigung  abwarten.  — 
Bei  Luck  (nördlich  Brody)  wird  an  3  großen  Feldschanzen  und 
an  Gebäuden  zur  Unterbringung  von  Vorräten  oder  Truppen  eifrig  ge- 
arbeitet, auch  soll  daselbst  eine  zweite  Brücke  über  den  Styr  her- 
gestellt werden. 

Entlang  der  gaUzischen  Grenze  sollen  nunmehr  4  russische  Ka- 
valleriedivisionen stehen  (=  96  Eskadrons)  mit  zahlreicher  Artillerie 
und  zwar  nahezu  auf  Kriegsstärke.  Demgegenüber  hat  Österreich 
2  Kavalleriedivisionen  in  Galizien  (Lemberg  und  Krakau)  auf  erhöhtem 
Friedensfuß. 

Der  Herr  Chef  des  Generalstabes  der  Armee  sprach  sich  dahin 
aus,  daß  seiner  Auffassung  nach  jetzt  die  Grenze  erreicht  sei,  bis  zu 
w^elcher  man  habe  zusehen  können  ohne  Gegenmaßregeln.  Er  er- 
warte in  den  allernächsten  Tagen  noch  einige  geheime  Berichte  aus 
Polen  und  werde,  wenn  alle  Nachrichten  sich  bestätigen,  dem  Erz- 
herzog Albrecht  und  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  die  Notwendigkeit 
von  Gegenmaßregeln  darlegen. 

Man  müsse  auf  der  einen  Seite  die  Ruhe  nicht  verlieren,  anderer- 
seits sich  aber  auch  der  großen  Verantwortung  bewußt  bleiben. 

Daß  Österreich  nicht  die  Absicht  habe,  Rußland  anzugreifen,  wisse 
man  in  Petersburg  so  gut  wie  hier;  auch  sei  es  unmöglich,  die  russi- 
schen Truppenvorschiebungen  als  Defensivmaßregeln  anzusehen  gegen- 
über den  verhältnismäßig  schwachen  galizischen  Garnisonen.  Eine  Er- 
klärung finde  man  daher  nur  in  kriegerischen  Absichten  der  Russen.  — 
Aus  früheren  Gesprächen  mit  General  von  Beck  glaube  ich  ent- 
nehmen zu  können,  daß  zunächst  eine  Verstärkung  der  Kavallerie 
in  Gahzien  ins  Auge  gefaßt  werden  dürfte;  wichtiger  wäre  eine  solche 
der  Infanterie.  — 

Trotz  der  Anhäufung  russischer  Truppen  an  der  Grenze  hält  man 


hier  an  der  Absicht  des  eventuellen  Aufmarsches  der  Armee  in  Galizien 
fest;  ich  habe  noch  keinerlei  Anzeichen  für  das  Schwankendwerden 
in  diesem  Vorsatze  bemerken  können.  Feldmarschalleutnant  von  Beck 
erkennt  vollständig,  daß  ein  Aufgeben  dieses  Vorsatzes  gerade  das 
ist,  was  die  Russen  bezwecken.  Dagegen  äußerte  Seine  Exzellenz, 
daß  die  letzteren  unter  Umständen  den  Winter  als  ihren  guten  Ver- 
bündeten benutzen  könnten. 

Ein  sehr  ungünstiges  Symptom  für  die  Absichten  in  Petersburg 
würde  nach  Ansicht  des  Generals  der  Rücktritt  des  Herrn  von  Giers 
sein,  auf  dessen  Möglichkeit  die  neuesten  Meldungen  von  der  Newa 
hindeuteten.  v.  Deines 

Nr.  1152 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  das 

Auswärtige  Amt 

Telegramm.   Entzifferung 
Nr.  173  St.  Petersburg,  den  17.  November  1887 

Als  ich  im  Sinne  des  Erlasses  Nr.  805  vom  12.  d.  Mts.  den  Wiener 
Bericht  Nr.  442  vom  7.  d.  Mts.*  gegenüber  Herrn  von  Giers  verwertete, 
gab  der  Minister  dem  Wunsch  nach  Verbesserung  der  deutsch-russischen 
Beziehungen  in  gewohnter  Weise  Ausdruck,  sprach  sich  jedoch  über 
Österreich  mit  auffälliger  Schärfe  aus,  erklärte  die  russischen  Militär- 
maßnahmen gegenüber  Österreich  ^  für  unerläßHch  und  ließ  durch- 
blicken, daß  der  Interessengegensatz  zwischen  Rußland  und  Öster- 
reich ein  unversöhnbarer  sei. 

Oberst  Klepsch**  erzählte  mir,  daß  in  hiesigen  Militärkreisen  die 
Ansicht  um  sich  greife,  der  jetzige  Moment  sei  für  Rußland  günstig 
zum  Krieg  mit  Österreich,  weil  letzteres  in  der  Umformung  seines 
Gewehrs  begriffen  wäre.  Bülow 

Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  u[nd]  bei  Kowno? 

Nr.  1153 

Der  Österreich-ungarische  Militärattache  in  Petersburg 
Oberstleutnant  Klepsch  an? 

Abschrift   eines   Privatbriefes   im   Auszug,   übergeben    vom  Österreich-ungarischen 

Geschäftsträger  in  Berlin 

St.  Petersburg,  den  16.  November  1887 

Unter  allen  Umständen  liegt  die  Frage  nahe:  Wollen  denn  die 
Russen  Krieg  anfangen?    Gegen  wen?    und  auf  welchen  Grund  hin? 

*  Siehe  Nr.  1158. 

**  Österreich-ungarischer  Militärattache  in  Petersburg. 


Es  ist  der  jahrelang  aufgehetzte  Fanatismus,  der,  [nachdem]  durch 
unglaubHch  ungeschickte  Behandlung  von  oben  das  Steuer  der  Vernunft 
und  jeglicher  Selbstzensur  abgeworfen,  dazu  gelangt  ist,  unter  der  natio- 
nalen Flagge  die  Politik  des  Kommunismus  zu  treiben.  Die  Regierung  — 
das  Organ  —  maßregelte  ein  bißchen  Katkow  und  dieselbe  Regierung 

—  das  Staatsoberhaupt  —  belorbeerte  denselben  Mann  —  lebend 
und  nach  seinem  Tode  —  als  „richtigsten  Interpreten"  etc.  Das  Chaos 
von  heute  ist  die  Folge.  Mit  wem  man  auch  spricht,  stets  hört 
man :  Rußland  werde  bedroht  von  allen  Seiten  (d.  h.  von  Deutschland 
und  uns).  Rußland  müsse  auf  seine  Verteidigung  gefaßt  sein,  daher  sich 
rüsten,  —  darin  nur  läge  die  Kriegsgefahr.  Nur  wenn  einem  ein 
Freund  wieder  erzählt,  was  diese  hohen  und  minder  hohen  Herren 
sprechen,  wenn  sie  unter  sich  sind,  dann  merkt  man  ziemlich  deut- 
lich den  Pferdefuß.  Sollte  ich  in  Kürze  fassen,  was  ich  Rußlands  aller- 
dings nie  ausgesprochene  und  auch  kaum  auszusprechende  politische 
Direktive  nenne?  Deutschland  muß  niedergebrochen  werden,  weil  es 
zu  stark  ist,  es  Rußlands  Wort  in  Europa  übertönt  und  Rußland 
hindert,  seine  heilige  nationale  Mission  (diese  fängt  an  der  Balkan- 
halbinsel an  und  endet  südlich  von  Budweis  und  nördlich  von  Illyrien, 

—  und  Professor  Lamansky*  nennt  das:  „Rußlands  innere  Angelegen- 
heit") zu  erfüllen.  Österreich  muß  niedergeworfen  werden,  als  Kon- 
kurrent und  Besitzer  dessen,  was  man  selbst  besitzen  will. 

Ich  bin  überzeugt,  daß  Kaiser  Alexander  so  nicht  denkt;  aber  es 
fehlt  mir  jegliches  Zutrauen  zu  seiner  geistigen  Produktivität,  so  daß 
er  eigene  Gedanken  den  unter  ganz  falschen  Titeln  an  ihn  gebrachten 
Vorschlägen  entgegenzustellen  fähig  wäre. 


Nr.  1154 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  369  St.  Petersburg,  den  18.  November  1887 

pp.  In  auffälligem  Gegensätze  zu  dem  ruhigen,  versöhnlichen  und 
eher  kleinlauten  Tone,  in  welchem  der  Minister**  über  die  russisch-deut- 
schen Beziehungen  sprach,  stand  die  Schärfe,  mit  der  er  sich  sodann  über 
das  Verhältnis  Rußlands  zu  Österreich  ausließ  i.  Er  bezeichnete  die  Rede 
des  Grafen  Kälnoky***  als  „un  defi"  für  Rußland.  Wenn  Graf  Kälnoky 
so  tue,  als  ob  er  Rußland  nicht  habe  verletzen  wollen,  so  füge  der 


*  Russischer  Panslawist. 

**  V.  Giers. 

***  Vgl.  Nr.  1150,  Fußnote  *. 


österreichisch-ungarische  Minister  zur  Beleidigung  den  Spott.  Herr 
NeUdow  sei  oft  zu  aufgeregt,  habe  aber  recht  gehabt  in  seinen  Äuße- 
rungen gegenüber  Herrn  von  Radowitz  über  die  Haltung  Österreichs 
auf  der  Balkanhalbinsel.  Es  sei  begreifhch,  daß  Herr  Nelidow  erbittert 
wäre  über  die  Art  und  Weise,  wie  Baron  Calice  und  Herr  Burian  gegen 
Rußland  arbeiteten.  Österreich  glaube  sich  jetzt  gegenüber  Rußland 
alles  erlauben  zu  können;  es  wolle  Rußland  vor  den  übrigen  Slawen 
demütigen  und  aus  der  slawischen  Welt  verdrängen.  In  diesem  Vor- 
gehen werde  Österreich  freilich  durch  die  Charakterlosigkeit  der  Balkan- 
völker ermutigt:  Herr  Ristitsch  lasse  sich  von  denselben  Ungarn  be- 
loben, welche  vor  11  Jahren  Abdul  Kerim  Pascha*  für  seine  Siege  über 
Serbien  einen  Ehrensäbel  überreicht  hätten.  Rußland  werde  sich  aber 
von  Österreich  nicht  wie  Serbien  oder  Rumänien  behandeln  lassen. 
Rußland  sei  stärker  als  Österreich,  welches  noch  in  jedem  seiner 
Kriege  geschlagen  worden  wäre. 

Wenn  die  bisherigen  Auslassungen  des  Ministers  eher  den  Eindruck 
machten,  mit  Absicht  und  Überlegung  vorgebracht  zu  werden,  so 
schien  mir  derselbe  im  Eifer  seiner  Rede  weiter  zu  gehen,  als  er  eigent- 
lich wollte,  wenn  er  am  Schlüsse  die  Bemerkung  fallen  ließ :  „Et  les 
Autrichiens  croient  nous  faire  plaisir,  en  nous  declarant,  qu'ils  ne  veulent 
pas  nous  attaquer!  Ils  n'ont  qu'ä  venir^,  nous  ne  demandons  pas 
mieux."  Herr  von  Giers  nahm  diesen  Ausfall  halb  und  halb  wieder 
zurück,  indem  er  einiges  murmelte  von  seiner  unbedingten  Friedensliebe 
und  der  „Geduld"  des  Kaisers  Alexander.  „Ich  habe",  so  schloß  der  Mi- 
nister, „die  Rede  des  Grafen  Kälnoky  gegenüber  dem  österreichischen 
Geschäftsträger  nicht  berührt.  Fürst  Lobanow  soll  in  Wien  auch  nicht 
über  dieselbe  reden.  Es  hilft  doch  zu  nichts,  wir  verstehen  uns  mit 
den  Österreichern  nun  einmal  nicht."  Der  Minister  suchte  die  letztere 
Behauptung  zu  begründen  durch  einen  retrospektiven  Blick  auf  die  Ge- 
schichte der  russisch-österreichischen  Beziehungen  seit  10  Jahren,  wobei 
er  zu  verstehen  gab,  daß  die  Interessen  Rußlands  und  Österreichs  un- 
vereinbar wären. 

Die  Bemerkungen  des  Herrn  von  Giers  über  Österreich  waren 
von  einem  offenbaren  parti-pris  inspiriert,  der  übrigens  schon  aus  den 
Auslassungen  des  „Journal  de  St.  Petersbourg"  und  des  „Nord"  über 
die  Rede  des  Grafen  Kälnoky  sprach.  Charakteristisch  ist  in  dieser 
Richtung  auch,  daß,  wie  ich  aus  guter  Quelle  höre,  der  im  übrigen 
antiösterreichische,  hyperorthodoxe  und  übereifrige  Fürst  Kantacuzen 
sich  anfänglich  über  die  Rede  des  Grafen  Kälnoky  befriedigt  geäußert 
und  auch  in  diesem  Sinne  hierher  berichtet  hat,  Herr  von  Giers  soll 
seinem  Neffen  mit  Bezug  hierauf  geschrieben  haben:  „Pour  une  fois 
que  Vous  ne  faites  pas  du  zele,  Vous  n'etes  pas  du  tout  dans  la  vraie 
note." 


*  1876  türkischer  Oberbefehlshaber  im  Kriege  gegen  Serbien. 
8 


Wenn  ich  die  Auslassungen  des  Herrn  von  Giers  über  Österreich 
mit  dem  vergleiche,  was  der  meist  wohl  informierte  Oberst  Klepsch 
mir  vorgestern  über  die  Stimmung  in  russischen  Militärkreisen  er- 
zählte, so  scheint  mir  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen  zu  sein, 
daß  das  offizielle  Rußland,  um  seinen  selbstverschuldeten  inneren  und 
äußeren  Schwierigkeiten  zu  entgehen,  gegenwärtig  Händel  mit  Öster- 
reich sucht  oder  wenigstens  Österreich   einschüchtern  ^   möchte. 

B.  von  Bülow 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck; 
i  At  instar  Caesaris 

2  in  Wien  abzuwiegeln 

3  provociren!  wovor  in  Wien  zu  warnen 


Nr.  1155 

Der  Geschäftsträger  in  Wien  Graf  Monts  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  467  Wien,  den  19.  November 

Als  ich  der  mir  erteilten  Weisung  gemäß  den  Inhalt  des  Tele- 
grammes  Nr.  173  aus  Petersburg  vom  17.*  und  der  die  russischen 
Rüstungen  betreffenden  Meldungen  von  ebendort  und  aus  Warschau 
(Nr.  615,  620,  624)  Qraf  Kälnoky  gegenüber  verwertete,  äußerte  sich 
derselbe  in  folgender  Weise: 

Der  harte  Ton  der  Sprache  des  Herrn  von  Giers  betreffs  Öster- 
reich sei  ungewöhnlich  und  um  so  auffälliger,  als  noch  in  allerjüngster 
Zeit  der  russische  leitende  Staatsmann  dem  Grafen  Wolkenstein  seine 
Zufriedenheit  mit  der  Haltung  des  Wiener  Kabinetts  zu  erkennen  ge- 
geben. 

Was  die  Rüstungen  beträfe,  so  stimmten  die  deutschen  Meldungen 
mit  dem  hierher  Berichteten  überein.  Als  eine  direkte  Kriegsvorbereitung 
könne  er,  Graf  Kälnoky,  diese  Maßregeln  indes  noch  nicht  ansehen. 
Es  handele  sich,  abgesehen  von  dem  einen  größeren  Truppenkörper, 
der  13.  Kavalleriedivision,  vorläufig  nur  um  Heeressplitter,  Befestigun- 
gen und  Vorräte.  Auch  liege  zum  Teil  wohl  nur  die  allmähliche  Aus- 
führung schon  längst  gegebener  Befehle  vor.  Dazu  käme,  daß  augen- 
scheinlich von  russischer  Seite  gar  kein  Geheimnis  aus  den  mili- 
tärischen  Maßnahmen   gemacht  würde.    Im   Gegenteile  seien  darüber 


Siehe  Nr.  1152. 


in  den  letzten  Tagen  von  allen  Seiten,  auch  über  London  und  Rom, 
hierher  Nachrichten  zusammengeströmt,  so  daß  eine  gewisse  Absicht- 
Hchkeit  unverkennbar.  Er,  Graf  Kälnoky,  möchte  daher  fast  der  Mei- 
nung zuneigen,  daß  Rußland  eine  drohende  Haltung  geflissentlich  an- 
nehme,  um  dieselbe  als   Pressionsmittel  zu  verwerten  i. 

Bedenklich  bliebe  freiUch,  so  fuhr  der  Minister  fort,  daß  die  bisher 
.  immerhin  noch  nicht  bedeutend  zu  nennenden  Truppenverschiebungen 
in  einer  Jahreszeit  stattfänden,  wo  ein  Garnisonswechsel  sicher  nicht 
vorteilhaft  für  die  Truppe  sein  könne.  Die  Unterbringung  und  Unter- 
haltung der  Kavalleriedivision  13  in  einem  armen  Landstriche,  der 
schon  überfüllt  mit  Militär,  müsse  dem  Ärar  sehr  erhebliche  Kosten 
machen,  wenn  man  von  dem  gegenüberliegenden  Teile  Galiziens  einen 
Rückschluß  auf  das  russische  Nachbarterritorium  mache.  Dort  halte 
die  hiesige  Regierung  weniger  Kavallerie  wie  eigentUch  erforderlich, 
weil  die  Unterbringung  in  den  elenden  Dörfern  auch  die  besten  Regi- 
menter in  kurzer  Zeit  ruiniere,  und  Mann  und  Pferd  nichts  zu  beißen 
und  zu  brechen  fänden. 

Noch  bedenklicher  würde  eine  eventuelle  Ausführung  des  Planes 
der  Bildung  von  drei  großen  Korps  aus  der  gesamten  Kavallerie  des 
Innern  aufzufassen  sein.  Die  Verwirklichung  dieser  Idee  müßte  aller- 
dings die  Kriegsgefahr  imminent  erscheinen  lassen.  — 

Aus  Vorstehendem  ergibt  sich,  daß  Graf  Kälnoky  bemüht  ist, 
die  Sachlage  in  möglichst  optimistischer  Weise  aufzufassen,  und  bei  dem 
Entschlüsse  noch  weiteren  ruhigen  Abwartens  ohne  Einleitung  von 
Gegenmaßregeln  beharrt.  Bestimmend  wirkt  zweifellos  der  Wunsch 
mit,  die  morgen  auseinandergehenden  Delegationen  erst  zu  Haus  zu 
wissen.  Ferner  müsse  man,  wie  mir  der  Minister  schon  vorgestern 
sagte,  doch  füglich  noch  abwarten,  welche  Maßregeln  der  Kaiser  von 
Rußland  nach  seiner  Rückkehr,  und  nachdem  er  solange  allen  Ge- 
schäften fern  gestanden*,  ergreifen  werde.  Schließlich  fühlte  ich  durch, 
daß  vor  allem  anderen  Graf  Kälnoky  noch  Nachrichten  über  die  Hal- 
tung des  Kaisers  Alexander  in  Berlin  abwarten  will,  wie  auch  nament- 
lich Seine  Majestät  der  Kaiser  Franz  Joseph,  der  sich  vorgestern  wieder 
nach  Gödöllö  begeben,  eine  gute  Einwirkung  der  persönlichen  Be- 
rührung des  russischen  Herrschers  mit  unserem  allergnädigsten  Herrn 
und  Euerer  Durchlaucht  zu  erhoffen  scheint. 

Mon  ts. 

Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Auch  um  Oestferjreich  zum  Angriff  auf  R[ußland]  zu  reizen 

*  Der  Aufenthalt  des  Zaren  auf  Schloß  Fredensborg  in  Dänemark  hatte  sich  in- 
folge der  Erkrankung  seiner  jüngsten  Kinder  vom  26.  August  bis  zum  16.  No- 
vember ausgedehnt;  er  nahm  dann  seinen  Rückweg  über  Berlin.  Vgl.  Bd.  V, 
Kap.  XXXVI. 


10 


Nr.  1156 

Der  Militärattache  in  Wien  Major  von  Deines  an  den  Botschafter 

in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Privatbrief.  Auszug  in  Abschrift 

Wien,  den  23.  November  1887 

Dann  wollte  ich  aber  vor  allen  Dingen  Bericht  erstatten  über 
die   Stimmung   hier   vis-ä-vis    Rußland. 

Man  fing  an,  die  unausgesetzten  Truppenvorschiebungen  der  Russen 
und  die  sichern  Nachrichten  über  anderweite  Kriegsrüstungen  dort 
ernst  zu  nehmen;  Feldmarschalleutnant  von  Beck  scheint  auch  dem 
Kaiser  positive  Vorschläge  zur  Verstärkung  der  galizischen  Garnisonen 
in  Übereinstimmung  mit  dem  Erzherzog  Albrecht  unterbreitet  zu  haben. 
Auf  Grund  der  von  Seiner  Majestät  dem  Zaren  in  Berlin  mehrfach  ab- 
gegebenen Versicherungen,  daß  er  nicht  daran  denke,  Deutschland 
anzugreifen,  ist  man  hier  zunächst  wieder  auf  das  „Abwarten"  gesetzt; 
man  hofft,  daß  die  angeblich  friedlichen  Gesinnungen  des  Zars  bald 
sichtbar  werden  in  der  Einstellung  der  Rüstungen. 

Man  übersieht  dabei,  wie  ich  fürchte,  daß  der  Zar  keinerlei  Ver- 
sprechungen gegeben  hat,  Österreich  nicht  anzugreifen.  Und  ganz 
abgesehen  von  dem  Wunsche  oder  Willen  des  russischen  Kaisers  sind 
die  tatsächlichen  Truppenbewegungen  in  Polen,  die  Zuzüge  aus  dem 
innern  Rußland,  die  Munitions-,  Geschütz-  und  Gewehrtransporte 
Tatsachen,  welche  einzig  und  allein  auf  kriegerische  Absichten 
zurückgeführt  werden  können  und  müssen.  Nun  wollen  die  Russen, 
voran  Gurko,  die  Welt  glauben  machen,  daß  die  russischen  Maßregeln 
nur  defensive  seien,  zur  Abwehr  der  Gefahr,  die  drohe  aus  den  öster- 
reichischen und  preußischen  Maßregeln.  Wenn  das  bei  uns  und  hier 
auch  niemand  glaubt,  so  bleibt  doch  die  alte  Erfahrung,  daß  fast  alle 
Kriege  mit  solchen  gegenseitigen  Entschuldigungen  begonnen  haben.  — 

Von  höchstem  Interesse  wäre  aber,  im  Hinblick  auf  die  hiesigen 
Verhältnisse,  eine  Kenntnis  darüber,  wann  man  sich  bei  uns  wohl 
zum    Handeln    entschließen   würde  i. 

Die  russischen  Rüstungen  bezwecken  den  Krieg;  will  es  wirklich 
uns  nicht  angreifen,  so  gilt  er  Österreich. 

Fürst  Bismarck  hat  hierher  telegraphiert,  daß  er  dem  Zaren  er- 
klärt habe,  ein  Angriff  gegen  Österreich  würde  für  uns  den  casus 
foederis  bilden.  —  Im  Frühjahr  stieß  ich  2  im  Auswärtigen  Amt  auf 
die  Ansicht  3,  man  könne  Österreich  wohl  eine  oder  zwei  Schlachten 
verlieren  lassen  2.  Wenn  diese  Ansicht  wirklich  vorhanden  wäre,  so 
müßte  man  die  Österreicher  hierüber  nicht  im  Zweifel  lassen.  Sie 
würden  dann  viel  mehr  wie  bisher  ihre  eigene  Kraft  stärken  und  Vor- 
sorge tragen,  nicht  geschlagen  zu  werden*.  Jetzt  veriassen  sich  alle, 
vom  Kaiser  ab,  bestimmt  und  blind  auf  unsere  mächtige  Unterstützung.  — 
Österreich   wird  gewiß   niemals   die   Russen   angreifen;   wird   es   aber 

11 


angegriffen,  machen  wir  dann  sofort  mobil  und  erklären  Rußland  den 
Kriegt,  oder  warten  wir,  bis  ein  russischer  Sieg  Österreich  in  unabseh- 
bare Verlegenheiten  bringt,  uns  die  Franzosen,  Dänen  etc.  auf  den  Hals 
hetzt  und  die  Unterstützung  der  Italiener  mindestens  lähmt?  — 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Das  ergibt  unser  Vertrag;  ein  ru sslischer]  Angriff  müßte  vorhergehen.  Wir 
wünschen  den  Krieg  zu  vermeiden,  u[ncl]  werden  deshalb  einen  öst[er]r[eichischen] 
Angriff  auf  Rußland  oder  russlische]  Truppen  in  Bulgtarien]  nicht  mitmachen. 
Will  OestIerlr[eich]  dergleichen]  unternehmen,  so  muß  es  sich  des  Beistandes  von 
Ital[ien]  England,  der  Pforte  etc.  versichern. 

2  j> 

ä  ?  bei  mir  gewiß  nicht,  für  den  Fall  daß  Rußland  angreift  ist  casus  foederis 
ja  ganz  klar 

*  Oestler]rIeich]  hat  den  Angriff  Rußlands  wohl  erst  zu  fürchten,  nachdem  wir  mit 
Frankreich  engagirt  sein  werden. 

5  das  ist  unsre  Vertragspflicht,  wenn  nicht  Oest[er]reich  den"  russ[ischen]  Angriff 
muthwillig  provocirt. 

Nr.  1157 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt  Grafen 
zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Priedrichsruh 

Eigenhändig 

Priedrichsruh,  den  24.  November  1887 
Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  nach  Wien  zu  schreiben.  Seine 
Durchlaucht  vermutete,  daß  die  Russen  alles  mögliche  täten,  um  Öster- 
reich zu  einem  Angriffe  auf  Rußland  zu  provozieren.  Nachdem  sie 
Kenntnis  von  dem  Wortlaut  des  deutsch-österreichischen  Vertrages 
hätten,  würde  es  ihnen  für  ihr  Verhältnis  zu  uns  nützlich  sein,  nicht 
ihrerseits  anzugreifen,  sondern  den  Angriff  Österreichs  abzuwarten. 
Bei  unserem  dringenden  Wunsch,  den  Krieg  vermieden  zu  sehen,  würden 
wir  Österreich  dankbar  sein,  wenn  dasselbe  auf  die  russischen  Provo- 
kationen nicht  einginge*.  C,  Rantzau 

Nr.  1158 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Brauer 

Nr.  665  Berlin,  den  30.  November  1887 

Geheim 

Im  Anschluß  an  meinen  geheimen  Erlaß  Nr.  659  vom  29.  d.  Mts.** 
und  an  unsere  mündliche  Besprechung  erlaube  ich  mir  Ew.  pp.  nochmals 
ergebenst  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  es  in  der  jetzigen  Lage 

*  In   dem  Sinne   dieser  Direktiven   erging  am  29.  November  ein   Erlaß   (Nr.  659) 
nach  Wien. 

**  Vgl.  Nr.  1157,  Fußnote. 

12 


vor  allem  darauf  ankommen  wird,  daß  Österreich  in  seinem  Verhalten 
zu  Rußland  die  politisch-diplomatische  und  die  militärische  Seite  nach 
Möglichkeit  auseinanderzuhalten  sucht.  Österreichs  Wunsch,  den  Krieg 
zu  vermeiden,  ist  ebenso  lebhaft  wie  der  unsrige;  in  diesem  Sinne  wird 
Graf  Kälnoky  es  gewiß  mit  uns  für  politisch  nützlich  halten,  alles  zu 
vermeiden,  was  wie  eine  Provokation  Rußlands  gedeutet  werden  könnte; 
auf  der  andern  Seite  wird  Österreich  sich  aber  nicht  in  einen  Zustand 
der  Sicherheit  einwiegen  lassen  dürfen,  der  es  einem  etwaigen  plötz- 
lichen miUtärischen  Angriff  Rußlands  gegenüber  militärisch  zu  schwach 
erscheinen  ließe. 

Es  wird  sich  deshalb  in  Parallele  mit  den  militärisch  etwa  er- 
forderlich erscheinenden  Maßnahmen  empfehlen,  auf  diplomatischem 
Gebiete  tunlichstes  Entgegenkommen  zu  zeigen,  um  den  Russen  jeden 
Vorwand  der  Beschwerde  zu  entziehen:  es  dürfte  dies  um  so  eher  ge- 
lingen, wenn  vielleicht  der  Oberst  Klepsch  autorisiert  würde,  die 
russischen  Rüstungen  und  die  dadurch  geschaffene  Verlegenheit  Öster- 
reichs an  maßgebender  Stelle  in  St.  Petersburg  vertraulich  und  in 
freundschaftlicher  Form  zur  Sprache  zu  bringen. 

Ew.  pp.  stelle  ich  ergebenst  anheim,  diesen  Gedanken  mit  dem 
Grafen  Kälnoky  vertraulich  besprechen  zu  wollen. 

H.  Bismarck 

Nr.  1159 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  487  Wien,  den  1.  Dezember  1887 

Geheim 

Ich  habe  den  Grafen  Kälnoky  heut  bald  nach  meiner  Ankunft  auf- 
gesucht und  mit  ihm  die  Lage  Österreichs  gegenüber  der  bedrohlichen 
Stellung  Rußlands  nach  Maßgabe  Euerer  Durchlaucht  mündlicher  In- 
struktionen und  des  hohen  Erlasses  Nr.  665  vom  30.  v.  Mts.*  eingehend 
besprochen. 

Die  Äußerungen  des  Ministers,  welcher  gerade  von  dem  heut 
früh  wieder  in  Wien  eingetroffenen  Kaiser  Franz  Joseph  kam,  erlaube 
ich   mir  im  Nachfolgenden  zusammenzufassen. 

Man  mache  sich  hier  durchaus  keine  Illusionen  über  die  Stimmung 
in  Rußland.  Wenn  der  Zar  in  Berlin  seinen  friedlichen  Absichten 
Deutschland  gegenüber  entschiedenen  Ausdruck  gegeben  hätte,  so  be- 
stände für  ihn,  den  Minister,  doch  gar  kein  Zweifel,  daß  die  Gefühle 
für  Österreich-Ungarn  bei  dem  nordischen  Monarchen  weniger  freund- 
schaftlich seien.  Der  Graf  hat  mich  nicht  über  diesen  Punkt  befragt, 
ich  habe  ihm  aber  nicht  widersprechen  zu  sollen  geglaubt  und  gesagt, 

*  Siehe  Nr.  1158. 

13 


ich  glaubte  auch,  daß  die  kaiserlichen  Äußerungen  in  Berlin  Öster- 
reich betreffend  nicht  so  tröstlich  gewesen  seien,  als  das,  was  er  über 
sein  Verhältnis  zu  Deutschland  gesagt  habe. 

Über  diesen  Punkt  besteht  daher  keinerlei  Illusion  beim  Grafen 
Kälnoky,  und  fragt  er  sich,  wie  das  Verhalten  des  k.  und  k.  Kabinetts 
dieser  Tatsache  gegenüber  einzurichten  sein  wird. 

Seiner  Ansicht  nach  hänge  der  Bestand  des  Friedens  hauptsäch- 
lich von  russischen  Launen  ab^.  Würde  die  russische  Regierung  durch 
innere  Verhältnisse  gedrängt,  so  würde  sie  zum  Kriege  getrieben  werden, 
auch  ohne  einen  vernünftigen  Grund  dafür  zu  haben.  Dies  brauche 
nicht  sofort  einzutreten,  könne  aber  auch  bald  geschehen.  Für  Öster- 
reich Hege  die  Hauptaufgabe  darin,  der  russischen  Regierung  keinen 
Prätext  zu  geben,  welcher  der  russischen  öffentlichen  Meinung  den 
Krieg  gegen  Österreich  plausibel  machen  könnte  2.  Daß  das  Peters- 
burger Kabinett  nach  solchen  Prätexten  suche,  schiene  klar  und  ginge 
aus  den  Äußerungen  des  sonst  so  zahmen  russischen  Ministers  der 
auswärtigen  Angelegenheiten  deutlich  genug  hervor.  Denn  es  sei  un- 
möglich, die  Wahrheit  so  zu  verdrehen  und  die  Österreicher  der  Be- 
drohung Rußlands  anzuklagen,  wenn  nicht  feindselige  Absichten  und 
ein  parti  pris  vorausgesetzt  werden   könnten  2. 

Herr  von  Giers  könne  aber  lange  warten.  Er,  Graf  Kälnoky, 
werde  ihm  keinen  Prätext  geben  3,  werde  Rußland  nicht  provozieren, 
geschweige  denn  angreifen. 

Sollte  russischerseits  auf  dem  jetzt  betretenen  Wege  fortgefahren 
werden,  sollten  die  augenblickhch,  wie  es  scheine,  sistierten  Truppen- 
dislokationen, „die  schon  seit  langer  Zeit  in  Aussicht  genommen  waren", 
wieder  anfangen  die  Grenze  zu  bedrohen,  dann  würde  es  an  der  Zeit 
sein,  militärische  Maßregeln  zu  ergreifen,  um  vor  einem  plötzHchen 
Überfall  sicher  zu  sein. 

Der  Minister  glaubt  noch  nicht  daran,  daß  ein  russischer  Angriff 
noch  im  Winter  erfolgen  werde.  Einmal  kenne  man  in  St.  Petersburg 
zu  genau  den  casus  foederis  zwischen  Deutschland  und  Österreich- 
Ungarn,  um  einen  Angriff  zu  wagen.  Man  werde  daher  einen  öster- 
reichischen Angriff  mit  allen  Künsten  zu  provozieren  suchen  2.  Da 
man  hier  entschlossen  sei,  nicht  in  diese  Falle  zu  gehen*,  so  würde 
darüber  Zeit  vergehen  und  der  Sommer  herankommen. 

Auch  wenn  man  die  miHtärische  Frage  genau  untersuche,  so  komme 
man  zu  dem  Resultat,  daß,  wenn  auch  die  Russen  viel  Truppen  und 
Kriegsmaterial  in  Polen  angehäuft  hätten  und  jetzt  schon  stärker  seien 
als  die  gegenüberstehenden  Österreicher,  die  dortige  Armee  noch  lange 
nicht  in  der  Lage  sei,  einen  Krieg  zu  unternehmen,  von  dem  doch  von 
russischer  Seite  auch  angenommen  werden  müsse,  daß  er  möglicher- 
weise gegen  Österreich  und  Deutschland  zu  führen  sein  würde. 

Er,  Graf  Kälnoky,  neige  daher  im  Einverständnis  mit  seinem  kaiser- 
lichen  Herrn   zu   der  Ansicht  hin,   daß   es   jetzt  verfrüht  sein   würde, 

14 


die   galizischen    Garnisonen    zu    verstärken,    und    zwar   aus    folgenden 
Gründen. 

Bei  den  uns  bekannten  Dispositionen  in  St.  Petersburg  würde 
man  dort  aus  der  geringsten  österreichischen  Truppendislokation  eine 
Bedrohung  der  russischen  Grenzen  machen  5.  Österreich  würde  als 
Friedensstörer  hingestellt  werden,  und  die  russische  Regierung  das 
erreicht  haben,  was  sie  wollte  6.  Solche  militärische  Maßnahmen  würden 
daher  von  den  Russen  als  politische  betrachtet  und  so  aufgefaßt  werden. 
Deshalb  würde  es  nichts  nützen,  wenn  man  von  hier  aus  in  nicht- 
offizieller Weise  durch  Vertrauenspersonen  dort  loyal  sagen  ließe,  der 
Kaiser  von  Österreich  hätte  keinerlei  feindliche  Absichten,  er  könne 
aber  dem  Vorwurf  seiner  Untertanen  sich  nicht  aussetzen  und  gegen- 
über den  bedrohUchen  russischen  militärischen  Maßregeln  nicht  auch 
etwas  tun,  um  seine  Völker  zu  beruhigen*.  Das  wäre  recht  schön 
ausgedacht,  aber  den  erhofften  Erfolg  würde  ein  solcher  Schritt  nicht 
haben''.  Österreich  würde  als  Störenfried  gelten,  wenn  es  auch  ein 
Unsinn  wäre,  ihm  diese  Rolle  zuschreiben  zu  wollen. 

Würden  aber  die  Truppenbewegungen  aus  dem  Innern  Rußlands 
an  die  westliche  Grenze  fortgesetzt,  dann  würde  es  an  der  Zeit  sein, 
zu  handeln  und  sich  gegen  einen  Überfall  zu  sichern,  dann  würde  es 
den  Russen  unmöglich  werden  8,  ihre  aggressiven  Absichten  noch  weiter 
zu  bemänteln. 

Ein  militärisches  Bedenken  gegen  sofortige  Garnisonverstärkungen 
in  Galizien  mache  der  Kaiser  besonders  geltend,  nämlich  daß,  wenn 
es  nicht  sofort  zum  Kriege  käme,  was  Seine  Majestät  ebenfalls  nicht 
glaubten,  eine  Anzahl  vortrefflicher  Regimenter  durch  die  schlechte 
Unterkunft  in  den  Grenzländern  vollkommen  ruiniert  werden  und  dann 
für  den  Frühjahrsfeldzug  unbrauchbar  sein  würden. 

„Haltet  Euer  Pulver  trocken,  aber  verschießt  es  nicht  zu  früh!" 
das  sei  gewiß  der  beste  Rat,  und  habe  er,  noch  ohne  mich  gesprochen 
zu  haben,  dem  Kaiser  dieselbe  Haltung  empfohlen.  Er  verstehe  dar- 
unter, daß  die  Heeresleitung  ihre  bereits  im  letzten  Frühjahr  begonnenen 
inneren  Vorbereitungen,  Beschaffung  von  Waffen,  Munition,  Montierun- 
gen und  anderem  Kriegsbedarf  mit  verdoppelter  Anstrengung  fortsetze, 
damit  es  im  geeigneten  Moment  an  nichts  fehle.  Mit  dem  Mannlicher- 
Repetiergewehr  würden  2  Armeekorps  bis  zum  Anfang  des  nächsten 
Jahres  bewaffnet  sein  (90000  Stück).  Da  dieses  Gewehr  dieselbe  Pa- 
trone führe  wie  das  alte,  so  halte  der  Generalstab  die  hiesige  Bewaff- 
nung der  russischen  für  ebenbürtig.  Ich  könne  darüber  Euere  Durch- 
laucht beruhigen,  daß  man  hier  nicht  schlafen  werde  9,  aber  er  glaube 
sich  darin  mit  Hochdenselben  im  Einverständnis  zu  befinden,  wenn 
er  nicht  weiter  gehen  und  nichts  tun  wolle,  was  jenseits  der  Grenze 
als   Provokation   aufgefaßt  lo  werden   könnte. 

*  Vgl.  Nr.  1158. 

15 


Ich  habe  mich  im  Laufe  unseres  Gespräches  davon  überzeugen 
können,  daß  sich  Graf  Kälnoky  vollkommen  klar  über  den  casus  foederis 
ist.  Es  mag  hier  wohl  bei  vielen  maßgebenden  Persönlichkeiten  der 
Wahn  bestehen,  daß  wir  unter  jeder  Bedingung  für  Österreich  den 
Degen  ziehen  würden.  Ich  habe  diesen  Punkt  sehr  gründlich  mit  dem 
Minister  besprochen  und  gefunden,  daß  er  dieser  Ansicht  nicht  huldigt 
und  seine  Politik  nicht  hierauf  begründet  3.  Vielleicht  mag  er  die  An- 
sicht anderer  teilen,  daß,  wenn  Rußland  wirklich  beschlossen  hat,  den 
Krieg  an  Österreich  zu  machen,  es  auf  den  casus  foederis  nicht  mehr 
so  genau  ankommen  dürfte,  weil  wir  dann  in  unserem  eigenen  Inter- 
esse genötigt  sein  würden,  rasch  zuzugreifen,  um  uns  die  Erfolge 
eines  Krieges  mit  leichterer  Mühe  zu  sichern,  an  dem  wir  früher  oder 
später  doch  würden   teilnehmen   müssen  i. 

Ausgesprochen  hat  sich  der  Minister  indessen  nicht  in  diesem 
Sinne  und  mir  auf  meine  Ausführungen  ausdrücklich  gesagt,  daß  er  die 
Ansichten  Euerer  Durchlaucht  hierüber  genau  kenne  und  keine  höheren 
Anforderungen  an  unsere  Bundestreue  stelle  als  die,  welche  er  rechtens 
erwarten  könne. 

Dasselbe  galt  auch  von  dem  Umfang  der  unsererseits  zu  leistenden 
Hülfe  in  einem  russisch-österreichischen  Kriege,  an  welchem  wir  ver- 
tragsmäßig teilnehmen  würden.  Ich  habe,  als  dieser  Punkt  zur  Sprache 
kam,  es  mir  angelegen  sein  lassen.  Euerer  Durchlaucht  mir  mündlich 
mehrfach  ausgesprochene  Ansicht  über  die  relativ  beschränkte  Macht- 
entwickelung an  unserer  Ostgrenze  dem  Grafen  Kälnoky  zu  wiederholen 
und  ihm  zu  sagen,  daß  sich  Österreich  in  erster  Linie  auf  seine  eigene 
Kraft  verlassen  müsse. 

Auch  die  Frage  eines  wegen  Bulgarien  etwa  entbrennenden 
Kampfes  auf  der  Balkanhalbinsel  wurde  besprochen,  und  habe  ich  dem 
Minister  darüber  keinen  Zweifel  gelassen,  daß  wir  es  vor  dem  deutschen 
Volke  nicht  würden  verantworten  können,  wegen  eines  Balkanstaates 
und  der  Orientinteressen  Österreichs  und  namentlich  Ungarns  uns  in 
einen  Krieg  mit  Rußland  zu  stürzen.  Hier  müsse  sich  Österreich  der 
Bundesgenossenschaft  Englands  und  des  Sultans  zu  versichern  suchen  3. 

Der  Minister  sieht  dies,  wie  Euerer  Durchlaucht  dies  schon  aus 
Hochdero  Besprechungen  mit  ihm  bekannt  ist,  vollkommen  ein.  Er 
sagte  mir,  auch  auf  diesem  Gebiet  werde  er  sich  aller  Provokationen 
enthalten  und  die  Suszeptibilitäten  Rußlands  soviel  als  möglich  schonen. 
Wollte  Rußland  dort  militärisch  eingreifen,  so  würde  Österreich-Ungarn 
bald  nicht  mehr  freie  Hand  haben,  da  die  englischen  Abmachungen* 
fast  fertig  wären  3. 

Er  glaubt  aber  nicht  daran,  daß  Rußland  dort  etwas  unternehmen 
werde.  Rußlands  Objektiv  bleibe  immer  dessen  Stellung  auf  der  Balkan- 
halbinsel,   aber   um    dieselbe   zu    erreichen,    würde   es    nicht   dort  an- 

*  Siehe  Bd.  IV,  Kap.  XXVIII:  Entente  ä  trois  zwischen  Italien,  England  und  Öster- 
reich, Nr.  938  nebst  Anlagen. 

16 


greifen,  sondern  man  hoffte  in  St.  Petersburg,  daß,  wenn  Österreich 
erst  niedergeworfen  sein  würde,  den  Russen  jene  Frucht  von  selbst 
in  den  Schoß  fallen  werde  2. 

Als  Beleg  zu  dieser  Ansicht  führte  der  Minister  an,  daß  die  Stimmung 
der  Balkanslawen,  selbst  Montenegros,  nicht  darauf  schheßen  ließe,  als 
glaube  man  dort  an  einen  Einbruch  Rußlands  auf  der  Balkanhalbinsel. 

Aus  vorstehenden  Äußerungen  des  Herrn  Ministers  des  Äußern 
läßt  sich  der  bestimmte  Schluß  ziehen,  daß  österreichischerseits  für 
jetzt  keine  militärischen  Gegenmaßregeln  getroffen  werden  sollen 
und  man  hier  abwarten  wird,  daß  die  russischen  kriegerischen  Ab- 
sichten sich  noch  deutHch  akzentuieren  werden. 

Wie  ich  von  sicherer  Seite  höre,  ist  der  österreichisch-ungarische 
Generalstab  der  Ansicht,  daß  dieser  Moment  bereits  gekommen  sein 
dürfte,  und  daß  es  daher  die  höchste  Zeit  sei,  die  galizischen  Garnisonen 
zu  verstärken  11,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  russischerseits  dies  als 
Provokation  ausgelegt  werden  dürfte. 

Feldmarschalleutnant  Baron  Beck  wartet  die  demnächst  bevor- 
stehende Rückkehr  des  Erzherzogs  Albrecht  ab,  um  seiner  Ansicht 
bei  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  mehr  Geltung  zu  verschaffen. 

Der  Generalstab  scheint  sich  daher  im  Gegensatz  mit  dem  Mini- 
ster des  Äußern  zu  befinden,  und  dürfte  wohl,  meiner  unmaßgeblichen 
Ansicht  nach,  die  Entscheidung  des  Monarchen  nach  letzterer  Seite 
hinfallen.  H.  VII.  P.  Reuß 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarckt 
'  Ja 

2  richtig 

3  gut 

4  gut! 

^  dabei  „dislocirt"  Rußland  aber  ruhig  weiter 

*  Finanz-Faulheit! 

■^  es  kostet  auch  Geld! 

8  jetzt  aber? 

ä  aber  Geld  nicht  haben 

1°  die  Russen  haben  keine  Bedenken  der  Art! 
11  richtig;  aber  Geld!  more  austriaco 

Nr.  1160 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  392  St.  Petersburg,  den  1.  Dezember  1887 

Als  ich  Herrn  von  Giers  an  seinem  gestrigen  Empfangstage  auf- 
suchte, lenkte  derselbe  sogleich  das  Gespräch  auf  Österreich,  über 
welches  sich  der  Minister  mit  derselben,  wie  mir  vorkam,  wohlüber- 
legten Gereiztheit  ausließ,  wie  schon  vor  vierzehn  Tagen,  pp. 

„Wir  wollen  nicht  den  Krieg  mit  Österreich,  und  namentlich  nicht 

2    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  17 


Österreich  angreifen.  Wenn  Österreich  auseinanderfiele,  so  könnten 
seine  slawischen  Völker  eine  Quelle  von  Verlegenheiten  für  uns  werden, 
wie  jetzt  die  Bulgaren.  Es  gibt  auch  in  Prag  und  in  Agram  Stambulows, 
welche  mit  unseren  einheimischen  Stambulows  vereinigt  die  innere 
Organisation  Rußlands  gefährden  würden.  Vom  dynastischen  Stand- 
punkte aus  wünschen  wir  den  Fortbestand  Österreichs.  Mais  les 
Autrichiens  ont  le  verbe  trop  haut,  il  faut  leur  rabattre  le  caquet;  un 
Empereur  qui  se  trouve  ä  la  tete  de  cent  milhons  de  sujets  ne  saurait 
se  laisser  narguer  par  un  pays  comme  TAutriche.'' 

Ähnlich  wie  früher  verbreitete  sich  der  Minister  auch  diesmal 
darüber,  daß  zwischen  dem  russischen  und  dem  österreichischen  Stand- 
punkt in  der  bulgarischen  Frage  und  überhaupt  in  orientalischen  An- 
gelegenheiten ein  unüberbrückbarer  Gegensatz  obwalte,  wobei  er  es 
nicht  an  allerlei  Ausfällen  gegen  Graf  Kälnoky  fehlen  ließ.  Dem  ihm 
befreundeten  Grafen  Woikenstein  spendete  Herr  von  Giers  persönliches 
Lob,  fügte  jedoch  hinzu:  „Si  je  le  voyais,  je  ne  parlerais  pas  politique 
avec  lui,  ä  quoi  bon,  cela  ne  sert  ä  rien  entre  nous  et  les  Autrichiens.'* 

Ich  möchte  Herrn  von  Giers,  welcher  dem  Wunsche  nach  besseren 
Beziehungen  zwischen  Rußland  und  Deutschland  grade  in  diesen  Tagen 
einen  im  letzten  Ende  schwerHch  ganz  aufrichtigen,  aber  jedenfalls 
höchst  empressierten  und  beinah  demütigen  Ausdruck  gab,  nicht  mit 
einem  reißenden  Tiere  vergleichen.  Die  Art  und  Weise,  wie  der  Mini- 
ster gegenwärtig  über  oder  vielmehr  gegen  Österreich  spricht,  er- 
innert jedoch  einigermaßen  an  die  Fabel  vom  Wolf  und  vom  Schaf. 
Der  Minister  sucht  offenbar  nach  Gründen  zur  Klage  über  Österreich, 
das  er  meines  unvorgreifhchen  Erachtens  entweder  reizen  oder  ängstigen 
willi.  Auch  in  der  hiesigen  Gesellschaft  begegne  ich  neuerdings  so 
systematischer  Feindseligkeit  gegen  Österreich  —  die  im  Gegensatze 
zu  dem  naturwüchsigen  Hasse  gegen  Deutschland  mehr  etwas  Ge- 
machtes hat  — ,  daß  ich  fast  an  eine  von  oben  gegebene  Parole  glauben 
möchte.  Der  griechische  Gesandte*  erzählt  mir,  daß  die  ihm  bekannten 
russischen  Offiziere  gegenwärtig  fast  alle  von  baldigem  Krieg  mit 
Österreich  sprächen,  aber  vielfach  hofften,  Deutschland  werde  sich  in 
irgendeiner  Weise  neutral  halten  lassen.  Oberst  Klepsch  meinte  heute, 
daß  die  Russen  jetzt  langsam  mit  ihren  Rüstungen  begännen,  um  für 
alle  Eventualitäten  der  nächsten  Monate  militärisch  in  einer  möglichst 
günstigen  Lage  zu  sein;  etwa  zu  Neujahr  würden  sie  die  bulgarische 
Frage  wieder  aufrollen  und,  wenn  das  Wiener  Kabinett  ihnen  dann 
in  diesem  Punkte  nicht  nachgebe,  das  als  Vorwand  benützen,  um 
im   Frühjahre  mit  Österreich  ernstlichen  Streit  anzufangen. 

B.  von  Bülow 

Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  Ja 

*  Mavrocordato. 
18 


Nr.  1161 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  492  Wien,  den  6.  Dezember  1887 

Geheim 

Seine  Majestät  der  Kaiser  Franz  Josepii,  welchem  Graf  Kälnoky 
über  seine  Unterhaltung  mit  mir  (conf.  Bericht  Nr.  487  vom  1.  Dezember 
er.*)  Meldung  gemacht  hatte,  ließ  mir  durch  den  Minister  sagen,  er 
wünsche  mich  heut  nachmittag  zu  sehen,  und  begab  ich  mich  zu  dem 
Ende  um  1  Uhr  in  die  Hofburg. 

In  dem  halbstündigen  Gespräch,  welches  ich  mit  Seiner  Majestät 
hatte,  trat  zunächst  die  Sorge  um  die  Zukunft  sehr  deutlich  hervor 
und  der  Wunsch,  zu  hören,  ob  diese  seine  Besorgnis  mit  Bezug  auf 
etwaige  russische  Kriegsabsichten  gegen  Österreich  bei  uns  geteilt 
würde. 

Ich  habe  hierauf  bestimmt  erwidert,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser 
und  König,  mein  allergnädigster  Herr,  ebenso  wie  Euere  Durchlaucht, 
den  dringenden  Wunsch  hätten,  daß  dieser  Krieg  nicht  ausbrechen 
möge,  und  daß  daher  unsererseits  alles  versucht  werden  würde,  um 
dieser  traurigen  Lösung  vorzubeugen.  Wenn  auch  der  Kaiser  Alexander 
meinem  allergnädigsten  Herrn  die  bündigsten  Friedensversicherungen 
gegeben  hätte,  und  Seine  Majestät  an  der  Ehrlichkeit  derselben  keinen 
Augenbück  zweifelten,  so  sei  die  Lage  in  Rußland  doch  nicht  dazu 
angetan,    um    mit   Beruhigung   der   Zukunft   entgegenzusehen. 

Ich  habe  dem  Kaiser  hierauf  dieselbe  Sprache  geführt,  wie  vor 
ein  paar  Tagen  dem  Grafen  Kälnoky.  Ich  habe  davor  gewarnt,  Ruß- 
land zu  provozieren,  geschweige  denn  es  anzugreifen,  aber  darauf  hin- 
gewiesen, daß  Österreich  auf  seiner  Hut  sein  müsse.  Ich  habe  bestimmt 
betont,  welches  die  uns  durch  unseren  Vertrag  mit  Österreich  zu- 
fallenden Pflichten  wären,  und  daß  wir,  wenn  der  casus  foederis  ein- 
treten sollte,  dieselben  ehrlich  erfüllen  würden,  daß  ich  aber  Seine 
Majestät  bäte,  weder  unsere  geographische  Lage  noch  die  Notwendig- 
keit zu  vergessen,  eventuell i  nach  zwei  Seiten  Front  machen  zu  müssen; 
daß  wir  daher  nicht  imstande  sein  würden,  Österreich,  „wenn  es  an- 
gegriffen werden  würde",  mit  unserer  ganzen  Macht  zur  Seite  zu 
stehen,  aber  immerhin  in  der  Lage  sein  würden,  unseren  Bundes- 
genossen,  soweit  uns   dies   möglich   sein   würde,   beizustehen. 

Die  zweite  hiermit  zusammenhängende  Frage,  welche  den  Kaiser 
beschäftigte,  war  die,  was  die  Russen  eventuell  dazu  bewegen  könnte, 
Österreich  anzugreifen ;  daß  beide  Regierungen  in  der  Behandlung  der 
bulgarischen  Frage  nicht  einer  und  derselben  Meinung  wären,  liefere 

*  Siehe  Nr.  115Q. 

2'  19 


doch  noch  keinen  Grund  zum  Kriege.  Er  suche  vergeblich  nach  diesem 
Grunde;  es  könnte  also  nur  eine  Narrheit ^  sein,  die  Rußland  dazu 
treiben  könnte,  oder  aber  die  üblen  inneren  Zustände,  welche  dem 
Zaren  einen  Krieg  mit  dem  Ausland  als  einzige  Rettung  erscheinen 
lassen  würden.  Wer  von  beiden  würde  aber  den  anderen  angreifen? 

Der  Petersburger  Hof  kenne  unseren  Vertrag;  man  würde  sich 
dort  also  wohl  hüten,  Österreich  anzugreifen.  Er,  der  Kaiser,  wolle 
seinerseits  den  Krieg  vermeiden,  denke  daher  auch  nicht  daran,  Ruß- 
land anzugreifen;  ja,  von  hier  aus  würde  man  nichts  tun,  um  Rußland 
zu  provozieren.  „Wir  werden  russischen  Provokationen  gegenüber  ein 
sehr  dickes  Fell  haben,  darauf  können  Sie  sich  verlassen." 

Es  kam  nun  hierbei  deutlich  zum  Vorschein,  daß  es  den  Kaiser 
besorgt  macht,  wie  bei  diesen  eigentümlichen  Zuständen  unsererseits 
der  casus  foederis  ausgelegt  werden  wird.  Der  Kaiser  fürchtet,  daß 
ohne  sein  Verschulden  sich  die  Sachen  so  drehen  könnten,  daß 
Österreich  im  Kriege  mit  Rußland  sich  befände,  ohne  daß  der  klare  casus 
foederis  für  uns  vorläge  3. 

Es  könnte  auch  ein  anderer  Fall  eintreten,  meinten  Seine  Majestät, 
nämlich  der,  daß  durch  das  neue  Abkommen  mit  England  und  Italien* 
Österreich  verpflichtet  sein  würde,  eine  drohende  Haltung  gegen  Ruß- 
land anzunehmen.  Hierdurch  könnte  es  in  den  Krieg  mit  Rußland 
verwickelt  werden.  Wie  liege  dann  der  casus  foederis?*  Würde 
nicht  Deutschland,  welches,  wenn  auch  keinen  offenen,  aber  doch 
einen  sehr  dankenswerten  Anteil  an  dem  Zustandekommen  dieses 
Abkommens  genommen  hätte,  sich  dabei  ganz  desinteressieren 
können  ? '' 

Wenn  Österreich  auf  diesem  Gebiete  keine  Courage  zeigte,  so 
würden  die  anderen  auch  lässig  werden,  und  dann  hätte  das  ganze 
Arrangement  keinen  Wert  mehr;  das  könnte  uns  doch  nicht  passen? 

Soviel  ich  den  Gedanken  des  Kaisers  verstanden  habe,  so  wollte 
er  ungefähr  sagen,  da  Ihr  jenen  Vertrag  patronisiert  habt,  so  könnt 
Ihr,  wenn  Österreich  infolge  desselben  zum  Kriege  genötigt  wird, 
Österreich  doch  nicht  sitzen  lassen  6. 

Ich  habe  mir  erlaubt,  Seiner  Majestät  hierauf  zu  erwidern,  wenn 
die  Kaiserüche  Regierung  so  energisch  das  Zustandekommen  zwischen 
Österreich,  England  und  Italien  gefördert  hätte,  so  sei  dies  in  erster 
Linie  aus  dem  Grunde  geschehen,  um  die  Friedensliga  ^  zu  verstärken 
und  dadurch  womöglich  den  Krieg  zu  vermeiden.  In  zweiter  Linie 
sei  es  aber  für  uns  von  Wichtigkeit  gewesen,  unseren  Bundesgenossen, 
Österreich,  durch  jene  Bündnisse  zu  stärken  8.  Denn  wir  müßten  immer 
im  Auge  haben,  und  ich  bäte  Seine  Majestät,  dies  nicht  zu  vergessen, 
daß  wir  auf  den  Überfall  Frankreichs  gefaßt  und  deshalb  nicht  in 
der  Lage  sein  würden,  Österreich  so  kräftig  zu  unterstützen,  als  wenn 
wir  nach  Westen  freie  Hand  hätten,  Österreich  müßte  sich  daher 
*  Siehe  Bd.  IV,  Kap.  XXVIII,  Nr.  938  nebst  Anlagen. 

20 


in  erster  Linie  auf  seine  eigene  Kraft  und  auf  seine  anderen  Bundes- 
genossen verlassen  3. 

Der  Kaiser  anerkannte  dies,  kam  aber  immer  darauf  zurück,  daß 
es  notwendig  sein  würde,  uns  über  alle  diese  Fragen  zu  besprechen 
und  auch  über  die  militärischen  Fragen  rechtzeitig  zu  verständigen, 
um  nicht  überrascht  zu  werden.  Es  sei  von  der  höchsten  Wichtigkeit, 
daß  die  beiden  Höfe  weder  politisch  noch  mihtärisch  irgendeinen  Schritt 
täten,  ohne  darüber  im  Einverständnis  sich  zu  befinden. 

Hierin  habe  ich  dem  Kaiser  durchaus  zugestimmt  und  höchstihn 
darauf  hingewiesen,  daß  bis  jetzt  unsererseits  nichts  geschehen  sei, 
wovon  nicht  das  befreundete  Wiener  Kabinett  Kenntnis  erhalten  hätte. 
Daß  wir  dasselbe  von  der  k.  und  k.  Regierung  ebenfalls  erwarteten, 
sei  selbstverständlich. 

Ich  würde  fehlgreifen,  wollte  ich  annehmen,  daß  der  Kaiser  Franz 
Joseph  irgendwelches  Mißtrauen  in  unsere  Bundestreue  hätte;  aber 
bei  der  eigentümlichen  Lage  der  Dinge,  wo  weder  Rußland  noch  Öster- 
reich unseres  Vertrages  wegen  den  Krieg  anfangen  will,  sieht  er  vor- 
aus, daß  durch  irgendeinen  unglückHchen  Zufall  ^  oder  aber  durch  rein 
militärische  3  Gründe,  von  denen  der  Erfolg  oder  Mißerfolg  der  Kam- 
pagne abhängen  würde,  seine  Armee  genötigt  3  sein  könnte,  den  Feind 
anzugreifen.  Und  für  diesen  Fall  möchte  er  aufgeklärt  sein,  wie  bei 
uns  dann  der  casus  foederis  interpretiert  werden  wird^o. 

Ich  habe  mich  auf  die  Besprechung  dieses  Gedankens  nicht  ein- 
gelassen, muß  aber  nach  dem,  was  ich  von  dieser  obersten  Stelle  heute 
gehört  habe,  voraussetzen,  daß  es  hier  vollkommen  Ernst  ist,  hier- 
über einen  Gedankenaustausch,  vielleicht  sogar  eine  Abmachung  herbei- 
zuführen n. 

Dasselbe  gilt  von  der  rein  miUtärischen  Seite  der  Frage;  Euere 
Durchlaucht  wollen  mir  hochgeneigtest  gestatten,  dasjenige,  was  mir 
der  Kaiser  hierüber  gesagt  hat,  an  anderer  Stelle  zu  melden. 

Die  Notwendigkeit,  eventuell  in  einen  Krieg  hinein  zu  müssen, 
bei  welchem  man  nichts  gewinnen  kann,  schien  dem  Kaiser  ein  über- 
aus drückender  Gedanke,  mit  dem  er  sich  nur  schwer  vertraut  machen 
kann,  aber  den  er  doch  sehr  ernsthaft  ins  Auge  faßt.  Der  Kaiser  glaubt 
nicht  an  einen  Winterfeldzug,  aber  die  Berichte,  die  ihm  vorlagen, 
lassen  Seine  Majestät  annehmen,  daß  in  Rußland  alles  auf  das  Früh- 
jahr eingerichtet  wird. 

Seine  Sprache  war  eine  durchaus  freundschaftliche,  sehr  teilnehipend 
und  warm  mitfühlend  für  die  Sorgen,  die  unseren  allergnädigsten 
Herrn  jetzt  drücken,  mit  großem  Vertrauen  in  Euerer  Durchlaucht 
Beistand  in  der  bedrängten  Lage,  in  welcher  sich  die  österreichisch- 
ungarische Monarchie  leicht  befinden  könnte.  Ich  darf  am  Schluß 
nochmals  wiederholen,  daß  ich  sehr  entschieden  das  Vertrauen  in 
unsere  Bundestreue  bestärkt,  aber  darüber  hinaus  keine  Hoffnungen 
erweckt  habe. 

21 


Wie  sich  der  Kaiser  den  Fall  denkt,  daß  er  infolge  seines  anglo- 
italienischen  Abkommens,  welches  ihn  zum  Schutz  der  Türkei  ver- 
pflichtet, nicht  militärisch,  sondern  nur  diplomatisch  gegen  Rußland 
auftreten  will,  ist  mir  nicht  recht  klar,  und  werde  ich  suchen,  vom 
Grafen  Kälnoky  hierüber  Aufschluß  zu  erlangen  12. 

H.  VII.  P.  Reuß 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  „Eventuell"  eingeklammert 

2  ja  die  ist  es  vom  Zaren,  seine  Diener  wollen  ihn  durch  Krieg  Sturzes 

3  V 

*  nicht  anders  wie  ohnehin,  greift  Oest[er]r[eich]  an,  so  besteht  er  nicht. 

^  ja,  wir  haben  uns  bemüht,  Oestreich  auch  für  Fälle  die  foedus  nicht  deckt, 

Bundesgenossen  zu  verschaffen. 
ß  die  Frage  läßt  sich  heut  nicht  beantworten,  wenn  man  nicht  Oest[er]reich  in 

Versuchung  führen  will  auf  unsre  Kosten  Krieg  zu  provociren 
'   ?  der  tritt  ja  England  nicht  bei,   sondern  bildet  eine  neue  ä  3,  mit  Ital[ien] 

u[nd]  Oest[er]r[eich] 
^  ja 
■^  richtig 

10  er  liegt  dann  nicht  vor. 

11  cf.  Steitel  6.  Marg[inal]  1  * 

1-  nicht  nöthig  wenn  es  sich  nicht  ohne  diesseitige  Initiative  ergiebt 


Nr.  1162 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  499  Wien,  den  8.  Dezember  1887 

Geheim 

Graf  Kälnoky  sagte  mir  heute,  er  sei  sehr  befriedigt  von  den  Wir- 
kungen, welche  mein  Gespräch  mit  seinem  Kaiserlichen  Herrn  ge- 
habt hätte. 

Seine  Majestät  hätten  sich  nunmehr  die  Notwendigkeit  ganz  klar 
gemacht,  daß  Gegenmaßnahmen  gegen  die  russischen  Rüstungen  ge- 
troffen werden  müßten,  und  wären  darüber  die  ersten  Vorbesprechungen 
heut   unter  dem   Vorsitz   des   Kaisers  gehalten   worden. 

Auf  meine  Bitte,  mir  zu  erklären,  was  Seine  Majestät  mit  der  An- 
regung des  Gedankens  gemeint  habe,  was  unsererseits  geschehen  würde, 
wenn  Österreich-Ungarn  infolge  seines  geheimen  Abkommens  mit  Eng- 
land und  Italien  in  einen  Krieg  mit  Rußland  gezogen  würde,  und  daß 
man  sich  hierüber  verständigen  müßte,  erwiderte  mir  der  Minister 
folgendes: 

*  Identisch  mit  Randbemerkung  6. 
22 


Sein  Kaiserlicher  Herr  sei  durch  das  Nachdenken  über  dieses  Ab- 
kommen dahin  gebracht  worden,  sich  Sorgen  zu  machen.  Deutsch- 
land habe  hier  stets  gewarnt:  laßt  Euch  nicht  in  Kriege  auf  der  Balkan- 
halbinsel ein,  dann  können  wir  Euch  nicht  helfen;  nun  sage  sich  der 
Kaiser,  daß  dieser  Fall  leicht  eintreten  könnte  i,  und  daß  er  dann  nicht 
umhin  können  werde,  unserer  Warnung  entgegen  den  Degen  zu  ziehen-. 
Der  Kaiser  habe  nur  auf  diesen  Punkt  hinweisen  wollen,  damit  man  bei 
uns  seine  eventuelle  Handlungsweise  sich  erklären  könne. 

Der  Minister  versicherte  mir,  er  denke  nicht  daran,  darüber  in  Be- 
sprechungen mit  uns  einzutreten  s  und  etwa,  wie  ich  dies  aus  den 
kaiserlichen  Worten  hätte  verstehen  können,  durch  ein  neues  Ab- 
kommen unser  Vertragsverhältnis  auszudehnen.  Der  casus  foederis 
läge   klar   zutage^. 

Graf  Kälnoky  knüpfte  hieran  die  Bemerkung,  daß,  wenn  der  Kaiser 
Franz  Joseph  davon  gesprochen  hätte,  daß  er  seine  Truppen  nicht 
verzetteln  wollte  und  in  den  Fall  kommen  sollte,  seine  VerpfHchtungen 
gegen  England  und  Italien  mit  Bezug  auf  den  Schutz  der  Türkei  er- 
füllen zu  müssen,  dies  allerdings  hier  in  der  Absicht  liege.  Die  Dinge 
würden  sich  wahrscheinlich  so  gestalten,  daß  die  drei  verbündeten 
Mächte  im  Fall  eines  Angriffes  Rußlands  auf  die  Türkei  zuerst  eine 
Protestposition,  begleitet  von  einer  Flottendemonstration  3,  Österreich 
und  Italien  mit  einbegriffen,  vor  den  Dardanellen  einnehmen  würden  3. 
Hierdurch  würde  die  Türkei  wohl  zum  Mittun  bewogen  werden, 
und  eine  Beteiligung  österreichischer  Landkräfte  nicht  in  Frage 
kommen*. 

Es  erscheine  immer  mehr  unwahrscheinlich,  daß  Rußland  in  Varna 
landen  würde.  Ein  Einbruch  in  Armenien  sei,  nach  hiesigen  Nach- 
richten über  die  geringe  Stärke  der  kaukasischen  Armee,  auch  nicht 
wahrscheinlich.  Wollte  daher  Rußland  in  die  Balkanhalbinsel  einbrechen, 
so  stehe  dazu  nur  der  Weg  durch  Rumänien  zu  Gebote.  Hier  würde 
sich  Rumänien  weigern  und  der  casus  foederis  würde  für  Österreich 
Rumänien  gegenüber  eintreten,  und  auch  Deutschland ^  angehen*.  Aus 
allen  diesen  Gründen  sei  eine  Entsendung  österreichischer  Truppen  auf 
die    Balkanhalbinsel   nicht   absolut   nötig. 

Wenn  nun  von  Besprechungen  über  diesen  Fall  nicht  die  Rede 
wäre,  so  würde  es  doch,  wie  der  Kaiser  es  mir  auch  gesagt  hätte, 
sehr  erwünscht  sein,  über  die  militärischen  Maßnahmen  für  den  Fall 
des  Eintretens  des  casus  foederis  zwischen  Deutschland  und 
Österreich  uns  rechtzeitig  zu  besprechen  ß**. 

Der  österreichische  Generalstab  ebenso  wie  der  unsrige  dürfe 
nicht  durch  die  Ereignisse  überrascht  werden.  Es  kämen  dabei,  auch 
abgesehen   von   dem    allgemeinen   zu   kombinierenden   Operationsplan, 

*  Vgl.  Bd.  III,  Kap.  XVII:  Vertrag  mit  Rumänien  1883. 

**  Vgl.    das   folgende    Kapitel:    Österreichisch-Deutsche    Besprechungen    über  den 

casus  foederis. 

23 


eine  Menge  Dinge  in  Betracht,  wie  Benutzung  der  Eisenbahnen  ^  pp., 
die  einer  genauen  Vorarbeit  bedürften.  Vielleicht  wäre  es  nützlich, 
wenn  diese  Punkte  vorläufig  durch  Oberstleutnant  von  Steininger*  mit 
dem  Chef  unseres  Generalstabs  besprochen  werden  könnten  7,  so  daß 
es  nur  einer  endgültigen  geheimen  persönlichen  Besprechung  der  beider- 
seitigen Chefs  an  einem  zu  vereinbarenden  Ort  bedürfen  würde. 

H.  VII.  P.  Reuß 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck  (zum  Teil  auf  einer  Abschrift) : ' 

1  Durchaus  nicht  leicht!  wenn  nicht  Rußland  Oestlerjreich  angreift;  dann  aber  liegt 
casus  foederis  vor;  jedes  andre  „eintreten"  wird  nicht  „leicht"  sondern  „leicht- 
sinnig" sein. 

2  dann  zieht  Er  ihn  auf  alleinige  Verantwortung;  dafür  haben  wir  Ihm  It[alien] 
u[nd]  Engl[an]d  verschafft 

3  gut 

*  ??  doch!  falls  Rußl[an]d  nicht  zurückzieht 

5  wir  haben  mit  Rumänien  mitunterschrieben,  um  die  Rumänen  zu  ermuthigen 
daß  sie  sich  an  Oest  1er] reich  anschließen;  aber  Truppen  werden  wir  für  die 
Frage  nicht  viel  übrig  haben,  so  lange  Frankreich  besteht!  Wenn  Oestter]reich 
mit  Rum[änien]  Bulg[arien]  Italien,  Pforte,  England,  Serbien  zusammen  noch 
froid  aux  yeux  hat,  so  zeigt  das  schlechtes  Gewissen. 

6  ja  gut;  ob  er  eintritt  ist  aber  eine  andre  polit[ische]  Frage. 
Ma 

Randbemerkung  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 

8  Der  Kriegsminister  sagte  mir,  die  Oest[er]reicher  würden  bei  ihrem  eventuellen 
Aufmarsch  in  Westgalizien  notwendig  auf  unsere  oberschlesischen  Bahnen  rekur- 
rieren müssen. 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  zur  vorstehenden  Bemerkung  des  Grafen 
Herbert  von  Bismarck: 

9  In  casu  foederis,  natürlich. 

Nr.  1163 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  ia  Friedrichsruh, 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Reinkonzept 

Nr.  6Q8  Friedrichsruh,  den  15.  Dezember  1887 

Geheim  [abgegangen  am  16.  Dezember] 

Eurer  Durchlaucht  Telegramm  Nr.  126  und  Bericht  Nr.  508  vom 
ll.d.  Mts.   habe  ich   erhalten. 

Eure  Durchlaucht  gehen  danach  scheinbar  von  der  Voraussetzung 
aus,  daß  die  militärischen  Auffassungen  des  Generalstabes,  welche 
Ihnen  durch  Erlaß  Nr.  686**  zur  Orientierung  und  Belebung  der  öster- 
reichischen   Militärs    mitgeteilt   wurden,    für   meine    politische   Auf- 


*  österreichischer  MiUtärattache  in  Berlin. 

**  Durch  Erlaß  Nr.  686  vom  9.  Dezember  1887  war  dem  Botschafter  Prinzen  Reuß 
zur  vertraulichen  Verwertung  bei  Graf  Kälnoky  eine  ausführliche  Denkschrift  des 
Generalfeldmarschalls    Grafen    Moltke    von    „Ende    November    1887"    mitgeteilt 

24 


fassung  maßgebend  wären.  Ich  habe  dabei  nur  die  Absicht  gehabt, 
die  österreichische  Armeeleitung  durch  das  Feuer  der  unsrigen  zu  er- 
wärmen und  nur  mit  wenigen  Worten  auf  den  Schluß  hingewiesen, 
welchen  der  Chef  des  Generalstabes  von  seinem  Standpunkte  aus 
militärisch  gezogen  hat,  um  durch  Eurer  Durchlaucht  Vermittelung 
die  dortigen  Militärs  darüber  zu  informieren,  wie  unser  Oeneralstab 
die  Situation  auffaßt.  Wir  sind  kriegsbereiter  als  das  österreichische 
Heer,  und  halte  ich  die  im  Erlaß  Nr.  686  erwähnte  Auffassung  des 
Grafen  Moltke  bezüglich  unseres  militärischen  Verhaltens  für  ver- 
früht; ich  erinnere  mich,  daß  unser  Generalstab  sowohl  im  Jahre  1867 
als  auch  im  Laufe  der  70 e""  Jahre  bezügUch  Frankreichs  wiederholt  ähn- 
liche aggressive  Vorschläge  vertreten  hat,  wie  jetzt  bezüglich  Rußlands; 
wenn  man  auch  in  der  Frage  von  Krieg  und  Frieden  eine  Sicherheit 
für  die  Zukunft  nicht  haben  kann,  so  halte  ich  es  doch  durchaus  nicht 
für  angezeigt,  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  wegen  der  bisherigen  russi- 
schen Rüstungen  und  Bedrohungen  einen  Angriffskrieg  gegen  f^ußland 
anzuraten.  Solange  ich  Minister  bin,  werde  ich  meine  Zustimmung 
zu  einem  prophylaktischen  Angriffe  auf  Rußland  nicht  geben,  und 
ich  bin  auch  weit  entfernt,  Österreich  zu  einem  solchen  zu  raten,  so- 
lange es  nicht  der  englischen  Mitwirkung  dabei  absolut  sicher  ist. 
Wenn  letztere  einträte,  so  würde  sich  das  ganze  Bild  der  europäischen 
Lage  wesentlich  ändern.  Durch  die  Überlegenheit  der  englisch-italie- 
nischen Flotte  zur  See  würde  die  ganze  italienische  Armee  frei  zu 
Offensivzwecken  und  die  Pforte  wahrscheinlich  mit  fortgerissen  werden 
zum  Bruche  mit  Rußland.  Ohne  die  bestimmte  Aussicht  auf  Eng- 
lands Mitwirkung  in  einem  Kriege  gegen  Rußland  halte  ich  es  für 
meine  PfHcht,  Österreich  von  jedem  aggressiven  Vorgehen  gegen  das 

worden.  Die  Denkschrift  war  betitelt  „Die  Entwickelung  der  Wehrkraft  Ruß- 
lands seit  1878  unter  besonderer  Berücksichtigung  seiner  Rüstungen  im  laufenden 
Jahre  1887",  und  kam  zu  dem  Ergebnis:  „Nach  vorstehendem  unterliegt  es 
keinem  Zweifel,  daß  Rußland  unmittelbar  zum  Kriege  rüstet,  und  durch  eine 
allmählich  fortschreitende  resp.  ruckweise  Mobilmachung  den  Aufmarsch  seiner 
Armee  vorbereitet."  Daß  Bismarck  mit  dieser  Auffassung  des  Grafen  Moltke 
nicht  einverstanden  war,  lehren  zwei  Fragezeichen,  die  er  zu  dem  Schlußsatz 
der  Denkschrift  machte.  Noch  deutlicher  geht  das  aus  Randbemerkungen  Bis- 
marcks  zu  dem  Erlaß  vom  9.  Dezember  hervor.  Ausdrücklich  bezeichnet  der  Fürst 
darin  den  Schluß  des  Grafen  Moltke,  daß  der  Aufmarsch  der  russischen  Armee 
begonnen  habe,  und  daß  der  Angriff  bevorstehe,  als  ,,meo  voto  verfrüht".  Zu 
der  daraus  abgeleiteten,  in  der  Denkschrift  „von  Ende  November"  allerdings  nicht 
ausgesprochenen  Folgerung  Moltkes,  daß  Deutschland  dem  bevorstehenden  russi- 
schen Angriff  zuvorkommen  müsse,  heißt  es  am  Rande:  „Nicht  meine  Ansicht!"  Die 
Tendenz  des  Erlasses  vom  9.  Dezember  ging  nach  dessen  Schlußpassus  nicht 
etwa  dahin,  Österreich  zu  veranlassen,  seinerseits  gegen  Rußland  aggressiv  vor- 
zugehen, sondern  dahin,  „daß  Österreich  nicht  eine  kostbare  Zeit  verliere,  son- 
dern vielmehr  diejenigen  Maßregeln  ergreift,  welche  sein  Generalstab  zur 
notdürftigen  Sicherung  der  exponierten  österreichischen  Landesteile  für  ge- 
boten erachtet".  In  dieser  Richtung  hat  die  Denkschrift  nach  einer  späteren  Äuße- 
rung  Bismarcks  (vgl.   Nr.  1362,  S.  365)   ihre  Wirkung  voll  ausgeübt. 

25 


letztere  abzuraten.  —  Wir  werden,  sobald  casus  foederis,  d.  h.  ein  russi- 
scher Angriff  auf  Österreich,  vorliegt,  nicht  zögern,  auch  unsererseits 
den  Krieg  gegen  Rußland  mit  allen  Frankreich  gegenüber  entbehrhchen 
Kräften  aufzunehmen;  aber  den  Angriff  auf  Rußland  werden  wir 
weder  selbst  übernehmen,  noch  den  casus  foederis  als  vorhanden  an- 
sehen, wenn  Österreich  ihn  unternimmt.  In  der  Voraussicht,  daß  letzteres 
durch  Österreichs  Balkanpoütik  geboten  erscheinen  könne,  haben  wir 
uns  mit  Erfolg  bemüht,  Österreich  zu  ItaHen  und  England  in  nähere 
Beziehung  zu  bringen*.  Sind  diese  für  Graf  Kälnoky  so  fest  und  zu- 
verlässig, daß  Österreich  sicher  ist,  beide  Mächte,  und  dann  auch  die 
Pforte,  aktiv  und  nicht  bloß  diplomatisch  zur  Seite  zu  haben,  so  würde 
ich  als  österreichischer  Minister  vielleicht  auch  den  Waffengang  wagen, 
ohne  das  aber  nicht.  Auf  uns  ist  dabei,  articulo  foederis,  nicht  zu 
rechnen.  Für  uns  Hegt  ein  Kriegsmotiv  niemals  in  den  Balkanfragen, 
sondern  immer  nur  in  dem  Bedürfnis,  die  Unabhängigkeit  Österreichs 
auch  unsererseits  zu  vertreten,  sobald  sie  durch  Rußland  bedroht  wird. 
Österreich  hat  keine  Pfhcht  übernommen,  bei  französischen  oder 
dänischen  und  andern  Verwickelungen  für  uns  einzutreten,  und  wir 
nicht  für  die  außerhalb  seiner  Landesgrenze  liegenden  orientalischen 
Interessen  Österreich-Ungarns.  Das  ist  beiderseits  festzuhalten.  Der 
Unberechenbarkeit  der  russischen  Politik  gegenüber  müssen  wir  beide 
gegen  russischen  Überfall  stark  gerüstet  sein,  aber  an  einem  Angriff 
auf  Rußland  wollen  wir  uns  nicht  beteiligen,  auch  wenn  unsere  Militärs 
überzeugt  sind,  daß  wir  den  Krieg  heut  unter  günstigeren  Verhält- 
nissen führen  könnten  wie  später. 

Aus  dem  Schreiben  des  Majors  von  Deines,  welches  Eurer  Durch- 
laucht an  den  Staatssekretär  gerichtetem  Privatbrief  vom  9.  er.  bei- 
geschlossen war,  habe  ich  den  Eindruck  gewonnen,  daß  Herr  von  Deines 
Neigung  hat,  den  österreichischen  Generalstab  zu  drängen,  nicht  bloß 
zu  besserer  Sicherstellung  der  Verteidigung,  sondern  darüber  hinaus. 
Ich  halte  dies  nicht  für  zweckmäßig;  denn  wenn  wir  von  den  Öster- 
reichern mehr  verlangen,  als  sie  zu  leisten  imstande  sind,  so  werden  sie 
zu  nervöser  Politik  gedrängt  werden  und  uns,  wenn  sie  weiter  gehen, 
wie  uns  erwünscht,  sagen  können,  es  sei  auf  unser  Drängen  geschehen, 
und  wir  deshalb  verpflichtet,  sie  zu  decken.  Es  Hegt  in  keiner  Weise 
in  unserem  Interesse,  wie  Herr  von  Deines  in  seinem  Briefe  meint, 
daß  die  Österreicher  Rußland  jetzt  oder  später  die  Alternative  stellen 
„Krieg  oder  Frieden";  der  Angriff  Rußlands  muß  abgewartet  werden. 
Die  Einziehung  von  Urlaubern  ist  gewiß  richtig  und  auch  weiter  keine 
Provokation,  aber  es  ist  nicht  unsere  Aufgabe,  die  Stimmung,  in  welcher 
Feldmarschalleutnant  von  Beck  nach  dem  Januar  sein  wird,  und  in 
der  die  Österreicher  den  Russen  die  Frage,  ob  Krieg  oder  Frieden,  stellen 
wollen,  in   irgendeiner  Weise  zu   fördern.   —  Als   Belege   angeblicher 


*  Vgl.  Bd.  IV,  Kap.  XXVm. 
26 


Provokationen  Österreichs  werden  die  Russen  eher  offiziöse  Zeitungs- 
artikel ansehen,  welche,  wie  kürzHch  ein  communique  des  „Wiener 
Fremdenblatts",  offen  von  österreichischen  Vorbereitungen  sprechen. 
Prophylaktische  Maßnahmen,  welche  als  Warnungen  dienen  sollen, 
pflegen  weniger  zu  reizen,  wenn  sie  stillschweigend  angebahnt,  als 
wenn  sie  öffenthch  in  Zeitungsartikeln  angekündigt  werden.  —  Sich 
mit  der  Kriegsbereitschaft  zu  rühmen  und  zu  brüsten,  ist  immer  bedenk- 
lich. Ich  möchte  glauben,  daß  es  richtiger  wäre,  wenn  die  Österreicher 
nach  russischem  Vorgange  in  den  Zeitungen  sagen  lassen,  daß  nichts 
geschehe,  heimhch  aber  alles  tun,  was  ihr  Oeneralstab  für  nützUch 
hält.  —  Ein  herausfordernder  Zeitungsartikel  nützt  nichts  und 
macht  im  Sinne  der  Provokation  mehr  Lärm  als  eine  vorgeschobene 
Division. 

Um  die  jetzige  klare  Abgrenzung  des  casus  foederis  nicht  zu  ver- 
wischen, dürfen  wir  die  Versuchung  nicht  verstärken,  in  der  die  Öster- 
reicher sich  ohnehin  befinden,  die  Situation  auszunutzen,  um  die  deutsche 
Heereskraft  für  ungarische  oder  katholische  Ambitionen  im  Balkangebiet 
zu  verbrauchen.  Wir  dürfen  nicht  vergessen,  daß  es  in  Österreich 
Aspirationen  gibt,  denen  eine  Verminderung  der  gegenwärtigen  Stärke 
Deutschlands  nicht  unerwünscht  sein  würde.  Wir  müssen  dahin  wirken, 
daß  Österreich  sich  stark  macht,  um  von  einem  russischen  Angriff  nicht 
übergelaufen  zu  werden,  und  um  uns  in  solchem  Falle  ein  starker  Bundes- 
genosse zu  sein.  Um  Österreich  stark  zu  machen,  haben  wir  uns  be- 
müht, ihm  Itahens  und  womöglich  auch  Englands  Unterstützung  im 
Kriegsfall  zu  verschaffen.  Aber  auf  eine  Zusage  unserer  Unterstützung 
Österreichs  im  Falle  des  österreichischen  Angriffs  auf  Rußland  werde 
ich  mich  unter  keinen  Umständen  einlassen.  Wenn  ich  Seiner 
Majestät  dazu  raten  wollte,  so  würden  wir  der  österreichischen  Politik 
eine   Prämie   auf  das   Händelsuchen   setzen. 

Wenn  der  russische  Krieg  durch  österreichischen  Angriff  auf  Ruß- 
land entsteht,  so  ist  für  uns  meines  Erachtens  nicht  die  Beteiligung 
an  demselben,  sondern  der  sofortige  Angriff  auf  Frankreich  indiziert, 
und  unser  Verhalten  zum  russischen  Kriege  von  dem  Erfolg  unseres 
französischen  Krieges  abhängig  zu  machen*.  Wir  dürfen  Öster- 
reich durchaus  nicht  zu  aggressivem  Vorgehen  gegen- 
über Rußland   ermutigen,  nur  zum  Starksein  in   der  De- 

*  Aus  diesem  Satz  kann  natürlich  nicht  geschlossen  werden,  daß  Fürst  Bismarck 
Ende  1887  einen  Angriffskrieg  gegen  Frankreich  geplant  habe.  Wie  die  folgen- 
den Sätze  des  Textes  ergeben,  ist  der  Sinn  ganz  offenbar  der,  Österreich  von 
einem  Angriffskrieg  gegen  Rußland  durch  den  Hinweis  darauf  abzuhalten,  daß 
Deutschland  in  solchem  Falle  nicht  etwa  Österreich  zu  Hilfe  eilen,  auch  nicht 
in  drohender  Haltung  gegen  Rußland  Gewehr  bei  Fuß  stehen  bleiben  werde, 
sondern  dem  unvermeidlichen  Angriff  Frankreichs  zuvorkommen  müsse.  Tat- 
sächlich hat  Bismarck  durch  diesen  eindringlichen  Hinweis  auf  die  eventuelle 
Notwendigkeit,  die  deutschen  Kräfte  einseitig  nach  Westen  zu  werfen,  den  Aus- 
bruch des  österreichisch-russischen  Konflikts  verhindert  und  den  schwerbedrohten 

27 


fensive.  Ob  die  österreichische  Armee  irrtümlich  glaubt,  daß  wir  ein 
Schutz-  und  Trutzbündnis  für  alle  Fälle  hätten,  ist  für  unsere  Politik 
ganz  gleichgültig;  wir  können  nur  beklagen,  daß  das  Wiener  Kabinett 
nicht  wenigstens  die  amtlichen  Kreise  in  Zivil  und  Mihtär  über  diesen 
Irrtum  aufklärt. 

Es  empfiehlt  sich,  dem  bei  jeder  Gelegenheit  zu  widersprechen 
und  hervorzuheben,  daß  wir  in  einem  deutsch-französischen  Kriege 
kein  vertragsmäßiges  Recht  auf  Österreichs  Unterstützung  haben,  son- 
dern nur  in  einem  russischen,  und  daß  die  Ausdehnung  unseres  Bünd- 
nisses auf  jeden  Angriff,  auch  auf  den  französischen,  nicht  von  uns, 
sondern  von  Österreich  abgelehnt  worden  ist. 

Erwünscht  ist  uns  der  Krieg  unter  keinen  Umständen.  Zu  allen 
übrigen  Gründen  dagegen  kommt  die  Rücksicht  auf  die  Jahre  Seiner 
Majestät  des  Kaisers  und  die  Gesundheit  Seiner  Kaiserlichen  Hoheit 
des  Kronprinzen. 

Euere  Durchlaucht  wollen  die  vorstehenden  Ausführungen  als  für 
Ihre   persönliche   Orientierung   bestimmt   ansehen. 

v.  Bismarck 

Nr.  1164 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt  Grafen 
zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Friedrichsruh 

Eigenhändig 

Friedrichsruh,  den  15.  Dezember  1887 
Seine  Durchlaucht  bittet,  dem  Prinzen  Reuß  in  Anknüpfung  an 
das  dem  Auswärtigen  Amte  heute  mitgeteilte  Telegramm  Nr.  2*  nach 
Wien  zu  schreiben,  er  möchte  dem  Major  von  Deines  sagen,  solche 
Besprechungen,  wie  derselbe  sie  mit  dem  Kaiser  von  Österreich  gehabt 
hätte,  überschritten  nach  seiner,  des  Herrn  Reichskanzlers,  Ansicht 
die  Grenze  zwischen  den  pohtischen  und  militärischen  Erwägungen. 
Die  ersteren  müßte  der  Herr  Reichskanzler  sich  ausschließlich  vor- 
behalten und  namentlich  auch  die  Beurteilung  des  Einflusses,  der 
dem  militärischen  Urteile  auf  politische  Entschließungen  beizulegen 
sei.  Die  direkten  Verhandlungen  über  die  Politik  beider  Länder  wären 
zwischen  ihren  auswärtigen  Ämtern  und  nicht  zwischen  ihren  beiden 
Generalstäben  zu  führen.  In  der  Unterredung,  welche  Major  von  Deines 

Weltfrieden  erhalten.  Vgl.  auch  Nr.  1185.  Umgekehrt  hat  Frankreich  keinen 
Zweifel  daran  gelassen,  daß  es  zum  Angriff  auf  Deutschland  schreiten  werde, 
sobald  dieses  anderweitig  stark  engagiert  sei.  Das  wird  bekräftigt  durch  das  Zeug- 
nis des  Botschafters  Mohrenheim,  mitgeteilt  bei  S.  Goriainow,  The  End  of  the 
Alliance  of  the  Emperors  in  The  American  Historical  Review  Vol.  XXIII  Nr.  2, 
p.  331. 

*  Siehe  Nr.  1165. 
28 


1967( 


mit  dem  Kaiser  Franz  Joseph  gehabt  hätte,  läge  nach  Seiner  Durch- 
laucht Eindrücken  eine  Aufforderung  und  ein  Treiben  Österreichs  zum 
Angriffskrieg  gegen  Rußland.  Der  Herr  Reichskanzler  teilte  die  in 
dem  Generalstabsgutachten  ausgesprochene  Ansicht  von  der  ünvermeid- 
lichkeit  des  Krieges  nicht;  und  wenn  dieselbe  richtig  wäre,  so  würde 
Seine  Durchlaucht  auch  darin  kein  Motiv  finden,  einen  Krieg  heute  zu 
beginnen  aus  keinem  anderen  Grunde,  als  weil  mit  großer  Wahrschein- 
lichkeit anzunehmen  wäre,  daß  er  später  stattfinden  werde,  pp. 

Dem  Prinzen  Reuß  bittet  der  Herr  Reichskanzler  noch  vertrau- 
lich zu  schreiben,  er  würde,  wenn  dergleichen  sich  wiederholte,  eine 
andere  Besetzung  der  Stelle  des  Militärattaches  verlangen.  Der  Herr 
Botschafter  hätte  den  Militärbericht  mit  dem  Vermerk  der  Kenntnis- 
nahme versehen;  der  Herr  Reichskanzler  hätte  gewünscht,  daß  Prinz 
Reuß  den  politischen  Druck,  welchen  Major  von  Deines  auf  den  Kaiser 
Franz  Joseph  geübt  hätte,  sofort  selbst  rektifiziert  hätte.  Das  Gut- 
achten des  Generalstabes  wäre  nur  zu  dem  Zwecke  mitgeteilt  worden, 
Österreich  zu  bestimmen,  daß  es  sich  defensiv  auf  die  Möglichkeit  eines 
Angriffes  vorbereite,  aber  keineswegs,  um  den  unsererseits  nach  aller 
Möglichkeit  zu  vermeidenden  Kriegsfall  herbeizuführen  oder  zu  be- 
schleunigen. In  Österreich  selbst  würde  durch  dieses  übertriebene 
Drängen  und  Treiben  unsere  Stellung  geschädigt,  wie  schon  aus  der 
Möglichkeit  solcher  Artikel,  wie  des  der  „Neuen  Freien  Presse'',  er- 
sichtlich wäre.  Wenn  auch  diesem  Artikel  französisches  Geld  und  fran- 
zösische Tendenz,  in  Österreich  gegen  uns  zu  hetzen,  zugrunde  liegen 
möge,  so  würde  doch  die  österreichische  Regierung  mit  einer  Be- 
richtigung schneller  bei  der  Hand  gewesen  sein,  wenn  sie  nicht  selbst, 
mit  Recht  oder  mit  Unrecht,  sich  durch  die  Art  von  Bevormundung 
verstimmt  gefühlt  hätte. 

C.  Rantzau 


Nr.  1165 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Fried  ichsruh, 

an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Telegramm.    Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Nr.  2  Friedrichsruh,  den  15.  Dezember  1887 

Militärbericht  Nr.  88  vom    13.  d.  Mts.  erhalten. 

Die  Befürwortung  des  Winterfeldzuges,  also  Herbeiführung  des 
Krieges,  widerspricht  unserer  Politik  direkt  und  vollständig,  und  er- 
suche ich  den  Herrn  Militärattache,  sich  ähnlicher  politischer  Ein- 
wirkungen auf  den  Kaiser  von  Österreich  zu  enthalten,  solange  nicht 
eine  von  mir  ausgehende  Instruktion  dafür  vorliegt. 

V.  Bismarck 

29 


Nr.  1166 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Entzifferung  (Umstellung) 

Nr.  416  St.  Petersburg,  den  14.  Dezember  1887 

Mein  österreichischer  Kollege  sagt  mir,  daß  Herr  von  Qiers  sich 
heute  ihm  gegenüber  in  versöhnhchem  Sinne  ausgesprochen  habe.  Der 
Minister  betonte,  daß  die  russischen  Militärmaßnahmen  einen  rein 
defensiven  Charakter  trügen,  und  fügte  die  Behauptung  hinzu,  es  ständen 
jetzt  weniger  Truppen  in  Russisch-Polen,  als  zur  Zeit  Kaiser  Nikolaus' 
und  Alexanders  II.  Hinsichtlich  der  poütischen  Beziehungen  zwischen 
Rußland  und  Österreich  hat  Herr  von  Giers  bemerkt,  daß  die  bezüglich 
Bulgariens  zwischen  diesen  beiden  Mächten  herrschende  Meinungs- 
verschiedenheit noch  keinen  Grund  zu  ernstlichen  Zerwürfnissen  dar- 
stelle. An  der  Donau  bestände  überhaupt  keine  wirkliche  Kriegsgefahr; 
der  unversöhnbare  Gegensatz  zwischen  Deutschland  und  Frankreich 
sei   nach   seiner   Ansicht   bedenklicher. 

Meines  gehorsamsten  Erachtens  ist  die  letztere  Bemerkung  des 
Ministers  um  so  befremdlicher,  als  die  friedüch  gestimmte  Botschaft 
des  Präsidenten  der  französischen  RepubHk  heute  hier  bekannt  wurde. 

Die  entgegenkommende  Haltung  des  Herrn  von  Qiers  hat  Graf 
Beust  ebenso  überrascht,  als  erfreut.  Auch  dem  Grafen  Wolkenstein 
gegenüber,  welcher  aus  Gesundheitsrücksichten  seit  5  Wochen  sich 
von  den  Geschäften  fernhält,  und  den  er  gestern  besuchte,  führte  der 
russische  Minister  eine  versöhnliche  Sprache,  indem  er  bezüglich  des 
Verhältnisses  Rußlands  zu  Österreich  äußerte:  „Nous  aurons  peut- 
etre  une  paix  desagreable,  mais  nous  aurons  la  paix." 

Bülow. 


Nr.  1167 
Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  das  Aus- 
wärtige Amt 

Telegramm,  Entzifferung 
Nr.  186  St.  Petersburg,  den  15.  Dezember  1887 

Der  „Russische  Invalide",  das  Organ  des  Kriegsministeriums,  bringt 
heute  eine  offenbar  amtliche  Auslassung  i,  in  welcher  unter  Hinweis 
auf  die  angeblichen  Kriegsvorbereitungen  Deutschlands  und  Österreichs 
die  Fortsetzung  der  begonnenen  russischen  „Gegenmaßregel"  als  not- 
wendig bezeichnet  wird.  Der  „Invalide"  erklärt  eine  Vermehrung  des 
russischen  Eisenbahnnetzes  im  Grenzgebiet  für  zu  kostspielig  und  lang- 

30 


wierig,  dagegen  Verstärkung  der  Kriegsbereitschaft  der  Festungen  und 
Vermehrung  der  Truppen  an  Grenze  für  geboten. 

Bülow 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopf  des  Schriftstücks: 

System  der  Fälschung;  die  russ[ische]  Presse  ufndj  Deroulede-Demonstration* 
Hefern  Commentare  zu  den  Aufstellungen  u[nd]  ihrer  aggressiven  Tendenz 
Randbemerkung  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 
1  Von  Wolffs  Bureau  gebracht,  wahrscheinlich  von  Obrutschew  redigiert,  wie 
ich  vermute,  auf  eine  Anfrage  des  Zaren,  um  diesen  über  die  Wahrlieit  zu 
täuschen.  Die  ursächhchen  und  tatsächlichen  Fälschungen  sind  ziemlich  grob. 
Ich  werde  sachliche  Zusammenstellung  des  Generalstabs  erbitten  und 
vorlegen. 


Nr.  1168 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  431  St.  Petersburg,  den  17.  Dezember  1887 

Die  russische  Diplomatie  scheint  die  Taktik  zu  verfolgen,  gegen- 
über der  hiesigen  österreichischen  Vertretung  immer  dann  freundliche 
Saiten  aufzuziehen,  wenn  die  russische  Heeresverwaltung  einen  Schritt 
vorwärts  zu  machen  wünscht.  Unmittelbar  bevor  die  13.  Kavallerie- 
division von  Moskau  nach  Lublin  verlegt  wurde,  erfreute  Herr  von  Giers 
den  Grafen  Wolkenstein  durch  die  Versicherung,  daß  die  schönen 
Tage  von  Kremsier**  wiederkehren  würden,  da  die  dort  zum  Ausdruck 
gelangte  Politik  die  einzig  mögliche  sei.  Diesmal  versicherte  der  russi- 
sche Minister  des  Äußern  unmittelbar  vor  der  Kundgebung  des  „In- 
validen" dem  österreichisch-ungarischen  Botschafter,  wie  dem  Grafen 
Beust,  daß  zwischen  Österreich  und  Rußland  keine  ernstlichen  Ver- 
wickelungen zu  befürchten  wären. 

Über  den  Artikel  des  ,, Invaliden"***  wird  mir  von  verschiedenen 
Seiten  übereinstimmend  erzählt,  daß  derselbe  der  Auszug  aus  einem 
größeren  Promemoria  sei,  welches  General  Kuropatkin  im  Auftrage 
des  Generals  Obrutschew  redigiert  und  Kriegsminister  Wannowsky  dem 
Kaiser  vorgetragen  habe.  General  Kuropatkin  war  bekanntlich  Stabs- 
chef und  intimer  Freund  des  Generals  Skobelew;  er  gilt  der  Armee 
und  der  „Intelligenzia"  für  dessen  Erben ;  er  ist  zweifellos  ein  durch 
Geist  und  Charakter  gleich  hervorragender  Offizier.    Von  allen  Seiten 


*  Vgl.  Bd.  V,  Nr.  1117,  S.  294,  Fußnote  **. 

**  In    Kremsier  hatte   am   25.  August   1885   eine  Entrevue  zwischen   Kaiser  Franz 

Joseph  und  dem  Zaren  stattgefunden. 

***  Vgl.  Nr.  1167. 

31 


höre  ich,  daß  der  Einfluß  des  Generals  Obrutschevv  gegenwärtig  im 
Kriegsministerium  vollständig  dominiere.  Da  jedoch  der  General  per- 
sönlich dem  Kaiser  höchst  unsympathisch  ist,  so  übernimmt  es  der 
Kriegsminister,  die  Ideen  des  Chefs  des  Generalstabs  Seiner  Majestät 
mundgerecht  zu  machen.  „Wannowsky  est  un  vrai  patriote,"  äußerte 
eine  mir  befreundete  russische  Dame,  „il  reconnait  la  superiorite 
d'Obroutchevv  et  s'y  soumet,  sa  täche  consiste  uniquement  ä  faire 
accepter  par  l'Empereur  les  plans  d'Obroutchevv,  il  est  tres  habile  pour 
cela,  il  possede  la  note  honnete,  naive,  un  peu  bebete,  qui  plait  ä 
Sa  Majeste."  Ich  fand  Gelegenheit  zu  beobachten,  daß  Herr  von  Oiers 
neuerdings  mit  dem  Kriegsministerium  und  dem  Generalstabe  mehr 
Fühlung  hat  als  früher. 

Die  Auslassung  des  „Invaliden"  verfolgt  meines  gehorsamsten  Er- 
achtens  mehr  wie  einen  Zweck:  Zunächst  ist  dieselbe  in  usum  Caesaris 
verfaßt;  demnächst  soll  das  russische  Publikum  davon  überzeugt  werden, 
daß  die  Schuld  an  der  gegenwärtigen  Spannung  und  eventuell  am 
Kriege  die  deutschen  Mächte  treffe,  nicht  Rußland;  endlich  soll  der 
Armee  gezeigt  werden,  daß  Rußland  sich  nicht  fürchte.  Diese  Absichten 
des  Artikels  sind  hier  erreicht  worden:  Kaiser  Alexander  hat  sich  mit 
der  vom  „Invaliden"  dargelegten  Auffassung  durchaus  einverstanden 
erklärt.  In  der  hiesigen  Gesellschaft  begegne  ich  allgemein  der  An- 
sicht, daß  nach  der  Enunziation  des  „Invaliden"  an  dem  guten  Rechte 
Rußlands  nicht  mehr  zu  zweifeln  sei.  Die  militärischen  Kreise  scheinen 
befriedigt  darüber,  daß  Rußland  hinsichtlich  der  von  ihm  für  notwendig 
erachteten  Militärmaßnahmen  niemandem  Rechenschaft  ablegen  wolle. 
Die  Sophismen,  mit  welchen  der  „Invalide"  das  Kräfteverhältnis 
zwischen  Rußland  und  den  deutschen  Mächten  zu  verdrehen,  die 
hier  geplanten  Truppenvorschiebungen  zu  verschleiern  sucht,  er- 
regen allerdings  bei  aufrichtigeren  russischen  Militärs  einige  Heiter- 
keit. Sofort  nach  dem  Erscheinen  des  „Invahden"-Artikels  wurde  dem- 
selben von  hiesigen  Offizieren  prima  vista  nachgerechnet,  daß  bei 
Aufzählung  der  russischen  Grenztruppen  80000  Mann  „vergessen" 
worden  wären. 

Die  schärfste  Kritik,  welche  ich  über  die  Auslassung  des  „In- 
validen" vernahm,  rührte  eigentümlicherweise  von  Herrn  von  Saburow 
her.  Derselbe  meinte,  es  sei  ein  höchst  bedenkliches  Symptom,  daß 
jetzt  die  russische  Militärverwaltung  statt  des  Ministeriums  des  Äußern 
das  Wort  führe,  Herr  von  Giers  hätte  es  nicht  so  weit  kommen  lassen 
dürfen.  „De  cette  maniere  nous  aurons  la  guerre  au  printemps."  Auch 
die  Form,  des  „Invaliden"-Artikels  tadelte  Herr  von  Saburow:  Be- 
merkungen wie  die  von  den  „billigen  Lorbeeren",  welche  die  deutschen 
Mächte  in  Polen  zu  holen  hofften,  und  die  ironische  Anwendung  des 
Wortes  „Friedensliga",  welches  im  russischen  Text  noch  dazu  gesperrt 
gedruckt  wurde,  gehörten  in  den  „Grashdanin",  nicht  in  ein  amt- 
liches Manifest.  Herr  von  Saburow  scheint  zu  glauben,  daß  der  gegen- 

32 


wärtige  Moment  für  Rußland  nicht  opportun  zum  Losschlagen  sei.  Wie 
mancher  unserer  hiesigen  Gegner  wünscht  auch  er,  daß  Rußland  sich 
in  der  Hinterhand  halte,  bis  Deutschland  mit  Frankreich  engagiert  sei. 
Dagegen  sind  allerdings  viele  Militärs  —  namentlich  wegen  der  An- 
nahme, daß  gegenwärtig  nicht  nur  Österreich  mit  drei  Gewehrkalibern 
ins  Feld  rücken  würde,  sondern  auch  das  neue  deutsche  Gewehr  sich 
nicht  bewährt  habe  —  der  Ansicht,  Rußland  sollte  die  Gelegenheit 
beim  Schopf  ergreifen  und  im  Frühjahr  losgehen.  In  diesem  Sinne 
sprach  sich  erst  kürzlich  General  Wannowsky  gegenüber  der  Gräfin 
Kreutz  aus. 

Der  „Russische  Invalide"  stellte  Deutschland  und  Österreich  als 
Gegner  Rußlands  auf  eine  Linie.  Bis  dahin  hatte  sich  die  russische 
Presse  vorzugsweise  mit  Österreich  beschäftigt.  Auf  die  Proteste  der 
österreichischen  Blätter  gegen  die  russischen  Militärmaßnahmen  ant- 
wortete die  russische  Presse  zunächst  mit  ruhigem  Selbstbewußtsein, 
neben  welchem  sich  die  Angstschreie  mancher  österreichischen  Blätter, 
insbesondere  der  „Neuen  Freien  Presse",  seltsam  ausnahmen.  Es  konnte 
hier  nicht  unbemerkt  bleiben,  welche  Furcht  in  Österreich,  und  nicht 
allein  bei  den  Slawen,  vor  einem  Zusammenstoße  mit  Rußland  zu  be- 
stehen scheint.  Einige  russische  Blätter  hielten  infolgedessen  Öster- 
reich für  genügend  intimidiert  und  begannen  demselben  Avancen  zu 
machen,  die  zeigten,  wie  gern  man  hier  Österreich  von  Deutschland 
trennen  möchte.  Der  „Grashdanin"  frug,  warum  „das  arme,  ganz 
unschuldige  Österreich"  durch  deutsche  Tücke  in  den  Krieg  mit  Ruß- 
land hineingehetzt  werden  solle,  und  drückte  seine  Verwunderung  dar- 
über aus,  daß  das  Haus  Habsburg  einerseits  die  Dienste  Rußlands 
im  Jahre  1848,  andererseits  Königgrätz  vergessen  habe.  Unter  An- 
spielung auf  den  jüngst  den  hiesigen  Blättern  erteilten  Wink,  sich 
Deutschland  gegenüber  einer  vorsichtigen  Sprache  zu  befleißigen,  meinte 
die  „Nowoje  Wremja":  hinsichtlich  Österreich-Ungarns  sei  die  russi- 
sche Presse  frei  und  dürfe  in  dieser  Richtung  ihre  Meinung  offen  aus- 
sprechen; trotzdem  wäre  gegenüber  diesem  Nachbar  in  Rußland  von 
Chauvinismus  nichts  zu  spüren. 

Der  österreichische  Militärbevollmächtigte  Oberst  Klepsch  sagte 
mir  vor  einigen  Tagen,  daß  es  seiner  Ansicht  nach  noch  kein  sicherer 
Beleg  für  die  friedlichen  Absichten  Rußlands  sein  würde,  wenn  der  in 
den  hiesigen  miütärischen  Maßregeln  gegenwärtig  eingetretene  Still- 
stand auch  noch  ein  bis  zwei  Monate  anhalten  i  sollte.  Selbst  wenn  die 
russische  Armeeleitung  entschlossen  wäre,  den  Kampf  mit  den  deut- 
schen Mächten  im  nächsten  Jahre  auszufechten,  so  würde  dieselbe  mit 
den  eigentlichen  Rüstungen  kaum  vor  Mitte  Februar  beginnen,  da  eben 
erst  um  jene  Zeit  Russisch-Polen,  Wolhynien  und  Podolien  für  sechs 
bis  acht  Wochen  durch  das  Tauwetter  ziemlich  unangreifbar  würden. 

B.  von  Bülow 

3    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  33 


Nr.  1169 
Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  ?* 

Privatbrief.  Unsignierter  Auszug  in  Abschrift 

St.  Petersburg,  den  18.  Dezember  1887 

Der  Kaiser  soll  sich  namentlich  über  Österreich  und  österreichische 
Zustände  seltsame  Illusionen  machen.  Wie  er  seinerzeit  überzeugt 
war,  daß  Kaulbars  in  Bulgarien  nur  in  seinem  Namen  zu  sprechen 
brauche,  damit  alles  Volk  vor  Rußland  auf  die  Knie  falle,  so  glaubt 
er  jetzt,  die  österreichischen  Slawen  wären  ihm  ergeben  und  sehnten 
sich  nach  russischer  Kirche  und  russischer  Knute,  als  ob  sie  treu- 
untertänige Moskowiter  wären.  Unter  solchen  Umständen  ist  es  begreif- 
lich, wenn  der  Zar  auch  die  Obrutschevvschen  Lügen  glaubt,  welche 
ihm  Wannowsky  vorträgt. 


Nr.  1170 
Aufzeichnung  des  Österreich -ungarischen  Ministers  des  Äußern 

Grafen  Kälnoky 

Unsignierte  und  undatierte   Abschrift  nach  dem   vom  Österreich-ungarischen   Bot- 
schafter in   BerUn  Grafen  Szechenyi  am  30.  Dezember  1887  vorgelegten  Original 

Am  18.  d.  Mts.  kam  der  russische  Botschafter  zu  mir,  und  nach 
einem  Austausch  von  Erläuterungen  der  miUtärischen  Situation  in  Polen, 
deren  inoffensiven  Charakter  er  aufrechtzuhalten  versuchte,  erklärte 
er  mir  in  formeller  Weise  im  Namen  der  russischen  Regierung  und 
mit  Zustimmung  des  Kaisers,  daß  Rußland  keinerlei  Absicht  habe, 
Krieg  zu  machen,  und  noch  weniger  die,  Österreich-Ungarn  anzugreifen; 
daß  die  Verschiebung  der  Truppen  nicht  im  Widerspruche  mit  den 
vollkommen  friedlichen  Absichten  des  Kaisers  stehe,  und  daß  niemand 
in  Rußland  den  Krieg  wünsche,  dessen  Opfer  enorme  sein  würden,  und 
für  welchen  kein  Grund  vorhanden  sei. 

Man  denke  nicht  daran,  auch  nur  einen  einzigen  Tropfen  Blutes 
für  Bulgarien  zu  vergießen;  diese  Frage  würde  ihre  friedliche  Lösung 
finden,  und  Rußland  habe  nicht  die  Absicht,  aus  der  Reserve  und  Ent- 
haltung herauszutreten,  die  es  sich  in  dieser  Beziehung  vorgezeichnet 
habe. 

Ich  erwiderte  dem  Fürsten  Lobanow,  daß  ich  mit  Befriedigung 
von  dieser  Erklärung  Akt  nehme  und  nicht  verfehlen  würde.  Seiner 
Majestät  dem  Kaiser  dieselbe  zur  Kenntnis  zu  bringen,  daß  ich  ihm 
übrigens  sofort  sagen  könne,  daß  von  unserem  allergnädigsten  Herrn 
und  allerhöchstseiner  Regierung  ganz  entschieden  dieselben  Erklärun- 

*  Der  Adressat  des   Briefes  ist  nicht  sicher  zu  ermitteln. 
34 


gen  über  die  ausschließlich  friedlichen  Intentionen  unserer  Politik, 
an  welchen  übrigens  hier  niemand  zweifle,  abgegeben  werden  können. 
Nicht  um  anzugreifen,  sondern  weil  Rußland  uns  durch  seine 
ungeheuren  Rüstungen  in  Polen  dazu  zwinge,  hätten  wir,  für  die 
Sicherheit  unserer  Grenzen  besorgt,  die  notwendigen  militärischen  Vor- 
kehrungen einleiten  müssen,  bei  denen  wir  übrigens  alles  vermeiden 
wollen,  dem  ein  aggressiver  oder  provokatorischer  Charakter  zu- 
geschrieben werden  könnte.  Aus  letzterer  Rücksicht  hätten  wir  trotz 
der  kolossalen  russischen  Truppenvermehrungen  bisher  nicht  die  Ab- 
sicht, neue  Truppenkörper  nach  Galizien  zu  dislozieren,  und  be- 
schränken uns  vorläufig  auf  solche  Maßregeln,  welche  die  Sicherung 
Galiziens  gegen  ein  offensives  Vorgehen  Rußlands  zum  Zwecke  haben. 
Hierauf  entspann  sich  ein  längeres,  mehr  akademisches  Gespräch 
über  die  politische  und  militärische  Lage,  worin  ich  unter  anderem 
auseinandersetzte,  wie  verletzend  die  letzten  offiziösen  Artikel,  welche 
uns  und  Deutschland  verdächtigen,  heimtückisch  den  Angriff  auf  Ruß- 
land vorzubereiten,  hier  gewirkt  hätten,  und  wie  wenig  Wert  ähnliche 
Versicherungen  hätten,  wie  wir  sie  soeben  ausgewechselt  haben,  wenn 
denselben  keine  praktische  Folge  gegeben  werde. 

Am  22.  d.  Mts.  kam  Fürst  Lobanow  abermals  zu  mir,  um  mir  zu 
sagen,  daß  er  nicht  verfehlt  habe,  seiner  Regierung  unsere  vorerwähnte 
Unterredung  einzuberichten,  und  daß  er  durch  ein  Telegramm  aus 
St.  Petersburg  beauftragt  worden  sei,  mir  die  große  Befriedigung  aus- 
zudrücken, mit  welcher  man  dort  von  meinen  Erklärungen  Kenntnis 
genommen  habe,  und  mir  zu  sagen,  daß  der  Kaiser  ausdrücklich  alles 
bestätigt  habe,  was  Fürst  Lobanow  in  unserer  letzten  Unterredung 
mir  zu  erklären  den  Auftrag  gehabt  hatte. 

Ich  antwortete  dem  Herrn  Botschafter,  daß,  wenn  er  nicht  zu 
mir  gekommen  wäre,  ich  noch  am  selben  Tage  ihn  aufgesucht  haben 
würde,  um  ihm  mitzuteilen,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser  mich  be- 
auftragt habe,  ihn  zu  bitten,  in  Erwiderung  seiner  letzten  Erklärungen 
bezüglich  der  friedlichen  und  keineswegs  aggressiven  Absichten  Ruß- 
lands zur  Kenntnis  des  Kaisers  Alexander  die  formelle  Versicherung 
zu  bringen,  daß  Seine  Majestät,  den  Gefühlen  getreu,  welche  bei  der 
Zusammenkunft  in  Kremsier  vorgewaltet  haben,  niemals  daran  ge- 
dacht habe,  den  Krieg  gegen  Rußland  sei  es  vorzubereiten  oder  zu 
machen,  daß  aber  die  unbestreitbare  Tatsache  der  enormen  militäri- 
schen Vorbereitungen  in  Polen  seiner  Regierung  die  Pflicht  auferlegt 
habe,  ernstliche  Maßregeln  zu  ergreifen,  um  die  bedrohte  Sicherheit 
des  Reiches  zu  schützen. 

Ich  fügte  hinzu,  daß  es  Seine  Majestät  schmerzlich  berührt  habe 
zu  sehen,  daß  die  letzten  offiziösen  Auslassungen  der  russischen  Re- 
gierung es  wagten,  Österreich-Ungarn  anzuklagen,  daß  es  de  mauvaise 
foi  sei  und  mit  seinen  Alliierten  einen  Angriffskrieg  gegen  Rußland 
vorbereite. 

3»  35 


Nachdem  ich  von  diesem  Austausch  friedlicher  Erklärungen  Akt 
genommen  hatte,  stellte  ich  dem  Fürsten  Lobanow  folgende  Frage: 
Nachdem  wir  nun  von  allerhöchstunseren  Souveränen  persönlich 
wissen,  daß  weder  der  eine  noch  der  andere  den  Krieg  wünsche  oder 
denselben  beginnen  wolle  (woran  übrigens  weder  ich  noch  Sie  jemals 
gezweifelt  haben),  frage  ich  Sie,  in  was  diese  wichtigen  Erklärungen 
die  drohende  Lage,  in  der  wir  uns  befinden,  irgendwie  ändern?  Können 
Sie  mir  irgendeinen  Unterschied  in  unserer  gegenseitigen  Stellung  vor 
diesen  Erklärungen  und  nach  denselben  angeben?  — 

Ich  kam  darauf  zurück,  daß  letztere  wertlos  seien,  wenn  denselben 
nicht  eine  greifbare  praktische  Folge  gegeben  werde.  Fürst  Lobanow 
sah  dies  ein  und  versuchte  mich  zu  einem  Vorschlag  meinerseits  in 
dieser  Richtung  zu  veranlassen.  Ich  lehnte  dies  ab  und  sagte:  Ich 
sehe  nicht  ein,  was  wir  tun  könnten,  um  der  gespannten  Situa- 
tion ein  Ende  zu  machen.  Die  Lösung  liege  in  Petersburg,  unser 
Truppenstand  in  Galizien  sei  ein  normaler,  es  haben  weder  außer- 
ordentliche Truppenbewegungen  noch  außerordentliche  Rüstungen  an 
der  Grenze  stattgefunden,  ich  wüßte  daher  nicht,  auf  welche  Weise 
unsererseits  in  dieser  Frage  Abhilfe  geschaffen  werden  könne.  Läge 
eine  poHtische  Streitfrage  vor,  so  wäre  es  wahrscheinlich  leichter,  eine 
Lösung  zu  finden.  Von  der  bulgarischen  Frage  behaupte  ja  die  russi- 
sche Regierung  ausdrücklich,  daß  sie  eine  sekundäre  Frage  sei,  wegen 
der  sie  keinenfalls  den  Krieg  machen  wolle.  Es  liege  also  kein  Streit- 
objekt vor,  welches  greifbar  wäre,  und  doch  würden  täglich  in  den 
russischen  Zeitungen  die  Leidenschaften  gegen  uns  und  Deutschland 
losgelassen  und  Krieg  und  Rache  gepredigt. 

Meine  Konklusion  war,  wenn  man  Beruhigung  und  Beilegung 
der  jetzigen  Krise  wolle,  so  könne  dies  nur  von  Petersburg 
aus  geschehen. 


Nr.  1171 

Der  Chef  des  Generalstabes  Ceneralfeldmarschall  Graf  von  Moltke 
an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  166  Berlin,  den  31.  Dezember  1887 

Geheim 

Euer  Durchlaucht  beehre  ich  mich,  unter  Bezugnahme  auf  die  mit 
dem  Herrn  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  gehabte  Unterredung*, 
angeschlossen    die   gewünschte    vergleichende    Zusammenstellung   der 

*  Vgl.  die  Randbemerkung  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck  zu 
Nr.  1167. 

36 


tatsächlichen  Friedensstärken  in  den  Grenzgebieten  Deutschlands  und 
Rußlands  ganz  ergebenst  zu  übersenden. 

Betreffs  der  im  Schreiben  des  Herrn  Staatssekretärs  vom  20.  d.  Mts. 
erwähnten  Behauptung  des  Herrn  von  Giers,  daß  die  Gesamtzahl  der 
russischen  Truppen  in  Polen  heute  geringer  sei  als  zur  Zeit  der  Kaiser 
Nikolaus  und  Alexander  II.*,  haben  inzwischen  eingehende  Ermitte- 
lungen in  den  Akten  des  Generalstabes  stattgefunden.  Die  Ergebnisse 
dieser  Nachforschungen  beweisen,  daß  die  Behauptung  des  Herrn  von 
Giers  durchaus  unzutreffend  ist:  Während  der  heutige  Friedens- 
stand der  in  den  Militärbezirken  Wilna,  Warschau  und  Kiew  be- 
findUchen  Truppen  rund  gerechnet  mindestens  300000  Köpfe  beträgt, 
haben  daselbst  zu  Zeiten  des  polnischen  Aufstandes  1831  und  des 
Krimkrieges  zu  Ende  1855  auf  Kriegsfuß  nicht  mehr  wie  200  000 
Mann  gestanden,  in  den  Friedensjahren  bleiben  die  Truppenstärken 
dagegen  weit  unter  den  genannten  Zahlen. 

Gr.  Moltke 


Nr.  1172 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Entzifferung 

Nr.  445  St.  Petersburg,  den  2Q.  Dezember  1887 

Fürst  Lobanow,  welcher  vor  acht  Tagen  beruhigende  Erklärungen 
in  Wien  gegeben**  und  empfangen  hatte,  meldete  gestern,  daß  be- 
deutende Truppenbewegungen  in  der  Richtung  nach  Galizien  statt- 
finden. „Zum  ersten  Male,"  sagte  Herr  von  Giers,  „ist  der  Bot- 
schafter selbst  alarmiert,  es  geht  dort  etwas  vor;  der  Kriegsminister 
Wannowsky  hat  dem  Kaiser  einen  ganzen  Stoß  von  Nachrichten  über 
österreichische  Rüstungen  zugeschickt;  Seine  Majestät  hat  mir  gesagt: 
»Sprechen  Sie  mit  dem  General  von  Schweinitz  darüber.*" 

Ich  antwortete,  daß  ich  von  österreichischen  Rüstungen  nichts 
wisse;  wenn  solche  stattfänden,  so  seien  sie  jedenfalls  nur  für  die 
eigene  Sicherung  bemessen;  eines  aber  wisse  ich  gewiß,  nämlich  daß 
Österreich-Ungarn  Rußland  nicht  angreifen  wird,  denn  wenn  es  dies 
tut,  steht  es  allein,  während  es,  von  Rußland  angegriffen,  unserer  Hilfe 
sicher  ist. 

Herr  von  Giers  sagte :  „Ici,  chez  nous  le  sentiment  predomine,  que 
nous  serons  attaquesi  au  printemps."^ 


Vgl  Nr.  1166. 
'  Vgl.  Nr.  1170. 


37 


Der  Minister  sprach  über  die  bedenklichen  gestern  und  heute  an 
den  Tag  getretenen  Erscheinungen;  er  hat  viele  alarmierende  an  hiesige 
Zeitungen  gerichtete  Telegramme  als  Zensor  zurückgehalten ;  eines 
derselben,  aus  Varna  datiert,  laute:  „Herr  von  Radovvitz  hat  erklärt, 
daß  Deutschland  im  bevorstehenden  Kriege  auf  Seiten  Österreichs  stehen 
wird."  Der  Minister  fügte  hinzu:  „Dies  alles  geht  von  derselben  bul- 
garischen Lügenoffizin  aus;  seit  man  weiß,  daß  der  Kaiser  die  Fäl- 
schungen dem  Fürsten  von  Bismarck  mitteilt*,  schickt  man  uns  nichts 
mehr,  sondern  versucht  es  mit  Zeitungskorrespondenzen  und  Tele- 
grammen." 

Herr  von  Giers  schloß:  „Ich  habe  an  Fürst  Lobanow  telegraphiert, 
er  solle  sich  nach  dem  militärischen  Sachverhalt  erkundigen  unter 
ausdrücklicher  Betonung,  daß  dies  nicht  als  Interpellation  zu  betrachten 
sei;  Kaiser  Alexander  vertraue  auf  das  Wort  des  Kaisers  Franz  Joseph." 

von  Schweinitz 


Randbemerkungen  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 

1  Unaufrichtig! 

*  respondeatur  zur  Mitteilung:  wir  glaubten  nicht,  daß  Giers  das  sentiment 
wirklich  hat.  Seine  Durchlaucht  glaubt  an  Möglichkeit  nur  dann,  wenn 
Österreich  uns  oder  England  dabei  im  Bunde  hätte.  Letzteres  sehr  unwahr- 
scheinlich, und  von  uns  bekannt,  daß  wir  Angriffskrieg  nicht  mitmachten.  Daß 
Österreicher  möglicherweise  ihre  cadres  verstärken,  gegenüber  den  wachsenden 
russischen  Truppenverstärkungen  nicht  zu  verwundern.  Wir  hätten  aber  ge- 
naue Nachrichten,  und  darnach  hätten  sie  keinen  einzigen  cadre  gerührt. 
Österreich  ist  friedlich,  und  wir  werden  reden  zum  Frieden,  falls  dort  etwa 
jemals  agressive  Tendenzen  zu  Tage  treten  sollten. 


Nr.  1173 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  447  St.  Petersburg,  den  29.  Dezember  1887 

Vertraulich 

pp.  Diese  Stimmung,  oder  vielmehr  die  allgemeine,  bei  hoch  und 
niedrig  vorherrschende  Überzeugung,  welcher  ich  bei  meiner  Rück- 
kehr nach  St.  Petersburg**  begegnete,  war,  daß  wir  Österreich-Ungarn 
zum  Kriege  mit  Rußland  trieben  i.  Diese  ebenso  falsche  wie  allgemein 
verbreitete  Meinung  ist  nicht  nur  durch  die  systematischen  Verleum- 
dungen der  europäischen  Kriegspartei,  nicht  nur  durch  Artikel  deut- 

*  Vgl.  Bd.  V,  Kap.  XXXVI,  Anhang  B. 

**  Botschafter  von  Schweinitz  hatte  im  Dezember  1887  auf  Urlaub  in  Deutschland 
geweilt;  am  15.  Dezember  stattete  er  dem  Fürsten  Bismarck  einen  Besuch  in 
Friedrichsruh  ab. 

38 


scher  Zeitungen  hier  bestärkt  worden,  sondern  auch  durch  vertrauliche 
Mitteilungen  aus  Wien  2. 

Die  Neigung,  sich  zu  verständigen,  um  uns  allein  zu  lassen,  darf 
nach  meinem  ehrerbietigen  Dafürhalten  in  Rußland  bei  wenigen,  in 
Österreich  bei  vielen ^  als  vorhanden  angenommen  werden;  es  drängt 
sich  also  die  Frage  auf,  ob  eine  solche  Verständigung  möglich  ist*. 

Die  russische  Regierung  hat  uns  Beweise  geliefert,  daß  sie,  um 
den  nationalen  Leidenschaften  zu  schmeicheln,  ökonomische  Interessen 
zu  opfern  fähig  ist;  sie  würde  wohl  wenig  Bedenken  tragen,  politische 
Konzessionen  zu  machen,  um  einen  unserer  Bundesgenossen  von  uns 
zu  trennen;  sie  würde  Österreich  gegenüber  um  so  bereitwilliger ^ 
zu  temporären  Zugeständnissen^  sein,  als  sie  dessen  Zerfall  mit  Zu- 
versicht^ erwartet,  sobald  wir  es  nicht  mehr  stützen  können.  Wenn 
nun  unter  dem  Eindrucke  der  Kriegsfurcht,  des  „cimbrischen  Schreckens", 
wie  er  unlängst  in  Wien  zutage  trat,  die  dortige  Staatsleitung  in  slavvo- 
phile^  und  ultramontane  Hände  geriete'^,  so  wäre  es  wohl  denkbar, 
daß  man  trotz  Polen  und  Magyaren  schon  vor  Solferino  nach  Villa- 
franca  ginge. 

Zwischen  Österreich-Ungarn  und  Rußland,  zwischen  der  katho- 
hschen  und  der  orthodoxen  Slawenwelt  bestehen  aber  Gegensätze, 
welche  in  den  letzten  Jahren  so  schroff  geworden  sind,  daß  sie  weder 
durch  gemeinsamen  Haß  gegen  das  Deutschtum  noch  durch  diplo- 
matische Arrangements,  selbst  nicht  durch  wechselseitige  Kompen- 
sationen auf  Kosten  eines  dritten  ausgeglichen  werden  können.  Die 
territorialen  Fragen  ließen  sich  vielleicht  auf  solche  Weise  lösen,  die 
nationalen  Aspirationen  sich  versöhnen  s,  aber  das  Zusammenwirken 
konfessioneller  Rivaütäten  mit  den  nationalen  und  den  politischen  läßt 
friedlichen   Ausgleich   fast   unmöglich   erscheinen  8. 

Die  abendländische  Kirche  ist  aggressiv  in  den  ruthenischen  und 
in  den  südslawischen  Ländern;  die  morgenländische  ist  es  im  öst- 
Hchen  Galizien  und  in  Böhmen 9;  auch  wohl  bei  den  Slowenen;  sie 
ist  arm  an  geistigen  Kräften,  schwach  durch  Mangel  an  Disziplin, 
arm  auch  an  materiellen  Mitteln  trotz  russischer  Unterstützung.  Un- 
fähig, mit  ihrer  ungebildeten  Geistlichkeit  den  Kampf  gegen  den  über- 
legenen katholischen  Klerus  siegreich  zu  bestehen,  sucht  sie  die  Staats- 
gewalt in  diesen  Kampf  hineinzuziehen,  und  bei  der  gegenwärtigen 
Zerfahrenheit  der  russischen  Staatsleitung  fehlt  es  hierzu  weder  an 
Mitteln  noch  an  Aussicht  auf  Erfolg. 

Wenn  ich  es  wage,  die  Ansicht  auszusprechen,  daß  kirchliche 
Gegensätze  eine  Verständigung  zwischen  Rußland  und  Österreich  für 
nahe  Zukunft  ausschließen,  so  tue  ich  dies  auf  Grund  langer  Beob- 
achtung, will  aber  nicht  versuchen,  die  Wahrheit  einer  so  gewichtigen 
Behauptung  durch  Anführung  einzelner  Beispiele  von  lokalen  Kon- 
flikten oder  durch  anekdotische  Mitteilungen  aus  Petersburger  Salon- 
gesprächen zu  beweisen  10.    Die  tiefgehende  Strömung,  welche  ich  im 

39 


Auge  habe,  tritt  übrigens  hier  in  der  zweiten  Hauptstadt  weniger 
zutage  als  der  aus  Franzosenhebe  und  Deutschenneid  zusammengesetzte 
Chauvinismus,  der  sich  weder  um  die  Kirche  noch  um  Bulgarien, 
noch  um  die  Dardanellen  kümmert,  wenn  er  nur  uns  demütigen 
könnte  11.  Ich  glaube  aber  doch,  mir  gestatten  zu  dürfen,  in  aller  Kürze 
zwei  Unterredungen  zu  resümieren,  aus  welchen  sich  auf  die  Anschau- 
ungen einflußreicher  Kreise  schheßen  läßt. 

„Le  joug  de  l'Autriche  devient  insupportable",  sagte  Herr  Pobe- 
donoszew,  nachdem  er  mir  die  Verfolgungen  geschildert  hatte,  denen 
die  Unierten  in  GaHzien  ausgesetzt  sind.  Es  scheint  hiernach,  daß  in 
neuerer  Zeit  wirklich  recht  lästige  Maßregeln  gegen  die  Ruthenen  in 
Anwendung  gebracht  worden  sind,  und  zwar  durch  die  polizeilichen 
Organe,  auf  Anregung  der  römisch-katholischen  Geistlichkeit.  Letztere 
geht  von  der,  wie  man  hier  zugibt,  richtigen  Ansicht  aus,  daß  es,  um 
jenes  ungebildete  Volk  ganz  für  Rom  zu  gewinnen,  zunächst  darauf 
ankomme,  die  Äußerlichkeiten  des  Kultus  denen  der  lateinischen  Kirche 
gleich  zu  machen  und  die  der  griechischen  zu  beseitigen.  Nun  hat 
man  jetzt  den  Kampf  gegen  die  Form  des  Kreuzes  eröffnet,  welches 
die  Ruthenen  auf  ihren  Kirchen  und  Gräbern  seit  alten  Zeiten  haben; 
es  ist  das  russische  Kreuz  mit  drei  Querbalken,  an  dessen  Stelle  das 
lateinische  mit  einem,  am  oberen  Dritteil  angebrachten  Querbalken 
treten  soll.  Hierüber  scheint  es  zu  so  peinlichem  Streite  gekommen 
zu  sein,  daß  der  Papst  Einhalt  geboten  hat.  Hierdurch  ist  aber  der 
Zorn  des  Herrn  Pobedonoszew  nicht  besänftigt  worden,  und  er  führte 
bittere  Klage  über  die  von  der  Wiener  Regierung  getriebene  jesuitische 
Propaganda. 

Wie  schon  oft  bei  ähnlichen  Gesprächen,  so  erwiderte  ich  auch 
diesmal,  und  zwar  auf  Grund  des  hohen  Erlasses  Nr.  892  vom  18.  d.Mts., 
daß  nicht  die  österreichisch-ungarische  Regierung,  sondern  die  katho- 
lische Internationale,  in  neuerer  Zeit  durch  die  ultramontanen  Mitglieder 
des  Hauses  Orleans  unterstützt,  die  Propaganda  unter  den  Völker- 
schaften der  griechischen  Kirche  begünstige.  „Nein,"  sagte  der  Proku- 
rator des  Synods,  „dies  ist  nicht  richtig;  Fürst  Bismarck  irrt  sich 
hierin ;  der  Fürst  bekommt  diplomatische  Berichte,  sozusagen  die  großen 
Nachrichten,  ich  bekomme  die  kleinen,  und  diese,  aus  der  Mitte  des 
Lebens  in  jenen  entlegenen  Gebieten  heraus,  schildern  die  Dinge, 
wie  sie  wirklich  sind,  in  der  Herzegowina,  Bosnien,  Serbien,  Ungarn 
und  Galizieni2.  Wenn  nur  dieses  schreckliche  Österreich  nicht 
wäre!" 

Ich  sagte,  wie  immer,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser  streng  ver- 
fassungsmäßig regiert,  daß  Graf  Kälnoky  sehr  vorsichtig,  Herr 
von  Källay  religiös  indifferent,  Herr  von  Tisza  reformiert  sei;  aber  alles 
dieses   macht   Herrn    Pobedonoszew   nicht   irre.    pp. 

Ein  leitendes  Vorstandsmitglied  vom  Slawischen  Wohltätigkeits- 
verein sagte  unter  anderem:   „Ich   bin   Panslawist,  und   darum   kein 

40 


Gegner,  sondern  ein  Freund  Deutschlands ;  Sie  haben  eine  Million 
Polen,  um  welche  wir  uns  nicht  kümmern,  und  80000  Wenden,  die 
kaum  in  Betracht  kommen,  aber  Österreich"  —  und  nun  entwickelte 
mir  mein  gut  unterrichteter  Bekannter  ähnliche  Auffassungen  wie  Herr 
Pobedonoszew,  schilderte  lebhaft  die  Leiden,  welche  die  armen  Ruthenen 
am  rechten  Ufer  der  Sau  wegen  der  dreiarmigen  Kreuze  erdulden,  und 
suchte  nachzuweisen,  daß  die  österreichische  Regierung  unter  der  Maske 
der  Parität  das  Schulwesen  in  Bosnien  und  der  Herzegowina  in  die 
Hände   der  Jesuiten   gebracht  habe.    pp. 

„Wir  leben'',  fuhr  er  fort,  „in  der  Zeit  der  großen  nationalen  Agglo- 
merationen; ein  Staat,  der  kein  Nationalitätsstaat  ist,  kann  nicht  fort- 
bestehen ;  ich  sage  Ihnen  aber  ausdrücklich,  daß  wir  Panslawisten 
meiner  Richtung  die  Grenze  unserer  Bestrebungen  nach  der  Kon- 
fession ziehen,  daß  also  nicht  nur  die  Polen,  sondern  auch  die  Tschechen 
außerhalb  derselben   bleiben,    pp." 

Durchdrungen  von  der  Inferiorität  seines  Klerus  und  entschieden 
abgeneigt,  ihn  materiell  und  intellektuell  zu  heben,  scheint  der  Proku- 
rator des  Synods  keine  andere  Rettung  für  seine  bedrohte  Kirche  zu 
sehen  als  ihren  Schutz  durch  die  russische  Autokratie  i3;  daß  sie  unter 
konstitutionellen  Staatsformen  nicht  gedeihen  kann,  hat  er  einmal  in 
einem  geistvollen  Essay  nachgewiesen;  aus  diesem  Grunde  hat  er 
sich  auch  beim  Regierungsantritt  des  jetzigen  Kaisers  den  Reformen, 
denen  man  in  dem  denkwürdigen  Conseil  vom  20/8.  März  1881*  sehr 
nahe  war,  so  energisch  und  erfolgreich  widersetzt.  Mit  gleicher  Energie 
und  Konsequenz  treibt  er  zum  Kriege  gegen  Österreich-Ungarn,  und 
die  „kleinen  Nachrichten",  auf  die  er  so  stolz  ist,  und  die  ihm  aus  den 
slawischen  Provinzen  des  Nachbarreichs  in  Menge  zugehen,  setzen  ihn 
instand,  seinen  kaiserlichen  Herrn  zu  beeinflussen;  so  auch  jetzt,  wo 
ihm,  wie  er  mir  sagt,  berichtet  wird,  daß  alle  Straßen,  die  in  Galizien 
nach  der  russischen  Grenze  zu  führen,  mit  österreichischen  Truppen 
angefüllt  sind.  v.  Schweinitz 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1   r 

-  dort  ist  dergleichen   auch  von  militärischer  Seite  geschehn. 

3  bei  welchen? 

*  gewiß;  sie  bestand  lange  ulnd]  oft,  u[ndl  war  1876  im  Wer 

5  p 

6  was  ist  Ta[a]ffe**  denn  anders? 
'  das  ist  sie 

8  die  Verständigung  auf  unsre  Kosten  aber  doch  als  möglich? 


*  In  dem  Konseil  vom  20.  März  1881  war  die  Frage  der  Berufung  von  Kom- 
missionen oder  Delegationen  der  russischen  Semstwos  verhandelt  worden;  der 
Entwurf  des  Grafen  Loris  Melikow  scheiterte  aber  an  dem  leidenschaftlichen 
Widerspruch  Pobedonoszews.  Bericht  des  Botschafters  von  Schweinitz  vom 
29.  März  1881. 
**  Graf  Taaffe,  österreichischer  Ministerpräsident  und  Minister  des  Innern. 

41 


9  in  Böhmen  minimal 

10  ist  auch  nicht  nöthig 

11  Skobelew 

12  in  Galizien  besorgen  es  die  Polen,  denen  die  öst[er]r[eichi3che]  ReglierungJ 
freie  Hand  läßt,  um  sie  gegen  Rußland  zur  Verfügung  zu  haben;  in  Bosnien 
die  Jesuiten,  in   Bulgarien  Clementine. 

13  gegenseitig! 


Nr.  1174 
Kaiser  Wilhelm  I.  an  Kaiser  Alexander  III.  von  Rußland 

Reinkonzept* 

Berlin,  le  5  Janvier  1888 
[abgegangen  am  6.  Januar] 

Mon  eher  petit  neveu, 

Le  plaisir  que  m'a  cause  Votre  visite**  m'est  un  motif  de  plus  pour 
exprimer,  ä  l'occasion  de  la  nouvelle  annee,  les  voeux  que  m'inspirent 
les  liens  de  famille  qui  nous  unissent  et  l'identite  de  nos  interets 
monarchiques.  Ma  jeunesse  s'est  passee  sous  l'influence  de  la  reci- 
procite  des  sentiments  affectueux  de  nos  peres;  j'en  ai  garde  la  tra- 
dition  dans  ma  longue  vie  et  je  tiens  ä  Vous  les  exprimer  de  nouveau 
dans  un  moment,  oü  les  nations  dont  Dieu  nous  a  confie  le  gouver- 
nement,  n'ont  que  leurs  monarques  pour  leur  conserver  les  bienfaits 
de  la  paix  et  de  l'ordre  social  menaces  partout  en  Europe.  Pour  suffire 
ä  cette  noble  täche,  il  faudra  avant  tout  ecarter  entre  nous  tout 
malentendu  propre  ä  affaiblir  la  foi  que  mutuellement  nous  avons  dans 
les  intentions  paisibles  et  amicales  qui  president  ä  notre  politique.  J'ai 
lu  dans  un  organe  officiel,  „l'Invalide  Russe"  au  sujet  de  la  distribu- 
tion  de  mes  troupes  des  donnees,  qui,  si  elles  etaient  fondees,  pourraient 
faire  naitre  des  doutes  au  sujet  du  caractere  de  ma  politique.  J'ai  im- 
mediatement  ordonne  que  cette  question  füt  soumise  ä  un  examen 
minutieux  et  je  crois  de  mon  devoir  de  Vous  communiquer  dans 
l'annexe  les  donnees  officielles  qui  m'ont  ete  fournies  ä  la  suite  d'une 
etude  exacte  et  approfondie. 

Les  chiffres  pubiies  par  l'„Invalide''  sont  inexactes  au  sujet  de 
Paugmentation  de  mes  troupes  aussi  bien  qu'en  ce  qui  concerne  nos 
constructions  de  chemins  de  fer.  Je  joins  ici  ä  titre  de  preuve,  un 
tableau  synoptique  prepare  par  mon  Ministre  des  Travaux  Publics, 
oü  se  trouvent  specifiees  toutes  les  lignes  construites  ou  en  construc- 
tion  depuis  1878  sur  la  rive  droite  de  l'Oder,  et  dont  une  partie,  ä 
l'heure  qu'il  est,  n'est  pas  encore  achevee. 


*  In  der  Ausfertigung  vom  Prinzen  Wilhelm  geschrieben;  s.  den  Schluß  des  Briefes. 
**  Vgl.  Nr.  1155,  S.  10,  Fußnote  *. 

42 


Ce  tableau  prouve  que  les  chiffres  publies  par  l'„Invalide"  etaient 
exageres  au  double  de  la  verite  et  que  la  plupart  de  ces  constructions 
n^est  d'aucune  importance  militaire,  ne  servant  qu'aux  interets  du 
commerce  et  de  l'agriculture. 

Unc  des  plus  surprenantes  parmi  les  affirmations  Inexactes  de 
l'„Invalide"  c'est  celle  qui  se  rapporte  ä  mes  forteresses.  Graudenz 
par  exemple  y  est  designee  comme  „nouvelle  place  forte"  tandis  qu'en 
realite  c'etait  autrefois  une  bonne  forteresse  qui,  commandee  par 
Courbiere,  tint  bon  en  1806  et  1807  contre  Napoleon,  avec  un  petit 
nombre  d'autres  places  fortes.  Mais  l'ancienne  forteresse  de  Grau- 
denz a  ete  condamnee  et  rasee  il  y  a  plus  de  20  ans  et  per- 
sonne n'a  songe  ä  y  faire  construire  de  nouveaux  ouvrages.  Ce  fait 
ne  peut  pas  etre  inconnu  ä  Votre  Ministre  de  la  guerre  et  ä  sa  feuille 
officielle. 

Ce  n'est  qu'ä  la  suite  des  agglomerations  considerables  de  troupes 
russes  realisees  depuis  la  fin  de  la  derniere  guerre  turque  dans  Vos 
provinces  limitrophes,  que  des  renforcements  peu  considerables  du 
cote  allemand  ont  ete  diriges  vers  la  frontiere.  Ces  dislocations  n'ont 
commence  qu'en  1883  et  ont  garde  de  petites  proportions,  malgre 
les  menaces  de  guerre  et  d'alliance  frangaise  que  des  journaux  officieux 
et  des  personnes  haut-placees  en  Russie  ont  publiquement  proferees 
contre  nous  et  malgre  les  renforcements  recents  qui  continuent  ä 
augmenter  le  nombre  des  troupes  russes  echelonnees  ä  proximite  de 
notre  frontiere.  La  confiance  dans  la  duree  de  la  paix  que  m'inspire 
l'absence  de  toute  raison  de  guerre  n'a  pas  ete  ebranlee  par  ces 
incidents,  et  aucun  projet  hostile  contre  la  Russie  ne  saurait  entrer 
dans  mon  esprit.  Toutes  mes  pensees  tendent  vers  la  paix,  non  seule- 
ment  ä  cause  de  mon  äge,  mais  aussi  en  vertu  de  l'empire  qu'exerce 
sur  moi  la  conscience  des  devoirs  que  j'ai  envers  mes  sujets,  et  les 
sentiments  que  m'inspire  l'approche  du  moment  oü  j'aurai  ä  rendre 
compte  devant  Dieu  de  la  maniere  dont  j'ai  accompli  ces  devoirs 
que  Sa  providence  m'a  imposes. 

J'ai  la  conviction  que  Vous  pensez  comme  moi  et  que  nous 
saurons  proteger  nos  peuples  contre  les  fleaux  d'une  guerre  dont  les 
resultats,  quelle  qu'en  soit  l'issue,  ne  profiteraient  qu'aux  ennemis 
de  toutes  les  monarchies  en  Europe.  J'espere  que  l'avenir  justifiera 
cette  conviction  qui  m'est  chere,  et  j'appelle  sur  Vous  et  sur  les 
Votres,  nommement  sur  l'Imperatrice,  la  benediction  de  Dieu  pendant 
l'annee  qui   nous  arrive. 

Je  suis  sur  que  Vous  voudrez  bien  m'excuser  si  ä  cause  des  diffi- 
cultes  que  presente  le  maniement  de  la  plume  ä  mon  äge,  je  me  suis 
servi  de  la  main  de  mon  petit-fils  Guillaume. 

Pour  la  vie  Votre  tout  devoue  et  tres  affectionne  frere  et  grand- 
oncle 

Guillaume 

43 


Nr.  1175 

Der  Botschafter  in  Wien 
Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Staatssekretär  des  Aus- 
wärtigen Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Eigenhändiger  Privatbrief 

Wien,  den  19.  Januar  1888 

Graf  Kälnoky  fährt  fort,  die  allgemeine  Lage  pessimistisch  zu 
beurteilen,  und  er  steht  damit  hier  nicht  allein. 

Er  sagt,  was  helfen  alle  Friedensversicherungen  des  Zaren?  Die 
Ansammlung  der  russischen  Armee  an  unseren  Ostgrenzen  dauert  fort, 
ebenso  die  Hetzereien  in  der  Presse,  die  Lügen  der  russischen  Diplo- 
matie. 

Der  den  Russen  unerträgliche  Gedanke  der  deutschen  Hegemonie 
in  Europa  treibt  in  erster  Linie  gegen  Deutschland,  und  da  hier  kein 
Vorwand  zum  Krieg  zu  finden  ist,  so  wird  sich  Rußland  an  Deutsch- 
lands Alliierten  halten;  hier  fehlt  es  nicht  an  Reibflächen.  Bulgarien 
wird  das  Prätext  sein,  die  Oberherriichkeit  über  die  Slawen  und 
die  Meerengen  1  das  Ziel.  Wenn  Rußland  durchaus  Händel  sucht, 
trotz  der  FriedensHebe  des  Zaren  und  trotz  der  hiesigen  Friedensliebe, 
so  wird  der  Krieg  da  sein,  und  zwar  in  einem  Moment,  der  Rußland 
paßt  und  Österreich  nicht.  Österreich  ist  genötigt,  ruhig  abzuwarten, 
wird  es  aber  mit  seinen  schlechten  Finanzen  dies  Warten  lange  ver- 
tragen können? 

Diese  Frage  legt  sich  hier  fast  ein  jeder  vor.  Andrassy  hat  des- 
halb hier  geraten,  man  solle  die  günstige  diplomatische  und  die  noch 
immer  vorteilhaftere  militärische  Lage  benutzen  und  sich  mit  Rußland 
auseinandersetzen.  Das  heiße,  die  Tripelallianz  solle  mit  England  2 
den  Russen  sagen:  wir  wollen  keinen  Krieg,  wir  wollen  die  strikte 
Erhaltung  des  Berliner  Vertrags,  den  du,  Rußland,  immer  im  Munde 
führst,  und  wollen  uns  auf  dieser  Basis  verständigen,  aber  definitiv  (?). 
Willst  du  darüber  hinaus,  so  hast  du  es  mit  allen  zu  tun. 

Diesem  Kriegsprogramm  stimmt  Kälnoky  nicht  zu,  weil  er  dafür 
hält,  Rußland  würde  eine  solche  Sprache  Europas  (ohne  Frankreich) 
für  Drohung  nehmen,  und  dann  wäre  der  Krieg  unvermeidlich.  Daß 
auf  England  so  wenig  zu  rechnen  ist,  macht  den  Minister  noch  vor- 
sichtiger, und  Andrassy  sagt,  er  habe  keine  ^  Courage. 

Die  vielfachen  offiziösen  russischen  Andeutungen,  Österreich  möge 
sich  doch  mit  Rußland  direkt  verständigen,  prallen  wie  Erbsen  an 
Kälnoky  ab ;  er  sieht  darin  das  Bemühen,  Österreich  von  uns  zu  trennen, 
hält  diese  Andeutungen  für  unaufrichtig*  und  meint,  Verständigung 
heiße    hier:    vollkommne    Unterordnung    unter    die    russische    Politik. 

44 


Für  eine  andere  Verständigung  würde  das  Petersburger  Kabinett  niclit 
zu  haben  sein^ 

Das  ist's  eben;  warum  hat  man  hier  die  günstige  Zeit  für  die 
Demarkation  verpaßt! 

Darin  ist  Käinoky  mit  Andrässy  einverstanden,  daß  es  de  pure 
perte^  wäre,  den  Russen  hier  und  da  kleine  Liebesdienste  zu  erweisen, 
den  Koburger  wegjagen  helfen  und  dergleichen.  —  Er  will  jede  Provo- 
kation vermeiden;  was  würde  aber  nicht  als  Provokation  angesehen! 

Das  ceterum  censeo  Kälnokys  bei  derartigen  Gesprächen  bleibt: 
Rußland  will  den  Kriegt;  wir,  die  wir  ihn  nicht  wollen,  haben  kein 
Mittel  dagegen  und  müssen  ihn  uns  daher  diktieren  lassen,  weil  wir 
ihn  nicht  anfangen  wollen.    Diese  Betrachtung  stimmt  ihn  nicht  rosig. 

Die  Militärs  sind  wegen  der  verunglückten  militärischen  Be- 
sprechungen 8*  verstimmt.  Wir  predigen  ihnen,  daß  sie  selbst  daran 
Schuld  haben;  sie  sehen  es  wohl  ein,  ärgern  sich  aber  doch.  Ich  weiß 
nicht,  ob  es  ginge,  diese  Besprechungen  in  anderer  Form  und  Frage- 
stellung wieder  aufzunehmen  9,  wie  Euere  Exzellenz  mir  unter  dem 
14.  schrieben.  Wenn  aber  wieder  nur  eine  Verstimmung  dabei  heraus- 
kommen soll,  ist  es  wohl  besser  nichtig. 

Kronprinz  Rudolf  ist  ganz  im  Kriegsfahrwasser.  Er  faßt  die  Sachen 
sehr  leidenschaftlich  auf  und  meint,  daß,  wenn  Österreich  den  Moment 
versäumte,  sich  gegen  Rußland  zu  schlagen,  solange  es  noch  ent- 
schiedene militärische  Vorteile  besäße,  es  besser  tun  würde,  dann 
ganz  von  der  Großmachtstellung  zu  abdizieren.  Diese  Ansichten  gebe 
ich  nur  als  Symptom  wieder,  wie  die  Mihtärs  denken.  Politische  Be- 
deutung haben  sie  nicht. 

H.  VII.  P.  Reuß 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

^  Die  Meerengen,  ja;  die  Slaven  nein;  das  Streben  wird  soweit  gehn  wie  die 
griech[isciie]  Kirche  reicht;  auf  kathol[ischeni]  Gebiet  ist  es  ohne  Aussicht,  u[nd] 
auf  griech[ischem]  wie  figura  Bulg[arien]  zeigt,  auch  eine  Fehlrechnung.  Die 
„Meerengen"  aber  ist  practisch  erreichbar,  via  Sultan. 

2  ja!  wenn! 

3  [zwischen  „keine"  und  „Courage"  eingeschoben:]  falsche 
*  natürlich 

5  richiig 

6  doch  kaum!  außerdem  fällt  der  Cob[urger]  von  selbst,  u[nd]  auf  Kais[er] 
Alex[ander]  würde  diese  wohlfeile  Gefälligkeit  immer  wiri<en;  außerdem  würde 
dadurch  die  „Position  auf  Basis  der  Verträge"  gestärkt 

7  Der  Kaiser  A[lexander]  persönlich  nicht 

8  wegen   des   verunglückten    Versuchs   den    Bündnißvertrag    zu  verschieben! 
3  nein!  die  Leute  sind  zu  happig  u[nd]  zu  steif  dazu 

"  ja. 


Vgl.  Kap.  XXXVIII:  Österreichisch-Deutsche  Besprechungen  über  den  casus  foederis. 

45 


Nr.  1176 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

J^*"- ^!^  St.  Petersburg,  den  27.  Januar  1888 

Geheim 

Herr  von  Giers  teilte  mir  gestern  nachmittags  mit,  Seine  Majestät 
der  Kaiser  Alexander  wünsche  mich  abends  während  des  Balles  im 
Winterpalais  in  seinem  Kabinett  zu  empfangen,  um  mir  einen  Brief  an 
unseren  allergnädigsten  Kaiser  und  Herrn  einzuhändigen  und  um 
mit  mir  zu  sprechen,   pp. 

Kaiser  Alexander  eröffnete  die  Unterredung  mit  Worten  des  wärm- 
sten Dankes  für  das  wohlwollende  und  wohltuende  Schreiben  unseres 
erhabenen  Monarchen,  welches  ihn  tief  bewegt  habe.  Kaiser  Wilhelm 
sei  so  gütig  gewesen,  dem  Briefe  Tabellen  beizufügen,  durch  welche 
einigen  in  dem  Artikel  des  „Invaliden"  aufgestellten  Behauptungen, 
Festungen  und  Bahnen  betreffend,  widersprochen  wurde;  man  habe 
hier  auf  Angaben  des  —  der  Name  war  Seiner  Majestät  entfallen  — 
Handbuchs  gefußt;  doch  dies  sei  ja  unwesentlich;  auf  ein  paar  hundert 
Kilometer  Eisenbahn  komme  es  nicht  an;  wir  könnten  ja  doch  300000 
Mann  in  24  Stunden  ^  an  die  Grenze  ^  schaffen,  während  Rußland  auf 
die  Truppen  beschränkt  bleibe,  welche  es  im  westlichen  Gebiete  habe. 
Wegen  jedes  Bataillons,  welches  von  Rußland  bewegt  werde,  erhebe 
sich  in  Österreich  und  Deutschland  ein  allgemeines  Geschrei"';  die 
Verlegung  der  13.  Kavalleriedivision  in  Quartiere,  welche  sie  vor  dem 
türkischen  Kriege  innehatte,  habe  eine  große,  jetzt  glücklicherweise 
beseitigte  Aufregung  hervorgerufen;  die  Wiener  Regierung  sei  von 
Berlin  aus  ermahnt i  worden,  auf  ihrer  Hut  zu  sein*  und  sich  auf  den 
Krieg  vorzubereiten!.  Er,  der  Kaiser,  denke  nicht  daran,  Österreich 
anzugreifen,  geschweige  denn  Deutschland,  mit  welchem  er  gar  keine 
kollidierenden  Interessen  habe;  ihm  sei  es  nur  darum  zu  tun,  sich  zu 
sichern,  wie  dies  das  Recht  jeder  Regierung  sei;  infolge  des  Lärmens, 
welchen  die  ausländischen  Blätter  über  die  Bewegung  der  13.  Kavallerie- 
division erhoben,  habe  er  gestattet,  daß  der  „Invalide"  die  Haltung 
des  russischen  Kriegsministeriums  darlege  und  die  Maßregeln  angebe, 
welche  dasselbe  für  die  Sicherheit  Rußlands  noch  fernerhin  für  geboten 
erachte. 

Mit  Österreich,  so  fuhr  Seine  Majestät  fort,  habe  er  in  einem 
Vertragsverhältnis  gestanden,  durch  welches  er  berechtigt  war,  auf 
dem  einzigen  Felde,  auf  dem  er  ein  Interesse  habe,  nämlich  auf  der 
Balkanhalbinsel,  gute  Dienste  zu  erwarten;  statt  dessen  habe  Öster- 
reich nur  des  cochonneries  gemacht  und  Insulten  hinzugefügt;  Graf 
Kalnokv  habe  in  seinen  Delegationsreden*  Rußland  beleidigt;  auf  Öster- 

*  Vgl.  Nr.  1150,  Fußnote  * 
46 


reich  sei  gar  kein  Verlaß,  das  Beste  sei,  gar  nicht  mit  ihm  zu  sprechen ; 
der  Kaiser  Franz  Joseph  wolle  keinen  Krieg,  aber  Rußland  müsse  sich 
doch  gegen  einen  österreichischen  Angriff  sichern^;  von  uns,  das  wisse 
er,  sei  ein  solcher  nicht  zu  erwarten,  obwohl  er  von  Euerer  Durchlaucht 
selbst  gehört  hätte*,  daß  Feldmarschall  Graf  Moltke  und  andere  Militärs 
einen  Angriffskrieg  jetzt ^  für  geboten^  erachteten.  Euere  Durchlaucht 
widersetzten  sich  solchen  Ideen,  welche  von  unserem  Kaiser  und  Herrn 
nicht  gebilligt  würden. 

Als  Seine  Majestät  eine  Pause  machte,  sagte  ich,  daß  allerdings 
bei  uns  viele  und  gewichtige  Stimmen  sich  für  einen  Krieg  unter  den 
gegenwärtigen  für  uns  günstigen  Verhältnissen  aussprächen  8;  Seine 
Majestät  möge  sich  nur  einmal  klarmachen,  in  welcher  Gemüts- 
verfassung sich  hunderttausende  deutscher  Familien  befänden,  seitdem 
die  russische  Presse  den  Rachedurst  und  den  Mut  der  Franzosen  9  neu 
belebt  habe;  jeden  Augenblick  müßten  unzählige  Familienväter  gewärtig 
sein,  zur  Fahne  berufen  zu  werden,  um  vielleicht  schon  am  nächsten 
Tage  gegen  die  Franzosen  zu  kämpfen;  diese  hätten  sich  schon  etwas 
beruhigt  gehabt,  als  sie  von  Rußland  aus  zu  verdoppelter  Kriegslust 
erregt  wurden.  Das  Echo,  welches  die  russischen  Stimmen  in  Frank- 
reich erweckten,  habe  bei  uns  eine  Gereiztheit  gegen  Rußland  hervor- 
gerufen, welche  mit  den  traditionellen  Gesinnungen  unseres  Volkes  im 
Widerspruch  stände;  er,  der  Kaiser,  werde  vielleicht  auf  den  Gesichtern 
des  Berliner  Publikums  gelesen  haben,  daß  man  sich  trotz  allem  dem 
freute,  ihn  dort  zu  sehen;  gegen  Rußland  selbst  habe  man  nichts,  aber 
man  sei  entrüstet  darüber,  daß  es  die  Franzosen  auf  uns  hetze. 

Österreich,  so  sagte  ich  weiterhin,  werde  Rußland  nicht  angreifen, 
weil  es  wisse,  daß  es  allein  bleiben  werde,  wenn  es  allein  marschiere; 
selbst  die  Ungarn  wollten  keinen  Krieg,  ja  sogar  die  Polen  nicht.  Graf 
Kälnoky  habe  einen  schweren  Stand,  er  müsse  mit  den  parlamentari- 
schen Faktoren  rechnen;  kein  anderer  an  seiner  Stelle  werde  es  so 
gut  machen  wie  er;  dies  gab  der  Kaiser  zu;  Seine  Majestät  war 
übrigens  vortrefflich  über  dasjenige  unterrichtet,  was  wir  im  November 
und  Dezember  v.  Js.  in  Wien  getan  haben  ^O;  gleichzeitig  aber  ließ  er 
sich  durch  keine  Gegenbeweise  in  der  Überzeugung  erschüttern,  daß 
Euere  Durchlaucht  in  Wien  nur  zu  befehlen,  nur  die  Faust  —  und 
dabei  erhob  Seine  Majestät  die  geballte  Hand  —  zu  zeigen  i^  brauchen. 

Auf  die  Truppenstärke  in  den  Grenzgebieten  zurückkommend,  sagte 
der  Zar,  es  sei  richtig,  daß  innerhalb  der  von  unserem  Generalstab  ge- 
zogenen Linien  die  russischen  Streitkräfte  den  unsrigen  bedeutend  über- 
legen seien,  aber  in  wenigen  Tagen  könnten  wir  doppelt  so  stark  sein, 
während  Rußland  auf  diejenigen  Truppen,  welche  schon  an  Ort  und 
Stelle  wären,  beschränkt  bliebe.   Ich  sagte,  es  sei  nicht  le  nombre  des 


*  Gelegentlich  des  Besuchs   Kaiser  Alexanders  in   Berlin  am  18.  November  1887. 
Vgl.   Bd.  V.  Kap.  XXXVl,   Nr.  1129. 


47 


troupes  russes;  c'est  leur  proximite  de  la  frontiere,  welche  auf  die 
Bewohner  der  limitrophen  Bezirke  beunruhigend  wirkten;  in  wenigen 
Stunden  könne  die  russische  Kavallerie  in  unserem  Lande  sein.  „Ja," 
sagte  der  Kaiser,  „wir  müssen  suchen,  Ihre  Mobilisierung  zu  hemmen." 

Ich  warf  ein,  es  sei  doch  eigentlich  ganz  unglaublich,  daß  man 
so,  wie  es  eben  jetzt  zwischen  Seiner  Majestät  und  mir  geschehe,  über 
die  Eventualität  eines  Krieges  sprechen  könne,  für  welchen  kein  Mensch 
einen  vernünftigen  Grund  zu  erfinden  wisse;  ein  Krieg  sei  aber  doch 
ein  großes  Unglück,  freilich  nicht  das  größte;  die  Revolution  sei  viel 
schhmmer;  okkulte  Kräfte  trieben  zum  Kriege,  um  der  Revolution 
zum  Siege  zu  verhelfen ;  ein  Niederwerfen  Österreichs  würde  eine 
Menge  slawischer  und  anderer,  jedenfalls  anarchistischer  kleiner  Re- 
publiken an  Rußlands  Grenze  erstehen  lassen  und  dergleichen  mehr. 
Seine  Majestät  antwortete.  Euere  Durchlaucht  hätten  das  auch  gesagt 
und  die  Erhaltung  des  Kaiserstaats  12  als  im  monarchischen  Interesse 
für  notwendig  erklärt;  das  sei  wohl  möglich,  aber  dann  solle  diese 
Monarchie  nicht  überall  Schwierigkeiten  in  Rußlands  Weg  legen  ^  und 
so  fort. 

Recht  interessant  war  mir,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser,  als  er 
über  seine  Beziehungen  zu  Frankreich  sprach,  offen  aussprach,  seine 
Regierung  habe  sich  der  französischen  zu  nähern  gesucht*;  da  habe 
Herr  Flourens  und  besonders  Präsident  Grevy  gesagt,  sie  könnten 
dazu  nicht  raten,  denn  niemand  sei  imstande  vorherzusagen,  mit  wem 
Rußland  sich  engagiere;  Herr  Grevy  habe  während  seiner  Präsident- 
schaft über  300  Minister  gehabt. 

„Es  ist  gewiß,"  fuhr  Seine  Majestät  fort,  „daß  wir  eine  weitere 
Schwächung  Frankreichs  nicht  zulassen  können  8;  Fürst  Bismarck  hat 
mir  auch  gesagt,  daß  er  eine  solche  nicht  beabsichtige;  solange  er 
Minister  sei,  solle  Frankreich  nicht  angegriffen  werden,  ich  weiß  nicht, 
ob   dies  eine   Phrase  ist  oder  wirklicher  Ernst  ^." 

Ich  erwiderte,  es  sei  nichts  weniger  als  eine  Phrase,  denn  für  uns 
selbst  sei  das  Bestehen  Frankreichs  notwendig  aus  diesen  und  jenen 
bekannten  Gründen,  deren  Aufzählung,  ich  wohl  unterlassen  darf.  Ich 
versuchte  bei  dieser  Gelegenheit  Seiner  Majestät  anschauHch  zu 
machen,  daß  Europa  ein  kompliziertes  Gebilde  sei,  und  daß,  wenn 
einer  seiner  Hauptbestandteile,  wie  vornehmlich  Österreich,  in  Trümmer 
gehe,  wir  keinen  ruhigen  AugenbHck  mehr  während  unseres  ganzen 
Lebens  haben  würden. 

In  dieser  Weise  verlängerte  sich  das  Gespräch;  „nun,"  sagte  der 
Zar,  „jetzt  hat  man  sich  glücklicherweise  beruhigt,  und  für  dieses  Jahr 
werden  wir  also  Frieden  behalten." 

Ich  sagte,  daß  ich  nicht  einsehe,  warum  wir  bloß  für  dieses  Jahr 
und    nicht    überhaupt    Frieden    behalten    sollten.    An    diese   Möglich- 


*  Vgl.  Kap.  XXXIX:  Russisch-Französische  Allianzfühler  1886—1890,  Nr.  1220. 
48 


keit  schien  Seine  Majestät  nicht  recht  zu  glauben,  so  sehr  es  auch  seinen 
Wünschen  entsprechen  möchte;  ich  empfing,  und  dieses  Mal  noch 
stärker  als  in  dem  Gespräche  beim  St,  Georgsfeste  1886*,  den  Ein- 
druck, daß  der  Kaiser  Alexander  sich  in  die  Unvermeidlichkeit  eines 
Krieges  mit  Österreich  hineingefunden  hat;  er  wiederholte  oft,  daß 
er  mit  Deutschland  nie  in  Zwiespalt  geraten  werde;  Deutschenhaß  be- 
stehe gar  nicht 5  im  russischen  Volke;  ich  wandte  ein,  er  werde  jetzt 
systematisch  erregt  durch  die  Zeitungen,  durch  wohlfeile  Blätter  wie 
der  „Swet"  usw. 

Über  allem  diesem  war  eine  lange  Zeit  vergangen,  und  die  Stunde 
des  Soupers  näherte  sich;  ich  fragte:  „Eure  Majestät  sind  also  in 
Ihrem  Briefe  nicht  auf  die  Dislokationsfragen  eingegangen?"  Der 
Kaiser  sagte,  er  habe  dies  nicht  getan,  es  könne  ja  auch  zu  nichts 
führen;  er  sei  aber  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  Wilhelm  innig  dankbar 
dafür,  daß  er  ihm  so  offen  darüber  geschrieben  habe.  Ich  fragte: 
„und  über  die  Zukunft  dieser  Angelegenheiten  haben  Euere  Majestät 
auch  nichts  gesagt?"  „In  welcher  Beziehung?"  entgegnete  der  Zar. 
Ich  sagte:  „ob  noch  mehr  Veränderungen  stattfinden  sollen?" 

Seine  Majestät  sprach  nun  ziemlich  ausführlich,  wenn  auch  nicht 
ganz  klar  über  den  Plan,  welchen  sein  Kriegsministerium  zur  Siche- 
rung des  Landes  verfolge,  und  zu  dessen  Ausführung  noch  zwei  Divi- 
sionen aus  dem  Kaukasus  die  eine  nach  Kiew  die  andere  nach 
Warschau  gehen  sollten,  um  die  Armeekorps  in  die  regelrechte  Ord- 
nung und  Stärke  zu  bringen,  woran  noch  vieles  fehle;  manche  hätten 
drei,  einige  vier,  andere  zwei  Divisionen;  aus  finanziellen  Rücksichten 
habe  sich  diese  notwendige  Maßregel  bisher  immer  noch  verzögert. 
Ich  fragte  noch  weiter,  ob  die  beabsichtigte  Verschiebung  der  er- 
wähnten zwei  Divisionen  nach  Beendigung  der  Herbstmanöver  zu  ge- 
wärtigen sei?  Seine  Majestät  antwortete:  „Vielleicht  im  Herbst,  viel- 
leicht auch  noch  gar  nicht  in  diesem  Jahre;  solche  Ortsveränderungen 
kosten  viel  Geld,  und  nun  gar,  wenn  es  sich  um  Truppen  handelt,  die 
im  Kaukasus  stehen." 

Zwischenein  ließ  Seine  Majestät  wiederholt  Bemerkungen  fallen, 
daß  es  jeder  Macht  freistehen  i^  müsse,  ihre  Truppen  dahin  zu  stellen, 
wo  sie  es  für  zweckmäßig  halte;  im  ganzen  aber  wollte  es  mir  so 
scheinen,  als  wenn  in  nächster  Zukunft  nichts  geschehen  würde,  vor- 
ausgesetzt, daß  kein  Anstoß  von  außen  kommt. 

Als  die  Unterredung  sich  ihrem  Ende  näherte,  wiederholte  Seine 
Majestät  nochmals  seinen  wärmsten  Dank  für  das  kaiserliche  Schrei- 
ben, welches  ihn  wirklich  auf  das  tiefste  gerührt  habe,  ebenso  wie 
die  herzliche  Aufnahme,  welche  die  Kaiserin  und  er  in  Berlin  fanden. 
Auch  über  seine  Unterredung  mit  Euerer  Durchlaucht  sprach  der 
Kaiser   mit  sichtlich    angenehmer   Erinnerung   an    diesen   historischen 


*  Vgl.  Bd.  V,  Kap.  XXXI,  Nr.  997. 

4    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  4Q 


Moment;  „anfangs,"  so  sagte  Seine  Majestät,  „grollte  der  Fürst  etwas, 
aber  nachher  wurde  er  freundlicher,"  pp. 

Der  Botschafter*  sagte  mir  auf  dem  Hof  ball:  „Wir  werden  noch 
mit  den  Herren  vom  Kriegsministerium  verhandeln,  um  auf  die  mili- 
tärischen Fragen  eine  wünschenswerte  Auskunft  in  Berlin  geben  zu 
können," 

Der  allerhöchste  Briefwechsel  ist  hier  Geheimnis  geblieben;  im 
Ministerium  des  Äußern  sind  nur  die  Herren  Vlangaly  und  Qraf 
Lamsdorff  in  Kenntnis  gesetzt  worden;  Herrn  von  Giers  schien  viel 
daran  zu  liegen,  daß  die  fremde  Diplomatie  nichts  davon  erfahre, 

V.  Schweinitz 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  ? 

2  wo? 

3  in  Folge  der  drohenden  Sprache  der  russischen  Presse. 

*  ja 

5  ! 

6  ich  habe  S[eine]r  M[ajestät]  das  als  Antidot  gegen  russische  Ueberschätzung  ge- 
sagt u[ndj  gegen  die  Annahme  als  fürchteten  wir  Rußland. 

^  („geboten"  eingeklammert,  dafür:]  „nützlich" 

8  gut 

9  gegenseitig 
*"  was  denn? 

1^  um  Oest[er]reich  zur  Annäherung  an  Russland  zu  treiben? 
^2  auch  des  russischen  richtig 
*3  also  auch  Oest[er]reich 

Nr.  1177 
Kaiser  Alexander  IH.  von  Rußland  an  Kaiser  Wilhelm  I. 

Eigenhändiges  Handschreiben 

St.  Petersbourg,  ce  13/25  Janvier  1888 
Mon  eher  Grand  Oncle, 

C'est  du  fond  de  mon  cceur  que  je  Vous  remercie  de  Votre 
bonne  et  affectueuse  lettre  du  5  Janvier  ct.**,  ainsi  que  des  souhaits 
que  Vous  avez  bien  voulu  m'exprimer  pour  l'annee  qui  commence.  — 

Parmi  ceux  que  je  forme,  celui  de  conserver  Votre  amitie  et  de 
voir  les  liens  qui  nous  unissent  servir  ä  l'affermissement  des  bienfaits 
de  la  paix  et  de  l'ordre  social  en  Europe,  sont  certainement  des  plus 
ardents.  —  Je  Vous  suis  tres  reconnaissant  de  la  communication  des 
donnees  officielles  sur  la  distribution  de  Vos  troupes,  dont  j'ai  fait 
prendre  connaissance  ä  mon  Ministere  de  la  Guerre,  mais  je  n'ai  pas 

*  Graf  Paul  Schuwalow. 
**  Siehe  Nr.  1174. 

50 


besoin  de  Vous  dire  que  rien  ne  saurait  ebranler  la  foi  absolue  que 
j'ai  toujours  eue  dans  Vos  intentions  loyales  et  pacifiques.  —  Vous 
me  rendez  justice  en  pensant  que  je  partage  Vos  convictions  quant 
ä  Pimmense  responsabilite  qui  nous  incomberait  si  nous  ne  cherchions, 
par  tous  nos  efforts  ä  proteger  les  peuples  dont  Dieu  nous  a  confie 
les  destinees  contre  les  fleaux  d'une  guerre.  —  Ai-je  besoin  d'ajouter 
que  l'eventualite  d'une  guerre  sans  motif,  comme  le  serait  celle  entre 
TAllemagne  et  la  Russie,  me  semble  tout-ä-fait  impossible  ä  admettre.  — 
Ma  femme  a  ete  vivement  touchee  des  sentiments  que  Vous  lui 
temoignez  et  nous  sommes  tres  heureux  de  voir  que  le  souvenir  si 
profond  et  si  agreable  que  nous  gardons  de  notre  visite  ä  Berlin 
trouve  un  echo  aupres  de  Vous.  —  Veuillez  presenter  mes  hommages 
tres  respectueux  ä  l'Imperatrice  Reine  et  croyez  toujours,  mon  eher 
Grand  Oncle,  aux  sentiments  de  sincere  veneration  et  de  l'attache- 
ment  le  plus  inalterable  de  Votre  bien  affectueusement  devoue 

frere  et  petit  neveu 

Alexandre. 


51 


Kapitel  XXXVIll 

Österreichisch -Deutsche  Besprechungen 

über  den  casus  foederis 

1887—1888 


Nr.  1178 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bis- 
marck  an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 

Nr.  691  Berlin,  den  11.  Dezember  1887 

Geheim  [abgegangen  am  12.  Dezember] 

pp.  Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  unter  der  Voraussetzung  strik- 
tester Geheimhaltung  genehmigt,  daß  dem  österreichischen  Vorschlag* 
entsprechend  in  vorläufige  Besprechungen  über  die  militärischen  Folgen 
des  eventuellen  casus  foederis  eingetreten  werde.  Ich  werde  den 
Feldmarschall  Grafen  Moltke  also  benachrichtigen,  daß  Oberstleutnant 
von  Steininger  sich  zu  diesem  Behufe  demnächst  bei  ihm  melden  wird. 

Ew.  persönlichem  Ermessen  stelle  ich  anheim,  an  geeigneter  Stelle 
anzuregen,  daß  Seine  KaiserHche  Hoheit  der  österreichische  Armee- 
befehlshaber seine  Instruktionen  dem  Freiherrn  von  Steininger  direkt 
erteilt.  Ich  wäre  dankbar  für  eine  Mitteilung,  sobald  die  durch  Steininger 
hier  zur  Sprache  zu  bringenden  Punkte  dort  festgestellt  sein  werden. 

H.  Bismarck 


Nr.  1179 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Chef  des  Generalstabes  Generalfeldmarschall  Grafen  von  Moltke 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 

Berlin,   den   16.  Dezember   1887 

Mit    Bezugnahme    auf    die    mündliche    Besprechung,    welche    Ew. 

mir  heute  zu  gewähren  die  Gewogenheit  hatten,  beehre  ich  mich,  Hoch- 

denselben  s.  pet.  rem.  den  beigefügten  Bericht  des  Prinzen  Reuß  vom 

8.  d.  Mts.**  zu  überreichen.    Es   geht  daraus  hervor,   daß   der  Kaiser 


*  Laut  Berichts  des  Botschafters  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII,  Reuß  (siehe 
Nr,  1162)  hatte  Graf  Kälnoky  angeregt,  daß  Deutschland  und  Österreich  sich  im 
Hinblick  auf  die  von  Rußland  drohende  Kriegsgefahr  „über  die  militärischen  Maß- 
nahmen für  den  Fall  des  Eintretens  des  casus  foederis"  rechtzeitig  besprechen 
möchten. 
**  Siehe  Nr.  1162. 

55 


Franz  Joseph  einen  fachmännischen  Meinungsaustausch  über  die  bei 
eventuellem  Eintreten  des  deutsch-österreichischen  casus  foederis  er- 
forderlichen militärischen  Maßnahmen  und  Vorbereitungen  schon  jetzt 
herbeizuführen  wünscht. 

Auf  Grund  der  zustimmenden  Marginalien  des  Reichskanzlers  hatte 
ich  Seiner  Majestät,  unserm  allergnädigsten  Herrn,  über  diese  Frage 
Vortrag  erstattet.  AUerhöchstderselbe  hatte  anfangs  gewisse  Beden- 
ken gegenüber  der'  österreichischen  Anregung,  welche  die  Kriegs- 
eventualität als  nahe  bevorstehend  voraussetzt.  Schließlich  haben  Seine 
Majestät  aber  erklärt,  Ew.  ermächtigen  zu  wollen,  von  dem  öster- 
reichischen Militärattache  Freiherrn  von  Steininger  die  von  letzterem 
zu  übermittelnden  Vorschläge  und  Anfragen  der  österreichischen  Hee- 
resleitung entgegenzunehmen. 

Seine  Majestät  wollten  vorher  noch   Ew.   Vortrag  hören. 

Wie  ich  Ew.  Exzellenz  heute  mündlich  darzulegen  mir  erlaubte, 
erscheint  es  dem  Herrn  Reichskanzler  nicht  tunlich,  unsre  kombinierte 
Aktion  schon  jetzt  in  einer  bestimmten  Richtung  und  in  bestimmter 
Stärke  festzulegen.  Er  hat  aber  die  österreichische  Anregung  nicht  von 
der  Hand  weisen  wollen,  weil  das  in  Wien  hätte  verstimmen  können. 

H.  Bismarck 


Nr.  1180 

Der  Chef  des  Militärkabinetts  General  von  Albedyll  an  den  Staats- 
sekretär des  Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.    Eigenhändig 

Berlin,  den  18.  Dezember  1887 
Euer  Hochgeboren 

ermächtigt*  mich  Seine  Majestät  der  Kaiser  und  König  zu  benachrich- 
tigen, daß  allerhöchstdieselben  nach  Rücksprache  mit  dem  General- 
feldmarschall Grafen  Moltke  und  dem  Kriegsminister  den  ersteren  er- 
sucht haben,  den  K.  K.  österreichischen  Obersten  Baron  von  Stei- 
ninger zu  empfangen  und  dessen  Mitteilungen  resp.  Anfragen  ent- 
gegenzunehmen, wovon  Seine  Majestät  Euer  Hochgeboren  ersuchen, 
den  Baron  von  Steininger  in  Kenntnis  setzen  zu  wollen. 

Bezüglich  des  Standpunktes,  welchen  der  Generalfeldmarschall  bei 
dieser  Unterredung  betreffs  der  diesseitigen  Maßnahmen  einnehmen 
wird,  ist  festgestellt  worden,  daß  der  Feldmarschall  auf  die  für  uns 
gleichzeitig  wahrscheinlichen  anderweitigen  Engagements  hinweisen, 
jedoch  außerhalb  jedes  Zweifels  stellen  wird,  daß  unter  allen  Um- 
ständen und  in  jedem  Fall  mindestens  einige  Armeekorps  zur  Koope- 
ration mit  den  österreichischen  Truppen  im  Osten  bereitstehen  werden 

*  „beauftragt"? 
56 


Im  übrigen  wird  der  Feldmarschall  sich  noch  nicht  auf  nähere 
Besprechungen  einlassen,  und  wird  er  es  auch  vermeiden,  über  die  im 
Osten  aufzustellenden  Truppen  nähere  Zahlen  anzugeben. 

V,  Albedyll 

Nr.  1181 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt  Grafen 
zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Priedrichsruh 

Eigenhändig 

Priedrichsruh,  den  19.  Dezember  1887 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  das  anliegende  Schreiben*  an  General 
von  Albedyll  expedieren  zu  lassen  und  nach  Maßgabe  des  ebenfalls 
beigefügten  Konzeptes  zu  demselben  Seiner  Majestät  mündUch  vorzu- 
tragen und  mit  dem  Grafen  Moltke  und  Herrn  von  Albedyll  zu  spre- 
chen. Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  unter  Benutzung  des  Inhaltes  der 
bezüglichen  Erlasse  nach  Wien  resp.  an  Herrn  von  Deines  auf  die 
Affäre  Waldersee-Steininger**  hinzuweisen  und  dabei  zu  sagen,  daß, 
wenn  von  neuem  von  militärischer  Seite  die  Österreicher  irre  gemacht 
würden,  dies  durch  die  Bemühungen  des  Auswärtigen  Amtes  nicht 
wieder  gut  gemacht  und  notwendigerweise  bei  dem  an  sich  schon  arg- 
wöhnischen Kaiser  Franz  Joseph  Mißtrauen  erregt  werden  würde; 
der  Kaiser  würde  glauben,  daß  wir  ihn  in  den  Krieg  hineinhetzen  woll- 
ten, oder,  wenn  er  sich  genügend  vorbereitet  hielte,  denselben  beginnen 
und  von  uns,  auf  Grund  der  gemachten  militärischen  Zusagen,  ver- 
langen, daß  wir  ihm  beistehen.  Seine  Durchlaucht  müßte  sich  dagegen 
verwahren,  daß  die  politische  Geschäftsführung  gewissermaßen  auf  den 
Generalstab  überginge,  und  daß  die  Militärs  ä  tout  prix  in  Wien  auf 
den  Krieg  drängten. 

C.  Rantzau 

Nr.  1182 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Priedrichsruh,  an 
den  Chef  des  Militärkabinetts  General  von  Albedyll 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Priedrichsruh,  den  19.  Dezember  1887 
Geheim  [abgegangen  am  20.  Dezember] 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  hat  mir  Euer  pp.  gefäl- 
liges Schreiben  vom   18.  d.  Mts.  mitgeteilt. 


*  Siehe  Nr.  1182. 

**  Der  Generalquartiermeister  Graf  von  Waldersee,  der  spätere  Generalfeldmarschall, 
hatte  in  Gesprächen  mit  dem  österreichischen  Militärattache  Oberst  von  Steininger 
und  dem  Botschafter  Szechenyi  die  Frage  eines  russisch-österreichischen  Krieges 

57 


Ich  bin  auf  die  Tragweite,  welche  danach  die  allerhöchste  Ent- 
schließung bezüglich  der  Unterredung  des  Herrn  Oeneralfeldmarschalls 
mit  dem  Obersten  von  Steininger  haben  kann,  nicht  vorbereitet  ge- 
wesen. Ich  war  bisher  der  Ansicht,  daß  unser  Eingehn  auf  den  öster- 
reichischen Wunsch  eines  mihtärischen  Gedankenaustausches  für  uns 
zunächst  nur  eine  Rekognoszierung  der  österreichischen  Auffassungen 
und  Absichten  zum  Zweck  haben  werde.  Die  Tatsache,  daß  auf  Vor- 
trag der  höchsten  militärischen  Autoritäten  der  Standpunkt,  welchen 
der  Herr  Feldmarschall  bei  dieser  Unterredung  bezüglich  diesseitiger 
Maßnahmen  einnehmen  soll,  von  Seiner  Majestät  bereits  festgestellt 
ist,  gibt  der  Unterredung  eine  poUtische  Bedeutung  bezüglich  unsrer 
Stellung  nicht  nur  zu  Österreich,  sondern  auch  zu  Frankreich  und  Ruß- 
land. Soweit  es  sich  um  eine  Beruhigung  für  Österreich  darüber 
handeln  konnte,  daß  wir  unsern  Bündnisvertrag  getreulich  halten 
werden,  glaube  ich  nicht,  daß  ein  Bedürfnis  hierfür  vorliegt,  weil  unsere 
amtUchen  Mitteilungen  dem  Wiener  Kabinett  die  bündigsten  Versiche- 
rungen in  dieser  Beziehung  gegeben  haben,  und  ein  Zweifel  daran  in 
Österreich  nicht  besteht.  Wohl  aber  befürchte  ich,  daß  bei  der  in  Wien 
herrschenden  publizistischen  Indiskretion  die  Besprechungen,  wenn  sie 
mit  der  in  Ew.  pp.  Schreiben  angedeuteten  politischen  Tragweite  statt- 
fänden, neue  Beunruhigungen  und  Verschärfungen  der  Situation  nach 
der  Kriegsseite  hin  verursachen  könnten. 

Eine  amtliche  Benachrichtigung  und  Ermächtigung  des  Obersten 
von  Steininger  durch  das  Auswärtige  Amt  halte  ich  nicht  für  ratsam. 
Das  Auswärtige  Amt  und  ich  persönlich  würden  dadurch  die  Verant- 
wortlichkeit für  die  politischen  Konsequenzen  dieser  militärischen  Be- 
sprechung mindestens  Österreich  gegenüber  auf  sich  nehmen.  Ich  kann 
aber  eine  politische  Verantwortlichkeit  nur  für  solche  Verhandlungen 
übernehmen,  welche  zwischen  den  direkten  Organen  des  diplomatischen 
Dienstes  beider  Höfe  stattfinden  und  muß  in  der  Lage  bleiben,  dem 
österreichischen  Kabinett  gegenüber  aus  politischen  Gründen  eine  an- 
dere Meinung  haben  zu  können  als  diejenige,  welche  aus  militärischem 
Gesichtspunkte  für  die  maßgebende  gehalten  wird. 

Die  gegenwärtige  pohtische  Situation  ist  eine  außerordentlich 
schwierige  und  empfindliche,  und  ich  würde  die  Verantwortlichkeit  für 
ihre  weitere  Entwicklung  nicht  übernehmen  können,  wenn  militärische 
Verhandlungen  stattfänden,  mit  deren  Inhalt  und  Tragweite  ich  mich 
vom  poHtischen  Standpunkte  nicht  einverstanden  erklären  könnte.  Dies 
würde  aber  der  Fall  sein,  wenn  die  Besprechungen  zwischen  dem  Herrn 
Generalfeldmarschall  und  dem  Obersten  von  Steininger  sich  in  der 
von  Euerer  pp.  bezeichneten  Richtung  bewegen  sollten.  Daß  wir  „unter 
allen   Umständen   und  in  jedem   Falle",   also  auch  für  den  Fall,   daß 

erörtert.  Dies  veranlaßte  den  Fürsten  Bismarck,  sich  in  einem  Schreiben  an  den 
Grafen  Waldersee  vom  7.  Dezember  1887  lebhaft  gegen  „solche  Eingriffe  von  mili- 
tärischer Seite  zu  verwahren". 

58 


zwischen  Österreich  und  Rußland  ein  Krieg  entstände,  welcher  außer- 
halb des  casus  foederis  liegt,  einige  Armeekorps  an  unserer  Ostgrenze 
bereithalten,  kann  und  wird  wahrscheinlich  auch  poHtisch  ange- 
zeigt sein;  daß  wir  aber  diese  Armeekorps  dem  österreichischen  Ka- 
binett von  Hause  aus  und  ohne  casus  foederis  als  zur  Kooperation 
mit  den  österreichischen  Truppen  bestimmt  bezeichnen,  dazu  kann  ich 
nach  Maßgabe  unserer  geheimen  Verträge  nicht  mitwirken.  Ich  weiß 
nicht,  ob  die  letzteren  dem  Herrn  Generalfeldmarschall  in  ihrer  voll- 
ständigen Ausdehnung  bekannt  sind,  und  halte  ich  schon  deshalb 
die  in  Aussicht  genommene  Basis  für  die  Besprechungen  der  beiden 
Herren  nicht  für  opportun,  weil  man  österreichischerseits  aus  der- 
selben Konsequenzen  und  moralische  Verpflichtungen  ableiten  würde, 
welche  wir  nicht  erfüllen  können. 

Die  Besprechungen  sind  von  Österreich  gewünscht  worden  und 
lassen  sich  nicht  ablehnen;  aber  ich  glaube,  daß  wir  uns  zunächst 
ledigHch  rezeptiv  dabei  zu  verhalten  und  vor  jeder  diesseitigen  Er- 
klärung abzuwarten  haben,  in  welcher  Richtung  Oberst  von  Steininger 
sich  namens  des  österreichischen  Generalstabes  aussprechen  wird.  Die 
Beantwortung  seiner  Eröffnung  wird  kaum  möglich  sein,  ohne  in  das 
poHtische  Gebiet  hinüberzugreifen,  und  deshalb  glaube  ich  beanspru- 
chen zu  können,  daß  sie  nicht  ohne  mein  Einverständnis  erfolgt.  Das 
Bestreben  Österreichs  oder-  doch  derjenigen  österreichischen  Staats- 
männer und  Militärs,  welche  die  Gelegenheit  wahrnehmen  wollen,  um 
die  deutsche  Armee  für  spezifisch  österreichische  Zwecke  einzu- 
setzen, auch  für  solche,  an  denen  Deutschland  kein  Interesse  hat, 
ist  auf  Erweiterung  und  Verschiebung  unseres  Bündnisses  ge- 
richtet. Dazu  die  Hand  zu  bieten,  ist  für  uns  nicht  möglich,  schon 
aus  Rücksicht  auf  geheime  Verträge,  welche  wir  mit  andern  europäi- 
schen Regierungen  haben.  Auch  abgesehn  hiervon  liegt  es  nicht  in 
unserem  politischen  Interesse,  das  österreichische  Kabinett  zum  Be- 
ginn oder  zur  Beschleunigung  des  Krieges  mit  Rußland  zu  ermutigen. 
Unsre  Politik  hat  die  Aufgabe,  den  Krieg,  wenn  möglich,  ganz  zu 
verhüten,  und  geht  das  nicht,  ihn  doch  zu  verschieben.  An  einer  andern 
würde  ich  nicht  mitwirken  können. 

V.  Bismarck 

Nr.  1183 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck  für  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Reinschrift 

BerHn,  den  20.  Dezember  1887 
Bei    Rückreichung   der   anhegenden    Instruktion    und   des    Briefes 
des  Generals  von  Albedyll  bemerke  ich  gehorsamst,  daß  ich  sowohl 
mit  dem  letzteren  wie  mit  dem  Grafen  Moltke  heute  eingehend  nach 

59 


Maßgabe  Eurer  Durchlaucht  Weisung  gesprochen  habe.  General  von 
Albedyll  kam  zu  mir,  um  mir  zu  sagen,  er  bedauere  lebhaft  seine  über- 
eilte Schreibweise,  und  er  würde  heut  selbst  nach  Friedrichsruh  schrei- 
ben, um  seine  zu  mißverständlichen  Auslegungen,  wie  er  zugeben  müsse, 
sehr  geeignete  Ausdrucksweise  richtig  zu  stellen:  er  erklärte,  daß  ent- 
weder die  Worte  „zur  Kooperation''  hätten  wegfallen  oder  daß  ihnen 
hätte  hinzugesetzt  werden  müssen  „in  casu  foederis";  so  wie  sein 
Brief  jetzt  lautete,  gebe  er  in  der  Tat  eine  falsche  Auffassung  von  der 
mit  Seiner  Majestät  gepflogenen  Besprechung.  Die  letztere  sei  haupt- 
sächlich deshalb  herbeigeführt  worden,  weil  der  Kaiser  besorgt  habe, 
Graf  Moltke  könne  die  Absicht  haben,  dem  Oberst  von  Steininger  zu 
viel  zu  sagen.  Dem  militärischen  Immediatvortrage  vom  Sonnabend 
habe  mithin  ganz  dieselbe  Idee  zugrunde  gelegen,  welche  in  Euerer 
Durchlaucht  Schreiben  von  gestern  zum  Ausdruck  gebracht  sei. 

General  von  Albedyll  fügte  hinzu,  daß  Graf  Moltke  bei  dem  Vor- 
trage ebenso  besonnen  wie  sachgemäß  gewesen  sei  und  durchaus  nicht 
kriegerisch.  Der  Kaiser  habe  in  diesen  Tagen  wiederholt  Befürch- 
tungen geäußert,  daß  die  Zweiteilung  unserer  Armee,  welche  Graf 
Moltke  für  den  Fall  kriegerischer  Verwickelung  nach  beiden  Seiten  in 
Aussicht  genommen  habe,  dieselbe  gegebenen  Falles  am  richtigen  Punkte 
schwächen  könnte.  Seine  Majestät  sei  nun  durch  die  Darlegungen  des 
Feldmarschalls  bedeutend  ruhiger  geworden. 

General  von  Albedyll  bat  mich.  Euerer  Durchlaucht  zu  schreiben, 
daß  ihm  nichts  ferner  läge,  als  kriegshetzende  Tendenzen  zu  begün- 
stigen: er  bedauere  außerordentlich,  durch  seine  unrichtige  Ausdrucks- 
weise Euerer  Durchlaucht  die  Mühe  eines  Briefes  auferlegt  zu  haben, 
und  bäte,  sich  überzeugt  zu  halten,  daß  ihm  nur  daran  läge,  Erregungen 
sowie  Verwirrungen  vorzubeugen,  und  daß  er  sich  stets  zur  Verfügung 
hielte,  wenn  wir  in  diesem  Sinne  irgendwie  an  ihn  appellieren  sollten. 

Ich  bemerkte  dem  General  nur,  daß  mir  die  Beunruhigung  wegen 
der  Stimmung  des  Grafen  Moltke  ohne  Grund  gewesen  zu  sein  schiene. 
Letzterer  habe  sich  mir  gegenüber  am  letzten  Freitag  des  langen  und 
breiten  in  einem  Sinne  ausgesprochen,  der  Euerer  Durchlaucht  Inten- 
tionen durchaus  entsprochen  hätte.  Ich  wüßte  deshalb  nicht,  weshalb 
unter  dem  von  Seiten  des  Hofes  lanzierten  Worte  „Kriegsrat"  Prinz 
Wilhelm  und  drei  Generäle  an  dem  Vortrage  des  Grafen  Moltke  teil- 
genommen hätten.  General  von  Albedyll  erwiderte  hierauf  nur,  er  be- 
dauere diese  alberne  und  Aufsehen  erregende  Bezeichnung,  er  hätte 
aber  nicht  gewußt,  daß  ich  am  Freitag  mit  Graf  Moltke  bereits  gespro- 
chen hätte,  und  die  anderen  Generäle  seien  dem  Vortrage  des  letzteren 
eben  nur  beigetreten,  um  seinen  vermeintlichen  kriegerischen  Ideen  ent- 
gegenwirken zu  können.  Ich  ließ  hier  nur  einfließen,  daß  ich  weder 
den  Beruf  noch  die  Zeit  hätte,  über  meine  Unterredungen  mit  dem 
Chef  des  Generalstabes  den  Chef  des  Militärkabinetts  immer  auf  dem 
laufenden  zu  erhalten,  und  daß  nach  meinen  Eindrücken  Graf  Moltke 

60 


der  ruhigste  und  besonnenste  aller  unserer  Generale  sei.  General  von 
Albedyll  nahm  für  sich  das  gleiche  Epitheton  in  Anspruch  und  wieder- 
holte, Euere  Durchlaucht  könnten  sich  darauf  verlassen,  daß  er  immer 
alles  täte,  um  Schwierigkeiten  von  unserer  auswärtigen  Politik  fernzu- 
halten. 

Graf  Moltke  empfing  mich  heut  nachmittag,  und  ich  las  ihm  so- 
wohl den  Brief  des  Generals  von  Albedyll  als  Euerer  Durchlaucht  Ant- 
wort darauf  mit  angemessenen  Erläuterungen  vor.  Bei  der  Lektüre  des 
ersteren  unterbrach  mich  Graf  Moltke  sofort  mit  den  Worten:  ,,,zur 
Kooperation*  ist  unrichtig  und  der  Ausdruck  ,auf  jeden  Fall'  ebenso. 
Ich  habe  Seiner  Majestät  nur  gesagt,  daß  wir  auch  ,wie  beim  franzö- 
sischen Kriege  immer  in  der  Lage  sein  würden,  vier  Armeekorps  an  un- 
serer Ostgrenze  stehen  zu  lassen*.''  Bei  meinen  weiteren  Mitteilungen 
machte  Graf  Moltke  wiederholt  Einschaltungen,  aus  denen  hervorging, 
daß  er  sich  in  voller  Übereinstimmung  mit  Euerer  Durchlaucht  Auffas- 
sung befindet.  Er  sagte,  Steininger  sei  gestern  bei  ihm  gewesen,  habe 
aber  nur  mitgeteilt,  er  werde  nächster  Tage  in  der  Lage  sein,  Eröff- 
nungen seines  Generalstabes  zu  übermitteln. 

,,Ich  bin",  fuhr  er  fort,  „mit  dem  Reichskanzler  vollkommen  darüber 
einverstanden,  daß  meine  Kritik  oder  Beantwortung  der  österreichischen 
Eröffnungen  in  das  politische  Gebiet  hinübergreift,  da  sich  eben  alles 
um  den  Eintritt  des  casus  foederis  dreht.  Wann  letzterer  vorliegt,  ist 
lediglich  Sache  des  Reichskanzlers  zu  entscheiden.  Ich  werde  daher 
Steininger,  wenn  er  mir  seine  Schriftstücke  überbringt,  sagen,  ich  müsse 
mir  die  Sache  überlegen  und  werde  meine  Antwort  darauf  zunächst 
dem  Reichskanzler  zur  Begutachtung  mitteilen.  Diese  Antwort  selbst 
werde  ich  an  den  Erzherzog  Albrecht  richten  und  bei  ihr  an  erster 
Stelle  hervorheben,  daß  unser  ganzer  Meinungsaustausch  sich  nur  auf 
den  casus  foederis  bezöge,  dessen  Beurteilung  nicht  in  meiner  Kom- 
petenz läge." 

Der  Feldmarschall  sprach  mir  noch  seine  Verwunderung  über  die 
Berichterstattung  von  Herrn  von  Deines*  aus;  er  bemerkte,  solche 
Fragen,  wie  Beck  danach  gestellt  haben  sollte,  lägen  doch  gar  nicht 
in  den  Gebräuchen  und  wären  jedenfalls  besser  unbeantwortet  geblie- 
ben. Deines  hätte  sich  entschieden  durch  militärische  Passion  zu  weit 
fortreißen  lassen,  pp. 

Zum  Schluß  bemerkte  Graf  Moltke,  der  Kaiser  sei  nach  seinem 
letzten  Vortrage  viel  couragierter  und  zuversichtlicher,  als  er  bisher 
in  den  letzten  Wochen  gewesen,  es  sei  Seiner  Majestät  dabei  nach- 
gewiesen worden,  daß  die  in  der  Ausführung  begriffene  Neuorganisation 
nicht  nur  über  400000  Oarnisontruppen,  sondern  auch  noch  reichhch 


*  Am  9.  Dezember  hatte  der  Militärattache  in  Wien  Major  von  Deines  eingehend 
über  eine  Besprechung  mit  dem  Chef  des  österreichischen  Generalstabes  Feld- 
marschalleutnant  von  Beck  berichtet,  wonach  dieser  sehr  wißbegierig  wegen  der 
eventuellen  deutschen  militärischen  Kooperation  gewesen  war. 

61 


200000  Feldtruppen  liefern  würde.  Letztere  würden  in  Divisionen  zu 
je  16  Bataillonen,  1  Kavallerie-  und  1  Artillerieregiment  gegen  den 
Feind  Verwendung  finden  können;  dies  sei  eine  ganz  formidable  Ver- 
stärkung, und  er  (Graf  Moltke)  habe  dem  Kaiser  versichert,  daß  wir  nun 
selbst  einem  zweiseitigen  Angriff  gewachsen  seien  und  ihn  nicht  zu 
fürchten  brauchten. 

Euerer  Durchlaucht  Brief  an  General  Albedyll  behalte  ich  im  Kon- 
zept zum  morgigen  Immediatvortrage  hier:  sehr  eingehend  werde  ich 
dasselbe  nun  nicht  zu  verwerten  brauchen,  da  die  genannten  Ausdrücke 
in  Herrn  von  Albedylls  Schreiben  von  ihm  selbst  als  irrtümlich  aner- 
kannt sind,  und  da  ich  den  bestimmten  Eindruck  habe,  daß  der  Feld- 
marschall vollständig  auf  Euerer  Durchlaucht  Standpunkt  steht. 

H.  Bismarck 


Nr.  1184 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt 
Grafen  zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Friedrichsruh 

Eigenhändig 

Friedrichsruh,  den  20.  Dezember  1887 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  in  Gemäßheit  des  nachstehenden 
Diktates  Seiner  Majestät  vorzutragen  und  mit  dem  Grafen  Moltke  zu 
sprechen: 

„Wenn  ich  mit  den  österreichischen  Besprechungen  einverstanden 
gewesen  bin,  so  galt  das  doch  nur  für  eine  Besprechung  desjenigen, 
was  beiderseits  getan  werden  kann,  wenn  der  casus  foederis  vorliegt. 
Von  dieser  Distinktion  ist  in  dem  Schreiben  des  Generals  von  Albedyll 
gar  nicht  die  Rede,  und  Österreich  wünscht  auch  nicht,  sie  zu  machen, 
sondern  will  den  casus  foederis  verschieben,  als  jederzeit  vorhanden. 
Um  den  casus  foederis  herzustellen,  ist  der  Angriff  Rußlands  auf 
Österreich  notwendig.  Solange  derselbe  nicht  stattfindet,  können  wir 
Österreich  keinen  Beistand  zusagen  und  auch  nicht  darüber  in  Ver- 
handlung treten,  ob  und  welche  Aufstellungen  wir  im  Kriegsfall  machen. 
Seine  Majestät  muß  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  daß  wir  damit 
unsern  neuesten  diesjährigen  geheimen  Vertrag  mit  Rußland  brechen 
würden. 

Das  bisherige  Ziel  der  kaiserlichen  Politik  ist  die  Erhaltung  des 
Friedens,  und  unser  System  geheimer  Verträge  setzt  eine  Prämie  auf 
friedliches  Verhalten  insofern  aus,  als  wir  Österreich  beistehen,  wenn 
Rußland  den  Frieden  bricht,  und  nach  dem  russischen  Vertrage  neutral 
bleiben,  wenn  Österreich  den  Frieden  bricht.  Wir  können  und  dürfen 
also  den  Österreichern  nichts  versprechen,  keine  Aufstellung,  keine  Mo- 

02 


bilmachung,  wenn  sie  die  Angreifenden  sind;  deshalb  war  es  nicht 
zulässig,  daß  Major  von  Deines  dem  Kaiser  Franz  Joseph  zu  aggressivem 
Vorgehen  zuredete.  Glücklicherweise  ist  Kaiser  Franz  Joseph  nicht 
darauf  eingegangen.  Wir  wären  in  die  größte  Verlegenheit  gekommen, 
wenn  es  der  Fall  gewesen  wäre,  da  der  Kaiser  von  Österreich  nicht 
leicht  daran  geglaubt  haben  würde,  daß  der  diesseitige  Militärattache 
ohne  Auftrag  zum  sofortigen  Kriege  zugeredet  habe. 

Wenn  nun  in  dieser  Lage  Graf  Moltke  ohne  meine  Mitwirkung 
die  Vollmacht  unseres  allergnädigsten  Herrn  erhält,  einem  österrei- 
chischen Militärvertreter  kaiserliche  Zusagen  zu  machen  über  even- 
tuelle diesseitige  Truppenaufstellungen,  auch  ohne  daß  Österreich  der 
Angegriffene  ist,  also  ohne  casus  foederis,  so  wird  damit  der  Herr 
Feldmarschall  ermächtigt,  im  Namen  des  Kaisers  Schritte  zugunsten 
Österreichs  in  Aussicht  zu  stellen,  durch  welche  die  österreichische 
Kriegslust  im  Widerspruch  mit  unserer  Politik  gefördert  wird,  und  durch 
welche  wir  eine  Haltung  zusagen,  die  mit  unserer  russischen  Vertrags- 
pflicht in  Widerspruch  steht  und  das  Deutsche  Reich  dem  russischen, 
also  auch  dem  gleichzeitigen  französischen  Kriege  entgegenführt.  Wenn 
solche  Vollmachten  ohne  mein  Zutun  und  gegen  meinen  Rat  erteilt  oder 
auch  nur  bei  Seiner  Majestät  beantragt  werden,  so  ist  meine  Verant- 
worthchkeit  für  die  mit  der  Leitung  der  auswärtigen  Politik  verbun- 
dene Stellung  als  Reichskanzler  nicht  mehr  haltbar." 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  bei  Seiner  Majestät  die  Erlaubnis  zur 
vertrauHchen  Mitteilung  des  geheimen  russischen  Vertrages  an  den 
Grafen  Moltke  einzuholen,  aber  nur  an  den  Herrn  Feldmarschall  per- 
sönlich, nicht  an  die  Herren  des  Generalstabes.  Seine  Durchlaucht  bittet, 
auch  nach  Maßgabe  der  vorstehenden  und  der  gestrigen  Direktive 
mit  dem  Herrn  Kriegsminister  zu  sprechen,  überall  aber  eine  Anklage 
gegen  Major  von  Deines  zu  vermeiden,  welchem  er  aus  Kameradschaft 
nicht  schaden  wolle. 

C.  Rantzau 


Nr.  1185 

Der  Österreich -ungarische  Minister  des  Äußern  Graf  Kälnoky  an 
den  Österreich -ungarischen  Botschafter  in  Berlin  Grafen  Sz6chenyi 

Abschrift,  von  dem  Botschafter  Grafen  Szechenyi  am  23.  Dezember  im  Auswärtigen 

Amt  übergeben 

Geheim  Wien,  den  22.  Dezember  1887 

Infolge  einer  von  hier  ausgegangenen  Anregung  machte  mir  Prinz 
Reuß  in  voriger  Woche  die  Mitteilung,  Seine  Majestät  der  Deutsche 
Kaiser  habe  genehmigt,  daß  unter  Voraussetzung  strengster  Geheim- 
haltung in  vorläufige  Besprechungen    über   die  militärischen   Folgen    des 

63 


eventuellen  casus  foederis  eingetreten  werde  —  und  daß  es  sich  dem- 
gemäß empfehlen  dürfte,  die  bezüglichen  Instruktionen  an  Oberstleutnant 
Freiherrn  von  Steininger  zu  erteilen. 

Wie  ich  aus  Euer  Exzellenz  Bericht  Nr.  114  vom  20.  Dezember 
ersehe,  hat  nun  auch  Graf  Bismarck  hiervon  die  amtliche  Mitteilung 
an  uns  gelangen  lassen.  Wir  sind  mit  der  darin  vorgeschlagenen  Mo- 
dalität einverstanden  und  teilen  die  Ansicht,  daß  die  vorläufige  Ver- 
mittlung durch  unseren  Militärbevollmächtigten  in  Berlin  der  jetzigen 
Situation  entspreche,  und  es,  wenn  die  Eventualitäten  dies  erheischen 
sollten,  einer  späteren  Epoche  vorbehalten  bleiben  dürfte,  durch  zwei 
höhere  mihtärische  Vertreter  der  beiden  Reiche  diese  wichtigen  miH- 
tärischen  Fragen  zum  Abschluß  zu  bringen.  Der  heutige  Kurier  über- 
bringt an  Oberstleutnant  von  Steininger  die  Instruktionen  von  Seiten 
der  obersten  Armeeleitung,  um  die  eingangs  erwähnten  Besprechungen 
mit  Feldmarschall  Grafen  Moltke  einzuleiten.  Bei  dem  großen  Werte, 
den  ich  darauf  lege,  auch  in  dieser  Angelegenheit  in  enger  Fühlung 
mit  Seiner  Durchlaucht  dem  deutschen  Reichskanzler  zu  bleiben,  schließe 
ich  beiliegend  Abschrift  jener  Punktationen*  bei,  welche  von  unserem 
Generalstabe  als  Grundlage  zu  den  bevorstehenden  vorläufigen  Erörte- 
rungen entworfen  wurden  und  heute  dem  Baron  Steininger  zugehen. 

Indem  Euer  Exzellenz  dem  Herrn  Staatssekretär  Grafen  Bismarck 
für  die  durch  Ihren  Bericht  vom  20.  Dezember  vermittelte  Mitteilung 
unseren  verbindlichsten  Dank  aussprechen  und  ihm  von  der  Beilage 
Kenntnis  geben  wollen,  wünschen  wir  zugleich  einen  weiteren  Punkt 
in  Anregung  zu  bringen,  dessen  Erörterung  um  so  wichtiger  ist,  je  näher 
die  Frage  eines  gemeinsamen  Kriegsfalls  gegen  Rußland  herantritt. 
Unsere  beiden  Armeeleitungen  sind  darin  vollkommen  einig,  daß  es 
vorteilhaft!  und  daher  notwendig  wäre,  den  Angriff  des  russischen 
Heeres  nicht  abzuwarten,  sondern  demselben  zuvorzukommen  und  den 
Krieg  je  eher  je  besser  auf  russischen  Boden  zu  verlegen  2.  Während 
die  durch  Baron  Steininger  einzuleitenden  vorläufigen  Besprechungen 
diemi  litärischen  Folgen  des  casus  foederis^  betreffen,  schiene 
es  mir  von  großer  Wichtigkeit,  daß  die  zwei  Kabinette  sich  über  die 
Frage  beizeiten  einigen,  unter  welchen  Umständen  der  casus  foederis 
tatsächhch  einzutreten  habe*.  Da  der  zwischen  Deutschland  und  uns 
bestehende  Vertrag  ein  reiner  Defensiwertrag  ist  und  daher  eine  Ver- 
pflichtung für  den  Fall  eines  Angriffes  durch  einen  der  beiden  Kontra- 
henten auf  Rußland  nicht  einschließt,  andererseits  aber,  wie  miHtärischer- 
seits^  entschieden  erklärt  wird^,  das  offensive  Vorgehen  für  den  Fall, 
als  der  Krieg  unvermeidlich  ist^,  schwerwiegende  Vorteile  bieten  würde, 
so  scheint  es  uns  dringend  notwendig,  schon  jetzt  volle  Klarheit  in  diese 
Frage  zu  bringen  8,  eventuell  hierüber  ein  solches  förmliches  Einver- 
ständnis herzustellen,   welches  auch  unseren  beiden  Armeeleitungen  ^ 

*  Siehe  die  Anlage. 
64 


eine  sichere  Grundlage  für  iiire  zu  treffenden  Dispositionen  zu  bieten 
vermöchte. 

Ich  ersuche  Euer  Exzellenz  daher  auch  diesen  Gegenstand  streng 
vertrauHch  beim  Herrn  Staatssekretär  anzuregen  und  mich  von  der 
Aufnahme,  welche  diese  Anregung  gefunden  hat,  in  Kenntnis  setzen  zu 
wollen.   —  (gez.)  Kälnoky 

Randbemerkungen  des   Fürsten   von   Bismarck: 

1  Ja,  aber  für  uns  politisch  nicht  thunlich 

^  wenn  Oest[er]reich,  gestützt  auf  Italien,  Pforte  u[nd]  England  das  nützlich  hält; 

wir  thun  dabei  nicht  mit. 
3  also   nicht   des    Angriffs! 

^darüber  ist  keine  Einigung  nöthig;  es  steht  im  Bündnißvertrage ! 
5  die  Militärs  machen  die  Diplomaten  nicht 
*  Sofismen! 
■^  das  ist  er  nicht 

8  sie  ist  klar,   u[nd]  nur  durch  diese  Verschiebungen  getrübt! 

9  das  würde  die  Politik  also  nicht  berühren! 

Anlage 

Punktationen    des   österreichischen    Generalstabes    für   den   österreichisch- 
ungarischen Militärattache  Oberstleutnant  Freiherrn  von  Steininger 

Abschrift 
Geheim 

Es  erscheint  geboten,  für  den  Fall,  als  der  casus  foederis  infolge 
eines  Angriffes  seitens  Rußlands,  oder  infolge  gemeinsamen  überein- 
stimmenden Vorgehens  der  verbündeten  Mächte  eintreten  sollte*,  zur 
Klarstellung  der  militärischen  Lage  die  nachfolgenden  Punkte  einer  vor- 
läufigen Besprechung  zu  unterziehen. 

1.  Festsetzung  über  einen  gemeinsamen  gleichzeitigen  Mobilma- 
chungstag i  für  die  gesamte  bewaffnete  Macht  beider  Reiche. 

Welche  Folgen  würde  ein  feindHcher  Einbruch  in  eines  der  beiden 
Staatsgebiete  für  das  andere  nach  sich  ziehen? 2 

Was  wäre  für  den  Fall  einer  konstatierten  weiteren  bedrohlichen 
Verstärkung  durch  Heranziehung  neuer  Truppenkörper  des  Gegners 
festzusetzen?  3 

2.  Österreich-Ungarn  würde  gegen  Rußland  seine  ganze  Macht  ein- 
setzen*, mit  einziger  Ausnahme  des  zur  Behauptung  des  Okkupations- 
gebietes unbedingt  erforderlichen  Kraftteiles. 

3.  Wie  viele  seiner  Feld-  und  Reservetruppen  würde  das  Deutsche 
Reich  gegen  Rußland  aufbieten^,  und  zu  welcher  Zeit  könnten  dieselben 
eingreifen? 

4.  Die  Kriegserklärung  würde,  falls  der  Gegner  dies  nicht  früher 
tut,  von  beiden  Mächten  am  gleichen  Tage  zu  übergeben  sein^. 


*  Anm.:   Die  Worte   von  „oder  infolge"   bis  „Mächte"  sind  von   Bismarck   ein- 
geklammert. 

5    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  65 


Die  Feindseligkelten  würden  gleichfalls  mit  einem  und  demselben 
Termine  beginnen ''. 

5,  Beide  Mächte  würden  den  Krieg  offensiv  führen  und  die  Ope- 
rationen gegen  die  feindliche  Hauptkraft  richten  8. 

Wir  setzen  voraus,  daß  im  Falle  eines  beschlossenen  Angriffs- 
krieges ^  zwischen  den  beiden  Kabinetten  die  entsprechenden  Abma- 
chungen getroffen  sein  werden. 

6,  Welcher  Vorgang  lo  erscheint  am  zweckmäßigsten,  um  sich  wäh- 
rend des  Kriegsfalles  gegenseitig  rasch  alle  erforderlichen  Mitteilungen 
zu  machen  und  dauernd  in  engster  Fühlung  zu  bleiben  ?ii 

7,  In  welchem  Maße  werden  von  Seite  Deutschlands  eventuell 
die  militärischen  Kräfte  Italiens  in  Anspruch  genommen?  12 

In  welchem  Maße  ist  es  beabsichtigt,  auf  Rumänien  einzuwirken, 
um  dasselbe  zu  aktiver  Mitwirkung  zu  veranlassen  ?i3 


Randbemerkungen  des  Fürsten  Bismarck: 
^   ?  Jeder  quam  citissime!  jetzt  läßt  sich  kein  Tag  im  Voraus  festsetzen,  u[nd] 

tritt  der  Fall  ein,  so  macht  jeder  so  schnell  er  kann  mobil 
-  die   Mobilmachung   u[nd]    Kriegserklärung! 
3  nichts,   wenn   wir  sofort  das   Ganze   mobilmachen   also   nichts  übrig  haben 

*  wir  auch,  mit  Ausnahme  der  „Deckung  gegen  Frankreich". 
^  in  casu  foederis  alles  u[nd]  davon  4  Corps  im  Osten. 

^  !  Unsinn;  wir  erklären  Rußland  den  Krieg  erst  nachdem  es  Oestler]reich  an- 
gegriffen haben  oder  ihm  den  Krieg  erklärt  haben  wird.  Dann  ist  also 
Oest[er]reich  schon   im   Kriege 

•  doch   sofort   mit   Eintritt  des   Krieges,   ohne   Termin 

8  wo  steht  die? 

9  fällt  uns  nicht  ein! 

11  der  Telegraph  wird  das  besorgen 

^2  das  hängt  von   Frankreichs  Verhalten  ab.    Wir  nehmen  ital[ienische]  Truppen 

für  uns  nicht  in  Anspruch;  aber  die  Ital[iener]  werden  sie  bei  sich  brauclien 
1^  sobald  Oestlerlreich  von  Rußland  angegriffen  wird,  tritt  für  Rumfänien]  wie  für 

uns  casus  f[oederis|,  also  volle  Mitwirkung  ein;  ohne  russ[ischen]  Angriff,  für 

agressives  öst[er]rleichisches]  Vorgehn,   wird  auf   Rumänien  so  wenig  wie  auf 

uns  zu  rechnen  sein. 


Nr.  1186 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh,  an 
den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept  von  der  Hand  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Nr.  745  Friedrichsruh,  den  27.  Dezember  1887 

Geheim  [abgegangen  am  29.  Dezember] 

Der   österreichisch-ungarische    Botschafter   hat    den    zu    Ew.   ver- 
traulicher Kenntnisnahme  abschriftlich  mit  meinen  Marginalien  hier  bei- 

66 


gefügten  Erlaß  des  Grafen  Kälnoky  vom  22<en  er.*  zu  meiner  Kenntnis 
gebracht. 

Die  im  österreichischen  Generalstabe  redigierte  Anlage  jenes  Er- 
lasses**, welche  im  Original  dem  Grafen  Moltke  vorliegt,  bin  ich  zu 
beurteilen  nicht  berufen  und  enthalte  mich  deshalb  einer  Besprechung 
derselben:  es  handelt  sich  darin  um  militärische  Fragen,  deren  Prüfung 
dem  Generalstabe  obliegen  wird. 

Soweit  die  Politik  dadurch  berührt  ist,  möchte  ich  für  Ew.  per- 
sönlich bemerken,  daß  Inhalt  und  Fassung  mir  einen  mehr  oberfläch- 
lichen als  sachlichen  Eindruck  macht.  Ich  gehe  auf  die  einzelnen  Fragen 
nicht  ein,  schon  weil  die  meisten  nach  Inhalt  und  Fassung  jede  Mög- 
lichkeit der  Beantwortung  ausschließen  und  beschränke  mich  darauf, 
zu  wiederholen,  daß  ich  alle  Verabredungen,  welche  ein  aggressives  Vor- 
gehen zur  Voraussetzung  oder  zum  Ziele  haben,  von  der  Hand  weisen 
muß. 

Ich  glaube,  daß  der  Chef  unseres  Generalstabes  auf  die  Mehrzahl 
der  von  seinem  österreichischen  Kollegen  ausgehenden  Fragen  durch 
Aufstellung  von  Gegenfragen  wird  antworten  müssen: 

Graf  Moltke  wird  zuerst  zu  wissen  nötig  haben,  welche  Kräfteent- 
faltung Österreich  in  Aussicht  nimmt  und  wie  seine  Heere  aufmar- 
schieren sollen,  bevor  er  sich  ein  Bild  von  den  Leistungen  macht,  durch 
welche  wir  beim  Eintritt  des  casus  foederis  zweckmäßig  eingreifen  wer- 
den. Die  Entschließungen  der  österreichischen  Militärleitung  werden 
aber  wieder  einigermaßen  durch  die  Art  und  die  Örtlichkeit  des  russi- 
schen Angriffs  bedingt  sein,  welcher  ihnen  vorhergehen  muß,  um  den 
casus  foederis  herzustellen. 

Ich  kann  mich  nach  Lektüre  der  Anlage  des  Eindrucks  nicht  er- 
wehren, daß  in  gewissen  militärischen  Kreisen  Wiens  die  Absicht  be- 
steht, unser  Defensivbündnis  zu  verschieben,  und  betone  deshalb 
wiederholt,  daß  es  für  keinerlei  offensive  Zwecke  geschlossen  wurde. 
Graf  Kälnoky  ist  mit  mir  darüber  vollkommen  einverstanden.  Wir 
müssen  nur  beiderseits  darauf  achten,  daß  die  Berechtigung,  unsere 
Monarchen  politisch  zu  beraten,  nicht  faktisch  unsern  Händen  ent- 
gleite und  auf  die  Generalstäbe  übergehe. 

Wir  dürfen  solche  Bestrebungen  nicht  über  die  von  mir  Ew. 
gegenüber  mündlich  bezeichnete  Linie  hinaus  ermutigen,  und  durch 
unsere  Empfehlungen  starker  Rüstung  auf  den  Fall  russischen  An- 
griffs nicht  die  Vermutung  erwecken,  daß  wir  einen  österreichischen 
Angriff  auf  Rußland  mitmachen  oder  unterstützen  würden. 

Unser  Eintreten  in  den  eventuellen  Krieg  wird  durch  den  russi- 
schen Angriff  auf  Österreich  prinzipiell  bedingt;  eine  gleich- 
zeitige Kriegserklärung  oder  Mobilmachung,  welche  in  dem  militäri- 
schen Fragebogen  Erwähnung  finden,  kann  daher  nicht  vorkommen,  weil 


*  Siehe  Nr.  1185. 

**  Siehe  Nr.  1185,  Anlage. 


67 


Österreich,  wenn  casus  foederis  für  uns  eintritt,  bereits  von  Rußland 
angegriffen  und  mit  ihm  im  Kriege  sein  wird. 

In  welcher  Weise  wir  dann  ein-  und  Rußland  angreifen,  das  wird 
wesentlich  davon  abhängen,  einmal,  wo  der  russische  Angriff  auf  Öster- 
reich erfolgt,  mit  welchen  Kräften  letzteres  ihm  entgegentritt,  wieviel 
Truppen  es  sofort  und  wieviel  in  jeder  demnächstigen  Woche  wird  auf- 
stellen können. 

Daß  für  uns  der  Krieg  gegen  Frankreich  dem  Ausbruch  des  rus- 
sisch-deutschen Krieges  unverzüglich  folgen  wird,  ist  nicht  zweifelhaft: 
Sollte  er  wider  Erwarten  nicht  von  selbst  eintreten,  so  würde  es  für 
uns  mehr  oder  weniger  geboten  sein,  ihn  ohne  Verzug  herbeizuführen. 
Wir  können  einen  Krieg  nach  Osten  so  lange  nicht  mit  voller  Kraft 
und  weit  über  unsere  Grenzen  hinaus  leisten,  als  wir  noch  die  volle 
französische  Macht  ungeschwächt  und  angriffsbereit  im  Rücken  haben. 
Wir  wissen  nicht,  wie  es  in  dem  Fall  dann  in  Frankreich  aussehn  wird, 
aber  wenn  unser  Friede  dort  nicht  gesicherter  ist,  wie  heute,  so  wird 
es  vielleicht  geboten  sein,  daß  wir  dem  Ausbruche  des  russisch-öster- 
reichischen Krieges  unsere  Kriegserklärung  gegen  Frankreich  folgen 
lassen,  um  dann  nach  Sicherstellung  unserer  Westgrenze  unsere  volle 
Macht  gegen  Rußland  zur  Verfügung  zu  haben. 

Ich  bitte  Ew.,  diese  letzten  Erwägungen  durchaus  zu  sekretieren 
und  das  im  Eingang  Gesagte  nur  als  zur  Regelung  Ihrer  vertraulichen 
mündlichen  Rückäußerung  auf  den  vom  Grafen  Szechenyi  mitgeteilten 
Erlaß  bestimmt  anzusehn.  Ew.  wollen  meinen  Dank  für  die  in  dem 
letzteren  enthaltenen  Mitteilungen  an  Graf  Kälnoky  aussprechen,  dabei 
aber  ausdrücklich  bemerken,  daß  es  nicht  meine  Sache  sei,  die  mili- 
tärischen Anfragen  zu  erwägen. 

Sie  können  dabei  einfließen  lassen,  daß  ich  einen  unerwarteten 
russischen  Angriff  allerdings  für  möglich  hielte  und  deshalb  wünsche, 
daß  Österreich  durch  einen  solchen  nicht  militärisch  überrascht  würde; 
je  stärker  sich  Österreich  macht,  desto  schwächer  wird  die  Versuchung 
für  Rußland,  den  Krieg  zu  beginnen.  Einstweilen  halte  ich  den  Krieg 
nicht  für  nahe  bevorstehend  und  werde  mein  Möglichstes  tun,  um  ihn 
zu  vermeiden.  Der  Kaiser  Franz  Joseph  teilt  meine  friedlichen  Wünsche. 
Damit  wir  aber  denselben  entsprechend  die  Aussichten  auf  die  Bewah- 
rung des  Friedens  verstärken  können,  ist  es  notwendig,  daß  Österreich 
unserem  Beispiel  folge  und  so  stark,  vielleicht  stärker  wie  jetzt,  gerüstet 
bleibe:  anderenfalls  gewährt  es  Rußland  eine  Verlockung  zum 
Angriff.  Die  Größe  der  Kalamität,  welche  für  die  Völker  Österreich- 
Ungarns  und  Deutschlands  mit  einem  französisch-russischen  Kriege, 
wie  immer  er  ausfallen  mag,  verbunden  sein  wird,  legt  uns  die  Pflicht 
auf,  den  Ausbruch  desselben,  wenn  wir  können,  zu  verhüten,  und  jeden- 
falls der  göttlichen  Vorsehung  nicht  dadurch  vorzugreifen,  daß  wir  ihn 


*  Vgl.  Nr.  1163,  S.  24,  nebst  Fußnote. 
68 


herbeiführen,  ehe  er  sich  uns  aufdrängt.  Die  Zeit  läuft  mehr  zu  unsem 
als  zugunsten  der  Gegner;  in  Frankreich  wie  in  Rußland  sind  die  Zu- 
stände gespannter  als  bei  uns  und  können  zu  inneren  Entwicklungen 
dieser  Länder  führen,  welche  uns  eines  Kampfes  von  so  riesigen  Di- 
mensionen überheben  würden.  Wir  dagegen  glauben  in  2  bis  3  Jahren 
stärker  zu  sein  wie  heut,  im  Innern  wie  nach  außen;  die  volle  Kraft 
des  deutschen  Volkes  werden  wir  aber  nur  für  einen  defensiven  Krieg, 
für  Abwehr  eines  Angriffs  in  Tätigkeit  bringen  können.  Den  Beweis, 
daß  wir  den  Krieg,  weil  er  später  doch  ausgebrochen  wäre,  jetzt  führen 
müßten,  und  daß  die  Umstände  dazu  heut  günstiger  wären  wie  später, 
wird  man  nicht  einmal  den  Parlamenten,  viel  weniger  dem  Volke  führen 
können,  und  niemand  kann  vorhersehn,  ob  der  Erfolg  der  Behauptung 
entsprechen  wird,  daß  der  Zeitpunkt  zum  Losschlagen  jetzt  der  gün- 
stige sei. 

Wenn  Feldmarschall-Leutnant  von  Beck  Ew.  Anfang  des  Monats 
sagte,  „er  bedürfe  6  Wochen,  um  eine  ersprießliche  Mobilmachung 
auch  nur  einleiten  zu  können",  so  hoffe  ich,  daß  Österreich  die 
vor  uns  Hegende  Zeit  benutzen  wird,  um  diese  bedenkliche  Lücke 
auszufüllen  und  stärker  zu  rüsten.  Die  Zeit  läuft  zugunsten  Öster- 
reichs. Jetzt  ist  es  mit  seinen  3  Gewehrarten  und  fehlenden  Montie- 
rungen etc.  schwächer,  als  es  in  Jahresfrist  sein  wird,  wenn  es  die 
Hauptsache  nicht  aus  den  Augen  läßt,  nämUch  mehr  Geld  auf  die 
Armee  zu  verwenden.  Auch  wir  bedürfen  noch  der  Zeit,  um  in  der 
Vollzahl,  die  unser  neues  Landwehrgesetz  für  das  deutsche  Heer  in  Aus- 
sicht nimmt,  so  gerüstet  zu  sein,  wie  wir  es  für  nötig  ansehn,  bevor 
wir  in  unsern  Bemühungen  für  die  Erhaltung  des  Friedens  nachlassen 
können.  Ich  halte  daher  an  der  Hoffnung  fest,  daß  Graf  Kälnoky  nach 
wie  vor  mit  uns  bemüht  sein  werde,  den  Krieg  zu  verhüten  oder  doch 
aufzuschieben,  und  daß  wir  uns  die  Verantwortlichkeit  dafür  nicht  von 
militärischen  Ratgebern  aus  der  Hand  nehmen  lassen. 

V.  Bismarck 


Nr.  1187 

Der  Unterstaatssekretär  im  Auswärtigen  Amt  Graf  von  Berchem 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 

Nr.  752  Berlin,  den  29.  Dezember  1887 

Ew.  pp.  gefälliger  Bericht  vom  21.  d.  Mts.  Nr.  535  hat  dem  Fürsten 
Bismarck  vorgelegen. 

Der  Herr  Reichskanzler  hat  dazu  bemerkt,  daß  Graf  Kälnoky  und 
er  in  ihrer  Eigenschaft  als  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten 
ihre  Befugnisse,  auch  in  Nebendingen,  nicht  auf  die  beiderseitigen 
MiUtärpersonen  übertragen  dürften,  ohne  die  Geschäfte  zu  gefährden, 

69 


für  welche  sie  verantwortlich  seien.  Fürst  Bismarck  bittet  den  Grafen 
Kalnoky,  ihm  dabei  behilflich  zu  sein,  daß  internationale  Verabredungen 
und  Unterlagen  zu  solchen  nicht  ohne  ihre  beiderseitige  Kenntnis  und 
Genehmigung  von  rein  militärischer  Seite  gefaßt  werden. 

Beide  Minister  können  weder  ganz  noch  teilweise  zugunsten  unter- 
handelnder Offiziere  abdizieren;  müssen  vielmehr  die  Geschäfte  in  der 
Hand  behalten  und  keinen  Zweifel  darüber  lassen,  daß  internationale 
Verabredungen,  welche  ohne  ihr  aktenmäßiges  Einverständnis  erfolgen, 
ihren  Parlamenten  gegenüber  als  verbindlich  nicht  angesehen  werden 
würden.  Es  liegt  im  Interesse  des  Friedens,  an  dieser  Art  der  Ge- 
schäftsbehandlung streng  festzuhalten,  da  beide  Minister  naturgemäß 
friedlicher  gesinnt  sein  werden  als  ihre  militärischen  Landsleute. 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet  Ew.  pp.  im  Sinne  des  Vorstehenden 
mit  dem  Grafen  Kalnoky  mündlich  und  vertraulich  zu  sprechen  und  fügte 
hinzu,  die  militärischen  Korrespondenzen  könnten  doch  nur  einen  infor- 
matorischen, keinen  vertragabschließenden  Charakter  haben. 

Berchem 


Nr.  1188 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh 

Ausfertigung 

Nr.  554  Wien,  den  31.  Dezember  1887 

Geheim 

Euerer  Durchlaucht  hohen  geheimen  Erlaß  Nr.  745*  vom  27.  d.  Mts., 
die  Besprechungen  zwischen  dem  deutschen  und  dem  österreichischen 
Generalstab  betreffend,  habe  ich  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt,  und 
habe  ich  mich  in  der  mir  vorgeschriebenen  Weise  und  mit  Sekre- 
tierung  der  auf  Seite  7  und  8  enthaltenen  Erwägungen  dem  Grafen 
Kalnoky  gegenüber  ausgesprochen. 

Der  Minister  drückte  mir  seinen  Dank  für  diese  Rückäußerung  auf 
seinen  unter  dem  22.  d.  Mts.  an  Graf  Szechenyi  gerichteten  Erlaß** 
aus  und  war  befriedigt  durch  die  präzise  Weise,  in  welcher  die  Fragen, 
die  er  sich  zu  stellen  erlaubt  hätte,  durch  Euere  Durchlaucht  beantwortet 
wurden. 

Er  sagte,  es  bedürfe  nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden,  daß  er 
vollkommen  mit  Euerer  Durchlaucht  einverstanden  sei,  daß  die  Berech- 
tigung, die  allerhöchsten  Monarchen  politisch  zu  beraten,  nicht  den 
Händen  der  leitenden  Minister  entgleiten  dürfe  und  auf  die  General- 

*  Siehe  Nr.  1186. 
**  Siehe  Nr.  1185. 

70 


Stäbe  übergehe.  Er  seinerseits  halte  streng  hierauf,  und  könne  er  ver- 
sichern, daß  bei  den  mihtärischen  Beratungen,  die  hier  stattgefunden, 
nichts  hinter  seinem  Rüci<en  geschehen  sei  und  geschehen  werde.  Auch 
der  Kaiser,  sein  Herr,  würde  dies  nie  leiden. 

Aus  diesem  Grunde  habe  er,  wie  er  mir  schon  neulich  gesagt,  die 
vom  österreichischen  Generalstabe  redigierten  Instruktionen  für  Herrn 
von  Steininger*  durch  den  K.  und  K.Botschafter  zu  Euerer  Durchlaucht 
Kenntnis  bringen  lassen,  weil  es  ihm  vor  allem  wichtig  sei,  mit  Euerer 
Durchlaucht  direkt  in  allen  diesen  Fragen  in  Fühlung  zu  bleiben. 

Er  habe  nichts  zu  meinen  Auseinandersetzungen  über  den  casus 
foederis  zu  bemerken,  und  Euere  Durchlaucht  hätten  vollkommen  recht 
anzunehmen,  daß  Hoclidieselben  hierüber  ganz  mit  ihm  einverstanden 
wären.  Nur  gegen  die  Vermutung,  die  ich  ihm  nicht  verhehlte,  daß  in 
gewissen  militärischen  Kreisen  Wiens  die  Absicht  bestünde,  den  Sinn 
unseres  Defensivbündnisses  zu  verschieben,  müsse  er  Einspruch  er- 
heben. Er  sei  sich  über  die  Bedeutung  und  die  Zwecke  dieses  Bünd- 
nisses immer  ganz  klar  gewesen.  In  hiesigen  militärischen  Kreisen 
habe  indessen  schon  längst  theoretisch  ein  vollkommenes  Einverständ- 
nis mit  den  Ansichten  des  deutschen  Generalstabes  darüber  geherrscht, 
daß  in  einem  Kriege  Österreichs  gegen  Rußland  ein  günstiges  Resultat 
nur  dann  zu  erhoffen  sei,  wenn  das  Kriegstheater  sofort  bei  Beginn  des 
Krieges  nach  Rußland  verlegt  würde.  Daß  die  Militärs  hierbei  nur  von 
militärischen  und  nicht  von  politischen  Ideen  geleitet  würden,  könne 
man  ihnen  nicht  verdenken.  Dieses  habe  aber  keinen  Einfluß  auf  die 
politischen  hier  zu  treffenden  Entscheidungen. 

Politisch  liege  die  Sache  anders,  und  er  hoffe,  daß  ich  Euerer 
Durchlaucht  gemeldet  hätte,  daß  er  mir  mehr  wie  einmal  versichert 
hätte,  Seine  Majestät  der  Kaiser  Franz  Joseph  wollten  den  Krieg  ver- 
meiden, wollten  Rußland  nicht  angreifen  und  sich  aller  Handlungen 
enthalten,  welche  von  Rußland  als  Provokation  aufgefaßt  werden 
könnten. 

Er  befände  sich  in  derselben  Lage  wie  Euere  Durchlaucht:  er 
müsse  die  Richtigkeit  der  militärischen  Beweisführung  anerkennen, 
könne  sich  aber  nicht  dadurch  bewegen  lassen,  sich  für  die  Notwen- 
digkeit eines  Angriffs  auszusprechen.  Er  pflichtete  daher  den  Ausein- 
andersetzungen vollkommen  bei,  die  ich  ihm  nach  Maßgabe  des  ge- 
nannten hohen  Erlasses  (Seite  9  bis  14)  vortrug.  Er  bemerkte.  Euere 
Durchlaucht  würden  sich  nicht  in  der  Voraussetzung  täuschen,  daß 
er  nach  wie  vor  bemüht  sein  werde,  den  Krieg  zu  verhüten  und  daß 
er  sich,  wie  er  mir  schon  wiederholt  versichert  habe,  hierin  in  vollem 
Einverständnis  mit  seinem  kaiserlichen  Herrn  befände.  Für  Österreich- 
Ungarns  militärische  Entwicklung  sei  das  Zeitgewinnen  noch  ungleich 
viel  wichtiger  als  für  Deutschland. 

*  Siehe  Nr.  1185,  Anlage. 

71 


Ob  Rußland  diese  Zeit  lassen  werde,  das  sei  eine  andere  Frage. 
Daß  mehr  Geld  auf  die  Armee  verwendet  werden  müsse,  sei  unzweifel- 
haft richtig,  aber  es  sei  nicht  leicht  für  ihn,  die  maßgebenden  Männer 
für  den  Gedanken  zu  gewinnen,  daß  dies  auch  bleibend  der  Fall 
sein  müsse,  wenn  Österreich  wirklich  stark  sein  solle.  Jedenfalls  habe 
der  Kriegslärm  der  letzten  Wochen  sehr  günstig  in  dieser  Richtung 
gewirkt,  und  sei  es  ihm  daher  sehr  erwünscht  gewesen,  daß  meine 
Sprache  sowohl,  wie  die  Berichte,  die  er  aus  Berlin  in  den  letzten 
Wochen  erhalten  habe,  ihn  so  kräftig  unterstützt  hätten,  um  energi- 
schere militärische  Vorkehrungen  durchzusetzen,  die  Österreich  in  den 
Stand  setzten,  einem  russischen  Überfall,  der  ja  nicht  ausgeschlossen 
sei,  die  Spitze  bieten  zu  können. 

Auf  die  Besprechungen  zwischen  den  beiderseitigen  Generalstäben 
ist  der  Minister  nicht  näher  eingegangen;  auch  hat  er  mir  nicht  wieder 
von  der  wünschenswerten  genaueren  Definition  gesprochen,  was  eigent- 
lich unter  „Angriff"  zu  verstehen  sein  würde. 

Ich  habe  mich  darauf  beschränkt,  die  auf  der  5.  und  6.  Seite  des 
Erlasses  Nr.  745*  enthaltene  Auseinandersetzung,  was  der  casus  foederis 
bedeute,  in  der  entschiedensten  Weise  zu  betonen,  und  hat  der  Minister 
auch  keinerlei  Einwendungen  dagegen  erhoben.  Er  fand  es  ganz  rich- 
tig, daß  die  Entschließungen  der  österreichischen  Armeeleitung  durch 
die  Art  und  die  Örtlichkeit  des  russischen  Angriffs  bedingt  sein  würden, 
welcher  ihnen  vorhergehen  muß,  um  den  casus  foederis  herzustellen, 
und  daß  unser  eventuelles  Eingreifen  auch  davon  abhängen  werde,  wo 
dieser  Angriff  auf  Österreich  erfolgen  werde.  Er  sagte  mir  schließlich, 
er  befürchte  noch  immer,  daß  Euere  Durchlaucht  den  Eindruck  hätten, 
daß  er  oder  sein  Kaiser  den  Krieg  wollten.  Daß  dies  ein  Irrtum  sei, 
bat  er  mich  mehrmals  Euerer  Durchlaucht  in  seinem  Namen  zu  er- 
klären. 

Ich  darf  ganz  gehorsamst  wiederholen,  daß  Graf  Kälnoky  an  meiner 
Sprache  nichts  auszusetzen  hatte,  und  daß  er  Euerer  Durchlaucht  An- 
sichten daher  akzeptiert.  H.  VII.  P.  Reuß 


Nr.  11 8Q 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  6  Wien,  den  4.  Januar  1888 

Geheim 

Graf  Kälnoky  hat  mir  gestern  gesagt,  daß  er  den  Bericht  des  Frei- 
herrn von  Steininger  über  dessen  Unterredung  mit  dem  Herrn  Staats- 

*  Siehe  Nr.  1186. 

72 


Sekretär  erhalten  habe,  und  hinzugesetzt,  die  Äußerungen  Seiner  Exzel- 
lenz stimmten  ganz  mit  demjenigen  überein,  was  ich  ihm  vor  ein  paar 
Tagen  über  die  Ansichten  Euerer  Durchlaucht  mitgeteilt  hätte  (conf. 
geheimer   Erlaß   Nr.  745   vom   27.  Dezember  v.  Js.*). 

Der  Feldmarschall  Graf  Moltke,  der  den  Oberstlieutnant  sehr 
freundlich  empfangen  habe,  sei  nicht  näher  auf  die  Mitteilungen  i  ein- 
gegangen, die  letzterer  ihm  zu  machen  beauftragt  gewesen  sei,  w^enn 
er  auch  die  verabredeten  miUtärischen  Besprechungen  nicht  abgebro- 
chen hätte. 

Unter  diesen  Umständen  glaube  er,  der  Minister,  daß  wohl  kein 
ersprießhches  Resultat  von  diesen  Besprechungen  zu  erwarten  sein 
würde.  Gegenfragen  habe  der  Feldmarschall  bis  jetzt  nicht  gestellt. 
Der  preußische  Generalstab  sei  übrigens  ganz  genau  mit  den  Stärke- 
verhältnissen, den  Aufmarschideen  und  den  Zeitabschnitten,  in  denen 
die  Aufstellung  der  österreichisch-ungarischen  Armee  erfolgen  könnte, 
bekannt  2;  hierüber  würden  daher  wohl  von  hier  aus  keine  weiteren  Auf- 
schlüsse verlangt  werden. 

Aus  den  Äußerungen  des  Grafen  Kalnoky  schien  mir  hervorzu- 
gehen, daß  er  annehmen  zu  können  glaubte,  unsererseits  würden  weitere 
und  eingehendere  Besprechungen  nicht  gewünscht,  und  daß  er  daher 
wohl  seinerseits  auch  keine  weiteren  Anfragen  stellen  wird. 

Er  wiederholte  mir,  daß  der  deutsche  wie  der  österreichische 
Generalstab  für  den  Fall  des  Ausbruches  eines  Krieges  zwischen  Ruß- 
land und  Österreich  in  der  Theorie  darüber  einig  gewesen  wären,  daß 
derselbe  nur  mit  Aussicht  auf  Erfolg  zu  führen  sein  werde  und  Galizien 
nur  gerettet  werden  könnte,  wenn  man  den  Krieg  sofort  auf  das  feind- 
liche Territorium  trüge.  So  richtig  diese  militärische  Auffassung  sei, 
so  käme  sie  doch  hier  nicht  in  Betracht,  weil  die  K.  und  K.  Regierung 
nach  wie  vor  entschlossen  sei,  Rußland  nicht  anzugreifen^.  Für  den 
Fall  eines  russischen  Angriffs  möchte  man  sich  indessen  so  gut  als 
möglich  vorzubereiten  suchen*.  Da  die  Chancen  für  diesen  Fall  aber 
sehr  ungünstig  für  Österreich,  namentlich  durch  die  geographische 
Lage  der  Grenzprovinz,  lägen,  so  müsse  man  mit  verdoppelter  Vor- 
sicht handeln,  um  den  russischen  Krieg  nicht  zu  provozieren. 

Die  einmal  befohlenen  Vorbereitungen  würden  demungeachtet  wei- 
ter betrieben  werden,  w^eil  man  hier  von  der  Annahme  ausginge,  daß 
Rußland  in  diesen  reinen  Defensivmaßregeln  keine  Provokation  sehen 
könnte.  H.VII.  P.  Reuß 


Randbemerkungen  des   Fürsten   von   Bismarck: 
^  fragen! 

3  gut 

*  richtig 


*  Siehe  Nr.  1186. 

73 


Randbemerkung   des   Staatssekretärs   Grafen   Herbert   von    Bismarck: 
2  Dies  hat  mir  Graf  Moltke  bestätigt  und  dabei  gesagt,  daß  er  Gegenfragen  des- 
halb nicht  zu  stellen  habe. 
Schlußbemerkung  des  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 

Oberstleutnant  Graf  Keller  sagte  mir,  eine  Hauptsache  sei,  daß  die  Öster- 
reicher Lemberg  befestigen.  Dann  wäre  ausgeschlossen,  daß  sie  beim  ersten 
russischen  Angriff  gleich  hinter  die  Karpathen  retirierten,  wodurch  unser  Schlesien 
ganz  bloßgestellt  werden  würde.  Erfreulich  sei  deshalb,  daß  die  Österreicher 
jetzt  mit  Feldbefestigungen  bei  Lemberg  begonnen  hätten. 


Nr.  1190 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  11  '  Wien,  den  S.Januar  1888 

Geheim 

Ich  habe  heut  die  Ehre  gehabt,  nach  dem  Hofdiner  mit  Seiner 
Majestät  dem  Kaiser  von  Österreich  ein  kurzes  Gespräch  zu  haben. 

Seine  Majestät  sagte  mir,  er  bedauerte,  daß  die  von  ihm  ange- 
regten Besprechungen!  zwischen  den  beiderseitigen  Generalstäben  un- 
sererseits so  gut  wie  ablehnend  behandelt  worden  seien.  Ich  würde  mich 
entsinnen,  daß  er  diese  Besprechungen  vorgeschlagen  hätte,  als  vor 
etwa  4  Wochen  die  politische  Lage  eine  sehr  drohende  gewesen  wäre. 
Auch  unsererseits  wären  diese  russischen  militärischen  Vorbereitungen 
für  bedenklich  gehalten  worden,  und  hätten  wir  daher  hier  den  Rat 
gegeben,  man  möge  sich,  ohne  Rußland  zu  provozieren,  militärisch 
vorbereiten,  um  sich  nicht  überraschen  zu  lassen  2.  Die  gleichen  An- 
sichten hätte  auch  der  hiesige  Generalstab  gehabt,  und  namentlich  habe 
der  österreichische  Militärattache  in  St.  Petersburg,  der  ein  richtiger 
Beobachter  sei  und  auch  in  Berlin  als  solcher  anerkannt  würde,  ent- 
schieden die  Ansicht  vertreten,  daß  der  Krieg  von  Rußland  geplant 
würde  ^. 

Aus  diesen  Gründen  habe  er,  der  Kaiser,  es  für  wichtig  gehalten, 
sich  über  die  gemeinsamen  militärischen*  Maßnahmen  mit  uns  zu  be- 
sprechen. Denn  da  allem  Anschein  nach  der  Angriff  von  Rußland  aus- 
gehen sollte,  so  habe  er  keinen  Augenblick  daran  zweifeln  zu  können 
geglaubt,  daß  wir  gemeinsam  diesem  Angrifft  zu  begegnen  haben 
würden. 

Die  Aufnahme,  die  diese  seine  Anregung  anfangs  bei  uns  ge- 
funden, habe  ihn  befriedigt.  Wenn  nun  diese  Besprechungen  nicht  den 
erwünschten  Fortgang  gefunden  hätten,  so  könne  er  sich  dies  nur  da- 
durch erklären,  daß  Euere  Durchlaucht  die  Besorgnis  gehabt  hätten, 

74 


daß  er,  der  Kaiser,  nur  deshalb  jene  Besprechungen  angeregt  hätte,  weil 
er  beabsichtige 6,  aggressiv  gegen  Rußland  vorzugehen^. 

Wie  diese  Auffassung  entstanden  sein  könnte,  sei  ihm  unerklärlich. 
Er  sei  sich  keines  Schrittes  seiner  Regierung  bewußt,  welcher  eine 
solche  Absicht  vermuten  lassen  könnte  s.  Er  selbst  ebenso  wie  sein 
Minister  des  Äußern  hätten  mir  sowohl,  wie  auch  durch  seine  amt- 
lichen Organe  in  Berlin,  stets  das  Gegenteil  versichert.  Es  wäre  daher 
nur  denkbar,  daß  die  dem  Baron  Steininger  erteilten  Instruktionen 
diesen  Glauben  hätten  erwecken  können. 

In  diesen  Instruktionen  sei  der  hiesige  Generalstab  allerdings  von 
der  auch  von  unserem  Generalstab  ^  seit  langem  geteilten  Voraussetzung 
ausgegangen,  daß,  wenn  Rußland  die  Absicht  hätte,  den  Krieg  zu 
machen,  die  einzig  richtige  Begegnung  eines  russischen  Angriffs  nur 
in  einem  Offensivstoß  lo  zu  finden  wäre,  den  man  nach  Rußland  hinein 
zu  führen  haben  werde.  Daß  die  Idee  eines  unter  diesen  Bedingungen 
geplanten  Offensivstoßes  als  ein  beabsichtigter  Angriff  gegen  Rußland 
aufgefaßt  werden  könnte,  habe  man  hier  nicht  für  möghch  gehalten  ii. 

Seiner  Ansicht  nach  sei  nicht  immer  derjenige  der  Angreifer,  der 
den  ersten  Schlag  führe.  In  dem  Kriege,  den  Österreich  gegen  Sar- 
dinien seinerzeit  geführt,  habe  letzteres  den  Krieg  erklärt  und  niemand 
hätte  Österreich  beschuldigen  können,  daß  es  durch  seine  rasch  er- 
griffene Offensive,  die  ihm  den  Sieg  von  Novara  etc.  eingetragen,  einen 
Angriffskrieg  geführt  habe^^.  Er  könne  sich  daher  unserer  Auslegung 
des  casus  foederis  nicht  anschließen,  wonach  derselbe  erst  dann  ein- 
treten könne,  wenn  die  russischen  Armeen  die  österreichischen  Grenzen 
bereits  überschritten  haben  würden.  Dem  Buchstaben  nach  wäre  diese 
Auslegung,  wie  ich  sie  Seiner  Majestät  nochmals  auseinandersetzte, 
allerdings  richtig,  aber  er  könne  nicht  umhin,  das  Wort  „Angriff"  in 
diesem  Falle  anders  zu  verstehen.  Wenn  Österreich  fest  entschlossen 
sei,  Rußland  nicht  anzugreifen,  Rußland  aber  Österreich  mit  einer  immer 
größeren  Aufstellung  von  Armeen  bedrohe,  und  dadurch  die  Absicht 
eines  bevorstehenden  Angriffs  klar  erwiesen  sei,  so  bliebe  seiner  An- 
sicht nach  kein  Zweifel  mehr  darüber,  wer  der  Angreifer  und  wer  der 
Angegriffene  sei^^. 

Wenn  er  daher  nach  »unseren  Erklärungen  darauf  gefaßt  sein  müsse, 
daß  erst,  wenn  die  russische  Heeresmacht  den  Krieg  in  sein  Land  ge- 
tragen haben  würde,  unsere  Hülfe  eintreten  werde,  so  müsse  er  sich 
danach  richten  und  seine  militärischen  Dispositionen  daraufhin  zuschnei- 
den, daß  er  allein  dem  ersten  russischen  Stoß  zu  begegnen  haben 
werde  ;i'^  denn  auf  andere  Bundesgenossen  habe  er  in  diesem  ersten 
aber  bedeutungsvollsten  Moment  der  Kampagne  nicht  zu  rechnen. 

Meine  Auseinandersetzung  der  Gründe,  weshalb  uns  die  Ver- 
meidung dieses  Krieges  ganz  besonders  am  Herzen  liege,  hat  der 
Kaiser  nicht  bestritten,  aber  wiederholt  versichert,  daß  er  nur  gezwun- 
gen in  diesen  Krieg  gehen  werde. 

75 


übrigens,  schloß  der  Kaiser,  schiene  es  ja,  als  wenn  vorläufig  die 
Kriegsgefahr  nicht  mehr  so  nahe  bevorstehend  wäre.  Daß  sie  aber 
beseitigt  sei,  könne  er  leider  nicht  annehmen.  Er  setze  Vertrauen  in  die 
friedlichen  Absichten  des  Kaisers  Alexander,  aber  nicht  darein,  daß 
dieser  Monarch  auf  die  Dauer  imstande  sein  werde,  dem  Drängen  seiner 
eigenen  und  unserer  Feinde  in  Rußland  zu  widerstehen.  Über  kurz  oder 
lang  könne  die  Frage  wieder  brennend  werden,  und  dann  würden  wir 
beiderseitig  doch  genötigt  sein,  die  fallen  gelassenen  Besprechungen 
wieder  aufzunehmen  i^;  das  würde  sich  ja  alles  von  selbst  finden,  denn 
es  bestände  bei  ihm  kein  Zweifel  darüber,  daß  dann  die  Dinge  so  Hegen 
würden,  daß  auch  unsererseits  das  Vorgehen  Rußlands  als  ein  Angriff 
auf  Österreich  betrachtet  werden  würde,  auch  wenn  noch  kein  russischer 
Soldat  die  österreichische  Grenze  überschritten  hätte. 

Ich  habe  dem  Kaiser  hierauf  nach  Maßgabe  Euerer  Durchlaucht 
hohen  Erlasses  Nr.  745  vom  27.  v.  Mts.*  geantwortet  und  geäußert, 
es  sei  mir  wichtig,  daß  hierüber  keine  Zweifel  zwischen  uns  auf- 
kommen könnten. 

Endlich  bat  mich  der  Kaiser  noch,  ich  möchte  Euerer  Durchlaucht 
versichern,  daß  die  Besorgnis,  als  könne  sich  der  hiesige  Generalstab 
der  Leitung  der  Politik  seiner  Regierung  bemächtigen  wollen,  durch- 
aus unbegründet  sei.  Die  Politik  bestimme  er  allein  und  zöge  dabei 
nur  seinen  Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten  zu  Rate. 

Seine  Majestät  sprachen  hierauf  von  den  mihtärischen  defensiven 
Maßnahmen,  die  eifrig  weiter  betrieben  würden  i^.  Pferde  für  die 
komplette  Bespannung  der  Artillerie,  sowie  für  die  Augmentation  der 
Kavallerieregimenter  in  Galizien  seien  angekauft  und  die  dazu  nötigen 
Reserven  einberufen.  2  Bataillone  Pioniere,  sowie  2  Bataillone  Fuß- 
artilleriemannschaften seien  nach  den  dortigen  Festungen  abgegangen; 
aber  mehr  Mannschaften  würden  nicht  deplaziert,  noch  auch  eingezogen 
werden.  Urlauber  der  dortigen  Infanterieregimenter  einzuberufen,  wie 
dies  anfangs  beabsichtigt  war,  halte  er  nicht  mehr  für  nötig,  obwohl 
hierzu  sowohl  Graf  Kälnoky,  als  auch  der  Generalstab  dringend  geraten 
hätten.  Hierzu  sei  immer  noch  Zeit,  und  habe  er  es  vorgezogen,  den 
Russen  keinen  weiteren  Anlaß  zu,  wenn  auch  noch  so  unmotivierten, 
Rekriminationen  zu  geben.  Das,  was  geschehen  sei,  habe  genügt,  um  in 
Petersburg  zu  zeigen,  daß  man  hier  die  Augen  offen  und  die  dort  er- 
griffenen Maßnahmen  richtig  verstanden  habe.  H.  VII.  P.  Reuß 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  Bündnißverschiebungen 

*  ja 

3  das  bestreiten   wir  ja   nicht;   aber   wer   ist  Rußland?  u[nd]   muß  der   Krieg 
stattfinden? 

*  aggressiven 

*  Siehe  Nr,  1186. 
76 


5  gewiß 

^  (interlinear;  eingeschoben  hinter  „beabsichtige"):  unter  Umständen. 
^  richtig. 

9  d.  h.  Übergang  der  Politik  auf  beide  Qeneralstäbe. 
10  also! 

UM  I 

12  doch! 

13  wer  Angreifer  ist,  das  wird  eintretenden  Falls  von  unserem  Kaiser  ehrlich  er- 
wogen werden.  Unsre  zurückhaltende  Vorsicht  hat  mehr  die  bulgarische 
Situation,  als  die  an  der  galizischen  Grenze  zur  Grundlage.  Wegen  Bul- 
g[arien]  wollen  wir  nicht  fechten.  Evidente  Vorbereitungen  zum  Angriff  auf 
Oest [er] reich  aber  (Galizien)  werden  uns  immer  zu  Vorbereitung  der  Abwehr 
(Mobilisirung)  Anlaß  geben,  u[nd]  damit  zum  factisch[en]  Eintritt  in  den 
russ[isch]-öst[er]r[eichischen]  Conflict. 

1*  doch  in  andrer  Form  u[nd]  Fragstellung. 
«  gut. 

Randbemerkungen  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 
8  Wohl  auch  nicht  der  Redaktion  seines  Generalstabes! 
1*  gut,  das  bezweckten  wir.    Österreich  soll  sich  stark  machen, 
Schlußbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 

Über   das   Mißlingen   des   Versuchs  den    casus  foederis  zu  erweitern,   ist   der 

K[aiser]  Fr[anz]  J[osephl  natürlich  verstimmt. 


Nr.  1191 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 

Nr.  43  Berlin,  den  H.Januar  1888 

Ew.  geheimer  Bericht  vom  8.*  hat  dem  Herrn  Reichskanzler  vor- 
gelegen. 

Was  die  Äußerungen  des  Kaisers  Franz  Joseph  betreffs  der  von 
ihm  angeregten  militärischen  Besprechungen  betrifft,  so  ist  daran  zu 
erinnern,  daß  die  durch  Herrn  von  Steininger  übermittelten  militärischen 
Fragen,  welche  die  Basis  dafür  bilden  sollten,  auf  Verschiebung  un- 
seres Bündnisses  ausgingen  und  mehr  politischer  als  militärischer  Natur 
waren.  Wenn  der  Kaiser  Franz  Joseph  Ew.  gesagt  hat,  daß  sein 
Generalstab  in  jenen  Instruktionen  von  der  Voraussetzung  eines  Offen- 
sivstoßes gegen  Rußland  ausgegangen  sei,  so  wird  damit  eben  der 
Boden  unseres  Bündnisses  verlassen,  und  der  Übergang  der  Politik  vom 
Auswärtigen  Minister  auf  den  Generalstab  bedingt.  Hiergegen  hatte 
der  Herr  Reichskanzler  in  seinem  Erlaß  Nr.  745  vom  27.  Dezember 
v.  Js.**  gerade  Verwahrung  eingelegt.    Nach   Ew.  Bericht  Nr.  17  vom 

*  Siehe  Nr.  1190. 
**  Siehe  Nr.  1186. 

77 


10.  Januar  hat  der  Graf  Kälnoky  inzwischen  selbst  anerkannt,  daß  die 
Fragestellung  des  österreichischen  Generalstabs  bei  uns  den  Glauben 
erwecken  mußte,  Österreich  wolle  unsere  Macht  zu  einem  Angriffs- 
kriege gegen  Rußland  ausnützen.  Wie  Ew.  bekannt  ist,  hat  Seine 
Majestät  der  Kaiser  sich  gegen  jeden  Angriffskrieg  erklärt,  und  es  war 
unseren  Offizieren  deshalb  unmöglich,  sich  über  gemeinsame  aggressive 
Maßnahmen  auf  der  vom  österreichischen  Generalstab  aufgestellten 
Basis  auszusprechen. 

Daß  Österreich  sich  militärisch  stärken  solle,  ohne  Rußland  zu 
provozieren,  bleibt  nach  wie  vor  unsere  Ansicht.  Wir  wünschen  jede 
Provokation  vermieden  zu  sehen*,  weil  die  Erhaltung  des  Friedens  un- 
seren Interessen  entspricht,  und  weil  niemand  mit  unbedingter  Sicher- 
heit sagen  kann,  ob  der  Krieg  stattfinden  muß;  daß  der  Krieg  „von 
Rußland"  geplant  wird,  bestreiten  wir  nicht;  es  handelt  sich  aber  hier 
um  die  Frage,  „wer  ist  Rußland"  und  jedem  Plane  braucht  die  Aus- 
führung nicht  notwendig  zu  folgen. 

Bezüglich  der  Bemerkungen  des  Kaisers  von  Österreich  über  die 
Ausführung  des  casus  foederis*  hat  Fürst  Bismarck  sich  im  Hinblick 
auf  einen  russisch-österreichischen  Krieg  folgendermaßen  geäußert: 
„Wer  Angreifer  ist,  das  wird  eintretendenfalls  von  unserem  Kaiser  ehr- 
lich erwogen  werden.  Unsere  zurückhaltende  Vorsicht  hat  mehr  die 
bulgarische  Situation,  als  die  an  der  galizischen  Grenze  zur  Grund- 
lage. Wegen  Bulgarien  wollen  wir  nicht  fechten.  Evidente  Vorberei- 
tungen zum  Angriff  auf  Österreich  aber  (GaHzien)  werden  uns  immer 
zur  Vorbereitung  der  Abwehr  (Mobilisierung)  Anlaß  geben  und  damit 
zum  faktischen   Eintritt  in  den   russisch-österreichischen   Konflikt." 

Für  Ew.  pp.  persönlich  bemerke  ich,  daß  wir  nur  erfreut  darüber 
sein  können,  wenn  der  Kaiser  Franz  Joseph  jetzt  entschlossen  ist, 
„seine  militärischen  Dispositionen  darauf  zuzuschneiden,  daß  er  allein 
dem  ersten  russischen  Stoß  zu  begegnen  haben  werde".  Dieser  Ent- 
schluß muß  dazu  führen,  daß  Österreich  sich  stärker  macht,  als  es 
bisher  zur  Abwehr  gewesen  ist.  Und  dieses  Resultat  allein  ist  von  uns 
bei  unseren  Mitteilungen  nach  Wien  in  den  letzten  Monaten  erstrebt 
worden. 

Wenn  die  militärischen  Besprechungen  über  kurz  oder  lang  wieder 
aufgenommen  werden  sollten,  so  müßte  dies  doch  in  anderer  Form  und 
Fragestellung  geschehen  als  das  letzte  Mal:  Die  politischen  Erwägun- 
gen müssen  von  den  militärischen  streng  gesondert  bleiben!  Denn  kein 
Minister  könnte  die  Verantwortung  für  das  Auswärtige  Ressort  über- 
nehmen, wenn  beide  Gebiete  vermengt  werden. 

H,  Bismarck 
*  Siehe  Nr.  1190. 


78 


Nr.  1192 

Der  Österreich  -  ungarische  Minister  des  Äußern  Graf  Kälnoky  an 
den  Österreich -ungarischen  Botschafter  in  Berlin  Grafen  Sz6ch6nyi 

Abschrift,  vom  Grafen  Szechenyi  mitgeteilt 
Geheim  Wien,  am  12.  Jänner  1888 

Mit  meinem  Erlasse  vom  22.  Dezember  v.  Js.*  habe  ich  gleich- 
zeitig mit  Einleitung  vorläufiger  Besprechungen  über  die  militärischen 
Folgen  des  casus  foederis  und  namentlich  deshalb,  weil  es  von  mili- 
tärischer Seite  zur  Feststellung  der  zu  treffenden  Dispositionen  für 
den  Kriegsfall  dringend  gewünscht  wurde,  die  Frage  angeregt,  ob  es 
sich  nicht  empfehlen  würde,  beizeiten  die  Umstände  genau  zu  präzi- 
sieren i,  unter  welchen  der  casus  foederis  einzutreten  habe. 

Die  Ihnen  und  dem  Baron  Steininger  hierauf  durch  den  Staats- 
sekretär Grafen  Bismarck  zugegangene  Antwort  sowie  die  analogen 
Mitteilungen  des  Prinzen  Reuß  lassen  keinen  Zweifel  darüber,  daß 
Fürst  Bismarck  ein  Eingehen  auf  diesen  Gegenstand  unter  Hinweis 
auf  den  Vertragstext,  der  eine  weitere  Interpretation  oder  Ausdehnung 
weder  erfordere  noch  zulasse,  ablehnt.  Der  Herr  Reichskanzler  ist  der 
Ansicht,  daß  das  Eintreten  des  casus  foederis  in  unserem  Vertrage  so 
klar  und  bündig  niedergelegt  sei,  daß  darüber  ein  Zweifel  nicht  be- 
stehen könne.  Greife  uns  Rußland  an,  so  werde  Deutschland  keinen 
Moment  anstehen,  seiner  Vertragspflicht  nachzukommen.  Seien  aber 
wir  —  unter  welchen  Konjunkturen  immer  —  die  Angreifer,  so  würde 
Deutschland  vertragsmäßig  neutral  bleiben,  selbst  dann,  wenn  der  An- 
griff den  defensiven  Charakter  ^  des  Zuvorkommens  eines  feindlichen 
Einfalles  trüge,  und  wir  müßten  uns  auf  unsere  eigenen  Kräfte  stützen 
und   auf  den   etwaigen    Beistand   unserer  anderen   Alliierten  3, 

Es  ist  unleugbar,  daß  diese  Interpretation  in  strengstem  Sinne 
dem  Wortlaute  unseres  Vertrages  entspricht,  und  daß  wir  gegen  die- 
selbe keine  Einsprache  zu  erheben  vermöchten.  Wir  haben  auch  nicht 
die  Absicht,  in  dem  gegenwärtigen  Augenblicke,  wo  die  Ende  v.  Js. 
noch  so  regen  Kriegsbesorgnisse  einer  neuen  Friedensströmung  ge- 
wichen sind,  diese  heikle*  Frage  weiter  zu  verfolgen;  doch  halten  wir 
es  für  wichtig,  einige  Punkte,  deren  Erwägung  uns  unausweichlich 
scheint,  schon  jetzt  hervorzuheben. 

In  erster  Linie  scheide  ich  den  Gedanken,  daß  Österreich-Ungarn 
einen  Angriffskrieg  gegen  Rußland  unternehmen  oder  einen  Krieg  mit 
diesem  Reiche  überhaupt  provozieren  wolle,  aus  der  Diskussion  voll- 
kommen aus.  Es  ist  ausgeschlossen,  daß  Österreich-Ungarn  allein 
Rußland  angreift,  und  es  fallen  sohin  auch  alle  Kombinationen  weg, 
welche   diesen    Fall   und    die    hieraus    vertragsmäßig   Deutschland    zu- 


*  Siehe  Nr.  1185. 

79 


stehende  Neutralität  in  Betracht  ziehen.  Wir  sind  uns  dessen  voll- 
kommen bewußt,  daß  es  Wahnsinn  wäre,  sowohl  vom  militärischen 
wie  vom  politischen  Standpunkte,  wollten  wir  allein  einen  Angriffs- 
krieg gegen  Rußland  unternehmen,  denn  wenn  Graf  Herbert  Bismarck 
für  einen  solchen  Fall  auf  den  militärischen  Beistand  Italiens,  Englands  und 
der  Türkei  hinwies,  so  muß  ich  annehmen,  daß  dies  wohl  nur  deshalb 
geschah,  um  anzudeuten,  daß  wir  auf  diese  nicht^  rechnen  könnten. 
Nicht  nur,  daß  wir  uns  mit  Italien  und  England  prinzipiell  auf  den 
Boden  des  Ausschlusses  jeder  Angriffspolitik  gestellt  haben,  dürfte 
Italien,  welches  in  Massauah  engagiert  und  gegenüber  Deutschland  ver- 
pflichtet ist,  sich  außerdem  auf  größere  militärische  Leistungen  kaum 
einlassen  können.  Was  England  betrifft,  steht  es  außer  Zweifel,  daß 
die  dortige  öffentHche  Meinung  sich  gegen^  den  Angreifer,  wer 
er  immer  sei,  erklären  wird.  Mit  welcher  Sicherheit  endhch  man  auf 
eine  militärische  Unterstützung  der  Türkei  rechnen  könne,  ist  in  Berlin 
ebenso  bekannt  wie  hier.  Ich  kann  also  nur  wiederholen,  daß  Öster- 
reich-Ungarn unter  keiner  Bedingung  den  Wahnsinn  begehen  werde, 
einen  Angriffskrieg  gegen  Rußland  zu  unternehmen  ß. 

Eine  andere  Frage  ist,  und  auf  diese  legen  wir  das  größte  Ge- 
wicht, daß  von  den  höchsten  militärischen  Autoritäten  in  voller  Über- 
einstimmung erklärt  wird,  daß  durch  das  Abwarten  des  russischen  An- 
griffs, von  Österreich-Ungarn,  ebenso  wie  von  Deutschland,  die  wich- 
tigsten militärischen  Vorteile  preisgegeben,  und  der  ganze  Erfolg  des 
Krieges  schwer  kompromittiert  werden  würde.  Bei  der  ganz  ungewöhn- 
lich ungünstigen  geographischen  Lage  und  Konformation  Galiziens 
und  der  äußerst  schwierigen  Aufmarschlinie  unserer  Armee,  liegt  die 
Gewähr  des  Erfolges  nur  im  sofortigen  Angriff,  kombiniert  mit  einem 
gleichzeitigen  Vorstoß  von  Seite  der  deutschen  Armee.  Hiebei  war 
selbstverständlich  nie  ein  Offensivkrieg  und  ein  Friedensbruch  gedacht, 
sondern  im  Falle  ^  eines  unausweichlichen  und  unabwendbaren  Krieges 
jene  Initiative  und  jenes  Zuvorkommen,  welches  historisch  nachweisbar 
schon  so  oft  2  den  siegreichen  Erfolg  des  Feldzuges  entschieden  hat. 
Zieht  man  die  Rüstungen,  militärischen  Vorbereitungen  und  gefährlichen 
Dislokationspläne  Rußlands  (von  denen  uns  offiziell  gesagt  wird, 
daß  sie  jedenfalls  durchgeführt  werden  würden)  in  Betracht,  so  muß 
man  zu  der  Überzeugung  gelangen,  daß  in  einer  näheren  oder  ferneren 
Zukunft  der  Krieg  mit  Rußland  immer  wahrscheinlicher  wird  —  es 
wäre  denn,  man  wollte  demselben  um  jeden  Preis  ^  aus  dem  Wege 
gehen.  Für  den  Fall  eines  russischen  Krieges  aber  ist  die  oben  an- 
geregte Frage  des  casus  foederis  von  so  entscheidender  Wichtigkeit, 
daß  dieselbe  nach  meiner  Meinung  je  eher  in  einer  definitiven  Weise 
klargestellt  9  werden  sollte,  und  ich  zweifle  nicht,  daß  bei  der  weiteren 
EntWickelung  der  Dinge  es  sich  als  notwendig lo  herausstellen  wird, 
auf  die  eingehende  Erwägung  derselben  zurückzukommen.  Wüßten 
wir,  daß  wir  definitiv  auf  die  ungeheuren  militärischen  Vorteile  ver- 

80 


ziehten  müßten,  welche  unter  gegebenen  Umständen  ein  scharfes  Vor- 
gehen in  Feindesland  unseren  Heeren  bringen  würde,  und  wären  wir 
darauf  angewiesen,  den  Feind  ins  Land  hereinzulassen  und  den  schwie- 
rigen Feldzug  unter  diesen  entschieden  ungünstigen  Umständen  zu 
beginnen,  so  würde  an  uns  die  Pflicht  herantreten,  neuerdings  und 
beizeiten  zu  erwägen,  in  welcher  Weise  es  unter  solchen  Verhält- 
nissen mögUch  und  ratsam  sei^,  den  Krieg  gegen  Rußland  zu  führen, 
und  ob  er  überhaupt  aufzunehmen  oder  zu  vermeiden  sei. 

Diese  Konsiderationen  mögen  heute  verfrüht  sein,  wie  es  ja  über- 
haupt vorerst  sich  nicht  um  den  Krieg,  sondern  um  den  Frieden  han- 
delt; doch  können  die  Umstände  es  leicht  mit  sich  bringen,  daß  die 
aufgeworfene  Frage  plötzlich  aktuell  und  eine  definitive  Klarstellung 
derselben  dringlich  wird.  Meiner  Meinung  nach  Heße  sich  leicht  eine 
Form  12  finden,  welche  die  von  dem  Herrn  Reichskanzler  befürchtete 
Möglichkeit  einer  Verschiebung  des  defensiven  Charakters  unseres 
Bündnisses  ausschlösse  und  doch  die  für  die  militärischen  Kombina- 
tionen unerläßliche  feste  Basis  zu  bieten  vermöchte.  Die  Dimensionen 
und  Folgen  eines  Krieges  mit  Rußland  können  so  ungeheure  sein, 
daß  derselbe  auch  militärisch  nur  unter  den  möglichst  günstigen  Um- 
ständen begonnen  werden  darf.  Bei  der  vertrauensvollen  Übereinstim- 
mung, in  der  sich  unsere  beiden  Kabinette  in  der  Beurteilung  der  poli- 
tischen Lage  überhaupt  und  der  möglichsten  Vermeidung  des  Krieges  i3 
befinden,  bezweifle  ich  nicht,  daß,  wenn  die  Verhältnisse  es  erheischen, 
auch  über  diese  politisch  und  militärisch  schwer  ins  Gewicht  fallende 
Frage  eine  übereinstimmende  Auffassung  sich  ergeben  werde.  Ich  er- 
suche Euer  Exzellenz,  diese  Erwägungen  i*  streng  vertraulich  zur  Kennt- 
nis des  Herrn  Staatssekretärs  zu  bringen  und  mich  s.  Z.  von  der  Auf- 
nahme, welche  dieselben  gefunden  haben  werden,  in  Kenntnis  setzen 
zu  wollen.  (gez.)  Kälnoky 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Das  ist  ganz  unmöglich;  der  Text  des  Vertrages  präcisirt  so  genau  wie  möglich, 
so  lange  man   keine  sichre  Sehergabe  für  die  zukünftigen  Ereignisse  besitzt. 
-  ? 

3  die  haben  wir  ihnen,  für  den  Fall  eigner  Angriffsgelüste,  mühsam  ad  hoc  besorgt. 
*  („heikle"  eingeklammert,  dafür:]  „unlösbare" 
^  ?  bei  uns  auch 

G   gut. 

'wann  Hegt  der  vor?? 

8  Phrase! 

9  das  ist  eine  Cirkelquadratur,  definitiv  nicht  klar  zu  stellen,  u[nd]  durch  keinen 
Vertragstext  theoretisch  lösbar,  sobald  man  nicht  der  bona  fides  des  Ver- 
bündeten mehr  vertraut  als  dem  Wortlaut  der  Clausein. 

^'^  durchaus  nicht 

"  möglich  gewiss,  rathsam  nie,  so  lange  das  Vermeiden  politisch  möglich  bleibt. 

12  ??  auf  die  wäre  ich  neugierig! 

'■1  z.  B.  bei  Angriff  auf  russ[ische]  Truppen  ausserhalb  des  russfischen]  Reiches? 

Bulg[arien],  Türkei. 
1*  [„Erwägungen"  eingeklammert,  dafür:]  „Redensarten" 


C    Die  Große  Politik.    6.  Bd. 


81 


Nr.  1193 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 

Herbert  von  Bismarck 

Eigenhändig 

Berlin,  den  17.  Januar  1888 

Graf  Szechenyi  las  mir  heute  den  abschriftlich  anliegenden  Erlaß* 
Kälnokys  vori.  Als  ich  ihm  einige  sachliche  Erläuterungen  meiner  dort 
nicht  zutreffend  vviedergegebenen  Äußerungen  bezüglich  Österreichs 
Hoffnungen  auf  England  und  Italien  gegeben  hatte  (sc.  daß  diese 
Mächte  eintreten  würden,  wenn  es  auf  der  Balkan halbinsel  und 
wegen  Bulgarien  zum  Kriege  käme),  und  mich  im  übrigen  be- 
friedigt über  den  ersten  Teil  des  Erlasses  äußerte,  meinte  Graf  Szechenyi, 
„ja,  des  Pudels  Kern  ist  aber  am  Schluß,  wo  es  sich  um  Auffindung 
einer  Form  handelt,  in  welcher  später,  wenn  der  Krieg  näher  rückte, 
militärische  Verabredungen  getroffen  werden  könnten,  ohne^  dem  De- 
fensivcharakter unseres  Bündnisses  zu  derogieren". 

Ich  sagte  Szechenyi,  daß  ich  diese  Formel  nicht  diskutieren  könnte, 
da  die  Gefahr  eines  Angriffskriegs  gegenwärtig  nicht  vorläge.  Wäre 
der  Fall  jemals  zweifelhaft  —  was  bisher  nicht  vorauszusehn  --,  so 
würde  Seine  Majestät  auf  der  Basis  unseres  Bündnisses  ehrlich  ent- 
scheiden. 

Im  übrigen  sprach  ich  mich  in  liebenswürdigster  und  vertraulicher 
Form  dahin  aus,  daß  unsere  neuerHchen  freundschaftlichen  Meinungs- 
austausche volle  Klarheit  in  die  beiderseitigen  rein  defensiven  Ab- 
sichten gebracht  hätten.  Seine  Majestät  würde  einen  „wie  immer** 
gearteten  Angriffskrieg  niemals  mitmachen.  Szechenyi  floß  an  der 
Hand  seines  Erlasses  über  in  ähnlichen  Versicherungen.  Ich  habe  in  den 
50  Minuten  unserer  Unterredung  alle  wichtigen  Punkte  rekapituliert 
und  hervorgehoben,  welche  durch  unsere  letzten  Erlasse  nach  Wien 
festgelegt  waren.  Ich  glaube  erschöpfend.  Deshalb  wiederhole  ich 
die  ganze  Wiederkäuung  hier  nicht. 

Szechenyi  war  nach  der  Unterredung  über  unseren  Standpunkt  voll- 
kommen edifiiert,  bat  mich  nur  die  Sache  noch  einmal  durchzulesen. 

Dies  versprach  ich,  bemerkte  aber,  daß  eine  weitere  diesseitige 
Äußerung  nach  unserer  langen  Konversation  nicht  mehr  zu  ergehen 
brauche.  "  H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

^  Verhandlungen  sind  über  Phrasen  unfruchtbar.  Oest[er]reichs  Hauptsicher- 
heit für  unsre  ehrliche  Auslegung  des  casus  foed[eris]  liegt  nicht  in  Clausein 
u[nd]  Wort-Texten,  sondern  in  der  unzweifelhaften  Thatsache  daß  die  un- 
geschwächte Existenz  Oestlerjreichs  ein  Lebensbedürfniß  für  uns  u[nd]  für  das 
europläische]  Gleichgewicht  ist 

'  [„ohne**  eingeklammert,  dafür:]  „um" 

*  Siehe  Nr.  1192. 
82 


Nr.  1194 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 

an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 
Nr.  70 
Oeheim  Berlin,  den  19.  Januar  1888 

Ew.  beehre  ich  mich,  in  der  Anlage  zu  Ihrer  persönlichen  In- 
formation einen  vom  Grafen  Szechen)d  hier  mitgeteilten  Erlaß  des  Grafen 
Kälnoky  vom  1 2.  d.Mts.*  sowie  meine  Aufzeichnung  über  die  Unterredung 
mit  dem  österreichischen  Botschafter**  abschriftlich  zu  übersenden. 

Zunächst  werden  Ew.  pp.  aus  der  Vergleichung  beider  Schrift- 
stücke ersehen,  daß  die  Annahme  des  Grafen  Kalnoky,  als  hätte  ich 
Österreich  für  den  Fall  eines  Angriffskrieges  gegen  Rußland  auf  die 
Unterstützung  Italiens,  Englands  und  der  Türkei  verwiesen,  in  dieser 
Allgemeinheit  nicht  richtig  ist.  Vielmehr  habe  ich  in  diesem  Zusammen- 
hange nur  den  Fall  besprochen,  wo  der  Krieg  auf  der  Balkanhalb - 
in  sei  und   Bulgariens  wegen  begonnen  würde. 

Was  die  Ansicht  des  Herrn  Reichskanzlers  über  die  Frage  des 
casus  foederis  anlangt,  so  darf  ich  auf  dessen  ausführUchen  Erlaß  Nr.  745 
d.  d.  Friedrichsruh,  den  27.  Dezember***  verweisen.  Den  in  dieser 
Schrift  niedergelegten  Auffassungen  hat  Seine  Durchlaucht  noch  die 
Bemerkung  hinzugefügt,  daß  der  Text  des  Vertrages  die  Umstände, 
unter  welchen  der  casus  foederis  einzutreten  habe,  so  genau  wie  möglich 
präzisiere;  der  von  Graf  Kälnoky  ins  Auge  gefaßte  Moment,  wo  der 
Krieg  unausweichlich  und  unabwendbar  werden,  und  wo  folgüch  der 
casus  foederis  tatsächlich  eintreten  würde,  sei  durch  keinen  Vertrags- 
text theoretisch  fixierbar,  solange  man  nicht  eine  sichere  Sehergabe 
für  die  zukünftigen  Ereignisse  besitze.  Österreichs  Hauptsicherheit 
für  unsre  ehrliche  Auslegung  des  casus  foederis  liegt  nicht  in  Klauseln 
und  Worttexten,  sondern  in  der  unzweifelhaften  Tatsache,  daß 
die  ungeschwächte  Existenz  Österreichs  ein  Lebensbedürfnis  für  uns 
und  für  das  europäische  Gleichgewicht  ist.  Über  eine  Form,  welche 
eine  militärische  Ergänzung  des  gegenwärtigen  Abkommens,  ohne  Ver- 
schiebung des  defensiven  Charakters  desselben  mit  sich  brächte,  ver- 
mag der  Herr  Reichskanzler  sich  kein  Bild  zu  machen,  denn  es  wird 
niemals  ausführbar  sein,  die  militärischen  Kombinationen  der  Zukunft 
im  voraus  zu  präzisieren.  Die  offizielle  Übermittelung  unserer  Er- 
widerung ist  durch  den  Grafen  Szechenyi  bewirkt  worden. 

Ew.  wollen  daher  diese  Mitteilung  als  ausschließlich  zu  Ihrer 
persönhchen  Orientierung  bestimmt  ansehen,  und  Ihre  Sprache  nach 
wie  vor  nach  dem  vorerwähnten  erschöpfenden  Erlaß  des  Herrn  Reichs- 
kanzlers  regeln.  H.  Bismarck 

*  Siehe  Nr.  1191. 
♦*  Siehe  Nr.  1192. 
♦**  Siehe  Nr.  1186. 

6»  83 


Nr.  1195 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr  30  Wien,  den  17.  Januar  1888 

Geheim 

Graf  Kälnoicy  hat  mir  vertraulich  mitgeteilt,  daß  nach  seinen  Mel- 
dungen aus  Berlin  die  Besprechungen,  welche  Herr  von  Steininger 
mit  den  dort  weilenden  italienischen  Offizieren  gehabt,  einen  befrie- 
digenden Fortgang  genommen  hätten.  Er,  der  Minister,  habe  die  von 
unserer  Seite  gewünschten  Notizen  über  die  Transportverhältnisse  auf 
der  Brennerbahn  hier  ausarbeiten  lassen  und  nach  Berlin  geschickt. 

Der  Minister  wiederholte  mir  bei  dieser  Gelegenheit,  wenn  auch  die 
Besprechungen  zwischen  dem  österreichischen  Militärattache  und  un- 
serem Generalstab  so  gut  wie  sistiert  wären,  so  hätten  dieselben  doch 
sehr  nützliche  Resultate  geliefert.  Freilich  könne  er  nicht  verhehlen,  daß 
sich  der  österreichisch-ungarische  Generalstab  mehr  von  diesen  Be- 
sprechungen erwartet  hätte  i  und  nun  einigermaßen  verstimmt  sei. 
Doch  sei  er  eifrig  bemüht,  beschwichtigend  einzuwirken.  Der  Grund 
hierzu  sei,  wie  er  mir  schon  gesagt,  hauptsächUch  darin  zu  suchen,  daß 
die  Instruktionen  des  Generalstabes  nur  von  einem  ^  einseitigen  Ge- 
sichtspunkt ausgingen  und  deshalb  nicht  unseren  Erwartungen  entspre- 
chen konnten. 

Ich  habe  dem  Minister  bei  diesem  Anlaß  gesagt,  daß,  wenn  der- 
artige Besprechungen  früher  oder  später  wieder  aufgenommen  werden 
sollten,  dies  in  anderer  Form  und^  Fragestellung  geschehen  müsse,  und 
politische  Erwägungen  von  militärischen  streng  zu  sondern  seien*. 

Graf  Kälnoky  gab  mir  hierin  vollkommen  Recht. 

Daß  die  üble  Laune  in  der  Armee*,  von  der  mir  der  Minister 
sprach,  besteht,  hat  mir  Major  von  Deines  bestätigt.  Letzterer  tritt 
solchen  Auslassungen,  so  oft  sie  ihm  begegnen,  stets  mit  dem  Hinweis 
auf  unser  Bündnis  entgegen,  welches  vom  österreichischen  General- 
stab eben  nicht  richtig  interpretiert  worden  sei^.  Denn  nur  hierdurch 
sei  die  jetzt  herrschende  Enttäuschung  hervorgerufen  worden. 

H.VII.  P.  Reuß 

Randbemerkungen  des    Fürsten   von   Bismarck: 

*  D.  h.  Verfügung  über  die  deutsche  Armee  auch  ohne  casus  foederis,  lediglich 
^  nach   Ermessen   des   östlerlr[eichischen]  G[eneral]-Stabes 

"  [vor  „einseitigen"  ist  eingeschoben):  sehr 

3  [„und"  ist  eingeltlammert;  vor  „Fragestellung"  ist  eingeschoben]:  als  in  der  der 

*  bei  wem? 

^  weil  er  es  nicht  kennt!    Hat  denn  der  Te.xt  dem  G[eneral]-Stabe  schon  vor- 
gelegen? 


*  Vgl.  auch  Nr.  1175  und  1191. 
S4 


Nr.  1196 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  31  Wien,  den  19.  Januar  1888 

Bei  dem  gestrigen  Hofball  hat  mir  Seine  Majestät  der  Kaiser  von 
Österreich  über  die  allgemeine  Lage  gesprochen,  die  ihm  keine  Be- 
ruhigung einflößt. 

Ich  habe  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  herausgefühlt,  daß  Seine 
Majestät  sich  dermaßen  in  den  Gedanken  hineingelebt  hatte,  daß  ein 
russischer  Angriff  auf  Österreich  sofort  durch  gemeinsamen  Offensiv- 
stoß zu  parieren  sein  werde,  daß  es  höchstdemselben  schwer  wird, 
sich  in  unsere  Auffassung  zu  finden. 

Wenn  er  sich  auch  neulich  dahin  aussprach,  er  müsse  sich  darauf 
präparieren,  den  russischen  Angriff  allein  auszuhalten  i,  so  scheint  er 
sich  doch  noch  nicht  schlüssig  geworden  zu  sein,  wie  für  diesen  Fall 
der  Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  einzurichten  sein  werde. 

Dasselbe  entnehme  ich  auch  aus  den  Äußerungen  des  österreichi- 
schen Chefs  des  Generalstabes,  und  Major  von  Deines  versichert,  daß 
man  hier  bis  jetzt  noch  nicht  daran  gegangen  sei,  den  Aufmarsch  für 
diesen  Fall  vorzubereiten. 

Es  ist,  als  wenn  sich  eine  gewisse  Mutlosigkeit  der  Militärs  be- 
mächtigt hätte,  und  sie  nicht  recht  wüßten,  was  sie  nun  vorzubereiten 
haben  sollten. 

Ich  habe  dem  General  von  Beck  gesagt,  es  würde  doch  im  eigenen 
Interesse  Österreichs  sein,  wenn  er  sich  an  diese  Arbeit  machte,  um 
dann  nicht  überrascht  zu  werden. 

Seiner  Majestät  dem  Kaiser  habe  ich  versichert,  er  könne  sich 
darauf  verlassen,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser  und  König  eintretenden 
Falles  ehrlich  erwägen  werde,  wer  der  Angreifer  sei,  worauf  mir  Seine 
Majestät  erwiderte,  daran  wolle  er  auch  keinen  AugenbHck  zweifeln; 
nur  sei  eben  zu  fürchten,  daß  es  dann  zu  spät  sein  werde,  noch  ge- 
meinsame Verabredungen  zu  treffen.  Daß  er  den  Krieg  nicht  wolle  und 
nicht  angreifen  werde,  das  wiederhole  er  auch  heute,  und  hätte  er  ge- 
hofft, wir  würden  ihm  genug  Vertrauen  schenken,  um  nicht  aus  seinem 
Wunsche,  militärische  Besprechungen  anzuknüpfen,  den  Schluß  zu  zie- 
hen, daß  er  den  Angriff  wolle  2. 

Ich  habe,  wie  schon  neulich  dem  Minister,  auch  dem  Kaiser  gesagt, 
die  österreichische  Fragestellung  wäre  keine  glückliche  gewesen  und 
hätte  zu  der  Deutung  führen  müssen,  gegen  die  er  jetzt  protestiere  "*. 

Wie  man  hierseits  zu  dieser  Form  der  Fragestellung  gekommen 
ist,  hat  Graf  Kälnoky  in  einem  an  Graf  Szechenyi  gerichteten  Erlaß  aus- 
einandergesetzt, dessen  Inhalt  Euerer  Durchlaucht  bekannt  ist. 

Der  Minister  faßt  alle  diese  Dinge  ruhiger  auf  als  sein  kaiserlicher 

85 


Herr  und  die  Armeeleitung,  und  glaubt  er  auch,  daß  man  sich  in  diesen 
Sphären  beruhigen  werde.  Er  ist  sich  aber  darüber  vollkommen  klar, 
in  welch  ungünstige  Lage  Österreich  kommen  kann,  wenn  es  die  In- 
vasion Rußlands  in  Galizien  abwarten  muß,  um  unsere  Hülfe  zu  er- 
langen. Er  weist  auch  darauf  hin,  daß  es  uns  nicht  gleichgültig  sein 
kann,  einer  Armee  zu  Hülfe  zu  kommen,  die  in  ihrem  Aufmarsch,  even- 
tuell sogar  in  ihrer  Mobilmachung,  durch  den  russischen  Einbruch  in 
Galizien  gestört  sein  wird.  Er  nimmt  aber  die  Sachen  hin,  wie  sie  von 
uns  geboten  werden,  will  damit  rechnen,  tröstet  sich  aber  damit,  daß 
eintretenden  Falles,  wenn  die  russischen  Vorbereitungen  bis  zur  Evidenz 
die  Angriffsabsichten  auf  Galizien  beweisen  werden,  wir  unmöglich  ruhig 
bleiben  können*. 

Da  ich  nicht  ausdrückhch  autorisiert  war,  die  auf  Seite  4  des  hohen 
Erlasses  Nr.  43  vom  14.  d.  Mts.*  geäußerten  Ansichten  Euerer  Durch- 
laucht über  diesen  Fall  auszusprechen,  so  habe  ich  dies  auch  nicht 
getan;  aber  ich  habe  geglaubt,  dem  Minister  nicht  widersprechen  zu 
sollen. 

Bei  jeder  Gelegenheit  bringe  ich  ihm  in  Erinnerung,  daß  wir 
wegen  Bulgariens  nicht  fechten  werden.  H.VII.  P.  Reuß 

Randbemerkungen   des    Fürsten   von   Bismarck: 

1  ?y 

2  Die  Fragsteilung  war  doch  danach;  sie  hatte  Verschiebung  des  Bündnisses 
zur  Voraussetzung;  nicht  defensiv,  sonst  konnte  nicht  Festsetzung  des 
Tages  gemeinsamer  gleichzeitiger  Mobilmachung  verlangt  werden;  das  wäre 
doch  nur  zum  Angriff  möglich. 

3  richtig 

*  wir  werden  in  solchen  Fällen  mobilisiren,  um  zur  Abwehr  des  russ[ischen] 
Angriffs  auf  Oest[er]reich  bereit  zu  sein;  das  wird  genügen,  um  Rußland  pro 
rata  von  Oestlelrfreich]  abzuziehen.  Oest[e]r[reich]  sollte  weder  vor  noch  hinter 
den  Karpathen  Stellung  nehmen,  sondern  bei  Krakau  in  Fühlung  mit  unsrem 
schlesischen  Corps,  ulnd]  für  seine  böhmischen  Truppen,  in  Schlesien  (Troppau) 


Nr.  1197 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschalter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 
Nr.  82  Berlin,  den  24.  Januar  1888 

Geheim 

Ew.pp.  gefälliger  Bericht  Nr.  31  vom  19.  er.**  hat  dem  Herrn  Reichs- 
kanzler vorgelegen,  und  derselbe  hat  sich  befriedigt  darüber  geäußert, 
daß  Ew.  pp.  dem  Kaiser  Franz  Joseph  gegenüber  die  österreichische 
Fragestellung  in  so  richtiger  Weise  kritisiert  haben;  dieselbe  hatte  die 

*  Siehe  Nr.  1191. 
♦*  Siehe  Nr.  1196. 

86 


Verschiebung  unseres  Bündnisses  zur  Voraussetzung;  sie  ging  nicht 
von  dem  defensiven  Gesichtspunkt  aus,  denn  sie  hätte  sonst  nicht 
die  Festsetzung  des  Tages  gemeinsamer  gleichzeitiger  Mobilmachung 
und  Kriegserklärung  verlangen  können;  dies  wäre  doch  nur  zum  An- 
griff möglich. 

Wenn  die  russischen  Kriegsvorbereitungen  soweit  getrieben  wer- 
den sollten,  daß  Angriffsabsichten  unzweifelhaft  zutage  treten,  so  wer- 
den wir  in  solchen  Fällen  mobilisieren,  um  zur  Abwehr  des  russischen 
Angriffs  auf  Österreich  bereit  zu  sein;  das  wird  genügen,  um  Rußland 
pro  rata  von  Österreich  abzuziehen,   pp. 

H.  Bismarck 


87 


Kapitel  XXXIX 

Russisch -Französische  Allianzfühler 
1886—1890 


Nr.  1198* 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  218  Wien,  den  12.  Mai  1886 

Der  durch  die  gestrigen  Abendzeitungen  veröffentlichte  deutsch- 
feindliche Artikel  des  „Journal  des  Debats"**  gab  meinem  russischen 
Kollegen  Veranlassung,  sich  heut  mir  gegenüber  über  die  Stimmungen 
in  Frankreich  auszusprechen, 

Fürst  Lobanow  bringt  alljährlich  mehrere  Wochen  in  Frankreich 
zu,  teils  in  Bädern,  teils  in  Paris  und  bei  Bekannten  auf  dem  Lande 
und  kennt  daher  die  Stimmung  genau.  Jedesmal,  wenn  er  hierher 
zurückkommt,  sagt  er  mir,  er  konstatiere  einen  neuen  Rückgang  dieses 
Landes  und  es  gäbe  keine  Kapazitäten,  um  dasselbe  vor  dem  gänz- 
lichen Ruin  zu  retten.  Das  einzige  Gefühl,  was  die  Menschen  dort 
noch  zu  entflammen  im  Stande  sei,  wäre  der  Rachedurst  gegen  Deutsch- 
land. Aber  um  dieses  Gefühl  zu  betätigen,  dazu  fehle  die  Energie,  und 
die  Furcht  vor  Deutschland  sei  vorherrschend. 

Kriegsminister  Boulanger  sei  ein  gefährUcher  Mensch,  aber  auch 
ihm  würde  es  nicht  gelingen,  das  Land  in  neue  Abenteuer  zu  stürzen. 
In  dem  Augenblick  aber,  wo  sich  ein  Zerwürfnis  zwischen  den  3  Kaiser- 
mächten manifestieren  würde,  welches  zu  einer  Komplikation  zwischen 
denselben  führen  könnte,  wäre  ein  Angriff  Frankreichs  auf  Deutschland 
mit  Bestimmtheit  vorauszusehen. 

Aus  diesem  Grund  sei  den  Franzosen  das  Drei-Kaiser-Bündnis  ganz 
außerordentlich  verhaßt.  Er  wolle  mir  nicht  verbergen,  daß  es  nicht 
an  Versuchen  gefehlt  hätte,  Rußland  von  uns  zu  trennen.    Nicht  von 


*  über  frühere  russisch-französische  Allianzprojekte  s.  Bd.  III,  S.  81,  Fußnote.  In 
ein  ernsthafteres  Stadium  treten  die  dahin  gerichteten  Bestrebungen,  wie  sich 
schon  aus  den  Kapiteln  über  die  deutsch-russischen  Beziehungen  seit  1886  ergab, 
im  Zusammenhang  mit  dem  drohenden  Zerfall  des  Drei-Kaiser-Bündnisscs.  Im 
folgenden  sind  eine  Anzahl  Schriftstücke  zusammengestellt,  die  sich  auf  die  ersten 
Annäherungsversuche  zwischen  Fiußland  und  Frankreich  beziehen. 
**  Nach  einem  Berichte  des  Botschafters  Grafen  Münster  vom  13.  Mai  hatte  der 
Artikel  des  „Journal  des  Debats"  vom  11.  Mai,  der  die  deutsch-französischen  Be- 
ziehungen in  unfreundlichem  Sinne  glossierte,  in  Paris  großes  Aufsehen  erregt 
und  wurde  als  eine  Wiedergabe  der  im  französischen  Auswärtigen  Ministerium 
herrschenden  Ansichten  angesehen;  Fürst  von  Bismarck  wollte  ihm  aber,  laut  einer 
Randbemerkung  zu  dem  Münsterschen  Berichte  keine  sonderliche  Bedeutung  bei- 
messen. 

91 


Propositionen  wolle  er  sprechen,  die  französischerseits  der  russischen 
Regierung  gemacht  worden  seien,  aber  man  heße  keine  Gelegenheit 
vorübergehen,  um  der  russischen  Regierung  und  dem  Hofe  zu  schmei- 
cheln und  der  Nation  den  Hof  zu  machen.  Es  sei  ordentlich  wider- 
wärtig, dieses  französische  Gebahren  zu  verfolgen.  Glücklicherweise 
machten  alle  diese  Versuche  dem  Kaiser  Alexander  keinen  Eindruck, 
und  würde  man  in  Frankreich  sehr  irre  gehen,  wenn  man  glauben  würde, 
die  Sympathien,  die  in  Rußland,  und  namentlich  unter  den  höheren 
Ständen  für  Frankreich  bestehen,  könnten  irgendwelchen  Einfluß  auf 
die  kaiserlich  russische  Regierung  haben. 

Solange  das  Dreikaiserbündnis  fest  bestünde,  so  lange  würde  Frank- 
reich keinen  Krieg  anfangen.  H.  VII.  P.  Reuß 

Nr.  119Q 

Aufzeichnung  des  Vorfragenden  Rats  in  der  Reichskanzlei  Rottenburg, 

z.  Z.  in  Kissingen 

Eigenhändig 

Kissingen,  den  22.  Juli  1886 
Der  Herr  Reichskanzler  wünscht,  daß  der  Herr  Unterstaatssekretär 
sich  bei  sich  darbietender  Gelegenheit  dem  Grafen  Schuwalow  gegen- 
über in  folgendem  Sinne  äußere: 

Wenn  ein  Engländer,  Österreicher  oder  Ungar,  der  in  seiner  Heimat 
so  gegen  Rußland  gehetzt  hätte  wie  Deroulede*  gegen  uns,  nach 
BerHn  käme,  beziehungsweise  nach  Deutschland,  so  würde  der  Reichs- 
kanzler* mit  allen  Mitteln  dessen  Ausweisung  herbeizuführen  suchen, 
und  zwar  aus  Rücksicht  für  Rußland;  Agitationen  würde  er  nicht 
dulden.  In  Rußland  aber  scheine  niemand  auf  solche  Gedanken  zu 
kommen;  im  Gegenteil.  Während  man  Deroulede  in  Odessa  äußerst 
sympathisch  empfängt,  hält  ein  russischer  General  in  Frankreich  eine 
fraternisierende  Rede  an  die  französische  Armee  angesichts  des  Denk- 
mals des  General  Chanzy,  das  die  Aufschrift  trägt,  die  französischen 
Generäle  müßten  sich  den  Marschallsstab  jenseits  des  Rheins  holen**. 
Dazu  komme  endlich  die  Sprache  der  russischen  Presse.  Alle  diese 
Erscheinungen  müßten  in  der  öffentlichen  Meinung  Deutschlands  nicht 
nur,  sondern  ganz  Europas  den  Eindruck  hervorrufen,  als  ob  wir 
nicht,  wie  wir  glaubten,  in  einem  freundschaftlichen,  sondern  in  einem 
feindlichen   Verhältnis   zu   Rußland   ständen.    Die   gedachten    Erschei- 

*  Der  Führer  der  Patriotenliga,  Deroulede,  hatte  im  Sommer  1886  eine  antideutsche 
Agitationsreise  vor  allem  nach  Rußland  unternommen,  wo  er  von  den  Panslawisten 
begeistert  aufgenommen  wurde. 

**  Bei  der  Enthüllung  des  Standbildes  des  Generals  Chanzy  in  Nouart  hatte  der 
russische  Militärattache  General  Fredericks  auf  die  Begrüßung  des  Generals 
Mathelin  mit  Ausdrücken  des  Danks  und  der  Sympathie  geantwortet. 

92 


nurigen  müßten  um  so  mehr  auffallen,  als  wir  in  allen  Fragen  das 
Menschenmögliche  täten,  um  Rußland  entgegenzukommen.  Wir  ent- 
fremden uns  durch  dieses  Entgegenkommen  andere  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  und  würden  das  System,  andre  Freundschaften  der 
Rußlands  zu  opfern,  mit  mehr  Zurückhaltung  treiben,  die  von  Rußland 
unabhängigen  Beziehungen  mehr  pflegen  müssen.  Denn  das  Verhalten 
Rußlands  erschwere  jede  Anlehnung  an  Deutschland,  wie  es  andrer- 
seits Frankreich  zum  Krieg  ermutigen  müsse.  Ist  man  sich  in  Peters- 
burg der  Eindrücke  nicht  gewahr,  die  das  russische  Verhalten  in 
Deutschland  hervorrufen  muß,  oder  ist  man  gleichgiltig  dagegen? 

Ferner  bittet  der  Reichskanzler  Herrn  von  Bülow  in  Petersburg 
zum  Bericht  darüber  aufzufordern,  ob  man  sich  dort  nicht  über  den 
schlechten  Eindruck  klar  sei,  den  die  Aufnahme  Derouledes  in  Odessa 
bei  uns  machen  müsse,  Rottenburg 


Nr.  1200 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler  Fürsten 

von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  255  Paris,  den  1.  Oktober  1886 

Ganz  vertrauUch 

Der  enghsche  Geschäftsträger*  teilte  mir  ganz  im  Vertrauen i  mit, 
daß  er  aus  guter  französischer  Quelle  erfahren  habe,  daß  hier  in  den 
letzten  Tagen  des  August  von  russischer  Seite  der  französischen  Re- 
gierung Anerbietungen  zum  Zwecke  einer  Allianz  gemacht  worden 
seien.  Wer  der  Unterhändler  gewesen,  wußte  der  Geschäftsträger 
nicht,  es  sei  aber  nicht  durch  die  hiesige  russische  Botschaft  geschehen, 
auch  habe  der  französische  Geschäftsträger  in  St.  Petersburg**  nichts 
darüber  gewußt.  Bei  den  vielen  Verbindungen,  welche  die  Russen  hier 
haben,  war  es  auch  nicht  schwer,  einen  andern  Weg  zu  finden. 

Die  Eröffnungen  seien  so  wichtig  gewesen,  daß  Herr  von  Frey- 
cinet  deshalb  den  Präsidenten  Grevy  veranlaßt  habe,  hierher  zu  kommen 
und  einen  Ministerrat  abzuhalten.  Der  Vertrag  mit  der  Telephon- 
Gesellschaft  habe  nur  als  Vorwand  gedient. 

Die  russischen  Vorschläge  haben  sich  mit  auf  Ägypten  bezogen, 
d.  h.,  Rußland  habe  dort  die  Unterstützung  der  französischen  Wünsche 
zugesagt;  es  soll  aber  auch  eine  weitergehende  Allianz  für  den  Kriegs- 
fall angeboten  worden  sein. 

Der  Präsident  Grevy,  Herr  von  Freycinet  und  die  Majorität  des 

*  E.  H.  Egerton. 

**  Ternaux-Compans, 

93 


Conseils  haben  es  für  zu  gefährlich  gehalten,  auf  diese  Anerbietungen 
einzugehen,  und  es  sei  eine  abschlägige  Antwort  beschlossen  worden. 

Herr  Egerton^  bemerkte  dabei,  er  wisse,  daß  Herrn  Blowitz^* 
ähnliche  Nachrichten  zugegangen  seien,  er  habe  sie  aber  nicht  von  ihm*. 

Herr  Biowitz,  den  ich  nicht  gesehen  habe  und  vermeide,  hat 
meinen  Bekannten  erzählt,  daß  er  ganz  bestimmt  wisse,  daß  Rußland 
Allianzvorschläge  hierher  habe  gelangen  lassen,  sagt  auch,  daß  Herr 
Grevy  deshalb  hierher  gekommen  sei,  und  behauptet,  genau  von  den 
Vorgängen  im  Ministerrate  unterrichtet  zu  sein. 

Danach  sollen  General  Boulanger,  Lockroy**,  Granet***  und  noch 
ein  radikaler  Minister  sich  sehr  bestimmt  für  die  Allianz  ausgesprochen 
haben,  und  habe  General  Boulanger  seine  Rede  damit  geendet,  daß 
er  ausgerufen  habe:  „Vous  pouvez  compter  sur  l'armee,  il  ne  lui 
manque  pas  un  bouton!"  Herr  von  Freycinet  hätte  ihm  darauf  sehr 
kalt  geantwortet,  diese  Redensarten  erinnerten  ihn  an  die  bekannten 
Worte  des  General  Leboeuf,  und  er  werde  sich  auf  eine  politique 
d'aventures  nicht  einlassen. 

Solchen  Sensationsnachrichten  des  Herrn  Biowitz,  der  jetzt  wieder 
sehr  auch  gegen  uns  hetzt,  lege  ich  gewöhnlich  kaum  Wert  bei.  Der 
italienische  Geschäftsträger,  der  hier  ganz  außerordentlich  gut  unter- 
richtet ist,  Herr  Reßmann,  glaubt  aber  auch  bestimmt ^  zu  wissen,  daß 
Rußland  hier  Anerbietungen  gemacht  habe.  Da  es  von  so  verschiedenen 
Seiten  kommt,  bin  ich  geneigt  zu  glauben,  daß  diese  Gerüchte  einen 
Grund  haben  müssen. 

Über  Herrn  von  Mohrenheims  Herkommen  ist  neuerdings  nichts 
bekannt  geworden,  er  wird  aber  wahrscheinlich  im  Laufe  dieses  Monats 
herkommen.  Münster 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

^  Tendentiös 

-  er  wird  sie  von  Biowitz  haben 

3    II 

*  ??  doch  wohl! 
=  von  Biowitz? 

Schlußbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 
Vermuthlich  alles  Biowitz  f. 

*  Bekanntlich  der  Korrespondent  der  „Times"  in  Paris. 

**  Minister  des  Handels  und  der  Industrie  im  Kabinett  Freycinet. 
***  Minister  der  Posten  und  Telegraphen. 

t  Später  ist  Bismarck  der  Ansicht  gewesen,  daß  die  Allianzfühler  auf  den 
russischen  Generalstabschef  und  dessen  Frau,  eine  gebürtige  Französin,  zurück- 
gingen. Siehe  den  in  Bd.  V,  Kap.  XXXI,  Nr.  1007,  abgedruckten  Erlaß  an  den 
Botschafter  von  Radowitz  vom  17.  Februar  1887,  wo  es  heißt:  „Die  Versuche, 
welche  im  vorigen  Jahre  nach  dem  Zeugnis  Freycinets  bei  diesem,  als  er 
Minister  war,  gemacht  worden  sind,  um  antideutsche  Verabredungen  einzuleiten, 
sehe  ich  nicht  als  amtliche  an,  sondern  vennute,  daß  sie  in  Sondierungen  be- 
stehen, die  der  General  Obrutschew  und  seine  französische  Frau  offiziös,  aber 
ohne  höheren  Auftrag  in  Paris  angestellt  haben."   Vgl.  auch  S.  19,  120. 

94 


Nr.  1201 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Staatssekretär  des 
Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.  Abschrift 

Vertraulich  Paris,  den  7.  Oktober  1886 

pp.  Daß  Ende  August  hier  von  Rußland  Annäherungsversuche 
stattfanden  und  Allianzvorschläge  auf  unoffizielle  Weise  hierherge- 
langten, bezweifle  ich,  nach  allem,  was  ich  von  verschiedensten  Seiten 
höre,  nicht  mehr.  Auf  offiziellem  Wege  geschah  es  nicht.  Wenn  auch 
dieses  Mal  die  Anerbietungen  sehr  kühl  und  abschläglich  erwidert  wur- 
den, so  werden  die  Bemühungen  von  jener  Seite  doch  fortgesetzt,  pp. 

(gez.)  Münster 

Nr.  1202 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck  für  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Reinschrift 

BerHn,  den  26.  Oktober  1886 

pp.  Als  ich  Herrn  Herbette  auf  seine  weitere  Frage,  wann  Euere 
Durchlaucht  nach  BerHn  zurückkämen,  eine  bestimmte  Antwort  nicht 
geben  zu  können  erklärte,  sagte  er,  dann  wolle  er  mich  bitten.  Euerer 
Durchlaucht  folgende  Mitteilung  zu  unterbreiten.  Seine  Worte  lauteten 
etwa: 

„Daß  wir  wichtige  Interessen  in  Ägypten  haben,  verstehen  Sie 
also;  dann  werden  Sie  auch  begreifen,  daß  wir  genötigt  sind,  dieselben 
wahrzunehmen  1;  dies  kann  nur  geschehen  mit  einer  Spitze  gegen  Eng- 
land, und  da  führt  uns  die  nächste  Erwägung  dazu,  daß  wir,  um 
etwas  zu  erreichen,  uns  nicht  an  Englands  Freunde,  sondern  an  eine 
solche  Macht  wenden  müssen,  welche  mit  England  nicht  auf  gutem 
Fuße  steht.  Ich  habe  Ihnen  schon  neulich  erklärt,  daß  alle  Gerüchte  und 
Angaben  über  Verhandlungen  mit  Rußland,  die  wir  in  Konstantinopel, 
Petersburg  oder  Paris  bereits  geführt  hätten  oder  noch  führten,  voll- 
ständig falsch  sind.  Ich  habe  mir  zum  Gesetz  gemacht,  mit  Ihnen 
cartes  sur  table  zu  spielen  und  wiederhole  Ihnen  deshalb  auf  mein 
Wort,  daß  bisher  zwischen  uns  und  Rußland  absolut  nichts  vorgefallen 
ist  2.  Das  Wort  Ägypten  ist  von  unserer  Seite  Rußland  gegenüber  noch 
gar  nicht  ausgesprochen  3,  Wir  hätten  aber  allerdings  den  Wunsch, 
uns  aus  den  oben  angegebenen  Gründen  mit  Rußland  über  Ägypten 
zu  verständigen*,  wollen  dies  jedoch  nicht  tun,  ohne  den  Herrn  Reichs- 
kanzler hiervon  zu  benachrichtigen  und  ihn  um  seine  Meinung  zu 
fragen,  denn  wir  wünschen  vor  allem  zu  vermeiden,  daß  man  in  Berlin 

95 


des  apprehensions  ou  des  preoccupations^  über  unsere  Besprechungen 
mit  Rußland  haben  könnte,  welche  sich  nur  auf  Ägypten  erstrecken 
würden.  Sobald  wir  sicher  sind,  daß  die  deutsche  Politik  nicht  gegen 
uns  mißtrauisch  wird  6,  wenn  wir  mit  Rußland  ein  Einvernehmen  her- 
zustellen suchen,  um  England  aus  Ägypten  zu  verdrängen'^,  so  werden 
wir  unsere  pourparlers  mit  Petersburg  beginnen*.*'  pp. 

H.  Bismarck 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Gewiß 

2  glaube  ich  auch 


3  ? 

4  gut 


5  wir  haben  sie  nicht 

6  nein 

7  gut 

Nr.  1203 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Staatssekretär  des 
Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.    Abschrift 
Ganz  vertraulich  Paris,  den  5.  November  1886 

pp.  Herr  von  Freycinet  begann  das  Gespräch  damit,  daß  er  mich 
fragte,  ob  ich  annehme,  daß  die  vielen  Gerüchte,  die  über  den  Geistes- 
und Gemütszustand  des  Kaisers  Alexander  in  der  Presse  und  selbst 
in  der  russischen  Kolonie  verbreitet  würden,  wirkUch  begründet  seien. 

Ich  erwiderte,  daß  ich  solche  Gerüchte  von  vielen  Seiten  allerdings 
gehört,  denselben  aber  keinen  Glauben  beimesse.  Der  Minister  er- 
widerte darauf:  „Etwas  muß  doch  daran  sein,  und  da  der  Kaiser  jetzt  die 
Auswärtigen  Angelegenheiten  seines  Reiches  anscheinend  ganz  allein 
und  mit  Umgehung  seines  Auswärtigen  Amts  führt,  wäre  die  Gefahr 
doch  entsetzlich,  wenn  der  Kaiser  nicht  Herr  seiner  selbst  wäre.  Auf  mich 
machten'',  fuhr  der  Minister  fort,  „die  Verhandlungen,  die  mit  mir  im 
direkten  Auftrage  des  Kaisers  geführt  wurden,  einen  ganz  eigentüm- 
Hchen  Eindruck,  das  sage  ich  Ihnen  ganz  im  engsten  Vertrauen.  Bei 
der  Abberufung  des  früheren  Botschafters,  des  General  Appert**,  und 

*  Vgl.  Kap.  XL,  Nr.  1233. 

**  Die  Abberufung  des  französischen  Botschafters  in  Petersburg,  General  Appert, 
war  im  Februar  1886,  angeblich  wegen  ungeschickter  Behandlung  der  Weltaus- 
stellungsfrage, tatsächlich  wegen  seiner  Bemühungen,  die  Freilassung  des  in  Frank- 
reich verhafteten  Nihilisten  Fürsten  Krapotkin  zu  hintertreiben  (Bericht  des  Bot- 
schafters in  Petersburg  von  Schweinitz  vom  21.  Februar),  erfolgt.  Kaiser  Alexander 
war  durch  die  Abberufung  des  ihm  sehr  sympathischen  Botschafters  heftig  erzürnt 
worden,  so  daß  er  seinen  eigenen  Botschafter  in  Paris,  Baron  von  Mohrenheim, 
auf  Urlaub  gehen  ließ  und  auf  die  Ankündigung  der  Ernennung  des  Generals 
Billot  an  Stelle  von  Appert  erklärte:  „Weder  diesen  noch  einen  andern". 

96 


nachher  bei  der  Verbannung  der  Prinzen*,  sprach  der  Kaiser  in  der 
heftigsten,  beleidigendsten  Weise  über  die  RepubUk  und  über  mich 
und  erklärte,  daß  er  weder  den  General  Billot  noch  irgendeinen  an- 
dern Botschafter  empfangen  werde  und  den  Verkehr  durch  Bot- 
schafter mit  der  Republik  überhaupt  nicht  wolle.  Der  Kaiser  mußte 
annehmen,  und  schien  es  auch  seine  Absicht  zu  sein,  daß  diese  Äuße- 
rungen  zu   unserer   Kenntnis   gelangen   würden. 

Groß  war  daher  mein  Erstaunen,  als  anfangs  September  plötzlich 
von  einem  Vertrauten  des  Kaisers  eine  ganz  andere  Sprache  geführt 
und  mir  Vorschläge  gemacht  wurden,  die  ich  Ihnen  gegenüber  nicht 
näher  angeben  will,  die  Sie  wohl  erraten  werden  und  die  sehr  weit 
gingen.  Präsident  Grevy,  ich  und  die  Majorität  meiner  Kollegen  wollen 
keine  politique  d^aventures,  und  so  haben  wir  in  höflicher  und  verbind- 
licher Weise,  aber  durchaus  ablehnend,  geantwortet**."  Darauf  habe 
er  nichts  weiter  gehört,  sei  auch  überzeugt,  daß  Herr  von  Giers  nichts 
davon  gewußt  habe.  Vor  etwa  12  Tagen  sei  darauf  wieder  im  Auf- 
trage des  Kaisers  (ich  glaube  durch  ein  Mitglied  der  kaiserlichen 
Familie)  Herrn  von  Freycinet  gesagt  worden,  der  Kaiser  habe  be- 
schlossen, die  Beziehungen  mit  Frankreich  durch  Botschafter  wieder- 
herzustellen. Herr  von  Mohrenheim  habe  Befehl  erhalten,  spätestens 
bis  Ende  November  wieder  auf  seinem  Posten  in  Paris  zu  sein,  und 
Seine  Majestät  wünsche,  daß  Herr  von  Freycinet  einen  Botschafter, 
womöglich  aus  der  diplomatischen  Karriere  vorschlagen  möge!  Herr 
von  Freycinet  sagte  mir,  er  habe  sich  eigentUch  noch  gar  nicht  für 
eine  Persönlichkeit  ganz  entschieden  gehabt  und  zwischen  mehreren 
Botschaftern  geschwankt,  habe  aber,  als  er  sehr  gedrängt  wurde,  ge- 
fragt, ob  etwa  Herr  von  Laboulaye***  genehm  sein  würde.  Mit  merk- 
würdiger Schnelligkeit  sei  sofort  die  Antwort  gekommen  und  Herr 
von  Laboulaye  angenommen  worden,  ehe  er  eigentlich  wirklich  vorge- 
schlagen wurde.  Er  mußte  infolgedessen  ernannt  werden.  Ich  habe  mich 
eigentlich,  trotzdem  daß  Herr  von  Freycinet  mir  sehr  viel  Vertrauen 
zeigt  und  stets  gern  lange  und  ich  glaube  ziemlich  offen  mit  mir  spricht, 
gewundert,  daß  er  mir  diese  Mitteilung  machte.  Es  zeigt  das,  daß  er 
entweder  ernsthch  an  eine  geistige  Störung  des  Kaisers  Alexander 
glaubt  oder  in  diesem  allerdings  rätselhaften  Benehmen  eine  Falle 
fürchtet. 

Was  will  aber  der  Ruski  uns  gegenüber  damit  bezwecken?  Glaubt 
er  etwa  dadurch  unsere  Allianz  zu  befestigen??  Es  ist  jedenfalls  gut, 
daß    wir   das   alles   wissen,   und   mich   freut   es,   daß   meine   früheren 


*  Auf  Grund  eines  von  der  französischen   Deputiertenkammer  im  Juni  1886  ge- 
faßten Beschlusses  waren  die  Häupter  aller  Familien,  welche  in  Frankreich  regiert 
hatten,  und  ihre  unmittelbaren  Erben  aus  Frankreich  verbannt  worden. 
♦*  Vgl.  Nr.  1200,  1201. 
***  Bis  dahin  Botschafter  in  Madrid. 

7    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  97 


Nachrichten  richtig  waren,  und  mir  Freycinet  jetzt  selbst  das  russische 
Anerbieten  der  AHianz  im  September  bestätigte. 

Sie  werden  aus  einem  längeren  Situationsberichte  ersehen,  wie 
ich  die  Sachen  hier  ansehe,  daß  man  hier  wirklich  Frieden  will  und 
bei  der  jetzigen  Lage  der  Republik  und  der  Parteien  auf  keine  ge- 
fährlichen Unternehmungen  sich  einlassen  wird,  ist  meine  Überzeugung. 

Auf  eine  russische  Allianz  geht  man  gewiß  hier  nicht  leicht  ein, 
und  insofern  ist  die  Situation  günstiger  als  sie  bisher  war. 

(gez.)  Münster 


Nr.  1204 

Der  Vortragende  Rat  im  Auswärtigen  Amt  Graf  zu  Rantzau, 
2.  Z.  in  Varzin,  an  das  Auswärtige  Amt 

Telegramm.  Entzifferung 

Nr.  41  Varzin,  den  9.  November  1886 

Reichskanzler  hat  soeben  Nachstehendes  nach  St.  Petersburg  tele- 
graphiert*: „Aus  Paris  geht  mir  glaubwürdige  Meldung  zu**,  daß 
dort  im  Anfang  September  unerwartet  durch  einen  Vertrauten  des 
Kaisers  Alexander  Herrn  von  Freycinet  „weitgehende  Vorschläge"  ge- 
macht worden  seien,  und  vor  etwa  14  Tagen  wiederum  im  Auftrage  des 
Kaisers  Alexander  ohne  Mitwirkung  des  Herrn  von  Oiers  unter  Be- 
tonung des  russischen  Wunsches  nach  sofortiger  Wiederbesetzung  des 
französischen  Botschafterpostens  in  St.  Petersburg  und  Mitteilung,  daß 
Baron  von  Mohrenheim  Ende  November  wieder  auf  seinem  Posten 
eintreffen  würde;  die  jüngste  Eröffnung  durch  ein  Mitglied  der  kaiser- 
üchen  Familie. 

Sind  Euerer  Exzellenz  keine  Symptome  dieser  geheimen  und  di- 
rekten Verhandlungen  erkennbar  geworden?"  Rantzau 


Nr.  1205 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Telegramm.  Entzifferung 

Nr.  1  St.  Petersburg,  den  9.  November  1886 

Antwort  auf  Telegramm  Nr.  1  ***.  Mir  ist  nicht  erkennbar  geworden, 
daß    Kaiser   Alexander   in    geheimer,    seiner   Natur    widersprechender 

*  Mittels  Telegramm  Nr.  1   vom  9.  November 
**  Vgl.  Nr.  1203. 
***  Vgl.  Nr.  1204. 

98 


Weise  in  direkte  Beziehungen  zu  Staatsmännern  getreten  sei,  welche 
er  wenige  Monate  zuvor  als  „ignoble  gouvernement  et  canailles"  öffent- 
lich bezeichnete.  Die  Wiederherstellung  der  Vertretung  durch  Bot- 
schafter war  von  Anfang  an  im  Wunsche  der  beiderseitigen  Minister 
der  Auswärtigen  Angelegenheiten  und  erfolgte,  sobald  es  gelang,  die 
Zustimmung  Seiner  Majestät  zu  erhalten,  wozu  die  Großfürsten  Wladimir 
und  Alexis  viel  beitrugen.  Zu  den  hierzu  nötigen  Verhandlungen  ge- 
nügten die  Geschäftsträger  Kotzebue*  und  d'Ormesson**,  und  es  bc; 
durfte  keiner  außeramtlichen  Vertrauensmänner, 

Wenn,  woran  ich  nicht  zweifele,  Tripotagen  stattfanden  und  noch 
im  Gange  sind,  so  glaube  ich  doch  nicht,  daß  Seine  Majestät  darum 
wisse.  Vielleicht  haben  Katkowsche  Agenten  den  kaiserlichen  Namen 
mißbraucht.  Bericht  folgt.  Schweinitz 


Nr.  1206 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  428      .  St.  Petersburg,  den  9.  November  1886 

Geheim 

pp.  Während  ich,  selbst  in  den  schhmmsten  Tagen  des  Sommers 
1879  die  Überzeugung  aussprechen  durfte,  es  sei  psychologisch  unmög- 
lich, daß  Kaiser  Alexander  II.,  der  nur  mit  Tränen  im  Auge  von  den 
Erinnerungen  seiner  Kinderzeit,  von  seiner  Mutter  und  von  Potsdam 
sprach,  freiwillig  zum  Kriege  gegen  uns  schreiten  könne,  so  bin  ich 
jetzt  keineswegs  imstande,  in  der  Naturanlage  des  jetzigen  Kaisers 
ähnliche  Garantien  zu  suchen.  Von  pietätsvollei  Erinnerung  an  die 
Großeltern  und  an  die  gemeinsamen  Heldentaten  der  \X'atfenbrüder 
von  1813/14  ist  bei  Alexander  III.  keine  Spur  zu^finden.  Die  Andenken 
an  Berlin  und  Potsdam,  mit  welchen  die  Gerfiäch'ir  .seines  Vaters  und 
seines  Großvaters  angefüllt  sind,  haben  für  ihn  nicht  das  geringste  Inter- 
esse; es  hat  ihn  vielmehr  in  seiner  frühen  j:jg;end-  oft  gelan:g\v^e\l.'  und 
geärgert,  wenn  sein  erhabener  Vater  so  gern  und  so  viel  von  diesen 
Dingen  sprach.  Für  unseren  allergnädigsten  Kaiser  und  Herrn  hegt 
Seine  Majestät  hohe  Verehrung,  für  Seine  Kaiserliche  und  Königliche 
Hoheit  den  Kronprinzen  aufrichtige  Achtung,  für  Seine  Königliche  Ho- 
heit den  Prinzen  Wilhelm  Freundschaft  und  für  Euere  Durchlaucht  Be- 
wunderung und  Furcht.  Im  übrigen  aber  bieten  uns  höchstseine 
Gefühle  nicht  die  geringste  Garantie,  und  von  Ihrer  Majestät  der 
Kaiserin  ist  in  dieser  Richtung  kein  günstiger  Einfluß   zu   erwarten; 

*  M.  V.  Kotzebue,  Russischer  Botschaftsrat  und  Geschäftsträger  in  Paris. 
**  Comte  d'Ormesson,  französischer  Geschäftsträger  in  Petersburg. 

7'  gg 


diese  hohe  Frau  hat  die  Eindrücke,  welche  sie  im  Jahre  1864  empfing, 
nicht  verwunden.  Nur  wenn  ein  neues  dynastisches  Band  die  beiden 
Herrscherhäuser  verknüpfte,  könnte  man  auf  dem  Gebiete  der  Gefühis- 
poiitik  von  der  Zukunft  etwas  erwarten. 

Wenn  ich  es  trotzdem  auf  mich  nehme,  mit  einiger  Bestimmtheit 
meine  Zweifei  auszusprechen,  daß  Kaiser  Alexander  III.  imstande  sei,  in 
direkte,  heimhche  Beziehungen  zu  unseren  westlichen  Nachbarn  zu 
treten!,  §0  finde  ich  meine  Gründe  auf  einem  ganz  anderen  Terrain, 
nämlich  auf  dem  der  Interessen,  der  Wünsche  und  der  instinktiven  Dis- 
position. Diese  letztere  macht  den  Monarchen  abgeneigt,  sich  mit  der 
Republik  einzulassen.  Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  für  Nuancen  wenig 
Verständnis  und  begreift  nicht,  wie  schwer  er  das  Prinzip,  auf  wel- 
chem seine  Macht  beruht,  durch  eine  Politik  schädigt,  welche  süd- 
slawische anarchistische  Bewegungen  fördert;  daß  aber  Frankreich  eine 
Republik  ist,  erscheint  Seiner  Majestät  als  unsympathisch  und  gefähr- 
lich, besonders  solange  sie  den  Krapotkins  und  Genossen  freie  Be- 
wegung gestattet. 

Das  Interesse,  welches  gute  Beziehungen  zu  uns  für  ihn  haben, 
hegt  so  klar  vor  Augen,  daß  er  sich  ihm  gar  nicht  verschließen  kann, 
wenn  er  es  auch  nicht  annähernd  im  ganzen  Umfange  begreift.  Der 
Kaiser  fühlt,  daß,  wenn  auch  nicht  seine  Sicherheit,  so  doch  seine  Be- 
quemlichkeit durch  ein  Zerwürfnis  mit  uns  gefährdet  sein  würde;  ein 
starkes,  wahrhaft  monarchisches  Deutschland  neben  sich  zu  haben, 
ist  Seiner  Majestät  angenehm,  und  partikularistische  Tendenzen  im 
deutschen  Reiche  werden  bei  Alexander  III.  keine  Ermutigung  finden. 
Nachdem  er,  hauptsächUch  infolge  einer  denkwürdigen  Unterredung, 
welche  er  noch  als  Thronfolger  mit  unserem  Kronprinzen  im  Anitsch- 
kowpalaste  1880  hatte,  die  vorgefaßte  Meinung,  daß  wir  die  baltischen 
Provinzen  begehrten,  fallen  ließ,  sieht  er  ohne  Besorgnis  auf 
unsere  Größe  und  würde  diese  sogar  ruhig  wachsen  sehen,  wenn  hier- 
durch eine  der  stärksten  seiner  Idiosynkrasien  begünstigt  würde,  näm- 
lich seine  Abneigung  gegen  Österreich. 

Einstimmend  ii?  das  ceterum  censeo  Pobedonoszews  ist  nämlich 
Kaiser  Alexander  HI.  überzeugt,  daß  dieser  Staat  nicht  mehr  lange  be- 
stehen kann;,  Seine  Majestät  läßt  sich  auch  nicht  ausreden,  daß  wir 
dessen  deutsche  Provinzen  haben  wollen  und  nehmen  müssen  2;  er 
würde  nichts  dagegen  einzuwenden  haben,  vorausgesetzt  daß  Rußland 
Galizien  bekäme  3. 

Alexander  III,,  dem  es  nicht  an  der  normalen  Begabung  einer 
kräftigen  Natur  fehlt,  der  Schönheitssinn  und  musikalisches  Talent  hat 
und  mehr  Belesenheit  und  Kenntnisse  besitzt,  als  er  zeigt,  ist  nicht  reich 
an  Ideen,  aber  er  hält  fest  an  denen,  welche  er  sich  zu  eigen  gemacht 
hat,  und  gibt  sich  nicht  die  Mühe,  sie  bis  in  ihre  weiteren  Konsequenzen 
durchzudenken ;  frei  beieinander  leben  in  seinem  Kopfe  die  Gedanken, 
und   in  Gatschina  ist  niemand,  der  Seine  Majestät  darüber  belehren 

100 


könnte,  wie  hart  im  Räume  sich  die  Dinge  stoßen.  Dies  gilt  nun  auch 
von  der  prädominierenden  Idee  des  Kaisers,  nämlich  von  seinem  tief- 
gewurzelten  Wunsche,  die  Meerengen  zu  beherrschen*;  er  glaubt  jetzt, 
infolge  bekannter  Eröffnungen,  daß  wir  ihn  in  dieser  Bestrebung  unter- 
stützen werden,  und  daß  Deutschland  die  einzige  Macht  in  Europa  ist, 
die  ihm  dabei  helfen  will  und  kann  5.  In  dem  Bewußtsein,  in  diesem 
Wunsche  mit  dem  dunklen  Drange  seines  Volkes,  mit  der  traditionellen 
Politik  und  mit  den  Tendenzen,  wie  auch  mit  den  Interessen  der 
nissischen  Gesellschaft  in  Übereinstimmung  zu  sein,  hält  Alexander  III. 
dieses  Ziel  fest  im  Auge.  Ohne  Verständnis  für  Nuancen,  wie  ich  mir 
zu  wiederholen  erlaube,  macht  Seine  Majestät  vielleicht  nicht  die  Unter- 
scheidung, welche  in  der  Meerengenfrage  so  wichtig  ist,  nämhch  ob 
er  den  Schlüssel  oder  nur  einen  Riegel  will.  Maßvolle  russische  Poli- 
tiker würden  sich  nämlich  damit  begnügen,  den  Bosporus  für  fremde 
Kriegsschiffe  materiell  sperren  zu  können,  ohne  freie  Ausfahrt*^  durch 
die  Dardanellen  für  die  eigene  Kriegsflotte  zu  fordern  und  zu  sichern. 
Für  ersteres  würde  vielleicht  Frankreichs  Zustimmung  zu  erreichen 
sein,  für  letzteres  aber  nicht,  wenigstens  solange  nicht,  als  diese  Mittel- 
meermacht'^  nicht  die  ganze  Staatsraison  der  Revanche  unterordnet. 

Ich  darf  also  wohl  die  Meinung  aussprechen,  daß  der  Kaiser  Ale- 
xander sich  nicht  eng  an  das  republikanische  Frankreich  anschließen 
wird,  solange  er  die  Aussicht  hat,  mit  unserer  Zustimmung  an  die 
Meerengen  vordringen  zu  können;  ich  wage  aber  die  ehrerbietige  An- 
sicht Euerer  Durchlaucht  zu  unterbreiten,  daß  es  sich  empfehlen  dürfte, 
dem  Kaiser  unsere  Konnivenz  als  eine  nicht  ganz  leicht  erreichbare, 
sondern  als  eine  nur  durch  korrekte  Politik  im  Auslande  und  an  die 
Grenze  zu  verdienende  erscheinen  zu  lassen.  II  faut  lui  tenir  la  dragee 
haute,  sonst  denkt  Seine  Majestät,  es  sei  eine  Lockspeise;  schon  jetzt 
wird  ihm  dies  von  verschiedenen  Seiten,  unter  anderen  auch  von  der 
„Moskauer  Zeitung"  angedeutet,  pp.  v.  Schweinitz 

Randbemerkungen  Kaiser  Wilhelms  I.: 

-  Ich  habe  dem  Kaiser  Nicolas  u[nd]  Alexander  11  gesagt:  Lasset  doch  den 
deutschen  Provinzen  ihre  Privilegien,  Religion  u[ndl  Sprache,  damit  sie  sich 
nicht  nach  Deutschland  umsehen.  Vergeblich!  W. 

3    II 

*  Das  ist  eigentlich  seit  einem  Jahrhundert  die  Idee  ganz  Rußlands.  Seit  dem 
Berliner  Frieden,  wo  das  uncivilisirte  Land  der  Balkan  Halb  Insel  zu  selb- 
ständigen Staaten  geworden  sind,  ist  dieser  russische  Traum  sehr  schwierig  zu 
realisiren  geworden,  daher  auch  die  sehr  ernste  Verstimmung  selbst  beim 
Kaiser  Nicolas,  da  seine  Siegreiche  Armee  vor  u[nd]  sogar  auch  in  Constanti- 
nopel  stand!   W. 

5    pp 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Dann  müßte  Freycinet  doch  sehr  dreist  lügen! 

^  ??  der  Kaiser  schwerlich! 

"  desto  besser;  es  war  das  Napoleons  Vorwand  zum  Krimkriege,  mir  gegenüber 
ex  post  1857.  Er  behauptete  Rußland  würde  ihm  im  Mittelmeer  zu  stark  ge- 
worden sein,  wenn  usw. 

101 


Nr.  1207 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes 
Graf  Herbert  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in  Petersburg 

von  Schweinitz 

Konzept 

Nr.  840  Berlin,  den  16.  November  1886 

Geheim 

pp.  In  der  Meerengenfrage  will  der  Kaiser  Alexander  natürlich 
nicht  nur  einen  Riegel,  sondern  den  Schlüssel  haben;  und  ich  halte  es 
nicht  für  praktisch,  ihm  zu  verhehlen,  daß  wir  vollkommen  bereit  sind, 
seine  Besitzergreifung  dieses  Schlüssels  zuzulassen*:  Wenn  wir  dem 
Kaiser  den  Korb  hoch  hängen  und  ihn  über  unsere  Stellung  in  der 
Meerengenfrage  im  Zweifel  lassen,  so  möchte  er  mißtrauisch  werden, 
da  er  ganz  gut  weiß,  daß  die  deutschen  Interessen  hierbei  nicht  auf 
dem  Spiele  stehen.  Daß  wir  nicht  alles,  was  uns  von  Rußland  zu- 
gemutet wird,  zu  akzeptieren  bereit  sind,  wird  der  Kaiser  Alexander 
aus  den  Kampfzöllen  ersehen,  zu  denen  wir  bei  der  geringen  Aussicht 
auf  eine  zollpolitische  Verständigung  vermutlich  doch  zu  schreiten  ge- 
nötigt sein  werden.  Die  russische  Ausfuhr  nach  Deutschland  ist  sehr 
viel  stärker  als  die  unserige  dorthin.  Letztere  nimmt  nur  etwa  3000 
Waggons  jährlich  in  Anspruch,  während  die  russische  Ausfuhr  nach 
Deutschland  zwischen  30000  und  50000  Waggons  alljährlich  belastet. 
Je  mehr  wir  voraussehen  müssen,  daß  wir  auf  handelspolitischem  Ge- 
biete zu  Kampfzöllen  kommen,  um  so  mehr  ist  es  notwendig,  daß  wir 
kein  Geheimnis  daraus  machen,  was  wir  auf  politischem  Gebiet  an  sehr 
viel  Wichtigerem  konzedieren  können:  Wir  würden  nicht  gut  tun, 
letzteres  zu  verschweigen,  und  ich  habe  sogar  dem  englischen  Bot- 
schafter schon  gesagt,  nicht  nur  Bulgarien,  sondern  auch  Konstanti- 
nopel wäre  uns  vollkommen  gleichgültig. 

In  Anknüpfung  des  Vorstehenden  beauftragte  Fürst  Bismarck  mich 
noch  Ew.  zu  sagen,  er  teile  ganz  Ihre  Ansicht,  daß  Frankreichs  Zu- 
stimmung für  die  Aushändigung  der  Dardanellen  an  Rußland  nicht 
so  leicht  zu  erlangen  sein  würde;  auch  er  hielte  es  bisher  noch  nicht 
für  wahrscheinlich,  daß  Frankreich,  welches  seine  Mittelmeerinteressen 
neuerdings  so  scharf  betone**,  die  ganze  Staatsraison  der  Revanche- 
idee unterordnen  werde.  Die  Gefahr,  welche  vor  dem  Krimkriege  be- 
stand, daß  der  Kaiser  Nikolaus  bis  an  das  Ägäische  Meer  vordringen 
konnte,  hätte  dem  Kaiser  Napoleon  den  Vorwand  zur  Beteiligung  an 
jenem  Kriege  gegeben:  dieser  Monarch  hätte  das  Seiner  Durchlaucht 


Vgl.  dazu  Bd.  V,  Kap.  XXX!,  Nr.  992,  S.  79. 
"  Vgl.  Kap.  XL,  Nr.  1233. 


102 


selbst  im  Jahre  1857  ex  post  angegeben.  Der  Kaiser  Napoleon  be- 
hauptete damals,  Rußland  würde  ihm  im  Mittelmeer  zu  stark  werden, 
wenn  es  erst  über  die  griechischen  Matrosen  für  seine  Flotte  disponieren 
könnte.  Er  hat  damals,  als  Fürst  Bismarck  sich  auf  einer  vertraulichen 
Mission  wegen  der  Neuchäteler-Frage  in  Paris  befand*,  demselben  ge- 
sagt, er  würde  binnen  kurzem  einen  Krieg  gegen  Österreich  führen 
müssen,  um  dieses  aus  Italien  hinausdrängen  und  aus  letzterer  Macht 
eine  französische  Dependance  zu  machen.  Er  hat  dabei  geäußert: 
„Je  ne  dis  pas  que  je  veux  faire  de  la  Mediterranee  un  lac  frangais, 
mais  pourtant  ä  peu  pres  la  meme  chose."  Diese  vom  Kaiser  Napoleon 
erstrebte  Suprematie  im  Mittelmeere  würde  ihm  nach  seiner  Ansicht 
unmöghch  oder  wenigstens  nachdrückUch  streitig  gemacht  worden  sein, 
wenn  Rußland  bis  zu  demselben  Meere  vorgedrungen  wäre. 

Es  ist  allerdings  zweifelhaft,  ob  die  heutigen  französischen  Staats- 
männer sich  noch  von  den  gleichen  Ideen  leiten  lassen,  welche  den 
letzten  Kaiser  der  Franzosen  beseelten.  Immerhin  ist  aber  denkbar,  daß 
die  französische  Politik  eine  antirussische  Tendenz  anzunehmen  ge- 
zwungen sein  wird,  wenn  sie  erst  in  Rußland  einen  Mitbewerber  um  die 
Herrschaft  im  Mittelmeer  erbUckt,  und  in  unserem  Interesse  liegt  es 
deshalb,  die  hierauf  gerichteten  russischen   Bestrebungen   zu  fördern. 

H.  Bismarck 


Nr.  1208 

Der  Botschalter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Staatssekretär  des 
Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.    Abschrift 

Ganz  vertraulich  Paris,  den  20.  Dezember  1886 

pp.  !Was  von  englischer  und  italienischer  Seite  über  Eröffnungen 
der  Russen  im  November  gemeldet  wurde,  ist  insofern  irrtümlich,  als 
das  sich  auf  die  Anknüpfung  der  diplomatischen  Beziehungen  bezog, 
die  ersten  Alhanzanerbietungen  wurden  Ende  August  oder  anfangs 
September  gemacht,  und  als  die  abgelehnt  waren,  kam  man  im  Novem- 
ber von  russischer  Seite  auf  die  Botschafterfrage  zurück.  Gleichzeitig 
(anfangs  oder  ausgangs  September)   ist  Italien   sondiert**  und  die  Frage 


*  Anfang  April  1857  hatte  sich  der  damalige  preußische  Bundestagsgesandte  von 
Bismarck  zu  Besprechungen  über  die  Neuenburger  (Neuchäteler)  Frage  nach  Paris 
begeben,  wo  er  mehrfach,  u.  a.  am  12.  April,  Audienzen  bei  Kaiser  Napoleon  III. 
hatte.  Vgl.  v.  Poschinger,  Preußen  im  Bundestag  1851—1859  Bd.  III,  S.  94  ff., 
IV,  257  ff. 
**  Vgl.  Bd.  IV,  Kap.  XXIV,  Nr.  825. 

103 


Triest  und  Trient  von  russischer  Seite  bei  Italien  berührt  und  sind  An- 
erbietungen gemacht.  Mir  ist  dies  von  jemandem,  der  es  weiß,  unter  dem 
Siegel  der  Verschwiegenheit  bestimmt  versichert  worden*,  pp. 

(gez.)  Münster 


Nr.  1209 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  490  St.  Petersburg,  den  23.  Dezember  1886 

Herr  von  Giers  sagte  mir  heute  aus  eigener  Initiative: 
„Über  die  Ernennung  des  Herrn  Laboulaye  sind  von  französischer 
Seite,  sei  es  in  böser  Absicht,  sei  es  aus  naiver  Unkenntnis  der  im 
diplomatischen  Verkehr  üblichen  Formen  solche  Fabeln  verbreitet  wor- 
den, daß  ich  die  Tatsachen  noch  einmal  richtig  stellen  möchte.  Daß 
Kaiser  Alexander  III.  dans  son  for  interieur  für  die  französischen  Repu- 
blikaner nur  Verachtung  und  Ekel  (mepris  et  degout)  empfindet,  weiß 
alle  Welt.  Diese  Gefühle  des  Kaisers  für  die  Franzosen  traten  nach 
außen  hervor,  als  gegen  den  Wunsch  Seiner  Majestät  der  General 
Appert  abberufen  wurde**,  welcher  ihm  als  Feind  der  radikalen  Bande 
sympathisch  war.  Mohrenheim  mußte  auf  Befehl  des  Kaisers  Paris 
verlassen.  Darüber  gerieten  die  Franzosen  in  Verzweiflung.  Sie  ver- 
folgten uns  mit  Bitten  und  Flehen,  wir  möchten  doch  die  regulären 
diplomatischen  Beziehungen  wieder  herstellen.  Ils  etaient  litteralement 
ä  genoux  devant  nous.  Ich  sagte  an  Ternaux-Compans  und  Ormesson 
und  ich  schrieb  an  Kotzebue,  daß  die  Franzosen  sich  gedulden  sollten. 
Endlich,  im  Oktober,  schien  mir  der  Augenblick  gekommen,  wieder 
Mohrenheim  nach  Paris  zu  schicken  und  hier  einen  französischen  Bot- 
schafter zu  admittieren.  Jeder  Minister  des  Äußern  würde  den  Wunsch 
gehabt  haben,  in  formaler  Hinsicht  zu  allen  Großmächten  normale  Be- 
ziehungen zu  unterhalten,  auch  zu  Frankreich,  wie  erbärmlich  auch  die 
gegenwärtigen  französischen  Machthaber  sind.  Der  Kaiser  teilte  meine 
Auffassung,  legte  aber  gar  kein  besonderes  Gewicht  darauf,  weder  Mohren- 
heim in  Paris  zu  sehen,  noch  hier  einen  französischen  Botschafter.  Als  die 
Franzosen  erfuhren,  daß  sie  Mohrenheim  zurückerhalten  sollten  und  wieder 
einen  Botschafter  hierhersenden  dürften,  waren  sie  außer  sich  vor  Freude 
(ils  etaient  fous  de  joie).  Herr  von  Freycinet  bat,  wir  möchten  keinen 
General  verlangen,  weil  dies  General  Billot  verletzen  würde,  den  der 


♦  Ein  weiterer  Teil  des  Briefes  wird  abgedruckt  in  Kap.  XL,  Nr.  1237. 
**  Vgl.  Nr.  1203,  S.  96,  Fußnote. 

104 


Kaiser  bekanntlich  dreimal  refüsiert  hatte:  „Tant  mieux",  meinte  dazu 
der  Kaiser,  „si  le  nouvel  ambassadeur  fran^ais  n'est  pas  un  militaire, 
je  le  verrai  d'autant  moins".  Nun  proponierten  uns  die  Franzosen 
Laboulaye  oder  Lefebvre  de  Behaine*.  Ich  wählte  den  ersteren,  weil 
ich  ihn  kannte,  während  ich  von  dem  letzteren  nie  etwas  gehört  hatte. 
Wenn  die  französischen  Zeitungen  behaupten,  wir  hätten  um  Laboulaye 
gebeten,  so  ist  das  lächerHch.  Wir  brauchen  die  Franzosen  überhaupt 
um  nichts  zu  bitten;  ils  sont  ä  plat  ventre  devant  nousl  II  y  a  des 
Russes  qui  pensent  que  nous  devrions  profiter  de  cette  disposition 
des  Frangais  pour  nous  faire  tirer  par  eux  les  marrons  du  feu;  mais 
je  crois  moi,  et  TEmpereur  croit,  que  toute  intimite  reelle  avec  la 
France  ne  ferait  que  nous  compromettre,  tant  au  point  de  vue  de 
notre  politique  interieure  que  relativement  ä  notre  avenir  en  Orient." 

B.  von  Bülow 


Nr.  1210 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck** 

Ausfertigung 

Nr.  497  St.  Petersburg,  den  24.  Dezember  1886 

Geheim 

pp.  Den  stärksten  Eindruck  machte  Herrn  von  Giers  der  Satz  des 
Erlasses***,  wo  daran  erinnert  wird,  wie  Herr  von  Freycinet  dem 
Kaiserlichen  Botschafter  in  Paris  eröffnete,  daß  ihm  von  russischer  Seite 
Anerbietungen  gemacht  worden  wären  im  Sinne  einer  russisch-französi- 
schen Kooperation  gegen  Deutschland.  Der  Minister  fühlte  sich  ver- 
anlaßt in  fließenderer  und  nachdrücklicherer  Sprachweise  als  dieselbe 
ihm  sonst  eigen  ist,  mir  über  diesen  Punkt  zu  erklären:  „Ich  freue 
mich,  darüber  mit  Ihnen  sprechen  zu  können.  Ich  fiel  aus  den  Wolken, 
als  mir  neulich  General  von  Schweinitz  die  Berichte  des  Grafen  Münster 
über  die  französischen  Insinuationen  gegen  meinen  Kaiserf  vorlegte. 
Ich  habe  über  diese  Sache  gestern  mit  Seiner  Majestät  geredet.  Der 
Kaiser  hat  mir  geantwortet,  er  begreife  nicht,  wie  die  Franzosen  so 
etwas  über  ihn  verbreiten  könnten.  Ich  will  mir  den  Kopf  abschneiden 
lassen,  wenn  der  Kaiser  jemals  den  Franzosen  Avancen  gemacht  hat 
(Je  me  fais  couper  la  tete,  si  l'Empereur  a  jamais  fait  des  avances  aux 


*  Französischer  Botschafter  beim   Päpstlichen  Stuhle. 
**  Teilweise  bereits  abgedruckt  Bd.  V,  Nr.  1003. 
***  Vgl.  Bd.V,  Nr.  1001. 
t  Vgl.  Nr.  1204,  1208. 


105 


Francais).  Ich  kann  so  sprechen,  weil  ich  den  Charakter  meines  Sou- 
veräns kenne,  der  weder  fähig  ist  mich  zu  täuschen,  noch  sich  mit  den 
Franzosen  einzulassen.  Beides  stände  in  völHgem  Widerspruch  zu  der 
Natur  des  Kaisers.  Es  ist  das  einfach  undenkbar;  ich  erkläre  Ihnen 
dies  feierlich.  Ich  will  nicht  behaupten,  daß  nicht  in  Paris  intrigiert 
worden  ist.  11  a  du  y  avoir  une  trame  quelconque,  je  ne  le  nie  pas. 
Aber  diese  Intrigen  sind  nicht  von  Seiner  Majestät  autorisiert  worden, 
noch  von  einem  Großfürsten  ausgegangen.  Ich  habe  wohl  einen  Augen- 
blick an  den  Großfürsten  Alexei  gedacht,  bin  jedoch  von  diesem  Arg- 
wohn wieder  abgekommen.  Der  Großfürst  hat  erst  neulich  zu  Staal 
geäußert:  „Paris,  c'est  fort  drole  et  amüsant,  mais  Dieu  nous  garde 
d'une  alliance  avec  la  France.  II  n'y  a  pas  de  fonds  ä  faire  sur  les 
Frangais,  et  puis  ce  serait  l'envahissement  de  la  revolution.  11  faut 
rester  avec  TAllemagne.**  Dem  Prinzen  Eugen  Beauharnais*  traue  ich 
nicht  den  Mut  zu,  im  Widerspruch  zu  den  ihm  bekannten  Prinzipien 
und  Ansichten  des  Kaisers  PoHtik  zu  treiben."  Ich  sagte  dem  Minister, 
daß  die  Weisheit  und  Charakterfestigkeit  Seiner  Majestät  des  Kaisers 
Alexander  nirgends  mehr  anerkannt  würden  wie  bei  uns,  wo  auch  das 
Vertrauen  in  den  russischen  Minister  des  Äußeren  ein  festbegründetes 
sei.  Es  bleibe  aber  doch  die  Tatsache  bestehen,  daß  der  französische 
Minister  des  Äußern  unserem  Botschafter  amtUch  erklärt  habe,  es  habe 
sich  Rußland  um  die  französische  Allianz  gegen  Deutschland  beworben, 
sei  hiermit  jedoch  abgefallen,  Meldungen  aus  verschiedenen  europä- 
ischen Hauptstädten  deuteten  darauf  hin,  daß  die  Pariser  Regierungs- 
leute auch  anderen  Vertretern  dieselbe  Confidence  gemacht  hätten. 
Sichtlich  geärgert  rief  Herr  von  Giers:  „Diese  verfluchten  Franzosen 
(ces  sacres  Francais)  sind  eine  Bande  von  Schwindlern,  sie  haben  keine 
Ahnung  von  Geschäften,  sie  halten  jeden  durchreisenden  Russen  für 
einen  Vertrauensmann  des  Kaisers,  auf  jede  Phrase  bauen  sie  einen 
Berg  von  Hoffnungen  und  Träumen.  Freycinet  scheint  zu  glauben, 
daß  ich  nur  noch  dem  Namen  nach  Minister  sei,  in  Wirklichkeit  jedoch 
die  auswärtige  Politik  hinter  meinem  Rücken  und  ohne  mein  Wissen 
gemacht  werde.  Aus  vertraulichen  Äußerungen  des  Grafen  Greppi** 
und  der  Berichterstattung  des  Baron  Uexküll  entnehme  ich,  daß  man 
dies  infolge  französischer  Schwätzereien  auch  in  Rom  annimmt.  So 
liegen  die  Dinge  nicht.  Ich  weiß  nicht,  wie  lange  ich  noch  im  Amte 
bleiben  werde.  Aber  solange  ich  Minister  bin,  weiß  ich,  was  der  Kaiser 
will.  Die  Franzosen  kennen  nicht  die  russischen  Verhältnisse.  Sie 
haben  übrigens  schon  einmal  versucht,  Deutschland  gegen  uns  miß- 
trauisch zu  machen,  damals  als  Waddington  behauptete,  Obrutschew 
wäre  nach  Frankreich  geschickt  worden,  um  dieses  für  eine  Allianz  mit 


*  Prinz  Eugen  Beauharnais,  Herzog  von  Leuchtenberg,  durch  seine  Mutter,  Groß- 
fürstin Maria  Nicolajewna,  nahe  mit  dem  russischen  Kaiserhause  verwandt. 
**  Italienischer  Botschafter  in  Petersburg. 

106 


Rußland  gegen  Deutschland  zu  gewinnen.  Jetzt  haben  wir  kaum  regu- 
läre diplomatische  Beziehungen  zu  den  Franzosen  auf  deren  dringenden 
Wunsch  wieder  hergestellt,  so  spielen  sie  uns  einen  solchen  Streich.  Mit 
diesen  Leuten  kann  man  keine  vernünftige  Politik  machen  („II  n'y  a 
pas  de  poHtique  raisonnable  ä  faire  avec  ces  gens-lä")- 

Ich  benutzte  die  Gelegenheit,  um  Herrn  von  Giers  aus  meinen 
Pariser  Erlebnissen*  zu  erzählen,  daß  Gambetta  und  GaHffet**  sich 
wiederholt  und  gegenüber  vielen  fremden  Diplomaten  gerühmt  hätten, 
die  ihnen  von  dem  verstorbenen  General  Skobelew  angebotene  russische 
Allianz  zurückgewiesen  zu  haben.  Als  im  Jahre  1882  Skobelew  in  Paris 
gewesen  wäre,  habe  er  im  Cafe  Anglais  mit  Gambetta  und  Galiftet  ä 
trois  diniert.  Bald  nachher  wären  die  beiden  Franzosen  zum  Fürsten 
Hohenlohe  gekommen.  Beide  hätten  ihm  anvertraut,  daß  Skobelew 
sich  umsonst  bemüht  hätte,  sie  für  eine  russisch-französische  Allianz 
zu  gewinnen;  nur  habe  Gambetta  behauptet,  er  sei  es  gewesen,  „qui 
avait  empeche  ce  hussard  de  Galiffet  de  donner  dans  le  panneau",  wäh- 
rend Galiffet  versicherte,  „que  gräce  ä  lui  cette  outre  pleine  de  vent, 
nommee  Gambetta,  ne  s'etait  pas  laisse  berner  par  les  Russes".  Dabei 
wäre  Skobelew  der  Überzeugung  gewesen,  daß  er  sowohl  Galiffet  als 
Gambetta  in  der  Tasche  habe  und  ganz  Frankreich  dazu.  Herr  von  Giers 
hörte  mit  Interesse  zu  und  meinte:  „C'est  tres  instructif,  et  je  crois 
que  cela  se  sera  passe  comme  cela."  Der  Minister  sprach  hierauf  die 
Absicht  aus,  weitere  Nachforschungen  darüber  anzustellen,  welcher 
Russe  jetzt  den  Anlaß  geboten  haben  könne  zu  den  „Verleumdungen" 
des  Herrn  von  Freycinet  gegen  Kaiser  Alexander.  Wenn  der  Schuldige 
entdeckt  werde,  so  solle  er  streng  bestraft  werden.  Es  fiel  mir  auf, 
daß  Herr  von  Giers  hierbei  mehrfach  die  Namen  Saburow  und  Obru- 
tschew  nannte,  ohne  grade  dieselben  als  die  Schuldigen  hinzustellen, 
aber ,  offenbar  mit  einigen  inneren  Zweifeln.  Dem  hiesigen  französi- 
schen Botschafter  spendete  Herr  von  Giers  Worte  der  Anerkennung. 
Der  Minister  bezeichnete  Herrn  Laboulaye  wiederholt  als  einen 
„homme  sage  et  modere,  qui  desire  la  paix".  Der  Minister  beteuerte 
mir,  daß  Baron  Mohrenheim  den  Franzosen  eine  friedliche  Haltung 
gegenüber  Deutschland  anempfehle;  in  demselben  Sinne  spreche  er 
selbst  mit  dem  hier  akkreditierten  französischen  Vertreter.  „Je  ne 
cesse  de  leur  dire  de  se  tenir  tranquille  vis-ä-vis  de  l'AlIemagne,  et  de 
ne  pas  faire  de  betises.  Si  ils  ne  m'ecoutent  pas,  ce  n'est  vraiment  pas 
ma  faute.  Je  voudrais  que  Vous  fussiez  present,  derriere  ce  rideau, 
pendant  mes  entretiens  avec  Laboulaye,  Vous  seriez  content  de  moi." 
Herr  von  Giers  deutete  hierbei  an,  daß  er  gerne  Herrn  Laboulaye  fragen 
möchte,  ob  dieser  wisse,  wer  in  Paris  die  fraglichen  Eröffnungen  ge- 


*  Zu  Anfang  der  achtziger  Jahre  hatte  Bülow  als  zweiter  Sekretär  der  Deutschen 

Botschaft  in  Paris  gelebt. 

**  Bekannter  französischer  General. 

107 


macht  habe;  er  würde  hierbei  die  Berichte  des  Grafen  Münster  jedoch 
natürlich  nicht  erwähnen,  sondern  tun,  als  ob  ihm  die  Nachricht  über 
diese  Intrigen  aus  nicht-deutscher  Quelle  zugegangen  wäre;  auch  in 
dieser  Form  würde  er  übrigens  nur  dann  mit  Herrn  Laboulaye  reden, 
wenn  wir  nichts i  dagegen  hätten,    pp.  B.  vonBülow 


Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Nichts 


Nr.  1211 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  1  St.  Petersburg,  den  I.Januar  1887 

pp.  Von  Herrn  Laboulaye  ging  der  russische  Minister  des  Äußern, 
ebenfalls  proprio  motu,  auf  das  Verhältnis  zwischen  Rußland  und  Frank- 
reich über:  ,,Comment  peuvent-ils  etre  assez  betes,  ces  Frangais", 
äußerte  der  Minister,  „pour  se  figurer  que  l'Empereur  Alexandre  mar- 
cherait  avec  les  Clemenceaus  contre  son  oncle!  C'est  une  alliance  qui 
ferait  horreur  ä  TEmpereur,  qui  n'ira  pas  tirer  les  marrons  du  feu 
pour  la  commune".  Herr  von  Giers  setzte  mir  demnächst  auseinander, 
daß  er  Frankreich  lediglich  in  der  ägyptischen  Frage  eine  gewisse  Unter- 
stützung versprochen  habe;  in  dieser  Frage  finde  er  allerdings  den 
französischen  Standpunkt  und  die  französischen  Ansprüclie  gerecht- 
fertigt; es  sei  empörend,  daß  England  die  Hand  auf  den  Suezkanal 
gelegt  habe,  der  mit  französischem  Geld  von  französischen  Ingenieuren 
gegen  den  Widerspruch  Englands  angelegt  worden  sei;  für  Rußland 
würde  es  allerdings  das  allerbeste  sein,  wenn  man  den  Kanal  zu- 
schüttete; denn  das  indische  und  australische  Getreide,  welches  durch 
denselben  nach  Europa  gelange,  schädige  mehr  und  mehr  den  russi- 
schen Landwirt,    pp.  B.  vonBülow 

Nr.  1212 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  89  St.  Petersburg,  den  9.  März  1887 

Ganz  vertraulich 

Herr  von  Giers  kam  heute  wieder  auf  die  Besprechung  zurück, 
welche  ich  mit  ihm  auf  Grundlage  des  hohen  Erlasses  Nr.  152  vom 
25.  V.  Mts.  am  2.  d.  Mts.  gehabt  hatte;  er  schilderte  mir  nochmals 

108 


den  Eindruck,  welchen  die  Mitteilung  davon  beim  gestrigen  Vortrage 
auf  Seine  Majestät  den  Kaiser  Alexander  gemacht  hat,  und  fügte 
hinzu:  „Si  nous  etions  assez  betes  pour  vouloir  conclure  une  alliance 
avec  la  republique  frangaise,  je  crois  que  ia  France  n'en  voudrait 
pas*'*. 

Weiterhin  sagte  der  Herr  Minister:  „Lorsque  Vous  m'avez  parle 
des  propositions  de  rapprochement  et  meme  d'alliance  que  la  Russie 
aurait  faites  ä  Paris  au  mois  de  septembre  dernier**,  je  Vous  ai  prie 
de  me  fournir  quelques  indications  sur  les  organes  dont  nous  nous 
serions  servis^;  mais  jusqu'ä  present  Vous  n'avez  pas  cte  ä  meme  de 
nommer  quelqu'un,  qui  aurait  servi  d'intermediaire^  entre  nous  et  les 
hommes  d'etat  frangais.  Le  Comte  Schouwalow  que  j'avais  Charge  de 
prendre  des  informations  ä  ce  sujet,  n'en  a  pas  obtenu.  S'il  y  avait, 
apres  moi,  un  ministre  assez  fou,  pour  offrir  une  alliance  ä  la  republique 
et  si  l'Empereur  voulait  y  consentir,  je  crois,  je  Vous  le  repete,  que 
la  France  la  refuserait;  eile  veut  etre  bien  avec  nous  et  profiter  de 
l'apparence  d'une  entente,  mais  eile  ne  voudrait  pas  s'exposer  aux 
dangers  d'une  guerre  contre  Vous;  et  puis,  qu'est  ce  qu'elle  pourrait 
nous  donner  en  Orient?" 

Ich  erw^iderte,  dies  sei  ganz  richtig;  Frankreich  habe  eigene,  un- 
veräußerliche Interessen  im  Mittelmeer,  und  was  die  russisch-fran- 
zösische Allianz  anbeträfe,  so  sei  sie  schon  oft  versucht,  aber  noch 
nie  zu  gutem  Ende  geführt  worden,  von  den  Zusammenkünften  auf 
der  Niemenbrücke  und  in  Erfurt  an,  bis  zur  Begegnung  in  Stuttgart 
1857;  vielleicht  wäre  es  nur  Zufall  gewesen,  daß  der  Annäherung 
Rußlands  an  Karl  X.  1829  und  an  Louis  Phihpp  1847  der  Sturz  dieser 
Könige  auf  dem  Fuße  folgte;  innere,  tiefliegende  Gründe  widersetzten 
sich  einer  solchen  Verbindung,  aber  schon  der  Schein,  daß  sie  an- 
gestrebt werde,  könne  viel  Unheil  anrichten. 

V.  Schweinitz 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Er  hätte  doch  Freycinet  fragen  sollen! 

2  Obrutschew,  Trubetzkoi 


*  Vgl.  Nr.  1200,  1201,  1208. 

**  Vgl.  dazu  S.  Qoriainow,  The  End  of  the  Alliance  ot  the  Emperors,  The 
American  Historical  Review,  Vol.  XXIII,  Nr.  2,  p.  332.  Aus  Goriainows  Mit- 
teilungen geht  hervor,  daß,  vk^enn  Frankreich  im  Herbst  1886  den  russischen 
Allianzfühler  zurückgewiesen  hatte,  es  jetzt,  im  Frühjahr  1887,  zur  Zeit  der 
Boulanger-Krise,  selbst  die  Fühler  ausstreckte.  Das  französische  Kabinett  beab- 
sichtigte damals,  den  früheren  Botschafter  in  Wien  Grafen  de  Vogue  als  Unter- 
händler nach  Petersburg  zu  entsenden,  und  der  Zar  antwortete  auf  die  An- 
kündigung dieser  Mission  durch  Mohrenheim:  „This  might  be  very  useful  to 
US,  in  certain  contingencies,  and  we  ought  not  to  discourage  them." 


109 


Nr.  1213 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  200  St.  Petersburg,  den  1.  Juni  1887 

Vertraulich 

Die  hohen  Erlasse  Nr.  420  und  422  vom  27.  Mai,  denen  Berichte 
des  Kaiserlichen  Botschafters  in  Paris  vom  24.  und  25.  v.  Mts.*  beilagen, 
habe  ich  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt;  letztere  betrafen  russische  Intri- 
guen  in  Paris  und  das  auffällige  Verhalten  des  Herrn  von  Mohrenheim 
während  der  soeben  beendeten  Ministerkrisis.  Schon  vorher  war  ich 
hochgeneigtest  in  Kenntnis  gesetzt  worden**,  daß  der  russische  Bot- 
schafter in  Paris  offen  ausgesprochen  hat,  der  Rücktritt  des  General 
Boulanger  würde  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  Alexander  unerwünscht 
sein.  Ich  hatte  gleich  nach  Empfang  dieser  ersten  Nachricht  durch 
gesellschaftliche  Verbindungen  dafür  gesorgt,  daß  an  höchsten  Stellen 
nicht  verborgen  bleibe,  in  welchem  Widerspruche  das  Auftreten  Baron 
Mohrenheims  zu  dem  entschiedenen  auf  Verhütung  eines  deutsch-franzö- 
sischen Krieges  gerichteten  Wunsche  seines  kaiserlichen  Herrn  stehe. 
Amtlich  habe  ich  erst  jetzt,  nach  Empfang  des  obenerwähnten  hohen 
Erlasses  Nr.  420,  mit  Herrn  von  Giers  über  diesen  Gegenstand  ge- 
sprochen. Der  Herr  Minister  versicherte  zwar  auf  das  Bestimmteste, 
daß  der  russische  Botschafter  in  Paris  weder  ermächtigt  noch  etwa  gar 
beauftragt  gewesen  sei,  Sympathie  für  den  bisherigen  französischen 
Kriegsminister  zu  zeigen,  er  bestritt  aber  nicht,  daß  der  sehr  ge- 
sprächige und  sich  selbst  gern  reden  hörende  Baron  Mohrenheim 
Äußerungen,  wie  die  ihm  zugeschriebenen,  getan  haben  könne. 

Nach  meinem  ehrerbietigen  Dafürhalten  hat  der  Botschafter  nicht 
viel  riskiert,  wenn  er  sich  eigenmächtig  zugunsten  des  General  Bou- 


*  Mit  den  Erlassen  Nr.  420  und  422  vom  27.  Mai  1887  waren  dem  Botschafter 
von  Schweinitz  zwei  Berichte  des  Botschafters  Grafen  Münster  übersandt  wor- 
den, nach  denen  sich  der  russische  Botschafter  in  Paris  Baron  Mohrenheim  mit 
aller  Entschiedenheit  zugunsten  des  Generals  Boulanger  einsetzte.  In  dem  Er- 
laß an  Schweinitz  Nr.  420  hieß  es  dazu:  „Das  von  Graf  Münster  geschilderte 
Auftreten  des  Baron  Mohrenheim  muß  jeden  Unbefangenen  darauf  schließen  lassen, 
daß  Rußland  der  Krieg  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  erwünscht  sei.  In 
dem  gegenwärtigen  kritischen  Momente  der  Dinge  in  Frankreich  sind  die  Be- 
mühungen des  Herrn  von  Mohrenheim,  den  General  Boulanger  am  Ruder  zu  er- 
halten, um  so  auffallender,  als  nicht  nur  der  Präsident  der  Republik,  sondern 
auch  alle  nicht  radikalen  Politiker  von  Ansehen  und  die  große  Majorität  des 
französischen  Volkes  gerade  aus  Besorgnis  vor  kriegerischen  Verwidcelungen 
sich  des  bisherigen  Kriegsministers  zu  entledigen  bestrebt  sind." 
**  Durch  Telegramm  vom  20.  Mai. 

110 


langer  ausgesprochen  hat;  daß  hierdurch  der  Glaube,  der  russische 
Kaiser  wünsche  den  deutsch-französischen  Krieg,  erweckt  und  bestärkt 
werden  müsse,  macht  man  sich  hier  an  höchster  Stelle  wohl  nicht 
ganz  klari;  wenn  aber  selbst  in  Paris  bis  noch  vor  kurzem  konser- 
vative Leute  glauben  konnten,  General  Boulanger  werde  bei  erster 
günstiger  Gelegenheit  mit  der  demokratischen  Republik  aufräumen  und 
Ordnung  machen,  so  wäre  es  wohl  zu  entschuldigen,  wenn  man  in 
der  Einsamkeit  von  Gatschina  an  die  Möglichkeit  dächte,  jener  populäre 
Soldat  könne  sich  in  einen  großen  Gendarmen  verwandeln,  der  alle  in 
Frankreich  lebenden  Nihilisten  ausliefern  würde. 

Darüber,  daß  General  Boulanger  in  Moskau  und  in  St.  Petersburg 
nicht  nur  viele  begeisterte  Bewunderer,  sondern  auch  direkte  Bezie- 
hungen hat,  hege  ich  keinen  Zweifel,  wenn  ich  auch  weit  entfernt 
bin  zu  glauben,  was  die  Gemahlin  eines  russischen  Ministers  unlängst 
bei  einem  diplomatischen  Diner  laut  aussprach,  nämlich,  daß  er  mit 
Herrn  Polowtzow*  in  Korrespondenz  stehe.  Es  reisen  fortwährend 
so  viele  Russen  zwischen  Paris  und  Petersburg  hin  und  her,  daß  der 
Austausch  schriftlicher  und  mündlicher  Mitteilungen  keine  Schwierig- 
keiten bietet.  Vielleicht  aber  wird  das  abschreckende  Beispiel,  welches 
gestern  durch  die  Dienstentlassung  des  General  Bogdanowitsch** 
statuiert  wurde,  den  Eifer  der  freiwilligen  Diplomaten  etwas  ab- 
kühlen. 

Da  diese  Maßregel  erst  heute  bekannt  wurde,  so  läßt  sich  über  den 
Eindruck,  welchen  sie  hervorbringt,  noch  nicht  viel  sagen;  auch  die 
Umstände,  unter  welchen  sie  erfolgte,  sind  mir  noch  nicht  genau  be- 
kannt; aber  Herr  von  Giers  erzählte  mir,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser 
durch  Berichte  des  Baron  Mohrenheim  und  durch  die  denselben  beiliegen- 
den Beweise  die  Überzeugung  von  dem  Bestehen  geheimer  Verbindungen 
zwischen  Paris  und  Petersburg  gewonnen  habe,  bei  welchen  General 
Bogdanowitsch  als  Mittelsperson  beteiligt  wäre;  Seine  Majestät  habe 
neben  den  Namen  dieses  Generals  die  Randbemerkung  geschrieben: 
„yBOJicHTb"  (entlassen);  dies  sei  am  Montag,  dem  30.  geschehen;  er, 
der  Minister,  habe  erst  am  folgenden  Tage  es  erfahren. 

Herr  von  Giers  fügte  hinzu,  der  Schlag,  welcher  den  rechten 
Arm  Katkows  getroffen  hat,  habe  die  Anhänger  des  letzteren  sehr 
bestürzt  gemacht;  Tatischtschew,  welcher  nicht  mehr  im  Dienste  sei, 
solle  gerichtlich  belangt  werden;  der  Kaiser  scheine  nun  doch  den 
Vorstellungen,  welche  er,  der  Minister,  ihm  nach  dem  Erscheinen  des 


*  Direktor  der  russischen  Reichskanzlei. 

**  General  Bogdanowitsch,  Verfasser  der  Schrift  „L'alliance  franco-russe",  hatte 
während  eines  Pariser  Aufenthalts  mit  französischen  Politikern  Verhandlungen 
zur  Herbeiführung  eines  russisch-französischen  Bündnisses  angeknüpft.  Er  wurde 
in  Verfolg  seiner  Entlassung  Anfang  Juli  aus  den  Heereslisten  gestrichen  und  mit 
Verbannung  von  allen  Orten,  wo  sich  der  russische  Hof  aufhielt,  bestraft. 

111 


mehrerwähnten  von  mir  telegraphisch  signaUsierten  Katkowschen  Ar- 
tikels vom  11.  Mai,  gemacht  habe,  nämUch,  „daß  es  so  wie  jetzt  nicht 
länger  gehen  könne",  nachzugeben. v.  Schweinitz 

Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  ??  Wäre  der  Krieg  zwischen  uns  und  Frankreich  für  das  amtliche  Rußland 
wirklich  unerwünscht?  er  würde  der  russischen  Politik  analoge  Freiheit  der  Be- 
wegung gewähren,  wie  etwa  ein  deutsch-russ[ischerl  oder  deutsch-französischer 
der  englischen  Politik. 

Nr.  1214 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz 

Konzept  von  der  Hand   des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu   Rantzau 
Nr.  455  Berlin,  den  10.  Juni  1887 

[abgegangen  am  13.  Juni] 
Euerer  pp.  gefälliger  Bericht  Nr.  200  vom  1.  d.  Mts.*  ist  hier  eingegangen 
Der  Herr  Reichskanzler  vermag  die  Überzeugung  nicht  zu  teilen, 
daß  die  russische  Politik  in  der  Frage  Boulanger  ganz  unzweideutig 
und  ehrlich  gewesen  ist.  Der  Wunsch,  uns  in  offnen  Streit  mit  Frank- 
reich zu  bringen  und  dadurch  freie  Hand  gegen  Österreich  zu  ge- 
winnen, wird  in  Rußland  ganz  allgemein  gehegt:  man  kann  dies  auch 
nicht  so  befremdlich  finden,  denn  es  ist  unbestreitbar,  daß  ein  deutsch- 
französischer Krieg  Rußland  eine  analoge  Freiheit  der  Bewegung  geben 
würde,  wie  sie  etwa  ein  Krieg  Deutschlands  mit  Rußland  der  eng- 
Hschen  Politik  gewähren  würde.  So  aufrichtig  die  platonische  Friedens- 
liebe des  Zaren  an  und  für  sich  sein  mag,  darf  doch  nicht  vergessen 
werden,  daß  er  in  erster  Linie  immer  ein  russischer  Politiker  bleibt, 
und  daß  er  sich  deshalb  der  Erwägung  nicht  wird  verschUeßen  können, 
daß  der  Ausbruch  eines  deutsch-französischen  Krieges  Rußland  die 
willkommene  Handhabe  bieten  würde,  um  mit  wenig  Mitteln  einen 
zwingenden  Druck  auf  uns  auszuüben.  Es  dürfte  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, daß  das  amtliche  Rußland  nicht  weniger  als  das  panslawistische 
einen  deutsch-französischen  Krieg  für  wünschenswert  hält  und  trotz 
aller  offiziellen  Ausflüchte  und  Ableugnungen  im  geheimen  für  die  Her- 
beiführung desselben  hetzt  und  arbeitet.  H.  Bismarck 

Nr.  1215 

Der  Unterstaatssekretär  im  Auswärtigen  Amt  Graf  von  Berchem  an 

den  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz 

Konzept 
Nr.  644 
Gehein^  Berlin,  den  29.  August  1887 

Ew.  pp.  gefällige  Berichte  Nr.  273  und  274  vom  23.  d.  Mts.  haben 
dem  Herrn  Reichskanzler  vorgelegen. 
*  Siehe  Nr.  1213. 

112 


Fürst  Bismarck  ist  erstaunt  gewesen  über  die  in  dem  letzteren 
Berichts  enthaltene  Bemerkung  Ew.  pp.,  daß  die  Derouledesche  Reise 
spurlos  verlaufen  sei*.  In  unserer  Presse  hat  die  Aufnahme  des  fran- 
zösischen Revanche-Helden  in  Rußland  allgemeine  Entrüstung  hervor- 
gerufen, und  in  der  Tat  liegt  in  dem  Verhalten  des  Generals  Baranow 
eine  ungeheuere  Unverschämtheit.  Seine  Durchlaucht  wünscht,  daß 
Ew.  pp.  in  Petersburg  auf  die  Möglichkeit  hinweisen,  daß  ein  pol- 
nischer, ungarischer  oder  bulgarischer  Russenfeind  bei  uns  eine  ähn- 
liche Aufnahme  fände  wie  Deroulede  in  Rußland.  Wir  würden  einen 
Russenfeind,  der  zum  Zweck  einer  Agitation  ä  la  Deroulede  bei  uns 
erschiene,  sofort  ausweisen. 

Im  übrigen  hat  Seine  Durchlaucht  nachstehende  Bemerkungen  an 
die  erwähnten  Berichte  geknüpft: 

Wenn  die  russische  Regierung  das  Kokettieren  mit  Frankreich 
duldet,  so  wird  das  nicht  ohne  Einfluß  auf  unsere  Politik  bleiben; 
wir  werden  beispielsweise  in  der  bulgarischen  Frage  eine  Auffassung 
adoptieren,  die  sich  mehr  der  Österreichs,  Englands  und  Italiens  an- 
schließt. Die  russische  Hetzerei  kann  uns  nicht  gleichgültig  lassen. 
Die  ganze  russisch-französische  Frage,  wie  sie  in  Petersburg  behandelt 
wird,  in  Verbindung  mit  der  Tatsache,  daß  Frankreich  gegenwärtig 
für  einen  Krieg  mit  Deutschland  noch  nicht  vorbereitet  ist,  daß  es 
infolge  verschiedener  Boulangerscher  Maßregeln  und  der  darin  liegenden 
Irrtümer  erst  in  einigen  Jahren  mit  seiner  Bewaffnung  fertig  werden 
wird,  läßt  die  Auslegung  zu,  daß  Rußland  mit  Frankreich  geheime 
Verträge  hat,  die  bestimmt  sind,  in  Kraft  zu  treten,  sobald  Frankreich 
zu  einem  Kriege  gegen  uns  bereit  ist.   pp.  Berchem 


Nr.  1216 
Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  282 

Geheim  ^**  P^^^^sburg,  den  2.  September  1887 

Den  hohen  geheimen   Erlaß  Nr.  644  vom  29.  August**  habe  ich 
durch  königlichen  Feldjäger  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt;  Euere  Durch- 


*  Irn  August  und  September  durchreiste  der  französische  Revanchepolitiker  Derou- 
lede von  neuem  Rußland,  wo  er  vielfach  von  den  panslawistischen  Kreisen  demon- 
strativ gefeiert  wurde.  Namenth'ch  der  General  Baranow,  Gouverneur  von  Nischni- 
Nowgorod,  hielt  schwungvolle  Reden  auf  Deroulede  und  seine  französisch- 
russischen Bündnisbestrebungen,  wofür  er  später,  im  Dezember,  einen  offiziellen 
Verweis  erhielt.  Vgl.  Bd.  V,  Nr.  1117  nebst  Fußnote  **. 
**  Siehe  Nr.  1215. 

8    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  113 


laucht  hatten  in  demselben  auf  eine  in  meinem  Berichte  Nr.  274  vom 
23.  V.  Mts.  enthaltene,  die  Reise  des  Herrn  Deroulede  betreffende  Be- 
merkung hochgeneigtest  Bezug  genommen,  und  ich  erlaube  mir  daher 
nochmals  auf  diesen  Gegenstand  zurückzukommen. 

Die  Fahrt,  welche  einige  Mitglieder  der  Patriotenliga  nach  Moskau, 
Nischni-Nowgorod  und  St,  Petersburg  unternommen  haben,  ist  im  Aus- 
lande mehr  bemerkt  worden  als  in  Rußland  selbst  i;  den  Zweck,  welchen 
die  Herren  Deroulede  und  Goupil  hier^  verfolgten,  haben  sie  nicht 
erreicht 3;  es  ist  vielmehr  das  Gegenteil  von  dem,  was  sie  beabsich- 
tigten, eingetreten,  denn  während  sie  Demonstrationen  der  russischen 
Gesellschaft  und  Presse  zugunsten  der  von  Boulanger  und  der  Patrioten- 
liga vertretenen  Richtung  anstrebten,  haben  sie  dazu  beigetragen,  daß 
seitens  der  maßgebenden  Organe  der  öffentlichen  Meinung  Rußlands 
eine  förmliche  Absage  an  die  chauvinistische   Demokratie  erfolgt  ist. 

Die  Veränderung  in  der  Haltung  der  franzosenfreundlichen 
russischen  Politiker  zeigte  sich  darin,  daß  die  bedeutenderen  unter  ihnen 
sich  von  allen  Ovationen  und  Kundgebungen  für  die  französischen 
Reisenden  persönlich  fern  hielten  und  sich  in  ihren  Preßorganen  nicht 
in  Leitartikeln,  sondern  fast  nur  in  Feuilletons  mit  ihnen  beschäftigten, 
während  der  „Nord",  die  „Moskowskije  Wedomosti"  und  vor  allem  der 
„Grashdanin"  geradezu  erklärten,  daß  Rußland  sich  mit  den  agitato- 
rischen Elementen  der  französischen  Republik  auf  nichts  einlassen 
wolle. 

Weit  entfernt  hierin  ein  Abbrechen  der  seit  Jahresfrist  stärker 
hervorgetretenen  Annäherung  Rußlands  an  Frankreich  zu  erblicken, 
finde  ich  vielmehr,  daß  die  Allianzbestrebungen  grade  hierdurch 
praktischer  Ausführbarkeit  näher  gerückt  worden  sind,  denn  es  ist 
unter  ziemlich  allgemeiner  Zustimmung  ausgesprochen  worden,  daß 
Rußland,  indem  es  die  der  französischen  Regierung  unbequemen  Hitz- 
köpfe abweist,  ihr  selbst  gern  die  Hand  reichen  wird,  sobald  sie  stark 
und  stabil  ist.  Die  republikanische  Form  der  französischen  Re- 
gierung erscheint  mir  heute  nicht  mehr  als  ein  so  großes  Hindernis 
offizieller  Annäherung  Rußlands  wie  vor  anderthalb  Jahren,  als  Kaiser 
Alexander  in  meiner  Gegenwart  zum  General  Appert  sagte:  „Quel 
ignoble  gouvernement!  j'espere  que  vous  le  chasserez".  Daß  Seine 
Majestät  der  Kaiser  Alexander  die  bewußte  Absicht  hege,  sich  mit 
Frankreich,  sobald  es  mit  seiner  Bewaffnung  fertig  und  von  einer 
starken  Regierung  geleitet  sein  wird,  zum  Kriege  gtgen  uns  zu  ver- 
binden, glaube  ich  auf  Grund  meiner  Auffassung  von  seinem  Charakter 
bezweifeln  zu  dürfen.  Warum  hätte  auch  sonst  Seine  Majestät  eine 
fünfjährige  Dauer  unseres  neuesten  Abkommens  gewünscht**  und  nur 
ungern  in  die  von  uns  vorgeschlagene  Beschränkung  auf  drei  Jahre 
gewilligt? 


*  Vgl.   Bd.  V,  Kap.  XXXIV:   Rückversicherungsvertrag,   Nr.  1093. 
114 


Aber  weder  die  Friedensliebe  noch  überhaupt  die  persönHchen 
Eigenschaften  Seiner  Majestät  des  Zaren  können  das  nur  zu  berech- 
tigte Mißtrauen  beseitigen,  mit  welchem  uns  die  Unaufrichtigkeit  der 
russischen  Politik  erfüllt,  einer  Politik,  welche  nicht  von  einer  ziel- 
bewußten Regierung  bestimmt,  sondern  mehr  als  in  manchen  konstitu- 
tionellen Staaten  von  Neben-  oder  Gegenströmungen  beeinflußt  wird; 
daß  letztere  lange  anhalten  und  gefährlich  werden  können,  ehe  der 
Monarch  dies  erkennt  und  korrigiert,  hat  uns  die  an  Katkow  gemachte 
Erfahrung  gelehrt ;  es  ist  fraglich,  ob  künftighin,  wenn  vielleicht  andere 
als  nur  journalistische  Kräfte  in  Wirksamkeit  treten,  der  Wille  des 
Zaren  ausreicht,  um  sie  zu  hemmen.  Seinem  Vorgänger  ist  dies  im 
Herbste  des  Jahres  1876  nicht  gelungen. 

Eine  eigentümliche,  vom  Parteiwesen  in  anderen  Staaten  ab- 
weichende Erscheinung  ist,  daß  es  in  Rußland  Beamte  und  Diener 
der  Regierung  sind,  welche  der  von  letzterer  befolgten  Politik  entgegen- 
arbeiten &.  Da  es  hier  kein  einheitliches,  kein  homogenes  unter  einem 
Premier  solidarisch  zusammenwirkendes^  Ministerium,  sondern  nur 
Minister  gibt,  welche  gelegentlich  ohne  Wissen  ihrer  Kollegen  die 
allerhöchste  Ermächtigung  zu  wichtigen  Maßregeln  erlangen  können, 
so  ist  es  erklärlich,  daß  die  Beamten  des  einen  Ressorts  dem  Chef 
eines  anderen  Opposition  machen. 

Diese  Gewohnheit  tritt  uns  am  stärksten  in  ihrer  Wirksamkeit 
auf  das  Ministerium  des  Äußeren  entgegen :  Herr  von  Giers  hat  weder 
gesellschaftlich,  noch  persönlich,  noch  amtlich  Aszendant  über  seine 
Kollegen  und  übt  weder  im  Ministerkomitee,  noch  im  Reichsrat  Einfluß 
aus;  er  kann  also  weder  im  Finanzministerium  vexatorische  Maßregeln 
gegen  die  Deutschen,  noch  in  dem  des  Inneren  die  Anfeindung  derselben 
durch  die  Presse  oder  ihre  Beraubung  durch  die  Fremdengesetze  ver- 
hindern; ebenso  wenig  findet  er  beim  Kriegsministerium  Schutz  gegen 
die  Generale,  welche,  sei  es  als  Truppenkommandeure,  sei  es  als  hohe 
Verwaltungsbeamte  seiner  vom  Monarchen  gebilligten  Politik  direkt 
entgegenarbeiten,   pp. 

V.  Schweinitz 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  !  In  Frankreich  natürlich,  ufnd]  das  ist  die  Hauptsache,  die  Ermuthigung  zur 
;    Revanche 

2  p 

3  p 

*  das  ist  mir  neu;  Schuwalow  hat  mich  nur  gefragt,  ob  wir  3  oder  5  wünschten, 
u[nd}  weil  ich  fand,  daß  er  eine  übertriebene  Meinung  von  unsrer  Vertrags- 
bedürftigkeit hatte,  sagte  ich,  es  sei  uns  beides  annehmbar,  wenn  uns'  die  Ent- 
scheidung zugeschoben  würde,  3,  mit  Rücksicht  auf  die  Unaufrichtigkeit  der 
russlischenl  Politik  in  der  VerhandUtng 

■"'  wie  bei  uns  vor  1848 

6  hier  auch  nicht 


115 


Nr.  1217 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  deo 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck* 

Ausfertigung 

Nr  "^04 

r^  X      r  u  St.  Petersburg,  den  28.  September  1887 

Ganz  vertraulich  ^'  ^ 

pp.  Die  Beziehungen  Rußlands  zu  Frankreich  [sagte  Herr  von 
Giers],  seien  jetzt  sehr  gute,  die  Franzosen  wären  Rußland  in  allem 
zu  Willen,  die  Herren  Rouvier  und  Flourens  wären  auch  vortreffliche 
und  vernünftige  Leute.  Das  verhindere  aber  nicht,  daß  das  gute  Ein- 
vernehmen mit  Deutschland  der  „Pivot"  der  russischen  Pohtik  bleiben 
müsse  und  für  Kaiser  Alexander  auch  nach  wie  vor  sei.  Der  Kaiser 
wolle  keine  Allianz  mit  Frankreich  i,  ein  Zusammengehen  des  Kaisers 
mit  Frankreich  gegen  Deutschland  sei  undenkbar  2,  dazu  werde  es  nie- 
mals kommen-^.  Ich  ging  während  meiner  ganzen  Unterredung  mit 
Herrn  von  Giers  von  dem  Gesichtspunkt  aus,  daß  Rußland,  die  russi- 
sche Dynastie  und  ihre  treuen  Diener  schweren  und  sicheren  Schaden 
nehmen  würden,  wenn  die  Wühlereien  der  hiesigen  Deutschenfeinde 
und  die  Passivität  der  russischen  Regierung  es  zum  Bruche  mit  uns 
kommen  ließen.  Ich  legte  jedoch  auch  gegenüber  Herrn  von  Giers 
keinerlei  Besorgnisse  an  den  Tag  hinsichtHch  der  Folgen  eines  solchen 
Bruchs  für  uns  und  zeigte  kein  besonderes  Interesse  für  den  gegen- 
wärtigen Stand  der  russisch-französischen  Beziehungen.  Als  Herr  von 
Giers  mir  von  der  Undenkbarkeit  eines  Zusammengehens  des  Kaisers 
Alexander  III.  mit  Frankreich  sprach,  fixierte  ich  ihn.  Der  Minister 
wiederholte  mit  dem  Akzent  der  Überzeugung:  „Je  vous  donne  ma 
tete  ä  couper,  que  jamais,  jamais  l'Empereur  Alexandre  ne  levera 
le  bras  contre  TEmpereur  Guillaume  ni  contre  le  fils  ni  contre  le  petit-fils 
de  l'Empereur  Guillaume."   pp.  B.  von  Bülow 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

*  Alexander]  II  wollte  aucii  den  türk[ischenl  Krieg  nicht  u[ndl  führte  ihn  doch 
2  p 

s  p 

Nr.  1218 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  330  St.  Petersburg,  den  20.  Oktober  1887 

Herr  von  Giers  kam  gestern  aus  eigener  Initiative  auf  den  „soi- 
disant  toast  de  Nicolai  Michailowitch"**  zurück,  wobei  er  sich  in  weg- 

*  In   extenso  bereits   abgedruckt   Bd.  V,   Kap.  XXXVI,   Nr.  1118. 

**  Vgl.  über  den  vom  Großfürsten  Nicolaus  an  Bord  des  Dampfers  gehaltenen 

Toast   Bd.V,  Kap.  XXXVI,   Nr.  1119,   S.  305,   nebst   Fußnote  *. 

116 


werfender  Weise  über  den  Großfürsten  ausließ.  Der  Minister  äußerte 
unter  anderem,  daß,  wenn  der  Großfürst  auch  niclit  so  gesprochen 
hätte,  wie  der  „Figaro"  behaupte,  er  sich  jedenfalls  „comme  un  sot" 
benommen  habe.  Es  sei  aber  doch  bedauerlich,  daß  diese  Angelegen- 
heit in  Deutschland  soviel  Aufsehen  errege.  Ich  erwiderte,  daß  der 
„soi-disant  toast"  wohl  deshalb  überall  Beachtung  gefunden  habe,  weil 
derselbe  betrachtet  worden  sei  als  ein  Glied  in  der  Kette  zweifelloser 
antideutscher  Demonstrationen,  die  seit  längerer  Zeit  von  hier  aus  un- 
gestraft gegen  uns  in  Szene  gesetzt  würden.  Herr  von  Giers  meinte, 
es  sei  neuerdings  eine  kleine  Wendung  zum  Bessern i  eingetreten:  Graf 
Tolstoi  scheine  endlich  zu  begreifen,  wohin  das  „desastreuse"  Prinzip 
der  Ablenkung  innerer  Unzufriedenheit  nach  außen  führen  müsse.  Zwei 
Journale  („Minuta"  und  „Syn  Otetschestwa")  wären  gemaßregelt  worden. 
Ich  gab  Herrn  von  Giers  in  verbindlicher  Form  zu  verstehen,  daß 
von  russischer  Seite  noch  manches  geschehen  müsse,  wenn  wir  das 
Mißtrauen  aufgeben  sollten,  welches  unserer  Politik  gegenüber  Rußland 
früher  ganz  fremd  gewesen  sei,  zu  dem  uns  aber  jetzt  das  Verhalten 
Rußlands  nötigte.  Herr  von  Giers  antwortete,  daß  er  es  begreife, 
wenn  „une  serie  d'incidents  regrettables"  unser  Vertrauen  zu  Ruß- 
land erschüttert  habe.  Diese  Zwischenfälle  wären  aber  nicht  hervor- 
gegangen aus  „mauvaises  arriere-pensees",  sondern  aus  Schwäche  und 
Einsichtslosigkeit^.  Sichtlich  bekümmert  fügte  der  Minister  hinzu,  er 
fühle  bereits  überall,  aber  namentlich  in  Konstantinopel,  daß  unsere 
Haltung  eine  andere  geworden  wäre 3.  Die  Österreicher,  Italiener  und 
Engländer  triumphierten,  die  Türken  entzögen  sich  der  russischen  Ein- 
wirkung, Ich  erinnerte  den  Minister  daran,  wie  ich  ihm  schon  vor 
Wochen  nicht  verhehlt  hätte,  daß  unser  Eifer,  Rußland  zu  helfen  und 
zu  nützen,  erlahmen  müßte,  wenn  derselbe  von  hier  aus  gar  nicht  oder 
mit  Angriffen  und  Verdächtigungen  erwidert  würde.  Ich  ließ  durch- 
blicken, daß,  je  passiver  sich  die  russische  Regierung  gegenüber  den 
friedenstörenden  Elementen  in  ihrem  Lande  verhalte,  um  so  mehr  der 
Gedanke  sich  aufdränge,  es  könnten  ihr  letztere  doch  einmal  über  den 
Kopf  wachsen.  Unsere  hiesigen  Gegner  wollten  wohl  in  ihrer  Mehr- 
heit nicht  sofort  gegen  Deutschland  vorgehen,  vielleicht  aber  das  Terrain 
vorbereiten  für  den  Augenblick,  wenn  einerseits  in  einigen  Jahren  die 
russischen  Rüstungen  vollendet  sein,  andererseits  Frankreich  mög- 
licherweise eine  weniger  besonnene  Regierung  haben  würde  als  die 
gegenwärtige.  Ich  ließ  hierbei  die  Bemerkung  fallen,  daß  mich  in  dem 
„soi-disant  toast"  des  Großfürsten  Nikolaus  Michailowitsch  namentlich 
die  Stelle  frappiert  habe,  wo  es  heiße:  In  „kurzer  Zeit"  würden  alle 
Hindernisse  verschwunden  sein,  welche  jetzt  noch  dem  russisch-fran- 
zösischen Angriffskrieg  gegen  Deutschland  im  Wege  stünden.  Herr 
von  Giers  protestierte  gegen  meinen  Argwohn.  „Cet  ecervele  de  Nicolai 
Michailowitch,"  rief  er,  „n*a  aucune  idee  serieuse  dans  sa  tete;  si 
meme  nous  avions  vis-ä-vis  de  Vous  de  mauvais  projets,  ce  qui  n'est 

117 


certainement  pas,  ce  blanc  bec  n'en  saurait  rien.  II  n'a  aucune  con- 
naissance  de  l'etat  reel  des  relations  exterieures  de  la  Russie."  Der 
Minister  beteuerte,  daß  Kaiser  Alexander  III.  „weder  jetzt  noch  später, 
noch  in  irgendeiner  noch  so  fernen  ^  Zukunft"  etwas  gegen  uns  unter- 
nehmen würde,   pp. 

Über  Frankreich  ließ  sich  der  Minister  mit  Gereiztheit  aus:  „Les 
Frangais  sont  le  plus  infecte  des  peuples,  le  gouvernement  frangais 
est  mauvais,  bete;  le  gächis  ä  Paris  est  complet."  Vor  einem  Monat 
pflegte  Herr  von  Giers  in  etwas  affektierter  Weise  die  „Weisheit"  der 
Herren  Rouvier  und  Flourens  zu  loben.  Über  Baron  Mohrenheim 
bemerkte  der  Minister:  „Ce  bavard  nous  predisait  un  gouvernement 
stable  ä  Paris,  eile  est  jolie  sa  stabilite."  Der  Minister  drückte  die  Hoff- 
nung aus,  daß  General  Boulanger  jetzt  „un  homme  fini"  sein  werde. 
Er  insinuierte,  daß  die  Franzosen  alles  täten,  um  Rußland  mit  Deutsch- 
land zu  brouillieren*. 

Als  ich  mich  bei  Herrn  von  Giers  verabschiedete,  sagte  mir  der- 
selbe, daß  die  „mauvaise  phase",  in  der  wir  uns  noch  befänden,  hoffent- 
lich in  einiger  Zeit  überwunden  sein  würde.  Es  dürfte  nicht  mehr 
lange  dauern,  bis  hier  in  der  öffentlichen  Meinung  „eine  Reaktion" 
eintrete.  Die  russische  Gesellschaft  werde  die  Ungerechtigkeit  und 
Ziellosigkeit  ihrer  Verstimmung  gegen  Deutschland i,  „le  creux'*  ihrer 
Schwärmerei  für  die  Franzosen  einsehen  und  mit  ihrer  bekannten 
Mobilität  vielleicht  in  einigen  Monaten,  wenn  nicht  Wochen,  das  Zu- 
sammengehen mit  Deutschland  wünschen  5.  Ich  erwiderte,  daß  das 
Eintreten  dieses  AugenbHcks  von  der  russischen  Regierung  abhängen 
dürfte,  welche  die  russische  öffentliche  Meinung  in  der  Hand  habe, 
sobald  nur  der  Wille  des  Zaren  klar  und  unzweideutig  zutage  liege, 

B.  von  B  ü  I  o  w 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  ? 

2  an  maßgebender  Stelle;  sonst  aus  Bosheit  , 

3  Mißtrauen,  natürlich. 

*  natürlich  und  die   Russen  alles  um  uns  mit  Frankreich  zu  br[ouiIliren] 
Randbemerkung  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 

*  Dann  wird  es  vielleicht  zu  spät  sein. 


Nr.  1219 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Bernhard  von  Bülow  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  424  St.  Petersburg,  den  15.  Dezember  1887 

Deutschland  und  Rußland  sind  nicht  durch  große,  widerstrebende 
Interessen  getrennt,  wie  solche  zwischen  Rußland  und  den  übrigen 
Mächten  obwalten.  Dementsprechend  haben  sich  Deutsche  und  Russen 

118 


seit  über  hundert  Jahren  nicht  mit  den  Waffen  in  der  Hand  gegenüber- 
gestanden, während  in  diesem  Zeitraum  Rußland  mit  Frankreich  mehr 
als  einen  schweren  Krieg  zu  führen  gezwungen  war.  Nichtsdesto- 
weniger wendet  sich  die  russische  Gesellschaft  mehr  und  mehr  von 
Deutschland  ab,  auf  das  sie  Tradition  und  wohlverstandener  Vorteil 
hinweisen  sollten,  und  neigt  zu  Frankreich,  von  wo  ihr  bisher  viel 
Schlimmes  und  wenig  Gutes  kam.  Diese  Erscheinung  läßt  sich  nicht 
durch  Vernunftgründe  erklären,  denn  ruhige  Überlegung  müßte  Ruß- 
land an  die  Seite  Deutschlands  führen  und  gegen  Frankreich,  wenn 
nicht  feindlich,  so  doch  mißtrauisch  stimmen,  sondern  nur  aus  miß- 
leiteter Leidenschaft.  Manche  Faktoren  tragen  dazu  bei,  die  in  Ruß- 
land aus  verschiedenen  Ursachen  —  Unzufriedenheit  mit  den  inneren 
Zuständen,  wirtschaftliche  Notlage,  Enttäuschungen  auf  dem  Gebiete 
der  auswärtigen  Politik  —  erregten  Gemüter  gegen  den  deutschen 
Nachbarn  aufzustacheln  und  gleichzeitig  Frankreich  zuzuführen.  Ein 
nicht  unwesentlicher,  bisher  vielleicht  zu  wenig  gewürdigter  Faktor  ist  der 
Umstand,  daß  grade  die  beiden  hervorragendsten  und  maßgebendsten 
russischen  Generäle,  der  Chef  des  Generalstabs,  General  Obrutschew 
und  der  Generalgouverneur  von  Warschau,  General  Gurko,  mit  Damen 
vermählt  sind,  die,  Französinnen  von  Geburt  und  von  Gesinnung,  den. 
sehr  großen  Einfluß,  welchen  sie  über  ihre  Männer  und  dadurch  auf 
die  russische  Gesellschaft  ausüben,  dazu  benützen,  Rußland  in  den 
Dienst  Frankreichs  zu  stellen.  Madame  Obrutschew*  ist  eine  geborene 
Milot  und  gehört  einer  in  der  Nähe  von  Bordeaux  angesessenen  fran- 
zösischen Familie  an.  Sie  selbst  hat  sich  in  der  Nähe  von  Perigueux 
ein  Landhaus  gebaut,  in  welchem  sie  in  jedem  Herbste  mit  ihrem 
Gatten  einige  Wochen  zubringt.  Wenn  indiskrete  Bekannte  fragen, 
warum  General  Obrutschew  jahraus  jahrein  in  Frankreich  einen  längeren 
Aufenthalt  nehme,  so  wird  ihnen  erwidert,  daß  dies  nur  aus  Gesund- 
heitsrücksichten geschehe,  und  der  Chef  des  russischen  Generalstabs 
in  Frankreich  sehr  zurückgezogen  zu  leben  pflege.  Wer  die  hoch- 
fhegenden  Pläne  des  Ehepaars  Obrutschew  kennt,  wird  sich  durch 
diese  Versicherung  freilich  nicht  irreführen  lassen.  Madame  Obrutschew 
ist  eine  ehrgeizige  Dame,  welche  auf  der  Weltbühne  eine  große  Rolle 
spielen  will.  Sie  huldigt  politisch  radikalen  Anschauungen,  wie  denn 
auch  General  Obrutschew^  zu  den  Roten  gerechnet  wird,  und  in  den 
sechziger  Jahren  in  revolutionäre  Komplotte  verwickelt  war,  was  ihm 
der  Zar  nur  sehr  allmählich  und  nie  völlig  verziehen  hat.  Madame 
Obrutschew  hat  ihren  Gemahl  mit  französischen  Politikern  republika- 
nisch-chauvinistischer Richtung  in  Verbindung  gesetzt,  sie  unterhält 
selbst  eifrigen  Briefwechsel  mit  den  Pariser  Demagogen  und  sucht  mit 
allen  Mitteln,  welche  einer  intelligenten  Französin  zu  Gebote  stehen, 
Rußland  in  jenen  Krieg  mit  Deutschland  hineinzutreiben,  der  Elsaß- 


*  Vgl.  S.  94,  Fußnote  f- 

119 


Lothringen  wieder  zu  Frankreich  bringen  soll.  Der  zweite  französische 
Militärattache  in  St.  Petersburg,  Kapitän  Moulin,  derselbe,  welcher  im 
vergangenen  Winter  ausersehen  war,  dem  Zaren  den  Brief  des  Generals 
Boulanger  zu  überbringen,  steht  in  sehr  freundschaftlichen  Beziehungen 
zu  Madame  Obrutschew.  Madame  Gurko  ist  die  Tochter  eines  ver- 
armten französischen  Edelmanns,  des  Grafen  Salias,  der  in  Moskau 
als  Lehrer  der  französischen  Sprache  lebte.  Sie  ist  ebenso  Französin 
geblieben  wie  Madame  Obrutschew  und  poHtisch  ebenso  rot  an- 
gehaucht. Sie  hat  es  verstanden,  in  Warschau  einen  Kreis  halber  und 
ganzer  Nihilisten  um  sich  zu  gruppieren,  welche  unter  der  Maske  ultra- 
russischer Gesinnung  revolutionär-französische  Zwecke  verfolgen.  Es 
ist  auf  Madame  Gurko  zurückzuführen,  wenn  das  amtliche  Organ  des 
Warschauer  Generalgouverneurs,  der  „Dnewnik  Warschawski"  im 
Geiste  der  „Republique  frangaise"  redigiert  wird.  Auch  Madame  Gurko 
korrespondiert  mit  namhaften  Führern  der  französischen  Revanche- 
partei. Sie  läßt  es  sich  in  jeder  Weise  angelegen  sein,  ihren  Mann  zu 
kriegerischen  antideutschen  Demonstrationen  zu  verleiten,  deren  die 
Presse  schon  mehr  als  eine  zu  verzeichnen  hatte.  Es  sind  in  der 
letzten  Zeit  mancherlei  Kombinationen  angestellt  worden  über  die  Ur- 
heber, Mitwisser  und  Verbreiter  jener,  von  der  „Kölnischen  Zeitung*' 
signalisierten  Fälschungen*,  welche  den  Zweck  verfolgten,  Kaiser  Alex- 
ander in.  pour  les  beaux  yeux  de  la  France  in  den  Krieg  mit  Deutsch- 
land hineinzuhetzen.  Im  St.  Petersburger  Generalstabsgebäude  und  im 
Warschauer  Schlosse  weiß  man  vielleicht  näheres  über  die  Vor- 
geschichte dieser  Fälschungen.  B.  von  Bülow 

Nr.  1220 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Rismarck 

Ausfertigung 
Nr.  15  Paris,  den  13.  Januar  1888 

Wenn  auch,  wie  ich  zu  berichten  die  Ehre  hatte**,  unter  den  hiesigen 
Diplomaten  viel  die  Rede  von  einer  russisch-französischen  Defensiv- 
Allianz  gewesen  ist,  so  glaube  ich  entschieden  noch  nicht  daran. 

Wenn  mich  meine  Beobachtungen  nicht  täuschen,  so  liegt  die 
Sache  so,  daß  von  russischer  Seite  in  Beziehung  auf  Frankreichs  even- 
tuelle Haltung  im  Falle  kriegerischer  Komplikationen  hier  angefragl 
worden  ist  mit  der  Hoffnung,  hier  bindende  Zusicherungen  erlangen  zu 
können. 

Von  "russischer  Seite  ist  dabei  geltend  gemacht,  daß  die  Allianz  der 
Zentralmächte  nur  zum  Schein  gegen  Rußland,  in  Wirklichkeit  aber 

»  Vgl.  Bd.  V,  Kap.  XXXVI,  Anhang  B. 
**  Bericht  Nr.  10  vom  6.  Januar  1888. 

120 


gegen  Frankreich  gerichtet  sei,  und  daß  naturgemäß  die  außerhalb 
dieser  Allianz  stehenden  Mächte  sich  zum  eigenen  Schutz  enger  ver- 
binden müßten. 

Wenn  auch  diese  Argumentation  für  die  Franzosen  etwas  Ver- 
führerisches hat,  und  die  Idee  der  russisch-französischen  Allianz  bei 
der  OberflächUchkeit,  mit  welcher  die  französische  öffentliche  Meinung 
die  poUtischen  Verhältnisse  beurteilt,  sehr  populär  ist,  so  gibt  es  doch 
drei  Faktoren,  welche  die  jetzigen  französischen  Politiker  vor  allem 
daran  verhindern,  Rußland  gegenüber  sich  zu  binden. 

Erstens  die  Unsicherheit  der  hiesigen  Verhältnisse,  die  persönliche 
Stellung  des  Präsidenten  und  die  voraussichtlich  kurze  Lebensdauer 
des  Kabinetts. 

Zweitens  die  Furcht  vor  dem  Kriege  mit  Deutschland,  die  trotz 
der  Aussicht  auf  eine  russische  AlUanz  besteht.  Dieses  Mißtrauen 
gegen  Rußland  ist  sehr  groß,  und  es  wird  vielfach  hier  angenommen, 
Rußland  wolle  Frankreich  nur  vorschieben,  um  es  schließlich  den  Krieg 
doch  allein  auskämpfen  zu  lassen. 

Endlich  drittens  besteht  doch  noch  bei  vielen  Franzosen  die  Idee, 
daß  der  status  quo  im  Mittelmeer  erhalten  bleiben  müsse,  und  die  russi- 
schen den  französischen  Interessen  dort  sich  diametral  entgegenstehen. 

Außerdem  wissen  die  Franzosen  sehr  wohl,  daß,  wenn  sie  wirk- 
lich Rußland  gegenüber  sich  binden  würden,  die  Panslawisten  und  die 
Kriegspartei  sehr  gestärkt  und  die  Möglichkeit  kriegerischer  Kompli- 
kationen rascher  herantreten  könnte,  als  das  hier  bei  der  entschieden 
friedlichen  Stimmung,  die  jetzt  hier  herrscht,  gewünscht  wird. 

Wie  weit  die  russischen  Anerbietungen  und  Forderungen  gegangen 
sind,  habe  ich  noch  nicht  ermitteln  können,  so  viel  weiß  ich  aber, 
daß  die  Franzosen  keine  bindenden  Verpflichtungen  haben  übernehmen 
wollen,  und  daß  die  Russen  durch  die  Antwort,  die  sie  erhielten,  und 
die  Aufnahme,  welche  ihre  Vorschläge  fanden,  unangenehm  berührt 
wurden.  Es  verbergen  die  hiesigen  russischen  Diplomaten  ihre  Un- 
zufriedenheit nicht*. 

Auf  der  andern  Seite  liebäugeln  die  Franzosen  doch  stets  mit  den 
Russen  und,  wie  ich  das  früher  und  auch  neuerdings  gemeldet  habe, 
steht  ein  großer  Teil  der  französischen  Presse  unter  russischem  Einfluß. 

Die  Franzosen  fühlen  sich  isoliert,  und  die  Anlehnung  an  Ruß- 
land ist  ihnen  Bedürfnis:  sie  sind  wie  eine  kokette  Frau,  die  einen  Be- 
schützer sucht,  es  zum  Äußersten  aber  nicht  will  kommen  kssen. 

Von  russischer  Seite  wird,  um  die  Allianzgelüste  zu  verdecken, 
stets  hervorgehoben,  es  werde  und  könne  der  Kaiser  Alexander  mit 
der  demokratischen  Republik  sich  niemals  verständigen. 


*  Daß  wirklich  um  die  Wende  1887/88  von  russischer  Seite  nähere  Beziehungen 
zu  Frankreich  gesucht,  von  diesem  aber  abgelehnt  wurden,  hat  Kaiser  Alex- 
ander III.  dem  Botschafter  von  Schweinitz  am  26.  Januar  1888  selbst  bestätigt. 
Vgl.  Nr.  1176. 

121 


Es  wäre  ganz  natürlich,  ganz  richtig,  wenn  es  so  wäre,  und  des- 
halb finden  die  russischen  Versicherungen  immer  mehr  Glauben,  als 
sie  verdienen. 

Die  hiesigen  Verhältnisse  sind  doch  der  Art,  daß  es  allerdings 
wunderbar  erscheint,  daß  der  autokratische  Kaiser  und  seine  Berater 
an  engere  und  feste  Beziehungen  mit  dem  jetzigen  Frankreich  ernst- 
lich denken  könnten,  und  dennoch  sind  alle  Annäherungsversuche 
ganz  entschieden  von  russischer  Seite  ausgegangen.  Die  Diplomaten 
von  Fach  und  Amateurdiplomaten,  die  stets  auf  Reisen  sind,  intrigante 
Russinnen,  Großfürsten  und  Journalisten  arbeiten  aiie  in  dem  Sinne 
und  würden  das  nicht  tun,  wenn  sie  ernstlich  fürchteten,  von  oben  im 
Stich  gelassen  zu  werden. 

Der  letzte  Vorfall  am  russischen  Hofe  zeigt  wieder  deutüch,  wie 
man  gegenseitig   bemüht   ist,   sich   Liebenswürdigkeiten   zu   erweisen. 

Der  neuerwählte  Präsident  hat  an  alle  Mächte  seine  Wahl  anzeigen 
lassen,  es  ist  dabei  hier  gleich  betont  worden,  daß  die  Repräsen- 
tanten Frankreichs  nicht  von  neuem  akkreditiert  werden  sollten.  Nur 
in  St.  Petersburg  ist  der  Botschafter  Frankreichs  von  Seiner  Majestät 
dem  Kaiser  mit  dem  bei  Überreichung  der  Kreditive  üblichen  Zere- 
moniell empfangen  worden. 

Die  Erklärung,  die  Herr  Flourens  gestern  dem  russischen  Bot- 
schafter gab,  der  ihn  bei  dem  Empfange  im  Elysee  danach  fragte,  ,war 
folgende : 

Dem  französischen  Botschafter  in  St.  Petersburg  seien  keine  neuen 
Kreditive  übersandt;  er  sei  beauftragt,  wie  alle  übrigen  französischen 
Vertreter,  die  Wahl  des  Präsidenten  dem  Souverän,  bei  dem  sie  akkredi- 
tiert seien,  mitzuteilen.  Das  Schreiben  sei  dasselbe  gewesen  wie  das  an 
die  übrigen  Botschafter.  Herr  Laboulaye  habe  dem  Auswärtigen  Amte 
davon  Mitteilung  gemacht  und  habe  nur  angefragt,  ob  Seine  Majestät 
ihn  bei  dieser  Gelegenheit  empfangen  wolle.  Am  russischen  Hofe  habe 
man  irrtümlicherweise  angenommen,  es  handle  sich  um  eine  neue  Be- 
glaubigung des  Botschafters. 

So  erklärt  Herr  Flourens  diesen  Vorfall,  der  natürlicherweise  Auf- 
sehen erregen  mußte.  Wenn  es  wirklich  so  sein  sollte,  so  zeigt  das 
wieder,  wohin  von  Seiten  der  französischen  Diplomatie  und  des  russi- 
schen Hofes  die  Strömung  geht.  Münster 

Nr.  1221 
Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  15  St.  Petersburg,  den  12.  Januar  1889. 

Als  ich  heute  Abschied  vom  Herrn  Minister  von  Giers  nahm,  er- 
griff er  diese  Gelegenheit,  um  einige  Äußerungen  über  Rußlands  Ver- 

122 


hältnis  zu  Deutschland  und  Frankreich  zu  tun:  „Bei  Beginn  des  jetzt 
endenden  Jahres",  so  ungefähr  sagte  Seine  Exzellenz,  „lagen  einige 
beunruhigende  Anzeichen  vor;  diese  sind  geschwunden,  besonders  seit 
dem  Besuche  Ihres  erlauchten  Souveräns*,  und  ich  bin  fest  überzeugt i, 
daß  unser  jetzt  bestehendes  gutes  Verhältnis  fortdauern  wird,  nicht 
bloß  für  die  nächsten,  sondern  für  lange  lange  Jahre  2.  Seine  Majestät  der 
Kaiser  bleibt  so  fest  wie  nur  je  bei  seiner  Anschauung;  als  Katkow 
noch  lebte**,  war  ich  manchmal  etwas  besorgt;  jetzt  aber  gar  nicht. 
Unlängst  konnte  ich  mich  auf's  neue  davon  überzeugen,  daß  Seine 
Majestät  sich  durch  nichts  von  dem  eingeschlagenen  Wege  abbringen 
läßt:  dies  war,  als  eine  von  Herrn  Tatischtschew  geführte  und  vom 
Finanzminister  nicht  unbedingt  zurückgewiesene  Gruppe  den  Versuch 
machte,  der  Privatbeteiligung  an  der  Pariser  Ausstellung  größere  Pro- 
portionen zu  geben;  mein  erhabener  Monarch  wurde  hierdurch  sehr 
aufgebracht  und  gab  dies  deutlich  zu  erkennen.  Die  Sympathien,  welche 
die  Franzosen  uns  beweisen,  und  die  Erwiderung,  welche  dieselben 
bei  höchsten  Personen  und  bei  einem  Teile  der  Gesellschaft  finden, 
ändern  nichts  an  der  Sache  und  an  der  hier  festgestellten  Politik; 
übrigens  sind  selbst  jene  höchsten  Herrschaften,  die  sich  neuerdings 
wieder  so  vortreffUch  in  Paris  amüsiert  haben,  durchdrungen  von  der 
Überzeugung,  daß  dort  keine  Aussicht  auf  Herstellung  eines  geordneten 
dauernden  Zustandes  vorhanden  ist,  rien  que  de  la  pourriture;  die 
Anfeindung  der  christlichen  Religion,  überhaupt  das  ganze  Treiben  der 
Parteien,  besonders  die  erbärmliche  Haltung  des  Grafen  von  Paris, 
haben  auch  denen,  welche  auf  eine  Restauration  der  Orleans  rech- 
neten, alle  Hoffnung  benommen  3.  über  Boulanger  sagt  Baron  Mohren- 
heim,  „ce  n'est  qu'un  son,  ein  leerer  Schall,  eine  Negation"*. 

Zum  Schlüsse  bat  mich  Herr  von  Giers  Euerer  Durchlaucht  für 
die  durch  den  Hauptmann  Grafen  Yorck***  überbrachten  Grüße  und 
freundlichen  Worte  zu  danken  und  dieselben  herzlich  zu  erwidern; 
der  Minister  fügte  hinzu,  daß  er,  sowie  von  jeher  von  Bewunderung 
für  Euere  Durchlaucht  und  von  dem  auf  tiefe  Überzeugung  gegründeten 
Wunsche,  daß  Euere  Durchlaucht  recht  lange  Jahre  erhalten  bleiben 
mögen,  durchdrungen  sei. 

V.  Schweinitz 


Randbemerkungen  Kaiser  Wilhelms  II. 

^  Ich  nicht 

♦  ? 
3  ? 

*  qui  vivera,  verra. 


*  Er  hatte  vom  19.  bis  24.  Juli  1888  stattgefunden. 

**  tl- August  1887. 

***  Graf  Yorck  von  Wartenburg  war  dem  MilitärbevoUmächtigten  in  Petersburg 

Oberstleutnant  von  Villaume  attachiert. 

123 


Nr.  1222 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  170  Paris,  den  22.  Juni  1889 

pp.  Politisch  steht  Frankreich  isoliert.  Das  Verhältnis  zu  Rußland 
ist  entschieden  kühler  geworden.  Von  unserm  Standpunkte  aus  macht 
das  aber  keinen  Unterschied,  da  beide  Mächte  auch  ohne  Allianz  für 
den  Kriegsfall  doch  auf  einander  rechnen,  pp.  Münster 


124 


Kapitel  XL 

Französisch-Deutsche  Kriegsgefahr  und  ihre 
Nachwirkungen  1886—1890 


Nr.  1223 

Bericht  des  Militärattaches  in  Paris  Oberstleutnant  von  Villaume 

Abschrift 

Nr.  286  Paris,  den  28.  Februar  1886 

Die  französische  Regierung,  ebenso  wie  jeder  Franzose  einzeln 
genommen,  versäumen  keine  Gelegenheit,  um  mit  Worten  ihre  Friedens- 
liebe zu  betonen;  die  Militärs  weisen  darauf  hin,  wie  die  Organisation 
der  französischen  Armee,  sowie  die  Sicherung  der  Grenzen  durch  ein 
zusammenhängendes  System  von  Befestigungen  erkennen  lasse,  daß 
Frankreich  keine  Angriffskriege  führen  wolle.  Infolgedessen  erhalten 
diejenigen  Personen,  welche  sich  nur  zeitweise  in  Frankreich  aufhalten, 
auch  wenn  sie  mit  zahlreichen  Franzosen  der  verschiedensten  Stände  in 
Berührung  kommen,  fast  immer  den  Eindruck,  als  ob  die  französische 
Nation  an  keinen  Krieg  denke,  sich  vielmehr  wie  ein  Mann  gegen  die 
Revancheschreier  erheben  würde,  wenn  dieselben  zu  einer  Aktion 
drängen  sollten. 

Zu  einem  anderen  Schluß  gelangen  jedoch  diejenigen,  welche  die 
hiesigen  Verhältnisse  und  die  Franzosen  länger  kennen  und  jahrelang 
der  systematischen,  von  der  Regierung  teils  direkt,  teils  indirekt  unter- 
stützten Vorbereitung  der  Nation  auf  den  sainte  guerre  de  la  Revanche 
mit  Aufmerksamkeit  gefolgt  sind.  Keine  politische  Partei,  gleichgültig, 
ob  sie  sich  am  Ruder  oder  in  der  Opposition  befand,  hat  bisher  aus 
Furcht,  unpatriotisch  zu  erscheinen,  den  Mut  gehabt,  offen  gegen  die 
Revancheprediger  aufzutreten,  welche  das  unter  der  Asche  glimmende 
Feuer  immer  wieder  von  neuem  anfachen,  und  von  tausend  Franzosen, 
welche  aus  aufrichtiger  innerer  Überzeugung  gegen  einen  Krieg  mit 
Deutschland  sind,  und  von  denen  jeder  einzelne  dies  offen  bekennt, 
würde  aus  derselben  Besorgnis  kaum  einer  seine  Stimme  für  Aufrecht- 
erhaltung des  Friedens  zu  erheben  wagen,  wenn  die  Masse  den  Ruf 
„ä  Berlin"  ertönen  läßt. 

Man  muß  die  Ausbreitung  und  die  Macht  des  Chauvinismus 
weniger  nach  den  zahlreichen  permanenten  oder  sporadischen  Hetz- 
blättern beurteilen,  welche  wie  „La  France",  „Le  Drapeau",  „L'Evcne- 
ment",  „L'Antiprussien",  „La  Frontiere",  „La  France  militaire"  u.  a.  m. 
aus  Spekulation  den  Haß  gegen  Deutschland  schüren,  auch  nicht  nach 
den  regelmäßig  wiederkehrenden  Demonstrationen  vor  der  Statue  von 
Straßburg  auf  dem  Place  de  la  Concorde  und  den  aufreizenden  Reden 

127 


des  Präsidenten  der  Patriotenliga,  welcher  nur  aus  persönlicher  Eitelkeit 
und  Ehrgeiz  dieses  Geschäft  betreibt,  sondern  nach  dem  Wert,  welchen 
die  Regierung,  die  politischen  Parteien  und  die  Armee  diesem  Produkt 
des  französischen  Patriotismus  beilegen. 

Das  stärkere  Hervortreten  des  Chauvinismus  in  der  letzten  Zeit 
bietet  die  Veranlassung,  dieser  wichtigen  Frage,  welche  auf  die  Ge- 
schicke Frankreichs  einen  entscheidenden  Einfluß  auszuüben  berufen 
zu  sein  scheint,  näher  zu  treten,  und  zwar  hauptsächlich  mit  Bezug  auf 
die  Stellung,  welche  die  Regierung  oder  ihre  Vertreter  zu  derselben 
einnehmen. 

In  dem  auf  den  letzten  Krieg  folgenden  Jahrzehnt  wurde  zwar 
neben  der  Deutschenhetze  und  der  kindischen  Spionenriecherei  auch 
die  Revancheidee  gehegt  und  gepflegt;  doch  waren  einesteils  die  Ein- 
drücke des  letzten  Krieges  noch  zu  frisch,  anderenteils  die  Befestigungs- 
anlagen zum  Schutz  der  Grenze  und  im  Innern  des  Landes,  sowie  die 
Vorbereitung  der  Armee  und  Nation  für  den  heiligen  Krieg  noch  nicht 
weit  genug  vorgeschritten,  als  daß  die  Franzosen  den  baldigen  Aus- 
bruch desselben  hätten  herbeiwünschen  sollen.  Die  dann  folgende 
tunesische  Expedition  zog  nicht  nur  die  Aufmerksamkeit  mehr  von  der 
Ostgrenze  ab  und  absorbierte  starke  Kräfte  der  kontinentalen  Armee, 
sondern  deckte  auch  so  große  Mängel  der  Armeeverwaltung  und  Lei- 
tung auf,  daß  man  sich  wohl  hütete,  mit  dem  Feuer  zu  spielen. 

Erst  als  gegen  Ende  1881  das  grand  ministere  mit  Gambetta  ans 
Ruder  kam  und  General  Campenon  als  Kriegsminister,  General  Miribel 
als  Chef  des  Generalstabes  an  die  Spitze  der  Armee  traten,  wurden 
die  Revanchehoffnungen  neu  belebt;  sie  sind  seitdem  stetig  gewachsen, 
weil  mit  der  allmählichen  Vervollkommnung  der  Armee  und  des  Landes- 
verteidigungssystems, sowie  mit  der  weiteren  Ausbreitung  der  Pa- 
triotenliga, der  Schieß-,  Turn-  und  anderer  patriotischer  Vereine,  auch 
das  Selbstvertrauen,  die  Aussicht  auf  Erfolg  und  endlich  der  Übermut 
zunahmen. 

Die  Wogen  des  Chauvinismus  sind  in  diesem  die  letzten  Jahre 
umfassenden  Zeitraum  verschieden  hochgegangen.  Teils  rief  der 
Wechsel  der  Ministerien,  besonders  der  Kriegsminister,  Schwankungen 
hervor,  teils  die  nahe  oder  ferne  MögUchkeit  europäischer  Verwickelun- 
gen, teils  endlich  die  mehr  oder  weniger  großen  Chancen,  welche  sich 
für  ein  Bündnis  darboten.  Noch  in  frischer  Erinnerung  ist  die  auf- 
reizende Sprache  der  hiesigen  Journale,  als  man,  betört  durch  das  Be- 
nehmen des  Generals  Dragomirow  im  Herbst  1883,  die  Allianz  mit 
Rußland  für  gesichert  hielt.  Das  Anfang  1884  neubefestigte  Ein- 
vernehmen zwischen  den  drei  Kaisermächten  wirkte  wie  eine  kalte 
Dusche  auf  die  erhitzten  Gemüter,  und  diese  Abkühlung  hielt  um  so 
länger  an,  als  bald  darauf  der  ungünstige  Verlauf  der  Expeditionen  in 
Tonking  und  Madagaskar  die  Aufmerksamkeit  des  Landes  fast  aus- 
schließlich fesselte,  und  die  unausgesetzte  Nachsendung  von  Verstärkun- 

128 


gen  immer  mehr  Kräfte  für  das  rendez-vous  aux  Vosges  verloren- 
gehen Heß. 

In  diese  Zeit  fielen  auch  die  Versuche  der  Opportunisten  unter 
ihrem  staatsklugen  und  energischen  Führer,  ein  gutes  Einvernehmen 
mit  Deutschland  herzustellen,  nachdem  sie  selbst  lange  genug  aus  dem 
Chauvinismus  für  sich  Kapital  geschlagen  hatten.  Aber  gerade  diesen 
Umstand  in  Verbindung  mit  der  mehr  eingebildeten  als  wirklichen 
Schwächung  der  kontinentalen  Armee  durch  die  Ferrysche  Kolonial- 
politik beuteten  die  Hauptgegner  der  damaligen  Regierung,  Monarchi- 
sten und  Radikale,  im  chauvinistischen  Sinne  aus:  „Mit  Deutschland 
verhandeln,  heißt  Frankreich  verraten!"  Die  Haltung  der  Menge, 
welche  am  Tage  des  Sturzes  des  Ministeriums  Ferry  von  der  Deputierten- 
kammer nach  dem  Auswärtigen  Amte  zog  mit  dem  Rufe:  „A  bas  le 
Prussien'',  sowie  die  Tumulte  und  Wutausbrüche,  welche  die  Ver- 
lesung der  bekannten  Depesche  Ferrys  an  Herrn  von  Courcel  vom 
29.  März  v.  Js.  bei  Gelegenheit  der  letzten  Tonkindebatte  in  der 
Kammer  hervorrief*,  legten  Zeugnis  davon  ab,  daß  die  regierungs- 
feindhchen  Parteien  das  richtige  Mittel  gewählt  hatten,  um  die  Oppor- 
tunisten in  der  öffentlichen  Meinung  zu  diskreditieren. 

Noch  deuthchere  Beweise  dafür,  wie  feste  Wurzeln  die  Revanche- 
idee besonders  in  der  die  Geschicke  Frankreichs  bestimmenden  Haupt- 
stadt gefaßt  hat,  Ueferten  die  Nachwahlen  zur  Deputiertenkammer.  Der 
für  die  Republikaner  ungünstige  Verlauf  des  ersten  Wahltages  Heß  es 
der  Regierung  notwendig  erscheinen,  für  die  späteren  Wahlkämpfe 
schweres  Geschütz  hervorzuholen.  Deshalb  appellierte  auch  sie  an  den 
Chauvinismus;  die  opportunistische  Liste  hatte  ihren  Deroulede,  die 
der  gemäßigten  Republikaner  den  Elsässer  Dollfus,  und  bei  der  Fusion 
beider  Listen  fanden  sich  die  Repubhkaner  aller  Schattierungen  in 
dem  Präsidenten  der  Patriotenliga,  der  „vivante  incarnation  de  la  Re- 
vanche", zusammen.  Am  4.  Oktober  hatte  er  als  selbständiger  Kan- 
didat 60000  Stimmen  auf  sich  vereinigt;  bei  den  Ersatzwahlen  stieg 
diese  Zahl,  trotz  bedeutend  geringerer  Beteiligung  der  Wähler  auf 
über  104  000,  sodaß  er  unmittelbar  auf  die  gewählten  radikalen  Kan- 
didaten folgte. 

Aber  auch  höhere  Offiziere  scheuen  sich  nicht,  öffentlich,  außer- 
halb ihrer  militärischen  Kreise,  den  Haß  gegen  Deutschland  zu  schüren 
und  den  heiligen  Krieg  zu  predigen. 

General  Vosseur  betonte  als  Kommandeur  der  4.  Kavalleriebrigade 
im  August  1884  bei  Gelegenheit  der  Einweihung  eines  Denkmals,  die 
Notwendigkeit,  daß  die  Franzosen  „abreuves  d'humiliations  immeri- 
tces"  in  der  Tiefe  ihres  Herzens  ihre  fureurs  vengeresses  bis  zum 
günstigen  Moment  bewahren  müßten;  General  Verneville  gab  in  dem 
Tagesbefehl,  in  welchem  er  als  Kommandeur  der  2.  Kavalleriedivision 


*  Vgl.  Bd.  III,  Nr.  699,  S.  443,  Fußnote  ♦*. 

9    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  129 


von  derselben  Abschied  nahm,  der  Hoffnung  auf  eine  vigoureuse  re- 
vanche  gegen  diejenigen  Feinde  Ausdruck  „qui  n'ont  du  leur  succes 
en  1870  qu'ä  un  moment  de  surprise";  General  Davoust  d'Auerstaedt, 
früher  Kommandeur  des  afrikanischen  Armeekorps,  bezeichnete  bei 
einer  öffentlichen  Ansprache  an  die  Offiziere  des  2.  Zuavenregiments 
den  Feind,  gegen  den  er  sie  siegreich  zu  führen  hoffe,  mit  den  Worten : 
„son  attitude  menagante,  malgre  toutes  les  fictions  diplomatiques,  le 
fait  assez  connaitre  ä  l'armee";  General  Lewal  schloß  als  komman- 
dierender General  des  17.  Armeekorps  einen  militärischen  Vortrag  in 
einem  wissenschaftlichen  Verein  in  Montauban  im  November  1884 
mit  den  Worten:  „Gräce  ä  l'application  du  Service  obligatoire  nous 
pouvons  envisager,  dans  un  avenir  prochain,  le  glorieux  relevement  de 
la  patrie  frangaise".  Bei  der  Eröffnung  des  Kursus  der  Societe  poly- 
technique  militaire  wies  der  Festredner  Oberst  Niox,  Lehrer  an  der 
Kriegsakademie,  in  Gegenwart  des  Kommandanten  von  Paris  auf  das 
„verstümmelte  Frankreich"  und  die  Notwendigkeit  hin,  ihm  seine  natür- 
liche Grenze,  den  Rhein,  wiederzugeben,  und  entwickelte  dann  des 
näheren,  ebenso  wie  General  Dumont,  kommandierender  General  des 
S.Armeekorps,  im  August  v.  Js.  den  Satz:  „La  Francs  est  archi- 
prete."  Die  Patriotenliga  hatte  dem  General  Faidherbe  zum  Jahrestage 
der  Schlacht  bei  Bapaume  die  große  silberne  Medaille  verheben; 
bei  der  kürzlich  erfolgten  feierlichen  Überreichung  derselben  wurde 
natürlich  stark  in  Chauvinismus  gearbeitet,  und  General  Faidherbe  be- 
dauerte, daß  er  die  ihm  vor  einem  Jahre  angetragene  Ehrenpräsident- 
schaft wegen  „raisons  d'ordre  superieur  qui  avaient  seul  empeche 
son  consentement  personnel  de  devenir  une  realite"  hätte  ablehnen 
müssen. 

Daß  General  Campenon  als  Kriegsminister  Ehrenpräsident  der 
von  der  Patriotenliga  arrangierten  Preisschießen  in  Vincennes  war, 
sogar  die  Armee  aufgefordert  hatte,  sich  an  der  Subskription  zur  Deckung 
der  Kosten  zu  beteiligen,  und  sich  bei  den  Feierlichkeiten,  die  haupt- 
sächlich in  deutschfeindlichen  Kundgebungen  und  Brandreden  Derou- 
ledes  bestanden,  durch  seinen  Kabinettschef  vertreten  ließ,  der  mit 
M*"^  Adam  auf  die  Erfolge  der  Liga  anstieß,  ist  bekannt  und  beweist, 
daß  die  Regierung  diesen  sogenannten  „offiziellen  Patriotismus"  tat- 
sächlich unterstützt. 

Der  Nachfolger  des  General  Campenon,  General  Boulanger,  hat 
ein  noch  wirksameres  Mittel  gewählt,  um  sich  als  Revanchekriegsmini- 
ster verherrlichen  zu  lassen.  Er  hat  die  „France  militaire",  eines  der 
schhmmsten  Hetzblätter,  welches  schon  früher  Beziehungen  zu  ihm 
unterhielt  und  Reklame  für  ihn  machte,  zu  seinem  Leiborgan  erhoben. 
Dieses  Blatt  erscheint,  anstatt  wie  früher  zweimal  wöchentlich,  ohne 
Erhöhung  des  Abonnementspreises  jetzt  tägUch  („plus  en  rapport  avec 
rimportance  de  nos  moyens  d'informations")  mit  Ausnahme  des  Mon- 
tags, „weil  die  Bureaux  des  Kriegsministeriums  am  Sonntag  geschlossen 

130 


sind";  dasselbe  ist  offiziös  vom  Kriegsministerium  empfohlen  worden 
und  empfängt  von  demselben  zahlreiche  Nachrichten  früher  als  alle 
anderen  Fachblätter.  Es  erscheint  überflüssig,  den  von  mir  früher 
gegebenen  Proben  von  der  verbissenen  und  unehrerbietigen  Sprache, 
mit  welcher  diese  Fachzeitung  ihrem  Haß  gegen  Deutschland  gewöhn- 
lich Ausdruck  gibt,  noch  weitere  hinzuzufügen;  es  genügt  darauf  hin- 
zuweisen, daß  ein  würdiger  Konkurrent  der  schmutzigsten  Hetzblätter 
zum  offiziösen  Organ  des  jetzigen  Kriegsministers  erkoren  ist,  ein 
Blatt,  welches  wetteifert  mit  „La  France"  und  dem  „Antiprussien"  in 
Spionenriecherei,  mit  dem  „Drapeau"  und  dem  „Evenement"  in  der 
Erfindung  von  Greueltaten  preußischer  Soldaten  aus  dem  letzten  Kriege 
und  der  Enthüllung  der  geheimen  Absichten  des  eroberungssüchtigen, 
unersättlichen  Deutschland,  und  endlich  mit  anderen  chauvinistischen 
politischen  Blättern  und  dem  russophilen  ,,Progres  militaire"  in  der  Ent- 
deckung der  role  si  louche,  welche  Deutschland  in  allen  europäischen 
Verwickelungen  spielt,  sowie  in  der  systematischen  Aufreizung  aller 
anderen  Staaten  gegen  Deutschland.  Es  ist  das  einzige  mihtärische  Blatt, 
welches  für  den  neuen  Kriegsminister  nur  Worte  der  Anerkennung 
und  des  Lobes  hat,  welches  ihm  in  der  niedrigsten  Weise  schmeichelt 
und  noch  vor  einigen  Tagen  prophezeite:  „dans  5  ans,  gräce  ä  lui, 
l'armee  frangaise,  completement  regeneree,  fera  pälir  au  loin  les  princes 
allemands." 

Andere  Stimmen  in  der  Presse  wollen  den  Revanchekrieg  nicht 
so  lange  aufschieben  und  hoffen  noch  vor  der  Ausstellung  1889  mit 
den  bons  voisins  abgerechnet  zu  haben.  Eine  allmähliche  Abnahme 
des  Chauvinismus  in  der  nächsten  Zeit  ist  daher  um  so  weniger  zu 
erwarten,  als  die  Liquidation  der  kolonialen  Expeditionen  im  Früh- 
jahr d.  Js.  den  größten  Teil  der  auf  Madagaskar  und  in  Tonking  be- 
findlichen Truppen  nach  Frankreich  zurückführen  und  voraussichtlich 
auch  eine  Steigerung  des  französischen  Übermutes  zur  Folge  haben 
wird. 

(gez.)  von  Villaume 


Nr.  1224 

Bericht  des  Militärattaches  in  Paris  Oberstleutnant  von  Villaume 

Abschrift 

Nr.  304  Paris,  den  29.  April  1886 

Ich  habe  bereits  darauf  hinzuweisen  die  Ehre  gehabt,  daß  eines- 
teils im  allgemeinen  nur  solche  afrikanische  und  europäische  Truppen 
in  Tonking  belassen  worden  sind,  auf  die  man  bei  einem  europäischen 
Kriege  nicht  rechnet,  anderenteils  auf  deren  Ersatz  durch  Neuforma- 
tionen Bedacht  genommen  ist.   Alle  anderen  europäischen  und  afrikani- 

9*  131 


sehen  Truppen,  welche  bei  dem  großen  Rendezvous  aux  Vosges  nicht 
fehlen  dürfen,  werden  bis  Ende  Juni  in  die  Heimat  zurückgekehrt 
sein*. 

Denselben  Zweck  der  Versammlung  der  europäischen  Streitkräfte 
im  kontinentalen  Frankreich  verfolgt  General  Boulanger  auch  jetzt  mit 
der  Heranziehung  aller  in  Afrika  nur  irgend  entbehrlichen  europäischen 
Truppenteile. 

Es  ist  bekannt,  daß  die  kontinentale  Armee  seit  dem  Jahre  1880, 
dem  Beginn  der  tunesischen  Expedition,  zahlreiche  Abteilungen  aller 
Waffengattungen  in  den  afrikanischen  Provinzen  unterhält  und  die- 
selben, wenigstens  zum  Teil,  auch  solange  daselbst  wird  belassen 
müssen,  bis  das  Parlament  die  Gesetzentwürfe  über  die  Schaffung  einer 
Kolonialarmee  und  die  Vermehrung  der  afrikanischen  Truppen  an- 
genommen hat. 

Die  in  den  drei  algerischen  Provinzen  stationierten  europäischen 
Batterien  sind,  um  die  Lücken  in  den  betreffenden  Regimentern  wieder 
zu  füllen,  schon  seit  langer  Zeit  als  neue, Batterien  bis  formiertj  die  ab- 
kommandierten Genie-  und  Trainkompagnien  sind  den  westHchen  und 
südwestlichen  Armeekorps  entnommen,  fallen  aber  bei  der  Berechnung 
der  kontinentalen  Streitkräfte  kaum  ins  Gewicht. 

Das  tunesische  Expeditionskorps,  welches  1881  noch  drei  Divisionen, 
bis  1884  noch  ein  Armeekorps,  von  da  ab  eine  Division  stark  war, 
wird  Mitte  Juni  d.  Js.  auf  eine  Brigade  zusammengeschrumpft  und  von 
42  000  Mann,  welche  dasselbe  vor  fünf  Jahren  zählte,  auf  zirka  9500  Mann 
reduziert  sein. 

Aus  den  anderen  afrikanischen  Provinzen  werden  die  drei  im  vorigen 
Jahre  zur  Aushilfe  und  provisorisch  nach  Afrika  detachierten  Jäger- 
bataillone, deren  Depots  in  Europa  geblieben  waren,  hierher  wieder 
zurückkehren,  sobald  sie  durch  die  algerischen  Tirailleurs  aus  Tonking 
abgelöst  sind;  außerdem  sollen  noch  die  vier  Eskadrons  der  7.  und  13. 
Chasseurs  und  einige  der  seit  1880  dort  stationierten  vierten  Bataillone 
zurückberufen  werden. 

Die  nächste  günstige  Folge  dieser  Maßregeln  ist,  daß  die  drei  Ka- 
vallerieregimenter (6.  Husaren,  7.  und  13.  Chasseurs)  bezüglich  ihrer 
Mobilmachung  mit  den  anderen  Korps-Kavallerieregimentern  wieder 
auf  gleichen  Fuß  gestellt,  und  daß  mit  Hinzurechnung  der  aus 
Tonkin  zurückkehrenden  drei  Bataillone  von  Mitte  Juni  d.  Js.  ab  für 
den  europäischen  Kriegsschauplatz  14 — 16  vierte  Bataillone  mehr  als 
bisher,  sei  es  zu  Festungsbesatzungen,  sei  es  zu  Reserveformationen, 


*  Schon  in  seinem  Berichte  vom  26.  April  (Nr.  303)  hatte  Oberstleutnant  von 
Villaume  darauf  hingewiesen,  daß  bis  Mitte  Mai  das  französische  Expeditionskorps 
in  Tonkin  und  Annam  auf  eine  starke  Division,  und  zwar  durchweg  solche 
Truppen  reduziert  sein  werde,  die  für  einen  europäischen  Krieg  nicht  in  Frage 
kämen,  wie  die  Fremdenlegion  und  die  Zephyrs. 

132 


verfügbar  sein  werden.  Endlich  aber  fällt  damit  in  Zukunft  für  die 
kontinentale  Armee  die  unbequeme  Verpflichtung  fort,  die  in  den 
Kolonien  detachierten  Truppenteile  auf  einem  höheren  Friedensstand 
zu  halten  und  durch  Ersatzmannschaften  immer  von  neuem  zu  kom- 
plettieren, eine  Maßregel,  welche  die  schwachen  Präsenzstärken  noch 
mehr  herabdrückte,  die  Ausbildung  störte  und  den  Truppenteilen  die 
besten  Kräfte  entzog. 

Frankreich  wird  also  von  Mitte  Juni  d.  Js.  ab  in  bezug  auf  die 
Bereitschaft  seiner  Landstreitkräfte  zu  einem  kontinentalen  Kriege  so 
günstig  gestellt  sein,  wie  nie  zuvor,  und  dürften  die  vorerwähnten 
Maßregeln  außer  aus  rein  mihtärischen  Gründen  wohl  mit  im  Hinblick 
auf  etwaige  größere  europäische  Verwickelungen  angeordnet  sein.  Sagt 
doch  die  ,, France  militaire",  das  Leiborgan  des  Kriegsministers,  welches 
nach  nur  kurzer  Ruhepause  seit  einiger  Zeit  von  neuem  ihrem  Deutschen- 
haß die  Zügel  schießen  läßt,  daß  Frankreich  Griechenland  unterstützen 
müsse,  um  das  Drei-Kaiser-Bündnis  zu  sprengen,  „welches  im  großen 
und  ganzen  nur  gegen  uns  und  die  eventualite  de  nos  revendications 
gerichtet  ist".  „Travaillera  qui  voudra  ä  la  consolidation  de  la  triple 
alliance;  mais  ce  ne  sera  pas  nous.  Que  nous  Importe  que  1' Antriebe 
et  la  Russie  en  viennent  aux  coups?  Mais  que  l'AUemagne  se  figure 
bien  que  si  eile  veut  jeter  son  epee  dans  la  balance,  nous  nous  souvien- 
drons  qu'en  Alsace  et  en  Lorraine  on  nous  attend." 

Angesichts  der  Lügen,  welche  die  französische  Presse  unausgesetzt 
über  die  Absichten  Deutschlands  verbreitet,  und  der  verschiedenen 
Mittel,  welche  sie  gerade  in  der  letzten  Zeit  anwendet,  um  der  großen 
Masse  des  Volkes  die  Furcht  vor  einem  neuen  Kriege  mit  Deutschland 
auszutreiben,  endlich  bei  der  grenzenlosen  Unkenntnis,  welche  im  all- 
gemeinen hier  über  das  Ausland  herrscht,  ist  es  wahrlich  nicht  zu  ver- 
wundern, wenn  man  hier  so  vielfach  der  Auffassung  begegnet,  daß  es 
bald  zu  einem  Kriege  mit  Deutschland  kommen  werde.  Man  muß 
ferner  berücksichtigen,  daß  es  aus  verschiedenen  Gründen  für  Frank- 
reich nur  vorteilhaft  sein  kann,  diese  Eventualität  möglichst  bald 
herbeizuwünschen.  Die  im  Juni  d.  Js,  beendigte  Versammlung  der 
kontinentalen  Streitkräfte,  die  augenblicklich  in  allen  Kolonien  herr- 
schende Ruhe,  welche  aber  über  kurz  oder  lang  wieder  gestört  werden 
und  neue  Anforderungen  an  die  kontinentale  Armee  stellen  kann,  endHch 
die  augenblickliche  Ruhepause  auf  dem  Gebiet  größerer  reformatori- 
scher  Veränderungen  lassen  diesen  Wunsch  seitens  der  Armeeleitung 
und  der  militärischen  Kreise  erklärlich  und  berechtigt  erscheinen.  Und 
daß  man  in  den  anderen  Kreisen  nur  von  diesem  Kriege  eine  Ver- 
besserung der  kommerziellen  und  industriellen  Verhältnisse,  einen  Aus- 
weg aus  den  sozialistischen  Wirren  und  aus  den  auf  die  Dauer  unhalt- 
baren inneren  politischen  Zuständen  erwartet,  ist  bekannt. 

Wenn  ich  daher  zum  Schluß  den  Eindruck  über  die  herrschende 
Stimmung   zusammenfasse,   welchen   ich   persönlich   und   aus   den  mir 

133 


zugegangenen  Mitteilungen  gewonnen  habe,  so  ist  es  der,  daß  man  in 
der  Armee,  wie  schon  seit  langer  Zeit,  den  Krieg  wünscht  und  an  einen 
baldigen  Ausbruch  desselben  glaubt. 

(gez.)  von  Villaume 

Nr.  1225 

Der  Unterstaafssekretär  im  Auswärtigen  Amt  Graf  von  Berchem 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 

Nr.  249  Berlin,  den  8.  Mai  1886 

Geheim 

Ew.  beehre  ich  mich,  beifolgend  2  Berichte  des  Militärattaches 
in  Paris,  Oberstleutnant  von  Villaume,  vom  26.*  und  29.**  v.  Mts.  in 
Abschrift  resp.  Auszug  zur  Kenntnisnahme  mitzuteilen. 

Wie  Ew.  aus  den  Anlagen  ersehen  werden,  ziehen  die  Fran- 
zosen alle  ihre  Kräfte  zusammen,  um  sich  für  den  Kampf  fertig  zu 
machen;  die  Tendenz  zum  Kriege  ist  in  vielen  dortigen  Kreisen  so  stark, 
daß  wir  keinesfalls  darauf  rechnen  können,  Komplikationen  im  Osten 
ohne  Einmischung  Frankreichs  verlaufen  zu  sehen. 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet  Ew.,  dies  dem  Grafen  Kälnoky 
vertraulich  mitteilen  und  auch  dem  Kaiser  Franz  Joseph  bei  sich  bieten- 
der Gelegenheit  davon   sprechen   zu  wollen. 

Graf  Kälnoky  wird  daraus  entnehmen,  wieviel  Grund  wir  haben, 
Wert  darauf  zu  legen,  daß  Österreich-Ungarn  mit  Rußland  in  Frieden 
bleibt  und   daß   das   Drei-Kaiser-Bündnis   zusammenhält. 

Wenn  Frankreich  uns  allein  angriffe,  so  würden  wir  ja  sehen,  wie 
wir  uns  aus  der  Affäre  ziehen ;  aber  es  wäre  für  uns  eine  unerwünschte 
Aussicht,  in  diese  Lage  zu  kommen,  wenn  schon  im  Osten  Händel 
beständen.  Die  Situation  macht  auf  uns  den  Eindruck,  als  ob  wir  noch 
höheren  Wert  als  sonst  auf  die  Erhaltung  guten  Einvernehmens  zwi- 
schen den  drei  Kaisermächten  legen  müßten. 

Wir  werden  dem  französischen  Angriff  nicht  zuvorkommen ;  der- 
selbe wird  aber  sicher  eintreten,  sobald  im  Osten  Komplikationen  ent- 
stehen. In  solchem  Falle  würde  das  antideutsche  Gewicht  Frankreichs 
zugunsten  Rußlands  in  die  Wagschale  fallen. 

Ew.  werden,  wie  ich  lediglich  zu  Ihrer  persönlichen  Informa- 
tion hinzufüge,  aus  dem  Vorstehenden  ersehen,  wie  sehr  wir  Grund 
haben,  im  Osten  Frieden  zu  halten;  es  müßte  ein  sehr  gerechter 
casus  foederis  sein,  der  uns  veranlassen  könnte,  unter  dieser  Drohung 
von  Westen  den  Krieg  im  Osten  zu  führen. 

Berchem 


*  Vgl.  Nr.  1224,  S.  132,  Fußnote. 
**  Siehe  Nr.  1224. 

134 


Nr.  1226 

Der  kommissarische  Geschäftsträger  in  Wien  Militärattache  Graf 
von  Wedel*  an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  230  Wien,  den  25.  Mai  1886 

Vertraulich 

Bei  der  heutigen  durch  Seine  Majestät  den  Kaiser  Franz  Joseph 
vorgenommenen  Besichtigung  eines  Infanterieregiments,  zu  der  auch 
ich  mich  in  gewohnter  Weise  eingefunden  hatte,  weil  ich  es  für  zweck- 
mäßig halten  zu  dürfen  glaube,  wenn  ich  meine  militärische  Stellung 
zur  gelegentlichen  Begegnung  mit  dem  Monarchen  ausnutze,  kam  Seine 
Kaiserliche  Hoheit  der  Kronprinz  Rudolf,  den  ich  infolge  seiner  Krank- 
heit und  längeren  Abwesenheit  von  Wien  während  einiger  Monate 
nicht  gesehen  hatte,  gleich  zu  Anfang  an  mich  herangeritten,  um  mich 
in  ein  längeres  Gespräch  zu  verwickeln. 

Der  Kronprinz  ging  nach  kurzer  und  gnädiger  Begrüßung  sofort 
auf  das  politische  Gebiet  über,  indem  er  mit  einer  gewissen  Feierlich- 
keit auf  die  in  neuerer  Zeit  in  Frankreich  hervorgetretenen  beunruhigen- 
den Symptome  hinwies.  Seine  Kaiserliche  Hoheit  bemerkte  hierzu,  daß 
der  Glaube  an  einen  in  diesem  Sommer  ausbrechenden  Krieg  zwischen 
Frankreich  und  Deutschland  hier  in  journalistischen  und  anderen  Kreisen 
neuerdings  immer  festere  Wurzeln  fasse,  und  daß  dieser  Glaube  durch 
die  aus  Frankreich  hierher  gelangenden  Nachrichten  erzeugt  und  ge- 
nährt werde.  Doch  nicht  in  Frankreich  allein,  sondern  auch  in  Deutsch- 
land befestige  sich,  wie  er  höre,  ein  solcher  Glaube,  besonders  in  den 
Kreisen  der  kleineren  Geschäftsleute. 

Auf  letztere  Äußerung  hin  habe  ich  dem  Kronprinzen  erwidert, 
daß  ich  die  Richtigkeit  dieser  Nachricht  bezweifeln  müsse,  da  mir  in 
der  deutschen  Presse  eine  derartige  Auffassung  bisher  nirgends  be- 
gegnet sei.  Das  deutsche  Volk  sei,  wie  er  wisse,  ein  friedliebendes, 
das  keine  chauvinistischen  Neigungen  besitze,  und  wer  die  deutsche 
Politik  der  letzten  15  Jahre  mit  unbefangenem  Blick  verfolgt  habe,  der 
könne  nicht  einen  Moment  darüber  im  ungewissen  sein,  daß  diese 
sich  ausschließlich  auf  die  Erhaltung  des  Friedens  richte,  und  daß 
Seine  Majestät,  unser  allergnädigster  Herr,  und  Euere  Durchlaucht 
stets  mit  der  ganzen  Autorität  und  mit  Erfolg  für  dieses  Ziel  ein- 
getreten wären. 

Aus  diesem  Grunde  auch  hätte  ich  mit  Befremden  von  gewissen 
Stimmen  in  der  hiesigen  Presse  und  besonders  von  einem  in  dem  „Neuen 
Wiener  Tagblatt*'   vom   23.  d.  Mts.   enthaltenen   Leitartikel  —  den  ich 


*  Militärattache  Graf  von  Wedel  war  Mitte  Mai  an  Stelle  des  erkrankten  Geschäfts- 
trägers Grafen  von  der  Goltz  mit  der  Vertretung  des  beurlaubten  Botschafters 
Prinzen  Reuß  beauftragt  worden. 

135 


in  der  Anlage  mir  ganz  gehorsamst  beizufügen  erlaube  —  Kenntnis 
genommen,  in  welchem  die  Anschauung  vertreten  werde,  daß  es  der 
deutsche  Reichskanzler  sei,  der  allein  Antwort  zu  geben  vermöge,  ob 
es  zum  Kriege  zwischen  Frankreich  und  Deutschland  kommen  werde*. 
Die  Verbreitung  einer  solchen  Auffassung  sei  meiner  Ansicht  nach 
ebenso  irrig  als  gefährlich,  da  in  Deutschland  wohl  kaum  jemand  an 
etwas  anderes  als  an  eine  etwa  notwendige  Abwehr  denke,  und  den 
Zeitpunkt  für  eine  solche  pflege  doch  der  Angegriffene  nicht  zu  be- 
stimmen. 

Ich  glaube  hier  nicht  unerwähnt  lassen  zu  sollen,  daß  diese  Er- 
örterungen ledighch  den  Charakter  eines  Privatgesprächs  trugen,  und 
daß  ich  mich  zu  einer  Antwort  in  der  vorstehend  geschilderten  Weise 
nur  um  deswillen  veranlaßt  glaubte,  weil  sich  einesteils  der  Kronprinz 
über  die  in  Frankreich  getroffenen  militärischen  Maßnahmen  —  sei  es 
nun  durch  die  Meldungen  des  österreichischen  oder  die  Berichte  unseres 
Militärattaches  in  Paris,  welche  letzteren  dem  geheimen  Erlasse  Nr.  249 
vom  8.  d.  Mts.**  angeschlossen  waren  —  orientiert  zeigte,  und  weil 
anderenteils  die  in  meinem  gehorsamsten  Berichte  Nr.  222  vom  19. 
d.  Mts.  erwähnten  Beziehungen  des  Kronprinzen  zum  Redakteur  des 
„Tagblatt"  mir  Anlaß  zu  bieten  schienen,  den  durch  dieses  Blatt  ge- 
äußerten falschen  Prämissen  entgegenzutreten. 

Seine  Kaiserliche  Hoheit  antwortete  mir  übrigens  lebhaft,  daß  er 
die  Friedensliebe  des  deutschen  Volkes  kenne  und  ebenso  wisse,  daß 
die  bisherige  Erhaltung  des  europäischen  Friedens  lediglich  Euerer 
Durchlaucht  zu  danken  sei. 

Nichtsdestoweniger  aber  klang  in  den  Worten  des  Kronprinzen 
eine  gewisse  pessimistische  Anschauung  durch,  welche  hauptsächUch 
in  dem  Glauben  ihren  Grund  zu  haben  scheint,  daß  zwischen  Ruß- 
land und  Frankreich  für  gewisse  Eventualitäten  Abmachungen  bestehen, 
ein  Glaube,  der,  wie  ich  annehme,  sich  auf  die  jüngst  von  mir  erwähnten 
Äußerungen    des   Herrn   Clemenceau   stützt. 

Einem  solchen  Glauben,  welcher  nicht  etwa  aus  chauvinistischen 
Regungen  des  Kronprinzen,  sondern  aus  einem  gewissen  Mißtrauen 
gegen  Rußland  entspringt,  bin  ich  dadurch  begegnet,  daß  ich  es  nach 
meiner  Ansicht  für  ausgeschlossen  erklärte,  daß  der  Kaiser  Alexander 
überhaupt  und  ganz  besonders  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  mit 
der  französischen  Republik  eine  Offensivallianz  abschließen  werde.  Nicht 


*  Der  Artikel  „Die  zwei  Gewitter"  des  „Neuen  Wiener  Tagblatts"  vom  23.  Mai 
1886,  dessen  Redakteur  Szeps  in  nahen  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  dem 
französischen  Politiker  Clemenceau  stand,  konstatierte,  daß  das  Verhältnis  zwischen 
Deutschland  und  Frankreich  sich  verändert  habe,  nur  wisse  man  nicht,  wie  und 
wieso?  Neben  dem  im  fernen  Osten  stehenden  Gewitter  der  orientalischen  Frage 
stiegen  im  Westen  Zeichen  auf,  die  vielleicht  einen  nahen  Wetterausbruch  be- 
deuteten. Nur  Bismarck  könne  wissen,  ob  es  zu  solchem  Wetterausbruch  kommen 
werde  usw. 
**  Siehe  Nr.  1225. 

136 


von  Rußland  sei  meiner  Überzeugung  nach  ein  Angriff  zu  fürchten, 
zweifellos  aber  erscheine  es  mir,  daß  eine  Verwickelung  an  anderer 
Stelle  für  Frankreich  ein  Signal  zum  Losschlagen  sein  werde. 

Qf.  V.Wedel 

Nr.  1227 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von 
Bismarck  an  Kaiser  Wilhelm  I.,  z.  Z.  in  Baden-Baden 

Ausfertigung 

Berlin,  den  28.  September  1886 

Wie  Euere  Kaiserliche  und  KönigHche  Majestät  aus  dem  alier- 
untertänigst  hier  beifolgenden  Bericht  Euerer  Majestät  Botschafters  in 
Paris  vom  21.d.  Mts.  huldvollst  zu  entnehmen  geruhen  wollen,  sucht 
die  französische  Regierung  neuerdings  wieder  —  wie  zur  Zeit  der  Mi- 
nisterpräsidentschaft des  Herrn  Ferry  —  Annäherung  an  Deutschland 
zu  gewinnen.  Herr  von  Freyciriet  hat  sich  Graf  Münster  gegenüber 
dahin  ausgesprochen,  daß  ihm  ein  dauernd  gutes  Verhältnis  mit  Deutsch- 
land aufrichtig  am  Herzen  liege.  Als  Zeichen  dieser  Gesinnung 
wünsche  er  die  Entsendung  seines  Vertrauensmanns  Herbette  als  Bot- 
schafter an  Euerer  Majestät  Allerhöchsten  Hofe  angesehen  zu  wissen, 
welcher  mit  der  Instruktion  nach  Berlin  gehe,  dort  die  freundschaft- 
hchsten  Versicherungen  abzugeben*. 

Als  Überbringer  der  Freundschaftsanerbietungen  Frankreichs  soll 
Herr  Herbette  aber  zugleich  versuchen,  die  Unterstützung  Deutschlands 
gegen  England  namentlich  in  der  ägyptischen  Frage  zu  erlangen. 

Es  war  schon  seit  einiger  Zeit  teils  durch  Äußerungen  in  der  fran- 
zösischen Presse,  teils  durch  Andeutungen  dortiger  amtlicher  Persön- 
Hchkeiten  nicht  unbekannt  geblieben,  daß  die  französische  Regierung 
darauf  ausgehe,  sich  Deutschlands  Mitwirkung  zu  gemeinschaftlicher 
Aktion  gegen  die  englische  Okkupation  Ägyptens  zu  sichern. 

Der  Herr  Reichskanzler  hat  mich  beauftragt,  Euerer  Majestät  bei 


*  Am  24.  August  1S86  hatte  der  Berliner  französische  Botschafter  Baron  de  Courcel 
sein  Abberufungsschreiben  übergeben;  an  dessen  Stelle  war  am  Q.September 
der  bisherige  Direktor  im  Pariser  Auswärtigen  Amt  Herbette  ernannt  worden.  Der 
neue  Botschafter  führte  sich  dem  Fürsten  von  Hohenlohe  gegenüber,  wie  dieser 
am  25.  September  berichtete,  mit  der  Versicherung  ein,  er  sei  stets  von  der  Not- 
wendigkeit überzeugt  gewesen,  daß  Frankreich  mit  Deutschland  die  besten  Be- 
ziehungen anstreben  und  erhalten  solle;  Elsaß-Lothringen  träte  in  der  öffentlichen 
Meinung  Frankreichs  immer  mehr  in  den  Hintergrund,  in  den  Vordergrund  da- 
gegen die  französischen  Interessen  im  Mittelmeer;  namentlich  wegen  der  ägyp- 
tischen Frage  müsse  Frankreich  suchen,  sich  gegen  England  mit  allen  anderen 
Mächten  zu  verständigen.  Ähnliche  Äußerungen  tat  Herbette  zu  dem  italienischen 
Geschäftsträger  in  Paris;  vgl.  die  Aufzeichnungen  des  Staatssekretärs  Grafen 
Herbert  von  Bismarck  vom  17.  und  20.  Oktober  1886  in  Bd.  IV,  Kap.  XXIV:  Der 
zweite  Dreibundvertrag,  Nr.  828,   829. 

137 


Darlegung  dieser  Sachlage  alleruntertänigst  vorzutragen,  daß  er  eine 
solche  Politik  nicht  befürworten  könne.  Die  Rückwirkung  der  inneren 
Zustände  Frankreichs  auf  dessen  auswärtige  Politik,  die  letztere  noch 
wandelbarer  macht,  als  die  englische,  und  die  Tatsache,  daß  einer 
deutsch-französischen  Entente  immer  dasjenige  Vertrauen  fehlen  würde, 
welches  auch  bei  vorübergehend  gemeinsamer  Aktion  notwendig  ist, 
muß  uns  allen  französischen  Annäherungsversuchen  gegenüber  sehr 
vorsichtig  machen.  Die  letzteren  werden  doch  niemals  aufrichtig  sein, 
sondern  nur  darauf  ausgehn,  uns  schließlich  mit  anderen  Mächten  zu 
verfeinden.  Fürst  Bismarck  erbittet  daher  Euerer  Majestät  huldreiche 
Genehmigung  dafür,  daß  derartige  Eröffnungen,  falls  sie  französischer- 
seits  gemacht  werden  sollten,  zwar  nicht  mit  Schärfe  abgelehnt,  aber 
doch  ausweichend  beantwortet  werden  und  ergebnislos  bleiben.  Die 
Motivierung  einer  dilatorischen  Behandlung  würde  im  Hinblick  auf 
die  Haltung  des  Kriegsministers  Boulanger  nicht  schwer  sein. 

H.  Bismarck 

Nr.  1228 
Bericht  des  Militärattaches  in  Paris  Oberstleutnant  von  Villaume 

Abschrift 

Nr.  331  Paris,  den  3.  Oktober  1886 

Gegenüber  den  von  der  Regierung  und  der  Presse  immer  wieder 
erneuten  friedlichen  Versicherungen  erscheint  es  erforderlich,  auch  die- 
jenigen Anzeichen  nicht  unbeachtet  zu  lassen,  welche  darauf  hindeuten, 
daß  die  Armee  sich  immer  mehr  auf  die  Eventualität  eines  Krieges  vor- 
bereitet, und  daß  ihr  Chef,  wenn  er  den  Krieg  selbst  nicht  will,  sich 
doch  den  Anschein  gibt,  ihn  zu  wollen. 

Denn,  mag  General  Boulanger  die  kriegerischen  Artikel  seines 
Leiborgans,  der  „France  militaire",  die  er,  wenn  auch  nicht  inspiriert, 
doch  durch  sein  Verhalten  hervorgerufen  hat,  noch  so  häufig  dementieren, 
mag  er  in  seinen  militärischen  Ansprachen  und  chauvinistischen  Ge- 
legenheitsreden noch  so  vorsichtig  alle  kriegerischen  Ausdrücke  ver- 
meiden, —  der  Sinn  seiner  Reden  und  seine  Taten  deuten  auf  keine 
friedlichen  Absichten. 

Schon  früher  habe  ich  die  Heranziehung  aller  in  den  Kolonien 
nur  immer  entbehrlichen  europäischen  Kräfte  nach  dem  Kontinent  zu 
melden  die  Ehre  gehabt  und  im  Militärbericht  Nr.  32Q  die  wahren 
Zwecke,  welche  General  Boulanger  mit  seinen  bekannten  Manöver- 
reden verfolgte,  aufgedeckt.  Die  Verstärkung  der  Garnisonen  an  der 
Südostgrenze  durch  Jägerbataillone,  welche  den  westlichen  Armeekorps 
entnommen  werden,  dauert  inzwischen  ununterbrochen  fort,  die  seit 
langer  Zeit  vorbereitete  Konzentrierung  der  4.  Kavalleriedivision  an 
unserer  Grenze  wird  im  Laufe  dieses  Monats  beendet,  und  in  der  Um- 

138 


gegend  von  Beifort  wird  übereinstimmenden  Nachrichten  zufolge  eifrig 
an  der  Herstellung  neuer  starker  Batterien  gearbeitet.  Im  Sommer  dieses 
Jahres  hat  Hotchkiss  eine  Bestellung  von  600000  Patronen  für  Re- 
volverkanonen erhalten,  welche  bis  zum  Frühjahr  1887  geliefert  sein 
müssen,  im  August  sind  den  Armeelieferanten  außer  ihren  kontrakt- 
lichen Lieferungen  noch  200000  Paar  Schuhe  für  zirka  I1/2  Million 
Franks,  und  vor  einigen  Wochen  Bekleidungsstücke  für  je  100000 Franks 
pro  Armeekorps,  für  1700000  Franks  für  Paris  als  Supplement  auf- 
erlegt worden,  und  ist  als  Ablieferungstermin  der  Monat  März  1887 
festgesetzt.  Der  Kriegsminister  soll  ferner  beabsichtigen,  infolge  der 
bei  den  Manövern  zutage  getretenen  Felddienstunfähigkeit  vieler  höherer 
Offiziere  noch  vor  Schluß  dieses  Jahres  eine  allgemeine  epuration  der 
Armee  von  allen  non-valeurs  vorzunehmen. 

Daß  General  Boulanger  inzwischen  keine  Gelegenheit  verabsäumt, 
um  sich  der  großen  Masse  immer  wieder  als  der  zukünftige  Revanche- 
Kriegsminister  und  unversöhnlicher  Feind  Deutschlands  ins  Gedächtnis 
zurückzurufen  und  die  chauvinistischen  Wünsche  der  Armee  zu  nähren, 
versteht  sich  von  selbst.  Weiß  er  selbst  doch  am  besten,  daß  auf  den 
nach  dieser  Richtung  hin  auf  ihn  gesetzten  Hoffnungen  seine  ganze 
Popularität  beruht.  Sie  ist  zwar  mehr  „bruyante"  als  „solide",  aber 
sie  besteht  unleugbar,  selbst  in  der  Provinz,  wie  die  ihm  bei  den  letzten 
Manövern  dargebrachten  Huldigungen  erkennen  Heßen.  General  Bou- 
langer spekuliert  auch  weniger  auf  die  Sympathien  der  höheren  Klassen, 
denen  er  als  Emporkömmling  überhaupt  feindlich  gegenübersteht,  als 
auf  den  Beifall  der  urteilslosen,  leicht  erregbaren  Menge,  bei  der  ihm 
selbst  seine  Fehler  nicht  geschadet  haben,  und  auf  das  Vertrauen  der 
Armee. 

Wenn  er,  der  einsichtige  Militär,  bei  dem  Festessen  zu  Ehren  des 
hundertjährigen  Chevreul*  den  Patrioten  leben  läßt,  „der  so  energisch 
gegen  das  Bombardement  von  Paris  und  dessen  wissenschaftliche  Reich- 
tümer protestiert  hat",  so  tut  er  es  nur,  um  dem  Chauvinismus  des 
Volkes  zu  schmeicheln.  Die  Übertreibungen  in  seinen  prahlerischen 
Reden,  sein  theatralisches  Wesen,  sein  Interesse  für  äußeres  Detail  in 
allen  militärischen  Dingen  sind  darauf  berechnet,  Eindruck  auf  den 
großen  Haufen  zu  machen;  durch  die  mise  en  scene  bei  allen  militäri- 
schen Schaustellungen  (Karussells,  Paraden,  Fackelzügen,  feierlichen 
Ordensverleihungen  pp.),  ja  selbst  durch  Bestimmungen,  wie  z.  B. 
die  Begleitung  der  Rekruten-  und  Reservistentransporte  von  und  nach 
den  Bahnhöfen  durch  die  Regimentsmusiken,  will  er  sich  die  ver- 
gnügungssüchtige Menge  verpflichten  und  für  sich  Reklame  machen. 
Und  wenn  er  sich  durch  diesen  Mißbrauch  der  bewaffneten  Macht  zum 
Zwecke  der  Volksbelustigungen  auch  zum  Teil  die  Sympathien  der 
Armee  verscherzt  hat,  so  verstand  er  es,  auf  anderem  Wege  sich  deren 


Professor  Mich.  Eug.   Chevreul,  geb.  1786,  bekannter  Chemiker. 

139 


Vertrauen  zu  gewinnen.  Sowohl  meine  Kollegen,  wie  andere  fremde 
Offiziere,  denen  gegenüber  sich  die  französischen  Kameraden  bei  den 
Manövern  über  General  Boulangers  Verhältnis  zur  Armee  offener  als 
zu  mir  aussprachen,  haben  meine  Ansicht  bestätigt,  daß  die  Armee 
ihren  Chef  nicht  liebt,  ja  daß  die  anständigen  Elemente  ihn  nicht  ein- 
mal achten,  aber  daß  alle  ohne  Unterschied  großes  Vertrauen  in  ihn 
setzen. 

Ich  glaube  auch,  daß  der  Ehrgeiz  des  General  Boulanger  sich  dar- 
auf beschränkt,  dieses  Resultat  erreicht  zu  haben,  da  er  wegen  seines 
Charakters  und  seiner  politischen  Gesinnungen  auf  wärmere  Gefühle 
für  sich  in  der  Armee  doch  nicht  rechnen  kann. 

General  Boulanger  scheint  seine  ehrgeizigen  politischen  Wünsche 
nach  der  Herrschaft  der  Republik  wenigstens  vorläufig  aufgegeben  zu 
haben.  Erfaßt  von  dem  Schwindel  seiner  unerwarteten  Größe  und 
Popularität,  hatte  er  unvorsichtigerweise  seine  Karten  zu  früh  auf- 
gedeckt und  auf  diese  Weise  die  Reihen  seiner  Gegner  noch  durch 
zahlreiche  Neider  und  diejenigen  Elemente  verstärkt,  welche  in  dem  ehr- 
geizigen General  eine  Gefahr  für  die  Repubhk  sahen.  Deshalb  hat  er 
noch  rechtzeitig  zum  Rückzug  geblasen,  wohl  aber  nur,  um  bei  gün- 
stigerer Gelegenheit  wieder  zur  Offensive  überzugehen.  Denn  man  darf 
nicht  vergessen,  daß  er,  wie  viele  seiner  Vorgänger,  besonders  Farre* 
und  Thibaudin**,  nicht  wegen  seiner  militärischen  Fähigkeiten,  sondern 
wegen  seiner  politischen  Gesinnungen  zum  Kriegsminister  ernannt 
worden  ist  und  deshalb  teils  verführt  wird,  die  politischen  Interessen 
fast  immer  den  militärischen  voranzustellen,  ja  selbst  seinen  militäri- 
schen Reformen  eine  politische  Färbung  zu  geben,  teils  darauf  an- 
gewiesen ist,  eher  in  der  Pohtik  als  auf  militärischem  Gebiet  die  Be- 
friedigung seines  Ehrgeizes  zu  suchen. 

Seit  einiger  Zeit  verhält  sich  General  Boulanger  politisch  ziemlich 
ruhig  und  widmet  sich  fast  ausschließlich  seinen  militärischen  Pflichten. 
Selbst  bei  der  Anfang  September  an  der  Südostgrenze  ausgeführten 
Inspizierungsreise,  welche  ihn  über  Lyon,  Grenoble,  Briangon,  Nizza 
und  Marseille  führte,  hat  er  sich  aller  öffentlichen,  politischen  oder 
militärischen  Kundgebungen  enthalten.  Trotzdem  aber  hat  er  das  Miß- 
trauen der  aufrichtigen  Anhänger  der  Republik  und  des  Friedens  noch 
nicht  ganz  beseitigen  können  und  sieht,  wie  ich  aus  guter  Quelle  weiß, 
dem  Zusammentritt  der  Kammern  mit  um  so  mehr  Besorgnis  ent- 
gegen, als  er  bei  Herrn  von  Freycinet  und  seinen  Kollegen  auf  Unter- 
stützung nicht  rechnen  zu  können  glaubt.  Jedoch  will  er  sich  diesem 
etwaigen  Sturmanlauf  seiner  Gegner  in  der  Kammer  nicht  unbewaffnet 
gegenüberstellen,  sondern  trifft  Vorkehrungen,  um  sie  zu  überzeugen, 
daß  er  als  Militär,  als  Kriegsminister,  unersetzlich  sei,  und  daß  sie  un- 
patriotisch handeln  würden,  das  Vaterland  in  dem  jetzigen  AugenbHcke 

*  General  Farre,  Kriegsminister  1880/82. 

**  General  Thibaudin,  Kriegsminister  Januar  bis  Oktober  1883. 

140 


einer  solchen  Kraft  zu  berauben.  Mit  bekannter  Zähigkeit  verfolgt  er 
diesen  Zweck  schon  seit  längerer  Zeit  und  hat  seine  militärischen  Vor- 
lagen, mit  denen  er  vor  der  Kammer  erscheinen  wird,  in  geschickter 
Weise  so  gewählt,  daß  sie  gleichzeitig  den  langjährigen  Forderungen 
der  öffentUchen  Meinung  Rechnung  tragen.  So  wird  er  außerordent- 
liche Kredite  für  die  Neuorganisation  und  Ausdehnung  des  militärischen 
Luftschifferwesens,  für  die  Massenanfertigung  von  Repetiergewehren, 
sowie  für  die  Beschaffung  von  220  mm  Mörsern  und  Sprengbomben 
verlangen.  Zu  den  vor  kurzem  mit  diesen  neuen  Geschossen  (über 
welche  ich  an  anderer  Stelle  zu  berichten  die  Ehre  haben  werde)  gegen 
das  Fort  Malmaison  ausgeführten  Versuchen  hatie  General  Boulanger 
die  Mitglieder  der  Budgetkommission  eingeladen  und  denselben  bei 
dieser  Gelegenheit  auch  das  neue  kleinkalibrige  Zukunftsrepetiergewehr 
der  französischen  Armee  vorgeführt.  Er  beabsichtigt  ferner,  falls  die 
Verhältnisse  in  Madagaskar  eine  abermalige  Expedition  dorthin  nötig 
machen  sollten,  im  Einverständnis  mit  der  Armeekommission  aus  seinem 
loi  militaire  die  die  Kolonialarmee  betreffenden  Bestimmungen  in  der 
Kammer  zur  sofortigen  Beratung  zu  stellen.  Es  wird  in  der  Presse 
als  eine  patriotische  Pflicht  der  Deputierten  hingestellt,  dem  Kriegs- 
minister diese  Kredite,  besonders  aber  die  für  die  Beschaffung  von 
Repetiergewehren  und  Sprengbomben  im  Hinblick  auf  den  von  Deutsch- 
land   gewonnenen    Vorsprung    zu    bewilligen. 

In  noch  höherem  Maße  endlich  hat  General  Boulanger  die  öffent- 
liche Meinung  auf  seiner  Seite  bei  der  Forderung  von  7  Millionen  zur 
Ausführung  eines  Mobilmachungsversuchs  im  nächsten  Frühjahr,  Aus 
verschiedenen  Gründen  ist  diese  Angelegenheit  unter  den  jetzigen  Ver- 
hältnissen für  uns  von  besonderer  Bedeutung. 

Schon  bald  nach  seiner  Ernennung  zum  Kriegsminister  hatte 
General  Boulanger  einen  solchen  Versuch  in  den  offiziellen  Manöver- 
bestimmungen für  nächstes  Jahr  in  Aussicht  gestellt.  Im  Juli  erschienen 
dann  im  „Gil  Blas"  zwei  augenscheinlich  vom  Kriegsminister  inspirierte 
Artikel,  betitelt:  „Le  but  du  General  Boulanger"  und  „Ce  que  veut  le 
General  Boulanger".  Dieselben  führten  aus,  daß  man  nur  aus  Be- 
sorgnis vor  einem  Veto  Deutschlands  einen  solchen  Versuch  bisher 
nicht  gewagt  habe,  daß  General  Boulanger  ihn  aber  dennoch  unter- 
nehmen wolle,  weil  er  ihn  für  notwendig,  es  dagegen  mit  der  Würde 
Frankreichs  nicht  für  vereinbar  halte,  sich  eine  solche  Einmischung 
Deutschlands  gefallen  zu  lassen,  sondern  daß  nach  seiner  Ansicht  das 
sicherste  Mittel,  um  den  Frieden  zu  bewahren,  sei  „de  nous  faire  re- 
specter  de  l'AUemagne". 

Als  sonstige  Aussprüche  resp.  Ansichten  des  General  Boulanger 
über  diese  Frage  werden  noch  angeführt: 

„Ce  qu'il  faut  c'est  la  France  maitresse  chez  eile  et  ayant  une  armec 
capable  de  la  defendre  contre  n'importe  quelle  aggression." 

„Verrait-on  des  lors  quelque  mal  ä  ce  que  l'AUemagne  donnät  la 

141 


permission   d'examiner,  si  les  rouages  de  notre   mobilisation  fonc- 

tionnent  bien?*' 

General  Boulanger  beabsichtigt  nicht,  Deutschland  den  Krieg  zu 
erklären,  „mais,  par  contre,  ce  que  desir  (et  il  le  dit  ä  qui  veut  l'en- 
tendre)  c'est  que  la  France  se  fasse  respecter  en  ayant  la  male  et 
fiere  attitude  qu'elle  ne  doit  pas  abandonner  sous  peine  d'abdiquer  sa 
dignite". 

„Le  General  Boulanger  estime,  qu'il  est  bon,  qu'il  est  digne,  et 
qu'il  est  salutaire  de  ne  pas  avoir  une  attitude  humble,  qui  sied  peu 
ä  notre  caractere  et  ä  notre  Organisation." 

Diese  Auszüge  genügen,  um  zu  erkennen,  welche  Sprache  die  vom 
Kriegsminister  inspirierten  Journale  demnächst  führen  werden,  wenn 
Deutschland  der  französischen  Regierung  Vorstellungen  wegen  der 
Mobilmachungsversuche  machen  sollte.  Wird  dem  General  Boulanger 
doch  bereits,  wie  ich  aus  guter  Quelle  weiß,  von  seiner  eigenen  Um- 
gebung die  Absicht  untergeschoben,  durch  diesen  Versuch  Deutschland 
provozieren  zu  wollen.  Auf  eine  Einsprache  desselben  würden  dann 
die  chauvinistischen  Journale  vom  General  Boulanger  das  mot  d'ordre 
empfangen,  um  die  öffentliche  Meinung  in  Aufregung  zu  versetzen, 
und  ich  halte  einerseits  den  Chauvinismus  in  Frankreich  und  den  Wunsch, 
mit  Deutschland  abzurechnen,  noch  für  genügend  stark  und  mächtig, 
andererseits,  dank  der  systematischen  Schulung  des  letzten  Jahres,  das 
Vertrauen  des  Landes  in  die  Armee  für  genügend  befestigt,  um  in  einem 
solchen  Moment  die  patriotisch  erregten  Gemüter  zu  Ausbrüchen  hin- 
zureißen, welche  unter  Umständen  trotz  der  allgemeinen  Abneigung 
des  Landes  gegen  einen  Krieg  doch  den  Frieden  gefährden  könnten. 
Auf  einen  solchen  kritischen  Moment  ist  die  Wirkung  aller  jener 
neueren  Publikationen  berechnet,  welche  den  Franzosen  Mut  machen 
sollen,  wie  „Nous  sommes  prets",  „Avant  la  bataille",  „L'Allemagne 
teile  qu'elle  est",  „La  Reponse  au  Dr.  Rommel"  u.  a.  m.,  sowie  die 
zahlreichen,  noch  neuerdings  gelegentlich  der  großen  Manöver  in  der 
chauvinistischen  Presse  erschienenen,  „Ayons  confiance",  „Prets''  pp. 
überschriebenen  Artikel,  welche  die  große  Überlegenheit  der  französi- 
schen Armee  über  die  deutsche  dartun  sollen.  Für  einen  solchen  Moment 
endlich,  wo  General  Boulanger  als  der  Verteidiger  der  Ehre  und  Würde 
Frankreichs  auftritt,  braucht  er  seine  Popularität  im  Volke. 

Ob  nun  derartige  Ideen  in  Wahrheit  im  Kopfe  des  ehrgeizigen 
Chefs  der  Armee  Platz  gegriffen  haben  oder  nicht  —  immerhin  ist  es 
bezeichnend,  daß  ihn  selbst  seine  nächste  Umgebung  solcher  Pläne  für 
fähig  hält.  Jedenfalls  kann  unter  Umständen  ein  mobiles  Armeekorps 
im  Frühjahr  in  den  Händen  eines  Boulanger  ein  gefährliches  Spielzeug 
sein.  Der  „Drapeau",  das  Organ  der  Patriotenliga  und  des  Mr.  Derou- 
lede,  welcher  bekannthch  im  Auslande  seiner  festen  Überzeugung  Aus- 
druck gegeben  hat,  daß  Elsaß-Lothringen  im  Jahre  1889  wieder  mit 
Frankreich   vereinigt   sein   würde,   dankt  in   seiner   Nummer  vom   25. 

142 


V.  Mts.  den  Offizieren  der  russischen  Mission  bei  den  diesjährigen 
Manövern  für  ihre  „poignees  de  main,  qui  contenaient  plus  qu'un 
encouragement"  mit  den  Worten:  „Allons,  messieurs,  merci!  a  l'annee 
prochaine,  avant  l'automne  —  au  premier  essai  de  mobilisation," 

(gez.)  von  Villaume 

Nr.  1229 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt  Grafen 
zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Varzin 

Eigenhändig 

Varzin,  den  S.Oktober  1886 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  den  Militärbericht  Nr,  331  *  an  die 
deutschen  Höfe  mitzuteilen,  damit  die  verbündeten  Regierungen  im 
Hinblick  auf  etwaige  Reichstagsverhandlungen  über  die  Situation  in- 
formiert sind. 

Bei  Mitteilung  des  Berichtes  an  den  Herrn  Kriegsminister  möchte 
hinzugefügt  werden,  Seine  Durchlaucht  bäte  um  die  Meinung  Seiner 
Exzellenz  und  des  Generalstabes,  ob  uns  die  Realisierung  des  Boulanger- 
schen  Mobilisierungsprojekts  irgendwie  der  Gefahr  einer  Überraschung 
aussetze.  Wenn  das  der  Fall  wäre,  würden  wir  in  die  Notwendigkeit 
versetzt  sein,  auch  unsererseits  denselben  Versuch  der  Mobilisierung 
von  einem  oder  zwei  Armeekorps  zu  machen.  Seine  Durchlaucht  würde 
dann  darauf  Bedacht  nehmen,  in  der  Presse  auf  diese  EventuaUtät  vor- 
zubereiten, indem  man  sagte,  daß  wir  uns  einer  derartigen  Verschiebung 
des  Gleichgewichtes  nicht  aussetzen  könnten,  sondern  gezwungen  wären, 
unsererseits  die  gleiche  Probe  anzustellen. 

C.  Rantzau 

Nr.  1230 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  ßismarck 

Ausfertigung 
Nr.  264  Paris,  den  14.  Oktober  1886 

In  den  letzten  Tagen  ist  wieder  hier  viel  von  Revanche  die  Rede 
gewesen  und  haben  manche  bemerkenswerte  Ausbrüche  des  Chauvinis- 
mus stattgefunden.  Je  mehr  ich  von  derartigen  Kundgebungen  sehe, 
je  mehr  werde  ich  in  der  Ansicht  bestärkt,  daß  zwar  der  von  gewissen 
Kreisen  künstlich  genährte  Haß  gegen  Deutschland  nicht  im  Abnehmen 
begriffen,  sondern  vielmehr  womöglich  stärker  ist  denn  je,  daß  aber 
andererseits  der  Gedanke  an  einen  Revanchekrieg  weit  davon  ist,  im 
Volke  populär  zu  sein.   Einen  allgemeinen  Beifall  findet  die  Deutschen- 


*  Siehe  Nr.  1228. 

143 


hetze    eigentlich   nur   dann,    wenn    das    Wort    Krieg   dabei    nicht    aus- 
gesprochen wird. 

Jeder  Vorschlag,  feindUche  Maßregeln  gegen  Deutschland,  z.  B. 
auf  wirtschaftlichem  Gebiete,  zu  treffen,  wird  unbedingt  von  allen 
Parteien  und  allen  Klassen  der  Bevölkerung  gutgeheißen.  Anders  steht 
es  mit  dem  Kriege.  Der  Wunsch,  daß  es  einmal  zur  „revanche",  zu  der 
„guerre  sainte"  kommen  möge,  wohnt  unstreitig  jedem  Franzosen  inne; 
der  Gedanke  aber,  die  VerwirkHchung  dieses  Wunsches  als  nahe  be- 
vorstehend zu  betrachten,  ist  zweifellos  noch  bei  der  Mehrzahl  ein 
äußerst  unsympathischer  und  begegnet  da,  wo  er  ausgesprochen  wird, 
ernstem   Kopfschütteln  und  dringenden  Warnungen,  pp. 

Münster 

Nr.  1231 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck 

Reinschrift 

Berlin,  den  18.  Oktober  1886 

Der  neue  französische  Botschafter,  Herr  Herbette,  hat  mir  soeben 
seinen  ersten  Besuch  gemacht  und  bei  Gelegenheit  desselben  unter 
Überreichung  der  copie  figuree  gebeten,  ihm  baldmöglichst  eine  An- 
trittsaudienz bei  Seiner  Majestät  zu   erwirken,  pp. 

(Auf  Ägypten  übergehend  bemerkte  Herr  Herbette) :  „Ich  bin  von 
Herrn  von  Freycinet  beauftragt,  dem  Fürsten  Bismarck  unsere  Wünsche  und 
Ansichten  in  bezug  auf  das  Mittelmeer  auseinanderzusetzen  und  freue 
mich  sehr  auf  die  erste  Unterredung,  die  ich  mit  dem  Reichskanzler  haben 
werde.  Die  guten  Dienste,  die  Deutschland  in  den  letzten  Jahren  uns  in 
bezug  auf  Tunis  und  unsere  Kolonialpolitik  geleistet  hat,  sind  nur  den 
Eingeweihten  bekannt,  im  großen  Publikum  ist  durch  die  schlechte,  teils 
dumme,  teils  böswillige  Presse  der  Glauben  verbreitet  worden,  als 
hätte  Fürst  Bismarck,  indem  er  uns  auf  den  kolonialen  Weg  stieß,  nur 
,le  plan  sinistre'  verfolgt,  uns  Verwickelungen  und  Schädigungen  zu- 
zuziehen. Jetzt  würde  der  Moment  gekommen  sein,  um  die  öffentliche 
Meinung  in  Frankreich  über  die  wahren  Absichten  der  deutschen  Politik, 
die  uns  ja  in  unseren  Mittelmeerinteressen  gewiß  nicht  kreuzen  will, 
aufzuklären.  Vous  verrez  quelle  detente  s'opererait  dans  notre  opinion 
publique  et  comme  tous  les  soupgons  et  apprehensions  chez  nous 
disparaitraient  du  moment,  que  le  Prince  de  Bismarck  declare  ouverte- 
ment,  qu'il  veut  faire  valoir  son  enorme  autorite  pour  le  maintien  du 
Status  quoi  dans  la  Mediterrannee^,  L'idee  de  la  revanche  est 
surannee3  et  la  facon  dans  laquelle  des  faiseurs  d'embarras,  comme 
par  exemple  ce  faineant  de  Deroulede,  parlent  de  la  frontiere  de  l'est, 
est  maladive  et  on  serait  content  chez  nous  de  pouvoir  s'occuper 
d'autres  choses.   Si  le  Prince  de  Bismarck  fait  une  declaration  dans  le 

144 


sens  precite,  une  enorme  detente  se  ferait  chez  nous  de  suite*;  tous 
les  yeux  se  detourneront  de  l'est,  et  nous  pourrons  augmenter  et 
deployer  toutes  nos  forces  et  ressources  dans  la  Mediterranee;  c'est 
lä  qu'il  s'agit  de  nos  interets  vitaux,  Pour  nous  c'est  vraiment  une 
question  d'existence  comme  Grande  Puissance,  que  l'Angleterre  evacue 
FEgypte».  Nous  craignons,  qu'ä  l'heure  qu'il  est,  l'Angleterre  veut 
faire  garantir  la  neutralite  du  canal  de  Suez  pour  obtenir  en  echange 
un  mandat  de  maintenir  l'occupation  de  l'Egypte.  Ceci  nous  arrangerait 
nullement;  nous  ne  voulons  retablir  en  Egypte  l'empire  turc  comme 
avant  l'annee  1840,  mais  nous  voulons  que  l'Egypte  recouvre  la  sorte 
d'independance  dont  eile  a  jouie  avant  le  double  controle,  qui,  entre 
nous  soit  dit,  etait  une  invention  infecte.  Aussi  longtemps  qu'il  y  a 
des  officiers  chr^tiens  ä  la  tete  des  troupes  et  milices  egyptiennes,  l'ordre 
ne  sera  jamais  solidement  retabli.  II  faut  que  des  officiers  musulmans 
soient  ä  la  tete  des  armees  egyptiennes.  Une  politique  frangaise  qui 
aurait  pour  objectif  d'atteindre  ce  but,  serait  immensement  populaire 
chez  nous  6.  Je  Vous  assure,  que  la  Mediterranee  est  le  pivot  de  notre 
politique  et  puis  les  Anglais  sont  abomines  chez  nous,  beaucoup  plus 
que  les  Allemands  ne  l'ont  jamais  ete''!" 

Ich  schaltete  hier  ein,  daß  mich  diese  letzte  Äußerung  lebhaft 
überraschte:  ich  hätte  immer  geglaubt,  daß  die  Gefühle  der  in  den 
50  er  und  60  er  Jahren  zwischen  Frankreich  und  England  etablierten 
entente  cordiale  noch  vorherrschend  wären,  und  daß  die  westmächtliche 
Idee  unter  den  französischen  Politikern  doch  in  der  Hauptsache  prävaUere. 

Herr  Herbette  erwiderte  mit  einer  bezeichnenden  Handbewegung: 
„Dies  ist  ein  großer  Irrtum;  die  Engländer  machen  uns  seit  Jahren 
auf  allen  Punkten  des  Erdballs  die  größten  Schwierigkeiten,  überall 
haben  wir  Reibungen  mit  ihnen  und  kontrekarieren  sie  uns;  die  Er- 
bitterung gegen  England  ist  bei  uns  auf  das  höchste  gestiegen,  und  für 
}eden  französischen  Minister  würde  es  die  dankbarste  Aufgabe  sein, 
eine  prononciert  antienglische  Politik  zu  verfolgen." 

Ich  enthielt  mich  jeder  positiven  Äußerung  zu  dieser  Auseinander- 
setzung und  machte  nur  ab  und  zu,  wo  es  anging,  anodyne  Bemerkun- 
gen in  verbindlicher  Form,  um  die  Unterhaltung  auf  freundschaftlichem 
und  zwanglosem  Fuße  weiterführen  zu  können*,  pp. 

H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des   Fürsten  von  Bismarck: 

^  Y  compris  l'occupation  anglaise? 

^  kein  Interesse 

»  ? 

*  ? 

5  pas  pour  nous 

8  f altes  la  donc! 

^  ? 


*  Weitere  Äußerungen  Herbettes  zu  Graf  Herbert  Bismarck  über  die  Ägyptische 
Frage  (vom  26.  Oktober  1886)  siehe  in  Kap.  XXXIX,  Nr.  1202. 

10    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  145 


Nr.  1232 

Bericht  des  Militärattaches  in  Paris  Oberstleutnant  von  Villaume 

Abschrift 
Nr.  335  Paris,  den  22.  Oktober  1886 

Das  schärfere  Hervortreten  der  Revanchegelüste  in  Frankreich 
datiert  von  dem  Zeitpunkt,  wo  General  Boulanger  zum  Kriegsminister 
ernannt  wurde,  da  derselbe  schon  lange  Zeit  vorher  als  Revanche- 
kriegsminister der  Zukunft  für  sich  hatte  Reklame  machen  lassen.  Seit- 
dem hat  die  Revancheidee  in  demselben  Maße  zugenommen,  wie  seine 
Popularität,  weil  er  kein  Mittel  und  keine  Gelegenheit  unbenutzt  ließ, 
um  den  ihm  vorausgegangenen  Ruf  zu  rechtfertigen. 

General  Boulanger  und  die  Revancheidee  gehören  jetzt  so  eng  zu- 
sammen, daß  der  eine  nur  mit  resp.  durch  den  anderen  bestehen  kann, 
und  daß  sie  sich  gegenseitig  ihres  Einflusses  auf  die  Massen  zur  Ver- 
mehrung ihrer  Popularität  bedienen.  Diese  Verbindung  ist  sogar  eine 
so  enge,  daß  von  seinen  Anhängern  sein  Sturz  bereits  als  gleich- 
bedeutend mit  dem  Verzicht  auf  Elsaß-Lothringen  hingestellt  wird. 
In  welchem  Maße  General  Boulanger  dadurch  seine  Position  verstärkt 
hat,  wird  die  Regierung  vielleicht  erst  dann  erkennen,  wenn  sie,  um 
des  inneren  und  äußeren  Friedens  willen,  über  kurz  oder  lang  doch 
noch  versuchen  sollte,  sich  dieses  gefährlichen  Störenfriedes  zu  ent- 
ledigen. Mit  jedem  Tage  wird  ihr  dies  schwerer  werden,  da  auch  die 
Kammer  aus  Besorgnis,  unpatriotisch  zu  erscheinen,  sich  scheuen  wird, 
diesen  Günstling  des  Volkes  fallen  zu  lassen.  General  Boulanger  ist 
außerdem  zu  klug,  um  sich,  nachdem  er  die  öffenthche  Meinung  in 
die  von  ihm  vorgezeichneten  Bahnen  gelenkt  hat,  neue  Blößen  zu 
geben.  Die  Saat,  welche  er  gesäet,  sprießt  überall  hervor,  ohne  daß 
er  den  Boden  noch  weiter  zu  düngen  braucht.  Auch  ohne  die  zahl- 
reichen Dementis  dieses  besten  Kunden  der  offiziösen  Agence  Havas 
würde  niemand  daran  zweifeln,  daß  er  den  neuen  chauvinistischen 
Publikationen,  welche  in  der  letzten  Zeit  wie  Pilze  aus  der  Erde  wach- 
sen, persönlich  völlig  fern  steht.  Er  braucht  sie  weder  zu  subventio- 
nieren noch  zu  inspirieren ;  sie  leben  von  der  Popularität  seines  Namens 
und  der  in  ihm  personifizierten  Hoffnungen  und  liefern  dadurch  den 
deutlichsten  Beweis  von  der  Unzertrennlichkeit  seines  Namens  von  der 
Revancheidee.  Die  frischen  Blüten,  welche  der  Chauvinismus  der  letzten 
Wochen  getrieben  hat,  sind  nichts  als  buchhändlerische  Spekulationen, 
welche  die  gegenwärtige  „patriotische  Erregtheit"  der  Bevölkerung 
ausbeuten  wollen,  dadurch  aber  gleichzeitig  die  Revanchehoffnungen 
derartig  stärken,  daß  nach  übereinstimmendem  Urteil  aller  augen- 
blicklich in  Paris  eine  so  gereizte  Stimmung  gegen  Deutschland  herrscht, 
wie  vielleicht  noch  nie  nach  dem  Kriege. 

Die  kleine  Broschüre  „Maniere  de  combattre  et  battre  les  Prussiens 
par  le  General  L."  hat,  weil  sie  ein  zu  jämmerhches  mihtärisches  Mach- 

146 


werk  war,  nicht  länger  das  Feld  behauptet  als  der  Boulangiste,  Bar- 
num  und  andere  Pamphlete  der  Boulevards,  welche  gegen  Boulanger 
gerichtet  waren.  Das  Geschäft,  den  großen  Patrioten  lächerlich  zu 
machen,  hat  nur  sehr  kurze  Zeit  Geld  eingebracht.  Die  in  den  letzten 
Wochen  aufgetauchten  chauvinistischen  Publikationen  huldigen  jedoch 
alle,  ohne  Ausnahme,  dem  neuen  Stern,  weil  sie  Boulanger  als  Stütze 
und  Träger  der  von  ihnen  gepredigten  Revanche  brauchen.  Daß  sie 
nebenbei  die  Deutschenhetze  im  großen  betreiben  ä  la  „Antiprussien" 
(jetzt  „La  Defense  nationale"  genannt)  und  „Drapeau"  versteht  sich  von 
selbst. 

„L'Etoile",  welcher  seit  Anfang  dieses  Monats  erscheint,  hat  sich 
die  Verherrlichung,  Anpreisung  und  eventuell  Verteidigung  des  General 
Boulanger  zur  Spezialaufgabe  gewählt  und  läßt  keinen  Abend  vergehen, 
ohne  wenigstens  eine  der  vorzüglichen  Eigenschaften  oder  bemerkens- 
werten Taten  seines  Abgottes  zu  besingen.  Doch  fristet  er  nur  kümmer- 
lich sein  Dasein,  ebenso  wie  „La  France  armee",  ein  nur  zweimal 
wöchentlich  erscheinendes  neues  politisch-militärisches  Blatt.  Dasselbe 
bringt  Artikel  mit  Illustrationen  über  die  deutsche  Armee  und  scheint 
sich  zur  Aufgabe  gestellt  zu  haben,  gegenüber  den  kriegerischen  und 
Eroberungsgelüsten  Deutschlands,  gegenüber  seinen  Beleidigungen  und 
Provokationen  die  friedlichen  Absichten  Frankreichs,  seine  Bescheiden- 
heit und  Zurückhaltung  seit  dem  letzten  Kriege  in  das  rechte  Licht  zu 
stellen,  damit  schon  jetzt  Deutschland  für  den  Grandjour  als  Friedens- 
störer gebrandmarkt  ist. 

Beide  Blätter  werden  aber  in  den  Schatten  gestellt  durch  die 
seit  dem  20.  d.  Mts.  erscheinende  „Revanche",  welche  sich  bestrebt, 
den  Revanchekrieg  jetzt  ebenso  populär  zu  machen,  wie  es  bisher  nur 
die  Revancheidee  war,  „de  preparer  l'opinion  ä  l'idee  de  la  lutte,  dont 
rheure  peut  sonner  d'un  instant  ä  I'autre  et  de  tenir  en  haieine  le 
sentiment  public".  Schon  seit  Wochen  wurde  für  dieses  Blatt  in  der 
frechsten  und  unwürdigsten  Weise  Reklame  gemacht.  Der  Chefredak- 
teur desselben  ist  der  bekannte  Orleanist  Peyramont,  früher  Mitarbeiter 
des  „Soleil",  der  als  Gelegenheitsdiplomat  im  Jahre  1879  vom  Herzog 
von  Decazes  mit  einer  Mission  an  den  in  Baden-Baden  weilenden 
Fürsten  Gortschakow  betraut  wurde.  Das  Redaktionsbureau  befindet 
sich  gegenüber  dem  Cercle  militaire  an  dem  belebtesten  Punkte  von 
Paris  und  ist  seit  langer  Zeit  durch  ein  Aushängeschild  bezeichnet,  wel- 
ches in  enormen  Buchstaben  den  kriegerischen  Titel  des  Blattes  unter 
dem  mit  russischen  und  französischen  Fahnen  geschmückten  Wappen 
von  Elsaß-Lothringen  mit  der  Umschrift  „Lorraine,  Alsace  Gaulois 
point  ne  renonce"  trägt.  Auf  den  belebtesten  Promenaden  wurden  zahl- 
reiche Reklameschilder  dieses  Journals  getragen  oder  auf  Reklame- 
wagen umhergefahren,  von  denen  einige  den  General  Boulanger  in 
der  Uniform  des  französischen  Infanteristen  an  der  Spitze  der  Truppen 
mit  gefälltem  Bajonett  zum  Angriff  vorgehend,  andere  auf  der  Land- 

10'  147 


karte  Europas  in  der  Mitte  die  mit  einem  preußischen  Helm  ge- 
schmückte pieuvre  allemande  darstellten,  über  welche  von  der  einen 
Seite  ein  französischer  Infanterist  mit  umgedrehtem  erhobenem  Gewehr, 
von  der  anderen  ein  russischer  Soldat,  welcher  der  Hydra  den  Schwanz 
abzuschneiden  bestrebt  ist,  herfallen.  Da  die  Träger  der  letztgenannten 
Bilder  außerdem  durch  ihre  freudigen  Gesten  Ansammlungen  hervor- 
riefen, so  wurden  sie  von  der  Polizei  mit  Beschlag  belegt,  erschienen 
jedoch  am  nächsten  Tage  vor  den  Fenstern  des  Redaktionsbureaus 
wieder,  und  zwar  mit  der  Überschrift  „affiches  saisies  et  interdites  par 
le  gouvernement,  en  violation  de  la  loi  sur  la  liberte  de  la  presse". 
Da  sich  natürlich  auch  hier  zahlreiche  Gruppen  Neugieriger  bildeten, 
so  störte  die  Polizei  auch  dieses  Vergnügen,  konnte  jedoch,  nebenbei 
bemerkt,  die  ungesetzliche  Beschlagnahme  nur  aufrechterhalten,  indem 
sie  Herr  von  Freycinet  mit  seiner  eigenen  Verantwortlichkeit  als  Chef 
der  Regierung  deckte. 

Ich  habe  mich  zu  verschiedenen  Tageszeiten  mehrfach  in  diesen 
Gruppen  bewegt;  dieselben  verhielten  sich  völlig  ruhig  und  ließen 
außer  vereinzelten  chauvinistischen  Ausrufen  und  Bemerkungen  weder 
Worte  des  Tadels  noch  der  Zustimmung  über  diese  Art  der  Reklame 
hören. 

Der  Leitartikel  der  ersten  Nummer  dieses  Blattes  trägt  als  Vignette 
das  Porträt  des  General  Boulanger  und  ist  in  Briefform  an  „la  per- 
sonnification  de  l'honneur  national  ä  venger  notre  espoir  ä  tous"  ge- 
richtet. Unter  den  Versprechungen,  welche  derselbe  enthält,  verdienen 
die  nachfolgenden  hervorgehoben  zu  werden:  „Nous  nous  appliquerons 
ä  relever  tous  les  defis,  ä  noter  toutes  les  menaces,  ä  enregistrer  toutes 
les  injures  qui  nous  sont  journellement  prodiguees  de  Pautre  cote 
du  Rhin.  Nous  signalerons,  avec  une  persistance  infatigable,  tous  les 
incidents  politiques  qui  pourront  etre  utilises  contre  l'ennemi.  Nous 
provoquerons,  nous  entretiendrons  et  nous  envenimerons,  au  besoin, 
les  haines  de  ses  rivaux  et  de  ses  victimes." 

Diese  Sprache  läßt  an  Deutlichkeit  nichts  zu  wünschen  übrig.  Be- 
rücksichtigt man  ferner,  daß  die  Feuilletonartikel  mit  den  Überschriften: 
„Les  Fran^ais  au  bagne  allemand"  und  „L'ennemi  hereditaire"  an  Ent- 
stellung und  Gehässigkeit  den  „Drapeau"  und  die  „France"  neidisch 
machen  könnten,  und  daß  die  Neugierde  des  Publikums  schon  seit  so 
langer  Zeit  rege  gemacht  worden  war,  so  kann  man  sich  nicht  wun- 
dern, wenn  von  diesem  Hetzblatt  am  ersten  Tage  in  Paris  ungefähr 
130000  Exemplare  verkauft  wurden.  Der  Rückschlag  wird  jedoch  um 
so  weniger  ausbleiben,  als  fast  die  gesamte  Presse,  welche  seinerzeit 
dieses  Blatt  als  der  Verteidigung  der  nationalen  Interessen  gewidmet 
und  von  einem  glühenden  Patriotismus  eingegeben  hingestellt  hatte, 
jetzt  den  neuen  Konkurrenten  totschweigt.  Nur  einige  republikanische 
Zeitungen,  wie  „Paris",  „La  France  libre"  pp.  geben  sich  die  Mühe, 
entweder  „La   Revanche"   lächerlich   zu   machen   oder  eine  derartige 

148 


Monopolisierung  und  kommerzielle   Ausbeutung  des   Patriotismus   an 
den  Pranger  zu  stellen. 

Daß  übrigens  dieses  Spielen  mit  dem  Feuer  selbst  hier  nicht  als 
völlig  harmlos  und  unbedenklich  angesehen  wird,  zeigte  die  Haltung 
der  Presse  schon  jener  Reklame  gegenüber.  Der  chauvinisme  pousse 
ä  cet  exces  wurde  verurteilt  und  un  peu  plus  de  sang-froid  empfohlen, 
weil  derartige  Provokationen  sowohl  Frankreich  die  Achtung  und  die 
Sympathien  des  Auslandes  grade  in  einem  Moment  verscherzen  könnten, 
wo  ihm  diese  Gefühle  von  allen  Seiten  entgegengetragen  würden,  als 
auch  der  Regierung  diplomatische  Schwierigkeiten  bereiten  könnten. 

Dieser  Besorgnis  vor  Verwickelungen  mit  dem  Auslande,  sei  es 
infolge  von  Ausbrüchen  des  überreizten  Chauvinismus  oder  der  in 
General  Boulanger  personifizierten  Kriegsgefahr,  entsprang  auch  die 
allgemeine  Verurteilung,  welche  der  bekannte  Sensationsartikel  des 
„Figaro",  überschrieben:  „Encore  lui",  in  der  repubhkanischen  Presse 
gefunder.  hat.  Derselbe  wurde  teils  als  ein  von  den  Orleanisten  aus- 
gehender indirekter  Angriff  gegen  die  Repubhk,  teils  als  unpatriotisch 
hingestellt  (il  fait  le  jeu  de  l'Allemagne),  weil  er  das  Ausland  gegen 
Frankreich  aufreize.  Wohl  nicht  ganz  ohne  Berechtigung  werfen  bei 
dieser  Gelegenheit  einzelne  Journale  den  Orleanisten  vor,  daß  sie  durch 
Verleumdung  des  Generals  Boulanger  und  der  Republik  auf  einen  Krieg 
hinarbeiten,  weil  sie,  immer  mehr  von  der  Aussichtslosigkeit  einer  Re- 
stauration in  friedlichen  Zeiten  überzeugt,  nur  noch  auf  den  Krieg, 
eventuell  den  Ruin  des  Landes  hoffen  können.  In  General  Boulanger 
fürchten  sie  vielleicht  einen  Konkurrenten,  der  ebenfalls  im  Trüben 
fischen  will. 

Unter  die  Beteuerungen  der  friedlichsten  Absichten  mischt  sich  bei 
anderen  Journalen  der  Hinweis,  daß  die  Wolke  jeden  Tag  platzen 
könne.  Im  Hinblick  darauf  nehmen  auch  alle  republikanischen  Blätter 
ohne  Ausnahme  den  arg  verleumdeten,  völlig  verkannten  und  un- 
schuldigen Kriegsminister,  „le  patriote  eprouve",  in  Schutz,  als  ob  er 
kein  Wasser  trüben  könne,  an  keinen  Krieg  dächte,  sich  fern  von  aller 
Politik  hielte  und  nur  darauf  bedacht  sei,  die  Armee  stark  und  im 
Auslande  gefürchtet  zu  machen. 

Aber  trotz  aller  dieser  Versicherungen  hat  Philippe  de  Grandlieu 
im  „Figaro"  nicht  nur  Recht,  wenn  er  den  General  Boulanger  als  den 
eifrigsten  Anhänger  der  Revancheidee  hinstellt,  sondern  die  Republi- 
kaner selbst  sind  zum  größten  Teil  der  gleichen  Ansicht.  Aber  sie 
wollen  nicht,  daß  die  stillen  Hoffnungen,  welche  sie  auf  diesen  Kriegs- 
minister setzen,  ausposaunt  werden,  damit  die  Republik  nicht  in  den 
Verdacht  kriegerischer  Absichten  gerät,  und  damit  sie  nicht  vielleicht 
früher  zum  Kriege  getrieben  werden,  als  es  ihnen  paßt.  Weil  sie  selbst 
kein  reines  Gewissen  haben,  kam  ihnen  auch  der  „La  guerre"  über- 
schriebene  Sensationsleitartikel  der  republikanischen  „France",  welcher 
dem   General   Boulanger  dieselben   kriegerischen   Absichten   unterlegt, 

149 


wie  der  „Figaro",  so  ungelegen.  Während  der  letztere  ihn  jedoch  des- 
halb tadelt  und  auf  die  Gefahren  hinweist,  denen  Frankreich  dadurch 
ausgesetzt  ist,  lobt  ihn  die  „France",  weil  er  die  patriotische  Fiber  der 
Nation  hat  vibrieren  machen,  und  weil  er  das  materiell  für  den  Krieg 
bereite  Frankreich  nun  auch  moralisch  für  denselben  vorbereiten  will. 
„II  est  le  lutteur  en  qui  nous  mettons  nos  esperances,  le  soldat  en  qui 
se  personnifient  nos  aspirations,  pour  quand?  Pour  demain  peut-etre. 
Pour  le  jour  oü  surgira  une  occasion  favorable!  II  est  pret  et  nous 
aussi!    Le  plus  tot  sera  le  mieux!" 

Während  durch  solche  kriegerische  Artikel  die  Gemüter  beunruhigt 
und  aufgeregt  werden,  wird  der  Kampf  gegen  die  deutsche  Kon- 
kurrenz mit  ungeschwächten  Kräften  fortgesetzt.  Der  deutsch-französi- 
sche Bierkrieg  hat  zu  so  parteiischen  und  strengen  Vorschriften  des 
radikalen  Handelsministers  bezüglich  der  Einfuhr  der  deutschen  Biere 
geführt,  daß  dadurch,  wie  mir  hiesige  Industrielle  versichern,  unserer 
Ausfuhr  beträchthcher  Schaden  zugefügt  wird.  Derselbe  Herr  Lockroy 
hat  nun,  allein  auf  eine  Denunziation  des  „Drapeau"  hin,  nicht  nur  vom 
1.  November  ab  die  Einfuhr  deutscher,  mit  französischer  Marke  ver- 
sehener Spielwaren  verboten,  sondern  auch  einen  besonderen  Gesetz- 
entwurf gegen  die  contrefagons  etrangeres  für  die  Kammer  vorbereitet, 
welcher  ebenso  den  Stempel  des  Deutschenhasses  wie  der  Leichtfertig- 
keit und  Übereilung  an  sich  trägt.  Der  Grund  für  diese  Maßregeln 
war  eine  Karte  des  „verstümmelten  Frankreichs",  welche  von  einem 
Mitgliede  der  Patriotenliga  in  einem  aus  Deutschland  importierten,  eine 
Dorfschule  darstellenden  Spielzeug  entdeckt  worden  war.  Den  alten 
Frauen  oder  Kindern,  welche  diese  Karten  antuschen,  ist  das  Versehen 
passiert,  daß  sie  anstatt  mit  dem  Pinsel  den  feinen  punktierten  Grenz- 
linien zu  folgen,  die  dicken  Striche  der  Maas  und  Rhone  bis  nach  Mar- 
seille hinuntergefahren  sind.  Auf  diese  Weise  ist  das  Departement 
der  Vogesen  und  Beifort  an  Deutschland,  Savoyen,  die  Dauphine  und 
Provence  an  Italien  gefallen  und  so  „La  France  ä  la  prussienne"  ge- 
schaffen. Und  deshalb  wird  so  viel  Geschrei  gemacht  und  werden  die 
Deutschen  mit  den  gröbsten  Schimpfwörtern  traktiert.  „La  dignite 
nationale  est  odieusement  outragee!  C'est  une  Infamie!  C  'est  un  plan 
concerte!  C'est  une  carte  provocatrice,  une  carte  outrageuse  pour  la 
patrie,  un  document  de  mensonge  et  de  vol!"  Das  „Petit  Journal"  ruft 
sogar  aus:  „La  coupe  est  pleine,  eile  deborde!" 

So  lächerlich  uns  auch  alles  dies  erscheint,  so  hat  diese  Art  der 
Deutschenhetze  doch  einen  sehr  nachteiligen  Einfluß  auf  unseren  Handel. 

In  diese  Zeit  der  patriotischen  Erregung  ist  auch  noch  die  Rück- 
kehr des  Revancheapostels  Deroulede  von  seiner  Reise  autour  de 
l'Allemagne*  gefallen,  von  der  er  den  Eindruck  mitgebracht  hat,  daß 

*  Im  Sommer  1886  hatte  bekanntlich  der  Führer  der  Patriotenliga,  Deroulede,  eine 
antideutsche  Agitationsreise  nach  Italien,  Rußland  und  Skandinavien  unternommen. 
In  Rußland,  wo  er  von  Mitte  Juli  bis  Ende  August  weilte,  hielt  er  namentlich  in 

150 


die  heilige  Liga  gegen  Deutschland  bereits  geschlossen  ist.  Italien, 
Rußland  und  die  Staaten  der  skandinavischen  Halbinsel  warten  seiner 
Meinung  nach  nur  auf  das  von  Frankreich  zu  gebende  Signal,  um  über 
uns  herzufallen.  Bei  den  seit  Jahren  gehegten  und  gepflegten  Hoff- 
nungen auf  eine  Allianz  mit  Rußland  mißt  man  den  Versicherungen 
Derouledes  von  den  allgemeinen  und  großen  Sympathien  dieses  Landes 
für  Frankreich  am  meisten  Glauben  bei.  Das  Redaktionsbureau  der 
„Revanche"  hat  diesen  Hoffnungen  bereits  dadurch  eine  greifbare  Ge- 
stalt verliehen,  daß  seit  einigen  Tagen  über  seinen  Fenstern  Fahnen- 
bündel prangen,  in  denen  eine  große  russische  Fahne  von  französischen 
umgeben  ist.  Auch  die  meisten  illustrierten  Zeitungen  bringen  seit  den 
letzten  Wochen  zahlreiche  anerkennende  Artikel  und  Bilder  über  Ruß- 
land und  die  russische  Armee,  während  die  Karrikaturen  über  uns  in 
ihrer  Gemeinheit  und  Gehässigkeit  den  Produkten  der  Kriegsjahre 
immer  ähnlicher  werden. 

Alles  dies  beweist,  daß  der  Chauvinismus  zurzeit  hier  wieder  in 
voller  Blüte  steht,  und  daß  einerseits  General  Boulanger  diejenige 
Persönlichkeit,  andererseits  eine  Allianz  mit  Rußland  diejenige  Even- 
tualität ist,  auf  welche  die  Franzosen  ihre  Revanchehoffnungen  in  erster 
Linie  gründen. 

(gez.)  von  Villaume 

Nr.  1233 

Der  Staatssekretär  desAuswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept 
Nr.  424  Berhn,  den  13.  November  1886 

Ew.  pp.  beehre  ich  mich  anbei  zu  Ihrer  vertraulichen  Kenntnis- 
nahme Abschrift  einer  Registratur  zu  übersenden,  welche  der  Herr 
Reichskanzler  über  seine  gestrige  Unterredung  mit  Herrn  Herbette  zu 
den  Akten  gegeben  hat.  H.  Bismarck 

Der  französische  Botschafter  regte  bei  einem  Besuch,  den  er  mir 
gestern  machte,  die  ägyptische  Frage  an.  Ich  sagte  ihm,  daß  wir  gern 
bereit  sein  würden,  eine  freundschaftliche  Verständigung  Frankreichs 
mit  England  über  die  Zukunft  Ägyptens  zu  vermitteln;  einen  Druck 
auf  England,  die  Evakuation  zu  beschleunigen,  könnten  wir  aber  nicht 
ausüben;  wenn  Frankreich  eine  Pression  in  dieser  Frage  ins  Werk 
setzen  wollte,  so  würde  es  sich  an  Rußland  wenden  müssen. 


Odessa  Reden  zur  Anbahnung  eines  französisch-russischen  Bündnisses  gegen 
Deutschland  und  fand  in  panslawistischen  Kreisen  viel  Entgegenkommen;  doch 
wurde  er  schließlich  durch  die  russische  Regierung  auf  Betreiben  des  Fürsten 
von  Bismarck  an  weiterer  öffentlicher  Agitation  verhindert.  Vgl.  auch  Kap.  XXXIX, 
Nr.  n9Q. 

151 


Herr  Herbette  sagte  mir  darauf,  Frankreich  wolle  langsam  vor- 
gehen und  England  nicht  brüskieren;  die  französische  Regierung  hätte 
den  Glauben,  daß,  wenn  man  die  Frage  der  Evakuation  Ägyptens  über- 
haupt offiziell  zur  Sprache  brächte,  die  Tatsachen  und  die  Logik  die 
Engländer  mit  der  Zeit  dahin  bringen  würden,  dieselbe  mit  einem  be- 
stimmten Termin  in  ihr  Programm  aufzunehmen.  Eine  Pression  wolle 
Frankreich  nicht,  und  noch  weniger  einen  Bruch  mit  England.  Der 
Botschafter  betonte  dies  wiederholt,  als  ich  ihm  sagte,  daß  unsere 
Politik  den  Frieden  an  sich  erstrebe,  weil  heutzutage  ein  Krieg  zwischen 
zwei  großen  Mächten  eines  der  größten  Übel  wäre;  in  einen  solchen 
Krieg  würde  bei  der  hochgetriebenen  Entwickelung  aller  europäischen 
Beziehungen  immer  auch  eine  dritte  Macht  hineingezogen  werden ; 
jedenfalls  würde  eine  solche  nicht  tertius  gaudens  bleiben  können, 
allein  schon,  weil  sie  bei  einem  Kriege  zwischen  zwei  großen  Nachbarn 
wirtschaftlich  zu  sehr  leiden  würde. 

Ich  sagte  Herrn  Herbette  ferner,  daß  die  Pourparlers,  welche 
Frankreich  etwa  mit  Rußland  über  Ägypten  hätte,  uns  durchaus  nicht 
beunruhigten*.  Herr  Herbette  nahm  hiervon  mit  Befriedigung  Akt. 
Als  ich  ihm  weiter  bemerkte,  daß  unsere  Politik  in  einer  abstention 
bienveillante  bestehe,  war  Herr  Herbette  damit  nicht  ganz  zufrieden; 
er  wollte  mehr  und  meinte,  wir  würden  durch  eine  der  französischen 
Politik  entgegenkommende  Haltung  einen  sehr  guten  Eindruck  in  Frank- 
reich erreichen;  ich  sagte,  daß  ich  hieran  nicht  zweifelte,  fragte  aber, 
ob  dies  pour  longtemps  vorhalten  würde,  worauf  er  mit  assurance  nicht 
antworten  konnte. 

Herr  Herbette  sprach  sich  mit  lebhafter  Bewunderung  über  Herrn 
von  Freycinet  und  dessen  Eigenschaften  aus,  worin  ich  natürlich  ein- 
stimmte: er  äußerte  die  Überzeugung,  daß  Herr  von  Freycinet  sehr 
fest  stände  und  durchaus  Herr  der  Situation  sei:  alle  andern  Minister 
wären  nur  subalterne  Naturen,  ob  mit  oder  ohne  Uniform,  und  fielen 
dem  President  du  Conseil  gegenüber  nicht  ins  Gewicht. 

Nr.  1234 

Der  stellvertretende  Chef  des  Generalstabes  General quartiermeister 
Graf  von  Waldersee  an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Geh.  J.  Nr.  140  Berlin,  den  16.  November  1886 

Die  in  letzter  Zeit  von  dem  Oberstleutnant  und  Flügeladjutanten 
von  Villaume  aus  Paris  erstatteten  Berichte**  sind  nach  meinem  Dafür- 
halten unter  dem  Eindruck  geschrieben,  daß  wir  auf  den  baldigen  Aus- 
bruch eines  Krieges  gefaßt  sein  müßten. 


*  Vgl.  Kap.  XXXIX,  Nr.  1202. 

**  Vgl.  namentlich  Nr.  1223,  1228,  1232. 

152 


Ich  kann  diese  Auffassung  vom  militärischen  Standpunkte  aus 
nicht  teilen. 

Die  gemeldeten  Rüstungsmaßregeln,  wie  Beschaffung  von  Be- 
kleidungs-  und  Munitionsvorräten,  Batteriebauten  bei  Beifort  und  der- 
gleichen, halte  ich  für  bedeutungslos  und  bin  der  Überzeugung,  daß 
Frankreich  gerade  aus  militärischen  Rücksichten  den  Wunsch  haben 
muß,  jetzt  einen  Krieg  mit  uns  zu  vermeiden,  und  führe  zur  Begründung 
meiner  Ansicht  an: 

In  der  Bev^^affnung  mit  Repetiergewehren  haben  wir  Frankreich 
völlig  überrascht  und  einen  Vorsprung  voraus,  der  in  Jahresfrist  kaum 
einzuholen  ist. 

Wir  haben  den  General  Boulanger,  der  glaubte,  für  die  Konstruk- 
tion eines  neuen  Oewehrmodells  ausreichende  Zeit  zu  haben,  genötigt, 
Repetiergewehre  an  die  Armee  auszugeben,  die  sich  in  Tonking  nicht 
bewährt  hatten,  und,  um  nicht  ganz  hinter  uns  zurückzubleiben,  von 
diesem  Modell  größere  Massen  anfertigen  zu  lassen.  Er  wird  sehr  un- 
gern zu  einem  Kriege  schreiten,  bei  dem  sich  der  Zorn  der  Nation  über 
die  schlechte  Infanteriebewafl'nung  sogleich  gegen  ihn  richten  würde. 

In  Frankreich  sind  Versuche  im  Gebrauche  von  Explosivgeschossen 
gegen  fortifikatorische  Anlagen  in  diesem  Sommer  zum  Abschluß  ge- 
kommen. Sie  haben  zu  der  Erkenntnis  geführt,  daß  die  Festungen  an 
Widerstandsfähigkeit  erheblich  verloren  haben,  und  ist  man  völlig  dar- 
über orientiert,  daß  wir  auch  auf  diesem  Gebiete  ihnen  weit  voraus  sind. 

Zunächst  steht  man  in  Frankreich  unter  dem  —  nach  meiner  Über- 
zeugung etwas  zu  weit  gehenden  —  Eindrucke,  daß  die  unter  so 
kolossalem  Geldaufwand  hergestellten  Befestigungen,  die  eine  Invasion 
nahezu  unmögHch  machen  und  Paris  für  immer  vor  Belagerungen 
schützen  sollten,  unseren  Geschossen  bald  erHegen  würden. 

Die  in  der  französischen  Presse  wohl  absichtlich  viel  besprochenen 
Äußerungen  des  Generals  Boulanger  über  die  Notwendigkeit,  zur  Offen- 
sive sowohl  auf  dem  Schlachtfeld  wie  in  der  Kriegführung  überhaupt 
zurückzukehren,  stehen  mit  diesen  Eindrücken  unbedingt  im  Zusammen- 
hange, sind  Renommagen  und  haben  zunächst  den  Zweck,  die  Aufmerk- 
samkeit von  der  Entwertung  der  Festungen  abzuleiten. 

Welche  Bedeutung  dieser  Frage  beigemessen  wird,  ergibt  die 
Kreditforderung  von  2 — 300  Millionen  Franks  für  Verstärkung  der 
Festungen. 

Endlich  liegt  der  Kammer  ein  Heeresreorganisationsprojekt  vor, 
das  naturgemäß  zur  Durchführung  ansehnliche  Zeit  erfordert,  innerhalb 
der  zu  einer  Mobilmachung  überzugehen  sehr  schwierig  sein  würde. 

Ich  bin  daher  der  Ansicht,  daß  in  Frankreich  augenblicklich 
Friedensbedürfnis  vorherrschend  ist,  daß  wir  keine  Besorgnis  zu  haben 
brauchen,  von  dort  angegriffen  zu  werden,  daß  sogar  Frankreich  nötig 
hat,  uns  seiner  FriedensHebe  zu  versichern. 

Daß  Frankreich  seit  15  Jahren  mit  Konsequenz,  wenn  auch  oft  mit 

153 


Ungeschick,  sich  darauf  vorbereitet,  den  Revanchekrieg  zu  führen,  ist 
ja  zweifellos,  und  bin  ich  auch  überzeugt,  daß  es  sofort  zum  Kriege 
schreiten  würde,  wenn  wir  nach  anderer  Seite  in  ernste  Verwickelungen 
kämen;  allein  wagt  es  den  Krieg  aber  nicht,  und  auf  keinen  Fall  in 
einer  nahen  Zukunft. 

Vom  rein  mihtärischen  Standpunkte  abgesehen,  möchte  ich  auch 
noch  der  Überzeugung  Ausdruck  geben,  daß  die  Republik  überhaupt 
ungern  zum  Kriege  schreitet;  die  jetzigen  Inhaber  der  leitenden  und 
einflußreichen  Stellen  fühlen  sich  viel  zu  wohl,  um  Ereignisse  herbei- 
zuwünschen, durch  die  sie  leicht  beseitigt  werden  könnten. 

Die  Wirkung  der  französischen  Hetz-  und  Revancheblätter  und 
öfter  wiederkehrender  antideutscher  Demonstrationen  auf  die  öffent- 
liche Meinung,  vermag  ich  nicht  so  hoch  anzuschlagen  als  —  wie  mir's 
scheint  —  Oberstleutnant  von  Villaume. 

Die  ersten  Nummern  solcher  oft  nur  ein  kurzes  Dasein  fristender 
Blätter  pflegen  reißend  abzugehen,  Abonnenten  erhalten  sie  überhaupt 
nicht,  und  bald  liest  niemand  mehr  ihre  albernen  Phrasen. 

Es  muß  berücksichtigt  werden,  daß  der  Deutschenhaß  ein  Speku- 
lationsfeld zu  persönlichen  Zwecken  geworden,  welches  von  Politikern, 
Militärs,  Schriftstellern  und  Geschäftsleuten  —  jeder  nach  seinen  Inter- 
essen —  umsomehr  ausgebeutet  wird,  als  bekanntlich  höchst  un- 
bedeutende Persönlichkeiten  sich  auf  diesem  Wege  zu  Stellung,  An- 
sehen und  Vermögen  verholfen  haben. 

Größere  Beachtung  würde  erst  nötig  sein,  wenn  die  Überzeugung 
gewonnen  wäre,  daß  die  Regierung  oder  einzelne  Minister,  wie  z.  B. 
Boulanger,  treibend  dahinter  ständen*. 

Der  Generalquartiermeister 
Gf.  Waldersee 

Nr.  1235 

Der  Botschafter  in  London  Graf  von  Hatzfeldt  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Entzifferung 
Nr.  387  London,  den  5.  Dezember  1886 

Erlaß  Nr.  1009  vom  28.v.  Mts.**  nebst  Anlagen  erhalten  und  gestern 
abend  Gelegenheit  gehabt,  in  einer  vertraulichen  Unterhaltung  mit  Lord 

*  Fürst  Bismarck  ließ  dem  Grafen  von  Waldersee  darauf  durch  den  Staatssekretä/" 
des  Auswärtigen  Amtes  schreiben,  „daß  er  die  in  dieser  interessanten  Mitteilung 
niedergelegten  Ansichten  teile". 

**  Im  Erlaß  vom  28.  November  1886  hatte  Bismarck  bemängelt,  Lord  R.  Chur- 
chill habe  bei  den  Erörterungen  über  eine  kriegerische  Verwicklung  mit  Rußland 
und  einen  sich  daraus  ergebenden  Angriff  Frankreichs  auf  Deutschland  noch 
niemals  angedeutet,  was  dieses  in  solchem  Falle  von  England  zu  erwarten  haben 
würde.  Vgl.  Bd.  IV,  Kap.  XXV:  Verhandlungen  über  eine  Entente  zwischen  Eng- 
land und  Österreich  1886. 

154 


Randolph    Churchill    Euerer    Durchlaucht    Diktat    vom    27,  v.  Mts.*    in 
geeigneter  Weise  als  meine  persönliche  Meinung  zu  verwerten,  pp. 

Die  Unterhaltung  wandte  sich  nun  auf  Frankreich  und  seine  vor- 
aussichthche  Haltung  im  Falle  eines  Krieges  zwischen  Rußland  und 
Österreich.  Als  ich  die  Überzeugung  aussprach,  daß  wir  dann  unter 
allen  Umständen  einen  französischen  Angriff  zu  erwarten  ^  und  mit 
allen  Kräften  abzuwehren  haben  würden,  erwiderte  mir  Lord  Ran- 
dolph Churchill,  daß  er  eine  Verständigung  über  die  Unterstützung, 
die  England  uns  dabei  gewähren  könnte,  ebenfalls  für  möglich  halte. 
Jedenfalls  würde  England  den  Schutz  unserer  Kolonien  gegen  etwaige 
Angriffe  übernehmen**,    pp.  Hatzfeldt 

Randbemerkung  des   Fürsten  von  Bismarck: 

^  ??  M[eines]  E[rachtens]  hätte  dann  eher  Frankreich  zu  fürchten;  jedenfalls 
würden  wir  England  vor  französlischem]  Angriff  bewahren  können.  Wahr- 
scheinlich würde  unser  Schwert  das  französ[ischel  in  der  Scheide  erhalten. 


Nr.  1236 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 
Nr.  845  Berlin,  den  18.  Dezember  1886 

pp.  Der  Herr  Reichskanzler  hat  aus  den  Äußerungen  des  Kaisers 
Franz  Joseph***  den  Eindruck  gewonnen,  daß  höchstderselbe  die  Ge- 
fahren eines  französischen  Krieges  und  die  Stärke  der  französischen 
Macht  erheblich  unterschätzt;  die  französische  Armee  ist  gegenwärtig 
stärker  als  die  unsrige.  Um  uns  mit  Sicherheit  zu  verteidigen,  werden 
wir  so  ziemlich  unsere  volle  Stärke  am  Rhein  gebrauchen  und  können 
froh  sein,  wenn  das  ausreicht.  Wir  sehen  den  französischen  Krie^  als 
ziemlich  nahe  bevorstehend  an  und  haben  deshalb  den  Wunsch,  den 
gleichzeitigen  russischen  Krieg  nach  Möglichkeit  zu  vermeiden.  Es 
ist  kein  Beweis  von  Wohlwollen,  daß  Österreich  auf  die  schwierige 
Lage,  in  der  wir  uns  unter  dem  beständigen  französischen  Alpdruck 
befinden,  so  wenig  Rücksicht  nimmt,  und  daß  es  trotz  des  mit  großer 
Wahrscheinlichkeit  bevorstehenden  französischen  Krieges  uns  Vorwürfe 

*  Siehe  Bd.  IV,  Nr.  873. 

**  Diese  vagen  Versicherungen  befriedigten  den  Fürsten  von  Bismarck  nicht.  Am 
11.  Dezember  schrieb  der  Staatssekretär  Graf  Herbert  von  Bismarck  im  Auftrage 
des  Kanzlers  an  Hatzfeld:  „Daß  Lord  R.  Churchill  eine  Verständigung  über  die 
Unterstützung,  die  England  uns  etwa  gegen  Frankreich  gewähren  könnte,  für 
möglich  hält,  ist  gewiß  erfreulich,  wenn  damit  auch  nicht  mehr  gesagt  ist,  als  was 
jedem  Zeitungsleser  einleuchtet:  Etwas  naiv  klingt  nur  die  Versicherung,  daß 
England  den  Schutz  unserer  Kolonien  gegen  Angriffe  übernehmen  würde!  Das 
Schicksal  unserer  Schutzgebiete  bei  einem  französisch-deutschen  Kriege  wird  nie- 
mals zur  See,  sondern  lediglich  durch  unsere  Landarmee  entschieden  werden". 
***  Vgl.   Bd.V,  Kap.  XXXII,  Nr.  1025,  Fußnote. 

155 


macht,  weil  wir  den  Krieg  mit  Rußland  zu  vermeiden  suchen.  Unsere 
beiderseitigen  Interessen  weisen  uns  darauf  hin,  uns  gegenseitig  zu 
unterstützen,  im  Fall  einer  von  uns  angegriffen  werden  sollte,  aber 
doch  auch  alles  zu  tun,  was  möglich  ist,  um  einen  solchen  Fall  zu 
verhindern.  Nach  unserer  Schätzung  der  Wehrkräfte  würde  der  gleich- 
zeitige Kampf  der  beiden  österreichisch-deutschen  Kaiserreiche  gegen 
Frankreich  und  Rußland  immer  ein  schwieriger,  sogar  ein  ungleicher 
sein,  und  in  der  bulgarischen  Frage  liegt  absolut  kein  Äquivalent  für  die 
Opfer,  die  ein  solcher  Krieg  fordern  würde,  pp. 

H.  Bismarck 

Nr.  1237 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Staatssekretär  des 
Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck* 

Privatbrief.    Abschrift 
Ganz  vertraulich  Paris,  den  20.  Dezember  1886 

pp.  Nach  allem,  was  ich  höre  aus  Deutschland  und  namentlich  von 
Berlin,  erwartet  man  den  Krieg  mit  einiger  Sicherheit  zum  Frühjahr^; 
worauf  basiert  das?  Ich  vermute,  hauptsächlich  auf  den  Verhandlungen 
in   Kommission  und  Reichstag**? 

Hier  ist  die  Stimmung  der  Republikaner  und,  wie  ich  von  gut 
unterrichteten  Seiten  höre,  in  der  Provinz  entschieden  friedlich. 

Gestern  besuchte  mich  Courcel,  behauptete  dies  auch,  sagte  dabei, 
man  werde  aber  besorgt,  und  werde  vielfach  die  Ansicht  verbreitet, 
als  ob  Deutschland  entschlossen  sei,  Frankreich  im  Frühjahr  anzugreifen. 
Er  habe  dem  entschieden  widersprochen  und  habe  viel  nachgeforscht, 
woher  diese  Gerüchte  kommen  2.  Ich  brachte  ihn  schließlich  so  weit, 
daß  er  mir  zugab,  diese  Gerüchte  kämen  nach  seiner  Überzeugung  von 
russischer  Seite.  Es  seien  jetzt  zahllose  weibliche  und  männliche 
russische  Agenten  hier.  Er  sagt,  man  werde  hier  die  Russen  gegen 
England  benutzen,  man  werde  sich  aber  auf  eine  Offensiv-  und  Defensiv- 
allianz nicht  einlassen.  Die  Allianz  zwischen  Republik  und  Autokraten 
erinnert  mich  immer  an  eine  Menagerie,  die  ich  in  Bonn  sah,  wo  ein 
Tiger  eine  Löwin  gedeckt  hatte.  Der  Menageriebesitzer  bemerkte  dazu, 
diese  Tiere  begatten  sich  nicht  aus  Liebe,  sondern  aus  reiner  Bosheit. 
So  würde  es  mit  den  beiden  Bestien  Ruski  und  Franzuski  auch  sein. 
Boulanger  ist  nicht  so  gefährlich  s,  als  bei  uns  angenommen  wird.  Er 
ist  eine  Persönlichkeit,  mit  der  allerdings  zu  rechnen  ist,  und  den  wir 


*  Ein  anderer  Teil  des  Briefes  ist  bereits  in  Nr.  1208  abgedruckt. 
**  Dem  Reichstage  war  bei  seinem  Zusammentritt  (25.  November  1886)  eine  Miii- 
tiirvorlage  zugegangen,  durch  die,  unter  ausdrücklichem  Hinweis  auf  den  wesent- 
lichen Vorsprung  Frankreichs  in  der  Friedenspräsenzstärke,  der  eben  jetzt  durch 
eine  abermalige  Erhöhung  des  Mannschaftsbestandes  noch  vergrößert  zu  werden 
drohte,   auch   die   deutsche   Friedenspräsenzstärke   entsprechend   erhöht  wurde. 

156 


scharf  beobachten  müssen,  zur  Diktatur  kommt  er  aber  noch  lange 
nicht,  dazu  ist  vor  allem  die  Eifersucht  der  anderen  Generale  und 
das  Mißtrauen  der  Republikaner  zu  groß.  pp. 

(gez.)  Münster 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

^  Nicht  nothwendig;  aber  er  kann  jederzeit,  auch  vor  Ostern  ausbrechen,  weil 
die  Franzosen  mit  ihrem  Latein  der  Republik  zu  Ende  sind;  aus  Verlegen- 
heit werden  sie  losbrechen.  Die  halben  Milliarden  Anleihen,  Franken  ufnd} 
Rubel*  sind  durch  laufende  Bedürfnisse  nicht  erfordert. 

2  sie  sind  über  10  Jahre  alt  ulndj  der  permanente  Vorwand  für  gesteigerte  Rü- 
stungen. 

3  er  ist  ein  „Zünder"  für  die  Explosion,  vielleicht  ohne  sie  zu  wollen,  aber  er 
macht  sie  leichter. 

Nr.  1238 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  326  Paris,  den  21.  Dezember  1886 

Das  jetzige  Kabinett**  versichert  auf  das  bestimmteste,  daß  es  vor 
allem  den  Frieden  erhalten  wolle,  und  alle  Äußerungen  mir  gegenüber, 
sowohl  die  des  Ministers  des  Äußeren  Flourens  wie  auch  anderer 
maßgebender  PersönUchkeiten  betonen  diese  friedlichen  Absichten  in 
allen  Tonarten. 

Ich  würde  an  und  für  sich  solchen  Versicherungen  nur  sehr  ge- 
ringen Wert  beilegen,  wenn  ich  nicht  überzeugt  davon  wäre,  daß  sie 
deshalb  aufrichtig  gemeint  sind,  weil  diese  sehr  schwache  Regierung 
bei  der  jetzigen  Stimmung  in  Frankreich  nicht  imstande  wäre,  eine 
kriegerische  Politik  zu  führen,  Sie  würde  weder  in  den  Kammern 
noch  im  Lande  die  Unterstützung  finden,  die  sie  dazu  haben  müßte i. 

Ich  habe  schon  in  früheren  Berichten  darauf  hingewiesen,  daß  der 
Chauvinismus  und  das  Schreien  nach  „Revanche"  nicht  mehr  den  An- 
klang wie  früher  findet  2. 

Die  Mihtärvorlage  im  Reichstage  und  die  Debatten  im  Reichstage 
selbst  und  in  der  Militärkommission***  haben  einen  ganz  anderen  Ein- 
druck hervorgebracht,  als  die  Chauvinisten  erwarteten  und  wünschten. 
Die  Stimmung  ist  eine  andere  geworden,  und  die  Befürchtung,  daß 
Frankreich  von  Deutschland  aus  angegriffen  werden  könnte,  fängt  an 
überall  durchzudringen. 

*  Sowohl  in  Frankreich  wie  in  Rußland  waren  im  Herbst  1886  von  den  Kriegs- 
ministern sehr  hohe  Kredite  zu  militärischen  Zwecken  in  Anspruch  genommen 
worden. 

**  Mitte   Dezember  war   an  die   Stelle   des  Ministeriums   Freycinet  das   Kabinett 
Goblet  mit  Flourens  als  Minister  des  Äußern  getreten.    Boulanger  verblieb  auch 
unter  der  neuen  Regierung  als  Kriegsminister. 
***  Vgl.  darüber  Schultheß'  Europäischer  Geschichtskalender  Jahrg.  1886,  S.  178  ff. 

157 


Dabei  zeigt  sich  aber  deutlich,  daß  das  Vertrauen  in  die  eigene 
Widerstandsfähigkeit  und  die  eigene  Armee  ein  viel  geringeres  ist,  als 
die  Franzosen  selbst  zugestehen  mögen.  Die  Chauvinisten  ändern  ihre 
Sprache  und  wollen  jetzt  den  Ruf  um  Rache  durch  den  Ruf:  das  Vater- 
land ist  in  Gefahr,  die  Deutschen  wollen  uns  überfallen,  ersetzen.  Die 
russischen  geheimen  Agenten  unterstützen  sie  dabei  und  hetzen  in 
diesem  Sinne  in  der  Presse  und  in  der  Gesellschaft. 

Die  Popularität  des  General  Boulanger  und  die  Unterstützung,  die 
er  auch  bei  allen  Parteien  in  der  Kammer  findet,  kommt  nicht  daher, 
daß  General  Boulanger  als  der  Mann  angesehen  wird,  welcher  jetzt 
Krieg  wollte  und  die  französische  Armee  zum  Siege  führen  könnte.  Er 
wird  aber  für  den  Mann  gehalten,  der  die  Mängel  der  Armee  verbessern 
kann,  und  dem  man  Zeit  lassen  muß,  um  seine  Organisationspläne  in 
den  Kammern  zu  vertreten  und  selbst  durchzuführen. 

Deshalb  mußte  der  Präsident  und  Herr  Goblet  Herrn  Boulanger 
in  das  neue  Kabinett  mit  aufnehmen. 

Durch  die  Vermehrung  der  deutschen  Armee  sind  die  Franzosen 
notwendigerweise  an  die  Mängel  ihrer  Armee  erinnert  worden,  und  es 
wird  auch  im  Parlamente  dem  General  Boulanger  leichter  als  jedem 
andern,  Bewilligungen  für  die  Armee  durchzusetzen. 

Daß  General  Boulanger  und,  wie  ich  auch  nachträglich  gehört  habe, 
der  Marineminister  Aube  ihren  Wiedereintritt  an  die  Bedingung  knüpften, 
daß  das  Kabinett  die  außerordentlichen  Kredite  von  360  Millionen  für 
das  Kriegsministerium  und  150  Millionen  für  die  Marine  sofort  nach  Zu- 
sammentritt des  Parlaments  vorlegen  und  kräftig  unterstützen  solle, 
war  natürlich.  Der  jetzige  Moment  ist  besonders  günstig,  und  sie  und 
das  Kabinett  können  mit  Hinweisung  auf  die  vermehrte  Wehrkraft 
Deutschlands  die  Billigung  des  Parlaments  erwarten. 

Diese  großen  Summen,  die  in  Frage  kommen,  werden  trotz  ihrer 
Höhe  lieber  beantragt  und  leichter  bewilligt,  als  stehende  Budget- 
positionen. Bei  den  vielen  Lieferungen  und  Anschaffungen,  die  eine 
solche  Vermehrung  des  Materials  mit  sich  bringt,  fällt  mancher  nicht 
ganz  erlaubte  Verdienst  für  Beamte  und  selbst  Parlamentsmitglieder 
ab.    Außerdem  lassen  sich  dadurch  viele  Wahlen  beeinflussen. 

Wie  jetzt  die  Verhältnisse  noch  liegen,  ist  General  Boulanger  ganz 
zufrieden,  wenn  er  sich  die  Stellung  als  Kriegsminister  erhalten  kann. 
Es  ist  unbedingt  die  beste  und  einflußreichste  Stellung  in  Frankreich, 
wenn  man  nicht  Präsident  der  Republik  ist.  An  einen  Staatsstreich,  der 
ihm  zur  Diktatur  verhelfen  könnte,  kann  er  nicht  ernstlich  denken  2. 
Dazu  kann  er  die  Armee  noch  nicht  bringen.  Das  Mißtrauen  und  die 
Eifersucht  der  älteren  Generäle  machen  das  unmöglich.  Er  weiß  recht 
gut,  daß,  solange  General  Saussier  Gouverneur  von  Paris  ist,  die 
Truppen  treu  zum  Präsidenten  und  zur  Republik  halten  würden.  Weil 
er  das  weiß,  versuchte  er  den  General  Saussier  zu  entfernen,  was  ihm 
bekanntlich  mißlang. 

158 


Ein  Staatsstreich  zur  Einsetzung  der  Monarchie  wäre  möglich, 
wenn  es  nur  einen  tüchtigen  Prätendenten  in  Frankreich  gäbe  und 
dieser  einen  Mann  wie  Boulanger  und  einen  großen  Teil  der  Armee 
für  sich  gewönne.  Ein  solcher  Prätendent  existiert  aber  nicht,  und  ein 
Säbelregiment  läßt  sich  nur  nach  einem  siegreichen  Kriege  oder  nach 
einer  blutigen  Revolution  denken.  Dann  gehört  aber  noch  ein  ganz 
anderer  Mann  dazu,  als  General  Boulanger  zu  sein  scheint. 

Ein  Wort  des  bekannten  Spaniers  Herrn  Castelar*  erzählte  mir  ein 
uns  sehr  bekannter  französischer  Diplomat,  welches  nicht  geradezu 
schmeichelhaft,  aber  bezeichnend  für  die  Stimmung,  die  viele  hier  über 
General  Boulanger  haben.  Herr  Castelar,  der  hier  überhaupt  sehr  ge- 
feiert wurde,  saß  bei  einem  Diner  bei  General  Boulanger,  und  als  er 
nach  Tisch  gefragt  wurde,  wie  dieser  ihm  gefallen  habe,  erwiderte  er: 
„Ich  habe  geglaubt,  einen  ausgezeichneten  französischen  General  zu 
finden  und  habe  nur  einen  spanischen  General  gefunden,  wie  wir  leider 
deren  so  viele  haben." 

General  Boulanger,  der  alles  tut,  um  die  Aufmerksamkeit  auf  sich 
zu  ziehen,  mußte  sich  anfänglich  auch  auf  die  Chauvinisten  stützen  und 
ihnen  schmeicheln.  Er  mußte  sich  kriegerischer  stellen  als  er  ist.  Nach 
allem,  was  ich  sehe  und  höre  auch  von  solchen,  die  ihn  gut  kennen, 
will  er  den  Krieg  mit  Deutschland  nicht  und  fürchtet  ihn.  Er  kennt 
die  Mängel  der  französischen  Armee  zu  gut  und  er  weiß  außerdem, 
daß  man  ihm  doch  nicht  das  Kommando  der  Armee  im  Felde  und 
das  Oberkommando  lassen  würde,  und  daß  er,  wenn  der  Feldzug  un- 
glückHch  ausfallen  würde,  die  Verantwortung  als  Kriegsminister  doch 
mit  tragen  würde,  pp.  Münster 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopf  des  Schriftstücks: 

Optimist. 
Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Wie  lange  kann  das  dauern? 

2  ? 

Nr.  1239 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Staatssekretär  des 
Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.  Abschrift 

Paris,  den  30.  Dezember  1886 

Ich  danke  sehr  für  Ihre  freundlichen  Zeilen  aus  Friedrichsruh. 

Auf  die  Gefahr  hin,  für  einen  Optimisten  zu  gelten,  der  ich  aber 

den  Franzosen  und  der  RepubHk  gegenüber  gewiß  nicht  bin,  kann  ich 

nicht  die  Meinung  teilen,  daß  die  Republik  am  Ende  ist,   und  daß  sie 

daran  denkt,  Deutschland  anzugreifen.    Die  Angst  vor  dem  Kriege  ist 


•  Emilio   Castelar,  früherer  spanischer  Ministerpräsident,   Führer  der  Opposition 
in  den  Cortes. 

159 


hier  sehr  groß,  und  es  findet  sich  kein  Minister,  der  die  Kriegsfackel 
entzünden  und  das  Revanchegeschrei  loslassen  möchte,  am  allerwenig- 
sten Boulanger,  der  jetzt  vor  allem  nur  sucht,  Kriegsminister  zu  bleiben, 
und  der  sich,  da  Freycinet  und  die  Opportunisten  jetzt  mehr  Aussicht 
haben,  wieder  an  das  Ruder  zu  kommen,  nicht  mehr  ganz  sicher  fühlt. 
Meine  Ansichten  über  die  hiesige  Stimmung  werden  von  allen  Mit- 
gliedern des  diplomatischen  Korps  ohne  Ausnahme  und  von  allen  mit 
der  Presse  in  Verbindung  stehenden  Deutschen,  auch  von  allen  deut- 
schen hiesigen  Kaufleuten,  die  bisher  alle  den  Chauvinismus  so  sehr 
fürchteten,  geteilt. 

Pourtales  hat  nun  doch  auch  Gelegenheit  gehabt,  sich  ein  Urteil 
über  die  hiesigen  Verhältnisse  zu  bilden,  er  wird  es  Ihnen  noch  besser 
sagen  können,  als  es  sich  schreiben  läßt,  wie  die  Franzosen,  gerade 
die  früher  feindlichsten,  jetzt  denken. 

Nicht  allein,  daß  die  Republik,  die  so  noch  recht  lange  fortleben 
kann,  trotz  der  schlechten  Finanzen,  trotz  der  vielen  traurigen  Verhält- 
nisse, bestimmt  keinen  Angriffskrieg  macht,  —  ich  glaube  sogar  sicher, 
daß  selbst  bei  einem  Kriege  im  Osten  sie  alles  aufbieten  würde,  um 
erst  neutral  zu  bleiben.  Daß  das  umschlagen  kann,  daß  das  Unvorher- 
gesehene plötzlich  Überraschungen  bringen  kann,  und  daß  wir  hier 
die  Augen  offen  halten  müssen,  weiß  niemand  besser  als  ich,  und  daß 
mir  Franzosen  zuwider  sind  wie  die  ganze  Republik,  und  ich  mich 
nicht  durch  sie^  bestechen  lasse,  können  Sie  glauben  und  können 
auch  annehmen,  daß  ich  doch  die  Verhältnisse  hier  besser  beurteilen 
kann,  als  das  von  weitem  und  durch  die  stets  gefärbte  Brille  der 
Presse  möglich  ist.  Ein  Krieg  mit  Frankreich  könnte,  wie  jetzt  die 
Verhältnisse  liegen,  nur  von  uns  ausgehen,  und  es  würde  einer  sehr 
starken  Provokation  bedürfen,  um  die  Franzosen  dazu  zu  bringen,  pp. 

(gez.)  Münster 

Randbemerkung  des  Grafen  von  Bismarck: 
i  Durch  Redensarten 


Nr.  1240 
Der  Botschafter  in  Paris  Gral  Münster  an  Kaiser  Wilhelm  I. 

Ausfertigung 
Nr.  339  Paris,  den  30.  Dezember  1886 

Euere  Majestät  wollen  mir  huldreichst  gestatten,  meine  allerunter- 
tänigsten,  treuesten  und  aufrichtigsten  Glückwünsche  beim  Jahres- 
wechsel auszusprechen.    Gott  erhalte  uns  Euere  Majestät! 

Euere  Majestät  wünschen  vor  allem  die  Erhaltung  des  Friedens, 
und  so  freue  ich  mich.  Euerer  Majestät  melden  zu  können,  daß  hier 
eine   durchaus   friedliche   Strömung   das   Land   durchweht  i. 

Jetzt,    wo    durch    die    Rüstungen    in    allen    Ländern  2,    durch    die 

160 


orientalischen  Verwickelungen  der  Ausbruch  eines  Krieges  möglich 
und  näher  gerückt  erscheint  3,  müßte  es  sich  zeigen,  ob  der  Ruf  nach 
Rache,  ob  das  Kriegsgeschrei  der  Chauvinisten,  die  Hetzereien  eines 
Deroulede  und  Genossen   wirklich  Widerhall   im   Volke  findet*. 

Es  hat  sich  deutlich  gezeigt,  daß  dem  nicht  so  ist^  und  so  hat 
sich  Herr  Deroulede  im  ünmute  und  bitter  klagend  über  den  mangeln- 
den Patriotismus  seiner  Landsleute  grollend  auf  das  Land  zurück- 
gezogen. Bei  seiner  Abschiedsrede  sagte  er,  er  wolle  es  dem  General 
Boulanger  überlassen,  die  Fahne  des  Vaterlandes  hoch  zu  halten. 
General  Boulanger  aber  hat  seine  Sprache  sehr  geändert '^  und  benutzt 
jetzt  jede  Gelegenheit,  um  sich  friedlich  zu  zeigen. , 

Die  jetzige  Friedensliebe  der  Franzosen  kommt  nicht  daher,  daß 
etwa  die  Niederlagen  verschmerzt  wären,  und  der  seit  dem  Kriege 
künstlich  genährte  Haß  gegen  die  Deutschen  ist  gewiß  nicht  ver- 
schwunden '. 

Die  Erkenntnis,  daß  der  Friede  für  Frankreich  notwendig  ist, 
glaube  ich  auf  folgende  Gründe  zurückführen  zu  dürfen. 

Die  finanziellen  Kräfte  des  Landes  sind  durch  die  schlechte  Finanz- 
verwaltung der  Republik  so  erschöpft »,  daß  ein  Krieg  eine  finanzielle 
Katastrophe  zur  Folge  haben  könnte. 

Die  Republikaner  9  wissen,  daß  der  Anfang  des  Krieges  der  An- 
fang des  Endes  der  Republik  sein  würde.  Sie  wissen,  daß  eine  Nieder- 
lage, und  auf  diese  rechnen  sie  selbst  mehr  als  auf  Siege,  zu  der 
fürchterlichsten  Anarchie"  führen  könnte,  und  wissen  ferner,  daß  ein 
siegreicher  Krieg lo  der  Diktatur  oder  Monarchie  die  Wege  ebnen  würde. 
Diese  Eventualitäten  fürchten  die  Republikaner  naturgemäß. 

Was  die  Armee  betrifft,  so  ist  das  Vertrauen  zu  ihr  im  Volke 
gering,  und  in  ihr  selbst  herrscht,  nach  allem,  was  ich  sehe  und  höre, 
kein  kriegerischer  Geist. 

Die  allgemeine  Dienstpflicht  hat  hier  ganz  anders  gewirkt  als  in 
Deutschland.  Der  jetzige  Franzose  hat  kein  Vaterlandsgefühl  n  im 
höheren  Sinne,  kein  Pflichtgefühl  wie  der  Deutsche.  Der  Soldat  wird 
nicht  gut  behandelt,  hat  keine  Freude  an  seiner  wenig  kleidsamen  12 
Uniform,  wird,  da  alles  durch  Kontrakte  geschieht,  schlecht  verpflegt, 
schlecht  ernährt.  Jeder  Rekrut  geht  ungern  unter  die  Fahnen  i3,  und, 
wie  mir  selbst  französische  Offiziere  gesagt  haben,  die  meisten 
Soldaten  warten  mit  Ungeduld  auf  den  Augenblick,  wo  sie  die  Uniform 
wieder  ausziehen  können  1*. 

Jeder  sucht  sich  dem  Dienste  zu  entziehen  i^,  und  ich  weiß,  daß 
hier  die  Befürchtung  besteht,  daß  bei  einer  Mobilmachung  für  den  Krieg 
ein  großer  Teil  der  eingezogenen  Reserven  ausbleiben  würde.  Ein 
französischer  aktiver  General  hat  einem  meiner  Kollegen  gegenüber  ge- 
äußert, daß  bei  einem  ausbrechenden  Kriege  mindestens  50000  Mann 
sich  nichi  stellen  würden.  „Nous  aurons  en  cas  de  guerre  au  moins 
cinquante  mille  refractairesi^."    Ob  das  richtig  ist,  vermag  ich  nicht 

11    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  161 


zu  beurteilen,  daß  aber  ein  französischer  General  einem  Fremden  gegen- 
über eine  solche  Eventualität  als  möglich  hinstellt,  ist  ein  bedeutsames 
Zeichen  1'^. 

Die  Idee  der  Revanche  verblaßt  i»  mit  der  Zeit,  und  die  Nach- 
richten, namentlich  aus  dem  Elsaß,  gehen  immer  mehr  dahin,  daß  es 
den  Elsassern  materiell  sehr  gut  geht,  und  daß  die  Sympathien  der 
Elsasser  für  Frankreich  abgenommen  haben.  Selbst  der  bekannte  Bischof 
von  Angers,  Freppel,  ein  geborener  Elsasser,  der  bisher  die  Rolle  des 
französischen  Patrioten  gespielt  hat,  äußert  jetzt  seinen  intimen  Be- 
kannten gegenüber,  daß  er  zu  seinem  Schmerze  eingestehen  müsse, 
daß  die  Stimmung  im  Elsaß  immer  mehr  deutsch  werde,  und  die  El- 
sasser selbst  den  jetzigen  Zustand  ihres  Landes  mit  den  französischen 
Zuständen  verglichen.  Materiell  gehe  es  ihnen  besser,  ihre  Fabriken 
gingen  gut,  sie  hätten  eine  autonome  Regierung,  wie  sie  dieselbe  unter 
Frankreich  niemals  hatten,  der  Klerus  sei  gut  behandelt  und  zufrieden, 
Fürst  Hohenlohe  sei  im  ganzen  Lande  sehr  beliebt.  Man  dürfe,  so 
endete  Bischof  Freppel  sein  Gespräch,  im  Falle  des  Krieges  leider 
nicht  mehr  auf  die  Hilfe  der  Elsasser  rechnen. 

Der  allgemeine  Eindruck  der  jetzigen  Stimmung  ist  der  der  Be- 
sorgnis, selbst  der  Furcht  vor  dem  Kriege  i^.  Der  friedliche  Ton  der 
Presse  aller  Parteien  bestätigt  das. 

Vielfach  wird  angenommen,  daß  diese  friedliche  Sprache  darauf 
berechnet  sei,  die  Annahme  der  Militärvorlagen  im  deutschen  Reichs- 
tage zu  erschweren.  Etwas  mag  das  dazu  beitragen,  viel  aber  nicht, 
weil  hier  im  allgemeinen  an  der  Annahme  der  Vorlage  nicht  gezweifelt 
wird. 

Wie  jetzt  die  Lage  und  die  Stimmung  hier  ist,  kann  ich  nicht  daran 
glauben,  daß  wir  von  dieser  Seite  Krieg  zu  erwarten  haben. 

Daß  bei  einem  so  erregbaren  Volke  diese  Stimmung  sich  wenden 
kann,  und  daß  wir  hier  die  Augen  offen  halten  müssen,  bin  ich  mir 
wohl  bewußt,  und  Euere  Majestät  können  sich  fest  darauf  verlassen, 
daß  das  geschieht.  -Münster 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  ? 

2  Für  oder  gegen  Fr[an]kr[ei]ch? 

3  ?  durchaus  nicht 

*  das  ist  garnicht  nöthig;  die  Bewegungen  sind  in  Frankreich  stets  von  energischen 

Minoritäten  gemacht  worden. 
5  wie  kommt  es  denn  daß  keine  französfische]  Zeltung  es  wagt  ihre  Leser  zu 

belehren? 
8  aber  auch  seine  Gesinnung? 
^  das  reicht  hin 

8  u[ndj  doch  wird  jede  Anleihe  leicht  realisirt,  vielleicht  in  Hoffnung  auf  deutsche 
Milliarden. 

9  wer  ist  das?    Boulanger? 

^0  oder  die  Aussicht  auf  einen  solchen 

11  !  wollte  Gott  alle  Deutschen  hätten  den  französischen  Durchschnitt  davon! 

162 


18    I 

*'  wohl  überall  im  Frieden. 
**  andre  nicht? 
^5  überall! 

"  das  war  schon  unter  Nap[oleon]  I.  der  Fall,  u[nd]  doch  — 
''  doch  nicht;  viel  eher  die  Überschätzung  davon. 
^8  noch  nicht 

1»  wohl   nicht   bloß    in   Frankreich;   jede    Nation  zieht  den    Frieden  vor;    ilirc 
Leiter  aber  nicht  immer; 


Nr.  1241 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh, 
an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Nr.  4  Friedrichsruh,  den  4.  Januar  1887 

Euerer  pp.  Immediatbericht  Nr.  339*  vom  30.  v.  Mts.  ist  mir  hier 
zugegangen,  und  erlaube  ich  mir,  bevor  ich  denselben  Seiner  Majestät 
unterbreite,   die  nachstehenden    Bemerkungen   über  seinen   Inhalt. 

Wenn  Seine  Majestät  und  die  verbündeten  Regierungen  die  darin 
von  Ew.  pp.  entwickelten  Ansichten  teilten,  so  würde  die  Reichsregie- 
rung kaum  in  der  Lage  sein,  die  von  ihr  gemachte  Militärvorlage  mit 
Überzeugung  vor  dem  Reichstage  zu  vertreten  und  aufrechtzuerhalten. 
Euere  pp.  treten,  indem  Sie  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  direkt  eine  so 
eingehende  und  nachdrückliche  Darlegung  Ihrer  Überzeugung  von  den 
friedlichen  Absichten  Frankreichs  und  seiner  Regierung  unterbreiten, 
der  Politik  entgegen,  zu  welcher  die  Verbündeten  Regierungen  sich 
durch  die  neueste  Militärvorlage  amtlich  und  öffentlich  bekannt  haben. 
Euere  pp.  werden  darüber  selbst  nicht  im  Zweifel  sein  können,  wenn 
Sie  einen  Augenblick  die  Fiktion  zulassen  wollen,  daß  Ihr  Bericht  vom 
30.  V.  Mts.  in  die  Öffentlichkeit  gelangte.  Er  würde  von  Seiten  der  ge- 
samten demokratischen  und  ultramontanen  Opposition  nicht  ohne  Er- 
folg zu  dem  Zwecke  der  Bekämpfung  der  Vorlage  der  Verbündeten 
RegierungeiJ  ausgebeutet  werden,  und  die  Vertreter  der  letztern  würden 
in  die  Notwendigkeit  gesetzt  sein,  dem  Reichstage  so  gut  wie  möglich 
darzulegen,  daß  der  Kaiserliche  Botschafter  in  Paris  sich  im  Irrtum 
befinde. 

Wenn  Ew.  pp.  unsre  Besorgnisse  vor  französischen  Friedens- 
störungen für  unbegründet  halten,  so  wäre  es  mir  lieber  gewesen,  wenn 
Sie  Ihre  Auffassung  zunächst  mir  in  vertraulicher  Form  mitgeteilt  und 
mir  überlassen  hätten,  Ihre  von  den  meinigen  abweichenden  Ansichten 
Seiner  Majestät  dem  Kaiser  zu  unterbreiten,  oder  sie  Ihnen  gegenüber 
zu  diskutieren.    Euere  pp.  haben  vorgezogen,  für  Ihre  Mitteilung  die 


*  Siehe  Nr.  1240. 

„.  163 


Form  des  Immediatberichtes  zu  wählen,  welche  bei  allen  unsern 
diplomatischen  Vertretern  für  ihre  persönlichen  Glückwünsche  aller- 
dings üblich  ist,  aber  nicht  für  Darlegungen  von  politischen  Meinungs- 
verschiedenheiten, die  so  tief  greifen,  wie  die  Frage,  ob  wir  von  Seiten 
Frankreichs  in  der  nächsten  Zukunft  einer  friedlichen  Haltung  sicher 
sind.  Durch  die  von  Euerer  pp.  gewählte  Form  der  Berichterstattung 
werde  ich  in  die  Notwendigkeit  versetzt,  meine  von  der  Ihrigen  ab- 
weichende Ansicht,  für  welche  allein  ich  die  mir  obliegende  Verant- 
wortlichkeit übernehmen  kann,  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  gegenüber 
dadurch  zu  motivieren,  daß  ich  Euerer  pp.  Immediatbericht  in  seinen 
einzelnen  Punkten  kritisiere  und  nach  besten  Kräften  widerlege.  Ich 
bin  überzeugt,  daß  es  nicht  Euerer  pp.  Absicht  gewesen  ist,  diese  Si- 
tuation herbeizuführen,  aber  doch  in  der  Notwendigkeit,  Ihre  noch- 
malige Erwägung  über  die  Frage  zu  erbitten,  ob  ich  Ihren  Bericht 
Seiner  Majestät  dem  Kaiser  in  Verbindung  mit  meiner  abweichenden 
Überzeugung  vortragen  soll. 

Ich  zweifele  nicht  daran,  daß  die  gegenwärtige  Regierung  in  Frank- 
reich friedlich  gestimmt  ist  und  absichtlich  keine  Händel  mit  uns  suchen 
wird.  Daraus  aber  möchte  ich  doch  nicht  schließen,  daß,  wie  Euere  pp. 
anführen,  eine  durchaus  friedliche  Strömung  das  Land  durchweht.  Ich 
gebe  gern  zu,  daß  dem  französischen  Volk,  wie  jedem  anderen,  der 
Krieg  an  sich  als  ein  Übel  und  nicht  minder  der  Kriegsdienst  im  Frieden 
als  eine  Unannehmlichkeit  erscheint.  Es  ist  dies  aber  unter  dem  Kaiser- 
reich nicht  weniger  der  Fall  gewesen  wie  heute,  und  dennoch  hat  das- 
selbe trotz  seiner  Erklärung  „L'empire  c'est  la  paix"  den  Krimkrieg, 
den  italienischen,  den  chinesischen,  den  mexikanischen  und  den  deut- 
schen Krieg  in  ununterbrochener  Folge  geführt  und  geglaubt,  sich  damit 
im  Inlande  zu  befestigen.  Frankreichs  Pohtik  hat  jederzeit  unter  dem 
Impulse  einer  oft  auffällig  geringen,  aber  energischen  Minorität  ge- 
standen. Daß  die  Unterlage  für  die  Einwirkung  einer  solchen  auch  in 
diesem  Augenblicke  vorhanden  ist,  gibt  Euerer  pp.  Bericht  selbst  mit 
den  Worten  zu,  daß  „die  Niederlagen  nicht  verschmerzt  sind  und  der 
Haß  gegen  die  Deutschen  nicht  verschwunden  ist".  Daß  General  Bou- 
langer  seine  Sprache  geändert  hat,  beweist  noch  nicht,  daß  seine  Ge- 
sinnung und  seine  Pläne  andre  sind  wie  früher.  Es  ist  nicht  anzu- 
nehmen, daß  dieser  ehrgeizige  Kriegsminister  in  den  letzten  Wochen 
innerlich  ein  andrer  geworden  sei.  Es  ist  höchstens  zu  vermuten,  daß 
seit  einiger  Zeit  Gründe  eingetreten  oder  ihm  und  anderen  bekannt 
geworden  sind,  welche  den  Moment  zum  Losschlagen  noch  nicht  als 
einen  günstigen  erscheinen  lassen.  Welches  Gewicht  kann  die  von 
mir  nicht  angezweifelte  friedUche  Gesinnung  der  Mitglieder  der  gegen- 
wärtigen Regierung  für  uns  haben,  sobald  sie  aufhören  am  Ruder  zu 
sein.-^  und  wie  schnell  dies  der  Fall  sein  kann,  beweist  am  besten  die 
jüngste  Wendung  mit  Herrn  von  Freycinet  und  die  Beibehaltung  des 
Generals  Boulanger,  dessen  seitdem  geänderte  Sprache  ich  Jür  ebenso- 

164 


wenig  aufrichtig  halte,  wie  die  Verstimmung  von  Deroulede  und  Ge- 
nossen. 

Die  finanziellen  Kräfte  des  Landes  mögen  der  Erschöpfung  ent- 
gegengehen, aber  sie  sind  nicht  erschöpft;  das  beweist  die  Bereit- 
willigkeit der  Franzosen,  jede  Anleihe  zu  überzeichnen,  und  außerdem 
würde  die  Erschöpfung,  wenn  sie  einträte,  schwerlich  dazu  führen, 
durch  friedliebende  Sparsamkeit  einen  Ausweg  aus  der  Verlegenheit 
zu  suchen,  sondern  das  Räsonnement  viel  näher  liegen,  mit  welchem 
Graf  Larioche  1866  meine  letzten  friedlichen  Versuche  beantwortete: 
daß  Österreich  in  6  Wochen  entweder  einige  hundert  Millionen  preußi- 
scher Kontribution  oder  einen  anständigen  Vorwand  zum  Bankerott 
haben  müsse.  Daß  der  Anfang  des  Krieges  das  Ende  der  Republik 
sein  werde,  ist  möglich;  aber  die  Leidenschaften  sind  stärker,  als  die 
Berechnungen,  —  und  ebenso  möglich  ist,  daß  noch  vor  Ausbruch  des 
Krieges  eine  Militärdiktatur  eintreten  kann,  welche  ihre  Rechtfertigung 
und  ihre  Befestigung  in  den  Chancen  des  Krieges  sucht.  Ob  das  Ver- 
trauen des  Volkes  zur  Armee  groß  oder  gering  ist,  würde  eine  solche 
Regierung,  die  den  Krieg  braucht,  um  sich  zu  erhalten,  nicht  irre 
machen,  ich  würde  es  sogar  erklärlich  finden,  wenn  einsichtige  Fran- 
zosen den  Krieg  mit  uns  grade  um  deshalb  wünschten,  weil  sie  darin 
ein  Heilmittel  für  die  Zerfahrenheit  und  Zerrissenheit  ihrer  inneren  Zu- 
stände erblicken. 

Das  von  Euerer  pp.  angezweifelte  Vaterlandsgefühl  der  Franzosen 
würde,  sobald  Frankreich  im  Kriege  ist,  sich  zu  gleicher  Höhe  ent- 
wickeln, wie  bei  allen  analogen  Vorkommnissen  der  französischen  Ge- 
schichte. Ich  wünschte,  die  Überlegenheit  der  Deutschen  im  Vaterlands- 
gefühl, welche  Euere  pp.  entsprechend  Ihrer  eigenen  Gesinnung  bei 
Ihren  Landsleuten  voraussetzen,  bestände  in  Wahrheit;  dann  würden 
aber  Reichstagsmajoritäten,  wie  unsere   jetzigen,   nicht  möglich  sein. 

Die  Abneigung  gegen  den  Kriegsdienst  im  Frieden  möchte  ich  als 
Symptom  des  mangelnden  Patriotismus  bei  den  Franzosen  doch  nicht 
ansehen:  Die  Erscheinung,  daß  der  Rekrut  ungern  die  Heimat  ver- 
läßt, und  der  Soldat  sich  freut,  wenn  er  entlassen  wird,  wiederholt 
sich  im  Friedensdienst  in  allen  Ländern.  Die  Masse  der  refractaires  ist 
zu  keiner  Zeit  größer  gewesen  als  gegen  das  Ende  des  ersten  Kaiser- 
reiches, und  doch  hat  sich  nie  eine  Nation  hartnäckiger  geschlagen  und 
gewehrt,  als  die  Franzosen  von  1813  und  14. 

Daß  die  Idee  der  Revanche  bereits  verblasse,  halte  ich  für  einen 
Irrtum,  der  durch  friedliebende  Leute,  denen  es  wohl  geht,  durch  höf- 
liche Beamte  und  berechnete  Lügner  Euerer  pp.  gegenüber  bekräftigt 
werden  kann;  aber  aus  der  gesamten  französischen  Presse  läßt  sich 
nicht  entnehmen,  daß  Zeitungen  Aussicht  hätten,  ihre  Abonnenten  zu 
behalten,  wenn  sie  ihre  Spalten  der  Empfehlung  der  Freundschaft  mit 
uns  und  der  Bekämpfung  des  Chauvinismus  aufrichtig  widmen  wollten. 

Nach  meiner  vorstehend  dargelegten   Überzeugung  bin  ich  nicht 

165 


imstande,  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  die  Auffassung,  welche  Euerer  pp. 
Immediatbericht  vom  30.  v.  Mts.  zugrunde  liegt,  als  eine  zutreffende  zu 
bezeichnen,  und  befinde  mich  in  der  Notwendigkeit,  ihr  mit  der  vollen 
Überzeugung,  die  ich  aus  meiner  Verantwortlichkeit  für  die  aller- 
höchstenorts  zu  treffenden  Entschließungen  schöpfe,  entgegenzutreten. 
Euere  pp.  wollen  mich  daher  mit  Nachricht  versehen,  ob  Sie  die 
Vorlage  Ihres  Berichtes  bei  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  dennoch  wün- 
schen*. Ich  habe  zwar  als  verantwortlicher  Minister  keine  Verpflich- 
tung, bei  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  Auffassungen,  die  den  meinigen 
entgegenstehn,  innerhalb  meines  Ressorts  zum  Vortrage  zu  bringen; 
ich  würde  mich  aber  nicht  entschheßen,  Seiner  Majestät  ein  direktes 
Schreiben   Ew.  pp.   ohne   Ihre  Zustimmung  vorzuenthalten. 

V.  Bismarck 

Nr.  1242 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Geschäftsträger 
in  Paris  Grafen  von  Leyden 

Konzept 
Nr.  24  Berlin,  den  22.  Januar  1887 

Geheim  [abgegangen  am  23.  Januar] 

Ew.  pp.  erhalten  beifolgend  als  Bestärkung  der  durch  die  Zei- 
tungen bereits  bekannten  Nachrichten**  ein  Schreiben  des  Ministers May- 
bach***  vom  18.  und  zwei  Berichte  von  reichsländischen  Oberförstern 
vom  5.  resp.  9.  d.  Mts.,  alle  auf  französische  Holzankäufe  bezüglich. 
Es  steht  hiernach  fest,  daß  seitens  französischer  Händler  außergewöhn- 
liche Massen  von  Brettern  mit  kurzer  Lieferungsfrist  bestellt  worden 
sind.  Dagegen  besteht  noch  keine  Gewißheit  hinsichtlich  der  Angabe, 
daß  jene  Bestellungen  im  Auftrage  der  französischen  Regierung  erfolgt 
seien,  und  daß  an  unsrer  Grenze  eine  Truppenkonzentration  von 
solcher  Stärke  beabsichtigt  wird,  daß  sie  in  den  vorhandenen  Räum- 
lichkeiten nicht  untergebracht  werden  kann. 

Ferner  geht  uns  von  beachtenswerter  Seite  die  Mitteilung  zu,  daß 
in  Deutschland  sehr  bedeutende  Bestellungen  der  zur  Herstellung  ,von 
MeUnit  erforderlichen  Pikrinsäure  gemacht  worden  sind.  Wegen  der 
beschränkten  Verwendbarkeit  des  Stoffes  würde  der  Beweis,  daß  die 
französische  Regierung  mit  den  Bestellungen  in  Zusammenhang  ist, 
in  diesem  Falle  vielleicht  noch  eher  als  bei  den  Bretterbestellungen  für 
erbracht  zu  erachten  sein. 


*  Graf   Münster  verzichtete,   laut    Privatbrief   an    Fürst   Bismarck  vom   6.  Januar, 
auf  die  Vorlage  seines  Immediatberichtes. 

**  U.  a.  hatte  das   „Berliner  Tageblatt"   am   18.  Januar  gemeldet,  daß  Frankreich 
zum  Frühjahr  bedeutende  Truppenmassen  an  seiner  östlichen  Grenze  zusammen- 
zuziehen  gedenke    und   deshalb  in   der  Gegend   von   St.   Die  und   Nancy  große 
Barackenbauten  plane. 
***  Preußischer  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten. 

166 


Ew.  pp.  ersuche  ich,  in  Verbindung  mit  den  Herrn  Militärattaches 
zu  prüfen,  ob  und  welche  Anzeichen  dafür  sprechen,  daß  die  Holz- 
und  Pikrinbestellungen  von  der  französischen   Regierung  ausgehen. 

Die  Kaiserliche  Regierung  ist  mit  der  Erwägung  beschäftigt,  ob 
es  sich  empfiehlt,  die  französische  Regierung  auf  das  Bedenkliche  von 
Maßnahmen  aufmerksam  zu  machen,  welche  geeignet  sind,  die  Völker 
über  den  bei  beiden  Regierungen  unzweifelhaft  vorhandenen  Wunsch 
nach  Erhaltung  des  Friedens  irrezuleiten. 

Zunächst  wollen  Ew.  pp.  jedoch  bei  Ihren  Erkundigungen  jeden 
amtlichen  oder  selbst  nur  auffälligen  Schritt  vermeiden. 

v.  Bismarck 

Nr.  1243 

Der  Geschäftsträger  in  Paris  Graf  von  Leyden  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  34  Paris,  den  27.  Januar  1887 

In  vorläufiger  Erledigung  des  hohen  Erlasses  vom  22.  d.  Mts.  Nr.  24*, 
die  französischen  Holzankäufe  und  Bestellungen  von  Pikrinsäure  be- 
treffend, beehre  ich  mich.  Euerer  Durchlaucht  einen  Artikel  des  „Figaro" 
vom  6.  d.  Mts.,  „La  Melinite",  beifolgend  gehorsamst  zu  überreichen, 
in  welchem  zugegeben  wird,  daß  die  bezüglichen  Ankäufe  von  Schwefel- 
äther in  Deutschland  stattgefunden  haben.  Einen  Artikel  der  ,,France" 
aus  derselben  Zeit,  in  welchem,  der  Gewohnheit  dieses  Blattes  zufolge, 
die  Bevorzugung  der  fremden  Industrie  in  dieser  Sache  gerügt  wird, 
habe  ich  mir  nicht  mehr  verschaffen  können. 

Was  die  Bretterbestellungen  betrifft,  so  wird,  nachdem  die  Ent- 
hüllungen deutscher  Blätter  die  hiesige  Aufmerksamkeit  auf  die  Sache 
gelenkt  haben,  in  dem  beifolgenden  Ausschnitte  aus  dem  heutigen 
„Temps"  in  offiziöser  Form  zugegeben,  daß  in  fast  allen  Qarnison- 
städteni  Baracken  für  die  Unterbringung  der  Reservisten  und  der  Leute 
der  Territorialarmee  errichtet  werden  sollen.  Es  wird  hinzugefügt, 
daß  im  Zusammenhange  damit  Truppenkonzentrationen  an  der  Ost- 
grenze nicht  beabsichtigt  seien.  Eine  noch  unbestätigte  Nachricht  lautet 
ferner  dahin,  daß  ein  Teil  der  projektierten  Barackenbauten  zur  Er- 
weiterung gewisser  Bahnhöfe  bestimmt  sei,  welche  sich  zu  Manöver- 
zeiten 2  für  den  Truppenverkehr  als  zu  klein  erwiesen  hätten.  Endlich 
erwähne  ich  gehorsamst  einer  ebenfalls  noch  unerwiesenen  Angabe, 
daß  nämlich  ein  großer  Teil  der  in  Deutschland  bestellten  Bretter  vom 
Ausstellungskomitee  für  1889  angekauft  werde,  dessen  Arbeiten  dem- 
nächst mit  der  Umfriedung  des  Platzes  beginnen  sollen.  Über  letzteren 
Punkt  hoffe  ich  in  ein  paar  Tagen  Aufklärung  erhalten  zu  haben  3. 


*  Siehe  Nr.  1242. 

167 


Die  beiden  Herren  Militärattaches,  welche  der  Angelegenheit  gegen- 
wärtig ihre  ernste  Aufmerksamkeit  zuwenden,  befinden  sich  heute  noch 
nicht  in  der  Lage,  Euerer  Durchlaucht  über  das  Resultat  ihrer  Er- 
kundigungen gehorsamst  berichten  zu  können*. 

GrafLeyden 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Das  ist  nicht  wahr;  nur  an  der  Gränze 

2  an  der  Gränze? 

3  Lieferungsprämie  von   100  frfanjcs   pro  Tag  vor  u[nd]  Strafen   von   1000  pro 
Tag  nach  dem  15.  März  87.  alles  Schwindel. 


Nr.  1244 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Nr.  65  Berlin,  den  31.  Januar  1887 

Antwort  auf  Bericht  Nr.  48  vom  23.  Januar. 

Wie  der  Herr  Reichskanzler  es  in  seiner  großen  Reichstagsrede** 
deutlich  ausgesprochen  hat,  beabsichtigen  wir  nicht,  den  Krieg  mit 
Frankreich  unsererseits  zu  beginnen  oder  zu  provozieren.  Bis  zu  An- 
fang vorigen  Jahres  haben  wir  auch  nicht  befürchtet,  daß  dies  von 
Frankreich   aus   geschehen   würde.    Seitdem   aber  General    Boulanger 


*  Am  2.  Februar  übersandte  Botschafter  Graf  Münster  des  weiteren  ein  Com- 
munique  des  Kriegsministers  Boulanger,  wonach  die  erwähnten  Barackenbauten  sich 
infolge  des  gesundheitsschädlichen  Zustandes  der  Kasematten  in  den  neuerrich- 
teten Forts  an  der  Ostgrenze  als  notwendig  erwiesen  hätten.  Schon  vorher  hatte 
die  französische  Regierung  Gelegenheit  genommen,  durch  den  französischen  Bot- 
schafter dem  Fürsten  Bismarck  unter  lebhaften  Friedensbeteuerungen  Aufklärungen 
über  die  Holzankäufe  zu  erteilen,  welche  Kriegsminister  Boulanger  angeordnet 
hatte,  ohne  den  französischen  Ministerrat  davon  in  Kenntnis  zu  setzen!  G.  Pages, 
L'Hegemonie  allemande  im  Rapport  de  la  Commission  d'Enquete  sur  les  faits  de 
la  Guerre  Vol.  I  (1919)  p.  226.  Deutscherseits  gab  man  sich  mit  diesen  Auf- 
klärungen zufrieden. 

**  Gemeint  ist  die  große  Reichstagsrede  des  Fürsten  von  Bismarck  zur  Militär- 
vorlage vom  11.  Januar  1887,  in  der  er  sich  ausführlich  über  die  deutsch-franzö- 
sischen Beziehungen  ausließ.  Mit  aller  Entschiedenheit  betonte  der  Kanzler  bei 
diesem  Anlaß:  „Wir  werden  Frankreich  nicht  angreifen,  unter  keinen  Umständen". 
Auch  erklärte  er,  festes  Vertrauen  zu  den  friedlichen  Gesinnungen  der  gegen- 
wärtigen französischen  Regierung  zu  haben.  Aber  Fürst  Bismarck  bekannte  sich 
doch  zu  der  Ansicht,  „daß  der  historische  Prozeß,  der  seit  drei  Jahrhunderten 
zwischen  uns  und  Frankreich  schwebt,  nicht  beendigt  ist,  und  daß  wir  darauf 
vorbereitet  sein  müssen,  ihn  von  französischer  Seite  fortgesetzt  zu  sehen."  Ja, 
Fürst  Bismarck  sprach  es  offen  aus:  „Nach  meiner  Überzeugung  haben  wir  einen 
Krieg  zu  fürchten  durch  den  Angriff  Frankreichs,  ob  in  10  Tagen  oder  in  10  Jahren, 
das  ist  eine   Frage,  die  ich   nicht  entscheiden  kann,  das  hängt  ganz  ab  von  der 

168 


mehr  in  den  Vordergrund  getreten  ist,  trauen  wir  dem  Frieden  nicht 
mehr,  sondern  glauben,  daß  Boulanger,  wenn  er  vielleicht  früher,  als 
ihm  lieb  wäre,  sei  es  als  Präsident  der  .Republik,  sei  es  als  Conseils- 
präsident,  an  die  Spitze  der  Geschäfte  gelangen  sollte,  zum  Kriege 
gezwungen  sein  würde,  um  sein  Prestige  zu  retten  und  die  Gefahr 
der  Lächerlichkeit  zu  vermeiden. 

H.  Bismarck 

Nr.  1245 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler  Fürsten 

von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  36  Paris,  den  2.  Februar  1887 

Bei  meiner  Rückkehr  habe  ich  die  Stimmung  insofern  verändert 
gefunden,  als  sie  eine  ängstlichere  und  gedrücktere  geworden  ist,  und 
man  die  Möglichkeit  eines  baldigen  Krieges  mehr  vor  Augen  hat. 

Die  leitenden  Kreise  wollen  nach  wie  vor  den  Krieg  nicht,  und 
im  ganzen  bewahrten  Presse  und  Pariser  Publikum  bisher  eine  ziem- 
liche Ruhe.  Die  Nachrichten  über  militärische  Maßregeln  und  die 
Haltung  eines  Teils  der  deutschen  Presse,  das  Weichen  der  Kurse  und 
der  schlechte  Stand  der  Börse  fangen  aber  jetzt  an,  sehr  zu  beunruhigen. 
Ich  sah  diesen  Morgen  Herrn  von  Freycinet,  der  mir  über  die 
allgemeine  Besorgnis  und  Beunruhigung  sprach,  dabei  aber  entschieden 
betonte,  daß  er  doch  noch  fest  hoffe  und  glaube,  daß  der  Krieg  ver- 
mieden werden  könne.  Er  sagte,  er  habe  gestern  ein  vertrauliches 
Schreiben  des  Herrn  Herbette  erhalten.  Der  Botschafter  habe  sich  sehr 
anerkennend  und  befriedigt  über  sein  Gespräch  mit  Euerer  Durch- 
laucht* geäußert  und  seine  Überzeugung,  daß  der  Friede  erhalten 
bleiben  werde,  bestimmt  ausgesprochen. 


Dauer  der  Regierung,  die  gerade  in  Frankreich  ist.  —  Es  ist  an  jedem  Tage  mög- 
lich, daß  eine  französische  Regierung  ans  Ruder  kommt,  deren  ganze  Politik 
darauf  berechnet  ist,  von  dem  feu  sacre  zu  leben,  das  jetzt  so  sorgfältig  unter 
der  Asche  unterhalten  wird.  Darüber  können  mich  auch  keine  friedlichen  Ver- 
sicherungen, keine  Reden  und  Redensarten  vollständig  beruhigen".  In  Paris  nahm 
man  die  Rede  Bismarcks,  die  so  deutlich  den  festen  Entschluß  bekundete,  unter 
keinen  Umständen  Frankreich  anzugreifen,  gut  auf;  vgl.  die  Äußerungen  des 
französischen  JWinisters  des  Auswärtigen  Flourens  vom  14.  Januar  1887  bei  George 
Pagfes,  L'Hegemonie  allemande,  im  Rapport  de  la  Commission  d'Enquete  sur  les 
faits  de  la  Guerre  Vol.  I  (1Q19),  p.  225. 

*  Nach  dem  Berichte  Herbettes  über  diese  Unterredung  (Rapport  de  la  Commission 
d'Enquete  sur  les  faits  de  la  Guerre  Vol.  I  [191Q1,  p.  227),  hätte  Bismarck  in  ihr 
von  neuem  zu  wiederholten  Malen  erklärt,  „que  l'Allemagne  desirait  la  paix  et 
n'attaquerait  pas".  Aber  er  hätte  hinzugefügt:  „Ce  que  j'apprehends,  c'est  l'avenc- 
ment  comme  President  du  Conseil  ou  comme  President  de  la  Republique  du 
General  Boulanger.    Dans  ce  cas,  ce  serait  la  guerre  ä  breve  echeance". 

169 


Herr  von  Freycinet  brachte  darauf  selbst  das  Gespräch  auf  General 
Boulanger,  indem  er  alles  das,  was  in  der  letzten  Zeit  über  Äußerungen, 
die  er  über  den  General  und  die  Rede  Euerer  Durchlaucht  gemacht 
haben  sollte,  als  tendenziöse  Lügen  bezeichnete. 

Er  erkannte  an,  daß  diese  Persönlichkeit  eine  Gefahr  sei,  und  be- 
dauerte, daß  durch  die  Wichtigkeit,  die  ihm  von  der  deutschen  und 
einem  Teil  der  französischen  Presse  beigelegt  vk^urde,  es  schwieriger 
geworden  sei,  ihn  loszuwerden. 

General  Boulanger  wolle  entschieden  den  Krieg  nicht,  er  könne  es 
aber  nicht  lassen,  alles,  was  er  tue,  als  Reklame  für  sich  zu  benutzen. 
Er  könne  nur  bei  der  nächsten  Ministerkrisis  beseitigt  werden,  und 
die  stehe,  nachdem  das  Budget  so  gut  als  angenommen  sei,  für  den 
Augenblick  noch  nicht  in  Aussicht,  pp. 

Münster 

Nr.  1246 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  66  Wien,  den  4.  Februar  1887 

Ganz  vertraulich 

Gestern  abend  auf  einem  Balle,  bei  welchem  der  ganze  kaiserlich 
österreichische  Hof  anwesend  war,  hat  mich  der  Kaiser  Franz  Joseph 
mit  der  Frage  angeredet:  Sagen  Sie  mir,  wollen  Sie  wirkHch  den  Krieg 
mit  Frankreich? 

Ich  habe  Seiner  Majestät  nach  Maßgabe  meiner  Instruktionen*  ge- 
antwortet und  gesagt,  daß  wir  weder  beabsichtigten,  diesen  Krieg  zu 
beginnen,  noch  ihn  zu  provozieren.  Ich  habe  aber  entwickelt,  daß  wir 
dem  Frieden  auf  Grund  dessen,  was  in  Frankreich  vorginge,  nicht  mehr 
trauen  könnten. 

Seine  Majestät  schienen  offenbar  anzunehmen,  daß  wir  den  Krieg 
nicht  würden  vermeiden  können,  und  fragten  mich,  diese  Idee  weiter 
verfolgend,  ob  wir  Rußlands  in  diesem  Fall  ganz  sicher  wären?  Ich 
habe  geantwortet,  daß  ich  dies  glaubte,  aber  hinzugesetzt,  ich  könnte 
nur  das  wiederholen,  was  ich  seinem  Minister  im  Laufe  der  letzten 
Monate  öfters  gesagt  hätte,  daß  nämlich,  angesichts  der  uns  drohenden 
Kriegsgefahr,  auf  welche  Euere  Durchlaucht  stets  aufmerksam  ge- 
macht hätten,  wir  dringend  wünschen  müßten,  daß  von  Seiten  unseres 
hohen  Verbündeten  nichts  getan  würde,  um  eine  gleiche  Kriegsgefahr 
im  Osten  heraufzubeschwören,  weil  dadurch  die  Weltlage  sich  nur  noch 
ungünstiger  gestalten  würde,  pp. 
H.  VII.  P.  Reuß 

*  Vgl.  Nr.  1236. 
170 


Nr.  1247 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Nr.  82  Berlin,  den  8.  Februar  1887 

Vertraulich 

pp.  Was  die  Äußerungen  des  Kaisers  Franz  Joseph  über  die 
deutsch-französischen  Beziehungen*  anbelangt,  so  bemerke  ich  er- 
gebenst,  daß  die  Franzosen  nicht  nur  durch  die  öffentlichen  Reden  des 
Herrn  Reichskanzlers,  sondern  auch  auf  anderem  Wege  auf  das  be- 
stimmteste davon  unterrichtet  sind,  daß  wir  nicht  beabsichtigen,  den 
Krieg  mit  Frankreich  zu  beginnen  oder  zu  provozieren.  Eine  wirkliche 
Beunruhigung  vor  einem  Angriffe  Deutschlands  kann  also  nicht  wohl 
vorhanden  sein**.  Wenn  man  sich  dennoch  in  Frankreich  den  An- 
schein einer  solchen  gibt,  so  geschieht  das  nur  in  der  Absicht,  daraus 
den  Vorwand  zu  gesteigerten  Rüstungen  für  den  französischen  Anfall 
auf  Deutschland  zu  nehmen.  Sollte  es  zum  Kriege  zwischen  beiden 
Ländern  kommen,  so  glauben  wir  nicht,  daß  Rußland  gemeinsame  Sache 
mit  Frankreich  machen  werde;  die  Haltung  Rußlands  würde  aber 
schwerUch  eine  solche  sein,  daß  wir  in  der  Lage  wären,  unsere  ganze 
Kraft  wie  im  Jahre  1870  gegen  Frankreich  zu  verwenden  und  dieselbe 
bis  zur  vollständigen  Niederwerfung  unseres  Gegners  auszunutzen. 

H.  Bismarck 


Nr.  1248 
Aufzeichnung  des  Militärattaches  in  Wien  Grafen  von  Wedel 

Eigenhändig.    Vom  Grafen  von  Wedel  am  8.  Februar  mit  Privatbrief  dem  Staats- 
sekretär Grafen  von  Bismarck  übersandt 

Wien,  den  1.  Februar  1887 

Graf  Kälnoky  glaubt  an  einen  Krieg  zwischen  uns  und  Frankreich, 

er  glaubt  auch,  daß  derselbe  von  militärischer  Seite  i  gewünscht  wird, 

weil  man   ihn   auf  die  Dauer  für  unvermeidlich  halte   und  daher  die 

gerade  jetzt  für  uns  günstigen  Chancen  benutzen  möchte.    Daß  Fürst 


*  Vgl.  Nr.  1246. 

**  Tatsächlicii  hat  sich  eine  solche  Beunruhigung  in  Frankreich  geltend  gemacht. 
Sie  fand  vor  allem  in  dem  Umstand  Nahrung,  daß  durch  Kaiserlichen  Erlaß  vom 
S.Februar  73000  Reservisten  auf  den  T.Februar  zu  einer  zwölf tägigen  Übung 
mit  dem  neuen  Magazingewehr  einberufen  wurden.  Der  Schriftwechsel  zwischen 
dem  französischen  Außenminister  Flourens  und  dem  Botschafter  Herbette  aus 
diesen  Tagen  (mitgeteilt  von  G.  Pages  im  Rapport  de  la  Commission  d' Enquete 
sur  le  faits  de  la  Guerre  Vol.  I  I1Q191,  p.  228  f.)  zeigt,  daß  sich  die  französischen 
Staatsmänner   wirklich    in   einem  Zustande   nervöser   Aufregung   befanden. 

171 


Bismarck  den  Krieg  nicht  wolle,  betont  Oraf  Kälnoky  übrigens  auf 
das  bestimmteste.  Er  hält  es  für  unzweckmäßig,  daß  die  deutsche 
Presse  Boulangers  Bedeutung  erhöht  2  und  gerade  dadurch  dessen  Sturz 
nur  unwahrscheinlicher  macht.  Der  Glaube  an  den  Ausbruch  eines 
Krieges  sei  in  fortwährendem  Steigen  begriffen,  und  man  müsse  fürch- 
ten, daß  dieser  Glaube,  in  Verbindung  mit  den  zunehmenden  Rüstungen 
schHeßHch  in  den   Krieg  hineintreiben   würde,  pp. 

Bei  Erwähnung  eines  Krieges  zwischen  Deutschland  und  Frank- 
reich, der  zweifellos  zu  unseren  Gunsten  ausfallen  würde,  äußerte  Graf 
Kälnoky  auch  noch,  daß  Rußland  seiner  Überzeugung  nach  ein  völliges 
Niederwerfen  Frankreichs  niemals  zugeben,  sich  vielmehr  auf  denselben 
Standpunkt  stellen  werde,  welchen  Deutschland  und  Österreich  in 
ihren  Beziehungen  zueinander  verträten,  den  nämlich,  daß  eine  Schä- 
digung Frankreichs  als  Großmacht  nicht  Platz  greifen  dürfe,  pp. 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck; 
1  Wer? 
2  ?  sie  ist  vorhanden  u[nd]  läßt  sich  nicht  todtschweigen 


Nr.  1249 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VIL  Reuß 

Konzept 

Nr.  95  Berlin,  den  16.  Februar  1887 

Der  Herr  Reichskanzler  hat  Ew.  gefälligen  Bericht  Nr.  69  vom 
4.  er.*  mit  Interesse  gelesen  und  es  als  vollkommen  korrekt  bezeichnet, 
daß  Ew.  Ihrem  russischen  Kollegen  erklärt  haben,  wir  würden  einen 
Krieg  niemals  aus  dem  Grunde  führen,  weil  es  früher  oder  später 
wahrscheinlich  doch  zu  einem  solchen  kommen  würde.  Niemand  kann 
der  göttlichen  Vorsehung  so  weit  vorgreifen,  um  dies  mit  unbedingter 
Sicherheit  behaupten  zu  können,  denn  es  können  sich  im  Laufe  der 
Zeiten  allerhand  unberechenbare  Vorfälle  ereignen,  welche  den  Aus- 
bruch eines  französisch-deutschen  Krieges  verhindern.  Ich  erinnere  nur 
an   die  Zeit  von   1815—1870,  in   der  wir  mit   Frankreich   in  ununter- 


*  In  seinem  Bericht  vom  4.  Februar  1887  hatte  Botschafter  Prinz  Reuß  Äuße- 
rungen seines  russischen  Kollegen  Fürsten  Lobanow  über  das  deutsch-französische 
Verhältnis  wiedergegeben.  Danach  sah  Fürst  Lobanow  den  Krieg  zwischen  Deutsch- 
land und  Frankreich  als  unvermeidlich  an  und  hielt  es  im  Interesse  Deutschlands 
für  angezeigt,  diese  beklagenswerte  Notwendigkeit  nicht  hinauszuschieben,  obwohl 
Deutschland  eigentlich  bei  einem  Kriege  kaum  etwas  gewinnen  könnte.  Die 
Wahrscheinlichkeit  eines  Krieges,  trotz  der  Friedensbeteuerungen  der  französischen 
Regierung,  leitete  Fürst  Lobanow  daraus  ab,  daß  kein  Franzose  den  Frieden  von 
1871  anerkenne,  jeder  ihn  nur  als  einen  Waffenstillstand  betrachte,  der  zu  kündigen 
sein  würde,  sobald  man  sich  stark  genug  fühlen  werde,  um  Deutschland  die  ver- 
lorenen Provinzen  wieder  abzujagen. 

172 


brochenem  Frieden  gelebt  haben,  obgleich  das  Verlangen  nach  re- 
vanche  pour  Waterloo  im  Anfange  und  während  der  Mitte  dieser  Zeit- 
periode gewiß  ein  sehr  lebendiges  war.  Es  ist  ferner  eine  geschicht- 
liche Tatsache,  daß  die  Beziehungen  zwischen  Frankreich  und  dem  uns 
bei  Waterloo  verbündeten  England  unter  der  ganzen  Regierung  Louis 
PhiHpps  so  gespannte  waren,  daß  man  während  der  Dauer  derselben 
in  jedem  Jahre  einem  Kriege  zwischen  den  beiden  genannten  Mächten 
entgegensah.  Trotzdem  ist  es  nicht  zu  einem  solchen  gekommen,  son- 
dern die  Wechselfälle  der  Politik  haben  Frankreich  und  England  sogar 
zu  der  entente  cordiale  der  50  er  Jahre  geführt. 

Es  ist  allerdings  richtig,  daß  die  Zeiten,  in  denen  Frankreich  mit 
seinen  Nachbarn  in  Frieden  gelebt  hat,  seit  der  Konsolidierung  des 
französischen  Nationalstaats  stets  von  kurzer  Dauer  gewesen  sind. 
Seit  der  Thronbesteigung  des  Kaisers  Karl  V.  ist  eine  längere  Friedens- 
pause allein  für  diejenigen  80  Jahre  zu  rubrizieren,  welche  durch 
die  französischen  Religions-  und  Bürgerkriege  ausgefüllt  waren.  Nach- 
dem die  letzteren  durch  den  Kardinal  Richelieu  beendet  waren,  hat 
Frankreich  aber  seit  seiner  Einmischung  in  den  30  jährigen  Krieg  so  oft 
mit  Deutschland  Händel  gesucht,  daß  die  Zeit  der  Kriegsjahre  von 
1633 — 1815  über  ein  Drittel  dieser  gesamten  Periode  ausfüllt.  Nach 
der  geschichtlichen  Erfahrung  kann  man  also  wohl  in  dem  Sinne  mit 
einer  gewissen  Berechtigung  von  der  Unvermeidlichkeit  der  steten 
Wiederkehr  französisch-deutscher  Konflikte  sprechen,  daß  alle  paar 
Dezennien  es  zum  Kriege  zwischen  Frankreich  und  Deutschland  ge- 
kommen ist. 

Ich  will  dem  Fürsten  Lobanow  darin  gern  recht  geben,  daß  die 
jetzige  französische  Regierung  einen  Angriff  auf  Deutschland  nicht 
beabsichtigt;  die  Bewahrung  des  Friedens  liegt  zu  sehr  im  Interesse 
der  momentan  an  der  Regierung  befindlichen  zivilistischen  Elemente, 
als  daß  sie  denselben  preisgeben  sollten.  Die  Herren  Grevy,  Goblet, 
Flourens  etc.  wissen  genau,  daß  es  mit  ihrer  Herrschaft  zu  Ende  ist, 
sobald  der  Kriegszustand  proklamiert  wird,  und  daß  sie,  wie  der 
Krieg  auch  enden  möge,  keine  Aussicht  haben,  wieder  zur  Regierung 
zu  kommen,  sobald  ein  General  das  Oberkommando  in  die  Hand  ge- 
nommen hat. 

Leider  hat  der  russische  Botschafter  aber  auch  vollkommen  recht, 
wenn  er  sagt,  daß  kein  Franzose  den  Frankfurter  Frieden  anerkenne, 
und  in  dieser  Tatsache  liegt  eben  die  Gefahr  für  den  Fall,  daß  eine  ent- 
schlossene militärische  Clique  in  Paris  das  Heft  in  die  Hand  nimmt. 

Bezüglich  der  übrigen  Bemerkungen  des  Fürsten  Lobanow  ver- 
weise ich  auf  die  bezüghche  Reichstagsrede  des  Fürsten  Bismarck'', 
in  welcher  er  erklärt  hat,  daß  die  Franzosen  garnichts  besäßen,  was 
irgendeinen  Reiz  für  uns  haben  könnte;  ich  kann  deshalb  und  aus  den 


♦  Vom  11.  Januar  1887;  vgl.   Nr.  1244,  Fußnote  **. 

173 


oben  genannten  Gründen  seiner  Ansicht,  daß  es  eine  richtige  Politik 
sein  würde,  wenn  wir  Frankreich  jetzt  mit  Krieg  überzögen,  auch  nicht 
beipflichten:  Der  Krieg  bleibt  immer  ein  großes  Übel,  selbst  für  den 
siegenden  Teil. 

Die  Äußerung  Ihres  französischen  Kollegen,  daß  seine  Regierung 
von  Berlin  gerade  in  letzter  Zeit  die  beruhigendsten  Versicherungen  er- 
halten hätte,  ist  vollkommen  richtig:  es  ist  darauf  aber  zu  bemerken, 
daß  der  Kaiserlichen  Regierung  von  der  seinigen  solche  Versicherungen 
nicht  gemacht  worden  sind. 

H.  Bismarck 

Nr.  1250 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Militärattache  in  Wien  Grafen  von  Wedel 

Konzept 

Beriin,  den  16.  Februar  1887 

Ew.  gefälliges  Schreiben  vom  8.  d.  Mts.  habe  ich  nebst  Anlagen 
mit  verbindlichstem  Danke  erhalten  und  dem  Herrn  Reichskanzler  vor- 
gelegt. Derselbe  hat  mich  beauftragt,  Ihnen  auf  die  vom  1.  d.  Mts.  da- 
tierten Aufzeichnungen  über  ein  Gespräch  mit  dem  Grafen  Kälnoky* 
Nachstehendes  zu  erwidern. 

Der  Glaube  des  Grafen  Kälnoky,  daß  ein  Krieg  zwischen  uns 
und  Frankreich  von  militärischer  Seite  gewünscht  werde,  hat  inso- 
fern keine  für  uns  greifbare  Basis,  als  nicht  ersichtlich  ist,  welche  Per- 
sönlichkeiten der  Graf  hierbei  im  Auge  hat:  das  Militärische  wird  bei 
uns  in  erster  Linie  durch  Seine  Majestät  den  Kaiser  repräsentiert,  und 
dieser  sowohl  wie  der  Kronprinz  sind  allen  kriegerischen  Unterneh- 
mungen abgeneigt. 

Daß  Boulangers  Bedeutung  durch  die  deutsche  Presse  erhöht 
werde,  kann  ich  nicht  zugeben:  diese  Bedeutung  ist  vorhanden  und 
läßt  sich  nicht  totschweigen.  Der  französische  Kriegsminister  hat  es 
auch  nach  der  Meinung  seiner  urteilsfähigen  Landsleute  verstanden,  sich 
eine  Popularität  in  Frankreich  zu  erwerben,  wie  niemand  sie  dort  in 
den  letzten  20  Jahren  besessen  hat.  Er  ist  seinen  Kollegen  über  den 
Kopf  gewachsen,  und  da  niemand  voraussehen  kann,  wie  schnell  er 
an  die  Spitze  der  Geschäfte  treten  wird,  so  würde  es  dem  Einwiegen  in 
eine  falsche  Sicherheit  gleichbedeutend  sein,  wenn  man  versuchen  wollte, 
den  populärsten  frahzösischen  General  zu  ignorieren,  welcher  jederzeit 
in  der  Lage  ist,  durch  den  Appell  an  den  Chauvinismus  und  die  Eitelkeit 
seiner  Landsleute   dieselben   zum   Kriege  fortzureißen,  pp. 

H.  Bismarck 

*  Siehe  Nr.  1248. 
174 


Nr.  1251 

Der  stellvertretende  Chef  des  Generalstabes  General quartiermeister 
Graf  von  Waldersee  an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Berlin,  den  20.  Februar  1887 

Euer  Durchlaucht  verfehle  ich  nicht,  von  nachstehenden,  in  den 
letzten  Tagen  zu  meiner  Kenntnis  gekommenen  Nachrichten  über  Kriegs- 
vorbereitungen in  Frankreich  gehorsamst  zu  berichten. 

1.  Auf  der  Ost-  und  Nordbahn  w^ird  rollendes  Material  an  einzelnen 
Punkten  zu  größeren   Parks  vereinigt. 

2.  Seit  einigen  Tagen  wird  die  Überführung  von  französischen 
Güterwagen  nach  dem  Reichslande  auffallend  beschränkt;  namentlich 
werden  Wagen  guter  Qualität  zurückgehalten. 

Diese  Nachricht  kann  mit  der  ad  1  wohl  im  Zusammenhange 
stehen. 

3.  Auf  2  nach  Toul  und  Nancy  führende  Bahnen  wird  je  eine  Lade- 
rampe für  ganze  Militärzüge  hergestellt,  eine  Maßregel,  die  um  so 
auffallender  ist,  als  im  französischen  Aufmarschterrain  derartige  Rampen 
in  großer  Zahl  bereits  vorhanden  sind;  die  volle  Bedeutung  dieser  An- 
lage kann  ich  erst  beurteilen,  wenn  ich  deren  genaue  Lage  erfahren 
haben  werde. 

4.  Bei  Beifort  haben  Abholzungen  der  Glacis  begonnen,  Arbeiten, 
die  man  bis  zum  letzten  Augenblick  zu  verschieben  pflegt;  über  den 
Umfang  derselben,  und  ob  sie  auch  auf  andere  Festungen  oder  Forts 
ausgedehnt  sind,  ist  mir  noch  nichts  bekannt. 

5.  Munitionstransporte  in  für  den  Frieden  ungewöhnlicher  Größe 
sind  nach  den  Festungen  der  Ostgrenze  beobachtet  worden. 

Ich  halte  diese  Nachrichten  sämtlich  für  beachtenswert;  sie  geben 
den  Eindruck,  daß  man  in  Frankreich  den  Ausbruch  des  Krieges  für 
nahe  hält. 

Daß  die  Maßregeln  der  Furcht  vor  einem  überraschenden  Los- 
schlagen unsrerseits  entsprungen  sein  können,  ist  aber  sehr  wohl 
möglich. 

Besondere  Beachtung  würde  es  verdienen,  wenn  der  Baracken- 
bau plötzlich  sistiert  sein  sollte,  wie  von  2  Holzlieferanten  ange- 
geben wird. 

Die  Baracken  konnten  nach  Lage  und  Umfang  und  Solidität  der 
Bauart  nur  den  Zweck  haben,  eine  ansehnliche  Truppenzahl  aus  dem 
Innern  des  Landes  näher  an  unserer  Grenze  für  längere  Zeit  unter- 
zubringen, der  Kriegführung  selbst  können  sie  nicht  dienen;  wird  der 
Bau  eingestellt,  so  ist  die  Annahme  immerhin  zulässig,  daß  man  den 
Ausbruch  des  Krieges  für  nahe  hält.         Der  General-Quartiermeister 

G f.  Waldersee 

175 


Nr.  1252 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler  Fürsten 

von  Bismarck 

Ausfertigung 
fsjr  58  Paris,  den  23.  Februar  1887 

Am  vorigen  Sonnabend  sollen  ziemlich  heftige  Verhandlungen  zwi- 
schen General  Boulanger  und  seinen  Kollegen  im  Ministerrate,  dem 
Präsident  Orevy  präsidierte,  stattgefunden  haben.  Es  wird  das  strengste 
Geheimnis  bewahrt  und  ist  nichts  darüber  in  die  Presse  gedrungen. 

General  Boulanger  verlangte  nämlich  die  Vorlage  eines  Kriegs- 
leistungsgesetzes,  indem  er  näher  darlegte,  daß  bei  einer  etwaigen 
Mobilmachung  jede  gesetzüche  Grundlage  fehle,  und  er  nicht  glaube, 
daß  die  fehlenden  Bestimmungen  durch  einfache  Dekrete  erlassen 
werden  könnten. 

Sollte  es  zum  Kriege  kommen,  so  sei  ein  solches  Gesetz  durchaus 
notwendig.  Aber  auch  für  den  Fall,  daß,  wie  er  es  beabsichtige,  eine 
versuchsweise  Mobilmachung  angeordnet  werden  sollte,  würde  die 
gesetzliche  Regelung  über  die  Verpflichtungen  zu  Leistungen  notwendig 
werden. 

Es  wurde  im  Ministerrate  anerkannt,  daß  in  Beziehung  auf  Kriegs- 
leistung die  französische  Gesetzgebung  Lücken  enthalte  und  ergänzt 
werden  müsse.  Alle  Mitglieder  des  Kabinettes  sollen  aber  dem  Präsi- 
denten Grevy,  der  sich  sehr  energisch  gegen  General  Boulanger  aus- 
sprach, darin  beigetreten  sein,  daß  sie  erklärten,  daß  der  jetzige  Augen- 
blick zur  Vorlage  eines  solchen  Gesetzes  schlecht  gewählt  sei,  indem 
dieselbe  als  eine  Vorbereitung  zum  Kriege  angesehen  und  Debatten 
dadurch  veranlaßt  werden  könnten.  Im  Interesse  des  Friedens  liege  es, 
dieses  zu  vermeiden. 

General  Boulanger  blieb  mit  seinem  Vorschlage  allein  und  soll 
in  sehr  schlechter  Laune  den  Ministerrat  verlassen  haben. 

Es  zeigt  dieser  Vorfall,  daß  der  Präsident  und  die  Mitglieder  des 
Kabinetts  aufrichtig  die  Erhaltung  des  Friedens  und  alles  vermeiden 
wollen,  was  als  eine  kriegerische  Maßregel  gedeutet  werden  könnte. 

,Wie  bei  dem  Konflikte  mit  Herrn  Flourens  wegen  des  Briefes 
an  den  Kaiser  von  Rußland*,  so  auch  jetzt  hofften  die  Kollegen  des 
General  Boulanger,  daß,  heftig  wie  er  ist,  er  in  schlechter  Laune  seinen 
Abschied  einreichen  würde.  Er  tut  ihnen  aber  diesen  Gefallen  nicht 
und  wird  nicht  anders  als  bei  einer  völligen  Ministerkrisis  beseitigt 
werden. 


*  Der  französische  Minister  des  Auswärtigen  Flourens  hatte  Mitte  Februar  wegen 
der  dem  Kriegsminister  Boulanger  nachgesagten  Absicht,  sich  mit  einem  Briefe 
an  den  russischen  Kaiser  zu  wenden,  ein  Abschiedsgesuch  eingereicht,  das  er 
jedoch  auf  Andringen  des  Präsidenten  Grevy  zurückzog.  (Bericht  des  Grafen 
Münster  vom  8.  Februar  1887.) 


176 


Wann  und  ob  eine  solche  bald  kommen  wird,  läßt  bei  den  hiesigen 
Verhältnissen  sich  nicht  im  voraus  sagen. 

Ich  habe  in  diesen  Tagen  aber  wiederholt  behaupten  hören,  daß 
nächste  Woche  eine  Krisis  möglich  sei,  und  die  Kornzölle  dazu  den 
Anlaß  bieten  könnten. 

Münster 

Nr.  1253 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter 
in  Petersburg  von  Schweinitz 

Konzept 
Nr.  152  Berlin,  den  25.  Februar  1887 

Ew.  geheimen  Bericht  Nr.  62  vom  21,d.  Mts.*  habe  ich  erhalten. 
Wenn  Sie  wieder  eine  Gelegenheit  finden,  die  Frage  der  Großmachts- 
stellung Frankreichs  mit  russischen  Staatsmännern  zu  besprechen,  so 
können  Sie  letztere  über  unsere  Stellung  zu  derselben  vollkommen  be- 
ruhigen. Wir  haben  einmal  durchaus  kein  Bedürfnis,  Frankreich  an- 
zugreifen; wenn  wir  aber  bei  einem  Angriffe  Frankreichs  auf  uns 
siegreich  bleiben  sollten,  so  irrt  Herr  von  Giers,  wenn  er  annimmt, 
daß  wir  nicht  das  gleiche  Interesse  an  der  Aufrechterhaltung  von  Frank- 
reichs Großmachtstellung  haben,  wie  Rußland.  Frankreichs  Fortbe- 
stehen als  Großmacht  ist  für  uns  ebenso  Bedürfnis,  wie  das  jeder 
andern  der  Großmächte,  allein  schon  aus  dem  Grunde,  weil  wir  für  ge- 
wisse Fälle  eines  maritimen  Gegengewichtes  zur  See  gegen  England  be- 
dürfen. Bei  der  naheUegenden  Möghchkeit  der  Wiederkehr  einer  radikalen 
Regierung  in  England  liegt  auch  der  Lieblingsgedanke  des  Herrn  Glad- 
stone,  d.h.  ein  russisch-englisches  Bündnis,  nicht  außerhalb  unserer  Er- 
wägungen. Schon  mit  Rücksicht  auf  diese  Eventualität  liegt  die  Fort- 
existenz Frankreichs  als  Großmacht  innerhalb  der  Erwägungen  jeder  deut- 
schen Politik,  die  mit  einem  längern  Zeitraum  als  dem  der  momentanen 
Konstellation  zu  rechnen  hat.  Es  ist  ein  Bedürfnis  der  deutschen 
PoHtik,  wenigstens  mit  einer  der  großen  westlichen  Seemächte,  wenn 
es  mit  beiden  nicht  geht,  auf  freundschaftHchem  Fuße  zu  stehen;  da 
dies  für  jetzt  mit  Frankreich  nicht  möglich  ist,  welches  durch  die  Haltung 
der  russischen  Presse  in  eine  besonders  feindselige  Stimmung  gegen 
Deutschland  hineingehetzt  wird,  so  sind  wir  gegenwärtig  auf  Eng- 
land angewiesen;  es  kann  sich  das  aber  bald  ändern,  und  es  ist  sehr 
gut  denkbar,  daß  unsere  Beziehungen  zu  Frankreich  in  kurzer  Zeit 
noch  intimer  werden,  als  sie  selbst  zur  Zeit  des  Herrn  Ferry  waren. 
Die  russische  Annahme,  als  ob  wir  Frankreichs  Großmachtsstellung 
dauernd  vernichten  wollten,  ist  also  eine  kurzsichtige;   wir  brauchen 


*  In  seinem  Berichte  vom  21.  Februar  war  Botschafter  von  Schweinitz  darauf  zu 
sprechen  gekommen,  daß  die  russischen  Staatsmänner  den  Fortbestand  Frank- 
reichs als  Großmacht  als  im  russischen  Interesse  liegend  erachteten. 

12    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  1 77 


Frankreich  in  den  politischen  Konstellationen  nach  Umständen  sogar 
mehr,  als  Rußland  desselben  zu  bedürfen  glaubt.  Wenn  wir  von 
Frankreich  angegriffen  würden  und  siegten,  so  würden  wir  doch  nicht 
an  die  Möglichkeit  glauben,  eine  Nation  von  40  Millionen  Europäern 
von  der  Begabung  und  dem  Selbstgefühl  wie  die  Franzosen  ver- 
nichten zu  können.  Es  ist  das  drei  großen  Reichen  im  Osten  seit  100 
Jahren  nicht  einmal  mit  der  im  Vergleich  mit  der  französischen  so 
unbedeutenden  polnischen  Nationalität  gelungen,  obschon  in  der  letz- 
tern der  in  Frankreich  fehlende  Zwiespalt  zwischen  Adel  und  Bauern 
die  Aufgabe  leichter  erscheinen  läßt.  Wir  würden  deshalb  den  aus- 
sichtslosen Versuch,  Frankreich  als  Macht  zu  vernichten,  niemals  unter- 
nehmen. Wenn  aber  Frankreich  jedenfalls  stark  bleibt  oder  nach  kurzer 
Erholung  wieder  wird,  so  daß  wir  mit  seiner  Nachbarschaft  stets  zu 
rechnen  haben,  so  wird  sich  im  nächsten  Kriege,  wenn  wir  siegen, 
eine  schonende  Behandlung  empfehlen,  grade  wie  Österreich  gegen- 
über 1866.  Wenn  ich  im  Reichstage  anders  gesprochen  habe,  so  ge- 
schah es,  um  vom  Kriege  abzuschrecken.  Gehngt  letzteres  nicht,  so 
würden  wir  nach  der  ersten  gewonnenen  Schlacht  Frankreich  unter 
günstigen  Bedingungen  den  Frieden  bieten.  Würden  wir  geschlagen, 
so  läßt  sich  kaum  annehmen,  daß  der  russischen  Politik  das  geogra- 
phische Näherrücken  der  siegreichen  französischen  Republik  sehr  will- 
kommen sein  könne. 

Ich  glaube,  daß  ein  so  besonnener  und  kaltblütiger  Staatsmann 
wie  Herr  von  Giers  diese  Erwägungen  würdigen  wird,  wenn  Ew. 
dieselben  akademisch  mit  ihm  besprechen. 

V.  Bismarck 

Nr.  1254 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  preußischen  Gesandten  beim  Päpstlichen  Stuhl  von  Schlözer 

Konzept 
Nr.  76  Berlin,  den  5.  März  1887 

Der  Herr  Reichskanzler  hat  Ew.  gefälligen  Bericht  Nr.  33  vom 
26.  V.  Mts.*,  den  französischen  Gedanken  einer  päpstlichen  Vermittelung 
betreffend,  erhalten  und  bittet  Sie,  sich,  falls  die  Sache  Ihnen  gegenüber 
von  autoritativer  Seite  angeregt  werden  sollte,  in  dem  Sinne  zu  äußern, 
daß  wir  sehr  dankbar  sein  würden  für  jede  Mitwirkung  zur  Erhaltung 
des  Friedens  auf  dem  Status  quo;  wir  glaubten  aber  nicht,  bei 
Frankreich  dieselben  Dispositionen  voraussetzen  zu  können,  sondern 
vermuteten  vielmehr,  daß  dieses  hoffe  und  glaube,  wir  würden  uns  bereit 

*  Nach  Schlözers  Bericht  vom  26.  Februar  1887  wären  an  den  Papst  verschiedent- 
lich französische  Anregungen  herangetreten,  er  möge  eine  Allianz  zwischen  Deutsch- 
land und  Frankreich  herbeizuführen  suchen. 

178 


finden  lassen,  den  Frieden  mit  ihm  durch  irgendwelche  Konzession 
zu  erkaufen.  Eine  solche  Möglichkeit  auch  nur  zu  erwägen,  würde 
schon  früher  bei  der  in  Deutschland  herrschenden  Stimmung  sehr 
schwierig  gewesen  sein;  nachdem  aber  jetzt  seit  dem  Hervortreten  des 
Ministers  Boulanger  und  seiner  offenen  Begünstigung  der  Bestrebungen 
der  Patriotenliga  die  Kriegsgefahr  in  frivoler  Weise  uns  näher  gerückt 
worden  ist,  liegt  die  absolute  Unmöglichkeit  vor,  auf  irgendeine  Trans- 
aktion einzugehen,  welche  uns  auch  nur  die  geringste  Konzession  zu- 
muten würde.  Wenn  der  Gedanke,  von  dem  Ihr  erwähnter  Bericht 
handelt,  wirklich  Gestalt  gewinnen  sollte,  so  kann  ihm  nur  der  Plan 
zugrunde  liegen,  dem  Papste  nach  einer  gelungenen  Mediation  eine 
mißlungene  mit  Deutschland  zu  obtrudieren,  indem  man  es  etwa  darauf 
anlegt,  den  Papst  zu  bewegen,  uns  irgendeine  kleine  Abtretung  oder 
vielleicht  die  Neutralisierung  eines  bestimmten  Teils  des  deutschen 
Reiches  vorzuschlagen.  Der  Herr  Reichskanzler  glaubt  zwar,  daß  der 
Papst  viel  zu  klug  ist,  sich  in  dieser  Richtung  eine  Falle  von  Frankreich 
stellen  zu  lassen;  sollten  Sie  aber  trotzdem  davon  hören,  daß  etwa 
beabsichtigt  würde,  einen  solchen  Versuch  zu  machen,  so  ersuche  ich 
Ew.,  denselben  als  eine  Intrige  zu  bezeichnen,  welche  nur  bestimmt 
wäre,  Verstimmungen  zw^ischen  uns  und  dem  Papste  zu  schaffen. 

H.  Bismarck 

Nr.  1255 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 
Nr.  82  Berlin,  den  10.  März  1887 

Es  Hegen  Anzeichen  vor,  daß  die  Franzosen  in  neuester  Zeit  die 
deutsche  PoHtik  durch  Einschüchterung  beeinflussen,  d.  h.  an  der  Aus- 
führung der  uns  fälschlich  zugeschriebenen  Absicht,  offensiv  gegen 
Frankreich  vorzugehen,  und  zunächst  an  der  Verstärkung  der  Orenz- 
besatzungen  hindern  möchten. 

In  letzterer  Hinsicht  läßt  man  durch  angebliche  Indiskretionen 
aus  dem  Kriegsministerium  die  Nachricht  hierhergelangen,  daß  der 
General  Boulanger,  dessen  Einfluß  heute  mächtiger,  dessen  Stellung 
stärker  sei  als  je,  mit  oder  ohne  Zustimmung  der  andern  Minister 
jede  unsrer  Maßnahmen  durch  Gegenmaßnahmen  beantworten,  und 
daß  man  so  von  Schritt  zu  Schritt  unvermeidlich  zum  Kriege  ge- 
langen werde.  Da  die  für  Verstärkung  unsrer  Verteidigungsstellung 
getroffenen  Dispositionen  demnächst  zur  Ausführung  gelangen,  so 
werden  wir  in  naher  Zukunft  darüber  klar  sein,  ob  seine  geheimen 
Drohungen  einen  realen  Hintergrund  hatten  oder  nicht.  Vorläufig 
vermuten  wir  letzteres.  Soweit  es  sich  um  die  Eventualität  eines 
deutschen  Offensivstoßes  gegen  Frankreich  handelt,  wird  die  Probe 

12*  179 


auf  das  Exempel  nicht  gemacht  werden,  da  ein  solcher  Schritt,  wie 
Ew.   wissen,   nicht  beabsichtigt  wird. 

Ew.  wollen  bei  den  Ihnen  zugehenden  Nachrichten  von  sen- 
sationeller Färbung  die  Möglichkeit  ins  Auge  fassen,  daß  dieselben  auf 
Einschüchterung  berechnet  sind,  wobei  ich  jedoch  ausdrücklich  be- 
merke, daß  ich  den  russischen  Wunsch,  eine  nähere  Fühlung  mit  Frank- 
reich herzustellen,  als  wirklich  vorhanden  ansehe.  Fraglich  bleibt  nur, 
wieweit  das  offizielle  Rußland,  d.h.  der  Kaiser  Alexander,  sich 
bei  Manifestationen  dieser  Art  beteiligt. 

H.  Bismarck 

Nr.  1256 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 
Nr.  159  Berlin,  den  19.  März  1887 

[abgegangen  am  20,  März] 
Ew.  pp.  gefällige  Berichte  Nr.  127  und  128*  hat  der  Herr  Reichs- 
kanzler erhalten.  Aus  beiden  geht  zum  Erstaunen  Seiner  Durchlaucht 
hervor,  daß  man  in  Österreich  wirklich  den  ganz  unglaublichen  Ge- 
danken gehabt  zu  haben  scheint,  als  ob  wir  die  Absicht  hätten,  Frank- 
reich anzufallen.  Es  ist  schwer  zu  erklären,  wie  ernsthafte  österreichische 
Staatsmänner  und  Politiker  auf  solche  Idee  haben  kommen  können,  denn 
es  ist  nicht  der  geringste  Grund  ersichtlich,  aus  welchem  wir  gegen 
Frankreich  Krieg  führen  sollten.  Die  Sache  ist  vielmehr  die,  daß  die 
Orleans  zum  Kriege  hetzen;  bedroht  ist  Frankreich  von  niemand, 
und  am  allerwenigsten  von  uns.  Allein  die  Tatsache,  daß  wir  das  Elsaß 
besitzen  und  nicht  erst  zu  erobern  brauchen,  spricht  dafür,  daß  uns 
an  einem  Friedensbruche  nichts  Hegen  kann.  Wir  haben  von  Frank- 
reich absolut  nichts  zu  gewinnen,  es  besitzt  nichts,  was  uns  reizen 
könnte,  und  daß  es  bei  uns  Leute  geben  sollte,  die  aus  reiner  Frivolität 
unsern  90  jährigen  Kaiser  noch  in  einen  leichtsinnigen  Krieg  stürzen 
wollten,  ist  ein  für  den  Herrn  Reichskanzler  unfaßbarer  Gedanke.  Der 
Herr  Reichskanzler  kann  in  den  Ihnen  in  Wien  gegenüber  getretenen 

*  In  den  beiden  Berichten  Nr.  127  und  128  vom  11.  März  1887  hatte  Botschafter 
Prinz  Reuß  Äußerungen  des  Grafen  Kälnoky  wiedergegeben,  wonach  in  Wien  vor 
einigen  Wochen  die  Ansicht  sehr  verbreitet  gewesen  wäre,  „als  wolle  Deutsch- 
land, des  Revanchegeschreis  in  Frankreich  und  der  daraus  liervorgehenden  be- 
ständigen Unsicherheit  müde,  den  ihm  jetzt  günstigen  Augenblick  benutzen,  um 
den  ihm  unbequemen  Nachbar  auf  eine  längere  Reihe  von  Jahren  zur  Ruhe 
zu  bringen".  Nach  Kälnoky  sollte  diese  Ansicht  „auch  in  der  deutschen  militäri- 
schen Welt  sehr  gewichtige  Vertreter  gefunden  haben".  An  dem  Wiener  Gerede 
scheint  vor  allem  auch  der  russische  Botschafter  Fürst  Lobanow  beteiligt  gewesen 
zu  sein,  der  seine  eigenen  Argumentationen  (vgl.  S.  172,  Fußnote)  dem  Grafen 
Kälnoky  unterschob.    Erlaß  an  Schweinitz  vom  13.  März  1887. 

180 


diesbezüglichen  Ansichten  nur  einen  Mangel  an  Urteil  erblicken,  wel- 
cher entweder  auf  der  eigenen  Beschränktheit  der  Betreffenden  be- 
ruhen muß  oder  darauf,  daß  ein  hoher  Grad  von  Torheit  in  der  Leitung 
unserer  Politik  vorausgesetzt  wird;  es  ist  dies  insofern  erschreckend, 
als  es  unsere  poHtischen  Berechnungen,  welche  sich  doch  auf  das  Vor- 
handensein einer  gewissen  Einsicht  in  Wien  gründen  müssen,  ganz 
unsicher  macht.  Es  ist  dem  Fürsten  Bismarck  unbegreiflich,  welche 
Idee  die  hier  in  Frage  kommenden  österreichischen  Politiker  sich  von 
unserem  Bündnis  mit  Österreich  machen,  wenn  sie  glauben,  daß  wir 
ohne  jeden  vorgängigen  Gedankenaustausch  und  ohne  jede  Rückfrage 
bei  unserm  Bundesgenossen  einen  großen  und  schweren  Krieg  vom 
Zaune  brechen  könnten;  wir  würden  ja  gar  nicht  in  der  Lage 
sein,  unser  Bündnis  ausführen  und  Österreich,  falls  es  angegriffen 
wird,  irgendwie  stützen  zu  können,  wenn  wir  gegen  Frankreich  zu 
Felde  zögen  und  dadurch  unsere  gesamte  Kriegsmacht  engagierten. 
Die  Ausrede  mit  den  Absichten  der  supponierten  hiesigen  Militär- 
partei erscheint  dem  Herrn  Reichskanzler  sehr  naiv;  es  gibt  bei  uns 
keine  Militärpartei,  sondern  höchstens  einzelne  Offiziere,  welche  ge- 
legentlich von  ihrer  kriegerischen  Bereitwilligkeit  sprechen  mögen.  Wenn 
man  in  dem  Sinne,  wie  es  Ihnen  gegenüber  geschehen  ist,  vom  Ein- 
flüsse einer  „Militärpartei"  sprechen  wollte,  so  würden  sämtliche  großen 
europäischen  Staaten  unaufhörlich  dicht  vor  dem  Kriege  stehen,  denn 
die  Mehrzahl  des  Militärs  rasselt  überall  gern  mit  dem  Säbel,  wenn  sie  es 
auch  vielfach  nur  unter  der  Gewißheit  tut,  daß  der  Friede  nicht  ge- 
brochen werden  wird. 

Der  Herr  Reichskanzler  bittet  Ew.  pp.,  allen  denjenigen,  die  Ihnen 
über  unsere  angebliche  Kriegslust  und  von  der  imaginären  deutschen 
Militärpartei  gesprochen  haben,  den  Ausdruck  Ihrer  Verwunderung  dar- 
über nicht  vorenthalten  zu  wollen,  daß  man  auf  diese  Torheit,  welche  auf 
uns  einen  betrübenden   Eindruck  machen   muß,  hat  kommen   können. 

In  der  ganzen  Ihnen  gegenüber  zum  Ausdruck  gekommenen  Argu- 
mentierung liegt  eine  vollkommen  unrichtige  Auffassung  der  franzö- 
sichen  Verhältnisse.  Die  Franzosen  bemänteln  ihre  ununterbrochenen 
und  enormen  Rüstungen  mit  dem  von  ihnen  selbst  nicht  geglaubten  Vor- 
wand, daß  wir  sie  angreifen  würden;  diese  Rüstungen  dienen  lediglich 
Angriffszwecken ;  sie  sollen  die  französische  Armee  der  unsern  über- 
legen machen,  damit  Frankreich  alle  Chancen  des  Erfolges  auf  seiner 
Seite  hat,  sobald  es  den  Moment  für  den  Angriff  auf  uns  für  ge- 
kommen hält. 

Daß  unsere  Gegner  den  Sachverhalt  im  Sinne  der  altbekannten 
Fabel  des  Phädrus  von  dem  Wolf  und  dem  Lamm  umdrehen  und  uns 
in  bewußter  Verlogenheit  aggressive  Absichten  imputieren,  ist  natür- 
lich. Daß  aber  unsere  Freunde  in  Wien  sich  soweit  haben  verblenden 
lassen  können,  jenen  Unterstellungen  auch  nur  für  eine  kurze  Zeit 
Glauben    beizumessen,    ist    sehr   niederschlagend.     Es    zeigt    das    eine 

181 


gewisse  Neigung,  uns  immer  das  Dümmste  zuzutrauen,  was  eine  Re- 
gierung nur  begehen  kann,  und  es  ist  das  umsoweniger  verständlicii, 
als  wir  niciit  glauben,  für  eine  solche  Beurteilung  greifbare  Anhalts- 
punkte gegeben  zu  haben. 

Ew.  wollen  die  vorstehenden  Ausführungen  als  lediglich  für  Ihre 
persönliche  Information  bestimmt  ansehen. 

H.  Bismarck 

Nr.  1257 

Der  Geschäftsträger  in  Paris  Graf  von  Leyden  an  das  Auswärtige  Amt 

Telegramm.   Entzifferung 
Nr.  55  Paris,  den  22.  April  1887 

„Temps**  meldete  gestern  abend,  französischer  Polizeikommissar 
Schnäbele  aus  Pagny  sei  über  die  Grenze  gelockt,  überfallen  und  ge- 
knebelt nach  Metz  eingebracht  worden*,  und  —  auf  der  Börse  fiel  die 
Rente  um  60  Centimes. 

Bei  einer  Abendgesellschaft  im  Ministerium  der  Auswärtigen  An- 
gelegenheiten fand  ich  die  Stimmung  in  Regierungskreisen  wegen 
dieses  Vorfalles  besorgt,  man  bezweifelte  die  Richtigkeit  der  Nachricht, 
erwartete  aber  mit  Ungeduld  Aufklärung  des  Sachverhalts.  Im  Mini- 
sterium des  Innern  war  die  Sache  auch  seit  gestern  Nachmittag  von 
der  Grenze  gemeldet  worden.  Leyden 

Nr.  1258 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Geschäftsträger 
in  Paris  Grafen  von  Leyden 

Telegramm.  Konzept  von  der  Hand  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck 
Nr.  40  Berlin,  den  22.  April  1887 

Telegramm  Nr.  55  erhalten. 

Ich  bitte  Herrn  Flourens  vertraulich  zu  sagen,  daß  ich  nicht  wüßte, 
unter  welchen  Modalitäten  die  Festnahme  Schnäbeies  stattgefunden, 
und  Erkundigungen  darüber  angeordnet  hätte:  es  sei  aber  Tatsache,  daß 

*  Am  11.  Februar  1887  vi^ar  ein  in  Straßburg  wohnender  Agent  Tobias  Klein 
wegen  des  Verdachts  des  Landesverrats  verhaftet  worden.  Bei  seiner  Vernehmung 
vor  dem  Untersuchungsrichter  in  Straßburg  belastete  er  den  französischen  Polizei- 
kommissar Schnäbele  derart,  daß  der  Richter  laut  eines  Berichts  des  Staats- 
sekretärs des  Reichsjustizamts  Schelling  an  den  Reichskanzler  vom  11.  März  „es 
für  dringlich  erachtete,  den  Polizeikommissar  von  Tausch  mit  dem  Auftrage 
nach  Metz  zu  schicken,  auf  Schnäbele  zu  fahnden  und  ihn  im  Betretungsfalle  zu 
verhaften".  Wie  Schelling  dem  Fürsten  Bismarck  mitteilte,  glaubte  er  seinerseits 
in  die  Maßnahmen  des  Untersuchungsrichters  nicht  eingreifen  zu  sollen.  Auch 
Bismarck  sah,  wie  er  Schelling  am  12.  März  erwiderte,  „vom  politischen  Stand- 
punkte aus  kein  Hindernis  dagegen",  Schnäbele  zu  verhaften,  sobald  er  etwa 
auf  deutschem  Boden  betroffen  werde,  und  die  Voruntersuchung  gegen  ihn  einzu- 
leiten. Die  Verhaftung  erfolgte  am  20.  April,  gelegentlich  eines  von  dem  deutschen 
Polizeikommissar  Qautsch  aus  Ars  mit  Schnäbele  wegen  Grenzstreitigkeiten  ver- 

182 


schriftliche  Beweise  wegen  Beteiligung  Schnäbeies  an  landesverräteri- 
schen Umtrieben  im  Reichslande  vorliegen,  und  seine  auf  gerichtliche 
Requisition  erfolgte  Verhaftung  sei  deshalb  vollständig  gerechtfertigt. 
Die  Franzosen  können  es  uns  nicht  verdenken,  daß  wir  uns  gegen 
Spionage  und  Konspirationen  an  unseren  Grenzen  nachdrücklich  wehren, 

V.  Bismarck 

Nr.  1259 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Geschäftsträger 
in  Paris  Grafen  von  Leyden 

Telegramm.  Konzept 
Nr.  41  Berlin,  den   22.  April  1887 

Die  Verhaftung  Schnäbeies  ist  infolge  der  Geständnisse  eines  wegen 
Landesverrats  in  Untersuchung  befindlichen  Spions  durch  den  Unter- 
suchungsrichter für  den  Fall  der  Betretung  Schnäbeies  auf  deutschem 
Gebiete  schon  länger  angeordnet  gewesen  und  jetzt  zur  Ausführung 
gelangt.  Schnäbele  wird  sofort  in  Freiheit  gesetzt  werden,  wenn  die 
schwebende  Untersuchung  seine  Unschuld  ergibt.  Teilen  Sie  das  Herrn 
Flourens  vorläufig  vertraulich  mit. 

V.  Bismarck 

Nr.  1260 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Geschäftsträger 
in  Paris  Grafen  von  Leyden 

Telegramm.  Eigenhändiges  Konzept 
Nr.  47  Berlin,  den  24.  April  1887 

Antwort  auf  Telegramm  Nr.  60*. 

Machen  Sie  gelegentlich  noch  geltend,  daß  die  Reichsregirung  in 
der  ganzen  Sache  unbetheiligt  ist,  da  der  ganze  Vorgang  auf  der  Initiative 

abredeten  Rendezvous  an  der  Grenze,  jedoch  auf  deutschem  Boden,  was  von 
französischer  Seite  erst  bestritten,  später  aber  von  Schnäbele  selbst  zugegeben 
wurde.  Nicht  ganz  sicher  steht  fest,  ob  Schnäbele  durch  Oautsch  mit  Absicht 
in  einen  Hinterhalt  gelockt  ist.  Anfänglich  hat  Qautsch  selbst  in  diesem  Sinne 
berichtet;  später  hat  er  aber  einen  solchen  Zusammenhang  bestritten;  auch  Kri- 
minalkommissar von  Tausch,  der  durch  seine  Beamten  die  Verhaftung  vorgenommen 
hatte,  hat  wiederholt  erklärt  (u.  a.  in  einem  Berichte  vom  6.  Mai),  daß  er  nur  zu- 
fällig von  dem  zwischen  Qautsch  und  Schnäbele  verabredeten  Rendevous  er- 
fahren, und  daß  Qautsch  von  der  beabsichtigten  Verhaftung  nichts  gewußt  habe. 
Für  Bismarck  genügte,  wie  die  folgenden  Aktenstücke  lehren,  die  Tatsache,  daß 
Schnäbele  bei  Gelegenheit  einer  mit  einem  deutschen  Beamten  in  Grenzsachen 
verabredeten  Zusammenkunft  verhaftet  war,  um  die  Freilassung  zu  befehlen. 
*  In  dem  Telegramm  Nr.  60  vom  24.  April  hatte  der  Geschäftsträger  Graf  von 
Leyden  berichtet,  daß  der  Minister  Flourens  und  die  allgemeine  Stimmung  in 
Paris,  die  erst  hochgradig  aufgeregt  gewesen  war,  und  vor  allem  an  dem  dem 
Polizeikommissar  Schnäbele  angeblich  gelegten  Hinterhalt  Anstoß  genommen  hatte, 
„bedeutend  zuversichtlicher  seit  gestern  Abend  auf  Nachricht  der  Erklärungen 
Eurer  Durchlaucht"  geworden  sei. 

183 


der  dortigen  Gerichte,  in  Anknüpfung  an  eine  bei  ihnen  schwebende 
Untersuchung  erfolgt  ist.  Sollten  Mißgriffe  dabei  vorgekommen  sein, 
so  würde  ich  sie  lebhaft  bedauern  und  mißbilligen. 

V.  Bismarck 

Nr.  1261 
Der  Geschäftsträger  in  Paris  Graf  von  Leyden  an  das  Auswärtige  Amt 

Telegramm.   Entzifferung 
Nr,  61  Paris,  den  24.  April  1887 

Herr  Flourens,  dem  ich  soeben  die  Aufträge  von  Telegramm  Nr.  44 
und  45*  entrichtet  habe,  zeigte  mir  zwei  im  Schreibtisch  Schnäbeies 
gefundene  Briefe  von  Gautsch  vom  13.  und  16.  April,  welche  allerdings 
Beweis  zu  erbringen  scheinen,  daß  guet-apens  vorliegt.  Beide  Briefe 
sind  noch  unveröffentlicht  und  gehen  in  Photographie  Herrn  Herbette  zu. 

Über  Grenzverletzungsfrage  erwartet  Minister  Aufklärung  durch 
Vergleichung  der  Protokolle.  Er  scheint  aber  sehr  besorgt  über  Ein- 
druck der  beiden  Briefe  auf  öffentliche  Meinung  und  weist  daraufhin, 
daß  Frankreich  eben  an  Belgien  französischen  Militärpfhchtigen  wieder 
ausgeliefert  habe,  welcher  durch  List  über  die  Grenze  gelockt  worden 
sei.  Minister  bedauert  es  lebhaft,  wenn  Beteiligung  Schnäbeies  an 
Verschwörung  im  Reichsland  vorliegt. 

Leyden 

Nr.  1262 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck 

Eigenhändig 

Berhn,  den  25.  April  1887 
Der  französische  Botschafter  übergab  mir  heute  die  anliegenden 
Piecen**  mit  dem  Bemerken,  es  ginge  daraus  zweifellos  i  hervor,  daß 
Schnäbeies  Festnahme  auf  französischem  Gebiet  erfolgt  sei  2.  Ich  er- 
widerte, daß  unsere  bisherigen  Nachrichten  gegenteilig  lauteten:  Ich 
würde  die  Anlagen  aber  sorgfältig  prüfen  und  demnächst  mit  der  Dar- 

*  In  den  Telegrammen  Nr.  44  und  45  vom  23.  April  war  Graf  Leyden  benachrichtigt 
worden,  daß  nach  der  gerichtlichen  Zeugenvernehmung  die  Verhaftung  Schnäbeies 
wirklich  auf  deutschem  Boden  erfolgt  sei,  und  daß  Bismarck  es  bedauern  würde, 
wenn  Schnäbele  in  den  Hinterhalt  gelockt  sein  sollte,  daß  dies  aber  doch  nicht  so 
übel  sein  würde,  wie  die  Beteiligung  eines  französischen  Beamten  an  einer  Ver- 
schwörung im  Reichslande. 

**  Es  handelt  sich  dabei  um  französische  gerichtliche  Aufnahmen,  sowie  um  die 
Abschrift  eines  Briefes  von  Gautsch  an  Schnäbele,  aus  dem  hervorgeht,  daß 
Schnäbele  am  20.  April  wirklich  nur  einer  Aufforderung  von  Gautsch  zu  einem 
Rendezvous  in  Grenzangelegenheiten  gefolgt  war. 

184 


Stellung  vergleichen,  welcher  ich  seitens  des  Ersten  Staatsanwalts  und 
des  Untersuchungsrichters  entgegensähe.  Wir  hätten  bisher  bloß  kurze 
Meldungen  von  Polizeibeamten,  und  ich  müsse  mir  deshalb  eine  weitere 
Besprechung  und  definitive  Äußerung  reservieren,  bis  der  gerichtliche 
Bericht  vorhegen  würde.  Sollte  derselbe  ergeben,  daß  Schnäbele  tat- 
sächhch  jenseits  des  französischen  Grenzpfahls  ergriffen  worden  sei, 
so  würde  er  wieder  in  Freiheit  gesetzt  werden. 

Die  Rekriminationen,  welche  Herbette  an  den  mitanliegenden  Brief 
Oautschs  knüpfte  —  welchen  er  une  fraude  nannte,  die  an  und  für 
sich  die  Festnahme  invahdiere  —  beantwortete  ich  in  trockener  Weise 
dahin,  daß  ich  dies  Vorgehn  nicht  billigen,  von  einem  subalternen 
Polizisten  3  aber  auch  nicht  besonders  chevalereske  Rücksichtnahmen 
erwarten  könnte. 

Viel  schlimmer  sei  es  aber,  daß  ein  Beamter  der  französischen  Re- 
gierung für  dieselbe  Spionagen  und  Landesverrat  organisiere.  Als  Her- 
bette dies  zurückweisen  wollte  und  behauptete,  seine  Regierung  gebe 
sich  zu  so  etwas  nicht  her*,  fragte  ich  ihn,  ob  er  denn  glaube,  daß 
Schnäbele  nur  für  sein  eigenes  Vergnügen  kostspielige  Spionage  ge- 
trieben habe?  Außerdem  erinnerte  ich  ihn  daran,  daß  eine  im  vorigen 
Dezember  vom  Kriegsministerium  veranlaßte  Preßnotiz  offen  erklärt 
habe,  das  Konzept  eines  Militärberichts  des  Hauptmanns  von  Schwartz- 
hoff  sei  zu  seiner  Kenntnis  gelangt.  Dies  bewiese  doch,  daß  Organe 
der  französischen  Regierung  die  Resultate  von  Spionagen  öffentlich 
endossieren.  —  Herbette  machte  hierauf  einige  nichtssagende  Redensarten; 
er  schien  kein  Bedürfnis  zu  haben,  dieses  Thema  eingehender  zu  be- 
handeln; er  begnügte  sich  damit,  die  Bitte  auszusprechen,  daß  wir 
unsrerseits  dazu  beitragen  möchten,  diese  kleine  und  an  sich  nicht 
wichtige  Subalternaffaire  aus  der  Welt  zu  schaffen:  da  doch  jedenfalls 
des  irregularites  bei  der  Verhaftung  und  ihrer  Anbahnung  vorgekommen 
seien,  so  könnten  wir  auf  Grund  derselben  Schnäbele  wohl  freilassen ; 
er  würde  dann  in  Frankreich  bestraft  werden. 

Ich  bemerkte  dazu,  daß  es  schwer  tunlich  sein  würde,  in  den  Gang 
der  Gerichtsverhandlungen  administrativ  einzugreifen:  wir  könnten  keine 
Kabinettsjustiz  üben;  bestimmtere  Äußerungen  müsse  ich  mir  aber  bis 
nach  Eingang  unseres  Materials  reservieren. 

H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

2  Der  Hauptfehler  der  Situation  liegt  darin,  daß  Schnebele  bei  Gelegenheit  einer 
amtlichen  Conferenz  über  internationale  Orenzfragen  gegriffen  wurde.  Der- 
gleichen Conferenzen  stehn  in  gleichem  Verhältniß  wie  die  Begegnungen  mit 
feindlichen  Parlamentärs,  u[ndl  müssen  freies  Geleit  sichern,  sonst  wird  der 
amtliche  Grenz-Verkehr  unmöglich 

^  I„von  einem  subalternen  Polizisten"  eingeklammert,  dafür:}  einem  Spion,  der  sein 
Amt  mißbraucht,  gegenüber 

4    ! 

185 


Nr.  1263 

Bericht  des  Militärattaches  in  Paris 
Hauptmann  Freiherr  von  Hoiningen,  gen.  Huene 

Abschrift 

Paris,  den  27.  April  1887 
In  bezug  auf  die  Verhaftung  des  französischen  Polizeikommissars 
in   Pagny  vernehme  ich  von  verschiedenen   zuvedässigen   Seiten,  daß 
durch    dieselbe    eine    nicht   geringe    Beklommenheit    im    französischen 
Kriegsministerium  herrschen  soll. 

Der  Kriegsminister,  welcher  seinem  Charakter  entsprechend  den 
Dienst  seines  bureau  des  renseignements  niit  besonderer  Vorliebe  selbst 
zu  dirigieren  scheint,  soll  in  Voraussicht  einer  eventuellen  großen  Kom- 
promittierung seiner  Person  in  besonderer  Aufregung  sein,  zumal  er 
über  den  Umfang  des  diesseits  über  französische  Spionage  pp.  im  Reichs- 
land Bekannten  nicht  orientiert  ist.  Daß  der  französische  Polizeikom- 
missar zu  Pagny  einer  der  Dirigenten  dieser  französischen  Machinationen 
ist,  wird  auch  in  der  Presse  mehrfach  ausgesprochen. 

Über  einen  Vorfall  im  Ministerrat  am  23.  d.  Mts.  bei  Besprechung 
genannter  Angelegenheit  höre  ich,  daß  der  Kriegsminister  sich  hier- 
bei jeder  Äußerung  enthielt;  schließlich  vom  Präsidenten  der  Republik 
zu  einer  solchen  aufgefordert,  soll  der  Kriegsminister  ihm  ein  Stück 
Papier  gereicht  und  gesagt  haben:  Signez  l'ordre  et  en  18  heures  la 
frontiere  Est  sera  garnie  de  troupes  süffisantes  ä  repousser  toutes 
les  attaques;  en  six  jours  l'armee  sera  formee  derriere;  darauf  stand 
der  Kriegsminister  auf  und  verließ  die  Sitzung. 

Wie  telegraphisch  am  27.  d.  Mts.  gemeldet,  hat  der  Kriegsminister 
die  Beurlaubung  von  Offizieren  und  Mannschaften  bei  einer  großen  Zahl 
von  Regimentern  —  soviel  bis  jetzt  konstatiert  nicht  allgemein  — 
bis  auf  weiteres  untersagt.  Die  ebenfalls  telegraphisch  am  26.  d.  Mts. 
gemeldete  Konsignierung  der  3  Kavallerieregimenter  und  reitenden 
Batterie  der  Garnison  Paris,  welche  zur  1.  Kavalleriedivision  gehören, 
stimmt  hiermit  überein. 

Die  auf  den  Außenbahnhöfen  von  Paris  angestellten  Ermittlungen, 
ob  Eisenbahnmaterial  bereitgestellt  sei,  haben  ergeben,  daß  auf  den- 
selben nur  1  Zug  von  40  bedeckten  Güterwagen  an  einer  für  den  son- 
stigen Verkehr  nicht  benutzten  Militärrampe  bereitsteht,  daß  sonst 
keine  Militärzüge  rangiert  sind,  jedoch  auf  diesen  Bahnhöfen  der  Ost- 
bahn außer  einigen  hundert  Personenwagen  auch  550  bedeckte  Güter- 
wagen zur  Verfügung  stehen.  Unauffällige  Beobachtung  wird  fortgesetzt. 

Als  Ansicht  eines  ruhig  denkenden  hohen  Militärs  hierselbst  bin 
ich  in  der  Lage  wiedergeben  zu  können,  wie  derselbe  dem  gegen- 
wärtigen Accident  als  solchem  keine  Bedeutung  beimißt,  jedoch  sagt, 
die  Absicht,  dem  französischen  Volke  das  Gefühl  des  von  Deutschland 
Vergewaltigt-Werdens    beizubringen,    wie   dies   die   Taktik   der   maß- 

186 


gebenden  Leute  seit  Monaten  gewesen,  sei  nunmehr  vollkommen  er- 
reicht, die  Erbitterung  der  großen  Masse  sei  gegenwärtig  eine  tief- 
innerliche; Deutschland  möge  in  der  gegenwärtigen  Angelegenheit  noch 
so  sehr  im  Recht  sein,  beziehungsweise  sich  noch  so  korrekt  benehmen, 
so  sei  die  allgemeine  Stimmung  in  Frankreich  zur  Zeit  doch  so  schlecht, 
daß  ein  an  und  für  sich  ganz  gleichgültiger  neuer  Accident  mit  Leichtig- 
keit eine  Situation  schaffen,  eine  Handlung  zur  Folge  haben  könne, 
deren  Folge  der  Krieg  sei. 

Diese  allgemeine  Stimmung  im  Verein  mit  dem  nicht  reinen  Ge- 
wissen eines  gewalttätigen  Kriegsministers  berge  nach  semer  Ansicht 
eine  nicht  geringe  Chance  für  baldigen  Beginn  eines  Krieges  in  sich. 

(gez.)  Freiherrvon  Hoiningen,  gen.  Huene 

Nr.  1264 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  französischen 
Botschafter  in  Berlin  Herbette* 

Konzept 

Berlin,  den  28.  April  1887 
[abgegangen  am  29.  April] 

Auf  Grund  der  Mitteilungen,  welche  Seine  Exzellenz  der  Herr 
Botschafter  der  französischen  Republik  in  betreff  der  gerichtlichen 
Festnahme  des  französischen  PoHzeikommissars  Schnäbele  gemacht  hat, 
sowie  in  Würdigung  der  durch  den  Kaiserlichen  Geschäftsträger  in 
Paris  gemeldeten  Mitteilungen  des  französischen  Herrn  Ministers  der 
Auswärtigen  Angelegenheiten  hat  der  Unterzeichnete  die  Angelegenheit 
des  Schnäbele  einer  sorgfältigen  Prüfung  unterzogen.  Zum  Zwecke  der- 
selben sind  von  den  beteiligten  Gerichtsbehörden  die  Beweisstücke 
eingefordert  worden,  welche  sich  auf  die  Veranlassung  der  Verhaftung 
des  Schnäbele  und  auf  die  begleitenden  Umstände  beziehen. 

Die  wichtigsten  dieser  Schriftstücke,  vor  allem  die  Aussage  des 
Schnäbele  nach  seiner  Verhaftung  und  die  sämtlichen  gerichtlich  zu 
Protokoll  genommenen  Zeugenaussagen  sind  dem  Herrn  Botschafter 
der  französischen  Republik  abschriftlich  mitgeteilt  worden.  Dieselben 
ergeben  als  zweifellos,  daß  die  Verhaftung  in  ihrem  ganzen  Verlauf 
ausschließhch  auf  deutschem  Gebiete  und  ohne  Überschreitung  der 
französischen  Grenze  vor  sich  gegangen  ist. 

Das  gerichtliche  Verfahren  gegen  Schnäbele  hat  das  Verbrechen 
des  Landesverrates,  begangen  im  Gebiete  des  Deutschen  Reiches,  zum 
Gegenstande  und  gründet  sich  auf  vollgültige  Beweise  seiner  Schuld, 
bestehend  in  Geständnissen  des  in  gleicher  Sache  angeklagten  Reichs- 
angehörigen Klein  und  in  eigenhändigen,  in  Metz  zur  Post  gegebenen 


*  Veröffentlicht  in  der  „Norddeutschen  Allgemeinen   Zeitung**  vom   1.  Mai   1887, 
daraus   abgedruckt   in   „Das  Staatsarchiv"    Bd.  48,    S.  328  ff. 

187 


und  von  Schnäbele  seitdem  anerkannten  Briefen  des  letztern.  Auf 
Grund  der  erwiesenen  und  später  von  Schnäbele  selbst  eingestandenen 
Schuld  hat  das  Reichsgericht  befohlen,  denselben  zu  verhaften,  sobald 
er  sich  auf  deutschem  Gebiete  würde  betreten  lassen.  Dies  ist  der 
Fall  gewesen  am  20.  d.  Mts.,  bei  Gelegenheit  einer  zwischen  Schnäbele 
und  dem  deutschen  Polizeikommissar  Oautsch  verabredet  gewesenen 
geschäftlichen  Zusammenkunft  auf  der  Grenze. 

Die  gerichtliche  Verurteilung  Schnäbeies  wird  unter  diesen  Umständen 
nicht  zweifelhaft  sein  können  und  voraussichtlich  um  so  strenger  ausfallen, 
als  Schnäbele  bei  seiner  strafbaren  Tätigkeit  das  Ansehen  gemißbraucht  hat, 
welches  ihm  seine  Stellung  in  dem  ein  besonderes  Maß  von  gegenseitigem 
Vertrauen  voraussetzenden  amtlichen  Grenzverkehr  beider  Länder  verlieh. 
Schnäbele  hat  das  für  den  internationalen  Verkehr  unentbehrliche  Ver- 
trauen dadurch  geschädigt,  daß  er  seine  amtliche  Stellung  im  Grenz- 
dienste benutzte,  um  deutsche  Reichsangehörige  für  Geld  zu  ver- 
brecherischen Handlungen  gegen  ihr  Vaterland  zu  verleiten.  Durch  diesen 
Amtsmißbrauch  wird  in  den  Augen  des  Gerichtes  die  Strafbarkeit 
Schnäbeies  erhöht,  unabhängig  von  der  Frage,  ob  derselbe  in  höherem 
Auftrage  gehandelt  hat.  Der  Unterzeichnete  erlaubt  sich  diesen  Ge- 
sichtspunkt für  den  Fall  hervorzuheben,  daß  Schnäbele  nach  seiner 
gegenwärtigen  Freilassung  von  neuem  auf  deutschem  Gebiete  betroffen 
werden  sollte,  ohne  durch  vorgängige  amtliche  Verabredung  gegen 
Verhaftung  gedeckt  zu  sein. 

Der  Unterzeichnete  gibt  sich  der  Hoffnung  hin,  daß  der  Herr  Bot- 
schafter aus  den  mitgeteilten  Aktenstücken  die  Überzeugung  schöpfen 
werde,  daß  der  gerichtUche  Haftbefehl  gegen  Schnäbele  wohlbegründet 
war,  und  daß  die  Ausführung  desselben  innerhalb  der  deutschen  und 
ohne  Verletzung  französischer  Hoheitsrechte  stattgefunden  hat.  Wenn 
der  Unterzeichnete  dennoch  für  seine  PfHcht  gehalten  hat,  den  Befehl 
zur  Freilassung  Schnäbeies  von  dem  Kaiser,  seinem  allergnädigsten 
Herrn  zu  erbitten,  so  ist  er  dabei  von  der  völkerrechtHchen  Auffassung 
geleitet  worden,  daß  Grenzüberschreitungen,  welche  auf  Grund  dienst- 
licher Verabredungen  zwischen  Beamten  benachbarter  Staaten  erfolgen, 
jederzeit  als  unter  der  stillschweigenden  Zusicherung  freien  Geleites 
stehend  anzusehen  seien.  Es  ist  nicht  glaublich,  daß  der  deutsche 
Beamte  Gautsch  den  Schnäbele  zu  einer  Besprechung  in  der  Absicht 
aufgefordert  habe,  seine  Verhaftung  mögHch  zu  machen ;  es  liegen  aber 
Briefe  vor,  welche  beweisen,  daß  Schnäbele,  als  er  verhaftet  wurde, 
sich  an  der  Stelle,  wo  dies  geschah,  infolge  einer  mit  dem  diesseitigen 
Beamten  getroffenen  Verabredung  befand,  um  gemeinsame  amtliche 
Geschäfte  zu  erledigen.  Wenn  die  Grenzbeamten  bei  derartigen 
Gelegenheiten  der  Gefahr  ausgesetzt  wären,  auf  Grund  von  An- 
sprüchen, welche  die  Gerichte  des  Nachbarstaates  an  sie  machen,  ver- 
haftet zu  werden,  so  würde  in  der  dadurch  für  sie  gebotenen  Vorsicht 
eine  Erschwerung  der  laufenden  Grenzgeschäfte  liegen,  welche  mit  dem 

188 


Geiste  und  den  Traditionen  der  heutigen  internationalen  Beziehungen 
nicht  in  Einklang  steht.  Der  Unterzeichnete  ist  daher  der  Meinung, 
daß  derartige  geschäftliche  Zusammenkünfte  jederzeit  als  unter  dem 
Schutze  gegenseitig  zugesicherten  freien  Geleites  stehend  gedacht  wer- 
den sollten.  In  diesem  Sinn  hat  er,  unter  voller  Anerkennung  der  Be- 
rechtigung des  Verfahrens  der  diesseitigen  Gerichte  und  Beamten  das 
Sachverhältnis  bei  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  zum  Vortrag  gebracht; 
allerhöchstdieselben  haben  dahin  zu  entscheiden  geruht,  daß  in  Be- 
tracht der  völkerrechtHchen  Motive,  welche  für  unbedingte  Sicherstellung 
internationaler  Verhandlungen  sprechen,  der  pp.  Schnäbele  trotz  seiner 
Festnahme  auf  deutschem  Gebiet  und  trotz  der  gegen  ihn  vorliegenden 
Schuldbeweise  in  Freiheit  zu  setzen  sei. 

Indem  der  Unterzeichnete  dies  zur  Kenntnis  des  Herrn  Botschafters 
der  Französischen  Republik  bringt,  fügt  er  hinzu,  daß  die  erforderlichen 
Weisungen  zur  Haftentlassung  des  Schnäbele  ergangen  sind,  und  bittet 
Seine  Exzellenz  gleichzeitig  die  Versicherung  seiner  ausgezeichneten 
Hochachtung  entgegenzunehmen.  v.  Bismarck 

Nr.  1265 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  167  Paris,  den  11.  Mai  1887 

Ganz  vertraulich 

Als  ich  gestern  den  Vertrag  von  Sansibar  mit  dem  Minister  be- 
sprochen hatte,  sagte  er  mir,  ich  würde  wohl  aus  den  Zeitungen  er- 
sehen haben,  daß  der  General  Boulanger  den  Mobilmachungsplan  für 
ein  Armeekorps  dem  Conseil  vorgelegt  habe,  und  daß  er  leider  er- 
mächtigt worden  sei,  denselben  den  Kammern  vorzulegen*. 

Herr  Flourens  habe  auf  das  allerenergischste  dagegen  protestiert, 
er  findet  den  Moment  für  sehr  unopportun  und  die  Sache  selbst  für 
gefährlich.  Was  ihn  aber  dabei  beruhige,  sei,  daß  er  die  feste  Über- 
zeugung habe,  daß  die  Kammern  den  Gesetzentwurf  nicht  akzeptieren 
werden. 

Ich  erwiderte  darauf,  daß  die  Art  und  Weise,  wie  er  sich  mir 
gegenüber  so  offen  geäußert  habe,  mir  das  Recht  gebe,  ihm  meine  Mei- 
nung ganz  offen  und  unverhohlen  mitzuteilen. 

Auf  meine  Frage,  wie  weit  die  MobiHsierung  gehen  solle?  Ob 
die  wirkhche  Kriegsbereitschaft  mit  Ankauf  von  Pferden  und  Beschlag- 
nahme des  Eisenbahnmaterials  in  Aussicht  genommen  sei?  Was  die 
Pferde  betreffe,  erwiderte  er,  schien  ihm  der  Plan  des    General  Bou- 


*  Am  10.  Mai  hatte  der  Kriegsminister  Boulanger  in  der  französischen  Deputierten- 
kammer einen  Kredit  von  5  Millionen  Francs  für  die  im  Herbst  auszuführende 
Probemobilmachung  eines  Armeekorps  verlangt. 

189 


langer  durchaus  unpraktisch,  er  wolle  Pferde  und  Wagen  requirieren 
und  zwar  mietweise  auf  12  Tage,  der  Eisenbahnverkehr  solle  sistiert 
und  die  Eisenbahn  zur  Disposition  der  Truppen  gestellt  werden.  Die 
Kosten  der  ganzen  miUtärischen  Operation  würden  auf  7  Millionen 
angegeben,  sich  aber  auf  höher  belaufen. 

Ich  bemerkte  darauf,  daß  mir  dies  doch  eine  sehr  ernste  Maßregel 
schiene,  daß,  da  das  Armeekorps  über  Eisenbahnmaterial  disponiere, 
es  ziemlich  gleichgültig  sei,  wo  es  mobilisiert  würde,  da  es  leicht 
an  Punkte  der  Grenze  geworfen  werden  könnte.  Käme  diese  Maßregel 
zur  Ausführung,  so  würde  Deutschland  notwendig  zu  Gegenmaßregeln 
gezwungen  sein,  und  wozu  das  führte,  das  brauchte  ich  ihm  nicht 
erst  zu  sagen. 

Der  Minister  schien  meine  Argumentation  richtig  zu  finden  und 
meinte,  er  glaube  ganz  bestimmt,  daß  die  Kammern  nicht  zustimmen 
würden,  einesteils  wegen  der  Kosten,  andernteils,  weil  die  Majorität 
den  Krieg  nicht  wolle.  General  Boulanger  vermeide  es,  die  Departe- 
ments zu  nennen,  wo  die  Mobilisierung  stattfinde,  weil  er  von  dort 
einen  großen  Widerstand  erwarte. 

Herr  Flourens  ließ  durchblicken,  daß  er  und  mehrere  seiner 
Kollegen  hofften,  Boulanger  loszuwerden,  wenn  der  Gesetzentwurf  fallen 
sollte.  Ich  fürchte,  daß  er  sich  dabei  täuscht,  weil  Boulanger,  selbst 
wenn  sein  Antrag  fiele,  doch  schwerlich  abgehen  würde  und  am  Amte 
hängt,  so  lange  er  irgend  kann. 

Der  Gesetzentwurf  selbst  wird  erst  in  diesen  Tagen  im  Druck 
erscheinen,  und  werde  ich  nicht  verfehlen,  denselben  einzusenden,  sobald 
er  erscheint.  Münster 

Nr.  1266 

Aufzeichnung  des  Unterstaatssekretärs  im  Auswärtigen  Amt 
Grafen  von  Berchem 

Reinschrift 

BerHn,  den  16.  Mai  1887 

Auf  Bestimmung  des  Herrn  Reichskanzlers  soll  dem  Grafen  Münster 
geschrieben  werden,  wir  wünschten  über  den  Verlauf  der  französischen 
Ministerkrisis*  informiert  zu  werden,  wir  hätten  gewisse  Gesetze  in  Aus- 
sicht genommen  über  das  Kundschafterwesen**  und  warteten,  um  da- 


*  Am  17.  Mai  erfolgte  der  Sturz  des  Kabinetts  Goblet;  es  wurde  Ende  des  Monats 
durch  das  Kabinett  Rouvier  ersetzt,  in  das  Flourens  von  neuem  als  Minister  des 
Auswärtigen  eintrat,  während  General  Boulanger  als  Kriegsminister  ausschied. 
**  Der  Erlaß  eines  solchen  Gesetzes  war  nur  eine  natürliche  Folge  des  von  dem 
General  Boulanger  im  März  1886  eingebrachten  und  von  der  Deputiertenkammer 
und  dem  Senat  im  April  ohne  Debatte  angenommenen  französischen  Gesetzes  über 
die  Spionage.  Zu  einem  solchen  Gesetz  lag  auf  deutscher  Seite  um  so  mehr  An- 
laß vor,  als  gerade  seit  1886  eine  ganze  Reihe  von  Hochverratsprozessen  in  Deutsch- 
land (Prozeß  Kraszewski-Hentsch,  Jansen,  Sarauw-Hansen)  mit  Gewißheit  ergeben 

190 


mit  die  französischen  Minister  nicht  zu  stören,  und  um  auf  die  Krisis 
unsererseits  nicht  einzuwirken,  weil  bei  der  Vorlage  des  Gesetzes  viel- 
leicht viel  unangenehme  Redensarten  fallen  würden.  Allzulange  könnten 
wir  nicht  warten. 

Seine  Durchlaucht  hat  mich  ferner  beauftragt,  wenn  der  Bot- 
schafter Herbette  mich  besucht,  dessen  voraussichtlich  friedliche  Äuße- 
rungen friedlich  und  versöhnlich  zu  erwidern ;  wir  betätigten  unsere 
friedhche  Haltung  auch  dadurch,  daß  wir  dem  Fall  Schnäbele  gegen- 
über unsere  Gesetzgebung  ändern  müßten ;  wir  warteten  damit  nur, 
um  Frankreich  in  seiner  Ministerkrisis  nicht  zu  genieren.  Dies  sei 
eine  Reform,  die  dem  General  Boulanger  gegenüber  unentbehrlich  sei, 
nachdem  derselbe  mit  verstärkten  Kräften  dieses  herausfordernde  Kund- 
schafterwesen fortsetze.  Wir  würden  daher  dasselbe  Gesetz  wie  Frank- 
reich, ein  Gesetz  „Boulanger"  machen. 

Auf  Vorlage  des  bei  den  Akten  befindlichen  Gutachtens  des  Feld- 
marschalls Grafen  Moltke  über  die  beabsichtigte  französische  Mobili- 
sierung hat  Seine  Durchlaucht  bestimmt,  daß  von  einer  Befragung  des 
Kriegsministers  über  deutsche  Gegenmaßnahmen  vorläufig  abgesehen 
werden  soll*.  Berchem 

Nr.  1267 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  178  Paris,  den  18.  Mai  1887 

pp.  In  der  „Autorite*'  teilt  Paul  de  Cassagnac  in  der  ihm  ge- 
läufigen offenen  Sprache  heute  mit,  der  Kammer  sei  vor  einigen  Tagen  zu 
ihrem   heilsamen   Schrecken   bekannt  geworden,    Goblet   habe   in    der 

hatte,  daß  Frankreich  nicht  ohne  Erfolg  Deutschland  mit  einem  Netz  von  Spionen 
zu  überziehen  suchte.  In  einem  Erlaß  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bis- 
marck an  den  Geschäftsträger  Grafen  von  Leyden  vom  28.  April  1887  heißt  es 
darüber:  „Wenn  die  Stimmung  in  Frankreich  durch  diesen  Vorfall  —  gemeint  ist 
der  Fall  Schnäbele  —  ungewöhnlich  erregt  ist,  so  ist  es  die  in  Deutschland 
bereits  seit  Jahren  in  weit  höherem  Maße,  seitdem  durch  vier  große  Landes- 
verratsprozesse gerichtlich  das  gegen  das  Reich  gerichtete  französische  Spionage- 
system enthüllt  worden  ist.  Die  Erregung  ist  bei  uns  um  so  mehr  begründet,  als 
es  festzustehen  scheint,  daß  Schnäbele  mit  den  im  Prozeß  Jansen  verwickelten 
Personen  in  Beziehung  gestanden  hat,  und  das  Spionieren  und  Agitieren  im  Elsaß 
durch  Grenzbeamte,  welche  auf  das  Vertrauen  der  diesseitigen  Behörden  ange- 
wiesen sind,  von  der  französischen  Regierung  betrieben  wird.'' 
*  Graf  Münster  wurde  auf  Grund  der  Bismarckschen  Direktiven  vom  16.  Mai 
durch  Erlaß  Nr.  167  vom  17.  Mai  instruiert.  An  demselben  17.  Mai  hatte  Unter- 
staatssekretär Graf  von  Berchem  eine  Unterredung  mit  dem  Botschafter  Her- 
bette, in  der  laut  einer  Aufzeichnung  vom  gleichen  Tage  ebenfalls  die  Probe- 
mobilmachung zur  Sprache  kam:  „Der  Botschafter  beklagte  sich  über  das  Auf- 
sehen, welches  die  beabsichtigte  Mobilisierung  eines  Armeekorps  in  unserer  Presse 
hervorrufe,  und  behauptete,  dies  sei  um  so  unverständlicher,  als  wir  an  der  Grenze 
um   ein  Vielfaches   stärker  seien,   wie   die  an  unserer  Grenze   echelonierten   fran- 

191 


Angelegenheit  „Schnäbele"  vollständig  den  Kopf  verloren  und  auf 
Drängen  Boulangers  den  französischen  Botschafter  in  Berlin  abberufen 
und  50000  Mann  an  die  Grenze  werfen  wollen.  Er  sei  davon  nur  mit 
Mühe  von  drei  besonnenen  Kollegen  zurückgehalten  worden*. 

Diese  Enthüllungen  stimmen  mit  dem  überein,  was  Flourens  gestern 
einem  Journalisten  sagte:  Er  trete  ungern,  aber  mit  dem  erhebenden  Be- 
wußtsein von  seinem  Posten  zurück,  während  seiner  kurzen  Amtszeit 
zweimal  verhindert  zu  haben**,  daß  das  Haar  zerschnitten  wurde,  an 
dem  die  friedlichen  Beziehungen  zwischen  Deutschland  und  Frankreich 
hingen,   pp.  Münster 

Nr.  1268 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 

an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept 
Nr.  178  Berlin,  den  3.  Juni  1887 

[abgegangen  am  7.  Juni] 
Mit  Bezug  auf  den  Erlaß  Nr.  167  vom  17.  v.  Mts.***  und  die  be- 
endete Ministerkrisis  teile  ich  Ew.  pp.  ergebenst  mit,  daß  wir  über  das 

zösischen  Truppen.  Ich  habe  auftragsgemäß  dem  Botschafter  bemerkt,  daß  wir 
der  französischen  Regierung  im  derzeitigen  Augenblick  der  Ministerkrisis  keine 
Schwierigkeit  bereiten  wollten  und  uns  vorbehielten,  die  Sache  später  zu  prüfen, 
wenn  nähere   Details  über  diese   Mobilisierung  vorliegen   werden." 

Das  im  Text  angezogene  Gutachten  des  Generalfeldmarschalls  Grafen  von 
Moltke  „Bemerkungen  zu  dem  in  Frankreich  beabsichtigten  Mobilmachungsversuch" 
ist  vom  11.  November  18S6;  es  l<onstatiert  die  Notwendiglteit,  erst  einmal  festzustellen, 
ev.  durch  direkte  Anfrage  bei  der  französischen  Regierung,  welcher  Art  die  geplante 
Mobilisierung  sein  solle.  Nur  wenn  die  Mobilisierung  in  der  Form  kompletter 
Aufstellung  schlagfertiger  Formationen  an  der  östlichen  Grenze  beabsichtigt  sein 
sollte,  würden  Gegenmaßregeln,  dann  aber  auch  die  ernstesten,  zu  ergreifen  sein. 
*  Ende  Oktober  wurde  in  der  französischen  Presse  bestätigt,  daß  der  französische 
Ministerrat  im  April  wirklich  die  Frage  der  Mobilmachung  ernstlich  erwogen 
und  über  ein  an  Deutschland  zu  richtendes  Ultimatum  abgestimmt  habe,  wobei 
sich  u.  a.  der  Ministerpräsident  Goblet  und  General  Boulanger  für,  der  Präsi- 
dent Grevy  und  der  Minister  des  Auswärtigen  Flourens  mit  aller  Entschiedenheit 
gegen  das  Ultimatum  eingesetzt  hätten.  Nach  den  Äußerungen  Grevys  und  Flou- 
rens' zu  dem  Botschafter  Graf  Münster  (Nr.  1265  und  1275)  wird  man  diese  An- 
gaben für  authentisch  halten  dürfen.  Auch  stimmt  damit  die  Äußerung  überein, 
die  nach  G.  Pages  (Rapport  de  la  Commission  d'Enquete  sur  les  faits  de  la  Guerre 
Vol.  I  11919],  p.  233f.)  Goblet  zu  dem  nach  Paris  berufenen  Botschafter  Herbette 
getan  hat:  „L'incident  est  clos,  soit!  Mais  il  eut  ete  peut-etre  preferable  d'en  finir 
par  la  guerre  avec  toutes  ces  querelles  d'Allemands".  Später  hat  bekanntlich 
Boulanger  in  seinem  Manifest  vom  6.  August  1889  ausdrücklich  zugestanden, 
daß  Frankreich  niemals  dem  Kriege  näher  gewesen  sei,  als  zur  Zeit  des  Schnäbele- 
Falls.  Das  von  Anfang  an  entgegenkommende  Verhalten  Deutschlands  beweist, 
daß,  wenn  es  wegen  dieses  Falles  zum  Kriege  gekommen  wäre,  die  Schuld  nicht 
an  der  deutschen  Regierung  gelegen  hätte. 

**  Vgl.  die  analogen  Äußerungen  des  Präsidenten  Grevy  zu  dem  deutschen  Bot- 
schafter Grafen  Münster  vom  15.  Juni  1887,  Nr.  1270. 
***  Vgl.  S.  191,  Fußnote  *. 

192 


Zustandekommen  des  neuen  Ministerium  ohne  die  Mitgliedschaft  des 
Generals  Boulanger  erfreut  sind.  Wir  betrachten  es  als  friedliches  An- 
zeichen, daß  es  Herrn  Rouvier  und  seinen  Kollegen  gelungen  ist, 
diesen  den  Frieden  gefährdenden  Hetzer  abzuschütteln.  Unter  diesem 
Eindruck  haben  wir  einstweilen  einen  unter  dem  Druck  der  Boulanger- 
schen  Spionagewirtschaft  zur  Vorlage  gereiften  und  nach  dem  französi- 
schen Vorbilde  ausgearbeiteten  Gesetzentwurf  über  die  Spionage  und 
die  anderen  in  Aussicht  genommenen  Vorkehrungen  gegen  die  Ver- 
leitung  zum    Landesverrat   zurückgestellt*. 

Wir  rechnen  dabei  auf  eine  Änderung  des  französischen  Systems, 
wie  es  unter  General  Boulanger  betrieben  worden  ist,  und  durch  welches 
sowohl  elsässische  Beamte  zum  Treubruch  verführt,  als  auch  Agenten 
des  Obersten  Vincent  als  Grenzbeamte  angestellt  und  angewiesen  wor- 
den sind,  dienstlich  über  die  Ergebnisse  ihrer  Auskundschaftung  zu 
berichten,   so  daß   dadurch  Skandalprozesse   entstanden. 

Sollten  wir  uns  hierin  täuschen,  und  eine  Änderung  dieses  Systems 
nicht  stattfinden,  so  würden  wir  allerdings  auf  die  vorbereiteten  stren- 
geren Gesetze  zurückgreifen  müssen. 

Ich  ersuche  Ew.  pp.  ergebenst,  sich  im  Sinne  der  vorstehenden 
Gesichtspunkte  Herrn  Flourens  gegenüber  vertraulich  und  freundlich 
zu  äußern  und  hervorzuheben,  daß  wir  bemüht  sein  werden,  dem  neuen 
Ministerium  die  Führung  der  Geschäfte  in  der  Hoffnung  und  An- 
nahme zu  erleichtern,  daß  dem  völkerrechtswidrigen  Treiben,  wie  es 
unter  General  Boulanger  bestand,  ein  Ziel  gesetzt  werde. 

H.  Bismarck 

Nr.  1269 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck 

Reinschrift 

Berlin,  den  8.  Juni  1887 
Der  französische  Botschafter  brachte  bei  seinem  gestrigen  Besuche 
wiederholt  die  englisch-türkische  Konvention  bezüglich  Ägyptens**  zur 
Sprache  und  fragte,  ob  wir  bereits  Stellung  dazu  genommen  hätten. 
Ich  erwiderte  darauf,  daß,  wie  ich  ihm  bereits  vor  acht  Tagen  gesagt 
hätte,  für  uns  keine  Veranlassung  vorläge,  uns  mit  dem  Studium  der 
ganzen  Materie  sehr  zu  beeilen,  solange  die  englische  Regierung  den 

*  In  dem  gleichen  Sinne  hatte  sich  Unterstaatssekretär  Graf  von  Berchem  schon 
am  17.  Mai  gegenüber  dem  Botschafter  Herbette  geäußert.  In  einer  Aufzeich- 
nung des  Unterstaatssekretärs  vom  gleichen  Tage  heißt  es  darüber:  „Herr  Her- 
bette schien  wenig  angenehm  hiervon  —  d.  h.  von  der  Vorbereitung  eines  deut- 
schen Spionagegesetzes  —  berührt  zu  sein,  behauptete,  daß  man  von  dem  Bou- 
langerschen  Spionagegesetze  in  Frankreich  keinen  genügenden  Gebrauch  mache, 
er  war  aber  so  gütig  zuzugestehen,  daß  unser  Recht  zur  Erlassung  eines  analogen 
Gesetzes  unanfechtbar  sei". 
**  Vgl.  Bd.  IV,  S.  174,  Fußnote. 

13    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  193 


Text  der  Konvention  nicht  offiziell  an  die  Kabinette  mitgeteilt  hätte. 
Soviel  ich  wisse,  beabsichtige  Lord  Salisbury  dies  erst  nach  erfolgter 
Ratifikation  zu  tun. 

Unsere  Stellung  zu  der  Frage  wäre  sehr  einfach:  wir  beabsich- 
tigten nicht,  England  in  Ägypten  irgendwelche  Schwierigkeiten  zu  be- 
reiten und  würden  unsere  politische  Haltung  hiernach  einrichten. 

Herr  Herbette  bemerkte  hierzu,  daß  die  französische  Regierung 
sich  von  demselben  Gedanken  leiten  Heße:  auch  sie  wünsche  durchaus 
nicht,  de  creer  des  embarras  ä  l'Angleterre;  sie  wolle  trotz  der  be- 
deutenden in  Ägypten  engagierten  französischen  Interessen  für  sich 
dort  durchaus  keine  besondere  Stellung  beanspruchen;  sie  müsse  aber 
wünschen,  daß  auch  keine  andere  Macht  sich  irgendeine  Bevorzugung 
in  Ägypten  sichere  und  ihr  Bestreben  i  ginge  daher  dahin,  die  ägyptische 
Frage  wieder  auf  den  europäischen  Boden  zu  stellen. 

Ich  erklärte  dem  Botschafter  hier,  daß  unsere  beiderseitigen  Ab- 
sichten und  Anschauungen  bezüglich  der  im  vorliegenden  Falle  ein- 
zunehmenden Haltung  sich  doch  wesentlich  zu  unterscheiden  schienen: 
wenn  ich  vorher  gesagt  hätte,  daß  wir  England  in  Ägypten  nicht  ent- 
gegentreten wollten,  so  hieße  das,  daß  wir  ihm  überlassen  wollten,  sich 
mit  dem  Sultan  zu  einigen  et  de  regier  la  question  egyptienne  comme 
eile  l'entend. 

Als  Herr  Herbette  nach  dieser  meiner  Äußerung  Zeichen  von  Miß- 
vergnügen von  sich  gab  und  mir  sagte,  er  hätte  gehofft,  daß  Frank- 
reich jetzt,  nachdem  es  ein  besonnenes  und  friedliches  Ministerium 
hätte  2,  bei  uns  einiges  Entgegenkommen  finden  würde,  um  Berührungs- 
punkte für  eine  gemeinsame  Politik  3  zu  finden,  und  dabei  hinzusetzte, 
daß  Frankreich  ja  gar  keinen  Vorteil*  von  seinem  für  uns  doch  be- 
friedigenden Ministerwechsel  hätte  5,  wenn  wir  uns  nach  wie  vor  in 
einer  für  Frankreich  so  wichtigen  Frage  ablehnend  verhalten  wollten, 
erwiderte  ich  ihm,  daß  unsere  Haltung  sich  nach  den  Beziehungen 
richten  müsse,  in  welchen  wir  mit  den  verschiedenen  Mächten  ständen. 
Mit  England  wären  wir  auf  freundschaftlichem  Fuße,  und  wir  müßten 
umsomehr  darauf  bedacht  sein,  dieses  gute  Verhältnis  zu  pflegen,  als 
wir  nach  den  Erfahrungen  der  letzten  16  Jahre  auf  Wohlwollen  und 
Annäherung  an  Frankreich  leider  nicht  zu  rechnen  hätten.  Wir  wären 
lange  Zeit  hindurch  bemüht  gewesen,  Anknüpfungspunkte  zu  schaffen, 
um  die  deutsch-französischen  Beziehungen  besser  zu  gestalten,  hätten 
dafür  aber  keinerlei  Dank  oder  Anerkennung^  von  Frankreich  geerntet: 
ich  brauchte  nur  die  Namen  Tunis,  Tonking,  Madagaskar  zu  nennen 
und  an  den  Ausgang  des  chinesischen  Krieges  zu  erinnern:  alle  diese 
Namen  bezeichneten  ebenso  viel  gute  Dienste,  die  wir  Frankreich  in 
der  Hoffnung  geleistet  hätten,  daß  die  Franzosen  schließlich  einsehen 
würden,  wie  sie  größere  Interessen  auf  der  Welt  hätten,  als  die  Wieder- 
eroberung des  Elsasses,  bei  deren  Verfolgung  unsere  Unterstützung 
ihnen  von  Nutzen  sein  könnte.   Die  Erwartung,  daß  die  loyale  Haltung, 

194 


welche  wir  seit  dem  Abschluß  des  Krieges  Frankreich  gegenüber  be- 
obachtet hätten,  dazu  führen  würde,  den  Chauvinismus  zu  mindern 
und  das  Revanchegeschrei  schließlich  verstummen  zu  lassen,  habe  sich 
aber  nicht  erfüllt.  Niemals  sei  die  französische  öffentliche  Meinung  und 
gesamte  Presse  mit  so  bitterer  Feindseligkeit  gegen  Deutschland  auf- 
getreten, als  während  der  letzten  12  Monate.  Wir  hätten  uns  deshalb 
der  Einsicht  nicht  länger  verschHeßen  können,  daß  unser  gesamtes 
Bestreben,  aufrichtige  und  vertrauensvolle  Beziehungen  mit  Frankreich 
anzubahnen,  verlorene  Liebesmüh  gewesen  sei,  und  wenn  Herr  Herbette 
sich  jetzt  beklage,  daß  wir  den  französischen  Anregungen  bezüglich 
einer  anti-englischen  Haltung  in  Ägypten  nicht  entsprechen  wollten,  so 
müsse  er  deswegen  seine  eigenen  Landsleute  zur  Verantwortung  ziehen. 

Der  Botschafter  suchte  meinen  Ausführungen  mit  allen  möglichen 
Protestationen  entgegenzutreten.  Zunächst  behauptete  er,  man  könne 
doch  nicht  sagen,  daß  wir  schon  16  Jahre  lang^  bemüht  gewesen  seien, 
Frankreich  in  anderen  Weltteilen  Dienste  zu  erweisen,  denn  vor  16 
Jahren  sei  ja  doch  kaum  der  Krieg  zu  Ende  gewesen.  Die  jetzige 
Lage  habe  eine  große  Analogie  mit  der  von  1875,  wo  Frankreich 
sich  auch  bedroht  geglaubt  habe.  Er  könne  mir  seinerseits  versichern, 
daß  seit  seinem  Amtsantritt  in  Berlin  kein  Wechsel  in  den  friedlichen 
Anschauungen  der  französischen  Regierung  eingetreten  sei:  wäre  dies 
der  Fall  gewesen,  so  würde  er  seinen  Posten  alsbald  verlassen  haben. 
Die  ganze  Erregung  des  letzten  Winters  sei  doch  hauptsächlich  darauf 
zurückzuführen,  daß  wir  einen  ungebärdigen  Reichstag  gehabt  hätten, 
welcher  der  von  der  Regierung  gewünschten  Armeevermehrung  wider- 
strebt, und  daß  dies  zu  der  letzten  Wahlkampagne  geführt  hätte,  in 
welcher  die  Wogen  der  öffentHchen  Meinung  und  Publizistik  besonders 
hoch  gegangen  wären. 

Ich  griff  zunächst  die  letzte  Äußerung  des  Botschafters  auf,  um 
ihm  zu  sagen,  daß  unsere  Armeeverstärkung,  welche  wegen  ihrer 
Kostspiehgkeit  von  der  Regierung  nur  sehr  ungern  beantragt  worden 
wäre,  doch  nur  die  notwendige  Folge  der  fortwährenden  franzö- 
sischen Rüstungen  gewesen  sei  9;  ich  wolle  auf  militärische  Details 
hier  nicht  eingehen,  sondern  nur  die  großen  Summen  hervorheben, 
welche  Frankreich  besonders  in  den  letzten  Jahren  auf  seine  Armee 
verwendet  hätte:  das  französische  Armeebudget  sei  viel  größer  als  das 
unsrige  und  die  französische  Armee  zahlreicher  als  die  deutsche.  Diese 
Tatsache  spräche  für  sich  selbst. 

Was  dann  die  Reminiszenz  von  1875  beträfe,  so  könnte  ich  die 
einzige  Analogie  mit  der  heutigen  Lage  darin  finden,  daß  wir  jetzt 
ebensowenig  wie  damals  die  Absicht  gehabt  hätten,  Frankreich  an- 
zugreifen. Die  Sache  habe  aber  im  Jahre  1875  insofern  ganz  anders 
gelegen,  als  damals  die  französischen  Militärs  und  Boulevardiers  wirk- 
lich noch  von  ihrer  Inferiorität  überzeugt  waren,  während  dieselben 
heut  nach  zwölfjähriger  Verstärkung  und  Ausbildung  der  Armee  sich 

13'  195 


uns  vollkommen  gewachsen  hielten.  Wenn  die  französische  Regierung 
im  Jahre  1875  sich  mit  erheuchelter  Besorgnis  an  den  Kaiser  von  Ruß- 
land gewandt  hätte,  so  mache  jetzt  nicht  nur  die  französische  Regierung, 
sondern  die  gesamte  französische  Presse  den  deutsch-feindUchen  Pan- 
slawisten  und  ihren  Organen  in  Rußland  derartige  Avancen,  daß  dies 
allein  schon  auf  kriegerische  Gelüste  in  Frankreich  schheßen  ließe. 
Herr  Herbette  wußte  auf  meine  Darlegung  nicht  viel  zu  erwidern  und 
meinte  nur,  daß  die  m'amours,  welche  zwischen  Frankreich  und  Rußland 
gewechselt  würden,  mehr  von  letzterem  ausgingen;  Rußland  sei  stets 
bereit,  in  allen  Fragen,  die  Frankreich  interessierten,  sich  ihm  angenehm 
zu  machen  und  sei  gerade  in  letzterer  Zeit  immer  die  erste  Macht  ge- 
wesen, die  sich  bei  verschiedenen  europäischen  Vorkommnissen  sofort 
mit  Empressement  auf  die  französische  Seite  geschlagen  habe^^^:  dies 
müsse  natürlich  in  Frankreich  um  so  tieferen  Eindruck  machen,  je  mehr 
Deutschland  sich  zurückhielte:  Es  sei  hauptsächlich  unserer  kühlen  Ab- 
lehnung jeder  Unterstützung  der  französischen  Pohtik  in  Ägypten  zuzu- 
schreiben, wenn  das  russische  Entgegenkommen  um  so  mehr  hervor- 
trete ii.  „Trotzdem",  fügte  Herr  Herbette,  hinzu,  „gebe  ich  die  Hoffnung 
immer  noch  nicht  auf,  daß  wir  in  der  weitaussehenden  ägyptischen 
Frage  uns  schließUch  mit  Deutschland  verständigen  können."  pp. 

H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
^  Unseres  nicht 
^  wie  lange? 
3  die  haben  wir  16  Jahre  lang  erfolglos  gesucht  u[ndl  gepflegt 

t  ! 

^  doch  den,  daß  sie  Boulanger  los  sind! 

6  [„keinerlei   Dank  oder  Anerkennung"  eingeklammert,  dafür:]   nur  Feindschaft 

verstärkte 
">  seit  10  Jahren  aber 

8  nur  auf  Boulanger 

9  richtig 

^0  u[nd]  vice  versa 

1^  wir  können  in   Frankreich  das  Maaß  von  Wohlwollen  nie  gewinnen,  welches 
für  Verstimmung  mit  England  Ersatz  bieten  könnte. 


Nr.  1270 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  208  Paris,  den  16.  Juni  1887 

Ganz  vertrauHch 

Der  Präsident  der  Republik  hatte  mich  durch  Herrn  Flourens  bitten 
lassen,  ihn  zu  besuchen,  und  so  war  ich  gestern  längere  Zeit  im  Elysee. 

Der  Präsident  empfing  mich  auf  das  allerfreundlichste  und  begann 
sein  Gespräch  damit,  daß  er  sagte,  er  habe  selbst  niemals  an  der  Er- 

196 


Haltung  des  Friedens  gezweifelt,  weil  er  Frieden  wolle  und  darin  einig 
sei  mit  der  großen  Majorität  des  französischen  Volkes.  Er  hoffe,  daß 
aber  jetzt  auch  die  Unruhe,  welche  hier  und  auch  in  Deutschland  in 
letzter  Zeit  nicht  zu  verkennen  gewesen  sei,  aufhören  und  allgemeines 
Vertrauen  bald  wieder  hergestellt  sein  werde.  Er  rechne  mit  Sicher- 
heit auf  einen  ruhigen  Sommer. 

General  Boulanger  sei  als  der  Störenfried  und  Unruhestifter  an- 
gesehen worden,  und  weil  er  das  gewußt,  sei  er,  der  Präsident,  ent- 
schlossen gewesen,  ihn  zu  beseitigen.  Der  Einfluß  und  die  Macht  des 
vorigen  Kriegsministers  sei  sehr  überschätzt  worden,  wie  denn  der 
Einfluß  der  chauvinistischen  Partei,  die  in  Wirklichkeit  sehr  klein 
sei,  für  weit  größer  gehalten  werde,  als  er  sei.  Nachdem  aber  General 
Boulanger  sich  mit  dieser  Partei  eingelassen  und  dadurch  ihre  Be- 
deutung und  Einfluß  vermehrt  habe,  durfte  er  nicht  länger  in  seinem 
wichtigen  Amte  bleiben. 

Die  Bildung  des  Kabinetts  sei  dadurch  erschwert  und  in  die 
Länge  gezogen.  Er  hoffe,  daß  das  jetzige  Ministerium  einige  Zeit  am 
Ruder  bleiben  werde,  verkenne  aber  nicht,  daß  es  fast  unmöglich  sei, 
mit  der  jetzigen  Kammer  auf  sichere  Majoritäten  zu  rechnen. 

Auf  meine  Bemerkung,  daß  unter  solchen  Umständen  eine  Auf- 
lösung der  Kammer  wohl  schwer  zu  vermeiden  sein  werde,  sagte  der 
Präsident,  er  würde  nur  sehr  ungern  zu  diesem  Mittel  schreiten,  weil 
mit  dem  Scrutin  de  liste  niemand  mit  einiger  Sicherheit  auf  das 
Resultat  der  Wahlen  rechnen  könne. 

Es  sei  dieses  Scrutin  de  liste  ein  unglückliches  Vermächtnis  von 
Gambetta.  Dasselbe  habe  sich  gar  nicht  bewährt,  befriedige  keine 
Partei,  und  er  hoffe  sehr,  daß  es  deshalb  möglich  sein  werde,  auf  den 
früheren  Wahlmodus  zurückzugreifen. 

Zu  meiner  Überraschung  sprach  sich  darauf  Herr  Orevy  sehr 
energisch  gegen  das  allgemeine  Stimmrecht  aus.  Das  sei  allerdings 
schwerlich  zu  beseitigen,  er  selbst  würde  aber  sehr  wünschen,  einen  Wahl- 
modus wie  in  Preußen  einzuführen,  den  er  ganz  genau  zu  kennen  schien. 

Der  Präsident  kam  darauf  wieder  auf  die  allgemeine  politische 
Lage  zurück  und  betonte,  daß,  da  Frankreich,  solange  er  Präsident  sei, 
Deutschland  nicht  angreifen  werde,  er  auch  keinen  Angriff  von  Deutsch- 
land erwarte  und  Vertrauen  in  eine  friedliche  Zukunft  habe.  „Ich 
weiß  wohl",  setzte  er  dann  hinzu,  „daß  man  mich  für  einen  alten  Mann 
hält,  der  nicht  eingreift  und  die  Sachen  gehen  läßt:  das  ist  ein  Irrtum, 
ich  habe  das  Steuer  fest  in  der  Hand  und  greife  ein,  wenn  ich  es  für 
Zeit  halte.'' 

Ich  sagte  dem  Präsidenten,  daß  ich  an  seiner  Friedensliebe  und 
Energie  nicht  zweifle,  und  daß  ich  hoffe,  daß  es  ihm  gelingen  werde, 
die  chauvinistischen  Angriffe  auf  Deutsche  und  auch  den  feindlichen 
Ton  der  Presse  zu  mäßigen. 

197 


Er  erwiderte,  leider  sei  das  bei  Lage  der  Gesetzgebung  sehr 
schwierig,  was  aber  die  Regierung  dazu  tun  könne,  werde  geschehen. 

Zu  meiner  Überraschung  bemerkte  der  Präsident,  daß  der  Einfluß 
der  slawischen  Partei  und  ihrer  Rubel  leider  den  Weg  in  die  französische 
Presse  gefunden  haben. 

Der  Präsident  sprach  darauf  mit  merkwürdiger  Offenheit  über 
Rußland,  bemerkte,  daß  dort  die  gefährliche  Wolke  am  politischen  Hori- 
zonte zu  erblicken  sei,  sowohl  wegen  der  inneren  als  auch  der  orienta- 
lischen Verhältnisse.  Für  Frankreich  mache  ihn  das  aber  weniger 
besorgt,  weil  er  fest  entschlossen  sei,  falls  es  wegen  der  orientalischen 
Frage  zu  KompHkationen  mit  Deutschland  und  Österreich  kommen 
sollte,  Frankreich  neutral  zu  halten. 

Ich  bemerkte  darauf,  daß  ich  an  seinem  Einfluß  und  gutem  Willen 
nicht  zweifle,  aber  doch  eine  gewisse  Befürchtung  hege,  daß  in  einem 
solchen  Falle  Frankreich  sich  schwerlich  werde  zurückhalten  lassen,  da 
doch  die  Idee  einer  russisch-französischen  Allianz  und  die  Hoffnung  auf 
Rußlands  Hilfe  ein  fast  allgemeines  Glaubensbekenntnis  zu  sein  scheine. 

Er  bemerkte,  daß  man  vielfach  auf  russische  Hilfe  bei  einem 
Kriege  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  hoffe,  sei  richtig,  selbst 
glaube  er  daran  nicht  und  würde  es  für  den  größten  Fehler  halten, 
wollte  Frankreich  auf  eine  offensive  und  defensive  Allianz  mit  Ruß- 
land sich  einlassen.  Nach  seiner  Überzeugung  würde  Rußland  Frank- 
reich im  entscheidenden  Momente  im  Stiche  lassen. 

Daß  der  Präsident  seine  wirkliche  Meinung  aussprach,  will  ich 
wohl  glauben,  und  insofern  hat  dieses  Gespräch  eine  gewisse  Wichtig- 
keit, obgleich  ich  weit  entfernt  bin,  die  Tragweite  zu  überschätzen. 
Mir  wird  es  aber  nötigenfalls  immer  die  Gelegenheit  geben,  darauf  mich 
zu  berufen. 

Der  Präsident,  der,  wenn  er  öffentlich  oder  in  großen  Gesellschaften 
auftritt,  den  Eindruck  eines  sehr  ermüdeten  Greises  macht,  erscheint 
im  Privatgespräche  ganz  anders  und  spricht  dann  mit  großer  Lebhaftig- 
keit und  sehr  vielem  Verstände.  Münster 

Nr.  1271 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck 

Reinschrift 

Berün,  den  5.  Juli  1887 
Der  französische  Botschafter  richtete  heute  die  Frage  an  mich, 
ob  ich  nicht  befriedigt  darüber  wäre,  daß  die  französische  Presse  sich 
in  letzter  Zeit  weniger  mit  Deutschland  beschäftige  und  Zurückhaltung 
zeige.  Ich  stellte  die  Rückfrage,  ob  der  Botschafter  im  Ernst  gesprochen 
habe;  als  er  dies  mit  Nachdruck  und  einem  Anflug  von  Erstaunen  be- 
jahte, sagte  ich  ihm,  daß  ich  nicht  wisse,  worauf  er  seinen  Eindruck 

198 


gründe,  ich  hätte  eine  Kollektion  der  giftigsten  Hetzartikel  und  illu- 
strierter Schmähgedichte  zur  Hand,  aus  welchen  er  sehen  könnte, 
in  welchem  Tone  man  in  Frankreich  von  allem,  was  deutsch  wäre, 
spräche.  Es  handelte  sich  dabei  nicht  etwa  nur  um  die  lächerliche 
Patriotenliga,  sondern  um  große  französische  Zeitungen  und  um  Ge- 
dichte, welche  von  Schauspielern  eines  staatlich  subventionierten 
Theaters  hergesagt  worden  wären. 

Herr  Herbette  war  wenig  erfreut  über  meine  Entgegnung  und 
suchte  sich  dem  Gewicht  derselben  dadurch  zu  entziehen,  daß  er 
erklärte,  wir  legten  viel  zu  viel  Gewicht  auf  die  Presse  i;  selbst  die 
größeren  französischen  Zeitungen,  die  ich  angeführt  habe,  hätten  doch 
höchstens  einen  Leserkreis  (nicht  etwa  einen  Abonnentenkreis)  von 
20000;  bei  der  Presse  handelte  es  sich  immer  darum,  Eindruck  hervor- 
zurufen, um  mehr  Exemplare  abzusetzen,  und  nebenher  um  Angriffe 
auf  die  bestehende  Regierung. 

Die  Majorität  des  französischen  Volkes  würde  aber  ganz  falsch 
von  uns  beurteilt,  sie  sei  die  friedhebendste  der  Welt, 

Ich  erklärte  dem  französischen  Botschafter,  daß  ich  bei  meiner 
Befürchtung,  er  sei  in  einem  Irrtum  über  seine  Landsleute  begriffen, 
stehen  bleiben  müsse.  Ich  erinnerte  ihn  an  die  Phasen  von  besseren 
Beziehungen,  welche  wir  innerhalb  der  letzten  16  Jahre  mit  Frank- 
reich durchgemacht  hätten,  und  die  niemals  von  längerer  Dauer  ge- 
wesen wären:  solange  es  in  Frankreich  möglich  sei,  daß  jede  Partei, 
welche  fühle,  daß  sie  an  Prestige  verlöre,  und  daß  ihr  der  Boden  unter 
den  Füßen  schwände,  nur  die  große  Revanchetrommel  zu  rühren  und 
kräftig  auf  Deutschland  zu  schimpfen  brauche,  um  wieder  in  die  Höhe 
zu  kommen,  könnte  ich  an  die  angebhche  französische  Friedensliebe 
nicht  glauben. 

Der  Botschafter  sagte,  er  bedaure,  daß  seine  Regierung  sowenig 
Handhaben  gegen  die  Presse  habe;  er  selbst  täte  alles  dazu,  um  die 
Wogen  der  gegenseitigen  Verhetzung  zu  glätten,  leider  höre  man  auf 
ihn  aber  nicht  viel,  weil  wir  nicht  dazu  beitrügen,  ihm  seiner  Regierung 
gegenüber  eine  Achtung  gebietende  Stellung  zu  machen  2.  Wenn  er 
hier  niemals  etwas  erreiche,  so  könne  er  zu  Haus  auch  keinen  Ein- 
fluß haben. 

Ich  bemerkte  dazu,  daß  wir  uns  bei  dem  Fall  Schnäbele  so  ruhig 
und  entgegenkommend  wie  möglich  benommen  hätten;  trotzdem  sei 
uns  nach  seiner  Erledigung  von  der  ganzen  französischen  chauvinisti- 
schen Presse  la  lächete  de  la  brutalite  vorgeworfen. 

Herr  Herbette  wiegte  sich  auf  seinem  Stuhl  hin  und  her  und 
erklärte,  ich  erschwerte  ihm  die  Diskussion,  wenn  ich  immer  ganz 
Frankreich  für  das  Tun  und  Treiben  einer  verschwindenden  Minorität 
verantwortlich  machen  wollte.  Ich  erwiderte  darauf:  „Nach  meiner 
Überzeugung  und  nach  allem,  was  wir  hören  und  lesen,  wird  das  von 
Ihnen  als  so  ruhig  gepriesene  französische  Volk  immer  bereit  sein,  sich 

199 


fortreißen  zu  lassen,  sobald  es  von  energischen  Leuten  auf  Deutschland 
gehetzt  wird;  wenn  wir  zu  vertrauensvollen  Beziehungen  zu  Frank- 
reich so  schwer  gelangen  können,  so  trägt  die  Schuld  daran  unsere 
durch  das  fortgesetzte  Hetzen  hervorgerufene  Überzeugung,  daß  Sie 
bloß  auf  den  Moment  lauern,  uns  den  Dolch  von  hinten  in  den  Rücken 
zu  stoßen,  sobald  Sie  uns  für  wehrlos  oder  in  der  Front  für  engagiert 
halten."  Bei  diesen  Worten  sprang  Herr  Herbette  mit  Vehemenz  von 
seinem  Stuhl  auf  und  protestierte  mit  lauter  Stimme  gegen  eine  solche 
„UngeheuerHchkeit" :  er  vergaß,  sich  wieder  zu  setzen,  ging  im  Zimmer 
auf  und  ab  und  blieb  während  der  nächsten  5 — 6  Minuten  stehen, 
die  er  noch  in  meinem  Zimmer  verweilte.  Er  wurde  schließlich  ganz 
inständig  in  seinen  Bitten,  daß  ich  endlich  von  Befürchtungen,  die 
„nicht  begründet  seien*',  ablassen  möchte.  Ich  erwiderte,  daß  es  ledig- 
lich an  Frankreich  läge,  endlich  einmal  eine  Haltung  zu  beobachten, 
welche  uns  beweisen  könnte,  daß  wir  nicht  jederzeit  auf  alle  möglichen 
Feindseligkeiten  gefaßt  sein  müßten:  jeder  Deutschredende  sei  in  Frank- 
reich Gefahren  ausgesetzt.  Auf  die  Dummen  und  Ungebildeten  im 
Volk,  welche  die  große  Mehrzahl  bildeten,  wirkten  die  gratis  ver- 
triebenen Druckschriften  mit  dem  Motto  „pourchasser  —  les"  und  „sus 
aux  Allemands".  Herbette  fragte,  „wer  soll  das  denn  jetzt  bezahlen, 
wo  Boulanger  nicht  mehr  über  die  geheimen  Fonds  verfügt?" 

Ich  erwiderte,  daß  letztere  wohl  doch  in  gewohnte  Kanäle  gingen 
und  von  außen  befruchtet  würden. 

Herbette  schwieg  hierauf  und  sagte  mir  beim  Weggehn  mit  einem 
Anflug  von  Rührung:  „Es  leben  doch  über  25000  Deutsche  in  Paris, 
die  dort  ihr  Brot  verdienen:  wäre  es  so  schlecht,  wie  Sie  meinen,  so 
würden  diese  weggehen:  der  ganze  jetzige  Lärm  ist  nur  das  Nach- 
wehen der  Boulangerschen  Zeit,  es  wird  bald  besser  werden:  je  Vous 
assure  que  nous  remontons  le  courant."  H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Er  rühmt  sie. 

-  würde  schwer  sein! 

Nr.  1272 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept 
Nr.  214  Berlin,  den  6.  JuH  1887 

[abgegangen  am  12.  Juli] 
Im  Anschluß  an  den  Erlaß  Nr.  211*  vom  4.  d.  Mts.  erwidere  ich 
Ew.  pp.  auf  den  gefälligen  Bericht  vom  2.  desselben  Monats  ergebenst, 

*  Der  Erlaß  Nr.  211  vom  4.  Juli  hatte  den  Botschafter  Graf  Münster  ermächtigt, 
emzelne  Fälle  von  Deutschenhetze,  welche  zu  seiner  Kenntnis  kämen,  bei  der 
französischen  Regierung  zur  Sprache  zu  bringen;  doch  sollte  von  Beschwerden 
genereller  Art  Abstand  genommen  werden. 

200 


daß  der  Herr  Reichskanzler  Ew.  pp.  ersuchen  läßt,  Reklamationen 
w€gen  Deutschenhetze  ganz  zu  unterlassen  und  auf  den  Minister  Flou- 
rens  keinen  Druck  auszuüben.  Der  Haß  der  Franzosen  gegen  Deutsch- 
land ist  schon  lange  vor  dem  gegenwärtigen  Ministerium  vorbereitet 
worden.  Das  letztere  würde  geschwächt  werden,  wenn  wir  es  zu  sehr 
drängen  wollten,  in  solchen  Fällen  Repression  zu  üben,  die  wir  unter 
früheren  Ministerien  duldeten,  weil  sie  mehr  ein  pathologisches,  als 
ein  politisches  Interesse  geboten  haben.  Würde  von  den  Faktoren, 
welche  in  Frankreich  die  öffentliche  Meinung  bilden  und  beeinflussen, 
gemerkt  werden,  daß  die  deutsche  Regierung  durch  ihre  Anträge  auf 
Remedur  den  chauvinistischen  Vorgängen  eine  gewisse  Wichtigkeit 
beimißt,  so  steht  von  dem  Idiotismus  der  Franzosen  zu  befürchten, 
daß  sich  diese  Vorgänge  vermehren,  und  daß  sie  einen  höheren  Grad 
von  Bedeutung  gewinnen,  als  sie  in  Wirklichkeit  besitzen.  Wir  werden 
am  besten  tun,  das  Pariser  Irrenhausgebaren  seinen  Weg  unbehindert 
weitergehn  zu  lassen. 

H.  Bismarck 

Nr.  1273 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt 
Grafen  zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Friedrichsruh 

Eigenhändig 

Friedrichsruh,  den  9.  Juli  1887 
Der  Herr  Reichskanzler  bittet,  dem  Grafen  Münster  zu  schreiben, 
er  möchte  über  den  französischen  Mobilmachungsversuch  nichts  reden 
und  nichts  tun*.  Wenn  der  Versuch  sich  in  der  Tat  auf  die  Mobil- 
machung eines  Korps  beschränkte  und  nicht  gerade  an  der  Grenze  statt- 
fände, so  wäre  Seine  Durchlaucht  der  Ansicht,  daß  wir  die  Franzosen 
ruhig  ihr  Geld  totschlagen  ließen,  und  er  würde  diese  Ansicht  auch 
eventuell  bei  Seiner  Majestät  vertreten.  Es  w^äre  aber  andrerseits  auch 
nicht  nützlich,  dies  den  französischen  Ministern  vorher  zu  sagen,  weil 
sie  sonst  möglicherweise  größere  Exzesse  glaubten  straflos  begehen 
zu  können. 

Allerdings  wäre  es  richtig,  daß  die  Mobilmachung  fern  von  der 
Grenze  momentan  eine  größere  Verstärkung  bedeutete,  als  wenn  die 
Mobilmachung  an  der  Grenze  stattfände,  weil  hier  die  Präsenzstärke 
an  sich  schon  höher  wäre.  Aber  Seine  Durchlaucht  wäre  nicht  der 
Meinung,  daß  wir  uns  dadurch  zu  analogen  Kosten  sollten  verleiten 
lassen. 


*  Die   im   Mai   beschlossene  französische   Probemobilmachung   eines  Armeekorps 

erfolgte  erst  im  September.  Da  sie  fern  von  der  Grenze  stattfand  —  es  wurde 

dafür    das    17.  Armeekorps  (Toulouse)    gewählt    — ,    konnte    sie    deutscherseits 
ignoriert  werden. 


201 


Wenn  wir  wirklich  Frankreich  überfallen  wollten,  so  wäre  aller- 
dings der  Moment,  wo  die  Franzosen  sich  den  Luxus  einer  partiellen 
Mobilmachung  erlaubten,  hierzu  ein  sehr  günstiger,  da  ihre  Haupt- 
mobilmachung dadurch  ohne  Zweifel  erschwert  würde.  Aber  mit  Zu- 
stimmung des  Herrn  Reichskanzlers  würde  ein  Überfall  Frankreichs 
nicht  geschehen;  er  wäre  dafür,  daß  wir  den  Angriff  unter  allen  Um- 
ständen abwarteten  und  uns  durch  keine  Provokationen  in  diesem 
Entschlüsse  irremachen  ließen,  wohl  aber  uns  in  unserem  Verhalten 
diesseits  der  französischen  Grenze  nicht  daran  kehrten,  ob  wir  die 
ohnehin  an  das  Irrenhaus  streifende  Deutschfeindlichkeit  der  Franzosen 
noch  steigerten  oder  nicht.  C.  Rantzau 

Nr.  1274 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept 

Nr.  222  Berlin,  den  11.  Juli  1887 

[abgegangen  am  12.  Juli] 

Ew,  pp.  übersende  ich  ergebenst  beifolgend  Ausschnitte  aus  den 
Nummern  373—378  der  hiesigen  „Nationalzeitung"  über  den  Landes- 
verratsprozeß wider  Klein,  sowie  Abschrift  des  bezüglichen  gerichtlichen 
Erkenntnisses,  mit  dem  Ersuchen,  beide,  nebst  dem  weiter  beigefügten 
Artikel  der  genannten  Zeitung  „Frankreich  und  der  Leipziger  Prozeß" 
dem  dortigen  Herrn  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten  ver- 
traulich zu  übergeben*. 

Bei  diesem  Anlaß  wollen  Sie  Herrn  Flourens  gegenüber  die  Hoff- 
nung aussprechen,  daß  er  aus  diesen  Berichten  die  Überzeugung 
schöpfen  werde,  wie  es  sich  in  dem  vorgenannten  Prozeß  nicht, 
wie  die  „Republique  Frangaise"  ohne  jeden  Grund  behauptet,  um  einen 
Roman  des  Oberreichsanwalts  Tessendorff  handele. 

Gleichzeitig  wollen  Ew.  pp.  in  freundlicher  Weise  Herrn  Flourens 
bemerken,  daß  diese  Mitteilung  keineswegs  in  dem  Sinne  erfolge,  um 
eine  Beschwerde  gegen  das  derzeitige  Kabinett  zu  formulieren.  Es 
liegt  in  keiner  Weise  in  unserer  Absicht,  und  wir  sind  weit  davon 
entfernt,  die  Aufgabe  desselben  erschweren  zu  wollen.  Durch  die 
vertrauliche  Mitteilung  der  bezüglichen  Veröffenthchung  wollten  wir 
vielmehr  Herrn  Flourens  nur  die  Erklärung  dafür  geben,  daß  bei  der 
Entrüstung,   welche   in   der  öffentlichen   Meinung  Deutschlands  durch 

*  Vom  4.  bis  8.  Juli  1887  hatte  vor  dem  Reichsgericht  zu  Leipzig  der  Landes- 
verratsprozeß gegen  die  Elsaß-Lothringer  Klein,  Qrebert  und  Erhart  stattgefun- 
den, der  mit  der  Verurteilung  der  beiden  ersten  Angei<lagten  zu  schweren  Zucht- 
hausstrafen endete.  Durch  den  Prozeß  wurde  das  ganze  weitverzweigte,  durch 
Vermittelung  der  französischen  Grenzpolizei  betriebene  Spionagesystem  Frankreichs 
aufgedeckt,  nicht  zuletzt  auch  der  Anteil  Schnäbeies  an  diesem  Treiben  klargestellt. 

202 


das  infolge  der  Leipziger  Untersuchung  aufgedeckte  französische 
Spionagesystem  hervorgerufen  worden  ist,  der  Kaiserlichen  Regierung 
in  dem  Maße  ihres  Entgegenkommens  Schranken  auferlegt  sind. 

Angesichts  der  aufreizenden  Artikel  in  der  französischen  Presse 
und  de/  maßlos  betriebenen  Kriegshetzereien  ist  zu  befürchten,  daß 
jeder  wohlwollende  Schritt  Deutschlands,  von  Begnadigungen  ganz 
abgesehen,  in  Frankreich  als  ein  Zeichen  der  Kriegsfurcht  ausgelegt 
werden  würde.  Nachdem  überdies  das  deutsche  Volk  seinerseits  durch 
die  Leipziger  Verhandlungen  einen  tiefen  Einblick  in  das  Treiben  des 
französischen  Kriegsministeriums  gewonnen  hat,  wird  es  sehr  gegen 
den  Willen  des  Herrn  Reichskanzlers  unmöglich  für  uns  sein,  irgend- 
welche für  die  französische  Regierung  entgegenkommende  Schritte  zu 
tun,  ohne  auch  in  Deutschland  einen  falschen  Eindruck  hervorzurufen, 

H.  Bismarck 

Nr.  1275 

Der  Botschafter  in  Paris  Graf  Münster  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  244  Paris,  den  17.  JuH  1887 

Ganz  vertraulich 

Präsident  Qrevy  hatte  mich  durch  Herrn  Flourens  bitten  lassen,  ihn 
vor  meiner  Abreise  zu  besuchen. 

Er  empfing  mich  auf  das  freundHchste  und  begann  das  Gespräch 
damit,  daß  er  mir  dafür  dankte,  daß  ich  nicht  seiner  Einladung  zur 
Parade  gefolgt  sei.  Es  sei  alles  bis  auf  einige  Ungezogenheiten  gegen 
ihn  sehr  gut  verlaufen.  Für  sich  hätte  er  sich  dem  aussetzen  müssen : 
wenn  mir  oder  den  der  Botschaft  attachierten  Offizieren  aber  gegen- 
über auch  nur  das  geringste  vorgekommen,  wenn  ich  irgendeine  Un- 
annehmlichkeit gehabt  hätte,  so  würde  er  das  tief  beklagt  haben. 
Das  Fembleiben  und  Vermeiden  dieser  Gefahr  habe  er  als  eine  be- 
sondere Rücksichtnahme  für  ihn   angesehen*. 

Es  war  das  sehr  gut  gemeint,  ist  aber  doch  eigentlich  ein  testimo- 
nium  paupertatis,  das  der  Präsident  sich  und  seiner  Regierung  ausstellt. 

Im  ganzen  sei  er  mit  dem  Verlaufe  der  Feier  des  14.  sehr  zufrieden. 
Es  habe  sich  gezeigt,  daß  die  künstHch  erzeugte  Aufregung  nur  einen 
sehr  kleinen  Teil  der  Pariser  Bevölkerung  berührt  habe,  im  ganzen 
übrigen  Frankreich  sei  das  Fest  in  größter  Ruhe  und  ohne  irgend 
Exzesse  auf  musterhafte  Weise  gefeiert  worden. 

In  Paris  seien  die  Vorkehrungen  so  getroffen  gewesen,  daß  jeder 


*  Bei  der  großen  Parade  auf  den  Longchamps  am  französischen  Nationalfeste 
(14.  Juli)  war  in  dem  Augenblick,  wo  der  Präsident  sich  mit  den  Ministern  ein- 
fand,  eine   Demonstration  zugunsten  Boulangers  inszeniert  worden. 

203 


Versuch  einer  wirklichen  Gefährdung  der  Ruhe  und  Sicherheit  rasch 
und  energisch  unterdrückt  worden  wäre. 

Nun  habe  aber  es  sich  glücklicherweise  gezeigt,  daß  die  Bevöl- 
kerung von  Paris  nicht  so  leicht  sich  aufregen  lasse,  als  die  Radikalen 
gehofft  haben,  „Tout  ce  mouvement  n'etait  qu'ä  la  surface."  Es  sei 
jetzt  der  Beweis  geführt,  daß  Boulanger  viel  verschuldete,  daß  er  sich 
immer  mehr  der  Demokratie  in  die  Arme  warf,  sie  aber  nicht  be- 
herrschte, sondern  von  ihr  beherrscht  wurde. 

Der  Präsident  sprach  darauf  mit  einer  Offenheit,  die  mich  über- 
raschte. ^ 

Es  sei  ihm  unbegreiflich  gewesen,  wie  sonst  ganz  verständige 
Männer  die  Macht  dieses  Demagogengenerals  überschätzt  haben.  „Cet 
animal  de  general  demagogue"  nannte  er  ihn. 

Schon  längst  habe  er  ihn  los  sein  wollen,  die  früheren  Minister 
seien  aber  zu  schwach  gewesen,  und  als  endlich  die  Krisis  eintrat,  habe 
der  Präsident  erst  niemanden  finden  können,  der  das  Kabinett  ohne 
Boulanger  bilden  wolHe.  „Meme  Freycinet  m'a  fait  faux  bond  ä  cette 
occasion  et  ne  voulait  pas  comprendre  que  Boulanger  ne  valait  pas 
plus  que  sa  popularite  factice." 

Durch  ihn  sei  die  Ruhe  nach  innen  und  der  Frieden  nach  außen 
ernstlich  gefährdet  gewesen.  Er  habe,  als  er  gesehen,  daß  die  Trauben 
in  Beziehung  auf  die  Diktatur  sauer  waren,  den  Krieg  gewollt,  und 
das  zeige,  was  er  für  ein  leichtsinniger,  gewissenloser  Mann  sei. 

Zweimal,  sagte  zu  meinem  Erstaunen  der  Präsident,  wollte  der 
General  uns  in  den  Krieg  treiben.  Das  erstemal  als  die  Reservemann- 
schaften der  deutschen  Armee  zu  der  Übung  mit  dem  Repetiergewehr 
einberufen  wurden,  das  zweitemal  bei  der  Verhaftung  Schnäbeies. 

Die  Einberufung  der  deutschen  Reser\en  wollte  Boulanger  durch 
die  Einberufung  der  französischen  Reserven  und  Mobilmachung  beant- 
worten. „Er  brachte",  sagte  der  Präsident,  „das  dazu  erforderliche 
Dekret  mit  in  den  Ministerrat  und  verlangte  meine  Unterschrift". 
„C'est  insense  ce  que  vous  proposez-lä,  general;  ne  savez-vous  pas 
que  cela  serait  la  guerre?"  „Eh  bien,  je  suis  pret!"  antwortete  Bou- 
langer. „Aussi  pret  que  Leboeuf  dans  son  temps,  et  je  ne  permettrai 
pas  meme  la  discussion  de  ce  projet."  „Dans  ce  cas  je  devrai  envoyer 
ma  demission!"  „Bien,  faites!"  repondis-je.  „II  ne  l'a  pas  envoyee  et 
etait  tres  soumis  et  tranquille  apres  cela,  voilä  Thomme!" 

Das  zweitemal  habe  der  General  den  Versuch  erneuert  und  habe, 
ehe  die  Kaiserliche  Regierung  eine  Antwort  habe  geben  können,  ein 
Ultimatum  und  Absendung  von  Truppen  an  die  Grenze  verlangt.  Er 
habe  Goblet  dafür  gewonnen,  und  von  dem  AugenbHcke  an  sei  der 
Präsident  entschlossen  gewesen,  das  Kabinett  Goblet,  und  vor  allen 
Boulanger,  zu  beseitigen,  habe  es  aber  durch  ein  Votum  der  Kammer 
herbeiführen  wollen,  und  das  sei  geglückt. 

204 


Die  Beseitigung  Boulangers  machte  ihm  größere  Schwierigkeiten, 
als  er  erwartete,  und  die  einzigen  beiden  Männer,  die  ihm  dabei  ener- 
gisch zur  Seite  gestanden  hätten,  seien  Rouvier  und  Fiourens  gewesen. 
Er  hoffe  sehr,  daß  er  beide  länger,  als  gewöhnhch  französische  Minister 
sich  zu  halten  pflegten,  im  Amte  werde  erhalten  können. 

Er  glaube,  daß  durch  die  Vorgänge  auf  dem  Bahnhofe,  die  Demon- 
strationen auf  der  Reise  nach  Clermont,  namentlich  aber  durch  die 
Diskussion  in  der  Kammer  Boulanger  die  Zähne  ausgezogen  seien. 

Sowie  er  jetzt  zu  agitieren  fortfahre,  werde  ihm  das  Kommando 
sofort  entzogen  werden.  Die  Armee  fühle  sich  durch  die  letzten  Vor- 
gänge sehr  verletzt,  und  die  Radikalen  hätten  ihn  in  der  Kammer  ja  alle 
verlassen,  Boulanger  habe,  darüber  entrüstet,  offen  an  den  Deputierten 
Laisant  telegraphiert:  „Vous  etes  le  seul  qui  ne  m'ayez  pas  donne  le 
coup  de  pied  de  l'äne."  Er  habe  nicht  gewagt,  die  Parade  in  Clermont 
abzuhalten  aus  Furcht  vor  seinen  radikalen  Freunden,  die  dort  demon- 
strieren wollten,  und  habe  einen  lahmen  Fuß  vorgeschützt. 

„Sie  können  jetzt  ruhig  abreisen",  sagte  der  Präsident,  „und  hoffe 
ich  sehr,  Sie  im  Herbste  wiederzusehen.  Hier  im  Lande  wird  sich  alles 
beruhigen:   ich   sehe   keine   ernste   Wolke   am    politischen    Horizont." 

Es  war  mir  sehr  interessant,  manches  von  dem,  was  ich  wußte,  aber 
mehr  erraten  mußte,  durch  den  Präsidenten  selbst  bestätigt  zu  hören*. 

Münster 


Nr.  1276 

Der  Geschäftsträger  in  London  Freiherr  von  Plessen  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Nr.  6  London,  den  5.  Januar  1888 

Der  französische  Botschafter  M,  Waddington  benutzte  einen  Mo- 
ment, als  ich  ihn  heute  auf  dem  Foreign  Office  traf,  um  mich  der 
friedfertigsten  Dispositionen  des  Präsidenten  der  Republik,  der  französi- 
schen Regierung  und  der  ganzen  französischen  Nation  auf  das  be- 
stimmteste zu  versichern.  Man  beschäftige  sich  in  Frankreich  jetzt 
nur  mit  den  Vorbereitungen  zu  der  Ausstellung  im  nächsten  Jahre. 
Es  sei  mit  positiver  Sicherheit  darauf  zu  rechnen,  daß  während  zweier 
Jahre  1  eine  Kriegsgefahr  von  französischer  Seite  nicht  drohen  werde  2. 

Als  besonders  bemerkenswert  hob  M.  Waddington  hervor,  daß 
General  Boulanger  von  der  poUtischen   Bildfläche  ganz  geschwunden 


*  Mit  nicht  geringerer  Schärfe  äußerte  sich  Präsident  Qrevy  gegen  den  Botschafter 
Grafen  Münster  am  18.  Oktober  über  Boulanger:  „Der  sei  allerdings  einer  der 
wenigen  gewesen,  der  aus  Ehrgeiz  und  Egoismus  sein  Land  dem  Verderben 
des  Krieges  preisgegeben  haben  würde.  Deshalb  habe  er  ihn  aber  beseitigt". 
(Bericht  Münsters  vom  19.  Oktober  1887.) 

205 


sei*.  Derselbe  habe  in  parlamentarischen  Kreisen  nicht  den  geringsten 
Anklang  mehr,  in  militärischen  Kreisen  habe  er  einen  wirklichen  An- 
hang nie  gehabt.  Ebenso  schnell  wie  Boulanger  gestiegen,  sei  er 
wieder  in  nichts  zurückgesunken. 

L.  PI  essen 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Aber  dann? 

2  (Pulverfrage!)**  u[nd]  russische;  Rußland   ist  erst  in  4  Jahren  fertig. 


Nr.  1277 

Aufzeichnung  des  Reichskanzlers  Fürsten  von  Bismarck 

Reinschrift 

Berlin,  den  15.  März  1888 

pp.  Mit  dem  General  Billot***  habe  ich  über  die  innere  Politik  Frank- 
reichs, den  Boulangismus  etc.  nicht  gesprochen ;  ich  habe  ihm  gesagt, 
daß  die  auswärtige  Politik  Deutschlands  nicht  geändert  werden  würde, 
und  hinzugefügt,  daß,  wenn  wir,  wofür  ich  nicht  die  mindeste  Not- 
wendigkeit sähe,  mit  Frankreichs  etions  obliges  de  croiser  la  bajonnette, 
ce  ne  serait  pas  de  notre  initiative,  et  que  dans  ce  cas  on  ferait  la 
guerre  en  soldat  et  en  gentilhomme  comme  autrefois,  General  Billot 
verbeugte  sich  dazu  ernst  und  schweigend. 

V.  Bismarck 

Nr.  1278 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den 
Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  71  Rom,  den   S.März  1888 

Major  von  Engelbrecht  f  brachte  mir  heute  die  Nachricht,  man  sei 
im  Kriegsministerium  und  noch  mehr  im  Marineministerium  in  hohem 


*  Seit  General  Boulanger  Ende  Juni  1887  zum  Kommandierenden  General  des 
13.  Armeekorps  in  Clermont-Ferrand  ernannt  worden  war,  war  es  in  der  Tat  mit 
seinem  Ansehen  rasch  bergab  gegangen.  Ende  Juli  nannte  ihn  Ferry  öffentlich 
„den  General  des  cafe  chantant";  Mitte  Oktober  wurde  er  vom  Kriegsminister 
mit  30  Tagen  Stubenarrest  bestraft;  im  März  1888  erfolgte  seine  Absetzung  wegen 
wiederholter  Unbotmäßigkeiten. 

**  Das  Wort  „Pulverfrage"  von  der  Hand  des  Grafen  Herbert  von  Bismarck. 
***  General  Billot  war  von  der  französischen  Regierung  anläßlich  des  Todes  Kaiser 
Wilhelms  I.   zu   den   Trauerfeierlichkeiten  nach    Berlin   gesandt  worden, 
t  Der  deutsche  Militärattache  in  Rom. 

206 


Grade  besorgt,  die  Franzosen  könnten  eines  guten  Tages  mit  einer 
Flotte  vor  La  Spezia  erscheinen  und  sich  dieses  Hafens  bemächtigen, 
als  Vorspiel  für  eine  unmittelbar  folgende  Kriegserklärung*.  Man 
habe  für  alle  Fälle  die  Forts  und  Batterien  von  Spezia  vollständig 
armiert,    pp. 

Graf  Solms 


Nr.  1279 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Unsigniertes  Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 

Nr.  188  Berlin,  den  31.  März  1888 

pp.  Immerhin  aber  bleibt  auch  nach  eigner  italienischer  Auffassung 
die  Unfertigkeit  der  Verteidigungsanstalten  von  La  Spezia  als  Tatsache 
bestehen. 

Es  wird  sich  empfehlen,  v^^enn  Ew.  Herrn  Crispi,  dessen  energi- 
sches Temperament  ihn  für  durchgreifende  Maßnahmen  geneigt  macht, 
bei  erster  Gelegenheit  darauf  hinweisen,  daß  der  gegenwärtige  Augen- 
blick geeignet  ist,  das  an  der  Armierung  Versäumte  nachzuholen,  noch 
bevor  die  Beunruhigung,  welche  sich  der  Gemüter  in  Italien  be- 
mächtigt hatte,  ganz  geschwunden  ist. 

Italienische  Zeitungen  haben  kürzlich  berichtet,  daß  im  Laufe  des 
Winters  Spezia  unter  der  Gefahr  eines  französischen  Überfalles  gewesen 
wäre:  Ich  nehme  an,  daß  seitdem  die  italienische  Marineverwaltung 
schon  Bedacht  darauf  genommen  hat,  den  wichtigsten  Kriegshafen  gegen 
überraschende  Angriffe  und  Zerstörung  nach  Möglichkeit  zu  schützen. 
Unsere  höchsten  Marineautoritäten  sind  der  Ansicht,  daß  die  erwähnten 
Zeitungsnotizen  durchaus  nicht  aus  der  Luft  gegriffen  waren,  sondern 
daß  der  französische  Plan  in  der  Tat  darin  besteht,  eintretendenfalls 
gleichzeitig  mit  der  Kriegserklärung  einen  Handstreich  auf  Spezia  aus- 
zuführen :  ein  solcher  würde,  wenn  er  gelänge,  der  schwerste  Schlag 
für  die  itahenische  Marine  sein,  und  wir  hoffen  deshalb,  daß  italienischer- 
seits  alles  geschieht,  um  einer  solchen  Eventualität  begegnen  zu 
können**. 


*  Zwischen  Italien  und  Frankreich  hatte  sich  seit  dem  Spätherbst  18S7  teils  aus 
handelspolitischen  Differenzen,  teils  aus  dem  französischen  Streben,  das  Gebiet 
von  Tunis  auf  Kosten  von  Tripolis  zu  erweitern,  eine  starke  Spannung  entwickelt. 
Als  im  Februar  1888  ein  starkes  französisches  Geschwader  im  Mittelmeer  kon- 
zentriert wurde,  wurden  in  Italien  lebhafte  Besorgnisse  vor  einem  Handstreich 
auf  Spezia  wach. 

♦*  Im  Bericht  Nr.  118  vom  6.  April  konnte  Graf  zu  Solms  melden,  daß  die  Arbeiten 
zur  Sicherung  des  Hafens  von  Spezia  nahezu  vollendet  seien. 

207 


Nr.  1280 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Konzept    von    der   Hand    des    Vortragenden    Rats    von    Holstein 

Nr.  198  Berlin,  den  12.  April  1888 

[abgegangen  am  20.  April] 

Aus  Ew.  Bericht  Nr.  118  vom  6.  d.  Mts.*  habe  ich  mit  Befriedigung 
ersehen,  daß  die  italienische  Regierung  unserm  Rate  und  den  Ver- 
hältnissen Rechnung  tragend,  die  Armierung  des  Hafens  von  La  Spezia 
in  ernsten  Angriff  genommen  hat.  Es  ist  kaum  nötig,  bei  diesem  An- 
laß zu  wiederholen,  daß  wir  uns  bei  dieser  Anregung  lediglich  von 
dem  Wunsche  leiten  ließen,  Italien  vor  plötzlichen  Überfällen  und  deren 
Folgen  geschützt  zu  sehen,  und  daß  politische  und  militärische  Maß- 
nahmen, denen  ein  provokatorischer  Charakter  innewohnte,  den  Zielen 
und  Bestrebungen  unserer  gemeinsamen  Friedenspolitik  schnurstracks 
zuwiderlaufen  würden. 

Ich  zweifle  nicht,  daß  Ew.  sich  bereits  in  diesem  Sinne  an  ge- 
eigneter Stelle  geäußert  haben,  gebe  jedoch  anheim,  ob  Sie,  angesichts 
der  Erregbarkeit,  welche  sich  bisweilen  in  der  Haltung  der  Italiener 
Frankreich  gegenüber  kundgibt,  unsern  Standpunkt  bei  Gelegenheit 
in  freundschaftlichen  Gesprächen  noch  einmal  betonen  wollen.  Es  wird 
in  Italien  nicht  unbemerkt  geblieben  sein,  daß  neuerdings  regierungs- 
freundliche deutsche  Blätter  wiederholt  hervorgehoben  haben,  ein 
französischer  Angriff  auf  Italien  werde  alsbald  einen  deutschen  Angriff 
auf  Frankreich  zur  Folge  haben.  Diese  aus  dem  deutsch-italienischen 
Vertragsverhältnis  gezogene  Nutzanwendung  entspricht  den  Anschau- 
ungen der  Kaiserlichen  Regierung.  Andrerseits  aber  beweist  die  Ent- 
schiedenheit des  Reichskanzlers  in  der  Battenbergfrage,  wie  sehr  wir 
bemüht  sind,  allem  vorzubeugen,  was  als  Akt  der  Herausforderung  an- 
gesehen werden  und  etwaigen  Gegnern  einen  Vorwand  zum  Konflikt 
bieten  könnte.  Ew.  Ermessen  überlasse  ich  daher,  auf  dieses  Bei- 
spiel, welches  die  Friedensliebe  der  deutschen  politischen  Leitung  be- 
sonders deutlich  veranschaulicht,  in  Ihren  Unterredungen  mit  Herrn 
Crispi  hinzuweisen  und  dabei  anzudeuten,  daß  wir  stets  bemüht  sein 
werden,  Anlässe  zu  Händeln  zu  beseitigen,  welche  eines  kriegerischen 
Austrages  nicht  wert  sein  würden.  Es  gereicht  dem  Herrn  Reichskanzler 
zur  Beruhigung,  daß  er  die  Gewißheit  hat,  sich  mit  Herrn  Crispi  in 
seiner  Auffassung  über  die  Kalamität  großer  Kriege  zu  begegnen, 
da  Seine  Durchlaucht  hierauf  die  Zuversicht  gründet,  daß  Herr  Crispi 
kleinhche  französische  Taktlosigkeiten  oder  Provokationen  mit  staats- 

*  Vgl.  S.  207,  Fußnote  **. 

208 


männischer  Ruhe  und  Kaltblütigkeit  als  irrelevant  behandeln  wird,  so- 
lange nicht  wirkliche  Interessen  Italiens  dabei  in  Frage  kommen:  würden 
letztere  jemals  ernstlich  bedroht,  sodaß  sie  eine  kriegerische  Abwehr 
unvermeidlich  machen,  so  wird  Italien  uns  stets  an  seiner  Seite  finden. 

H.  Bismarck 

Nr.  1281 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  London  Grafen  von  Hatzfeldt 

Konzept 
Nr.  390  Berlin,  den  28.  April  1888 

Vertraulich  [abgegangen  am  1.  Mai] 

Ew.  gefälligen  Bericht  Nr.  118  vom  24.*  hat  der  Herr  Reichs- 
kanzler mit  Interesse  gelesen.  Seine  Durchlaucht  verkennt  nicht,  daß 
der  Schutz  der  englischen  Küste  mit  Rücksicht  auf  die  öffentliche  Mei- 
nung in  England  nicht  geschwächt  werden  kann;  bei  dem  von  Lord 
Salisbury  in  Aussicht  genommenen  Plan  bezüghch  der  Verstärkung  des 
Mittelmeergeschwaders  braucht  diese  Eventualität  gegenwärtig  auch  nicht 
in  Frage  zu  kommen.  Der  Zweck,  den  wir  mit  der  Anregung  der  Ver- 
mehrung des  englischen  Mittelmeergeschwaders  verfolgten,  ist  durch 
die  von  Lord  Saüsbury  in  Aussicht  genommene  Zuführung  einiger  aus 
dem  fernen  Osten  zurückkehrenden  Schiffe  erreicht,  und  ich  stelle  Ew. 
anheim,  Lord  Sahsbury  unsere  Befriedigung  hierüber  auszusprechen. 

Was  den  Schlußsatz  Ihres  vorerwähnten  Berichtes  anlangt,  so  hält 
der  Herr  Reichskanzler  den  Augenblick  jetzt  schon  für  gekommen,  daß 
seitens  Lord  SaHsburys  den  Franzosen  kein  Zweifel  gelassen  wird  über 
die  Haltung,  welche  England  bei  einem  plötzUchen  Angriff  Frankreichs 
auf  Italien  einnehmen  würde.  Es  ist  durchaus  richtig,  daß  England  es 
in  der  Hand  hat,  dem  Ausbruch  eines  französisch-italienischen  Krieges, 
den  auch  wir  dringend  zu  vermeiden  wünschen,  vorzubeugen.  Es  ist 
über  unser  Vertragsverhältnis  mit  Italien  genug  in  die  Öffentlichkeit  ge- 
drungen, um  den  Franzosen  keinen  Zweifel  darüber  zu  lassen,  daß 
wir  Italien  zu  Hilfe  kommen  würden,  wenn  sie  letzteres  überfallen 
sollten.  Wenn  nun  England  ebenfalls  in  Paris  zu  verstehen  gibt,  daß 
seine  Kriegserklärung  einem  französischen   Angriff  auf   Italien   folgen 


*  In  seinem  Bericht  vom  24.  April  1888  hatte  Botschafter  Qraf  von  Hatzfeldt  die 
Aufnahme  geschildert,  die  die  Anregung  der  deutschen  Regierung  auf  Verstärkung 
der  englischen  Mittelmeerflotte  bei  Lord  Salisbury  gefunden  hatte.  Danach  hielt 
der  englische  Premier  eine  Verstärkung  in  dem  Grade,  daß  dadurch  der  Schutz 
der  englischen  Küste  geschwächt  werde,  im  Hinblick  auf  die  unberechenbaren 
Verhältnisse  nicht  für  möglich,  stellte  aber  eine  Heranziehung  einiger  von  Außen- 
stationen  zurückkehrender  Kriegsschiffe  zur  Mittelmeerflotte  in  Aussicht  und  deu- 
tete an,  daß  England  im  Fall  eines  französischen  Angriffs  auf  Italien  seiner- 
seits in  der  Lage  sein  würde,  mit  Repressalien  gegen  die  französischen  Häfen  im 
Norden  vorzugehen. 

14    Die  Große  Politik.   6.  Bd.  209 


würde,  so  würde  ich  hierin  das  sicherste  Mittel  sehen,  um  einen  solchen 
zu  frustrieren.  Wartet  man  englischerseits  mit  einer  bezüglichen  War- 
nung, bis  die  Feindseligkeiten  ausgebrochen  sind,  so  wird  der  Krieg 
nicht  mehr  zu  verhindern  sein:  es  kann  dann  nur  noch  repressiv  und 
nicht  präventiv  eingegriffen  werden.  Soweit  wir  die  Lage  der  Dinge 
in  Frankreich  beurteilen  können,  ist  der  Moment  schon  gekommen, 
in  welchem  eine  Andeutung  über  Englands  Stellungnahme  von  entschei- 
dendem Gewicht  für  die  Beziehungen  zwischen  Frankreich  und  Italien 
sein  kann.  Man  sollte  nicht  warten,  bis  der  Dammbruch  vorliegt,  sondern 
einen  solchen  lieber  durch  einen  diplomatischen  Hinweis  verhüten. 
Ich  habe  mich  in  diesem  Sinne  streng  vertraulich  zu  Sir  Edward 
Malet  ausgesprochen  und  bitte  Ew.  dies  Ihrerseits  Lord  Saiisbury 
gegenüber  ebenfalls  zu  tun  und  dabei  zu  betonen,  that  prevention  is 
better  than  eure.  H.  Bismarck 

Nr.  1282 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes 
Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Reinschrift 

Berlin,  den  1.  Mai  1888 

Der  französische  Botschafter,  welcher  mir  vor  kurzem  das  Regle- 
ment für  die  Kunstabteilung  der  nächstjährigen  Pariser  Ausstellung 
mitgeteilt  hatte,  fragte  mich  vor  seiner  Abreise  nach  Paris  im  Auf- 
trage seiner  Regierung,  ob  wohl  Aussicht  wäre,  daß  wir  uns  ähnlich  wie 
im  Jahre  1878  mit  Erzeugnissen  der  deutschen  Kunst  an  der  bevor- 
stehenden französischen  Ausstellung  beteiligen  würden  i;  er  bedaure 
sehr,  daß  wir  eine  generelle  Beschickung  seinerzeit  abgelehnt  hätten, 
glaube  aber,  daß  es  einen  sehr  guten  Eindruck  machen  und  für  die 
Beziehungen  beider  Länder  ersprießlich  sein  würde,  wenn  wir  uns 
wenigstens  dem  1878"  Vorgange  analog  verhielten. 

Ich  bemerkte  Herrn  Herbette,  daß  ich  auf  die  generelle  Frage 
trotz  seines  Bedauerns  über  den  hierüber  gefaßten  Beschluß  nicht 
zurückkommen  könnte,  da  ich  mich  in  dieser  Hinsicht  seinem  Amts- 
vorgänger gegenüber  schon  auf  das  prägnanteste  ausgesprochen  hätte: 
abgesehen  von  allen  sachlichen  Gründen  genüge  für  unsere  Ablehnung 
schon  die  Tatsache,  daß  die  Ausstellung  zur  Verherrlichung  der  Säkular- 
feier von  1789  dienen  solle.  Wäre  die  Ausstellung  aber  auch  für  ein 
anderes  Jahr  geplant  gewesen,  so  würde  die  deutsche  Regierung  sich 
nach  den  unerhörten  jüngsten  Vorfällen  in  Beifort*  doch  genötigt  sehen, 
sich  jeder  Art  von  offizieller  Beschickung  einer  in  einer  französischen 
Stadt  geplanten  Schaustellung  zu  enthalten. 

Der  französische  Botschafter  hatte  mich  kaum  zu  Ende  sprechen 

*  Am  8.  April  1888  waren  vier  deutsche  Studenten  aus  Freiburg  bei  einem  Aus- 
fluge  nach    Beifort   von  dem   Straßenpöbel   schwer   mißhandelt   worden. 

210 


lassen:  er  beteuerte  mit  Empressement,  daß  die  üble  Erfahrung,  welche 
unsere  Landsleute  in  Beifort  gemacht  hätten,  seiner  Regierung  pein- 
lich gewesen,  und  daß  seitens  der  letzteren  sofort  das  Nötige  veranlaßt 
worden  sei,  um  die  Anstifter  zur  Rechenschaft  zu  ziehen :  er  freue  sich, 
mir  mitteilen  zu  können,  daß  verschiedene  der  Tumultuanten  mit  Ge- 
fängnis und  Geldstrafen  belegt  worden  seien;  er  hoffe,  daß  wir  hier- 
nach der  Sache  keine  Bedeutung  mehr  beilegen  würden:  in  Grenz- 
städten seien  die  Bevölkerungen  leider  immer  besonders  erregbar,  und 
hierin  fände  der  bedauerliche  Auftritt,  dessen  Opfer  die  deutschen  Stu- 
denten gewesen  seien,  seine  Erklärung.  Da  ich  ihm  bisher  von  der 
Sache  nicht  gesprochen  hätte,  so  hätte  er  gehofft,  daß  diese  Auf- 
fassung auch  die  unsrige  wäre. 

Ich  erwiderte  dem  Botschafter:  „Ich  habe  der  Sache  Ihnen  gegen- 
über nicht  erwähnt,  weil  ich  weiß,  daß  diejenigen  Ihrer  Landsleute, 
welche  die  Regierung  in  den  Händen  haben,  für  Ausschreitungen  der 
übrigen  nicht  unbedingt  verantwortlich  gemacht  werden  können.  Der 
Fehler  liegt  im  französischen  Nationalcharakter,  und  dieser  kann  durch 
Beschwerden  oder  Reklamation  nicht  gebessert  werden.  Ihre  Regierung 
hat  getan,  wozu  sie  verpflichtet  war,  indem  sie,  soweit  sie  das  ihrer 
öffentlichen  Meinung  gegenüber  wagen  konnte,  repressiv  verfuhr.  Bei 
den  guten  offiziellen  Beziehungen,  in  denen  wir  stehen,  sah  ich  voraus, 
daß  Sie  den  Vorfall  nicht  gänzlich  ungerügt  hingehen  lassen  würden,  und 
konnte  mich  deshalb  enthalten,  denselben  Ihnen  gegenüber  zur  Sprache 
zu  bringen.  Sie  sind  aber  nicht  in  der  Lage,  uns  irgendeine  Garantie 
zu  geben,  daß  harmlose  Deutsche  in  Frankreich  bei  der  nächsten  Ge- 
legenheit nicht  wieder  in  brutaler  Weise  behelligt  werden.  Dazu  ist 
Ihre  Regierung  zu  schwach.  Frankreich  ist  gegenwärtig,  dank  der 
systematisch  betriebenen  Aufregungen  der  Volksleidenschaften,  das  un- 
gastlichste aller  zivilisierten  Länder,  wenigsten  sicherlich  soweit  Deut- 
sche in  Betracht  kommen.  Diese  Tatsache  ist  bekannt  genug,  und  ich 
wundere  mich  nur,  daß  sich  noch  Landsleute  von  mir  finden,  welche 
sich  trotzdem  nach  Frankreich  begeben.  Ich  hoffe,  daß  dieselben  sich 
den  Vorgang  in  Beifort  zur  Lehre  dienen  lassen  und  sich  künftig 
andere  Reiseziele  als  das  fremdenfeindliche  Frankreich  wählen  werden. 
Wer  das  nicht  tun  will,  der  trägt  eben  seine  Haut  zu  Markte,  und 
für  Leute,  die  sich  in  Gefahr  begeben  wollen,  habe  ich  kaum  ein 
Bedauern.  Sie  werden  aber  begreifen,  daß  ich  bei  dieser  Sachlage  ein 
offizielles  Erscheinen  Deutschlands  auf  der  Pariser  Ausstellung  als 
ausgeschlossen  ansehen  muß  2.  Wenn  Sie  vorhin  behaupteten,  daß  Be- 
schimpfungen Deutscher  nur  an  Grenzorten  vorkämen,  so  verweise  ich 
demgegenüber  auf  die  lächerliche  Spionenriecherei,  die  an  allen  Orten 
Frankreichs  systematisch  betrieben  wird,  obgleich  derselben  bisher  nur 
unschuldige  Landschaftsmaler  oder  commis  voyageurs  zum  Opfer  gefallen 
sind:  trotz  alles  Spionengeschreis  und  aller  Denunziationen  ist  in  den 
letzten  17  Jahren  noch  niemals  ein  Deutscher  der  Spionage  überführt 

u*  211 


worden,  während  die  französischen  Offiziere  und  Spione,  welche  wir 
in  diesem  Zeitraum  beobachtet,  sistiert  oder  ausgewiesen  haben,  nach 
Dutzenden  zählen.  Ich  erinnere  femer  an  die  Mißhandlung  des  Württem- 
bergers Wuerst  vor  wenigen  Jahren,  der  an  Ihrem  Nationalfest  beinahe 
umgebracht  wurde,  weil  er  angeblich  auf  dem  Place  de  la  Concorde 
deutsch  gesprochen  hatte.  Daß  die  Ungasthchkeit  Frankreichs  sich 
nicht  auf  Deutsche  allein  beschränkt,  beweist  schließlich  am  besten  der 
schmähhche  Empfang,  welchen  die  Pariser  Bevölkerung  im  Herbst 
1883  dem  Könige  von  Spanien  bereitete. 

Ich  führe  diese  Dinge  nicht  an,  um  eine  Beschwerde  zu  formu- 
lieren, oder  um  einen  Vorwurf  zu  erheben:  je  ne  fais  que  constater  un 
phenomene  regrettable.  Ihre  Regierung  ist  nicht  in  der  Lage,  die  Ver- 
antwortung dafür  zu  übernehmen,  daß  deutsche  Aussteller  oder  deren 
Besitztum  in  Paris  vor  Beschädigung  bewahrt  bleiben  werden  3.  Bei 
der  Erregbarkeit  der  dortigen  Massen  braucht  nur  irgendein  gewissen- 
loser Agitator  an  einem  schönen  Sonntag  nachmittag  mit  10000  Bewoh- 
nern von  Belleville  in  die  Ausstellung  hinabzusteigen,  und  es  wird 
ihm  ein  leichtes  sein,  in  wenigen  Minuten  eine  Beschimpfung  unserer 
Farben  und  Zerstörungen  der  etwaigen  deutschen  Abteilungen  ins 
Werk  zu  setzen;  Ihre  Regierung  würde  dann  in  die  schwierige  Lage 
kommen,  entweder  Abbitte  leisten  und  für  den  Schaden  aufkommen 
zu  müssen,  und  sich  dadurch  in  der  öffentlichen  Meinung  Frankreichs 
auf  das  äußerste  zu  diskreditieren,  oder  aber  bei  ihrer  Schwäche  der 
vox  populi  gegenüber  nachzugeben  und  das  Geschehene  zu  endos- 
sieren.  Da  wir  friedliebend  sind  und  unsere  gegenwärtigen  Beziehungen 
nicht  getrübt  zu  sehen  wünschen,  so  wollen  wir  Ihre  Regierung  einer 
solchen  Eventualität  nicht  aussetzen." 

Der  Botschafter  hatte  mich  wiederholt  mit  Zeichen  lebhafter  Un- 
geduld durch  einzelne  Ausrufe  und  Phrasen  unterbrochen,  welche, 
als  ich  geendet  hatte,  darin  gipfelten,  daß  er  sagte:  „Vous  ditesque  Vous 
etes  pacifiques,  —  mais  nous*  sommes  archi  pacifiques:  c'est  dans  cette 
pensee  que  je  tenais  ä  ce  que  TAllemagne  prit  part  ä  l'exposition 
des  beaux  arts:  je  regrette  Votre  refus,  que  je  devrai  transmettre  ä 
mon  gouvernement,  mais  j'espere  que  Vous  me  dispenserez  de  lui  expli- 
quer  les  motifs  que  Vous  venez  de  me  donner^:  je  crois  que  Vous  y 
avez  mis  un  peu  de  passion^,  car  si  la  France  etait  vraiment  si  peu 
hospitaliere  que  Vous  le  pensez  il  n'y  aurait  pas  ä  Paris  au  delä 
de  30000  Allemands  qui  y  gagnent  leur  vie." 

Ich  bemerkte  hierzu,  dies  sei  kein  Beweis:  vor  dem  Kriege  hätten 
über  300000  Deutsche  in  Frankreich  gelebt,  jetzt  seien  es  nurnoch  etwa 
100000;  diese  Zahlen  sprächen  für  sich  selbst.  Daß  die  Deutschen  in 
Paris  sich  übrigens  sehr  sicher  fühlten,  bezweifelte  ich;  bei  unserer 
starken  Bevölkerungszunahme  sei  ein  gewisser  Prozentsatz  derselben 
darauf  angewiesen,  seinen  Unterhalt  in  der  Ferne  zu  suchen,  wenn 
derselbe  auch  mit  Gefahren  verbunden  sei:  Viele  gingen  zu  diesem 

212 


Zwecke  zur  See''  oder  in  die  ungesunden  tropischen  Klimata,  obgleich 
sie  wüßten,  daß  ihr  Leben  dort  vielen  Bedrohungen  ausgesetzt  sei. 
Aus  den  erwähnten  Zahlen  ergebe  sich  aber  mit  voller  Klarheit,  daß 
diejenigen  Deutschen,  welche  auf  dem  Boden  des  Vaterlandes  nicht  ihr 
Brot  fänden,  sich  doch  noch  lieber  den  klimatischen  und  elementaren, 
als  den  ihnen  in  Frankreich  drohenden  Fährlichkeiten  aussetzen,  da 
sonst  seit  1870  eine  entsprechende  Vermehrung  unserer  in  Frank- 
reich lebenden  Untertanen  eingetreten  sein  müßte  und  nicht  eine  Ver- 
minderung um  mehr  als  ^/g.  Der  Deutsche  könne  sich  heutzutage  mit 
größerer  Sicherheit  und  Sorglosigkeit  in  Afrika  und  auf  den  Südsee- 
inseln bewegen,  als  in  dem  sich  mit  seiner  hohen  Zivilisation  so  gern 
brüstenden  Frankreich,  während  Franzosen,  die  sich  in  Deutschland 
aufhielten,   niemals  irgendeiner  Behelligung  unterlägen. 

Herr  Herbette  war  durch  meine  Bemerkungen  etwas  peinlich  be- 
rührt und  wußte  nur  darauf  zu  erwidern,  man  müsse  doch  auch  dem 
Rechnung  tragen,  daß  wir  die  Sieger  und  die  Franzosen  die  Besiegten 
gewesen  seien. 

Ich  sagte  ihm,  daß  ich  diesen  Satz  als  stichhaltig  nicht  anzuerkennen 
vermöchte:  in  den  letzten  Jahrhunderten  hätten  leider  mehr  als  20  große 
Kriege  zwischen  Deutschen  und  Franzosen  stattgefunden,  in  denen 
bald  der  eine,  bald  der  andere  Teil  Sieger  geblieben  wäre;  niemals 
aber  habe  sich  auf  Seiten  des  unterlegenen  Landes  eine  solche  wilde 
Animosität  gegen  die  Angehörigen  des  im  Vorteil  gebliebenen  geltend 
gemacht,  als  in  Frankreich  seit  1870;  wir  hätten  eine  Zeitlang  gehofft, 
diese  Animosität  zu  überwinden,  und  Frankreich  auf  vielen  Punkten 
das  größte  Entgegenkommen  gezeigt,  nicht  nur  durch  unser  Erscheinen 
auf  der  1878er  Ausstellung,  sondern  auch  während  verschiedener,  für 
Frankreich  wichtiger  poUtischer  Phasen;  es  sei  uns  das  aber  nur  als 
Schwäche  ausgelegt  worden,  und  der  vorübergehenden,  von  uns  mit 
Befriedigung  begrüßten  1884er  Episode  einer  scheinbaren  Annäherung 
sei  ein  Zustand  von  künstlicher  Erbitterung  und  Verdächtigung  ge- 
folgt, welcher  innerhalb  der  letzten  3  Jahre  sich  stetig  aufwärts  bewegt 
habe.  Nachdem  neuerdings  selbst  der  sonst  für  versöhnlich  und  ver- 
ständig gehaltene  Ferry  mit  besonderem  Nachdruck  die  chauvinistische 
Tonart  angeschlagen  habe,  könne  man  von  keinem  französischen  Staats- 
mann mehr  erwarten,  daß  er  etwas  anderes  als  den  Beifall  der  chauvi- 
nistischen Presse  zur  Richtschnur  seiner  Handlungen  nehmen  werde. 
Wüßte  man  in  Frankreich  nicht,  daß  jeder  Minister,  der  sich  nicht  un- 
möglich machen  will,  gezwungen  ist,  der  Volksleidenschaft  gegenüber 
nachgiebig  zu  verfahren,  so  wäre  es  nicht  möglich  gewesen,  daß  auch 
der  bessere  Teil  der  Belforter  Bevölkerung  sich  an  der  jüngsten  Deut- 
schenhetze beteiligt,  und  daß  ein  um  Einschreiten  gegen  die  drohende 
Soldateska  gebetener  französischer  Offizier  den  Studenten  mit  Schaden- 
freude erklärt  hätte,  sie  hätten  sich  ja  nicht  auf  französischen  Boden 
zu  begeben  brauchen. 

213 


Herr  Herbette  wollte  die  letztere  Tatsache  auf  Orund  ihm  an- 
geblich zugegangener  Informationen  bestreiten.  Ich  lehnte  ab,  mit  ihm 
hierüber  zu  diskutieren,  indem  ich  erklärte,  ich  wüßte  nicht,  inwieweit 
seine  Nachrichten  authentisch  seien:  für  mich  sei  lediglich  das  amt- 
liche Protokoll  maßgebend,  welches  die  Badische  Regierung  über  den 
Vorfall  aufgenommen  und  hierhergesandt  hätte.  Eine  Diskussion  des 
betreffenden  Schriftstücks  würde  die  Annahme  zulassen,  als  ob  ich  die 
offizielle  deutsche  Darstellung  nicht  für  unbedingt  zuverlässig  hielte, 
und   diese   Möglichkeit   sei   für   mich   von   vornherein   ausgeschlossen. 

Der  französische  Botschafter  schwieg  hierzu  und  fragte  mich,  ob 
wir  denn  nicht  wenigstens  Private,  welche  Neigung  hätten,  die  Aus- 
stellung zu  beschicken,  mit  Rat  und  Erleichterungen  unterstützen 
wollten?  Ich  erwiderte,  daß  ich  hierzu  die  Hand  nicht  zu  bieten  ver- 
möchte, denn  nach  meiner  Überzeugung  würden,  wie  ich  bereits  ent- 
wickelt hätte,  deutsche  Aussteller  in  Paris  für  ihre  Person  und  ihr 
Eigentum  Gefahr  laufen.  „Si  reellement  il  y  a  des  Allemands  qui  veulent 
envoyer  des  objets  ä  Paris,  et  qui  me  demandent  mon  avis,  je  me  verrais 
oblige  de  leur  dire  que  je  leur  conseillerais  plutot  de  se  rendre  dans 
le  Sud  de  TAfrique  que  de  risquer  leur  peau  et  leurs  marchandises 
ä  Paris.*' 

Als  der  französische  Botschafter  hierbei  fast  vom  Stuhle  aufsprang 
und  einen  unartikulierten  Laut  des  Protestes  von  sich  gab,  sagte  ich 
achselzuckend,  „es  tut  mir  sehr  leid,  daß  die  Tatsachen  mich  nötigen, 
so  zu  sprechen,  mais  ä  qui  la  faute?  C'est  ma  conviction,  basee  sur 
des  faits  recents,  que  nos  nationaux  courent  moins  de  danger,  s'ils 
voyagent  en  Afrique  que  s'ils  s'exposent  ä  la  soidisante  hospitalite 
fran^aise,  Comme  je  desire  maintenir  les  relations  actuelles  entre  nos 
deux  gouvernements,  je  dois  m'efforcer  ä  ecarter  tous  les  points  noirs 
qui  pourraient  surgir.  Dans  cet  ordre  d'idees  je  crois  de  mon  devoir 
de  deconseiller  ä  tout  Allemand  d'aller  sejourner  en  France;  peut-etre 
finirons-nous  par  nous  entendre,  si  un  beau  jour  une  muraille  de  Chine 
couvrira  toute  notre  frontiere." 

Herr  Herbette  verwahrte  sich  hiergegen,  indem  er  erklärte,  daß 
es  im  Interesse  von  zwei  benachbarten  Völkern  doch  sehr  wünschens- 
wert ^  sei,  wenn  man  sich  gegenseitig  gründlich  kennenlernte  9,  und 
dies  sei  nur  bei  einem  regen  persönlichen  Verkehr  de  part  et  d'autre 
möglich.  Ich  schloß  mich  dieser  Ansicht  aber  nicht  an,  sondern  sagte 
nur,  daß  wir  die  Franzosen  zur  Genüge  kennten,  um  zu  wissen,  daß  sie 
schwierige  und  wenig  wohlwollende  Nachbarn  seien. 

Die  Unterhaltung  erreichte  hier  ihr  Ende,  und  wir  trennten  uns 
unter  der  gegenseitigen  Versicherung,  daß  uns  nichts  so  sehr  am 
Herzen  läge,  als  wie  die  Erhaltung  des  Friedens.        H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck  auf  einer  Abschrift  der  Aufzeichnung: 
1  Beifort! 
-  richtig 

214 


3  richtig 

*  wer?    Deroulede-Boulanger? 
6  ? 

6    9 

■^  Amerika 

8  ? 

9  das  haben  wir! 

Nr.  1283 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  im  Auswärtigen  Amt 
Grafen  zu  Rantzau,  z.  Z.  in  Varzin 

Eigenhändig 

Varzin,  den  20.  Mai  1888 

Der  Herr  Reichsi<anzler  bittet  dem  Grafen  Münster  vertraulich 
und  sicher  zu  antworten,  er  sei  mit  seiner  Behandlung  der  Belforter 
Angelegenheit*  ganz  einverstanden. 

„Die  Erscheinung  in  Beifort  aber,"  so  fuhr  Seine  Durchlaucht  be- 
hufs Mitteilung  an  Graf  Münster  wörtlich  fort,  „und  auch  die  Stim- 
mungen, die  sich  bei  Gelegenheit  der  Sezession  in  der  Patriotenliga 
von  Seiten  der  Genossen  Derouledes  dokumentiert  haben,  und  die 
Zurückweisung  Littauers**,  das  alles  sind  Symptome,  welche  auf  die 
Kriegslust  Frankreichs  schließen  lassen.  Wir  müssen  uns  deshalb  doch 
mit  dem  Gedanken  vertraut  machen,  daß  diese  bis  in  die  untersten 
Schichten  der  Bevölkerung  hinab  verbreitete  Stimmung  zu  einer  Explo- 
sion führen  muß,  sobald  irgendein  neuer  Wechsel  in  der  französischen 
Regierung  den  Zünder  dazu  liefert.  Wir  haben  bisher  unsererseits 
bei  dergleichen  Konflikten  alles  getan,  um  eine  Verschärfung  der- 
selben zu  vermeiden,  aber  ich  befürchte  nachgerade,  daß  dies  Bemühen 
ein  vergebliches  sein  werde,  und  kann  mich  des  Eindruckes  nicht  er- 
wehren, daß  friedfertige  Höflichkeit  zwar  für  die  französische  Regierung 
bequem   und   angenehm   sein   mag,   daß   die   Bevölkerung  Frankreichs 

*  Graf  Münster  hatte  wegen  der  Belforter  Angelegenheit  am  16.  Mai  auf  An- 
weisung von  Berlin  scharfe  Beschwerde  bei  dem  französischen  Minister  des  Aus- 
wärtigen Goblet  geführt.  Dieser  sprach  wohl  sein  Bedauern  aus,  erklärte  aber,  erst 
mit  seinen  Kollegen  Rücksprache  nehmen  zu  müssen.  Der  Vorfall  führte  zu  Wei- 
terungen, weil  die  französische  Regierung  die  Zahlung  einer  Entschädigung  ver- 
weigerte und  die  beteiligten  Studenten  auf  den  Weg  der  Privatklage  bei  den 
französischen  Gerichten  verweisen  ließ.  Da  sich  aber  kein  französischer  Anwalt 
bereit  finden  ließ,  die  Klage  der  deutschen  Studenten  zu  vertreten,  endete  die 
Angelegenheit  mit  der  Konstatierung  in  der  „Norddeutschen  Allgemeinen  Zeitung" 
vom  14.  August  1888,  „daß  der  Deutsche  in  Frankreich  kein  Recht  findet,  und 
daß  für  Vergehen  gegen  Deutsche  in  Frankreich  keine  Sühne  zu  erlangen  ist". 
Auf  deutscher  Seite  blieb  eine  Spannung  zurück,  die  ihren  Ausdruck  u.  a.  auch 
in  der  Verhängung  des  Paßzwanges  für  Elsaß-Lothringen  fand.  Siehe  die  folgen- 
den Aktenstücke. 

**  Am  24.  April  1888  war  der  Schriftsetzer  Littauer  aus  Breslau,  der  zu  Ver- 
wandten nach  Reims  reisen  wollte,  an  der  Grenze  mit  dem  Bedeuten,  sich  erst 
eine  Erlaubnis  des  Präfekten  von  Nancy  zur  Einreise  zu  verschaffen,  zurück- 
gewiesen worden. 

215 


aber  zu  den  Charakteren  gehört,  welche  friedliche  Höflichkeit  und 
anständige  Formen  sehr  leicht  als  Schwäche  und  Besorgnis  auffassen 
und  sich  dadurch  mehr  in  der  Unverschämtheit  verhärten,  als  zu 
gleichem  Verhalten  veranlaßt  sehen.  Wir  werden  deshalb  niemals  Hän- 
del suchen,  und  der  Ausbruch  des  Krieges,  den  ich  befürchte,  wird  nie- 
mals eine  diesseitige  Aggression  zum  Ausgangspunkte  haben.  Aber  ich 
bin  zweifelhaft  geworden,  ob  unser  bisheriges  System,  dem  Bruche  aus- 
zuweichen, einer  für  anständige  Behandlung  so  wenig  empfänglichen 
Nation  gegenüber,  wie  es  die  Franzosen  sind,  das  Richtige  ist.  Ich 
werde  es  wenigstens  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  nicht  mehr  mit 
derselben  Zuversicht  wie  bisher  empfehlen  können." 

C.  Rantzau 

Nr.  1284 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Paris  Grafen  Münster 

Konzept 
Nr.  152  Berlin,  den  21.  Mai   1888 

Um  den  von  Frankreich  aus  in  Elsaß-Lothringen  unternommenen 
Wühlereien  entgegenzutreten,  wird  der  Kaiserliche  Statthalter  in  Elsaß- 
Lothringen  zufolge  einer  Mitteilung  desselben  die  in  Abschrift  er- 
gebenst  beigefügte  Verordnung,  als  deren  Geltungsbeginn  derSl.d.Mts. 
in  Aussicht  genommen  ist,  durch  das  Kaiserliche  Ministerium  in  Straß- 
burg erlassen*. 

*  Abgedruckt  u.a.  in  Schulthess'  Europäischer  Geschichtskalender  1888,  S.86.  Die 
erste  Anregung  zur  Verschärfung  der  Paßkontrolle  an  der  französischen  Grenze 
ging  auf  einen  Bericht  des  preußischen  Gesandten  in  Dresden  Grafen  von  Dönhoff 
vom  18.  Januar  1888  zurück,  der  die  Tatsache  hervorhob,  daß  die  zahlreichen  Deutsch- 
land und  so  auch  Dresden  besuchenden  französischen  Offiziere  nicht  entfernt  einer 
solchen  Behelligung  und  Überwachung  unterlägen,  wie  deutsche  Offiziere  in  Frank- 
reich. Fürst  Bismarck  veranlaßte  darauf  das  Auswärtige  Amt,  laut  Aufzeichnung  des 
Grafen  zu  Rantzau  vom  20.  Januar,  mit  den  Verbündeten  Regierungen  über  die 
Frage  in  Verbindung  zu  treten,  ob  es  nicht  notwendig  sei,  an  der  französischen 
Grenze  eine  strengere  Paßkontrolle  einzuführen,  und  zwar  so,  daß  Franzosen, 
namentlich  französische  Offiziere  nur  dann  zugelassen  würden,  wenn  sie  ein  Visa 
der  deutschen  Botschaft  in  Paris  hätten.  „Es  würde  durch  eine  solche  Maßregel 
ein  doppelter  Zweck  erreicht  werden:  einmal  würden  die  Rekognoszierungen  und 
Spionagen  der  französischen  Offiziere  in  Deutschland  verhindert  oder  doch  er- 
schwert werden,  welche  jetzt  ebenso  wie  zur  Zeit  Napoleons  vor  dem  Kriege 
stark  im  Gange  wären,  und  dann  würde  auch  den  Franzosen  die  Unangemessenheit 
der  dortigen  Gastfreundschaft  durch  Talion  vor  Augen  geführt  werden".  Durch 
Vorkommnisse  wie  die  Mißhandlung  der  deutschen  Studenten  in  Beifort  wurde 
Fürst  Bismarck  in  seiner  Absicht  noch  bestärkt,  sodaß  er  zu  ihrer  Ausführung 
auch  gegen  die  dringenden  Vorstellungen  des  Statthalters  in  Elsaß-Lothringen, 
Fürsten  von  Hohenlohe,  schritt.  Vgl.  dessen  ausführliche  Darstellung  in  Denk- 
würdigkeiten des  Fürsten  Chlodwig  zu  Hohenlohe-Schillingsfürst  11  (1Q07),  S.  432ff. 
Im  weiteren  Verlauf  des  Jahres  1888  kam  es  zu  der  Ausweisung  zahlreicher  aktiver 
französischer  Offiziere,  die  sich  „Sprachstudien"  halber  in  Deutschland  aufhielten. 
Vgl.  „Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung"  vom  6.  und  18.  Dezember  1888. 

216 


Von  dem  gedachten  Zeitpunkt  an  muß  jeder  über  die  französische 
Grenze  nach  Elsaß-Lothringen  reisende  Ausländer,  sei  es,  daß  er  auf 
der  Durchreise  begriffen  ist  oder  im  Reichslande  Aufenthalt  nehmen 
will,  einen  Paß  besitzen,  welcher  mit  dem  Visa  der  Kaiserlichen  Bot- 
schaft in  Paris  versehen  ist. 

Für  ein  jedes  solches  Visa  wollen  Ew.  pp.  eine  Gebühr  von  zehn 
Mark  erheben  und  die  hieraus  entstehenden  Einnahmen  in  der  üblichen 
Weise  verrechnen  bezw.   abführen. 

Wenn  der  die  Erteilung  des  Visa  bei  Ew.  pp.  Nachsuchende  nicht 
die  französische  Staatsangehörigkeit  besitzt  und  sonstige  politische  Be- 
denken nicht  obwalten,  wird  das  Visa  anstandslos  zu  bewilligen  sein.  Ist 
der  Nachsuchende  aber  ein  Franzose,  so  ersuche  ich  Sie,  das  Visa  erst 
dann  zu  erteilen,  wenn  derselbe  den  Zweck  und  die  etwaige  Dauer 
seiner  Reise  in  Elsaß-Lothringen  angibt  und  der  Kaiserliche  Statt- 
halter, mit  dem  Ew.  pp.  sich  in  einem  jeden  solchen  Fall  in  unmittel- 
bare Verbindung  setzen  wollen,  gegen  die  Erteilung  des  Visa  keine 
Bedenken  erhebt.  Ausnahmen  von  einer  vorherigen  Anfrage  bei  dem 
Kaiserlichen  Statthalter  werden  Ew.  pp.  vorerst  nur  dann  machen 
können,  wenn  der  Nachsuchende  eine  allgemein  als  einwandfrei  bekannte 
oder  angesehene  Persönhchkeit  ist,  von  welcher  nach  Ihrer  Über- 
zeugung eine  Agitation  in  Elsaß-Lothringen  gegen  die  deutsche  Herr- 
schaft nicht  zu  befürchten  steht.  Ob  auch  noch  in  andern  Fällen 
vor  der  Erteilung  des  Visa  von  einer  Anfrage  bei  dem  Herrn  Statt- 
halter abgesehen  werden  kann,  wird  erst  entschieden  werden,  wenn 
die  Verordnung  etwa  einen  Monat  lang  in  Geltung  gewesen  sein  wird. 
Über  diesen  Punkt  sehe  ich  seinerzeit  einem  gefälligen  Bericht  entgegen. 

Die  Kaiserlichen  Berufskonsuln  in  Frankreich,  welche  hinfort  Visa 
nicht  mehr  erteilen  dürfen,  habe  ich  von  der  in  Aussicht  genommenen 
Verordnung  mit  besonderem  unter  fliegendem  Siegel  beifolgenden  Erlaß, 
dessen  Weiterbeförderung  Ew.  pp.  gefälligst  übernehmen  wollen,  be- 
nachrichtigt. H.  Bismarck 

Nr.  1285 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Reiiikonzept 
Nr.  258  Berlin,  den  28.  Mai  1888 

Die  Paßmaßregeln,  welche  wir  genötigt  gewesen  sind  zu  ergreifen, 
um  der  französischen  Agitation  in  den  Reichslanden  entgegenzutreten, 
die  im  Laufe  der  letzten  Jahre  mit  jedem  Tage  dreister  wurde  und 
bedenkliche  Zustände  zu  schaffen  drohte,  werden  in  der  Presse  viel- 
fach besprochen  und  finden  in  Organen  internationalen  oder  republi- 
kanischen   Anstrichs,   die   noch    mehr   oder   weniger   unter   dem    Ein- 

217 


fluß  der  französischen  Presse  stehen,  eine  falsche  und  gehässige  Be- 
urteilung. An  einigen  Stellen  wird  jene  Maßregel  sogar  bis  zu  einer 
deutscherseits  beabsichtigten  Provokation  des  friedliebenden  Frank- 
reichs entstellt,  während  gerade  die  in  Frankreich  systematisch  groß- 
gezogene Erbitterung  gegen  Deutschland,  die  zu  unqualifizierbaren 
Ausschreitungen,  in  jüngster  Zeit  zu  der  Mißhandlung  deutscher  Stu- 
denten in  Beifort  geführt  hatte,  jene  Maßnahmen  hervorgerufen  und 
im  Interesse  der  Aufrechthaltung  friedlicher  Beziehungen  zu  unserem 
unberechenbaren   Nachbarn   notwendig  gemacht   hat.    pp. 

H.  Bismarck 

Nr.  1286 

Der  Geschäftsträger  in  Paris  von  Schoen  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  212  Paris,  den  18.  Juli  1888 

Die  Stimmung  in  Frankreich  uns  gegenüber  ist  seit  einigen  Wochen 
eine,  wenn  auch  nicht  weniger  gehässige,  so  doch  entschieden  be- 
sonnenere geworden.  Die  Presse  im  allgemeinen  befleißigt  sich  bei 
Besprechung  deutscher  Angelegenheiten  eines  maßvolleren  Tones  und 
größerer  Zurückhaltung,  als  es  sonst  ihre  Gewohnheit  ist.  Auch  in  den 
mannigfachen  offiziellen  und  privaten  patriotischen  Kundgebungen  in 
Wort  und  Tat,  zu  welchen  das  Nationalfest  am  14.  Juli  Anlaß  gegeben, 
ist  ein  gewisses  Streben  nach  nüchterner  Ruhe  und  ein  vorsichtiges 
Vermeiden  der  sonst  bei  solchen  Gelegenheiten  üblichen  Revanche- 
rufe nicht  zu  verkennen  gewesen. 

Die  Quelle  dieser  Wandlung  dürfte  in  verschiedenen  Ereignissen 
der  jüngsten  Zeit  zu  suchen  sein.  Die  Paßmaßregeln  für  Elsaß- 
Lothringen  haben  ihre  Wirkung  augenscheinlich  nicht  verfehlt.  Den 
Franzosen  ist  es  nachgerade  klar  geworden,  daß  dieselben  eine  Art 
Ultimatum  an  ihre  Adresse  bedeuten,  und  daß  es  angesichts  dieser 
Warnung  angezeigt  sei,  nicht  mit  dem  Feuer  der  Revancheideen  zu 
spielen.  Mehr  aber  wie  der  Paßzwang  hat  die  Thronbesteigung  Seiner 
Majestät  des  Kaisers  und  Königs  die  Franzosen  zu  einem  maßvolleren 
und  vorsichtigeren  Benehmen  in  ihren  öffentlichen  Meinungsäußerungen 
bewogen.  Ist  auch  die  Annahme  einer  unmittelbaren  Kriegsgefahr, 
welche  man  in  Frankreich  allgemein  an  die  erhabene  Person  Seiner 
Majestät  zu  knüpfen  liebte,  durch  die  friedfertigen  Kundgebungen  aller- 
höchstdesselben  Lügen  gestraft  worden,  so  ist  doch  das  Gefühl  geblie- 
ben, daß  Deutschlands  Geschicke  in  den  Händen  eines  Herrschers 
ruhen,  welcher  unter  Umständen  leichter  zum  Schwerte  greifen  könnte, 
als  der  totkranke  Vater  und  der  hochbetagte  Großvater,  daß  daher 
ruhiges  Verhalten  mehr  denn  je  am  Platze  sei.  Hierzu  kommt  nun  noch, 
daß   der  Schritt,   welchen   unser   allergnädigster   Kaiser   und   Herr   in 

218 


St.  Petersburg  zu  unternehmen  im  Begriff  steht*,  die  Aussichten  auf 
russische  Unterstützung  oder  auch  nur  Duldung  der  französischen  Ge- 
lüste und  Ränke  zu  vernichten  droht.  Gerade  die  Zurückhaltung,  mit 
welcher  sich  die  französische  Presse  und  politische  PersönHchkeiten 
über  den  Kaiserbesuch  aussprechen,  die  Gleichgültigkeit,  welche  sie 
mit  der  Versicherung  heucheln,  der  Besuch  sei  rein  familiärer  Natur, 
werde  keine  politischen  Folgen  haben  und  an  dem  Verhältnis  zwischen 
Rußland  und  Frankreich  nichts  ändern,  daneben  die  schüchiernen  Ver- 
suche der  Presse,  den  Keil  der  widersprechenden  Interessen  zwischen 
uns  und  unsere  Verbündeten  zu  treiben  und  England  unter  Ausbeu- 
tung gewisser  Vorkommnisse  am  Hofe  des  hochseligen  Kaisers  Fried- 
rich gegen  Deutschland  aufzustacheln  —  das  alles  zeigt,  daß  die  Fran- 
zosen wieder  zum  Bewußtsein  ihrer  Isolierung  und  zu  der  Erkenntnis 
gelangt  sind,  daß  es  für  jetzt  geraten  sei,  vorsichtig  alles  zu  vermeiden, 
was  als  Zeichen  kriegerischer  Neigungen  gedeutet  werden  und  zu 
Konflikten  Anlaß  geben  könnte. 

V.  Schoen 

Nr.  1287 

Aufzeichnung  des  Vortragenden  Rats  in  der  Reichskanzlei 
von  Rottenburg,  z.  Z.  in  Friedrichsruh 

Eigenhändig 

Friedrichsruh,  den  19.  Oktober  1888 

Der  Herr  Reichskanzler  wünscht,  daß  bei  Mitteilung  des  anliegen- 
den Pariser  Berichts**  nochmals  in  folgendem  Sinne  an  den  KaiserUchen 
Botschafter  in  Rom  geschrieben  werde: 

Die  tunesische  Frage  sei  kein  zweckmäßiger  Anlaß,  um  zum  Bruch 
mit  Frankreich  zu  treiben,  weil  er  als  solcher  den  Italien  verbündeten 
Nationen  nicht  faßlich  und  verständlich  sein  würde;  er  sei  zu  „diplo- 
matisch". Es  empfehle  sich,  für  die  Möglichkeit  einer  kriegerischen 
Schichtung  der  Beziehungen  zu  Italien  einen  günstigeren  Anknüpfungs- 
punkt abzuwarten.  Daß  sich  ein  solcher  bieten  würde,  wenn  man  die 
innere  Entwicklung  Frankreichs  nicht  störe,  sei  Seiner  Durchlaucht 
nicht  zweifelhaft;  die  Leidenschaftlichkeit  der  Franzosen  bürge  dafür.  Für 
unsere  friedliebenden  Bevölkerungen  sei  die  Frage  des  „Angegriffen- 
seins" für  jede  Kriegseinleitung  eine  sehr  wichtige;  sie  entscheide  über 
den  Enthusiasmus,  mit  dem  der  Krieg  aufgenommen  werde.  Seine 
Durchlaucht  befürchte,  es  werde  trotz  aller  Bemühungen  nicht  möglich 


•  Ära  14.  Juli  hatte  Kaiser  Wilhelm  II.  seine  erste  Fahrt  als  Souverän  nach  Peters- 
burg angetreten;  am  20.  traf  er  dort  auf  der  russischen  Kaiserjacht  ein. 
**  Am  14.  Oktober  hatte  Botschafter  Graf  Münster  über  Äußerungen  des  Ministers 
Goblet  bezüglich  der  tunesischen  Schulfrage,  in  der  ein  Konflikt  zwischen  Frank- 
reich und  Italien  entstanden  war,  berichtet. 

219 


sein,  mit  Frankreich  im  Frieden  zu  leben,  glaube  aber,  daß  es  unsere 
Aufgabe  sei,  den  französischen  Angriff,  der  seiner  Ansicht  nach,  wie 
gesagt,  nicht  ausbleiben  werde,  abzuwarten,  damit  die  öffentliche  Mei- 
nung in  den  beteiligten  Nationen  nicht  den  Eindruck  erhalte,  als  ob  wir 
unsrerseits  Frankreich  provozierten*. 

Rottenburg 

Nr.  1288 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Statthalter  in  Elsaß-Lothringen  Fürsten  von  Hohenlohe 

Konzept 
Nr.  7  Berlin,  den  T.März  1889 

[abgegangen  am  8.  März] 
Das  gefällige  Schreiben  Ew.  pp.  vom  5.d.Mts.,  betreffend  die  Be- 
schädigung von  Grenzpfählen  an  der  französischen  Grenze,  hat  dem 
Herrn  Reichskanzler  vorgelegen.  Fürst  Bismarck  ist  dankbar,  daß  der  An- 
gelegenheit seitens  der  dortigen  Beamten  eine  weitere  Folge  nicht  ge- 
geben worden  ist.  Da  die  jetzige  Regierung  in  Frankreich**  Zeichen  einer 
gewissen  Kraft  an  den  Tag  gelegt  und  die  Neigung  gezeigt  hat,  sich 
von  den  Kundgebungen  der  Straße  zu  emanzipieren,  so  empfiehlt  es 
sich,  wenn  von  unserer  Seite  einstweilen  vermieden  wird,  dem  Pariser 
Kabinett  Schwierigkeiten  zu  machen  und  die  ruhige  Entwickelung  der 
Dinge  zu  stören.  Ich  bitte  Ew.  pp.  ergebenst,  soweit  es  angeht,  die  fran- 
zösische Regierung  bei  Grenzvorfällen  ähnlicher  Art  dadurch  zu  schonen, 
daß  dieselben  ohne  Aufsehen  ihre  Erledigung  erlangen  und  nicht  in 
Publizität  gezogen  werden.  H.  Bismarck 

Nr.  1289 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes 
Grafen  von  Bismarck 

Reinschrift 

Berhn,  den  3.  März  1890 

Heute  besuchte  mich  Herr  Christofle,  Direktor  des  Credit  fonder 
in  Paris  und  französischer  Deputierter.    Derselbe  war  bei  mir  durch 


*  Botschafter  Graf  zu  Solms  in  Rom  wurde  durch  Erlasse  vom  22.  und  23.  Ok- 
tober 1888  in  dem  Sinne  obiger  Direktiven  beschieden.  Wie  Graf  zu  Solms 
unter  dem  27.  Oktober  berichtete,  hatten  Fürst  Bismarcks  versöhnliche  Ratschläge 
vollen  Erfolg.  Ministerpräsident  Crispi  ließ  dem  Fürsten  zurücksagen,  er  sei  der 
französischen  Regierung  soweit  wie  nur  möglich  entgegengekommen;  er  werde 
es  durchaus  vermeiden,  derselben  irgendeine  Demütigung  zuzumuten. 
**  Am  23.  Februar  war,  nachdem  am  14.  Februar  das  Ministerium  Floquet  gestürzt 
war,  das  Kabinett  Tirard  an  das  Ruder  gelangt,  das  am  28.  Februar  die  Auf- 
lösung der  Patriotenliga  verfügte. 

220 


den  mexikanischen  Gesandten  Romero  Vargas  eingeführt.  Letzterer 
hatte  schon  vor  Jahr  und  Tag  mir  den  Wunsch  ausgesprochen,  durch 
seine  Beziehungen  zu^  Frankreich  dazu  beigetragen,  daß  eine  Entente 
und  womöghch  AlHanz  zwischen  der  deutschen  und  der  französischen 
Regierung  zustande  käme.  Inzwischen  war  Herr  Vargas  ein  Jahr  auf 
Urlaub  gewesen.  Nach  seiner  Rückkehr  im  Monat  Januar  sprach  er 
mir  wieder  von  seinem  „Liebhngsgedanken",  indem  er  von  mir  nur 
die  Zusage  erbat,  daß  ich  Herrn  Christofle  (dessen  Namen  er  mir 
dabei  zum  ersten  Male  nannte)  empfangen  würde,  wenn  er  hierher 
käme.  pp. 

Herr  Christofle  ist  ein  wohlerzogener,  gebildeter  Mann  und  macht 
den  Eindruck  eines  der  besten  Repräsentanten  der  französischen  haute 
finance.  Als  er  nach  einigen  Einleitungen  das  Thema  einer  möglichen 
deutsch-französischen  Allianz  abordierte,  ergab  sich  alsbald,  daß  er 
denselben  Gedankengang  entwickelte,  welcher  der  bekannten  neuer- 
lichen Broschüre  des  Obersten  Stoffel  zugrunde  liegt.  Er  konstatierte, 
daß  die  steigenden  militärischen  Anforderungen  sowohl  das  französi- 
sche wie  das  deutsche  Volk,  welche  als  die  zivilisiertesten  der  Welt 
berufen  wären,  sich  gegenseitig  zu  unterstützen,  dem  Ruin  entgegen- 
führen würden,  und  daß  sein  lebhafter  Wunsch  sei,  der  Krieg  von  1870 
möge  der  letzte  i=^  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  gewesen  sein. 
Er  behauptete,  daß  alle  Vorbedingungen  dazu  vorhanden  seien,  denn 
das  französische  Volk  sei,  abgesehen  von  einigen  Pariser  Schreiern 
und  Journalisten,  durchaus  friedlich  gesinnt  ^  und  würde  uns  niemals 
angreifen  3.  Letzteres  könne  nur  dann  geschehen,  wenn  wir  etwa  in 
einen  Krieg  mit  Rußland  verwickelt  würden.  Das  Resultat  einer  solchen 
Konstellation  würde  aber  ein  für  Europa  höchst  trauriges  sein,  und 
das  einzige  Mittel,  dies  zu  vermeiden,  sähe  er  in  der  Retrozession  von 
Elsaß-Lothringen*.  Dieses  Land  brächte  Deutschland  keinen  Nutzen, 
und  Frankreich  würde  mit  uns  eine  dauernde^  Allianz  abzuschließen 
bereit  sein,  wenn  es  die  verlorenen  Provinzen  wiedererhielte. 

Ich  hörte  Herrn  Christofle  freundlich  an  und  konnte  ihm  an  der 
Hand  der  Geschichte  leicht  nachweisen,  daß  wir  durch  die  exponierte 
Situation  Süddeutschlands  und  die  in  jedem  Jahrhundert  immer  wieder- 
kehrenden Angriffe  Frankreichs  genötigt  gewesen  seien,  Deutschland 
eine  bessere  Grenze  gegen  Frankreich  zu  geben,  als  es  bis  1870  gehabt 
hätte  6:  seine  Darlegungen  hätten  zur  Voraussetzung,  daß  das  sogenannte 
Millennium  unmittelbar  im  Anzüge  sei;  ich  sähe  aber  hierfür  kein 
Wahrzeichen.  Jeder  deutsche  Minister,  der  die  Frage  einer  freiwilligen 
Retrozession  der  uns  früher  geraubten  westlichen  Landesteile  anregen 
wollte,  würde  sowohl  politisch  wie  persönlich  in  eine  unmögliche 
Stellung  geraten:  davon  könne  also  nicht  die  Rede  sein.  Ich  hoffe, 
daß  wir  auch  ohne  dem  die  guten  Beziehungen,  in  denen  wir  jetzt  mit 
Frankreich  ständen,  weiter  auszubilden  vermögen  würden.  Diese  Be- 
ziehungen seien  sowohl  Ende  der  70^«"  Jahre  als  zumal  im  Jahre  1884 

221 


unter  dem  Ministerium  Ferry  schon  viel  besser  gewesen.  Erst  durch 
General  Boulanger  wären  wir  wieder  um  mehrere  Jahre  zurück- 
geworfen worden.  Da  Herr  Christofle  mir  versicherte,  daß  es  mit  dem 
Boulangismus  vollständig  und  auf  immer  zu  Ende  sei,  so  hätte  ich 
die  Hoffnung,  daß  wir  auf  dem  guten  Wege,  auf  welchem  wir  uns  jetzt 
befänden,  die  verlorene  Zeit  aber  wieder  einbringen  und  ähnliche  gün- 
stige Beziehungen  zu  Frankreich  herstellen  könnten,  wie  sie  im  Laufe 
der  letzten  20  Jahre  schon  zweimal  mit  gutem  Erfolg  angebahnt  seien. 
Unsere  Unterhaltung  bewegte  sich  fast  anderthalb  Stunden  lang  in 
der  vorstehend  skizzierten  Bahn,  und  wenn  sie  auch  zu  keinem  Resultat 
führen  konnte,  so  schloß  sie  doch  aufs  freundlichste,  indem  Herr 
Christofle  mich  einlud,  ihn  bald  in  Paris  zu  besuchen,  pp. 

H.  Bismarck 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

*  [„zu"  durchstrichen,  dafür:]  in 

ta    p 

2  seit  wann? 

3  nur  20  Mal  in  300  Jahren 

*  dann  wird  das  „Angreifen"  wieder  etwas  leichter,  u[nd]  Süddeutschland  davon 
abhängig 

6  richtig 


222 


Kapitel  XLI 

Italiens  Mitwirkung  für  den  Fall  eines 
französisch-deutschen  Krieges 


Nr.  1290 

Bericht  des  Militärattaches  in  Rom  Major  von  Engelbrecht* 

Abschrift 
Nr.  21  Rom,  den  12.  Dezember  1886 

Seit  der  durch  Frankreichs  Vorgehen  in  Tunis  verursachten  An- 
näherung Italiens  an  Deutschland-Österreich  ist  im  italienischen  Gene- 
ralstab die  Möglichkeit  eines  im  Bunde  mit  Deutschland  gegen  Frank- 
reich zu  führenden  Krieges  zum  Gegenstand  eingehender  Studien  ge- 
worden. 

Während  der  Jahre  1882  und  1883  wurden  die  ersten  einschläglichen 
Arbeiten  von  dem  Kriegsministerium  und  dem  Generalstab  gemein- 
schaftlich mit  Eifer  betrieben  und  bis  zur  Aufstellung  eines  Operations- 
planes gefördert. 

Geleitet  von  der  richtigen  Erkenntnis,  daß  auch  das  Schicksal  Ita- 
liens auf  den  Schlachtfeldern  zwischen  der  deutsch-französischen  Grenze 
und  Paris  entschieden  werde,  lag  dem  Operationsplan  der  gesunde  Ge- 
danke zugrunde,  daß  vermittelst  einer  energischen  Offensive  durch  die 
Alpen  ein  möglichst  großer  Teil  der  französischen  Streitkräfte  von  dem 
eigentüchen  Kriegstheater  abgezogen  und  sodann  der  deutschen  Armee 
in  der  Richtung  über  Lyon  die  Hand  gereicht  werden  müsse. 

Man  verhehlte  sich  allerdings  nicht  die  großen  Schwierigkeiten, 
welche  der  Durchführung  dieser  Operation  vornehmlich  im  Anfange  be- 
gegnen würden,  —  Überschreiten  der  Alpen,  Forcieren  der  durch 
fortifikatorische  Anlagen  geschlossenen  Deboucheen,  —  doch  ließ  man 
sich  dadurch  nicht  von  dem  Vorsatz  abbringen,  Herr  aller  Schwierig- 
keiten werden  zu  wollen.  Richtig  wurde  damals  erkannt,  daß  die  Armee 
in  erster  Linie  einer  besonderen,  artilleristischen  Ausrüstung  behufs  Be- 
kämpfung der  Sperranlagen  im  Gebirge  bedürfe,  und  das  Entsprechende 
daher  eingeleitet,  um  dieses  schwierige  spezifisch  technische  Problem 
zu  lösen.  Inzwischen  war  man  auch  über  die  einzuleitenden  Vor- 
wärtsbewegungen, sowie  über  die  Stelle,  an  welcher  der  Hauptdurch- 
bruch geschehen  solle,  schlüssig  geworden. 

So  lagen  die  Dinge,  als  im  Jahre  1884  ein  partieller  Wechsel  in 
der  Besetzung  der  höchsten  militärischen  Stellen  vor  sich  ging.  Neue 
Ideen  verschafften  sich  Geltung,  zum  Teil  auch  durch  den  Umstand  ver- 
anlaßt, daß  die  französischen  Sperranlagen  stetig  an  Ausdehnung  zuge- 
nommen hatten,  wodurch  allerdings  eine  merkliche  Änderung  der  Situa- 
tion eingetreten  war. 

Man  fing  an,  die  Möglichkeit  eines  Durchbruchs  mehr  und  mehr 


»  Vgl.  dazu  Bd.  IV,  Kap.  XXIV,  S.  224. 

15    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  225 


zu  bezweifeln,  und  ließ  sich  aus  diesem  Grunde,  sowie  finanzieller 
Rücksichten  halber  verleiten,  die  Beschaffung  eines  durch  die  eigen- 
artigen Verhältnisse  absolut  gebotenen  Materials  einzustellen. 

Hiermit  war  der  Verzicht  auf  jede  ernste  Offensive  durch  die 
Westalpen  indirekt  ausgesprochen, 

(Näheres  enthielt  der  Bericht  Nr.  8  pro  1886  über  Belagerungs- 
parks gegen  Alpenbefestigungen.) 

Um  sich  nun  aber  nicht  durch  dieses  wohlfeile  Aufgeben  eigener 
verantwortHcher  Initiative  dem  gewiß  naheliegenden  Einwurf  des  Man- 
gels an  Vertrauen  zu  der  Leistungsfähigkeit  der  Armee  und  ihrer  Füh- 
rung auszusetzen,  verfiel  man  in  Übertreibung  der  sich  darbietenden 
Schwierigkeiten. 

So  sagte  z.  B.  noch  vor  einigen  Wochen  der  Generalsekretär  im 
Kriegsministerium*  dem  Berichterstatter,  daßselbst  die  preußische  Armee 
hier  nicht  würde  durchzudringen  vermögen,  worauf  die  Erwiderung 
nicht  unterbleiben  konnte,  daß  die  preußische  Armee  aber  niemals  von 
vornherein  den  Glauben  an  die  MögUchkeit  eines  solchen  Gelingens 
aufgeben  und  sich  wenigstens  mit  allen  Mitteln  ausrüsten  würde,  um 
sich  den  Erfolg  zu  sichern.  Der  General  entgegnete:  daß  letzteres  in 
Italien  unterlassen  worden,  sei  zu  bedauern,  doch  sei  man  gegenwärtig 
bestrebt,  das  Versäumte  wieder  einzuholen.  Hierzu  muß  indes  bemerkt 
werden,  daß  diese  Absicht  einstweilen  in  dem  entscheidenden  Artillerie- 
ressort noch  unbekannt  ist. 

Mit  dem  Aufgeben  des  Gedankens  der  Offensive  durch  die  West- 
alpen mußte  nach  einem  anderen  Wege  für  die  Kooperation  gesucht 
werden,  und  glaubt  man  denselben  in  nördhcher  Richtung,  sei  es  unter 
Benutzung  der  Gotthard-  oder  der  Brennerlinie  gefunden  zu  haben. 

Man  argumentiert  nämlich  in  folgender  Weise: 

Eine  italienische  Offensive  durch  die  Alpen  kommt  an  den  fran- 
zösischen Sperranlagen  sofort  zum  Stehen;  gelingt  im  günstigsten  Fall 
der  Durchbruch,  so  wird  bis  dahin  doch  ein  bedenklich  langer  Zeitraum 
verstreichen;  während  dieser  Zeit  werden  die  italienischen  Armeen, 
deren  große  numerische  Überlegenheit  im  Gebirge  nicht  zur  Geltung 
zu  bringen  ist,  von  ungleich  schwächeren  Kräften  aufgehalten,  mithin 
ein  wirksames  Degagieren  der  deutschen  Armeen  nicht  erreicht. 

Aus  dieser  Lage  ergibt  sich  die  Notwendigkeit,  die  italienische 
Überlegenheit  auf  dem  eigentlichen  Kriegsschauplatz  einzusetzen,  wäh- 
rend in  den  Alpen  die  Operationen  nur  von  einer  den  dortigen  Verhält- 
nissen entsprechend  starken  Armee  zu  führen  sein  werden. 

Solcher  Art  ist  die  zurzeit  im  Kriegsministerium  herrschende  Vor- 
stellung von  einer  Kooperation  Itahens. 

Welche  Kräfte  glaubt  man  nun  für  eine  solche  Entsendung  disponibel 
zu  haben?  Die  Ordre  debataille  umfaßt  vier  Armeen  mit  15  Armeekorps. 

*  Marselli. 
226 


Eine  Ite,  2te  und  3'^  Armee  sind  für  die  eigentlichen  Feldopera- 
tionen bestimmt  und  zählen  in  10  Armeekorps  höchstwahrscheinlich 
nur  Truppen  erster  Linie.  Eine  4*«  sogenannte  Zentralarmee  besteht 
aus  5  Armeekorps,  von  denen  vier  zur  Hälfte  aus  Truppen  erster 
Linie,  zur  andern  Hälfte  aus  Truppen  zweiter  Linie  formiert  sind, 
während  das  5'^  Armeekorps  nur  aus  Truppen  zweiter  Linie  zusammen- 
gesetzt ist. 

Die  Armeekorps  dieser  letztgenannten  Armee  stehen  an  wich- 
tigen Punkten  des  peninsularen  Teiles  des  Landes,  wie  Rom,  Neapel, 
Viareggio-Spezia  zum  unmittelbaren  Schutz  gegen  Landungsversuche 
verteilt. 

Die  Konzentration  der  drei  ersten  Armeen  findet  in  Piemont  statt, 
und  scheint  es,  daß  von  den  10  Armeekorps  vier  für  die  Operationen 
in  den  Alpen,  sechs  zum  Auftreten  auf  dem  deutsch-französischen 
Kriegsschauplatze  bestimmt  sind. 

Ob  dieses  Erscheinen  von  zirka  180  000  Italienern  den  Plänen  der 
deutschen  Heeresleitung  überhaupt  entsprechen  würde,  muß  dahinge- 
stellt bleiben.  Ernste  Bedenken  werden  gewiß  dagegen  zu  erheben 
sein.  Von  hier  aus  aber  muß  hervorgehoben  werden,  daß  der  Gedanke 
einer  derartigen  Verlegung  des  Schwerpunktes  der  Hauptaktion  ent- 
schieden nachteilig  den  Vorbereitungen  für  das  nähergelegene  Kriegs- 
theater gewesen  ist. 

So  mußte  es  dahin  kommen,  daß  es  an  besonderm,  durchaus  not- 
wendigen Belagerungsmaterial  fehlt;  daß  über  das  Angriffsverfahren 
gegen  Sperrforts  keine  Entscheidungen  getroffen  sind;  daß  die  Ver- 
pflegung der  Truppen  in  den  Alpen  nicht  genügend  vorbereitet  ist,  und 
daß  die  in  dieser  Hinsicht  von  dem  Oeneralstabe  allein  ausgearbeiteten 
Projekte  nach  Ansicht  des  Ökonomiedepartements  der  praktischen 
Unterlage  entbehren. 

Für  die  Operationen  in  den  Alpen  aber  sind  Energie  und  Schnellig- 
keit des  Handelns  durchaus  geboten,  weil  der  Zeitraum,  währenddessen 
überhaupt  hier  große  mititärische  Unternehmungen  stattfinden  können., 
infolge  klimatischer  Einflüsse  nur  ein  relativ  kurzer  ist.  Daher  muß  ein 
höchster  Grad  von  Vorbereitung  vorhanden  sein,  und  wenn  dies  nicht 
der  Fall  ist,  so  begibt  man  sich  gleichsam  freiwillig  eines  wesentlichen 
Faktors  für  das  Gelingen  der  Aktion. 

In  Frankreich  wird  man  über  den  hiesigen  Stand  der  Dinge  gewiß 
informiert  sein,  und  glaubt  man  dort,  vor  der  Hand  nicht  viel  mehr  als 

zwei  Armeekorps  und  zwei  Reservedivisionen 
an  der  italienischen  Grenze  eintretendenfalls  stehen  lassen  zu  müssen. 
Diese  beiden  Armeekorps  und  zwei   Reservedivi- 
sionen  repräsentieren    also   in    der   ersten,    entscheidenden 

Periode  des  Krieges  den  eigentlichen  militärischen  Wert 

einer  italienischen  Alliance. 


15* 


227 


Erwägt  man,  daß  Italien  glaubt,  15  Armeekorps  aufstellen  zu  können, 
von  denen  10  für  die  Feldarmee  bestimmt  sind,  so  müßte  der  Wert  einer 
solchen  Machtentfaltung  unzweifelhaft  ein  bedeutend  höherer  sein. 

Die  Armee  ist  jung,  hat  Proben  ihrer  Leistungsfähigkeit  noch  nicht 
abgelegt,  der  Sieg  auf  dem  Schlachtfelde  ist  ihr  unbekannt. 

Festes  Vertrauen  zu  sich  selbst  wagt  man  nicht  recht  zu  fassen, 
daher  der  unverkennbare  Zug  von  Zaudern  und  Abwägen,  auf  welche 
Probe  man  wohl  die  Truppe,  in  der  das  Gefühl  enger  Zusammenge- 
hörigkeit mit  ihren  Führern  sowie  das  Moment  der  Initiative  nicht  ge- 
nügend großgezogen  sind,  stellen  darf.  Daher  auch  der  Wunsch  nach 
unmittelbarer  Anlehnung  an  den  Bundesgenossen.  Zum  Schluß  soll  aber 
nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  bei  der  gegenwärtigen  H  eeresleitung  auf  beste 
Intentionen  hinsichtlich  einer  eventuellen  Kooperation  gerechnet  werden 
darf,  und  bei  ihr  gewiß  jeder  Rat  dankbare  Aufnahme  finden  würde. 

Im  Offizierkorps  sind  alle  Sympathien  für  die  in  Rede  stehende 
Waffengemeinschaft  vorhanden,  in  welcher  man  gleichzeitig  das  si- 
cherste Mittel  für  eine  Rehabilitierung  erblickt,  die  sich  erkämpfen  zu 
müssen,  —  im  Hinblick  auf  den  Verlauf  und  Ausgang  der  Kampagne 
1866,  —  als  eine  dringende  Notwendigkeit  in  der  Armee  empfunden 
wird.  (gez.)  von  Engelbrecht 

Nr.  1291 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 

an  Kaiser  Wilhelm  I.,  z.  Z.  in  Baden-Baden 

Ausfertigung 

Berlin,  den  3.  Oktober  1887 

pp.  Im  engsten  Vertrauen  regte  Herr  Crispi*  an,  wir  möchten 
mit  dem  Wunsche  um  Geheimhaltung  in  Rom  vorschlagen,  daß  zwischen 
ausgesuchten  preußischen  und  italienischen  Generalstabs-  und  Marine- 
offizieren Besprechungen  über  die  Möglichkeit  und  Durchführbarkeit 
gemeinsamer  Operationen  gegen  Frankreich  stattfänden,  damit  ein 
etwaiger  Angriff  dieser  Macht  uns  nicht  unvorbereitet  träfe,  und  damit 
wir  uns  im  voraus  klar  wären,  wie  unsere  Defensivallianz  militärisch  am 
wirksamsten  zur  Hebung  gebracht  werden  könne. 

Der  Reichskanzler  bittet  Euere  Majestät  um  AUerhöchstdero  Er- 
mächtigung, mit  den  Chefs  des  Generalstabes  und  der  Admiralität  auf 
dieser  Basis  in  vertrauliche  Besprechung  treten  zu  dürfen,  und  darf  ich 
Euerer  Majestät  ehrfurchtsvoll  anheimgeben,  AUerhöchstdero  Willens- 
meinung durch  huldreiches  Marginaldekret  zum  Ausdruck  bringen  zu 
wollen. 

*  Vom  1.  bis  3.  Oktober  hatte  der  italienische  Ministerpräsident  Crispi  zum  Be- 
suche des  Fürsten  Bismarck  in  Friedrichsruh  geweilt.  Am  3.  Oktober  erstattete 
Graf  Herbert  Bismarck,  der  bei  den  Unterredungen  zwischen  beiden  Staats- 
männern zugegen  gewesen  war,  dem  Kaiser  darüber  Bericht.  Vgl.  Bd.  IV,  Nr.  917 
nebst  Fußnote. 

228 


Da  wir  mit  Italien  keine  Grenze  haben,  so  ist  die  Frage  einer  kon- 
zentrischen Kooperation  zu  Lande  immerhin  eine  schwierige,  und  die 
Anregung  Herrn  Crispis,  sie  von  den  Generalstäben  prüfen  zu  lassen, 
erscheint  der  Erwägung  wert.  Fürst  Bismarck  hat  Herrn  Crispi  auch 
hierbei  darauf  hingewiesen,  wie  erwünscht  es  für  Italien  und  Deutsch- 
land wäre,  Österreich  als  Dritten  im  Bunde  zu  halten,  weil  sich  damit 
die  MögUchkeit  des  Durchmarsches  durch  Tirol  und  der  Kooperation 
im  Norden  oder  Süden  der  Alpen  von  selbst  ergeben  würde. 

Die  Erwähnung  dieses  militärischen  Themas  sowohl  als  der  ganze 
Besuch  des  Herrn  Crispi  überhaupt  beweisen,  daß  derselbe  entschlos- 
sen ist,  Italien  noch  fester  als  bisher  auf  der  antifranzösischen  Seite  zu 
engagieren :  Er  begegnet  sich  mit  uns  in  dem  Wunsche,  den  Frieden 
solange  als  möglich  aufrecht  zu  erhalten,  hat  aber  durch  seine  in  Frank- 
reich mißliebige  Reise  nach  Friedrichsruh  uns  die  Sicherheit  geben 
wollen,  daß  wir  auf  ihn  und  Italien  unbedingt  zählen  können. 

H.  Bismarck 

Nr.  1292 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Abschrift 
Geheim  Berlin,  den  15.  Oktober  1887 

Bei  seiner  Anwesenheit  in  Friedrichsruh  hat  Herr  Crispi  im  eng- 
sten Vertrauen  zur  Sprache  gebracht,  daß  militärische  Kooperationen 
Deutschlands  und  Italiens  im  Falle  eines  französischen  Angriffes  mit 
Rücksicht  auf  die  geographische  Situation  ihre  Schwierigkeiten  haben 
würden.  Der  Herr  Reichskanzler  verabredete  darauf  mit  ihm,  daß 
Seine  Majestät  der  Kaiser  in  der  Sache  Vortrag  erhalten  und  um  die 
Ermächtigung  gebeten  werden  sollte,  daß  die  Frage  vom  militärischen 
Gesichtspunkt  aus  geprüft   werden   könnte*. 

Ich  habe  Seiner  Majestät  nun  Bericht  erstattet,  und  allerhöchst- 
dieselben  haben  mich  angewiesen,  durch  Euere  Exzellenz  Herrn  Crispi 
vorschlagen  zu  lassen,  daß  unser  und  der  italienische  Generalstabschef 
die  Frage  in  Erwägung  nehmen,  in  welcher  Weise  eintretendenfalls  mili- 
tärische Kooperation  stattfinden  könnte:  Seine  Majestät  wünscht  die 
bezügUchen  Besprechungen  auch  auf  die  Marine  auszudehnen,  und  ich 
bitte  Euere  Exzellenz  Herrn  Crispi  hiervon  streng  vertraulich  Mitteilung 
zu  machen. 

Ich   werde   mich   mit  den   Chefs  des  Generalstabes   und  der  Ad- 


*  Vgl.  dazu  die  Erzählung  Crispis  (Die  Memoiren  Francisco  Crispis;  deutsch  von 
W.  Wichmann  S.  227  f.),  welche  vollauf  bestätigt,  daß  der  Gedanke  einer  gegen 
Frankreich  gerichteten  Militärkonvention  auf  seine  Anregung  zurückging.  Crispi 
sprach  sogar  von  der  Notwendigkeit  schleuniger  Aufstellung  eines  Verteidigungs- 
und Angriffs  plans. 

229 


miralität  in  Beziehung  setzen,  um  deren  Vorschläge  über  den  Modus 
der  militärischen  Besprechungen  zu  hören,  und  ersuche  Euere  Exzel- 
lenz, Herrn  Crispi  zu  fragen,  ob  er  etwa  besondere  Wünsche  bezüg- 
lich der  Einleitung  und  Behandlung  der  Sache  hat.  Es  könnten  viel- 
leicht zunächst  die  Militärattaches  als  Mittelspersonen  benutzt  werden 
und  nach  Erledigung  der  vorbereitenden  Arbeit  höhere  Offiziere  an 
einem  dritten,  unauffälligen  Ort  zur  definitiven  Feststellung  von  Plänen 
zusammenkommen,   sodaß   unnötiges   Aufsehen   vermieden   wird. 

Der  Kaiser  ist  über  die  Anregung  sehr  erfreut  gewesen  und  hat 
sich  vorbehalten,  noch  einige  strategisch  militärische  Bemerkungen  zur 
Sache  eigenhändig  aufzuzeichnen.  Ich  darf  mir  vorbehalten,  nach  Ein- 
gang derselben  und  nach  Anhörung  der  militärischen  Autoritäten  Euere 
Exzellenz  mit  näherer  Weisung  zu  versehen.  Wenn  ich  schon  heute 
über  die  Sache  schreibe,  so  geschieht  das  hauptsächlich,  um  Herrn  Crispi 
wissen  zu  lassen,  daß  wir  diesen  geheimen  Teil  der  Friedrichsruher 
Besprechungen  sorgfältig  im  Auge  behalten.  Bei  dem  Mangel  einer 
gemeinsamen  Grenze  mit  Italien  würde  es  sehr  nützlich  sein,  wenn  wir 
uns  beizeiten  über  die  Möglichkeit  zusammenwirkender  Operationen 
klar  würden,  damit  uns  ein  etwaiger  französischer  Angriff  nicht  unvor- 
bereitet trifft,  (gez.)  H.  Bismarck 

Nr.  1293 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Staats- 
sekretär des  Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Eigenhändige  Ausfertigung 
Geheim  Rom,  den  20.  Oktober  1887 

pp.  Herr  Crispi  war  sehr  erfreut  über  meine  Eröffnungen  und  er- 
klärte sich  mit  dem  Vorschlage,  die  Besprechungen  auch  auf  die  Marine 
auszudehnen,  sehr  einverstanden. 

BezügHch  des  Modus  der  militärischen  Verhandlungen  hatte  er 
zuerst  den  Gedanken,  die  beiderseitigen  Generalstabschefs  sollten  in 
Berlin  oder  Rom  zusammenkommen.  Als  ich  ihn  darauf  aufmerksam 
machte,  daß  Reisen  so  hoher  Militärs  großes  Aufsehen  erregen  wür- 
den, schlug  er  vor,  entweder  einen  hohen  italienischen  Generalstabs- 
offizier der  Botschaft  in  BerUn  oder  einen  hohen  deutschen  Offizier 
der  Botschaft  in  Rom  für  die  Dauer  der  Verhandlungen  zu  atta- 
chieren.  Ich  machte  den  Einwand,  daß  dies  zu  sehr  gegen  den  Gebrauch 
sei  und  daher  ebenfalls  auffallend  erscheinen  müsse.  Eine  kurze  Atta- 
chierung  werde  doch  immer  als  eine  besondere  Mission  angesehen  wer- 
den, während  Rom  und  Berlin  interessant  genug  wären,  um  Urlaubs- 
reisen von  Generalstabsoffizieren  erklärlich  zu  finden. 

Herr  Crispi  machte  schließlich  folgenden  Vorschlag: 

Der  Feldmarschall  Graf  Moltke,  welcher  doch  derjenige  Stratege 
sei,  vor  dem  sich  alles  beuge,  möge  einen  Plan  entwerfen  und  den- 

230 


selben  hierher  mitteilen  i;  wenn  man  sich  über  die  Grundzüge  geeinigt 
haben  würde,  würde  Italien  einige  höhere  Offiziere  nach  Berlin  schicken, 
welche   dann   mit   den   unsrigen   die  Details   ausarbeiten   könnten. 

Ich  bemerkte  dem  Ministerpräsidenten,  daß  uns  der  Vorschlag 
der  Entsendung  italienischer  Offiziere  nach  Berlin  sehr  willkommen 
sein  würde.  GrafSolms 


Randbemerkung  des  Staatssekretärs  Grafen   Herbert  von   Bismarck: 
1  Seine  Majestät  einverstanden. 

Nr.  1294 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Eigenhändiges  Konzept 

Nr.  357 

Geheim  Berlin,  den  23.  November  1887 

Mit  Bezugnahme  auf  meine  Ew.  im  vorigen  Monat  zugegange- 
nen geheimen  Mitteilungen  betreffs  einer  eventuellen  italienisch-deut- 
schen Kooperation  in  einem  Kriege  gegen  Frankreich*  übersende  ich 
Ihnen  mit  der  Bitte  um  sekrete  Behandlung  die  beifolgende  vom  Feld- 
marschall Grafen  Moltke  ausgearbeitete  vorläufige  Darlegung**. 

Der  Chef  des  Generalstabes  hat  keinen  Zweifel,  daß  Seine  Majestät 
der  Kaiser  den  Ausführungen  der  allerhöchstdenselben  noch  vorlie- 
genden Denkschrift  beitreten  werden.  Da  Seine  Majestät  aber  vielleicht 
noch  Zusätze  machen,  worüber  ich  Ew.  eintretendenfalls  telegraphisch 
verständigen  würde,  so  habe  ich  die  beiliegende  Arbeit  einstweilen  als 
eine  vorläufige  bezeichnen  müssen. 

Ich  ermächtige  Ew.,  Herrn  Crispi  eine  französische  Übersetzung 
der  Anlage  im  strengsten  Vertrauen  und  gegen  das  Versprechen  abso- 
luter Diskretion  persönlich  auszuhändigen.  Ich  stelle  Ew.  anheim, 
solche  Stellen,  die  Ihnen  nach  Ihrer  Kenntnis  des  Herrn  Crispi  etwa 
nicht  zur  schriftlichen  Ausantwortung  an  denselben  geeignet  erschei- 
nen, nur  auszüglich  zu  übersetzen  oder  mündlich  mitzuteilen. 

Ew.  wollen  Herrn  Crispi  sagen,  daß  wir  seiner  Rückäußerung 
mit  lebhaftem  Interesse  entgegensehen.  Sollten  Sie  bei  dem  Herrn 
Minister  Verwunderung  darüber  wahrnehmen,  daß  die  präliminare  Äuße- 
rung unseres  Generalstabes  erst  heute  zu  seiner  Kenntnis  gebracht 
wird,  so  bitte  ich  darauf  zu  verweisen,  daß  nicht  nur  Seine  Majestät, 
sondern  auch  Graf  Moltke  bis  vor  kurzem  krank  gewesen  sind. 

Wenn  Herr  Crispi  die  Sendung  hoher  italienischer  Offiziere  nach 
Berlin  nunmehr  für  opportun  hält,  so  wird  uns  der  Besuch  derselben 
sehr  willkommen  sein.  H.  Bismarck 


*  Siehe  Nr.  1292. 
**  Siehe  Nr.  1295. 


231 


Nr.  1295 

,, Vorläufige  Darlegung''  des  Qeneralfeldmarschalls 

Grafen  von  Moltke  über  eine  eventuelle  militärische  Kooperation 

Deutschlands  und  Italiens  gegen  Frankreich 

Unsignierte  Abschrift 

Berlin,  im  November  1887 

Bei  einem  von  Frankreich  hervorgerufenen  Kriege  ist  es  offenbar 
für  Deutschland  wie  für  Italien  von  hohem  Wert^,  daß  beide  Mächte 
sich  miteinander  verbünden-. 

Die  Franzosen  w^erden  dadurch  genötigt  sein,  ihre  Streitkräfte  zu 
teilen,  eine  gesonderte  Armee  im  Norden,  eine  zweite  im  Süden  ihres 
Gebiets  aufzustellen  3. 

Allerdings  trennt  die  neutrale  Schweiz  auch*  die  Operationssphäreu 
der  deutschen  und  der  itaUenischen  Armee  und  verhindert  zunächst 
ihr  unmittelbares  Zusammenwirken.  Ein  solches  wird  erst  möglich, 
wenn  der  Verlauf  der  kriegerischen  Begebenheiten  beiden  Heeren  ge- 
stattet, die  Richtung  etwa  auf  Lyon  einzuschlagen.  Andererseits  aber 
gewährt  diese  ursprüngHche  Trennung  auch  wieder  den  Vorteil,  daß 
die  Franzosen  sich  nicht  mit  ihren  beiden  Heeren  auf  den  einen 
Gegner  werfen  können,  sofern  nur  beide  die  Operationen  einiger- 
maßen gleichzeitig  beginnen. 

Es  ist  deshalb  von  großer  Wichtigkeit,  daß  die  verbündeten  Re- 
gierungen sich  einigen,  alle  Vorbereitungen  zu  treffen,  um,  sobald  der 
Krieg  in  Aussicht  steht,  ihre  Heere  in  kürzester  Frist  schlagfertig  zu 
versammeln  und  dann  ungesäumt  zu  einer  kräftigen  Offensive  zu  schrei- 
ten. Der  Tag,  an  welchem  die  französische  Grenze  überschritten  wer- 
den soll,  wäre  gegenseitig  zu  vereinbaren. 

Bei  der  deutschen  Armee  ist  die  Mobilmachung  derart  geordnet, 
daß  sie  von  der  französischen  nicht  überholt  werden  kann;  aber  schon 
gleich  an  der  lothringischen  Grenze  wird  sie  den  Feind,  und  zwar  mit 
seiner  Hauptmacht  versammelt  finden.  Denn  eben  hier  im  Norden 
sieht  Frankreich  sich  in  seiner  Existenz  bedroht,  während  es  im  Süden 
weit^  leichter  sich  auf  abwehrendes  Hinhalten  beschränken  kann. 

Daß  bei  uns  gleich  anfangs  große  und  entscheidende  Schlachten 
zu  gewärtigen  sind,  macht  es  unmöglich,  einen  Operationsplan  über 
diese  hinaus  im  voraus  festzustellen.  Frühe  Entscheidungen  sind  indes 
willkommen,  da  nach  Ansicht  der  deutschen  Heeresleitung  Stellung- 
nahmen, Okkupierung  von  Länderstrecken,  selbst  von  Festungen  und 
künstliche  Manöver  einen  wirklichen  Wert  nicht  haben,  solange  noch 
der  Feind  im  Felde  steht,  und  daß  nur  die  Vernichtung  seiner  Heere 
den  Krieg  zu  beenden  vermag. 

Wenn  zwar  im  Süden  die  Verhältnisse  anders  liegen  und  der  Geg- 
ner erst  aufgesucht  werden  muß,  so  würden  doch  auch  dort  seine  mo- 
bilen Streitkräfte  ohne  Zweifel  das  eigentliche  Operationsobjekt  bilden. 

232 


Obwohl  die  deutsche  Flotte  imstande  ist,  einen  ansehnlichen  Teil 
der  französischen  auf  sich  zu  ziehen,  so  würde  letztere  dennoch  im 
Mittelmeer  der  italienischen  allein  überlegen  bleiben.  Sie  kann  die 
Benutzung  der  Küstenstraßen  erschweren,  einzelne  Hafenplätze  be- 
lästigen, übrigens  aber  auf  die  entscheidenden  Landoperationen  einen 
wesentUchen  Einfluß  nicht  üben^.  Die  italienischen  Eisenbahnen  er- 
leichtern die  schnelle  Heranführung  von  Streitmitteln  nach  den  bedroh- 
ten Punkten,  und  zu  wirklichen  Landungen  fehlt  es  der  französischen 
Regierung  an  Mitteln.  Sie  kann  zu  überseeischen  Expeditionen  keinen 
Mann  entbehren,  solange  sie  sich  im  eigenen  Lande  aufs  ernsthafteste 
bedroht  sieht. 

Sollten  hingegen,  wie  durchaus  nicht  unmögHch,  Verhältnisse  ein- 
treten, welche  es  der  italienischen  Flotte  ermöglichen,  die  See  zu  halten, 
so  würde  sich  ein  neues  und  weites  Feld  der  Tätigkeit  öffnen,  der  An- 
griff auf  Nizza  würde  erleichtert  und  Algerien  wäre  bedroht. 

Gegen  Invasion  des  eigenen  Gebiets  in  dem  Maße  gesichert,  wie 
die  Franzosen  in  dem  ihrigen  ernsthafter  angefaßt  werden,  wird  es  nicht 
die  Absicht  der  italienischen  Regierung  sein,  ihre  starke  und  treffliche 
Armee  zur  passiven  Verteidigung  der  Alpen  zu  verwenden,  wodurch  der 
Wert  des  Bündnisses  für  Deutschland  aufgehoben  wäre,  sondern  trotz 
lokaler  Schwierigkeiten   mit  derselben   das   Gebirge   zu   überschreiten. 

Das  Heer  tritt  dann  allerdings  in  ein  breites  Gebirgsgelände,  in 
welchem  weder  der  Angreifer  noch  der  Verteidiger  große  Massen  zur 
Schlacht  zu  entwickeln  vermag.  Es  wird  sich  zunächst  um  eine  Reihe 
von  Postengefechten  handeln,  bei  welchen  aber  jedenfalls  die  Über- 
legenheit der  Zahl  auf  italienischer  Seite  vorhanden  sein  wird.  Nach 
unseren  Nachrichten  hat  die  französische  Heeresleitung  bisher  nur  zwei 
Armeekorps  —  das  14.  und  15.  — ,  eine  Kavallerie-  und  etwa  vier  Re- 
servedivisionen für  die  Verteidigung  des  Südens  bestimmt.  Auch  wenn 
diese  Zahlen  später  verdoppelt  werden  sollten,  bedarf  es  kaum  der 
Hälfte  des  italienischen  Heeres,  um  sich  eine  entschiedene  Überlegen- 
heit zu  sichern. 

Es  stellt  sich  so  ein  Überschuß  an  Kräften  auf  italienischer  Seite 
heraus,  welcher  anderweit  zu  verwerten  wäre,  doch  kann  zurzeit  auf 
diesen  Gegenstand  nicht  näher  eingegangen  werden,  indem  darüber 
diplomatische  Verhandlungen  vorangehen  müßten.  Jedenfalls  aber 
würde,  auch  jetzt  schon,  ein  erster  Gedankenaustausch  zwischen  italie- 
nischen und  deutschen  MiHtärs  erwünscht  sein. 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck*: 

1  Wirklich? 

-  verbündet   sind  wir  ja;   richtiger  wäre:   „den  Feldzugsplan  combiniren." 

3  [Die  Worte  „Die  Franzosen"  bis  „aufzustellen"  sind  gestrichen.] 

4  [Das  Wort  „auch"  ist  gestrichen] 
3  [Das  Wort   „weit"    ist   gestrichen] 

6   9 


*  Vgl.  zu  ihnen  Nr.  1296. 

233 


Nr.  1296 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh, 
an  das  Auswärtige  Amt 

Telegramm.    Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Nr.  26  Friedrichsruh,  den  24.  November  1887 

Geheim 

Unter  Bezug  auf  deutsch-itahenische  Kooperation. 

Es  scheint  mir  notwendig,  im  ersten  AHnea  Seite  1  der  General- 
stabsäußerung* statt  „sich  miteinander  verbünden"  zu  setzen:  „den 
Feldzugsplan  zu  kombinieren'',  da  wir  verbündet  bereits  sind,  und  das 
zweite  Alinea  von  „die  Franzosen"  bis  „aufzustellen"  als  selbstver- 
ständlich ganz  zu  streichen.  Überhaupt  halte  ich  das  ganze  Aktenstück 
zur  wörthchen  Mitteilung  nicht  geeignet,  fürchte  vielmehr,  daß  dasselbe 
wegen  des  belehrenden  Tones,  in  welchem  von  Anfang  bis  zu  Ende 
zweifellose  Dinge,  die  in  jedem  Zeitungsartikel  stehen  könnten,  vorge- 
tragen werden,  einem  Eingehen  auf  praktische  Details  aber  ausgewichen 
wird,  verletzend  wirken  kann.  Die  Andeutungen  über  unsre  offen- 
siven Feldzugspläne  sind  gewagt  und  für  Italien  eine  Ermutigung,  ihren 
Erfolg  abzuwarten. 

Ich  bitte  deshalb,  die  Ermächtigung  zur  Mitteilung  zurückzuziehen 
und  Graf  Solms  anzuweisen,  daß  er  das  Aktenstück  für  sich  behält 
und  in  Anknüpfung  an  unsern  hiesigen  Ideenaustausch  nur  als  Basis 
vorläufiger  mündlicher  Besprechung  mit  Herrn  Crispi  benutzt. 

Der  Schlußsatz  des  Begleiterlasses  an  Graf  Solms  ist  nicht  kon- 
ditioneil zu  fassen,  sondern  einfach  als  Erklärung,  daß  der  Besuch  der 
italienischen   Offiziere  uns   willkommen   sein   wird**. 

v.  Bismarck 

Nr.  1297 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Telegramm.    Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 
Nr.  89  Berlin,   den  30.  November  1887 

Geheim  [abgegangen  am  1.  Dezember] 

Ew.  bitte  ich  die  Erledigung  des  im  Eingange  meines  Telegramms» 
Nr.  87  vom  24.  d.  Mts.***  enthaltenen  Auftrages,  betreffend  die  Her- 
sendung italienischer  Offiziere,  tunlichst  bald  herbeizuführen. 

In  einer  gestrigen  Unterredung  sagte  mir  Graf  Moltke,  die  in 
Aussicht  genommene  deutsch-italienische  Kooperation  biete  mit  Rück- 

*  Siehe  Nr.  1295. 

**  Entsprechend    den    Direktiven    des    Fürsten    Bismarck    wurde   der    Botschafter 

Graf  zu  Solms  durch  Telegramm   vom  24.  November  (Nr.  87)  instruiert. 

***  Siehe  die  voraufgehende  Fußnote. 

234 


sieht  auf  das  Fehlen  einer  gemeinschaftlichen  Grenze  Anlaß  zu  so 
vielen  Kombinationen  und  lasse  für  so  zahlreiche  Eventualitäten  Raum, 
daß  die  eingehende  Behandlung  der  einzelnen  Fälle  mündlich  erfolgen 
müsse,  um  großen  Zeitverlust  zu  vermeiden:  Manche  ganz  geheimen 
Pläne  vi^ürden  de  part  et  d'autre  auch  nicht  gern  dem  Papier  anver- 
traut werden.  Unter  diesen  Umständen  glaubt  der  Feldmarschall  nicht, 
daß  er  die  in  Ew.  Schreiben  vom  20.  v.  Mts.*  erwähnte,  durch  das 
schmeichelhafte  Vertrauen  des  Herrn  Crispi  ihm  zugedachte  strategische 
Aufgabe  mit  der  seinen  eignen  Wünschen  und  der  Wichtigkeit  des 
Gegenstandes  entsprechenden  Gründlichkeit  würde  lösen  können. 

Er  glaubt  vielmehr,  daß  die  Sache  durch  mündUche  Besprechung 
mit  hohen   itaUenischen  Offizieren  wirksam   gefördert  werden   würde. 

Ew.  stelle  ich  die  vorstehenden  Gesichtspunkte  zum  Behufe  ge- 
eigneter Verwertung  zur  Verfügung  und  bemerke  noch,  daß  auch  der 
Feldmarschall  ebenso  wie  Herr  Crispi  auf  möglichst  schleunigen  Ein- 
tritt in  die  Beratungen  Gewicht  legt. 

Ew.  Meldung  über  das  Eintreffen  der  italienischen  Offiziere  hoffe 
ich  daher  binnen  kurzem  entgegensehen  zu  dürfen. 

Eine  weitere  Betrachtung  des  Feldmarschalls,  welche  jedoch  nur 
allgemeine  Gesichtspunkte  behandelt,  werde  ich  Ew.  mit  nächstem 
Feldjäger  zugehen  lassen.  H.  Bismarck 

Nr.  1298 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde 
an  das  Auswärtige  Amt 

Telegramm.  Entzifferung 
Nr.  148 
Geheim  Rom,  den  I.Dezember  1887 

Unter  Bezugnahme  auf  Telegramm  Nr.  89**. 

Ich  habe  am  27.  v.  Mts.  Herrn  Crispi  nach  Maßgabe  des  Tele- 
gramms Nr.  87***  und  des  Erlasses  Nr.  357 f  die  befohlenen  Mit- 
teilungen gemacht.  Er  wünscht  zunächst  eine  schriftliche  Unterlage 
zu  haben,  damit  der  Kriegsminister  die  nach  Berlin  bestimmten  Offi- 
ziere instruieren  könne.  Es  würde  mir  eine  Ermächtigung  zu  einer 
französischen  auszugsweisen  Mitteilung  der  dem  Erlaß  Nr.  357  bei- 
gefügt gewesenen  vorläufigen  Ausarbeitung  wünschenswert  sein.  Be- 
richt   vom    27.  V.  Mts.    folgt    mit   morgendem    Feldjäger.         Solms 

Randbemerkung  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von   Bismarck: 
Drei  Eventualitäten  ins  Auge  fassen 

1.  daß  wir  beide  allein  sind,  ohne  Österreich  und  England,  also  daß  es  sich 


*  Siehe  Nr.  1293. 

**  Siehe  Nr.  1297. 

***  Vgl.  die  Fußnote  *♦  zu  Nr.  1297. 

t  Siehe  Nr.  1294. 


235 


um    eine    Defensive    von   Italien    und    Deutschland    gegen    Frankreich   handelt. 
Darauf  findet  diese  erste  und  flüchtige  Äußerung  des  Qeneralstabs  Anwendung. 

2.  Eventualität  ist  die,  daß  Österreich,  infolgedessen  auch  Rußland,  von 
Hause  aus  beteiligt  sind.  Dann  stellt  es  sich  anders,  wir  können  via  Brenner 
italienische  Hilfstruppen  haben  und  dafür  aus  dem  Nordosten  Truppen  an  Öster- 
reich  abgeben. 

3.  Eventualität  bietet  die  Beteiligung  Englands,  die  Überlegenheit  also  zur 
See  und  infolgedessen  die  aggressive  Landung  italienischer  Truppen  an  jedem 
Punkt  der  französischen  Küste  und,  bei  Beteiligung  der  Türkei,  an  der  russischen 
Küste.  Diese  drei  respektive  vier  verschiedenen  Eventualitäten  bieten  einen  so 
weiten  Gesichtskreis,  daß  schriftliche  Verabredungen  ohne  Vorbereitung  durch 
mündliche  Besprechungen  zwischen  höheren  Offizieren  nicht  möglich. 


Nr.  129Q 

Der  Unterstaafssekretär  im  Auswärtigen  Amt  Graf  von  Berchem 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Konzept   von   der   Hand  des   Vortragenden    Rats    von   Holstein 

Nr.  373  Berlin,   den  4.  Dezember   1887 

Ew.  beehre  ich  mich,  in  Verfolg  des  Telegramms  des  Herrn  Staats- 
sekretärs Nr.  89  vom  30.  v.  Mts.*  anbei  ein  kurzes  Promemoria**  des 
Generalstabs  zu  übersenden.  Dasselbe  enthält  lediglich  allgemeine 
Gesichtspunkte  und  will  die  Erörterung  im  einzelnen  der  mündlichen 
Verhandlung  zwischen  den  Vertretern  der  beiderseitigen  Generalstäbe 
vorbehalten.  Ew.  Ermessen  stelle  ich  anheim,  Herrn  Crispi  eine  Über- 
setzung des  Promemoria  zu  übergeben. 

Berchem 

Nr.  1300 

Promemoria  des  Generalstabes 

Unsignierte  Abschrift 

Frankreich  wird  voraussichtlich  für  den  Kriegsfall  im  Süden  ein 
Heer  bereit  halten,  im  Norden  aber,  wo  ihm  die  größere  Gefahr  droht, 
seine  Hauptmacht  versammeln. 

Sollten  die  Franzosen  zur  Offensive  über  die  Alpen  schreiten,  so 
würde  ihnen  in  der  Poebene  die  italienische  Armee  in  der  vollen 
Stärke  von  15  Korps  entgegentreten.  Diese  Überlegenheit  stellt  sich 
ihnen  ebenfalls  in  der  Lombardei  gegenüber,  wenn  sie  unter  Ver- 
letzung der  Neutralität  durch  die  Schweiz  vordrängen.  Sie  lüden  sich 
dabei  einen  neuen  Feind  auf,  dessen  Widerstand  keineswegs  zu  unter- 

*  Siehe  Nr.  1297. 
**  Siehe  Nr.  1300. 

236 


schätzen  ist,  und  müßten  sich  zum  Schutz  ihrer  Verbindungen  durch 
Besetzthalten  des  Landes  noch  erhebHch  schwächen. 

Gerade  die  neutrale  Schweiz  gewährt  Frankreich  Vorteil,  indem 
sie  die  Operationssphären  der  verbündeten  Gegner  trennt,  ihr  unmittel- 
bares Zusammenwirken  zunächst  ausschließt,  und  da  die  Schweiz  völlig 
entschlossen  und  gerüstet  ist,  diese  Neutralität  zu  verteidigen,  so  ist 
eine  Mißachtung  derselben,  von  welcher  Seite  es  sei,  unwahrscheinlich. 

Frankreich  kann  sich  aber  auch  im  Süden  um  so  eher  defensiv 
verhalten,  als  große  Entscheidungen  dort  in  den  ersten  Stadien  des 
Krieges  nicht  zu  erwarten  sind,  während  solche  im  Norden  gleich  bei 
der  ersten  Grenzüberschreitung  eintreten  müssen. 

So  gegen  eine  Invasion  des  eigenen  Landes  gesichert,  gestalten  sich 
auf  italienischer  Seite  die  Verhältnisse  für  einen  Einbruch  in  Südfrank- 
reich günstig.  Allerdings  sind  die  gangbarsten  Straßen  über  die  west- 
lichen Alpen,  die  über  den  kleinen  St.  Bernhard,  über  den  Mont-Cenis 
und  Mont-Genevre,  durch  starke  französische  Befestigungen  gesperrt 
und  führen  schließhch  auf  Brianyon,  auch  auf  das  feste  Grenoble,  Aber 
auf  der  Straße  über  Mont-Argentier  und  einige  nahe  südliche  Pässe,  die 
ohne  sonderliche  Schwierigkeiten  gangbar  hergestellt  werden  können, 
liegen  zwei  Forts,  welche  dauernden  Widerstand  kaum  zu  leisten  ver- 
mögen. Der  Weitermarsch  sowohl  westlich  gegen  die  Rhone  wie 
südlich  gegen  Nizza  stößt  auf  keine  fortifikatorischen  Hindernisse.  Auch 
die  Befestigungen,  welche  die  vom  Col  di  Tenda  nach  Süden  führenden 
Wege  und  die  Straße  längs  der  Riviera  sperren  sollen,  bedürfen  nach 
französischem  Eingeständnis  erheblicher  Vervollständigung,  um  diesen 
Zweck  zu  erfüllen. 

Die  trefflich  organisierten  Alpentruppen  der  italienischen  Armee 
werden  den  Widerstand  beseitigen  können,  auf  welchen  sie  in  den  ver- 
schiedenen Pässen  selbst  stoßen.  Dann  aber  betritt  das  Heer  ein  breites 
Gebirgsland,  in  welchem  weder  Angreifer  noch  Verteidiger  Massen  zu 
entwickeln  vermögen.  Es  wird  sich  um  eine  Reihe  von  größeren  oder 
kleineren  Postengefechten  handeln,  in  welchen  die  Überlegenheit  der 
Zahl  auf  Seite  der  Italiener  sein  wird,  wenn  sie  auch  nur  mit  einem  Teil 
der  Armee  in   möglichst  vielen   Kolonnen  vorgehen. 

Nach  unsern  Berichten  hatten  die  Franzosen  bisher  zwei  Armee- 
korps, eine  Kavalleriedivision  und  etwa  vier  Reservedivisionen  zur 
Sicherung  gegen  Italien  bestimmt. 

Ein  unmittelbares  Zusammenwirken  der  deutschen  und  italienischen 
Streitkräfte  könnte  nur  im  späteren  Verlauf  des  Krieges  stattfinden, 
wenn  beide  die  Richtung  auf  Lyon  einschlagen;  denn  ursprünglich  sind 
sie   auf   Entfernungen   von    60 — 70   Meilen   voneinander   getrennt. 

Der  Umstand,  daß  bei  uns  gleich  anfangs  große  Schlachten  zu 
gewärtigen  sind,  macht  es  unmöglich,  einen  Operationsplan  über  diese 
hinaus  im  voraus  festzustellen. 


237 


Nr.  1301 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  ßismarck 

Eigenhändige  Ausfertigung 

Nr.  291  Rom,  den  13.  Dezember  1887 

Geheim 

Das  dem  hohen  Erlasse  Nr.  373  vom  4.  d.  Mts.*  beigefügt  ge- 
wesene Promemoria  des  Generalstabs  habe  ich  nach  Maßgabe  der 
hohen  telegraphischen  Weisung  Nr.  91  vom  6.  d.  Mts.  auf  der  Basis 
der  darin  aufgestellten  Punkte  in  ein  französisches  Memoire  um- 
gearbeitet und  Herrn  Crispi  mit  der  nötigen  Empfehlung  der  Geheim- 
haltung übergeben.  Abschrift  dieses  Memoires  füge  ich  anliegend  ganz 
gehorsamst  bei. 

Herrn  Crispi  war  die  Mitteilung  sehr  angenehm,  und  er  beab- 
sichtigte sofort  mit  dem  Kriegsminister  in  Beratung  zu  treten,  was  er 
auch  vorgestern  getan  hat. 

Die  nach  BerUn  zu  sendenden  Offiziere  waren  gestern  noch  nicht 
bestimmt. 

Herr  Crispi  und  der  Kriegsminister  speisen  morgen  bei  mir,  und 
ich  werde  die  Gelegenheit  benutzen,  vom  General  Bertole-Viale  Nähe- 
res über  seine  Absichten  zu  erfahren. 

Der  österreichische  Botschafter  Baron  Brück,  welcher  mir  gegen- 
über, noch  bevor  die  Frage  zwischen  uns  und  Italien  zur  Sprache  kam, 
wiederholentlich  die  Notwendigkeit  der  Verabredung  eines  gemein- 
schafthchen  Feidzugsplanes  mit  Itahen  erörtert  hatte,  hat  sich,  seitdem 
die  russischen  Truppenbewegungen  an  der  österreichischen  Grenze 
bekannt  geworden  sind,  wieder  sehr  lebhaft  mit  dem  Gedanken  be- 
schäftigt und  hat,  wie  er  mir  sagte,  in  Wien  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, daß  es  Zeit  sei,  damit  so  bald  als  möglich  vorzugehen. 

Daß  man  sich  mit  der  Idee,  Österreich  gegen  Rußland  beistehen 
zu  müssen,  auch  in  weiteren  Kreisen  Italiens  vertraut  macht,  ist  bereits 
aus  den  italienischen  Zeitungen  zu  ersehen.  Die  eine  bemerkte  neu- 
lich, die  österreichische  Presse,  indem  sie  immer  nur  hervorhebe,  Ruß- 
land werde  bei  einem  Angriff  auf  Österreich  die  deutschen  Bajonette 
gegen  sich  haben,  vergesse  ganz,  daß  auch  Itahen  den  Österreichern 
in  dem   Falle  mit  300000  Mann  beistehen  würde. 

Ich  vermute,  daß  Itahen  sich  demnächst  auch  mit  dem  österreichi- 
schen Generalstab  wegen  Verabredung  eines  Feldzugsplanes  in  Ver- 
bindung setzen  wird.  Graf  Solms 


*  Siehe  Nr.  1299. 
238 


Nr.  1302 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Eigenhändige  Ausfertigung 

Nr.  292  Rom,  den  H.Dezember  1887 

Geheim 

Die  nach  Berlin  bestimmten  Offiziere  sind  die  Oberstleutnants  Da- 
bormida  und  Albertone.  Der  erstere  war  bis  vor  kurzem  Vorstand  der 
Zentralabteilung  im  Kriegsministerium  und  kommandiert  jetzt  ein  In- 
fanterieregiment in  Neapel.  Er  soll  geneigt  sein,  die  Verhältnisse  in  der 
italienischen  Armee  zu  überschätzen,  und  kein  bedeutender  Offizier 
sein. 

Albertone  dagegen,  der  jetzige  Vorstand  der  Zentralabteilung  im 
Kriegsministerium,  gilt  für  sehr  begabt  und  gescheut.  Als  Lehrer  an 
der  Kriegsakademie  hat  er  ein  gutes  Lehrbuch  über  Generalstabs- 
wissenschaften geschrieben.  Früher  hat  man  ihn,  ob  mit  Recht  oder 
Unrecht,  lasse  ich  dahingestellt  sein,  mit  der  Irredenta  in  Verbindung 
gebracht. 

Daß  die  Wahl  gerade  auf  diese  beiden  Offiziere  fiel,  während  man 
vielleicht  begabtere  an  der  Hand  gehabt  hätte,  erklärt  sich  dadurch, 
daß  mir  Herr  Crispi  gleich  anfangs  sagte,  es  komme  vor  allem  darauf 
an,  Offiziere  nach  Berlin  zu  entsenden,  auf  deren  Verschwiegenheit  man 
sich  unter  allen  Umständen  verlassen  könne.  In  dieser  Beziehung  scheint 
auch  die  Wahl  eine  wohlüberlegte  gewesen  zu  sein,  denn  Oberstleut- 
nant Albertone  beherrscht  den  General  Cosenz  vollständig  und  auch 
Dabormida  hat  sein  volles  Vertrauen  besessen,  was  besonders  hervor- 
gehoben zu  werden  verdient,  als  General  Cosenz  wegen  seines  miß- 
trauischen Charakters  bekannt  ist,  und  er  in  der  Regel  Jahre  braucht, 
ehe  er  jemandem  sein  Vertrauen  schenkt. 

Auf  die  Bemerkung  in  dem  Billet  des  Herrn  Crispi,  welches  die 
Namen  der  Offiziere  enthielt,  er  erwarte  eine  Mitteilung  darüber,  wann 
die  Offiziere  abreisen  sollten,  habe  ich  erwidert,  daß  dies  gleich  ge- 
schehen könnte.  Graf  Solms 

Nr.  1303 

Der  Chef  des  öeneralstabes  Gcneralfeldmarschall  Graf  von  Moltke 
an  das  Auswärtige  Amt 

Ausfertigung 
Geh.  J.  Nr.  163 
Geheim  Berlin,  den  28.  Dezember  1887 

Dem  Auswärtigen  Amt  beehre  ich  mich  auf  das  sehr  gefällige 
Schreiben  vom  23.  d.  Mts.  ganz  ergebenst  zu  erwidern,  daß  die  König- 
lich italienischen  Oberstleutnants  Dabormida  und  Albertone  mir  gestern 
durch   den    Militärattache    Kapitän    Graf    Robilant    vorgestellt   worden 

239 


sind,  und  daß  ich  dieselben  mit  einem  der  Abteilungschefs  des  Großen 
Generalstabes  in  Verbindung  gesetzt  habe. 

Nach  der  Erklärung  der  beiden  Offiziere  beabsichtigt  die  ita- 
lienische Regierung  für  den  Fall  eines  Krieges  zwischen  Frankreich  und 
dem  verbündeten  Italien  und  Deutschland  in  Südfrankreich  einzubre- 
chen. Durch  die  Alpen,  welche  zu  überschreiten  sind,  durch  die  Unwirt- 
lichkeit der  Gegend  jenseits  derselben  und  durch  die  zahlreichen  fran- 
zösischen Befestigungen,  welche  fast  alle  Zugänge  sperren,  seien  viele 
Schwierigkeiten  gegeben,  welche  man  aber  zu  überwinden  hoffe  und 
zwar  um  so  leichter,  wenn  es  mit  Hilfe  Englands  i  gelänge,  der  französi- 
schen Flotte  Herr  zu  werden  und  von  der  See  aus  das  Vorgehen  der 
Armee  längs  der  Riviera  zu  unterstützen. 

Die  Natur  des  Kriegsschauplatzes  brächte  es  aber  mit  sich,  daß 
höchstens  acht  Armeekorps  auf  die  beabsichtigte  Operation,  welche 
immerhin  nur  Nebenzwecke  verfolge,  verwendet  werden  könnten.  Es 
sei  daher  der  entschiedene  Wunsch  der  italienischen  Regierung,  den 
Überschuß  an  Kräften  (5 — 6  Armeekorps,  2 — 3  Kavalleriedivisionen), 
welcher  dort  nicht  zur  Entwickelung  gebracht  werden  könnte,  dem  deut- 
schen Heere  am  Rhein  anzuschließen,  wo  die  Entscheidung  des  ganzen 
Krieges  fallen  müßte. 

Dieser  Wunsch,  welcher  unseren  Interessen  durchaus  entspricht, 
läßt  sich  nur  verwirklichen,  wenn  Österreich  die  Benutzung  seiner  Eisen- 
bahnen soweit  gestattet,  daß  die  italienischen  Truppen  über  Innsbruck 
und  Wiener  Neustadt  ausholend  an  den  Rhein  geführt  werden  können  2, 

Bevor  daher  die  Verhandlungen  fortgesetzt  werden,  ist  es,  wie  ich 
bereits  in  meinem  Schreiben  vom  26.  d.  Mts.  ganz  ergebenst  bemerkt 
habe,  nötig,  die  Zustimmung  Österreichs  zu  erlangen,  damit  dann 
unter  Beteiligung  von  Offizieren  der  drei  Armeen  die  nötigen  Fahr- 
tableaus  aufgestellt  werden  können  ^. 

Diesseits  wurde  den  italienischen  Offizieren  nur  mitgeteilt,  daß 
wir  beabsichtigten,  unsere  Streitkräfte  in  Elsaß-Lothringen  zu  vereinigen. 

Der  Bericht  des  Kaiserlichen  Gesandten  Grafen  Solms  vom 
14.  d  Mts.*   folgt   mit   dem   verbindlichsten    Dank   anbei   zurück. 

Der  Generalfeldmarschall 
Gr.  Moltke 


Randbemerkungen   des    Fürsten   von   Bismarck: 

1  Dann  steht  der  Seeweg  offen! 

^  Oest[er]reich  fragen 

3  richtig 

Schlußbemerkung  Bismarcks: 
Dabei    kann    man    sondiren,    wie    Oest[er]reich    sich    zu    einem    nur    deutsch- 
ital[ienisch]-französlischen]  Kriege  zu  verhalten  gedenkt.    Läßt  es  die  Ital[ienerl 
auch**,  so  wird  Rußland  das  als  Anlaß  betrachten  aus  der  Neutralität  heraus- 
zutreten. 


*  Siehe  Nr.  1302. 

**  So  im  Original,  wohl  verschrieben  für  „durch* 

240 


Nr.  1304 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes 

Graf  Herbert  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh,  an  den  Botschafter 

in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Reinkonzept 

Nr.  3  Friedrichsruh,  den   2.  Januar  1888 

Geheim 

Es  wird  dem  Grafen  Kälnoky  durch  Meldungen  der  hiesigen  öster- 
reichisch-ungarischen Botschaft  bekannt  sein,  daß  gegenwärtig  zwei 
italienische  Offiziere  in  Berlin  weilen,  welche  von  Herrn  Crispi  in  ge- 
heimer Mission  abgesandt  worden  sind,  um  mit  unserem  Generalstabe 
einen  militärischen  Operationsplan  für  den  Fall  eines  französischen 
Angriffs  zu  beraten. 

Die  Italiener  würden  bereit  sein,  mit  einem  beträchtlichen  Teil 
ihrer  Truppenmacht  am  Rhein  aufzutreten,  um  in  unmittelbarer  Weise 
an  dem  Kriege  teilzunehmen,  wenn  ihnen  österreichischerseits  die 
Benutzung  der  Brennerbahn  gestattet  würde. 

Ich  habe  mit  dem  Grafen  Szechenyi  eingehend  über  diese  Even- 
tualität gesprochen  und  ihn  gebeten,  an  seinen  Herrn  Chef  zu  schreiben, 
daß  wir  außerordentlich  dankbar  sein  würden,  wenn  die  österreichische 
Regierung  die  Genehmigung  zum  eventuellen  Transport  italienischer 
Truppen  durch  ihr  Gebiet  in  Aussicht  nehmen  wollte. 

Dabei  habe  ich  zur  Geltung  gebracht,  daß  im  Falle  eines  deutsch- 
französischen Krieges  Rußland  mit  ziemlicher  Sicherheit  zum  Angriff 
auf  Österreich  übergehen  würde. 

Sollte  Rußland  dann  etwa  wider  Erwarten  zaudern,  dabei  aber 
die  gewaltigsten  Rüstungen  betreiben  und  bedrohlichsten  Aufstellungen 
einnehmen,  so  würde  Österreich  voraussichtlich  aus  strategischen 
Gründen  seinerseits  den  Krieg  an  Rußland  erklären  müssen,  um 
letzterem  nicht  eine  vorteilhafte  Hinterhand  und  die  Wahl  des  Augen- 
blicks zu  überlassen.  Mit  einem  Worte,  Österreich  würde  sich  nach 
dem  Zwange  der  Umstände  analog  zu  Rußland  verhalten  müssen, 
wie  wir  dies  nach  dem  Erlaß  des  Herrn  Reichskanzlers  Nr.  745  vom 
27.  vorigen  Monats  Frankreich*  gegenüber  zu  tun  beabsichtigen,  falls 
ein  österreichisch-russischer  Krieg  entsteht,  in  dem  der  casus  foederis 
für  uns  keine  Anwendung  fände. 

Hiernach  würde  Österreich  selbst  ein  Interesse  daran  haben,  unsere 
Kraft  durch  italienische  Verstärkungen  an  der  Westgrenze  möglichst 
zu  heben,  schon  weil  wir  dann  voraussichtlich  gegebenenfalls  mit 
größerer  eigener  Macht  an  der  Ostgrenze  auftreten  könnten.  Bei  mei- 
ner vertrauHchen  Unterredung  mit  Graf  Szechenyi  habe  ich  ferner  gel- 
tend gemacht,  daß  Österreich  westlich  der  Brennerbahn  nur  eine  ge- 

*  Siehe  Nr.  1186. 

16    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  241 


ringfügige  Zahl  von  Truppen  stehen  habe  und  demnach  leicht  in  der 
Lage  sein  werde,  die  Benutzung  dieser  Bahn  sofort  bei  Ausbruch  des 
Krieges  den  italienischen  Truppen  zu  überlassen;  für  den  wahrschein- 
lichen Fall,  daß  der  französische  Angriff  nicht  isoUert,  sondern  gleich- 
zeitig mit  einem  Zusammenstoß  Österreichs  mit  Rußland  erfolgen  werde, 
sei  Österreich  ohnedies  darauf  angewiesen,  den  Aufmarsch  seiner  ge- 
samten Streitkräfte  nach  Osten  vorzunehmen,  und  würden  die  westlichen 
Eisenbahnlinien  der  österreichischen  Monarchie  demnach  von  öster- 
reichischen Militärtransporten  nur  ganz  vorübergehend  in  Anspruch  ge- 
nommen werden. 

Dieses  Verhältnis  ergebe  sich  aus  dem  geheimen  Vertrage  mit 
Itahen,  auf  dessen  Abschluß  wir  hauptsächlich  deshalb  mit  so  viel  Nach- 
druck hingewirkt  hätten,  um  Österreich  eine  freie  Flanke  nach  Westen 
zu  sichern.  Ich  habe  dem  Botschafter  auseinandergesetzt,  daß  für  uns 
allein  ein  Bedürfnis  zu  dem  italienischen  Bündnis  kaum  bestand. 
Wir  hätten  auch  ohne  dasselbe  auf  Italiens  Unterstützung  im  Falle  eines 
Krieges  mit  Frankreich  zu  rechnen  vermocht,  würden  unsererseits  Ita- 
lien bei  einem  Angriff  Frankreichs  auch  ohne  bestehendes  Vertrags- 
verhältnis im  eigenen  Interesse  haben  zu  Hilfe  kommen  müssen,  weil 
es  allein  der  französischen  Macht  nicht  gewachsen  ist. 

Für  uns  kann  das  Vertragsverhältnis  mit  Italien  aber  nur  dann 
praktisch  werden,  wenn  Österreich  die  Durchfahrt  italienischer  Trup- 
pen zuläßt.  Die  französisch-italienische  Grenze  ist  so  stark  befestigt, 
daß  jede  Diversion  dort  aussichtslos  sein  würde. 

Graf  Szechenyi  hat  meine  Darlegung  ad  referendum  genommen 
und  dieselbe  mit  der  Gegenfrage  beantwortet,  ob  Österreich  im  Falle 
eines  Zusammenstoßes  mit  Rußland  auf  die  Benutzung  unserer  schle- 
sischen  Eisenbahnen  zählen  könne.  Ich  habe  ihm  erwidert,  daß  wir  diese 
Benutzung  in  casu  foederis  selbstverständlich  konzedieren  würden, 
auch  dann,  wenn  der  Krieg  ein  allgemeiner  russisch-französisch-deut- 
scher schon  geworden  ist. 

Graf  Szechenyi  wird  den  Inhalt  dieser  Unterredung  nach  Wien 
gemeldet  haben.  Euere  Durchlaucht  werden  sonach  Gelegenheit  finden, 
die  Sache  mit  Graf  Kälnoky  zu  besprechen  und  festzustellen,  wie  das 
Wiener  Kabinett  über  den  Durchmarsch  italienischer  Truppen  durch 
österreichisches  Gebiet  denkt. 

Ich  bemerke  noch,  daß  ich  dem  Grafen  Szechenyi  ausdrücklich  ge- 
sagt habe,  daß  ich  nicht  etwa  eine  amthche  Anfrage  stellen,  sondern  nur 
eine  vertrauliche  Anregung  machen  wolle.  Wenn  Graf  Kälnoky  erwidern 
sollte,  daß  er,  solange  Österreich  noch  neutral  wäre,  den  italienischen 
Durchmarsch  nicht  bewilligen  könnte,  so  würden  wir  das  erklärUch 
finden. 

Für  den  Fall  aber,  daß  es  sich  mit  Rußland  im  Kriege  befindet, 
glauben  wir  auf  seine  Zustimmung  schon  allein  aus  Reziprozität  rechnen 
zu  können.  H.  Bismarck 

242 


Nr.  1305 

Aufzeichnung  des  Untersfaatssekretärs  im  Auswärtigen  Amt 
Grafen  von  Berchem 

Reinschrift 

Berlin,  den  S.Januar  1888 

Graf  Launay  hat  am  31.  v.  Mts.  auf  Grund  seiner  Unterredung 
mit  dem  Herrn  Staatssekretär  Herrn  Crispi  die  Beteiligung  der  italieni- 
schen Offiziere  an  dem  Ideenaustausch  zwischen  unserm  Generalstab 
und  Herrn  von  Steininger  telegraphisch  nahe  gelegt. 

Am  3.  d.  Mts.  habe  ich  dem  Botschafter,  welcher  bis  dahin  eine 
Antwort  aus  Rom  noch  nicht  erhalten  hat,  im  Auftrage  des  Herrn 
Staatssekretärs  gesagt,  wir  hätten  keine  Veranlassung  auf  das  Abou- 
chieren  der  italienischen  Offiziere  mit  dem  österreichischen  Militär- 
attache zu  drängen;  es  würde  nach  unserer  Ansicht  ebenso  gut  sein, 
wenn  Wien  und  Rom  sich  in  direkte  militärische  Beziehungen  setzt; 
wir  hätten  die  Sache  nur  angeregt  aus  Deferenz  gegen  Herrn  Crispi, 
damit  dieser  nicht,  wenn  er  etwa  von  den  Besprechungen  mit  Herrn 
von  Steininger  hörte,  die  Empfindung  hätte,  es  ginge  etwas  vor,  was 
nach  der  italienischen  Auffassung  der  Triple-Alliance  nicht  entspräche; 
wolle  Herr  Crispi  unserer  Anregung  nicht  folgen,  so  legten  wir  gar 
kein  Gewicht  darauf. 

Nachdem  Graf  Launay  diese  Bemerkungen  Herrn  Crispi  telegra- 
phisch gemeldet  hatte,  hat  er  mir  heute  ein  Telegramm  des  italienischen 
Ministerpräsidenten  vorgelesen  folgenden  Inhalts: 

Die  itahenische  Regierung  anerkennt  vollkommen  die  Zweckmäßig- 
keit der  Beteiligung  des  österreichischen  Militärattaches  an  den  der- 
zeitigen hier  stattfindenden  Besprechungen  deutscher  und  italienischer 
Offiziere.  Herr  Crispi  nimmt  an,  daß  es  uns  inzwischen  gelungen  seil, 
die  Zustimmung  des  Wiener  Kabinetts  zur  Beteiligung  des  Herrn  von 
Steininger  an  dieser  Conference  ä  trois  zu  erwirken  und  hofft,  daß, 
wenn  der  Herr  Reichskanzler  damit  einverstanden  sei,  der  deutsche 
Generalstab  die  Initiative  nehme  bezüglich  der  Besprechung  der  Eisen- 
bahnfrage, um  die  es  sich  dabei  im  wesentlichen  handele. 

Die  Depesche  des  Herrn  Crispi,  welche  Graf  Launay  mir  nicht 
eingehändigt  hat,  enthält  ferner  detaillierte  Weisungen  an  die  beiden 
italienischen  Offiziere  in  betreff  der  Mitteilungen,  welche  dieselben 
mit  Herrn  von  Steininger  auszutauschen  ermächtigt  sind.  Darin  ist, 
mit  Bezugnahme  auf  die  unserm  Generalstab  bekannten  Instruktionen 
der  beiden  italienischen  Militärs,  des  Falles  1  (des  isolierten  deutsch- 
italienischen Krieges  gegen  Frankreich)  und  des  Falles  2  (des  Krieges 
der  Zentralmächte  mit  Frankreich  und  Rußland)  speziell  Erwähnung 
getan.  Bezüglich  des  Falles  2  werden  die  italienischen  Offiziere  zur 
Mitteilung  ihrer  Instruktionen  an  Herrn  von  Steininger  ermächtigt,  be- 

16«  243 


züglich  des  Falles  1  hingegen  nicht,  da,  wie  Graf  Launay  bemerkte,  die 
Mitteilung  gewisser  die  italienische  Mobilisierung  betreffenden  Details 
an  Österreich  anscheinend  in  Rom  nicht  für  opportun  erachtet  wor- 
den sei. 

Noch  ehe  Graf  Launay  zu  mir  kam,  hat  er  die  beiden  italienischen 
Obersten  von  dem  Inhalt  des  Telegramms  des  Herrn  Crispi  verstän- 
digt, damit  dieselben  dem  deutschen  Generalstab  hiervon  Mitteilung 
machen. 

Ich  habe  den  Botschafter  darauf  hingewiesen,  daß  der  Herr  Staats- 
sekretär morgen  hier  wieder  eintrifft,  und  hat  er  den  Wunsch  ge- 
äußert, mit  Seiner  Exzellenz  über  die  Sache  Rücksprache  zu  nehmen. 

Nachdem  Graf  Launay  mich  verlassen  hatte,  hat  derselbe  eine 
Stunde  später  schriftlich  Nachstehendes  mitgeteilt: 

„En  rentrant  chez  moi,  j'ai  regu  un  telegramme  en  reponse  au 
message  que  Vous  m'aviez  fait  le  3  Janvier,  au  nom  du  Secretaire 
d'Etat.  Son  Excellence  M.  Crispi  me  mande  que  nous  preferons  ne  pas 
ouvrir  des  pourparlers  directs  avec  Vienne.  II  vaut  mieux  que  les  Con- 
ferences aient  lieu  ä  Berlin  ä  trois,  ä  condition  que  1' Antriebe  delegue 
un  officier  superieur  de  son  Etat  Major  plus  au  courant  que  ne  peut 
l'etre^  l'attache  militaire  actuel,  depuis  longtemps  ä  Berlin,  et  des  lors 
place  en  dehors  des  etudes  qui  se  font^  sans  discontinuite  dans  les 
bureaux  de  l'Etat  Major.  —  Les  demarches  en  ce  sens  devraient  etre 
faites  par  le  Cabinet  de  Berlin  pour  mieux  en  assurer  le  succes.  — *' 

Graf  Waldersee,  welcher  den  Herrn  Staatssekretär  morgen  auf- 
suchen will,  hat  mir  die  ihm  seitens  der  italienischen  Offiziere  zugegan- 
gene Anlage  übergeben,  welche  eine  Umschreibung  der  telegraphischen 
Instruktion  des  Ministers  Crispi  an  Graf  Launay  bildet. 

Berchem 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  ? 

2  ?p 

3  p 

Nr.  1306 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  8 

Qgjjgjjj^  Wien,  den  T.Januar  1888 

Den  hohen  geheimen  Erlaß  Nr.  3  vom  2.  d.  Mts.*  aus  Friedrichs- 
ruh  habe  ich  am  3.  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt. 

Ich  habe  den  Grafen  Kälnoky  tags  darauf  aufgesucht,  um  mit  ihm 

*  Siehe  Nr.  1304. 
244 


die  Frage  einer  eventuellen  Benutzung  der  österreichischen  Eisen- 
bahnen im  Westen  des  Reiches  durch  italienische  Truppen  in  der  mir 
vorgeschriebenen  Weise  vertraulich  zu  besprechen. 

Ich  fand  den  Minister  bereits  durch  Graf  Szechenyi  erschöpfend 
informiert. 

Er  sagte  mir,  er  habe  über  diesen  Punkt  noch  nicht  dem  Kaiser, 
seinem  Herrn,  Vortrag  halten  können,  höchstweicher  für  einige  Tage 
abwesend  war;  auch  bedürfe  die  Frage  einer  eingehenden  technischen 
Erwägung. 

Der  Minister  sieht  ein,  daß,  wenn  wir  in  einem  Kriege  mit  Frank- 
reich eine  nicht  unbedeutende  Unterstützung  von  itahenischen  Truppen 
am  Rhein  erhalten  könnten,  wir  imstande  sein  würden,  in  einem  Dop- 
pelkriege einen  größeren  Teil  unserer  Macht  im  Osten  zu  verwenden 
und  begreift  natürlich  den  Vorteil,  den  Österreich-Ungarn  hieraus  ziehen 
werde. 

Auch  aus  einem  anderen  Grunde  scheint  es  ihm  nützlich,  wenn 
Italien  mihtärisch  an  unserer  Seite  engagiert  ist.  Er  will  gewiß  keinen 
Zweifel  in  die  italienische  Vertragstreue  setzen,  hält  es  aber  doch  für 
gut,  wenn  die  italienische  Armee  nicht  ganz  intakt  bleibe,  während  sich 
die  Bundesgenossen  erschöpfen.  Unter  gewissen  Umständen  könnte 
es  doch  bedenklich  werden,  eine  so  große  Kriegsmacht  ungeschwächt 
im  Rücken  zu  haben. 

Es  war  kaum  nötig  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  wir  haupt- 
sächlich aus  Rücksicht  auf  Österreich  den  Vertrag  mit  Italien  abge- 
schlossen haben,  und  daß  dieser  erst  durch  das  Erscheinen  Italiens  am 
Rhein  praktisch  werde.  Das  alles  sah  der  Minister  sehr  wohl  ein  und 
bemerkte,  diese  Gründe  würden  ihn  gewiß  bestimmen,  ohne  Zaudern 
seine  Zustimmung  zum  Durchmarsch  zu  geben,  wenn  nicht  die  Frage 
der  Neutralität  einer  sehr  ernsten  Erwägung  bedürfte. 

Heute  nun  hat  mir  Graf  Kälnoky  gesagt,  er  werde  dem  Grafen 
Szechenyi  auf  seinen  Bericht  antworten.  Er  entwickelte  dabei  folgende 
Gedanken. 

Die  KriegseventuaUtät  sei  ja  zum  Glück  in  weitere  Ferne  gerückt, 
als  man  dies  gegen  Ende  des  vergangenen  Jahres  annehmen  konnte  i. 
Mithin  sei  es  daher  wohl  auch  verfrüht,  der  Frage  der  Benutzung 
österreichischer  Eisenbahnen  durch  italienische  Truppen  schon  jetzt 
näher  zu  treten.  Sollte  sich  im  Lauf  der  Zeit  die  Lage,  was  er  nicht 
hoffe,  verschlimmern,  so  würde  man  klarer  sehen,  wie  sich  die  Dinge 
einfädelten,  um  danach  diese  Frage  näher  ins  Auge  zu  fassen. 

Er  bäte  mich,  daran  festzuhalten,  daß  Österreich  Rußland  nicht 
angreifen  würde.  Bei  einem  Kriege  zwischen  beiden  Reichen  würde 
daher  Rußland  der  angreifende  Teil  sein  und  sich  hieraus  der  casus 
foederis  klar  herausstellen. 

Da  wir  bei  Ausbruch  eines  Krieges  zwischen  Rußland  und  Öster- 
reich   beabsichtigten,    Frankreich   sofort    anzugreifen,    so   würde   dann 

245 


die  Konflagration  auch  eine  allgemeine  werden.  Wenn  auch  Öster- 
reich jetzt  ebenso,  wie  wir  dies  mit  Beziehung  auf  die  Benutzung 
unserer  Eisenbahnen  durch  österreichische  Truppen  täten  und  dort 
auf  der  Aufrechterhaltung  unserer  Neutralität  bestünden  2,  an  der  strik- 
ten Bewahrung  seiner  Neutralität  Frankreich  gegenüber  festhalten 
müßte,  so  wäre  es  dann,  das  sage  er  mir  im  Vertrauen,  wohl  selbst- 
verständlich, daß  Österreich  uns,  seinem  Bundesgenossen,  nicht  den 
erwünschten  Zuzug  aus  ItaUen  abschneiden  werde  3. 

Wenn  er  daher  in  seiner  Antwort  die  Zustimmung  zum  Durch- 
marsch italienischer  Truppen  nicht  schon  jetzt*  geben  könne ^,  so 
möchten  Euere  Durchlaucht  dies  nicht  als  eine  prinzipielle  Ablehnung 
unserer  vertraulichen  Anfrage  aufnehmen. 

Der  Minister  sagte  mir  endlich,  Italien  habe  auch  hier  seine  mate- 
rielle Hülfe  angeboten,  auf  welchem  Punkte  und  in  welcher  Stärke 
Österreich  dies  wünschen  sollte.  Seine  Idee  wäre,  diese  Hülfe  nicht 
von  der  Hand  zu  weisen.  Da  aber  die  österreichisch-ungarischen  Bahnen 
genug  zu  tun  haben  würden,  um  die  eigene  Armee  nach  dem  Norden 
und  Osten  zu  befördern,  so  würde  es  vielleicht  nützhch  sein,  wenn  man 
die  italienischen  Truppen  nach  Rumänien  dirigierte  ß.  Die  Eisenbahnen, 
welche  von  der  österreichisch-itaUenischen  Grenze  nach  Rumänien  führ- 
ten, würden  weniger  belastet  sein,  außerdem  würde  es  für  die  Rumänen 
stärkend  wirken,  wenn  sie  sich  auf  gute  itaUenische  Truppen  stützen 
könnten,  und  der  österreichische  rechte  Flügel  eine  sehr  wünschens- 
werte Verstärkung  erhalten.  Auch  würden  sich  itaUenische  Truppen 
mit  den  halb  und  halb  stammverwandten  '^  Rumänen  ganz  gut  einrichten 
und  den  Italienern  die  Satisfaktion  gewährt  werden,  dort  eine  bessere 
Rolle  zu  spielen,  als  wenn  sie  als  Appendix  der  österreichischen  Armee 
aufzutreten  hätten.  H.  VII.  P.  R  e  u ß 


Randbemerkungen   des    Fürsten   von   Bismarck: 

1  p 

2  in  einem  Angriffskriege  Oest[er]reichs  gegen  Rußland!  aber  nicht  bei  all- 
gemeiner Conflagration ! 

3  unklar  im   Zusammenhang   mit  dem   Vordersatze! 
i  ! 

7  ? 

Randbemerkungen  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 

5  Nicht  einmal  für  den  Fall  des  Krieges  nach  beiden  Fronten?  Das  wird  auf  die 
italienischen  Offiziere  sowie  auf  Crispi  abkühlend  und  nachteilig  wirken  und  ich 
werde  zu  Szechenyi  morgen  demgemäß  sprechen. 

ß  !  dort  fällt  schwerlich  die  Entscheidung! 

Schlußbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 

Hat  Einiges  für  sich,  wenn  überall  ehrliches  Spiel  anzunehmen  wäre.  Italien 
müßte  unserm  östlerjrleichischl-rumänischen  Vertrage  beitreten;  es  ist  immer 
noch  besser  den  Rumänen  den  vertragsmäßigen  Beistand  in  italienischen 
Truppen  zu  leisten   als  in  deutschen. 


246 


Nr.  1307 

Der  Chef  des  Generalstabes  Generalfeldmarschall  Graf  von  Moltke 
an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Geh.  J.Nr.  172  Berlin,  den  23.  Januar  1888 

Geheim 

Euerer  Durchlaucht  beehre  ich  mich  die  Abschrift  eines  Memoires, 
welches  von  dem  italienischen  Oberstleutnant  Dabormida  aufgestellt, 
von  dem  Oberstleutnant  von  Steininger  und  von  dem  Generalmajor 
Graf  von  Schlieffen  gebilligt  worden  ist,  und  welches  das  Ergebnis  der 
zwischen  diesen  Offizieren  stattgehabten  Besprechungen  darstellt,  in  der 
Anlage  zur  sehr  gefäUigen  Kenntnisnahme  zu  übersenden.  Seitens  der 
itaUenischen  Offiziere  ist  der  Wunsch  ausgesprochen  worden,  daß  die 
Delegierten  der  drei  Mächte  das  Memoire  unterschreiben  möchten.  Da 
der  Oberstleutnant  von  Steininger  von  seiner  Regierung  ermächtigt  ist, 
diesem  Wunsche  nachzukommen,  so  wird  sich  der  Generalmajor  Graf 
von  Schlieffen  der  Vollziehung  des  Memoires  auch  nicht  entziehen  kön- 
nen. Bevor  dies  jedoch  geschieht,  bitte  Euere  Durchlaucht  ich  ganz 
ergebenst  um   eine  sehr  gefällige  Rückäußerung. 

Der  Generalfeldmarschall 
Gr.  Moltke 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopfe  des  Schriftstücks: 
Resp[ondeatur]:  kein  Bedenken 

Anlage 

Memoire  indiquant  les  vues  echangees  ä  BerHn  entre  les  delegues 
militaires  des  trois  puissances  pendant  le  mois  de  janvier  1888*. 

Dans  le  cas  oü  la  guerre  viendrait  ä  eclater  entre  les  trois  puis- 
sances centrales  d'une  part  et  la  France  et  la  Russie  de  l'autre,  tandis 
que  la  plus  grande  partie  des  forces  itahennes  attaquerait  la  France  sur 
la  frontiere  des  Alpes,  le  reste  se  joindrait  aux  forces  de  TAllemagne 
destinees  ä  operer  au  delä  du  Rhin,  dans  le  but  de  concourir  avec  elles 
aux  Operations  actives,  qui  seraient  dirigees  contre  la  France  sur  ce 
theätre  de  guerre.  Ces  forces  s'elevant  ä  6  corps  d'armee  et  3  divisions 
de  cavalerie  seraient  groupees  en  une  ou  deux  armees,  dont  les  com- 
mandants  recevraient  directement  leurs  Instructions  du  commandement 
en  chef  des  forces  allemandes.  La  reunion  des  susdites  forces  italiennes 
aux  forces  allemandes  s'opererait  ä  travers  le  territoire  de  TEmpire 
Austro-hongrois.  —  Le  gouvernement  de  TAutriche  donnerait  passage 
ä  ces  forces  sur  les  trois  voies  ferrees  suivantes: 


*  Vgl.  darüber  Pribram,  Die  politischen  Qeheimverträge  Österreich-Ungarns  1879 
bis  1914  Bd.  I  (1920),  S.  211,  Fußnote  173. 


247 


1«  Ala-Innsbruckl  Arlberg-Bregenz  pp. 
I  Kuistein  etc. 

20  Pontebba-St.  Michael-Selzthal-Salzburg  etc. 
30  Cormoans-Vienne-Wels-Passau  etc. 

L'indication  de  ces  lignes  est  simplement  approximative.  Ces  lignes 
seraient  mises  ä  la  disposition  du  gouvernement  italien  le  ll""^  jour 
ä  partir  du  commencement  de  la  mobilisation  de  l'armee  autrichienne, 
bien  entendu  autant  qu'elles  ne  seraient  plus  necessaires  au  gouverne- 
ment autrichien  pour  son  propre  mouvement  de  mobilisation;  et  cela 
dans  la  mesure  de  10  trains  ä  70  essieux  par  jour  sur  les  lignes  1  et  3 
et  6  ä  8  trains  par  jour  sur  la  ligne  2.  Une  augmentation  de  trains  sur 
les  lignes  1  et  3  ne  serait  possible,  que  si  Ton  disposait  du  materiel 
necessaire.  En  outre  sur  la  ligne  du  Brenner  les  troupes  italiennes 
pourraient  neanmoins  disposer  de  4  trains  par  jour  ä  partir  du  5me  jour 
de  mobilisation. 

Le  projet  du  mouvement  des  trains  destines  au  transport  des  troupes 
italiennes  sera  dresse  des  ä  present  par  l'Etat-major  autrichien  pour 
ce  qui  regarde  le.  parcours  sur  le  territoire  de  l'Autriche.  Le  gouverne- 
ment italien  deleguera  aupres  de  l'Etat-major  autrichien  un  officier  qui 
sera  charge  de  lui  fournir  toutes  les  donnees  indispensables  pour  ce 
travail.  Quand  le  projet  susdit  sera  dresse,  l'Etat-major  autrichien  en 
donnera  communication  ä  l'Etat-major  italien,  afin  que  celui-ci  puisse 
preparer  le  projet  pour  l'arrivee  des  trains  ä  la  frontiere.  Dans  la 
suite  le  projet  de  l'Etat-major  autrichien  sera  transmis  ä  l'Etat-major 
allemand  qui  dressera  ä  son  tour  le  projet  pour  la  marche  successive 
des  trains  depuis  la  frontiere  autrichienne  jusqu'au  Rhin.  La  marche 
des  trains  depuis  la  frontiere  autrichienne  jusqu'au  Rhin  serait  reglee 
sur  la  base  de  10  trains  par  jour  ä  partir  de  Bregenz,  Kufstein  et  Salz- 
burg et  de  20  trains  ä  partir  de  Passau. 

Les  projets  du  mouvement  soit  sur  le  territoire  autrichien,  seit  sur 
le  territoire  allemand  comprendront  l'indication  des  stations  oü  les 
troupes  devraient  faire  des  haltes-repas,  ainsi  que  des  stations 
oü  l'on  installerait  les  hopitaux  pour  les  hommes,  qui  tomberaient 
malades  pendant  le  voyage.  Les  gouvernements  de  l'AIlemagne  et  de 
l'Autriche  se  chargeraient  de  l'installation  soit  des  stations  de  halte- 
repas  soit  des  hopitaux  susdits  sur  les  territoires  respectifs.  — 

Le  gouvernement  allemand  se  chargerait  en  outre  de  faire  preparer 
sur  son  territoire  et  ä  portee  de  la  zone  de  concentration  des  forces 
italiennes  des  magasins  de  subsistances  ayant  pour  but  de  subvenir 
concourremment  aux  transports  de  vivres  qui  seraient  intercales  par  le 
gouvernement  italien  entre  les  transports  de  troupes  aux  besoins  des 
forces  italiennes  pendant  la  periode  de  leur  arrivee  sur  le  Rhin.  Les 
detaiis  de  cette  Installation  seraient  regles  avec  le  concours  d'officiers, 
qui  y  seront  delegues  par  le  gouvernement  italien  aussitot  que  le  projet 
du  mouvement  des  trains  sur  le  territoire  allemand  aura  ete  dresse. 

248 


Ces  magasins  seraient  remis  des  les  premiers  jours  de  la  mobili- 
sation  aux  fonctionnaires  delegues  ä  cet  effet  par  le  gouvernement 
Italien.  Au  ravitaillement  successif  des  forces  italiennes  il  serait  pourvu 
directement  par  le  gouvernement  italien.  —  Les  gouvernements  autri- 
chien  et  allemand  mettraient  dans  ce  but  ä  la  disposition  du  gouverne- 
ment italien  pendant  toute  la  duree  de  la  guerre  la  voie  ferree,  qui  passe 
par  le  Brenner,  TArlberg,  Kempten,  Ulm  etc.,  ou  celle  qui  passe  par  le 
Brenner,  Innsbruck,  Kufstein,  Munich  etc. 

Tous  les  frais  de  transport,  de  subsistance,  d'hopital  etc.  seit  pen- 
dant le  passage  des  troupes  seit  par  la  suite  seraient  ä  la  charge  du 
gouvernement  italien.  — 

II  est  bien  entendu  que  dans  le  cas  oü  la  mobilisation  des  armees 
alliees  aurait  lieu  avant  la  declaration  de  guerre,  le  commencement  du 
transport  des  troupes  italiennes  s'effectuerait  des  que  les  voies  ferrces 
de  l'Autriche  et  de  l'Allemagne  seraient  libres. 

Tous  les  transports  s'effectueraient  en  principe  avec  du  materiel 
appartenant  aux  chemins  de  fer  Italiens.  Neanmoins  les  gouverne- 
ments allemand  et  autrichien  mettraient  ä  la  disposition  du  gouverne- 
ment italien  une  certaine  quantite  de  materiel  des  qu'il  leur  serait  pos- 
sible  de  le  faire,  soit  pour  accelerer  le  commencement  des  transports 
5ur  la  ligne  du  Brenner,  soit  pour  suppleer  au  manque  de  materiel,  qui 
pourrait  se  produire  sur  les  chemins  de  fer  Italiens  par  suite  de  la  quan- 
tite considerable  de  voitures  et  chars  Italiens,  qui  se  trouveraient  enga- 
gees  sur  les  lignes  autrichiennes  et  allemandes. 

Le  gouvernement  autrichien  se  reserve  de  se  maintenir  neutre  et 
de  ne  pas  accorder  le  passage  dont  il  a  ete  question,  dans  le  cas,  oü 
la  guerre  serait  localisee  entre  l'Allemagne  et  l'Itahe  d'une  part  et  la 
France  de  l'autre.  — 

II  va  de  soi,  que  par  cette  reserve  l'Autriche-Hongrie  n'entend 
deroger  en  rien  ä  ses  engagements  envers  l'Italie. 

Nr.  1308 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes 

Graf  Herbert  von  Bismarck  an  den  Reichskanzler  Fürsten 

von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh 

Telegramm.   Eigenhändiges   Konzept 

Berlin,  den  25.  Januar  1888 
Mir  scheint  die  Unterzeichnung  eines  vollmachtlosen  Militärs  unbe- 
denklich, zumal  die  anderen,  in  diesem  Falle  mehr  interessierten,  dazu 
bereit  sind.    Bitte   telegraphische   Entscheidung,    da   die   Italiener 
abreisen  wollen*.    Ich  habe  Abschrift  zurückbehalten. 

H.  Bismarck 

*  Der   erbetene    telegraphische    Bescheid   ging   am    26.  Januar   aus    Friedrichsruh 
ein;  „Kein  Bedenken". 

249 


Nr.  1309 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Chef  des  Generalstabes  Generalfeldmarschall  Grafen  von  Moltke 

Eigenhändiges   Konzept 

Geheim  Berlin,  den  30.  Januar  1888 

[abgegangen  am  31.  Januar] 

Nachdem  durch  österreichisches  Entgegenkommen  die  in  Ew.  pp. 
geneigtem  Sciireiben  vom  23.  er.*  mitgeteilte  Verständigung  über  die 
eventuelle  Benutzung  österreichischer  Bahnen  durch  italienische  Truppen 
erreicht  ist,  hält  es  der  Herr  Reichskanzler  für  v^ünschensvi^ert,  daß  wir 
nunmehr  Verabredungen  mit  dem  österreichischen  Generalstab  treffen, 
kraft  welcher  wir  für  den  Eintritt  des  casus  foederis  unsere  oberschle- 
sischen  Bahnen  für  österreichische  Truppentransporte  in  die  Umgegend 
von  Krakau  zur  Verfügung  gestellt  werden  würden**.  Ich  habe  hierüber 
bereits  heute  morgen  mit  dem  Oberstleutnant  Grafen  Keller  gespro- 
chen und  darf  Ew.  pp.  ergebenst  anheimstellen,  den  Oberstleutnant  von 
Steininger  zu  einer  Besprechung  einladen  zu  lassen.  Der  Herr  Reichs- 
kanzler würde  nichts  dagegen  einzuwenden  haben,  wenn  Ew.  pp.  bei 
dieser  Besprechung  dem  österreichischen  MiHtärattache  vertraulich  er- 
öffnen wollten,  daß  der  italienische  Zuzug  uns  in  den  Stand  setzen  würde, 
eintretendenfalls  etwa  5  Armeekorps  und  einige  Reservedivisionen  an 
unserer  Ostgrenze  bereit  zu  halten. 

Der  Herr  Reichskanzler  hält  es  aus  politischen  Gründen  nicht  für 
ratsam,  eine  höhere  Zahl  zu  nennen  und  möchte  vermeiden,  daß  unsere 
Heeresleitung  sich  von  vornherein  zu  weit  mit  Österreich  engagiert; 
es  müsse  doch  wohl  abgewartet  werden,  daß  die  italienischen  Hülfskorps 
sich  auch  wirklich  nach  Deutschland  auf  dem  Wege  befänden,  ehe 
Ew.  pp.  definitive  Dispositionen  treffen  könnten. 

H.  Bismarck 

Nr.  1310 

Der  Chef  des  Generalstabes  Generalfeldmarschall  Graf  von  Moltke 
an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Geh.  J.Nr.  176  Berlin,  den  2.  Februar  1888 

Geheim 

Euerer  Durchlaucht  beehre  ich  mich  infolge  des  vom  Herrn  Staats- 
sekretär des  Auswärtigen  Amts  unter  dem  30.  v.  Mts.  an  mich  ge- 
richteten Schreibens***  hierdurch  ganz  ergebenst  mitzuteilen,  daß  dem 
Oberstleutnant   Freiherrn    von    Steininger   das    Erforderliche   über   die 

*  Siehe  Nr.  1307. 

**  So  im  Original,  es  muß  wohl  heißen:  „zur  Verfügung  stellen  würden". 

***  Siehe  Nr.  1309. 

250 


Bereitstellung  unserer  Eisenbahnen  bei  eventuellem  Eintritt  des  casus 
foederis,  um  österreichische  Truppen  nach  GaUzien  zu  bringen,  eröffnet 
worden  ist. 

Bei  Abschluß  der  kürzlich  hier  stattgehabten  Verhandlungen  über 
italienische  Truppentransporte  durch  Österreich  unter  derselben  Vor- 
aussetzung ist  zur  Sprache  gekommen,  daß  die  italienische  Regierung 
voraussichtlich  die  näheren  Vereinbarungen  mit  dem  Oeneralstabe  in 
Wien  durch  einen  Kommissar  dortselbst  treffen  lassen  werde.  Hieran 
hätten  sich  dann  wiederum  unsererseits  Verhandlungen  anzuschließen, 
um  die  Übernahme  der  itaUenischen  Truppentransporte  von  den  End- 
punkten der  Eisenbahnen  Österreichs  auf  die  Bahnen  des  deutschen 
Reichsgebiets  sicher  zu  stellen. 

Euere  Durchlaucht  bitte  ich  den  Major  von  Deines  in  Wien  zu 
ermächtigen,  dieserhalb  mit  dem  österreichischen  Oeneralstabe  in  Ver- 
bindung zu  treten  und  ihn  auch  sehr  gefälligst  anzuweisen,  mir  das  Er- 
gebnis der  österreichisch-italienischen  Vereinbarung  baldmöglichst  ein- 
zureichen, damit  ich  die  weitere  Bearbeitung  hier  verfügen  kann.  Den 
Major  von  Deines  mit  diesem  Auftrage  zu  versehen,  erscheint  mir  auch 
insofern  erwünscht,  als  dieser  Offizier  im  Militär-Eisenbahnwesen  er- 
fahren ist  und  ihm  auf  solche  Weise  Oelegenheit  gegeben  werden  würde, 
in  die  Arbeiten  des  österreichischen  Oeneralstabes  auf  diesem  Gebiete 
nähern   Einblick   zu  gewinnen.  Der  Oeneralfeldmarschall 

Gr.  Moltke 

Nr.  1311 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  79  Wien,  den  6.  Februar  1888 

Geheim 

Herr  Crispi  hat  hier  angefragt,  ob  er  den  Chef  des  Militär-Eisen- 
bahnwesens hierher  nach  Wien  entsenden  könne,  um  sich  mit  dem  hie- 
sigen Generalstab  über  die  Frage  der  Benutzung  der  österreichischen 
Eisenbahnen  in  Tirol  durch  italienische  Truppen  zu  besprechen. 

Diese  Anfrage  ist  sofort  entgegenkommend  beantwortet  worden. 

Graf  Kälnoky  findet  eine  solche  Besprechung  um  so  nötiger,  als  es 
doch  eine  Menge  von  Detailsachen  zu  erörtern  gäbe.  So  hat  der  hiesige 
Generalstab  Zweifel,  ob  die  Italiener  imstande  sein  würden,  ihre  Trup- 
pen mit  ihrem  eigenen  rollenden  Material  nach  Deutschland  zu  beför- 
dern. Man  hat  hier  nur  eine  geringe  Meinung  von  der  Leistungsfähigkeit 
der  italienischen  Bahnen,  und  wenn  auch  mit  hiesigem  Material  einiger- 
maßen ausgeholfen  werden  könnte,  so  hinge  es  doch  von  vielen  Zu- 
fälligkeiten ab,  in  welchem  Maße  dies  geschehen  könnte. 

H.VII.  P.  Reuß 

251 


Nr.  1312 

Der  Militärattache  in  Wien  Major  von  Deines  an  den  Botschafter 
in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Eigenhändige  Ausfertigung 
Geheim  Wien,  den  I.März  1888 

Euerer  Durciilaucht  beehre  ich  mich  in  der  Anlage  ein  Exemplar 
der  „Vereinbarungen*'  ganz  gehorsamst  vorzulegen,  welche  heute  von 
den  Vertretern  des  k.  k.  und  des  k.  italienischen  Generalstabes  in  Sfacher 
Ausfertigung  unterzeichnet  worden  sind,  und  welche  den  eventuellen 
Durchzug  italienischer  Truppen  durch  österreichisches  Gebiet  betreffen*. 

Nach  Punkt  22  sollen  je  1  Exemplar  derselben  erhalten  die  General- 
stäbe von  Österreich-Ungarn  und  Italien  und  der  deutsche  Generalstab. 

Die  zwischen  den  beiderseitigen  Vertretern  stattgehabten  Konfe- 
renzen, von  denen  ich  den  3  letzten  zu  meiner  Information  beiwohnte, 
haben  die  Möglichkeit  festgestellt,  6  italienische  Armeekorps  mit  3  Ka- 
valleriedivisionen und  dem  erforderlichen  Heeresgerät  bis  zum  29.  öster- 
reichischen Mobilmachungstage  über  die  italienische  Grenze  zu  beför- 
dern. 

Von  den  zu  diesen  Transporten  erforderlichen  Waggons  soll  Ita- 
lien fast  5000,  Österreich  etwa  2000  stellen;  der  Rest  von  etwa  3000 
nebst  zugehörigen  Bremsern,  sowie  eine  Aushülfe  auf  den  österreichi- 
schen Linien  von  etwa  150  Lokomotiven,  wird  von  Deutschland  erbeten. 

Der  italienische  Vertreter,  Oberstleutnant  Gorian,  Chef  der  Trans- 
portabteilung des  Generalstabes,  bleibt  zunächst  noch  hier;  er  hat  in 
Rom  die  Erlaubnis  erbeten,  sich  später  nach  Berlin  zu  begeben,  um  mit 
dem  königlichen  großen  Generalstab  die  Details  direkt  zu  erledigen, 
welche  sich  beziehen  auf  den  Durchzug  und  die  Ausschiffung  der  ita- 
lienischen Heereskörper  auf  deutschem  Gebiet.  Es  ist  jedoch  wahr- 
scheinlich, daß  der  genannte  Offizier  vorher  nach  Rom  zurückkehrt. 

Die  ersten  eventuellen  italienischen  Transporte  würden  am  6.  öster- 
reichischen Mobilmachungstage  nach  Österreich  eintreten  können;  die 
Italiener  waren  bereit,  schon  am  5.  zu  beginnen;  doch  stellte  sich  die 
Unmöglichkeit  heraus,  die  Züge  bereits  an  diesem  Tage  weiterzu- 
führen. 

Italienischerseits  trat  das  Bestreben  hervor,  die  Armee  so  rasch  wie 
irgend  möglich  auf  dem  eventuellen  Kriegsschauplatz  haben  zu  können. 


*  „Vereinbarungen  für  den  Fall  des  Durchzuges  der  Truppen  des  k.  Italienischen 
Heeres  durch  das  k.  u.  k.  Österreichisch-Ungarische  Gebiet,  getroffen  auf  Grund 
des  in  Berlin  im  Jänner  1888  von  den  militärischen  Bevollmächtigten  der  drei 
verbündeten  Großmächte  verfaßten  Memoirs."  Unterzeichnet  sind  diese  Verein- 
barungen, deren  Mitteilung  hier  nicht  erforderlich  scheint,  durch  den  österreichi- 
schen Chef  des  Eisenbahnbureaus  Oberst  Ritter  von  Guttenberg  und  den  italieni- 
schen Chef  der  Militär-Transport-Direktion  Oberstleutnant  Goiran.  Die  ent- 
sprechende deutsch-italienische  Militär-Eisenbahn-Konvention  gelangte  erst  am 
H.April  zum  Abschluß.    Vgl.   Nr.  1317. 

252 


Dies  Bestreben  hat  denn  auch  die  Österreicher  veranlaßt,  alles  zu- 
zusagen, was  ohne  Gefährdung  der  eigenen  Interessen  zu  leisten  sein 
würde. 

Die  „Vereinbarungen**  haben  vor  der  Unterzeichnung  die  Zustim- 
mung des  Herrn  Ministers  des  Äußern  gefunden. 

Über  etwaige  Wünsche  des  k.  k.  Generalstabes  in  bezug  auf  den 
eventuellen  Transport  österreichischer  Truppen  durch  Preußisch-Schle- 
sien  darf  ich  mir  vorbehalten,  ganz  gehorsamst  zu  berichten;  während 
der  bisherigen  Verhandlungen  sind  mir  gegenüber  solche  nicht  ge- 
äußert worden.  V.  Deines,  Major 

Nr.  1313 
Italienisches  militärisches  Promemoria 

Unsignierte   Ausfertigung,   vom    italienischen   Botschafter  Grafen   de   Launay   am 

21.  März  übergeben 
Tres  secret  Berlin,  20  mars  1888 

Le  ministre  de  la  guerre  ä  Rome  et  le  Chef  d'Etat-major  de  l'armee 
se  montraient  disposes  ä  donner  leur  approbation  aux  accords  etablis  par 
le  memoire  signe  ä  Berlin  le  28  janvier  dernier  par  les  delegues  mili- 
taires  d'Italie,  d'Allemagne  et  d'Autriche-Hongrie.  Mais  cette  appro- 
bation etait  toutefois  subordonnee  ä  certaines  reserves,  — 

ä  savoir: 

1^  que  l'engagement  de  l'ItaHe  d'envoyer  six  corps  d'armee  et  trois 
divisions  de  cavalerie  pour  cooperer  avec  l'armee  allemande  ne  doit 
pas  s'interpreter  dans  un  sens  absolu,  mais  dan's  le  sens  que  Tltalie 
fournira  ä  FAllemagne  six  ou  cinq  corps  d'armee  et  trois  ou  deux  divi- 
sions de  cavalerie,  selon  les  circonstances  au  moment  de  la  declaration 
de  guerre; 

20  Cet  engagement  est  soumis  ä  la  condition  que  la  France  ne 
prenne  pas  l'offensive  contre  IMtalie  avec  des  forces  tellement  consi- 
derables  de  maniere  ä  obliger  l'Italie  d'employer  toutes  les  siennes 
pour  se  defendre; 

30  Le  gouvernement  du  Roi,  tout  en  permettant  que  les  troupes 
italiennes  destinees  ä  operer  directement  avec  les  troupes  allemandes, 
se  trouvent  placees  sous  la  haute  direction  du  commandant  en  chef  des 
forces  allemandes,  se  reserve  la  faculte  de  grouper  ses  corps  d'armee 
et  divisions  de  cavalerie,  soit  dans  une  seule  armee,  soit  en  deux.  Cette 
reserve  est  necessaire  pour  avoir  une  liberte  de  choix  dans  la  nomi- 
nation  des  commandants  des  troupes  destinees  ä  cooperer  avec  l'armee 
allemande. 

Le  gouvernement  du  Roi  tiendrait  en  outre,  les  projets  pour  les 
transports  par  les  chemins  de  fer  une  fois  termines,  ä  deleguer  des 
officiers  aupres  de  l'Etat-major  allemand  dans  le  but  d'etablir  les 
bases  et  les  details  pour  le  Service  de  l'intendance  militaire  italienne 
sur  le  Rhin  et  sur  les  lignes  d'etapes. 

253 


L'Ambassadeur  de  Sa  Majeste  etait  charge  de  proposer  au  gouver- 
nement  imperial  que  le  protocole  d'echange  des  ratifications  contint  les 
reserves  susdites. 

D'apres  une  nouvelle  communication  de  Rome,  le  gouvernement 
du  Roi,  si  on  ne  le  croit  pas  necessaire  ici,  n'insiste  plus  pour  un  acte 
supplementaire  comme  ratification  du  memoire  susdit.  II  admet  que  ce 
memoire  soit  considere  comme  approuve  par  les  Etats-majors  respec- 
tifs  et  reste  dans  les  cartons  militaires,  sauf  ä  y  recourir  en  cas  de 
besoin.  —  II  n'a  rien  ä  ajouter  au  sujet  de  la  reserve  No  1,  qui  a  ete 
enoncee  dans  les  pourparlers  ä  Berlin  et  dont  le  delegue  allemand  a 
pris  acte  en  parfait  accord  avec  son  collegue  Italien.  —  II  n'y  a  rien  ä 
ajouter  non  plus  ä  la  reserve  No  3,  qui  se  trouve  indiquee  aux  deuxieme 
alinea  du  memoire  precite,  et  qui  a  ete  faite  verbalement  aussi  et  de 
la  meme  maniere  par  le  delegue  Italien.  —  II  n'y  a  rien  ä  dire  aussi 
sur  la  clause  ci-dessus  mentionnee  pour  l'envoi  d'officiers  Italiens  ä 
Feffet  de  regier  le  service  de  l'intendance  militaire  et  les  lignes  d'etapes. 
Cela  etait  prevu  dans  le  memoire. 

Quant  ä  la  reserve  No  2,  le  ministre  de  la  guerre  trouve  naturel 
que  „si  la  France  attaquait  l'Italie  avec  des  forces  tellement  consi- 
derables  que  toutes  les  notres  fussent  indispensables  pour  lui  tenir 
tete,  nous  ne  pourrions  pas  envoyer  sur  le  Rhin  cinq  ou  six  corps 
d'armee."  II  ne  croit  pas  que  l'on  doive  exclure  absolument  du  calcul 
des  probabilites,  l'hypothese  que  la  France  puisse  diriger,  des  le  com- 
mencement  des  hostilites,  ses  plus  grands  efforts  contre  l'Italie  par  mer 
et  par  terre  pour  tächer  de  la  vaincre  et  se  tourner  ensuite,  avec  ses 
armees  victorieuses,  contre  l'Allemagne;  et  cela  dans  I'espoir  que  celle- 
ci  ne  pourrait  pas,  pendant  ce  temps,  surmonter  la  resistance  des 
places  fortes  et  des  forces  qui  lui  seraient  quand  meme  opposees  sur 
la  defensive  par  la  France,  dans  le  cas  surtout  oü  l'Allemagne  devrait 
engager  une  partie  notable  de  ses  forces  contre  la  Russie.  „Je  pourrais 
ajouter,  —  dit  le  ministre  de  la  guerre,  —  que  nous  avons  quelques 
donnees  qui  nous  portent  ä  croire  que  ce  plan  de  campagne  a  ses 
Partisans  dans  l'Etat-major  francais,"  —  La  reserve  No.  2  ne  s'appli- 
querait  que  dans  le  cas  oii  la  France  commen^ät  les  hostilites  par  diriger 
contre  l'Italie  douze  corps  d'armee,  c'est  ä  dire  plus  de  forces  que 
l'Italie  ne  lui  opposerait,  si  eile  envoyait  dans  le  meme  temps  cinq  ou 
six  corps  d'armee  sur  le  Rhin.  Si  I'on  ne  veut  point  admettre  la  possi- 
bilite  de  cette  hypothese,  la  reserve  No  2  tombe  evidemment  d'elle- 
meme,  —  En  tout  cas,  „le  gouvernement  imperial  ne  pourra  pas  douter 
des  sentiments  et  des  intentions  du  gouvernement  Italien,  s'il  veut  bien 
se  rappeler  les  precedents  qui  ont  donne  lieu  aux  pourparlers  des 
delegues  militaires  aupres  de  l'etat  major  allemand,  et  les  ouvertures 
faites  ä  Berlin  par  les  delegues  d'Italie  au  sujet  du  concours  eventuel 
des  troupes  italiennes  sur  le  Rhin. 


254 


Nr.  1314 

Der  Chef  des  Generalstabes  Generalfeldmarschall  Graf  von  Moltke 
an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 


Geh.  Nr.  192  Berlin,  den  27.  März  li 

Geheim 

Euer  Durchlaucht  beehre  ich  mich  mit  Bezug  auf  das  seitens 
des  Herrn  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  unter  dem  22.  d.  Mts. 
hierher  mitgeteilte  militärische  Promemoria  des  Grafen  Launay*  ganz 
ergebenst  zu  bemerken,  daß  eine  französische  Offensive  mit  12  Armee- 
corps nach  Italien  hinein  für  diese  Macht  und  für  Deutschland  ebenso 
willkommen,  wie  für  Frankreich  bedenklich  sein  würde. 

Die  Delegierten  des  italienischen  Generalstabes  haben  im  Januar 
d.  Js.  in  überzeugender  Weise  die  Schwierigkeiten  entwickelt,  welche 
mit  einem  Alpenübergang  verbunden  sind  und  welche  von  der  französi- 
schen Armee  zu  bewältigen  sein  würden,  während  sie  bisher  als  Italien 
zufallend  angesehen  wurden. 

Von  Frankreich  nach  Italien  sind  die  Alpen  nur  auf  5—6  Kunst- 
straßen von  Truppenkörpern  in  der  Zusammensetzung  eines  Armee- 
korps zu  überschreiten.  Auf  den  Nebenwegen  können  nicht  mehr  als 
Detachements  bis  zur  Stärke  etwa  einer  Brigade  mit  großen  Abständen 
zwischen  ihren  Teilen  hinüber  gebracht  werden.  Es  ist  daher  schon 
an  und  für  sich  nicht  leicht,  ein  Heer  von  12  Armeekorps  über  die 
Alpen  in  Marsch  zu  setzen.  Die  langen,  durch  unübersteigbare  Ge- 
birgszüge auf  große  Entfernungen  von  einander  getrennten  Kolonnen 
würden  zunächst  auf  dem  Kamm  den  Widerstand  der  Alpentruppen  zu 
überwinden  haben  und  dann  beim  Abstieg  vor  den  Sperrforts  zum 
Stehen  kommen.  Mögen  sie  diese  Hindernisse  früher  oder  später  be- 
seitigen, so  können  sie  doch  nur  vereinzelt,  ohne  auf  gegenseitige  Unter- 
stützung rechnen  zu  können,  der  italienischen  Armee  gegenüber  er- 
scheinen, welche  mit  Hülfe  eines  reich  entwickelten  Eisenbahn-  und 
Straßennetzes  an  jeder  Stelle  rechtzeitig  vereinigt  sein  kann.  Das  ein- 
zige Bedenken,  welches  man  hinsichtlich  einer  solchen  Offensive  hegen 
könnte,  möchte  aus  dem  eigentümlichen  Mobilmachungsverfahren  der 
italienischen  Armee  hervorgehen,  welches  den  Franzosen  es  vielleicht 
mögUch  machen  könnte,  um  einige  Tage  früher  die  Offensive  zu  er- 
greifen, als  die  italienischen  Armeekorps  operationsfähig  dastehen 
können. 

Eine  Offensive  auf  dem  Seewege  würde  die  Vernichtung  oder 
Blockierung  der  italienischen  Flotte  zur  Vorbedingung  haben.  Ob  für 
eine  solche  Tat  die  französische  Flotte,  deren  vernachlässigter  Zustand 


*  Siehe  Nr.  1313. 

255 


erst  durch  die  neuerlichen  Kammerverhandlungen  an  das  Licht  gestellt 
worden  ist,  die  Kraft  in  sich  trägt,  erscheint  sehr  zweifelhaft.  Aber 
selbst,  wenn  man  die  ersten  Panzerschiffe  der  Welt,  wie  sie  Italien 
besitzt,  als  beseitigt  annimmt,  so  würde  doch  die  große  und  schwer- 
fällige Transportflotte  ein  Angriffsobjekt,  wie  man  es  sich  nicht  besser 
denken  kann,  für  die  zahlreichen  Torpedoboote  der  Küstenverteidigung 
bieten.  Versagt  auch  dieses  Mittel,  so  würde  allerdings  die  Landung 
einer  Heeresmacht,  die  man  auf  höchstens  2  Armeekorps  annehmen 
kann,  nicht  zu  hindern  sein.  Die  Küste  Italiens  ist  viel  zu  lang,  um  durch 
Truppenaufstellungen  geschützt  werden  zu  können.  Nach  der  Landung 
würden  aber  erst  die  Verlegenheiten  des  Angreifers  beginnen.  Auf 
Rom  zu  marschieren,  dazu  genügen  2  Armeekorps,  welche  überdies 
den  Landungsplatz  besetzt  halten,  die  Verbindungslinie  decken  sollen, 
nicht.  Sie  sind  zu  schwach,  um  eine  Festung  dieser  Ausdehnung  zu  be- 
lagern oder  zu  zernieren.  Wohin  sie  auch  sonst  sich  wenden  wollen, 
mit  mangelhaften  Nachrichten  und  ohne  hinreichende  Kavallerie,  um  sich 
Aufklärung  zu  verschaffen,  würden  sie  sich  bald  einer  italienischen 
Übermacht  gegenüber  befinden,  welche  ihnen  nicht  nur  eine  Niederlage 
bereiten,  sondern  auch  die  Rückkehr  unmöglich  machen  kann. 

Es  ist  schwer  glaublich,  daß  die  Franzosen,  um  sich  auf  eine  aus- 
sichtslose Offensive  einzulassen,  Deutschland  gegenüber  sich  so  schwä- 
chen werden,  um  12  Armeekorps  an  den  Alpen  disponibel  zu  machen. 
Wenn  auch  ein  solcher  Feldzugsplan  in  dem  französischen  Generalstabe 
Verfechter  finden  mag,  so  wird  doch  die  Regierung,  wie  man  fürchten 
muß,  bei  Würdigung  der  Verhältnisse  von  der  Ausführung  Abstand 
nehmen  und  den  verbündeten  Mächten  die  Gelegenheit  entziehen,  in  so 
wohlfeiler  Weise  den  Sieg  zu  erfechten. 

Hält  Italien  an  der  MögUchkeit  einer  französischen  Offensive  fest, 
so  Hegt  die  Gefahr  nahe,  daß  es  in  der  Lombardei  seine  Kräfte  gegen 
einen  Angriff  bereitstellt,  welcher  nicht  erfolgt  und  dann  bei  der  Ent- 
scheidung in  Lothringen  fehlt. 

Es  wird  gegebenenfalls  schwer  sein,  unzweifelhaft  zu  konstatieren, 
ob  die  Hauptkräfte  des  französischen  Heeres  in  Lothringen  oder  an 
den  Alpen  versammelt  werden.  Weder  in  den  wenigen  Tagen  der  Mobil- 
machung, noch  während  der  rasch  sich  vollziehenden  Konzentration  wird 
an  Nachrichten  aus  Frankreich  mehr  über  die  Grenze  hinüber  dringen, 
als  daß  auf  allen  Eisenbahnen  lebhafteste  Bewegung  herrscht  und  daß 
Truppen  nach  den  verschiedensten  Richtungen  transportiert  werden. 
Man  wird  die  Klärung  der  Verhältnisse  nicht  abwarten  können,  um 
einen  Entschluß  zu  ergreifen.  Die  Überführung  der  italienischen  Trup- 
pen durch  Österreich  an  den  Rhein  erfordert  zu  viel  Zeit,  als  daß  man 
ihren  Beginn  aufschieben  könnte.  Es  wird  notwendig  sein,  der  Verab- 
redung gemäß  die  Eisenbahntransporte  in  Gang  zu  setzen,  selbst  auf  die 
Gefahr  hin,  sie  wieder  einzustellen,  wenn  der  unwahrscheinliche  Fall 
einer  französischen  Offensive  über  die  Alpen  wirkHch  eintreten  sollte. 

256 


Es  dürfte  sich  empfehlen,  den  Mihtärattache  in  Rom,  Major  von 
Engelbrecht,  zu  beauftragen  i,  diese  Verhältnisse  mündlich  mit  dem  ita- 
lienischen Kriegsminister  und  dem  Chef  des  Generalstabes,  deren  Ver- 
trauen er  zu  besitzen  scheint,  zu  erörtern  und  denselben  in  den  Stand 
zu  setzen,  künftig  etwa  noch  in  dieser  Angelegenheit  entstehende  Diffe- 
renzen in  derselben  Weise  auszugleichen. 

Beruhigend  könnte  derselbe  vielleicht  in  Rom  einwirken  durch  die 
Mitteilung,  daß  nach  den  hier  eingegangenen  zuverlässigen  Nachrichten 
ein  Teil  der  Truppen  in  Algier  (Infanterie  und  Kavallerie)  vom  3.  Mobil- 
machungstage ab  nach  Frankreich  gebracht  werden  soll,  um  in  die 
Gegend  von  Lyon  weitertransportiert  zu  werden,  wo  sie  erst  mit  der 
ihr  erforderlichen  Artillerie  und  Trains  ausgerüstet  werden  sollen.  Zum 
Ersatz  der  aus  Algier  genommenen  Linientruppen  sollen  Territorial- 
Brigaden  dorthin  übergeführt  werden.  Es  dürfte  daraus  hervorgehen, 
daß  die  französische  Transportflotte  in  der  Mobilmachungszeit  hinläng- 
lich in  Anspruch  genommen  ist,  und  daß  die  algerischen  Truppen  nicht 
unmittelbar  zu  einer  Landung  in  Italien  bestimmt  sein  können.  Ihr 
Transportziel,  „Gegend  von  Lyon'',  läßt  es  wahrscheinlich  erscheinen, 
daß  sie  je  nach  den  Umständen  als  Reserve  für  die  Armee  gegen 
Deutschland  oder  für  diejenige  gegen  Italien  dienen  sollen. 

Wichtig  für  die  Sicherheit  Italiens  dürfte  sein,  wenn  Maßregeln  für 
eine  größere  Beschleunigung  der  Mobilmachung  getroffen  würden,  und 
wenn  die  Festungen  an  der  Grenze,  wie  die  Kriegshäfen  gegen  einen 
gewaltsamen  Angriff  unter  allen  Umständen  gesichert  würden. 

Der  Generalfeldmarschall 
Gr.  Moltke 

Randbemerkung  des  Fürsten  von   Bismarck: 
1  Fiat 

Nr.  1315 

Bericht  des  Militärattaches  in  Rom  Major  von  Engeibrecht 

Eigenhändige  Ausfertigung 
J.Nr.  35  Rom,  den  2.  April  1888 

Einer  Aufforderung  des  Unterstaatssekretärs  Generalleutnant  Cor- 
vetto  nachkommend,  begab  ich  mich  vorgestern  in  das  Kriegsmini- 
sterium, woselbst  ich  sofort  zu  dem  Kriegsminister  geführt  wurde. 
Derselbe  leitete  die  Unterhaltung  mit  dem  Bemerken  ein,  daß  es  ihm 
daran  gelegen  sei,  mir  über  die  schwebenden  Verhandlungen,  betref- 
fend unsere  gemeinsamen  Operationen  im  Falle  eines  Krieges  gegen 
Frankreich,  Mitteilungen   zu  machen. 

„Sie  sind",  so  fuhr  der  Kriegsminister  fort,  „von  den  in  Berlin  ge- 
troffenen militärischen  Abmachungen  unterrichtet.  Unsere  Offiziere  sind 
dieselben  vorbehaltlich  der  Genehmigung  der  Regierung  eingegangen. 
Diese  Genehmigung  ist  sofort  im  Prinzip  erfolgt;  nur  bezüglich  einiger 
Punkte  wurde  eine  Rückfrage  von  uns  angeregt  und  zwar: 

17    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  257 


1  ob  die  Abmachungen  seitens  der  Regierungen  zu  ratifizieren 
seien; 

2.  daß  die  Zahl  der  zur  Entsendung  nach  der  deutsch-französischen 
Grenze  angebotenen  Truppen  schwanken  würde  zwischen  5  oder  6  Ar- 
meekorps, 2  oder  3  Kavalleriedivisionen,  zu  gruppieren  in  1  oder  2 
Armeen; 

3.  was  zu  geschehen  wäre,  wenn  Frankreich  mit  solch  bedeuten- 
den Kräften  Italien  angreife,  daß  man  zur  eigenen  Verteidigung  sämt- 
licher Truppen  bedürfe. 

Diese  letztere  EventuaUtät  sei  von  den  itaUenischen  Offizieren  im 
Laufe  der  Verhandlungen  auch  zur  Sprache  gebracht  worden,  General 
Graf  Schlieffen  habe  diese  Anregung  natürlich  gefunden,  doch  sei  eine 
nähere  Erörterung  unterblieben,  vermutlich  wegen  der  geringen  Wahr- 
scheinlichkeit einer  solchen  Offensive.'' 

Nunmehr  begann  der  Kriegsminister  mit  dem  Vorlesen  verschie- 
dener zwischen  Regierung  und  dem  Grafen  Launay  gewechselten  De- 
peschen. 

In  der  ersten  meldet  der  italienische  Botschafter  seine  Unterhaltung 
mit  dem  Staatssekretär  Grafen  Bismarck  bezüglich  der  vorgenannten  3 
Punkte  und  spricht  von  „une  Impression  penible",  welche  die  Erwäh- 
nung des  letzten  Punktes  i  hervorgerufen  habe.  Der  Staatssekretär  habe 
sich  eine  Erörterung  hierüber  bis  nach  stattgehabtem  Benehmen  mit 
dem  Generalstabe  vorbehalten  und  sei  der  Ansicht,  daß  eine  Ratifi- 
kation der  Verhandlungen  von  selten  der  Regierungen  nicht  geboten 
wäre,  die  Kontrahenten  sich  vielmehr  auch  auf  Grund  der  getroffenen 
Vereinbarungen  als  gebunden  zu  betrachten  hätten. 

Dieser  letzteren  Auffassung  gegenüber  hat  die  Regierung  ihre  An- 
sicht in  der  erfolgten  Antwort  aufgegeben,  aber  ihr  Verwundern  ausge- 
sprochen, daß  durch  die  Erwähnung  des  Punktes  3  ein  „peinhcher  Ein- 
druck" habe  hervorgerufen  werden  können,  und  verwahrt  man  sich 
gegen  die  Auslegung,  daß  bei  Anregung  der  sub  3  aufgeführten  Even- 
tualität irgend  welcher  Hintergedanke  vorgeschwebt  habe. 

Nach  weiteren  Depeschen  telegraphiert  Graf  Launay,  daß  der 
deutsche  Militärattache  beauftragt  werden  würde,  über  die  Ansichten 
des  Generalstabes,  den  fraghchen  Punkt  betreffend,  Aufklärungen  zu 
geben,  und  daß  es  daher  einer  besonderen  Eile  hinsichtlich  der  Ab- 
sendung des  mit  der  Vereinbarung  der  Transportbewegung  beauftragten 
Offiziers  nicht  bedürfe. 

„Als  mir  diese  Depesche",  so  fuhr  der  Kriegsminister  fort,  „zuging, 
beschloß  ich,  Sie  zu  mir  bitten  zu  lassen.  Ich  bedaure,  daß  eine  Anfrage 
unserseits  zu  einem  Mißverständnis  hat  Anlaß  geben  können;  ich  habe 
Ihnen  die  gewechselten  Depeschen  vorgelesen,  damit  Sie  klar  in  dieser 
Angelegenheit  zu  sehen  vermögen. 

Die  Botschaft  in  Berlin  muß  nicht  glücklich  in  der  Wiedergabe 
unsrer  Ansicht  gewesen  sein,  und  daher  wende  ich  mich  direkt  an  Sie,. 

25S 


um  jeder  irrtümlichen  Deutung  vorzubeugen,  und  damit  Sie  schon  orien- 
tiert sind,  wenn  Ihr  Auftrag  eingeht. 

Das  von  uns  freivvilHg  ausgegangene  Anerbieten  der  Entsendung 
von  Truppen  nach  der  deutsch-französischen  Grenze  2  werden  wir  in  dem 
angenommenen  Fall  unbedingt  halten;  es  ist  bei  mir  eine  festgewurzelte 
Überzeugung,  daß  es  im  Interesse  unserer  jungen  Armee  liegt,  an  der 
Seite  deutscher  Truppen  sich  schlagen  zu  können,  und  möchte  ich  nur 
wünschen,  daß  unsere  Korps  alsdann  nicht  zu  schwierigen  Belagerungen 
—  die  uns  in  dem  undankbaren  Alpenkriege  reichlich  bevorstehen  — 
sondern  möglichst  im  Bewegungskriege  Verwendung  finden  werden." 

Während  der  ganzen  Unterredung  konnte  sich  der  Kriegsminister 
anscheinend  nicht  von  einer  gewissen  inneren  Erregung  freimachen.  Er 
kam  immer  wieder  darauf  zurück,  daß  kein  Zweifel  gehegt  werden 
dürfe,  daß  die  Regierung  ihr  Versprechen  halten  werde.  Es  komme  ihm 
darauf  an,  die  Verhandlungen  abzuschließen,  und,  um  seinen  guten 
Willen  zu  zeigen,  solle  der  betreffende  Offizier  schon  in  den  nächsten 
Tagen  abreisen  und  werde  die  Instruktion  erhalten,  die  weiteren  Verein- 
barungen auf  dem  gemeinsam  gewonnenen  Boden  der  Januar-Abma- 
chungen zu  treffen,  ohne  dieses  Zwischenfalls  auch  nur  Erwähnung 
zu  tun. 

Inwieweit  die  entschiedene  Verwahrung:  zu  einer  Mißdeutung  von 
hier  aus  keinen  Anlaß  gegeben  zu  haben,  begründet,  dafür  habe  ich  nur 
Versicherungen,  aber  keine  tatsächlichen  Unterlagen  erhalten.  Sehe  ich 
hiervon  ab  und  soll  den  Eindruck  bezeichnen,  den  die  Ausführungen  des 
Kriegsministers  auf  mich  gemacht  haben,  so  glaube  ich,  daß  derselbe 
für  sein  Teil  bereit  ist,  die  eingegangenen  Verpflichtungen  in  loyaler 
Weise  zu  halten  3,  und  daß  bei  dem  General  eine  gewisse  Verstimmung 
wegen  dieses  Zwischenfalls  unschwer  zu  erkennen  ist. 

von  Engelbrecht 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  ? 

^  Oestler]reich?  Durchmarsch? 

8  dazu  ist  der  Aufmarsch  durch  Oest[er]reich  nöthig,  der  bei  einem  nur  deutsch- 
itallienischl-f ranzösischen  Kriege   nicht  gesichert  ist. 

Nr.  1316 

Der  italienische  Botschafter  in  Berlin  Graf  de  Launay  an  den  Staats- 
sekretär des  Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.   Eigenhändig 

Berlin,  10  avril  1888 
Le  Lieutenant-Colonel  Chevalier  Goiran  arrive  ce  matin  de  Rome  a 
dejä  ete  mis  en  rapport  avec  le  Marechal  Comte  de  Moltke,  le  Comte  de 
Waldersee  et  le  Comte  de  Schlieffen.  Demain  commenceront  les  pour- 
parlers  relatifs  au  service  des  transports  de  troupes. 

„.  259 


Le  Ministre  de  la  guerre  M.  Berthole-Viale,  apres  avoir  pris  con- 
naissance  du  memoire  de  Comte  de  Moltke,  laisse  tomber  certaine 
reserve  dont  j'avais  ete  charge  de  Vous  entretenir.  —  Ainsi  le  memoire 
signe  ä  Berlin  le  28  janvier  echu,  reste  tel  quel  pour  servir  au  besoin. 
Au  reste,  le  general  Berthole-Viale  n'avait  jamais  entendu  donner  une 
grande  importance  ä  la  reserve  dont  il  s'agissait. 

Voilä  donc  une  question  reglee.  J'en  suis  on  ne  peut  plus  satisfait.  — 

Launay 


Nr.  1317 

Die  deutsch-italienische  Militär- Eisenbahn- Konvention 

vom  14.  April!  888* 

Vereinbarungen 

für  den  Fall  des  Durchzugs  Königlich  italienischer  Truppen  durch  Süd- 
deutschland nach  dem  Oberrhein  —  getroffen  auf  Grund  des  in  Berlin 
im  Januar  1888  von  den  militärischen  Bevollmächtigten  der  drei  ver- 
bündeten Großmächte  verfaßten  Memoires. 

Zum  Zweck  des  Entwurfs  näherer  Festsetzungen  für  den  even- 
tuellen Eisenbahntransport  Königlich  italienischer  Truppen  durch  Süd- 
deutschland nach  dem  Oberrhein  im  Kriegsfall  sind  von  den  Herren 
Chefs  des  Generalstabs  der  preußischen  respektive  der  italienischen  Ar- 
mee delegiert  worden  und  in  Berlin  zur  kommissarischen  Beratung  zu- 
sammengetreten: 

Vom  preußischen  Qeneralstab: 

der  Generalmajor  Graf  von  Schlieffen  und  der  Oberst  Oberhoffer, 

Abteilungschefs  im  Großen  Generalstab. 

Vom  italienischen  Generalstab: 

der  Oberst  Ritter  von  Goiran,  Chef  der  MiHtär-Transport-Direktion 
und  der  Kapitän  Graf  Robilant,  Militärattache  bei  der  Königlich  ita- 
lienischen Botschaft  in  Berlin. 

Das  Ergebnis  der  Beratungen  ist  in  nachfolgenden  Punktationen  zu- 
sammengefaßt: 

1.  Von  deutscher  Seite  werden  für  die  an  der  österreichischen 
Grenze  zu  übernehmenden  Truppentransporte,  behufs  Weiterführung 
nach  dem  linken  Rheinufer,  folgende  Eisenbahnlinien  für  die  ganze 
Transportdauer  zur  Verfügung  gestellt: 

I.  Passau  —  Regensburg  —  Nürnberg  —  Heilbronn  —  Bruchsal  —  Ger- 
mersheim —  Straßburg. 

II.  Salzburg — München — Augsburg — Nördlingen — Stuttgart — Karls- 
ruhe— Appenweier — Straßburg — Schlettstadt. 


*  Zum  Abdruck  gelangen  nur  die  hauptsächlichsten   Bestimmungen  der  umfäng- 
lichen Konvention. 

260 


III.  Kufstein  —  München  —Ulm  —  Radolfzell  — Singen  — Offenburg — 
Freiburg — Kolmar. 

Der  Linie  II  können  Transporte  auch  über  die  Strecke  Braunau(Sim- 
bach) — München  zugeführt  werden;  es  dient  dieser  Linie  ferner  als  Aus- 
hülfe die  Verbindung  München — Ulm — Cannstatt — Stuttgart. 

Eine  Transportführung  von  Innsbruck  über  den  Arlberg  nach 
Lindau  und  demnächst  weiter  auf  deutschem  Boden  nach  Ulm  wird  vor- 
läufig nicht  beabsichtigt  und  bleibt  vorbehalten. 

Für  diejenigen  Transporte,  welche  in  Kufstein  und  Salzburg  ein- 
treffen und  eine  Weiterbeförderung  auf  der  Linie  III  bis  an  das  Ziel 
nicht  finden  können,  wird  die  Aushülfslinie:  München — Memmingen— 
Ulm — Aulendorf — Pfullendorf — Schwackenreuthe  zur  Verfügung  gestellt. 

In  Pfullendorf  oder  Schwackenreuthe  laden  diese  Transporte  aus; 
sie  erreichen  den  Versammlungsraum  mittelst  Fußmarsches. 

2.  Die  zu  übernehmenden  Züge  werden  in  der  Regel  30 — 36  Wagen, 
außer  Maschinen,  führen ;  sie  dürfen  keinesfalls  50  Wagen  überschreiten. 
Beträgt  das  Ladegewicht  mehr  als  180  tons,  so  ist  die  Achsenzahl 
auf  33  bis  höchstens  40  Wagen  beschränkt.  Ein  Ladegewicht  von 
320  tons  darf  in  keinem  Zuge  überschritten  werden. 

Auf  Vorstehendes  hat  die  später  während  der  Fahrt  vorübergehend 
nötig  werdende  Teilung  der  Züge  in  Halbzüge  —  zur  Überwindung 
der  stärkeren  Steigungen  —  keinen  Einfluß. 

3.  Auf  Linie  III  können  Züge  bereits  vom  7.  Mobilmachungstage  ab 
übernommen  werden;  auf  den  Linien  I  und  II  vom  12. Tage  ab. 

Die  volle  Tagesleistung  wird  betragen: 

auf  Linie    I:  10  Züge  vom  14.  Tage  ab. 

»  »        H.    ID         „  „        10.        „  „ 

„        „     III:  10      „         „     16.      „       „ 
Das  Nähere   ergeben   die  vereinbarten   Fahrtabieaus  für  die  ein- 
zelnen Tage  (folgen   technische   Details). 

Nr.  1318 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 
Nr.  71  Berlin,  den  2.  März  1889 

Der  italienische  Marineattache  in  London,  Graf  Candiani,  hatte 
kürzlich  gegenüber  dem  Admiral  Schröder  dem  Wunsch  Ausdruck  ge- 
geben, daß  die  Oberkommandos  der  deutschen  und  der  italienischen 
Marine  in  fortlaufendem  Verkehr  hinsichtlich  der  technischen  Fortent- 
wickelung sowohl  wie  auch  der  sonstigen  Einzelfragen  des  Berufs  blei- 
ben möchten,  in  ähnlicher  Weise,  wie  das  zwischen  den  Oberkom- 
mandos der  beiden  Landheere  bereits  der  Fall  ist. 

261 


Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  genehmigt,  daß  dem  Gedanken  des 
Grafen  Candiani  nähergetreten  werde;  letzterer  ist  dementsprechend 
verständigt  worden  und  hat  inzwischen  an  seine  Regierung  berichtet. 

Ew.  pp.  teile  ich  vorstehendes  mit,  damit  Sie,  sowie  auch  der  Herr 
Militärattache  von  Engelbrecht  in  der  Lage  sind,  etwaige  autorisierte 
Eröffnungen  entgegenzunehmen.  Bisher  ist  nur  der  allgemeine 
Grundsatz  des  fortgesetzten  Verkehrs  erörtert  worden. 

H.  Bismarck 


Nr.  1319 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Entzifferung 
Nr.  67  Rom,  den  10.  März  1889 

Erlaß  71  vom  2.  März*,  betreffend  den  fortlaufenden  Verkehr  der 
Oberkommandos  der  deutschen  und  italienischen  Marine  erhalten. 

Herr  Crispi  brachte  die  Sache  zur  Sprache  und  sagte,  der  deutsche 
Militärattache  habe  dem  italienischen  gesagt,  wir  wünschten  uns  mit 
Italien  über  die  Verwendung  unserer  Flotte  im  Falle  eines  Krieges  mit 
Frankreich  ebenso  zu  verständigen  i,  wie  dies  bezüglich  des  Feldzugs- 
planes für  die  Landheere  der  Fall  gewesen.  Er  sei  sehr  bereit  darauf 
einzugehen,  würde  aber  für  notwendig  halten,  auch  gleichzeitig  mit 
Österreich  in  Unterhandlungen  zu  treten,  weil  die  Mitwirkung  der 
österreichischen  Flotte  im  Mittelländischen  Meer  unumgänglich  not- 
wendig sei.  Wir  drei  würden  Frankreich  zur  See  gewachsen  sein. 

Ich  habe  Herrn  Crispi  gegenüber  die  Sache  richtig  gestellt  und 
darauf  hingewiesen,  daß  Graf  Candiani  die  Initiative  ergriffe  und  nur 
allgemeine  Grundsätze  des  fortgesetzten  Verkehrs  entwickelte  2. 

Solms 


Randbemerkungen  des  Staatssekretärs  Grafen   Herbert  von   Bismarck: 

1  p 

-  gut 

Nr.  1320 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 
Nr.  84  Berlin,  den  16.  März  1889 

Die  im  Schlußsatz  des  Berichts  Nr.  67**  gegebene  Richtigstellung 
der  irrigen  Meldung  des  Grafen  Candiani  entspricht  der  diesseitigen 

*  Siehe  Nr.  1318. 
**  Siehe  Nr.  1319. 

262 


Auffassung,  Die  Verständigung  mit  Österreich,  welche  bei  Beratung 
eines  konkreten  Operationsplans  unvermeidlich  sein  würde,  ist  daher 
für  die  im  gegenwärtigen  Falle  beabsichtigte  Besprechung  über  allge- 
meine  Grundsätze   technischer   Fortentwickelung   nicht   notwendig, 

H.  Bismarck 


Nr.  1321 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  79  Rom,  den  28.  März  1889 

Geheim 

Bezüglich  der  vom  italienischen  Marineattache  in  London,  Grafen 
Candiani,  angeregten  Frage,  betreffend  den  fortlaufenden  Verkehr  zwi- 
schen den  Oberkommandos  der  deutschen  und  der  itahenischen  Marine 
hinsichtlich  der  technischen  Fortentwickelung  pp.,  hatte  Herrn  Crispi 
die  Ansicht  vorgeschwebt,  es  handle  sich  um  die  Verabredung  eines 
Planes  für  einen  mit  Frankreich  zu  führenden  Seekrieg,  was  ich,  wie 
ich  bereits  zu  melden  die  Ehre  hatte,  richtigstellte. 

Gleich  darauf  war,  wie  Euere  Durchlaucht  aus  dem  anliegend  ganz 
gehorsamst  beigefügten  Bericht  Nr.  12  vom  14.  d,  Mts.  des  König- 
lichen Majors  von  Engelbrecht  hochgeneigtest  ersehen  wollen,  die  fort- 
laufende Erhaltung  der  Beziehungen  zwischen  den  beiderseitigen  Ma- 
rinen, vermittelst  eigens  dazu  kommandierter  Offiziere  (Marineattaches) 
zwischen  ihm  und  dem  Marineminister  zur  Sprache  gekommen,  und 
hatte  derselbe  sich  dem  von  ihm  als  ganz  persönliche  Idee  des  Herrn 
Cricpi  bezeichneten  Gedanken  gegenüber  ablehnend  geäußert. 

Es  scheint,  daß  Herr  Brin  durch  Herrn  Crispi  später  umgestimmt 
worden  ist,  denn  als  ich  bei  einer  zufälligen  Begegnung  diese  Angelegen- 
heit berührte,  sagte  er  mir,  er  sei  sehr  damit  einverstanden,  daß  die 
beiderseitigen  Marinen  in  fortgesetzten  Verkehr  treten  und  auch  Ma- 
rineattaches ernennen;  er  schicke  in  den  nächsten  Tagen  einen  Marine- 
offizier mit  verschiedenen  technischen  Aufträgen  nach  Deutschland; 
dieser  Offizier  würde  gleich  die  Stellung  eines  Marineattaches  ein- 
nehmen können. 

Dem  Marineminister  gegenüber  ging  ich  auf  die  Anstellung  von 
Marineattaches  nicht  weiter  ein. 

Als  ich  Herrn  Crispi  einige  Tage  später  darauf  aufmerksam  machte, 
daß  eine  Verständigung  mit  Österreich  bei  dieser  Gelegenheit,  wo  es 
sich  um  Verabredungen  über  allgemeine  Grundsätze  technischer  Fort- 
entwickelung handle,  nicht  nötig  erscheine,  war  er  mit  den  von  mir 
entwickelten  Ansichten  einverstanden   und  kam   nicht  wieder  auf  den 

263 


Operationsplan  zur  See  zurück;  dagegen  stellte  er  die  gegenseitige  Atta- 
chierung  von  Marineoffizieren  als  sehr  wünschenswert  in  den  Vorder- 
grund und  bat  mich,  Eurer  Durchlaucht  diesen  Wunsch  zu  unter- 
breiten. 

Von  fremden  Mächten  unterhalten  Marineattaches  bei  der  Königlich 
italienischen  Regierung:  England,  Frankreich,  Rußland,  Spanien,  Nord- 
amerika und  Argentinien. 

Die  nach  dem  Berichte  des  Major  von  Engelbrecht  vom  Marine- 
minister Brin  geäußerte  Rücksicht  auf  Frankreich  würde  Herrn  Crispi 
nicht  abhalten,  den  Gedanken  der  Ernennung  eines  Marineattaches  in 
Berlin  zur  Ausführung  zu  bringen.  Herr  Crispi  hegt  übrigens  schon 
längst  den  lebhaften  Wunsch,  sich  auf  irgendwelche  Weise  das  so- 
fortige Eingreifen  der  österreichischen  Marine  zu  sichern,  sobald  es 
zwischen  Italien  und  Frankreich  zum  Kriege  kommen  sollte.  Die  ita- 
lienische Marine  sieht,  wenn  sie  gezwungen  sein  sollte,  den  Seekrieg 
gegen  Frankreich  allein  aufnehmen  zu  müssen,  dem  Kampfe  mit  sehr 
geringer  Siegeszuversicht  entgegen,  trotz  der  Überlegenheit  ihrer  Pan- 
zerkolosse, welche  sich  allerdings  erst  bewähren  müssen.  Ebenso  fürch- 
tet man,  daß  England  zu  spät  kommen  würde,  um  die  offnen  Städte 
Italiens  gegen  ein  Bombardement  zu  schützen;  dagegen  hofft  man  der 
französischen  Mittelmeerflotte  gewachsen  zu  sein,  sobald  man  auf  die 
sofortige  Unterstützung  durch  die  österreichische  Flotte  rechnen  kann. 
Daher  das  Bestreben  des  Herrn  Crispi,  sich  diese  Hülfe  im  voraus  zu 
sichern. 

Die  Versuche  hierzu  sind  aber  bis  jetzt  gescheitert,  weil  Österreich 
die  Unterstützung  von  mehreren  Armeekorps  zu  Lande  als  Gegen- 
leistung verlangte,  was  Italien,  wie  die  Verhältnisse  sich  heute  ge- 
staltet haben,  zu  leisten  nicht  in  der  Lage  ist.  Unter  diesen  Umständen 
haben  die  Verhandlungen  mit  Österreich  schon  längere  Zeit  geruht. 

Wenn  daher  Herr  Crispi  bei  unserer  ersten  Konversation  über  die 
Marineangelegenheiten  des  vom  Grafen  Candiani  angeregten  Gedankens 
eines  einzurichtenden  fortlaufenden  Verkehrs  zwischen  den  Marinen  von 
Deutschland  und  Italien  gar  nicht  erwähnte,  sondern  gleich  von  der 
Notwendigkeit  der  Verständigung  über  einen  konkreten  Operationsplan 
mit  Hinzuziehung  von  Österreich  sprach,  so  drängt  sich  mir  die  Ver- 
mutung auf,  daß  er  den  Wunsch  hat,  bezüglich  der  Operationen  zur 
See  mit  Österreich  zu  einem  definitiven  Abschluß  zu  gelangen,  ohne  die 
Verhandlungen  direkt  wieder  aufzunehmen,  die  Anknüpfung  derselben 
vielmehr  über  Berlin  durch  Zuziehung  Österreichs  zu  einer  Verabredung 
über  einen  Seekriegsplan  zu  versuchen. 

Schließlich  darf  ich  nochmals  hervorheben,  daß  Herr  Crispi  bei  un- 
serer letzten  Unterredung  auf  den  Kriegsplan  nicht  wieder  zurückge- 
kommen ist. 

Graf  Solms 

264 


Nr.  1322 

Der  Staatssekretär  des  Auswärtigen  Amtes  Graf  Herbert  von  Bismarck 
an  den  Botschafter  in  Rom  Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  von  Holstein 

Nr.  105  Berlin,  den  S.April  1889 

Geheim 

Die  in  Ew.  pp.  geheimem  Bericht  Nr.  79*  vom  28.  v.  Mts.  mit- 
geteilte Anregung  der  Herrn  Crispi  und  Brin  wegen  Ernennung  von 
Marineattaches  seitens  der  beiden  Regierungen  habe  ich  zur  Kenntnis 
Seiner  Majestät  des  Kaisers  gebracht,  allerhöchstwelcher  im  Prinzip 
mit  der  Neueinrichtung  beider  Posten  einverstanden  ist. 

Wir  erwarten  also  jetzt  die  amtliche  italienische  Initiative. 

H.  Bismarck 

Nr.  1323 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Abschrift 
Nr.  185  Rom,  den  22.  Juli  1889 

Sehr  vertraulich 

Herr  Crispi  sagte  mir,  Euere  Durchlaucht  hätten  im  Mai  die  Frage 
angeregt,  ob  es  nicht  gut  sein  würde,  ebenso  wie  für  die  Operationen 
der  Landheere,  auch  für  das  Zusammenwirken  der  Flotten  sich  unter 
den  drei  Mächten  über  einen  Plan  zum  Seekriege  zu  verabreden;  be- 
sonders würde  es  nötig  sein,  daß  Italien  sich  mit  Österreich  ver- 
ständigte. 

Er  habe  dies  mit  dem  Grafen  Nigra  ^  besprochen,  der  habe  ihn  aber 
darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  es  besser  sein  würde,  die  Sache 
würde  in  Wien  von  Berlin  aus  angeregt;  nur  dann  könnte  man  darauf 
rechnen,  daß  man  in  Wien  überhaupt  einen  Entschluß  fasse;  denn  seit 
dem  Tode  des  Kronprinzen  Rudolf  herrsche  in  den  dortigen  Regie- 
rungskreisen eine  Apathie,  die  schon  höchst  bedenklich  zu  werden  an- 
fange. 

Ich  entgegnete  Herrn  Crispi,  eine  Verständigung  zwischen  Italien 
und  Österreich  über  eine  gemeinsame  Aktion  ihrer  Flotten  im  Mittel- 
meer würde  schon  längst  notwendig  gewesen  sein,  und  es  sei  hohe 
Zeit,  daß  man  eine  solche  in  Angriff  nehme.  Da  aber  Italien  der  Unter- 
stützung durch  die  österreichische  Flotte  bedürfe,  so  würde  es  richtiger 
sein,  Italien  mache  in  Wien  die  nötigen  Eröffnungen.  Wenn  dies  ge- 
schehen sei,  würden  Euere  Durchlaucht  gewiß  die  Anträge  der  italie- 
nischen Regierung  in  Wien  unterstützen. 

Herr  Crispi  meinte,  dies  sei  allerdings  wohl  der  richtige  Weg  und 

*  Siehe  Nr.  1321. 

265 


fügte  hinzu,  am  besten  würde  es  sein,  alle  drei  Flotten,  d.  h.  die  von 
Deutschland  2,  Österreich  und  Italien  im  Mittelmeer  zu  vereinigen. 

Ich  unterließ  nicht,  den  Herrn  Ministerpräsidenten  darauf  auf- 
merksam zu  machen,  daß  die  drei  Flotten  vorläufig  etwas  weit  von 
einander  entfernt  seien,  daß  es  für  uns  in  einem  Kriegsfalle  mit  eini- 
gen Schwierigkeiten  verbunden  sein  würde,  bei  Frankreich  vorbei  mit 
einer  Flotte  nach  dem  Mittelmeer  zu  dampfen,  und  daß  er  zu  vergessen 
scheine,  daß  wir  voraussichtüch  den  Kampf  mit  einer  sehr  bedeutenden 
russischen  Flotte  aufzunehmen  haben  würden.  Die  Frage  des  Herrn 
Crispi,  wie  stark  die  russische  Flotte  sei,  konnte  ich  nicht  beantworten. 
Auch  Major  von  Engelbrecht  besitzt  keine  Angaben  über  die  russischen 
Seestreitkräfte.  Ich  würde  Euerer  Durchlaucht  sehr  dankbar  sein,  wenn 
Hochdieselben  mich  durch  eine  Mitteilung ^  über  diesen  Punkt  in  die 
Lage  versetzen  wollten,  Herrn  Crispi  nachweisen  zu  können,  daß  wir 
für  die  Kaiserliche  Marine  in  der  Verteidigung  unserer  Küsten  und  in 
dem  Kampfe  gegen  die  russische  Flotte  und  gegen  die  französischen 
Flotten  von  Cherbourg  und  Brest*  eine  Aufgabe  zu  erfüllen  haben, 
welche  unser  Erscheinen  im  Mittelmeer  wenigstens  bei  Beginn  eines 
Krieges  unmöglich  machen  würde.  Bezüglich  unserer  Leistungsfähig- 
keit gegenüber  den  französischen  Flotten  von  Cherbourg  und  Brest 
war  ich  schon  im  vorigen  Jahre  beauftragt  gewesen,  Herrn  Crispi  zu 
informieren;  an  die  russische  Flotte  hatte  er  aber  augenscheinlich  nicht 
gedacht,  und  er  bemerkte  schUeßlich,  daß,  wenn  wir  die  französische 
Kanalflotte  verhindern  könnten,  nach  dem  Mittelmeer  zu  gehen,  Italiens 
und  Österreichs  Flotten  zur  Bekämpfung  der  französischen  Mittelmeer- 
flotte stark  genug  sein  würde.  (gez.)  Solms 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopfe  des  Schriftstücks: 
vor  Nigra  wird  man  in  Wien  vertr[au]l[ich]  warnen  müssen;  er  ist  französisch 
gefärbt. 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Faul? 

3  nondum  meridies! 
*  schon  das  genügt! 
Randbemerkung  des  Grafen  Herbert  von  Bismarck: 

2  Von  Seiner  Majestät  für  unmöglich  erklärt 

Nr.  1324 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Abschrift 
Nr.  187  Rom,  den  23.  Juli  1889 

Sehr  vertraulich 

Um  genau  festzustellen,  welche  Aufträge  Herr  Crispi  dem  Grafen 
Nigra  in  bezug  auf  einen  für  den  Kriegsfall  mit  Österreich  zu  verein- 
barenden gemeinsamen  Operationsplan  für  die  beiderseitigen  Land-  und 

266 


Seestreitkräfte  erteilt  hat,  bat  ich  ihn  heute  um  eine  bezügliche  Mit- 
teilung. 

Herr  Crispi  äußerte  sich  dahin,  daß  zwischen  Italien  und  Öster- 
reich nur  abgemacht  wurde,  daß  sich  beide  Staaten,  im  Falle  einer  der- 
selben angegriffen  würde,  gegenseitig  unterstützen  sollten;  darüber, 
wie  dies  zu  geschehen  habe,  sei  nichts  abgemacht  worden.  Da  es  beim 
Ausbruche  eines  Krieges  selbst  zu  spät  sein  würde,  hierüber  Ver- 
handlungen zu  eröffnen,  habe  er  den  Grafen  Nigra  beauftragt,  der  öster- 
reichischen Regierung  vorzuschlagen,  mit  Italien  schon  jetzt  zu  ver- 
einbaren, in  welcher  Weise  im  Kriegsfalle  die  gegenseitige  Unter- 
stützung durch  die  Landheere  einzutreten  haben  wird. 

Was  die  gemeinsame  Aktion  der  Flotten  betrifft,  so  habe  die 
österreichische  Regierung  bereits  früher  durch  den  Kaiserlichen  Bot- 
schafter Baron  Brück  den  Wunsch  bezüglich  der  Verabredung  über 
einen  Operationsplan  zur  See  hier  ausdrücken  lassen,  ohne  aber  wieder 
auf  die  Sache  zurückzukommen,  trotzdem  ItaUen  sich  sofort  bereit  er- 
klärt hatte,  auf  den  Wunsch  einzugehen. 

Er  habe  bei  näherer  Erwägung  Anstand  genommen,  die  Sache 
durch  Graf  Nigra  nochmals  anregen  zu  lassen  und  würde  es  doch  für 
praktischer  halten,  wenn  die  Aufnahme  diesbezüglicher  Verhandlungen 
zwischen  Österreich  und  Italien  von  Euerer  Durchlaucht  in  Wien  an- 
geregt würde  1;  er  habe  den  Grafen  Launay  bereits  mit  entsprechendem 
Auftrage  versehen,  aber  noch  keine  Antwort  erhalten. 

Ich  bemerkte  hierzu,  ich  sehe  nicht  ein,  warum  Herr  Crispi  Be- 
denken trage,  auch  bezüglich  der  Flotten  den  Wunsch,  sich  über  einen 
Operationsplan  zu  einigen,  in  Wien  direkt  auszusprechen.  Wenn  Itaüen 
von  der  französischen  Flotte  bedroht  sei,  so  bedürfe  es  der  Hülfe  der 
österreichischen  sehr  dringend,  während  Österreich  sich  in  weniger 
bedrohter  Lage  befinde.  Herr  Crispi  war  bereits  durch  die  von  Eng- 
land erwartete  Hülfe  und  die  zugesagte  Verstärkung  der  englischen 
Mittelmeerflotte  wieder  sehr  zuversichtlich  geworden  und  behauptete, 
die  österreichische  Flotte  sei  so  wenijg  zahlreich,  daß  sie  sich  ohne 
Hülfe  der  itaUenischen  im  Adriatischen  Meere  allein  nicht  würde  halten 
können,  während  Italien  im  Verein  mit  England,  auch  ohne  Mitwir- 
kung der  österreichischen  Flotte  derjenigen  von  Frankreich  mehr  als 
überlegen  sei;  es  liege  mithin  eine  Vereinbarung  über  einen  gemein- 
samen Operationsplan  zur  See  mehr  im  Interesse  Österreichs  wie 
Italiens. 

(gez.)  Graf  Solms 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopf  des  Schriftstücks: 

Für  Italien  liegt  primo  loco  die  Verständigung  mit  England  im  Interesse. 

Die  öst[er]r[eichische]  Flotte  giebt  noch  keine  Ueberlegenheit,  auch  wenn  wir  die 

Canalflotte  beschäftigen  u[nd]  Rußland  wartet. 
Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  Kein  Anlaß.    Die  ganze  öst[er]rleichische]  Flotten-Frage  ist  verfrüht  ulndl  nicht 

entscheidend.    In  England  sollte  Crispi  sich  sichern. 

267 


Nr.  1325 

Der  italienische  Botschafter  in  Berlin  Graf  de  Launay  an  den  Staats- 
sekretär des  Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Privatbrief.    Eigenhändig 

Secret  Berlin,  le  27  Juillet  1889 

Mr.  Crispi,  au  quel  j'avais  telegraphie  ce  que  Vous  m'aviez  dit  en 
reponse  ä  la  question  d'un  accord  naval,  me  repond  qu'il  desire  que 
la  negociation  ait  lieu  ä  Rome.  —  Les  delegues  allemand[s]  et  austro- 
hongrois  pourront  s')'  reunir  en  meme  temps,  lesquels  traiteraient  di- 
rectement  avec  le  ministere  Royale  de  la  marine  et  avec  M.  Crispi. 
Son  Excellence  me  charge  de  Vous  en  entretenir  promptement  et 
se  reserve  quand  il  connaitra  votre  reponse,  de  se  mettre  en  communi- 
cafion  avec  Vienne. 

Launay 

Nr.  1326 

Der  stellvertretende  Staatssekretär 

des  Auswärtigen  Amtes  Graf  von  Berchem  an  den  Botschafter  in  Rom 

Grafen  zu  Solms -Sonnenwalde 

Reinkonzept 

Nr.  250  Berlin,  den  30.  Juli  1889 

Qeheini 

Zu  den  gefälligen  Berichten  vom  22.  und  23.  d.  Mts.*,  die  Verab- 
redungen Italiens  und  Österreichs  über  gemeinsame  Operationspläne 
betreffend,  hat  der  Herr  Reichskanzler  bemerkt,  daß  es  im  Interesse 
Italiens  primo  loco  geboten  sei,  die  Verständigung  mit  England  her- 
beizuführen; denn  die  öterreichische  Flotte  allein  gebe  Italien  noch 
keine  Überlegenheit  über  Frankreich,  auch  wenn  wir  die  Kanalflotte 
beschäftigten  und  Rußland  sich  abwartend  verhielte;  wir  hätten  keinen 
Anlaß,  Verhandlungen  zwischen  Österreich  und  Italien  anzuregen;  die 
ganze  österreichische  Flottenfrage  sei  verfrüht  und  nicht  entscheidend; 
England  sei  es,  das  Herr  Crispi  sich  sichern  sollte. 

Zu  Ew.  pp.  Information  erwähne  ich  ferner,  daß  Seine  Majestät 
der  Kaiser,  bei  Vortrag  der  obigen  Berichte,  allerhöchstsich  den  Äuße- 
rungen anschlössen,  welche  Ew.  pp.  nach  dem  Berichte  Nr.  185**  Herrn 
Crispi  gegenüber  gemacht  hatten.  Seine  Majestät  bemerkten,  daß  selbst, 
wenn  die   russische   Flotte  nicht  in   Betracht  käme,  die  unserige  zum 

*  Siehe  Nr.  1323,  1324. 
**  Siehe  Nr.  1323. 

268 


Schutz  der  deutschen  Küste  gegen  die  französische  Nordflotte  unent- 
behrlich sei;  auch  wenn  Frankreich  das  Unwahrscheinliche  tue,  sich  im 
Norden  und  Westen  von  Schiffen  zu  entblößen,  so  würde  unserer 
Flotte  immer  noch  die  Aufgabe  verbleiben,  den  sehr  lebhaften  deutschen 
Handel  durch  den  Kanal  vor  französischen  Kreuzern  zu  schützen  und 
angriffsweise  gegen  die  französische  Nordküste  vorzugehen. 

Zu  dieser  letzteren  Äußerung  Seiner  Majestät  bemerke  ich  er- 
gebenst,  daß  dieselbe  selbstverständlich,  außer  Herrn  Crispi  gegenüber, 
persönlich,  auf  das  strengste  sekretiert  werden  muß. 

Im  übrigen  hat  auch  Seine  Majestät  nachdrücklich  betont,  daß 
ItaHen  sich  für  den  Fall  kriegerischer  Ereignisse  im  Mittelmeere  vor 
allem  mit  England  verständigen  müsse,  während  wir  in  Österreich  keine 
Anregung  nach  Maßgabe  der  Äußerung  Herrn  Crispis  machen  könnten, 
ohne  dort  den  Eindruck  eines  unbequemen  Mahners  und  das  Gefühl 
eines  lästigen  Druckes  hervorzurufen;  es  sei  nicht  verständlich,  weshalb 
Graf  Nigra  nicht  jetzt  die  Sache  in  Wien  anregen  könne,  nachdem  Baron 
Brück  —  wie  Ew.  pp.  berichteten  (confr.  Bericht  Nr.  187*)  —  seiner- 
zeit namens  der  österreichischen  Regierung  die  ersten  Schritte  in  dieser 
Angelegenheit  getan  habe. 

Zu  Ew.  pp.  persönlichen  Information  füge  ich  noch  Abschrift  eines 
geheimen  Schreibens  des  Grafen  de  Launay  an  den  Grafen  von  Bis- 
marck**  ergebenst  bei,  welches  den  Wunsch  des  italienischen  Minister- 
präsidenten zu  erkennen  gibt,  daß  deutsche  und  österreichische  Dele- 
gierte in  Rom  zusammentreffen  möchten,  um  sich  dort  bezüglich  der 
geplanten  Kooperationen  mit  dem  italienischen  Marineminister  und 
Herrn  Crispi  zu  verständigen. 

Seine  Majestät  geruhten  zu  dem  Inhalte  jenes  Schreibens  zu  be- 
merken, daß  gegenwärtig  geeignete  Marineoffiziere  zu  derartigen  Ver- 
handlungen bei  uns  nicht  entbehrlich  seien.  Es  solle  deshalb  dem  Grafen 
de  Launay  geantwortet  werden,  daß  die  Besprechungen  über  maritime 
Operationen  der  deutschen  und  italienischen  Seestreitkräfte  im  Kriegs- 
falle am  besten  durch  den  bereits  ernannten  Marineattache  in  Berlin, 
Marquis  Gualterio,  aufgenommen  werden  würden,  ähnlich  wie  dies  vor 
Jahr  und  Tag  durch  die  nach  Berlin  entsandten  italienischen  Landoffi- 
ziere für  die  beiderseitigen  Armeen  geschehen  sei;  Seine  Majestät  beab- 
sichtigten, unmittelbar  nach  dem  Eintreffen  des  Marquis  Gualterio,  der 
Kaiserlichen  Botschaft  in  Rom  einen  deutschen  Seeoffizier  zuzuteilen. 
Da  dabei  aber  nach  dem  Personalstande  unseres  Seeoffizierkorps  vor- 
aussichtlich ein  jüngerer  Offizier,  etwa  ein  Kapitänleutnant  in  Frage 
kommen  würde,  so  dürften  schon  aus  diesem  Grunde  die  von  Herrn 
Crispi  gewünschten  Besjjrechungen  besser  in  Berlin  abgehalten  werden. 

Ich  habe  Ew.  pp.  über  die  hier  in  betreff  der  italienischen  An- 
regungen maßgebenden  Auffassungen  hiermit  eingehend  informiert,  und 


*  Siehe  Nr.  1324. 
**  Siehe  Nr.  1325. 


269 


darf  es  Ihrem  bewährten  Takte  überlassen,  unter  Übergehung  einiger 
kleineren  technischen  Details,  hiernach  Herrn  Crispi  in  schonender 
Weise  vertrauHch  zu  antworten,  wie  dies  auch  hier  gegenüber  dem 
Grafen  Launay  geschehen  wird. 

Ihre  Berichte  enthalten  mehrfache  Argumente,  welche  die  Ver- 
wertung vorstehender  Direktive  erleichtern  werden.  So  werden  Ew.  pp. 
zur  Unterstützung  Ihrer  Aussprache  sich  dem  italienischen  Minister- 
präsidenten gegenüber  darauf  berufen  können,  daß  er  selbst  (confr. 
Bericht  Nr.  185*)  Italiens  und  Österreichs  Flotten  zur  Bekämpfung  der 
französischen  Mittelmeerflotte  für  stark  genug  erachtet,  vorausgesetzt, 
daß  wir  den  Rest  der  französischen  Flotte  verhindern  könnten,  nach 
dem  Mittelmeere  zu  gehen;  hieraus  ergibt  sich  gleichzeitig  die  Berech- 
tigung für  das  Alibi  eines  Teiles  unserer  maritimen  Streitkräfte.  Ebenso 
werden  Sie  geltend  zu  machen  vermögen  die  weitere  Äußerung  Herrn 
Crispis  (confr.  Bericht  Nr.  187**),  daß  Itahen  im  Bunde  mit  England 
stark  genug  sei,  das  Mittelländische  Meer  gegen  Frankreich  zu  halten. 
Überdies  hat  auch  Herr  Crispi,  wie  aus  der  Anlage  erhellt,  seither 
die  Absicht  kundgegeben,  sich  direkt  mit  Wien  in  Verbindung  zu 
setzen,  so  daß  die  polemische  Seite  unseres  Einwandes  gegen  die 
Zumutung  zur  deutschen  Initiative  in  Wien  entfällt. 

Über  die  Aufnahme  Ihrer  Aussprache  darf  ich  einem  gefälligen 
Bericht  seinerzeit  ganz  ergebenst  entgegensehen. 

B er ehern 


Nr.  1327 

Der  Botschafter  in  Rom  Graf  zu  Solms-Sonnenwalde  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  197  Rom,  den  5.  August  1889 

Geheim 

Ich  habe  nicht  verfehlt,  Herrn  Crispi  gegenüber  die  von  ihm  in 
Vorschlag  gebrachten  Verabredungen  über  gemeinsame  Operations- 
pläne zur  See  zwischen  Deutschland,  Österreich  und  Italien  eingehend 
zu  erörtern. 

Als  ich  damit  begann,  daß  es  im  Interesse  Italiens  primo  loco  ge- 
boten sei,  die  Verständigung  mit  England  herbeizuführen,  eine  Ansicht, 
welche  auch  von  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  und  Könige  ganz  beson- 
ders in  den  Vordergrund  gestellt  werde,  lächelte  Herr  Crispi  sehr  selbst- 
gefällig und  deutete  mir  mit  triumphierender  Miene  an,  daß  dies  bereits 
geschehen,    und    daß    er    mit    England    im    reinen    sei;    ob    aber    ein 

*  Siehe  Nr.  1323. 
**  Siehe  Nr.  1324. 

270 


faktisch  abgeschlossener  itahenisch-enghscher  Vertrag  vorUegt,  oder  ob 
es  sich  nur  um  enghscherseits  gemachte,  sehr  bestimmte  Versprechun- 
gen handelt,  konnte  ich  von  ihm  nicht  erfahren.  Da  Herr  Crispi  augen- 
scheinlich Gründe  hatte,  die  Sache  mit  einem  gewissen  Schleier  des 
Geheimnisses  zu  umgeben,  wollte  ich  nicht  weiter  in  ihn  dringen.  An 
einen  Vertrag  glaube  ich  nicht,  wohl  aber  an  englische  bindende  Zu- 
sicherungen 1. 

Für  das  Vorhandensein  solcher  Versprechungen  würde  außerdem 
eine  mir  vor  etwa  fünf  Wochen  unter  dem  Siegel  der  größten  Ver- 
schwiegenheit gemachte  Mitteilung  sprechen,  wonach  der  das  englische 
Mittelmeergeschwader  kommandierende  Admiral  Hoskins  den  Befehl 
hatte,  die  französische  Flotte,  falls  sie  sich  zur  Ausführung  eines  Hand- 
streichs gegen  Genua  oder  eine  andere  der  italienischen  Küstenstädte 
anschicken  sollte,  was  damals  einen  Moment  befürchtet  wurde,  sofort, 
wenn  sie  schwächer  wäre,  anzugreifen,  wenn  sie  dagegen  stärker  wäre, 
sich  nach  Gibraltar  zurückzuziehen  und  dort  Verstärkungen  abzuwar- 
ten; daß  ferner  das  englische  Mittelmeergeschwader,  nach  der  großen 
Revue  in  England,  bedeutend  verstärkt  werden  würde. 

Trotzdem  bestand  damals  bei  Herrn  Crispi  noch  die  Besorgnis, 
die  Franzosen  könnten  das  Zerstörungswerk  an  einigen  italienischen 
Seeplätzen  bereits  vollendet  haben,  ehe  die  englische  Flotte  herbei- 
geeilt sei. 

Durch  die  Sicherheit,  mit  welcher  Herr  Crispi  jetzt  auf  die  Hülfe 
der  englischen  Flotte  zählt,  und  durch  die  teils  vollendeten,  teils  in  der 
Vollendung  begriffenen  Verteidigungsanstalten  an  der  itaUenischen  Küste 
wesentlich  beruhigt,  hatte  der  Minister  auch  keine  Einwendungen  zu 
machen,  als  ich  ihm  darlegte,  daß  unsere  Flotte  zum  Schutze  der  deut- 
schen Küste  gegen  die  französische  Nordseeflotte  und  zur  Sicherung 
des  deutschen  Handels  durch  den  Kanal  vor  französischen  Kreuzern, 
sowie  zum  Angriff  der  französischen  Nordküste  unentbehrlich  sei. 

Nachdem  ich  mich  überzeugt,  daß  dies  Herrn  Crispi  einleuchtete, 
suchte  ich  festzustellen,  ob  der  Graf  Nigra  den  Befehl  erhalten  hat, 
wie  nach  dem  dem  hohen  Erlaß  Nr.  250  vom  30.  v.  Mts.*,  be- 
treffend die  Verabredungen  Italiens  und  Österreichs  über  gemeinsame 
Operationspläne  beigefügten  Schreiben  des  Grafen  Launay  vom  27. 
v.  Mts.**  hervorzugehen  scheint,  diese  Frage  in  Wien  anzuregen.  Als 
Herr  Crispi  dies  verneinte,  äußerte  ich  ihm  mein  Befremden  darüber, 
daß  er  den  Anstoß  zu  derartigen  Verhandlungen  von  uns  erwarte, 
während  es  doch  am  natürlichsten  sein  würde,  daß  Graf  Nigra  die 
bezügliche  Frage  in  Wien  stelle,  da  Baron  Brück  seinerzeit  namens 
der  österreichischen  Regierung  die  ersten  Schritte  in  dieser  Angelegen- 
heit getan  hätte. 

Herr  Crispi  zeigte  vorläufig  eine  entschiedene  Abneigung,  den  Gra- 


*  Siehe  Nr.  1326. 
**  Siehe  Nr.  1325. 


271 


fen  Nigra  mit  Verhandlungen  über  diesen  Punkt  zu  beauftragen  2,  und 
dürfte  diese  Abneigung  auf  Bedenken  beruhen,  welche  der  italienische 
Botschafter,  der  überhaupt  eine  gewisse  Scheu  zu  haben  scheint,  dem 
Grafen  Kälnoky  gegenüber  in  wichtigeren  Fragen  die  Initiative  zu  er- 
greifen, gegen  die  Übernahme  eines  solchen  Auftrages  geltend  ge- 
macht hat. 

Auf  meinen  Vorschlag,  den  österreichischen  Geschäftsträger,  Gra- 
fen Beust,  zu  veranlassen,  die  Sache  in  Wien  wieder  anzuregen,  ging 
Herr  Crispi  nicht  ein,  trotzdem  ich  ihn  darauf  aufmerksam  machte,  daß 
Graf  Beust  nach  dem  einstimmigen  Urteil  der  jüngeren  Herren  meiner 
Botschaft,  welche  in  Wien  oder  an  anderen  Posten  mit  Graf  Beust  zu- 
sammen waren,  ein  sehr  wohldenkender  und  zuverlässiger  Mann  sei. 
Herr  Crispi  entgegnete,  den  Baron  Brück  würde  er  sofort  um  seine 
Vermittelung  bitten,  den  Grafen  Beust  aber,  der  ihm  im  übrigen  sehr  gut 
gefalle,  kenne  er  zu  wenig. 

Ich  habe  versucht,  Herrn  Crispi  begreiflich  zu  machen,  daß  wir 
in  dieser  Angelegenheit  Österreich  gegenüber  nicht  wohl  die  Initiative 
ergreifen  können;  meine  Bemühungen  sind  vorläufig  fruchtlos  geblieben. 
Ich  werde  später  versuchen,  noch  einmal  auf  die  Sache  zurückzukom- 
men. Da  Herr  Crispi  manchmal  seine  Entschließungen  ändert,  in  ihm 
auch  der  Wunsch,  sich  mit  Österreich  zu  verständigen,  ziemlich  lebhaft 
vorhanden  ist,  so  ist  es  möglich,  daß  er  sich  doch  noch  entschließt,  dem 
Grafen  Nigra  die  nötigen  Weisungen  zu  geben. 

In  meiner  Konversation  fortfahrend,  habe  ich  Herrn  Crispi  mitge- 
teilt, daß  Seine  Majestät  der  Kaiser  und  König  beabsichtigten,  nach  Ein- 
treffen des  Marquis  Gualterio  der  Kaiserlichen  Botschaft  hierselbst  einen 
Seeoffizier  zu  attachieren,  daß  jedoch  bei  dem  Personalstande  unseres 
Seeoffizierkorps  voraussichtlich  ein  jüngerer  Offizier,  Kapitänleutnant, 
in  Frage  kommen  würde.  Gleichzeitig  machte  ich  Herrn  Crispi,  den 
diese  Nachricht  sehr  angenehm  berührte,  darauf  aufmerksam,  daß,  da 
wir  weder  für  den  Marineattacheposten,  noch  für  die  Besprechungen 
der  deutsch-italienischen  Marine-Kooperationen  mit  dem  Marineminister 
in  Rom  höhere  Marineoffiziere  disponibel  hätten,  auch  die  Vertretung 
der  Kaiserlichen  Regierung  in  dieser  hochwichtigen  ^  Angelegenheit  nicht 
wohl  einem  jüngeren  Marineattache  anvertraut  werden  könnte,  es  für 
uns  durchaus  wünschenswert*  wäre,  die  bezügliche  Konferenz  fände 
in  Berlin  statt,  ähnlich  wie  dies  seinerzeit  durch  die  nach  Berlin  ent- 
sandten italienischen  Landoffiziere  geschehen  sei*^;  Marquis  Gualterio 
würde  dann  auch  seinem  Range  nach  die  geeignete  Persönlichkeit  sein, 
die  italienische  Marine  zu  vertreten  5. 

Herr  Crispi  war  damit  vorläufig  nicht  recht  einverstanden  6,  ver- 
mutlich, weil  er  es  dem  Ansehen  und  der  Bedeutung  der  heutigen  ita- 
lienischen Kriegsflotte  für  entsprechender  hält,  daß  eine  sich  mit  Marine- 
angelegenheiten beschäftigende  Konferenz  gerade  in  Rom"^  stattfinde. 
Er  sagt,  der  Marquis  Gualterio  sei  nicht  befähigt  genug,  die  italienische 

272 


Marine  bei  diesen  wichtigen  Verliandlungen  zu  vertreten:  ich  halte  dies 
jedoch  nur  für  einen  Vorwand,  da  bei  Ernennung  dieses  Offiziers  nach 
Berlin  seine  Tüchtigkeit  und  seine  umfassenden  Kenntnisse  auf  dem 
Gebiete  des  Seewesens  von  Seiten  des  hiesigen  Marineministeriums 
ganz  besonders  hervorgehoben  worden  sind. 

Ich  besuchte  heute  den  Unterstaatssekretär  Herrn  Damiani  um 
die  Angelegenheit  auch  mit  ihm  zu  besprechen  8.  Herr  Crispi  hatte  ihm 
bereits  von  den  Gründen  Mitteilung  gemacht,  aus  denen  wir  wünschen, 
daß  die  Besprechungen  über  die  Marineangelegenheiten  in  Berlin  und 
nicht  in  Rom  stattfinden  9.  Ich  habe  Herrn  Damiani  bemerkt,  daß,  da 
die  Konferenz  geheim  i^  sein  müßte,  es  Herrn  Crispi  gleichgültig  sein 
könnte,  ob  die  Besprechungen  in  Rom  oder  in  Berlin  erfolgten.  Wenn 
er,  wie  er  mir  sagte,  den  Marquis  Gualterio  nicht  für  befähigt  genug 
halte,  Italien  bei  dieser  Gelegenheit  zu  vertreten,  so  könnte  er  ja  noch 
einen  anderen  Marineoffizier  nach  Berlin  entsenden  ii;  denn  bei  Ge- 
legenheit der  Abmachungen  über  die  Operationen  der  Landheere  hätte 
Italien  ebenfalls  mehrere  Offiziere  nach  BerHn  geschickt. 

Graf  Solms 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Das  genügt 

-  traut  er  ihm?  Nigra  hat  französ[ische]  Sympathien 

3    9 

*  ?  nein! 
wo,  scheint  gleichgültig;  aber  ob  ist  die  Frage!    Blech.    Or[alf  S[olms]  muß 
derglleichenl  nicht  ohne   Auftrag  aussprechen!  scrib[endum]. 

4a    ? 
5     ! 

•^  ich  auch  nicht 

'  gut,  wenn  überhaupt  eine  so  zwecklose  Sache  (pose)  stattfinden  soll 

8  !!  trop  de  zele 

9  weiß  Gr[af]   S[olms]   nicht,  daß   wir  sie   überhaupt   nutzlos  halten? 

10  !  dann  ist  sie  ganz  unnütz;  ich  nahm  an,  daß  die  „pose"  für  Crispi  Weith 
hätte 

11  I 


18    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  273 


Kapitel  XLII 

Kaiser  Friedrich  III. 
Das  Battenbergsche  Heiratsprojekt 


w* 


Nr.  1328 

Der  Botschaf  ter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  Kaiser  Friedrich  III. 

Ausfertigung 

Nr.  88  St.  Petersburg,  den  31.  März  1888 

Kaiser  Alexander  III.  empfing  mich  heute  im  Anitschkow-Palais 
in  Privataudienz  und  nahm  aus  meinen  Händen  das  allerhöchste 
Schreiben  entgegen,  durch  welches  Euere  Kaiserliche  und  Königliche 
Majestät  mich  aufs  neue  beim  Kaiserlich  russischen  Hofe  zu  be- 
glaubigen geruht  haben. 

Nach  Erledigung  der  Förmlichkeiten  bot  mir  der  Kaiser  einen 
Stuhl  an  und  beehrte  mich  während  etwa  zwanzig  Minuten  mit  einer 
Unterredung,  in  welcher  höchstderselbe  seinen  freundschaftlichen  Ge- 
sinnungen für  Euere  Majestät  und  seinem,  meiner  Überzeugung  nach 
rückhaltlosen  Vertrauen  in  die  Gesinnungen  Ausdruck  gab,  welche 
Euere  Majestät  an  dieser  selben  Stelle  vor  acht  Jahren  in  einer  denk- 
würdigen Stunde  ausgesprochen  haben*. 

Kaiser  Alexander  pflegt  wenig  Worte  zu  machen,  aber  was  er  sagt, 
das  meint  er  wirklich,  und  ich  habe  ihn  noch  nie  mit  so  zuversicht- 
licher Befriedigung  über  seine  Beziehungen  zu  Deutschland  sprechen 
hören  als  heute. 

Seine  Majestät  zeigte  lebhaftes  Interesse  für  alles,  was  Euere 
Majestät  seit  Allerhöchstihrem  Regierungsantritte  getan  haben,  und 
sprach  mit  einer  bei  ihm  ungewöhnlichen  Wärme  seine  Bewun- 
derung aus. 

Weiterhin  lenkte  der  Zar  die  Unterhaltung  auf  Bulgarien  und 
sagte,  im  Augenblick  sei  weiter  nichts  zu  machen,  als  ruhig  zu  warten ; 
wie  immer  bei  solchen  Gesprächen,  so  kam  auch  diesmal  die  Rede 
auf  Österreich:  bei  voller  Anerkennung  des  edlen  und  zuverlässigen 
Charakters  des  Kaisers  Franz  Joseph  bezeichnete  Seine  Majestät  die 
Politik  der  österreichisch-ungarischen  Regierung  als  mißtrauisch  und 
falsch,  getreu  den  alten  Traditionen  des  Wiener  Kabinetts.  Ich  er- 
laubte mir  die  Schwierigkeiten  darzulegen,  mit  welchen  Graf  Kälnoky 
sowohl  in  Zisleithanien  den  deutschfeindlichen  Elementen  gegenüber 
als  auch  in  Budapest  mit  den  Russophoben  zu  kämpfen  habe,  und  ich 
versuchte,   Seine   Majestät   zu   überzeugen,   daß   nicht   nur   der   öster- 

*  Im   März  1881    hatte  der  damalige   Kronprinz  Friedrich  Wilhelm   an   den    Bei- 
setzungsfeierlichkeiten  für  Kaiser  Alexander  11.  teilgenommen. 

277 


reichisch-ungarische  Minister  des  Äußeren  sondern  auch  Herr  von 
Tisza  die  besten  Männer  seien,  welche  wir  dort  an  der  Spitze  der  Ge- 
schäfte sehen  könnten.  Der  Kaiser  sagte,  Graf  Andrässy  würde  frei- 
lich viel  gefährlicher  sein,  aber  Graf  Kälnoky  habe  eigentlich  gar  keine 
Stellung,  weder  in  Wien  noch  in  Budapest.  Dabei  ermutige  er  den 
Prinzen  von  Koburg  und  unterstütze  ihn  ebenso  wie  früher  den  Prinzen 
von  Battenberg,  wolle  auf  den  Einfluß,  welchen  Österreich-Ungarn  in 
Sofia  gewonnen  habe,  nicht  verzichten  und  nicht  zugeben,  daß  Rußland 
dort  die  Stellung  wiedergewinne,  welche  es  bis  zum  Jahre  1885  in 
Bulgarien  eingenommen  habe;  er,  der  Kaiser,  wisse  nicht,  vor  was 
sich  das  Wiener  Kabinett  eigenthch  fürchte;  es  müsse  doch  während 
der  bezeichneten  Periode,  also  bis  1885,  gesehen  haben,  daß  der  russi- 
sche Einfluß  in  Sofia  nichts  Bedrohliches  für  Österreich  zur  Folge 
hatte. 

Im  ganzen  aber  war  Kaiser  Alexander  heute  weniger  gereizt  als 
sonst  gegen  das  Wiener  Kabinett;  er  sah,  im  Vertrauen  auf  die  Inten- 
tionen Euerer  Majestät,  die  Gesamtlage  ruhig  an  und  zeigte  deutlich 
die  behagliche  Befriedigung,  mit  welcher  ihn  die  Aussicht  auf  Er- 
haltung des  Friedens  erfüllt. 

V.  Schweinitz 


Nr.  1329 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Staatssekretär 
des  Auswärtigen  Amtes  Grafen  Herbert  von  Bismarck* 

Privatbrief.    Ausfertigung 

Geheim  St.  Petersburg,  den  5.  April  1888 

Ich  muß  einmal  an  die  fast  unlösbar  scheinende  Aufgabe  heran- 
treten, die  Auffassung  zu  schildern,  welche  hier  an  höchster  Stelle 
herrscht  in  bezug  auf  die  durch  den  Thronwechsel  geschaffene  Situation. 

Euer  Exzellenz  wollen  mir  zuvor  einen  kurzen  Rückblick  auf  die 
Lage  erlauben,  die  ich  am  21.  Dezember  v.  Js.  bei  meiner  Rückkehr  hier 
vorfand;  sie  wird  am  besten  durch  die  Worte  bezeichnet,  welche  Herr 
von  Giers  damals  an  mich  richtete,  und  an  deren  Aufrichtigkeit  Seine 
Durchlaucht  der  Herr  Reichskanzler  zweifelte:  „Chez  nous  l'opinion 
prevaut,  que  nous  serons  attaques  au  printemps." 

Die  Unterredung,  mit  welcher  mich  Kaiser  Alexander  in  der  Ball- 
nacht am  26.  Januar  d.  Js.  beehrte**,  stimmt  damit  überein;  der  Satz 
„Vous  avez  voulu  pousser  l'Autriche  ä  la  guerre"  war  die  Signatur  dieser 
Epoche. 

Die  VeröffentHchung  der  Falsifikate  und  die  daran  in  Berlin  und 

*  Des  Zusammenhangs  wegen  vor  das  folgende  Schriftstück  gestellt. 
**  Vgl.   Kap.  XXXVII:  Russisch-Österreichische  Kriegsgefahr,  Nr.  1176. 

278 


Petersburg  geknüpften  Erklärungen*  kräftigten  das  Vertrauen,  welches 
durch  den  durch  Inhalt  und  Form  mächtigen  Neujahrsbrief**  unseres 
verewigten  Kaisers  neu  belebt  worden  war.  Eine  wirkliche  Klärung  er- 
folgte aber  erst  durch  die  Rede  vom  6.  Februar***;  die  Verstärkung 
unserer  Stellung  durch  eine  „neue  Großmacht",  nämlich  durch  600000 
Mann  gedienter,  mit  guten  Führern,  Waffen  und  Kleidern  aus- 
zustattender Leute,  wirkte  gründlicher  als  alle  Friedensprogramme  und 
als  alle  Bündnisse  mit  mehr  oder  weniger  problematischen  Regierungen. 

Jene  große  Rede,  Kraft,  Mut  und  Mäßigung  zu  gewaltiger  Ge- 
staltung einend,  schuf  in  Rußland  einen  für  uns  befriedigenden,  auf 
Furcht,  Verständnis  und  einigem  Vertrauen  beruhenden  Zustand,  wel- 
cher durch  unsere  Unterstützung  der  russischen  Initiative  in  Kon- 
stantinopel gefestigt  wurde. 

So  lagen  die  Dinge,  als  es  Gott  gefiel,  unseren  kaiserlichen  Herrn 
abzurufen. 

Ohne  auf  die  für  den  Zaren  und  sein  Volk  charakteristische  und 
als  Symptom  der  wahren  Gesinnungen  der  russischen  Nation  beachtens- 
werte Teilnahme  zurückzukommen,  will  ich  nur  dasjenige  hervorheben, 
was  mir  als  das  Wesentlichste  erscheint,  nämlich  die  Gedanken,  welche 
sich  der  Kaiser  Alexander  III.  über  den  Einfluß  des  Thronwechsels  auf 
das  Deutsche  Reich  macht.  Seine  Majestät  kam  gleich  nach  Empfang 
der  Trauernachricht  zu  mir  und  bUeb  wohl  eine  halbe  Stunde;  er  sprach 
edle,  rein  menschliche  Empfindungen  aus,  die  unmittelbar  von  Herzen 
kamen,  und  ebenso  unbefangen  und  absichtslos  sagte  er:  vor  dem  alten 
Kaiser  hätten  sich  die  deutschen  Fürsten  gebeugt,  aber  jetzt  werde 
dies   anders   werden.    Als   ich   die   sich   von   selbst   ergebenden    Ein- 

*  Vgl.  Bd.  V,  Kap.  XXXVI,  Anhang  B. 
**  Siehe  Nr.  1174. 

***  Gemeint  ist  die  berühmte  Reichstagsrede  des  Fürsten  Bismarck  zur  Wehr- 
vorlage vom  6.  Februar  1888,  die  bekanntlich  mit  den  Worten  schloß:  „Wir 
Deutsche  fürchten  Gott,  aber  sonst  nichts  in  der  Welt".  In  dieser  Rede,  die  ihr 
besonderes  Gepräge  durch  die  unmittelbar  voraufgehende  Veröffentlichung  des 
Deutsch— Österreich-Ungarischen  Bündnisses  von  1879  erhielt  (vergleiche  Bd.  V, 
Kap.  XXXV),  hat  Bismarck,  in  großen  historischen  Zügen  das  Verhältnis  Deutsch- 
lands zu  seinen  Nachbarstaaten,  insbesondere  zu  Rußland  und  Österreich  zur  Dar- 
stellung bringend,  die  friedliche  Grundrichtung  der  deutschen  Politik  eindrucks- 
voll betont.  „Es  ist  nicht  die  Furcht,  die  uns  friedfertig  stimmt,  sondern  gerade 
das  Bewußtsein  unserer  Stärke,  das  Bewußtsein,  auch  dann,  wenn  wir  in  einem 
minder  günstigen  Augenblicke  angegriffen  werden,  stark  genug  zu  sein  zur  Ab- 
wehr und  doch  die  Möglichkeit  zu  haben,  der  göttlichen  Vorsehung  es  zu  über- 
lassen, ob  sie  nicht  in  der  Zwischenzeit  doch  noch  die  Notwendigkeit  eines  Krieges 
aus  dem  Wege  räumen  wird.  —  Ich  bin  also  nicht  für  irgendwelchen  Angriffs- 
krieg, und  wenn  der  Krieg  nur  durch  unsern  Angriff  entstehen  könnte  —  Feuer 
muß  von  irgendjemand  angelegt  werden,  wir  werden  es  nicht  anlegen  — ,  nun, 
weder  das  Bewußtsein  unserer  Stärke,  wie  ich  es  eben  schilderte,  noch  das  Ver- 
trauen auf  unsere  Bündnisse  wird  uns  abhalten,  unsere  bisherigen  Bestrebungen, 
den  Frieden  überhaupt  zu  erhalten,  mit  dem  bisherigen  Eifer  fortzusetzen."  Siehe 
den  Wortlaut  in:  Die  politischen  Reden  des  Fürsten  Bismarck,  ed.  H.  Kohl, 
Bd.  XII,  S.  440  ff. 

279 


Wendungen  gegen  diese  Ansicht  machte,  blieb  der  Zar  dabei  und  sagte, 
er  kenne  die  deutschen  Regierungen  auch,  und  Schwierigkeiten  von 
dieser  Seite  würden  nicht  ausbleiben. 

Ich  schalte  ein,  daß  Kaiser  Alexander  III.  nicht  die  geringste  Sym- 
pathie für  den  Partikularismus  hat,  und  daß  dieser  der  ganzen  Natur 
Seinem  Majestät  unverständlich  ist;  der  Zar  sprach  also  keinen  Wunsch, 
sondern  nur  eine  bei  ihm  feststehende  Meinung  aus. 

Noch  deutlicher  tat  dies  Großfürst  Wladimir;  in  langer  und  geist- 
voller Darstellung  schilderte  er  mir  die  ihm  wohlbekannte  Stimmung 
mancher  kleinen  Höfe;  „mein  Schwiegervater"*,  so  sagte  er,  „war 
gewiß  gut  preußisch  gesinnt  und  hat  dies  durch  seine  ausgezeichneten 
Dienste  in  den  Kriegen  bewiesen,  aber  über  die  mecklenburgsche 
Schärpe  verstand  er  keinen  Spaß,  und  ich  bin  Zeuge  harter  Kämpfe  ge- 
wesen, wenn  Ihre  Offiziere  die  mecklenburgsche  Uniform  anziehen 
mußten." 

Dem  Großfürsten  gegenüber  sprach  ich  mich  etwas  eingehender 
aus ;  ich  deutete  an,  daß,  wenn  die  Regierungen  etwa  zu  diffizil  werden 
sollten,  die  von  mir  perhorreszierte  Notwendigkeit  an  uns  herantreten 
würde,  dem  Parlament  etwas  mehr  Spielraum  zu  geben,  was  dann 
recht  empfindliche  Folgen  für  die  betreffenden  hohen  Herren  haben 
könnte ;  stärker  aber  betonte  ich  unser  Vertrauen  in  die  erprobte  Weis- 
heit und  Treue  Seiner  Majestät  des  Königs  von  Sachsen,  des  Prinz- 
Regenten  von  Bayern,  des  Großherzogs  von  Baden,  Weimar  usw. 

Als  nun  die  ersten  Erlasse  unseres  allergnädigsten  Kaisers  und 
Herrn**  erschienen,  erregten  sie  hier  allgemeine  Bewunderung,  ja  Be- 
geisterung; ich  kann  versichern,  daß  ich  bei  Russen  nicht  einer  einzigen 
Ausnahme  hiervon  begegnet  bin;  an  diese  in  der  Tat  aufrichtigen  und 
selbstlosen  Empfindungen  schloß  sich  eng  die  Freude  darüber  an,  daß 
jetzt  kein  Krieg,  kein  Angriff  von  deutscher  Seite  zu  befürchten  sei. 

Die  Verwirrung,  welche  hier  in  den  Köpfen  und  der  Presse  herrscht, 
kann  ich  weder  schildern  noch  definieren,  denn  wie  könnte  man  es 
vernunftgemäß  erklären,  daß  sich  die  Leute  hier  einbilden,  jetzt  sei 
unser  Bündnis  mit  Österreich-Ungarn  gelockert,  und  die  Rußland  be- 
drohende Macht  des  Reichskanzlers  gelähmt. 

Alle  diese  Torheiten  feront  leur  temps,  und  ich  verweile  nicht 
dabei;  dagegen  möchte  ich  die  Auffassung  des  Herrn  von  Giers  durch 
einige  seiner  Worte  kennzeichnen,  die  er  im  Sinne  vieler,  auch  wohl 
in  dem  seines  Souveräns  gesprochen  hat.  In  ganz  vertraulicher  Unter- 
haltung sagte  er:  „au  fond  rien  n'a  change,  rien  ne  changera,  et  il 
n'est  pas  meme  desirable,  que  quelque  chose  change  —  excepte  le 
ton  et  9a  serait  deja  beaucoup." 


*  Großherzog  Friedrich  Franz  II.  von  Mecklenburg-Schwerin. 
**  Gemeint  sind  die  Proklamation  Kaiser  Friedrichs  III.  „An  mein  Volk!"  und  der 
Erlaß  an  den  Reichskanzler  vom  12.  März  1888  (siehe  beide  in  Schultheß*  Euro- 
päischer Geschichtskalender  Jg.  1888,  S.  59  ff.). 

280 


Wenn  Euer  Exzellenz  mir  gestatten  wollen,  diesen  Satz  zu  inter- 
pretieren, so  dürfte  ich  ihn  wie  folgt  auslegen: 

Wir  wünschen  nicht,  daß  der  Reichskanzler  zurücktrete,  denn  er 
ist  uns  nützlich,  sowohl  für  die  monarchischen  Interessen  als  auch 
für  unsere  Orientpolitik;  wir  möchten  aber  gern,  daß  Deutschland 
weniger  stark  und  weniger  schlagfertig  sei,  daß  es  allmählich  weicher 
und  aus  Friedensbedürfnis  unserer  Hülfe  bedürftig  werde,  daß  es,  statt 
Ruhe  zu  befehlen,  dieselbe  durch  Nachgiebigkeit  gegen  uns  und  Frank- 
reich erkaufe. 

Als  ich  gestern  abend  zu  Herrn  von  Giers  kam,  um  mit  ihm 
wegen  des  Battenbergschen  Besuchsprojekts*  zu  sprechen,  fand  ich  ihn 
durch  Graf  Schuwalows  Mitteilungen  schon  vorbereitet;  er  hatte  sogar 
schon  tags  zuvor,  am  3.,  beim  Dienstagsvortrag  mit  Seiner  Majestät 
darüber  gesprochen;  es  schien  dem  Minister  nicht  ganz  unerwünscht 
zu  sein,  daß  dem  Herrn  Reichskanzler  einige  Schwierigkeiten  an  unserem 
Hofe  erwachsen*,  dem  Gedanken  an  einen  Rücktritt  Seiner  Durch- 
laucht wollte  er  aber  um  keinen  Preis  Raum  geben,  und  hierin  ist 
er  meines  Erachtens  aufrichtig  und  in  Übereinstimmung  mit  dem 
Souverän.  Doch  der  Wunsch,  durch  Bleigewichte  den  kühnen  Flug  des 
preußischen  Adlers  zu  erschweren,  ist  so  lebhaft,  daß  man  wenigstens 
für  einen  Augenblick  den  Widerwillen  gegen  den  Prinzen  von  Batten- 
berg und  selbst  die  sehr  ernsten  Folgen  außer  Augen  setzt,  welche 
sein  Hervortreten  in  Österreich,  in  England  und  namentlich  in  Deutsch- 
land nach  sich  ziehen  würde.  .  Schweinitz 


Nr.  1330 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter 
in  Petersburg  von  Schweinitz 

"    Telegramm.  Eigenhändiges  Konzept 
Nr.  43  Berlin,  den  4.  April  1888 

S[eine]  M[ajestät]  der  Kaiser  theilte  mir  am  31.  v.M.  mit,  daß  der 
Prinz  Alexander  von  Battenberg  am  2.  c.  zum  Besuch  in  Charlotten- 
burg erwartet  werde**.   Der  Besuch  ist  auf  meine  Bitte  telegr[aphisch] 


*  Siehe  Nr.  1330. 

**  Daß  der  am  31.  März  an  den  Prinzen  Alexander  von  Battenberg  ergangenen 
telegraphischen  Aufforderung,  sich  am  Ostermontage  bei  Kaiser  Friedrich  III.  zu 
melden,  eine  besondere  Absicht,  etwa  die  einer  Verlobungsproklamation  zugrunde 
gelegen  hätte,  ist  aus  den  Akten  nicht  zu  entnehmen,  wird  allerdings  durch  die  ein- 
gehenden Mitteilungen  bei  E.  C.  Corti,  Alexander  von  Battenberg  S.  325  ff.  außer 
Zweifel  gestellt.  Nach  den  Berichten  des  preußischen  Gesandten  in  Darmstadt  Frei- 
herrn von  Thielmann,  die  sich  auf  Äußerungen  des  Großherzogs  von  Hessen 
stützten,  hätte  es  nicht  in  der  Absicht  des  Prinzen  gelegen,  bei  dem  geplanten  Be- 
such um  die  Hand  der  Prinzessin  Viktoria,  Tochter  Kaiser  Friedrichs,  anzuhalten. 
Vgl.  auch  Nr.  1346,  S.  329  f. 

281 


inhibirt  worden,  ob  definitiv  verhindert,  weiß  ich  nicht.  Ich  habe  für 
den  Fall,  daß  er  erfolgt,  meinen  Abschied  erbeten.  Bitte  um  tel[e- 
graphischen]  Bericht,  ob  Sie  u[nd]  Herr  von  Giers  meine  Ansicht  theilen, 
daß  der  Empfang  dieses,  wie  ich  vermuthe,  von  der  Königin  von  Eng- 
land angeregten  Besuchs  in  Rußland  den  Eindruck  einer  antirussischen 
Demonstration  u[nd]  einer  Aenderung  unsrer  bisherigen  PoUtik  machen 
würde.    Hier  würde  das  auch  in  unsrer  öffentlichen  Meinung  der  Fall 

sein. 

V.  Bismarck 

Nr.  1331 
Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  Kaiser  Friedrich  III. 

Ausfertigung 

Berlin,  den  3.  April  1888 
Nachdem  Euere  Majestät  die  Gnade  gehabt  haben,  mir  bei  dem 
letzten  Immediatvortrag  zu  gestatten,  meine  Bedenken  gegen  eine 
Annäherung  oder  Auszeichnung  des  Prinzen  Alexander  von  Batten- 
berg schriftlich  zu  formulieren,  habe  ich  dieselben  in  einem  Immediat- 
bericht  zusammengestellt,  welchen  ich  mich  beehre  hierneben  aller- 
untertänigst  zu  überreichen*.  Daß  dies  nicht  schon  gestern  geschehen 
ist,  darf  ich  ehrfurchtsvoll  bitten  damit  huldreichst  entschuldigen  zu 
wollen,  daß  ich  gestern  durch  Unwohlsein  am  Arbeiten  verhindert  war. 

V.  Bismarck 

Anlage 

Berlin,  den  3.  April  1888 
Der  Prinz  Alexander  von  Battenberg  hat  durch  seine  Vergangen- 
heit eine  europäische  Stellung  erlangt,  deren  Folge  ist,  daß  man  nicht 
in  politische  Beziehungen  zu  ihm  treten  kann,  ohne  das  Land,  von 
welchem  aus  es  geschieht,  den  politischen  Rückwirkungen  auszusetzen, 
welche  eine  Annäherung  an  den  früheren  Fürsten  von   Bulgarien  zur 


*  Siehe  die  Anlage.  Über  Bismarcks  frühere  Stellungnahme  zu  Prinz  Alexander 
vgl.  Bd.  V,  S.  58,  Fußnote.  In  dieser  ablehnenden  Stellungnahme  ist  seit  1886 
keinerlei  Wechsel  eingetreten.  E.  C.  Cortis  Behauptung  (a.  a.  O.  S.  300),  daß  Bis- 
marck im  Frühjahr  1887  Prinz  Alexander  wieder  nach  Bulgarien  zu  lassen  ge- 
dacht habe,  um  durch  die  daraus  für  Rußland  entstehenden  Schwierigkeiten  dieses 
zu  hindern,  Frankreich  in  einem  deutsch-französischen  Kriege  beizustehen,  ist 
mit  den  Akten  völlig  unvereinbar.  Ein  Gleiches  gilt  von  der  Behauptung  (S.  294), 
daß  Graf  Hatzfeldt  auf  Bismarcks  Betreiben  andauernd  Lord  Salisbury  bestürmt 
habe,  den  Bulgaren  zu  raten,  mit  der  Rückberufung  Alexanders  und  der  Aus- 
rufung Bulgariens  zum  Königreich  eine  abenteuerliche  Politik  zu  treiben.  Nach 
den  Akten  hat  sich  Graf  Hatzfeldt  im  Gegenteil  der  äußersten  Zurückhaltung 
befleißigt,  ganz  im  Sinne  Bismarcks,  der  ihm  dafür  am  IQ.  April  1887  sein  völliges 
Einverständnis  aussprechen  ließ.  „Wir  müssen  es  überhaupt  nach  Möglichkeit 
vermeiden,  uns  über  diese  Frage  —  die  bulgarische  Krise  —  auszusprechen." 
Erlaß   an   Hatzfeldt   Nr.  359. 

282 


Folge  hat.  Das  Gewicht  dieser  Rückwirkungen  wird  gesteigert  durch 
die  Tatsache,  daß  die  poHtische  Rolle  des  Prinzen  Alexander  von  Batten- 
berg unter  gewissen  möglichen  Umständen  keineswegs  schon  zu  Ende 
gespielt  ist.  Sobald  in  Bulgarien  Unruhen  entstehen  von  der  Art, 
daß  die  bulgarische  Frage  durch  die  Waffen  entschieden  werden  soll, 
wird  die  bulgarische  Armee  den  Prinzen  von  Battenberg  voraussicht- 
lich wieder  an  ihre  Spitze  berufen,  und  sobald  der  österreichisch-russi- 
sche Krieg  ausbräche,  würde  er  einer  der  Kandidaten  für  den  neu 
zu  errichtenden  polnischen  Thron  werden.  Die  Lemberger  Ovationen 
und  Reden  zur  Zeit  seiner  Abdikation  lassen  das  voraussehen.  Aus 
diesen  bulgarischen  und  polnischen  Erwägungen  wird  der  Kaiser 
Alexander  aus  jeder  Annäherung  unseres  Königshauses  an  den  früheren 
Fürsten  von  Bulgarien  nach  wie  vor  gegen  die  Aufrichtigkeit  und 
Friedensliebe  der  deutschen  Politik  Rußland  gegenüber  Verdacht 
schöpfen;  es  würde  das  auch  dann  der  Fall  sein,  wenn  dieser  Monarch 
nicht  schon  aus  der  Vergangenheit  her  durch  den  Abfall  seines  Vetters 
von  seinen  russischen  Blutsverwandten  mit  Haß  und  Mißtrauen  gegen 
denselben   erfüllt  wäre. 

Die  auswärtige  Politik  des  Deutschen  Reiches  ist  seit  dem  Frieden 
mit  Frankreich  vorwiegend  auf  die  Erhaltung  des  Friedens  und  auf 
die  Verhütung  antideutscher  Koalitionen  gerichtet  gewesen.  Der  Brenn- 
punkt dieser  Politik  liegt  in  Rußland  und  in  der  Aufgabe,  dem  Kaiser 
Alexander  persönlich  das  Vertrauen  zur  deutschen  Politik  zu  ge- 
währen und  zu  erhalten,  dessen  Seine  Russische  Majestät  bedarf,  um 
den  kriegerischen  Velleitäten  seiner  Untertanen  dauernden  Widerstand 
zu  leisten.  Nachdem  wir  Österreich  und  Frankreich  bekämpft  hatten, 
lag  in  den  Händen  des  Kaisers  von  Rußland,  der  willkürhch  darüber 
bestimmt,  ob  eine  Macht  von  hundert  Millionen  Menschen  Deutsch- 
land Freund  oder  Feind  ist,  die  Möglichkeit,  sich  mit  den  beiden  von 
uns  geschlagenen  Gegnern  zu  verbinden.  Diese  Möglichkeit  ist  durch 
den  Bündnisvertrag  mit  Österreich  eingeschränkt.  Immer  aber  ist  ein 
Krieg,  den  wir  mit  Rußland  und  Frankreich  gleichzeitig  zu  führen 
hätten,  auch  wenn  er  siegreich  bliebe,  eine  der  größten  Kalamitäten, 
welche  über  das  deutsche  Volk  hereinbrechen  können.  Der  Beistand 
Österreichs,  auf  welchen  wir  dabei  rechnen,  ist  nicht  so  stark,  wie  er 
sein  könnte,  und  kann  unter  Umständen,  wenn  in  Italien  Wechsel  der 
Majoritäten  und  Regierungen  stattfinden,  durch  einen  Umschwung 
der  italienischen  Politik  noch  sehr  vermindert  werden,  so  daß  wir 
gegen  einen  Anfall  beider  Nachbarn  in  der  Hauptsache  auf  unsere 
eigenen  Kräfte  angewiesen  sein  würden.  Ob  wir  Gefahr  laufen,  mit 
beiden  gleichzeitig  in  Krieg  zu  geraten,  darüber  liegt  wieder  die  Ent- 
scheidung ausschließlich  beim  Kaiser  Alexander.  Wir  können  mit 
Wahrscheinlichkeit  annehmen,  daß  Frankreich,  solange  ihm  Rußland 
nicht  beisteht,  uns  in  Ruhe  läßt  oder  von  uns  wiederum  geschlagen 
wird.   Kann  aber  Frankreich  auf  russischen  Beistand  rechnen,  so  haben 

283 


wir  den  Krieg  mit  beiden  Mächten  gleichzeitig  in  ganz  sicherer  Aus- 
sicht. Die  Politik  des  hochseligen  Kaisers  Wilhelm  hat  es  daher  als 
ihre  vornehmste  Aufgabe  betrachtet,  den  Frieden  mit  Rußland  zu 
sichern  und  zu  dem  Zwecke  das  Vertrauen  des  Kaisers  Alexander  zu 
unserer  Politik  zu  befestigen  und  ihn  dadurch  widerstandsfähig  gegen 
die  kriegerischen  Velleitäten  seiner  Untertanen  zu  machen.  Noch  vor 
sechs  Monaten  waren  die  Kriegsbefürchtungen  bei  uns  und  überall 
vorherrschend.  Durch  richtiges  Verfahren  auf  diplomatischem  Gebiete 
ist  es  uns  gelungen,  in  den  Beziehungen  zu  Rußland,  worunter  nach  den 
russischen  Verhältnissen  immer  ausschließlich  die  zu  der  Person  des 
regierenden  Kaisers  zu  verstehen  sind,  ein  Maß  von  Vertrauen  wieder- 
herzustellen, welches  gegründete  Aussicht  auf  Fortdauer  des  Friedens 
bietet.  Durch  jeden  Wechsel  in  unserer  Politik  kann  eine  Wendung 
nach  der  Seite  des  Kriegs  hin  in  der  politischen  Lage  herbeigeführt 
werden,  deren  weitere  Entwicklung  durch  diplomatische  Mittel  nicht 
immer  mit  Sicherheit  gehemmt  werden  kann.  Es  wäre  ein  großes 
Unglück  für  Deutschland  nicht  nur,  sondern  für  alle  friedliebenden 
Nationen  in  Europa,  wenn  lediglich  durch  einen  Mißgriff  in  der  diplo- 
matischen Behandlung  unserer  Beziehungen  zum  Kaiser  Alexander  eine 
so  verhängnisvolle  Wendung,  eine  Zerstörung  aller  bisher  erreichten 
diplomatischen  Erfolge  herbeigeführt  werden  sollte.  Unter  den  An- 
lässen der  friedlichen  Entwicklung  unserer  russischen  Beziehungen 
nimmt  das  ablehnende  Verhalten  der  Politik  des  hochseligen  Kaisers 
zu  dem  früheren  Fürsten  von  Bulgarien  eine  hervorragende  Stelle  ein; 
von  jeder  Annäherung  an  den  letzteren  ist  der  Eindruck  auf  den  Zaren 
schwer  zu  berechnen;  ich  wenigstens  möchte  die  Verantwortlichkeit  für 
die  praktischen  Ergebnisse  dem  eigenen  Lande  gegenüber  nicht  über- 
nehmen. Man  könnte  sagen,  daß  Deutschland  stark  und  groß  genug 
ist,  um  das  Wohlwollen,  welches  seine  Dynastie  für  einen  Prinzen 
von  Battenberg  hegen  kann,  nicht  nach  den  Eindrücken  auf  den  Kaiser 
von  Rußland  zu  bemessen.  Eine  derartige  Gleichgiltigkeit  gegen  die 
Rückwirkung,  welche  das  Verhalten  der  Dynastie  auf  den  Frieden  und 
das  Wohl  des  Landes  und  der  Untertanen  haben  kann,  liegt  indessen 
nicht  in  den  Traditionen  der  preußischen  Monarchie.  Das  friedliche 
Beieinanderwohnen  der  großen  europäischen  Mächte  ist  überhaupt  nur 
dadurch  möglich,  daß  ihre  Regierungen  und  ihre  Dynastien  auf  die 
Bedürfnisse  nicht  nur,  sondern  auf  die  Neigungen  und  Wünsche  der 
Nachbarvölker  und  der  Souveräne  derselben  sorgfältig  Rücksicht  nehmen 
und  Motiven  zu  Verstimmungen  rechtzeitig  vorbeugen,  solange  es 
noch  mit  Ehren  möglich  ist.  Das  sehr  starke  Nachbarvolk  der  Russen 
ist  nun  ausschließlich  durch  den  Kaiser  Alexander  repräsentiert,  und 
die  persönlichen  Eindrücke  dieses  Monarchen  werden  sich  sicher  wider- 
spiegeln in  der  auswärtigen  Politik  des  großen  russischen  Reiches. 
Es  wird  also  nach  preußischen  Begriffen  nicht  unter  die  politischen 
Möglichkeiten    gerechnet    werden    können,    daß    persönliche   Wünsche 

284 


und  Neigungen  der  Dynastie  schwerer  ins  Gewicht  fallen  könnten 
als  die  Rücksicht  auf  den  Frieden  und  die  Wohlfahrt  der  Untertanen 
derselben  und  der  gesamten  deutschen  Nation. 

Den  Eindruck,  welchen  es  in  Rußland  und  insbesondere  auf  den 
Kaiser  Alexander  machen  würde,  wenn  von  Euerer  Majestät  Seite 
dem  früheren  Fürsten  von  Bulgarien  eine  Auszeichnung  oder  ein 
Kommando  verliehen  würde,  vergegenwärtigt  man  sich  am  deutlichsten, 
wenn  man  annimmt,  daß  der  Kaiser  Alexander  im  gegenwärtigen  Augen- 
blicke dem  in  Paris  entlassenen  General  Boulanger  einen  hohen  russi- 
schen Militärorden  oder  ein  Kommando  in  der  russischen  Armee,  zum 
Beispiel  in  Warschau,  verleihen  wollte.  Einem  solchen  Gunstbeweise 
von  maßgebender  Stelle  gegenüber  würde  in  ganz  Deutschland  so 
starkes  Mißtrauen  gegen  die  russische  Politik  folgen,  durch  dessen 
weitere  Entwicklung  die  Friedensaussichten  erheblich  vermindert  werden 
könnten.  Daß  eine  von  Euerer  Majestät  jetzt  dem  Prinzen  von  Batten- 
berg verliehene  Auszeichnung  oder  Ernennung  die  gleiche  Wirkung 
in  Rußland  üben  würde,  ist  nicht  zweifelhaft,  und  sie  würde  dort  infolge 
der  daran  geknüpften  Hetzereien  der  deutschfeindlichen,  von  französi- 
schem Gelde  unterstützten  Presse  noch  einschneidender  auf  die  russi- 
sche Politik  zurückwirken,  weil  der  Kaiser  Alexander  in  der  Tat  schon 
ohnehin  eines  erheblichen  Maßes  von  Energie  und  von  Vertrauen 
auf  die  Zuverlässigkeit  der  deutschen  Politik  bedarf,  um  der  starken 
Kriegspression  im  eigenen  Lande  Widerstand  zu  leisten,  einen  Wider- 
stand, welchen  Kaiser  Alexander  II.  bei  aller  Abneigung  gegen  den 
damaligen  türkischen  Krieg  dauernd  nicht  durchführen  konnte.  Dabei 
ist  noch  zu  veranschlagen,  daß  die  Sorge  für  die  persönliche  Sicher- 
heit des  russischen  Monarchen  damals,  1877,  nicht  in  dem  Maße  auf 
die  russische  Politik  einwirkte  wie  jetzt,  nach  den  vielen  verbrecheri- 
schen, seitdem  versuchten  und  leider  zum  Teil  gelungenen  Attentaten. 

Ich  glaube  danach,  Euerer  Majestät  ehrfurchtsvoll  empfehlen  zu 
dürfen,  aus  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeiten,  welche  die  Pflege  des 
Friedens  ohnehin  bietet,  aus  Rücksicht  auf  die  Ausdehnung  des  Krieges, 
im  Falle  die  Erhaltung  des  Friedens  mißlingt,  und  auf  den  gänzlichen 
Mangel  an  politischem  und  nationalem  Interesse  Deutschlands  an  einem 
Kriege  mit  Rußland  und  Frankreich  den  Anstoß,  welchen  jede  irgendwie 
geartete  Annäherung  an  den  früheren  Fürsten  von  Bulgarien  zu  einer 
kriegerischen  Entwicklung  geben  könnte,  mit  landesväterlicher  Sorg- 
samkeit zu  vermeiden.  Wenn  durch  einen  solchen  Anstoß,  wie  ich 
es  nach  meiner  auf  langjährigen  Erfahrungen  begründeten  Überzeugung 
für  möglich  halte,  das  mühsam  hergestellte  Vertrauensverhältnis  zum 
Kaiser  Alexander  gestört,  und  infolge  dieser  Störung  eine  zwar  nicht 
sofort  kriegerische,  aber  doch  unaufhaltsam  feindlicher  werdende  Ent- 
wicklung in  der  Richtung  des  Krieges  stattfände,  so  würde  es  un- 
möglich sein,  vor  der  öffentlichen  Meinung  Deutschlands,  den  Parlamen- 
ten, vor  der  Geschichte  ein  annehmbares  oder  auch  nur  glaubwürdiges 

285 


Motiv  für  eine  solche  scheinbar  willkürliche  Störung  der  Beziehungen 
zu  unserem  autokratischen  Nachbar  aufzustellen.  Die  Mit-  und  Nach- 
welt würde  sich  nicht  erklären  können,  welches  Interesse  die  deutsche 
Politik  bewogen  haben  könnte,  dem  Prinzen  von  Battenberg  Ounst- 
bezeugungen  zu  gewähren,  durch  welche  das  bis  dahin  mühsam  ge- 
pflegte Verhältnis  zum  Kaiser  von  Rußland  getrübt,  und  der  Frieden 
der  Nation   dynastischen    Konvenienzen   geopfert   werden   konnte. 

Ich  habe  keinen  Anspruch  darauf,  daß  Euere  Majestät  bei  Aus- 
zeichnungen auf  militärischem  Gebiete  oder  bei  Allerhöchsten  Ent- 
schließungen über  persönliche  Beziehungen  des  Königlichen  Hauses 
mir  als  politischem  Minister  eine  geschäftliche  Einwirkung  gestatten. 

Aber  es  ist  an  sich  schwer,  Akte  des  Deutschen  Kaisers  und 
Königs  von  Preußen  von  politischer  Rückwirkung  frei  zu  halten; 
sicher  unmöglich  ist  dies  aber  in  dem  vorliegenden  Falle  wegen  der 
vergangenen  und  möglicherweise  der  zukünftigen  Beziehungen  des 
ehemaligen  Fürsten  von  Bulgarien  zur  europäischen,  insbesondere  zur 
deutsch-russischen  Politik.  Euerer  Majestät  ist  bekannt,  wie  entschieden 
bis  zum  Hintritt  des  hochseligen  Kaisers  die  Haltung  unserer  Politik 
in  dieser  Frage  gewesen  ist,  und  wie  ich  mich  im  Sinne  derselben 
im  Parlament,  in  öffentlichen  Aktenstücken  und  namentlich  in  Ver- 
handlungen mit  dem  russischen  Hofe  amtlich  auszusprechen  gehabt 
habe.  Wenn  nun  wenige  Wochen  nach  dem  Regierungswechsel  aller- 
höchste Kundgebungen  stattfänden,  welche  das  Ausland  zu  der  Vor- 
aussetzung berechtigen,  daß  eine  völlige  Umwandlung  der  bisherigen 
Haltung  der  deutschen  Politik  in  dieser  schwerwiegenden  Frage  statt- 
gefunden hat,  und  wenn  dann  meine  Stellung  im  Deutschen  Reiche 
unverändert  dieselbe  bliebe,  so  würden  daraus  Schlüsse  gezogen  werden, 
die,  ganz  abgesehen  von  ihrer  Rückwirkung  auf  mein  eigenes  Ehr- 
gefühl, das  Vertrauen  entkräften  müßten,  welches  mir  die  Stetigkeit 
meiner  langjährigen  Amtsführung  bei  den  europäischen  Kabinetten 
und  in  der  öffentlichen  Meinung  des  eigenen  Landes  erworben  hat. 
Man  würde  annehmen,  daß  entweder  meine  politische  Haltung  über- 
haupt schroffem  Wechsel  unterworfen  und  also  unzuverlässig  sei,  oder 
daß  ich  meine  Überzeugungen  nach  Bedürfnis  wechsele,  um  mich 
in  meiner  amtlichen  Stellung  zu  erhalten.  In  beiden  Fällen  würde 
meine  Brauchbarkeit  für  den  allerhöchsten  Dienst  wesentlich  vermindert 
und  auf  ein  Maß  zurückgeführt  werden,  welches  andere  in  meiner 
Stelle  auch  würden  erfüllen  können,  ohne  durch  Alter  und  Krankheit 
in  dem  Maße  gehemmt  zu  sein,  wie  ich  es  bin.  Denn  wenn  irgend- 
etwas meinen  Diensten,  die  ich  Euerer  Majestät,  soweit  meine  Kräfte 
reichen,  mit  Freuden  leiste,  einen  ausnahmsweisen  Wert  verleihen 
kann,  so  ist  es  gerade  das  Vertrauen  auf  mein  Wort  und  auf  meine 
Zuverlässigkeit  in  der  Politik,  welches  ich  mir  in  einem  25jährigen 
Zeitraum  habe  erwerben  können.  Dieser  Vorzug  wird  hinfällig,  so- 
bald  der   Glaube   an   meine   Zuverlässigkeit  oder  an   meinen    Einfluß 

286 


auf  die  deutsche  Politik  schwindet.  Wenn  ein  so  wichtiger  politischer 
Akt  wie  das  Heranziehn  einer  bisher  mit  Rücksicht  auf  Rußland  und 
nach  dessen  Wünschen  ferngehaltenen  hochpolitischen  Persönlich- 
keit gegen  mein  Votum  stattgefunden  hätte,  und  ich  dennoch  im 
Dienst  bliebe,  so  würden  meine  Auslassungen  dem  Auslande  gegen- 
über auch  in  andern  Fragen  das  bisherige  Gewicht  nicht  mehr  haben, 
und  der  in  letzterem  liegende  Vorteil  für  den  Dienst  Euerer  Majestät 
verlorengehen. 

Ich  kann  aus  diesen  Gründen  Euerer  Majestät  meine  Überzeugung 
nicht  verhehlen,  daß  ein  politischer  Akt,  welcher  eine  Änderung  der 
bisherigen  bulgarischen  Politik  des  Deutschen  Reichs,  einschließlich 
unserer  Beziehungen  zu  der  Person  des  früheren  Fürsten  von  Bul- 
garien, involvierte,  mich  zu  meinem  tiefsten  Schmerze  in  die  Not- 
wendigkeit versetzen  würde,  Euere  Majestät  um  huldreiche  Enthebung 
von  der  Leitung  der  auswärtigen  Politik  des  Deutschen  Reiches  in 
Ehrfurcht   zu   bitten. 

V.  Bismarck 

Nr.  1332 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  Kaiser  Friedrich  III. 

Ausfertigung 

Berlin,  den  4.  April  1888 

Wenn  ich  meinem  alleruntertänigsten  Immediatberichte  vom 
gestrigen  Tage  schon  heute  einen  Nachtrag  folgen  lasse,  so  wollen 
Euere  Majestät  daraus  huldreichst  entnehmen,  wie  lebhaft  die  Besorg- 
nisse sind,  welche  mich  bezüglich  der  Rückwirkungen  der  betreffen- 
den Frage  auf  die  Politik  beschäftigen.  Ich  habe  in  meinem  gestrigen 
ehrfurchtsvollen  Bericht  grade  den  nächstliegenden  Punkt  dieser  Rück- 
wirkungen, wie  ich  glaube,  nicht  hervorgehoben.  Wenn  Euere  Majestät 
den  Besuch  nicht  gehindert  hätten,  so  würde  der  Prinz  vorgestern  hier 
schon  eingetroffen  sein.  Die  erste  Rückwirkung  dieses  Ereignisses 
würde,  wie  ich  glaube,  sich  an  der  Börse  durch  Rückgang  unserer 
und  der  russischen  Effekten  fühlbar  gemacht  haben.  In  der  öffent- 
lichen Meinung  aber  bei  uns  und  in  anderen  Ländern  würde  der  all- 
gemeine Eindruck  der  gewesen  sein,  daß  mit  dem  Empfang  dieses 
Besuches,  resp.  mit  der  Einladung  dazu  eine  antirussische  Demonstra- 
tion beabsichtigt  sei,  also  eine  Änderung  in  der  bisherigen  friedlichen 
Politik.  Der  Prinz  von  Battenberg  ist  nach  seiner  ganzen  Stellung 
nicht  in  der  Lage,  an  Euerer  Majestät  Hoflager  uneingeladen  zu  er- 
scheinen. Zu  einer  ausdrücklichen  Einladung  desselben  würde  für 
die  öffentliche  Meinung  ein  anderer  als  ein  politischer  Grund  nicht 
erfindlich  sein.  Vor  der  Öffentlichkeit  würde  damit  Rußland  gegen- 
über ein  neuer  Weg  eingeschlagen  sein,  auf  welchem,  wenn  er  einmal 
betreten    ist,    mit    Ehren    umzukehren,    seine   Schwierigkeiten    haben 

287 


wird.  Fände  aber  keine  Art  von  Umkehr  statt,  so  würde  die  Presse 
der  beiden  beteiligten  Länder  und  die  Frankreiclis  einen  neuen  Anlaß 
haben,  die  durch  die  Battenbergsche  Einladung  hervorgerufene  russi- 
sche Verstimmung  zu  schüren  und  weiterzuentwickeln.  In  Deutsch- 
land, wo  die  öffentliche  Meinung  in  diesem  Augenblick  noch  mehr 
wie  gewöhnlich  Wert  auf  den  Frieden  legt,  würde  man  gar  kein  Ver- 
ständnis dafür  haben,  wie  lediglich  aus  Rücksicht  auf  einen  Battenberg- 
schen  Prinzen,  und  um  diesem  eine  Ehre  zu  erzeigen,  unsere  Be- 
ziehungen zu  Rußland  freiwillig  geschädigt  werden  können,  da  Deutsch- 
land von  dem  Wohlwollen  des  Prinzen  Alexander  nichts  zu  erwarten, 
von  der  Verstimmung  des  Kaisers  Alexander  aber  verstärkte  Kriegs- 
gefahr zu  besorgen  hat.  Man  würde,  um  eine  sonst  nicht  erkläriiche 
und  den  Traditionen  des  Königshauses  widersprechende  Hintansetzung 
der  Landesinteressen  gegenüber  persönlichen  Wünschen  sich  zu  er- 
klären, auf  die  Vermutung  kommen,  daß  hier  nicht  ausschließlich 
deutsche  Erwägungen,  sondern  englische  Einflüsse  diese  unerwartete 
Wendung  unserer  Politik  herbeigeführt  hätten.  Man  würde  annehmen, 
daß  der  Anlaß  und  die  Ermutigung  des  Prinzen  von  Battenberg  von 
Ihrer  Majestät  der  Königin  Viktoria  ausgegangen  sei.  Diese  Ver- 
mutungen liegen,  abgesehn  von  den  dafür  sprechenden  persönlichen 
Beziehungen  Ihrer  Majestät  der  Königin  von  England  zu  der  Familie 
Battenberg,  poHtisch  nahe;  denn  für  die  englische  Politik  ist  es 
von  wesentlichem  Nutzen,  Verstimmungen  zwischen  Deutschland  und 
Rußland  zu  schaffen.  Ein  russisch-deutscher  Krieg  würde  England  die 
Aufgabe,  seine  Interessen  Rußland  gegenüber  wahrzunehmen,  wesent- 
Hch  erleichtern;  für  Deutschland  aber  ist  und  bleibt  ein  russischer 
Krieg  —  siegreich  oder  nicht  —  immer  eine  große  Kalamität,  deren 
Verhütung  die  Nation  von  der  Politik  Euerer  Majestät  vertrauensvoll 
erwartet.  Wenn  die  öffentliche  Meinung  annehmen  könnte,  daß  diese 
Erwartung  aus  Gefälligkeit  für  England  und  aus  persönlichen  und 
dynastischen  Motiven  getäuscht  worden  wäre,  so  würde  die  daraus 
hervorgerufene  Verstimmung  eine  nicht  unberechtigte  und  schwer  zu 
beruhigende  sein.  Wie  empfindlich  der  Kaiser  Alexander  noch  immer 
in  der  Battenbergischen  Richtung  ist,  geht  unter  andern  aus  der  Tat- 
sache hervor,  daß  die  Sendung  des  Thronfolgers  zur  Beisetzung  des 
hochseligen  Kaisers  eine  kurze  Zeit  hindurch  aufgegeben  werden  sollte, 
weil  das  Gerücht  nach  Petersburg  gelangt  war,  der  frühere  Fürst  von 
Bulgarien  werde  der  Feier  beiwohnen.  Graf  Schuwalow  war  damals 
der  Meinung,  daß  dieses  Gerücht  von  der  antideutschen  Partei  in  Ruß- 
land erfunden  sei,  um  die  Sendung  des  Thronfolgers  und  den  deutsch- 
freundlichen und  friedüchen  Eindruck  derselben  zu  hindern.  Daß  die- 
selbe unterblieben  wäre,  wenn  der  russische  Thronerbe  hier  mit  dem 
Prinzen  von  Battenberg  hätte  zusammentreffen  müssen,  bezweifelte 
auch  Graf  Schuwalow  nicht. 

v.  Bismarck 

288 


Nr.  1333 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in  London 

Grafen  von  Hatzfeldt 

Telegramm.  Eigenhändiges  Konzept 

Nr.  49  Berlin,  den  5.  April  1888 

Ich  fürchte,  daß  das  Battenbergische  Heirathsproject  mit  unsrer 
Prinzeß  von  englischer  Seite  u[nd]  persönlich  durch  I[hre]  M[ajestät] 
die  Königin  Victoria  wieder  lebhafter  betrieben  wird.  Machen  Sie  Lord 
Salisbury  vertraulich  darauf  aufmerksam,  daß  das  Gelingen  dieses 
Projectes  der  deutschen  Politik  nothwendig  und  auf  die  Dauer  eine 
russenfreundlichere  Richtung  aufnöthigen  würde,  als  ihr  ohne  solche 
Familienbeziehung  zu  Battenberg  u[nd]  Bulgarien  angezeigt  erscheinen 
könnte;  namentlich  wenn  eine  kriegerische  Entwicklung  der  Situation 
den  Prinzen  von  Battenberg  wieder  nach  Bulgarien  führen  sollte*. 

V,  Bismarck 
Nr.  1334 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  das  Auswärtige  Amt 

Telegramm.  Entzifferung 

Nr.  59  St.  Petersburg,  den  5.  April  1888 

Als  ich  mit  Herrn  von  Giers  über  die  Eventualität  eines  Besuchs 
des  Prinzen  Alexander  von  Battenberg  in  Charlottenburg  sprach,  er- 
widerte derselbe  wörtlich: 

„Dans  l'opinion  publique  cette  visite  rencontrerait  une  interpreta- 
tion  fausse  et  defavorable.  Toutefois,  si  eile  avait  lieu,  bien  que  nous 
la  regretterions,  nous  garderions  notre  conviction  que  tant  l'Empereur 
Frederic  que  le  Prince  Chancelier  ne  changeront  pas  leur  politique 
amicale  pour  la  Russie  et  qu'ils  resteront  fideles  ä  notre  arrangement 
concernant  la  non-admission  du  Prince  Alexandre  au  pouvoir  en  Bul- 
garie."  Herr  von  Giers  fügte  hinzu,  er  werde  meine  Mitteilung  Seiner 
Majestät  unterbreiten  und  mich  unterrichten,  ob  seine  rein  persönliche 
Meinung  vom  Kaiser  geteilt  werde. 

Meines  ehrerbietigen  Erachtens  überwiegt  gegenwärtig  beim 
Petersburger  Kabinett  der  Wunsch,  die  Feindschaft  und  Kontinuität 
unserer  Politik  durchbrochen   zu  sehen,   selbst  die  Abneigung  gegen 


*  Auf  die  Demarche  Graf  Hatzfeldts  bei  Lord  Salisbury  wies  dieser  den  eng- 
lischen Botschafter  in  Berlin  an,  die  Bismarckschen  Bedenken  gegen  das  Heirats- 
projekt direkt  der  Königin  Viktoria  zu  unterbreiten;  gegebenenfalls  wollte  Lord 
Salisbur}-  selbst  der  Königin  die  größte  Reserve  anempfehlen.  Telegramm  Graf 
Hatzfeldts  vom  6.  April. 

19    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  289 


den  Prinzen  von  Battenberg  und  die  Besorgnis  vor  den  Folgen  seines 
Wiederliervortretens.  Die  russische  Presse  würde  meines  Erachtens 
den  Besuch  des  Prinzen  Alexander  als  eine  russenfeindliche  Demonstra- 
tion und  als  eine  Ermutigung  für  alle  Gegner  Rußlands  darstellen, 
die  kaum  verstummten  Verdächtigungen  gegen  uns  würden  wieder 
beginnen,  und  die  in  letzter  Zeit  abgeschwächte  Hinneigung  zu  Frank- 
reich würde  in  einer  den  Frieden  gefährdenden  Weise  wieder  hervor- 
treten. 

Schweinitz 


Nr.  1335 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in 
Petersburg  von  Schweinitz 

Telegramm.  Konzept  von  der  Hand  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Nr.  46  Berlin,  den  7.  April  1888 

Die  in  Ew.  Telegramm  Nr.  59*  „wörtlich"  wiedergegebene  Äuße- 
rung des  Herrn  von  Giers  steht  nicht  im  Einklang  mit  einer  heute  dem 
Grafen  Schuwalow  telegraphisch  zugegangenen  Instruktion,  welche 
lautet:  „Sa  Majeste  l'Empereur  trouve  naturellem  ent  quant  au 
mariage  qu'il  serait  tres  peu  desirable  et  meme  prejudiciable  pour 
nos  bons  rapports  avec  l'Allemagne."  Die  Tonart  dieser  kurzen  und 
klaren  Enunziation  des  Zaren  entspricht  seiner  bisher  bekannten  Auf- 
fassung mehr  als  die  von  Ew.  übermittelte  evasive  und  gleichgültig 
klingende  Version  des  Herrn  von  Giers. 

Die  letztere  entspricht  auch  nicht  Ihrer  im  Schlußsatz  Ihres  Tele- 
gramms formulierten  persönlichen  Auffassung  über  die  Folgen,  welche 
Besuch,  Auszeichnung  und  Heirat  des  Prinzen  von  Battenberg  für 
unsere  Beziehungen  zu  Rußland  haben  würden,  dagegen  stimmt 
wiederum  zu  den  Worten  von  Giers  das,  was  Ew.  kurz  vorher  über 
den  russischen  Wunsch  sagen,  die  „Feindschaft  und  Kontinuität** 
unserer  Politik  durch  Tolerierung  des  Prinzen  von  Battenberg  durch- 
brochen zu  sehen.  Wenn  dies  heißen  soll,  daß  das  Petersburger 
Kabinett  für  jetzt  nicht  den  Mut  seiner  Meinung  hat,  und  daß  Herr 
von  Giers,  wie  es  nach  seinem  Telegramm  an  Graf  Schuwalow  den 
Anschein  hat,  Ihnen  seine  wahre  Ansicht  verbirgt,  so  bitte  ich  um 
eine  erklärende  Äußerung  Ihrerseits**. 

v.  Bismarck 


*  Siehe  Nr.  1334. 

**  Nach  einem  Telegramm  Schweinitz'  vom  8.  April  wäre  die  schwankende  russi- 
sche Haltung  daraus  zu  erklären,  daß  zunächst  nur  von  einem  Besuch  und  einer 
Anstellung  des  Prinzen  von  Battenberg  die  Rede  gewesen  war,  der  man  russischer- 
seits  keine  Bedeutung  beilegte,  dann  aber  von  der  eventuellen  Vermählung  des 
Prinzen  mit  der  Tochter  Friedrichs  III. 

290 


Nr.  1336 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  ßismarck  an  den  Botschafter  in 

Petersburg  von  Schweinitz 

Konzept 
Nr.  208  Berlin,  den  8.  April  1888 

Geiieim  [abgegangen  am  9.  April] 

Ew.  an  den  Staatssekretär  gerichteten  Privatbrief  vom  5.  d.  Mts.* 
habe  ich  mit  Interesse  gelesen  und  bemerke  bezüglich  des  Schluß- 
satzes desselben,  welcher  die  Stellungnahme  des  Petersburger  Kabinetts 
zu  der  Battenbergischen  Angelegenheit  berührt,  daß  die  Behandlung 
derselben  durch  die  Unklarheit  und  Zurückhaltung  des  Herrn  von  Qiers 
wesentlich  erschwert  wird.  Bei  der  unberechenbaren  Rückwirkung, 
welche  die  Einnistung  des  Prinzen  an  unserem  Hofe  auf  unsere  Be- 
ziehungen zu  Rußland  haben  kann,  hatte  ich  erwartet,  daß  Herr  von  Giers 
in  Übereinstimmung  mit  seiner  früheren  Haltung  und  mit  der  des 
Grafen  Schuwalow  mich  in  den  Stand  setzen  würde,  die  Gefahren 
englisch-battenbergischer  Zettelungen  nachdrücklich  zur  Geltung  zu 
bringen.  Nach  den  in  Ihren  amtlichen  telegraphischen  Meldungen 
gebotenen  Unterlagen  habe  ich  hierzu  aber  keine  Handhabe  und  be- 
schränke mich  also  darauf,  mein  Bedauern  darüber  auszudrücken,  daß 
die  mise  en  scene  von  russischer  Seite  ohne  guten  Willen  oder  ohne 
taktisches  Geschick  erfolgt  ist.  Die  Folge  wird  sein,  daß  ich,  ob- 
schon  ich  im  Sinne  Seiner  Majestät  des  Kaisers  zu  handeln  und  dessen 
innre  Wünsche  zu  vertreten  glaube,  doch  die  Ew.  bekannten  Pläne 
Ihrer  Majestät  der  Kaiserin  nicht  mit  Erfolg  werde  bekämpfen  können, 
weil  ich  nicht  russischer  sein  kann  als  die  russische  Regierung.  Ich 
hatte  angenommen,  daß  ich  gegen  die  Verwirklichung  dieser  unter 
englischem  Einfluß  geplanten  antirussischen  und  friedensfeindlichen 
Schwenkung  in  unserer  Politik  bei  Herrn  von  Giers  denselben  Bei- 
stand finden  würde,  den  Graf  Schuwalows  Tonart  hier  in  Aussicht 
stellte:  derselbe  erfaßte  bei  unserer  ersten  Unterredung  sofort  die 
Wichtigkeit,  welche  dieser  Angelegenheit  beizulegen  ist,  mit  großer 
Lebhaftigkeit,  und  ich  kann  nicht  daran  zweifeln,  daß  er  die  schwer- 
wiegenden Folgen,  welche  die  Erhebung  des  Prinzen  von  Battenberg 
für  die  gesamte  europäische  Gruppierung  haben  muß,  in  seiner  Bericht- 
erstattung zur  vollen  Geltung  gebracht  hat;  um  so  mehr  war  ich  in 
dem  Glauben,  daß  Herr  von  Giers  sich  der  Auffassung  des  nissischen 
Botschafters  anschließen  und  darnach  handeln  würde.  Wenn  ich  mich 
darin  geirrt  habe,  so  verliere  ich  hier  die  Unterlage  meines  Stand- 
punktes, welche  eben  die  Voraussetzung  der  Verstimmung  des  Kaisers 
Alexander  ist,  nicht  bloß  gegen  den  Prinzen  von  Battenberg,  sondern 
überhaupt  gegen  die  Leitung  der  deutschen  Politik  im  Sinne  der  Königin 
von  England.    Wenn  der  russische  Beistand  ausfällt,  weil  das  Peters- 

*  Siehe  Nr.  1329. 

,9.  291 


burger  Kabinett  nicht  den  Mut  seiner  Meinung  hat  oder  Finesserien 
gegen  mich  persönlich  betreibt,  so  wird  der  Sieg  der  englischen  Politik 
an  unserem  Hofe  sich  einfach  vollziehen  und  infolgedessen  notwendig 
auch  mein  Rücktritt.  Ich  würde  das  um  so  mehr  bedauern,  als  ich 
die  Überzeugung  habe,  daß  Seine  Majestät  der  Kaiser,  dem  allein  ich 
zu  dienen  beabsichtige,  innerlich  meiner  Meinung  ist  und  selbst  in 
meinem  Abschiedsgesuch  eine  Stütze  seiner  eigenen  Ansicht  der  Kaiserin 
gegenüber  findet.  Wenn  aber  das  russische  Kabinett  mir  in  dieser 
Frage  nur  lau  oder  hinterhaltig  beisteht,  so  werden  eben  die  Damen 
und  England  siegreich  aus  dem  Kampfe  hervorgehen,  und  zunächst 
mutmaßlich  die  Folgen  in  der  russischen  und  französischen  Presse  ein- 
treten, welche  Ew.  am  Schluß  Ihres  Telegramms  Nr.  59  vom  5.  d.  Mts.* 
voraussehen.  Ob  und  wie  lange  dann  der  Kaiser  Alexander  diesem  seit 
sechs  Monaten  durch  geschickte  diplomatische  Behandlung  mühsam 
neutralisierten  Ansturm  widersteht,  muß  der  Erfolg  lehren.  Ich  will 
mich  wenigstens  von  Mitschuld  an  dergleichen  diplomatischen  Gewissen- 
losigkeiten freihalten. 

Inzwischen  ist  Ew.  Telegramm  Nr.  62  hier  eingegangen.  Ich  be- 
merke dazu,  daß  eine  eheliche  Verbindung  zwischen  der  Prinzeß  Viktoria 
und  dem  Prinzen  Alexander  von  Battenberg  allerdings  gefährlich  sein 
würde,  weil  letzterer  dadurch  Einfluß  auf  die  kaiserliche  Familie  ge- 
winnen und  diesen  politisch  ausnutzen  würde,  ein  Besuch,  eine  Aus- 
zeichnung oder  Anstellung  des  früheren  Fürsten  von  Bulgarien  würden 
aber  theoretisch  noch  bedenklicher  sein  und  nebenher  unzweifelhaft 
zu  derselben  führen.  Denn  ein  so  dreister  Streber,  wie  der  Prinz  ist, 
würde  sicherlich  jedes  Entgegenkommen  ausnutzen,  um  ein  fait  accompli 
zu  schaffen.  Jede  Anerkennung,  welche  der  Person  des  Prinzen  von 
Battenberg  an  sich  zuteil  wird,  trägt  den  Charakter  einer  Unfreundlich- 
keit für  den  Kaiser  von  Rußland  und  ist  der  politischen  Bedeutung 
niemals  zu  entkleiden,  während  eine  bloße  Vermählung  ohne  jede 
Berücksichtigung  der  Stellung  des  Prinzen  allenfalls  auf  das  private 
Moment   persönlicher   Neigung    zurückgeführt    werden    könnte. 

V.  Bismarck 

Nr.  1337 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in 

Petersburg  von  Schweinitz** 

Konzept 
Nr.  215  '  Beriin,  den  12.  April  1888 

[abgegangen  am  14.  April] 
Zur  Richtigstellung  von  Nachrichten,  welche  über  mein  Abschieds- 
gesuch in  die  Presse  gedrungen  sind,  bemerke  ich  nachstehendes  ver- 
traulich  zu   Ew.  pp.   Information. 

*  Siehe  Nr.  1334. 

**  Ein  im  wesentlichen  gleichlautender  Erlaß  ging  an  die  Botschafter  in  Wien  und  Rom. 

292 


Als  ich  mich  entschloß,  nach  dem  Tode  des  hochseligen  Kaisers 
weiter  zu  dienen  und  auf  die  meinem  Alter  und  meiner  Gesundheit 
entsprechende  Ruhe  zu  verzichten,  konnte  ich  das  mit  Rücksicht  auf 
meine  durch  Erschöpfung  verminderte  Leistungsfähigkeit  nur  unter 
der  Voraussetzung  tun,  daß  ich  die  Leitung  der  auswärtigen  Politik 
in  derselben  Richtung  wie  unter  der  vorigen  Regierung  so  zu  führen 
haben  würde,  wie  ich  sie  nach  meiner  seit  Jahren  betätigten  Über- 
zeugung unter  dem  hochseligen  Herrn  hatte  verantworten  können. 
Schon  aus  Gesundheitsrücksichten  fühle  ich  mich  aber  außerstande, 
an  der  Spitze  der  Geschäfte  zu  bleiben,  wenn  sich  die  Annahme  als 
irrig  erweist,  daß  dieselben  sich  auf  erprobten  festen  Bahnen  ohne 
innere   Kämpfe   über  ihre   Richtung  weiter  bewegen  würden. 

Wenn  Seine  Majestät  der  Kaiser  Ratschläge  befolgen  wollte,  die  ich 
seit  Jahren  auf  Befehl  des  Kaisers  Wilhelm  bekämpft  habe  und  mir  auch 
heut  nicht  anzueignen  vermag,  so  wäre  ich  in  den  Geschäften  entbehr- 
lich und  hätte  keine  Veranlassung,  meine  letzten  Kräfte  in  denselben 
aufzureiben. 

Das  Hauptziel  meiner  Politik  ist  seit  1871  die  Erhaltung  des 
Friedens  gewesen;  um  dasselbe  erreichen  zu  können,  bedarf  ich  eines 
gewissen  Spielraums  in  der  Behandlung  unserer  Beziehungen  zu  Ruß- 
land. Wenn  es  jetzt  zu  der  bei  Hofe  geplanten  Auszeichnung  des 
Prinzen  Alexander  von  Battenberg  kommt,  so  wird  unserer  Politik 
dadurch  ein  fremder  Stempel  aufgedrückt,  dessen  Bedeutung  ich  nicht 
vertreten  kann.  Die  Pflege  des  europäischen  Friedens  ist  eine  Aufgabe 
von  der  Schwierigkeit,  daß  nicht  nur  poHtische  Sachkunde,  sondern  für 
den  Sachkundigen  auch  ein  gewisses  Maß  freier  Bewegung  nötig  ist, 
um  den  Gefahren,  die  dem  Frieden  erwachsen  können,  rechtzeitig  vor- 
zubeugen. Wenn  auf  Grund  von  persönlichen  und  Familienintefessen 
politische  Schritte  geschehen,  welche  den  Zwang  zu  einer  Änderung 
der  bisherigen  Politik  mit  sich  bringen,  von  der  ich  eine  Gefährdung 
des  Friedens  und  der  Landesinteressen  voraussehe,  so  ist  es  für  mich 
nicht  tunlich,  durch  mein  Verbleiben  im  Dienst  den  Schein  der  Zu- 
stimmung  zu   dem    Geschehenen   auf   mich   zu   nehmen. 

Ich  glaube  nicht,  daß  mein  Ausscheiden  wegen  eventueller  Er- 
hebung des  Prinzen  von  Battenberg  eine  Änderung  in  unserer  Politik 
zur  uumiltelbaren  Folge  haben  würde.  Immerhin  aber  würden  sicli 
unsere  Beziehungen  zu  Rußland  dadurch  schwieriger  gestalten.  Die 
Ernennung  des  früheren  Fürsten  von  Bulgarien  zu  einem  Kommando 
im  deutschen  Heere  würde,  auch  abgesehen  von  der  Streichung  dieses 
Prinzen  aus  den  russischen  Armeelisten,  den  Eindruck  einer  anti- 
russischen Demonstration  in  Voraussicht  eines  russischen  Krieges 
machen.  Die  in  Rußland  weitverbreiteten  Lügen  von  der  Absicht 
Deutschlands,  Rußland  anzugreifen,  würden  durch  solche  Demonstra- 
tion neue  Nahrung  erhalten,  und  das  Vertrauen  des  Kaisers  Alexander 
auf  unsere  Friedensliebe  in  Mißtrauen  verwandelt  werden.   Käme  dazu 

293 


die  Vermählung  mit  einer  preußischen  Prinzeß  und  damit  die  Fest- 
setzung des  enghsch-battenbergischen  Einflusses  im  Königlichen  Hause, 
so  ist  nicht  anzunehmen,  daß  der  Kaiser  von  Rußland  noch  fernerhin 
seine  Person  und  seine  Popularität  vertrauensvoll  einsetzen  werde,  um 
sich  der  Kriegslust  seiner  Untertanen  entgegenzustellen.  Der  Kaiser 
Alexander  steht  aber  dem  russischen  Chauvinismus  mit  seiner  Friedens- 
liebe ziemlich  allein  gegenüber,  und  ich  habe  meine  Politik  auf  diese 
Erkenntnis  gegründet. 

Da  ich  vor  meinem  Lande  und  vor  der  Geschichte  die  Verant- 
wortung nicht  übernehmen  kann,  bei  einer  Situation  in  den  Geschäften 
geblieben  zu  sein,  welche  eine  nähere  Kriegsgefahr  in  sich  birgt  als 
die  von  mir  erstrebte,  und  da  ich  voraussehe,  daß  mir  die  Befähigung  zur 
Umgestaltung  derselben  verloren  gegangen  sein  würde,  nachdem  eine  so 
schwerwiegende  Entscheidung  wie  die  schwebende  gegen  meinen  Rat 
getroffen  worden  wäre,  so  ist  die  notwendige  Konsequenz  meiner 
Vergangenheit  mein  konditionelles  Abschiedsgesuch  gewesen.  Der 
Kaiser  selbst  hat  bisher  keine  Neigung,  den  in  der  Presse  besprochenen 
Heiratsplänen  näherzutreten. 

Seine  Majestät  haben  bei  meinem  gestrigen  Vortrage  die  aller- 
höchste Auffassung  dahin  auszusprechen  geruht,  daß  der  eventuelle 
Anlaß  zu  meinem  Abschiedsgesuche  nicht  vorliege,  und  die  Sache  damit 
erledigt  sei.  Ich  darf  danach  hoffen,  daß  mit  Bezug  auf  den  Prinzen 
Battenberg  zunächst  nichts  geschehen  werde*. 

v.  Bismarck 


Nr.  1338 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 

Herbert  von  Bismarck 

Reinschrift.  Teilweise  eigenhändig 

Berlin,  den  27.  April  1888 
Bei  dem  Souper,  welches  gestern  bei  dem  Großfürsten  Wladimir 
auf  der  russischen   Botschaft  stattfand,   sprach  mich  Graf  Schuwalow 
unmittelbar  beim  Eintritt  auf  den  Besuch  der  Königin  von  England** 


*  Diese  Erwartung  des  Fürsten  Bismarck  hat  sich  erfüllt:  das  Heiratsprojekt  ist 
nicht  wieder  ernstlich  zur  Sprache  gekommen.  Nach  der  Thronbesteigung  Wil- 
helms II.  erklärte  dieser  sofort  dem  Prinzen  von  Battenberg,  daß  er  ein  für 
allemal  seine  Einwilligung  zu  einem  solchen  Projekt  versage.  Näheres  darüber 
bei  E.  C.  Corti,  a.  a.  O.,  S.  329  ff. 

**  Königin  Viktoria  von  England  weilte  zum  Besuche  des  deutschen  Kaiserpaars 
vom  24. — 26.  April  in  Berlin.  Über  ihre  Unterredung  mit  Fürst  Bismarck,  bei 
der  die  Battenberg-Frage  keine  Rolle  mehr  gespielt  zu  haben  scheint,  siehe  Bd.  IV, 
Kap.  XXIII,  Nr.  819.  Vgl.  auch  Denkwürdigkeiten  des  Fürsten  Chlodwig  zu 
Hohenlohe-Schillingsfürst  Bd.  II  (1907),  S.  435. 

294 


an  und  sagte:  „Ich  hoffe,  Sie  werden  doch  nicht  auch  noch  mit  Eng- 
land einen  Vertrag  abschUeßen;  die  Anwesenheit  der  englischen  Königin 
ist  mir  in  dieser  Beziehung  besorgHch,  und  ich  bin  seit  den  letzten 
Tagen  mit  der  steten  Sorge  umhergegangen,  Sie  könnten  sich  irgendwie 
mit  England  binden.  Das  dürfen  Sie  mir  nicht  antun,  denn  sonst 
würde  meine  hiesige  Position  vollständig  zusammenbrechen.  Seit  ich 
in  Berlin  beglaubigt  bin,  habe  ich  mich  in  meiner  Berichterstattung 
stets  dahin  erklärt,  daß  Sie  uns  England  gegenüber  freie  Hand  lassen 
würden:  das  ist  ja  auch  das  einzige,  was  uns  noch  bleibt;  wenn  Sie 
uns  in  dieser  Hinsicht  im  Stich  lassen,  so  bin  ich  nicht  nur  desavouiert, 
sondern  für  alle  Zukunft  unmöglich  und  muß  mich  sofort  in  meine 
Wälder  zurückziehen/* 

Ich  nahm  diese  in  ziemlicher  Hast  getanen  Äußerungen  leichthin 
auf  und  bemerkte  nur,  der  Botschafter  wisse  ja,  daß  die  englische 
Regierung  bindende  politische  Verträge  überhaupt  nicht  abschlösse, 
noch  weniger  könnte  dies  die  enghsche  Königin,  wenn  sie  ohne  ihren 
auswärtigen  Minister  auftrete.  In  verbindlichem  Tone  fügte  ich  dann 
fiinzu,  ich  hoffte  sehr,  daß  Graf  Schuwalow  uns  bis  an  sein  Lebensende 
als  Botschafter  erhalten  bleiben  würde,  es  sei  denn,  daß  er  an  die 
leitende  Stelle  in  Petersburg  berufen  werden  sollte.  Die  letzte 
Redewendung  berührte  den  Grafen  augenscheinhch  sehr  angenehm; 
er  bemerkte  dazu  „es  ist  allerdings  davon  die  Rede  gewesen,  daß  ich 
die  Nachfolge  von  Giers  übernehmen  sollte;  für  mich  würde  es  aber 
ein  schwieriger  Posten  sein;  als  ich  bei  meiner  letzten  Anwesenheit 
in  Petersburg  mit  meinem  Bruder*  darüber  sprach,  sagte  mir  der,  daß 
ich  im  Falle  meiner  Berufung  dorthin  ganz  bei  ihm  wohnen  müsse". 
„Einen  besseren  Berater,"  schaltete  ich  hier  ein,  „würden  Sie  aller- 
dings nicht  haben  können.  Mit  Ihrem  Bruder  hinter  den  Kuhssen 
brauchten  Sie  gewiß  keine  Sorge  zu  haben  vor  den  unseren  gemein- 
samen Zielen  feindseligen  Elementen," 

Graf  Schuwalow  erwiderte  mit  dem  Akzent  guter  Laune,  „jeden- 
falls würde  unsere  PoHtik  dann  aus  einem  Guß  sein;  jetzt  ist  ein 
kleinlicher  Zug  darin ;  mein  augenblicklicher  Chef  hat  nicht  das  Zeug 
zum  Minister,  er  ist  ohne  jeden  Einfluß  und  voller  Ängstlichkeit  und 
hätte  niemals  über  das  Konsulatsniveau  hinausgehen  sollen". 

Beim  Souper  saß  ich  neben  dem  Großfürsten,  der  auch  diesmal 
wieder  außerordentlich  liebenswürdig  zu  mir  war.  Nach  der  Tafel  kam 
im  Rauchzimmer  die  Unterhaltung  zunächst  auf  Paris,  welches  der  Groß- 
fürst tags  vorher  verlassen  hatte.  Er  bemerkte,  daß  die  Stadt  so  unter- 
haltend und  genußreich  sei  wie  nur  je:  das  besage  aber  nicht  viel, 
denn  auch  während  der  Schreckenszeit  der  großen  Revolution  hätte 
die  Pariser  Gesellschaft  sich  den  gewohnten  Lustbarkeiten  hingegeben, 
während    die    Hinrichtungen    auf   dem    Konkordienplatze   stattfanden. 


*  Graf  Peter  Schuwalow. 

295 


Gegenwärtig  seien  Genußsucht  in  der  Gesellschaft  und  Ziellosigkeit 
der  Politiker  wohl  noch  größer  als  vor  fast  hundert  Jahren.  In  der 
PoHtik  wolle  jeder  nur  hinwegräumen,  und  keiner  mache  sich  ein  Bild, 
wie  es  nachher  werden  könne  und  solle,  „c'est  pourri,  c'est  degoütant". 
Als  die  Rede  auf  Mohrenheim  kam,  und  ich  einfließen  Heß,  man  spräche 
von  seiner  Nachfolge  für  Giers,  nahm  der  Großfürst  seinen  verächt- 
lichsten Gesichtsausdruck  an.  Er  nannte  jenen  Botschafter  den  hohlsten 
und  langweihgsten  Phraseur,  der  ihm  je  vorgekommen  sei. 

Demnächst  ging  die  Unterhaltung  auf  unseren  Kaiser  und  auf 
die  Battenbergs  über.  Bezüghch  Seiner  Majestät  sprach  sich  der  Groß- 
fürst mit  warmer  Teilnahme  und  herzHcher  Bewunderung  aus. 

Hinsichthch  der  Familie  Battenberg  bemerkte  Seine  Kaiserliche 
Hoheit,  die  MitgHeder  derselben  seien  seine  nahen  Verwandten,  und 
er  habe  früher  viel  für  sie  übrig  gehabt;  sie  hätten  sich  aber  durch  ihre 
eigene  Überhebung  und  Unaufrichtigkeit  in  eine  so  unmögliche  Situation 
zu  seinem  kaiserlichen  Bruder  gebracht,  daß  er  sich  von  ihnen  hätte 
lossagen  müssen.  Als  ich  hierauf  die  jüngste  hiesige  Krise  näher  be- 
rührte und  eine  Bemerkung  über  die  matte  Haltung  von  Herrn  von 
Giers  einfheßen  ließ,  welche  uns  in  Ansehung  der  dezidierten  früheren 
Stellungnahme  des  Zaren  nicht  recht  erklärlich  gewesen  sei*,  nickte  der 
Großfürst  verständnisvoll,  erhob  sich  und  nahm  mich  unter  den  Arm, 
um  mich  in  ein  weiter  gelegenes  einsames  Zimmer  zu  geleiten.  Dort 
angekommen,  sagte  er:  „Vous  venez  de  parier  du  Battenberg:  certaine- 
ment  TEmpereur  le  deteste,  et  ü  me  parait  que  Tattitude  de  Giers  n'a 
pas  ete  tres  claire  par  rapport  ä  la  derniere  crise:  mais  Vous  savez 
ce  que  c'est  que  Giers.  II  a  une  frayeur  de  mon  frere  qui  Taveugle  et  il 
sait  ce  que  je  vais  Vous  dire  tres-confidentiellement,  c'est-ä-dire  seulement 
pour  Vous  et  pour  Votre  pere.  Mon  frere  est  malheureusement  petri  d'un 
soupQon  insurmontable  envers  Votre  pere:  II  reconnait  son  genie,  mais 
il  craint  toujours  d'etre  joue  par  lui.  J'ai  fait  de  mon  possible  pour 
ecarter  ce  soupgon  absurde,  mais  il  reparait  toujours  et  ä  l'heure  qu'il 
est  la  crainte  d'etre  mis  dedans  par  la  politique  allemande  prevaut  chez 
mon  frere  et  l'empeche  de  voir  les  choses  comme  il  devrait  les  en- 
visager." 

Ich  sagte  dem  Großfürsten,  daß  ich  ihm  für  seine  Offenheit  dankbar 
sei,  den  Inhalt  derselben  aber  um  so  mehr  bedauere,  als  ihm  jede 
tatsächüche  Begründung  fehle.  Die  PoHtik  des  Reichskanzlers  habe 
sich  immer  durch  Offenheit  und  Loyalität  ausgezeichnet;  der  Groß- 
fürst würde  sich  des  vom  Grafen  Peter  Schuwalow  so  häufig  und  gern 
wiederholten  Ausspruchs  entsinnen,  daß  der  Reichskanzler  in  einem 
kritischen  Moment  des  Berhner  Kongresses  die  englischen  Bevoll- 
mächtigten an  ihre  Verabredungen  erinnert  hätte  mit  dem  Worte 
„apres  tout  la  politique  honnete  est  encore  la  meilleure",  und  hiernach 

*  Vgl.  Nr.  1335,  1336. 
296 


handelteil  wir  nach  wie  vor.  Wolle  der  Zar  hieran  nicht  glauben,  so 
müsse  er  durch  Aufhetzungen  und  Vorurteile  befangen  sein. 

Der  Großfürst  erwiderte  mit  einem  Seufzer  „Vous  dites  vrai,  il 
s'agit  de  preventions;  wie  soll  man  solche  aber  überwinden!  .  Was 
Ohrenbläsereien  betrifft,  so  muß  ich  fast  daran  glauben,  ich  weiß  nur 
nicht  recht,  von  wo^  sie  ausgehn  sollen.  Der  Kaiser  sieht  ja  in 
poHtischer  Hinsicht  nur  seine  Minister  und  ist  anderweit  nicht  be- 
einflußbar." 

Ich  wollte  hier  nicht  Personalbeschwerden  formulieren  und  äußerte 
nur,  es  sei  ja  bekannt,  daß  der  Zar  keinerlei  direktem  Einfluß  unter- 
liege: immerhin  würde  le  langage  seiner  niemals  wechselnden,  kleinen 
und  geistig  nicht  hervorragenden  Umgebung  unmerkHch  auf  ihn  ab- 
färben. Es  hieße  da  gutta  cavat  lapidem.  Wenn  der  Zar,  wie  es 
tatsächlich  der  Fall  sei,  immer  nur  eine  Tonart  von  den  gleichen,  in 
vorgefaßten  Meinungen  lebenden  Leuten  höre,  so  müsse  ihn  das  be- 
eindrucken. Bei  den  wenigen  direkten  Unterredungen,  die  er  mit 
dem  Reichskanzler  gehabt  habe,  sei  das  Resultat  jedesmal  Befriedigung 
und  volles  Vertrauen  gewesen.  Allerdings  könne  dies  nicht  lange  vor- 
halten, und  es  sei  sehr  zu  bedauern,  daß  der  jetzige  Zar  so  sehen  eine 
Begegnung  ermögliche,  während  der  vorige  alljährlich  zweimal  durch 
Berlin  gekommen  sei.  Die  russischen  Kaiserreisen  hätten  seit  1876 
aufgehört,  und  kurz  darauf  habe  die  Ära  der  sogenannten  Mißver- 
ständnisse und  Reibungen  begonnen,  pp. 

Seine  Kaiserhche  Hoheit  kam  dann  auf  die  Politik  zurück  und  be- 
merkte: „Le  point  noir  dans  nos  relations  c'est  Votre  arrangement  avec 
I'Autriche.  On  ne  peut  pas  detruire  le  fait  que  Votre  pere  negociait 
le  traite  ä  Vienne  tandis  que  nos  Empereurs  s'embrassaient  ä  Alexan- 
drowo^  et  on  sait  chez  nous  que  TEmpereur  Guillaume  a  absolument 
refuse  de  ratifier  le  dit  traite  jusqu'ä  ce  que  le  chancelier  le  mena^ait 
de  sa  demission.  II  est  vrai  qu'il  y  avait  de  notre  faute  et  que  Votre 
pere  a  agi  tres-loyalement  en  nous  communiquant  le  texte  du  traite, 
mais  tout  de  meme  le  point  noir  reste". 

Ich  ripostierte  „ä  qui  la  faute?"  und  sagte,  man  müsse  nicht  1879 
zum  Ausgangspunkt  nehmen,  sondern  1878,  d.  h.  das  ungerechte  und 
unerwartete  Verhalten  Rußlands  ^  nach  dem  Kongreß,  und  knüpfte 
hieran  eine  kleine  historische  Rekapitulation,  welche  damit  schloß, 
daß  man  Geschehenes  nicht  beseitigen  könne,  daß  aber  der  Kaiser 
von  Rußland  ein  kaiserliches  Österreich  in  der  gegenwärtigen  Um- 
sturzzeit ebenso  nötig  brauche  wie  wir  und  es  bei  der  Ausführung  der 
von  Rußland  beabsichtigten  Orientpolitik  nicht  auf  seinem  Wege  zu 
finden  brauche.  Wir  hätten  Bulgarien  stets  als  Rußlands  Domäne  an- 
gesehen, und  bezüglich  der  für  Rußland  unendlich  wichtigeren  Frage 
der  Meerengen  sei  es  nicht  nur  unserer  wohlwollenden  Neutralität 
gewiß,  sondern  ich  nähme  auch  an,  daß  für  Österreich  das  Schicksal 
des  Bosporus  gleichgültig  sei.   Hierbei  wurde  der  Großfürst  sehr  leb- 

297 


haft  und  sagte,  die  ganze  bulgarische  Frage  sei  für  Rußland  ein  Un- 
glück, es  müsse  sich  daran  vollkommen  desinteressieren  und  nur  die 
Meerengenfrage  ins  Auge  fassen,  beide  hätten  miteinander  nichts  zu  tun. 

Als  ich  dem  Großfürsten  zum  Schluß  wiederholt  von  der  Solidarität 
der  Dynastien  gegen  verhetzende  internationale  Umsturztendenzen,  von 
unserer  Loyalität  und  Friedfertigkeit  eindringlich  sprach,  drückte  er 
mir  die  Hand  und  erklärte  nicht  ohne  Emphase  „Mon  frere  sait  que 
je  ne  suis  pas  seulement  son  plus  fidele  sujet,  mais  son  esclave,  s'il 
veut  se  servir  de  moi:  il  m'a  confie  le  commandement  de  ses  meilleures 
troupes,  mais  j'espere  que  je  n'aurai  pas  ä  comba.tre  nos  voisins  ä 
leur  tete.  Je  parlerai  raison  ä  mon  frere  et  je  ferai  de  mon  mieux  pour 
me  faire  ecouter.  Moi,  j'ai  entiere  confiance  en  Votre  pere,  mais 
malheureusement  je  ne  puis  transplanter  tous  mes  sentiments  dans 
l'äme  de  mon  frere:  mais  Vous  pouvez  compter  sur  moi  que  je  ferai 
ce  que  je  peux  pour  agir  dans  l'ordre  d'idees  qui  a  preside  ä  notre 
entretien". 

Beiläufig  hatte  mir  der  Großfürst  noch  gesagt,  daß  er  vom  Zaren 
beauftragt  sei,  im  Herbst  die  polnischen  Festungen  zu  inspizieren, 
wir  möchten  uns  hierüber  nur  nicht  beunruhigen. 

Ferner  erzählte  er,  Boulanger  habe  sich  in  Paris  bei  ihm  aufge- 
schrieben: er  habe  dies  zudringlich  gefunden,  da  er  den  Agitator  gar 
nicht  kenne,  und  seinem  Adjutanten  untersagt,  irgendeine  Notiz  davon 
zu  nehmen. 

Als  ich  mich  am  Bahnhof  vom  Großfürsten  verabschiedete,  rief 
er  mir  noch  aus  dem  Wagenfenster  zu  „mille  et  mille  choses  ä  Votre 
pere"  und  reichte  mir  allein  noch  einmal  die  Hand  vom  fahrenden 
Zuge  angesichts  der  barhäuptig  sich  verneigenden  russischen  Bot- 
schaftsglieder. 

H.  B  i  s  m  a  r  c  k 


Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Tolstoi 

-  leider 

3  unser  Mißtrauen  gegen  die  russ[ische]  Politik  ist  seitdem  jedenfalls  begründeter 
als  das  des  Zaren  gegen  imsre!  vorher  existirte  es  nicht,  seitdem  aber  wird 
es  sich  schwer  beseitigen  lassen;  wir  müssen  auf  die  Wiederholung  analoger 
Ueberraschungen  stets  gefaßt  bleiben  u[nd]  können  andre  Anlehnungen  nicht 
auffjeben. 


2QS 


Kapitel  XLIII 

Kaiser  Wilhelm  IL,  Bismarck 

und  die  auswärtige  Politik 

1888-1890 


Nr.  1339 

Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck* 

Ausfertigung 

Nr.  217  .Wien,  den  28.  April  1888 

Die  mir  durch  die  liohen  Erlasse  Nr.  322  vom  19,  und  Nr.  329  vom 
23.  d.  Mts.  hochgeneigtest  mitgeteilten  Berichte  des  Kaiserlichen  Bot- 
schafters in  St.  Petersburg,  betreffend  den  russischen  General  Bogda- 
nowitsch**,  habe  ich  dem  Grafen  Kälnoky  gegenüber  vertraulich  ver- 
wertet. 

Der  Minister  fand  die  Vorhaltungen,  die  General  von  Schweinitz 
dem  Herrn  von  Giers  mit  Bezug  auf  diesen  höchst  eigentümlichen 
Vorfall  gemacht,  durchaus  gerechtfertigt,  fürchtet  aber,  daß  alle  diese 
guten  Worte  in  den  Wind  gesprochen  sein  werden.  Herr  von  Giers 
würde  es  wie  gewöhnlich  kaum  wagen,  seinem  kaiserhchen  Herrn 
darüber  Vortrag  zu  halten,  sondern  ihm  vielleicht  nur  schüchtern  an- 
deuten, daß  die  Bevorzugung  dieses  abgesetzten  Beamten  einiges 
Erstaunen  im  Auslande  hervorrufen  dürfte. 

Seit  Jahren  beobachteten  wir  dasselbe  Schauspiel.  Herr  von  Giers 
fließt  über  von  korrekten  Versicherungen,  schwört,  daß  der  Zar  ganz  seiner 
Ansicht  ist  und  die  Hetzereien  der  russischen  Friedensstörer  ebenso 
perhorresziere  wie  die  Bestrebungen  der  Panslawisten,  Rußland  in  ein 
enges  Allianzverhältnis  zu  den  französischen  Demokraten  zu  engagieren. 
Die  Hauptinkriminierten  werden  vom  kaiserlichen  Zorn  getroffen,  Giers 
behält  anscheinend  recht,  bekommt  aber  keine  Belohnung,  und  nach- 
dem sich  die  Wellen  etwas  geglättet,  tauchen  die  Geächteten  vorsichtig 
wieder  auf.  Kein  Mensch  findet  etwas  dabei,  wenn  sie  belohnt  werden, 
oder  wenn  die  ihnen  angedrohte  Strafe  wie  bei  Herrn  Saburow  nicht 


*  Nr.  1339—1341  gehören  rein  chronologisch  in  den  Rahmen  des  voraufgehenden 
Kapitels,  mögen  aber  an  dieser  Stelle  eingereiht  werden,  weil  die  in  ihnen  zutage 
tretenden  ersten  Unstimmigkeiten  zwischen  dem  künftigen  Kaiser  und  dem 
Reichskanzler  ihren  Schatten  auf  die  Anfänge  Wilhelms  II.  in  den  Jahren  1888 
bis  1890  vorauswerfen. 

**  General  Bogdanowitsch,  ein  Hauptführer  der  panslawistischen  Agitation  und 
eifriger  Beförderer  des  Bündnisses  mit  Frankreich,  der  bekanntlich  im  Spät- 
frühjahr 1887  beim  Zaren  in  Ungnade  gefallen  und  aus  dem  Militärdienst  ent- 
lassen war  (vgl.  Nr.  1213,  S.  111,  Fußnote  **),  wurde  Mitte  April  1888  auf  Vor- 
schlag des  Ministers  des  Innern  Grafen  Tolstoi  zum  Mitglied  des  Konseils  im 
Ministerium  des  Innern  und  zum  Geheimen   Rat  befördert. 

301 


ausgeführt  wird,  und  die  schlecht  ausgerottete  Pflanze  treibt  aus  den 
Wurzeln  weitere  Keime. 

So  war  es,  und  so  wird  es  weiter  gehen;  Giers  wird  immer 
schwören,  sein  Kaiser  sei  ganz  mit  ihm  einverstanden,  den  Frieden 
zu  erhalten,  bis  der  große  Aufmarsch  der  russischen  Armee  an  unseren 
Grenzen  in  1  bis  2  Jahren  vollendet  sein  wird.  Dann  wird  Giers 
weggeblasen  werden,  der  Kaiser  immer  mehr  in  den  Schlingen  der 
von  ihm  begnadigten  Missetäter  gefangen  sein  und  gegen  seinen  ehr- 
lichen Willen  im  Kriege  und  in  der  französischen  Allianz  sitzen,  ohne 
sich  mehr  rühren  zu  können. 

Welches  Vertrauen  kann  man  unter  diesen  Umständen  in  das 
Petersburger  Kabinett  und  in  die  friedlichen  Versicherungen  seines 
Leiters  setzen! 

Vielleicht  hatten  die  Generalstabsoffiziere  in  Berlin  und  Wien 
doch  recht  1,  wenn  sie  im  vorigen  Herbst  rieten,  die  russische  Macht 
zu  zertrümmern-,  noch  ehe  sie  gefährlich  wurde*.  Man  kann  die  Ge- 
fahr mit  mathematischer  Gewißheit  wachsen  sehen,  ohne  sie  aufhalten 
zu  können.  Denn  den  Krieg  heraufzubeschwören  könne  kein  Staats- 
mann verantworten  3.  Es  bleibe  daher  nichts  übrig,  als  sich  allmähUch 
darauf  vorzubereiten.  Vielleicht  könnten  doch  Ereignisse  eintreten, 
die  unsere  zivihsierten  Staatswesen  vor  solchem  Unheil  beschützen 
könnten.  Dieses  Vielleicht  sieht  der  Minister  als  den  einzigen  Trost 
in  dem  traurigen  Zukunftsbild  auftauchen. 

H.  VII.  P.  Reuß 

Randbemerkungen  des  Kronprinzen  Wilhelm: 

1  Ja! 

3  richtig! 

Bemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck  am  Kopf  des  Schriftstücks: 

Zu  secretiren,  mit  Rücksicht  auf  die  xVlarg[inalien]  Sleine]r  Kfaiserlichenl  H[oheitl. 
Randbemerkung  des  Fürsten  von  Bismarck,  im  Originalschriftstück  vor  der  Vor- 
lage an  den  Kronprinzen  getilgt,  aber  durch  besondere  Aktennotiz  überiiefert: 

2  Das  ist  so  leicht  nicht!  ein  Sieg  über  Rußland  ist  keine  Zertrümmerung  sondern 
nur  die  Herstellung  eines  revanchebedürftigen  Nachbarn  auch  im  Osten. 

Nr.  1340 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in  Wien 
Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Reinkonzept 
Nr.  349  Berlin,  den  3.  Mai  1888 

Vertraulich 

Nach  Ew.pp.  Bericht  Nr.  217  vom  28.v.Mts.**  hat  Graf  Kälnoky  An- 
wandlungen von  Zweifel  darüber,  ob  die  Generalstabsoffiziere,  welche 
im  Herbst  zum  Kriege  rieten,  nicht  doch  recht  gehabt  hätten.   Es  ließe 

*  Vgl.  dazu  Kap.  XXXVIII:  Russisch-Österreichische  Kriegsgefahr  1887—88. 
**  Siehe  Nr.  1339. 

302 


sich  hierüber  streiten,  wenn  ein  solcher  Krieg  möglicherweise  die  Folge 
haben  könnte,  daß  Rußland  i,  wie  Graf  Kälnoky  sich  ausdrückt,  ,, zer- 
trümmert" würde.  Ein  derartiges  Ergebnis  liegt  aber  auch  nach  den 
glänzendsten  Siegen  außerhalb  aller  Wahrscheinlichkeit.  Selbst  der 
günstigste  Ausgang  des  Krieges  würde  niemals  die  Zersetzung  der 
Hauptmacht  Rußlands  zur  Folge  haben,  welche  auf  den  Millionen 
eigenthcher  Russen  griechischer  Konfession  beruht.  Diese  würden, 
auch  wenn  durch  Verträge  getrennt,  immer  sich  ebenso  schnell  wieder 
zusammenfinden  wie  die  Teile  eines  zerschnittenen  Quecksilberkörpers. 
Dieses  unzerstörbare  Reich  russischer  Nation,  stark  durch  sein  Klima, 
seine  Wüsten  und  seine  Bedürfnislosigkeit,  wie  durch  den  Vorteil,  nur 
eine  schutzbedürftige  Grenze  zu  haben,  würde  nach  seiner  Nieder- 
lage unser  geborener  und  revanchebedürftiger  Gegner  bleiben  2,  genau 
wie  das  heutige  Frankreich  es  im  Westen  ist.  Dadurch  wäre  für 
die  Zukunft  eine  Situation  dauernder  Spannung ^  geschaffen,  welche 
wir  gezwungen  werden  können,  auf  uns  zu  nehmen,  wenn  Rußland  uns 
oder  Österreich  angreift,  welche  aber  freiwillig  herbeigeführt  zu  haben, 
ich  nicht  auf  meine  Verantwortung  nehmen  möchte.  Das  ,, Zertrüm- 
mern" einer  Nationalität*  ist  drei  starken  Großmächten  schon  in 
betreff  der  viel  schwächeren  polnischen  in  100  Jahren  nicht  gelungen. 
Die  VitaUtät  der  russischen  wird  nicht  minder  zähe  sein;  wir  werden 
meines  Erachtens  immer  am  besten  tun,  sie  wie  eine  elementarisch 
vorhandene  Gefahr  zu  behandeln,  gegen  die  wir  Schutzdeiche  ^  unter- 
halten, die  wir  aber  nicht  aus  der  Welt  schaffen  können.  Durch  einen 
Angriff  auf  das  heutige  Rußland  würden  wir  seinen  Zusammen- 
hang festigen;  durch  Abwarten  seines  Angriffs  aber  können  wir 
seinen  inneren  Verfall  und  seine  Zersetzung  möglicherweise  früher  ^ 
erleben  als  seinen  Angriff,  und  zwar  um  so  früher,  je  weniger  wir  es 
durch  Bedrohungen  hindern,  tiefer  in  die  orientalische  Sackgasse  hin- 
einzugehen^, v.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Kronprinzen  Wilhelm: 

1  Russische  Macht  hat  er  gesagt,  damit  dürfte  die  Armee  gemeint  sein. 

-  nicht  mehr=*  wie  es  jetzt  schon  ist;  bedürftig  vielleicht,  aber  nicht  in  der  Lage''. 

^  wie  jetzt  auch'= 

*=  wohl  aber  ihrer  Kampfesmittel,  Armee  etc."* 

^  wenn  der  Deichbruch  kommt,  ist  dann  große  Ueberschwemmung  ^ 

"  hoffentlich! 

'  Es  hat  aber  leider  die  Sackgasse  gemerkt,  und  zeigt  bisher  verzweifelt  wenig  Lust 

hineinzugehn '. 
Bemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck  zu  obigen  Randbemerkungen  des  Kron- 
prinzen Wilhelm: 
^  Doch  mehr! 

•*  aber  bald  wieder,  wie  Frankreich  seit  12  Jahren  längst  wieder 
°  die  Spannung  ist  auf  französfischerl  Seite  doch  stärker  wie  im  Osten,  für  uns 
^  die  sind  in  5  Jahren  ersetzt,  cf.  Frankreich. 
'=  wenn  wir  ihn  selbst  durchstechen,  noch  früher 
'    doch,  es  geht  hinein,  sobald  Oestlerlreich  aufhört  es  zu  hindern. 

303 


Nr.  1341 
Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Kronprinzen  Wilhelm 

Konzept* 

Aus  Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  Randbemerkungen  zu  dem  -Wiener 
Bericht  vom  28.  April  und  zu  meiner  Antwort  auf  denselben  vom  3.  Mai 
ersehe  ich,  daß  Höchstdieselben  mit  der  bisher  nach  den  Intentionen 
des  hochseligen  Kaisers  geführten  Politik  nicht  einverstanden  sind, 
sondern  mehr  mit  der  Äußerung  des  Grafen  Kälnoky,  daß  die  General- 
stabsoffiziere, welche  im  Herbst  rieten,  die  russische  Macht  zu  „zer- 
trümmern",   recht   hatten. 

Nach  menschlicher  Voraussicht  wird,  bevor  eine  längere  Zeit  ver- 
geht, die  Entscheidung  über  Krieg  und  Frieden  ausschließlich  in  der 
Hand  Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  liegen.  Diese  Tatsache  verleiht  jeder 
Andeutung,  welche  von  Höchstdenselben  auf  diesem  Gebiete  aus- 
geht, ein  Gewicht,  welches  mir  nicht  gestattet,  Ew.  Kaiserlichen 
Hoheit  Randbemerkungen  stillschweigend  zu  den  Akten  des  Aus- 
wärtiger. Amts  gehen  zu  lassen.  Ich  darf  mir  nicht  mit  der  Hoffnung 
schmeicheln,  daß  eine  erneute  Darlegung  der  Motive,  welche  für  die 
bisherige  friedliche  und  abwartende  Politik  sprechen,  neue  Gesichts- 
punkte zutage  fördern  könnte,  welche  Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  Er- 
wägung nicht  bereits  unterlegen  hätten.  Ich  erlaube  mir  nur,  mit 
Rücksicht  auf  die  mögliche  Zerstörung  der  „Kampfesmittel"  Rußlands 
untertänigst  zu  bemerken,  daß  wir  diejenigen  Frankreichs  1870  in 
einer  Vollständigkeit  zerstört  haben,  wie  es  Rußland  gegenüber  wegen 
dessen  geographischer  Ausdehnung  niemals  gelingen  wird;  nichtsdesto- 
weniger war  Frankreich  schon  vier  Jahre  später  wiederum  eine  Macht, 
mit  welcher  die  Politik  zu  rechnen  hatte,  und  insbesondere  eine  vor- 
ausschauende Politik  in  großem  Stile,  welche  ihre  Aspirationen  nicht 
den  Verhältnissen  eines  einzelnen  Jahres  entnehmen  kann,  sondern 
längere  Zeiträume  ins  Auge  fassen  muß.  Schon  zur  Zeit  der  Luxem- 
burger Frage  1867  habe  ich  der  Voraussicht  öffentlich  Ausdruck  ge- 
geben, daß  im  Kriegsfalle  Frankreich  gegenüber  der  Kampf  sich  nicht 
auf  ein  Kriegsjahr  beschränken,  sondern  Jahrzehnte  und  mehr  aus- 
füllen werde.  Wenn  dieselben  Konsequenzen,  wie  voraussichtlich,  sich 
an  einen  von  uns  freiwillig  herbeigeführten  russischen  Krieg  knüpfen 
sollten,  so  würden  wir  künftig  ein  zweites  Frankreich  haben,  bereit, 
jede  günstige  Gelegenheit  zu  benutzen,  um  im  Bunde  mit  anderen 
über  uns  herzufallen.  Wir  würden  in  einer  solchen  Situation,  in  welcher 


*  Das  vom  Fürsten  Bismarck  vielfach  korrigierte  und  eigenhändig  paraphierte 
Konzept  ist  nicht  datiert;  aus  dem  jetzt  im  dritten  Bande  von  Bismarcks  „Ge- 
danken und  Erinnerungen"  (S.  136  ff.)  veröffentlichten  Antwortschreiben  des  Kron- 
prinzen geht  aber  hervor,  daß  die  Ausfertigung,  die  das  Datum  des  9.  Mai  trug, 
wirklich  abgegangen  ist. 

304 


wir  die  beiden  nächst  der  deutschen  stärksten  kontinentalen  MiHtär- 
mächte  zu  gebornen  Gegnern  in  jedem  Kriege  hätten,  dauernd  in 
eine  gewisse  Abhängigkeit  von  der  Unterstützung  geraten,  welche  die 
übrigen  Mächte,  in  erster  Linie  Österreich,  dann  auch  England  und 
Itaüen,  uns  zu  leisten  geneigt  sein  würden.  Der  italienische  Bundes- 
genosse kann  durch  innere  Ereignisse  Italiens  leicht  aus  dieser  Be- 
rechnung schwinden  und  sogar  für  den  Gegner  in  die  Wagschale 
fallen.  England  wird  mit  seinen  inneren  Angelegenheiten  möglicher- 
weise zuviel  zu  tun  haben,  um  sich  seiner  auswärtigen  Politik  anneh- 
men zu  können.  Ob  uns  das  Bündnis  Österreichs  gesichert  bleibt,  ist 
im  Hinblick  auf  die  dort  recht  starken  ultramontanen,  slawisch-russen- 
freundhchen  und  in  Ungarn  und  Kroatien  franzosenfreundlichen  Ele- 
mente ebenfalls  nicht  zweifellos.  Jedenfalls  würde  Österreich,  wenn  es 
nach  Verbrennung  unserer  Schiffe  in  der  russischen  Richtung  unsere 
alleinige  Stütze  bliebe,  und  wir  Rußland  und  Frankreich  als  ge- 
borene Gegner  uns  gegenüber  hätten,  einen  analogen  Einfluß  auf 
das  Deutsche  Reich  wiedergewinnen,  wie  wir  ihn  1866  mit  Glück 
beseitigt  haben.  Die  Sicherheit  unserer  Beziehungen  zum  österreichisch- 
ungarischen Staate  beruht  zum  großen  Teile  auf  der  Möglichkeit,  daß 
wir,  wenn  Österreich  uns  unbillige  Zumutungen  macht,  uns  auch  mit 
Rußland  verständigen  können.  Fällt  die  letztere  Möglichkeit  fort,  so 
wird  Österreich  ein  viel  anspruchsvollerer  Bundesgenosse  werden,  als 
es  bisher  war,  und  wenn  es  Anlehnung  bei  Rußland  findet,  vielleicht 
ebenso  anspruchsvoll  als  zur  Zeit  des   Deutschen   Bundestages. 

Ew.  Kaiserliche  Hoheit  wollen  mir  diese  Vervollständigung  der 
Argumente  für  unsere  vorsichtige  Politik,  welche  ich  wiederholt  in 
Höchstdenselben  bekannten  Aktenstücken  und  vor  der  Öffentlichkeit 
geltend  gemacht  habe,  verzeihen  und  mir  die  Annahme  gestatten,  daß 
auch  diese  Ew.  Kaiserliche  Hoheit  von  der  Richtigkeit  meiner  Auf- 
fassung nicht  überzeugen  wird,  und  daß  Höchstdieselben  fortfahren, 
es  im  Sinne  der  Kälnokyschen  Bezugnahme  auf  militärische  Wünsche 
in  dem  Wiener  Bericht  vom  28.  April  für  besser  zu  halten,  daß  der 
Krieg  mit  Rußland  von  uns  herbeigeführt  werde,  bevor  dessen  Streit- 
kräfte sich  weiter  entwickeln. 

Wenn  dies  der  Fall  ist,  so  hätte  unsere  Politik  seit  dem  Thron- 
wechsel im  März  d.  Js.  schon  bisher  eine  andere  sein  sollen  und  würde 
von  jetzt  ab  eine  andere  werden  müssen.  Wir  hätten  dann  die  Batten- 
bergschen  Beziehungen  nicht  ablehnen  dürfen,  im  Gegenteil  den  Prinzen 
Alexander  als  diesseitigen  Kandidaten  für  die  bulgarische  Zukunft  auf- 
stellen und  durch  dies  und  manche  andere  Mittel  Rußland  zum  An- 
griff auf  Österreich  oder  auf  uns  mit  unentwickelten  Kräften  und 
vor  Vollendung  seines  Aufmarsches  reizen  müssen.  Wir  hätten  in  Bul- 
garien und  in  Konstantinopel  ohne  Schwierigkeit  eine  dementsprechende 
Sprache  führen,  auch  Österreich  wahrscheinlich  veranlassen  können, 
Schritte  zu  tun,  die  einen  russischen  Angriff  provoziert  haben  würden. 

20    Die  Große  Politik.    6  Bd.  305 


Für  die  Energie,  mit  welcher  die  deutsche  Volkskraft  in  den  Krieg 
eintritt,  wird  es  immer  entscheidend  sein,  ob  der  Krieg  durch  fremden 
Angriff  herbeigeführt  oder  von  uns  aus  Motiven  der  höheren  Pohtik, 
welche  sich  dem  öffentlichen  Verständnis  entziehen,  freiwillig  begonnen 
worden  ist.  Wenn  es  in  der  Absicht  des  künftigen  Kaisers  läge,  den 
Krieg  zu  beschleunigen,  so  müßten  dementsprechende  Modifikationen 
unsrer  bisherigen  Politik  sobald  als  möglich  eintreten,  und  die  Mög- 
lichkeit dieses  Ziel  zu  erreichen,  d.  h.  Rußland  zum  Beginn  des  Krieges 
seinerseits  zu  reizen,  ist  bei  geschicktem  diplomatischen  Verfahren 
keineswegs  ausgeschlossen,  sobald  man  überhaupt  glaubt,  daß  der 
frühere  Krieg  der  bessere  sei.  Meine  unvorgreifliche  Ansicht  liegt 
auch  heute  nicht  in  dieser  Richtung.  Wenn  aber  die  Überleitung  unsrer 
PoHtik  aus  der  bisherigen  friedlichen  Tendenz  in  eine  kriegerische  nach 
Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  Intention  bevorstände,  so  würde  ich  es  noch 
immer  für  zweckmäßiger  halten,  den  Krieg  zuerst  imWestenzu  suchen 
als  im  Osten.  Einmal  ist  er  dort  leichter  und  unauffälliger  zu  finden. 
Frankreich  hat  uns  mannigfache  Anknüpfungspunkte  gegeben,  die  wir 
nur  weiter  zu  spinnen  brauchten,  wenn  wir  Krieg  wollen.  Wäre  letzteres 
der  Fall,  so  müßte  unsere  ganze  Stellung  zu  den  inneren  französischen 
Fragen,  zu  Boulanger  und  der  jetzigen  Regierung  eine  andere  sein, 
als  sie  heut  ist;  wir  müßten  Boulanger  zu  fördern  und  die  Regierung 
zu  schwächen  suchen,  wozu  sich  Mittel  finden  lassen.  Der  Krieg  mit 
Frankreich  würde  sich  der  öffentlichen  Meinung  Deutschlands  gegen- 
über als  ein  notwendiges  Opfer,  um  zur  Ruhe  zu  gelangen,  sehr 
viel  leichter  motivieren  lassen  als  der  Krieg  gegen  Rußland.  Außerdem 
würde  er  nach  oberflächlichem  Urteil  leichter  zu  führen  und  schneller 
abzuschließen  sein.  Es  ist  auch  anzunehmen,  daß  ein  deutsch-franzö- 
sischer Krieg  geführt  werden  kann,  ohne  daß  wir  gleichzeitig  zum 
Kampf  gegen  Rußland  genötigt  würden.  Es  ist  dagegen  ganz  sicher, 
daß  wir  den  Krieg  auf  beiden  Seiten  haben,  sobald  wir  ihn  auf  der 
russischen  Front  beginnen,  wie  es  nach  dem  „Ja*'  in  der  Randbemer- 
kung auf  dem  Wiener  Bericht  vom  28.  April  Ew.  Kaiserliche  Hoheit 
empfehlen.  Die  geheimen  Verträge,  welche  wir  mit  Rußland  haben, 
sind  Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  bekannt.  Ihr  Text  gibt  die  Gewißheit, 
daß  Rußland  beabsichtigt,  in  die  „Sackgasse"  hineinzugehen,  und  es 
würde  schon  darin  sein,  wenn  es  nicht  auf  unser  Verlangen  durch 
österreichische  Opposition  daran  gehindert  würde.  Kommt  diese  Oppo- 
sition in  Wegfall,  so  hört  damit  auch  die  russische  Zurückhaltung  auf. 

Ich  halte  es  für  meine  Pflicht,  Ew.  Kaiserliche  Hoheit  auf  diese 
Eventualitäten  in  Ehrerbietung  aufmerksam  zu  machen,  und  behalte 
mir  untertänigst  vor,  über  die  formelle  Seite  des  Anlasses  zu  dieser 
Berichterstattung  Ew.  Kaiserliche  Hoheit  um  mündlichen  Vortrag  zu 
bitten,  indem  ich  bemerke,  daß  die  gewichtige  Tragweite  jeder  Rand- 
bemerkung Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  mich  nötigt,  die  davon  be- 
troffenen Aktenstücke  absolut  zu  sekretieren.    Der  Eindruck,  den  die- 

306 


selben  in  den  amtlichen  Kreisen  machen  werden,  denen  die  Akten 
des  Ministeriums  zugänglich  sind,  hat  nach  Ew.  Kaiserlichen  Hoheit 
Stellung  notwendig  die  Tragweite,  daß  die  Beamten,  welche  Kenntnis 
von  Höchstdero  Randbemerkungen  haben,  mich  selbst  nicht  ausge- 
schlossen, nicht  mehr  imstande  sein  werden,  das  friedliche  Verhalten  der 
deutschen  PoHtik  bei  einem  erfolgenden  Regierungswechsel  mit  der- 
selben Sicherheit  wie  bisher  anderen  Regierungen  und  auch  den  deut- 
schen Fürsten  gegenüber  in  Aussicht  zu  stellen.  Ich  würde,  so  wie  ich 
Ew.  Kaiserlichen  Hoheit  Marginalien  verstehe,  gegen  meine  Überzeugung 
sprechen  müssen,  und  es  ist  für  die  Politik  des  deutschen  Kaisertums  der 
Ruf  der  Unaufrichtigkeit  noch  gefährlicher  als  selbst  die  entschlossene, 
aus  politischer  Überzeugung  hervorgehende  Tendenz,  Krieg  führen  zu 
wollen.  Wenn  wir  friedliche  Versicherungen  geben,  und  daneben  ein 
Wort  in  dem  Sinne  transpiriert,  daß  die  Generalstabsoffiziere  recht  ge- 
habt hätten,  welche  im  vorigen  Herbst  rieten,  die  russische  Macht  zu 
zertrümmern,  so  verlieren  wir  das  Vertrauen  in  die  Glaubwürdigkeit  bei 
unseren  Bundesgenossen,  und  das  würde  schlimmer  sein  als  selbst  ein 
Krieg,  über  dessen  Notwendigkeit  oder  Nützlichkeit  verschiedene  Mei- 
nungen obwalten  können*.  v.  Bismarck 

*  Die  Antwort  des  Kronprinzen  Wilhelm  vom  10.  Mai,  die  nicht  bei  den  Akten 
vorhanden  ist,  mag  hier  nach  dem  Abdruck  in  Bismarcks  „Gedanken  und  Er- 
innerungen" Bd.  III,  S.  136  ff.  wiedergegeben  werden,  jedoch  ohne  die  dort 
hinzugefügten  Randbemerkungen,  die  zum  Teil  erst  späteren  Datums  zu  sein 
scheinen. 

Kronprinz  Wilhelm  an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck 

Berlin,  den  10.  .Mai  1888 
Ew,  Durchlaucht 
Schreiben  vom  9.  er.  habe  ich  mit  hohem  Interesse  gelesen;  aus  dem  Inhalte 
desselben  glaube  ich  aber  entnehmen  zu  müssen,  daß  Ew.  Durchlaucht  meinen 
Randbemerkungen  zu  dem  Wiener  Bericht  vom  28.  April  eine  übertriebene  Be- 
deutung beilegen  und  dadurch  zu  der  Auffassung  gelangt  sind,  ich  sei  zu  einem 
Gegner  der  bisherigen  friedlichen  und  abwartenden  Politik  geworden,  welche 
Ew.  Durchlaucht  mit  soviel  Weisheit  und  Vorsicht  geleitet  haben  und  hoffent- 
lich zum  Segen  des  Vaterlandes  noch  recht  lange  leiten  werden.  Für  diese  Politik 
bin  ich  wiederholt  eingetreten  —  Petersburg,  Brest-Litowsk  —  und  habe  ich  mich 
in  allen  entscheidenen  Fragen  stets,  wie  bekannt,  auf  die  Seite  Ew.  Durchlaucht 
gestellt  Welches  Ereigniß  sollte  eingetreten  sein,  um  mich  plötzlich  anderen 
Sinnes  zu  machen?  Die  von  mir  gemachten  Randbemerkungen,  in  welchen 
Ew.  Durchlaucht  eine  Aufforderung  meinerseits  zu  einer  Modification  unsrer  bis- 
herigen Politik  zu  erkennen  meinen,  bezweckten  lediglich  den  Hinweis,  daß  über 
die  Nothwendigkeit  oder  Nützlichkeit  des  Krieges  die  politischen  und  militäri- 
schen Ansichten  —  die  ich  dadurch  zu  Ihrer  Kenntniß  zu  bringen  beabsichtigte  — 
auseinander  gegangen  seien;  und  daß  die  letzteren  für  sich  betrachtet  nicht  ohne 
Berechtigung  wären.  Ich  glaubte,  ein  solcher  Hinweis  würde  für  Ew.  Durchlaucht 
nicht  ohne  Interesse  sein,  aber  nie  zu  dem  Glauben  führen  können,  ich  wollte 
die  Politik  den  militärischen  Wünschen  unterordnen. 

Um  für  die  Zukunft  jeder  mißverständlichen  Auffassung  vorzubeugen  und  in 
theilweiser  Anerkennung  der  von  Ew.  geltend  gemachten  Gründe  werde  ich 
hinfüro    jede    Randbemerkung    auf   den    politischen    Berichten    unterlassen,    doch 

20»  307 


werde  ich  mir  vorbehalten,  anderweitig  Ew.  Durchlaucht  meine  Ansichten  mit 
aller  Offenheit  zur  Kenntniß  zu  bringen. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  von  Ew.  Durchlaucht  angeregten  Fragen  sehe  ich 
mich  genöthigt,  auf  dieselben  näher  einzugehn. 

Ich  bin  durchaus  Ew.  Durchlaucht  Ansicht,  daß  es  uns  selbst  bei  dem  glück- 
Hchen  Verlauf  eines  Krieges  mit  Rußland  nicht  gelingen  wird,  die  Kampfesmittel 
Rußlands  ganz  und  gar  zu  zerstören,  doch  meine  ich,  daß  dieses  Land  nach 
einem  für  dasselbe  unglücklichen  Kriege  in  Folge  der  inneren  politischen  Miß- 
stände in  eine  ganz  andere  Ohnmacht  gelangen  wird  als  irgend  ein  anderer 
europäischer  Staat  incl.  Frankreich.  Ich  erinnere  daran,  daß  Rußland  nach  dem 
Krimkriege  fast  20  Jahre  ohnmächtig  war,  ehe  es  soweit  sich  erholte,  daß  es  im 
Stande  war,  1877  loszuschlagen.  Frankreichs  Kampfesmittel  wurden  im  Jahre  1871 
nicht  ausgiebig  zerstört,  denn  unter  den  Augen,  ja  mit  Hülfe  des  wohlwollenden 
siegreichen  Gegners  konnte  eine  neue  Armee  aufgestellt  und  formirt  werden, 
um  die  Commune  zu  besiegen  und  um  das  Land  vor  gänzlichem  Untergang  zu 
retten;  die  in  den  Händen  des  Siegers  befindlichen  Befestigungen  von  Paris 
wurden  nicht  geschleift,  nicht  einmal  völlig  deformirt,  die  Flotte  blieb  dem  nicht 
vernichteten,  sondern  nur  politisch  gedemüthigten  Frankreich  erhalten.  Diese 
eben  angeführten  Thatsachen  beweisen  zur  Evidenz,  daß  wir,  weit  entfernt  den 
Feind  wirklich  zu  vernichten,  den  Stamm  erhalten  haben  zu  den  jetzt  uns  be- 
drohenden ungeheuren  Kampfesmitteln  zu  Wasser  wie  zu  Lande  seitens  der  Re- 
publik. Das  war  militärisch  betrachtet  falsch,  politisch  betrachtet  jedoch  völlig 
nach  Lage  der  Dinge  in  Europa  gegeben  und  in  dem  Moment  richtig. 

Je  mehr  die  Republik  nun  erstarkte,  desto  größere  Neigung  zeigte  Rußland 
—  trotz  loyalster  Haltung  und  Absichten  des  Zaren  —  ohne  von  Deutschland  im 
geringsten  geschädigt  worden  zu  sein,  nur  den  günstigsten  Augenblick  zu  er- 
fassen, um  im  Bunde  mit  der  Republik  über  uns  herzufallen.  Diese  drohende 
Lage  entstand  und  besteht,  nicht  nach  einem  gegen  Rußland  freiwillig  von  uns 
geführten  Kriege,  sondern  durch  die  gemeinschaftlichen  Interessen  der  Pansla- 
visten  und  des  republikanischen  Frankreichs,  Deutschland  als  Hort  der  Monarchie 
niederzuwerfen. 

Zu  diesem  Zweck  verstärkten  beide  Nationen  ihre  Kampfesmittel  systema- 
tisch an  den  entscheidenden  Grenzen,  ohne  für  dieses  unqualificirbare  Vorgehn 
unsererseits  irgendwie  provocirt  zu  sein,  noch  irgend  eine  haltbare  Entschuldigung 
dafür  vorzubringen. 

Mit  aus  diesem  Grunde  brachte  die  durch  Ew.  Durchlaucht  geleitete  weise 
Politik  meines  hochseligen  Herrn  Großvaters  Bündnisse  zu  Stande,  welche  sehr 
dazu  beigetragen  haben,  uns  vor  Ueberfällen  unseres  geborenen  Erbfeindes  im 
Westen  zu  bewahren.  Auch  verstand  diese  Politik,  Rußlands  Herrscher  zu  unseren 
Gunsten  einzunehmen.  Dieser  Einfluß  wird  so  lange  fortbestehn,  als  der  jetzige 
Zar  die  Macht,  seinen  Willen  geltend  zu  machen,  wirklich  besitzt;  geht  sie  ver- 
loren —  und  es  sind  viele  Anzeichen  dafür  vorhanden  —  so  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  Rußland  sich  von  unserem  geborenen  Feind  nicht  länger  wird 
trennen  lassen,  um  mit  ihm  den  Krieg  zu  führen,  wenn  die  beiderseitigen 
Kampfesmittel  ihnen  entwickelt  genug  erscheinen,  um  uns  ungestraft  zu  ver- 
nichten. 

Unter  solchen  Umständen  wächst  der  Werth  unserer  Bundesgenossen;  die- 
selben an  uns  zu  fesseln,  ohne  ihnen  einen  eingehenden  Einfluß  auf  das  Reich 
einzuräumen,  wird  die  große,  ich  gebe  zu,  schwere  Aufgabe  einer  vorsichtigen 
deutschen  Politik  sein  und  bleiben  müssen.  Es  ist  aber  zu  beachten,  daß  ein 
Theil  dieser  Bundesgenossen  romanischen  Stammes  und  mit  Regirungsmecha- 
nismen  versehn  ist,  deren  absolute  Sicherheit  nicht  so  garantirt  ist  wie  bei  uns. 
Daher  auf  eine  längere  Bundesgenossenschaft  wohl  kaum  zu  rechnen  sein  dürfte, 
und  der  Krieg,  zu  dessen  Abwehr  respective  Führung  sie  mithelfen  sollen,  besser 
früher  als  später  geführt  werden  muß. 

308 


Unsere  Feinde  werden  es  an  Versuchen  aller  Art  sicher  nicht  fehlen  lassen, 
uns  zu  isoliren,  die  Bundesgenossen  uns  abwendig  zu  machen;  jeder  von  uns 
begangene  Fehler,  jede  Blöße,  die  sich  die  deutsche  Politik  giebt,  wird  solchen 
Bestrebungen  Vorschub  leisten.  Zu  solchen  Fehlern  müßte  ich  irgend  eine  Pro- 
tegirung  des  Battenbergers  rechnen;  Oest[er]reich  würde  in  derselben  eine  Ver- 
letzung seiner  speciellen  Interessen  finden,  und  Rußland  würde  die  Genug- 
thuung  haben,  uns  von  unsrem  besten  Bundesgenossen  getrennt  zu  sehn;  auch 
wissen,  daß  ein  Krieg,  der  wegen  des  Battenbergers  entstünde,  für  Deutschland 
kein  volksthümlicher  sein  kann,  bei  dem  der  so  nothwendige  furor  Teutonicus 
gänzlich  fehlen  würde. 

Rußland  würde  mit  Leichtigkeit  Verhältnisse  dann  zu  schaffen  vermögen,  die 
den  Krieg  zur  Folge  haben  müßten;  die  öffentliche  Meinung  wird  aber  sicher- 
lich Deutschland  als  Urheber  desselben  bezeichnen.  Ich  gebe  zu,  daß  die  Be- 
schleunigung der  Kriegsgefahr  damit  erreicht  wäre,  doch  um  welchen  Preis? 
Sie  zu  erstreben  liegt  mir  völlig  fern.  Da  der  Krieg  gegen  Westen  fortgesetzt 
in  Sicht  war  und  dementsprechend  militärische  Vorbereitungen  getroffen  wurden, 
derselbe  auch,  wie  Ew.  hervorheben,  im  Westen  in  jeder  Hinsicht  mehr  Vor- 
theile  verspricht  wie  der  im  Osten,  so  würden  die  militärischen  Autoritäten  der 
Politik  besonders  dankbar  sein  müssen,  welche,  sobald  der  Krieg  als  un- 
vermeidlich erkannt  ist,  die  Führung  desselben  im  Westen  wirklich  sicherzustellen 
im  Stande  wäre. 

Aber  auch  ich  bin  der  Ansicht,  daß  wir  den  Krieg  nach  beiden  Seiten  haben, 
wenn  wir  ihn  auf  der  Ostseite  beginnen,  Frankreich  wird  nur  in  dem  Fall 
nicht  losschlagen,  wenn  es  sich  in  einer  inneren,  besonders  schweren  Krisis  be- 
findet, oder  wenn  wieder  militärische  Schwierigkeiten  eintreten  sollten,  wie 
sie  im  vorigen  Herbst  ziemlich  bestimmt  bestanden  haben  (Fehlschlagen  der 
Melinitgeschosse  und  Unbrauchbarkeit  des  neuen  Gewehrs,  niederschmetternder 
Eindruck  der  Resultate  des  Beschießens  der  Sperrforts  bei  Jüterbogk).  Dagegen  ist 
nicht  mit  absoluter  Sicherheit  vorherzusehn,  daß,  wenn  wir  mit  Frankreich  Krieg 
führen  müssen,  Rußland  sich  eo  ipso  passiv  uns  gegenüber  verhalten  wird. 

Jederzeit,  ganz  besonders  aber  unter  Verhältnissen,  wie  solche  im  vorigen 
Herbst  bestanden,  ist  es  Pflicht  des  Großen  Generalstabes,  die  eigene  militärische 
Lage  und  die  der  Nachbaren  scharf  in's  Auge  zu  fassen,  sowie  die  Vortheile  und 
Nachtheile,  die  sich  in  militärischer  Beziehung  bieten  können,  sorgsam  ab- 
zuwägen. Die  so  gewonnene  Ansicht,  nicht  über  die  zu  führende  Politik,  sondern 
über  die  im  Dienst  derselben  und  durch  deren  augenblickliche  Lage  bedingten 
militärischen  Maßregeln  muß  durch  die  Spitze  des  Generalstabes  dem  Leiter 
der  Politik  mit  aller  Offenheit  und  mit  Festhalten  des  militärischen  Standpunktes 
zur  Kenntniß  gebracht  werden.  Hierin  liegt  meines  Erachtens  eine  durchaus  er- 
forderliche  Hülfe  für  die   Leitung   auch   der  friedliebendsten   Politik. 

In  diesem  Sinne  möchte  ich  meine  ominösen  Randbemerkungen  zu  dem  Be- 
richt vom  28.  April  aufgefaßt  wissen;  sie  sollten  zugleich  darauf  hinweisen,  daß, 
obgleich  die  deutsche  Politik  in  der  friedfertigsten  Weise  geleitet  werden  mußte, 
die  militärischen  Autoritäten  Deutschlands  und  Oest[er]reichs  mit  vollstem  Recht 
im  Herbst  vorigen  Jalires  auf  die  günstige  militärische  Gelegenheit  auf- 
merksam machen  mußten,  welche  sich  für  ein  kriegerisches  Vorgehn  beider 
Länder  bot. 

Trotz  meiner  so  viel  Aufregung  verursachenden  Marginalia  möchte  ich  doch 
überzeugt  sein,  daß  Ew.  Durchlaucht  mit  dem  besten  Gewissen  bei  einem  etwa 
erfolgenden  Regirungswechsel  mit  derselben  Sicherheit  als  bisher  das  friedliche 
Verhalten  der  deutschen  Politik  in  Aussicht  zu  stellen  im  Stande  sein  werden. 

Wilhelm 
Kronprinz  des  Deutschen   Reichs  und  von   Preußen. 


309 


Nr.  1342 

Kaiser  Wilhelm  II.  an  Kaiser  Franz  Joseph  von  Österreich 

Konzept  von  der  Hand  des  Staatssekretärs  Grafen  Herbert  von  Bismarck 

Potsdam,  den  24.  Juni  1888 
Mein  teuerer  Freund  - 

Dein  herzlicher  Brief*,  in  dem  Du  mir  in  so  warmer  und  wahrhaft 
freundschaftlicher  Weise  Deine  Teilnahme  aussprichst,  hat  mich  auf 
das  tiefste  gerührt,  und  ich  danke  Dir  innigst  für  Deine  guten  Worte, 
insbesondre  dafür,  daß  Du  volles  und  begründetes  Vertrauen  zu  meiner 
festen  Anhänglichkeit  an  die  von  meinem  hochverehrten  Großvater  er- 
erbten Traditionen  hast.  Ich  trete  diese  Erbschaft  in  der  Innern  wie 
in  der  auswärtigen  PoHtik  rückhahlos  an  und  namentlich  bezüglich  der 
Unwandelbarkeit  unsrer  Freundschaft  und  der  Festigkeit  der  Bande, 
welche  unsre  Reiche  verknüpfen.  Mit  freudigem  Danke  empfange  ich 
Deine  Zusicherung  darüber  und  erwidre  sie  von  Herzen.  Da  ich  das 
Glück  habe,  von  Dir  seit  frühester  Jugend  gekannt  zu  sein,  so  bedarf  es 
Dir  gegenüber  nicht  mehr  einer  Versicherung  dieser  meiner  Gesin- 
nungen, die  ich,  wie  Du  aus  meiner  Eröffnungsrede  an  den  Reichstag 
ersehen  wirst,  öffentlich  kundgebe.  Je  ernster  mein  verewigter  Groß- 
vater von  der  Notwendigkeit  durchdrungen  war,  russische  Angriffe 
mit  Dir  gemeinsam  abzuwehren,  um  so  eifriger  war  er  bestrebt  zu  hin- 
dern, daß  sie  stattfänden.  Ich  folge  ihm  in  dem  Bestreben,  in  Gemein- 
schaft mit  Dir  alles  zu  tun,  um  unseren  Reichen  die  Segnungen  des 
Friedens  zu  erhalten  und  zu  diesem  Zweck  unsre  Beziehungen  zum 
Kaiser  Alexander  zu  pflegen. 

Die  Freundschaft,  welche  mich  mit  Dir  verbindet,  steht  so  fest,  daß 
sie  keiner  äußeren  Betätigung  bedarf.  Ich  glaube  aber  im  Interesse 
unsrer  Tendenzen  zu  handeln,  wenn  ich  in  ostensibler  Weise  alle  in 
Rußland  wie  in  Frankreich  verbreiteten  Verleumdungen  unsrer  Frie- 
densliebe dadurch  widerlege,  daß  ich  dem  Kaiser  Alexander  in  naher 
Zeit  einen  Besuch  abstatte. 

Ich  beabsichtige,  Ende  Juli  eine  Inspektion  meiner  Flotte  mit  einer 
Erholungsreise  zur  See  zu  verbinden.  Den  Schluß  dieser  Reise  soll 
dann  eine  Begrüßung  des  Kaisers  von  Rußland  in  Peterhof  bilden,  und 
ich  rechne  darauf,  daß  Du  und  ich  mit  dem  Ergebnis  desselben  zu- 
frieden sein  werden. 

Ich  hoffe,  daß  Du  mir  erlauben  wirst.  Dir  im  Laufe  des  Spät- 
sommers oder  Herbstes  meinen  Besuch  abzustatten. 


*  Dieser  Brief  Kaiser  Franz  Josephs  an  Kaiser  Wilhelm  11.  findet  sich  nicht  in  den 
Akten  des   Auswärtigen   Amts. 

310 


Ich  würde  mich  freuen,  wenn  Du  einverstanden  wärst,  daß  wir  die 
Traditionen  meines  Großvaters  auch  darin  aufrecht  halten,  daß  wir  uns 
womöglich  alljährlich  persönlich  begrüßen,  wenn  auch  vielleicht  nicht 
grade  in  Gastein,  um  in  lebendigem  Austausch  der  Gedanken  die  alte 
Freundschaft  zu  pflegen. 

Meine  Frau  war  sehr  gerührt  über  Deine  freundlichen  Grüße,  und 
ich  bitte  Dich,  der  Kaiserin  Elisabeth  den  Ausdruck  meiner  herzlich- 
sten Verehrung  zu  Füßen  legen  zu  wollen. 

In  steter  Anhänglichkeit  verbleibe  ich 

Dein  treuer  Freund  und  Bruder 

Wilhelm 


Nr.  1343 

„Promemoria  für  Seine  Majestät  den  Kaiser  zur  eventuellen  Be- 
sprechung mit  dem  Kaiser  von  Rußland"* 

Unsigniertes  und  undatiertes  Konzept  mit  zahlreichen  Korrekturen  von  der  Hand 
des  Fürsten  von  Bismarck;  am  4.  Juli  1888  vom , Chef  der  Reichskanzlei  v.  Rotten- 
burg dem  Staatssekretär  Grafen   von   Bismarck  übersandt;  die  obige  Überschrift 
ist  dem   Inhaltsverzeichnis  des  betreffenden   Aktenbandes  entnommen. 

Eine  antideutsche  Koalition  Frankreichs  mit  Österreich  und  Ruß- 
land, wie  sie  Friedrich  dem  Großen  gegenüberstand,  wäre  heut  bei  der 
dauernd  gegebenen  Feindschaft  Frankreichs  gegen  uns  noch  leichter 
herzustellen  wie  damals.  Um  sie  zu  verhüten,  müssen  wir  entweder  mit 
Österreich  oder  mit  Rußland  in  Beziehungen  leben,  welche  die  BeteiH- 
gung  an  der  Koalition  hindern.  Mit  den  beiden  östlichen  Kaiser- 
mächten gleich  fest  verbündet  zu  sein,  ist  ein  Wunsch,  dessen  Ver- 
wirklichung bei  der  Verstimmung  zwischen  beiden  nicht  immer  mögüch 
ist.  Haben  wir  ein  engeres  Bündnis  mit  der  einen,  so  ist  es  deshalb  noch 
nicht  notwendig,  daß  die  andre  von  uns  befeindet  werde;  im  Gegenteil, 
wir  haben  das  Bedürfnis  und  auch  die  Möglichkeit,  mit  beiden  dauernd 
in  Frieden  zu  leben,  wenn  wir  uns  gegen  den  Bruch  desselben  durch 
die  eine  den  Beistand  der  andern  sichern,  soweit  wir  die  Bereitwillig- 
keit dazu  bei  ihnen  vorfinden.  Letztres  ist  bisher  nur  bei  Österreich 
der  Fall,  und  weil  dessen  Bündnis  uns  sicher  ist,  das  russische  aber  nicht, 
werden  wir  das  einseitige  Bündnis  mit  Österreich  sorgfältig  festhalten 
müssen  und  nicht  für  unsichre  Annäherungen  Rußlands  gefährden  oder 
gar  preisgeben  dürfen.  Gelingt  es  uns  nicht,  beide  —  Österreich  und  Ruß- 
land —  vertragsmäßig  und  dauernd  zu  Freunden  zu  haben,  so  müssen 


*  Kaiser  Wilhelm  II.  weilte  vom  20.— 24.  Juli  als  Gast  des  russischen  Kaisers 
in  Petersburg.  An  der  Fahrt  nahm  auch  der  Staatssekretär  Graf  Herbert  Bis- 
marck teil. 

311 


wir  wenigstens  fes-thalten,  was  wir  haben.  Die  Beziehungen  zu  Öster- 
reich sind  sichrer,  als  die  zu  Rußland  werden  können,  und  beque- 
mer, weil  die  österreichische  Politik  weniger  anspruchsvoll  und  weni- 
ger herrisch  ist  als  die  russische,  auch  nicht  zu  jeder  Stunde  in  ihr 
Gegenteil  umschlagen  kann.  Wir  sind  zur  Zeit  des  hochseligen  Königs 
bis  1878  in  dem  Glauben  befangen  gewesen,  daß  unsere  Freundschaft 
mit  Rußland  unzerstörbar  sei,  weil  Gegensätze  der  Interessen  von  we- 
sentliche! Bedeutung  zwischen  uns  nicht  vorliegen.  Die  Erlebnisse  seit 
1875  und  1878  haben  uns  darüber  enttäuscht.  Wir  haben  gesehen,  daß 
ein  uns  aus  rein  persönlichen  Gründen  feindlich  gesinnter  Kanzler  wie 
Fürst  Gortschakow  selbst  bei  so  intimen  freundschaftüchen  Verhält- 
nissen, wie  sie  zwischen  Kaiser  Wilhelm  und  Kaiser  Alexander  II.  be- 
standen, hinreicht,  um  die  ganze  öffentliche  Meinung  und  das  ganze 
amthche  Rußland  in  eine  uns  feindhch  bedrohende  Haltung  zu  bringen. 
Diese  Möglichkeit  beruht  auf  dem  Umstand,  daß  die  PoHtik  Rußlands 
auf  dem  einzelnen  Willen  und  den  Stimmungen  des  Monarchen  allein  be- 
ruht, dieser  aber  durch  unwahre  Darstellungen  und  sonstige  Einflüsse 
in  seinen  Entschlüssen  umgestimmt  werden  kann.  In  Österreich-Ungarn 
sind  die  Basen,  auf  welchen  die  gegenseitigen  Beziehungen  beruhen, 
breitere.  Die  Sympathien  der  Bevölkerung  üben  eine  wesenthche  Mit- 
wirkung auf  die  Entschließungen  des  Kabinetts.  Es  würde  kaum  mög- 
lich sein,  in  so  kurzer  Zeit,  wie  es  in  Rußland  ab  und  zu  geschieht, 
das  ganze  Land  plötzlich  und  willkürlich  zu  einer  deutschfeindhchen 
Wendung  zu  bringen.  Österreich  bedarf  der  Anlehnung  an  uns,  Rußland 
aber  nicht.  Rußland  kann  nach  seiner  geographischen  Lage  ohne  Lebens- 
gefahr unser  Bündnis  entbehren,  Österreich  müßte,  um  es  zu  können, 
starke  andere  Bundesgenossen  finden.  Kurz,  das  österreichische  Bündnis 
ist  militärisch  vielleicht  nicht  so  stark  wie  das  russische,  aber  es  ist 
sicherer. 

Das  österreichische  Bündnis  besitzen  wir,  das  russische  aber 
nicht,  und  wenn  wir  uns  um  dasselbe  bewerben  wollten,  wäre  es 
fraglich,  ob  wir  es  erreichten,  und  wenn  wir  es  erreichten,  zweifelhaft, 
ob  das  Zusammengehen  mit  Rußland  bei  den  hochfahrenden  Neigungen 
und  dem  gänzlichen  Mangel  an  Verständnis  für  Gleichberechti- 
gung eines  Bundesgenossen  nicht  sehr  bald  unmöglich  werden  würde. 

Aus  diesen  Erwägungen  schHeße  ich,  daß  unser  Verhalten  Ruß- 
land gegenüber  in  erster  Linie  der  Notwendigkeit  untergeordnet  sein 
muß,  unser  Bündnis  mit  Österreich  nicht  zu  schädigen.  Wir  müssen 
an  Österreich  festhalten;  tun  wir  das  nicht,  so  verfällt  Österreich  der 
russischen  Leitung,  und  letztere  wird  uns  gegenüber  übermächtig.  Wir 
können  daher  dem  Kaiser  von  Rußland  nicht  auf  Kosten  Österreichs 
Dinge  im  Orient  versprechen,  die  uns  die  Freundschaft  Österreichs 
kosten  würden.  Wir  müssen  uns  die  letztere  erhalten.  Wohl  aber 
können  wir  die  russische  Politik  gewähren  lassen  in  Richtungen,  welche 
für  Österreich  keine  Lebensfrage  bilden;  also  in  der  asiatischen  Rich- 

312 


tung  einschließlich  des  Schwarzen  Meeres,  der  Meerengen  und  selbst 
Konstantinopels.  Es  ist  möglich,  daß  Osterreich  ein  Interesse  hat,  dies 
zu  hindern,  aber  dann  müßte  Österreich  für  diese  Zwecke  andre 
Bundesgenossen  finden  wie  uns;  wir  können  der  deutschen  Nation 
nicht  zumuten,  für  die  Frage,  wer  am  Bosporus  regiert,  einen  so 
schweren  Krieg  wie  den  russisch-französischen  zu  übernehmen.  Ruß- 
land würde  durch  Erwerbung  Konstantinopels  nicht  stärker,  sondern 
in  sich  und  durch  die  Feindschaft  Englands,  unter  Umständen  auch 
Frankreichs,  welche  der  Besitz  Konstantinopels  mit  sich  bringen  würde, 
eher  schwächer,  jedenfalls  weniger  gefährlich  für  uns  werden.  Wir 
haben  deshalb  keinen  Grund,  Rußlands  Streben  nach  den  Meerengen 
zu  hindern.  Das  ist  dem  Kaiser  Alexander  amtlich  bekannt.  Es  emp- 
fiehlt sich  aber  für  uns  taktisch  nicht,  in  Besprechung  dieser  Frage 
jetzt  Rußland  gegenüber  eine  Initiative  zu  ergreifen,  Rußland  irgendein 
Anerbieten  zu  machen  oder  ihm  auch  nur  um  eines  Haares  Breite 
entgegenzukommen.  Jede  Bereitwilhgkeit  dazu  würde  bei  der  russischen 
Überhebung  so  ausgelegt  werden,  als  ob  wir  Rußlands  guten  Willen 
brauchten,  weil  wir  Furcht  hätten,  und  als  ob  man  deshalb  über 
uns  verfügen  könnte.  Die  russische  Überhebung  ist  die  wesent- 
liche Ursache  der  Verstimmung  gewesen,  welche  seit  einem  Jahrzehnt 
zwischen  uns  stattgefunden  hat.  Man  hat  uns  in  Petersburg  die  Gleich- 
berechtigung versagt,  und  jedes  freundschaftliche  Entgegenkommen  un- 
sererseits ist  aufgefaßt  worden  nicht  wie  ein  Ausdruck  der  Freundschaft, 
sondern  der  Dienstbarkeit  und  nicht  mit  Anerkennung,  sondern  mit 
mürrischem  Tadel  wegen  Mangels  an  rechtzeitigem  empressement  er- 
widert worden.  Wir  laufen  Gefahr,  diesen  russischen  Hochmut  wie- 
derum zu  pflegen,  wenn  wir  jetzt  irgendeinen  politischen  Dienst  leisten 
oder  anbieten,  ohne  darum  gebeten  zu  sein.  Es  empfiehlt  sich,  dem 
Kaiser  Alexander  III.  den  Eindruck  zu  machen,  daß  wir  absolut  gar 
nichts  von  Rußland  erwarten,  nicht  einmal  Zollkonzessionen  oder  min- 
der bedrohhche  Truppendislokationen,  namentUch  aber  keinen  poUti- 
schen  oder  militärischen  Beistand  in  irgendwelcher  Lage,  sondern  daß 
wir  durch  unsere  eigenen  Kräfte  stark  genug  sind,  um  alle  Angriffe, 
denen  wir  ausgesetzt  sein  könnten,  abwehren  zu  können,  daß  aber  wir 
trotzdem  dringend  wünschen,  mit  Rußland  in  Frieden  und  Freund- 
schaft zu  leben,  weil  wir  wohl  gemeinsame  Interessen,  monarchische 
und  wirtschaftUche,  haben,  die  wir  in  Frieden  pflegen  können,  aber 
durchaus  keine  streitigen,  die  durch  Krieg  erledigt  werden  könnten. 
Wir  müssen  den  Russen,  wenn  wir  in  Freundschaft  mit  ihnen  leben 
wollen,  den  Eindruck  machen,  daß  wir  ohne  sie  bestehen  können, 
sie  nicht  brauchen  und  nicht  fürchten,  nichts  von  ihnen  begehren  und 
uns  auch  ohne  sie  jeder  EventuaUtät  gewachsen  fühlen.  Wenn  sie 
den  Eindruck  von  uns  haben  (ohne  durch  die  Sprache,  vermöge  deren 
er  gemacht  wird,  sich  verletzt  zu  fühlen),  dann  werden  wir  auf  gutem 
Fuße  mit  ihnen  leben  können,  sonst  nicht.    Sie  müssen  merken,  daß 

313 


wir  ihnen  furchtlos  und  bedürfnislos  gegenüberstehen,  aber  friedfertig 
und  liebenswürdig,  mit  aller  Achtung  vor  Kaiser  Alexander  und  seiner 
Macht.  Wenn  unser  allergnädigster  Herr  den  Kaiser  Alexander  besucht, 
so  geschieht  das  nicht,  um  diesseitige  Wünsche  bei  Seiner  Zarischen 
Majestät  anzubringen,  sondern  um  seitens  des  jüngeren  befreundeten 
Kaisers  dem  älteren  verwandten  Nachbarn  seine  Liebe  und  seine  Ach- 
tung zu  beweisen.  Politik  ist  dabei  unsererseits  nicht  beabsichtigt.  Will 
Kaiser  Alexander  solche  zur  Sprache  bringen,  so  wird  er  die  ihm 
bekannten  freundlichen  Gesinnungen  wohlwollender  Neutralität  finden 
bezüglich  aller  russischen  Bestrebungen,  welche  nicht  Angriff  auf  Öster- 
reich sind. 

Das  Bedürfnis  unseres  Kaisers  ist  nur,  durch  persönlichen  Verkehr 
das  gegenseitige  Vertrauen  und  Wohlwollen  zu  befestigen,  damit  es  in 
schwierigen  Momenten  vorhanden  sei  und  als  Grundlage  der  Pflege  der 
Freundschaft  und  des  Friedens  diene.  Aus  diesem  Grunde  ist  es  wünschens- 
wert, daß  die  Monarchen  sich  öfter  begegnen  und  besuchen,  als  es 
bisher  der  Fall  gewesen  und  nicht  ausschüeßlich  darauf  angewiesen 
sind,  den  nicht  selten  trügerischen  und  interessierten  Nachrichten  Glau- 
ben zu  schenken,  welche  sie  über  die  Intentionen  und  Stimmungen 
anderer  erhalten.  Soll  ein  solches  Verhältnis  angebahnt  werden,  so 
ist  durchaus  notwendig,  daß  die  erste  Begegnung  frei  bleibe  von 
dem  Versuch  des  einen,  dem  andern  politische  Konzessionen  abzu- 
gewinnen oder  ihm  solche  durch  Anerbietungen  entgegenzutragen, 
die  von  dem  andern  nicht  erbeten  wurden.  Letzteres  erweckt  leicht 
Mißtrauen.  Der  Kaiser  von  Rußland  weiß  außerdem,  daß  er  bei  orien- 
talischen Bestrebungen,  welche  Österreich  nicht  schädigen,  auf  kein 
Hindernis  von  unserer  Seite  stoßen  würde;  er  weiß  das  amtUch,  und 
es  ist  nicht  nötig,  ihn  dessen  von  neuem  zu  versichern.  Die  nützhche 
Wirkung  eines  Besuchs  bei  Seiner  Russischen  Majestät  würde  wesent- 
lich beeinträchtigt  werden,  wenn  dabei  entweder  Wünsche  diesseits 
zur  Sprache  gebracht  würden,  deren  Erfüllung  von  Rußland  abhängt, 
oder  wenn  die  deutsche  PoUtik  durch  Zusagen  und  Versprechungen 
beschwert  werden  würde,  welche  bisher  nicht  auf  uns  lasten.  Der 
erste  Besuch  Seiner  Majestät  muß  meiner  Überzeugung  nach  ein  freund- 
schaftHcher,  nachbarlicher,  politisch  uninteressierter  sein;  ge- 
rade dann  wird  er  die  beste  politische  Wirkung  haben.  Jeder  Versuch, 
ihm  ein  politisches  Gepräge,  einen  sofortigen  und  erkennbaren  politi- 
schen Erfolg  als  Aufgabe  zu  stellen,  würde  gerade  den  politischen 
Erfolg,  den  er  haben  kann  und  soll,  schädigen  nicht  nur  nach  gemein- 
gültiger psychologischer  Berechnung  im  menschUchen  Verkehr,  sondern 
ganz  besonders  nach  der  eigentümlichen  Natur  des  Kaisers  Alexander, 
der  für  offenes  freundschaftliches  Entgegenkommen  sehr  empfänglich, 
für  jede  Art  politischer  Berechnung  aber  empfindlich  und  gegen  u  n  - 
provoziertes   Entgegenkommen  sogar  mißtrauisch  zu  sein  pflegt. 


314 


Nr.  1344 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Graf  von  Pourtales  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  178  St.  Petersburg,  den  13.  Juli  1888 

Baron  Jomini  besuchte  mich  gestern  ohne  besondere  Veranlassung, 
anscheinend  nur  mit  dem  Wunsche  zu  plaudern,  und  sprach  in  einer 
einstündigen  Konversation  ausführlich  seine  Ansichten  über  die  gegen- 
wärtige Lage  aus. 

Die  Stellung  des  Baron  Jomini  im  hiesigen  Auswärtigen  Ministe- 
rium ist  zwar  nicht  mehr  dieselbe  einflußreiche  wie  früher,  die  Äuße- 
rungen dieses  gesprächigen  Diplomaten  dürften  jedoch  die  in  den 
hiesigen  amtlichen  Kreisen  vorherrschende  Stimmung  im  allgemeinen 
richtig  wiedergeben  und  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  nicht  ohne 
Interesse  sein. 

Baron  Jomini  sprach  sein  Bedauern  darüber  aus,  daß  der  ser- 
bische Zwischenfall*  grade  jetzt  vor  der  bevorstehenden  Monarchen- 
begegnung eingetreten  sei.  Durch  die  nicht  zu  vermeidende  Berührung 
der  EventuaHtät  einer  österreichischen  Einmischung  in  die  serbischen 
Angelegenheiten  werde,  wie  er  fürchte  i,  ein  schwieriges  Moment  in 
die  in  Aussicht  stehenden  Unterredungen  hineingetragen  werden.  „Wir 
würden  uns  ja  auf  das  beste  verständigen  können,  wenn  nur  Öster- 
reich  nicht   wäre." 

Ich  fiel  dem  Baron  ins  Wort,  indem  ich  sagte,  ich  könne  seine 
Ansicht  nicht  teilen,  daß  die  Berührung  des  Themas  Österreich  bei 
den  Unterredungen,  welche  gelegentlich  der  eventuell  bevorstehenden 
Begegnung  unserer  Souveräne  stattfinden  würden,  besser  vermieden 
würde.  Unser  Verhältnis  zu  Österreich  sei  vor  aller  Welt  klar;  wenn 
bei  dem  möglicherweise  in  Aussicht  stehenden  Gedankenaustausch  von 
Österreich  die  Rede  sein  werde,  so  könne  dabei  nur  die  vermittelnde 
Rolle,  welche  wir  zwischen  der  russischen  und  österreichischen  Politik 
einnehmen,  von  neuem  hervortreten.  Sollte  hierbei  etwas  von  dem 
Mißtrauen,  welches  hier  bezüglich  unserer  österreichischen  Pohtik  im- 
mer wieder  Wurzel  fasse,  beseitigt  werden,  so  könnte  dies  unstreitig 
doch  nur  als  sehr  erfreulich  bezeichnet  werden.  Baron  Jomini  gab 
dies  zu,  wies  aber  darauf  hin,  daß  nun  einmal  die  Schwierigkeit  in 
den  deutsch-russischen  Beziehungen  in  unserem  Verhältnis  zu  Öster- 
reich liege,  und  daß  er  befürchte,  diese  Schwierigkeit  werde  nicht 
leicht  zu  beseitigen  sein. 

*  Am  12.  Juli  war  die  Königin  Natalie  von  Serbien,  die  sich  seit  längerer  Zeit 
mit  dem  Kronprinzen  in  Wiesbaden  aufhielt,  von  der  auf  Anrufung  ihres  Ge- 
mahls beorderten  dortigen  Polizeibehörde  aufgefordert  worden,  den  Kronprinzen 
herauszugeben.  Im  Verfolg  des  Eheskandals  des  serbischen  Königspaars  drohte 
die  Abdankung  König  Milans. 

315 


„Voyez  Vous'*,  so  fuhr  Herr  von  Jomini  fort,  „autrefois  on  disait, 
si  TAutriche  n'existait  pas,  il  faudrait  l'inventer."  Zu  der  Zeit,  da 
dieser  Satz  ausgesprochen  wurde,  seien  die  Rollen  Europas  anders 
verteilt  gewesen  als  jetzt.  Preußens  Aufmerksamkeit  sei  durch  den 
Rhein,  Österreichs  durch  Italien,  Rußlands  durch  den  Orient  in  An- 
spruch genommen  gewesen.  Heute,  wo  Österreich  in  Italien  nichts 
mehr  zu  suchen  habe,  seien  die  Augen  der  Habsburgischen  Monarchie 
nach  der  Balkanhalbinsel  hin  gerichtet,  und  das  könne  Rußland  auf 
die  Dauer  nicht  zugeben  2.  Im  Gegensatz  zu  dem  oben  zitierten 
Satze  müsse  daher  heute  die  Vernichtung  Österreichs  als  eine  poli- 
tische Notwendigkeit  bezeichnet  werden.  Man  habe  öfters  von  einer 
Teilung  der  Interessensphären  Rußlands  und  Österreichs  auf  der  Balkan- 
halbinsel gesprochen;  noch  vor  nicht  langer  Zeit  habe  Rußland  sich 
bereit  erklärt,  Bosnien  und  die  Herzegowina  den  Österreichern  preis- 
zugeben', wenn  sich  dieselben  nur  von  der  übrigen  Balkanhalbinsel 
fernhalten  wollten.  Statt  dessen  erstrebe  Österreich-Ungarn  nicht  nur 
in  Serbien^  eine  dominierende  Stellung,  durch  die  Eröffnung  der  Bahn 
nach  Saloniki  gelange  der  ganze  Strich  bis  zum  Ägäischen  Meere  in 
den  Bereich  der  österreichischen  Machtsphäre,  und  auch  damit  nicht 
zufrieden,  suche  Österreich  dieselbe^  bis  auf  Bulgarien  auszudehnen. 
Österreich  spreche  zwar  immer  von  unabhängigen  Balkanstaaten,  deren 
selbständige  Entwickelung  es  begünstige,  in  Wirkhchkeit  aber  bedeute 
diese  Selbständigkeit  nichts  anderes  als  die  österreichische  Oberherr- 
schaft^. Einer  solchen  Politik  Österreich-Ungarns,  welche  übrigens 
für  diese  Macht  eine  kurzsichtige  sei,  da  sie  schließlich  die  Balkan- 
halbinsel dem  französischen  und  engUschen  Handel  eröffne,  könne 
Rußland  auf  die  Dauer  nicht  gleichgiltig  zusehen  ''. 

Rußland  habe  in  seiner  PoHtik  der  letzten  zwölf  Jahre  unstreitig 
schwere,  unverzeihHche  Fehler  begangen,  und  die  österreichische  Politik 
zeige  ein  unverkennbares  Geschick  in  der  Benutzung  dieser  Fehler. 
Rußland  müsse  jetzt  seine  Fehler  damit  büßen,  daß  es  gezwungen 
sei,  sich  eine  vollständige  Zurückhaltung  in  Orientangelegenheiten  auf- 
zuerlegen. An  dieser  Haltung  sei  die  russische  Regierung  entschlossen 
solange  als  möghch  festzuhalten,  sie  werde  sich  nicht  leicht  dazu 
verleiten  lassen,  für  Bulgarien  wieder  das  Schwert  zu  ziehen.  „Aber", 
so  rief  Baron  Jomini  mit  einiger  Erregung  aus,  „das  kann  ich  Sie 
versichern,  die  Haltung,  zu  der  wir  jetzt  verurteilt  sind,  ist,  wenn  auch 
teilweise  selbst  verschuldet,  darum  nicht  minder  demütigend,  und  wenn 
Österreich  fortfährt,  in  der  bisherigen  Weise  aus  unserer  Reserve 
auf  der  Balkanhalbinsel  für  sich  Vorteil  zu  ziehen,  so  wird  das  Maß 
der  hier  gegen  diese  Macht  herrschenden  Erbitterung ^  bald  voll  wer- 
den und  überlaufen.  Das  gegen  Österreich  angesammelte  Gift  ist 
derartig,  daß  ich  einen  russisch-österreichischen  Konflikt  schon  heute 
für  unvermeidUch  halte.  Et  ce  sera  une  guerre  terrible,  une  lutte  ä 
mort.    Was  mich  dabei  bezüglich  der  Beziehungen  zwischen  Rußland 

316 


und  Deutschland  immer  mit  Sorgen  erfüllt,  ist  die  Erwägung,  daß  Ihr 
V'^erhältnis  zu  Österreich  Sie  doch  nötigt,  Österreichs  Orientpolitik  zu 
unterstützen.  Der  Satz  der  Thronrede  Kaiser  Wilhelms  II.,  welcher 
bei  Besprechung  der  Beziehungen  Deutschlands  zu  Österreich  auf  das 
dem  herkömmlichen  europäischen  Völkerrechte  entsprechende  Verhält- 
nis hinweist,  wie  es  vor  1866  bestand*,  a  fait  dresser  les  oreilles  ici^. 
Man  hat  sich  der  Verhandlungen  zur  Zeit  des  Krimkrieges  erinnert, 
wo  die  Frage  ventiliert  wurde,  ob  nicht  das  Bundesverhältnis,  in  wel- 
chem sich  Preußen  zu  Österreich  befand,  Preußen  die  Verpflichtung 
auferlege,  bei  einem  Eintritt  Österreichs  in  den  Kampf  auch  an  dem- 
selben teilzunehmen.  Wenn  nun  wirklich  gewissermaßen  eine  Rück- 
kehr zu  dem  früheren  Verhältnis  zwischen  Österreich  und  Preußen 
stattgefunden  hat,  und  es  z.  B.  wegen  Bulgariens  schließlich  zum  Kampfe 
kommen  sollte,   wie  würde  dann  sich   Deutschland  verhalten?" 

Ich  verwies  den  Baron  auf  die  Rede  Euerer  Durchlaucht  vom 
6.  Februar  d.Js.**,  in  der  die  Grenzen,  innerhalb  welcher  Österreich  auf 
unsere  Unterstützung  rechnen  könnte,  klar  genug  angedeutet  seien;  an 
unserem  Standpunkte  habe  sich  seitdem  nichts  geändert;  ein  aktives 
Vorgehen  Österreichs  auf  der  Balkanhalbinsel  werde  von  uns  sicherlich 
nicht  begünstigt,  geschweige  denn  unterstützt  werden;  dagegen  sei  ihm 
ebenso  wie  mir  bekannt,  daß  nach  Euerer  Durchlaucht  Ansicht  Öster- 
reich-Ungarn eine  gewisse  Sphäre  1°  zur  Ausübung  seines  Einflusses  auf 
der  Balkanhalbinsel  billigerweise  zugestanden  werden  sollte.  Ich  ver- 
suchte sodann  einzelne  Anklagen,  welche  Baron  Jomini  gegen  die  öster- 
reichisch-ungarische Politik  erhoben  hatte,  insbesondere  die  Behaup- 
tung, daß  dieselbe  ihren  Einfluß  auch  auf  Bulgarien  auszudehnen 
trachte,  zu  widerlegen.  An  die  Fabel  der  panslawistischen  Presse, 
daß  Prinz  Ferdinand  von  Koburg  ,,ein  österreichischer  Usurpator"  sei, 
könne  er  doch  gewiß  selbst  nicht  ernstlich  glauben.  Baron  Jomini  war 
keineswegs  geneigt,  die  über  den  Prinzen  Ferdinand  in  der  hiesigen 
öffentHchen  Meinung  verbreiteten  Ansichten  als  Fabel  zu  bezeichnen: 
„Glauben  Sie  mir,  die  Sendung  des  Prinzen  von  Koburg  war  ein  sehr 
geschicktes  ungarisches  Manöver.  Wenn  dem  Wiener  Kabinett  nicht 
daran  läge,  den  Prinzen  in  Bulgarien  weiter  schalten  und  walten  zu 
lassen,  so  würden  die  Mittel  zu  seiner  Entfernung  und  zur  Wieder- 
herstellung geordneter  Verhältnisse  im  Fürstentum  schon  längst  ge- 
funden worden  sein".    Rußland  würde  sich  jetzt  in  Bulgarien  mit  sehr 

*  Der  Passus  der  bei  Eröffnung  des  Reichstags  am  25.  Juni  verlesenen  Thronrede 
lautete:  „Unser  Bündnis  mit  Österreich-Ungarn  ist  öffentlich  bekannt.  Ich  halte 
an  demselben  in  deutscher  Treue  fest;  nicht  bloß,  weil  es  geschlossen  ist,  sondern 
weil  ich  in  diesem  defensiven  Bunde  eine  Grundlage  des  europäischen  Gleich- 
gewichtes erblicke,  sowie  ein  Vermächtnis  der  deutschen  Geschichte,  dessen  In- 
halt heute  von  der  öffentlichen  Meinung  des  gesamten  deutschen  Volkes  getragen 
wird  und  dem  herkömmlichen  europäischen  Völkerrechte  entspricht,  wie  es  bis 
1866  in  unbestrittener  Geltung  war." 
**  Vgl.  Nr.  1329,  S.  279,   Fußnote  ***. 

317 


wenigem  begnügen,  an  eine  Wiederherstellung  seines  dortigen  Ein- 
flusses in  dem  früheren  Umfange  denke  es  gar  nicht.  Es  verlange  nur 
Beseitigung  des  jetzigen  illegalen  Regimes,  wodurch  Rußland  die  Mög- 
lichkeit der  Wiederherstellung  diplomatischer  Beziehungen  mit  dem 
Fürstentum  gewährt  würde.  Das  weitere  werde  sich  dann  von  selbst 
finden.  In  der  Wahl  der  PersönHchkeit  eines  diplomatischen  Vertreters 
Rußlands  würde  man  gewiß  jetzt  die  äußerste  Vorsicht  übenn." 

Auf  meine  Einwendung,  es  sei  doch  in  hohem  Grade  bedauerlich, 
daß,  wie  er  anzunehmen  scheine,  eine  Verständigung  zwischen  Ruß- 
land und  Österreich  außer  dem  Bereiche  der  Möglichkeit  liege,  während 
doch  große  vitale  Interessen  Rußlands  bei  all  den  vorerwähnten  Fragen 
nicht  auf  dem  Spiele  ständen,  fiel  mir  der  Baron  Jomini  ins  Wort  und 
sagte:  „C'est  parfaitement  juste,  nous  n'avons  pas  besoin  de  la  Bulgarie, 
ce  n'est  que  les  detroits  ou  plutot  la  fermeture  des  detroits  qu'il  nous 
faut;  mais  le  reste  est  une  question  d'amour  propre  i^".  Als  ich  darauf 
erwiderte,  ein  Konflikt  pour  une  question  d'amour  propre  sollte  doch 
zu  vermeiden  sein  können,  meinte  Baron  Jomini,  die  Schuld  daran, 
daß  dies  nicht  möglich  sei,  treffe  lediglich  Österreich-Ungarn.  Durch 
die  intemperances  de  langage  im  ungarischen  Parlament  und  in  der 
ungarischen  Presse  werde  das  russische  Selbstgefühl  fortwährend  in 
einer  Weise  verletzt,  die  jetzt  kaum  mehr  wiedergutzumachen  sei. 
Der  Baron  benutzte  diese  Gelegenheit  zu  einigen  Ausfällen  gegen  den 
Grafen  Kälnoky,  welcher  nun  einmal  nicht  die  Gabe  besitze,  bei  seinen 
Äußerungen  vor  parlamentarischen  Körperschaften  seine  Zunge  im 
Zaum  zu  halten.  Ich  erlaubte  mir,  Baron  Jomini  auf  die  sehr  gemäßigte 
Sprache,  die  Graf  Kälnoky  bei  der  jüngsten  Delegationssitzung*  geführt 
habe,  hinzuweisen,  und  sagte:  Wenn  die  im  ungarischen  Parlament 
bei  wiederholten  Gelegenheiten  gefallenen  unvorsichtigen  Äußerungen 
ein  Hauptgrund  der  hier  gegen  Österreich  entstandenen  Verstimmung 
gewesen  seien,  so  schiene  mir  diese  Verstimmung  doch  nachlassen  zu 
müssen,  wenn,  wie  ja  begründete  Hoffnung  dazu  vorhanden  sei,  in 
Zukunft  die  Ausfälle  gegen  Rußland  im  ungarischen  Parlament  ver- 
mieden würden.  Baron  Jomini  gab  zu,  daß  Graf  Kälnoky  in  diesem 
Jahre  vorsichtiger  gesprochen  habe  als  in  früheren;  er  brauchte  dabei 
dieselben  Worte,  deren  sich  Herr  von  Giers  neulich  mir  gegenüber  be- 
dient hatte:  „on  a  en  effet  ete  plus  convenable",  immerhin  habe  der 
österreichisch-ungarische  Minister,  ohne  allerdings  Rußland  zu  nennen, 
von  Mächten  gesprochen,  die  den  Frieden  Europas  bedrohen,  während 
doch  die  einzige  Macht,  die  dies  wirklich  tue,  Österreich  sei. 

Ich  machte  den  Baron  Jomini  darauf  aufmerksam,  daß,  wenn  auch 


*  Am  14.  Juni  1888  hatte  Graf  Kälnoky  im  Delegationsausschuß  ein  Expose  über 
die  auswärtige  Politik  gegeben,  das  zwar  das  Nachlassen  der  weltpolitischen 
Spannung  gegenüber  dem  voraufgegangenen  Winter  betonte,  aber  doch  darauf  hin- 
wies, daß  von  den  Ursachen,  die  früher  die  Besorgnisse  um  den  Weltfrieden 
hervorriefen,  keine  geschwunden  sei. 

318 


die  Bestrebungen  der  hiesigen  Regierung  i^  ganz  oline  Zweifel  auf 
die  Erfialtung  des  Friedens  gerichtet  seien,  doch  unleugbar  hier  Strö- 
mungen existierten,  welche  offenkundig  auf  die  Störung  des  Friedens 
hinarbeiteten.  Er  habe  mir  soeben  die  berechtigten  griefs,  welche 
Rußland  gegen  Österreich  habe,  aufgezählt;  diesen  müßten  doch  auch 
die  von  österreichischer  Seite  gegen  Rußland  erhobenen  Beschwerden 
gegenüber  gehalten  werden.  Ich  brauche  bloß  auf  die  unaufhörlichen 
Klagen  der  Österreicher  über  die  die  ganze  Balkanhalbinsel  umfassende, 
in  vielen  Fällen  von  amthchen  russischen  Vertretein  unterstützte  pansla- 
wistische  Propaganda,  sowie  andererseits  auf  die  Haltung  der  pan- 
slawistischen  Presse  Österreich  gegenüber  hinzuweisen.  Baron  Jomini 
wollte  natürlich  die  österreichischen  Anschuldigungen  gegen  russische 
Agenten  nicht  gelten  lassen  und  bezeichnete  dieselben  als  Erfindungen. 
Nur  von  Herrn  Hitrowo  gab  er  zu,  daß  derselbe  vielleicht  manchmal 
etwas  unvorsichtig  sei,  im  allgemeinen  werde  dieser  Diplomat  sehr 
verleumdet. 

Wie  dem  auch  sei,  fuhr  ich  fort,  wenn  wirklich  keine  vitalen  Inter- 
essen vorlägen,  welche  Rußland  zu  einem  Kriege  veranlaßten,  der  nach 
seinen  im  Anfange  unserer  Unterredung  gebrauchten  Worten  mit  der 
Vernichtung  Österreichs  endigen  müßte,  so  gäbe  es  doch  einen  Ge- 
sichtspunkt, welcher  für  Rußland  ebenso  wie  Deutschland  die  Erhal- 
tung der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  notwendig  mache,  näm- 
lich die  gemeinsame  Abwehr  der  drei  Kaiserreiche  gegen  die  Revolu- 
tion. Ich  wies  dabei  darauf  hin,  daß  die  Entstehung  südslawischer  Re- 
publiken, welche  die  Zerstückelung  Österreich-Ungarns  unfehlbar  zur 
Folge  haben  würde,  schheßUch  für  Rußland  und  den  Bestand  seiner 
monarchischen  Institutionen  noch  größere  Gefahren  mit  sich  führen 
würde  als  für  uns. 

Baron  Jomini  konnte  hiergegen  nichts  anderes  einwenden,  als 
daß  Österreich-Ungarn  bei  seiner  Unterstützung  des  gegenwärtigen 
Regimes  in  Bulgarien  schließlich  nur  die  Anarchie  unterstütze.  Alle 
Balkanstaaten  seien  schon  jetzt  des  foyers  d'anarchie  und  würden  von 
Österreich-Ungarn,  weil  es  seiner  jetzigen  Politik  so  passe,  als  solche 
unterhalten. 

Was  im  übrigen  die  friedensfeindlichen  Elemente  in  Rußland  und 
deren  Einfluß  auf  die  russische  Politik  anbetreffe,  so  dürfe  man  deren 
Bedeutung  nicht  überschätzen  i^.  Die  Regierung  besitze  so  viel  Macht  i^, 
daß  sie  sich  an  das  Geschrei  der  Hetzer  nicht  zu  kehren  brauche  i^. 
Allerdings  müsse  er  zugeben,  daß  hier  manche  Dinge  vorkämen,  die 
im  Auslande  über  die  hiesigen  Verhältnisse  falsche  ^^  Vorstellungen 
erwecken  müßten.  Dies  sei  aber  zum  großen  Teil  auf  die  Unnahbar- 
keit des  Zaren  und  das  mangelnde  Verständnis  des  Monarchen  für 
gewisse   Dinge   zurückzuführen. 

„Sehen  Sie  z.  B.",  meinte  Herr  von  Jomini,  „als  in  diesem  Früh- 
jahr im  selben  Augenblick,  da  Boulanger  wieder  in  Frankreich  in  die 

319 


Höhe  zu  gelangen  schien,  die  Ernennung  des  Generals  Bogdanowitsch 
als  Mitglied  des  Konseils  im  Ministerium  des  Innern,  die  Dekorierung 
des  Generals  Baranow  und  die  Wahl  des  Grafen  Ignatiew  zum  Prä- 
sidenten des  Slawischen  Wohltätigkeitsvereins  erfolgte,  waren  Herr 
von  Giers  und  wir  alle  außer  uns,  weil  wir  uns  wohl  bewußt  waren, 
welchen  Übeln  Eindruck  dies  im  Auslande  machen  würde.  Als  aber 
Herr  von  Giers  den  Versuch  wagte,  Seiner  Majestät  in  diesem  Sinne 
Vorstellungen  zu  machen,  erwiderte  der  Zar,  er  begreife  nicht,  wie  es 
jemandem  im  Auslande  einfallen  könne,  sich  darum  zu  kümmern,  wenn 
er  nichts  anderes  tue  als  „empecher  un  pauvre^^  diable  de  crever 
de  faim". 

Am  Schluß  unseres  Gesprächs  kam  Herr  von  Jomini  noch  von 
selbst  auf  die  hiesige  Presse  und  deren  mit  den  Intentionen  der  Re- 
gierung keineswegs  übereinstimmende  Haltung  in  auswärtigen  Fragen 
zu  sprechen.  „Leider",  rief  Baron  Jomini  aus,  „hat  man  die  Presse, 
um  sie  zu  verhindern,  sich  mit  inneren  Angelegenheiten  zu  befassen, 
dazu  ermutigt,  sich  viel  mehr,  als  wünschenswert  ist,  mit  der  aus- 
wärtigen Politik  zu  beschäftigen i^".  F.  Pourtales 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
^  [„fürchte"   eingeklammert  dafür:]   „hoffe!" 

2  u[nd]  früher?   Prinz  Eugen?   Joseph  II.?    Rußland  ist  anspruchvoller  geworden 
u[nd]  will  das  Ganze 

3  u[ndi  Serbien? 
*  natürlich! 

'"  zu  Unrecht 

6    I? 

■^  warum  denn   nicht? 

8  das  war  nach  dem  Krimkrieg  (1859)  noch  viel  stärker  wie  heut! 

9  gut! 

10  Serbien! 

'2  asiatischer  Selbstüberschätzung 

13    ? 

•*  („falsche"  eingeklammert] 
'5  („pauvre"  eingeklammert] 
1^  davon  muß   man  die  Consequenzen  tragen! 


Nr.  1345 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Peterhof 

Reinschrift.  Teilweise  eigenhändig 

Peterhof,  den  22.  Juli  1888 
Als  ich  Herrn  von  Giers  vorgestern  meinen  Besuch  machte*,  be- 
wegte   sich    unsere    Unterhaltung    während    der    ersten    Viertelstunde 


*  Vgl.  Nr.  1343,  Fußnote. 
320 


im  Rahmen  verbindlicher  Gemeinplätze  über  das  Erfreuliche  des  kaiser- 
lichen Besuches.  Ich  hob  dabei  hervor,  daß  ich  mir  für  die  Zukunft 
eine  ersprießliche  Wirkung  von  den  persönlichen  Beziehungen  unserer 
Kaiser  im  Sinne  der  Stärkung  der  Dynastien  und  des  Friedens  ver- 
spräche, und  gab  der  Hoffnung  Ausdruck,  daß  wiederholte  Begegnungen 
der  beiden  Monarchen  diese  Wirkung  immer  mehr  verstärken  würden. 

Herr  von  Giers  schien  erwartet  zu  haben,  daß  ich  die  Initiative 
zur  Berührung  poUtischer  Fragen   ergreifen  würde. 

Ich  schloß  das  aus  einer  gewissen  Verlegenheit  im  Ton,  mit  der 
er  schließlich  zögernd  sagte:  „In  Anbetracht  unserer  beiderseitigen 
amthchen  Stellung  werden  wir  es  doch  nicht  vermeiden  können,  politische 
Themata  zu  abordieren,  und  da  möchte  ich  mich  zunächst  dahin  aus- 
sprechen, daß  die  gegenwärtige  allgemeine  politische  Lage  mir  mehr  An- 
laß zur  Zufriedenheit  gibt  als  seit  langer  Zeit.  Die  Situation  in  Bulgarien 
ist  für  uns  noch  nicht  voll  befriedigend;  wir  werden  aber  keine  Initiative  er- 
greifen, um  dort  Wandel  zu  schaffen;  es  fehlen  dazu  die  Vorbedingungen 
und  die  Handhaben.  Den  Prinzen  Ferdinand  von  Koburg  können  wir 
niemals  anerkennen;  wir  werden  uns  ihm  gegenüber  aber  passiv  ver- 
halten und  abwarten,  bis  er  sich  verbraucht  hat.  Dieses  würde  voraus- 
sichtHch  bald  eintreten,  wenn  die  österreichische  Regierung  sich  um  Bul- 
garien ebensowenig  kümmern  wollte,  wie  die  deutsche  es  tut. 

Als  ich  hier  einschaltete,  daß  meines  Wissens  Österreich  sich  mit 
Bezug  auf  Bulgarien  in  letzter  Zeit  doch  ganz  korrekt  benommen,  und 
daß  auch  Graf  Kälnoky  in  den  Delegationen  alles  vermieden 
hätte,  was  wie  eine  unberechtigte  Einmischung  in  die  bulgarischen 
Angelegenheiten  hätte  ausgelegt  werden  können,  meinte  Herr  von 
Giers:  „Dem  äußern  Anschein  nach  haben  Sie  wohl  recht,  und  ich 
vermag  Ihnen  im  einzelnen  nicht  positive  amthche  Handlungen  der 
österreichischen  Regierung  anzuführen,  über  welche  ich  mich  beschwe- 
ren müßte.  Immerhin  hat  Graf  Kälnoky  in  den  Delegationen  im  Hin- 
blick auf  bestimmte  Maßnahmen  vom  „Feinde"  gesprochen,  und  dieser 
Feind  kann  für  Österreich  nur  Rußland  seini.  Wenn  Deutschland 
sich  mihtärisch  stärkt,  so  begreift  das  jedermann  bei  der  Unsicherheit 
seiner  Beziehungen  zu  Frankreich;  Österreich  aber  kann  mit  keiner  an- 
dern Macht  als  mit  uns  in  Händel  geraten  2,  und  insofern  war  die 
Qualifizierung  als  „Feind"  immerhin  unverbindlich*.  Außerdem  wirkt 
in  Bulgarien  österreichischer  Einfluß  unter  der  Oberfläche.  Da  wir 
dort  keine  Vertretung  haben,  so  erhalte  ich  seit  Jahr  und  Tag  keine 
amtlichen  Berichte  über  bulgarische  Zustände  und  bin  infolgedessen 
wenig  informiert  3.  Soviel  wissen  wir  aber  doch,  daß  in  Bulgarien 
allgemein  der  Einfluß  des  österreichischen  Vertreters  Burian  maßgebend 
ist,  und  daß  Herr  Burian  diesen  Einfluß  reichlich  ausübt.  Es  ist  nicht 
zu  verwundern,  daß  wir  hierüber  ein  malaise  empfinden,  zumal    wir 


*  Vgl.  Nr.  1344,  S.  318,  Fußnote. 

21    Die  Große  Politik.  6.  Bd.  321 


uns  in  Serbien  gänzlich  zurückhalten.  In  dieser  Beziehung  steht  die 
Partie  nicht  egal;  österreichischerseits  fehlt  das  fair  play*.  Alle  Ver- 
sicherungen des  Grafen  Kälnoky  nutzen  uns  nichts,  solange  die  öster- 
reichische Vertretung  in  Sofia  nicht  andere  Richtschnuren  für  ihre  Hand- 
lungen einnimmt.  Wir  müssen  doch  immer  den  Moment  des  Ver- 
schwindens  des  Koburgers  im  Auge  behalten  und  würden  in  keiner 
annehmbaren  Situation  sein,  wenn  beim  Eintritt  desselben  es  sich 
herausstellte,  daß  alle  gewaltigen  Opfer  an  Blut  und  Geld  im  letzten 
Türkenkriege  umsonst  gewesen  sind  und  sogar  der  Stärkung  des  öster- 
reichischen Einflusses  zugute  kommen". 

Im  ganzen  war  die  Tonart  des  Ministers  bezüglich  Bulgariens  die- 
selbe, welche  in  dem  anliegenden  Berichte  des  Botschafters  von  Schwei- 
nitz  vom  20.  er,  wiedergegeben  ist.  Herr  von  Giers  schloß  seine  bul- 
garischen Auseinandersetzungen  damit,  daß  er  sagte:  „Vous  verrez  que 
l'Empereur  Vous  parlera  dans  le  meme  sens,  car  TAutriche  est  son 
jdada';  Sa  Majeste  a  personnellement  confiance  en  l'Empereur  Francois 
Joseph,  mais  il  se  mefie  de  la  politique  autrichienne  en  general". 

Ich  bemerkte  nur,  daß  wir  als  Freunde  Rußlands  das  Unbehagen 
beklagten^  welches  Bulgarien  unserm  Nachbar  verursache.  Sei  die 
russische  Regierung  aber  so  unzufrieden  mit  den  dortigen  Zuständen, 
daß  sie  dieselben  für  dauernd  unannehmbar  hielte,  so  müßte  sie  ihrer- 
seits Maßregeln  vorbereiten  und  Vorschläge  machen,  welche  geeignet 
seien,  Remedur  zu  schaffen.  Wir  könnten  uns  nicht  Rußlands  Kopf 
darüber  zerbrechen,  was  es  in  bezug  auf  Bulgarien  zu  tun  hätte.  Un- 
seres moralischen  und  diplomatischen  Beistandes  sei  Rußland  immer 
gewiß,  wenn  es  die  Initiative  ergreifen  wollte,  um  in  Bulgarien  Zu- 
stände herbeizuführen,  welche  dem  Geiste  des  Berliner  Vertrages  und 
unseren  Verabredungen  entsprächen;  dieser  Spielraum  sei  ein  sehr 
weiter;  Rußland  müsse  verstehen,  denselben  wahrzunehmen,  und  es  ent- 
spräche seiner  Großmachtsstellung  nicht,  sich  lediglich  der  etwaigen 
Einfälle  fremder  Staatsmänner  bedienen  zu  wollen.  Wir  wären  schon 
räumlich  in  der  Unmöglichkeit,  in  Bulgarien  etwas  initiativ  für  Rußland 
zu  tun.  Daß  unsere  Unterstützung  ihm  stets  gewiß  wäre,  habe  er  aber 
noch  Ende  Februar  d.  Js.  sehen  können,  wo  wir  uns  Rußlands  Dank  ver- 
dienten durch  unsern  Anschluß  an  die  Demarche  in  Konstantinopel, 
welche  den  Sultan  zur  Stellungnahme  gegen  den  Koburger  veranlaßte. 
Wenn  wir  etwa  Schwierigkeiten  mit  der  Schweiz  hätten,  welche  für 
Rußland  ebenso  unerreichbar  wäre  wie  Bulgarien  für  uns,  so  würden  wir 
sofort  nach  eigenem  Plan  verfahren  und  für  Rußlands  demnächstige 
diplomatische  Unterstützung  sehr  dankbar  sein,  niemals  aber  uns  ein- 
fallen lassen,  die  Hände  in  den  Schoß  zu  legen  in  der  unberechtigten 
Erwartung,  daß  eine  fremde  Großmacht  unsere  Geschäfte  besorgen 
sollet. 

Herr  von  Giers  bemerkte  hierauf  mit  einem  Seufzer,  daß  meine 
Äußerung  wohl  zutreffend  sei,  daß  aber  Rußland  doch  nicht  anders  als 

322 


abwartend  verfahren  könne.  „Und  doch,"  setzte  er  hinzu,  ,,wäre  es  so 
schön,  wenn  nur  der  Koburger  verschwinden  wollte;  wir  könnten  uns 
dann  jahrelang  einer  ungetrübten  Ruhe  erfreuen.  Le  Cobourg  est  tou- 
jours  une  epine  dans  notre  chair;  nous  tächons  de  l'oublier,  mais  du 
moment  que  nous  jetons  les  yeux  sur  la  Bulgarie,  nous  sentons  tou- 
jours  Tepine  et  nous  sommes  pas  ä  meme  de  la  retirer".  Als  ich  diesem 
schwächlichen  Ausbruch  von  hülfloser  Impotenz  nur  Schweigen  ent- 
gegensetzte, ließ  Giers  das  Thema  fallen  und  ging  auf  Serbien  über. 
„Ich  habe  die  größte  Besorgnis",  —  sagte  er  —  ,,daß  Österreich  sich  ge- 
legentlich veranlaßt  sehn  könnte,  in  Serbien  einzurücken,  dies  würde 
uns  in  die  denkbar  schwierigste  Lage  bringen,  denn  wir  könnten  einen 
solchen  Gewaltakt  nicht  ruhig  geschehn  lassen". 

Ich  erwiderte:  ,, Weshalb  beschweren  Sie  sich  mit  Sorgen,  die  nicht 
aktuell  sind?  Österreich  denkt  nicht  daran,  Serbien  zu  besetzen,  da  dazu 
auch  nicht  die  mindeste  Veranlassung  vorliegt.  Nachdem  jetzt  der  Zwist 
zwischen  König  und  Königin  bewiesen  hat,  daß  letztere  gar  keinen 
Anhang  in  Serbien  hat,  da  der  Austrag  der  Differenz  trotz  recht  unge- 
schickter Handhabung  seitens  der  serbischen  Organe  auch  nicht  die 
geringste  Erschütterung  in  Serbien  hervorgerufen  hat,  so  ist  daraus 
zu  schließen,  daß  König  Milan  fester  sitzt  denn  zuvor,  und  daß  Kom- 
plikationen für  ihn  nicht  einzutreten  brauchen,  solange  sein  Sohn  mi- 
norenn bleibt".  Herr  von  Giers  hatte  dem  nichts  entgegenzusetzen, 
sprach  aber  doch  noch  eine  ganze  Weile  über  Serbien  und  betonte  be- 
sonders, wie  nichts  mehr  Rußlands  friedliche  Dispositionen  beweise 
als  sein  Verfahren  in  Serbien:  der  russische  Gesandte  in  Belgrad*  er- 
halte eine  Instruktion  nach  der  andern,  daß  er  sich  vollkommen  effa- 
zieren  und  jeder  Komplikation  vorbeugen  solle:  ,,je  ne  fais  qu'ecrire  ä 
Persiani:  calmez,  calmez  avant  tout;  pourquoi  Kälnoky  ne  pense-t-il  faire 
autant  par  rapport  ä  l'attitude  de  Burian  ä  Sofia?" 

Als  Giers  sah,  daß  ich  keine  Anstalten  machte,  auf  seine  retho- 
rische  Frage  weiter  einzugehen,  ging  er  auf  die  Presse  und  die  wirt- 
schaftlichen Beziehungen  unserer  Reiche  über:  er  gab  die  schönsten 
Versicherungen  bezüglich  seiner  Bemühungen  in  preßlicher  Hinsicht 
ab.  Ich  räumte  ein,  daß  es  in  letzter  Zeit  allerdings  mit  der  Deutschen- 
hetze in  den  russischen  Zeitungen  etwas  besser  geworden  sei:  es  hieße 
aber  da  wie  überall  „men,  not  measures",  und  solange  ein  so  er- 
schöpfter Greis  wie  Tolstoi  Innerer  Minister  bliebe,  sei  auf  dauernden 
Wandel  schwerlich  zu  hoffen.  Dies  war  Herrn  von  Giers  augenschein- 
lich aus  der  Seele  gesprochen,  er  begleitete  meine  Äußerung  mit  einem 
klagenden  Aufblick  seiner  matten  Augen  und  begann  demnächst  einen 
Panegyrikus  auf  den  anderen  Kollegen,  Wyschnegradski**.  Letzterer 
beschäftige  sich  schon  seit  längerer  Zeit  mit  der  Frage  der  Verbesserung 

*  Staatsrat  Persiani. 

**  Minister  der  Finanzen. 

21.  323 


unserer  zollpolitischen  Beziehungen:  er  studiere  jetzt  unser  Zollsystem, 
welches  mit  seinen  vorzüglichen  Beamten  und  Einrichtungen  so  unend- 
lich viel  besser  sei  als  das  mit  ungebildeten  und  betrügerischen  Organen 
operierende  russische.  Er  habe  ein  umfangreiches  Promemoria  ausge- 
arbeitet, welches  Herr  von  Giers  gelesen  und  im  Schubfach  zu  haben 
behauptete.  Herr  von  Giers  meinte,  es  sei  darin  nachgewiesen,  daß  die 
Verschiedenheit  der  Kohlenzölle  eine  differentielle  Behandlung  Deutsch- 
lands tatsächlich  nicht  in  sich  schlösse  3;  „leider  verstehe  ich  zu  wenig 
von  diesen  Dingen,  um  mit  Ihnen  darüber  amtlich  sprechen  zu  können. 
Wir  wünschen  aber  noch  im  Laufe  dieses  Jahres  auf  Grund  der  An- 
schauungen meines  Finanzkollegen  Verhandlungen  mit  Ihnen  anzu- 
bahnen 6,  denn  die  Zollplackereien  sind  nicht  nur  lästig,  sondern  beein- 
flussen auch  bei  dem  hochgetriebenen  wirtschaftlichen  Kampfe  unsrer 
Zeit  die  politischen  Auffassungen  der  Völker". 

Ich  erwiderte:  „Wir  werden  selbstverständhch  Anträge,  die  von 
Ihnen  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  kommen,  mit  aller  Rücksicht  auf- 
nehmen und  prüfen;  sollten  dieselben  aber  zu  nichts  führen,  so  möchte 
ich  doch  schon  jetzt  hervorheben,  daß  die  wirtschaftlichen  und  die 
poHtischen  Beziehungen  großer  Staaten  an  sich  miteinander  nichts  zu 
tun  haben.  Wir  haben  zur  Zeit  der  intimsten  Beziehungen  zwischen 
Preußen  und  Rußland  stets  über  wirtschaftHche  Schwierigkeiten  zu 
klagen  gehabt,  die  sogar  vor  mehr  als  60  Jahren  zwischen  den  damals 
in  engster  Freundschaft  stehenden  Monarchen  zu  Sperrmaßregeln  führ- 
ten, von  denen  wir  jetzt  weit  entfernt  sind:  es  hat  dies  auf  die  Innig- 
keit des  poHtischen  Zusammenhaltens  niemals  zurückgewirkt  und 
braucht  das  auch  jetzt  nicht  zu  tun.  Wir  stehen  der  Frage  eines  wirt- 
schaftüchen  Ausgleiches  sehr  kühl  gegenüber,  da  wir  nach  Rußland 
hin  kaum  noch  etwas  zu  verlieren  haben.  Der  russische  Export  nach 
Deutschland  ist  noch  heute  etwa  dreifach  so  groß  als  umgekehrt,  und 
aller  Schaden,  den  Sie  uns  in  dieser  Hinsicht  zufügen  könnten,  ist  uns 
bereits  angetan;  wir  haben  uns  darauf  eingerichtet  und  andere  Absatz- 
gebiete gefunden,  in  denen  wir  erfolgreich  mit  England  konkurrieren, 
und  die  eine  noch  vielversprechende  Zukunft  verheißen.  Demgegenüber 
fallen  die  wenigen  Millionen,  deren  Wert  wir  jetzt  noch  nach  Rußland 
einführen,  nicht  in  Betracht". 

Herr  von  Giers  schien  auf  die  von  mir  angeschlagene  Tonart  nicht 
gefaßt  gewesen  zu  sein;  er  rückte  verlegen  auf  seinem  Stuhl  und  brachte 
schließlich  heraus:  „aber  wir  leiden  unter  den  jetzigen  Verhältnissen, 
unsre  Zölle  sind  teilweise  zu  hoch  gespannt,  sodaß  sie  uns  selbst 
schädigen,  und  wir  wünschen  auf  einen  doch  sicher  für  beide  Teile 
fruchtbringenden  Ausgleich  und  Austausch  zu  kommen".  Als  ob  er 
fürchtete,  zuviel  gesagt  zu  haben,  gab  er  dann  noch  einmal  mit  stot- 
ternder Hast  die  überflüssige  Versicherung  ab,  daß  ihm  diese  Materie 
fremd  sei,  und  daß  er  deshalb  eigentlich  nur  en  amateur  darüber  spre- 
chen könnte,  — 

324 


Ich  ging  hierauf  noch  einmal  auf  die  großen  Vorzüge  der  Kaiser- 
entrevue über  und  machte  Anstalten,  mich  zu  empfehlen.  Herr  von  Giers 
bat  mich  aber,  noch  zu  verweilen,  und  kam  mit  beträchtlichen  Um- 
schweifen auf  die  ihm  von  Graf  Schuwalow  eingegebene  Idee  der 
Publikation  gewisser  Verabredungen*  zu  reden:  als  ich  ihn  interessiert, 
aber  wortlos  ansah,  fragte  er  direkt:  „Was  ist  denn  Ihre  Meinung 
darüber?"  Ich  antwortete,  ich  glaube  nicht,  daß  bei  uns  irgendwelche 
Bedenken  gegen  Graf  Schuwalows  Idee  obwalten  würden;  wenn  Herr 
von  Giers  einen  diesbezüglichen  Antrag  stellen  wolle,  so  würde  unsere 
Zustimmung  ihm   gewiß  sein. 

Giers  meinte  darauf:  ,,C'est  pourtant  une  grosse  affaire,  je  dois 
Vous  dire  que  l'idee  m'effarouche.  II  faudrait  au  moins  encore  quelques 
mois  de  reflection,  car  aujourd'hui  je  ne  peux  pas  me  former  une 
opinioii  sur  l'effet  qu'une  teile  publication  produirait".  Ich  replizierte: 
„Faites  comme  Vous  voudrez;  nous  sommes  contents  de  nos  relations 
actuels  et  nous  avons  entiere  confiance  en  l'Empereur  Alexandre,  dont 
il  me  parait  que  nous  pouvons  tres-bien  ajourner  cette  question''. 
Wahrscheinlich  war  Giers  auf  diesen  gleichgültigen  Ton  nicht  gefaßt: 
er  sprach  zunächst  unzusammenhängend  von  der  Wichtigkeit  und  der 
Bedeutung  eines  secret,  ging  dann  mit  einem  salto  mortale  auf  die 
Ängstlichkeit  und  Unberechenbarkeit  des  Sultans  über  und  drückte  seine 
Besorgnis  aus,  England  könne  gelegentlich  unter  einem  jungen  unter- 
nehmenden Minister  einen  ähnlichen  Gewaltstreich  angesichts  des  un- 
vorbereiteten Europas  gegen  Konstantinopel  ausführen  wie  1882  gegen 
Alexandrien  und  Ägypten.  Die  guten  Früchte  jenes  1882^'^  Gewalt- 
streichs könnten  England  einmal  zu  einer  Wiederholung  einer  so  brüsken 
Politik  auffordern,  und  dies  würde  doch  sehr  gefährlich  werden  können. 

Ich  hielt  es  nicht  für  nützlich,  dieser  Illusion  des  Herrn  von  Giers 
über  den  englischen  Unternehmungsgeist  entgegenzutreten,  und  be- 
schränkte mich  auf  die  Bemerkung,  daß  solche  Möglichkeit  allerdings 
nicht  ausgeschlossen  sei.  — 

Der  Zar  hat  trotz  Giers'  Prophezeiung  in  meiner  Audienz,  über 
die  ich  noch  berichten  werde,  seines  „dada"  Österreich  gar  nicht  gedacht: 
vermutlich  hat  also  Giers,  den  ich  im  Vorzimmer  nach  seinem  Vortrag 
sprach,  ihm  dies  ausgeredet.  H.  Bismarck 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  Warum? 

"  es  hat  noch  keinen   russ[ischen]  Krieg  geführt,  wohl  aber  viele  französlische] 
ulndj  einige  ital[ienische],  auch   türkische 

8    ? 

*  ulnd]  Hitrowo? 

^  sehr  richtig 

'^'  wird  zu  nichts  führen 


*  Näheres  über  die  Schuwalowsche  Idee  einer  Veröffentlichung  des  Rückversiche- 
rungsvertrags ist  in  den  Akten  nicht  enthalten. 

325 


Nr.  1346 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck,  z.  Z.  an  Bord  S.  M.  Y.  ,,Hohenzollern" 

Eigenhändig 

S.M.J.  „Hohenzollern'S  den  25.  Juli  1888 

Am  Sonntag,  den  22.  er.  hatte  ich  die  Ehre,  von  Seiner  Majestät 
dem   Kaiser  von   Rußland  in   Privataudienz   empfangen   zu   werden. 

Ich  hatte  Herrn  von  Giers  am  Tage  unserer  Ankunft  gesagt,  daß 
ich  sehr  glücklich  sein  würde,  dem  Zaren  persönlich  meine  Auf- 
wartung machen  zu  dürfen,  und  erhielt  am  21.  abends  ein  Schreiben 
des  Ministers,  welches  mich  für  den  nächsten  Nachmittag  auf  3  Uhr 
in   die  kaiserliche  Villa  Alexandrie   bestellte. 

Als  ich  dort  kurz  vor  der  festgesetzten  Zeit  eintraf,  wurde  mir 
gesagt,  daß  Herr  von  Giers  noch  Vortrag  beim  Zaren  hatte:  wenige 
Minuten  später  erschien  der  Minister  selbst  im  Vorzimmer,  um  mir 
zu  sagen,  daß  sein  Herr  mich  erwarte,  und  der  kaiserliche  Kammer- 
diener führte  mich  durch  das  Schlafzimmer  des  Zaren  in  dessen  ver- 
hältnismäßig kleines  und  anspruchsloses  Arbeitskabinett.  Wenn  diese 
petite  entree,  bei  der  Hofbeamte  und  Adjutanten  garnicht  zu  sehen 
waren,  in  mir  von  vornherein  den  angenehmen  Eindruck  erweckte, 
daß  der  Zar  mir  die  besondere  Auszeichnung  eines  ganz  vertraulichen 
Empfanges  zuteil  werden  lassen  wollte,  so  wurde  dieser  Eindruck  noch 
wesentlich  verstärkt,  als  in  der  geöffneten  Tür  der  Zar  mir  mit  wohl- 
wollendstem Ton  in  der  Begrüßung  gleich  die  Hand  reichte  und  mir 
an  einem  kleinen  Tisch,  auf  dessen  anderer  Seite  er  Platz  nahm,  einen 
Stuhl  anwies,  indem  er  mit  Hindeutung  auf  sein  augenscheinlich  sehr 
bequem  sitzendes  graues  Jackett  lächelnd  sagte:  „Entschuldigen  Sie 
diesen  unzeremoniellen  Empfang,  ich  wollte  mit  Ihnen  aber  ganz  sans 
gene  sprechen*'.  Ich  brachte  demgegenüber  in  angemessener  Form 
meinen  untertänigsten  Dank  zum  Ausdruck,  mit  dem  ich  diesen  hohen 
Beweis  von  Vertrauen  zu  würdigen  wisse,  und  Kaiser  Alexander  ging 
dann  sofort  auf  die  Berliner  Wandlungen  seit  Anfang  März  d.  Js.  über: 
Er  sprach  mit  Weichheit  und  Verehrung  vom  Andenken  Kaiser  Wil- 
helms I.,  mit  aufrichtiger  Teilnahme  vom  tragischen  Schicksal  Kaiser 
Friedrichs  und  faßte  sich  dahin  zusammen,  daß  die  Zeit  seit  dem 
Tode  des  Kaisers  Wilhelm  für  Deutschland  eine  schwere  und  speziell 
für  den  Reichskanzler  eine  mühevolle  gewesen  sein  müsse.  Auf  meine 
zustimmende  Verneigung  ging  der  Zar  demnächst  mit  warmen  Worten 
auf  unseres  jetzt  regierenden  Kaisers  Majestät  über,  allerhöchstdessen 
Besuch  ihn  so  sehr  erfreue:  letzterer  würde  vortrefflich  auf  die  öffent- 
liche Meinung  in  Rußland  wirken  und  mächtig  dazu  beitragen,  alle 
albernen  und  böswillig  vertriebenen  Gerüchte  von  Beunruhigung  des 
europäischen     Friedens    durch     russisch  -  deutsche    Divergenzen     zum 

326 


Schweigen  zu  bringen:  Kaiser  Wilhelm  II.  habe  es  in  der  icurzen  Zeit 
seiner  Regierung  schon  verstanden,  überall  Achtung  und  Vertrauen 
einzuflößen  und  durch  sein  Auftreten  alle  Verleumder,  die  Seiner  Maje- 
stät die  abenteuerlichsten  Pläne  angedichtet  hätten,  Lügen  zu  strafen. 
Besonders  erfreuHch  sei  für  das  Deutsche  Reich  die  glatte  Art  ge- 
wesen, in  der  sich  die  Thronbesteigung  des  dritten  Deutschen  Kaisers 
vollzogen  habe:  „Nous  avions  cru  ici  que  pour  l'Allemagne  et  pour 
la  dignite  d'Empereur  les  choses  n'avaient  pas  ete  definitivement  re- 
glees  ä  Versailles  et  que  les  princes  allemands  s'etaient  simplement 
entendus  de  conferer  la  couronne  imperiale  au  roi  Guillaume  et  ä 
son  successeur,  mais  pas  au  delä*'.  Ich  erwiderte  dem  Zaren,  daß  dies  ein 
fundamentaler  Irrtum  sei,  und  daß  die  Leute,  die  ihm  jene  falschen  An- 
gaben gemacht  hätten,  nie  einen  Blick  in  die  Reichsverfassung  geworfen 
haben  müßten,  welche  expressis  verbis  die  deutsche  Kaiserwürde  erb- 
lich an  das  preußische  Königshaus  knüpfe.  „So,"  sagte  der  Zar,  „das 
habe  ich  nicht  gewußt:  man  hatte  mir  gesagt,  daß  jetzt  wohl  die  Reihe 
der  Kaiserkrone  nach  der  Anziennetät  an  ein  anderes  deutsches  Königs- 
haus kommen  würde,  weil  Erblichkeit  für  Preußen  nicht  vorgesehn  sei; 
ich  weiß  nicht,  wie  Preußen  in  der  Anziennetät  der  deutschen  Könige 
steht,  und  war  deshalb  darauf  gefaßt,  daß  Wilhelm  II.  Schwierigkeiten 
in  Deutschland  haben  würde''. 

Ich  erklärte  dem  Zaren  hierauf,  daß  von  den  vier  Königen  in 
Deutschland  nur  der  preußische  Monarch  ein  König  aus  eigener  Sou- 
veränität sei  und  die  aus  eigener  Kraft  stammende  Krone  über  100 
Jahre  länger  trage  als  die  von  Napoleons  Gnaden  aus  dem  Unglücks- 
jahre 1806  datierenden,  ursprünglich  französischen  Vasallenfürsten 
Bayerns,  Sachsens  und  Württembergs.  Der  Kurfürst  von  Sachsen  sei 
allerdings  ausgangs  des  17.  Jahrhunderts  König  von  Polen  geworden, 
und  da  sein  Sohn  ihm  in  dieser  Stellung  folgte,  würden  die  dem  Zaren 
gemachten  irrigen  Angaben  vielleicht  auf  eine  oberflächliche  Bekannt- 
schaft mit  diesem  historischen  Faktum  zurückzuführen  sein.  Da  wir 
einmal  bei  diesem  Kapitel  waren,  so  benutzte  ich  die  Gelegenheit, 
um  den  deutschen  Fürsten  ein  gutes  Zeugnis  auszustellen  und 
dem  Zaren  auseinanderzusetzen,  wie  die  konservative  Stärke  Deutsch- 
lands in  erster  Linie  auf  der  loyalen  Bundestreue  der  Reichsfürsten  be- 
ruhe. Letztere  hätten  seit  Aufrichtung  des  Reiches  sämtlich  erkannt, 
daß  das  feste  Zusammenhalten  der  Reichsglieder  den  einzigen  sicheren 
Schutzwall  gegen  die  radikalen  Nivellierungsbedürfnisse  und  Bedrohung 
der  monarchischen  Kronrechte  bilde,  und  hätten  dieser  ihrer  Über- 
zeugung durch  die  großartige  Demonstration  ihres  einmütigen  Erschei- 
nens bei  der  Reichstagseröffnung  einen  so  eklatanten  Ausdruck  ge- 
geben,  daß   das   Reichsgebäude   jetzt   fester  gefügt   als   je   dastehe. 

Der  Zar  erkannte  dies  an  und  gab  zu  verstehen,  daß  jenes  Ent- 
gegenkommen der  Reichsfürsten  ihn  überrascht  habe:  Er  äußerte  aber 
seine  Zustimmung,  wie  ich  von  der  notwendigen  Stärkung  des  monar- 

327 


chischen  Prinzips  gegen  die  überall  solidarischen  Bestrebungen  des 
radikalen  Republikanismus  sprach  und  mir  dabei  eine  kurze  Ab- 
schweifung über  die  Notwendigkeit  des  friedlichen  Zusammenstehens 
der  alten  europäischen  Monarchien  überhaupt   erlaubte. 

Ich  wiederholte  hierbei  die  alte  Wahrheit,  daß  die  3  Kaiser  viel 
mehr  an  die  Revolution  zu  verlieren  hätten,  als  sie  je  voneinander 
gewinnen  könnten,  und  streifte  flüchtig  die  subversive  Tätigkeit  der 
Presse,  welche  es  den  monarchischen  Regierungen  häufig  unnötig  er- 
schwere, die  von  ihnen  gewünschten  guten  und  friedlichen  Beziehungen 
erfolgreich  zu  kultivieren.  Kaiser  Alexander  nickte  dazu  lächelnd  und 
sagte:  „Ja,  die  Presse  war  im  Winter  de  part  et  d'autre  recht  wider- 
wärtig, jetzt  ist  sie  aber  ruhig,  und  ich  hoffe,  es  wird  so  bleiben".  — 

Seine  Majestät  fragte  mich  dann  ohne  weiteren  Übergang:  „Wie 
sind  denn  jetzt  die  Beziehungen  zwischen  Ihrem  Kaiser  und  der 
Kaiserin  Viktoria?  Ich  höre,  sie  sollen  sich  ganz  befriedigend  gestaltet 
haben". 

Ich  erwiderte:  „Nach  außen  und  auf  der  Oberfläche  ja;  der  Kaiser 
spricht  von  seiner  Mutter  stets  dans  les  termes  les  plus  respectueux 
und  hat  es  seinerseits  an  nichts  fehlen  lassen,  um  der  verwitweten 
Kaiserin  entgegenzukommen.  Tatsächlich  besteht  in  diesen  allerhöch- 
sten Beziehungen  aber  eine  meiner  Meinung  nach  schwer  zu  besei- 
tigende Entfremdung  et  tous  les  torts  sont  du  cote  de  l'Imperatrice 
douairiere".  Als  ich  hier  einhielt,  blickte  mich  der  Zar  sichtlich  in- 
teressiert und  auffordernd  an;  da  ich  nun  wußte,  daß  Seiner  Majestät 
früher  in  böswilliger  Weise,  um  unseren  allerhöchsten  Herrn  bei  ihm 
in  ein  ungünstiges  Licht  zu  stellen,  alle  möglichen  Unwahrheiten  über 
dieses  Verhältnis  vorgespiegelt  waren,  so  schien  es  mir  zweckentspre- 
chend, etwaige  noch  vorhandene  Zweifel  nachdrücklich  auszutilgen, 
und  ich  sagte:  „Wenn  Euere  Majestät  mir  gestatten  wollen,  ganz 
intim  und  im  Vertrauen  auf  Euerer  Majestät  Diskretion  zu  sprechen,  so 
darf  ich  die  Erklärung  für  das  vorhin  Gesagte  damit  geben,  daß  Ihre 
Majestät  die  Kaiserin  Viktoria  sich  ganz  als  Engländerin  fühlt,  daß  sie 
als  ihren  jetzt  verfehlten  Lebenszweck  betrachtete,  als  solche  möglichst 
lange  das  ihr  unsympathische  Deutschland  zu  regieren,  und  daß  sie 
meinem  jetzigen  Herrn  niemals  das  entgegengebracht  hat,  was  man 
im  gewöhnlichen  Leben  unter  mütterlichen  Gefühlen  versteht".  Wie 
ich  wieder  einen  Moment  schwieg,  tat  der  Zar  einen  kleinen  Zug  aus 
einem  vor  ihm  stehenden  silbernen  Kruge,  entzündete  eine  Zigarette 
und  sagte:  „Ce  que  Vous  me  dites  lä  m'interesse  beaucoup;  je  Vous 
prie  de  continuer,  Vous  pouvez  compter  absolument  sur  ma  discretion. 
J'ai  dejä  depuis  quelque  temps  eu  l'impression,  que  le  pauvre  Empereur 
Frederic  pour  lequel  j'avais  la  plus  grande  amitie,  n'a  ete  qu'un  In- 
strument Sans  volonte  dans  les  mains  de  sa  femme,  mais  je  tiens 
beaucoup  ä  en  savoir  plus  long  sur  les  peripeties  de  son  court  regne". 

Als  ich  sah,  daß  der  Zar,  welcher  bei  den  letzten  Worten  seine 

328 


Zigarettentasche  vor  sich  hingelegt  hatte,  einen  längeren  compte-rendu 
erwartete,  so  holte  ich  etwas  weit  aus  und  gab  zunächst  eine  gedrängte 
Schilderung  von  der  Haltung  der  verschiedenen  Mitglieder  unserer  aller- 
höchsten Familie  in  der  Battenberg-Angelegenheit*,  von  dem  Eingreifen 
der  englischen  Familie  in  dieselbe  und  von  den  systematischen  Be- 
mühungen der  Kaiserin  Viktoria,  den  Kaiser  Friedrich  gegen  unseren 
jetzigen  Herrn  einzunehmen.  Dies  datiere  Jahr  und  Tag  zurück  und 
sei  leider  nicht  immer  erfolglos  gewesen. 

Kaiser  Wilhelm  II.  habe  mir  vor  längerer  Zeit  einmal  selbst  ge- 
sagt, als  er  von  seinen  fruchtlosen  Bemühungen  bei  seiner  hohen  Mutter 
sprach:  Ich  sehe,  daß  alles,  was  ich  tun  kann,  vergeblich  sein  wird: 
wir  stehen  auf  anderen  Basen,  meine  Mutter  bleibt  immer  Engländerin, 
und  ich  bin  Preuße,  wie  sollen  wir  da  kongruieren? 

Der  Zar  schaltete  hier  mit  beifälligem  Lächeln  ein:  „Ceci,  je  le 
crois  bien,  comment  Votre  Empereur  pourrait-il  gouverner  l'Allemagne 
d'apres  les  besoins  de  l'Angleterre;  si  c'est  comme  ca,  il  est  evident, 
que  toute  entente  est  impossible;  c'est  une  petition  de  principe". 

Meine  weiteren  Angaben  unterbrach  der  Zar  wiederholt  durch 
zustimmende  Interjektionen  und  kleine  Erläuterungen.  Als  ich  der 
seinerzeit  für  das  Osterfest  bereits  ergangenen,  nachher  revozierten 
Einladung  des  Prinzen  A.  von  Battenberg  nach  Charlottenburg  er- 
wähnte* und  die  Annahme  als  eine  sehr  ungewöhnliche  bezeichnete, 
daß  bei  der  Prinzessin  Viktoria  eine  unüberwindliche  Neigung  für  jenen 
Prinzen  bestehen  solle,  nachdem  Ihre  Königliche  Hoheit  ihn  nur  einmal 
vor  zirka  viereinhalb  Jahren  ganz  kurz  gesehn  habe,  pflichtete  der  Zar 
mir  bei,  indem  er  sagte:  „Cette  obstination  pour  le  mariage  dont  Vous 
parlez  m'etonne  d'autant  plus,  comme  je  sais  de  source  süre,  mais  absolu- 
ment  süre,  que  le  prince  de  Bulgarie  lui-meme  ne  desire  nullement 
s'allier  ä  la  princesse  Victoria,  et  ce  serait  donc  peu  digne  de  l'obliger 
de  paraitre  devant  l'autel  contre  son  propre  desir*'.  Ich  hatte  bei  dem 
Wort  „Bulgarie''  mit  keiner  Wimper  gezuckt;  es  mußte  dem  Zaren 
aber  doch  selbst  ins  Ohr  gefallen  sein,  denn  nach  Beendigung  seines 
Satzes  sagte  er  mit  einem  Anfluge  von  Heiterkeit:  „Pardon,  je  viens 
de  dire  Bulgarie;  j'aurais  du  l'appeler  le  Battenberg". 

Ich  verneigte  mich  und  bestätigte,  daß  le  Battenberg  in  der  Tat 
nicht  die  geringste  Neigung  zu  der  nur  von  der  Kaiserin  Viktoria  be- 
triebenen Vermählung  habe:  er  sei  aber  schwach,  unaufrichtig  und 
geldbedürftig,  und  wenn  die  Kaiserin  Viktoria  ihm  statt  nur  drei  Mil- 
lionen deren  zehn  zu  bieten  vermöchte,  so  würde  er  wohl  zugreifen. 
Mit  100 — 120 000 Mark  Jahresrente  würde  er  eine  Hofhaltung  mit  einer 
preußischen   Prinzeß  aber  nicht  führen  können. 

Der  Zar  wußte  nicht  von  dem    1885"  Entsagungsbrief  des  Prin- 


Vgl.    Kap.    XLII,    Nr.  1330  ff. 

329 


zen  A.  Battenberg*  und  fand  sein  Verhalten  danach  um  so  doppel- 
züngiger. Es  war  Seiner  Majestät  entschieden  angenehm  zu  hören, 
wie  unser  Herr  die  Sache  rasch  und  energisch  zu  Ende  geführt**, 
und  er  erklärte,  daß  er  vollkommen  begriffe,  wie  Kaiser  Wilhelm 
auch  abgesehn  von  der  politischen  Seite  der  Frage  nicht  zugeben 
wolle,  daß  eine  preußische  Prinzeß  bis  zu  einem  Battenberg  hinab- 
steige. 

Mit  wiederholtem  mißbilligenden  Kopfschütteln  hörte  der  Zar  an,  was 
ich  über  die  Rolle  der  englischen  Ärzte,  über  die  Krankenpflege,  über 
die  Zwecke  der  Beschönigungen,  über  die  Geschäftsbehandlung,  sowie 
über  das  Gebaren  der  englisch-freisinnigen  Kamarilla  erzählte.  Seine 
Majestät  meinte  schließlich:  „Je  crois  bien  que  Vous  devez  avoir  le  sen- 
timent  d'etre  debarasses  d'un  cauchemar  depuis  Pavenement  de  Guil- 
laume.  Je  n'ai  pas  sü  que  FEmpereur  Frederic  avait  tellement  ete 
reduit  sous  tout  rapport  quoique  Schouwaloff  m'avait  bien  informe 
sur  les  progres  de  la  maladie." 

Als  dieser  Gegenstand  verlassen  wurde,  ging  der  Zar  zu  unseren 
ökonomischen  Beziehungen  über,  deren  Besserung  und  vernünftige 
Behandlung  er  wünsche.  Er  sprach  mir  in  ähnlichem  Sinne  wie  Giers 
von  Wyschnegradskis  Bemühungen  in  dieser  Richtung  und  schien  es 
für  nützlich  zu  halten,  daß  wir  einen  Handelsvertrag  miteinander 
schlössen,  „sei  es  auch  zum  Beginne  nur  ein  ganz  oberflächlicher  von 
wenigen  Artikeln".  Er  habe  zu  seiner  Verwunderung  gehört,  daß, 
obgleich  die  Geschichte  der  Handelsverträge  eine  vielhundertjährige 
sei,  Rußland  niemals  einen  solchen  mit  Preußen  gehabt  habe.  Die 
Akten  der  letzten  30  Jahre  hätten  ergeben,  daß  alle  Anregungen  zu 
kommerziellen  Verabredungen  stets  a  limine  abgewiesen  seien  mit 
der  einfachen  Motivierung  „Kaiser  Nikolaus  habe  nie  einen  Vertrag 
gewollt".  Dies  fände  er  absurd,  es  sei  kein  sachlicher  Grund,  und  er 
würde  der  Sache  sein  persönliches  Interesse  widmen.  Ich  bemerkte, 
daß  bei  etwaigem  Eintritt  in  Verhandlungen  jeder  Staat  selbstverständ- 
lich sein  eigenes  Interesse  voranstellen  müsse:  Besprechungen  über 
kommerzielle  Verabredungen  würden  wir  aber  gewiß  nicht  ablehnen, 
nur  müsse  man  sich  von  vornherein  darüber  klar  sein,  daß  es  kein 
Anlaß  zu  einer  politischen  Verstimmung  sei,  wenn  derartige  Be- 
sprechungen etwa  resultatlos  verlaufen  sollten,  pp. 

Der  Zar  hatte  mich  vorher  gefragt,  mit  welchen  Eindrücken  der 
Prinz  von  Wales  von  Berlin  geschieden  wäre.  Ich  hatte  dabei  von  den 
Walesschen  Demarchen  für  Cumberland  absichtlich  nichts  gesagt,  um 
den  Zaren  nicht  darauf  zu  bringen,  und  hatte  mich  begnügt,  zu  er- 
wähnen, daß  der  Prince  von  Wales  unseren  Kaiser  durch  lästige  Rat- 
schläge behelligt  habe,  die  abgelehnt  wurden,  und  daß  er  hierüber  wie 


Vgl.  Bd.V,  Kap.    XXXIII,  Nr.  1030,  S.  162,  Fußnote. 
'  Vgl.  Nr.  1337,  S.  294,  Fußnote  *. 


330 


über  die  wahrheitsgemäßen  Angaben  des  Reichskanzlers  bezüghch  der 
Regierungsunfähigkeit  Kaiser  Friedrichs  verstimmt  gewesen  sei*. 

Ich  fügte  hinzu,  daß  ich  dies  ganz  vertrauhch  von  dem  englischen 
Botschafter  erfahren  hätte,  und  ließ  nun  auch  einfließen,  daß  der  Prinz 
von  Wales  alle  möghchen  Wünsche  bezüglich  Cumberlands  durch  seine 
Frau  und  direkt  zur  Sprache  gebracht  habe.  Die  fin  de  non  recevoir, 
welche  ihm  hätte  aus  Staatsraison  entgegengesetzt  werden  müssen, 
habe  dem  Prinzen  augenscheinlich  das  peinliche  Gefühl  erweckt,  daß 
er  zu  weit  gegangen  sei. 

„In  der  englischen  FamiHe  und  ihren  nächsten  Abzweigungen*'  — 
fuhr  ich  fort  —  „besteht  eine  Art  Kultus  des  reinen  Familienprinzips, 
und  die  Königin  Viktoria  wird  als  eine  Art  absoluter  Chef  aller  Glieder 
des  Koburgschen  Stammes  und  seiner  Abzweigungen  angesehn.  Es 
hängt  dies  mit  Testamentskodizillen  zusammen,  welche  dem  gehorsamen 
Verwandten  aus  der  Ferne  gezeigt  werden  (hier  lachte  der  Zar  aus 
ganzem  Herzen).  Außerdem  ist  aber  die  traditionelle  englische  Politik, 
auf  dem  Kontinent  Zwist  und  Streit  zu  stiften  und  zum  Frommen  Eng- 
lands die  anderen  Großmächte  zu  verhetzen.  In  diesem  Sinne  hat  im 
vorigen  Herbst  der  Prinz  von  Wales  direkt  und  durch  ihm  zur  Ver- 
fügung stehende  Kanäle  unseren  jetzigen  Kaiser  bei  Ew.  Majestät 
angeschwärzt,  um  gegenseitiges  Mißtrauen  zu  wecken,  und  hat  die 
Queen  3  Tage  vor  unserer  Abreise  an  Kaiser  Wilhelm  geschrieben, 
um  ihm  von  der  Fahrt  hierher  dringend  abzuraten.  Seine  Majestät  ist 
dieser  ungebetenen  Bevormundungen  aber  satt  und  hat  der  Queen  so 


*  Die  nachprüfende  Geschichtsforschung  wird  sich  das  absprechende  Urteil  über 
den  Prinzen  von  Wales,  späteren  König  Eduard  VII.,  der  im  Mai  bei  der  Hoch- 
zeit des  Prinzen  Heinrich  und  im  Juni  bei  den  Beisetzungsfeierlichkeiten  für 
Kaiser  Friedrich  III.  in  Berlin  weilte,  nicht  ohne  weiteres  aneignen  können.  Die 
Ratschläge  des  Prinzen  zugunsten  seines  Schwagers,  des  Herzogs  Ernst  August 
von  Cumberland  zu  Braunschweig  und  Lüneburg,  haben  ihre  innere  Rechtfertigung 
durch  die  spätere  Wandlung  Kaiser  Wilhelms  II.  in  Sachen  des  Weifenfonds,  der 
braunschweigischen  Thronfolgefrage  usw.  erfahren.  Auch  die  Äußerungen,  die  der 
Prinz  von  Wales  unter  Berufung  auf  Ansichten  und  Absichten  des  verstorbenen 
Kaisers  Friedrich  in  der  Richtung  einer  Verständigung  Deutschlands  mit  Frank- 
reich in  der  Elsaß-Lothringischen  Frage  (Abtretung  der  französisch-sprachlichen 
Bezirke  Lothringens?)  in  vielleicht  nicht  eben  geschickter  Weise  in  Berlin  tat, 
wird  man  im  Lichte  der  seitherigen  Weltgeschehnisse  milder  beurteilen 
dürfen,  als  es  1888  am  Kaiserlichen  Hofe  geschah.  Kaiser  Wilhelm  II.  hat  da- 
mals der  Erregung  über  die  Äußerungen  seines  Oheims  scharfen  Ausdruck  in  der 
Rede  verliehen,  die  er  am  16.  August  in  Frankfurt  a.  O.  bei  Gelegenheit  der  Ent- 
hüllung des  Denkmals  für  den  Prinzen  Friedrich  Karl  hielt,  und  die  mit  den 
Worten  schloß,  ,,daß  wir  lieber  unsre  gesamten  achtzehn  Armeekorps  und 
42  Millionen  Einwohner  auf  der  Wahlstatt  liegen  lassen,  als  daß  wir  einen  einzigen 
Stein  von  dem,  was  mein  Vater  und  der  Prinz  Friedrich  Karl  errungen  haben, 
abtreten".  Ob  an  den  angeblichen  Absichten  Kaiser  Friedrichs  III.,  in  denen 
Wilhelm  II.  eine  Beschimpfung  des  Andenkens  seines  Vaters  sehen  wollte,  etwas 
Wahres  gewesen  ist,  läßt  sich  aus  den  Akten  des  Auswärtigen  .\mts  nicht  ent- 
nehmen. 

331 


klar  geantwortet,  daß  eine  Wiederholung  derselben  wohl  kaum  statt- 
finden dürfte*'. 

Der  Zar  hörte  dies  mit  Befriedigung,  widersprach  auch  mit  keinem 
Wort  meiner  Anklage  des  Prinzen  von  Wales.  (Nachher  bestätigte  mir 
Großfürst  Wladimir  ausdrücklich,  er  wisse  bestimmt,  daß  der  Prince  of 
Wales  gegen  unseren  Herrn  gewirkt  habe),  pp. 

Als  der  Zar  sich  erhob,  fragte  er  mich  nach  dem  Befinden  des 
Reichskanzlers  und  trug  mir  viele  Grüße  für  denselben  auf:  Seine  Maje- 
stät wiederholte  mir  die  Genugtuung,  die  er  über  den  gegenwärtigen 
Besuch  empfände,  und  fügte  hinzu:  „Je  connais  Votre  Empereur  depuis 
longtemps,  c'est  un  caractere  franc  et  ouvert,  qui  m'est  extremement 
sympathique,  et  je  suis  sür  que  nous  nous  entendrons  toujours*'.  Als 
ich  erwiderte,  unser  Kaiser  sei  sehr  befriedigt  über  seine  Peterhofer 
Eindrücke,  bringe  dem  Zaren  volles  Vertrauen  entgegen  und  lege  Ge- 
wicht darauf,  die  persönlichen  Beziehungen,  welche  die  Basis  der 
Entente  zwischen  den  Kaisern  von  Rußland  und  Deutschland  sei, 
nach  den  guten  alten  Traditionen  beider  Höfe  mehr  zu  kultivieren,  als 
das  in  letzter  Zeit  geschehen  sei,  erwiderte  der  Zar,  indem  er  mir 
freundlich  die  Hand  reichte:  „Ihr  Kaiser  soll  nur  kommen,  sooft  er 
mag,  mir  wird  sein  Besuch  immer  sehr  angenehm  sein:  Sie  haben  ganz 
recht  damit,  daß  Sie  die  Notwendigkeit  des  Vertrauens  am  meisten 
betonen,  und  daß  Sie  sagen  qu'une  entrevue  d'une  heure  entre  les 
Souverains  vaut  plus  que  cent  depeches  echangees  entre  les  Gouver- 
nements"*. 

Ich  dankte  dem  Kaiser  Alexander  dann  noch  für  die  gnädige 
Audienz,  und  derselbe  entließ  mich  mit  wiederholtem  Händedruck  und 
den  liebenswürdigsten  Abschiedsworten.  —  Bei  dem  Diner,  welches 
einige  Stunden  auf  den  Empfang  folgte,  trank  mir  der  Zar,  wie  er  es 
schon  tags  zuvor  im  Lager  getan,  ostensibel  zu. 

Am  nächsten  Tage,  nach  einem  Frühstück  bei  dem  Großfürsten 
Wladimir  in  Krasnoe  dankte  ich  dem  Zaren  für  die  mir  verliehenen 
Ordensinsignien,  „welche  mir  in  Erinnerung  an  die  interessante  gestrige 
Audienz  ganz  besonders  wertvoll  seien".  Derselbe  erwiderte  darauf 
mit  wohlwollendster  Intonation:  „Comment  donc!  Cela  m'a  fait  un 
tres-grand  plaisir  de  Vous  conferer  les  diamants  comme  un  souvenir 
de  Votre  visite  et  je  tiens  encore  ä  Vous  dire  particulierement  combien 
j'ai  ete  content  que  Vous  ayez  pu  accompagner  l'Empereur  Guillaume. 


*  Angesichts  dieser  Äußerungen  des  Kaisers  Alexander  III.  zu  Graf  Herbert  Bis- 
marck  befremdet  es  doch,  daß  Fürst  Bismarck  im  Herbst  1889  eine  Wiederholung 
des  Besuchs  Wilhelms  II.  am  Zarenhofe  so  entschieden  widerriet  (vgl.  Gedanken 
und  Erinnerungen  Bd.  III,  S.  49,  144  f.).  Hing  es  etwa  damit  zusammen,  daß  dem 
Fürsten  Bismarck  nach  dessen  Darstellung  (das.  S.  83  f.)  durch  Graf  Hatzfeldt 
geheime  Berichte  aus  Petersburg  mit  ungünstigen  angeblichen  Äußerungen  des 
Zaren  über  den  Kaiser  und  dessen  Besuch  im  Juli  1888  zugegangen  waren?  In 
den  Akten  des  Auswärtigen  Amtes  ist  übrigens  von  jenen  geheimen  Berichten 
nichts  zu  finden  gewesen. 

332 


J'espere  que  Vous  nous  reviendrez,  Vous  serez  toujours  le  bienvenu  ä 
ma  cour.  Quant  ä  Votre  Empereur  je  Vous  ai  deja  dit  qu'il  m'inspire 
la  plus  grande  confiance,  et  je  suis  fermement  convaincu  que  nos  rap- 
ports  resteront  toujours  les  plus  intimes.  N'oubliez  pas  de  dire  mille 
choses  ä  Votre  pere  de  ma  part".  Ich  verneigte  mich  und  sagte:  „Du 
moment  que  Votre  Majeste  parle  ainsi  de  nos  rapports,  ils  me  paraissent 
etablis  ä  tout  jamais  puisque  personne  en  Russie  n'osera  agir  autre- 
ment  que  Votre  Majeste  ne  le  veut". 

Diese  Unterredung,  welche  8—10  Minuten  dauerte  und  im  Park 
vor  der  gesamten  Suite  stattfand,  hat  einen  beträchtlichen  Eindruck  auf 
die  Anwesenden  gemacht,  wie  ich  direkt  und  indirekt  gehört  habe:  der 
Kaiser  Alexander  war  mit  dem  Verlauf  des  vorangegangenen  Exerzie- 
rens besonders  zufrieden,  seine  gute  Laune  wurde  deshalb  hervor- 
ragend ersichtlich,  und  die  ganze  Art  seines  Wesens  bewies,  daß  es 
ihm  Vergnügen  machte,  mir  dies  ostensibel  zu  erkennen  zu  geben,  pp. 

H,  Bismarck 

Nr.  1347 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den  Reichskanzler 

Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 

Nr.  189  St  Petersburg,  den  25.  Juli  1888 

Geheim 

Wenn  man  schon  nach  der  ersten  Stunde,  welche  Seine  Majestät 
unser  allergnädigster  Kaiser  und  Herr  an  Bord  der  „Alexandria''  am 
19.  d.  Mts.  mit  dem  Kaiser  von  Rußland  und  den  Großfürsten  in  heiterer 
VertrauHchkeit  zubrachte,  mit  einiger  Sicherheit  erwarten  durfte,  daß 
der  Hauptzweck  der  Reise  erreicht  werden  dürfte,  so  fand  diese  Er- 
wartung mit  jedem  Tage  neue  Bestätigung.  Auf  des  Zaren  offenem 
Gesichte,  auf  welchem  so  viele  die  Instruktion  für  ihr  eigenes  Ver- 
halten zu  lesen  suchen,  war  deutlich  zu  erkennen,  daß  ihm  der  persön- 
liche Verkehr  mit  seinem  erlauchten  Gaste  von  Stunde  zu  Stunde 
wenige  Verlegenheit,  mehr  Behagen,  endlich  wirkliches  Vergnügen  be- 
reitete. Wenn  vielleicht  anfänglich  eine  wenn  auch  nur  geringe  Besorg- 
nis bei  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  Alexander  vorhanden  war,  daß  poli- 
tische oder  militärische  Fragen  peinlicher  Natur  gestreift  werden  könn- 
ten, so  schwand  diese  Sorge  bald,  und  es  kam  zu  einem  dem  Gemüt  des 
Zaren  völlig  konformen  herzlich-fröhlichen  Familienzusammensein. 

Auch  bei  Ihrer  Majestät  der  Kaiserin*,  der  es  viel  schwerer  als 
dem   Gemahle  wird,   tief-schmerzliche,   in   früher   Jugend   empfangene 


*  Kaiserin  Maria  Feodorowna,  geborene  Prinzessin  Dagmar  von  Dänemark,  die 
bekanntlich  dem  Fürsten  Bismarck  zeitlebens  die  Annexion  Schleswig-Holsteins 
nachgetragen  hat. 

333 


Eindrücke  zu  verwinden,  konnte  ich  wahrnehmen,  daß  sie  während  der 
letzten  Besuchstage  den  Fremden  und  namentlich  dem  Herrn  Staats- 
sekretär mit  zunehmender  Freundlichkeit  nähertrat,  und  daß  es  ihr  ge- 
ringere Überwindung  kostete  als  sonst,  die  Erinnerungen  an  ihr  Vater- 
haus zu  verscheuchen ;  ich  weiß,  wie  schwer  dies  der  hohen  Frau  wird ; 
während  der  drei  ersten  Jahre  ihrer  Ehe,  wo  sie  mich  so  oft  im  engsten 
Kreise  bei  ihren  Schwiegereltern  sah,  hat  sie  jemals  weder  einen  Gruß, 
noch  ein  Wort  an  mich  gerichtet;  später,  ihrer  Pflichten  als  Kaiserin 
bewußt,  hat  Ihre  Majestät  alle  Formen  stets  gew^issenhaft  beobachtet 
und  mich  dann  sogar  durch  besondere  Gnade  erfreut;  ich  glaube  durch 
diese  Erfahrungen  um  so  eher  zu  der  Versicherung  berechtigt  zu  sein, 
daß  die  erlauchte  Frau  durch  den  kaiserlichen  Besuch  erfreut  worden 
ist  und  die  Verlängerung  desselben  gern  gesehen  hat.  Ihre  Majestät 
hat  mir  dies  wiederholt  ausgesprochen  mit  Wärme  und  mit  der  be- 
zaubernden Natürlichkeit,  welche  jeden  Zweifel  an  der  Aufrichtigkeit 
ausschließt,  pp. 

Alle  Mitglieder  des  Kaiserlich  russischen  Hauses,  die  weiblichen 
wie  die  männlichen,  die  älteren  wie  die  jüngeren,  überboten  sich  nicht 
nur  in  Aufmerksamkeiten  für  unseren  Kaiser  und  Herrn  und  allerhöchst- 
dessen  erlauchten  Bruder*,  sondern  sie  fanden  unverkennbares  Ver- 
gnügen an  diesem  Besuche  und  freuten  sich,  als  derselbe  verlängert 
wurde.  Wenn  man  so  vielen  fürstlichen  Entrevuen  aller  Art  beigewohnt 
hat  wie  ich,  sowohl  als  Adjutant,  wie  als  Diplomat,  wenn  man  so  oft 
Zeuge  der  schlechten  Laune  beim  Erwarten,  der  Langweile  bei  den 
Festen,  der  Freude  nach  der  Abreise  war,  dann  darf  man  wohl  behaup- 
ten, daß  so  hohe  Gäste  und  Wirte  selten  so  gern  zusammen  waren 
und  so  ungern  voneinander  schieden;  die  letzte  Stunde  des  Zusammen- 
seins auf  der  „Hohenzollern"  und  der  Augenblick,  in  welchem  die 
Schaluppe  mit  der  russischen  KaiserHchen  Familie  abstieß,  wird  allen, 
welche  das  Glück  hatten,  dies  mitansehen  zu  dürfen,  unvergeßlich 
bleiben. 

Seine  Majestät  der  Kaiser  Wilhelm  II.  ist  angenehm  überrascht 
gewesen,  als  er  bei  einer  Fahrt  durch  die  Hauptstraßen  St.  Peters- 
burgs nicht  nur  geschmückte  Gebäude,  sondern  eine  freudig  bewegte, 
stürmisch  zujubelnde  Menschenmasse  sah. 

Mehr  als  Fünfzigtausend  sind  in  diesen  Tagen  nach  Peterhof  und 
nach  Kronstadt  hinausgezogen ;  zuverlässige  Beobachter  und  Kenner 
des  russischen  Volkes,  welche  sich  mitten  unter  ihm  bei  diesen  Pilger- 
schaften zu  Lande  und  zu  Wasser  bewegt  haben,  versichern  mir,  daß 
die  Freude  über  den  Besuch  des  deutschen  Kaisers  und  der  deutschen 
Flotte  eine  ganz  allgemeine  war,  „Wir  Russen",  so  sagte  mir  ein 
Gewährsmann,  „sind  recht  geschmeichelt,  daß  so  mächtige  Gäste  als 
Freunde  zu  uns  kommen;  es  tut  uns  auch  wohl,  jetzt  wieder  in  an- 
ständiger Gesellschaft  zu  sein;  man  schämte  sich  doch  ein  wenig  jener 

*  Prinz  Heinrich  von   Preußen,  der  an  der  Kaiserreise  nach  Rußland  teilnahm. 
334 


Bundesgenossen,  welche  wie  Dcroulede,   Boulanger  und   Floquet  sich 
streiten,  schimpfen  und  stechen". 

Obgleich  mir  wohl  bekannt  ist,  wie  wenig  Wert  offizieller  Be- 
geisterung in  Petersburg  beizumessen  ist,  und  was  es  bedeutet,  wenn 
der  Polizeipräfekt  den  „Dvvorniks"  sagen  läßt  „es  ist  den  Einwohnern 
gestattet,  ihre  Häuser  mit  Fahnen  zu  schmücken",  so  lege  ich  doch 
einige  Bedeutung  auf  den  spontan  freudigen  Empfang,  welchen  Seine 
Majestät  der  Kaiser,  allerhöchstdessen  Bruder  und  die  Flotte  hier  ge- 
funden haben ;  ich  erblicke  hierin  eine  Bestätigung  der  Ansicht,  daß 
man  uns  weniger  haßt  als  beneidet;  diese  gemischten  Empfindungen 
werden  jetzt  weniger  bitter  sein,  weil  man  sich  durch  den  Besuch  ge- 
ehrt und  geschmeichelt  fühlt. 

Die  hierdurch  geschaffene  Situation,  das  Verhältnis  von  Hof  zu 
Hof  und  von  Volk  zu  Volk  ist  meines  ehrerbietigen  Erachtens  vor- 
trefflich; die  Linie  des  Wünschenswerten  ist  erreicht  worden;  jeder 
Schritt  darüber  hinaus  im  Sinne  größerer  Intimität  würde  ebenso 
schädUch  sein,  wie  eine  Bewegung  rückwärts  verderblich  werden 
könnte. 

Was  nun  die  Politik  im  engeren  Sinne  und  die  Diplomatie  betrifft, 
so  enthob  mich  die  Gegenwart  des  Herrn  Staatssekretärs  der  Pflicht, 
darüber  zu  sprechen ;  aus  den  Berichten  Seiner  Exzellenz  werden  Euere 
Durchlaucht  über  den  Inhalt  seiner  Unterredungen  mit  dem  Zaren,  den 
Großfürsten  und  dem  Minister  des  Äußeren  unterrichtet  sein.  Vieles 
von  demjenigen,  was  mir  Graf  Bismarck  darüber  mitzuteilen  die  Güte 
hatte,  war  mir  auch  von  russischer  Seite  wahrheitsgetreu  erzählt  wor- 
den; die  freundschaftUchen  Gesinnungen  für  Euere  Durchlaucht,  welche 
Seine  Majestät  der  Kaiser  Alexander  dem  Staatssekretär  aussprach, 
die  korrekten  Ansichten,  welche  höchstderselbe  bei  der  Audienz  am 
22.  und  mehr  noch  am  23.  in  Krasnoe-Selo  kundgab,  seine  besonders 
gnädigen  Aufmerksamkeiten  für  den  Grafen  Bismarck  persönlich  und 
die  Antworten  des  letzteren  lauteten  in  der  russischen  Version  empha- 
tischer als  in  der  deutschen. 

Weniger  warm  ist  natürlicherweise  das  Gespräch  gewesen,  wel- 
ches der  Herr  Staatssekretär  am  20.  mit  dem  russischen  Herrn  Minister 
des  Äußeren  geführt  hat*;  letzterer  gab  mir  davon  ein  Resüme:  Darnach 
hat  Graf  Bismarck  von  den  freundschaftlichen  Gesinnungen  und  den 
„bis  jetzt  noch  nicht  sehr  nahen*'  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
unseres  erhabenen  Monarchen  zum  russischen  Kaiserhause  gesprochen; 
nach  Entgegennahme  dieser  Versicherungen  hat  Herr  von  Giers  ge- 
sagt, es  werde  sich  doch  nicht  ganz  vermeiden  lassen,  von  Politik  zu 
reden;  er  hat  dann  über  die  allgemeine,  als  ruhig  zu  bezeichnende 
Situation  gesprochen  und  weiterhin  über  die  bulgarischen  Schwierig- 
keiten, ohne  irgendeinen  bestimmten  Wunsch,  Vorschlag  oder  Plan 
zu  formulieren;  es  blieb  bei  den  alten  Klagen  über  die  unbehagliche 

*  Siehe  Nr.  1345. 

335 


Lage,  in  welche  sich  Rußland  durch  die  Gegenwart  des  Prinzen  von 
Koburg  in  Sofia  versetzt  sieht;  die  Versicherung,  daß  es  weder  selbst 
dort  einrücken,  noch  Minister  dorthin  schicken  oder  einen  anderen 
Fürsten  in  Vorschlag  bringen  wolle,  wurde  erneuert.  Bald  nachher  ist 
dann  Herr  von  Giers  auf  das  Thema  gekommen,  welches  ihn  am  meisten 
beschäftigt,  nämlich  auf  die  Fortschritte  Österreichs  in  den  Balkan- 
staaten und  auf  die  Möglichkeit  einer  österreichischen  Okkupation 
Serbiens,  welche  zu  Komplikationen  führen  müßte. 

In  seiner  Erzählung  fortfahrend  sagte  Herr  von  Giers,  Graf 
Bismarck  habe  von  vornherein  bestritten,  daß  man  zu  der  Annahme, 
Österreich  werde  einen  solchen  Schritt  tun,  berechtigt  sei ;  eine  Ver- 
anlassung dazu  liege  ja  nicht  vor;  grade  jetzt  habe  sich  gezeigt,  daß 
selbst  der  eheliche  Konflikt  mit  der  Königin  Natalie  keine  Erschütterung 
der  Stellung  Milans  herbeizuführen  vermochte  und  dergleichen  mehr. 

Der  russische  Minister  hat,  wie  er  mir  sagt,  die  Angelegenheit  der 
serbischen  Königin  nicht  besprochen;  er  konstatierte  bei  dieser  Ge- 
legenheit der  Wahrheit  gemäß,  daß  mir  gegenüber  der  Name  derselben 
nie  über  seine  Lippen  gekommen  sei. 

Herr  von  Giers  hat  dem  Grafen  Bismarck  nicht  zugestehen  wollen, 
daß  die  Eventualität  eines  österreichischen  Einmarsches  in  Serbien 
ausgeschlossen  sei,  und  da  der  Herr  Staatssekretär  bei  seiner  Meinung 
bheb,  so  wurde  die  Unterhaltung  auf  hypothetischer  Basis  fortgesetzt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  hat  der  Graf  an  Vorgänge  aus  den  sechziger 
Jahren  erinnert:  Herr  Benedetti  hat  damals  gefragt,  was  Preußen  tun 
würde,  wenn  Frankreich  Belgien  nehme;  Euere  Durchlaucht  haben  ge- 
antwortet, wir  würden  unser  Belgien  anderswo  suchen;  der  fran- 
zösische Diplomat  glaubte,  Holland  sei  hiermit  gemeint,  während  es 
sich  um  deutsche  Staaten  handelte.  Herr  von  Giers  schien  durch  dieses 
Zitat  in  die  Entrüstung  beleidigter  Unschuld  versetzt  worden  zu  sein; 
Rußland  brauche  kein  Belgien,  sagte  er,  und  werde  ein  solches  weder 
in  Bulgarien  noch  anderswo  suchen;  wir  hätten  uns  1866  in  ganz  an- 
derer Lage  befunden  und  unser  Belgien  im  Gebiet  der  eigenen  Natio- 
nalität gefunden;  Rußland  habe  Bulgarien  befreit,  aber  nicht,  um  es 
zu  behalten ;  es  würde  vielen  erwünscht  sein,  wenn  es  hineinmarschiere, 
seine  Flanke  bloßgebe  und  seine  Kräfte  zersplittere,  statt  sie  zur  Wah- 
rung der  eigenen,  rein  russischen  Interessen  zusammenzuhalten. 

Ich  bat  den  russischen  Minister,  eine  historische  Reminiszenz  nicht 
mit  einer  Suggestion  zu  verwechseln;  wir  seien  längst  dahin  gekommen, 
von  Rußland  weder  etwas  zu  fordern,  noch  ihm  etwas  anzuraten;  wir 
wüßten  nur  zu  gut,  daß  selbst  ein  ganz  uneigennütziger  und  zweck- 
mäßiger Ratschlag  nichts  als  Mißtrauen  erwecken  würde;  „nous  ne 
demandons  rien  et  nous  ne  suggerons  rien",  sagte  ich. 

Von  den  weitgehenden,  bis  an  die  Meerengen  reichenden  Gedanken 
ist  diesesmal  nicht  die  Rede  gewesen;  beide  Minister  haben  gesagt, 
sie  hofften  die  Lösung  dieser  Frage  nicht  zu  erleben;  man  hat  sich  des 

336 


Wortes  erinnert,  welches  Herr  von  Oiers  einst  auf  den  Grafen  Schu- 
walovv  anwandte,  „qu'il  nous  demandait  la  lune". 

Die  Anregung,  gewisse  Abmachungen  teilweise  zu  veröffentlichen 
oder  in  übereinstimmenden  Kundgebungen  verlauten  zu  lassen,  ist  als 
eine  Schuwalowsche  Idee  besprochen  und  fallen  gelassen  worden. 
Graf  Bismarck  soll  gesagt  haben,  ihm  sei  beides  recht,  geheimhalten 
oder  publizieren;  Herr  von  Giers  hat  die  Sache  als  von  zweifelhaftem 
Nutzen  oder  gar  als  gefährlich  bezeichnet.  Ihm  fehlt  es  an  Mut,  seinem 
Monarchen  einen  solchen  Vorschlag  zu  machen,  und  außerdem  dürfte 
er  es  nicht  wagen,  die  Lieblingsillusion  der  öffentlichen  Meinung,  das 
Programm  der  freien  Hand,  an  welchem  sich  die  russischen  Politiker 
seit  Monaten  erfreuen,  zu  zerstören. 

„Notre  conversation  terminait  en  poisson",  so  schloß  Herr  von 
Giers. 

Ich  bin  aber  weit  davon  entfernt,  das  „desinit  in  piscem"  auf  den 
Kaiserbesuch  anzuwenden;  im  Gegenteil,  durch  denselben  ist  genau 
dasjenige  erreicht  worden,  was,  soviel  mir  bekannt,  angestrebt  wurde, 
nämlich  persönliche  Annäherung  und  Befestigung  gegenseitigen  Ver- 
trauens ohne  Erweckung  von  Hoffnungen,  deren  Erfüllung  unmöglich 
sein  würde,  pp. 

Daß  Seine  Majestät  der  Kaiser  Alexander  den  Wunsch  ausgedrückt 
hat,  einen  wirtschaftlichen  Ausgleich  anzubahnen,  scheint  mir  will- 
kommen, obgleich  es  gegenwärtig  nicht  tunlich  ist,  auf  diesen  Wunsch 
einzugehen;  der  Herr  Staatssekretär  hat  dem  russischen  Minister,  wie 
mir  dieser  erzählte,  gesagt,  Rußland  habe  uns  bereits  allen  denjenigen 
Schaden  zugefügt,  den  es  uns  überhaupt  tun  könne,  indem  die  Einfuhr 
deutscher  Waren  auf  eine  Summe  herabgedrückt  worden  sei,  welche 
gegenüber  unserer  gesteigerten  Ausfuhr  in  fernergelegene  Länder 
gar  nicht  in  Betracht  komme.  Ich  glaube  aber,  bei  meiner  Ansicht 
bleiben  zu  dürfen,  daß  wir  noch  immer  sehr  beträchtlichen  Absatz  in 
Rußland  haben,  daß  sich  dieser,  wenn  ein  vollständiger  Bruch  ver- 
mieden wird,  trotz  aller  unleugbarer  Fortschritte  der  russischen  In- 
dustrie bedeutend  erhöhen  kann  und,  wenn  der  Wohlstand  in  Rußland 
zunehmen  sollte,  große   Proportionen  annehmen   wird. 

Wenn  ich  schon  oben  versichern  durfte,  daß  die  „Temperatur" 
während  des  Zusammenseins  der  hohen  Personen  mit  jedem  Tage  eine 
angenehmere  wurde,  so  darf  ich  zum  Schluß  auf  die  Unterhaltung  hin- 
weisen, welche  der  Zar  am  23.  nach  dem  Frühstück  in  Krasnoe-Selo 
mit  dem  Herrn  Staatssekretär  geführt  hat;  die  russische,  zwar  nicht 
genaue,  aber  wahrscheinlich  zur  Legende  werdende  Version  ist,  Seine 
Majestät  der  Kaiser  Alexander  habe  gesagt:  „Tant  que  j'existerai  je  ne 
me  brouillerai  pas  avec  l'Allemagne",  worauf  Graf  Bismarck  geant- 
wortet haben  soll:  „Alors  les  cent  millions,  qui  obeissent  ä  Votre 
Majeste,  se  conformeront  ä  Sa  volonte". 

V.  Schweinitz 


22    Die  Große  Politik.    6.  Bd. 


337 


Nr.  1348 
Der  Botschafter  in  Wien  Prinz  Heinrich  VII.  Reuß  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  359  Wien,  den  30.  Juli  1888 

Geheim 

Den  hohen  geheimen  Erlaß  Nr.  525  vom  27.  d.  Mts.  nebst  den  Auf- 
zeichnungen Seiner  Exzellenz  des  Herrn  Staatssekretärs  über  die  Reise 
Seiner  Majestät  nach  Rußland*  habe  ich  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt 
und  erhaltenem  Auftrage  gemäß  mündlich  und  vertraulich  zur  Kenntnis 
des  Grafen  Kälnoky  gebracht. 

Derselbe  bat  mich,  Euerer  Durchlaucht  seinen  verbindlichsten 
Dank  für  diese  hochinteressante  Mitteilung  auszusprechen,  aus  der  er 
mit  großer  Befriedigung  ersehen  könne,  wie  sich  das  persönliche  Ver- 
hältnis zwischen  den  beiden  Monarchen  zu  einem  guten  und  intimen 
zu  gestalten  beginne.  Auch  er  würde  sich  freuen,  wenn  diese  Be- 
ziehungen gepflegt  werden  würden,  da  dies  nur  der  Erhaltung  des 
allgemeinen  Friedens  zugute  kommen  werde. 

Besonders  erfreulich  erscheint  dem  Minister,  daß  Seine  Majestät 
der  Kaiser  von  Rußland,  wie  Graf  Bismarck  berichtet,  seine  Auf- 
merksamkeit mehr,  als  dies  bisher  geschehen,  auf  die  Gefahren  zu 
lenken  scheine,  die  dem  monarchischen  Prinzip  und  den  Dynastien  vom 
Radikalismus  drohen.  In  Skiernewice  sowohl  wie  in  Kremsier  hätte 
der  Zar  diese  doch  wichtigste  Frage  immer  mit  Verächtlichkeit  behandelt 
und  nicht  recht  daran  geglaubt.  Auch  das  sei  erfreulich,  daß  sich  Seine 
Majestät  im  konservativen  Sinn  über  die  Reichstreue  der  deutschen 
Fürsten  geäußert  hätte. 

Die  Beschreibung  der  Unterhaltung  des  Herrn  Staatssekretärs  mit 
Herrn  von  Giers  entlockte  dem  Grafen  Kälnoky  öfters  ein  Lächeln. 
Er  meinte,  er  sähe  den  russischen  Staatsmann  vor  sich,  wie  er  seufzt  und 
die  Augen  gen  Himmel  richtet  und  damit  seine  Ohnmacht  bekundet. 

Die  Art,  wie  Graf  Bismarck  über  die  bulgarische  Frage  sich 
geäußert,  hat  den  Grafen  Kälnoky  sehr  befriedigt.  Aber  er  findet  es 
unbegreiflich,  daß  der  Leiter  des  Petersburger  Kabinetts  nicht  imstande 
gewesen  ist,  auch  nur  einen  praktischen  Gedanken  zur  Welt  zu 
bringen.  Denn  die  Behauptung,  daß  mit  dem  Verschwinden  des  Prinzen 
von  Koburg  alles  getan  sein  und  die  Dinge  sich  von  selbst  arrangieren 
würden,  grenze  doch  an  Naivität  und  beweise,  daß  man  in  St.  Peters- 
burg seit  der  letzten  Demarche,  um  diesen  Prinzen  zu  entfernen, 
so  gut  wie  gar  nicht  nachgedacht  hätte. 

Das  beste  sei  der  Entschluß  Rußlands,  sich  nicht  zu  rühren,  wenn 
auch  dadurch  die  Gefahren  der  Situation  nicht  beseitigt,  sondern  nur 
vertagt  würden, 

*  Siehe  Nr.  1345  und  1346. 
338 


Sehr  dankbar  ist  der  Minister  für  die  entschiedene  Zurückweisung 
der  russischen  Idee,  daß  Österreich  in  Serbien  einzurücken  gedenke, 
was  ganz  mit  den  Tatsachen  übereinstimmte. 

Das  alte  Lied  der  Klage  über  das  Umsichgreifen  des  öster- 
reichischen Einflusses  in  Bulgarien  macht  auf  den  Minister  keinen 
großen  Eindruck,  aber  es  erheiterte  ihn,  daß  Herr  von  Burian  als  ein 
tätiger  Agitator  angesehen  wird,  dem  Zurückhaltung  anzuempfehlen  sei. 

Burian  sei  ein  guter,  ruhiger  und  intelligenter  Beamter,  der  durch 
seinen  längeren  Aufenthalt  in  dem  Lande,  dessen  Sprache  er  spricht, 
sich  allerdings  das  Vertrauen  der  bulgarischen  Staatsmänner  erworben 
hätte,  die  gern  mit  ihm  verkehrten  und  sich,  da  er  unterrichteter  und 
erfahrener  wie  die  meisten  unter  ihnen,  wohl  auch  manchmal  seine 
Auffassungen  über  wirtschaftliche  oder  innere  Regierungsfragen  an- 
eignen dürften.  Daß  er  sich  aber  vordrängte,  seinen  Einfluß  überall 
geltend  machen  und  hiermit  das  Land  regieren  wollte,  sei  eine  kühne 
Behauptung.  Seit  dieser  Agent  dorthin  geschickt  ist,  hat  er  noch  nicht  einen 
poHtischen  Auftrag  an  die  dortige  Regierung  erhalten,  mit  der  er  bloß 
in  offiziöser  Verbindung  steht,  und  amtlich  nur  für  die  laufenden  Sachen 
mit  ihr  verkehrt.  Prinz  Ferdinand  ist  von  Österreich  nicht  anerkannt, 
dessen  Agent  hat  daher  den  Befehl,  sein  Verhalten  hiernach  zu  regeln,  pp. 

Graf  Kälnoky  möchte  auch  dem  Herrn  Staatssekretär  Grafen  von 
Bismarck  seinen  besonderen  Dank  dafür  ausgesprochen  wissen,  daß  er 
sich  die  Mühe  genommen  habe,  den  Baron  von  Aehrenthal  in  so 
freundschaftlicher  Weise  in  die  Lage  zu  setzen,  seine  Regierung  über 
die  Peterhofer  Vorgänge  auf  dem  laufenden  zu  erhalten.  Seine  Majestät 
der  Kaiser  Franz  Joseph  habe  diese  Courtoisie  sehr  zu  würdigen  gewußt. 

Schließlich  bemerkte  der  Minister,  es  würde  interessant  sein  zu 
erfahren,  was  die  Russen  den  Franzosen  über  die  Peterhofer  Entrevue 
gesagt  haben  dürften.  H.  VU.  P.  Reuß 

Nr.  1349 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh,  an 
den  Botschafter  in  Wien  Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß* 

Reinkonzept 
Nr.  538  Friedrichsruh,  den  2.  August  1888 

Der  Besuch  Seiner  Majestät  des  Kaisers  und  Königs  in  Peters- 
burg ist  zufriedenstellend  und  der  Absicht  entsprechend  verlaufen,  in 
der  er  unternommen  wurde.  Seine  Majestät  beabsichtigte,  diesen  durch 


*  Der  gleiche  Erlaß,  der  auf  den  Mitteilungen  des  bei  seiner  Rückreise  von  Peters- 
burg in   Friedrichsruh   (31.  Juli)  einkehrenden   Kaisers  Wilhelm  11.  beruht,  erging 
auch  an  die  Botschafter  in  London,  Rom  und  Konstantinopel,  sowie  an  die  Preußi- 
schen Gesandten  in  München,  Dresden,  Stuttgart,  Karlsruhe  und  Weimar. 
Das  Reinkonzept  trägt  am  Schluß  die  Bemerkung  Kaiser  Wilhelms  II. 
Einverstanden  Wilhelm  I.  R.   Friedrichsruhe  l./VIII.  88. 


22« 


33Q 


die  Traditionen  angezeigten  Besuch  des  verwandten  und  benachbarten 
Hofes  nach  eingetretenem  Regierungswechsel  zu  benutzen,  um  die 
internationalen  und  nachbarlichen  Beziehungen  von  solchen  Mißver- 
ständnissen zu  befreien,  welche  sich  durch  persönlichen  guten  Willen 
der  Monarchen  entfernen  lassen,  weil  sie  nicht  notwendige  und  in- 
härierende  Ergebnisse  der  europäischen  Situation  sind,  sondern  solche 
Verschlechterung  derselben  bilden,  welche  sich  bei  gutem  Willen  be- 
seitigen lassen  kann. 

Diese  Auffassung  bedingte  von  vornherein,  daß  dieser  persönliche 
und  freundschaftliche  Besuch  unsererseits  nicht  benutzt  wurde,  um 
politische  Wünsche  und  Bedürfnisse  zur  Sprache  zu  bringen  oder  um 
die  Lösung  schwieriger  Fragen  anzuregen.  Deutschland  hat  überdies 
keine  direkten  Interessen,  zu  deren  Gunsten  Seine  Majestät  der  Kaiser 
dem  Kaiser  Alexander  Vorschläge  hätte  machen  können,  deren  An- 
nahme oder  Erwägung  dem  Petersburger  Kabinett  zuzumuten  wäre. 
Unsere  Politik  erstrebt  die  Erhaltung  des  Friedens,  und  wir  haben 
keine  vom  status  quo  abweichende  Bedingungen  zu  stellen,  von  denen 
wir  denselben  abhängig  machten.  Es  ist  für  uns  auch  keine  der  in 
Europa  schwebenden  Fragen  bisher  eine  so  brennende,  daß  wir  ein 
Bedürfnis  hätten,  sie  Rußland  gegenüber  anzuregen.  Namentlich  ist 
uns  die  bulgarische  Frage  an  sich  gleichgültig,  und  können  wir  gegen 
den  vertragsmäßigen  Standpunkt,  welchen  Rußland  als  Basis  seiner 
Politik  bezeichnet,  nichts  einwenden. 

Wir  konnten  nicht  mit  Sicherheit  vorhersehen,  ob  unser  in  Vor- 
stehendem gekennzeichneter  Standpunkt  der  Zurückhaltung  von  jeder 
Initiative  auf  politischem  sowohl  wie  auf  wirtschaftlichem  Gebiete  bei 
Gelegenheit  des  kaiserlichen  Besuchs  auch  der  des  russischen  Ka- 
binetts sein,  oder  ob  dasselbe  die  Gelegenheit  benutzen  würde,  um 
bisher  zurückgehaltene  Wünsche  auszudrücken.  Es  ist  für  Seine  Majestät 
den  Kaiser  erfreulich  gewesen,  daß  die  vertraulichen  Besprechungen 
beider  Monarchen  von  Vorschlägen  bestimmter  Maßnahmen  oder  Ver- 
abredungen auch  russischerseits  gänzlich  frei  geblieben  sind.  Seine 
Majestät  hat  den  Eindruck  von  Petersburg  mitgenommen,  daß  weder 
der  Status  quo  im  Orient,  noch  der  Frieden  Deutschlands  und  seiner 
Verbündeten  von  einer  Störung  durch  russische  Angriffe  oder  Provoka- 
tionen bedroht  sei.  Seine  Majestät  hat  die  Gesinnungen  und  Ab- 
sichten des  Kaisers  Alexander  in  den  intimsten  Besprechungen  als 
friedliebende  konstatieren  können  und  namentlich  in  betreff  Bulgariens 
den  Eindruck  erhalten,  daß  der  Kaiser  Alexander  die  dortige  Ent- 
wickelung  der  Dinge  ohne  russische  Einmischung  abwarten  und  an 
den  Bestimmungen  des  Berliner  Vertrages  bezüglich  dieses  Fürsten- 
tums festhalten  werde.  Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  die  Überzeugung 
gewonnen,  daß  der  Frieden,  dessen  Erhaltung  ihm  in  erster  Linie  am 
Herzen  Hegt,  durch  Bemühungen  zur  Herstellung  neuer  Vorschläge  und 
Auskunftsmittel,    durch    welche    die   bulgarische    Frage   ihrer    Lösung 

340 


entgegenzuführen  versucht  werden  würde,  leichter  getrübt,  als  be- 
festigt werden  könnte,  und  daß  solche  Vorschläge,  wenn  sie  über- 
haupt gemacht  werden  sollen,  nicht  die  Aufgabe  der  deutschen  Politik 
sein  würden.  Das  Bestreben,  den  am  Orient  näher  interessierten 
Mächten  gegenüber  die  Stellung  eines  Vermittlers  durch  Ergreifung 
der  Initiative  zu  übernehmen,  würde  für  Deutschland  ein  undank- 
bares sein,  während  jeder  Antrag  von  beteiligter  Seite  bei  uns  eine 
bereitwillige  Prüfung  und,  wenn  er  zur  Festigung  des  Friedens  ge- 
eignet scheint,  eine  wohlwollende  Befürwortung  finden  wird.  Um  der 
schließlichen  Verständigung  unter  den  beteiligten  Mächten  in  diesem 
Sinne  förderlich  sein  zu  können,  empfiehlt  es  sich  für  uns,  unseren 
Beziehungen  zu  Rußland  dasjenige  Maß  von  Vertrauen  zu  wahren, 
welches  erforderlich  ist,  um  den  Glauben  an  unsere  eigene  uneigen- 
nützige Friedensliebe  solange  zu  erhalten,  als  der  Frieden  nicht  durch 
ein  aggressives  Vorgehen  Rußlands  gegen  uns  oder  unsere  Bundes- 
genossen tatsächlich  bedroht  wird.  Daß  wir  denselben  pflegen,  so- 
lange wir  können,  glauben  wir  dem  deutschen  und  den  befreundeten 
Völkern  schuldig  zu  sein.  Wir  können  dies  aber  um  so  besser,  je  mehr 
wir  Rußland  davon  überzeugen,  daß  es  von  uns  nichts  zu  fürchten 
hat,  solange  es  seinerseits  sich  der  Angriffe  enthält,  gegen  deren  Even- 
tualität unsere  Bündnisse  gerichtet  sind.  Daß  wir  an  letzteren  unwandel- 
bar festhalten,  davon  hat  auch  der  jüngste  Besuch  Seiner  Majestät  die 
Überzeugung  in  Petersburg  nur  befestigen  können, 

Ew.  pp.  ersuche  ich  ergebenst,  sich  nach  Maßgabe  des  Vorstehen- 
den zu  dem  Herrn  Minister  des  Äußern  vertraulich  aussprechen  oder, 
wenn  es  Ihnen  angezeigt  erscheint,  Seiner  Exzellenz  diesen  Erlaß  vor- 
lesen  zu  wollen,  ohne  im  letzteren  Falle  jedoch  Abschrift  zu  lassen. 

V.  Bismarck 

Nr.  1350 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh,  an 

Kaiser  Wilhelm  11. 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden   Rats  Grafen  zu   Rantzau 

Friedrichsruh,  den  19.  August  1888 
Auf  Euere  pp.  allerhöchste  Randbemerkung  zu  dem  Berichte  des 
Grafen  Yorck  vom  31.  v.  Mts.,  betreffend  die  Verstärkung  des  Unter- 
offizierstandes der  russischen  Armee*,  wird  das  Auswärtige  Amt  Euerer 
pp.  die  Meldung  der  Admiralität  vorlegen,  daß  die  russischen  Schiffe 
im    Schwarzen    Meer   im   nächsten   Frühjahr   fertig   sein   sollen.    Die 

*  Zu  dem  Berichte  des  Hauptmanns  Grafen  Yorck  vom  31.  Juli  hatte  Kaiser  Wil- 
helm 11.  bemerkt:  „Es  wäre  von  Interesse,  zu  vergleichen,  ob  innerhalb  des  hier 
gegebenen  Zeitabschnitts  (bis  18Q0)  die  großen  Schiffe  im  Schwarzen  Meer  fertig- 
gestellt und  seeklar  sein  werden.  Denn,  falls  es  an  dem  wäre,  so  würde  ein 
Vorstoß  auf  Stamboul  eventuell  durch  Bulgarien  nicht  undenkbar  sein." 

341 


maritime   Vorbereitung   wird   also   mit  der   des   Landheeres   für   1890 
koinzidieren. 

Daß  die  russische  Pohtik  sich  für  1890  auf  die  Möglichkeit  eines 
Vorstoßes  gegen  Konstantinopel  vorbereitet,  darf  ich  aus  wiederholten 
vertraulichen  Äußerungen  hochstehender  Russen  entnehmen,  welche 
bei  Gelegenheit  der  Verhandlungen  über  unseren  jetzt  bestehenden 
geheimen  Vertrag  mit  Rußland  und  anderweit  zum  Ausdruck  kamen. 
Nach  den  mir  gegebenen  Symptomen  vermute  ich  aber,  daß  der  Ab- 
lauf von  1890  nur  für  die  Bereitschaft,  nicht  für  die  Ausführung  maß- 
gebend sein  wird.  Rußland,  wenigstens  der  Kaiser  und  seine  Re- 
gierung, wollten  ursprünglich  auf  fünf  Jahre  mit  uns  abschließen,  und  der 
Termin  von  nur  drei  Jahren  ist  lediglich  durch  schlecht  berechnete  Fi- 
nasserien  des  Grafen  Schuwalow  zur  Annahme  gekommen.  Derselbe 
hatte  geglaubt,  ich  würde  auf  fünf  Jahre  einen  so  hohen  Wert  legen,  daß 
er  dafür  noch  besondere,  in  seiner  Instruktion  nicht  verlangte  Kon- 
zessionen von  uns  würde  herausdrücken  können,  während  ich  um- 
gekehrt für  dieses,  mit  unseren  österreichisch-italienischen  Verpflich- 
tungen konkurrierende,  und  unter  gewissen  Konstellationen  deshalb 
schwierige  Verhältnis  eine  längere  Dauer  als  drei  Jahr  von  Hause  aus 
nicht  erstrebte;  ich  wollte  lieber  die  Möglichkeit  der  Verlängerung 
vorbehalten,  bis  man  besser  als  damals  die  Zukunft  übersehen  konnte. 
Für  uns  kam  es  im  Frühjahr  1887  in  erster  Linie  darauf  an,  für  den 
Fall  eines  französischen  Angriffs  der  russischen  Neutralität  versichert 
zu  sein;  die  Wahrscheinlichkeit,  von  Frankreich  angegriffen  zu  werden, 
lag  uns  damals,  wo  Boulanger  sich  noch  in  aufsteigender  Bewegung  be- 
fand, näher  als  heut*. 

Ich  zweifele  nicht  an  der  russischen  Absicht,  den  Vorstoß  auf 
Konstantinopel  zu  machen  und  nach  Fertigstellung  der  Schwarzen- 
meerflotte,  also  im  Anfang  der  1890^'^  Jahre,  den  Zeitpunkt  zur  Aktion 
zu  wählen,  je  nachdem  die  europäische  Lage  ihn  angezeigt  erscheinen 
läßt.  Meines  alleruntertänigsten  Dafürhaltens  liegt  es  nicht  in  der  Auf- 
gabe unserer  PoUtik,  Rußland  an  der  Ausführung  seiner  Pläne 
auf  Konstantinopel  zu  hindern,  sondern  dies  den  anderen  Mächten,  wenn 
sie  es  in  ihrem  Interesse  halten,  lediglich  zu  überlassen;  unser  Inter- 
esse an  der  Bosporusfrage  ist  einen  so  großen  Krieg  nach  zwei  Fronten, 
wie  der  Bruch  mit  Rußland  nach  sich  ziehn  würde,  nicht  wert;  im 
Gegenteil,  wenn  Rußland  sich  dort  einläßt,  mindert  sich  seine  Gefähr- 
lichkeit für  uns  durch  Abziehung  von  unsrer  Grenze  und  durch 
die  herausfordernde  Spannung,  in  die  es  zu  den  Mittelmeermächten, 
namentUch  zu  England  und  auf  die  Länge  auch  zu  Frankreich  tritt. 
Daß  der  russische  Vorstoß  auf  Konstantinopel  durch  Bulgarien  mit 
Benutzung  des  letzteren  geschehen  würde,  möchte  ich  kaum  annehmen, 
glaube  vielmehr,  daß  der  Seeweg  und  der  durch  Kleinasien  vorge- 
zogen werden,  und  daß  man  vorher  und  gleichzeitig  versuchen  wird, 

*  Vgl.   Bd.V,  Kap.  XXXIV,  Nr.  10Q3. 
342 


die  Pforte  zur  Annahme  eines  russischen  Vertrages  zu  bewegen,  wel- 
cher dem  Sultan  seine  Besitzungen,  den  Russen  aber  die  Verfügung 
über  Schluß  und  Öffnung  des  Bosporus  durch  Besetzung  einer  festen 
Position  sichert.  Ist  letzteres  geschehen,  so  wird  Rußland  im  Schwarzen 
Meer  gesichert  und  seine  Expansivkraft  gegen  Persien  und  Indien 
verwendbar  sein.  Damit  ist  dann  für  England  die  Unmöglichkeit  ge- 
geben, in  seiner  bisherigen  Fiktion  einer  kühlen  Zuschauerrolle  zu 
verharren,  und  wir  können  abwarten,  wie  die  Konstellation  unter  den 
übrigen  Mächten  sich  gestaltet,  da  ein  russischer  Angriff  auf  Kon- 
stantinopel an  sich  noch  keinen  casus  foederis  zwischen  Österreich 
und  uns  herstellt. 

Euerer  pp.  würde  ich  zu  ehrfurchtsvollem  Danke  verpflichtet  sein, 
wenn  Allerhöchstdieselben  die  Gnade  haben  wollten,  dieses  Schreiben 
nach  genommener  Einsicht  zu  verbrennen;  dasselbe  berührt  Dinge  und 
Fragen,  die  ich  in  der  Regel  nicht  für  nützlich  halte,  dem  Papiere 
anzuvertrauen  und  anders  als  mündlich  zu  verhandeln,  solange  ihre 
tatsächliche  Entwicklung  nicht  vorHegt. 

v.  Bismarck 

Nr.  1351 
Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Friedrichsruh,  an 

Kaiser  Wilhelm  II. 

Konzept  von  der  Hand  des  Vortragenden  Rats  Grafen  zu  Rantzau 

Friedrichsruh,  den  20.  September  1888 

Bei  meinen  Unterhaltungen  mit  dem  Grafen  Kälnoky,  welcher 
mich  nach  dreitägiger  Anwesenheit  gestern  abend  verlassen  hat,  hat 
sich  unsere  Übereinstimmung  darüber  herausgestellt,  daß  keiner  der  Be- 
herrscher der  drei  Donaustaaten  seiner  Aufgabe  leider  gewachsen  ist. 

Den  Prinzen  Ferdinand  schildert  Graf  Kälnoky  als  einen  schwäch- 
lichen und  wunderlichen  Herrn,  der  aber  durch  sein  großes  Selbst- 
vertraun  und  sein  Geld  sich  in  der  Stellung  halte,  an  der  er  klebe,  und 
aus  der  er  nicht  freiwillig  weichen  werde.  Er  sei  dabei  geizig,  aber 
die  Tatsache,  daß  er  reich  sei,  und  die  Hoffnung  auf  Geschenke  und 
sein  fürstliches  Zeremoniell  geben  ihm  ein  Ansehn,  welches  der  Prinz 
von  Battenberg  nicht  hatte,  weil  er  arm  war  und  die  Bulgaren  kamerad- 
schafthch  behandelte,  was  bei  ihnen  nicht  angebracht  sei.  Das  Haupt- 
hindernis für  das  Festwachsen  des  Prinzen  Ferdinand  in  Bulgarien 
liege  nicht  in  seiner  Persönlichkeit,  sondern  in  seinem  Katholizismus. 

Der  Prinz  von  Battenberg  habe  durch  seinen  Vater  den  Wunsch 
zu  erkennen  gegeben,  in  die  österreichische  Armee  einzutreten,  man 
werde  darauf  aber  nicht  eingehen,  weil  man  neuen  Anlaß  zu  Irritationen 
des  Kaisers  von  Rußland  vermeiden  wolle;  außerdem  würde  der  Ein- 
schub  des  Prinzen  bei  den  österreichischen  Generälen  auf  Verstim- 
mungen  stoßen;   auch   der   Erzherzog  Albrecht  sei   kein   Freund  der 

343 


ganzen  Battenbergischen  Familie  und  halte  insbesondere  die  alte  Für- 
stin  von    Battenberg   für   eine  gefährliche   Intrigantin. 

Von  dem  König  von  Rumänien  glaubt  Graf  Kälnoky,  und  ich  teile 
seine  Ansicht,  daß  Seine  Majestät  die  falsche  Rechnung  mache,  den 
Beistand  der  Bojaren  zu  erstreben  und  auf  diese  zu  zählen,  während 
dieselben  nichts  lieber  sehn  würden  als  den  Umsturz  des  neuen 
Königtums  und  die  Herstellung  der  Hospodarenwahl  unter  russischem 
oder  auch  türkischem  Protektorat.  König  Karl  überschätze  die  Festigkeit 
seiner  Stellung,  wie  seine  großen  Güterkäufe  im  Lande  bewiesen,  und 
suche  die  Freundschaft  der  Aristokratie,  anstatt  gegen  dieselbe  und 
gegen  Rußland  sich  die  Anhänglichkeit  des  Bauernstandes  zu  ge- 
winnen. Die  Ungewißheit  der  Erbfolge  und  das  Fernbleiben  des  mut- 
maßlichen Erben  aus  dem  Lande  und  der  Armee,  der  KathoUzismus 
der  regierenden  Familie  im  orthodoxen  Lande,  das  alles  mache  den 
Blick  in  die  Zukunft  Rumäniens  unsicher. 

Den  König  Milan  schien  Graf  Kälnoky  als  einen  verlorenen  Mann 
anzusehen.  Derselbe  sei  stets  nur  darauf  bedacht,  für  seinen  Thron 
eine  mögüchst  hohe  Abfindungssumme  herauszuschlagen,  welche 
ihn  in  die  Lage  setzen  würde,  auf  den  Boulevards  von  Paris  und  Wien 
ein  vergnügliches  Leben  zu  führen.  Der  Graf  hält  die  Verwirklichung 
dieses  Wunsches  nicht  unbedingt  für  eine  Gefahr  des  Friedens.  Öster- 
reich habe  sich  mit  der  Möglichkeit  einer  Katastrophe  in  Serbien 
vertraut  machen  müssen.  Die  Familie  Karageorgewitsch  sei  immer  gut 
österreichisch  gesinnt  gewesen,  weshalb  auch  die  Russen  den  Fürsten 
von  Montenegro  gegen  seinen  Schwiegersohn*  unterstützten  und  die 
Eifersucht  zwischen  diesem  und  dem  Schwiegervater  förderten.  Wer 
aber  auch  in  Serbien  regieren  würde,  so  läge  doch  das  Land  zu  sehr 
in  dem  Bereiche  der  österreichischen  Machtsphäre,  als  daß  Österreich 
die  Beziehungen  zu  demselben  aufgeben  könne;  dieselben  seien  ohne 
Gefahr  für  die  österreichischen  Serben,  welche  für  das  Königreich 
keine  Sympathien  hätten;  die  Kroaten,  obschon  Serben,  seien  durch 
die  Konfession  davon  getrennt,  und  die  im  Banat  lebten  bisher  ohne 
Verkehr  und  Beziehung  mit  denen  im  Königreich,  pp. 

Das  Verhalten  Seiner  Majestät  des  Kaisers  von  Österreich  in  betreff 
der  Anwesenheit  des  Prinzen  von  Wales  in  Wien**  habe  ich  mit  Graf 

*  Die  älteste  Tochter  des  Fürsten  von  Montenegro,  Prinzessin  Zorka  Ljubitza, 
war  mit  dem  Fürsten  Peter  Karageorgewitsch  verheiratet. 

**  Kaiser  Franz  Joseph  hatte  dem  Prinzen  von  Wales,  der  im  September  zum  Be- 
suche am  österreichischen  Hofe  weilte  und  hier  die  Absicht  aussprach,  auch 
während  des  bevorstehenden  Besuchs  Kaiser  Wilhelms  in  Wien  und  Mürzsteg 
(3.— 10.  Oktober)  anwesend  zu  bleiben,  durch  den  englischen  Botschafter  zu  ver- 
stehen gegeben,  daß  Kaiser  Wilhelm  nicht  wünschen  werde,  in  Wien  mit  fremden 
Fürstlichkeiten  zusammenzutreffen.  Bericht  des  Prinzen  Reuß  vom  13.  September 
1888.  Tatsächlich  war  ein  solcher  Wunsch  weder  von  Kaiser  Wilhelm  noch  von 
Bismarck  zum  Ausdruck  gebracht  worden,  obwohl  dieser  sich  nachträglich  auf 
den  Standpunkt  stellte,  daß  ein  ,, demonstratives  Miterscheinen"  des  Prinzen  von 
Wales  in  Wien,  das  als  Spitze  gegen  Rußland  ausgelegt  werden  könne,  nicht  er- 

344 


Kälnoky  besprochen,  der  mir  sagte,  daß  dasselbe  nicht  durch  Schritte 
Euerer  pp.  Botschafters,  sondern  durch  die  Eindrücke  veranlaßt  worden 
wäre,  die  der  Erzherzog  Carl  Ludwig  von  Berlin  zurückgebracht  hätte, 
und  daß  der  Kaiser  Franz  Joseph  ganz  aus  eigenem  Antriebe  und  ohne 
Einwirkung  des  Prinzen  Reuß  dem  Prinzen  von  Wales  habe  sagen  lassen, 
daß  er  mit  Euerer  pp.  bei  dieser  Gelegenheit  ohne  Beteiligung  anderer 
fürsthchen  Besuche  zu  verkehren  wünschte,  und  daß  die  stärkere  Form 
der  Eröffnung  durch  den  englischen  Botschafter  notwendig  geworden 
wäre,  weil  der  Prinz  mildere  Andeutungen  nicht  habe  verstehn  wollen. 
Ich  vermute,  daß  Seine  Königliche  Hoheit  der  Prinz  von  Wales  mit  dem 
Verlangen,  der  Zusammenkunft  beider  Majestäten  beizuwohnen,  un- 
eingestanden  politische  Zwecke  verband;  entweder  den  einer  antirussi- 
schen Attitüde  ä  trois,  oder  den  der  Information  resp.  der  Möglichkeit, 
als  Augen-  und  Ohrenzeuge  über  die  Begegnung  reden  zu  können. 
Nach  Kälnokys  Ansicht  steckt  in  Seiner  Königlichen  Hoheit  noch  heut 
die  Erinnerung  an  und  die  Vorliebe  für  die  westmächtliche  Freund- 
schaft mit  Frankreich,  wenn  auch  nicht  mit  der  Republik.  Ich  erlaube 
mir,  dies  anzuführen,  damit  Euere  pp,  bei  der  Begegnung  in  Wien 
über  die  Genesis  der  Vorgänge  zwischen  dem  Kaiser  Franz  Joseph 
und  dem  Prinzen  von  Wales  unterrichtet  sind. 

Für  die  russische  Seite  der  Politik  war  es  bezeichnend,  daß  Graf 
Kälnoky  sie  garnicht  zur  Sprache  brachte,  ebensowenig  wie  die  Zu- 
kunft unserer  deutsch-österreichischen  geheimen  Verträge.  Es  läßt  sich 
daraus  entnehmen,  daß  die  Besorgnis  vor  einem  plötzüchen  russischen 
Angriffe,  trotz  der  Wahrscheinlichkeit  der  Vorschiebung  von  zwei  wei- 
teren russischen  Divisionen  aus  dem  Innern,  in  Wien  geringer  ge- 
worden ist.  Über  die  inneren  Zustände  des  russischen  Reiches 
sieht  mein  österreichischer  Kollege  schwärzer  noch  wie  ich.  Nament- 
lich rechnet  man  in  Wien  auf  die  zunehmende  Abwendung  der  klein- 
russischen Stämme  im  Süden  von  den  großrussischen  Landsleuten  und 
von  der  Politik,  wie  sie  in  Moskau  und  Petersburg  gemacht  wird.  Die 
Rechnung  mit  der  Möglichkeit,  daß  innere  Gefahren  und  Umwälzungen 
oder  die  Furcht  davor  Rußland  vom  Kriege  abhalten  werden,  scheint 
in  Wien  mehr  in  den  Vordergrund  getreten.  Die  friedliebende  Ge- 
sinnung des  Kaisers  Alexander  persönlich  war  dem  Grafen  Kälnoky 
außer  Zweifel,  und  er  fürchtete  mehr  von  dem  Ungeschick  der  Peters- 
burger Diplomatie  und  der  Unberechenbarkeit  der  inneren  russischen 
Entwicklung  als  von  einer  Friedensstörung,  die  im  Kabinett  präme- 
ditiert wäre. 

Ich  fand  Graf  Kälnoky  im  ganzen  weniger  besorgt  gegen  Ruß- 
land, geringschätziger  gegen  Frankreich  und  die  balkanischen  Fürsten 


wünscht  wäre.  Das  Vorkommnis  hinterließ,  da  der  Prinz  von  Wales  hartnäcitig 
an  der  Ansicht  festhielt,  daß  Kaiser  Franz  Joseph  zu  seinem  Vorgehen  von  Berlin 
aus  veranlaßt  sein  müsse,  eine  tiefgehende  Verstimmung  zwischen  ihm  und  Kaiser 
Wilhelm,  deren  notdürftige   Ausgleichung  erst  im   Frühjahr  1889  gelang. 

345 


und  wohlwollender  gegen  Italien  als  bei  früheren  Gelegenheiten;  ganz 
fest  im  Bedürfnis  des  Zusammenhaltens  mit  uns  und  im  Vertrauen 
auf  diesseitige  gleiche  Intentionen.  v.  Bismarck 

Nr.  1352 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 
Herbert  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Wien 

Unsignierte   Reinschrift 

Wien,  den  5.  Oktober  1888 

Kaiser  Franz  Joseph  hatte  mich  aus  eigener  Initiative  auf  gestern 
2  Uhr  zur  Audienz  bestellt,  nachdem  er  mich  bei  den  allgemeinen 
offiziellen  Anlässen,  die  zu  einer  Aussprache  keine  Gelegenheit  boten, 
in  besonders  herzlicher  Weise  begrüßt  hatte.  Der  Empfang  hatte  den 
von  dem  Monarchen  beliebten  ganz  privaten  Charakter  und  fand  in 
seinem  Arbeitskabinett  ohne  jedes  Zeremoniell  statt.  Der  Kaiser  sprach 
zunächst  seine  herzliche  Freude  über  unsere  hiesige  Anwesenheit  aus, 
indem  er  dabei  das  alte  Vertrauen  hervorhob,  welches  er  von  jeher 
zu  unserm  Herrn  gehabt  habe.  Demnächst  ging  Seine  Majestät  in 
einem  kurzen  RückbHck  auf  die  im  Laufe  dieses  Jahres  stattgehabten 
gewaltigen  Veränderungen  über  und  sprach  mit  Rührung  und  Innig- 
keit vom  Kaiser  Wilhelm  I.,  dessen  Tradition  unser  jetziger  Kaiser 
sich  zu  seiner  Freude,  wenn  auch  nicht  zu  seiner  Überraschung  so 
vollkommen  angeeignet  hätte,  daß  die  Kontinuität  der  Beziehungen 
der  beiden  Kaiserhöfe  ihm  gesicherter  erschiene  als  je.  Über  das 
Interregnum  des  Frühjahrs  sprach  Kaiser  Franz  Joseph  mit  großer 
Offenheit  und  war  in  seinem  Urteil  über  dasselbe  sichtHch  beeinflußt 
durch  die  neuerlichen  Tagebuchveröffentlichungen*.   Wenn  ich  bezüg- 


*  Gemeint  ist  die  Veröffentlichung  des  Tagebuchs  Kaiser  Friedrichs  HI.  aus 
dem  Kriege  1870/71  im  Oktoberheft  der  „Deutschen  Rundschau".  Auf  den 
Geffcken-Prozeß  in  der  Aktenpublikation  einzugehen,  liegt  kein  Anlaß  vor.  Für 
die  Auswärtige  Politik  von  Interesse  ist  nur  ein  Schreiben  des  Fürsten  Bismarck 
an  den  Grafen  Herbert  Bismarck  vom  5.  Oktober,  das  offen  auf  die  grund- 
verschiedene Tendenz  der  Politik  Kaiser  Wilhelms  I.  und  Friedrichs  III.  hinweist. 
„Daß  diese  —  die  Politik  —  bei  den  ersten  deutschen  Kaisern  eine  grund- 
verschiedene war,  ist  eine  Tatsache,  deren  Verdeckung  weder  möglich  noch 
nützlich  ist.  Die  großen  und  realen  Ergebnisse  der  Politik  Kaiser  Wilhelms  I. 
werden  in  ihrem  Bestände  und  in  ihrer  Nachwirkung  Schaden  leiden,  wenn  sie 
in  die  Übereinstimmung  mit  den  Absichten  Kaiser  Friedrichs  künstlich  hinein- 
gedrückt werden  sollen.  Beide  hohen  Herren  waren  in  der  äußeren  wie  in  der 
inneren  Politik  grundverschiedener  Ansicht.  In  der  äußeren  pflegte  der  Vater 
die  russische,  der  Sohn  die  englische,  in  der  innern  der  Vater  das  erhaltende 
preußische  Prinzip,  der  Sohn  den  modernen  Parlamentarismus  ohne  selbstregie- 
renden Monarchen  und  die  Freundschaft  mit  den  fortschrittlichen  Koryphäen  dieser 
Richtung." 

346 


lieh  der  letzteren  mich  auch  streng  an  die  von  Euerer  Durchlaucht 
eingehaltene  und  von  Seiner  Majestät  gebilligte  Linie  hielt,  so  war 
dem  Kaiser  Franz  Joseph  doch  nicht  auszureden,  daß  der  Kern  des 
Tagebuches  durchaus  demjenigen  entsprach,  was  man  von  Kaiser  Fried- 
rich hätte  erwarten  können.  Als  Resümee  kann  ich  nur  anführen,  daß 
der  hiesige  Kaiser  ganz  analog  dem,  was  der  Zar  mir  in  Peterhof 
sagte,  sich  dahin  aussprach,  daß  der  Tod  vom  15.  Juni  nicht  nur 
Deutschland,  sondern  das  gesamte  monarchische  Europa  von  einem 
schweren  Alpdruck  befreit  habe,  und  daß  das  Deutsche  Reich  dadurch 
einer  großen  Gefahr  entgangen  sei:  Die  Tagebuchveröffentlichungen 
wären  allerdings  vom  Standpunkt  des  monarchischen  Prinzips  höchst 
bedauerlich,  da  die  Herunterziehung  eines  vor  kurzem  noch  regierenden 
Königs*  in  die  schmutzige  Arena  kritisierender  Zeitungsschreiber  ein 
schwerer  Schade  sei;  immerhin  würde  das  Ergebnis  sehr  wider  die 
Absicht  der  Veröffentlicher  die  Freude  über  das  Avenement  unseres 
jetzigen  Herrn  in  ganz  Deutschland  wesentlich  erhöhen. 

Der  österreichische  Kaiser  kam  dann  auf  die  Kaiserin  Friedrich 
und  die  englischen  Familienbeziehungen  zu  sprechen.  Indem  er  den 
Charakter  der  Kaiserin  und  ihr  Tun  so  beurteilte,  wie  man  es  von 
diesem  erfahrenen  Monarchen  nicht  anders  erwarten  konnte,  sprach 
er  doch  die  Besorgnis  aus,  daß  die  Tätigkeit  der  Kaiserin  Friedrich 
in  ihren  engeren  Zirkeln  und  in  der  englischen  Familie  zu  einer  Ent- 
fremdung zwischen  der  englischen  und  der  deutschen  Politik  führen 
könnte.  Ich  bestritt  dies  und  bezog  mich,  um  nicht  zu  lang  zu  werden 
für  meine  Beweisgründe,  auf  eine  lange  vertrauliche  Unterredung, 
welche  ich  tags  zuvor  mit  Kalnoky  über  diesen  Fall  gehabt  hatte. 
Der  Inhalt  dieser  Unterredung  war  kurz  der,  daß  unser  Herr  die  Be- 
deutung des  englischen  Prestiges  im  europäischen  Schachspiel  wohl 
zu  würdigen  wisse  und  weit  davon  entfernt  sei,  Überhebungen,  welche 
sich  die  englische  Königsfamilie  zuschulden  kommen  ließe,  auf  unsere 
Beziehungen  zur  englischen  Regierung  zu  übertragen:  man  müsse 
nicht  vergessen,  daß  in  England  die  Demokratie  regiere,  deren  Organ 
der  jeweilige  Premierminister  mit  seinen  Kollegen  sei:  wenn  die  Köni- 
gin Victoria  jetzt  einen  gewissen  Einfluß  ausübe,  so  geschehe  dies 
lediglich,  weil  Lord  Salisbury  in  loyaler  Erinnerung  an  halbvergessene 
alte  Torytraditionen  der  Königin  freiwillig  einen  gewissen  Spielraum 
einräume:  zu  meiner  amtlichen  engHschen  Zeit  unter  Gladstone  sei 
die  Königin  lediglich  als  automatische  Unterschriftsmaschine  behandelt, 
und  so  würde  es  nach  den  nächsten  allgemeinen  Wahlen  in  England, 
die  das  alte  Torytum  definitiv  beseitigen  würden,  auch  wieder  werden. 
Das  Flittergold  des  sogenannten  englischen  Königstums  sei  une  quantite 
negligeable;  wenn  man  dasselbe  nicht  geradezu  direkt  beleidige,  würde 

*  Damit  sind  die  Äußerungen  des  Tagebuchs  über  das  starke  Widerstreben  König 
Ludwigs  II.  von  Bayern  gegen  die  Einigung  Deutschlands  unter  der  Ägide  der 
Hohenzollern  gemeint. 

347 


es  für  die  Beziehungen  zur  englischen  Nation  in  Zukunft  vollständig 
einerlei  sein,  wie  man  zu  dessen  Träger  stände,  pp. 

Nachdem  dies  abgetan  war,  sprach  ich  dem  Kaiser  von  der  Peter- 
hofer  Entrevue,  von  dem  Vertrauen,  welches  unser  Herr  sich  in  Ruß- 
land von  neuem  erworben  habe,  und  von  Oiers  Äußerungen  über  die 
Balkanstaaten.  Der  Kaiser  ging  zunächst  auf  Bulgarien  ein  und  äußerte 
seine  Verwunderung,  daß  Prinz  Ferdinand  sich  bis  jetzt  noch  gehalten 
habe:  er  habe  an  eine  so  lange  Dauer  dieser  Koburgschen  Episode 
nicht  geglaubt,  könne  damit  aber  schließlich  nicht  unzufrieden  sein,  da 
gegenwärtig  wenigstens  Ruhe  und  Ordnung  in  Bulgarien  herrsche  und 
dies  alles  sei,  was  er  wünsche. 

Ich  sagte,  daß  wir  bezüglich  Serbiens  und  Bulgariens  nach  wie  vor 
an  dem  alten  Rezept  der  Teilung  der  Interessensphäre  festhielten,  wenn 
auch  die  beiden,  uns  befreundeten  kaiserlichen  Regierungen  seinerzeit 
davon  nichts  hätten  wissen  wollen.  Seine  Majestät  unterbrach  mich 
hier  lebhaft  mit  etwas  gezwungenem  Lachen:  „Ich  weiß  wohl,  daß 
dies  die  Idee  Ihres  Vaters  ist;  ich  habe  mich  damit  aber  nie  befreunden 
können  und  muß  sie  auch  heute  von  mir  weisen."  Meine  Erwiderung 
lautete:  „Es  tut  mir  leid,  dies  zu  hören,  um  so  mehr,  als  ich  noch  ganz 
neuerdings  habe  konstatieren  können,  daß  Graf  Schuwalow  diese  Schei- 
dung der  Interessensphären  für  die  glücklichste  Idee  erklärte,  die  in 
der  balkanstaatlichen  Frage  noch  vorgebracht  worden  sei.  Man  brauche 
ja  nicht  notwendig  von  einer  Trennung  der  Interessensphäre  zu  spre- 
chen, sondern  könne  damit  beginnen,  daß  Österreich  und  Rußland  sich 
einstweilen  für  eine  sphere  de  desinteressement  aussprächen,  d.  h.  daß 
Österreich  sich  in  Bulgarien  ebenso  desinteressiere,  wie  Rußland  es 
tatsächlich  in  Serbien  tue.  Dies  verpflichte  ja  zu  nichts  und  gewähre 
doch  immerhin  für  einige  Zeit  einen  akzeptabeln  trockenen  Standpunkt 
in  dem  bulgarischen  Sumpf."  Der  Kaiser  erwiderte  darauf,  daß  seine 
Regierung  sich  tatsächlich  in  Bulgarien  zurückhalte;  hätte  er  dort 
aktiv  eingreifen  wollen,  so  würde  er  wohl  in  der  Lage  gewesen 
sein,  den  österreichischen  Einfluß  in  Bulgarien  weit  mehr  zur  Gel- 
tung zu  bringen :  er  verlange  aber  nichts  als  von  beiden  Seiten 
Geschehenlassen  gegenüber  der  autonomen  Entwickelung  der  jetzigen 
Balkanstaaten. 

Als  ich  hier  schwieg,  weil  weiteres  Insistieren  mir  unfruchtbar  er- 
schien, begann  der  Kaiser,  von  Rumänien  zu  sprechen,  und  äußerte  Be- 
sorgnis für  die  Zukunft  des  Königs  Karl,  den  er  für  einen  eiteln  und 
kurzsichtigen  Schwätzer  erklärte:  wenn  König  Karl  so  ungeschickt 
fortwirtschafte  wie  jetzt  und  nicht  einmal  für  sichtbare  Kontinuität 
der  Dynastie  sorge,  so  könne  ihm  leicht  Cusas  Schicksal*  bereitet  wer- 
den: hieraus  würde  für  Österreich  eine  schwere  Verlegenheit  er- 
wachsen, denn  er  könne  nicht  mit  ansehen,  daß  Rumänien  eine  russi- 


*  Alexander  Cusa,  Fürst  von  Rumänien,  war  bekanntlich  1866  entthront  worden. 
348 


sehe  Dependenz  werde.  Der  Kaiser  sprach  sich  lobend  über  das  Ver- 
halten unseres  Gesandten  Bülow*  sowie  anerkennend  über  die  Fähig- 
keit seines  eigenen  Vertreters  Goluchowski  aus,  fürchtet  aber  doch, 
daß  die  Tätigkeit  dieser  beiden  Herren  durch  den  besserwissenden 
Eigensinn  des  Königs  Karl  frustriert  werden  würde.  Ich  stellte  Seiner 
Majestät  anheim,  durch  den  Herzog  von  Nassau,  den  Onkel  der  Köni- 
gin, auf  den  König  Karl  einzuwirken,  und  dieser  Gedanke  schien  dem 
Kaiser  zu  gefallen. 

Bezüglich  Serbiens  sagte  der  Kaiser  mit  einem  Seufzer,  er  werde 
binnen  kurzem  den  König  Milan  hier  sehen:  er  wünsche  dessen  Ver- 
bleiben auf  dem  Thron,  werde  ihm  aber  nicht  zureden;  auf  diesen  Herrn, 
dessen  Charakter  einem  weiblichen  mehr  ähnlich  sei  wie  einem  männ- 
lichen, könne  nur  durch  harte  Worte  eingewirkt  werden. 

Als  in  der  Unterhaltung  Bulgarien  noch  einmal  berührt  wurde, 
sagte  ich  dem  Kaiser,  es  würde  im  Interesse  der  Kräftigung  der  Stel- 
lung des  Zaren  gegenüber  panslawistischen  Hetzern  doch  erwünscht 
sein,  daß  eine  für  Rußland  annehmbare  Regierung  in  Bulgarien  ent- 
stände, weil  dadurch  diel  russisch-österreichischen  Beziehungen  wesent- 
lich erleichtert  werden  würden.  Prinz  Ferdinand,  der  ungarische  Uni- 
form getragen,  in  Österreich  seine  Verwandten  habe  und  von  Wien 
gekommen  sei,  gelte  nun  einmal  in  ganz  Rußland  für  einen  öster- 
reichischen Emissär,  und  seine  römische  Religion  mache  ihn  für  den 
Zaren  auf  die  Dauer  unannehmbar.  Hieran  könne  der  Zar  selbst  beim 
besten  Willen  nichts  ändern.  Die  Einwirkung  aber,  welche  die  nach- 
drücklichste auf  den  Zaren  sei,  setze  bei  dessen  Empfindungen  als  ortho- 
doxem Cäsaropapst  ein  und  führe  demselben  unter  Pobedonoszews 
berechneter  Direktive  stets  das  Schreckbild  der  überlegenen  römischen 
Propaganda  unter  den  orthodoxen  Slawen  vor  Gesicht.  Der  Kaiser 
meinte,  daß  hiergegen  doch  die  Zahlen  sprächen;  nicht  einmal  in  Ru- 
mänien mache  die  römische  Kirche  Fortschritte,  und  es  sei  ein  ver- 
hängnisvoller Irrtum  des  Papstes,  daß  dieser  auf  Bekehrungen  unter 
den  orthodoxen  Slawen  rechne:  nur  unter  den  Bulgaren  seien  in  letzter 
Zeit  wenige,  kaum  nennenswerte  Übertritte  erfolgt,  pp. 

Nr.  1353 

Der  Geschäftsträger  in  Petersburg  Graf  von  Pourtal^s  an  den  Reichs- 
kanzler Fürsten  von  Bismarck 

Ausfertigung 
Nr.  229  St.  Petersburg,  den  9.  Oktober  1888 

Wenn  auch  in  den  amtlichen  hiesigen  Kreisen  nach  wie  vor  betont 
wird,  daß   Rußland  nicht  die  geringste  Neigung  verspüre,  aus  seiner 


*  Der  frühere  erste   Sekretär  der   Botschaft  in  Petersburg  Bernhard  von   Bülow 
war  seit  Mai  1888  Gesandter  in  Bukarest. 

349 


in  der  letzten  Zeit  den  Orientangelegenheiten  gegenüber  beobachteten 
Reserve  herauszutreten  und  insbesondere  die  bulgarische  Frage  einer 
Lösung  entgegenzuführen,  so  ist  von  der  letzteren  neuerdings  in  nicht 
amtlichen  Kreisen  wieder  mehr  die  Rede.  Man  begegnet  öfters  der 
Ansicht,  daß  die  Langmut  Rußlands  bald  erschöpft  sein  werde,  daß 
etwas  geschehen  müsse,  um  dem  in  Bulgarien  herrschenden  Zustande 
der  Anarchie  ein  Ende  zu  bereiten  und  um  dem  sich  immer  mehr  dort 
ausbreitenden    österreichischen    Einfluß    Halt   zu    gebieten. 

Ich  habe  in  der  letzten  Zeit  wiederholt  Gelegenheit  gehabt,  Ge- 
spräche mit  Persönlichkeiten  zu  führen,  welche,  wenn  auch  selbst  nicht 
in  amtlicher  Stellung,  so  doch  mit  den  leitenden  Kreisen  in  Fühlung 
stehen,  und  welche  sich  in  obigem  Sinne  aussprachen.  Wenn  ich  auf 
diese  Äußerungen  die  Frage  einwarf,  was  denn  die  Pläne  Rußlands 
bezüglich  Bulgariens  seien,  blieb  man  mir  entweder  die  Antwort  hier- 
auf schuldig  oder  bekannte  mit  bedauerndem  Achselzucken,  daß  man 
eben  leider  kein  Programm  hier  habe.  Beinahe  regelmäßig  begegnete 
ich  bei  diesen  Gesprächen  auch  irgendeiner  Phrase,  aus  welcher  deutlich 
zu  erkennen  war,  daß  man  sich  hier  noch  vielfach  zu  der  Erwartung 
berechtigt  glaubt,  Deutschland  werde  etwas  tun,  um  Rußland  aus 
der  Sackgasse,  in  welcher  es  sich  in  der  bulgarischen  Frage  befindet, 
herauszuhelfen. 

Verständige  Politiker  geben  dabei  von  vornherein  zu,  daß  Rußland 
an  der  schwierigen  Situation,  in  der  es  sich  jetzt  befinde,  durch  seine 
nach  dem  letzten  türkischen  Kriege  begangenen  Fehler  selbst  die 
Schuld  trage,  sie  heben  jedoch  immer  wieder  hervor,  daß  Österreich- 
Ungarn  durch  sein  Vordringen  auf  der  Balkanhalbinsel  ^  in  einer 
Weise  aus  den  Fehlern  Rußlands  Vorteil  ziehe,  welche  russischerseits 
nicht  mehr  länger  geduldet  werden  könne.  Österreich  werde  aber  nur 
durch  das  Bündnis  mit  Deutschland  2  in  den  Stand  gesetzt,  diese  Vor- 
teile aus  der  jetzigen  Situation  zu  ziehen ;  es  wäre  daher  dringend 
wünschenswert,  daß  Deutschland,  welchem  doch  an  guten  Beziehungen 
zu  den  beiden  benachbarten  Reichen  sichtlich  gelegen  sei,  ein  weiteres 
Umsichgreifen  des  österreichischen  Einflusses  da,  wo  er  mit  dem  rus- 
sischen notwendig  in  Kollision  kommen  müsse,  verhindere.  Insbeson- 
dere wird  dabei  darauf  hingewiesen,  daß,  so  sehr  dies  auch  von  öster- 
reichischer Seite  bestritten  werde,  Prinz  Ferdinand  im  Grunde  in 
Bulgarien  nur  für  die  österreichische  und  katholische  Sache  arbeite 
und  darum  auch  von  Österreich  wirksam  unterstützt  werde. 

Wie  Euerer  Durchlaucht  bekannt  ist,  hat  die  „Moskauer  Zeitung" 
die  Lüge  aufgebracht,  daß  gelegentlich  der  Peterhofer  entrevue  von 
dem  Herrn  Staatssekretär  im  Auftrage  Euerer  Durchlaucht  hier  mit 
bezug  auf  die  Lösung  der  bulgarischen  Frage  Zusagen  erteilt  worden 
seien,  von  denen  sich  die  deutsche  Regierung  später  wieder  losgesagt 
habe.  Wenn  ich  nun  auch  zugeben  will,  daß,  wie  von  amtlicher  rus- 
sischer Seite  versichert  wird,  diese  tendenziöse  Erfindung  hier  in  ernste- 

350 


ren  Kreisen  keinen  Glauben  findet  3,  so  ist  doch  gewiß,  daß  man  hier 
allgemein  an  die  Wirkungen  der  Peterhofer  Zusammenkunft  gewisse 
Erwartungen  knüpft  und  der  Ansicht  ist,  daß  nach  den  von  Rußland 
gelegentlich  dieser  Zusammenkunft  gegebenen  Beweisen  friedlicher  Ab- 
sichten Deutschland  gegenüber  die  deutsche  Politik  wohl  etwas  tun 
könnte,  um  der  russischen  einen  Dienst  zu  erweisen*  und  die  guten 
Beziehungen  zwischen  Deutschland  und  Rußland  dadurch  zu  pflegen  5. 
Solche  Erwartungen  wurden  an  den  Besuch  des  Grafen  Kälnoky  in 
Friedrichsruh  und  werden  jetzt  noch  in  erhöhtem  Maße  an  den  Besuch 
Seiner  Majestät  des  Kaisers  am  Wiener  Hof  geknüpft. 

Ich  habe  bei  solchen  Gesprächen  wiederholt  darauf  hinzuweisen 
Gelegenheit  gehabt,  daß,  wenn  Rußland  etwas  unternehmen  sollte, 
um  seinem  Einfluß  in  Bulgarien  Geltung  zu  verschaffen,  Deutschland 
gewiß  weit  davon  entfernt  sein  werde,  einem  solchen  Vorhaben  Hin- 
dernisse in  den  Weg  zu  legen,  daß  es  aber  eine^  starke  Zumutung 
an  uns  sei,  wenn  von  uns  verlangt  werde,  daß  wir  die  Rolle  eines 
Geschäftsführers  Rußlands  übernehmen  sollen,  nachdem  wir  für  die 
Übernahme  dieser  Rolle  beim  Berliner  Kongreß  während  der  letzten 
10  Jahre  wiederholt  nur  Undank  geerntet  hätten.  Auf  diese  Einwendung 
erfolgt  von  russischer  Seite  in  der  Regel  der  Hinweis  auf  die  Dienste, 
welche  Rußland^  in  den  Jahren  1866  und  1870  Preußen  und  Deutsch- 
land geleistet  habe,  und  welche  durch  die  seitdem  der  russischen  Poli- 
tik von  Deutschland  zuteil  gewordene  Unterstützung  noch  keineswegs 
heimgezahlt  seien. 

„Laissez  nous  en  tete-ä-tete  avec  l'Autriche",  so  lautet  dann  der 
Refrain,  „voilä  tout  ce  que  nous  demandons^." 

Wenn  nun  auch  Äußerungen  der  oben  angedeuteten  Art,  welche 
in  ungezwungener  Konversation  getan  Werden,  von  der  Art,  w^ie  man 
sich  in  amtlichen  Kreisen  über  die  gegenwärtige  Situation  ausspricht, 
wesentlich  abweichen,  und  wenn  dieselben  auch  für  die  Kenntnis  der 
in  weiten  Kreisen  hier  herrschenden  Ansichten  und  Wünsche  nicht 
wesentHch  neues  Material  beibringen,  so  habe  ich  dieselben  um  so 
mehr  verzeichnen  zu  sollen  geglaubt,  als  ich  daraus,  sowie  aus  ver- 
schiedenen anderen  Anzeichen  darauf  schließen  möchte,  daß  man  sich 
gegenwärtig  viel  mit  der  Möglichkeit  des  Eintritts  irgendwelcher  Er- 
eignisse beschäftigt,  durch  welche  die  russische  Regierung  in  die  Not- 
wendigkeit versetzt  werden  könnte,  in  der  bulgarischen  Frage  plötzlich 
von  ihrer  reservierten  Haltung  abzugehen^.  Als  ein  solches  Anzeichen 
möchte  ich  eine  gewisse  Nervosität  hervorheben,  mit  welcher  man  der 
Eventualität  einer  plötzlichen  Unabhängigkeitserklärung  Bulgariens  ent- 
gegensieht, und  andererseits  auf  die  bulgarische  Agitation  in  Maze- 
donien hinweist,  pp. 

Es  scheint  mir  in  der  Tat  nicht  ausgeschlossen,  daß,  wenn  nach 
der  Reise  Seiner  Majestät  des  Kaisers,  unseres  allergnädigsten  Herrn, 

351 


die  von  den  panslawistischen  Hetzblättern  künstlich  verbreitete  Ent- 
täuschung dadurch  eintritt,  daß  die  an  die  Besprechungen  in  Wien  und 
Rom*  geknüpften  Erwartungen lo  nicht  in  Erfüllung  gehen,  von  der 
aktionslustigen  Partei  neue  Versuche  gemacht  werden,  die  Regierung 
zu  einer  aktiven  Politik  mit  Bezug  auf  die  bulgarische  und  die  Balkan- 
frage zu  treiben. 

Wenn  nun  auch  alle  Aussicht  vorhanden  ist,  daß  derartige  Ver- 
suche an  dem  Mangel  an  Initiative  des  Zaren  scheitern,  so  ist  es  immer- 
hin zu  bedauern,  daß  Kaiser  Alexander  während  seiner  jetzigen  mehr- 
wöchentlichen Reise  weder  von  dem  Minister  der  Auswärtigen  An- 
gelegenheiten noch  sonst  von  einem  Staatsmann  begleitet  ist,  welcher 
geeignet  wäre,  Einflüsse  der  oben  angedeuteten  Art  zu  bekämpfen  n. 

F.  Pourtales 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 
1  Of (einer  Vertrag! 

*  cf,  1878—79!  Fehler  in  der  Politik  sind  nicht  ungeschehn  zu  machen,  wer 
sich  den  Luxus  eines  eiteln  Narren  als  Kanzler  gestattet,  kann  sich  nicht 
wundern   wenn   die   Folgen   eintreten 

3  sie  hätte  sofort  widerlegt  werden  müssen! 

*  !!  warum? 

^  die   sollte   Rußland   pflegen!  einseitig   geht  es  nicht! 

*  sehr 

'  doch  nur  darin  bestehend,  daß  R[ußland]  nicht  über  uns  herfiel  als  andre 
uns  angriffen!  dasselbe  haben  wir  1854  ulnd}  1876  den  Russen  geleistet.  Außer- 
dem hat  diese  platonischen  Dienste  uns  Allexanderl  II.  geleistet.  Al[exanderJ  III. 
hat  auf  Dank  noch  wenige[r]  Titel 

**  et  apres? 

9  möchte  sie  doch! 

10  ! 

1*  tant  mieux 

Nr.  1354 

Der  Österreich-ungarische  Botschafter  in  Petersburg  Graf  Wolkensfein 
an  den  Österreich-ungarischen  Minister  des  Äußern  Grafen  Kalnoky 

Abschrift,  im  Auszug  dem  Auswärtigen  Amt  vom  Österreich-ungarischen  Geschäfts- 
träger in  Berlin  am  26.  Oktober  mitgeteilt 

Nr.  570  St.  Petersburg,  den  ]}'  ^^^f ^^'l       1888 

29.  September 

Bei  einer  unter  Vorsitz  des  Kaisers  Alexander  abgehaltenen  Kon- 
ferenz, die  allerdings  schon  vor  einiger  Zeit  abgehalten  worden  sein 
dürfte,  hätte  der  Qeneralstabschef  die  Ansicht  entwickelt,  daß  eine 
zielbewußte  russische  Politik  auf  eine  Teilung  der  Balkanhalbinsel 
mit  Österreich-Ungarn   niemals   eingehen   dürfe.    Rußland  müsse  viel- 


*  Nach  seinem  Besuche  in  Wien  hatte  Kaiser  Wilhelm  II.  auch  dem  italienischen 
Hofe  einen  Besuch   (11.— 19.  Oktober)  abgestattet. 

352 


mehr  seinen  Einfluß  auf  die  ganze  Balkanhalbinsei  ausdelinen.  General 
Obrutschew  bemerkte  ausdrücklich  zu  der  Person,  der  ich  diese  Mit- 
teilung verdanke,  daß  Kaiser  Alexander  seine  Übereinstimmung  mit 
diesen  Anschauungen  ausgesprochen  hätte. 


Nr.  1355 

Aufzeichnung  des  Staatssekretärs  des  Auswärtigen  Amtes  Grafen 

Herbert  von  Bismarck 

Reinschrift 

BerUn,  den  I.Dezember  1888 

pp.  Gestern  sah  ich  den  Großfürsten*  nur  ganz  kurze  Zeit  allein, 
da  er  mich  erst  in  Gegenwart  der  Großfürstin  empfing.  Seine  Kaiser- 
liche Hoheit  war  dabei  außerordentlich  innig  und  freundlich,  trug  mir 
herzliche  Grüße  für  den  Herrn  Reichskanzler  auf,  der  immer  auf  ihn 
zählen  könne.  Er  habe  stets  unbedingtes  Vertrauen  in  die  Offenheit  und 
Zuverlässigkeit  des  Fürsten  Bismarck  gehabt.  Seit  der  letzten  Unter- 
redung Ende  Juni  habe  ihn  dieser  aber  einen  Blick  in  sein  Herz  tun 
lassen  und  ihn  vollkommen  bezaubert. 

Darauf  erwähnte  der  Großfürst  noch  kurz,  daß  die  Presse  sich 
wieder  mit  den  russischen  Truppenverschiebungen  beschäftige;  er 
hoffe,  die  Presse  werde  sich  bald  beruhigen,  denn  es  sei  dies  ja  nichts 
Neues.  Der  Zar  habe  im  Winter  dem  Botschafter  von  Schweinitz  alles 
genau  angekündigt,  was  bis  jetzt  geschehen  sei,  und  mehr  werde 
nicht  geschehen;  die  russischen  Truppenverschiebungen  nach  Westen 
seien  jetzt  abgeschlossen. 

Ich  bemerkte,  daß  wir  bei  den  ausgezeichneten  Beziehungen  unseres 
Kaisers  zum  Zaren  gegenwärtig  keine  Ursache  hätten,  uns  über  den 
russischen  Aufmarsch  zu  alarmieren,  etwas  anders  liege  es  mit  Österreich, 
da  nicht  zu  leugnen  sei,  daß  zwischen  Österreich  und  Rußland  Differenz- 
punkte existierten,  und  man  könne  es  Österreich  schließlich  nicht  übel- 
nehmen, wenn  es  angesichts  der  vielen  russischen  Truppen  an  seiner 
Grenze   etwas   kitzlich   und   unruhig   würde. 

Der  Großfürst  nahm  diese  Bemerkung  gut  auf  und  meinte  wieder- 
holt, die  russischen  Truppenverschiebungen  hätten  momentan  keiner- 
lei schwerwiegende  Bedeutung,  die  Österreicher  müßten  doch  auch 
bedenken,  daß  die  weiten  Räume  Rußlands  eine  Mobilmachung  sehr 
erschwerten,  und  der  Verlust  an  Zeit,  welcher  Rußland  bei  ausbrechen- 
dem Kriege  träfe,  müsse,  soweit  wie  tunlich,  vorher  ausgeglichen 
werden.  H.  Bismarck 

*  Wladimir. 

23    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  353 


Nr.  1356 

Der  Militärbevollmächtigte  in  Petersburg  Oberst  von  Villaume 

an  Kaiser  Wilhelm  11. 

Immediatbericht.    Abschrift  im  Auszug 
Nr.  93  St.  Petersburg,  den  ^^^.  1889 

pp.  Der  Toast  Seiner  Majestät  des  Kaisers  auf  den  Fürsten  von  Mon- 
tenegro* hat  der  russischen  Presse  wieder  einmal  Gelegenheit  ge- 
geben, über  die  Westmächte  herzufallen.  Daß  dieser  Toast  ungeteilten 
Beifall  in  der  gesamten  russischen  Presse  gefunden,  darf  nicht  wunder- 
nehmen, denn  eine  abfällige  Kritik  würde  einfach  verboten  sein.  Die 
,,Nowoje  Wremja''  nennt  diesen  „historischen"  Toast  einen  Herzens- 
schrei, der  sich  der  Brust  eines  ehrlichen  Russen  angesichts  eines  auf- 
richtigen Freundes  entrang,  während  doch  sonst  dieses  ehrliche  Herz 
in  seinen  besten  Friedens-  und  Eintrachtsgefühlen  so  oft  betrogen 
wurde.  Oleich  darauf  aber  preist  sie  aus  Anlaß  der  bevorstehenden 
Heiraten  russischer  Großfürsten  mit  orthodoxen  Prinzessinnen  die  festen 
Bande  der  „Freundschaft  und  Blutsverwandtschaft",  welche  Rußland 
mit  Griechenland  und  Dänemark  verbinden.  Selbstverständlich  wird 
dabei  der  dem  russischen  Kaiserhause  doch  ebenso  nahe  verwandten 
Dynastien,  denen  die  in  Gott  ruhenden  Mütter  des  jetzigen  Kaisers 
Majestät  sowie  der  hochseligen  Kaiser  Alexander  II.  und  Nikolaus  I. 
entsprossen   sind,   mit   keinem   Worte   Erwähnung  getan. 

Ein  anderes  Blatt  sieht  in  dem  Kaiserwort  das  künftige  Geschick 
Rußlands  auf  der  Balkanhalbinsel  angedeutet  und  prophezeit,  daß  einst 
die  Stunde  kommen  werde,  wo  dieser  einzige  wahre  Freund  Ruß- 
lands seine  Freundschaft  würde  betätigen  müssen. 

Der  panslawistische  „Swjet"  bezeichnet  den  Toast,  der  wie  ein 
Donnerschlag  in  Europa  wirken  werde,  als  eine  majestätische  und 
einschüchternde  Antwort  auf  die  letzten  armseligen  Intrigen  und  Ab- 
machungen der  falschen  Freunde  Rußlands,  und  ein  anderes  gesinnungs- 
tüchtiges Blatt  erkennt  in  dem  Kaiserwort  den  festen  Entschluß  des 
erhabenen  Herrschers  Rußlands,  keinerlei  Verträge  und  Bündnisse  mit 
anderen  Mächten,  außer  mit  Montenegro,  einzugehen. 

Diese  allgemeine  anerkennende  Beurteilung  der  kaiserlichen  Worte 
seitens  der  Presse  gibt  aber  durchaus  nicht  den  wahren  Ausdruck 
der  öffentlichen  Meinung  wieder.  Noch  nie  ist  mir  dieser  große  Unter- 
schied in  der  Auffassung  so  deutlich  geworden  wie  bei  dieser  Ge- 
legenheit. Unter  den  zahlreichen  Persönlichkeiten  aus  militärischen, 
Hof-  und  panslawistischen  Kreisen,  mit  denen  ich  über  diesen  Toast 
gesprochen,  war  auch  nicht  eine,  welche  über  denselben  erfreut  oder 

*  Der  Trinkspruch,  den  Kaiser  Alexander  III.  am  30.  Mai  auf  den  zum  Besuche 
am  Zarenhofe  weilenden  Fürsten  von  Montenegro  ausbrachte,  hätte  nach  den 
Mitteilungen  der  Presse  gelautet:  „Ich  trinke  auf  die  Gesundheit  des  Fürsten 
von    Montenegro,    des    einzigen    aufrichtigen    und    treuen    Freundes    Rußlands." 

354 


auch  nur  von  ihm  befriedigt  gewesen  wäre.  Selbst  diejenigen,  welche 
zugaben,  daß  er  die  reine  Wahrheit  enthalte,  bezeichneten  ihn  min- 
destens als  inopportun  und*,überflüssig.  Die  einen  sehen  darin  eine  Ant- 
wort auf  das  Liebeswerben  der  Franzosen,  die  anderen  eine  Ablehnung 
der  hier  immer  noch  angenommenen  Bestrebungen  der  benachbarten 
Westmächte,  Rußland  durch  neue  Verträge  die  Hände  zu  binden,  und 
noch  andere  vermuten  in  ihm  den  Ausdruck  einer  gewissen  Miß- 
stimmung des  Kaisers  über  den  enthusiastischen  Empfang,  welchen  der 
König  von  Italien  in  Berlin*  gefunden.  WahrscheinHcher  jedoch  ist, 
daß  dem  Toast  eine  politische  Absicht  überhaupt  nicht  zugrunde  ge- 
legen hat,  sondern  daß  er  nur  der  Ausdruck  der  herzlichen  und  auf- 
richtigen Freundschaft  war,  welche  der  Kaiser  schon  seit  langer  Zeit 
für  den  Fürsten  von  Montenegro  empfindet.  Als  sich  letzterer  bei 
der  Parade  in  Peterhof  zum  ersten  Male  öffentlich  in  der  neuen  russi- 
schen Uniform  gezeigt  habe  und  unter  dem  Eindruck  der  Freude 
über  die  kurz  vorher  vollzogene  Verlobung**,  sei  einfach  der  Mund 
übergeflossen  von  dem,  dessen  das  Herz  voll  war,  und  eine  politische 
Demonstration  habe  dem  Kaiser  in  diesem  Moment  sicherlich  völlig 
fern  gelegen.  Für  uns  bleibt  aber  von  Bedeutung,  daß  der  Kaiser 
sicherhch  fest  von  dem  überzeugt  ist,  was  er  ausgesprochen  hat,  und 
glaubt,  daß  in  der  Tat  Rußland  außer  dem  Fürsten  von  Montenegro  i 
keinen   aufrichtigen   Freund  ^   habe. 

Allgemein  bedauert  man,  daß  der  Kaiser  mit  diesen  Worten,  wenn 
auch  unabsichtUch,  die  Isolierung  Rußlands  in  der  internationalen  Politik 
offen  eingestanden  habe,  und  man  benutzt  dies,  um  dem  Leiter  der 
auswärtigen  Politik  Vorwürfe  zu  machen,  daß  er  sich  in  der  ganzen 
weiten  Welt  keinen  anderen  Freund  zu  erwerben  verstanden  habe, 
als  das  kleine,  selbst  auf  der  Balkanhalbinsel  bedeutungslose  Monte- 
negro, dessen  Einwohnerzahl  in  der  Tat  nur  der  der  Stadt  Köln  gleich- 
kommt. Man  fürchtet  ferner,  daß  dieses  Eingeständnis  aus  kaiserlichem 
Munde  die  Feinde  des  Friedens  stärken  und  ermutigen  könne,  und 
daß  die  anderen  Glaubensbrüder  auf  der  Balkanhalbinsel  und  in  Öster- 
reich, sowie  die  sympathischen  Franzosen  es  übelnehmen  könnten, 
daß  man  sie  so  ganz  vergessen  hätte.  Endlich  wird  mir  noch  aus 
guter  Quelle  mitgeteilt,  daß  auch  der  Fürst  von  Montenegro  selbst 
über  diese  öffentliche  Auszeichnung  keineswegs  sehr  entzückt  sein 
soll,  weil  er  nicht,  wie  sein  mächtiger  Gönner,  auf  die  Freundschaft 
aller  anderen  Staaten  verzichten  könne.  (gez.)  von  Villaume 

Randbemerkungen  des  Fürsten  von  Bismarck: 

1  Streber! 

2  wer  hat  denn  einen? 


*  Er  weilte  hier  vom  21.  bis  26.  Mai  1889. 

**  Gemeint  ist  die  Verlobung  der  Prinzessin  Militza  mit  dem  Großfürsten  Peter 

Nikolajewitsch. 

23»  355 


Nr.  1357 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck,  z.  Z.  in  Varzin,  an  den  Bot- 
schafter in  London  Grafen  von  Hatzfeldt 

Konzept 

Varzin,  den  30.  Juni  1889 
[abgegangen  am  3.  Juli] 

Ew.  pp.  Bericht  Nr.  304  vom  26.  d.  Mts.*  habe  ich  erhalten.  Es 
wundert  mich  nicht,  daß  Lord  Sahsbury  in  bezug  auf  die  Möglichkeit 
einer  russisch-österreichischen  Verständigung  Besorgnisse  hegt,  weil 
er  einerseits  mit  den  Stimmungen  der  österreichischen  und  ungarischen 
Bevölicerung  nicht  so  vertraut  ist,  wie  wir,  und  weil  die  Vorgänge  der 
Reichstädter  geheimen  Konvention,  in  welcher  Österreich  gegen  die 
Besetzung  Bosniens  seine  Neutralität  versprach,  einen  Präzedenzfall 
bilden,  der  Lord  Salisbury  vorschweben  mag.  Ich  halte  aber  nicht  für 
wahrscheinlich,  daß  diese  Vorgänge  sich  in  Wien  wiederholen  werden. 
Die  Neigung,  eine  Stellung  anzunehmen,  durch  welche  Österreich 
von  Rußland  vollständig  abhängig  würde,  ist  in  den  meisten  österreichi- 
schen Landesteilen  gar  nicht,  in  einigen  slawischen  in  sehr  geringem 
Maße  vorhanden.  Eine  unabhängige  Politik  Österreichs  wird  heut 
nur  im  Bunde  mit  Deutschland  oder  England,  niemals  im  Bunde  mit 
Rußland  möglich  bleiben;  bei  einem  unaufrichtigen  Separatabkommen 
Österreichs  mit  Rußland  würde  sie  notwendig  verloren  gehen  und 
der  Besorgnis  Platz  machen,  daß  Deutschland  imstande  sein  könnte, 
Rußland  viel  größere  Vorteile  anzubieten,  als  Österreich  es  vermag. 
Unsere  ganzen  Verstimmungen  mit  Rußland  beruhen  nicht  auf  direkten 
russisch-deutschen  Schwierigkeiten,  sondern  lediglich  auf  der  Tatsache, 
daß  wir  bereit  sind,  Österreich  gegen  russische  Vergewaltigungen 
zu  schützen,  weil  der  Fortbestand  Österreichs,  als  einer  starken  und 
unabhängigen  Großmacht,  für  das  europäische  Gleichgewicht  unentbehr- 
lich ist.  Unsere  daraus  hervorgehende  Weigerung,  Österreich  einem 
russischen  Angriffe  gegenüber  im  Stiche  zu  lassen,  bildet  die  alleinige 
Unterlage  deutsch-russischer  Verstimmungen;  kämen  sie  durch  Öster- 
reichs Anschluß  an  Rußland  in  Wegfall,  so  hätten  wir  es  viel  leichter 
als  Österreich,  uns  mit  Rußland  zu  einigen. 

Ew.  pp.  wird  aus  Ihrer  Berliner  Tätigkeit  her  erinnerlich  sein, 
daß    mir    zuerst    im    Jahre    1876    durch    Telegramm    des    Generals 


*  Am  26.  Juni  hatte  Graf  Hatzfeldt  über  ein  ausführliches  Gespräch  mit  dem  eng- 
lischen Premierminister  Lord  Salisbury  berichtet.  In  diesem  Gespräch  zeigte  sich 
Salisbury  präokkupiert  durch  den  Gedanken  an  die  Möglichkeit  einer  öster- 
reichisch-russischen Verständigung  ä  la  Reichstadt  über  die  orientalischen  An- 
gelegenheiten, und  daher  geneigt  zu  einer  Politik  der  Vorsicht  und  Zurück- 
haltung; jedenfalls  wollte  er,  bevor  er  aus  solcher  Reserve  heraustrete,  erst  den 
Ausfall  der  bevorstehenden  französischen  Kammerwahlen  und  deren  Rückwirkung 
auf   die   Orientpolitik    der   Republik    abwarten. 

356 


von  Werder  von  Livadia*  aus  die  kategorische  Frage  Kaiser  Alexan- 
ders II.  hier  in  Varzin  zuging,  ob  wir  versprächen,  in  einem  russisch- 
österreichischen Kriege  neutral  zu  bleiben,  und  daß  diese  Frage,  bei 
Ausbleiben  meiner  Antwort,  telegraphisch  in  Varzin  und  dann,  nach- 
dem ich  auf  den  amtlichen  Weg  verwiesen  hatte,  amtlich  durch  die 
russische  Botschaft  in  Berlin  wiederholt  wurde**.  Ew.  pp.  wissen,  daß 
der  hochselige  Kaiser  Wilhelm  es  ablehnte,  eine  solche  Zusage  zu 
geben.  Nach  dieser  Ablehnung  wandte  sich  die  russische  Diplomatie 
direkt  nach  Wien  resp.  nach  Ofen,  und  es  wurde  dort  ohne  unser 
Wissen  die  Reichstädter  Konvention***  abgeschlossen,  von  deren  Inhalt 
Österreich  uns  später  ohne  Zustimmung  Rußlands  in  Kenntnis  setzte. 
Daß  dieser  Abschluß  ein  politischer  Fehler  Österreichs  war, 
daß  es  überhaupt  nicht  im  österreichischen  Interesse  lag,  rumänische 
und  serbische  Königreiche  herzustellen,  wird  heutzutage  in  Wien  kaum 
mehr  zweifelhaft  sein,  und  ich  halte  jede  Wahrscheinlichkeit  einer 
Wiederholung  ähnlicher  Vorgänge  für  ausgeschlossen,  weil  es  an  jeder 
Möglichkeit  einer  für  beide  Teile  annehmbaren  Abgrenzung  der  Inter- 
essen fehlt.  Wir  haben  uns  aus  Liebe  zum  Frieden  lange  Zeit  und 
eifrig  bemüht,  eine  Verständigung  über  eine  solche  Abgrenzung  zwi- 
schen Wien  und  Petersburg  zu  Stande  zu  bringen,  nicht  für  Erwerbun- 
gen, sondern  für  den  von  jeder  der  beiden  Großmächte  zu  übenden 
Einfluß  in  den  ehemals  türkischen,  jetzt  unabhängigen  Gebieten.  Das 
einzige  Ergebnis  unserer  langjährigen  Bemühungen  unter  der  vorigen 
wie  unter  der  jetzigen  russischen  Regierung  ist  die  Überzeugung  ge- 
wesen, daß  auf  beiden  Seiten  die  Ziele  zu  hoch  gesteckt  sind,  um 
den  von  uns  erstrebten  Ausgleich  zu  ermöglichen.  Diese  Ziele  beliebig 
abzumindern,  liegt  auf  österreichischer  Seite  gar  nicht  in  der  Hand 
der  Regierung,  weil  ungarischer  Ehrgeiz  und  ungarische  Furcht  vor 
slawischer  Herrschaft  ein  für  die  Wiener  Diplomatie  unter  allen  Um- 
ständen unbotmäßiges  Hindernis  bilden.  Wenn  Österreich  die  sichere 
Freundschaft  oder  vielmehr  die  sichere  Protektion  Rußlands  gewinnen 
wollte,  so  müßte  es  sich  darauf  gefaßt  machen,  diesem  Streben  schließ- 
lich seine  Rumänen  in  Siebenbürgen  und  der  Bukowina,  und  seine 
Serben  im  Banat  und  in  Kroatien  opfern  zu  müssen,  denn  die  Kroaten 
sind  nichts  wie  katholische  Serben;  selbst  Millionen  von  Slowaken  im 
Innern  Ungarns  würden  noch  ein  Objekt  serbisch-russischer  Begehrlich- 


*  Vgl.  Bd.  II,  Kap.  X,  Nr.  237  und  239. 

**  Von  einer  solchen  amtlichen  Anfrage  seitens  des  russischen  Botschafters 
Oubril  wissen  die  Akten  nichts;  vgl.  Bd.  II,  Kap.  X.  Vielleicht  hat  Bismarck  den 
Brief  des  Fürsten  Gortschakow  vom  2.  November  1876  mit  seiner  indirekten  Auf- 
forderung, sich  für  die  russische  Neutralität  aus  den  Jahren  1866  und  1870/71 
durch  ein  gleichartiges  Verhalten  in  der  Krise  von  1876  zu  revanchieren  (vgl. 
Bd.  II,  Nr.  255),  im   Auge. 

***  Bismarck  verwechselt  hier  die  Reichstadter  Konvention  vom  8.  Juli  1876,  von 
deren  Inhalt  Graf  Andrässy  Bismarck  Mitte  September  in  Kenntnis  setzte  (vgl. 
Bd.  II,  Nr.  233),  mit  den  Pester  Konventionen  vom  15.  Januar  1877  (Nr.  265,  266). 

357 


keit  und  orthodoxer  Annektierung  oder  Konvertierung  bieten.  Keine 
ungarische  Regierung  würde  imstande  sein,  die  Preise  zu  zahlen, 
für  welche  allein  Rußlands  dauernde  Protektion  sicher  zu  stellen  wäre, 
und  die  strikte  Abhängigkeit  von  Rußland  liegt  überhaupt  nicht  in 
dem  Programm  irgend  eines  zur  österreichischen  Monarchie  gehörigen 
Stammes.  Die  reaktionären  Politiker  der  Habsburgischen  Monarchie 
sind  ausnahmslos  Katholiken  von  mehr  oder  weniger  großem  Fanatis- 
mus: ihnen  ist  die  Herrschaft  der  griechischen  Kirche  gefährlicher 
als  der  Kampf  mit  dem  Protestantismus,  weil  die  griechische  Kirche 
Rußlands  Macht  hinter  sich  hat,  wie  das  Beispiel  der  Uniaten  zeigt. 
Wirkliche  russische  Sympathien  existieren  nur  bei  einer  sehr  geringen 
Anzahl  tschechischer  von  Rußland  gekaufter  Agitatoren,  die  ohne  Ein- 
fluß auf  die  Gesamtheit  bleiben. 

Ich  halte  demnach  die  Besorgnisse  Lord  Salisburys  vor  der  Even- 
tuahtät  einer  österreichisch-russischen  Verständigung  für  unbegründet, 
und  möchte  in  ihnen  einen  Schachzug  vermuten,  durch  den  Lord 
Salisbury  sich  der  Notwendigkeit  überhebt,  einzugestehen,  entweder 
daß  England  noch  längere  Zeit  militärisch  zu  unfertig  ist,  um  aktiv 
in  die  europäischen  Händel  eingreifen  zu  können,  oder  daß  man  noch 
immer  die  Hoffnung  nicht  aufgegeben  hat,  daß  die  Balkankämpfe  ohne 
aktive  englische  Mitwirkung  ausgefochten  werden  können. 

Ich  wünsche,  daß  Ew.  pp.  den  historischen  Teil  dieser  Darlegungen 
Lord  Salisbury  vertraulich  mitteilen,  und  überlasse  Ihnen,  aus  meinen 
weiteren  Konjekturen  zu  benutzen,  was  Ihnen  nützlich  scheint,  um 
die   Gespenster  zu  bannen,   die  den   Minister  präokkupieren. 

Ihr  Gespräch  in  dieser  Richtung  bietet  Ihnen  vielleicht  die  Ge- 
legenheit vorsichtig  zu  sondieren,  ob  Lord  Salisbury  an  die  Möglich- 
keit einer  Erneuerung  der  englischen  Allianz  mit  Frankreich  in  anti- 
russischem Sinne  glaubt.  Ich  würde  diesen  Glauben  für  absehbare 
Zeiten  als  einen  Irrtum  ansehen.  Auch  vor  36  Jahren  wurde  das 
englisch-französische  Bündnis  doch  nur  möglich  unter  der  ungewöhn- 
lichen Konstellation,  daß  ein  von  Rußland  geärgerter  französischer 
Kaiser  sich  an  dem  Wohlwollen  der  Königin  Viktoria  zu  einer  Stel- 
lung in  der  monarchischen  Welt  hinaufarbeiten  wollte.  Dergleichen 
Konjunkturen  wiederholen  sich  nicht,  und  ihre  damalige  Wirkung  war 
eine  sehr  kurze  und  für  England  wenig  lohnende.  Frankreich  wird 
immer  stärker  wie  Österreich  nach  der  russischen  Seite  ;a^ravitieren  : 
bei  letzterem  würde  der  Gedanke,  die  Anlehnung  an  Rußland  zu 
suchen,  immer  nur  Symptom  eines  krankhaften  Zustandes  sein,  da- 
durch erzeugt,  daß  Österreich  auf  Englands  Beistand  und  selbst 
Sympathien,  auf  die  es  durch  die  Natur  hingewiesen  ist,  nicht  mehr 
rechnen  kann.  Die  Haltung  Englands  und  Palmerstons  zur  Zeit  von 
Radetzki  und  Haynau  hat  damals  Österreich  in  die  Arme  Rußlands 
getrieben,  und  nur  die  Wiederholung  der  Übeln  Behandlung  des  Glad- 
stoneschen   Kabinetts   und   seiner   Brutalisierung   der   alten   englischen 

358 


Freunde  in  Wien  und  Konstantinopel  („hands  off'  —  „unspeakable 
Turk"*)  können  österreichische  Staatsmänner  auf  den  Gedanken 
bringen,  beim  russischen  Gegner  Anlehnung  zu  suchen.  Aber  so 
lange  nicht  in  England  Gladstone  oder  dessen  Geist  regiert,  glaube  ich 
nicht  an  österreichische  Annäherungen  an  Rußland. 

V.  Bismarck 


Nr.  1358 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in  Rom 
Grafen  zu  Solms-Sonnenwalde** 

Konzept 

Nr.  340  Bedin,  den  15.  Oktober  1889 

[abgegangen  am  17.  Oktober] 

Der  dreitägige  Besuch  Seiner  Majestät  des  Kaisers  von  Rußland  am 
allerhöchsten  Hofe***  ist  in  jeder  Beziehung  befriedigend  verlaufen. 
Insoweit  dies  äußerUch  in  die  Erscheinung  treten  konnte,  werden  Ew.  pp. 
aus  der  Tagespresse  entnommen  haben,  daß  nicht  nur  jeder  Mißton 
ferngebUeben  ist,  sondern  daß  der  persönliche  Verkehr  zwischen  Seiner 
Majestät  und  dem  Zaren  das  Gepräge  ausgesprochener  Herzlichkeit  trug. 

Beim  Beginn  der  über  eine  Stunde  dauernden  Audienz,  welche  der 
Kaiser  Alexander  mir  gewährte,  konnte  ich  die  Wahrnehmung  machen, 
daß  dem  hohen  Herrn  Zweifel  an  der  Aufrichtigkeit  unsrer  Friedens- 
Hebe  beigebracht  waren,  wie  ich  vermute  durch  Einflüsterungen  nicht 
nur  unserer  Gegner  in  Rußland  selbst  als  auch  in  Kopenhagen,  Bei  der 
großen  Abgeschlossenheit,  in  welcher  der  Zar  in  seinen  russischen 
Residenzen  zu  leben  pflegt,  bei  der  Seltenheit  und  Unregelmäßigkeit  der 
Vorträge  seines  auswärtigen  Ministers  und  bei  seiner  Voriiebe  für  den 
schriftUchen  Verkehr  ist  es  für  seine  amtlichen  Organe  schwer,  ihn 
gegenüber  vereinzelten  und  berechneten  Einwirkungen  von  Unberufenen 
immer  richtig  informiert  zu  halten.  Da  der  Zar  während  der  letzten  6 
Wochen,  die  er  in  Dänemark  zubrachte,  ohne  jeden  Zivilbeamten  und 
nur  von  wenigen  untergeordneten  Persönlichkeiten  begleitet  war,  so  ist 
es  nicht  zu  verwundern,  daß  die  unrichtigen  Bilder,  welche  ihm  über  die 
Ziele  unserer  Politik  von  Besuchern  und  Mitgliedern  des  dänischen 
Hofes  vorgeführt  wurden,  einen  Eindruck  auf  ihn  gemacht  hatten.  Mit 
um  so  größerer  Befriedigung  hat  es  mich  erfüllt,  auch  dieses  iVlal  wieder, 
wie  schon  im  November  1887,  konstatieren  zu  können,  daß  diese  Ein- 


*  Vgl.  Bd.  IV,  S.  15,  Fußnote;  S.  33,  Fußnote  **. 

**  Ein  gleicher  Erlaß  erging  auch  an  den  Botschafter  in  London. 

***  Er  fand  vom    11.— 13.  Oktober   1889   statt.     Über  die   lange   Unterredung,  die 

Fürst  Bismarck  mit  dem  Zaren  am  11.  Oktober  hatte,  vgl.  auch  Bismarck-Erinne- 

rungen  des  Staatsministers  Freiherrn  Lucius  von   Bailhausen  (1920).  S.  504. 

359 


drücke  nicht  so  tief  saßen,  daß  Seine  Majestät  nicht  meine  Autklärungen 
mit  vollem  Vertrauen  und  sichtlichen  Zeichen  der  Befriedigung  ent- 
gegengenommen hätten. 

Seine  Majestät  brachte  zuerst  seine  Besorgnis  zum  Ausdruck,  daß 
anläßlich  des  Kaiserbesuches  in  Osborne  und  der  unmittelbar  darauf- 
folgenden Anwesenheit  des  Kaisers  Franz  Joseph  in  Berlin*  neue  Ab- 
machungen mit  antirussischer  Spitze  zwischen  den  beteiligten  Regierun- 
gen getroffen  worden  seien,  welche  bei  dem  bevorstehenden  Zusammen- 
treffen unseres  Herrn  mit  dem  Sultan**  durch  ein  Bündnis  mit  der  Türkei 
gekrönt  werden  sollten  und  demnächst  zu  einem  aggressiven  Vorgehen 
gegen  Rußland  führen  würden. 

In  meiner  Erwiderung  setzte  ich  auseinander,  daß  keine  enghsche 
Regierung  ein  Bündnis  mit  einer  andern  Großmacht  ohne  parlamen- 
tarische Sanktion  abzuschließen  imstande  sei:  wir  hätten  viele  gemein- 
schaftliche Interessen  mit  England,  unsere  traditionellen  Beziehungen 
zu  dieser  Macht  schlössen  jeden  Streit  mit  ihr  aus,  es  sei  mithin  von 
vitalem  Interesse  für  Deutschland,  daß  Englands  Machtstellung  erhalten 
bliebe.  Diese  Sachlage  wäre  eine  von  selbst  gegebene  und  mache  den 
Abschluß  eines  Bündnisses  zwischen  England  und  Deutschland  über- 
flüssig. Unsere  Beziehungen  zu  dem  verbündeten  österreichischen  Kai- 
serstaate seien  allein  aus  historischen  Gründen  engere  als  wie  die  mit 
England  und  durch  den  dem  Zaren  bekannten  Bündnisvertrag  vom  Jahre 
1879  zum  öffentlichen  Ausdruck  gebracht;  darüber  hinaus  existiere  kein 
Abkommen.  Unser  Kaiser  verfolgte  ausschließlich  friedliche  Ziele,  und 
der  erwähnte  Bündnisvertrag  genüge  dem  Bedürfnis.  Im  Interesse  des 
Gleichgewichtes  sei  unsre  Aufgabe,  für  Österreichs  Großmachtstellung 
in  jedem  Notfalle  einzutreten:  aggressive  Tendenzen  lägen  uns  aber 
ebenso  fern  wie  dem  Kaiser  Franz  Joseph,  und  ich  sähe  nicht  die  ge- 
ringste Veranlassung,  weshalb  wir  den  russischen  Nachbar  jemals  an- 
greifen sollten. 

Der  Kaiser  Alexander  erklärte  sich  durch  meine  Mitteilung  höchst 
befriedigt  und  fügte  hinzu,  daß  er  seinerseits  niemals  angreifen  werde. 

Bezüglich  der  bevorstehenden  Kaiserreise  nach  dem  Orient  sagte 
ich,  daß  dem  Besuch  in  Konstantinopel  nur  der  Wunsch  unserer  Maje- 
stäten zugrunde  läge,  von  Athen  nicht  heimzukehren,  ohne  Konstanti- 
nopel gesehen  zu  haben:  Deutschland  hätte  im  Schwarzen  und  im  Mittel- 
meer keine  politischen  Interessen,  und  es  sei  mithin  ausgeschlossen,  daß 
der  Besuch  unserer  Majestäten  in  Konstantinopel  ein  politisches  Gepräge 
erhalte.    Aufnahme   der   Pforte   in   die   Tripleallianz  sei   für  uns   nicht 


*  Der  Besuch  Kaiser  Franz  Josephs  in  Berlin  fand  vom  12.— 15.  August,  kurz 
nachdem  Kaiser  Wilhelm  von  seiner  Englandreise  (2.-7.  August)  zurückgekehrt 
war,  statt. 

**  Im  Anschluß  an  die  Feierlichkeiten  zur  Vermählung  der  Prinzessin  Sophie  von 
Preußen  mit  dem  Kronprinzen  von  Griechenland  in  Athen  (27.  Oktober)  stattete 
das   Deutsche   Kaiserpaar   auch   dem    Sultan    einen   Besuch   (2.-6.  November)    ab. 

360 


möglich;  wir  könnten  dem  deutschen  Volke  nicht  die  Pflicht  aufer- 
legen, für  die  Zukunft  von  Bagdad  Krieg  mit  Rußland  zu  führen. 

Aus  der  ganzen  Haltung  des  Zaren  während  der  auf  meine  Audienz 
folgenden  Zeit  seiner  hiesigen  Anwesenheit,  sowie  aus  demjenigen,  was 
er  unserm  allerhöchsten  Herrn  über  diese  Audienz  gesagt,  habe  ich 
bestätigt  gefunden,  daß  er  Berlin  in  zufriedener  Stimmung  verlassen  und 
sich  gern  davon  überzeugt  hat,  daß  die  ihm  zugetragenen  Verdächtigun- 
gen unserer  Politik  unehrlichen  Motiven  entsprangen  und  nur  darauf 
berechnet  waren,  uns  ohne  Grund  zu  brouillieren. 

Ew.  pp.  sind  ermächtigt,  sich  nach  Maßgabe  des  Vorstehenden 
mündlich  und  vertraulich  zu  Herrn  Crispi  auszusprechen. 

v.  Bismarck 


Nr.  1359 

Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  den  Botschafter  in  Wien 
Prinzen  Heinrich  VII.  Reuß 

Konzept 
Nr.  538  Berlin,  den  15.  Oktober  1880 

Ew.  pp.  erhalten  anbei  Abschrift  eines  an  die  Kaiserlichen  Bot- 
schaften in  Rom  und  London  gerichteten  vertraulichen  Erlasses*  mit 
der  Ermächtigung,  den  Inhalt  desselben  Graf  Kälnoky  gegenüber  zu 
verwerten. 

Nachdem  der  Staatssekretär  Graf  Bismarck  bereits  Gelegenheit  ge- 
habt hat,  sich  zu  dem  heute  nach  Wien  gereisten  Grafen  Szechenyi  über 
meine  Audienz  beim  Kaiser  Alexander  auszusprechen,  wird  in  der  An- 
lage für  den  Grafen  Kälnoky  kaum  etwas  Neues  enthalten  sein.  Da  ich 
außerdem  nach  einer  früheren  freundlichen  Zusage  des  Grafen  Kälnoky 
die  Freude  haben  werde,  denselben  in  Friedrichsruh  begrüßen  zu  kön- 
nen, darf  ich  mir  bis  dahin  vorbehalten,  den  Besuch  des  Zaren  mit  ihm 
direkt  durchzusprechen. 

Für  Euer  pp.  persönliche  Information  möchte  ich  noch  hinzu- 
fügen, daß  der  Zar  mit  einiger  Mißstimmung  über  die  neuerlichen  öster- 
reichischen Anregungen  in  der  bulgarischen  Sache  sprach.  Ich  be- 
merkte dazu,  daß  das  Verhalten  Österreichs  in  den  inneren  bulgari- 
schen Fragen  außerhalb  unserer  Verabredungen  läge,  und  ich  daher 
nicht  legitimiert  wäre,  eine  Meinung  darüber  in  Wien  zu  äußern.  Meine 
Stellung  zu  den  Balkanfragen  beruhe  auf  den  Verträgen  und  sei  noch 
heut  dieselbe,  wie  ich  sie  vor  Jahr  und  Tag  nicht  nur  in  Wien  und 
Petersburg  zur  Geltung  gebracht,  sondern  auch  dem  Reichstage  gegen- 
über öffentlich   dargelegt   hätte.    Wenn    es   uns   auch   nicht   gelungen 

*  Siehe    Nr.  1358. 

361 


sei,  unsre  Auffassungen  bei  den  beiden  Kaisern  zur  Annahme  zu 
bringen,  so  hielte  ich  doch  im  Prinzip  daran  fest  als  an  der  vertrags- 
mäßigen Richtschnur  für  die  deutsche  Politik.  Die  Besorgnis,  welche 
der  Zar  bezüglich  der  serbischen  Verhältnisse  äußerte,  nämhch  daß 
dieselben  zu  einem  Einrücken  österreichischer  Truppen  in  das  König- 
reich Serbien  führen  könnten,  konnte  ich  damit  entkräften,  daß  das 
Wiener  Kabinett  die  serbischen  Dinge  mit  Ruhe  und  Gleichmut  be- 
trachte und  nicht  annehme,  daß  sie  sich  in  gefährlicher  Weise  zu- 
spitzen würden.  Dem  Kaiser  Alexander  war  dies  augenscheinlich  sehr 
angenehm  zu  hören,  und  am  Schlüsse  unserer  Unterredung  sagte  er 
mir  wiederholt  „Je  suis  parfaitement  rassure  sur  tous  les  points  de 
vue  parce  que  Vous  venez  de  me  dire." 

V.  Bismarck 

Nr.  1360 

Der  Konsul  in  Kiew  Raff  auf  an  den  Reichskanzler 
Fürsten  von  Bismarck* 

Ausfertigung 
Nr.  O  I  Kiew,  den  3.  März  1890 

Euerer  Durchlaucht  wird  bereits  anderweit  gemeldet  worden  sein, 
daß  im  Sommer  d.  Js.  in  der  Umgegend  von  Rowno  (Gouvernement 

*  Es  handelt  sich  hier  um  den  wichtigsten  jener  berühmt  gewordenen  Berichte 
des  Konsuls  Raffauf  in  Kiew,  die  bei  der  raschen  Steigerung  des  Konflikts  zwi- 
schen Kaiser  und  Kanzler  im  März  1890  eine  Rolle  gespielt  haben.  Vgl.  darüber 
vor  allem  Bismarcks  eigene  Darstellung  im  dritten  Bande  der  „Gedanken  und  Er- 
innerungen" (S,  89  ff.).  Die  Darstellung,  die  Wilhelm  Schüßler,  Bismarcks  Sturz 
(1922),  S.  201  ff.  von  den  Vorgängen  gibt,  greift,  obwohl  sie  sich  bereits  auf 
Bismarcks  Darstellung  stützt,  durchgehends  fehl.  Nach  Schüßler  hätte  Bismarck 
die  Berichte  dem  Kaiser  vorenthalten  wollen,  sei  aber,  da  der  Kaiser  (durch 
Holstein?)  von  deren  Eingang  erfahren,  rechtzeitig  durch  seine  Freunde  gewarnt 
worden  und  habe  nun,  um  dem  drohenden  Sturm  vorzubeugen,  schnell  sechs  Be- 
richte, ausschließlich  militärischen  Inhalts,  an  den  Generalstab  gesandt,  dem  Kaiser 
selbst  aber  nur  diejenigen  Berichte  vorlegen  lassen,  „für  deren  Eindruck  auf 
Seine  Majestät  er  die  Verantwortung  glaubte  tragen  zu  können".  Der  tatsächliche 
Verlauf  nach  den  Akten,  der  diese  Legende  völlig  zerstört,  ist  der  folgende: 

Die  Sendung  aus  Kiew,  die  20  Berichte  enthielt,  war  von  Konsul  Raffauf  mit 
Begleitschreiben  vom  9.  März  durch  den  Kanzlerdragoman  Rößler  von  Kiew  nach 
Warschau  expediert  worden.  Von  Warschau  aus  wurden  sie  vom  deutschen  General- 
konsul Freiherrn  von  Rechenberg  mit  Begleitschreiben  vom  12.  März  in  sechs  Brief- 
paketen durch  einen  Konsulatssekretär  nach  Thorn  geschickt  und  dort  mit  der 
Post  „eingeschrieben"  an  das  Auswärtige  Amt  aufgegeben.  Im  Auswärtigen 
Amt  ist  die  Sendung  laut  Journal  und  Eingangsvermerk  am  15.  März  eingegangen 
und  dem  Staatssekretär  Grafen  Herbert  von  Bismarck  vorgelegt  worden.  Am 
16.  März  lag  sie  dem  Fürsten  Bismarck  vor,  der  fünf  Berichte  militärischen  Inhalts 
für  den  Kaiser  auswählte  und  mit  dem  Vermerk  „S.  M."  versah.  Noch  am 
gleichen  Tage,  dem  16.  März,  ließ  der  Staatssekretär  diese  ausgewählten  Berichte 
dem  Kaiser  unterbreiten,  der  sie  am   17.  März  mit  Handbillett  (Nr.  1361)  an  den 

362 


Wolhynien)  in  Gegenwart  des  russischen  Kaisers  große  Manöver  statt- 
finden werden.  An  diesen  Übungen  sollen  vieri  Armeekorps  aus  dem 
Warschauer,  Wilnaer  und  Kiewer  Militärbezirke  teilnehmen,  darunter 
die  in  Kiew  stehende  33.  Infanteriedivision  2.  In  hohen  militärischen 
Kreisen  sagt  man,  daß  diese  Exerzitien  veranstaltet  würden  „pour 
passer  devant^  le  nez  des  Autrichiens." 

In  Rowno,  Lutzk  usw.  ist  unter  dem  Militär  das  Gerücht  verbreitet, 
auch  der  deutsche  Kaiser  werde  im  Sommer  ganz  bestimmt  zu  den 
dortigen  Manövern  kommen.  In  Lutzk  bezeichnet  man  sogar  das  Haus, 
welches  für  Seine  Majestät  zurecht  gemacht  werde. 

Schon  jetzt  verlautet  hier  in  Offizierskreisen,  daß  zum  Frühjahr 
bereits  starke  Schiebungen  von  Infanterie  und  Kavallerie  nach  dem 
wolhynischen  Festungsdreieck  und  weiter  nach  Podolien  hin  in  Aussicht 
genommen  sind,  zunächst  von  Warschau  und  Wilna  aus^. 

Raffauf 

Randbemerkungen  Kaiser  Wilhelms  IL: 

(am  Kopf  des  Schriftstückes):  Gen[eral]Stab  z[um]  Vort[ragI  sehr  bedenklich! 
Wien   sofort  m[i]tth[eilenl 

1  6! 

-  außerdem  4  Kavallerie-Divisionen  und  2  Kosackendivision[en]  im  Ganzen  ISO 
Bat[ail]l[one]  und  4  0  0  Geschütze.  Eine  größere  Drohung  ist  noch  keinem 
Staate  im  Frieden  von  einem  anderen  geboten  worden! 

3  peut  etre  sur 

*  Es  ist  dies  der  Anfang  des  Aufmarsches  zum  Kriege!  Caveant  Consules!  Da 
der  Punkt  der  oesterreich[ischen]  Grenze,  an  welchem  die  Konzentration  statt- 
findet, der  schwächste  und  am  weitesten  entfernt  liegende  ist!  Mit  einer  solchen 
Truppenmacht  kann  man,  überraschend  eingefallen,  direkt  bis  Wien  ohne  auf- 
gehalten zu  werden  durchstoßen. 


Fürsten  Bismarck  zurücksandte.  Nach  Bismarcks  Darstellung  (a.  a.  O.  S.  88)  ge- 
schah dies  am  17.  morgens.  Am  gleichen  Tage,  dem  17.  März,  antwortete 
Fürst  Bismarck  auf  das  Handbillett  des  Kaisers  (Nr.  1362).  Die  fünf  dem  Kaiser 
übersandten  Berichte,  die  am  17.  März  zurückkamen,  sind  auf  Marginalanordnung 
des  Kaisers  vom  Reichskanzler  dann  am  25./26.  März  an  den  Generalstab  übersandt 
worden;  auch  dem  Botschafter  in  Wien  Fürsten  Reuß  wurden  am  25.  März 
mehrere  dieser  Berichte  zur  Mitteilung  an  Graf  Kälnoky  zugefertigt.  Die  übrigen 
15  Stücke  der  Kiewer  Sendung  (ein  Begleitschreiben  und  14  Berichte)  sind  nach 
Empfang  des  kaiserlichen  Handbilletts  von  Bismarck  sämtlich  dem  Kaiser  vor- 
gelegt worden,  der  sie  am  24.  März  zurücksandte.  Sie  betreffen,  wie  Bismarck 
in  seinem  Immediatbericht  vom  17.  März  (Nr.  1362)  schreibt,  nur  „Zustände  reli- 
giöser und  sozialer  Natur".  Die  Gegenstände  der  Berichterstattung  sind  die  fol- 
genden: 1.  und  2.  Handhabung  des  Ukas  betr.  deutsche  Pächter  und  ausländische 
Kolonisten;  3.  Stimmung  in  Südwestrußland;  4.  die  neuernannten  Gouverneure; 
5.  das  slawische  Komitee;  6.  und  7.  die  Bekämpfung  der  Stundisten;  8.  Unter- 
schleife in  der  Universität  Kiew;  9.  die  Kiewer  Jubelfeier;  10.  die  deutsche  Koloni- 
sation in  Südrußland;  11.  Zollerhöhung  auf  landwirtschaftliche  Maschinen;  12.  ge- 
schäftliche Lage  von  Südwestrußland;  13.  und  14.  Nachrichtenbeschaffung  und 
Reiseurlaub  des  Konsuls. 

363 


Nr.  1361 
Kaiser  Wilhelm  11.  an  den  Reichskanzler  Fürsten  von  Bismarck* 

Eigenhändiges  Handbillett 

Die  Berichte  lassen  auf  das  klarste  erkennen,  daß  die  Russen  im 
vollsten  strategischen  Aufmarsch  sind,  um  zum  Kriege  zu  schreiten. 
Und  muß  ich  es  sehr  bedauern,  daß  ich  so  wenig  von  den  Kiewer  Be- 
richten erhalten  habe.  Sie  hätten  mich  schon  längst  auf  die  furchtbar 
drohende  Gefahr  aufmerksam  machen  können!  Es  ist  die  höchste  Zeit, 
die  Oesterreicher  zu  warnen,  und  Gegenmaßregeln  zu  treffen.  Unter 
solchen  Umständen  ist  natürlich  an  eine  Reise  nach  Krasnoe  meinerseits 
nicht  mehr  zu  denken! 

W. 

Die  Berichte  sind  vorzüglich 

Nr.  1362 
Der  Reichskanzler  Fürst  von  Bismarck  an  Kaiser  Wilhelm  II. 

Ausfertigung 

Berlin,den  17.  März  1890 

Euere  Majestät  haben  mir  heute  fünf  Berichte  des  Konsuls  in  Kiew 
mittelst  Allerhöchsten  Handbilletts  wieder  zugefertigt,  in  welchem  Euere 
Majestät  an  erster  Stelle  auszusprechen  geruhen,  wie  „diese  Berichte 
aufs  klarste  erkennen  ließen,  daß  die  Russen  in  vollstem  strategischem 
Aufmarsch  seien,  um  zum  Kriege  zu  schreiten". 

Mit  Bezug  auf  diese  Allerhöchste  Äußerung  gestatte  ich  mir  ehr- 
furchtsvoll die  beiliegende  Aufzeichnung  des  Generalfeldmarschalls 
Grafen  Moltke  vom  30.  November  1887  Euerer  Majestät  zu  unterbreiten, 
welche  schon  damals  die  Überzeugung  aussprach,  daß  die  Russen  den 
Aufmarsch  der  Armee  seit  dem  Beginn  des  Jahres  1887  ins  Werk  gesetzt 
hätten**.  Trotzdem  ist  der  Frieden  nicht  nur  drei  Jahre  erhalten,  son- 
dern sind  die  Beziehungen  zu  Rußland  wesentlich  gebessert  worden. 

Der  hochselige  Kaiser  Wilhelm  war  zu  jener  Zeit  derselben  Über- 
zeugung, welche  Euere  Majestät  mir  in  den  letzten  Monaten  wiederholt 
auszusprechen  die  Gnade  hatten,  daß  jener  sogenannte  Aufmarsch  der 
russischen  Armee  für  Deutschland  nichts  direkt  Beunruhigendes  hätte. 

Trotzdem  wurde  die  vorliegende  Ausarbeitung  des  Chefs  des  Gene- 
ralstabes im  Dezember  1887  nach  Wien  mitgeteilt,  und  ist  die  Veranlas- 
sung zu  den  vielfachen  und  gewichtigen  Vorsichtsmaßregeln  geworden, 
welche  die  österreichisch-ungarische  Heeresleitung  von  dem  genannten 
Zeitpunkt  in  umfassendem  Maße  getroffen  hat.    Die  damals  von  dem 


*  Bereits  veröffentlicht  u.  a.  in  Bismarcks  „Gedanken  und  Erinnerungen"  Bd.  IH, 

S.  88. 

♦*  Vgl.  Kap.  XXXVII:  Russisch-Österreichische  Kriegsgefahr,  Nr.  1163,  Fußnote  **. 

364 


Militärattache  in  Wien  auf  eigene  Initiative  geübte  Einwirkung  rief 
beim  Kaiser  von  Rußland  eine  erhebliche,  vielleicht  noch  heute  nicht 
überwundene  Verstimmung  hervor*. 

Ich  gestatte  mir  nur  an  diesen  Euerer  Majestät  von  früher  her  be- 
kannten Vorgang  alleruntertänigst  zu  erinnern,  um  an  der  Hand  des- 
selben von  einer  neuen  militärischen  Warnung,  wie  Euerer  Majestät 
Handbillett  sie  anbefiehlt,  ehrfurchtsvoll  abzuraten. 

Unsere  Beziehungen  zu  Rußland  sind  besonders  seit  dem  Oktober- 
besuch des  Zaren**  und  zufolge  der  Mitteilungen,  welche  Graf  Schuwa- 
low  bei  seiner  heutigen  Rückkehr  über  die  Stimmung  und  die  Absichten 
in  betreff  der  zukünftigen  Beziehungen  zu  Rußland  gemacht  hat,  bisher 
so  gute  und  klare,  daß  sie  ein  Mißtrauen  in  höchstdessen  Absichten 
nicht  rechtfertigen:  In  Österreich  wird  man  aber  über  russische  mili- 
tärische Maßnahmen  sicherere  Nachrichten  haben,  als  sie  die  Infor- 
mationen des  Konsuls  in  Kiew  zu  geben  vermögen. 

Euere  Majestät  geruhten  bisher,  meine  Überzeugung  zu  teilen,  daß 
russische  Truppenschiebungen  nach  dem  Südwesten  für  uns  eher  eine 
Erleichterung  bedeuten,  weil  sie  anderen  Zielen  zu  dienen  bestimmt 
sind  als  der  Aufnahme  eines  Kampfes  mit  der  deutschen  Macht. 

Wenn  Euere  Majestät  das  Allerhöchste  Bedauern  aussprechen,  daß 
Allerhöchstdieselben  so  wenig  von  den  Kiewer  Berichten  erhalten  haben, 
so  bemerke  ich  ehrfurchtsvoll,  daß  eine  Prüfung  der  Akten  ergeben  hat, 
daß  sämtliche  Berichte  militärischen  Inhalts  aus  Kiew  seit  Euerer 
Majestät  Thronbesteigung  entweder  Euerer  Majestät  direkt  unterbreitet 
oder  dem  Chef  des  Generalstabes  mitgeteilt  worden  sind,  welcher  dann 
seinerseits  zu  ermessen  hat,  ob  der  Inhalt  wichtig  genug  ist,  um  Euerer 
Majestät  vorgetragen  zu  werden. 

Alle  Berichte  ohne  vorhergehende  Prüfung  durch  mich  oder  durch 
den  Generalstab  Euerer  Majestät  direkt  zu  übersenden,  würde  an 
Euerer  Majestät  Zeit  und  Arbeit  einen  noch  höheren  Anspruch  als  den 
bisherigen  stellen,  und  schon  das  bisher  an  Euere  Majestät  unmit- 
telbar gelangende  Material  ist  so  ausgedehnt,  daß  Alierhöchstdie- 
selben  in  der  Unmöglichkeit  sind,  die  vorgelegten  Aktenstücke  so  recht- 
zeitig, wie  die  weitere  Arbeit  erfordert,  zurückgelangen  zu  lassen.  Dieser 
Geschäftsgang  ist  zur  Zeit  des  hochseligen  Kaisers  Wilhelm  stets  ein- 
gehalten worden  und  empfahl  sich  aus  dem  Grunde,  daß  der  Chef 
des  Generalstabes,  welcher  allein  die  militärische  Gesamtübersicht  hat, 
besser  in  der  Lage  war.  Euerer  Majestät  die  Vorlagen  unter  dem 
richtigen  Gesichtspunkt  zu  unterbreiten  als  das  Auswärtige  Amt, 

Berichte  militärischen  Inhalts  aus  Kiew,  welche  Euere  Majestät 
oder  der  Chef  des  Generalstabes  nicht  erhalten  hätten,  sind  somit  nicht 
vorhanden. 


*  Vgl.  Nr.  1164,  1165. 
**  Vgl.  Nr,  1358, 


365 


Der  Konsul  in  Kiew  hat  selten  eine  sichere  Gelegenheit  für  eine 
vertrauliche  Berichterstattung:  sie  erfolgt  in  der  Regel  nur,  wenn  er 
selbst  oder  sein  Sekretär  auf  Urlaub  gehen  oder  eigens  an  unsere 
Grenze  reisen.  Das  Konvolut  von  Berichten,  welches  auf  letzterem 
Wege  hier  eingegangen  ist,  war  so  umfangreich,  daß  ich  darunter  nur 
die  Berichte  mihtärischen  Inhalts  —  fünf  an  der  Zahl  —  Euerer  Maje- 
stät unterbreitet,  die  übrigen  aber.  Zustände  religiöser  und  sozialer 
Natur  betreffend,  in  den  Geschäftsgang  gegeben  habe,  um  dasjenige 
auszuziehen  und  zu  berichten,  was  etwa  für  Euere  Majestät  von  In- 
teresse sein  könnte. 

Nach  Euerer  Majestät  Handbillett  gestatte  ich  mir  nunmehr  AUer- 
höchstdenselben  im  beiliegenden  Kuwert  die  ganze  letzte  Expedition  aus 
Kiew  vorzulegen,  welche  nicht  militärische  Dinge  behandelt,  die  zu 
perlustrieren  im  Auswärtigen  Amt  bisher  nicht  die  Zeit  war,  und  von 
denen  ich  nach  ihrem  Umfange  annehmen  mußte,  daß  Euere  Majestät 
nicht  die  Muße  finden  würden,  sie  zu  lesen.  Dieselben  betreffen  allge- 
meine Stimmungen,  die  Lage  der  Kolonisten,  den  Stundismus  und 
Preßerzeugnisse,  haben  aber  nichts  zu  tun  mit  dem  von  Euerer  Maje- 
stät erhobenen  Vorwurf, 

V,  Bismarck 

Nr,  1363 
Der  Geschäftsträger  in  Paris  von  Schoen  an  das  Auswärtige  Amt 

Ausfertigung 
Nr.  83  Paris,  den  25.  März  1890 

Die  außergewöhnlich  ernste  und  mit  wenigen  Ausnahmen  achtungs- 
volle Sprache,  mit  welcher  die  französische  Presse  sich  über  den  Rück- 
tritt des  Fürsten  von  Bismarck*  geäußert  hat,  zeigt,  wie  tief  der  Ein- 
druck dieses  Ereignisses  hier  gewesen  ist.  So  sehr  auch  diese  Presse 
seit  Jahren  bemüht  gewesen  ist,  die  deutsche  Politik  zu  verlästern,  ihr 
aggressive  Pläne  anzudichten,  in  jedem  politischen  Ereignis  die  in- 
trigierende Hand  des  Fürsten  von  Bismarck  zu  entdecken  und  in 
persönlicher  Verunglimpfung  desselben  sich  zu  erschöpfen,  so  wenig 
ist  sie  nun  geneigt,  den  Weggang  des  deutschen  Staatsmannes  zu 
bejubeln.  Sie  ist  im  Gegenteil  nahezu  einstimmig  darin,  das  Ereignis 
als  ein  für  Frankreich  keineswegs  erfreuliches  zu  bezeichnen,  und 
zollt,  teils  widerstrebend  und  verdeckt,  teils  offen  und  gern  der  Friedens- 
politik des  gewesenen  Reichskanzlers  eine  verspätete  Anerkennung, 
Die  Zukunft  erscheint  ihr  nunmehr  besorgniserregend,  die  Befürchtung 
liege  nahe,  daß  die  deutsche  Politik  kriegerischen  Verwicklungen  zu- 
strebe oder  zugetrieben  werde,  daß  europäische  Fragen  sich  zu  unlös- 
baren Knoten  verschlingen  könnten,  nachdem  die  kundige  Hand  des 
Meisters    zur    Lösung   fehle.      Dabei    ist   jedoch    anzuerkennen,    daß   die 

*  20.  März  1890. 
366 


französische  Presse  im  ganzen  weit  weniger,  als  sie  es  zu  treiben 
liebte,  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  und  Könige  kriegerische  Gelüste 
andichtet,  überhaupt  der  erhabenen  Person  Seiner  Majestät,  wenn 
auch  noch  mit  einer  gewissen  Scheu,  eine  Beurteilung  entgegenbringt, 
welche  nicht  fern  von  Bewunderung  hegt.  Die  Sinnesänderung  in 
dieser  Beziehung  ist  unzweifelhaft  zum  größten  Teil  durch  die  Er- 
kenntnis der  hochherzigen  Bestrebungen  Seiner  Majestät  in  den  Arbeiter- 
fragen herbeigeführt.  Nicht  wenige  öffentliche  Stimmen  sprechen  es 
unverhohlen  aus,  daß  in  der  Sorge  des  deutschen  Kaisers  um  fried- 
liche Lösung  der  weltbedrohenden  wirtschaftlichen  Fragen  eine  Gewähr 
des  politischen  Friedens  liege.  Staatsmänner  wie  Foucher  de  Careil, 
Courcel,  Chaudordy,  Barthelemy  St.  Hilaire  haben  sich  in  Interviews 
in  diesem  Sinne  ausgesprochen.  Der  letztgenannte  glaubt  übrigens 
an  eine  Annäherung  Deutschlands  an  Rußland,  wofür  Fürst  Bismarck 
ein  Hindernis  gewesen  sei;  eine  Ansicht,  welche  auch  Ferrys  Blatt 
„L'Estafette"  vertritt. 

Nahezu  sämtliche  Blätter  jedoch  sehen  in  dem  Rücktritt  des  Fürsten 
von  Bismarck  eine  Schwächung  des  Dreibundes,  Schwierigkeiten  und 
Erkaltung  der  Beziehungen  mit  Österreich  und  Italien.  Herrn  Crispi 
wird  ebenfalls  baldiger  Sturz  geweissagt.  Man  fühlt  durch,  wie  sich 
in  diesen  Preßstimmen  bereits  Hoffnungen  auf  veränderte  politische 
Konstellationen  regen. 

Wie  in  der  Presse,  so  hat  das  Ereignis  auch  in  den  leitenden 
politischen  Kreisen  lebhafte  Erregung  hervorgebracht.  Im  Ministerium 
des  Äußern  hat  mehrere  Tage  hindurch  ängstliche  Spannung  ge- 
herrscht, weil  zuverlässige  Mitteilungen  darüber  fehlten,  ob  etwa  Fragen 
der  auswärtigen  Politik  den  Rücktritt  des  Reichskanzlers  veranlaßt 
hätten.  Sehr  beruhigend  hat  in  dieser  Beziehung  die  Kundgebung 
Seiner  Majestät  gewirkt,  daß  allerhöchstderselbe  fest  entschlossen  sei, 
die  bisher  innegehaltene  Friedenspolitik  fortzusetzen.  Indessen  sind 
damit  nicht  alle  Befürchtungen  beseitigt.  Die  vorherrschende  Ansicht 
ist  auch  in  den  Kreisen  der  Regierung  die,  daß  nunmehr  ein  Zustand, 
in  welchen  man  sich  leidlich  eingelebt  hatte,  vorüber  sei,  und  daß  man 
nunmehr  vor  dem  Ungewissen  und  Unbekannten  stehe.  Am  Quai 
d'Orsay  hat  man,  wie  ich  wahrzunehmen  in  der  Lage  gewesen,  die 
Zuversicht,  bei  Deutschland  auch  künftighin  dem  aufrichtigen  Wunsch 
friedlichen  Nebeneinanderlebens  zu  begegnen.  Dagegen  fürchtet  man 
von  Italien,  wenn  auch  nicht  gerade  kriegerische  Absichten,  so  doch 
Neigung  zu  Schikanen,  wenn  der  Nervosität  Herrn  Crispis  nicht  mehr 
die  Autorität  des  Fürsten  von  Bismarck  beruhigend  gegenübersteht. 

In  der  Beurteilung  der  Wahl  des  nunmehrigen  Herrn  Reichskanzlers 
ist  die  öffentliche  Meinung  in  Frankreich  sehr  zurückhaltend,  da  General 
von  Caprivi  wenig  bekannt  ist.  Die  Presse  liebt  es  vorläufig,  sich  aus 
der  Verlegenheit  mit  der  Ausführung  zu  ziehen,  daß  die  Person  des 
Reichskanzlers  nunmehr  weniger  in  Betracht  komme,  da  Seine  Majestät 

367 


der  Kaiser  mehr  wie  zuvor  der  Leiter  der  deutschen  Politik  nach  innen 
wie  nach  außen  sein  werde.  Im  ganzen  aber  ist  die  Aufnahme,  welche 
dem  Herrn  Reichskanzler  in  der  öffentlichen  Meinung  hier  zuteil  wird, 
keine  unsympathische.  Der  Umstand,  daß  Herr  von  Caprivi  Militär 
ist,  macht  weniger  Sorge  als  zu  erwarten  gewesen  wäre.  Selbst 
chauvinistische  Blätter  meinen,  ein  Krieger  als  Reichskanzler  sei  noch 
kein  kriegerischer  Reichskanzler. 

V.  Schoen 

Nr.  1364 

Der  Militärbevollmächtigte  in  Petersburg  Oberst  von  Villaume 
an  Kaiser  Wilhelm  II. 

Immediatbericht.  Abschrift. 

Nr.  1 22  St.  Petersburg,  den  ~  ^^  1890 

Bei  den  zahlreichen  Besuchen,  die  ich  während  meiner  Rekonvales- 
zenz empfing,  sowie  bei  den  noch  zahlreicheren  Dankesvisiten,  welche 
ich  in  der  letzten  Zeit  abstatten  mußte,  brachten  meine  russischen 
Freunde  und  Gönner  fast  ohne  Ausnahme  sehr  bald  das  Gespräch 
mit  mir  auf  den  Rücktritt  des  Fürsten  Bismarck.  Derselbe  hat,  soweit 
ich  es  feststellen  konnte,  und  abgesehen  von  den  wie  immer  höchst 
kindischen  Folgerungen  und  Betrachtungen  der  Presse,  hier  überall 
einen  deprimierenden  Eindruck  hervorgerufen,  der  jedoch  in  seinen 
Wirkungen  eine  viel  gerechtere  Würdigung  Deutschlands  zur  Folge 
gehabt  hat,  als  dies  bisher  der  Fall  war. 

Von  der  Freude,  der  sich  bei  dieser  Nachricht  anfangs  ein  großer 
Teil  der  russischen  Presse  hingab,  welche  das  Ausscheiden  „dieses 
offenen  Feindes  Rußlands  und  des  Slawentums"  aus  dem  Amte  als  ein 
beruhigendes  und  sogar  erfreuliches  Symptom  ansehen  zu  müssen 
glaubte,  welche  für  den  Dreibund  bezw.  die  Friedensliga  schon  eine 
Grabschrift  verfaßte,  und  den  Zerfall  der  großen  Schöpfung  der  Jahre 
1870/71  prophezeite  —  von  solchen  Hoffnungen  und  stillen  Wünschen 
habe  ich  in  den  Kreisen  meiner  Bekannten  nichts  gefunden.  Es  ist 
dies  ein  neuer  Beweis  der  poHtischen  Unreife  und  der  geringen  Füh- 
lung der  hiesigen  Presse  mit  den  maßgebenden  Kreisen;  sie  trifft 
eben  nur  dann  das  Richtige,  wenn  sie  von  der  Regierung  ein  mot 
d'ordre  empfängt;  auch  diesmal  hat  sie  sich  erst  nach  und  nach 
der  allgemeinen  Stimmung  angepaßt. 

Bei  den  intelligenteren  Russen  dämmerte  es  aber  viel  früher;  die 
Anfeindungen  und  Verdächtigungen,  mit  denen  sie  den  Fürsten  Bis- 
marck seit  dem  Berliner  Kongreß  verfolgt  hatten,  waren  plötzlich 
vergessen;  man  sah  es  ein,  daß  man  in  ihm  nicht  einen  Feind,  sondern 
einen  Freund  Rußlands  verloren  hatte  und  beklagte  in  ihm  den  Mann, 

368 


der  fast  drei  Jahrzehnte  lang  die  sicherste  Bürgschaft  guter  Beziehungen 
zwischen  den  beiden  benachbarten  Reichen  gewesen  sei  und  in  ge- 
wisser Weise  den  Frieden  zwischen  beiden  garantiert  habe;  man  war 
zu  der  Überzeugung  gekommen,  daß  Rußland  es  eigentUch  ihm  zu 
verdanken  habe,  wenn  es  seit  dem  letzten  Türkenkriege  in  Ruhe 
und  Frieden  hätte  leben,  seine  Finanzen  verbessern  und  seine  Rüstungen 
vervollständigen  können,  und  so  trat  an  die  Stelle  der  Freude  ein  auf- 
richtiges Bedauern  über  sein  Scheiden  aus  dem  öffentlichen  Wirken. 

Wie  weit  dies  Bedauern  geht,  beweist  unter  anderem  die  Äuße- 
rung, welche  ein  hochgestellter  Beamter  mir  gegenüber  tat,  der  seine 
Regierung  direkt  anklagte,  diese  goldene  Zeit  nicht  genügend  aus- 
genutzt zu  haben,  „Mit  Bismarck  als  Reichskanzler",  meinte  er,  „würde 
eine  Verständigung  zwischen  Rußland  und  Deutschland  ohne  Öster- 
reich^ mögüch  gewesen  sein,  und  damit  hätten  wir  freie  Hand  im 
Orient  gehabt." 

Nun  fehlt  den  Russen  plötzlich  in  ihren  Zukunftsberechnungen 
dieser  sichere  Faktor;  an  seine  Stelle  ist  „das  Ungewisse,  Geheimnisvolle 
der  neuen  Ära",  wie  sie  es  nennen,  getreten,  und  dieses  Dunkel  der 
Zukunft  erzeugt  bei  ihnen  ein  großes  Unbehagen;  das  Selbstvertrauen 
und  die  bisherige  Überzeugung,  die  Geschicke  Europas  zu  lenken,  sind 
geschwunden.  Mit  einer  gewissen  Bangigkeit  sehen  sie  den  von  ihnen 
mit  Gewißheit  infolge  des  Rücktritts  des  Fürsten  Bismarck  erwarteten 
großen  allgemeinen  Umwälzungen  und  durchgreifenden  Veränderungen 
entgegen  und  ergehen  sich  in  hypothetischen  Betrachtungen  über  die 
Richtungen,  in  denen  sich  dieselben  bewegen  könnten,  besonders  aber 
über  die  zukünftige  auswärtige  Politik  Deutschlands.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit werden  die  nach  dem  Hinscheiden  des  hochseligen  Kaisers, 
Wilhelm  I.,  Majestät,  hier  eifrig  kolportierten  und  ziemlich  allgemein 
geglaubten  Gerüchte  über  Ew.  Majestät  russenfeindliche  Gesinnung 
und  kriegerische  Absichten  wieder  aufgewärmt  und  sogar  eine  Be- 
stätigung derselben  in  der  Ernennung  eines  Militärs  zum  Reichskanzler 
erbUckt,  der  selbstverständlich  ebenfalls  sofort  ohne  jeden  Grund  zu 
einem  Feinde  Rußlands  gestempelt  worden  ist^. 

Die  zahlreichen,  von  mir  immer  wieder  angeführten  Beweise, 
welche  seitdem  Ew.  Majestät  festen  Willen  bekundet  haben,  an  der 
alten  Tradition  festzuhalten  und  mit  Rußland  in  Frieden  und  Freund- 
schaft zu  leben,  scheinen  den  Russen  nichts  mehr  zu  gelten,  seitdem 
derjenige  Mann  aus  dem  Amte  geschieden,  welcher  ihnen  plötzlich 
als  der  einzige  Träger  und  Hort  der  traditionellen  guten  Beziehungen 
zwischen  den  beiden  Reichen  erscheint.  Bei  den  Russen  regt  sich  das 
böse  Gewissen  3  und  sie  haben  das  unbehagliche  Gefühl,  daß  der 
Kaiser  von  Deutschland,  welcher  einen  so  erprobten  und  erfahrenen 
Ratgeber  von  sich  lassen  konnte,  auch  unter  Umständen  nicht  davor 
zurückschrecken  würde,  dem  alten  Verbündeten  den  Laufpaß  zu  geben, 
wenn  dieser  Deutschlands  aufrichtiges  und  so  oft  bewiesenes  Bestreben, 

24    Die  Große  Politik.    6.  Bd.  369 


mit  ihm  gute  Nachbarschaft  zu  halten,  nicht  durch  ein  gleiches  Ent- 
gegenkommen beantworten  sollte.  Dieser  Befürchtung  gab  z.  B.  auch 
Seine  Kaiserliche  Hoheit  der  Großfürst  Michael  Nikolajewitsch  mir 
gegenüber  Ausdruck.  „Wer  bürgt  uns  jetzt  dafür",  sagte  mir  ferner 
ein  alter,  uns  wohlgesinnter  General,  „daß  Ihr  hoher  Herr,  der  ohne 
einen  Bismarck  zu  regieren  den  Mut  hat,  nicht  auch  einmal  ohne  Ruß- 
land fertig  zu  werden  versuchen  will."*  Ich  erwiderte  beiden  darauf, 
daß  wir  zu  unserem  Bedauern  ja  schon  seit  dem  Berliner  Kongreß  in- 
folge der  Haltung  Rußlands  mit  dieser  Möglichkeit  zu  rechnen  ge- 
zwungen wären.  Trotzdem  würde  aber  Deutschland  auch  ferner,  ob 
mit  oder  ohne  Bismarck  fest  an  dem  alten  Bündnis  halten  und  dem 
heiligen  Vermächtnis  seines  unvergeßlichen  Kaisers,  Wilhelm  I.,  treu 
bleiben,  solange  Rußland  den  gleichen  Wert  auf  die  Erhaltung  dieser 
Freundschaft  legte,  und  weder  den  chauvinistischen  Revancheideen 
unserer  westlichen  Nachbarn  Vorschub  leistete,  noch  sich  den  pan- 
slawistischen  Fanatikern  auslieferte,  welche  im  Innern  und  im  Auslande 
wühlten  und  zum  Deutschenhaß  sowie  zum  Kriege  aufreizten. 

Gerade  in  militärischen  Kreisen  scheint  mir  dieses  Gefühl  des  Unbe- 
hagens und  der  Ungewißheit  wegen  der  Zukunft  besonders  entwickelt 
und  durch  die  Ernennung  des  Generals  von  Caprivi,  „eines  Militärs 
von  großem  Ruf",  wie  man  hier  sagt,  zum  Reichskanzler,  noch  ver- 
mehrt zu  sein.  Die  bisherige  sichere  Aussicht  auf  Erhaltung  des  Frie- 
dens (nämlich  solange  wie  es  Rußland  genehm  war)^  ist  von  neuem 
der  Besorgnis  gewichen,  die  sich  schon  bei  Ew.  Majestät  Regierungs- 
antritt bemerklich  machte,  daß  Deutschland  bei  etwaigen  Herausfor- 
derungen oder  feindseligem  Verhalten  seines  westlichen  oder  östlichen 
Nachbars  jetzt  eine  größere  den  Frieden  bedrohende  Empfindlichkeit 
zeigen  könnte  als  bisher,  und  Rußland  dann  vielleicht  weder  seine 
Rüstungen  noch  die  mindestens  noch  drei  Jahre  in  Anspruch  nehmende 
Umbewaffnung  seiner  Infanterie  zu  Ende  führen  könnte.  Es  sollte 
mich  nicht  wundern,  wenn  der  allen  Kreisen  gemeinsame  und  jetzt 
besonders  rege  Wunsch  nach  Aufrechterhaltung  des  Friedens  selbst 
mit  dem  Opfer  eines  engeren  Anschlusses  an  Deutschland,  auch  in 
dem  offiziellen  Verkehr  zwischen  den  beiden  Reichen,  von  hier  aus 
zum  Ausdruck  gelangte.  Hat  doch  der  Kaiser  bereits  in  der  Euerer 
Majestät  Botschafter  gewährten  letzten  Audienz  mehr  wie  je  zuvor 
die  Vorteile  eines  festen  Zusammenhaltens  beider  Reiche  betont; schreibt 
doch  der  „Grashdanin",  das  sogenannte  Hofjournal,  ebenfalls:  „Jetzt 
ist  es  jedenfalls  leichter  als  unter  Bismarck,  geregelte  Beziehungen  zu 
Deutschland  herzustellen,  die  den  historischen  Traditionen  und  den 
gegenseitigen  Interessen  der  beiden  Nachbarreiche  entsprechen 
würden"  6^ 

Auch  anderen  Zeitungen  scheint  in  neuester  Zeit  die  Erhaltung 
der  guten  Beziehungen  mit  Deutschland  wieder  wertvoll  geworden 
zu  sein;   die  eine  läßt  den  Rücktritt  des  Fürsten  Bismarck  „um  Ruß- 

370 


lands  willen"  erfolgt  sein,  die  andere  führt  aus,  daß,  nachdem  „das 
Deutschland  Bismarcks,  welches  eine  gegen  Rußland  gerichtete  feind- 
selige Macht  gewesen",  verschwunden  sei,  Rußland  dem  neuen  Deutsch- 
land gegenüber  keinen  Grund  mehr  zu  dem  bisherigen  Mißtrauen  habe. 

Jedenfalls  macht  sich  schon  jetzt  eine  merkliche  Abnahme  des 
Dünkels,  der  bisherigen  Überhebung  und  des  hochmütigen  Gefühls 
der  Sicherheit,  welches  man  in  den  letzten  Jahren  zur  Schau  trug, 
geltend,  und  man  rechnet  wieder  mehr  mit  Deutschland.  Die  so  sehr 
gerühmte  „nationale  Politik  der  freien  Hand",  das  Ungebundensein 
Rußlands,  erscheint  nun  plötzlich  als  eine  nicht  unbedenkliche  Iso- 
lierung^, und  man  hört  und  liest  nicht  mehr,  daß  der  Zar  die  Geschicke 
Europas  in  seiner  Hand  halte.  Dieses  Gefühl  der  Vereinsamung  ist 
noch  verstärkt  worden  durch  die  Ausschließung  Rußlands  von  der  Ar- 
beiterkonferenz*, durch  die  hier  sehr  bemerkte  gnädige  Aufnahme,  welche 
Euere  Majestät  den  französischen  Delegierten  huldreichst  zuteil  werden 
ließen,  ferner  durch  die  Anerkennung,  welche  die  besseren  französi- 
schen Zeitungen  Euerer  Majestät  Initiative  in  dieser  wichtigen  Frage 
gezollt  haben,  und  endlich  auch  durch  den  Besuch  des  Prinzen  von 
Wales  in   Berlin**. 

Die  Art  und  Weise,  wie  man  mir  gegenüber  dieser  Ereignisse  Er- 
wähnung tut,  zeigt  ebensoviel  Mißtrauen  gegen  uns,  wie  gegen  Frank- 
reich und  England.  Am  meisten  ist  man  jedoch  durch  die  den  Russen 
jetzt  näher  als  sonst  gerückt  scheinende  Möglichkeit  beunruhigt,  daß 
Deutschland  sich  mit  Frankreich  auf  einen  besseren  Fuß  stellen  ^  und 
auf  diese  Weise  Rußland  völlig  isolieren  könnte.  Hält  es  doch  der 
„Swjet",  eines  der  Organe  der  panslawistischen  Partei,  bereits  für 
nötig,  die  Franzosen  eindringlich  zu  ermahnen,  „den  Versuchungen 
von  Berlin  aus  zu  widerstehen,  sowie  die  Ehre  und  nationale  Würde 
Frankreichs  zu  wahren". 

Einen  Trost  und  eine  gewisse  Beruhigung  in  dieser  pessimisti- 
schen Auffassung  findet  man  nur  in  der  von  Euerer  Majestät  noch 
jüngst  in  dem  allergnädigsten  Erlaß  an  den  Fürsten  Bismarck  von 
neuem  betonten  Willensmeinung,  an  der  bisherigen  „weisen  und  tat- 
kräftigen Friedenspolitik  festzuhalten"***  und  hofft  außerdem,  daß  die 


*  Daß  an  Rußland  keine  Einladung  zu  der  seit  dem  15.  März  in  Berlin  tagenden 
internationalen  Arbeiterschutzlconferenz  ergangen  war,  erklärt  sich  daraus,  daß 
von  vornherein  nur  die  Teilnahme  der  „hauptsächlicheren  Industriestaaten"  vor- 
gesehen war. 

**  Er  war  zum  Zweck  der  Teilnahme  an  einem  Kapitel  des  Schwarzen  Adlerordens, 
auf  dem  die  Investitur  seines  Sohnes,  des  Prinzen  Georg,  des  jetzigen  Königs 
Georg  V..  stattfinden  sollte,  am  21.  März  in  Berlin  eingetroffen. 
***  In  dem  Kaiserlichen  Erlaß  vom  20.  März,  mit  dem  dem  Fürsten  Bismarck  der 
Abschied  erteilt  wurde,  hieß  es  u.  a. :  „Auch  im  Auslande  wird  Ihrer  weisen  und 
tatkräftigen  Friedenspolitik,  die  ich  auch  künftig  aus  voller  Oberzeugung  zur 
Richtschnur  meines  Handelns  zu  machen  entschlossen  bin,  allezeit  mit  ruhmvoller 
Anerkennung  gedacht  werden." 

24»  371 


Durchführung  der  Maßregeln  zum  Wohle  des  Arbeiterstandes  Euere 
Majestät  noch  für  lange  Zeit  fast  ausschließlich  in  Anspruch  nehmen 
und  von  der  äußeren  Politik  abziehen  würden. 

(gez.)  von  Villaume 

Randbemerkungen   Kaiser  Wilhelms  II.   (in  Abschrift): 

1  Aufrichtig  aber  nicht   schmeichelhaft 

2  das  böse  Gewissen  diktirt  diesen  Unsinn  den  Russen! 

3  s[iehe]  o[ben] 

*  es  soll  mir  im  Dreibund  stets  willkommen  sein,  aber  dann  auch  ehrlich  einge- 
stehen, was  es  will  und  nicht  Unmögliches  verlangen! 

5  ja   eben ! 

*  Ei!    Mein    Fürst   Meschtscherski  vor  8  Tagen   lauteten   Ihre  Artikel  anders! 
'  sehr  gesund! 

8  soweit  es  mit  Anstand  möglich,  allerdings! 


Nr.  1365 

Der  Botschafter  in  Petersburg  von  Schweinitz  an  den 
Reichskanzler  von  Caprivi 

Ausfertigung 

Nr.  131  St.  Petersburg,  den  28.  April  1890 

Ganz  vertraulich 

Da  jetzt  ein  voller  Monat  vergangen  ist,  seit  sich  in  Berlin  der 
Kanzierwechsel  vollzog,  so  erscheint  es  zulässig,  die  Wirkungen  zu 
beurteilen,  welche  dieses  Ereignis  in  St.  Petersburg  bis  jetzt  hervor- 
gebracht hat;  der  erste  Eindruck  desselben  war,  wenn  ich  nicht  irre, 
im  allgemeinen  an  der  Peripherie  stärker  als  im  Zentrum;  das  Er- 
staunen fand  in  New-York,  Paris,  Rom,  Wien  und  St.  Petersburg  lau- 
teren Ausdruck  als  in  BerUn;  so  wie  der  Blitz  das,  was  er  zerstört, 
noch  hell  beleuchtet  i,  so  brachte  der  Abgang  des  Fürsten  Bismarck 
den  russischen  Politikern  plötzlich  vor  Augen,  was  sie  mit  ihm  und 
durch  ihn  hätten  erreichen  können.  Nicht  bloß  an  leitender  Stelle,  son- 
dern auch  in  weiteren  einflußreichen  Kreisen  war  es  bekannt,  daß  der 
Fürst  nichts  dagegen  einzuwenden  gehabt  haben  würde,  wenn  Ruß- 
land den  Arm  nach  dem  „Schlüssel  seines  Hauses"  ausgestreckt 
hättet;  aber  sie  trauten  ihm  nicht,  und  es  fehlte  ihnen  auch  an  ernstem 
Willen  und  an  Mut  zu  dem  kühnen  Griff.  Jetzt  nun  wurde  ihnen  mit 
einem  Male  deutlich,  nicht  bloß,  daß  sie  den  Anschluß  versäumt  haben, 
sondern  auch,  daß  die  Macht  nicht  mehr  in  den  Händen  des  Mannes 
ruht,  welcher  niemals  zugegeben  haben  würde,  daß  Deutschland  ohne 
zwingende  Notwendigkeit  einen  Angriffskrieg  gegen  Rußland  unter- 
nehme. 

Die   moderne   Geschichtsschreibung,   von    Busch   und   Poschinger 
bis  zu  Sybel,  ist  so  umfassend  und  indiskret  gewesen,  daß  auch  den 

372 


Russell  die  ganze  Laufbahn  unseres  großen  Staatsmannes  in  ihrem 
Zusammenhange  mit  Rußland  verständlich  geworden  ist  und  zwar  von 
ihrem  Beginne  an:  Herrn  von  Bismarcks  Verkehr  mit  dem  russischen 
Gesandten  Baron  Budberg  vor  Olmütz,  seine  Tätigkeit  in  Frankfurt 
während  des  Krimkrieges,  sein  ebenso  geniales  \jie  gewagtes  Ein- 
greifen in  den  polnischen  Aufstand  und  so  fort  bis  zu  dem  rücksichts- 
losen, fast  grausamen  Auftreten  gegen  den  Prinzen  Alexander  von 
Battenberg.  Einsichtige  Russen  haben  hieraus  den  übrigens  von  selbst 
sich  ergebenden  Schluß  gezogen,  daß  Fürst  Bismarck,  der  die  großen 
nationalen  Taten  von  1864,  1866  und  1870  nur  in  der  Voraussetzung, 
daß  Rußland  ruhig  bleiben  würde,  unternehmen  und  durchführen 
konnte,  bei  der  Überzeugung  verharrte,  die  Freundschaft  der  Zaren 
sei  für  das  Bestehen  seines  Werkes  ebenso  vorteilhaft,  wie  sie  für  das 
Entstehen  desselben  notwendig  gewesen  war. 

Das  neue  deutsche  Reich  hat  viele  Gegner,  deren  einige  sich 
unter  gewissen,  allerdings  für  sie  selbst  verhängnisvollen  Folgen  mit 
Rußland  gegen  uns  verbinden  könnten,  es  hat  aber  auch  gefährliche 
Widersacher,  welche  gleichzeitig  unversöhnliche  Feinde  Rußlands  sind; 
diese  gemeinsamen  Gegner  wohnen  im  Vatikan  und  an  der  tausend 
Kilometer  langen   russisch-preußischen  Grenze. 

Durch  die  zwar  nie  ausgeführte,  aber  erfolgreiche  sogenannte 
Alvenslebensche  Konvention  vom  Jahre  1863*  hat  Herr  von  Bismarck 
bei  Beginn  seiner  Ministerschaft  bewiesen,  wie  er  über  die  gegen- 
seitigen Beziehungen  der  beiden  akatholischen  Teilungsmächte  denkt 
und  bis  zum  Schlüsse  ist  er  dieser  Auffassung  treu  geblieben;  er  hat 
sie,  leider  mit  großer  Härte,  durch  die  Massenausweisungen  der  rus- 
sischen und  galizischen  Polen  aus  unseren  östlichen  Provinzen  noch 
in  den  letztvergangenen  Jahren  betätigt. 

Durch  diese  und  noch  manche  andere  vom  Fürsten  Bismarck 
gegebenen  Proben  seiner  entschiedenen  Abneigung  gegen  einen  deutsch- 
russischen Krieg  war  man  hier,  in  neuester  Zeit,  in  ein  Sicherheits- 
gefühl eingewiegt  worden,  aus  welchem  man  jetzt  ziemlich  unsanft 
aufgeweckt  worden  ist;  man  sieht  sich  plötzlich,  isoliert  in  Europa, 
einer  neuen,  nicht  minder  starken,  aber  weniger  berechenbaren,  da- 
gegen jeden  Augenblick  schlagbereiten  Kraft  gegenüber;  hierdurch  ist 
eine  recht  heilsame  Furcht  erzeugt  worden,  was  nur  nützlich  wirken 
kann,  solange  als  kein  Mißtrauen  hinzutritt;  Furcht  ist  wohl  vereinbar 
mit  Vertrauen,  ohne  dieses  muß  sie  früher  oder  später  dahin  führen, 
daß  man  Sicherheit  bei  anderen  sucht.  Um  den  Effekt  zu  verstehen, 
welchen  die  Kunde  vom  Sturze  des  Fürsten  Bismarck  Mitte  März  1890 
im   Anitschkow-Palais   hei-vorgebracht  hat,   muß    man   sich   die   Frage 

*  Gemeint  ist  die  durch  den  General  Gustav  von  Alvensleben  am  8.  Februar  1863 
abgeschlossene  Militärkonvention,  durch  die  sich  Preußen  dem  Zaren  2ur  Unter- 
drückung der  polnischen  Revolution  zur  Verfügung  stellte.  Vgl.  Bismarcks  Ge- 
danken und  Erinnerungen   Bd.  I,  Kap.  XV:   Die  Alvenslebensche  Konvention. 

373 


vorlegen,  welche  Wirkung  dieselbe  Nachricht  im  Frühjahr  1888  in 
Rußland  gehabt  haben  würde,  wenn  der  Reichskanzler  wegen  der  Bat- 
tenbergschen  Angelegenheit  zurückgetreten  wäre*.  Ich  kann  auf  Grund 
dessen,  was  ich  nach  jener  traurigen  Episode  hier  in  Erfahrung  ge- 
bracht habe,  versichern,  daß  am  Hofe,  in  der  Gesellschaft  und  im 
Publikum  die  Freude  über  den  Abgang  des  Fürsten  Bismarck  so  über- 
groß gewesen  sein  würde,  daß  die  Battenbergsche  Heirat  gar  nicht 
beachtet  worden  wäre. 

Warum  bedauert  man  nun  jetzt  dasselbe  Ereignis,  welches  man 
vor  zwei  Jahren  mit  Jubel  begrüßt  haben  würde?  Meine  Antwort  auf 
diese  Frage  ist:  weil  damals  Deutschland  durch  den  Rücktritt  des 
Kanzlers  geschwächt  worden  wäre,  und  weil  man  heute  in  Petersburg 
das  Gegenteil  glaubte 

Der  Kaiser  Alexander  ließ  mich  bald  nach  Empfang  der  Nach- 
richt vom  Abgange  des  Fürsten  Bismarck  zu  sich  bescheiden ;  Seine  Maje- 
stät ließ  dem  großen  Staatsmanne  Gerechtigkeit  widerfahren,  indem 
er  sagte,  Fürst  Bismarck  habe  Rußland  manchmal  recht  weh  getan, 
aber  jetzt  sei  man  doch  zu  richtigem  Verständnis  seiner  Tätigkeit 
beim  Berliner  Kongreß  gekommen;  auch  habe  er,  der  Zar,  nament- 
lich bei  der  letzten  Unterredung  in  Berlin,  das  volle  Vertrauen  ge- 
wonnen, daß  der  Fürst  keine  feindlichen  Absichten  hege**.  Der  Kaiser 
ließ  nicht  undeutlich  die  Vermutung  durchblicken,  die  deutsche  Nation 
würde  ihrem  Wunsche,  daß  der  Fürst  Bismarck  im  Amte  bleibe,  so 
lauten  Ausdruck  verleihen,  daß  er  bald  wieder  auf  seinen  Posten  zu- 
rückkehren würde*;  ich  erlaubte  mir  zu  erwidern,  daß  so  etwas  bei  uns 
undenkbar  sei;  die  Stimme  des  Volkes  könne  der  Krone  nicht  ihre 
Räte  aufdrängen;  daß  der  Fürst  bei  großen  Entscheidungen  zugezogen 
werden  würde,  sei  dagegen  wahrscheinUch. 

Der  Kaiser  kam  dann  auf  die  ihn  beunruhigende  Meldung^  zu 
sprechen,  wonach  der  Abgang  des  Fürsten  nicht  durch  innere  Fragen, 
sondern  durch  eine  Meinungsverschiedenheit  über  die  Beziehungen 
zu  Rußland  herbeigeführt  worden  wäre.  Hierüber  habe  ich  schon 
ehrerbietigst  berichtet***.  Als  hierauf  Seine  Majestät  nochmals  die  Er- 
wartung aussprach,  daß  in  Berlin  und  überhaupt  in  Deutschland  große 
Erregung  entstehen  werde,  gestattete  ich  mir  zu  entgegnen,  daß  ich 
diese  Erwartung  nicht  teile:  ich  hätte  nämlich  bei  meiner  letzten 
Anwesenheit  in  Berlin  trotz  meiner  Bewunderung  und  treuen  Ver- 
ehrung  für   den    Fürsten    die    Überzeugung   gewonnen,   daß    wir   im 


*  Siehe  Kap.  XLII,  Nr.  1331. 

**  Diese    authentisch   überlieferte    Äußerung   Kaiser   Alexanders   III.  fällt   schwer 

ins  Gewicht  gegenüber  den  von  Kaiser  Wilhelm  II.  und  Reichskanzler  von  Caprivi 

im  Sommer  18Q2,  zur  Zeit  des  schärfsten  Konflikts  mit  Bismarck,  vorgebrachten 

gegenteiligen  Äußerungen  des  russischen  Kaisers.   Vgl.  Otto  Hammann,  Der  neue 

Kurs  (1918),  S.  22  f.,  60  f. 

***  Vgl.  Bd.  VII,  Kap.  XLIV. 

374 


Innern  vor  einem  dead  lock  ständen  6;  ich  hätte  demnach  Ursache 
anzunehmen,  daß  viele  meiner  Landsleute  gleiche  Anschauungen  heg- 
ten und,  wenn  auch  mit  tiefem  Schmerze,  sich  sagten,  daß  es  so  wie 
jetzt  nicht  mehr  lange  weitergehen  konnte. 

Der  Kaiser  Alexander  entließ  mich  dann,  wie  schon  früher  ge- 
meldet, mit  dem  Auftrage,  ich  möge  unseren  allergnädigsten  Kaiser 
und  Herrn  seines  Vertrauens  versichern,  daß  der  Abgang  des  Reichs- 
kanzlers weder  an  den  persönlichen  noch  an  den  politischen  Beziehungen 
etwas  ändern  werde  7. 

Auf  Wunsch  des  Kaisers  ist  dann  der  Preßleitung  die  Weisung 
erteilt  worden,  dafür  zu  sorgen,  daß  die  Zeitungen  nicht  zu  lebhaft 
Partei  für  den   Fürsten   Bismarck   ergreifen   möchten. 

Die  Haltung  der  russischen  Presse  ist  seitdem,  abgesehen  von 
einigen  Ausfällen  des  „Grashdanin",  maßvoll  gewesen  und  jedenfalls 
anständiger  als  diejenige  der  deutschen  freisinnigen  und  auch  anderer 
Blätter.  Der  Fürst  hat  den  Russen  manches  Leid  zugefügt,  er  hat  eine 
Tripelallianz  gegen  sie  zustande  gebracht,  den  Wert  ihrer  Papiere 
und  den  Kurs  ihres  Rubels  herabzudrücken  gesucht  und  sie  durch 
vexatorische  Maßregeln  aufs  äußerste  gereizt,  z.  B.  zur  Zeit  der  Pest 
von  Wetljanka,  aber  es  würde  ihnen  doch  lieber  gewesen  sein,  wenn 
er  im  Amte  geblieben  wäre;  sie  wußten,  daß  er  keinen  Krieg  wollte, 
und  daß  er  aus  politischer  Überzeugung  taub  blieb  für  die  Klagen 
der  baltischen  Deutschen,  der  Lutheraner  und  der  Kolonisten  8.  Viele 
waren  ihm  auch  wohl  dankbar  dafür,  daß  er  sie  durch  seine  Friedens- 
liga vor  ihren  eigenen  panslawistischen  oder  chauvinistischen  Ver- 
führern schützte. 

Zum  Schlüsse  bleibt  mir  noch  die  Frage  zu  beantworten,  mit 
welcher  die  Berichterstattung  aus  anderen  Hauptstädten  wohl  begonnen 
haben  dürfte,  nämlich:  welchen  Eindruck  hat  der  Kanzlerwechsel  auf 
den  Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten  gemacht,  und  inwie- 
fern kann  er  dessen  Stellung  stärken  oder  schwächen? 

Die  erste  Empfindung  des  Herrn  von  Giers,  als  er  die  große  Neuig- 
keit erfuhr,  läßt  sich  wohl  am  besten  durch  das  „ouff!"  ausdrücken, 
welches  der  erste  Napoleon,  wie  er  einmal  zu  seinen  Marschällen 
sagte,  von  ihnen  erwartete,  wenn  er  auf  der  Höhe  der  Macht  stürbe; 
vom  Fürsten  ließ  sich  der  russische  Minister  freilich  vieles  gern  ge- 
fallen, aber  der  Graf  hat  ihn  manchmal  gekränkt.  Als  im  Frühjahr 
1888  der  Rücktritt  des  Reichskanzlers  erwartet  wurde,  sagte  Herr 
von  Giers:  „J'espere  que  rien  ne  changera,  excepte  le  ton";  dies  war 
auch  jetzt  seine  Hoffnung;  er  Tiat  sich  aber  doch  bald  der  Wahr- 
nehmung nicht  verschließen  können,  daß  auch  außer  dem  Ton  manches 
anders  geworden  ist.  „L'Empereur",  so  hat  mir  der  Minister  nun 
schon  mehrere  Male  gesagt,  „regrette  pourtant  la  demission  du  Princc 
de  Bismarck";  aber  sowohl  bei  ihm,  wie  bei  seinem  Kaiserlichen  Herni 
ist  der  beste  Wille  ^   vorhanden,   die  guten   Beziehungen   zu   pflegen 

375 


und  womöglich  noch  besser  zu  gestalten;  es  fehlt  auch  nicht  an  Ver- 
ständnis für  die  Kräftigung  monarchischer  Autorität,  welche  in  den 
neuesten    Ereignissen   unverkennbar   hervortritt. 

Die  Stellung  des  Herrn  von  Giers  fand  allerdings  im  Fürsten 
Bismarck  eine  feste  Stütze,  sowohl  im  Auslande,  besonders  in  Wien, 
als  auch  in  Rußland;  sie  wird  aber  vorläufig  durch  seinen  Abgang 
nicht  entkräftet,  denn  sie  hängt  doch  einzig  und  allein  von  seinem 
Kaiser  ab,  und  mit  diesem  hat  auch  die  fremde  Diplomatie  zu  rechnen, 
deren  Alpha  und  Omega  die  richtige  Behandlung  Seiner  Majestät  ist. 

V.  Schweinitz 


Randbemerkungen  Kaiser  Wilhelms  IL: 
1  Hübsch  ausgedrückt 

'  ich  auch  nicht,  wenn  sie  es  nur  offen  thun. 
3  sehr  bezeichnend  aber  richtig! 
i  !! 

^  Schouvalow!  wahrscheinlich  auf  Befehl! 

^  ja 

'  gut. 

*  ich  auch 

ä  er  übertrage  sich  in  die  That! 


376 


Namenregister  zu  Band  i— VI 


Vorbemerkung.  Das  nachfolgende  Namenverzeichnis  zu  Band  I  bis  VI 
führt  sämtliche  im  Text  der  abgedruckten  Schriftstücke,  sowie  in  den  Anmerkungen 
genannten  Persönlichkeiten  aus  den  Jahren  1870—1890  auf.  Es  ist  versucht  worden, 
auch  die  Stellung,  die  die  genannten  Persönlichkeiten  jeweils  eingenommen  haben, 
möglichst  genau,  jedoch  unter  Fortfall  der  überflüssigen  Titulaturen,  anzugeben. 
Allerdings  läßt  sich  die  Zeitdauer  des  Verweilens  der  Botschaftssekretäre  und 
sonstigen  jüngeren  diplomatischen  Beamten  auf  ihren  rasch  wechselnden  Posten 
oft  nur  annähernd  feststellen,  da  lediglich  die  „Foreign  Office  List"  und  das  „Jahr- 
buch des  K.  u.  K.  Auswärtigen  Dienstes"  genaue  Daten  geben.  In  einer  Anzahl 
von  Fällen  begnügt  sich  das  Register  deshalb  damit,  das  Jahr,  in  dem  die  be- 
treffenden  Persönlichkeiten  vorkommen,   in   Klammern  anzumerken. 

Ein  ausführliches  Namen-  und  Sachverzeichnis  wird  am  Schluß  der  ganzen  Pu- 
blikatio'i  erfolgen.  Auch  ein  nach  Absendern  und  Empfängern  geordnetes  Inhalts- 
verzeichnis, das  nach  ursprünglicher  Absicht  schon  dem  VI.  Bande  beigegeben 
werden  sollte,  wird  zweckmäßiger  dem  Schluß register  vorbehalten  bleiben. 


Abd  el  Cadir,  Emir. 

III,  S.406.  406  A. 
Abdul  Asis,  türk.  Sultan  1861/76. 

II,  S.S.  23.  332 A. 
Abdul   Hamid  II.,   türk.  Sultan   1876 
bis  1909.  . 
II,  S.47.  124.  125.  142.  163.  165.  177. 
191.  192.  193.   195.  199.  294.  326. 
328.  332  A.  344  A. 

III,  S.4.  5.  169  A.  264.  278.  295.  298. 
300.  333.  350.  365.  373.  400.  435. 
450. 

IV,  S.  25.  27  A.  28.  29.  34.  36.  37.  39. 
43.  44.  107.  108.  111.  112.  117.  118. 
118A.  119.  135.  142.  157.  158.  172. 
187.  188.  194.  197.  267.  276.  281. 
287.  288.  290  A.  291.  292.  293.  301. 
327.  328.  336.  345.  346.  347.  349. 
352.  354.  355.  356.  358.  360.  362. 
364.  366.  369.  378.  382.  383.  385. 
387. 

V,  S.4.  9.  13.  14.  15.  17.  18.  20.  87. 
88.    164.   166.    167.    171.   173.  178. 
201.  204.  205.  242. 
VI,  S.4A.  16.  45.  322.  325.  343.  360. 
360  A. 
Abdul    Kerim    Pascha,    türk.    Ober- 
befehlshaber im  Kriege  gegen  Ser- 
bien 1876. 
VI,  S.  8. 


Abdur  Rahman  Chan,  Emir  von  Af- 
ghanistan 1880/1901. 
IV,  S.  111.    112.   121. 
Abeken,   Heinrich,   Vortragender   Rat 
im   A.A.   1853/71. 
I,  S.63A.   79  A.  91  A. 
Adalbert,  Prinz  von  Preußen,  Adrai- 
ral  und  Oberbefehlshaber  der  deut- 
schen Marine. 
I,  S.  205. 
Adam,  Juliette,  deutschfeindliche  franz. 
Schriftstellerin. 
VI,  S.  130. 
Adlerberg.  Alexander  Graf,  russ.  Ge- 
neral   und    Minister   des    Kaiser- 
lichen  Hauses   1872/81. 

III,  S.49.   62.   63.    66.   296.   318.    319. 
320.  323. 

Adlerberg,  Nikolaus  Graf,  Sekretär 
bei  der  russ.  Botschaft  in  London 
(1885). 

IV,  S.  112. 

Adolf,  Herzog  zu  Nassau,  Großherzog 
von  Luxemburg  1890/1905. 
VI,  S.349. 
Ägypten 

s.  Ismail  Pascha,  Mehemed  Tewfik. 
Aehrenthal,     Alois     Freiherr     von, 
österr.-ung.    Botschaftsrat   in    Pe- 
tersburg 1888/94. 
VI,  S.339. 


370 


Afghanistan,  s.  Abdur  Rahman. 
A  k  s  a  k  o  w ,  Sergei,  slawophiler  russ.  Pu- 
blizist. 
III,  S.  376. 
Albedyll,  von,  preuß.  General,  Chef 
des   preuß.   Militärkabinetts    1872 
bis  1888. 
II,  S.  330. 
III,  S.  48. 

VI,  S.  57.  59.  60.  61.  62. 
Albert,  König  von  Sachsen  1873/1902. 
V,  S.  147. 
VI,  S.  280. 
Albert    Eduard,    Prinz    von    Wales, 

s.  Eduard. 
Albertone,  ital.  Oberstleutnant,  Vor- 
stand    der    Zentralabteilung     im 
Kriegsministerium. 
VI,  S.  239. 
Albrecht,   Erzherzog  von   Österreich, 
Feldmarschall,     General-Inspektor 
des  k.  u.  k.  Heeres. 
I,  S.205. 
II,  S.35. 
III,  S.  34.  39. 

VI,  S.  5.  11.  17.  55.  61.  344. 
Aleko  Pascha  Vogorides,  General- 
gouverneur von  Ostrumelien  1879 
bis  1884. 
111,  S.353.   353  A.   368.   372  A. 
V,  S.  175.  177  A, 
Alexander   II.,    Kaiser    von    Rußland 
1855/81. 
I,  S.  197.    198.    199.    200.    202.    203. 
203  A.  205  A.  206.  206  A.  207.  241. 
254 A.   266.   267.    273.   273 A.   279. 
280.  282.  284.   296.  297.  312.  322. 
II,  S.5.  7.  8.  16  A.  32  A.  33.  34.  34  A. 
35.  36.  37.  37  A.  38.  39.  40.  41.  42. 
44.  44  A.  46.  49.  50.  51.  52.  53.  54. 
55.  55  A.  56.  57.  58.  58  A.  59.  60. 
61.  62.  63.  64.  65.  67.  68  A.  71.  72. 
73.  74.  74  A.  75.  76.  77.  77  A.  78. 
80  A.  82.  82  A.  83.  83  A.  84.  87.  89. 
90.  91.  91  A.  92.  94.  95.  98.  99. 100. 
102.  103.  105.  107.  109.  110.  IIOA. 
111.  114.  115.  125.  125  A.  126.  127. 
129.   130.  131.   132.  133.   135.   139. 
140.    141.   143.    144.    150  A.    158  A. 
162  A.  164  A.  165.  169  A.  175.  176. 
177.   179.  188.   191.  192.   195.  200. 
209.  222.  227.  231.  232.  241.  242. 
257.  261.  265.   266.  273.  296.  297. 
307  A.    309.    322.    323.    324.    325. 
326.  327.  328.  329.  332.  333,  336. 


III,  S.3.  4.  5.  6.  7.  8.  9.  10.  11.  12. 

13.  14.  16.  17.  17  A.  18.  18  A.  19. 
20.  23  A.  24.  25.  26.  27.  28.  29.  31. 
32.  33.  34.  36.  39.  40.  41.  42.  44. 
47.  48.  49.  50.  52.  53.  54.  55.  62. 
63.  64.  65.  66.  68.  69.  70.  73.  74. 
75.  78.  79.  81.  82.  84.  88.  89.  90. 
96.  97.  98.  99.  104.  107.  109  A.  110. 
111  A.  112.  113.  114.  115.  116.  118. 
119.  120.  125.  128.  140.  142.  147. 
150.  151.  152.  156.  157.  158.  162. 
166.  166  A.  169.  174.  296.  296  A. 
316.  318  A.  319.  320.  331.  342.  346. 
347.  349  A. 

IV,  S.4.  5.  120  A.  122. 

V,  S.42.  52.  61.  71.  77.  98.  102.  110. 

112.  115.  201.  264.  290.  300.  303. 
307. 

VI,  S.30,  37.  99.   101.  115.   116.   196. 
285,  312.  352.  354.  357. 
Alexander  III.,  Kaiser  von   Rußland 
1881/94  (s.  auch  Alexander  Alex- 
androwitsch). 

III,  S.  166.  166  A.  167.  174.  175.  176. 
204.  213.  286.  287.  288.  288  A.  289. 
290.  292.  293.  296.  297.  302.  304. 
305.  306.  307.  309.  311.  312.  313. 
316.  317.  318.  318A.  319.  320.  321. 
322.  323.  324,  326.  327.  328.  330. 
331.  332.  333.  334.  339.  340.  341. 
342.  347.  349.  351.  356.  357,  357  A. 
358.  359.  360,  361,  362,  363.  364. 
369.  369  A.  370.  371.  372,  373.  374. 
375. 

IV,  S.41,  111.  112.  120.  120  A.  124. 
135.  265,  287.  326,  339,  341.  375. 

V,  S.  8.  10.  13.  14.  15.  25.  37.  38.  41. 
42.  44.  45.  46.  47.  48.  48  A.  50.  51. 
52.  53.  54.  55.  57.  57A.  58.  58  A.  59. 
60.  61.  62,  63.  64,  67,  68.  68  A,  69. 
69  A.  70.  71.  72.  73  A.  74.  75.  76. 
78.  79.  80.  81,  82.  83.  84.  87,  88. 
89.  90.  91.  92.  93,  94,  100,  104, 
105,   106,  107.   108,   109.  110.  111. 

113,  114,  115,  116,  117,  118.  127. 
132.  134.  135.  142.  144.  152,  158, 
160.  161.  162.  163.  167.  168.  169. 
170.  172.  173.  174.  175.  176.  178. 
182.  188,  191,  194,  197.  203.  205. 
206,  212,  213,  214  A,  215.  216.  219. 
221.  222,  223,  224.  225.  226.  227. 
228.  230,  231,  232.  233.  234,  236, 
237.  238.  239,  240,  241,  242,  245. 
249.  251.  252.  253,  255.  256.  257, 
258.  259.  260,  261,  263.  265,  266. 


380 


267.  268.  282.  294.  295.  297.  298. 
299.  300.  301.  302.  306.  308.  309. 
310.  311.  312.  313.  313A.  314.  315. 
317.  318.  318  A.  319.  320.  321. 
322.  323.  323  A.  324.  324  A.  325  A. 
326.  327.  328.  329.  331.  337.  340. 
341.  342.  343.  344.  346.  347.  348. 
349.  349  A. 
VI,  S.7.  8.  10.  10  A.  11.  13.  19.  20. 
22.31.32.34.  35.  37.  38.  41.44.  45. 
46.  48.  50.  76.  92.  96.  96  A.  97. 
98.  99.  100.  101.  102.  104.  105.  106. 
107.  108.  109.  109  A.  110.  111.  112. 
114.  115.  116.  118.  120.  121.  121  A. 
122.  123.  136.  176.  176  A.  180.  277. 
278.  279.  280.  281.  283.  284.  285. 
288.  289.  290.  291.  292.  293.  296. 
297.  298.  301.  302.  308  A.  310. 
311  A.  312.  313.  314.  319.  320.  322. 
325.  326.  327.  328.  329.  330.  332. 
332  A.  333.  335.  337.  338.  340.  342. 
344.  345.  347.  349.  352.  353.  354. 
354 A.  355.  359.  359 A.  360.  361. 
362.  363.  365.  370.  371.  374.  374  A. 
375. 
Alexander,  Prinz  von  Battenberg, 
Fürst   von   Bulgarien   1879/86. 

III,  S.  295.  296.  296  A.  306.  341.  343. 
344.  345.  345  A.  346.  347.  352.  356. 
371. 

IV,  S.  140.  267.  292.  292  A.  326. 

V,  S.  3A.  8.  11.   14.  21.  24.  24  A.  25. 
28.  30.  31.  32.  37.  38  A.  50.  53.  57. 
58.   58  A.  59  A.  69.   87.  88.  157  A. 
160.  161.  162.  162  A.  163.  164.  165. 
194.  201.  212.  240.  247.  250.  254.  295. 
VI,  S.278.  281.  281  A.  282.  282  A.  283. 
284.  285.  286.   287.  288.  289.  290. 
290 A.   291.   292.    293.   294.   294 A. 
305.   309  A.  329.   330.   343.   373. 
Alexander,  Prinz  von  Hessen,  Vater 
des  Prinzen  Alexander  von  Batten- 
berg, nachmal.  Fürsten  von  Bul- 
garien. 
II,  S.  176.  178. 
III,  S.295.  296.  296  A. 
VI,  S.343. 
Alexander    Alexandrowitsch,    Groß- 
fürst-Thronfolger, nachmal.  Kaiser 
Alexander  III. 
III,  S.U.  53.  150.   152.  158.  162.  165. 
167. 
Alexander  Friedrich  Konstantin,  Her- 
zog von  Oldenburg,  Oeneraladju- 


tant    Kaiser   Alexanders    III.    von 
Rußland. 
V,  S.  132.   167.  168. 
Alexander  Obrenowitsch,   Kron- 
prinz von  Serbien,  nachmal.  König 
Alexander  I. 
VI,  S.315A. 
Alexandra,  Prinzessin  von  Wales,  Ge- 
mahlin  des   Prinzen    Eduard   von 
Wales,  geb.  Prinzessin  von  Däne- 
mark. 
II,  S.  330. 
Alexis     Alexandrowitsch,     Großfürst, 
Bruder  Kaiser  Alexanders  III.  von 
Rußland. 
V,  S.  343. 
VI,  S.  99.  106. 
Alfons  XII.,  König  von  Spanien  1874 
bis  1885. 
III,  S.  298. 
VI,  S.212. 
Alfred,  Herzog  von  Edinburg,  zweiter 
Sohn    der    Königin    Viktoria    von 
Großbritannien  und  Irland. 
II,  S.  158.    158 A.   159. 
-Mi  Nizamy  Pascha,  türk.  General. 

III,  S.403.  403  A. 

IV,  S.  25.  28. 

Alvensleben,    Freiherr    von,    erster 

Botschaftssekretär   in    Petersburg 

(1875). 
II,  S.  29  A.  58. 
A  m  p  t  h  i  1 1 ,  Lord,  s.  Russell,  Odo. 
Anderson,  Henry  Percy,  Kolonialrefe- 
rent im  Foreign  Office  (1886). 
IV.  S.  155. 
Andrassy,    Julius    Graf,    österr.-ung. 

Minister  des  Äußern  1871/79. 
I,  S.  197.   205.  239.   239  A.  256.  283. 

284.  321. 
II,  S.  29A.  31  A.  32.  34  A.  35.  39.  45. 

46.  47.  71.  94.  127.  129.  161.  169  A. 

171  A.  173.  175.  176.  177.  180.  181. 

182.  185.  185  A.  188.  189.  190.  191. 

197.   198.  200.  201.  202.  203.  207. 

217.  221.  223.  228.  236.  233.  254. 

255.  256.  257.   260.  261.  263.  273. 

274.  275.  294.   295.  296.  298.  300. 

303.  311.  312.  313.  314.  315.  316. 

318.  319.  332.  341.  342.  342  A.  343. 
III,  S.  4.    19.    20.    23.    23  A.    27.    30. 

31.  32.  33.  34.  35.  36.  39.  40.  41. 

46.  48.  50.   55.  56.  59.  60.  66.  67. 

68    69.  70.  72.  73.  77.  81  A.  82  A. 

84.  85.  86.  87.  88.  89.  90.  91.  92. 


381 


Q3.  94.  95.  96.  97.  99.  101.  103. 
106.  107.  107  A.  108.  109.  111.  116. 
119.  126.  128.  129.  130.  131.  165. 
19Z  218.  226.  256.  266.  350.  354. 
361. 
IV,  S.  3A.  122.  123. 
V,  S.  33.  37.  123.  123  A.  124.  130.  138. 

146.   146  A,  147.  289. 
VI,  S.44.  45.  278.  357  A. 
Angers,  Bischof  von,  s.  Freppel. 
Appert,  franz.  General,  Botschafter  in 
Petersburg  1883/86. 

III,  S.340.  357. 
V,  S.  326.   349. 

VI,  S.96.  96  A.  104.  114. 
Apponyi,  Albert  Graf,  ung.  Abgeord- 
neter. 
V,  S.  128.  129. 
Apponyi,    Rudolf    Graf,    österr.-ung. 
Botschafter  in  London  1856/71. 
II,  S.  22. 
Arabi    Pascha,    aufständischer    ägypt. 
General. 

IV,  S.  75. 

Arapow,   von,   russ.    Botschaftsrat  in 
Berlin  (1879). 

III,  S.  7A.  8.  9.   12. 

Arendt,  Generalkonsul  in  Sansibar  1886 
bis  1887. 

IV,  S.  166.   169.  169  A.   170.  171. 
Arnim,    Harry   Graf    von,   Kommissar 

bei  den  Friedensverhandlungen  in 

Frankfurt  a.  M.  1871,   Gesandter, 

dann    Botschafter   in    Paris    1871 

bis  1874. 
I,  S.  7A.    38.   44.    61.   66.   66  A.    67. 

67  A.  74.  75.  75  A.  76  A.  SO.  80  A. 

81.  83  A.  86  A.  88.  89  A.  90.  90  A. 

91.  95.  97.   101.  101  A.  105  A.  106. 

106A.   108A.  111 A.    113A.   124A. 

128.    138  A.   144.    153.    154.    154  A. 

155  A.  156.  157.  157  A.  174  A.  179. 

179  A.  180  A.  182.  183.  183  A.  185. 

189  A.  226.  233.  233  A.  238  A. 
III,  S.  407. 
Arthur    Wilhelm,    Herzog    von    Con- 

naught,  dritter  Sohn  der  Königin 

Viktoria  von  Großbritannien  und 

Irland. 
II,  S.  330. 
Aube,   franz.   Admiral,   Marineminister 

in  den  Kabinetten  Freycinet  und 

Goblet  1886/87. 
VI,  S.  158. 


Auburn     Herbert,     engl.    Arbeiter- 
führer. 
II,  S.  199.  200. 
Augusta,  Deutsche  Kaiserin  und  Kö- 
nigin    von     Preußen,     Gemahlin 
Kaiser    Wilhelms    I.,    geb.    Prin- 
zessin von  Sachsen-Weimar. 
1,  S.  163.  281. 
II,  S.  64.  104A. 
VI,  S.  51.  311. 
Auguste  Viktoria,  Deutsche  Kaise- 
rin und  Königin  von  Preußen,  Ge- 
mahlin  Kaiser  Wilhelms  II.,  geb. 
Prinzessin   zu  Schleswig-Holstein. 
VI,  S.  360  A. 
Aumale,  Henry  Duc  d'Orleans,  Sohn 
Louis  Philipps. 
I,  S.  47.   114.   115.   116.  219. 

III,  S.  408. 

d'Aunay,  Comte,  franz.  Generalkonsul 
und  diplomatischer  Agent  in  Kairo 
1885/87. 

IV,  S.  156A.  157. 

Bach    von    Hansberg,    österr.-ung. 
Oberst,    Militärattache    in    Paris 
(1886). 
VI,  S.  136. 
Baden,    s.  Friedrich  I. 
Balan,    Hermann    von,    Gesandter    in 
Brüssel     1868/74,     stellv.    Staats- 
sekretär d.  A.  A.  1872/73. 
I,  S.  7A.  154. 
Baranow,   russ.  General,  Zivilgouver- 
neur von  Nischni-Nowgorod. 
V,  S.  294.  294  A,  295.  303.  305.  310. 
VI,  S.  113.   113  A.  320. 
Bargasch  ben  Said,  Sultan  von  San- 
sibar 1870/88. 
IV,  S.  143A.    144.   146.    148.   151.   15Z 
153.  154.  155.  155  A.  158.  165.  167. 
168. 
Barrere,  Camille,  franz. diplomatischer 
Agent  und  Generalkonsul  in  Kairo 
1883/85. 
III,  S.  427.  427  A.  433.  436.  447.  447  A. 
448.  449. 
Bartels,  Konsul  in  Moskau  (1884). 

III,  S.  376. 
Barth.elemy-St.  Hilaire,    Jules, 
franz.  Minister  des  Äußern  im  Ka- 
binett Ferry  1880/81. 
III,  S.  399.     400.    400  A.     401.    401 A. 

402  A. 
VI,  S.  367. 


382 


Batbie,    Anselm,    franz.    Unterrichts- 
minister im  Kabinett  Broglie  Mai 
bis  Nov.  1873. 
I,  S.  222.  223.  224.  224  A.  225. 
Battenberg,  s.  Alexander,  Julie. 
Baude,  Baron  de,  franz.  Delegierter  /ii 
den     Brüsseler    Friedensverhand- 
lungen 1871. 
I,  S.  7A.  8.  18. 
Bayern,   s.  Ludwig  I!.,  Luitpold. 
Bazaine,  franz.  Marschall. 

I,  S.  115.  118A. 
Beaconsfield,  Earl  of,  (Benjamin  Dis- 
raeli),  engl.  Premierminister  1874 
bis  1880,  erster  engl.  Bevollmäch- 
tigter zum  Berliner  Kongreß  1878. 
II,  S.  12.  31.  33.  83.  119  A.  121.   156. 
200.  208.  211.  217.  244.  244  A.  249. 
250.  251.  252.   257.  258.  277.  323. 
330.  331.  332.   334.  335. 
HI,  S.  4.  8.  129. 

IV,  S.  3A.  4.  4A.  6.  7.  7A.  8.  9.  10. 
11.  12.  13.  14.  ISA.  16.  131.  280. 

V,  S.  41. 
Beauharnais,   Prinz  Eugen,   Herzog 
von  Leuchtenberg,  Enkel  des  Kai- 
sers  Nikolaus  I.   von   Rußland. 
VI,  S.  106.  106  A. 
Beck,  Freiherr  von,  österr.-ung.  Feld- 
marschalleutnant,    Chef    des    Oc- 
neralstabes  (1887). 
V,  S.  327. 
VI,  S.  4.    5.   6.    11.    17.    26.    61.   61 A. 
67.  69.  85. 
Belgien,  s.  Leopold  II.,  Maria,  Gräfin 

von  Flandern,  Philipp. 
Belosselski,     Fürst,     Flügeladjutant 
Kaiser  Alexanders  III. 
V,  S.  64. 
Benedetti,  Vincent  Graf,  franz.  Bot- 
schafter in  Berlin  1864/70. 
I,  S.  325. 
VI,  S.  336. 
Berchem,  Max  Graf  von,  erster  Bot- 
schaftssekretär in  Petersburg  1875 
bis  1878,  in  Wien  1878/83,  Direk- 
tor der  handelspol.  Abt.  im  A.  A. 
1885/86,    Unterstaatssekretär   18Sü 
bis  1890. 
II,  S.  36.   50.  73. 

III,  S.  280.   281. 

IV,  S.  406.  407. 

V,  S.  57  A. 

VI,  S.  92.  191  A.  193  A. 


Berg,    Friedrich    Wilhelm    Graf    von, 
russ,  Feldmarschall. 
I,  S.  199.    20Z   203.    234. 
Bertin. 

I,  S.  101.  104. 
Bertole-Viale,    Ettore,    ital.  Kriegs- 
minister 1887/91. 
VI,  S.  235.  238.  253.  254.  257.  258.  259. 
260. 
Beust,  A.  Graf  von,  Botschaftsrat  bei 
der  österr.-ung.  Botschaft  in  Pe- 
tersburg 1886/88,  in  Rom  1889/92. 
VI,  S.  30.   31.  272. 
Beust,  Friedrich  Ferdinand  Graf  von, 
österr.-ung.   Minister  des   Äußern 
und    Reichskanzler   1867/71,    Bot- 
schafter   in    London    1871/78,    in 
Paris  1878/82. 
I,  S.  198.  256.  283.  284.  289.  319. 
II,  S.  88.  199.  210.  211.  216.  217.  223. 
227.  228.  229.  230.  244.  294.  309. 
III,  S.  257. 
Biegeleben,  Freiherr  von,  österr.-ung. 
diplomatischer  Agent  und  General- 
konsul in  Sofia  1881/87,  Botschafts- 
rat in  London   1887/89. 

III,  S.  343.  367. 

IV,  S.  381.  382. 
V,  S.  50. 

Billot,   franz.  GeneraL 

VI,  S.  96A.  97.  104.  206.  206  A. 
Bismarck,   Herbert  Graf  von,  Lega- 
tionssekretär in  wechselnder  Stel- 
lung seit  1876,  zwischendurch  viel- 
fach als  Hilfsarbeiter  im  A.  A.  und 
zu  besonderen  Missionen  verwandt, 
Gesandter  im  Haag  1884,  Unter- 
staatssekretär im  A.  A.  1885,  Staats- 
sekretär 29.  April  1886,  verabschie- 
det März  1890. 
I,  S.  319A. 
II,  S.  81  A. 

III,  S.  315  A.  320.  321.  427  A.  430.  431. 
431  A.  435  A. 

IV,  S.  26  A.  30.  36  A.  37  A.  41  A.  45  A. 
46  A.  47  A.  55.  63.  83  A.  94.  lOOA. 
153  A.  175  A.  176  A.  206  A.  229.  255. 
256.  263  A.  340  A.  351  A.  389  A. 
404  A.  406  A.  410.  411.  414.  417. 

V,  S.  10.  13A.  94.  103.  126A.  157. 
157  A.  174.  177.  177  A.  183.  212  A. 
245  A.  253.  256.  262.  262  A.  297. 
VI,  S.  26.  36.  37.  57.  64.  65.  73.  79. 
80  81.  137  A.  145  A.  154  A.  155  A. 
191  A.  206  A.  228  A.  236.  243.  244. 


383 


250.  255.  258.  269.  290.  311  A.  332  A. 
334.  335.  336.  337.  338.  339.  346  A. 
350.  361.  362  A.  375. 
Bismarck,  Otto  Fürst  von,  Kanzler 
des  Norddeutschen  Bundes  1867 
bis  1871,  Reichskanzler  1871/90, 
verabschiedet  20.  März  1890. 
I,  S.  3.  7.  7A.  8A.  9.  10.  16A.  28A. 
29  A.  32  A.  35  A.  36  A.  38.  44.  48. 
53  A.  60  A.  62  A.  63  A.  64  A.  67  A. 
75  A.  79  A.  80  A.  83  A.  89  A.  91. 
91  A.  95.  97  A.  102  A.  113  A.  124. 
142  A.  155.  156.  156  A.  179  A.  186. 
189  A.  191 A.  203  A.  208.  231. 
253  A.  254  A.  266.  273.  273  A.  281  A. 
283.  283  A.  284.  284  A.  286.  293  A. 
294  A.  295  A.  305.  308  A.  309.  311. 
31 6  A.  318.  319.  319  A.  324.  324  A. 
325.  325  A.  327.  328. 
II,  S.  29.  29  A.  30.  31.  31 A.  32  A. 
34  A.  39.  42.  43.  47  A.  48.  52.  53. 
55  A.  58  A.  61.  61  A.  63.  66  A.  68. 
68  A.  69  A.  73.  79.  80.  80  A.  81  A. 
91  A.  99.  100.  104.  104  A.  105.  106. 
107.  108.  109.  110.  121.  125.  134  A. 
137.  138.  145.  146.  151.  160.  161, 
164.  165.  171.  178.  180.  193.  194. 
196.  196A.  207.  208.  209.  213.  216. 
218.  219.  220.  221.  222.  223.  224. 
225.  226.  231.  236.  238.  240.  245, 
261.  264.  266.  266  A.  273.  280.  292. 
297.  298.  307  A.  314.  315.  316.  320. 
321  A.  323.  332.  334  A.  335.  343  A. 
344. 
III,  S.  3.  7.  7A.  8.  13.  13  A.  15.  17  A. 
18A.  22.  23  A.  36.  37.  38.  39  A.  45. 
46.  46  A.  47.  48.  49.  50.  51.  62. 
63.  74.  74  A.  75  A.  77.  81  A.  82  A. 
96  A.  99.  101.  105.  106.  107  A. 
111  A.  113  A.  114  A.  117.  118  A. 
121.  126.  132.  133.  139.  139  A. 
140.  147.  149  A.  155.  157.  158.162. 
176.  183  A.  188.  189.  191.  205.  208. 
209.  211.  212.  213.  217.  219.  220. 
222.  224.  225.  231.  237.  238.  239. 
240.  241.  241 A.  244.  251  A.  252. 
265  A.  268  A.  276.  277.  278.  285. 
285  A.  286.  292.  298  A.  302  A.  314. 
315.  332.  334.  339.  340.  348A.  358A. 
361.  363  A.  369  A.  373.  375.  381  A. 
382.  383.  384.  387  A.  388.  388  A. 
389.  389 A.  391.  393.  393 A.  394. 
394  A.  395.  397 A.  398.  399.  400. 
401.  401  A.  402.  402  A.  403  A.  404. 
404  A,  405.  406.  409.  409  A.  415  A. 


417  A.  422  A.  426  A.  431  A.  434. 
435.  436.  437.  438.  439.  439  A.  440. 
440  A.  441  A.  443.  443  A.  444  A. 
447  A.  449.  449  A.  450.  451.  453  A. 
IV,  S.  3A.  4A.  5.  6.  7A.  9.  9A.  10. 
11,  14  A.  17  A.  18  A.  21.  21  A.  22. 
25.  26.  29.  30.  31.  33  A.  34.  35.  36, 
36  A.  37.  37  A.  38.  39.  42.  43.  44. 
45.  45  A.  46.  47.  48.  57  A.  62  A.  63. 
64A.  65A.  70.  72A,  73.  76.  77A.  78. 
79.  80.  86.  90.  91  A.  92  A.  93  A. 
102  A.  106.  116.  131.  132.  137.  138. 
139.  150.  156.  159.  159  A.  165.  166. 

167.  168.  170.  175.  176A.  183.189. 
192,  193.  194.  195.  199.  200.  201. 
209.  223.  224.  225.  226.  227.  228. 
229.  230.  231.  239.  240  A.  241.  247. 
251.  252.  253.  257.  258.  263.  264. 
268.  269.  270 A.  271.  273.  298 A. 
299.  307.  321.  322.  335.  336.  340  A. 
344.  345.  348.  349.  351  A.  353.  356. 
357,  359.  360.  361.  362.  363.  365. 
367.  376  A,  384.  386  A.  399.  400. 
400  A.  404  A.  405.  406  A.  413.  415. 

V,  S.  7A.  37  A.  38  A.  42.  44.  55  A. 
56  A.  57.  58  A.  59.  59  A.  60  A. 
62  A.  67.  73.  73  A.  74.  75.  76.  77. 
78.  78  A.  80.  81,  83.  85.  86.  90. 
91,  92.  96.  97,  100.  102.  104. 
105.  106.  107.  108.  109  A.  117A. 
119  A.  123  A.  124.  125.  126  A.  129. 
136.  137.  138.  139.  140.  144.  145. 
146.  147.  148.  149.  149  A.  150  A. 
151.  152.  153.  161.  163.  172.  173. 
174  A.  177.  178.  182.  183.  186.  187. 
192  A,  193  A.  203.  204.  205.  206. 
211.  212.  213.  214.  214  A.  215  A. 
216.  221.  227.  229  A.  230.  231.  239. 
240.  244  A.  245  A.  246  A.  251.  259. 
260.  261.  279  A,  280.  281  A.  282. 
282  A.  284.  286  A.  293.  295.  303. 
303  A.  304.  305.  318  A.  320.  325  A. 
333.  334.  335.  342.  344.  345.  348. 
VI,  S.U.  12.  25 A.  27 A.  28.  29.  38. 
38  A.  40.  48.  50.  56.  57.  58  A.  61, 
62,  63.  64.  65  A.  69.  70.  77.  78.  81. 
83.  86.  91  A.  92.  93.  94  A.  95.  98. 
102.  103.  103  A.  112.  113.  134.  136. 
136  A.  137.  138.  143.  144.  151. 
151  A.  154  A.  155.  155  A.  156  A. 

168.  168  A.  171.  172.  173.  174.  178. 
179.  180.  181.  182  A.  183  A.  184  A. 
191.  201.  202.  203.  208.  209.  215. 
216  A.  219.  220.  220  A.  228.  228  A. 
229.  234  A.  241.  243.  250.  268.  278. 


384 


279  A.  280.  280  A.  281.  282  A.  289. 
294  A.  296.  297.  301  A.  304  A.  326. 
331.  332.  332  A.  333.  333  A.  345  A. 
346  A.  348.  353.  357  A.  359  A. 
362  A.  363  A.  366.  367.  368.  369. 
370.  371.  372.  373.  374.  374  A.  375. 
376. 

Bismarck,  Wilhelm  Graf  von,  Hilfs- 
arbeiter in  der  Reichskanzlei  1879 
und  wieder  1881/84. 
II,  S.  81  A. 

Bitter,  preuß.  Finanzminister  1879/82, 
111,  S.  105. 

Blanc,  Alberto  Baron  de,  General- 
sekretär im  ital.  Ministerium  des 
Äußern  1881/83,  Botschafter  in 
Konstantinopel  1887/91. 

III,  S.  191.  192.  194.  195.  196.  199.202. 
210.  211.  217. 

IV,  S.  346.  346  A.  347.  353.  357. 
Bleich  röder,  von,  Inhaber  des  Bank- 
hauses Bleichröder  &Co.  in  Berlin. 

III,  S.  433. 

IV,  S,  73.  78. 

Bio  Witz,  Heinrich  Opper,  gen.  von  Bio- 
witz, Korrespondent  der  „Times" 
in  Paris. 
I,  S.  278  A.  283  A. 
IV,  S.  27.  89.  92.  106. 
VI,  S.  94. 
Boetticher,  Heinrich  von,  Staatssekre- 
tär   des    Reichsamts    des    Innern 
1880/97. 
V,  S.  334. 
Bogdano witsch,  russ.  General. 
VI,  S.  111.  111  A.  301.  301  A.  320. 
Bojanowski,   von,   Generalkonsul   in 
Budapest  (1886). 
V,  S.  123.   123  A.   124.   125.   126.   129. 
Botkin,    Professor    an    der    Chirurg. 
Akademie  in  Petersburg. 
V,  S.  72. 
Boulanger,  franz. General, Kriegsmini- 
ster in  den  Kabinetten  Freycinet 
und  Goblet  1886/87,  Kommandeur 
des    13.  Armeekorps    (Clermont) 
1887/88. 
IV,  S.  302. 

V,  S.  54.  295.  310.  323. 
VI,  S.  91.  94.  109A.  110.  IIOA.  111. 
112.  113.  114.  118.  120.  123.  130. 
131.  132.  133.  138.  139.  140.  141. 
142.  143.  146.  147.  148.  149.  151. 
153.    154.    156.    157  A.    158.    159. 


160.  161.  162.  164.  168.  168  A.  169. 

169  A.    170.   172.    174.   176.    176  A. 

179.    186.    187.    189.    189  A.    190. 

190  A.  191.  192.  192  A.  193.  193  A. 

196.    197.    200.    203  A.    204.    205. 

205  A.   206.   206 A.    215.   222.   284. 

298.   306.   319.    335.   342. 
Bratianu,    Joan,    rum.    Ministerpräsi- 
dent 1876/81  und  1881/88. 
lll,  S.  265.   265  A.  266.   267.  268.   269. 

270.  271.  274.  275.  276.  279.  368. 
Bray -Steinburg,  Hippolyt  Graf  von, 

Generalkonsul,    später   Gesandter 

in   Belgrad  1879/91. 

V,  S.  23.  24. 

Bray-Steinburg,    Otto    Graf    von, 
bayrischer  Ministerpräsident  1870 
bis  1871. 
I,  S.  3. 

Brazza,  Peter  Comte  de,  franz.  Afrika- 
forscher. 

III,  S.  425.  426. 

Bright,  John,  engl.  Handelsminister  im 
Kabinett  Gladstone  1868/70,  Kanz- 
ler des  Herzogtums  Lancaster  im 
Kabinett  Gladstone  1873/74  und 
1880/82. 
II,  S.  12. 

IV,  S.  9. 

Brin,    Benedetto,    ital.    Marineminister 
in   den   Kabinetten   Deprctis   und 
Crispi  1884/91. 
VI,  S.  263.  264.  265.  269.  272. 
Brincken,    Freiherr   von   den,    erster 
Botschaftssekretär      in      London 
(1879). 
IV,  S.  4. 
Brisson,  Eugene  Henry,  franz.  Mini- 
sterpräsident 1885/86. 
III,  S.  445A. 

Broglie,  Jacques  Duc  de,  Vizepräsi- 
dent des  franz.  Ministerkonscils 
und  Minister  des  Äußern  1873/74, 
Ministerpräsident  Mai  bis  Nov. 
1877. 
I,  S.  192A.  194.  211.  212.  213.  214. 
215.  216.  217.  219.  220.  221.  222. 
223.  224.  323  A. 
111,  S.  386. 

Bronsart  von  Schellendorf, 
Paul,  preuß.  Kriegsminister  1883 
bis  1889. 

VI,  S.  24.  56.  63.  143.  191. 


25   Die  Große  Politik.  6.  Bd. 


385 


Brück,  Karl  Freiherr  von,  österr.-ung. 
Botschafter  in  Rom  1886/95. 
IV,  S.  351.  351  A.  352.  358.  359.  388. 
VI,  S.  238.   267.  269.   271.  272. 
Brunnow,  Baron  von,  russ.  Botschaf- 
ter in  London  1868/74. 
II,  S.  9.   11.  12.   22. 
Buchanan,    Sir    Andrew,    engl.    Bot- 
schafter in  Petersburg  1864/71,  in 
Wien  1871/78. 
I,  S.  283.  291. 
II,  S.  14. 
Buch  er,  Lothar,  Vortragender  Rat  im 
A.A.  1864/86. 
I,  S.  89A. 

IV,  S.  4A. 

Budberg,  Baron  von,  russ.  Botschafts- 
sekretär in  Berlin  (1887), 
V,  S.  256. 
Budde,     Korrespondent    der     „Kölni- 
schen Zeitung"  in  Paris. 
I,  S.  304. 
Bülow,    Adolf   von,    Militärattache   in 
Paris  1871/82. 
I,  S.  245.   253  A.  256.   267.   268.   315. 
Bülow,  Bernhard  von,  Sekretär  bei  der 
Botschaft  in  Paris  1878/84,  erster 
Sekretär     bei    der    Botschaft     in 
Petersburg  1884/88,  Gesandter  in 
Bukarest  1888/94. 

V,  S.  55.  68  A.  119A.  212.  216.  217. 
218.  225.  226.  305.  306.  346.  347. 
348. 

VI,  S.  93.  107A.  349.  349  A. 
Bülow,    Bernhard    Ernst   von,   Staats- 
sekretär d.  A.  A.  1873/79. 
I,  S.  232  A.    253  A.    264.    275.    284  A. 

295  A.  308  A.  316  A.  319  A. 
II,  S.29A,  34  A.  58  A.  61  A.  66A.68A. 
69  A.  101  A.  104  A.  125. 126  A.  146  A. 
161 A.  164  A.  171.  183.  184A.  185A. 
231.  238.  307  A.  317. 
III,  S.  28.   36.  39.   45.  50.  53.   61.  65. 
74A.   77.   105.    111 A.   121.   381 A. 
392. 
Bülow,  Otto  von.  Vortragender  Rat  im 
A.A.  1874/79,  Gesandter  in  Bern 
1882/92,  häufig  tätig  als   Rat  im 
Kaiserlichen  Gefolge. 
I,  S.  150A.   154.  316  A.  327  A. 
II,  S.  61A.   62  A.  67.   68.  68  A. 
III,  S.  59.  60.  67.  72.  74.  84.  175.  277. 
Büffet,    Vizepräsident    des    Minister- 


konseils und  Minister  des  Innern 

1875/76. 
III,  S.  386. 
Bulgarien,    s.  Alexander,   Ferdinand. 
Bunge,    russ.   Finanzminister   1882/87. 

V,  S.  41.   46.  52.   73.  83. 

Burg,  von  der,  preuß.  Oberst,  Chef  des 
Stabes  der  Okkupationsarmee   in 
Frankreich  (1872). 
I,  S.  110. 

Burian,  Stefan  von,  österr.-ung.  diplo- 
matischer Agent  und  Generalkonsul 
in  Sofia  1887/95. 

VI,  S.  4.  8.  321.  323.  339. 

Busch,  Klemens  August,  Unterstaats- 
sekretär im  A.A.  1881/85. 

III,  S.  300. 

IV,  S.  39. 

Busch,  Moritz,  Publizist. 
VI,  S.  372. 

Cadorna,   Conte,   ital.  Botschafter   in 
London  1869/75. 
II,  S.  21. 
Cairns,  Lord,  engl.   Lordkanzler  1874 
bis  1880. 
II,  S.  251. 
Cairoli,  Benedetto,  ital.  Ministerpräsi- 
dent 1879/81. 
III,  S.  183  A.  184  A.  186. 188. 189. 190  A. 
Calice,    Heinrich    Freiherr    von,    Sek- 
tionschef  im   österr.-ung.    Reichs- 
ministerium  des   Äußern,    zweiter 
österr.-ung.    Delegierter    bei    d^r 
Konferenz     der    Großmächte     in 
Konstantinopel    1877,    Botschafter 
in   Konstantinopel  1880/1906. 
II,  S.  128. 

III,  S.  333. 

IV,  S.  114.   118.  346.   346  A.  347.   353. 
353  A.  357. 

V,  S.  4.   13  A.  15.   15  A.   18.   19.  148. 
148  A.  149.  175.  201. 

VI,  S.  4.  8. 
Cambridge,   Herzog  von,    s.  Georg. 
Campbell,    s.  Stratheden. 
Campenon,  Jean  Baptiste,  franz.  Ge- 
neral, Kriegsminister  in  den  Kabi- 
netten Gambetta,  Ferry  und  Bris- 
son  1881/82,  1883/85,   1885/86. 
III,  S.  428. 
VI,  S.  128.  130. 
Camphausen,    Otto,    preuß.  Finanz- 
minister 1869/78. 
I,  S.  128.  135. 


386 


Canclaiix,  Comte  de,  erster  Sekretär 
bei  der  franz.   Botschaft  in  Berlin 
(1879). 
III,  S.  391. 
Candiani,   Conte,  ital.   Marineattache 
in  London  (1889). 
VI,  S.  261.   262.  263.   264. 
Candiano,  mm.  Hauptmann,  Adjutant 
König  Karls  I.  von  Rumänien. 

III,  S.  267. 

Caprivi,  Leo  von,  Graf  (seit  18.  Dez. 
1891),  preuß.  General,  Chef  der 
Admiralität  1883/88,  Reichskanzler 
seit  20.  März  1890. 

IV,  S.  78. 

VI,  S.  367.  370.  374  A. 
Carlos,  Don,  span. Thronprätendent. 

I,  S.  323. 
Carnarvon,    Henry    Earl    of,    engl. 
Staatssekretär    der    Kolonien    im 
Kabinett  Beaconsfield  1874/78. 
II,  S.  199. 
Carnot,    Sadi,    Präsident    der    franz. 
Republik  1887/94. 
VI,  S.  121,  122. 
Carp,   Peter,   rum.  Gesandter  in   Wien 
1883/87. 
III,  S.  270.   274.   275. 
Cartuyvels,    belg.   Konsul    in    Sofia 
(1887). 
V,  S.  350. 
Casimir   Perier,  Auguste,  franz.  Mi- 
nister des  Innern   1871/72. 
I,  S.  114.    115.   116. 
Cassagnac,  Paul  de,  franz.  Deputier- 
ter und  Journalist,  Redakteur  des 
„Pays"   und  der  „Autorite". 
VI,  S.  191. 
Castelar,   Emilio,  früherer  span.   Mi- 
nisterpräsident, Führer  der  Oppo- 
sition in  den  Cortes  (1886). 
VI,  S.  159.  159  A. 
Catalani,  erster  Sekretär  bei  der  ital. 
Botschaft   in   London    (1887). 
III,  S.  389. 
Chambe  riain,  Joseph,  engl.  Handels- 
minister   im    Kabinett    Gladstone 
1882/85. 

III,  S.  235.   238.   240. 

IV,  S.  75.  76.  83.  83  A.  84.  88.  102. 
105.  275.  293.  337.  407.  408.  409. 
410.  411.  412.  414.  415.  416.  417. 

Chambord,  Comte  de,  s.  Heinrich  V. 
%Chanzy,  Antoine,  franz.  General,  Bot- 
schafter in  Petersburg   1879/81. 


III,  S.  11. 
VI,  S.  92.  92  A, 
Charmes,   Gebrüder,   Redakteure   des 
„Journal  des  Debats". 

III,  8.  437. 

Chaudordy,  Comte,  Vertreter  Frank- 
reichs bei  der  Konferenz  derGroß- 
mächte  in  Konstantinopel  1877,  Bot- 
schafter in  Petersburg  1881/82. 
I,  S.  311.  314. 
II,  S.  137. 
VI,  S.  367. 
Chevreul,  Michel  Eugene,  franz.  Che- 
miker. 
VI,  S.  139. 
Chimay,   Josef   Fürst   von   Caraman-, 
belg.  Minister  des  Äußern  1884/92. 
V,  S.  350. 

Chrestowitsch,    s.  Gabriel   Pascha. 
Christian   IX.,   König  von   Dänemark 
1863/1906. 

IV,  S.  121. 

Christian,   Prinz  von   Schleswig-Hol- 
stein -  Sonderburg  -Augustenburg, 
Gemahl  der  Prinzessin  Helene  von 
Großbritannien  u.  Irland. 
II,  S.  330. 

Christofle,    franz.    Deputierter,     Di- 
rektor des  Credit  foncier  in  Paris. 
VI,  S.  220.   221.  222. 

Churchill,  Lord  Randolph,  Mitglied 
des  Unterhauses  seit  1884,  Staats- 
sekretär für  Indien  im  Kabinett 
Salisbury  1885/86,  Kanzler  der 
Schatzkammer  im  zweiten  Kabi- 
nett Salisbury   1886. 

IV,  S.  120A.  121.  134.  134  A.  135.  136. 
138.  139.  140.  141.  142.  150.  150A. 
156.  156  A.  157.  158.  161.  163.  164. 
269.  270.  270  A.  271.  272.  273.  274. 
275.  277.  277  A.  278.  279.  279  A. 
280.  281.  282.  283.  284.  285.  286. 
287.  288.  289.  290.  291.  292.  293. 
293  A.  320.  336. 

V,  S.  142. 

VI,  S.  154A.  155.  155  A. 
Cialdini,  ital.  General,   Botschafter  in 

Paris    1870/81. 
III,  S.  396. 
Cissey-Courtet,  de,  franz.  General, 
Kriegsminister  1871/73  u.  1874,77. 
I,  S.  59.  115.  248.  249.  250.  251.  264. 
265. 


25» 


387 


Clemenceau,  franz.  Deputierter  1871 
u.  1876/93,  Führer  der  äußersten 
Linken. 

III,  S.  317.  443  A. 

VI,  S.  108.  136.  136  A. 
CIcmentine,  Prinzessin  von  Koburg, 
Witwe   des   Prinzen    August   von 
Koburg,  geb.  Prinzessin  von  Bour- 
bon-Orleans. 
VI,  S.  42. 
Clercq,  de,  franz.  Delegierter  bei  den 
Friedensverhandlungen  in  Brüssel 
1871. 
I,  S.  7A.    18.   20.    61.   75.   76  A, 
Cluseret,    franz.    Kommunistenführer 
1871. 
I,  S.  34  A. 
Connaught,   s.  Arthur. 
Corry,  William  Montagu,  Privatsekre- 
tär Lord  Beaconsfields. 
II,  S.  335. 
Corti,  Conte,  ital.  Botschafter  in  Kon- 
stantinopel 1875/85,  Botschafter  in 
London  1885/88. 

IV,  S.  119.  297.  298.  299.  300.  303.  304. 
305.  306.  307.  309.  310.  311.  312. 
313.  314.  319.   321.  329.  361.  390. 

V,  S.  13A.  15.  15  A.  17.  18.  20. 
Corvetto,   ital.  General,   Unterstaats- 
sekretär     im      Kriegsministerium 
(1888). 
VI,  S.  257. 
Cosenz,   Chef  des  ital.  Generalstabes 
1881/92. 
VI,  S.  229.  239.  253.   257. 
Costa,  Conte,  zweiter  Sekretär  bei  der 
ital    Botschaft  in  Petersburg  1884 
bis  1886. 
III,  S.  374. 
Courcel,    Alphonse    Baron    de,   franz. 
Botschafter  in   Berlin   1882/86. 
III,  S.  409.  409  A.  414.  415.  416.  417.  418. 
419.  420.  421.  421  A.  422.  422  A.  423. 
424.  425.  426.   427.  428.   429.  430. 
431.  432A.  435.  436.  437.  438.  440. 
440  A.  441.  442.  443  A.  444  A.  445. 
446.  447.  447  A.  448.  449.  450.  453. 
454. 
VI,  S.  129.   137  A.  156.  210.  367. 
Cowper,  Lord. 

II,  S.  330. 
Crispi,    Francesco,   Mitglied    der   ital. 
Deputiertenkammer  seit  1861,  Mi- 
nister des  Innern  im  Kabinett  De- 
pretis  April  bis  August  1887,  Mi- 


nisterpräsident  und   Minister  des 
Äußern  und  Innern  1887/91. 
IV,  S.342.  342A.  350.  350A.  351.  351 A. 
352.  353.  357.   359.   361.  362.  363 
364.  388.  389.   390.  392. 
V,  S.  202.  315.  315  A.  316. 
VI,  S.  207.  208.  220  A.  228.  228  A.  229. 
229  A.  230.  231.  234.  235.  236.238. 
239.  241.  243.   244.  246.  251.  262. 
263.  264.  265.   266.  267.  268.  269. 
270.  271.  272.   273.  361.  367. 
Croy,  Prinzessin,  Gemahlin  des  franz. 
Militärattache     in     Berlin     Prince 
Polignac. 
I,  S.  281. 
Cumberland,    s.  Ernst  August. 
Currie,    Philip,   Assistent   Lord   Salis- 
burys  auf  dem   Berliner  Kongreß 
1878,     permanenter    Unterstaats- 
sekretär im   Foreign   Office   1889 
bis  1894. 
II,  S.  335. 
IV,  S.  407. 

Daher t,  Bischof  von  Perigueux  (1874). 

I,  S.  232.   233.   237  A. 
Dabormida,    ital.  Oberstleutnant    im 
Generalstab  1887/88. 
VI,  S.  239.  247. 
Dänemark,    s.    Christian    IX.,    Luise, 

Marie,  Waldemar. 
Damiani,  Unterstaatssekretär  im   ital. 
Ministerium  des  Äußern  (1889). 
VI,  S.  273. 
Danisch,  Sektionschef  im  serb.  Mini- 
sterium des  Äußern  (1885). 
V,  S.  22. 
Daudet,   Erneste,  franz.  Schriftsteller. 
1,  S.  295  A. 
III,  S.  393. 
Davoust  d'Auerstaedt,  franz.  Ge- 
neral. 
VI,  S.  130. 
Deäk,   Franz,    ung.  Staatsmann    (gest. 
1876). 
V,  S.  276. 
Decazes,  Duc  de,  Mitglied  der  franz. 
Nationalversammlung    1871,    Bot- 
schafter in  London  1873,  Minister 
des    Äußern    in    den    Kabinetten 
Duc  de  Broglie  und  Dufaure  1873 
bis  1877. 
I,  S.  225.    226.    229.    232.    236.    237. 
238.  238  A.  241.  242.  258.  261.  262. 


388 


264.  265.  267.   268.  269.  270.  271. 
276.   278.   278  A.    287.   287  A.   288. 
295  A.  297.  308.  309.  311.  314.  316. 
317.  318.  318  A.  319.  324  A.  325. 
II,  S.  33.  146.  160. 

III,  S.  392.  393. 
VI,  S.  147. 

Dechend,   von,   Mitglied  des   Reichs- 
bankdirektoriums (1887). 
V,  S.  335. 
Decrais,   franz.   Botschafter   in   Wien 
1886/93. 
VI,  S.  174. 
Deines,  von,  Major,   Militärattache  in 
Wien    1885/93. 
VI,  S.  26.  28.  29.  57.  61.  61  A.  63.  84. 
251.  365. 
Delbrück,  Rudolf,  preuß.  Staatsmini- 
ster 1868/76,  Präsident  des  Kanz- 
leramtes 1867/76. 
I,  S.  128.    132.    135.    142  A. 
Deljanow,  russ.  Minister  des  öffentl. 
Unterrichts  1884/89. 
V,  S.  299.  306.  308. 
Denhardt,     Gustav,     Afrikareisender 
(1886). 

IV,  S.  151. 

Depretis,    A.,   ital.    Ministerpräsident 
1876/78,    1878/79,    1881/86,    1887, 
Minister  des  Innern  im  Kabinett 
Cairoli    (1881). 
II,  S.  213. 

III,  S.  189.   190  A.  204.   218. 
Derby,  Earl  of,  engl.  Staatssekretär  des 

Äußern  im  Kabinett  Beaconsfield 
1874/78,  Staatssekretär  der  Kolo- 
nien im  Kabinett  Gladstone  1882 
bis  1885. 
I,  S.  259.  260.  272.  273.  279.  281. 
284.  285.  285  A.  286.  287.  289.  290. 
291.  292.  295.  295  A.  296.  297.  298. 
II,  S.  12.  29.  31.  42.  71.  101.  108.  120. 
121.  133.  134.  138.  139.  143  A.  144. 
155.  157.  162.  162  A.  175.  194.  195. 
198.  199.  208.  210.  211.  212.  213. 
215.  217.  218.  219.  226.  227.  227  A. 
228.  229.  231.  233.  234.  235.  236. 
237.  238.  240.  241.  242.  243.  244. 
244  A.  245.  249.  250.  251.  257.  258. 

IV,  S.  3A.  4A.  54.  57  A.  60.  61.  66.  68. 
69.  70.  73.  85.  86.  87.  92.  101.  105. 
108. 

Derenthall,    von,    Generalkonsul    in 
Kairo   (1885),  Vertreter   Deutsch- 


lands bei  der  Suezkanal-Kommis- 
sion in  Paris  1885,  preuß.  Ge- 
sandter in  Weimar  1887/95. 

III,  S.  447.  447  A.  449.  450. 

VI,  S.  339  A. 
Deroulede,  Präsident  der  franz.  Pa- 
triotenliga. 

III,  S.  404  A.  451. 

IV,  S.  187.  193. 

V,  S.  294  A.  295.  300.  303.  305.  306. 
310.  315.  322. 

VI,  S.  31.  92.  92A.  93.  113.  113A.  114. 
128.  129.  130.  142.  144.  150.  150A. 
151.  151  A.  161.  165.  215.  335. 

Desprez,  Direktorder  politischen  Ab- 
teilung im  franz.  Ministerium  des 
Äußern   (1878). 
I,  S.  237.  238. 

Deutsches  Reich,  s. Augusta,  Augu- 
ste Viktoria,  Friedrich  III.,  Fried- 
rich Wilhelm,  Viktoria,  Wilhelm  I., 
Wilhelm,  Prinz  von  Preußen,  Wil- 
helm, Deutscher  Kronprinz,  Wil- 
helm II. 

Dilke,  Sir  Charles,  Parlaments-Unter- 
staatssekretär  im  Foreign  Office 
1880/83. 

III,  S.  234.   235.  238.   239.  435  A.  436. 

IV,  S.  37A.  39.  39  A.  40.  41.  55.  88. 
89.   90.  91.   102.    103.    104.  105. 

Disraeli,    Benjamin,    s.    Beaconsfield. 
Dönhoff,   Karl  Graf  von,  preuß.  Ge- 
sandter in  Dresden  1879/1906. 
I,  S.  69.  71, 
III,  S.  389  A. 

VI,  S.  21 6  A.  339  A. 
Dolgoruki,     Nikolaus     Fürst,     russ. 

Oberst,   erster  MilitärbcvoUmäch- 
tigter  in  Berlin  1879/84. 
III,  S.  133.  297.  317.  318. 
V,  S.  64.  300. 
Dolgoruki,   Sergei   Fürst,   Oberzere- 
monienmeister am  russ.  Hofe. 
III,  S.  331. 
Dollfus,  elsässischer  Protestler. 

VI,  S.  129. 
Dondukow-Korssakow,     Fürst, 
russ.    Generalgouverncur   in    Bul- 
garien  1878/79,  Oberbefehlshaber 
im  Kaukasus  1882/90. 
III,  S.  9.  11. 
V,  S.  14.  41. 
Dragomirow,    russ.  General   (1883). 

VI,  S.  128. 
Drentcln,     russ.     Generalgouverneur 

389 


des  Bezirks  Kiew,  Wolhynien  und 

Podolien  (1884). 
III,  S.  373. 
Drummond,   s.  Hay,  Wolff. 
Duclerc,  franz.  Ministerpräsident  und 

Minister  des  Äußern  1882/83. 

III,  S.  404  A.   403. 

IV,  S.  40.  42. 

Dufaure,  franz.  Ministerpräsident  1877 
bis  187Q. 

III,  S.  381  A.  386. 

Dufferin,  Frederick  Earl  of,  engl. 
Botscliafter  in  Petersburg  1879 
bis  1881,  Botschafter  in  Konstan- 
tinopel 1881/84,  Vizekönig  von  In- 
dien  1884/88. 

IV,  S.  28.    39.   44.   83.    121.    123. 
Dumont,  franz.  General. 

VI,  S.  130. 
Dupanloup,    Bischof    von    Orleans 
(1874). 
I,  S.  237. 
Durnow,    s.  Durnowo. 
Durnovvo,  Peter,  russ.  General,  Prä- 
sident des  Slawenkomitees. 

V,  S.  133.  308. 
Dyes,   Bankier  (1884). 

IV,  S.  78. 

Edhem   Pascha,  türk.  Großwesir  1877 
bis  1878. 
II,  S.  163. 
Edinburg,    s.  Alfred. 
Eduard,    Prinz   von    Wales,    nachmal. 
König   Eduard  VII. 
I,  S.  260. 
II,  S.  217.  330. 
IV,  S.  8.   9.  31.   84.   85.   91.    120.   121. 

VI,  S.  330.  331.  331  A.  332.  344.  344  A. 
345.    371.   371  A. 

Egerton,   Edwin  Henry,   erster  engl. 
Botschaftssekretär  in  Paris  (1886). 
VI,  S.  93.  94. 
Eisendecher,  von,  preuß.  Gesandter 
in   Karlsruhe  1884/1914. 
VI,  S.  339  A. 
Eissenstein-Chotta,     Ritter    von, 
österr.-ung.   Botschaftsrat  in  Ber- 
lin 1887/91. 
IV,  S.  353.  356.  357.  358.  359.  375. 
Elisabeth,    Kaiserin    von    Österreich, 
Gemahlin  Kaiser  Franz  Josephs  I., 
geb.  Prinzessin  von  Bayern. 
VI,  S.  311. 


Elliot,  Sir  Henry,  engl.  Botschafter  in 
Konstantinopel     1867/78,    zweiter 
engl.   Delegierter  bei   der  Konfe- 
renz der  Großmächte  in  Konstan- 
tinopel 1877,  Botschafter  in  Wien 
1878/84. 
II,  S.  12.    121.    125.    128.    134.    144A. 
177.   185.  294. 
Engelbrecht,    von,    Major,    Militär- 
attache in  Rom   1882/95. 
IV,  S.  224,   225. 

VI,  S.  206.    257.    258.    260.    263.    264. 
266. 
England,    s.  Alexandra,   Eduard,  Ge- 
org, Helene,  Viktoria. 
Er  am  Bey,  türk.  Generalkonsul  in  Ne- 
apel (1886). 
IV,  S.  187. 
E  r h  a  r  t ,  franz.  Spion  in  Elsaß-Lothringen. 

VI,  S.  202  A. 
Ernroth,  russ.  General,  bulg.  Kriegs- 
minister 1880/81. 
IV,  S.  339.  349  A.  355  A. 

V,  S.  177A.  178.  179.  181.  182.  183. 
184.  185.  187.  188.  189.  190.  191. 
193.  197.  200.  202. 

Ernst  August,  Herzog  von  Cumber- 
land,  Herzog  zu  Braunschweig  u. 
Lüneburg. 
VI,  S.  330.  331.  331  A. 
Essad    Pascha,    türk.    Botschafter     in 
Paris  1880/95. 
IV,  S.  118. 
Eulen  bürg,    Botho   Graf    zu,    preuß. 
Minister  des  Innern  1878/81. 
III,  S.  105. 

Fabinyi,  ung.  Justizminister  1886/89. 

V,  S.  124A. 
Fabrice,  Georg  von,   sächs.  General, 
Generalgouverneur  der  besetzten 
franz.  Gebiete  und  Vertreter  des 
Reichskanzlers  1871. 
I,  S.  7.    7A.    11.    IIA.    13 A.    28 A. 
31  A.  32  A.  34  A.  49  A.  50  A.  53  A. 
Fade  je  w,    Rostislaw,    russ.    General, 
Panslawist. 
III,  S.  53. 
Faidherbe,  franz.  General. 

VI,  S.  130. 

Farre,   franz.  General,   Kriegsminister 
in  den  Kabinetten   Freycinet  und 
Ferry  1880/82. 
VI,  S.  140. 


390 


Favre,  Jules,  franz.  Minister  des  Äu- 
ßern 1870/71. 
I,  S.  3.  7.  7A.  8.  10.  11.  IIA.  12. 
12  A.  13  A.  14.  15.  16.  17.  22.  28  A. 
29.  30.  31.  31  A.  32.  32  A.  33.  34. 
35.  35  A.  36.  36  A.  38.  44.  49.  49  A. 
51.   52.   55.   56.   57.   60  A.  65  A. 

Feoktistow,  Direktorder  russ. Ober- 
preßverwaltung (1886/87). 
V,  S.  95.  294.  297.  298.  310.  315. 

Ferdinand,  Prinz  von  Sachsen-Ko- 
burg-Gotha.  seit  14.  August  1887 
Fürst  von  Bulgarien. 

IV,  S.  339  A.    349.    349  A. 

V,  S.  159A.  187.  187  A.  188.  189.  190. 

190  A.  191.  192.  193.  200.  203.  204. 

338.  338  A.  339.  340.  341.  343.  344. 

346. 
VI,  S.  3A.   4.  45.   278.  317.   321.   322. 

323.  336.  338.  339.  343.  348.  349. 

350. 
F  e  r  g  u  s  s  o  n ,    Sir   James,    Parlaments- 

Unterstaatssekretär     im     Foreign 

Office  1886/91. 
IV,  S.  395.  407. 
Ferron,  franz.  General,  Kriegsminister 

im   Kabinett  Rouvier   1887. 
VI,  S.  206  A. 
Ferry,    Jules,   franz.  Ministerpräsident 

1880/81  u.  1883/85. 
III,  S.  399  A.  409.  414.   417.  418.  419. 

420.  421.  421  A.  422.  423.  430.  431. 

431  A.  432.  433.  434.  435.  436.  437. 

438.  439.  440.  441.  442.  443.  443  A. 

445.  445 A.  447 A.   448. 

V,  S.  310. 

VI,  S.  129.   137.   177.   206  A.  213.   222. 
Flandern,    s.  Maria,   Philipp. 
F 1  e  m  m  i  n  g ,  Graf  von,  preuß.  Gesandter 
in  Karlsruhe  1859/84. 
I,  S.  283  A. 
Fleury,    Emile   Felix,    franz.   General, 
Botschafter  in  Petersburg  1869/71. 
I,  S.  114. 
F I  o  q  u  e  t ,  Charles  Thomas,  franz.  Depu- 
tierter, Präsident  der  Deputierten- 
kammer 1885  u.  1889/93,  Minister- 
präsident 1888/89. 
III,  S.  317.  402.  402  A. 
VI,  S.  220  A.  335. 
Flourens,  Emile,  franz.  Minister  des 
Äußern  im  Kabinett  Rouvier  1887 
bis  1888. 
V,  S.  301.  349.  349  A. 


VI,  S.  48.    116.    118.    122.    157.    )57A. 
169  A.  171  A.  173.  176.  176A.  182. 
183.    183  A.    184.    187.    189.    190. 
190  A.   192.   192  A.   193.   201.   202. 
203.  205. 
Foucault  de  Mondion,  franz.  Ge- 
heimagent und  Publizist. 
V,  S.  348.   349.  350. 
FoucherdeClareil,   Comte,   franz. 
Botschafter  in  Wien   1883/86. 
III,  S.  357. 
VI,  S.  367. 
Foulon,  Bischof  von  Nancy  (1873/74). 
I,  S.  211.  212.  213.  216.  217.  221.  222. 
223.  224.  224  A.  225.  227.  231.  241. 
242. 
Fournier,  Hugues,  franz.  Botschafter 
in  Konstantinopel  1877/80. 
III,  S.  128. 
Frankreich,    s.   Heinrich   V.,   Napo- 
leon III. 
Franz  II.,  Exkönig  von  Neapel  (1872). 

I,  S.  201.  201  A. 
Franz   Joseph  I.,   Kaiser  von   Öster- 
reich und  König  von  Ungarn  1848 
bis  1916. 
I,  S.  197.   197  A.   198.   202.  203.   205. 
206.   206  A.  207.   253  A.   256.   258. 
283.  284. 
II,  S.  16A.  39.  55.  55  A.  63.  74.  74  A. 
77  A.  82.  85.  89.  92.  97.  111.  113. 
114.  115.  169  A.  177.  196.  241.273. 
275.  319. 

III,  S.  23.  32.  33.  34.  41.  42.  43.  44. 
56.  67.  69.  88.  89.  90.  92.  94.  95. 
101.  102.  103.  107.  148.  152.  157. 
159.  161.  165.  167.  169.  170.  171. 
172.  173.  176.  195.  202.  216.  218. 
221.  226.  229.  235.  245.  252.  253. 
255.  258.  264.  276.  281.  282.  289. 
291.  293.  298.  301.  309.  310.  311. 
317.  318.  334.  347.  347  A.  348.  349. 
350.  351.  352.  353.  354.  357.  359. 
360.  361.  362.  363.  364.  369  A.  370. 
371.  374. 

IV,  S.  122.  123.  183.  184A.  185.  196. 
198.  203.  204.  210.  212.  214.  216. 
217.  232.  237.  242.  244.  245.  246. 
250.  251.  253.  254.  256.  257.  320. 
325.  387.  418.  418  A. 

V,  S.  5.  7.  9.  10.  37.  44.  55  A.  59.  60. 
67.  79.  82.  92.  114.  129.  130.  138. 
149  A.  150.  151.  152.  153.  185.  192. 
194.  195.  196.  197.  198.  228.  233. 
234.  238.  241.  261.  262.  265.  266. 


391 


267.  268.  272.  273.  273  A.  276.  279. 
280.  281.  283.  285.  286.  288.  289. 
300. 
VI,  S.S.  10.  11.  13.  14.  15.  17.  19.  20. 
21.  22.  23.  28.  29.  31.  34.  35.  38. 
40.  47.  56.  57.  63.  68.  71.  72.  74. 
75.  76.  77.  78.  85.  86.  134.  135. 
155.  170.  171.  245.  277.  310  A.  322. 
339.  344.  344  A.  345.  346.  347.  348. 
349.  360.  360  A. 

Fredericks,     Baron,    russ.    General, 
Militärattache  in  Paris  (1886). 
VI,  92  A. 

Freppel,   Bischof  von  Angers  (1886). 
VI,  S.  162. 

Freycinet,  Charles  de,  franz. Minister 
der  öffentl.  Arbeiten  im  Kabinett 
Waddington  1879,  Ministerpräsi- 
dent und  Minister  des  Äußern 
1880,  Minister  des  Äußern  im  Ka- 
binett Brisson  1885/86,  Minister- 
präsident und  Minister  des  Äu- 
ßern 1886,  Kriegsminister  in  den 
Kabinetten  Floquet  1888/89  und 
Tirard  1889/90. 

III,  S.  128.    397  A.    398.    398  A.    445  A. 
447.  447  A.  449.  450.  451  A.  453. 

IV,  S.  116.  157.  159.  190.  191.  194. 
V,  S.  44.   113.  119.  310. 

VI,  S.  93.  94.  94  A.  96.  97.  98.  101. 104. 
105.  106.  107.   109.  137.  140.   144. 
148.  152.  157  A.  160.  164.  169.  170. 
204. 
Freydorf,    von,    badischer    Minister- 
präsident 1871/76. 
I,  S.  283  A. 
Friedrich  I.,  Großherzog  von  Baden 
1856/1907. 
I,  S.  3. 
VI,  S.  280. 
Friedrich    III.,    Deutscher    Kaiser   u. 
König  von  Preußen  (s.  auch  Fried- 
rich Wilhelm,  Kronprinz). 
IV,  S.  177A. 
V,  S.  162A. 

VI,  S.  216.  218.  219.   280.  280  A.  281. 
281  A.  289.  291.  293.  294.  295.  296. 
326.  328.  329.  330.  331.  331 A.  346A. 
347. 
Friedrich  Franz  IL,  Großherzog  von 
Mecklenburg-Schvi^erin    1842/1883. 
VI,  S.  280. 
Friedrich  Karl,  Prinz  von  Preußen, 
Neffe  Kaiser  Wilhelms  I. 
VI,  S.  331  A. 


Friedrich  Wilhelm,  Kronprinz  des 
Deutschen  Reiches,  nachm.  Kaiser 
Friedrich   III.,  s.  d. 
I,  S.  308A.  316  A. 
II,  S.  323.   326.   329.    330.   330  A. 

III,  S.  36.  59.  60.  61.  70.  83.  88.  109. 
111  A.  318.  358.  381.  382. 

IV,  S.  57.  58.  59.  182.316A.  367.  367A. 
369.  377. 

V,  S.  51.  56.  56  A.  57.  57  A.  93.  152. 

162  A.  301. 
VI,  S.  28.  99.  100.  116.  174. 

Gabriac,  Marquis  de,  franz. Geschäfts- 
träger in  Berlin  1871/73. 
I,  S.  60.  60  A.  61.   105.  106. 
Gabriel  Pascha  Chrestowitsch,  Gene- 
ralgouverneur    von    Ostrumelien 
(1884). 
III,  S.  368.  372. 
Gallifet,  Marquis  de,  franz.  General. 

VI,  S.  107. 
Gambetta,  Leon,  Minister  des  Innern 
1870/71,  Präsident  der  Deputier- 
tenkammer 1879/81,  Ministerpräsi- 
dent 1881/82. 
I,  S.  14.  72.  114.  115.  116.  152.  157  A. 
162.  234.  239.  239  A.  240.  262.  311. 

III,  S.  160.    191.   192.    192A.  201.   387. 
387  A.  400.  402.  402  A.  403.  437. 

IV,  S.  27.   34.  40.   41. 
VI,  S.  107.   128.  197. 

Garaschanin,  Milutin,  serb.  Minister- 
präsident und  Minister  des  Äußern 
1884/87. 

V,  S.  22.  23. 
Garibaldi,  Giuseppe. 

III,  S.  190.  191. 

Gau t seh,  Polizeikommissar  (1887). 
VI,  S.  182A.    183A.    184.    184A.    185. 
188. 
Gavard,    Chef    des    Sekretariats    des 
franz.  Ministers  des  Äußern   Duc 
de   Broglie  1873/74. 
I,  S.  212. 
Geffcken,    Heinrich,    Rechtsgelehrter 
und  Publizist. 
VI,  S.  346A. 
Georg  L,  König  von  Griechenland  1863 
bis  1913. 

IV,  S.  19. 

Georg,  Herzog  von  Cambridge,  engl. 
Feldmarschall  (1878). 
IL  S.  330. 


392 


Georg,  Sohn  des  Prinzen  Eduard  von 
Wales,  nachmal.  König  Georg  V. 
VI,  S.  371  A. 

G  i  a  c  o  n  e ,    ru  ss.  Journalist. 
V,  S.  166.  317. 

Giers,  Nikolaus  von,  Gehilfe  des  russ. 
Ministers     des     Äußern     Fürsten 
Gortschakow  1876/82,  Minister  des 
Äußern  1882/95. 
11,  S.  297.   307.  308. 

III,  S.  9.  10.  11.  12.  18.  49.  54.  62.  63. 
66.  69.  114.  143.  147.  149.  150. 
155.  156.  162.  165.  169.  252.  285. 
285 A.  286.  287.  288.  288 A.  289. 
292.  295.  296.  297.  300.  302.  302  A. 
303.  304.  305.  306.  307.  308.  311. 
311 A.  312.  313.  314.  315.  316. 
317.  318.  319.  320.  321.  322.  323. 
324.  326.  327.  328.  329.  330.  331. 
332.  334.  339.  340.  341.  350.  357. 
358.  359.  360.  364.  365.  368.  369  A. 
371.    372.    373.    375.   376. 

IV,  S.112.    114.    120.    265. 

V,  S.7.  7A.  10.  13.  14.  15.  25.  41.  42. 
43.  44.  45.  46.  48.  49.  50.  51.  52. 
53.  57.  60  A.  61.  61  A.  63.  64.  69. 
70.  71.  72.  73.  75.  83.  84.  86.  91. 
96.  97.  98.  99.  100.  101.  102.  103. 

104.  105.  106.  107.  108.  109.  110. 
111.  113.  114.  115.  116.  119A.  131. 
132.  133.  134.  135.  146.  148.  160. 
161.  166.  167.  168.  169.  170.  174. 
175.  177  A.  179.  180.  181.  183. 
188.  189.  203.  204.  211.  212.  215  A. 
216.  217.  218.  219.  220.  221.  222. 
222  A.  223.224.  225.226.  227.  228. 
2331  234.  236.  238.  240.  241.  242. 
243.  244.  244  A.  249.  250.  251.  252. 
255.  256.  257.  258.  261.  262.  263. 
265.  293.  296.  297.  298.  299.  300. 
301.  302.  303.  306.  307.  308.  312. 
313.  314.  315.  316.  317.  320.  322. 
326.  327.  328.  329.  332.  333.  340. 
341.  342.  346.  347.  348.  349.  350. 

VI,  S.  6.   7.  8.   9.  14.   17.   18.  30.  31. 

32.  37.   38.    46.   50.   97.    98.  104. 

105.  106.  107.  108.  109.  110.  111. 
115.  116.  117.  118.  122.  123.  177. 
178.  278.  280.  281.  282.  289.  290. 
291.  295.  296.  301.  302.  318.  320. 
321.  322.  323.  324.  325.  326.  330. 
335.  336.  337.  338.  348.  352.  355. 
375. 


Girardin,    Emile  de,   franz.  Publizist, 
Chefredakteur  der  „France". 
III,  S.  392. 
Gladstone,    William,    engl.    Premier- 
minister 1868/74,  1880/85,  Januar 
bis  Juli  1886. 
II,  S.  12.    200. 

III,  S.  235.  239.  295.  369.  397.  433  A. 
434.  436.  437. 

IV,  S.  9.  ISA.  18.  19.  20.  31.  33.  33 A. 
48.  54.  76.  85.  91.  102.  104.  104  A. 
106.  120.  121.  122.  125.  131  A.  138. 
139.  142.  143  A.  145.  175.  175  A. 
263.  272.  287.  293.  355.  382.  416. 

V,  S.  45.    45  A. 
VI,  S.  177.   347.   358.   359. 
Goblet,  Rene,  franz.  Unterrichtsmini- 
ster im  Kabinett  Brisson  1885/86, 
Ministerpräsident    1886/87,    Mini- 
ster des  Äußern  im  Kabinett  Flo- 
quet   1888/89. 
VI,  S.  157A.  158.  173.  190A.  192.  192A. 
204.   21 5  A.  219 A. 
Goiran,    Ritter  von,   ital.   Oberstleut- 
nant, Chef  der  Militär-Transport- 
Direktion   (1888). 
VI,  S.  251.  252.  252  A.  259.  260. 
Goltz,    Karl    August    Graf    von    der, 
erster  Sekretär  bei  der  Botschaft 
in   Wien   (1886). 
VI,  S.  135A. 
Goltz,   Karl   Friedrich   Graf  von  der, 
preuß.    General,    Generaladjutant 
Kaiser  Wilhelms  I.  (1879). 
III,  S.  116.  118. 
Goltz,  Kolmar  Freiherr  von  der,  preuß. 
Oberst,  in  türk.  Diensten  1883/95. 
V,  S.  182.  186. 
Goluchowski,     Agenor    Graf     von, 
österr.-ung.    Gesandter   in    Buka- 
rest   1887/94. 
VI,  S.  349. 
Gontard,    de,    franz.    Delegierter   zu 
den    Brüsseler    Friedensverhand- 
lungen 1871. 
I,  S.  7  A. 
Gontaud-Biron,  Vicomte  de,  franz. 
Botschafter  in  Berlin   1873/77. 
I,  S.  105.  106A.  127.  179 A.  182.184. 
185.  186.  189.  192  A.  219.  224.225. 
226.  227.  228.  229.  230.  231.  232. 
232  A.  233.  236.  237.  261.  264.267. 
268.   269.  272 A.    275.   276.   277 A. 
281.  287  A.  288.  294  A.  295  A.  316. 
316  A.   317.  318.   318  A.   319.   320. 


393 


321.    322.   323.    324  A.   325.   325  A. 
326.   326  A. 
II,  S.  104.  105. 

III,  S.  26.  381.  381  A. 

Gorst,   John,  engl.   Parlaments-Unter- 
staatssekretär  für  Indien  1886/91. 

IV,  S.  409. 

Qortschakow,  Alexander  Fürst,  russ. 
Reichskanzler  1870/82  und  Minister 
des  Äußern  1856/82. 
I,  S.  111.  111 A.  199.  201.  202.  207. 
208.  240.  273  A.  279.  280.  283. 
283  A.  286.  291.  296.  297.  299.  300. 
304. 
II,  S.  3.  10.  11.  12.  29  A.  30.  31  A. 
32.  32A.  33.  34A.  35.  36.  39.  40.  41. 
42.  43.  44.  46.  47.  48.  49.  50.  54. 
56.  57.  58.  59.  60.  62.  63.  64.  65. 
73.  74.  75.  80.  80  A.  81.  81  A.  84. 
87.  89.  91.  92.  93.  94.  95.  100. 
110.  120.  121.  123.  127.  128.  129. 
130.  134  A.  150.  150  A.  151.  162  A. 
169.  170.  173.  175.  176.  178.  179. 
181.  182.  184.  184A.  185.  187.192. 
194.  195.  196.  199.  207.  208.  209. 
210.  213.  215.  217.  220.  221.  222. 
223.  223  A.  224.  227.  228.  229.  230. 
231.  232.  233.  234.  235.  236.  237. 
238.  239.  240.  253.  259.  263.  264. 
265.  266.  267.  271.  276.  278.  279. 
298.  307.  308.  331.  332.  333. 

III,  S.  3.  5.  6.  9.  11.  17.  26.  28.  37. 
38.  39.  48.  52.  62.  88.  139.  140. 
142.  162.  285  A.  316.  319.  320.  411. 

IV,  S.  106. 

V,  S.  74.  77.  101.  103.  109.  111.  180. 

235.    241.   275.   307. 
VI,  S.  147.    312.   357  A. 

Qortschakow,   Michael   Fürst,   Sohn 
des  Fürsten  Alexander  Qortscha- 
kow,   Legationsrat   bei   der   russ. 
Botschaft  in  Berlin  (1872). 
I,  S.  107. 
Qoschen,  William,  engl.  Botschaf ter in 
Konstantinopel    1880/81,     Schatz- 
kanzler im  Kabinett  Salisbury  1887 
bis  1892. 
IV,  S.  24  A.  293.  293  A.  305.  327.  328. 
359.  376.  382.  383.  384.  406.  407. 
V,  S.  177. 
Goulard,  de,  Mitglied  der  franz.  Na- 
tionalversammlung (1871). 
I,  S.  38.  44. 


Qoupil,  Mitglied  der  franz.  Patrioten- 
liga. 
VI,  S.114. 

Qrandlieu,  de,  franz.  Journalist. 
VI,  S.  149. 

Qranet,    franz.    Minister    der    Posten 
und    Telegraphen    in    den    Kabi- 
netten Freycinet  und  Qobletl886 
bis  1887. 
VI,  S.  94. 

Qranville,  Qeorge  Earl,  engl.  Staats- 
sekretär des  Äußern  im  Kabinett 
Qladstone  1870/74  und  1880/85, 
Staatssekretär  der  Kolonien  1886. 
11,  S.  9.  11.  12.  14.  17.  20.  20  A.  21. 
22.  23. 

III,  S.  423  A.  436. 

IV,  S.  14.  14  A.  15.  15  A.  16.  26.  27. 
28.  29.  30.  31.  36.  37  A.  38.  38  A. 
39.  41.  42.  43.  44.  45.  46.  46  A.  47. 
49.  50.  51.  52.  54.  55.  57  A.  59. 
60.  61.  63.  64.  65.  66.  67.  68.  69. 
70.  71.  72.  72  A.  73.  74.  76.  83. 
83  A.  85.  86.  87.  88.  89.  90.  91. 
91 A.  92.  92  A.  93.  93  A.  94.  95. 
95  A.  96.  97.  98.  99.  100.  101.  102. 
102A.  103.  105.  107.  108.  121.  123. 
124.  125.  143  A.  408. 

Qrebert,  franz.  Spion   in  Elsaß-Loth- 
ringen. 
VI,  S.  202  A. 

Qreig,  russ.  Finanzminister  1878/80. 

III,  S.  41. 
Qrekow,     bulg.     Vertreter     bei    der 
Pforte  (1886). 
V,  S.  158. 

Qreppi,    Qiuseppe    Conte,    ital.    Bot- 
schafter in  Petersburg  1883/87. 
VI,  S.  106. 

Qrevy,  Präsident  der  franz.  National- 
versammlung   1871/73,    Präsident 
der   Republik   1879/85,   1886/87. 
I,  S.  116. 
III,  S.  317.    389  A.   390.    409.   409  A. 
VI,  S.  30.  48.  93.  94.  97.  110  A.   158. 
173.   176.   176  A.    186.   192  A.   196. 
197.   198.  203.   204.  205.  205  A. 

Griechenland,  s.  Qeorg  I.,  Konstan- 
tin, Olga,  Sophie. 

Qronert  Qoercke,  Journalist  (1880). 
III,  S.  183.  183  A.  184  A.  186. 

Großbritannien,  s.  Alexandra,  Edu- 
ard, Georg,  Helene,  Viktoria. 


394 


Gualterio,    Marchese,    ital.    Marine- 
attache  in    Berlin    1889/91. 
VI,  S.  269.    272.    273. 
Ouibert,  Erzbischof  von  Paris  (1873). 

I,  S.  212.  213. 
Guizot,    Frangois,    franz.  Staatsmann 
und  Historiker  (1873). 
I,  S.  163. 
Gurko,  russ.  General,  Generalgouver- 
neur von  Petersburg  1879/80,  von 
Warschau  1883/94. 

III,  S.  373.  375. 
V,  S.  54.  82. 

VI,  S.U.    119.    120. 
Gurko,   Mme.,  geb.   Salias,   Gemahlin 
des   russ.   Generals. 
VI,  S.  120. 
Guttenberg,  Ritter  von,  österr.-ung. 
Oberst,     Chef     des     Eisenbahn- 
bureaus (1888). 
VI,  S.  252  A. 

Hamburger,  von,  Staatssekretär  im 
russ.Ministerium  des  Äußern  (1878). 
II,  S.  308. 

Hansemann,  Adolf  von,  Direktor  der 
Diskontobank. 

IV,  S.  78. 

Hansen,    Jules,   franz.   diplomatischer 
Agent. 
V,  S.  349A. 
VI,  S.  190A. 
Hanson,     Lord-Mayor    von     London 
1886/87. 
IV,  S.  294.  294  A. 
Harcourt,    Marquis    d',    franz.    Bot- 
schafter in  Wien  1873/75,  in  Lon- 
don  1875/80. 
I,  S.  265. 
II,  S.  157. 
Harcourt,   Vicomte  d',   franz.    Präsi- 
dentschaftssekretär (1877). 
II,  S.  121. 
Harcourt,  Sir  William,   engl.  Staats- 
sekretär des  Innern   im   Kabinett 
Gladstone    1880/85,   Schatzkanzler 
1886. 
IV,  S.  48.   73.  74.   102. 
Hardy,  Gathorne,  engl.  Staatssekretär 
des  Krieges  im  Kabinett  Beacons- 
field   1874/80. 
II,  S.  252. 
Hartington,  Marquess of ,  engl. Staats- 
sekretär für  Indien   im    Kabinett 


Gladstone  1880  81,  Staatssekretär 
des  Krieges  1881/85. 

III,  S.  433.   434.   436. 

IV,  S.  86.  87.  91.  102.  105.  106.  293. 
337.  382.  405.  408.  409.  410.  415. 
417. 

Hassan    Fehmi    Pascha,    türk.  Justiz- 
minister 1884/85. 
IV,  S.  118.   118A.   119. 

Hatzfeldt-Wildenburg,  Paul  Graf 
von,  Botschafter  in  Konstantinopci 
1879/81,  Staatssekretär  d.  A.  A. 
1881/85,  Botschafter  in  London 
1885/1901. 

III,  S.  149.  273.  302  A.  400.  403.  409A. 
417  A.    422  A.   444  A. 

IV,  S.  22.  24.  24  A.  72  A.  126A.  136A. 
137.  138.  147 A.  156.  156 A.  161. 
162.  169.  169  A.  170.  176A.  263. 
263 A.  270  A.  273.  274.  276.  289. 
321 A.  323.  345.  348.  353.  356. 
359.  361.  365.  365 A.  376.  376 A. 
386  A.  387.  400  A.  406.  410.  413. 
414.  415.  416.  417. 

V,  S.  177A.  186. 

VI,  S.  155A.  209  A.  282  A.  289A.  332A. 
339  A.  356  A.  359  A. 
Hauke,  Julie  Gräfin,    s.  Julie. 
Hay,   Sir  John    Drummond,    engl.  Ge- 
sandter in  Tanger  (1880). 
III,  S.  397. 
Haye,  de  la,  franz.  Oberstleutnant  (1871). 

I,  S.  48. 
Haymerle,  Heinrich  Freiherr  von, 
österr.-ung.  Botschafter  in  Rom 
1877/79,  Bevollmächtigter  auf  dem 
Berliner  Kongreß  1878,  Minister 
des  Äußern  1879/81. 
II,  S.  315. 

III,  S.  23.  30.  88.  91.  92.  119.  124.  127. 
128.  130.  131.  134.  135.  142.  148. 
149.  149A.  150.  151.  152.  153.154. 
155.  156.  157.  158.  159.  160.  161. 
162.  165.  166.  167.  169.  170.  171. 
172.  173.  174.  175.  183.  183  A.  184. 
184  A.  185.  186.  187.  189.  192  A. 
193 A.  393.  395. 
V,  S.U.  32. 
Heinrich,  Prinz  von  Preußen,  Bruder 
Kaiser  Wilhelms  II. 

VI,  S.  331  A.   334.   335. 
Heinrich  V.,  Duc  de  Bourbon,  Comte 

de  Chambord,  franz.  Kronpräten- 
dent (1872). 
I,  S.  114. 


395 


Helene  Pawlowna,  Großfürstin,  Gemah- 
lin des  Großfürsten  Michael,  geb. 
Prinzessin  Charlotte  von  Württem- 
berg. 
I,  S.  81. 
Helene,     Prinzessin    von    Schleswig- 
Holstein  -  Sonderburg  -  Augusten- 
burg, Tochter  der  Königin  Vikto- 
ria   von    England,   Gemahlin    des 
Prinzen   Christian. 
II,  S.  330. 
Henckel      von      Donnersmarc  k. 
Guido  Graf. 
I,  S.  113.    113A.   116.   135. 
Hengelmüller,     Baron,    österr.-ung. 
Botschaftsrat  in  London  (1886). 
IV,  S.  276.  277. 
V,  S.  45. 
Hentsch,    franz.  Spion  (1884). 

VI,  S.  190A. 
Herbert,    s.  Auburn  Herbert. 
Herbette,  Jules,  franz.  Botschafter  in 
Berlin  1886/96. 
IV,  S.  159.   159  A.   160.   162.   164.   187. 

191.  193.  194.   195. 
V,  325. 

VI,  S.  95.  137.  137 A.  144.  145.  145A. 
151.  152.  168A.  169.  169  A.  171  A. 
184.  185.  187.  188.  189.  191.  191  A. 

192.  192  A.  193.  193  A.  194.  195. 
196.  198.  199.  200.  210.  211.  212. 
213.  214. 

Hertslet,  Sir  Edward,  engl.  Sekretär 
auf  dem   Berliner  Kongreß   1878. 
II,  S.  335. 

Herzog,  Karl,  Direktor  der  Abteilung 
für    Elsaß-Lothringen   im    Reichs- 
kanzleramt (1871). 
I,  S.  89.  90. 

Hessen-Darmstadt,  s.  Alexander, 
Ludwig  IV. 

Heu  duck,  von,  preuß.  General,  Chef 
der  Militärmission  bei  den  franz. 
Manövern  1884. 

III,  S.  428. 

Hirsch,  Baron,  österr.  Finanzmann, Er- 
bauer der  „Orientalischen   Eisen- 
bahnen" (1878). 
II,  S.  307. 

Hirschfeld,  von,  erster  Botschafts- 
sekretär in  Konstantinopel  1881/82. 

IV,  S.  36. 

Hitrowo,  russ. Generalkonsul  in  Sofia 
1883/84,  in  Alexandria  1884/86,  Ge- 
sandter in  Bukarest  1886/91. 


III,  S.  322.  350.  350  A. 
V,  S.  343.  348. 
VI,  S.  319.  325. 
Hobart  Pascha,  engl  Marineoffizier  in 
türk.  Diensten  (1878). 
II,  S.  294. 

Hödel,  Max. 
II,  S.  309A. 
H  o  f  m  a  n  n ,  von,   preuß.  Minister   für 
Handel  und  Gewerbe  (1879). 
III,  S.  105. 
Hoffmann,  Delegierter  zu  den  Brüs- 
seler Friedensverhandlungen  1871. 
I,  S.  18. 

Hohenlohe  -Schillingsfürst, 
Chlodwig  Fürst  von,  Botschafter 
in  Paris  1874/85,  interimistischer 
Leiter  d.  A.  A.  1880,  Statthalter  in 
Elsaß-Lothringen  1885/94. 
I,  S.242A.  247.  254A.  256.  261.  278A. 
287A.  295A.  311A.  317.  323.  324A. 
325  A. 
II,  S.  104A.  159.  160. 

III,  S.  68.  81.  81  A.  82  A.  88.  150.  171. 
381 A.  387 A.  389.  391.  401 A.  402A. 
403.  404.  404  A.  405.  405  A.  406  A. 
409.  409  A.  413.  414.  417  A.  425. 
426.  451.  451  A.  453 A. 

IV,  S.  3.  15  A.  16. 

VI,  S.  107.  137 A.  162.  216.  216A.  217. 
H  o  i  n  i  n  g  e  n  ,    gen.    Huene,    Freiherr 

von,  Hauptmann,  Militärattache  in 

London  (1885). 
IV,  S.127A. 

Holmwood,  engL  Konsul  in  Sansibar 
(1887). 

IV,  S.  165.  166.  167.  168.  169.  170.  171. 
173. 

Holstein,  Friedrich  von,  Legations- 
sekretär, zugeteilt  dem  General- 
gouvernement in  Frankreich  (1871), 
Kommissarischer  Hilfsarbeiter  im 
A.A.  1876/77,  Vortragender  Rat 
1880/1906. 
I,  S.  34A. 
IV,  S.  406. 

V,  S.  68A. 

Hörn,  Redakteur  des  „Journal  de  St. 
Petersbourg". 
III,  S.  375. 

V,  S.  308. 

Hornby,  engL  Admiral  (1878). 
II,  S.  192A. 


396 


Horväth,     Balthasar,     iing.    Politiker 
(1886). 
V,  S.  123.  123  A. 
Hoskins,  engl.  Admiral  (1889). 

VI,  S.  271. 
Hotchkiss,  franz.  Munitionsfabrikant 
in  Paris. 
VI,  S.  139. 
Hoyos,    Ladislaus    Graf,    österr.-ung. 
Botschafter  in  Paris  1883/94. 
III,  S.  406  A. 

Humberti.,  König  von  Italien  1878/1900. 

III,  S.  186.   191  A.   195.   198.   199.  201. 
202.  203.  206.  207.  229.  235.  245. 

IV,  S.  182.  204.  217.  257.  258. 
VI,  S.  355. 

Iddesleigh,  Lord,   s.  Northcote. 

Ignatiew,  Graf,  russ.  General,  Ge- 
sandter und  Botschafter  in  Kon- 
stantinopel 1864/77,  Delegierter 
beim  Abschluß  des  Londoner  Pro- 
tokolls 1877,  Minister  des  Innern 
1881/82. 
II,  S.  119A.  125.  127.  128.  130.  134. 
134  A.  135.  136.  136  A.  137.  138. 
139.  140.  141 A.  195.  204  A.  209. 
221.  223.  223  A.  231.  232.  236.  238. 
241.  241  A.  242.  243.  251.  252.  253. 
254.  256.  257.  259.  260.  261.  262. 
273.  274.  275.  295.  307.  309.  312. 
313.  314.  319. 

III,  S.  9.  44.  316.  319.  368.  374. 

IV,  S.  120.    120A. 
V,  S.  166.   307.  343. 

VI,  S.  320. 
Imbert,  erster  Sekretär  bei  der  franz. 
Botschaft  in  Konstantinopel  (1885). 
IV,  S.  116. 
Imeretinski,   Alexander  Fürst,   russ. 
General,  Chef  des  Generalstabes 
im  russ.-türk.  Krieg  1877/78. 

III,  S.  297. 

Iränyi,  ung.  Politiker  (1886). 

V,  S.  128.  129. 
Ismail   Pascha,  Khedive  von   Ägypten 
1863/79. 

II,  S.  147A.    149.   155. 

IV,  S.  87. 

I  s  w  o  1  s  k  i ,  Alexander,  russ.  außerordent- 
licher Agent  in  Sofia  (1886). 

V,  S,  49.  50. 

Italien,    s.   Humbert   I.,    Margaretha, 
Viktor  Emanuel  II. 


Jansen,  franz.  Spion  (1885). 

VI,  S.  190A. 
Jaur^s,  franz.  Vizeadmiral,  Botschafter 
in  Madrid  1879/82. 
III,  S.  398. 
Jolly,   Julius,  bad.  Staatsminister  und 
Ministerpräsident   1868/76. 
I,  S.  3. 
J  o  m  i  n  i ,     Baron,    Vortragender     Rat, 
später    Mitglied    des   russ.    Mini- 
steriums des  Äußern. 
I,  S.  295.   295  A.   296. 
II,  S.  308. 
III,  S.  44.  374. 

V,  S.  71.  104.  166.  170.  222.  317.  343. 
VI,  S.  315.  316.  317.  318.  319.  320. 
Jones,  Henry  Michael,  engl.  General- 
konsul in  Philippopel  (1887). 
V,  S.  174. 
Jonin,  russ.  Agent  und  Generalkonsul 
in  Sofia  1883/84. 
111,  S.  350.  350  A.  366. 
Julie,  Prinzessin  von  Battenberg,  geb. 
Gräfin  Hauke,  Gemahlin  des  Prin- 
zen  Alexander  von   Hessen. 
III,  S.  296  A.  345  A. 
VI,  S.  344. 

Kalla y,  von,  Sektionschef  im  österr.- 
ung.  Ministerium  des  Äußern  1879 

bis  1881,  Reichsfinanzminister  1882 

bis  1903. 
III,  S.  30.    192.   287. 
VI,  S.  40. 
Kälnoky,    Gustav    Graf,    österr.-ung. 

Gesandter  in  Kopenhagen  1874/79, 

Botschafter  in  f^etersburg  1880/81, 

Minister  des  Äußern    1881/95. 
III,  S.  153.    193.   193  A.    194.    195.    196. 

197.   198.  199.  201.  202.  203.  204. 

205.  209.  210.  211.  213.  215.  216. 

217.  218.  219.  220.  221.  222.  223. 

225.   226.  227.   228.   229.   231.  232. 

233.  234.  239.   240.  241.   242.  243. 

244.  245.  251  A.  252.  253.  254.  255. 

256.   257.  258.  263.   264.   265.  267. 

268  A.  269.  270.  271.  273.  274.  275. 

276.   277.  278.   279.   280.   282.  289. 

290.  291.  294.  297.  298.  298  A.  299. 

301.  303.  305.  306.  307.  308.  309. 

310.  311.  312.  313.  329.  330.  342. 

343.  344.  346.  347.  348  A.  352.  356. 

358.  360.  361.  362.  363  A.  364.  365. 

366.  367.  368.  369.  369  A.  370.  371. 

372.  375. 


3Q7 


IV,  S.  114.  116.  117.  122.  123.  181.  182. 

183.  184.  191.  193.  195.  196.  197. 

198.  199.  200.  201.  202.  202  A,  203. 

209.  210.  211.  212.  213.  214.  215. 

216.   220.  221.  222.   224.   225.  226. 

227.  228.  229.  230.  231.   232.  233. 

234.   235.  236.   237.   238.   239.  240. 

240  A.  241.  242.  243.  244.  245.  246. 

248.  249.  250.  252.  253.  254.  255. 

256.   257.  264.   265.   276.   277.  278. 

282.  283.  289.   294.  315.  316.  319. 

320.  321.  322.  324.  325.  326.  330. 

347.  349.  350.  353.  355  A.  357.  358. 

359.  360.  361.  373.  375.  376.  388. 
V,  S.3.  4.  6.  7.  10.  11.  12.  13.  20.  21. 

24.  25.  25A.  26.  26A.  27.  28.  29.  30. 

31.  32.  33.  35.  36.  37.  38.  38  A.  44. 

45.  50.  55A.  59.  62A.  70.  70A.  72. 

84.    118.    123.    125.    126.    127.   128. 

129.   130.  131.   132.   134.   135.  136. 

138.   139.  140.   141.   142.   143.  147. 

148.  182.  183.  184.  185.  192.  192  A. 

193.  194.  195.  197.  201.  202.  215  A. 

216.  217.  218.  219.  236.  237.  238. 

239.  259.  261.   262.  265.  271.  272. 

273.  274.  277.  279  A.  280.  282.  283. 

286.  287.  288.  327.  339.  341.  344. 
VI,  S.  3.    4.   7.   8.   9.    10.   13.    14.    16. 

17.  18.  19.  22.  23.  24  A.  26.  40.  44. 

45.  46.  47.  55  A.  67.  68.  69.  70.  71. 

72.  73.  75.  76.  78.  82.  83.  84.  85. 

86.  134.  170.  171.  172.  174.  180  A. 

241.   242.  244.   245.   246.   253.  272. 

277.  278.  301.  302.  303.  304.  305. 

318.  318  A.  321.  322.  323.  338.  339. 

343.  344.  345.  347.  351.  361.  363  A. 
Kameke,  von,   preuß.  General,  stellv. 

Kriegsminister  1873,  Kriegsminister 

1873/83. 
I,  S.  168.   295  A. 
III,  S.  105. 
Kamp,  Präsident  der  „Ligue  de  la  de- 

livrance  d'Alsace-Lorraine"  (1871). 
I,  S.  65. 

Kantacuzen,   Fürst,    russ.  General, 
bulg.  Kriegsminister  1884/85. 
III,  S.  316.   320.  321.  326.   330.  367  A. 
Kantacuzenos,     Fürst,     russ.    Bot- 
schaftsrat in  Wien  (1887). 
V,  S.  202. 
VI,  S.  8. 
Kantakazi,   russ.   Preß-  und   Finanz- 
agent  in   Paris,   früher   im   Mini- 
sterium des  Äußern. 


II,  S.  308. 

V,  S.  70.  348.  349  A. 

Karageorgewitsch,  serb.  Dynastie. 

V,  S.  5.  11.  29.  63.  132. 
Karawelow,   Mitglied  der  bulg.   Re- 
gentschaft 1886. 
V,  S.  58A. 
Karl  I.,  König  von  Rumänien  1866/1914. 
III,  S.  263.  264.  265.  267.  270.  275.  276. 

281.  282.  368. 
V,  S.  342. 

VI,  S.  344.  348.  349. 
Karl  I.,  König  von  Württemberg  1864 
bis  1891. 
I,  S.  3. 

Karl    Alexander,    Großherzog    von 
Sachsen-Weimar  1853/1901. 
III,  S.  157. 
VI,  S.  280. 

Karl  Ludwig,  Erzherzog  von  Öster- 
reich,   Bruder    Kaiser    Franz    Jo- 
sephs I.,  General  der  Kavallerie. 
V,  S.  53. 
VI,  S.  345. 
Kärolyi,  Alois  Graf,  österr.-ung.  Bot- 
schafter in  Berlin  1871/78,  in  Lon- 
don 1878/88. 
I,  S.  273  A.  283.  317.  319.  320.  321. 
II,  S.  45.  119.  174.  175.  180.  203.  207. 
221.  314. 

III,  S.  127.   128.   134. 

IV,  S.  14  A.  275.  276.  282.  283.  284. 
285.  289.  299.  304.  319.  320.  321. 
322.  323.  324.  325.  326.  327.  328. 
347.   376.  381.   391.   392.   393. 

Katkow,  russ.  panslawistischer  Publi- 
zist, Herausgeber  der  „Moskauer 
Zeitung". 

III,  S.  296.  342.  349.  374.  377. 

IV,  S.  236. 

V,  S.  46.   47.   48.   50.   65.   67.  71.   73. 
95.   116.   117.   119.   127.    151.  166. 
167.  170.  221.  256.  257.  258.  261. 
300.  308.  310.  316.  348. 
VI,  S.  7.  99.  111.  112.  115.   123. 
Kaulbars,  Alexander  Baron  von,  russ. 
General,  bulg.  Kriegsminister  1882 
bis  1883. 
III,  S.  367  A. 
Kaulbars,    Nikolai   Baron   von,    russ. 
General,    russ.    Emissär    in    Bul- 
garien 1886. 
V,  S.  69.  69  A.  70.  80.  81.  84.  87.  88. 


398 


89.  91.  132.   153.   157  A.   158.  159. 
160.  168. 
VI,  S.  34. 
Keller,  Graf  von,   preuß.   Oberstleut- 
nant,   Abteilungschef    im    Großen 
Generalstab  (1888). 
VI,  S.  74.   250. 
Keudell,    Robert  von,    Botschafter   in 
Rom  1876/83. 

III,  S.  183.  184.  187.  188.  189.  194. 195. 
196.  198.  215.  216.  217.  220.  222. 
369  A. 

IV,  S.  189A.  191.  193.  194.  195.  196. 
199.  201. 

Khevenhüller-Metsch,   Graf  von, 
Ostern -ung.  Gesandter  in  Belgrad 
1881/86. 
IV,  S.  265. 

V,  S.  5.  22.  23.  24.  24  A.  25.  28.  29. 
32.  70. 
Kiamil  Pascha,  türk.  Großwesir  und 
Präsident     des     Ministerkonseils 
1885/91. 

IV,  S.  108.  115.  116. 

V,  S.  166. 
Kiderlen-Waechter,     von,     erster 

Botschaftssekretär    in    Konstanti- 
nopel (1887). 

V,  S.  191. 

Kimberley,  John  Earl  of,  engl. Staats- 
sekretär der  Kolonien  im  Kabinett 
Gladstone  1880/82,  Staatssekretär 
für  Indien  im  Kabinett  Gladstone 
1882/85,  1886. 
IV,  S.  66.   70.  125. 

Kirk,    Sir    John,    engl,    diplomatischer 
Agent  und  Generalkonsul  in  San- 
sibar 1885/87. 
IV,  S.  144. 146. 147. 148. 166. 167. 169. 170. 

Kitchener,  engl.  Oberstleutnant,  Mit- 
glied  der   Kommission   zur    Fest- 
setzung der  Grenzen  des  Sultanats 
Sansibar  1885/86. 
IV,  S.  143  A.   146.  147.   166.   167. 

Klein,   Tobias,  franz.  Spion   in   Elsaß- 
Lothringen  (1887). 

VI,  S.  182A.  187.  202.  202  A. 

Kiep  seh,  Oberst,  österr.-ung.   Militär- 
attache in  Petersburg  (1887). 

VI,  S.  6.  9.  13.  18.  33.  74. 
Koburg,     s.    Clementine,    Ferdinand, 

Leopoldine. 
Koch,   von,   Mitglied  des   Reichsbank- 
direktoriums. 
V,  S.  335. 


Koloscyii,     russ.    Geschäftsträger     in 

Karlsruhe  (1875). 
I,  S.  283  A. 
Konstantin,     Kronprinz,     nachmal. 

König  von  Griechenland,  Gemahl 

der  Prinzessin  Sophie  von  Preußen. 
VI,  S.  360  A. 
Konstantin  Nikolajewitsch,  Großfürst, 

Bruder  Kaiser  Alexanders  II.  von 

Rußland. 

II,  S.  132.  133. 

III,  S.  18. 

Kotschubcy,    Helene    Fürstin,    russ. 
Oberhof  meisterin. 

V,  S.  64.  105.  228. 

Kotzebu e,  von,  russ.  Botschaftsrat  in 
Paris  (1886). 
VI,  S.  99.  104. 
Kraft,   preuß.  Wachtmeister  (1871). 

I,  S.  101. 

Krauel,   Vortragender   Rat    im    A.    A. 
1885/91. 

IV,  S.  152.  153.  154.  154A.  155.  155A. 
156. 

Krapotkin,  Fürst,  russ.  Nihilist  (1887). 

VI,  S.  96  A. 
Kraszevvski,  franz.  Spion. 

VI,  S.  190A. 
Krause,  preuß.  Oberst,  Abteilungschef 
im  Großen  Generalstab  (1875). 
I,  S.  249. 
Kreu  tz,  Gräfin. 

VI,  S.  33. 

Kudriawsky,  von,  russ.  Gesandter  in 

Madrid   1871/79. 
1,  S.  283. 
Kumani,    de,    russ.    Generalkonsul    in 

Paris  (1878). 

II,  S.  307. 
Kuropatkin,  russ.  General. 

III,  S.  297. 
VI,  S.  31. 

Labouchere,  Mitglied  des  engl. Unter- 
hauses, Redakteur  des  „Trnth". 

IV,  S.  275.   395. 

Laboulaye,    Antoine   de,   franz.    Bot- 
schafter in  Petersburg  1886/91. 
V,  S.  95.   221. 

VI,  S.  97.   104.  105.   107.   108.   122. 
Lachmann,  Geh. Sekretär  im  Chiffrier- 
bureau d.  A.  A.  (1885). 
V,  S.  30. 
Laisant,  franz.  Deputierter  (1888). 
VI,  S.  205. 


399 


Lamansky, russ. Professor,  Panslawist. 
VI,  S.  7. 

Lamezan,    Freiherr    von,    Konsul    in 
Tiflis  (1886). 
V,  S.  42. 

Lamsdorff,  Graf,  Mitglied  des  russ. 
Ministeriums  des  Äußern. 
V,  S.  108.  225.  258.  346. 
VI,  S.  50. 

Langenau,  Freiherr  von,  österr.-ung. 
Botschafter  in  Petersburg  1871/80. 
II,  S.  169.  170.  172.  176.  177.  178.  228. 
Lascelles,  Frank  Cavendish,  engl,  di- 
plomatischer Agent  und  General- 
konsul in  Sofia  1879/87. 
IV,  S.  326. 
V,  S.  50. 
Latour,    s.  Sallier. 
Launay,  Conte  de,  ital.  Botschafter  in 
Berlin   1867/92. 
I,  S.  277.  278. 
II,  S.  213. 

III,  S.  186.  205.  206.  207.  208.  209.  210. 
213.  222.  238.  389.  410.  411. 

IV,  S.  188.  189.  190.  191.  192.  193.  194. 
201.  202.  203.  204.  208.  209.  210. 
211.  212.  215.  216.  219.  220.  221. 
223.  224.  226.  227.  231.  238.  240. 
241.  246.  247.  247  A.  248.  249.  251. 
252.  255.  256.  257.  258.  297.  299. 
300. 

V,  S.  103.    174  A.   186. 
VI,  S.  243.  244.  254.  255.  258.  267.  269. 
270.   271. 
Layard,  Sir  Austin  Henry,  engl.  Bot- 
schafter in  Konstantinopel  1877/81. 
II,  S.  144.  163.  164.  195.  244.  318.332. 

336. 
III,  S.  130.  131.  131  A.  143.  144. 

Leboeuf,  franz.  Marscliall  (1887). 
VI,  S.  94.  204. 

Lee,  Privatsekretär  Lord  Beaconsfields 
auf  dem  Berliner  Kongreß   1878. 
II,  S.  335. 

Lefebvre   de  Behaine,   Comte  de, 
franz.     Botschafter    beim     Päpst- 
lichen Stuhle  1882/99. 
VI,  S.  105. 

Le  Fl 6,  franz.  General,  Kriegsminister 
Februar  bis  Mai  1871,  Botschafter 
in   Petersburg  1871/79. 
I,  S.  111.   111 A.   266.   288.   297. 

V,  S.  326. 


Le  Maire,  franz.  Mitglied  der  Kom. 
mission  zur  Festsetzung  der  Gren- 
zen des  Sultanats  Sansibar  1886. 

IV,  S.  146.  146A.  147. 

LeMaistre,  preuß. Gesandter  in  Darm- 
stadt 1886/87. 
V,  S.  161.  162. 
Leo  Xlll.,  Papst  1878/1903. 

III,  S.  194.  196.  197.  198.  199.  200.201. 
212. 

IV,  S.  184A. 
V,  S.  10.  129. 

VI,  S.  40.   178  A.  179.  349. 

Leonard,  Cure  in  Eppingen  in  Loth- 
ringen (1874). 
I,  S.  232. 

Leonhardt,  preuß.  Justizminister  1867 
bis  1879. 

III,  S.  105. 

Leopold  IL,  König  der  Belgier  1865 
bis  1909. 

IV,  S.  121. 
V,  S.  338A. 

Leopoldine,  Gemahlin  des  Prinzen 
August  von  Koburg,  Mutter  des 
Prinzen  Ferdinand,  nachmal.  Für- 
sten von  Bulgarien. 

V,  S.  344.  345. 

Lessar,  russ.  diplomatischer  Agent  für 
Transkaspien,  Mitglied  der  Grenz- 
kommission für  Afghanistan  1885. 
IV,  S.  121.  121  A. 

Leuchtenberg,  Herzog  von,  s. 
Beauharnais. 

Levysohn,  Chefredakteur  des  „Ber- 
liner Tageblattes". 

V,  S.  325A. 

Lewal,  franz.  General. 
VI,  S.  130. 

Lewis,  amerik.  Konsul  in  Sierra  Leone 
(1889). 
IV,  S.  408. 

Leyden,  Graf  von,  erster  Botschafts- 
sekretär in  Paris  (1887). 
VI,  S.  183A.   184  A.  187.   191  A. 

Li   Fong   Pao,   chines.   Gesandter  in 
Berlin  1879/84. 
III,  S.  437.   444  A.  445. 
Liegnitz,    Fürstin    von,    geb.    Gräfin 
Harrach,  zweite  Gemahlin  Fried- 
rich Wilhelms  III. 
I,  S.  205.  205  A. 


400 


Lignitz,  von,  Oberstleutnant,  Militär- 
attache in  Petersburg  (1884). 
III,  S.  317.  323.  324.  342. 

Limburg-Stirum,  Graf,  Gesandter 
z.  D.,  interimistischer  Leiter  d. 
A.A.    1880/81. 

III,  S.  173. 

Lindau    Rudolf,  der  Pariser  Botschaft 
attachiert  für  Preß-  und  Handels- 
angelegenheiten 1871/78. 
I,  S.  236. 

Lippert,  Konsul  in  Kapstadt  (1884). 

IV,  S.  62.  62  A.  70.  87. 
Litcano,  Varnaw,  rum.  Gesandter  in 

Berlin  1880/88. 
III,  S.  280. 
L 1 1 1  a  u  e  r ,  Schriftsetzer  aus  Breslau. 

VI,  S.  215.  21 5  A. 
Lobanow-Rostowski,   Fürst,  russ. 
Botschafter  in  Wien  1882/94. 
II,  S.  325.  332. 

III,  S.  10.  167.  290.  291.  300.  307.  308. 
312.  313.  314.  321.  323.  330.  351. 
360.  372.  373. 

IV,  S.  122. 

V,  S.  4.  6.  7.   10.   13.  24.  26.  72.  84. 
127.  132.  158.  183.  184.  215.  21 5  A. 
216.  258.  262  A.  263. 
VI,  S.  8.  34.  35.  36.  37.  38.  91. 172.  173. 
Lockroy,    Minister  des   Handels   und 
der   Industrie   in   den    Kabinetten 
Fre3'cinet  und  Goblet  1886/87. 
VI,  S.  94.  150. 
Loftus,    Lord    Augustus,     engl.    Bot- 
schafter in  Petersburg  1871/79. 
I,  S.  291.  296.  296  A.  297. 
II,  S.  83 A.  99.  IIOA.  162A.  195.  217. 
228.  230.  2J2.  308. 
London,    s.  Hanson,  Lord-Mayor. 
Loris-Melikow,  Graf,  russ.  General, 
Minister  des  Innern  1880/81. 

III,  S.U. 

VI,  S.  41  A. 
Lowe,  Robert,  Schatzkanzler  im  Kabi- 
nett Gladstone  1868/74. 
II,  S.  12. 
Lucius  von  Ballhausen,  Freiherr,  preuß. 
Minister   für   Landwirtschaft,   Do- 
mänen und  Forsten  1879/91. 
I,  S.  254  A. 
III,  S.  105. 
Ludolf,  Graf,  österr.-ung.  Botschafter 
in  Rom  1882/86. 
III,  S.  367. 


Ludwig  II.,  König  von  Bayern  1864/86. 
I,  S.  3. 
VI,  S.  347  A. 
Ludwig  IV.,  Großherzog  von  Hessen 
1877,92. 
VI,  S.  281  A. 
Lüderitz,  Bremer  Großkaufmann. 

IV,  S.  56  A.  57  A.  62  A.  70. 
Luise,  Königin  von  Dänemark,  Gemah- 
lin König  Christians  IX.,  geb.  Prin- 
zessin von  Hessen-Kassel. 

III,  S.  321. 

Luitpold,    Prinz  von    Bayern,   Prinz- 
regent 1886/1912. 
V,  S.  117. 
VI,  S.  280. 
Lumley,   Sir  John   Savile,   engL   Bot- 
schafter in  Rom  1883/89. 

IV,  S.  83.  385. 
Luxemburg,  s.  Adolf. 

Lyons,  Viscount,  engl  Botschafter  in 
Paris  1867/87. 
I,  S.  260.  2S1. 
II,  S.  211.  233.  251. 
IV,  S.  42.  47  A. 

Mac  Mahon,  franz.  Marschall,  Präsi- 
dent der  Republik  1873/79. 
I,  S.  22.  115.  188A.  189A.  239.  239 A. 
253  A.  258.  260.  265.  276.  305.  311. 
316.  318.  320.  323.323A.324.324A. 
326.  327.  328  A. 
II,  S.  157.  317. 

III,  S.  381A.    385  A.   386.    389.   389  A. 

391.  407. 

Maffei,  Conte,  Generalsekretär  im  itaL 

Ministerium   des   Äußern   1878  81. 

III,  S.  183.  183  A.  184  A.  186.  189.  190. 

Makow,  russ.  Minister  des  Innern  1880 

bis  1881. 

III,  S.  12. 

Malet,  Sir  Edward,  engl.  Generalkon- 
sul in  Kairo  1879/83,  Botschafter 
in  Berlin  1884/95. 
in,  S.  448. 

IV,  S.  27.  82  A.  91 A.  92.  95.  105. 
105  A.  123.  124.  133.  146.  151.  152. 
158.  166.  274.  298.  300.  302.  303. 
305.  310.  353.  356.  359.  366.  367. 
374.   375.  384.  387. 

V   S.  177  A. 
Vli  S.102.  210.  289 A. 
Malietoa,  König  von  Samoa  1880/87, 
1889/98. 
IV,  S.  151.  176  A.  177.  177  A. 


26    Die  QrotSe  Politik.   6.  Bd. 


401 


Mallinckrodt,    Hermann    von,    Mit- 
glied    der     Zentrumspartei     des 
Reichstags    und    des    preuß.    Ab- 
geordnetenhauses. 
I,  S.  286. 

Manassein,  russ.  Justizminister  1885 
bis  1892. 
V,  S.  52.  73.  308. 

M  a  n  c  i  n  i ,    ital.    Minister   des    Äußern 
1881/85. 

III,  S.  190A.  204.  211.  212.  220.  229. 
233.  410.  411.  412.  413. 

IV,  S.  182.  197. 

Manteuffel,  Edwin  Freiherr  von, 
preuß.  Generalfeldmarschall,  Chef 
der  Okkupationsarmee  in  Frank- 
reich 1871/73,  Statthalter  in  Elsaß- 
Lothringen  1879/85. 
I,  S.  62A.  63  A.  74.  79  A.  102.  109. 
165.  175.  185  A.  191.  191 A.  193. 
240. 
II,  S.  4.  34  A.  40  A.  44  A.  45.  47.  47  A. 

48.  49.  50.  53.  73.  74.  82. 
III,  S.  18.  18  A.  19.  22.  24.  25.  40.  41. 
48.  51.  52.  54.  55.  60.  69.  84.  381  A. 
Manteuffel,  Otto  Freiherr  von,  preuß. 
Ministerpräsident  1850/58. 
III,  S.  67. 
Margaretha,  Königin  von  Italien, Ge- 
mahlin König  Humberts  I. 
III,  S.  202. 
Maria,  Gräfin  von  Flandern,  Gemahlin 
des  Grafen  Philipp  von  Flandern. 

V,  S.  338.    339.    340.    341.    344.    345. 
346.  347.  349. 

Maria  Alexandrowna,  Gemahlin  Alex- 
anders   II.,    geb.    Prinzessin    von 
Hessen. 
II,  S.  178.  257. 

III,  S.  22.  62.  134.  296. 

Maria  Alexandrowna,  Großfürstin,  Ge- 
mahlin  des   Herzogs   Alfred   von 
Edinburg,    Tochter    Kaiser   Alex- 
anders II. 
II,  S.  158A. 

IV,  S.  120. 

Maria  Feodorowna,  Kaiserin  von  Ruß- 
land,   Gemahlin    Alexanders    III., 
geb.Prinzessin  Dagmar  von  Däne- 
mark. 
III,  S.  316.  342.  359.  374. 
V,  S.  64.  69.  227.  314.  318.  323  A. 
VI,  S.  43.  49.  51.  99.  333.  333  A.  334. 


Maria  Nikolajewna,  Großfürstin,  Toch- 
ter Kaiser  Nicolaus'  I. 
VI,  S.  106A. 
Maria  Pawlowna,  Großfürstin,  Gemah- 
lin    des     Großfürsten    Wladimir, 
geb.  Prinzessin  von  Mecklenburg- 
Schwerin. 
V,  S.  327.  328. 
VI,  S.  353. 
Marie,  Prinzessin  von  Dänemark,  Ge- 
mahlin   des    Prinzen    Waldemar, 
geb.  Prinzessin  von  Orleans. 
V,  S.  341. 
Marselli,    Generalsekretär    im     ital. 
Kriegsministerium  (1886). 
VI,  S.  226. 
Mathelin,    franz.  General  (1886). 

VI,  S.  92A. 
Mavrocordato,  griech.  Gesandter  in 
Petersburg  1886/89. 
VI,  S.  18. 
Mavrojeni,  rum.  Gesandter  in  Kon- 
stantinopel 1882/86. 
III,  S.  268. 
Maybach,  Albert  von,  preuß.  Minister 
der  öffentl.  Arbeiten  1878/91. 
III,  S.  105. 
VI,  S.  42.  166. 
Mayr,    Freiherr  von,   österr.-ung.   Ge- 
sandter in  Bukarest  1882/87. 
III,  S.  280. 
M  a  z  z  i  n  i ,  Guiseppe,  ital.  Revolutionär, 
Anhänger  Garibaldis. 

III,  S.  197. 

M  e  a  d  e ,  Robert,  Unterstaatssekretär,  Ge- 
hilfe im  engl.  Colonial  Office,  As- 
sistent Malets  auf  der  westafri- 
kanischen Konferenz  in  Berlin 
1884. 

IV,  S.  105. 

Mebes,   Vortragender   Rat   im    preuß. 
Handelsministerium  (1871). 
I,  S.  19. 

Mecklenburg-Schwerin,  s.  Fried- 
rich Franz  II. 

Mehemed  Tewfik,  Khedive  von 
Ägypten  1879/92. 

III,  S.  417.  435. 

IV,  S.  27.  39.  41.  42.  43.  46. 
Meschtscherski,  Fürst,  Herausgeber 

der  russ.  Wochenschrift  „Grashda- 
nin". 
V,  S.  343. 
VI,  S.  372. 


402 


Metternich,     Richard     Fürst     von, 
österr.-ung.    Botschafter   in    Paris 
1859/71. 
III,  S.  30. 
Michael  Nikolajewitsch,  Großfürst,  Bru- 
der Alexanders  II. 
V,  S.  75. 
VI,  S.  370. 
Michael,     serb.    Exmetropolit     (1884, 
1886). 
111,  S.  366.  368. 
V,  S.  133. 
Midhat  Pascha,  türk.  Großwesir  1876 
bis  1877. 
11,  S.  124.   125.   332.   332  A. 
Milan  Obrenowitsch  1.,  Fürst  von  Ser- 
bien  1868/89  (seit  1882  König). 
111.  S.  355.  371. 
V,  S.S.    7.    9.    11.    12.    21.   24 A.    28. 

31.  32.  36.   133.  215.  21 5  A. 
VI,  S.  31 5  A.  323.  336.  344.  349. 
Militza,    Prinzessin  von   Montenegro. 

VI,  S.  355  A. 
Mil jutin,    Graf,    russ.    Kriegsminister 
1861/81. 
11,  S.  232.    266.   308. 
111,  S.  9.  11.  14.  17.  29.  44.  49.  50.  51. 
62.  63.  64.  66.  69.  75.  79.  89.  95. 
113.   125.  133.   159.   167.  296.  316. 
317.  349. 
Millet,    franz.    Gesandter    in    Belgrad 
1885/89. 
V,  S.  22.  23.  24  A. 
Mingrelien,    Nikolaus   Dadian,    Fürst 
von  (1886). 
V,  S.  70.  70  A.  103.  158.  159.  160.185. 
Miribel,  franz. Generalstabschef  (1881). 

VI,  S.  128. 
Mohamed    Es   Sadok    Pascha,    Bey 
von  Tunis  1859/82. 
111,  S.  190A.    388.   400. 
Mohamed     Selim     Effendi,     ältester 
Sohn  des  Sultans  Abdul  Hamid  II. 
(1887). 
V,  S.  242. 
Mohrenheim,  Arthur  Baron  von,  russ. 
Botschafter  in  London  1882/84,  in 
Paris  1884/98. 

III,  S.  316.   321.   323. 

IV,  S.  121. 

V,  S.  44.   263.  322. 

VI,  S.  28  A.  94.  96  A.  97.  98.  104.  107. 
109A.  110.  IIOA.  111.  118.  123. 
295. 


Moltke,    Hellmuth   Graf   von,    preuß. 
Generalfeldmarschall,  Chef  des  Ge- 
neralstabes  1858/88. 
1,  S.  97A.    203.    203  A.    269.    285  A. 
290.  293.  294  A.  295  A.  312.  316  A. 

III,  S.  75.  75  A.  79.  83.  97.  114.  115. 
VI,  S.  24.   24  A.   25.   25  A.   47.   55.  56. 

57.  58.  59.  60.  61.  62.  63.  64.  67. 
73.  74.   191.   192  A.   229.  230.  231. 
234.  235.  259.   260.  364.  365. 
Montebello,  Comte,  franz.   Botschaf- 
ter in  Konstantinopel  1886/91. 

IV,  S.  276. 

Montenegro,     s.    Militza,    Nikolaus, 

Zorka  Ljubitza. 
Monts,  Graf,  erster  Sekretär  bei  der 

Botschaft  in  Wien  1886/90. 
IV,  S.  365. 

Morier,  Sir  Robert,  engl.   Botschafter 
in    Petersburg   1884/93. 
V,  S.  174.   313. 
Moulin,    zweiter   franz.    Militärattache 
in  Petersburg  (1887). 
VI,  S.  119. 
Mouy,  Comte  de,  franz.  Botschafter  in 
Rom  1886/88. 
IV,  S.  190.  193. 

Münster,    Georg    Herbert    Graf    zu, 
Botschafter  in  London  1873/85,  in 
Paris  1885/1900. 
1,  S.  272.  278  A.  285  A.  287  A.  294  A. 

295  A.  318.  318  A.  319.  320.  321. 
II,  S.  66  A.  81.  81  A.  100  A.  105  A.  139. 
145.  146.  149.  150.  153  A.  161.  176. 
192.   194.  240.  244.   264.  265.  271. 
313.  314.  321.  321  A.  322.  325. 

III,  S.  415.  415A.  423A.  441.  441  A. 
442.  453 A. 

IV,  S.  3A.  4.  7A.  8A.  12A.  14A.  17 A. 
24  A.  27.  42.  58.  62  A.  63  A.  64  A. 
65  A.  67.  71.  72.  72  A.  77  A.  80. 
91  A.  92A.  93 A.  96A.  133.  136A. 
156  A. 

VI,  S.  91A.  105.  106.  108.  HO.  IIOA. 
137.  163.  166  A.  168  A.  176  A.  190. 
191 A.  192A.  200 A.  201.  205 A. 
215.  215  A.  219  A. 
Muh i eddin,  Emir,  Sohn  des  Emirs 
Abd  el  Cadir  (1883). 

III,  S.  406  A. 

Munir   Pascha,   türk.   Minister  des   In- 
nern 1885/91. 

IV,  S.  347. 


26* 


403 


Murad  V.,  türk.  Sultan  Mai  bis  August 
1876. 
II,  S.  332.  332  A. 

Murawiew,  Michael  Graf,  russ.  Bot- 
schaftsrat in  Berlin   1884/Q3. 

IV,  S.  114.  116. 

V,  S.  55.    65.    66.    67.    2Q3.    2Q4.   295. 
296.   297.  310.   346. 
Musurus  Pascha,  türk.  Botschafter  in 
London   1856/85. 
II,  S.  20.   21.  22.   144.   269. 
Mutkurovv,  Mitglied  der  Regentschaft 
des    Fürstentums    Bulgarien    1886 
bis  1887. 

V,  S.  58  A.  166.  167.  174.  178.179.184. 

N'achtigal,  Gustav,  Generalkonsul  in 
Tunis  1883/85,  Kommissar  für 
Westafrika  (1884). 

III,  S.  425.   432. 

IV,  S.  78.  79. 

Namyk   Pascha,  türk.  General   (1878). 

II,  S.  171A. 
Nancy,    s.  Foulon,  Bischof  von. 
Napoleon   III.,  Kaiser  der  Franzosen 
1852/70. 
I,  S.  11.  14.  53.  109  A.  114.  115.312. 
II,  S.  16  A. 
III,  S.  57.  197.  428. 
V,  S.  229. 

VI,  S.  101.  102.  103.  103  A.  216  A.  358. 
Nassr    ed-din,    Schah    von    Persien 
1848/96. 
II,  S.  328. 
Natalie,  Königin  von  Serbien,  Gemah- 
lin  König  Milans. 
V,  S.  133. 

VI,  S.  315A.  323.  336. 
Natschewitsch,    bulg.  Minister   des 
Äußern  (1886). 
V,  S.  88.  341.  350. 
Neapel,  s.  Franz  II. 
Nekliudow,      Vizegouverneur       von 
Nischni-Nowgorod  (1887). 
V,  S.  294.   294  A.  295.   297.  298.  310. 
311.  315. 
Nelidow,    von,    russ.    Botschafter    in 
Konstantinopel   1883/97. 
II,  S.  204A. 

III.  S.  288.    299.   322.   368. 

IV,  S.  115.  116. 

V,  S.  4.  13  A.  15.  16.  17.  18.  19.  20. 
158.   166.  167,   171. 

VI,  S.  4.  8. 


Nieter,  Leiter  des  belg.   Bureaus  der 
ausländischen    Presse    in    Brüssel 
(1890). 
V,  S.  349. 

Nigra,  Conte,  ital.  Botschafter  in  Lon- 
don 1883/85,  in  Wien  1885/1904. 

IV,  S.  121.  191.  197.  232.  320.  350.389. 
V,  S.  202. 

VI,  S.  265.  266.  267.  269.  271.  272.  273. 
Nikolaus  I.  (Nikita),  Fürst  von  Mon- 
tenegro 1860/1919. 
II,  S.  257.  296. 
V,  S.  31.  36. 

VI,  S.  344.   344  A.  354.   354  A.   355. 
Nikolaus  Alexandrowitsch,  Großfürst- 
Thronfolger   von    Rußland,    Sohn 
Alexanders   III.,   nachmal.    Kaiser 
Nikolaus  II. 

III,  S.  339  A.  342. 

IV,  S.  41. 
VI,  S.  288. 

Nikolaus  Michailowitsch,  Großfürst, 
Sohn  des  Großfürsten  Michael 
Nikolajewitsch. 

V,  S.  303.  305.  305  A.  306. 
VI,  S.  116.   116A.   117. 

Nikolaus    Nikolajewitsch,    Großfürst, 
Bruder  Alexanders  II. 
II,  S.  45.  48.  50.  51.  52.  151.  152.  171. 

171  A.   172.  176.  178. 
V,  S.  349  A. 
Niox,  franz.  Oberst. 

VI,  S.  130. 
Noailles,     Marquis    de,    franz.     Bot- 
schafter   in    Konstantinopel    1882 
bis  1886. 

IV,  S.  118. 

V,  S.  13  A.   15.  16.   17.  20. 
Nobiling. 

II,  S.  330  A. 
Northcote,  Sir  Stafford  Henry,  seit 
1885  Lord  Iddesleigh,  engl.  Schatz- 
kanzler im  Kabinett  Beaconsfield 
1874/80,  Staatssekretär  des  Äußern 
im  zweiten  Kabinett  Salisbury  1886 
bis  1887. 
II,  S.  219.  238. 

IV,  S.  149.  149  A.  150.  151.  152.  153  A. 
154.  157.  158.  159.  160.  161.  163. 
164.   165.  274.  275.  277.  285.  289. 

V,  S.  171. 

Nothomb,  Baron  de,  belg.  Gesandter 
in  Berlin  1845/81. 
I,  S.  295A. 


404 


Notowitsch,  russ.  Journalist,  Heraus- 
geber der  „Nowosti"  (1886). 
V,  S.  95. 
Nowikow,   von,  russ.    Botschafter   in 
Wien  1870/80. 
II,  S.  82.  111.  169.  172.  177.  185.  192. 
196.  197.  197  A.  200.  201.  202.  203. 
242.  253.  257.  297.  303.  332. 
III,  S.  9. 
Nubar   Pascha,  ägypt.   Minister  des 
Äußern  1866/74,  1875/76,  1878. 
II,  S.  147.   147  A.   148.   149.   155.   156. 
157. 

Oberhoffer,    preuß.    Oberst,    Abtei- 
lungschef   im    Großen     General- 
stab (1888). 
VI,  S.  260. 
Obolenski,  Fürst,  Kanzleidirektor  im 
russ.  Ministerium  des  Äußern  1887 
bis  1890. 
V,  S.  258.  349  A. 
Obrenowitsch,  s.  Alexander,  Milan  I. 
Obrutschew,  russ.  General,  Chef  des 
Generalstabes   1881/98. 
III,  S.  141.   141  A.  297.   311.   319.  323. 
V,  S.  82.   120.  307. 

VI,  S.  31.  32.  94  A.  106.  107.  109.  119. 
352.   353. 
Obrutschew,   Mme  geb.   Milot,  Ge- 
mahlin des  russ.  Generalstabschefs. 
VI,  S.  94.   119.  120. 
Odian   Ef feudi,  Unterstaatssekretär  im 
türk.  Ministerium  der  öffentl.  Ar- 
beiten (1877). 
II,  S.  133.  134. 
Österreich,     s.    Albrecht,    Elisabeth, 
Franz    Joseph    I.,    Karl    Ludwig, 
Rudolf. 
Okunew,  russ.  Botschaftsrat  in  Paris 
(1871). 
I,  S.U. 
Oldenburg,  s.  Alexander. 
Olga,  Königin  von  Griechenland,  Ge- 
mahlin König  Georgs  I.,  Tochter 
des  russ.  Großfürsten  Konstantin 
Nikolajewitsch. 
III,  S.  265. 
Onou,  russ.  Botschaftsrat  in  Konstan- 
tinopel (1879). 
III.  S.  87. 
Ordega,   franz.  Gesandter  in   Tanger 
1881/84. 
III,  S.  410. 


Orleans,    s.  Aumale,  Dupanloup,   Bi- 
schof von,  Philipp. 
Orlow,  Nikolai  Fürst,  russ.   Botschaf- 
ter   in    Paris    1872/84,    in    Berlin 
1884/85. 
I,  S.  299.    314. 
II,  S.  130. 

III,  S.  9.  54.  93.  297.  318.  318  A.  322. 
323.  323  A.  324.  327.  334.  376. 
Ormesson,  Comte  d', franz. Botschafts- 
rat in  Petersburg  1886/92. 
VI,  S.  99.  104. 
Ostrowski,    russ.    Minister   der    Do- 
mänen   1881/93. 
V,  S.  52.    306.   308. 
Oubril,  Paul  von,  russ.  Botschafter  in 
Berlin   1871/80,   in   Wien   1880/82. 
I,  S.  107. 

II,  S.  29A.  32  A.  35,  36.  47.  48.  49. 
50.  51.  52.  58  A.  73.  95.  105.  119. 
125.  127.  131.  162  A.  176.  177.  178. 
179.  181.  187.  188.  189.  191.  192. 
193.  194.  195.  196.  197.  202.  209. 
213.  214.  223.  224.  232.  233.  241. 
273.  278.  279.  294.  295.  296.  297. 
312.   322.  323.   333. 

III,  S.  3.    149.    156.    158. 
VI,  S.  357  A. 

Paget,  Sir  Augustus,  engl.  Botschafter 
in   Wien  1884/93. 

IV,  S.  116.  117.  277.  277  A.  278.  293. 
294.   319.  347.   350.   355.  385. 

VI,  S.  345. 
Pallain,    Direktor    im    franz.    Finanz- 
ministerium (1884). 
III,  S.  437. 
Panwitz,  von,  preuß.  Major,  Adjutant 
des  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm 
(1878). 
II,  S.  329.  330. 
Paris,    s.  Philipp,  Guibert,  Erzbischof 

von. 
Pa  Sit  seh,    serb.  Politiker  (1884). 

III,  S.  366. 

Patrimonio,  franz.  Generalkonsul, 
Mitglied  der  Kommission  zur  Fest- 
setzung der  Grenzen  des  Sulta- 
nats Sansibar  1885/86. 

IV,  S.143A. 

P  e  r  i  e  r ,  s.  Casimir  Parier. 
P^rigueux,    s.  Dabert,   Bischof  von. 
Persiani,  russ.  Gesandter  in  Belgrad 
1878/95. 


405 


V,  S.  22.  23.   134. 
VI,  S.  323. 
Persien,  s.  Nassr  ed-din. 
PeterKarageorgewitsch,  nachmal. 
König  Peter  I.  von  Serbien. 
VI,  S.  344.  344  A. 
Peter  Nikolajewitsch,  Großfürst,  Neffe 
Alexanders  II. 
VI,  S.  355  A. 
Peyramont,   Chefredakteur  der  „Re- 
vanche" (1886). 
VI,  S.  147. 
Philipp,    Graf   von    Flandern,    Bruder 
Leopolds  II.  von   Belgien. 
V,  S.  33SA. 
Philipp,  Prince  d'  Orleans,  Comte  de 
Paris. 

III,  S.  408. 
VI,  S.  123. 

P  h  o  t  i  a  d  e  s  Pascha,  türk.  Botschafter  in 
Rom  1886/89. 

IV,  S.  187. 

Picard,  franz.  Minister  des  Innern  1871. 

I,  S.  14. 
Pius  IX.,  Papst  1846/78. 

I,  S.  218.    263.   271. 

III,  S.  197. 

Plessen,  Ludwig  Freiherr  von,  erster 
Botschaftssekretär  in  London  1884 
bis  1888. 

IV,  S.  68.  79.  79  A.  80.   132.  133.  141. 
152A.  353. 

Pobedonoszew,  Konstantin,  General- 
prokurator des  russ.  heiligen  Sy- 
nods  1889/1905. 
III,  S.  288.   288  A.  341.  342. 
V,  S.  46.  71.  73.  75.  82.  261.  306.  308. 

317.  325. 
VI,  S.  40.  41.  41  A.   100.  349. 
Poggenpohl,  Redakteur  der  „Corre- 
spondance  russe"  (1877,  1879). 
II,  S.  130. 

III,  S.  29. 

Polignac,    Prince   de,    franz.    Militär- 
attache in  Berlin  1872/76. 
I,  S.  272.    272  A.    281. 
Polowtzow,  Direktor  der  russ. Reichs- 
kanzlei (1887). 
VI,  S.  111. 
Ponsonby,   Sir  Henry,   Geheimsekre- 
tär der  Königin  Viktoria  von  Eng- 
land (1884). 

IV,  S.  85.  86.  87. 


Poschinger,  Heinrich  Ritter  von,  Hi- 
storiker (1890). 
VI,  S.  372. 
Pothuau,   franz.  Marineminister  1871. 

I,  S.  26. 
Pourtales,  Graf  von,  zweiter  Sekre- 
tär   bei    der    Botschaft    in    Paris 
1885/87. 
VI,  S.  160. 

Pouyer-Quertier,      franz.     Finanz- 
minister  1871/72. 
I,  S.  13A.    35  A.   38.    44.    50.   52.  61, 
62.  62  A.  63.  67.  67  A.  68.  69.  74. 
77.  78.  85.  86  A.  87.  88.  89.  89  A. 
90.  90  A.  91.  91  A.  95.  104. 
Powell,  engl.  Konsul  in  Apia  (1886). 
IV,  S.  143. 

Preußen,  s.  Adalbert,  Augusta,  Au- 
guste Viktoria,  Friedrich  III., 
Friedrich  Karl,  Friedrich  Wil- 
helm, Heinrich,  Sophie,  Viktoria, 
Wilhelm  I.,  Wilhelm  Prinz  von, 
Wilhelm  Kronprinz  von,  Wil- 
helm IL 

Puttkamer,  von,  preuß.  Kultus- 
minister 1879/81. 

III,  S.  105. 

R  a  d  o  1  i  n  s  k  i ,  Graf  von,  erster  Sekretär 
bei    der    Botschaft    in    Konstanti- 
nopel 1876/81,  später  Hofmarschall 
des  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm. 
II,  S.  344  A. 

IV,  S.  316  A. 

Radowitz,  Joseph  von,  Gesandter  in 
Athen  1874/82,  zeitv/eise  im  A.  A., 
in  außerordentlicher  Mission  in 
Petersburg  1875  und  Paris  1880 
bis  1882,  Botschafter  in  Konstan- 
tinopel 1882/92. 
I,  S.  254  A.  277  A.  278  A. 
II,  S.  58.   58  A.  337  A. 

III,  S.  7A.  13  A.  105.  254.  394  A.  399  A. 
402  A. 

IV,  S.  7A.  14A.  113.  165A.  168.  170. 
171.  276.  290  A.  314.  315.  346. 
346  A. 

V,  S.  4.    13A.   15.    17.    19.   203.  204. 

324  A. 
VI,  S.  4.  4A.  8.  38.  94  A.  339  A. 

Raff  auf,  Konsul  in  Kiew  (1890). 
VI,  S.  362  A.   364.  365.   366. 


406 


Raffray,    franz.   Konsul    in    Sansibar 
(1886). 
IV,  S.  146. 
Rantzau,  Cuno  Graf  zu.  Kommissari- 
scher Hilfsarbeiter  im   A.  A.   1877 
bis   1880,   Vortragender   Rat   1880 
bis     1888,    preuß.    Gesandter     in 
München  1888/91. 
III,  S.  149  A.  409  A. 
VI,  S.  216  A.  339  A. 
Rechenberg,   Freiherr  von,  General- 
konsul in  Warschau  (1887,  1890). 
V,  S.  293. 
VI,  S.  362  A. 
Remusat,    Charles   Comte   de,    franz. 
Minister  des  Äußern  1871/73. 
I,  S.  65.  65  A.  66.  67.  70.  72.  75.  76. 
77.   85.   89.    103.    105.    105  A.   106. 
111  A.  120.  121,  124.  133.  138.  139. 
141.   142.  143.   144.  146.  166.  179. 
184. 
Reschid    Bey,   persönlicher   Sekretär 
des  türk.  Sultans  Abdul  Hamid  II. 
(1881,  1885). 

III,  S.  403.  403  A. 

IV,  S.  25.  117.  118. 

Reßmann,     ital.     Geschäftsträger     in 
Paris  (1886). 

IV,  S.  187.   190.   193. 
VI,  S.  94.  137  A. 

R  e  u  f  Pascha,  türk.  General,  Großmeister 
der  Artillerie  (1878). 
II,  S.  171.  221. 
Reuß,  Heinrich  VII.  Prinz,  Gesandter 
und     Botschafter    (seit    1871)     in 
Petersburg  1867/76,  außerordentl. 
Botschafter  in  Konstantinopell877 
bis  1878,  Botschafter  in  Wien  1878 
bis  1894. 
I,  S.  1 1 1  A.  235  A.  239  A.  254  A.  295  A. 
II,  S.4.  150  A.  152.  159.  164.  165.230. 
337  A.  341  A. 

III,  S.  81  A.  98.  103.  107  A.  109  A.  116. 
117.  119.  124.  132.  156.  157.  162. 
174.  183  A.  184  A.  188.  216.  237. 
241.  241  A.  245.  251  A.  258.  268  A. 
314.  329.  347  A.  348  A.  351.  368. 
395  A.  441  A. 

IV,  S.  202  A.    222.    223.    240  A.    351 A. 

V,  S.  26  A.  34.  38  A.  68.  76.  78.  124. 
125.  126.  131.  136.  138.  144.  145  A. 
148  A.  149.  150.  150  A.  187.  218. 
219.  279  A.  282.  284.  285.  286  A. 
289.  324  A.  338.  340.  341.  344.  346. 
347. 


VI,  S.  24  A.   28.   29.   55.   55  A.  63.  79. 
135  A.    172  A.    180  A.    292  A.    345. 
345  A.  363  A. 
Reutern,  von,  russ.  General,  Militär- 
bevollmächtigter  in  Berlin  1874/79. 
III,  S.  14.  21. 
Richter,   Eugen,  Mitglied  des  Reichs- 
tags (1886). 
V,  S.  128.  129. 
Ring,  Baron,  franz.  Legationsrat  (1871). 

I,  S.  7. 
R  i  s  t  i  t  s  c  h  ,     serb.    Ministerpräsident 
1876/80,  1887/88. 

III,  S.  355.  355  A. 

V,  S.  5.   11.   133.   197. 
VI,  S.  8. 
Ristow,   preuß.  Major  z.  D.,   türk.  Ge- 
neral (1885). 

IV,  S.  115. 

Robilant,  Nicolis  Conte  di,  ital.  Ge- 
sandter bzw.  Botschafter  in  Wien 
1871/1885,  Minister  des  Äußern  im 
Kabinett  Depretis  1885/87. 

III,  S.  183.  184  A.  186.  191.  192.  194. 
195.  202.  204.  205.  208.  209.  210. 
211.  213.  215.  218.  220.  222.  223. 
224.  225.  227.  228.  229.  231.  232. 
233.  234.  240.   242.  243.  244.  245. 

IV,  S.  117.  181.  181 A.  182.  183.  184. 
185.  186.  187.  188.  189.  190.  191. 
192.  193.  194.  195.  196.  197.  198. 
199.  200.  201.  202.  202  A.  203.  204. 
206  A.  208.  209.  210.  211.  212.213. 
215.  216.  219.  220.  223.  224.  226. 
227.  230.  231.  232.  234.  235.  238. 
240.  241.  242.  243.  244.  245.  246. 
247.  248.  249.  250.  252.  253.  297. 
299.  304.  306.  307.  309.  312.  316. 
319.  320.  321. 

V,  S.  44.  202. 

Robilant,  Conte  di,  ital.  Kapitän,  Mi- 
litärattache in  Berlin   (1887/88). 
VI,  S.  240.   260. 
R  o  d  i  c  h ,  von,  österr.-ung.  Feldmarschall- 
leutnant (1878). 
II,  S.  260  A.   261. 
Rößler,  Konstantin,  Publizist. 

I,  S.  253  A.    254  A. 
Röszler,  Kanzlerdragoman. 

VI,  S.  362  A. 
Rohlfs,  Generalkonsul  in  Sansibar  1884 
bis  1885. 
IV,  S.  144.  144  A. 
Rommel. 
VI,  S.  142, 


407 


Roon,  Albredit  Graf  von,  preuß.  Kriegs- 
minister 1859/73. 
I,  S.  168. 

Rosebery,  Archibald  Earl  of,  Groß- 
siegelbewahrer und  Bautenminister 
1885,  Staatssekretär  des  Äußern 
1886  im  Kabinett  Gladstone. 

III,  S.  449.  449  A. 

IV,  S.  85.  101.  101 A.  104.  111.  143. 
143A.  144.  145.  147.  148.  149.  407. 

V,  S.  44.  45. 
Rosetti,  rum.  Kammerpräsident  (1883). 

III,  S.  267. 
Rotenhan,  Freiherr  von,  erster  Bot- 
schaftssekretär   in    Paris    1884/85. 
III,  S.  426  A.   431  A. 
Rothschild,  Bankhäuser  (1884). 

III,  S.  433. 

Rothschild,    Lionel    Baron    von,    In- 
haber des  Londoner   Bankhauses 
(1871). 
1,  S.  87. 
Rothschild,    Pariser    Bankier    (1875, 
1886). 
I,  S.  256. 

IV,  S.  225. 

Rouvier,  franz.  Ministerpräsident  1887 
bis  1888. 
V,  S.  301. 

VI,  S.  116.   118.  190  A.  193.  205. 
Rudolf,  Erzherzog  und  Kronprinz  von 
Österreich,  Sohn  Kaiser  Franz  Jo- 
sephs I. 
VI,  S.  45.   135.  136.  265. 
Rumänien,   s.  Karl  I. 
Russell,    Lord   Odo   (seit   1881    Lord 
Ampthill),  engl.  Vertreter  im  deut- 
schen Hauptquartier  zu  Versailles 
1870/71,  Botschafter  in  Berlin  1871 
bis  1884. 
I,  S.  272.  273.  275.  278.  279.  280.  281. 
281  A.  290.  291.  294  A.  295  A.  296. 
321. 
II,  S.  9.  13.  13  A.  16.  17.  18.  29.  29  A. 
30.  31.  32  A.  69.  69  A.  71.  101.  145. 
153  A.    157.   159.    162A.    193.   194. 
195.  221. 

III,  S.  148.  388. 

IV,  S.  3A.  14A.  21.  25.  25  A.  26.  27. 
28.  49.  63.  64.  65.  70.  72  A.  82. 
82  A.  108. 

Ruß  1  a  n  d ,  s.  Alexander  IL,  Alexander  III., 
Alexander  Alexandrowitsch,  Alexis 
Alexandrowitsch,  Helene  Pawlow- 
na,  Konstantin  Nikolajewitsch,  Ma- 


ria Alexandrowna,  Gemahlin  Alex- 
anders IL,  Maria  Alexandrowna, 
Großfürstin,  Maria  Feodorowna, 
Maria  Nikolajewna,  Maria  Paw- 
lowna,  Michael  Nikolajewitsch,  Ni- 
kolaus Alexandrowitsch,  Nikolaus 
Michailowitsch,  Nikolaus  Nikola- 
jewitsch, Peter  Nikolajewitsch,Wla- 
dimir  Alexandrowitsch. 
Rustem  Pascha,  türk.  Botschafter  in 
London  1885/95. 
IV,  S.  140.   281.  328. 

Saburow,  von,  russ.  Gesandter  in 
Athen  1870/80,  Botschafter  in  Ber- 
lin  1880/84. 

III,  S.  29.  54.  62.  107.  113.  113A.  114. 
133.  139.  139  A.  140.  141.  142.  143. 
144.  147.  148.  149.  150.  151.  152. 
155.  158.  161.  162.  166.  169.  171. 
174.  175.  176.  251.  254.  268.  285. 
286.  287.  288.  289.  291.  292.  293. 
294.  298.  299.  300.  301.  304.  312. 
313.  314.  316.  318.  320.  321.  322. 
323  A.  324.  327.  329.  330.  332.  333. 
365. 

V,  S.  219.  221.  300.  310.  310  A. 
VI,  S.  32.    107.  301. 
Sachsen,  s.  Albert. 
Sachsen-Weimar,  s.  Karl  Alexander. 
Sadullah    Bey    (Pascha),     türk.    Bot- 
schafter in  Berlin  1877/83,  in  Wien 
1883/91. 
II,  S.  161  A.  164.  164 A.  165.  204A. 

IV,  S.  118. 

Safvet     Pascha,     türk.    Minister     des 
Äußern  1876/79,    Großwesir    1878 
bis  1879. 
II,  S.  119A,    134  A.    145.    204  A.   344. 
344  A. 

III,  S.  87. 

Said  Pascha,  türk.  Botschafter  in  Berlin 
1883/85,  Minister  des  Äußern  1885 
bis  1895. 

IV,  S.  118. 

V,  S.  19.  200.  325. 
Saint  Paul,  de. 

IM,  S.  386. 
Saint    Va liier,    Charles    Comte    de, 
franz.     außerordentl.     Kommissar 
beim   Hauptquartier  des  Generals 
von  Manteuffel  1871/73,  Botschaf- 
ter in  Berlin  1877/81. 
I,  S.  102.  149  A.  179.  182.  183.  191  A. 
II,  S.  213.  223.  224.  225.  226.  232. 


408 


III,  S.  381.  381  A.  382.  384.  385.  386. 
387.  388.  388  A.  38Q.  392.  393  A. 
397  A.  398.  398  A.  399.  400.  402. 
402  A. 

Salisbury,  Marquis  of,  engl.  Bevoll- 
mächtigter bei  der  Konferenz  der 
Großmächte  in  Konstantinopel  1876 
bis  1877,  Staatssekretär  des  Äußern 
im  Kabinett  Beaconsfield  1878,80, 
zweiter  Bevollmächtigter  auf  dem 
Berliner  Kongreß  1878,  Premier- 
minister und  Staatssekretär  des 
Äußern  1885/86,  Premierminister 
1886/92,  Staatssekretär  des  Äußern 
1887/92. 
II,  S.  104.  104  A.  105  A.  106.  107.  108. 
109.  110.  119A.  120.  121.  123.  124. 
125.  134  A.  145.  192.  211.  244  A. 
245.  251.  257.  258.  262.  263.  265. 
267.  268.  269.  270.  271.  272.  277. 
278.  279.  280.   289.   290.  291.  292. 

293.  294.  297.  298.  307  A.  311.  312. 
313.  315.  317.  318.  320.  321.  321  A. 
322.  323.  324.  325.  326.  327.  327  A. 
328.  329.  330.  331.  334.  334  A.  335. 
336.  337. 

III,  S.  125  A.  127.  128.  129.  134.  168  A. 
169  A. 

IV,  S.  4A.  7A.  8A.  10.  12.  12A.  13. 
14.  14  A.  15.  100.  108.  131.  131  A. 
132.  134  A.  136.  137.  138.  139.  140. 
141.  143.  143  A.  146.  149.  149  A. 
150.  150  A.  154.  156  A.  157.  158. 
161.  164.  166.  167.  168.  169.  170. 
171.  172.  173.  174.  175.  176.  176  A. 
177.  178.  225.  263.  265.  265  A.  266. 
267.  268.  269.  269  A.  270.  272.  273. 
274.  275.  276.  277.  280.  281.  285. 
287.  288.  289.  290.  292.  293.  293  A. 

294.  294  A.  297.  298.  299.  300.  302. 
303.  304.  305.  306.  307.  308.  309. 
310.  311.  312.  313.  314.  315.  316. 
316  A.  319.  320.  321.  322.  323.  325. 
326.  327.  328.  335.  336.  337.  338. 
340.  341.  342.  343.  344.  345.  346. 
347.  348.  350.  350  A.  353.  355.  356. 
358.  359.  361.  363.  365.  366.  367. 
368.  369.  370.  371.  372.  373.  375. 
376.  376  A.  381.  382.  383.  384.385. 
388.  389.  390.  391.  392.  393.  400. 
400  A.  402.  403.  404.  405.  406. 
406  A.  407.  408.  409.  410.  411.  412. 
413.  414.  415.  416.  417.  418.  419. 

V,  S.  18.  42.  45  A.  84.   174.  175.  177. 
177  A.  186.  191.  324. 


VI,  S.  194.  209.  209  A.  210.  282  A.  289. 
289  A.  347.  356.  356  A.  358. 
Sallier  de  la   Tour,   Conte,   ital.  Ge- 
sandter in  Beigrad  1884/87. 

V,  S.  22.  23.  24  A. 
Samoa,  s.  Malietoa. 
Sansibar,   s.  Bargasch  ben  Said. 
Sarauw,   franz.  Spion. 

VI,  S.  190A. 
Sassuli tsch,     Vera,     russ.    Nihilistin 
(1878). 
II,  S.  309.  309  A. 
Sau  SS  i  er,   franz.  General,   Militärgou- 
verneur von  Paris   1884/98. 
VI,  S.  158. 
Say,  Leon,  franz.  Finanzminister  im  Ka- 
binett Büffet  1872/73,  1875/76. 
I,  S.  165.    180.    181.   264. 
Schakir   Pascha,   türk.   Botschafter  in 
Petersburg  1878/89. 

III,  S.  368. 

V,  S.  325. 

Schelling,    von,    Staatssekretär    des 
Reichsjustizamts  1879/89. 
VI,  S.  182A. 

Schleswig-Holstein,  s.  Christian, 
Helene. 

Schlief fen,  Alfred  Graf  von,  Abtei- 
lungschef im  Großen  Generalstab 
(1888). 

VI,  S.  247.   258.  259.  260. 
Schlözer,  von,  preuß.  Gesandter  beim 

Päpstlichen  Stuhl  1882/92. 
VI,  S.  178A. 
Schlottheim,    Freiherr    von,    preuß. 
General  (1871). 
I,  S.U. 
Schmidt,  Konsul,  Mitglied  der  Kom- 
mission zur  Festsetzung  der  Gren- 
zen  des  Sultanats  Sansibar   1885 
bis  1886. 

IV,  S.  143A.  146. 

Schnäbele,  franz.  Polizeikommissar 
(1887). 

VI,  S.  182.  182A.  183.  183A.  184.  184A. 
185.  186.  187.  188.  189.  191.  191  A. 
192.   199.  204. 

Schröder,    Kapitän   zur  See,   Militär- 
und  Marineattache  in  London  (1888, 
1889). 
IV,  S.  399. 
VI,  S.  261. 
Schuckmann,  von,  Feldjägerleutnant 
(1872). 
I,  S.  134. 


409 


Schuwalow,    Paul    Graf,    russ.    Bot- 
schafter in  Berlin  1885/94. 
V,  S.  42.   43.  46.   49.   50.   51.  55.   65. 
66.   67.   68.    69.   72.   75.   78.   78  A. 

81.  84.  86.  97.  100.  103.  107.  108. 
109.  111.  146.  149.  160.  162.  169. 
169  A.  174.  174  A.  177  A.  179.  182. 
183.  187.  188.  189.  190.  191.  192. 
203.  204.  205.  206.  21 2  A.  213. 
214  A.  218.  222.  223.  223  A.  224. 
225.  226.  227.  228.  229  A.  230. 
231.  234.  235.  236.  237.  238.  240. 
240  A.  241.  242.  243.  244.  244  A. 
245.  245 A.  246 A.  247.  248.  250. 
251.  252.  253.  255.  256.  257.  259. 
260.  264.  265.   268.   274.   275.  277. 

278.  281.  281  A.  304.  309.  310.  311. 
312.  317.  318.  319.  323  A.  336.  342. 
343.  346.  347. 

VI,  S.  50.  92.  109.  115.  281.  288.  290. 
291.  294.  295.  325.  325  A.  330.  337. 
342.  348.  376. 
Schuwalow,  Peter  Graf,  russ.  Bot- 
schafter in  London  1874/79,  Ver- 
treter Rußlands  auf  dem  Berliner 
Kongreß  1878. 
I,  S.  289.   290.  292.   295  A.   296.   297. 

322. 
II,  S.  66A.  134  A.  138.  139.  141 A. 
143  A.  156.  175.  176.  194.  195.  199. 
215.  217.  221.  227.  227  A.  228.  229. 
230.  231.  233.  234.  235.  236.  237. 
238.  239.  240.  241.  242.  244.  258. 
259.   265.  267.   271.   272.  276.  278. 

279.  292.  293.  297.  298.  307.  307  A. 
308.  309.  310.  311.  312.  313.  314. 
315.  316.  319.  320.  321.  321  A.  322. 
323.  324.  325.  326.  327  A.  328.  329. 
331.  333.  335.  336.  337.  337  A. 

III,  S.  3.  4.  5.  6.  8.  9.  13.  29.  52.  53. 

82.  139.  140.  143.  143  A.  168.  168  A. 
169  A.  318.  320. 

V,  S.  46.  47.  48.  73.  73  A.  75.  77.  97. 
98.   101.   106.   110.   112.   160.  161. 
162.    163.   163  A.   212.   212  A.   214. 
214  A.   218.   220.   223.   225.   226. 
VI,  S.  295.  296. 
Schwartzhoff,     von,     Hauptmann, 
zweiter     Militärattache    in     Paris 
(1887). 
VI,  S.  185. 
Schweinitz,  Hans  Lothar  von,  preuß. 
General,  Botschafter  in  Wien  1871 
bis  1876,  in  Petersburg  1876/93. 
I,  S.  189A.  200.  204.  253  A. 


II,  S.  29  A.  31.  32  A.  34  A.  35.  36.  51. 
80  A.  81  A.  85.  91.  91  A.  92.  93.  95. 
125  A.  126  A.  139.  141.  150.  150  A. 
151.  223.  223 A.  262 A.  265.  266. 
270.   296.  333. 

III,  S.  9.  13.  13  A.  23  A.  39.  54.  68. 
78.  125.  285  A.  288  A.  315.  318. 
324.  341.  342.  348  A.  358  A.  403  A. 
440  A. 

IV,  S.  4.  5.  125. 

V,  S.  25.   29.   44.   68  A.   73  A.   77.  85. 
86.   90.   96.    100.    103.    144  A.   145. 
148.  171.  175.  177  A.  182.  183.  185. 
187.   204.   211 A.   212.   245  A.   295. 
347  A. 
VI,  S.  37.  38  A.  41  A.  96  A.  105.  110  A. 
121  A.  177  A.  290  A.  301.  322.  353. 
370. 
Scote,  Charles  Baronet,  erster  Sekre- 
tär   bei    der    engh    Botschaft    in 
Berlin  1883/88. 
IV,  S.  171. 
Sella,    Mitglied   der   ital.    Deputierten- 
kammer (1882). 

III,  S.  214. 

Serbien,  s.  Alexander  Obrenowitsch, 
Karageorgewitsch,  Milan  Obreno- 
witsch I.,  Natalie,  Peter  Kara- 
georgewitsch. 

Server     Pascha,     türk.    Minister     des 
Äußern  1877/78. 
II,  S.  163.  171  A.  344. 

Shiwkow,   Mitglied  der   Regentschaft 
des   Fürstentums  Bulgarien   1887. 
V,  S.  166.   167.   174.   179.   184. 

Sidmouth,  Lord,  Mitglied  des  engl. 
Oberhauses  (1884). 

IV,  S.  57A.   61.  62.   71. 
Simmons,  Sir  Lintorn,  engl.  General, 

Teilnehmer    des     Berliner     Kon- 
gresses 1878. 
II,  S.  335. 
Simon,   Jules,  franz.   Ministerpräsident 
1876/77. 
L  S.  323  A. 
Sinowiew,  Chef  des  asiatischen  De- 
partements  im    russ.    Ministerium 
des  Äußern  (1884,  1886,  1887). 
III,  S.  374. 

V,  S.  61.   170,  222.  316.  329. 
Skobelew,    Michael,    panslawistischer 
russ.  GeneraL 
III,  S.  213A.  291.  373. 
VI,  S.  31.   42.   107. 


410 


Smith,    Euan,   engl.    Oberst,    General- 
konsul  und   politischer   Agent   in 
Sansibar  (1887). 
IV,  S.  169. 
Smith,  William  Henry,  erster  Lord  des 
Schatzes  im  zweiten  Kabinett  Salis- 
bury  1887/91. 
IV,  S.  382. 
Sobolew,  russ.  General,  bulg. Minister- 
präsident und  Minister  des  Innern 
1882/83. 
III,  S.  367  A. 
Solms-Sonnenwalde,  Graf  zu,  Bot- 
schafter in  Rom  1887/93. 
V   S.  324  A. 

VI,'s.  207A.    219.    220  A.    234.    234  A. 
240.  273.  292  A.  339  A. 
Sophie,   Prinzessin  von   Preußen,  Ge- 
mahlin des  Kronprinzen  Konstan- 
tin von  Griechenland  (1889). 
VI,  S.  360  A. 
Soubeyrun,  de,  franz.  Publizist. 

III,  S.  392. 

Spanien,   s.  Alfons  XII.,  Carlos. 
Sumarokow,  von,  russ. General  (1876). 

II,  S.  55  A.  60.  61  A.  74. 
St  aal,  von,  russ.   Botschafter  in  Lon- 
don 1884/1903. 

IV,  S.  76.   120.   121.   125.   269. 
V,  S.  44.   45.   263. 

VI,  S.  106. 
Stambulow,     Mitglied    der    Regent- 
schaft des  Fürstentums  Bulgarien 
1886/87. 
V,  S.  58  A.  166.  167.  174.  179.  184. 
Stanley,  Frederic,  engl.  Staatssekretär 
des  Krieges  im  Kabinett  Beacons- 
field  1878/80. 
II,  S.  252. 
Stanley,  Henry  Morton,  Afrikareisen- 
der (1884). 

III,  S.  425.  426. 

Starcke,  türk.  Konteradmiral  (1885). 

IV,  S.  115. 

Steininger,     Freiherr    von,     österr.- 
ung.  Oberstleutnant,  Militärattache 
in  Berlin  1882/95. 
VI,  S.  24.  55.  56.  57.  57  A.  58.  59.  60. 
61.  64.  71.  72.  73.  75.  77.  79.  84. 
243.    247.   250. 
Stieglitz,  Baron  von,  Bankier  in  Pe- 
tersburg (1884). 
III,  S.  327. 


Stoffel,    Baron,    franz.    Militärschrift- 
steller. 
VI,  S.  221. 
Stoilow,   bulg.  Justizminister  1886/88. 

V,  S.  157.   157  A.   158.   341. 
Stolberg-Wernigerode,       Otto 

Graf  zu,  Botschafter  in  Wien  1876 
bis  1878,  Vizepräsident  des  preuß. 
Staatsministeriums  1878/81. 

II,  S.  91 A.  160.  161.  169.  179.  180. 
188.  189.  197.  231.  295.  296.  303. 
314.  316.  317.   341.   342  A. 

III,  S.  74.    74  A.   77.    78.    84.   92.   105. 
106.  109.  109  A.  110.  111  A.  115  A. 
116. 
Stosch,  Albrecht  von, Generalstabschef 
der  Okkupationsarmee  in   Frank- 
reich (1871). 
I,  S.  71.  73. 
Strantz,  von,  Generalmajor,   Mitglied 
der    deutsch-franz.    Grenzregulie- 
rungskommission  1871. 
I,  S.  8A. 
Stratheden  and  Campbell,  Lord, 
Mitglied   des   Oberhauses    (1878). 
II,  S.  238. 
Stremooukow  (Stremokow),  Direktor 
des  Asiatischen  Departements  im 
russ.  Ministerium  des  Äußern  1870 
bis  1878. 
II,  S.  3.  308. 
Stumm,   Ferdinand,  erster  Botschafts- 
sekretär in  Petersburg  1878/81,  in 
London    1881/83. 

III,  S.llOA. 

IV,  S.  45A.  46  A. 

Sturdza,  Demeter,  rum.  Minister  des 

Äußern   1883/88. 
III,  S.  265.  279.  280,  368. 
Sybel,     Heinrich    von,    Direktor    der 

preuß.  Staatsarchive  in  Berlin. 

VI,  S.  372. 

Szechenyi,     Emerich    Graf,     österr.- 
ung.  Botschafter  in  Berlin  1878/92. 

III,  S.  172.  175.  176.  334.  446. 

IV,  S.  216.  221.  225.  254.  256.  257. 
329  A.  389  A. 

V,  S.  3.  8.  9.   10.  103.  192.  193.  194. 

283. 
VI,  S.  57  A.  66.  68.  70.  71.  82.  83.  85. 
241.   242.   245.   246.   361. 
Szecsen    von    Temerin,    Graf,    außer- 
ordentlicher    österr.-ung.    Bcvoll- 

411 


mächtigter  auf  der   Pontuskonfe- 
renz  in  London   1871. 
II,  S.  22. 
Szeps,  Redakteur  des  „Neuen  Wiener 
Tagblatts"   (1886). 
VI,  S.  136.  136A. 
Szilagyi,  ung.  Justizminister  1889/94. 

V,  S.  123.   124.   124  A. 
Szögyenyi-Maricli,  erster  Sektions- 
chef im  Ministerium  des  Äußern 
1883/92. 

IV,  S.  276.  279. 

V,  S.  142. 

Taaffe,    Graf    von,    österr.    Minister- 
präsident und  Minister  des  Innern 
1879/93. 
V,  S. 141. 
VI,  S.  41. 
Taegen,   Geh.  Sekretär  im   Chiffrier- 
bureau d.  A.  A.  (1887). 
V,  S.  261. 
Tatischtschew,  Graf,  früherer  russ. 
Diplomat,  Publizist. 
V,  S.  310A.  348. 
VI,  S.  111.  123. 
Tausch,  von,  Polizeikommissar  (1887). 

VI,  S.  182A.  183  A. 
T  a  V  e  r  a ,  Schmit  Ritter  von,  österr.-ung. 
Botschaftsrat  in  Berlin  (1886). 

IV,  S.  222. 

V,  S.  143.   144.   149. 
Ternaux-Compans,     franz.    Bot- 
schaftsrat in  Petersburg  (1886). 
VI,  S.  93.  104. 
Tessendorff,  Oberreichsanwalt. 

VI,  S.  202. 
Tewf  ik  Bey,  türk.  Botschafter  in  Berlin 
1886/96. 

V,  S.  190.  200.  325.  326. 
Tewfik,    s.  Mehemed. 
Thibaudin,    franz.    General,    Kriegs- 
minister im  Kabinett  Ferry  1883. 

VI,  S.  140.  140  A. 
Thielmann,    Freiherr   von,    General- 
konsul in  Sofia  1886/87,  preuß.  Ge- 
sandter in  Darmstadt  1887/90. 

IV,  S.  327. 

V,  S.  137. 
VI,  S.  281  A. 

Thiers,     Louis    Adolphe,    Chef    dör 
Exekutivgewalt  der  franz.   Repu- 
blik 1871,  Präsident  der  Republik 
1871/73. 
I,  S.  3.  7A.  8.  8A.  9.  10.  11.  IZ  14. 


22.  24.  29.  47.  48.  50.  52.  53.  54. 

56.  57.  59.  60.  62.  63.  66.  66  A.  67. 

68.  69.  71.  71  A.  72.  73.  75.  77.  78. 

79.  79  A.  82.  83  A.  84.  85.  87.  97. 

98.  107.  108.  108  A.  109.  112.  112A. 

113.  113A.  114.  115.  116.  117.  118. 

118  A.  119.  120.  121.  122.  124.  125. 

126.   127.   128.   129.    130.   131.  132. 

133.   134.  135.   136.   137.  138.  139. 

140.  142.  142A.  143.  144.  146.  150. 

151.  152.  153.  154.  155.  155  A.  156. 

156  A.    157.    157  A.    159.    165.    166. 

167.   168.   169.    170.    171.   173.  174. 

174  A.    175.    178.    179.    180.    180  A. 

181.  182.  183.  183  A.  184.  185.  186. 

188  A.    189  A.    190.    193.    214.   223. 

239.  239  A.  258.  262.  263.  304.  305. 

310.  311.  312.  313.  314.  315.  324  A. 

325.  325  A. 
II,  S.U.  88. 
Thile,  Herman  von,  Staatssekretär  d. 

A.A.  1870/72. 
I,  S.  62  .\.  63.  126. 
Thomas,  franz.  General,  Kommandant 

von  Paris  (1886). 
VI,  S.  130. 
Thornton,    Sir    Edward,    engl.    Bot- 
schafter in  Petersburg  1881/84,  in 

Konstantinopel  1884/86. 
IV,  S.  120. 
Tiedemann,  von,  Hilfsarbeiter,  dann 

Vortragender   Rat  in  der   Reichs- 
kanzlei  1875/81. 
I,  S.  254  A.  308  A. 
Timaschew,  russ.  Minister  des  Innern 

(1878). 
II,  S.  308. 
Tirard,  Pierre,  franz.  Ministerpräsident 

1889/90. 
VI,  S.  220  A. 
Tissot,  erster  Sekretär  bei  der  franz. 

Botschaft  in  London  1869/70,  Bot- 
schafter in  Konstantinopel  1880/82, 

in  London  1882/83. 
II,  S.  10. 

III,  S.  400. 

IV,  S.  40. 

Tisza,    Koloman    von,    ung.    Minister- 
präsident 1875/90. 
III,  S.  251  A.   256.   290.   356. 

V,  S.  4.   126.  127.   136.  138.  141.  142. 
193.  276.  283. 

VI,  S.  40.  278. 
Tolstoi,    Graf,    russ.   Minister    des 
Innern  1882/89. 


412 


III,  S.  376. 
V,  S.  46.  52.  67.  73.  83.  294.  298.  306. 

309.  310.  315.  317.  328.  329. 
VI,  S.  117.  298.  301  A.  323. 
T  o  n  n  e  I  e  t. 

I,  S.  101  A.  104. 
Totleben,  Graf  von,  russ.  General. 
II,  S.  174.  293. 

III,  S.  297. 

Travers,  Konsul  in  Sansibar  (1885/86). 

IV,  S.  144A.  145.  146. 

Trepow,  russ.  General,  Polizeipräfekt 
von  Petersburg  (1878). 
II,  S.  309A. 

Tresckow,   von,   preuß.   Generalleut- 
nant, stellv.  Oberbefehlshaber  der 
Okkupationsarmee   (1872). 
I,  S.  149.    149  A. 

T  r  i  k  u  p  i  s ,     griech.     Ministerpräsident 
1886/90. 

IV,  S.  328. 

Trochu,    franz.    General,    Gouverneur 
von   Paris  1870/71. 
I,  S.  52.  53.  54.  55.  56. 

Trubetzkoi,    Fürst,   Attache  bei   der 
russ.  Botschaft  in  Paris  (1887). 
VI,  S.  109. 

Tscherewin,  russ.  General,  General- 
adjutant  Alexanders  111.  (1886/87). 

V,  S.  51.   52.  53.   54.   329. 
Türkei,  s.  Abdul  Asis,  Abdul  Hamid  IL, 

Mohamed  Selim,  Murad  V. 
Tunis,   s.  Mohamed  Es  Sadok. 
Turnor,   Sekretär   Lord    Beaconsfields 
auf  dem  Berliner  Kongreß. 
II,  S.  335. 

Uebel,    Ministerresident    in    Rio    de 
Janeiro  1874/75. 
I,  S.  283  A. 
Uexküll-Gyllenbandt,  Baron  von, 
russ.  Botschafter  in  Rom  1876/91. 
III,  S.  328. 
V,  S.  44. 
VI,  S.  106. 
Urussow,    Fürst,   russ.   Gesandter   in 
Bukarest  1881/85. 
III,  S.  368. 
Uxkull,   Graf  von,   Vortragender   Rat 
im  württ.  Departement  der  ausw. 
Angelegenheiten  (1871). 
I,  S.  76A. 


Vargas,  mex.  Gesandter  in  Berlin  1887 
bis  1894. 
VI,  S.  221. 
Verneville,  franz.  General  (1886). 

VI,  S.  129. 
Vernouillet,  de,  franz.  Gesandter  in 
Tanger  1877/81. 
III,  S.  397. 
Veuillot,  franz.  klerikaler  Publizist. 

I,  S.  237.   237  A. 
Viktor  Emanuel  IL,  König  von  Ita- 
lien 1861/78. 
I,  S.  228.  256. 
II,  S.  16  A. 

III,  S.  200.  204. 

Viktoria,    Kronprinzessin    des    Deut- 
schen Reiches.  Gemahlin  des  Kron- 
prinzen FriedrichWilhelm,nachmaL 
Kaisers    Friedrich    HL 
II,  S.  326.    330.   330  A. 

IV,  S.  177A. 
V,  S.  56. 

VI,  S.  291.   328.  329.   347. 
Viktoria,  Königin  von  Großbritannien 
und   Irland   1876/1901. 
I,  S.  281.  293  A.  294  A. 
H,  S.  16  A.  104  A.  109.  121.  133. 153  A. 
158.  158  A.  159.  199.  233.  244.  250. 
258 

III,  S.  168  A.    169  A.   345. 

IV,  S.  8.  14  A.  39.  85.  86.  87. 177.  177  A. 
178.  281.  316  A.  337.  343.  344.  371. 
384.  404.  414.  418. 

V,  S.  177. 

VI,  S.  282.  288.  289  A.  291.  294.  294  A. 
331.  347.  358. 
Viktoria,     Prinzessin    von     Preußen, 
Tochter  Kaiser  Friedrichs  IlL 
V,  S.  162A. 

VI,  S.  281  A.  288.  290  A.  292.  329. 
Villa ume,  von,  preuß.  Oberstleutnant, 
Militärattache    in    Paris    1882/87, 
Militärbevollmächtigter  in  Peters- 
burg 1887/93. 
V,  S.  305.  306. 

VI,  S.  123A.  132A.  134.  136.  152.  154. 
Vincent,  Chef  des  geh.  Nachrichten- 
bureaus   im    franz.    Kriegsministe- 
rium (1887). 
VI,  S.  193. 
Vind,  von,  dän.  Gesandter  in  Peters- 
burg 1868/84,  in  Berlin  1884/1902. 
III,  S.  340. 
Vinoy,    franz.  General    (1871). 
I,  S.115. 


413 


Visconti-Venosta,    Marchese,    ital. 
Minister  des  Äußern  im  Kabinett 
Minghetti  1873/76. 
I,  S.  277. 
Vlangaly,   Gehilfe  des  russ.  Ministers 
des  Äußern. 
III,  S.  330. 

V,  S.  61.  170.  222.  258.  306.  307.316. 
VI,  S.  50. 
Vogüe,  Comte  de,  franz.   Botschafter 
in  Wien  1875/79. 
III,  S.  406.  406  A. 
VI,  S.  109  A. 
Vosseur,   franz.  General   (1886). 
VI,  S.  129. 

Waddington,     franz.    Minister     des 
Äußern  im  Kabinett  Dufaure  1877 
bis  1879,  Ministerpräsident  1879/83, 
Botschafter  in  London  1883/93. 
II,  S.  212.   213.  220.   224.   225.   226. 

III,  S.  12.  81.  82 A.  88.  94.  128.  131. 
381  A.  385.  386.  389 A.  390.  391. 
392.  393.  395.  439. 

IV,  S.  91  A.   121.   159.   160.   163. 
VI,  S.  106.   205. 

Wächter,  Baron  von,  württ.  Minister 
des  Äußern  (1871). 
I,  S.  3. 
Waldapfel ,  österr. Agent  in  Bulgarien 
(1887). 
V,  S.  341. 
W  a  I  d  e  m  a  r ,  Prinz  von  Dänemark,  Sohn 
König  Christians  IX.   (1886). 
V,  S.  88. 
Waldersee,  Alfred  Graf  von,  Militär- 
attache in  Paris  1870/71,  General- 
quartiermeister 1882/88,  Chef  des 
Generalstabes    1888/91. 
I,  S.  50  A.  51  A.  60  A.  65  A.  66  A.  69. 
70.  77. 
VI,  S.  57.   57  A.  58  A.   154  A   244.  259. 
Wales,   s.  Alexandra,  Eduard. 
Walsham,   Sir   John,    erster   Sekretär 
bei  der  engl.  Botschaft  in  Berlin 
1878/83. 
IV,  S.  20.  39. 
Walujew,    Graf,    russ.    Minister    der 
Domänen  1872/80. 
III,  S.  29. 
Wannowsky,   russ.   General,   Kriegs- 
minister 1881/97. 
III,  S.  311. 
V,  S.  306. 
VI,  S.  31.  32.  33.  34.  37.  43.  50. 


Warren,    Sir    Charles,    engl.    Oberst, 
Leiter    der    Betschuanaexpedition 
1884/85. 
IV,  S.  92. 
Wartensleben,  Graf  von,  preuß.  Ge- 
neral (1876). 
II,  S.  38. 
Weber,    Ministerresident    in    Tanger 
1874/84. 
III,  S.  396A.   406  A. 
Weber,  von,  bayr.  Staatsrat  im  Mini- 
sterium des  Äußern   (1871). 
I,  S.  76  A. 
Wedel,  Graf  von,  Oberstleutnant,  Mili- 
tärattache in  Wien  1877/87,  April 
bis  Oktober  1879  deutscher  Dele- 
gierter bei  der  bulg.   Grenzkom- 
mission, Mai  bis  Juli  1886  interi- 
mistischer Geschäftsträger  in  Wien. 
III,  S.  13.  347.  347  A.  348.  351. 
V,  S.  149.    149  A.    150. 
VI,  S.  135  A. 
Wellesley,  engl.  Militärattache  in  Pe- 
tersburg (1878). 
II,  S.  324. 
Welsersheimb,  Graf, österr.-ung.Bot- 
schaftsrat  in  Petersburg  (1887). 
V,  S.  327. 
Werder,  von,  preuß.  Generalleutnant, 
Militärbevollmächtigter  in  Peters- 
burg 1871/81. 
II,  S.  37.  37  A.  52.  54.  54  A.  55.  55  A. 
56.  57.  58.  58  A.  59.  61.  61  A.  62. 
63.  68.  68  A.  72.  73.  74.  75.  76.  77. 
77  A.  78.  79.  SO  A.  85.  91  A.  95.  96. 
98.  100.  103.   131.  337. 
III,  S.  17. 
VI,  S.  357. 
Werner,  Anton  von,  Direktor  der  Ber- 
liner Hochscliule  für  die  bildenden 
Künste. 
III,  S.  383.  384. 
Werther,  Freiherr  von,  Botschafter  in 
Konstantinopel  1874/77. 
II,  S.  119.    120.   129.   150  A. 
Wesdehlen,   Graf  von,    Botschaftsrat 
in  Paris  1873/77,  preuß.  Gesandter 
in  Stuttgart  (1888). 
I,  S.  222.   238.  328  A. 
VI,  S.  339A. 
White,  Sir  William,  engl,  außerordentl. 
Gesandter  in  Konstantinopel  1885 
bis  1886,  Botschafter  in  Konstan- 
tinopel 1887/91. 


414 


IV,  S.  158.  171.  278.  292.  346.  347.353. 
353 A.  357. 

V,  S.  13  A.  15.  16.  17.  18.  19.  20.  50. 
166. 
Wilhelm  I.,  Deutscher  Kaiser  u.  König 
von  Preußen. 
I,  S.  3.  4.  5.  6.  20.  22.  37  A.  38.  60. 
62  A.  70.  78.  79.  79  A.  80.  81.  91. 
91  A.  95.  117.  119.  120.  134.  135. 
136.  140.  142.  144.  145.  146.  149  A. 
150  A.  155.  156.  156  A.  160.  161. 
162.  163.  168.  173.  174.  177.  183. 
184.  186.  187.  188.  189.  190.  191. 
191  A.  197  A.  203.  203  A.  205  A. 
206  A.  207.  208.  218.  229.  253  A. 
272  A.  284  A.  293  A.  297.  308  A. 
314.  314 A.  316.  316  A.  317.  318. 
318  A.  319  A.  321.  322.  323.  325. 
327.  327  A.  328. 
II,  S.  5.  14.  16.  16  A.  17.  18.  19.  22. 
34  A.  37.  46.  47  A.  49.  50.  51.  53. 
57.  60.  61.  62.  62  A.  63.  65.  67.  68. 
68  A.  69  A.  72.  78.  83.  84.  86.  87. 
89.  90.  91.  91 A.  93.  95.  96.  98. 
102.  103.  104.  104  A.  110.  127.  128. 
129.  131.  136.  136  A.  145.  147.  159. 
162.  164  A.  169  A,  176.  178.  180. 
182.  184.  207.  241.  242.  262.  264. 
296.  307  A.  309.  309  A.  312.  313. 
330.  330  A.  331. 

III,  S.S.  11.  17 A.  18A.  24.  25.  25A. 
26.  33.  36.  39  A.  44.  45.  46.  47. 
48.  49.  50.  50  A.  51.  54.  59.  60.  61. 
68.  69.  70.  72.  73.  74.  74  A.  75.  83. 
84.  85.  88.  89.  90.  91.  92.  96  A.  101. 
102.  103.  105.  106.  107.  108.  109. 
109A.  110.  111.  IIIA.  113A.  114A. 
116.  117.  118.  119.  120.  121.  122A. 
124.  125.  130.  132.  135.  144.  157. 
159.  161  A.  162A.  163  A.  165.  176. 

208.  222.  229.  231.  235.  237.  240. 
245.  252.  253.  254.  255.  256.  257. 
258.  271.  273.  274.  275.  276.  277. 
277  A.  280.  281.  282.  285.  286. 
302  A.  305.  308.  310.  311.  314.  318. 
318 A.  324.  331.  334.  357.  357 A. 
358.  360.  361.  362.  363.  369  A.  371. 
373.  374.  386.  391.  392.  393.  405  A. 
407.  426.  440.  453  A. 

IV,  S.  5.  32.  33.  35.  50.  55.  56.  94. 
119  A.  121.  124.  172.  173.  200.  204. 

209.  217.  240.  246.  251.  257.  258. 
343.  375.  387.  401.  403. 

V,  S.  51.  55.  55  A.  57  A.  58.  59.  60. 
67.  75.  76.  82.  92.  93.  94.  99.  102. 


109.  111.  112.  114.  151.  161.  162. 
162  A.  163.  172.  181.  187.  190.  195. 
196.  203.  214.  230.  231.  238.  241. 
243.  249.  253.  256.  257.  259.  264. 
265.  272.  288.  289.  295.  301.  305. 
306.  313.  318.  318  A.  319.  324. 
VI,  S.  10.  19.  21.  25.  28.  46.  47.  49. 
55.  56.  57.  58.  60.  61.  62.  63.  77. 
78.  82.  85.  99.  116.  123.  135.  163. 
164.  166.  174.  180.  188.  189.  206  A. 
218.  228  A.  229.  230.  231.  279.  280. 
283.  284.  286.  288.  292.  293.  297. 
304.  308  A.  310.  311.  312.  326.  346. 
346  A.  357.  364.  365.  369.  370. 
Wilhelm,  Prinz  von  Preußen  (s.  auch 
Wilhelm,  Kronprinz,  und  Wil- 
helm II.,  Deutscher  Kaiser). 

III,  S.  276.  339.  339  A.   340.   341.  342. 
361. 

IV,  S.  369.  377.  380. 

V,  S.  55.  56.  57.  57  A.  58.  60.  61.  63. 

64.  65.  152.  301.  328. 
VI,  S.  42  A.  43.  60.  99.   116. 
Wilhelm,  Deutscher  Kronprinz  (s. auch 
Wilhelm,  Prinz  von  Preußen,  und 
Wilhelm  II.,  Deutscher  Kaiser). 
IV,  S.  178. 
VI,  S.  301  A.   307  A. 
Wilhelm    II.,    Deutscher    Kaiser    und 
König  von  Preußen  (s.  auch  Wil- 
helm, Prinz  von  Preußen,  und  Wil- 
helm, Kronprinz). 
IV,  S.  401.   403.  405.   405  A.   407.  409. 

413.  414.  415.  418.  418  A. 
VI,  S.  218.   219  A.  262.   265.   268.   269. 
270.  272.  294A.  301 A.  310A.  31  lA. 
314.  317.  326.   327.  328.  329.  330. 
331.   331  A.   332.   332 A,   333.   334. 
335.  338.  339.  339A.  340.  341.  341 A. 
344 A.   345 A.   346.   347.    348.   351. 
352  A.  353.  360.  360  A.  361.  362  A. 
363.   363  A.   367.    368.   374  A.   375. 
Willi  seh.  Geh.  Hof  rat,  Bureauinspek- 
tor im  Chiffrierbureau  d.  A.  A. 
V,  S.  138. 
Wimpffen,    Felix    Graf,    österr.-ung. 
Botschafter  in  Paris  1876/78, 1882, 
österr.-ung.    Botschafter    in    Rom 
1879/82. 
I,  S.  318A.   319. 
III,  S.  184.  185.  194.  196.  198.  210.211. 
215.  217.  220. 
Windthors  t,  Mitglied  des  Reichstags 
und    des    preuß.    Abgeordneten- 
hauses. 


415 


IV,  S.  176A. 
V,  S.  128.   129.  214  A. 
Wladimir  Alexandrowitsch,  Großfürst, 
zweiter  Sohn  Alexanders  II. 

II,  S.  127. 

V,  S.  68.   75.  76.   77.  78.  79.  80.  81. 
82.  83.  84.  160.  161.  170.  222.  223. 
225.  237. 
VI,  S.  99.  280.  294.  295.  296.  297.  298. 
332.  353. 
Wolff,   Sir   Henry   Drummond-,   engl. 
Gesandter  in  außerordentl.  Mission 
beim  türk.  Sultan  und  High  Com- 
missioner  von  Ägypten  1885/87. 
IV,  S.  165.   165A.  171.   174  A.  276A. 
Wolkenstein-Trostburg,  Graf 
von,    österr.-ung.   Botschafter    in 
Petersburg  1882/94. 

III,  S.  317.  330.  333.  340.  351. 
IV   S.  275. 

V,  S.  211.    216.    217.    233.    234.    236. 

238.  307.  313. 
VI,  S.  3.  9.  18.  30.  31. 
Wolseley,    engl.    General,    Komman- 
deur    des     Expeditionskorps     in 
Ägypten  1882. 

IV,  S.  33  A. 

Wood,  Sir  Richard,   engl.   Agent  und 
Generalkonsul  in  Tunis  1855/79. 
III,  S.  387A. 

Woronzow-Daschkow,  Graf,  russ. 
Minister  des  Kaiserlichen  Hauses 
1881/97. 

III,  S.  296.    374. 
V,  S.  69. 

W  u  e  r  s  t. 

VI,  S.  212. 
Württemberg,    s.  Karl  I. 
Wulkowitsch,  bulg.  Agent  in   Kon- 
stantinopel (1887). 
V,  S.  341.   348.  350. 


Wyndham,   George   Hugh,  engl.   Mi- 
nisterresident, dann  Gesandter  in 
Belgrad  1885  88. 
V,  S.  22.    23.    24  A. 

Wyschnegradski,  russ.  Finanzmini- 
ster 1887/90. 

V,  S.  308. 

VI,  S.  123.  323.  330. 

Yorck     von     Wartenburg,     Graf, 
Hauptmann,     dem     Militärbevoll- 
mächtigten   in    Petersburg    atta- 
chiert  (1889). 
VI,  S.  123.   123A.  341.  341  A. 

Zagulejew,  russ.  Journalist  (1886). 

V,  S.  70. 
Zamojsky,    Graf,    Führer    der    poln. 
Emigranten  in  Frankreich  (1879). 
III,  S.  89. 
Zeretelew,  Prinz,  russ.  Generalkonsul 
in  Philippopel  (1879). 
III,  S.11. 
Zia    Bey,   türk.   Gesandter   in    Belgrad 
1885/90. 
V,  S.  22. 
Zichy,   Graf,   österr.-ung.    Botschafter 
in  Konstantinopel  1874/79. 
II,  S.  120.   341.  341  A.   342.   344. 
III,  S.  350. 
Zichy,  Graf,  Mitglied  der  ung.  Dele- 
gationen (1887). 
V,  S.  341. 
Zimmermann,    von,    russ.  General 
(1874). 
I,  S.  234. 
Zorka    Ljubitza,     Prinzessin    von 
Montenegro. 

VI,  S.  344A. 


416 


Berichtigungen  zu  Band  I— VI 


27    Die  Große  Polit  k.    6.  Bd. 


Band  I. 

S.    81,  Zeile  11  von  oben  lies  „Aufschub-",  statt  „Aufschub". 
S.  122,  Zeile  6  von  unten  lies  „Votre  note",  statt  „notre  note". 
S.  213,  Anm.  **  die  Fassung  im  Texte  „mit  der  Republik"  besteht  zu  Recht 
gegenüber  der  Emendierung  „mit  der  Monarchie". 

Band  II. 

S.  127,  Zeile  3  von  oben  lies  „Ausschreitungen",  statt  „Ausschreibungen", 
S.  209,  Zeile  2  von  unten  lies  „Her  Majestys",  statt  „His  Majestys". 
S.  335,  Zeile  14  von  oben  lies  „Tumor",  statt  „Turner". 

Band  III. 

S.    13,  Zeile  9  von  oben  lies  „Wedel",  statt  „Wedeil". 
S.    30,  Zeile  13  von  oben  lies  „Gelegenheit",  statt  „Gelenheit". 
S.    87,  Zeile  7  von  oben  lies  „Onou",  statt  „Onon". 
S.  119,  Zeile  6  von  unten  lies  „beispiellose",  statt  „beispielslose". 
S.  190,  Anm.*,  Zeile  4  lies  „Mancini",  statt  „Maneini". 
S.  213,  Anm.***,  Zeile  2  lies  „Skobelew",  statt  „Skobolew". 
S.  287,  Anm.  die  Worte  „Österreich-ungarischer"  sind  zu  streichen. 
S.  369,  Anm.*,  Zeile  2  lies  „Kälnoky",  statt  „Kälnocky". 
S.  389,  Anm.**,  Zeile  1  lies  „1879",  statt  „1878". 
S.  451,  Anm.,  Zeile  2  von  unten  lies  „Minister  des  Äußern",  statt  „Minister- 
präsident". 

Band  IV. 

S.    25,  Anm.  ***,  Zeile  2  lies  „Ernennung",  statt  „nennung". 

S.    26,  Zeile  9  von  oben  lies  „Interesses",  statt  „Interesse". 

S.    97,  Zeile  6  von  oben  lies  „durch",  statt  „druch". 

S.  158,  Anm.**,  letzte  Zeile  lies  „1886",  statt  „1899". 

S.  174,  Zeile  8  von  unten  lies  „Afghanistan",  statt  „Abghanistan". 

S.  190,  Zeile  18  von  oben  lies  „pret",  statt  „prets". 

S.  225,  Anm.  *,  Zeile  4  lies  „Gotthardlinie",  statt  „Gotthardtlinie". 

S.  251,  Zeile  8  von  oben  lies  „la  mer",  statt  „le  mer". 

S.  270,  Anm.  *,  Zeile  2  lies  „Hatzfeldt",  statt  „Hatzfeld". 

S.  339,  Anm.,  Zeile  1  lies  „7.  Juli",  statt  „7.  August". 

S.  355,  Zeile  2  von  oben  lies  „accord  ä  trois",  statt  „accord  trois". 

S.  373,  Zeile  14  von  unten  lies  „H[atzfeldt]",  statt  „K[älnoky]". 

Band  V. 

S.    24,  Anm.  *,  Zeile  1  lies  „Vertreter",  statt  „Botschafter". 

S.  304,  Zeile  8  von  unten:  Die  Lesart  „drei  Jahre  statt  fünf"   ist  offenbar 

ein  Schreibfehler  Graf  Rantzaus;  die  richtige  Lesart  wird  sein:   „fünf 

Jahre  statt  drei". 

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