Brigham Young University
t,V: 1967()6
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in 2010 with funding from
Brigham Young University
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* '^
Die
Große Politik der
Europäischen Kabinette
1871-1 914
Sammlung der Diplomatischen
Akten des Auswärtigen Amtes
Im Auftrage des Auswärtigen Amtes
herausgegeben von
Johannes Lepsius
Albrecht Mendelssohn Bartholdy
Friedrich Thimme
1
DEUTSCHE VERLAOSOESELLSCHAFT FÜR POLITIK
UND GESCHICHTE M.B.H. IN BERLIN W8
6. Band:
Kriegsgefahr in Ost und West
Ausklang der Bismarckzeit
1967(16
1 9 2
DEUTSCHE VERLAOSGESELLSCHAFT FÜR POLITIK
UND GESCHICHTE M.B.H. IN BERLIN W8
1. Auflage
1.— 13. Tausend
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung vor-
behalten / Für Rußland auf Grund der deutsch-
russischen Übereinkunft / Amerikanisches Co-
pyright 1922 by Deutsche Verlagsgesellschaft
liir Politik und Geschichte m. b. H. in Berlin
\V 8 / Unter den Linden 17/18 / Gedruckt in
der Buchdruckerei Oscar ßrandstetter in Leipzig
Inhaltsübersicht des sechsten Bandes
KAPITEL XXXVIl
Russisch-Österreichische Kriegsgefahr 1887 — 1888 1
KAPITEL XXXVIII
Österreichisch-Deutsche Besprechungen über den casus foederis 1 887—1 888 53
KAPITEL XXXIX
Russisch-Französische Allianzfühler 1886 — 1890 8^
KAPITEL XL
Französisch- Deutsche Kriegsgefahr und ihre Nachwirkungen 1886 — 1890 125
KAPITEL XLI
Italiens Mitwirkung für den Fall eines französisch-deutschen Krieges .... 223
KAPITEL XLU
Kaiser Friedrich III. Das Battenbergsche Heiratsprojekt 275
KAPITEL XLIII
Kaiser Wilhelm IL, Bismarck und die auswärtige Politik 1888—1890 299
Namenregister zu Band I — VI 377
Berichtigungen zu Band I — VI 417
Ein ausführliches Namen- und Sachverzeichnis erscheint zum Schluß des
gesamten Werkes
Kapitel XXXVII
Russisch-Österreichische Kriegsgefahr
1887—88
1 Die Große Politik. 6. Bd.
Nr. 1150
Der Geschäftsträger in Wien Graf Monts an den Reichskanzler
Fürsten von ßismarck
Ausfertigung
Nr. 442 Wien, den 7. November 1887
Die Stimmung der hiesigen maßgebenden Kreise gegen und be-
treffs Rußland verdüsterte sich in den letzten Tagen zusehends. Graf
Wolkenstein hat in mehreren Privatbriefen dem Grafen Kälnoky wenig
erfreuliche Schilderungen von den in der dortigen Staatsleitung, nament-
lich aber im auswärtigen Departement herrschenden, an Anarchie
grenzenden, disziplinlosen Zuständen gemacht, Mitteilungen, die zwar
nichts Unbekanntes brachten, aber doch das Gefühl, sich unberechen-
baren Potenzen gegenüber zu wissen, noch vermehrten.
Die jetzt endgültig bestätigte Meldung der Verlegung der 13. Ka-
valleriedivision in den südöstlichen Teil des Königreichs Polen wirkt
ferner verstimmend auf Graf Kälnoky. Derselbe machte mich heut
darauf aufmerksam, daß die Division von ihren neuen Garnisonsorten
aus gemeinsam mit der ohnehin in jenen Gegenden schon überaus
zahlreichen Reiterei den Teil Galiziens bedrohe, in dem sich mehrere
Bahnlinien kreuzten, und welcher daher für den Aufmarsch der öster-
reichischen Armee von größter Wichtigkeit sei. Wenn eine Verstär-
kung von vier Regimentern Kavallerie an sich zwar geringfügig
scheine, so käme in Betracht, daß die polnischen Provinzen Rußlands
schon sehr dicht mit Truppen belegt seien, wie denn in Wien eine
Unterbringung von noch mehr Soldaten dort für unmöglich gehalten
wurde.
Auch der heut abend im telegraphischen Auszuge vorliegende
Artikel des „Journal de St. Petersbourg" über seine Delegationsreden*
mißfällt dem Minister. Er glaube nicht schroff gesprochen zu haben
und habe sich beeilt, auf die nicht zu vermeidenden Äußerungen über
* Am 5. November hatte sich Graf Kälnoky im Ausschuß der ungarischen Dele-
gation ausführlich zur bulgarischen Frage geäußert. Sein Standpunkt war der,
daß Österreich-Ungarn den Prinzen von Koburg, der keineswegs als österreich-
ungarischer Kandidat anzusehen sei, zwar „heute" noch nicht als einen legal
auf dem bulgarischen Thron befindlichen Fürsten anzuerkennen vermöge, wohl
aber die bulgarische Regierung als eine de facto bestehende anerkenne. In Graf
Kälnokys Bemerkungen über Rußland klang kaum verhüllt der österreichisch-russische
Gegensatz durch: er gebe die Hoffnung nicht auf, daß „Rußland sich mehr, als
dies gegenwärtig der Fall ist, den friedlichen und konservativen Bestrebungen der
Zentralmächte nähere, und daß wir mit diesem großen und mächtigen Nachbar
auf einem Fuße bleiben, der den beiderseitigen Völkern eine größere Beruhigung
für die Zukunft bietet".
Bulgarien noch das „Pflaster von den freundschaftlichen Beziehungen
zu Rußland" zu setzen.
Keinen guten Eindruck haben endlich auf Graf Kälnoky die Äuße-
rungen Nelidows zu Herrn von Radowitz gemacht, mir mitgeteilt sub
Nr. 576 vom 30. v. Mts.*, welche hier schon durch Bericht des Baron
Calice zur Kenntnis gekommen waren. Graf Kälnoky wies mir gegen-
über darauf hin, daß, im Widerspruch zu den Anschuldigungen des
russischen Botschafters, Herr von Burian**, wie alle anderen Agenten in
Bulgarien, die strikteste Ordre hätte, sich jeder Parteinahme für den
Prinzen von Koburg zu enthalten. Die Haltung dieser Agenten, deren
man in Wien sicher sei, entspräche der österreichischen Politik, die be-
kanntlich bisher nicht für Prinz Ferdinand eingetreten wäre.
Fast noch besorgter wie im Ministerium des Äußern ist man im
hiesigen Generalstab i***, doch möchte ich fast glauben, daß man dort
auch manchen rein administrativen militärischen Maßnahmen in den
westlichen russischen Gouvernements ausschheßlich kriegerische 2 Mo-
tive unteriegt. Monts
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopf des Schriftstücks:
Pet[elr[s]b[urg] B[otschaftl vertr[au]l[ich] m[it]th[eilen] mit Zusatz, daß hier
gleiche Besorgniß sich an Truppendislokation knüpft.
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ So auch hier
- welche sonst?
Nr. 1151
Militär bericht des Militärattaches in Wien Major von Deines
Ausfertigung
Nr. 79 Wien, den 9. November 1887
Ganz vertraulich
Bei einem Besuche bei dem Herrn Chef des Generalstabes der
Armee kam heute die Sprache auf die fortgesetzten russischen Truppen-
vorschiebungen.
* In seinem Berichte vom 30. Oktober 1887 hatte Radowitz Klagen und Be-
schwerden seines russischen Kollegen über die österreichische Politik wieder-
gegeben: „Das Auftreten des Wiener Kabinetts trage immer mehr den Charakter
einer Provokation gegen Rußland. Auch hier [d. h. in Konstantinopel] werde jetzt
von österreichischer Seite in der bulgarischen Sache gegen Rußland Partei ge-
nommen; er habe den Sultan sowohl wie die Pforte unter dem lebhaften Ein-
druck gefunden, daß die österreichische Regierung im Verein mit der italienischen
und gestützt auf den Hintergrund des deutschen Bündnisses entschlossen gegen die
russischen Interessen auf der Balkanhalbinsel vorgehen wolle und bereits dem
gegenwärtigen Regime in Bulgarien offene Unterstützung leihe. Darin allein liege
momentan eine Gefahr für den Frieden. Von Rußland würde dieselbe nicht aus-
gehen."
** Österreich-ungarischer diplomatischer Agent und Generalkonsul in Sofia.
*** Vgl. Kap. XXXVIII: Österreichisch-Deutsche Besprechungen über den casus
foederis 1887/88.
Seine Majestät der Kaiser geruhten bereits bei dem vorgestrigen
Hofdiner mir mitzuteilen, daß die Regimenter der 13. russisciien Ka-
valleriedivision nunmehr per Bahn in dem ihnen angewiesenen Rayon
bei LubUn angekommen sind, nachdem die beiden Batterien bereits
früher in Lublin ausgeschifft worden waren.
Feldmarschalleutnant von Beck hatte eine nach seiner Ansicht
glaubwürdige Nachricht, daß in der allerletzten Zeit 105 Militär-
züge aus dem Innern Rußlands an der Weichsellinie angekommen
seien. Den Bedarf an Zügen für die Kavalleriedivision nebst Batterien
berechnet der General auf höchstens 60 Züge, mit Troß und allem.
Nach anderen Nachrichten soll auch im Siedlecer Gouvernement
Artillerie angekommen sein, und wenn man annehmen will, daß die
neuerdings gegen die preußische Grenze disponierten beiden Dragoner-
regimenter bereits bei Lomza und Mlawa eingetroffen sind, mit Be-
nutzung der Bahn über Warschau, so gewinnt die zunächst übertrieben
erscheinende Meldung von 105 Militärzügen an Wahrscheinlichkeit.
Immerhin will Baron Beck Bestätigung abwarten. —
Bei Luck (nördlich Brody) wird an 3 großen Feldschanzen und
an Gebäuden zur Unterbringung von Vorräten oder Truppen eifrig ge-
arbeitet, auch soll daselbst eine zweite Brücke über den Styr her-
gestellt werden.
Entlang der gaUzischen Grenze sollen nunmehr 4 russische Ka-
valleriedivisionen stehen (= 96 Eskadrons) mit zahlreicher Artillerie
und zwar nahezu auf Kriegsstärke. Demgegenüber hat Österreich
2 Kavalleriedivisionen in Galizien (Lemberg und Krakau) auf erhöhtem
Friedensfuß.
Der Herr Chef des Generalstabes der Armee sprach sich dahin
aus, daß seiner Auffassung nach jetzt die Grenze erreicht sei, bis zu
w^elcher man habe zusehen können ohne Gegenmaßregeln. Er er-
warte in den allernächsten Tagen noch einige geheime Berichte aus
Polen und werde, wenn alle Nachrichten sich bestätigen, dem Erz-
herzog Albrecht und Seiner Majestät dem Kaiser die Notwendigkeit
von Gegenmaßregeln darlegen.
Man müsse auf der einen Seite die Ruhe nicht verlieren, anderer-
seits sich aber auch der großen Verantwortung bewußt bleiben.
Daß Österreich nicht die Absicht habe, Rußland anzugreifen, wisse
man in Petersburg so gut wie hier; auch sei es unmöglich, die russi-
schen Truppenvorschiebungen als Defensivmaßregeln anzusehen gegen-
über den verhältnismäßig schwachen galizischen Garnisonen. Eine Er-
klärung finde man daher nur in kriegerischen Absichten der Russen. —
Aus früheren Gesprächen mit General von Beck glaube ich ent-
nehmen zu können, daß zunächst eine Verstärkung der Kavallerie
in Gahzien ins Auge gefaßt werden dürfte; wichtiger wäre eine solche
der Infanterie. —
Trotz der Anhäufung russischer Truppen an der Grenze hält man
hier an der Absicht des eventuellen Aufmarsches der Armee in Galizien
fest; ich habe noch keinerlei Anzeichen für das Schwankendwerden
in diesem Vorsatze bemerken können. Feldmarschalleutnant von Beck
erkennt vollständig, daß ein Aufgeben dieses Vorsatzes gerade das
ist, was die Russen bezwecken. Dagegen äußerte Seine Exzellenz,
daß die letzteren unter Umständen den Winter als ihren guten Ver-
bündeten benutzen könnten.
Ein sehr ungünstiges Symptom für die Absichten in Petersburg
würde nach Ansicht des Generals der Rücktritt des Herrn von Giers
sein, auf dessen Möglichkeit die neuesten Meldungen von der Newa
hindeuteten. v. Deines
Nr. 1152
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an das
Auswärtige Amt
Telegramm. Entzifferung
Nr. 173 St. Petersburg, den 17. November 1887
Als ich im Sinne des Erlasses Nr. 805 vom 12. d. Mts. den Wiener
Bericht Nr. 442 vom 7. d. Mts.* gegenüber Herrn von Giers verwertete,
gab der Minister dem Wunsch nach Verbesserung der deutsch-russischen
Beziehungen in gewohnter Weise Ausdruck, sprach sich jedoch über
Österreich mit auffälliger Schärfe aus, erklärte die russischen Militär-
maßnahmen gegenüber Österreich ^ für unerläßHch und ließ durch-
blicken, daß der Interessengegensatz zwischen Rußland und Öster-
reich ein unversöhnbarer sei.
Oberst Klepsch** erzählte mir, daß in hiesigen Militärkreisen die
Ansicht um sich greife, der jetzige Moment sei für Rußland günstig
zum Krieg mit Österreich, weil letzteres in der Umformung seines
Gewehrs begriffen wäre. Bülow
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 u[nd] bei Kowno?
Nr. 1153
Der Österreich-ungarische Militärattache in Petersburg
Oberstleutnant Klepsch an?
Abschrift eines Privatbriefes im Auszug, übergeben vom Österreich-ungarischen
Geschäftsträger in Berlin
St. Petersburg, den 16. November 1887
Unter allen Umständen liegt die Frage nahe: Wollen denn die
Russen Krieg anfangen? Gegen wen? und auf welchen Grund hin?
* Siehe Nr. 1158.
** Österreich-ungarischer Militärattache in Petersburg.
Es ist der jahrelang aufgehetzte Fanatismus, der, [nachdem] durch
unglaubHch ungeschickte Behandlung von oben das Steuer der Vernunft
und jeglicher Selbstzensur abgeworfen, dazu gelangt ist, unter der natio-
nalen Flagge die Politik des Kommunismus zu treiben. Die Regierung —
das Organ — maßregelte ein bißchen Katkow und dieselbe Regierung
— das Staatsoberhaupt — belorbeerte denselben Mann — lebend
und nach seinem Tode — als „richtigsten Interpreten" etc. Das Chaos
von heute ist die Folge. Mit wem man auch spricht, stets hört
man : Rußland werde bedroht von allen Seiten (d. h. von Deutschland
und uns). Rußland müsse auf seine Verteidigung gefaßt sein, daher sich
rüsten, — darin nur läge die Kriegsgefahr. Nur wenn einem ein
Freund wieder erzählt, was diese hohen und minder hohen Herren
sprechen, wenn sie unter sich sind, dann merkt man ziemlich deut-
lich den Pferdefuß. Sollte ich in Kürze fassen, was ich Rußlands aller-
dings nie ausgesprochene und auch kaum auszusprechende politische
Direktive nenne? Deutschland muß niedergebrochen werden, weil es
zu stark ist, es Rußlands Wort in Europa übertönt und Rußland
hindert, seine heilige nationale Mission (diese fängt an der Balkan-
halbinsel an und endet südlich von Budweis und nördlich von Illyrien,
— und Professor Lamansky* nennt das: „Rußlands innere Angelegen-
heit") zu erfüllen. Österreich muß niedergeworfen werden, als Kon-
kurrent und Besitzer dessen, was man selbst besitzen will.
Ich bin überzeugt, daß Kaiser Alexander so nicht denkt; aber es
fehlt mir jegliches Zutrauen zu seiner geistigen Produktivität, so daß
er eigene Gedanken den unter ganz falschen Titeln an ihn gebrachten
Vorschlägen entgegenzustellen fähig wäre.
Nr. 1154
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 369 St. Petersburg, den 18. November 1887
pp. In auffälligem Gegensätze zu dem ruhigen, versöhnlichen und
eher kleinlauten Tone, in welchem der Minister** über die russisch-deut-
schen Beziehungen sprach, stand die Schärfe, mit der er sich sodann über
das Verhältnis Rußlands zu Österreich ausließ i. Er bezeichnete die Rede
des Grafen Kälnoky*** als „un defi" für Rußland. Wenn Graf Kälnoky
so tue, als ob er Rußland nicht habe verletzen wollen, so füge der
* Russischer Panslawist.
** V. Giers.
*** Vgl. Nr. 1150, Fußnote *.
österreichisch-ungarische Minister zur Beleidigung den Spott. Herr
NeUdow sei oft zu aufgeregt, habe aber recht gehabt in seinen Äuße-
rungen gegenüber Herrn von Radowitz über die Haltung Österreichs
auf der Balkanhalbinsel. Es sei begreifhch, daß Herr Nelidow erbittert
wäre über die Art und Weise, wie Baron Calice und Herr Burian gegen
Rußland arbeiteten. Österreich glaube sich jetzt gegenüber Rußland
alles erlauben zu können; es wolle Rußland vor den übrigen Slawen
demütigen und aus der slawischen Welt verdrängen. In diesem Vor-
gehen werde Österreich freilich durch die Charakterlosigkeit der Balkan-
völker ermutigt: Herr Ristitsch lasse sich von denselben Ungarn be-
loben, welche vor 11 Jahren Abdul Kerim Pascha* für seine Siege über
Serbien einen Ehrensäbel überreicht hätten. Rußland werde sich aber
von Österreich nicht wie Serbien oder Rumänien behandeln lassen.
Rußland sei stärker als Österreich, welches noch in jedem seiner
Kriege geschlagen worden wäre.
Wenn die bisherigen Auslassungen des Ministers eher den Eindruck
machten, mit Absicht und Überlegung vorgebracht zu werden, so
schien mir derselbe im Eifer seiner Rede weiter zu gehen, als er eigent-
lich wollte, wenn er am Schlüsse die Bemerkung fallen ließ : „Et les
Autrichiens croient nous faire plaisir, en nous declarant, qu'ils ne veulent
pas nous attaquer! Ils n'ont qu'ä venir^, nous ne demandons pas
mieux." Herr von Giers nahm diesen Ausfall halb und halb wieder
zurück, indem er einiges murmelte von seiner unbedingten Friedensliebe
und der „Geduld" des Kaisers Alexander. „Ich habe", so schloß der Mi-
nister, „die Rede des Grafen Kälnoky gegenüber dem österreichischen
Geschäftsträger nicht berührt. Fürst Lobanow soll in Wien auch nicht
über dieselbe reden. Es hilft doch zu nichts, wir verstehen uns mit
den Österreichern nun einmal nicht." Der Minister suchte die letztere
Behauptung zu begründen durch einen retrospektiven Blick auf die Ge-
schichte der russisch-österreichischen Beziehungen seit 10 Jahren, wobei
er zu verstehen gab, daß die Interessen Rußlands und Österreichs un-
vereinbar wären.
Die Bemerkungen des Herrn von Giers über Österreich waren
von einem offenbaren parti-pris inspiriert, der übrigens schon aus den
Auslassungen des „Journal de St. Petersbourg" und des „Nord" über
die Rede des Grafen Kälnoky sprach. Charakteristisch ist in dieser
Richtung auch, daß, wie ich aus guter Quelle höre, der im übrigen
antiösterreichische, hyperorthodoxe und übereifrige Fürst Kantacuzen
sich anfänglich über die Rede des Grafen Kälnoky befriedigt geäußert
und auch in diesem Sinne hierher berichtet hat, Herr von Giers soll
seinem Neffen mit Bezug hierauf geschrieben haben: „Pour une fois
que Vous ne faites pas du zele, Vous n'etes pas du tout dans la vraie
note."
* 1876 türkischer Oberbefehlshaber im Kriege gegen Serbien.
8
Wenn ich die Auslassungen des Herrn von Giers über Österreich
mit dem vergleiche, was der meist wohl informierte Oberst Klepsch
mir vorgestern über die Stimmung in russischen Militärkreisen er-
zählte, so scheint mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu sein,
daß das offizielle Rußland, um seinen selbstverschuldeten inneren und
äußeren Schwierigkeiten zu entgehen, gegenwärtig Händel mit Öster-
reich sucht oder wenigstens Österreich einschüchtern ^ möchte.
B. von Bülow
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck;
i At instar Caesaris
2 in Wien abzuwiegeln
3 provociren! wovor in Wien zu warnen
Nr. 1155
Der Geschäftsträger in Wien Graf Monts an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 467 Wien, den 19. November
Als ich der mir erteilten Weisung gemäß den Inhalt des Tele-
grammes Nr. 173 aus Petersburg vom 17.* und der die russischen
Rüstungen betreffenden Meldungen von ebendort und aus Warschau
(Nr. 615, 620, 624) Qraf Kälnoky gegenüber verwertete, äußerte sich
derselbe in folgender Weise:
Der harte Ton der Sprache des Herrn von Giers betreffs Öster-
reich sei ungewöhnlich und um so auffälliger, als noch in allerjüngster
Zeit der russische leitende Staatsmann dem Grafen Wolkenstein seine
Zufriedenheit mit der Haltung des Wiener Kabinetts zu erkennen ge-
geben.
Was die Rüstungen beträfe, so stimmten die deutschen Meldungen
mit dem hierher Berichteten überein. Als eine direkte Kriegsvorbereitung
könne er, Graf Kälnoky, diese Maßregeln indes noch nicht ansehen.
Es handele sich, abgesehen von dem einen größeren Truppenkörper,
der 13. Kavalleriedivision, vorläufig nur um Heeressplitter, Befestigun-
gen und Vorräte. Auch liege zum Teil wohl nur die allmähliche Aus-
führung schon längst gegebener Befehle vor. Dazu käme, daß augen-
scheinlich von russischer Seite gar kein Geheimnis aus den mili-
tärischen Maßnahmen gemacht würde. Im Gegenteile seien darüber
Siehe Nr. 1152.
in den letzten Tagen von allen Seiten, auch über London und Rom,
hierher Nachrichten zusammengeströmt, so daß eine gewisse Absicht-
Hchkeit unverkennbar. Er, Graf Kälnoky, möchte daher fast der Mei-
nung zuneigen, daß Rußland eine drohende Haltung geflissentlich an-
nehme, um dieselbe als Pressionsmittel zu verwerten i.
Bedenklich bliebe freiUch, so fuhr der Minister fort, daß die bisher
. immerhin noch nicht bedeutend zu nennenden Truppenverschiebungen
in einer Jahreszeit stattfänden, wo ein Garnisonswechsel sicher nicht
vorteilhaft für die Truppe sein könne. Die Unterbringung und Unter-
haltung der Kavalleriedivision 13 in einem armen Landstriche, der
schon überfüllt mit Militär, müsse dem Ärar sehr erhebliche Kosten
machen, wenn man von dem gegenüberliegenden Teile Galiziens einen
Rückschluß auf das russische Nachbarterritorium mache. Dort halte
die hiesige Regierung weniger Kavallerie wie eigentUch erforderlich,
weil die Unterbringung in den elenden Dörfern auch die besten Regi-
menter in kurzer Zeit ruiniere, und Mann und Pferd nichts zu beißen
und zu brechen fänden.
Noch bedenklicher würde eine eventuelle Ausführung des Planes
der Bildung von drei großen Korps aus der gesamten Kavallerie des
Innern aufzufassen sein. Die Verwirklichung dieser Idee müßte aller-
dings die Kriegsgefahr imminent erscheinen lassen. —
Aus Vorstehendem ergibt sich, daß Graf Kälnoky bemüht ist,
die Sachlage in möglichst optimistischer Weise aufzufassen, und bei dem
Entschlüsse noch weiteren ruhigen Abwartens ohne Einleitung von
Gegenmaßregeln beharrt. Bestimmend wirkt zweifellos der Wunsch
mit, die morgen auseinandergehenden Delegationen erst zu Haus zu
wissen. Ferner müsse man, wie mir der Minister schon vorgestern
sagte, doch füglich noch abwarten, welche Maßregeln der Kaiser von
Rußland nach seiner Rückkehr, und nachdem er solange allen Ge-
schäften fern gestanden*, ergreifen werde. Schließlich fühlte ich durch,
daß vor allem anderen Graf Kälnoky noch Nachrichten über die Hal-
tung des Kaisers Alexander in Berlin abwarten will, wie auch nament-
lich Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph, der sich vorgestern wieder
nach Gödöllö begeben, eine gute Einwirkung der persönlichen Be-
rührung des russischen Herrschers mit unserem allergnädigsten Herrn
und Euerer Durchlaucht zu erhoffen scheint.
Mon ts.
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 Auch um Oestferjreich zum Angriff auf R[ußland] zu reizen
* Der Aufenthalt des Zaren auf Schloß Fredensborg in Dänemark hatte sich in-
folge der Erkrankung seiner jüngsten Kinder vom 26. August bis zum 16. No-
vember ausgedehnt; er nahm dann seinen Rückweg über Berlin. Vgl. Bd. V,
Kap. XXXVI.
10
Nr. 1156
Der Militärattache in Wien Major von Deines an den Botschafter
in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Privatbrief. Auszug in Abschrift
Wien, den 23. November 1887
Dann wollte ich aber vor allen Dingen Bericht erstatten über
die Stimmung hier vis-ä-vis Rußland.
Man fing an, die unausgesetzten Truppenvorschiebungen der Russen
und die sichern Nachrichten über anderweite Kriegsrüstungen dort
ernst zu nehmen; Feldmarschalleutnant von Beck scheint auch dem
Kaiser positive Vorschläge zur Verstärkung der galizischen Garnisonen
in Übereinstimmung mit dem Erzherzog Albrecht unterbreitet zu haben.
Auf Grund der von Seiner Majestät dem Zaren in Berlin mehrfach ab-
gegebenen Versicherungen, daß er nicht daran denke, Deutschland
anzugreifen, ist man hier zunächst wieder auf das „Abwarten" gesetzt;
man hofft, daß die angeblich friedlichen Gesinnungen des Zars bald
sichtbar werden in der Einstellung der Rüstungen.
Man übersieht dabei, wie ich fürchte, daß der Zar keinerlei Ver-
sprechungen gegeben hat, Österreich nicht anzugreifen. Und ganz
abgesehen von dem Wunsche oder Willen des russischen Kaisers sind
die tatsächlichen Truppenbewegungen in Polen, die Zuzüge aus dem
innern Rußland, die Munitions-, Geschütz- und Gewehrtransporte
Tatsachen, welche einzig und allein auf kriegerische Absichten
zurückgeführt werden können und müssen. Nun wollen die Russen,
voran Gurko, die Welt glauben machen, daß die russischen Maßregeln
nur defensive seien, zur Abwehr der Gefahr, die drohe aus den öster-
reichischen und preußischen Maßregeln. Wenn das bei uns und hier
auch niemand glaubt, so bleibt doch die alte Erfahrung, daß fast alle
Kriege mit solchen gegenseitigen Entschuldigungen begonnen haben. —
Von höchstem Interesse wäre aber, im Hinblick auf die hiesigen
Verhältnisse, eine Kenntnis darüber, wann man sich bei uns wohl
zum Handeln entschließen würde i.
Die russischen Rüstungen bezwecken den Krieg; will es wirklich
uns nicht angreifen, so gilt er Österreich.
Fürst Bismarck hat hierher telegraphiert, daß er dem Zaren er-
klärt habe, ein Angriff gegen Österreich würde für uns den casus
foederis bilden. — Im Frühjahr stieß ich 2 im Auswärtigen Amt auf
die Ansicht 3, man könne Österreich wohl eine oder zwei Schlachten
verlieren lassen 2. Wenn diese Ansicht wirklich vorhanden wäre, so
müßte man die Österreicher hierüber nicht im Zweifel lassen. Sie
würden dann viel mehr wie bisher ihre eigene Kraft stärken und Vor-
sorge tragen, nicht geschlagen zu werden*. Jetzt veriassen sich alle,
vom Kaiser ab, bestimmt und blind auf unsere mächtige Unterstützung. —
Österreich wird gewiß niemals die Russen angreifen; wird es aber
11
angegriffen, machen wir dann sofort mobil und erklären Rußland den
Kriegt, oder warten wir, bis ein russischer Sieg Österreich in unabseh-
bare Verlegenheiten bringt, uns die Franzosen, Dänen etc. auf den Hals
hetzt und die Unterstützung der Italiener mindestens lähmt? —
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Das ergibt unser Vertrag; ein ru sslischer] Angriff müßte vorhergehen. Wir
wünschen den Krieg zu vermeiden, u[ncl] werden deshalb einen öst[er]r[eichischen]
Angriff auf Rußland oder russlische] Truppen in Bulgtarien] nicht mitmachen.
Will OestIerlr[eich] dergleichen] unternehmen, so muß es sich des Beistandes von
Ital[ien] England, der Pforte etc. versichern.
2 j>
ä ? bei mir gewiß nicht, für den Fall daß Rußland angreift ist casus foederis
ja ganz klar
* Oestler]rIeich] hat den Angriff Rußlands wohl erst zu fürchten, nachdem wir mit
Frankreich engagirt sein werden.
5 das ist unsre Vertragspflicht, wenn nicht Oest[er]reich den" russ[ischen] Angriff
muthwillig provocirt.
Nr. 1157
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt Grafen
zu Rantzau, z. Z. in Priedrichsruh
Eigenhändig
Priedrichsruh, den 24. November 1887
Der Herr Reichskanzler bittet, nach Wien zu schreiben. Seine
Durchlaucht vermutete, daß die Russen alles mögliche täten, um Öster-
reich zu einem Angriffe auf Rußland zu provozieren. Nachdem sie
Kenntnis von dem Wortlaut des deutsch-österreichischen Vertrages
hätten, würde es ihnen für ihr Verhältnis zu uns nützlich sein, nicht
ihrerseits anzugreifen, sondern den Angriff Österreichs abzuwarten.
Bei unserem dringenden Wunsch, den Krieg vermieden zu sehen, würden
wir Österreich dankbar sein, wenn dasselbe auf die russischen Provo-
kationen nicht einginge*. C, Rantzau
Nr. 1158
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Brauer
Nr. 665 Berlin, den 30. November 1887
Geheim
Im Anschluß an meinen geheimen Erlaß Nr. 659 vom 29. d. Mts.**
und an unsere mündliche Besprechung erlaube ich mir Ew. pp. nochmals
ergebenst darauf aufmerksam zu machen, daß es in der jetzigen Lage
* In dem Sinne dieser Direktiven erging am 29. November ein Erlaß (Nr. 659)
nach Wien.
** Vgl. Nr. 1157, Fußnote.
12
vor allem darauf ankommen wird, daß Österreich in seinem Verhalten
zu Rußland die politisch-diplomatische und die militärische Seite nach
Möglichkeit auseinanderzuhalten sucht. Österreichs Wunsch, den Krieg
zu vermeiden, ist ebenso lebhaft wie der unsrige; in diesem Sinne wird
Graf Kälnoky es gewiß mit uns für politisch nützlich halten, alles zu
vermeiden, was wie eine Provokation Rußlands gedeutet werden könnte;
auf der andern Seite wird Österreich sich aber nicht in einen Zustand
der Sicherheit einwiegen lassen dürfen, der es einem etwaigen plötz-
lichen miUtärischen Angriff Rußlands gegenüber militärisch zu schwach
erscheinen ließe.
Es wird sich deshalb in Parallele mit den militärisch etwa er-
forderlich erscheinenden Maßnahmen empfehlen, auf diplomatischem
Gebiete tunlichstes Entgegenkommen zu zeigen, um den Russen jeden
Vorwand der Beschwerde zu entziehen: es dürfte dies um so eher ge-
lingen, wenn vielleicht der Oberst Klepsch autorisiert würde, die
russischen Rüstungen und die dadurch geschaffene Verlegenheit Öster-
reichs an maßgebender Stelle in St. Petersburg vertraulich und in
freundschaftlicher Form zur Sprache zu bringen.
Ew. pp. stelle ich ergebenst anheim, diesen Gedanken mit dem
Grafen Kälnoky vertraulich besprechen zu wollen.
H. Bismarck
Nr. 1159
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 487 Wien, den 1. Dezember 1887
Geheim
Ich habe den Grafen Kälnoky heut bald nach meiner Ankunft auf-
gesucht und mit ihm die Lage Österreichs gegenüber der bedrohlichen
Stellung Rußlands nach Maßgabe Euerer Durchlaucht mündlicher In-
struktionen und des hohen Erlasses Nr. 665 vom 30. v. Mts.* eingehend
besprochen.
Die Äußerungen des Ministers, welcher gerade von dem heut
früh wieder in Wien eingetroffenen Kaiser Franz Joseph kam, erlaube
ich mir im Nachfolgenden zusammenzufassen.
Man mache sich hier durchaus keine Illusionen über die Stimmung
in Rußland. Wenn der Zar in Berlin seinen friedlichen Absichten
Deutschland gegenüber entschiedenen Ausdruck gegeben hätte, so be-
stände für ihn, den Minister, doch gar kein Zweifel, daß die Gefühle
für Österreich-Ungarn bei dem nordischen Monarchen weniger freund-
schaftlich seien. Der Graf hat mich nicht über diesen Punkt befragt,
ich habe ihm aber nicht widersprechen zu sollen geglaubt und gesagt,
* Siehe Nr. 1158.
13
ich glaubte auch, daß die kaiserlichen Äußerungen in Berlin Öster-
reich betreffend nicht so tröstlich gewesen seien, als das, was er über
sein Verhältnis zu Deutschland gesagt habe.
Über diesen Punkt besteht daher keinerlei Illusion beim Grafen
Kälnoky, und fragt er sich, wie das Verhalten des k. und k. Kabinetts
dieser Tatsache gegenüber einzurichten sein wird.
Seiner Ansicht nach hänge der Bestand des Friedens hauptsäch-
lich von russischen Launen ab^. Würde die russische Regierung durch
innere Verhältnisse gedrängt, so würde sie zum Kriege getrieben werden,
auch ohne einen vernünftigen Grund dafür zu haben. Dies brauche
nicht sofort einzutreten, könne aber auch bald geschehen. Für Öster-
reich Hege die Hauptaufgabe darin, der russischen Regierung keinen
Prätext zu geben, welcher der russischen öffentlichen Meinung den
Krieg gegen Österreich plausibel machen könnte 2. Daß das Peters-
burger Kabinett nach solchen Prätexten suche, schiene klar und ginge
aus den Äußerungen des sonst so zahmen russischen Ministers der
auswärtigen Angelegenheiten deutlich genug hervor. Denn es sei un-
möglich, die Wahrheit so zu verdrehen und die Österreicher der Be-
drohung Rußlands anzuklagen, wenn nicht feindselige Absichten und
ein parti pris vorausgesetzt werden könnten 2.
Herr von Giers könne aber lange warten. Er, Graf Kälnoky,
werde ihm keinen Prätext geben 3, werde Rußland nicht provozieren,
geschweige denn angreifen.
Sollte russischerseits auf dem jetzt betretenen Wege fortgefahren
werden, sollten die augenblickhch, wie es scheine, sistierten Truppen-
dislokationen, „die schon seit langer Zeit in Aussicht genommen waren",
wieder anfangen die Grenze zu bedrohen, dann würde es an der Zeit
sein, militärische Maßregeln zu ergreifen, um vor einem plötzHchen
Überfall sicher zu sein.
Der Minister glaubt noch nicht daran, daß ein russischer Angriff
noch im Winter erfolgen werde. Einmal kenne man in St. Petersburg
zu genau den casus foederis zwischen Deutschland und Österreich-
Ungarn, um einen Angriff zu wagen. Man werde daher einen öster-
reichischen Angriff mit allen Künsten zu provozieren suchen 2. Da
man hier entschlossen sei, nicht in diese Falle zu gehen*, so würde
darüber Zeit vergehen und der Sommer herankommen.
Auch wenn man die miHtärische Frage genau untersuche, so komme
man zu dem Resultat, daß, wenn auch die Russen viel Truppen und
Kriegsmaterial in Polen angehäuft hätten und jetzt schon stärker seien
als die gegenüberstehenden Österreicher, die dortige Armee noch lange
nicht in der Lage sei, einen Krieg zu unternehmen, von dem doch von
russischer Seite auch angenommen werden müsse, daß er möglicher-
weise gegen Österreich und Deutschland zu führen sein würde.
Er, Graf Kälnoky, neige daher im Einverständnis mit seinem kaiser-
lichen Herrn zu der Ansicht hin, daß es jetzt verfrüht sein würde,
14
die galizischen Garnisonen zu verstärken, und zwar aus folgenden
Gründen.
Bei den uns bekannten Dispositionen in St. Petersburg würde
man dort aus der geringsten österreichischen Truppendislokation eine
Bedrohung der russischen Grenzen machen 5. Österreich würde als
Friedensstörer hingestellt werden, und die russische Regierung das
erreicht haben, was sie wollte 6. Solche militärische Maßnahmen würden
daher von den Russen als politische betrachtet und so aufgefaßt werden.
Deshalb würde es nichts nützen, wenn man von hier aus in nicht-
offizieller Weise durch Vertrauenspersonen dort loyal sagen ließe, der
Kaiser von Österreich hätte keinerlei feindliche Absichten, er könne
aber dem Vorwurf seiner Untertanen sich nicht aussetzen und gegen-
über den bedrohUchen russischen militärischen Maßregeln nicht auch
etwas tun, um seine Völker zu beruhigen*. Das wäre recht schön
ausgedacht, aber den erhofften Erfolg würde ein solcher Schritt nicht
haben''. Österreich würde als Störenfried gelten, wenn es auch ein
Unsinn wäre, ihm diese Rolle zuschreiben zu wollen.
Würden aber die Truppenbewegungen aus dem Innern Rußlands
an die westliche Grenze fortgesetzt, dann würde es an der Zeit sein,
zu handeln und sich gegen einen Überfall zu sichern, dann würde es
den Russen unmöglich werden 8, ihre aggressiven Absichten noch weiter
zu bemänteln.
Ein militärisches Bedenken gegen sofortige Garnisonverstärkungen
in Galizien mache der Kaiser besonders geltend, nämlich daß, wenn
es nicht sofort zum Kriege käme, was Seine Majestät ebenfalls nicht
glaubten, eine Anzahl vortrefflicher Regimenter durch die schlechte
Unterkunft in den Grenzländern vollkommen ruiniert werden und dann
für den Frühjahrsfeldzug unbrauchbar sein würden.
„Haltet Euer Pulver trocken, aber verschießt es nicht zu früh!"
das sei gewiß der beste Rat, und habe er, noch ohne mich gesprochen
zu haben, dem Kaiser dieselbe Haltung empfohlen. Er verstehe dar-
unter, daß die Heeresleitung ihre bereits im letzten Frühjahr begonnenen
inneren Vorbereitungen, Beschaffung von Waffen, Munition, Montierun-
gen und anderem Kriegsbedarf mit verdoppelter Anstrengung fortsetze,
damit es im geeigneten Moment an nichts fehle. Mit dem Mannlicher-
Repetiergewehr würden 2 Armeekorps bis zum Anfang des nächsten
Jahres bewaffnet sein (90000 Stück). Da dieses Gewehr dieselbe Pa-
trone führe wie das alte, so halte der Generalstab die hiesige Bewaff-
nung der russischen für ebenbürtig. Ich könne darüber Euere Durch-
laucht beruhigen, daß man hier nicht schlafen werde 9, aber er glaube
sich darin mit Hochdenselben im Einverständnis zu befinden, wenn
er nicht weiter gehen und nichts tun wolle, was jenseits der Grenze
als Provokation aufgefaßt lo werden könnte.
* Vgl. Nr. 1158.
15
Ich habe mich im Laufe unseres Gespräches davon überzeugen
können, daß sich Graf Kälnoky vollkommen klar über den casus foederis
ist. Es mag hier wohl bei vielen maßgebenden Persönlichkeiten der
Wahn bestehen, daß wir unter jeder Bedingung für Österreich den
Degen ziehen würden. Ich habe diesen Punkt sehr gründlich mit dem
Minister besprochen und gefunden, daß er dieser Ansicht nicht huldigt
und seine Politik nicht hierauf begründet 3. Vielleicht mag er die An-
sicht anderer teilen, daß, wenn Rußland wirklich beschlossen hat, den
Krieg an Österreich zu machen, es auf den casus foederis nicht mehr
so genau ankommen dürfte, weil wir dann in unserem eigenen Inter-
esse genötigt sein würden, rasch zuzugreifen, um uns die Erfolge
eines Krieges mit leichterer Mühe zu sichern, an dem wir früher oder
später doch würden teilnehmen müssen i.
Ausgesprochen hat sich der Minister indessen nicht in diesem
Sinne und mir auf meine Ausführungen ausdrücklich gesagt, daß er die
Ansichten Euerer Durchlaucht hierüber genau kenne und keine höheren
Anforderungen an unsere Bundestreue stelle als die, welche er rechtens
erwarten könne.
Dasselbe galt auch von dem Umfang der unsererseits zu leistenden
Hülfe in einem russisch-österreichischen Kriege, an welchem wir ver-
tragsmäßig teilnehmen würden. Ich habe, als dieser Punkt zur Sprache
kam, es mir angelegen sein lassen. Euerer Durchlaucht mir mündlich
mehrfach ausgesprochene Ansicht über die relativ beschränkte Macht-
entwickelung an unserer Ostgrenze dem Grafen Kälnoky zu wiederholen
und ihm zu sagen, daß sich Österreich in erster Linie auf seine eigene
Kraft verlassen müsse.
Auch die Frage eines wegen Bulgarien etwa entbrennenden
Kampfes auf der Balkanhalbinsel wurde besprochen, und habe ich dem
Minister darüber keinen Zweifel gelassen, daß wir es vor dem deutschen
Volke nicht würden verantworten können, wegen eines Balkanstaates
und der Orientinteressen Österreichs und namentlich Ungarns uns in
einen Krieg mit Rußland zu stürzen. Hier müsse sich Österreich der
Bundesgenossenschaft Englands und des Sultans zu versichern suchen 3.
Der Minister sieht dies, wie Euerer Durchlaucht dies schon aus
Hochdero Besprechungen mit ihm bekannt ist, vollkommen ein. Er
sagte mir, auch auf diesem Gebiet werde er sich aller Provokationen
enthalten und die Suszeptibilitäten Rußlands soviel als möglich schonen.
Wollte Rußland dort militärisch eingreifen, so würde Österreich-Ungarn
bald nicht mehr freie Hand haben, da die englischen Abmachungen*
fast fertig wären 3.
Er glaubt aber nicht daran, daß Rußland dort etwas unternehmen
werde. Rußlands Objektiv bleibe immer dessen Stellung auf der Balkan-
halbinsel, aber um dieselbe zu erreichen, würde es nicht dort an-
* Siehe Bd. IV, Kap. XXVIII: Entente ä trois zwischen Italien, England und Öster-
reich, Nr. 938 nebst Anlagen.
16
greifen, sondern man hoffte in St. Petersburg, daß, wenn Österreich
erst niedergeworfen sein würde, den Russen jene Frucht von selbst
in den Schoß fallen werde 2.
Als Beleg zu dieser Ansicht führte der Minister an, daß die Stimmung
der Balkanslawen, selbst Montenegros, nicht darauf schheßen ließe, als
glaube man dort an einen Einbruch Rußlands auf der Balkanhalbinsel.
Aus vorstehenden Äußerungen des Herrn Ministers des Äußern
läßt sich der bestimmte Schluß ziehen, daß österreichischerseits für
jetzt keine militärischen Gegenmaßregeln getroffen werden sollen
und man hier abwarten wird, daß die russischen kriegerischen Ab-
sichten sich noch deutHch akzentuieren werden.
Wie ich von sicherer Seite höre, ist der österreichisch-ungarische
Generalstab der Ansicht, daß dieser Moment bereits gekommen sein
dürfte, und daß es daher die höchste Zeit sei, die galizischen Garnisonen
zu verstärken 11, ohne Rücksicht darauf, ob russischerseits dies als
Provokation ausgelegt werden dürfte.
Feldmarschalleutnant Baron Beck wartet die demnächst bevor-
stehende Rückkehr des Erzherzogs Albrecht ab, um seiner Ansicht
bei Seiner Majestät dem Kaiser mehr Geltung zu verschaffen.
Der Generalstab scheint sich daher im Gegensatz mit dem Mini-
ster des Äußern zu befinden, und dürfte wohl, meiner unmaßgeblichen
Ansicht nach, die Entscheidung des Monarchen nach letzterer Seite
hinfallen. H. VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarckt
' Ja
2 richtig
3 gut
4 gut!
^ dabei „dislocirt" Rußland aber ruhig weiter
* Finanz-Faulheit!
■^ es kostet auch Geld!
8 jetzt aber?
ä aber Geld nicht haben
1° die Russen haben keine Bedenken der Art!
11 richtig; aber Geld! more austriaco
Nr. 1160
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 392 St. Petersburg, den 1. Dezember 1887
Als ich Herrn von Giers an seinem gestrigen Empfangstage auf-
suchte, lenkte derselbe sogleich das Gespräch auf Österreich, über
welches sich der Minister mit derselben, wie mir vorkam, wohlüber-
legten Gereiztheit ausließ, wie schon vor vierzehn Tagen, pp.
„Wir wollen nicht den Krieg mit Österreich, und namentlich nicht
2 Die Große Politik. 6. Bd. 17
Österreich angreifen. Wenn Österreich auseinanderfiele, so könnten
seine slawischen Völker eine Quelle von Verlegenheiten für uns werden,
wie jetzt die Bulgaren. Es gibt auch in Prag und in Agram Stambulows,
welche mit unseren einheimischen Stambulows vereinigt die innere
Organisation Rußlands gefährden würden. Vom dynastischen Stand-
punkte aus wünschen wir den Fortbestand Österreichs. Mais les
Autrichiens ont le verbe trop haut, il faut leur rabattre le caquet; un
Empereur qui se trouve ä la tete de cent milhons de sujets ne saurait
se laisser narguer par un pays comme TAutriche.''
Ähnlich wie früher verbreitete sich der Minister auch diesmal
darüber, daß zwischen dem russischen und dem österreichischen Stand-
punkt in der bulgarischen Frage und überhaupt in orientalischen An-
gelegenheiten ein unüberbrückbarer Gegensatz obwalte, wobei er es
nicht an allerlei Ausfällen gegen Graf Kälnoky fehlen ließ. Dem ihm
befreundeten Grafen Woikenstein spendete Herr von Giers persönliches
Lob, fügte jedoch hinzu: „Si je le voyais, je ne parlerais pas politique
avec lui, ä quoi bon, cela ne sert ä rien entre nous et les Autrichiens.'*
Ich möchte Herrn von Giers, welcher dem Wunsche nach besseren
Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland grade in diesen Tagen
einen im letzten Ende schwerHch ganz aufrichtigen, aber jedenfalls
höchst empressierten und beinah demütigen Ausdruck gab, nicht mit
einem reißenden Tiere vergleichen. Die Art und Weise, wie der Mini-
ster gegenwärtig über oder vielmehr gegen Österreich spricht, er-
innert jedoch einigermaßen an die Fabel vom Wolf und vom Schaf.
Der Minister sucht offenbar nach Gründen zur Klage über Österreich,
das er meines unvorgreifhchen Erachtens entweder reizen oder ängstigen
willi. Auch in der hiesigen Gesellschaft begegne ich neuerdings so
systematischer Feindseligkeit gegen Österreich — die im Gegensatze
zu dem naturwüchsigen Hasse gegen Deutschland mehr etwas Ge-
machtes hat — , daß ich fast an eine von oben gegebene Parole glauben
möchte. Der griechische Gesandte* erzählt mir, daß die ihm bekannten
russischen Offiziere gegenwärtig fast alle von baldigem Krieg mit
Österreich sprächen, aber vielfach hofften, Deutschland werde sich in
irgendeiner Weise neutral halten lassen. Oberst Klepsch meinte heute,
daß die Russen jetzt langsam mit ihren Rüstungen begännen, um für
alle Eventualitäten der nächsten Monate militärisch in einer möglichst
günstigen Lage zu sein; etwa zu Neujahr würden sie die bulgarische
Frage wieder aufrollen und, wenn das Wiener Kabinett ihnen dann
in diesem Punkte nicht nachgebe, das als Vorwand benützen, um
im Frühjahre mit Österreich ernstlichen Streit anzufangen.
B. von Bülow
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 Ja
* Mavrocordato.
18
Nr. 1161
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 492 Wien, den 6. Dezember 1887
Geheim
Seine Majestät der Kaiser Franz Josepii, welchem Graf Kälnoky
über seine Unterhaltung mit mir (conf. Bericht Nr. 487 vom 1. Dezember
er.*) Meldung gemacht hatte, ließ mir durch den Minister sagen, er
wünsche mich heut nachmittag zu sehen, und begab ich mich zu dem
Ende um 1 Uhr in die Hofburg.
In dem halbstündigen Gespräch, welches ich mit Seiner Majestät
hatte, trat zunächst die Sorge um die Zukunft sehr deutlich hervor
und der Wunsch, zu hören, ob diese seine Besorgnis mit Bezug auf
etwaige russische Kriegsabsichten gegen Österreich bei uns geteilt
würde.
Ich habe hierauf bestimmt erwidert, daß Seine Majestät der Kaiser
und König, mein allergnädigster Herr, ebenso wie Euere Durchlaucht,
den dringenden Wunsch hätten, daß dieser Krieg nicht ausbrechen
möge, und daß daher unsererseits alles versucht werden würde, um
dieser traurigen Lösung vorzubeugen. Wenn auch der Kaiser Alexander
meinem allergnädigsten Herrn die bündigsten Friedensversicherungen
gegeben hätte, und Seine Majestät an der Ehrlichkeit derselben keinen
Augenbück zweifelten, so sei die Lage in Rußland doch nicht dazu
angetan, um mit Beruhigung der Zukunft entgegenzusehen.
Ich habe dem Kaiser hierauf dieselbe Sprache geführt, wie vor
ein paar Tagen dem Grafen Kälnoky. Ich habe davor gewarnt, Ruß-
land zu provozieren, geschweige denn es anzugreifen, aber darauf hin-
gewiesen, daß Österreich auf seiner Hut sein müsse. Ich habe bestimmt
betont, welches die uns durch unseren Vertrag mit Österreich zu-
fallenden Pflichten wären, und daß wir, wenn der casus foederis ein-
treten sollte, dieselben ehrlich erfüllen würden, daß ich aber Seine
Majestät bäte, weder unsere geographische Lage noch die Notwendig-
keit zu vergessen, eventuell i nach zwei Seiten Front machen zu müssen;
daß wir daher nicht imstande sein würden, Österreich, „wenn es an-
gegriffen werden würde", mit unserer ganzen Macht zur Seite zu
stehen, aber immerhin in der Lage sein würden, unseren Bundes-
genossen, soweit uns dies möglich sein würde, beizustehen.
Die zweite hiermit zusammenhängende Frage, welche den Kaiser
beschäftigte, war die, was die Russen eventuell dazu bewegen könnte,
Österreich anzugreifen ; daß beide Regierungen in der Behandlung der
bulgarischen Frage nicht einer und derselben Meinung wären, liefere
* Siehe Nr. 115Q.
2' 19
doch noch keinen Grund zum Kriege. Er suche vergeblich nach diesem
Grunde; es könnte also nur eine Narrheit ^ sein, die Rußland dazu
treiben könnte, oder aber die üblen inneren Zustände, welche dem
Zaren einen Krieg mit dem Ausland als einzige Rettung erscheinen
lassen würden. Wer von beiden würde aber den anderen angreifen?
Der Petersburger Hof kenne unseren Vertrag; man würde sich
dort also wohl hüten, Österreich anzugreifen. Er, der Kaiser, wolle
seinerseits den Krieg vermeiden, denke daher auch nicht daran, Ruß-
land anzugreifen; ja, von hier aus würde man nichts tun, um Rußland
zu provozieren. „Wir werden russischen Provokationen gegenüber ein
sehr dickes Fell haben, darauf können Sie sich verlassen."
Es kam nun hierbei deutlich zum Vorschein, daß es den Kaiser
besorgt macht, wie bei diesen eigentümlichen Zuständen unsererseits
der casus foederis ausgelegt werden wird. Der Kaiser fürchtet, daß
ohne sein Verschulden sich die Sachen so drehen könnten, daß
Österreich im Kriege mit Rußland sich befände, ohne daß der klare casus
foederis für uns vorläge 3.
Es könnte auch ein anderer Fall eintreten, meinten Seine Majestät,
nämlich der, daß durch das neue Abkommen mit England und Italien*
Österreich verpflichtet sein würde, eine drohende Haltung gegen Ruß-
land anzunehmen. Hierdurch könnte es in den Krieg mit Rußland
verwickelt werden. Wie liege dann der casus foederis?* Würde
nicht Deutschland, welches, wenn auch keinen offenen, aber doch
einen sehr dankenswerten Anteil an dem Zustandekommen dieses
Abkommens genommen hätte, sich dabei ganz desinteressieren
können ? ''
Wenn Österreich auf diesem Gebiete keine Courage zeigte, so
würden die anderen auch lässig werden, und dann hätte das ganze
Arrangement keinen Wert mehr; das könnte uns doch nicht passen?
Soviel ich den Gedanken des Kaisers verstanden habe, so wollte
er ungefähr sagen, da Ihr jenen Vertrag patronisiert habt, so könnt
Ihr, wenn Österreich infolge desselben zum Kriege genötigt wird,
Österreich doch nicht sitzen lassen 6.
Ich habe mir erlaubt, Seiner Majestät hierauf zu erwidern, wenn
die Kaiserüche Regierung so energisch das Zustandekommen zwischen
Österreich, England und Italien gefördert hätte, so sei dies in erster
Linie aus dem Grunde geschehen, um die Friedensliga ^ zu verstärken
und dadurch womöglich den Krieg zu vermeiden. In zweiter Linie
sei es aber für uns von Wichtigkeit gewesen, unseren Bundesgenossen,
Österreich, durch jene Bündnisse zu stärken 8. Denn wir müßten immer
im Auge haben, und ich bäte Seine Majestät, dies nicht zu vergessen,
daß wir auf den Überfall Frankreichs gefaßt und deshalb nicht in
der Lage sein würden, Österreich so kräftig zu unterstützen, als wenn
wir nach Westen freie Hand hätten, Österreich müßte sich daher
* Siehe Bd. IV, Kap. XXVIII, Nr. 938 nebst Anlagen.
20
in erster Linie auf seine eigene Kraft und auf seine anderen Bundes-
genossen verlassen 3.
Der Kaiser anerkannte dies, kam aber immer darauf zurück, daß
es notwendig sein würde, uns über alle diese Fragen zu besprechen
und auch über die militärischen Fragen rechtzeitig zu verständigen,
um nicht überrascht zu werden. Es sei von der höchsten Wichtigkeit,
daß die beiden Höfe weder politisch noch mihtärisch irgendeinen Schritt
täten, ohne darüber im Einverständnis sich zu befinden.
Hierin habe ich dem Kaiser durchaus zugestimmt und höchstihn
darauf hingewiesen, daß bis jetzt unsererseits nichts geschehen sei,
wovon nicht das befreundete Wiener Kabinett Kenntnis erhalten hätte.
Daß wir dasselbe von der k. und k. Regierung ebenfalls erwarteten,
sei selbstverständlich.
Ich würde fehlgreifen, wollte ich annehmen, daß der Kaiser Franz
Joseph irgendwelches Mißtrauen in unsere Bundestreue hätte; aber
bei der eigentümlichen Lage der Dinge, wo weder Rußland noch Öster-
reich unseres Vertrages wegen den Krieg anfangen will, sieht er vor-
aus, daß durch irgendeinen unglückHchen Zufall ^ oder aber durch rein
militärische 3 Gründe, von denen der Erfolg oder Mißerfolg der Kam-
pagne abhängen würde, seine Armee genötigt 3 sein könnte, den Feind
anzugreifen. Und für diesen Fall möchte er aufgeklärt sein, wie bei
uns dann der casus foederis interpretiert werden wird^o.
Ich habe mich auf die Besprechung dieses Gedankens nicht ein-
gelassen, muß aber nach dem, was ich von dieser obersten Stelle heute
gehört habe, voraussetzen, daß es hier vollkommen Ernst ist, hier-
über einen Gedankenaustausch, vielleicht sogar eine Abmachung herbei-
zuführen n.
Dasselbe gilt von der rein miUtärischen Seite der Frage; Euere
Durchlaucht wollen mir hochgeneigtest gestatten, dasjenige, was mir
der Kaiser hierüber gesagt hat, an anderer Stelle zu melden.
Die Notwendigkeit, eventuell in einen Krieg hinein zu müssen,
bei welchem man nichts gewinnen kann, schien dem Kaiser ein über-
aus drückender Gedanke, mit dem er sich nur schwer vertraut machen
kann, aber den er doch sehr ernsthaft ins Auge faßt. Der Kaiser glaubt
nicht an einen Winterfeldzug, aber die Berichte, die ihm vorlagen,
lassen Seine Majestät annehmen, daß in Rußland alles auf das Früh-
jahr eingerichtet wird.
Seine Sprache war eine durchaus freundschaftliche, sehr teilnehipend
und warm mitfühlend für die Sorgen, die unseren allergnädigsten
Herrn jetzt drücken, mit großem Vertrauen in Euerer Durchlaucht
Beistand in der bedrängten Lage, in welcher sich die österreichisch-
ungarische Monarchie leicht befinden könnte. Ich darf am Schluß
nochmals wiederholen, daß ich sehr entschieden das Vertrauen in
unsere Bundestreue bestärkt, aber darüber hinaus keine Hoffnungen
erweckt habe.
21
Wie sich der Kaiser den Fall denkt, daß er infolge seines anglo-
italienischen Abkommens, welches ihn zum Schutz der Türkei ver-
pflichtet, nicht militärisch, sondern nur diplomatisch gegen Rußland
auftreten will, ist mir nicht recht klar, und werde ich suchen, vom
Grafen Kälnoky hierüber Aufschluß zu erlangen 12.
H. VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 „Eventuell" eingeklammert
2 ja die ist es vom Zaren, seine Diener wollen ihn durch Krieg Sturzes
3 V
* nicht anders wie ohnehin, greift Oest[er]r[eich] an, so besteht er nicht.
^ ja, wir haben uns bemüht, Oestreich auch für Fälle die foedus nicht deckt,
Bundesgenossen zu verschaffen.
ß die Frage läßt sich heut nicht beantworten, wenn man nicht Oest[er]reich in
Versuchung führen will auf unsre Kosten Krieg zu provociren
' ? der tritt ja England nicht bei, sondern bildet eine neue ä 3, mit Ital[ien]
u[nd] Oest[er]r[eich]
^ ja
■^ richtig
10 er liegt dann nicht vor.
11 cf. Steitel 6. Marg[inal] 1 *
1- nicht nöthig wenn es sich nicht ohne diesseitige Initiative ergiebt
Nr. 1162
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 499 Wien, den 8. Dezember 1887
Geheim
Graf Kälnoky sagte mir heute, er sei sehr befriedigt von den Wir-
kungen, welche mein Gespräch mit seinem Kaiserlichen Herrn ge-
habt hätte.
Seine Majestät hätten sich nunmehr die Notwendigkeit ganz klar
gemacht, daß Gegenmaßnahmen gegen die russischen Rüstungen ge-
troffen werden müßten, und wären darüber die ersten Vorbesprechungen
heut unter dem Vorsitz des Kaisers gehalten worden.
Auf meine Bitte, mir zu erklären, was Seine Majestät mit der An-
regung des Gedankens gemeint habe, was unsererseits geschehen würde,
wenn Österreich-Ungarn infolge seines geheimen Abkommens mit Eng-
land und Italien in einen Krieg mit Rußland gezogen würde, und daß
man sich hierüber verständigen müßte, erwiderte mir der Minister
folgendes:
* Identisch mit Randbemerkung 6.
22
Sein Kaiserlicher Herr sei durch das Nachdenken über dieses Ab-
kommen dahin gebracht worden, sich Sorgen zu machen. Deutsch-
land habe hier stets gewarnt: laßt Euch nicht in Kriege auf der Balkan-
halbinsel ein, dann können wir Euch nicht helfen; nun sage sich der
Kaiser, daß dieser Fall leicht eintreten könnte i, und daß er dann nicht
umhin können werde, unserer Warnung entgegen den Degen zu ziehen-.
Der Kaiser habe nur auf diesen Punkt hinweisen wollen, damit man bei
uns seine eventuelle Handlungsweise sich erklären könne.
Der Minister versicherte mir, er denke nicht daran, darüber in Be-
sprechungen mit uns einzutreten s und etwa, wie ich dies aus den
kaiserlichen Worten hätte verstehen können, durch ein neues Ab-
kommen unser Vertragsverhältnis auszudehnen. Der casus foederis
läge klar zutage^.
Graf Kälnoky knüpfte hieran die Bemerkung, daß, wenn der Kaiser
Franz Joseph davon gesprochen hätte, daß er seine Truppen nicht
verzetteln wollte und in den Fall kommen sollte, seine VerpfHchtungen
gegen England und Italien mit Bezug auf den Schutz der Türkei er-
füllen zu müssen, dies allerdings hier in der Absicht liege. Die Dinge
würden sich wahrscheinlich so gestalten, daß die drei verbündeten
Mächte im Fall eines Angriffes Rußlands auf die Türkei zuerst eine
Protestposition, begleitet von einer Flottendemonstration 3, Österreich
und Italien mit einbegriffen, vor den Dardanellen einnehmen würden 3.
Hierdurch würde die Türkei wohl zum Mittun bewogen werden,
und eine Beteiligung österreichischer Landkräfte nicht in Frage
kommen*.
Es erscheine immer mehr unwahrscheinlich, daß Rußland in Varna
landen würde. Ein Einbruch in Armenien sei, nach hiesigen Nach-
richten über die geringe Stärke der kaukasischen Armee, auch nicht
wahrscheinlich. Wollte daher Rußland in die Balkanhalbinsel einbrechen,
so stehe dazu nur der Weg durch Rumänien zu Gebote. Hier würde
sich Rumänien weigern und der casus foederis würde für Österreich
Rumänien gegenüber eintreten, und auch Deutschland ^ angehen*. Aus
allen diesen Gründen sei eine Entsendung österreichischer Truppen auf
die Balkanhalbinsel nicht absolut nötig.
Wenn nun von Besprechungen über diesen Fall nicht die Rede
wäre, so würde es doch, wie der Kaiser es mir auch gesagt hätte,
sehr erwünscht sein, über die militärischen Maßnahmen für den Fall
des Eintretens des casus foederis zwischen Deutschland und
Österreich uns rechtzeitig zu besprechen ß**.
Der österreichische Generalstab ebenso wie der unsrige dürfe
nicht durch die Ereignisse überrascht werden. Es kämen dabei, auch
abgesehen von dem allgemeinen zu kombinierenden Operationsplan,
* Vgl. Bd. III, Kap. XVII: Vertrag mit Rumänien 1883.
** Vgl. das folgende Kapitel: Österreichisch-Deutsche Besprechungen über den
casus foederis.
23
eine Menge Dinge in Betracht, wie Benutzung der Eisenbahnen ^ pp.,
die einer genauen Vorarbeit bedürften. Vielleicht wäre es nützlich,
wenn diese Punkte vorläufig durch Oberstleutnant von Steininger* mit
dem Chef unseres Generalstabs besprochen werden könnten 7, so daß
es nur einer endgültigen geheimen persönlichen Besprechung der beider-
seitigen Chefs an einem zu vereinbarenden Ort bedürfen würde.
H. VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck (zum Teil auf einer Abschrift) : '
1 Durchaus nicht leicht! wenn nicht Rußland Oestlerjreich angreift; dann aber liegt
casus foederis vor; jedes andre „eintreten" wird nicht „leicht" sondern „leicht-
sinnig" sein.
2 dann zieht Er ihn auf alleinige Verantwortung; dafür haben wir Ihm It[alien]
u[nd] Engl[an]d verschafft
3 gut
* ?? doch! falls Rußl[an]d nicht zurückzieht
5 wir haben mit Rumänien mitunterschrieben, um die Rumänen zu ermuthigen
daß sie sich an Oest 1er] reich anschließen; aber Truppen werden wir für die
Frage nicht viel übrig haben, so lange Frankreich besteht! Wenn Oestter]reich
mit Rum[änien] Bulg[arien] Italien, Pforte, England, Serbien zusammen noch
froid aux yeux hat, so zeigt das schlechtes Gewissen.
6 ja gut; ob er eintritt ist aber eine andre polit[ische] Frage.
Ma
Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
8 Der Kriegsminister sagte mir, die Oest[er]reicher würden bei ihrem eventuellen
Aufmarsch in Westgalizien notwendig auf unsere oberschlesischen Bahnen rekur-
rieren müssen.
Bemerkung des Fürsten von Bismarck zur vorstehenden Bemerkung des Grafen
Herbert von Bismarck:
9 In casu foederis, natürlich.
Nr. 1163
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. ia Friedrichsruh,
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Reinkonzept
Nr. 6Q8 Friedrichsruh, den 15. Dezember 1887
Geheim [abgegangen am 16. Dezember]
Eurer Durchlaucht Telegramm Nr. 126 und Bericht Nr. 508 vom
ll.d. Mts. habe ich erhalten.
Eure Durchlaucht gehen danach scheinbar von der Voraussetzung
aus, daß die militärischen Auffassungen des Generalstabes, welche
Ihnen durch Erlaß Nr. 686** zur Orientierung und Belebung der öster-
reichischen Militärs mitgeteilt wurden, für meine politische Auf-
* österreichischer MiUtärattache in Berlin.
** Durch Erlaß Nr. 686 vom 9. Dezember 1887 war dem Botschafter Prinzen Reuß
zur vertraulichen Verwertung bei Graf Kälnoky eine ausführliche Denkschrift des
Generalfeldmarschalls Grafen Moltke von „Ende November 1887" mitgeteilt
24
fassung maßgebend wären. Ich habe dabei nur die Absicht gehabt,
die österreichische Armeeleitung durch das Feuer der unsrigen zu er-
wärmen und nur mit wenigen Worten auf den Schluß hingewiesen,
welchen der Chef des Generalstabes von seinem Standpunkte aus
militärisch gezogen hat, um durch Eurer Durchlaucht Vermittelung
die dortigen Militärs darüber zu informieren, wie unser Oeneralstab
die Situation auffaßt. Wir sind kriegsbereiter als das österreichische
Heer, und halte ich die im Erlaß Nr. 686 erwähnte Auffassung des
Grafen Moltke bezüglich unseres militärischen Verhaltens für ver-
früht; ich erinnere mich, daß unser Generalstab sowohl im Jahre 1867
als auch im Laufe der 70 e"" Jahre bezügUch Frankreichs wiederholt ähn-
liche aggressive Vorschläge vertreten hat, wie jetzt bezüglich Rußlands;
wenn man auch in der Frage von Krieg und Frieden eine Sicherheit
für die Zukunft nicht haben kann, so halte ich es doch durchaus nicht
für angezeigt, Seiner Majestät dem Kaiser wegen der bisherigen russi-
schen Rüstungen und Bedrohungen einen Angriffskrieg gegen f^ußland
anzuraten. Solange ich Minister bin, werde ich meine Zustimmung
zu einem prophylaktischen Angriffe auf Rußland nicht geben, und
ich bin auch weit entfernt, Österreich zu einem solchen zu raten, so-
lange es nicht der englischen Mitwirkung dabei absolut sicher ist.
Wenn letztere einträte, so würde sich das ganze Bild der europäischen
Lage wesentlich ändern. Durch die Überlegenheit der englisch-italie-
nischen Flotte zur See würde die ganze italienische Armee frei zu
Offensivzwecken und die Pforte wahrscheinlich mit fortgerissen werden
zum Bruche mit Rußland. Ohne die bestimmte Aussicht auf Eng-
lands Mitwirkung in einem Kriege gegen Rußland halte ich es für
meine PfHcht, Österreich von jedem aggressiven Vorgehen gegen das
worden. Die Denkschrift war betitelt „Die Entwickelung der Wehrkraft Ruß-
lands seit 1878 unter besonderer Berücksichtigung seiner Rüstungen im laufenden
Jahre 1887", und kam zu dem Ergebnis: „Nach vorstehendem unterliegt es
keinem Zweifel, daß Rußland unmittelbar zum Kriege rüstet, und durch eine
allmählich fortschreitende resp. ruckweise Mobilmachung den Aufmarsch seiner
Armee vorbereitet." Daß Bismarck mit dieser Auffassung des Grafen Moltke
nicht einverstanden war, lehren zwei Fragezeichen, die er zu dem Schlußsatz
der Denkschrift machte. Noch deutlicher geht das aus Randbemerkungen Bis-
marcks zu dem Erlaß vom 9. Dezember hervor. Ausdrücklich bezeichnet der Fürst
darin den Schluß des Grafen Moltke, daß der Aufmarsch der russischen Armee
begonnen habe, und daß der Angriff bevorstehe, als ,,meo voto verfrüht". Zu
der daraus abgeleiteten, in der Denkschrift „von Ende November" allerdings nicht
ausgesprochenen Folgerung Moltkes, daß Deutschland dem bevorstehenden russi-
schen Angriff zuvorkommen müsse, heißt es am Rande: „Nicht meine Ansicht!" Die
Tendenz des Erlasses vom 9. Dezember ging nach dessen Schlußpassus nicht
etwa dahin, Österreich zu veranlassen, seinerseits gegen Rußland aggressiv vor-
zugehen, sondern dahin, „daß Österreich nicht eine kostbare Zeit verliere, son-
dern vielmehr diejenigen Maßregeln ergreift, welche sein Generalstab zur
notdürftigen Sicherung der exponierten österreichischen Landesteile für ge-
boten erachtet". In dieser Richtung hat die Denkschrift nach einer späteren Äuße-
rung Bismarcks (vgl. Nr. 1362, S. 365) ihre Wirkung voll ausgeübt.
25
letztere abzuraten. — Wir werden, sobald casus foederis, d. h. ein russi-
scher Angriff auf Österreich, vorliegt, nicht zögern, auch unsererseits
den Krieg gegen Rußland mit allen Frankreich gegenüber entbehrhchen
Kräften aufzunehmen; aber den Angriff auf Rußland werden wir
weder selbst übernehmen, noch den casus foederis als vorhanden an-
sehen, wenn Österreich ihn unternimmt. In der Voraussicht, daß letzteres
durch Österreichs Balkanpoütik geboten erscheinen könne, haben wir
uns mit Erfolg bemüht, Österreich zu ItaHen und England in nähere
Beziehung zu bringen*. Sind diese für Graf Kälnoky so fest und zu-
verlässig, daß Österreich sicher ist, beide Mächte, und dann auch die
Pforte, aktiv und nicht bloß diplomatisch zur Seite zu haben, so würde
ich als österreichischer Minister vielleicht auch den Waffengang wagen,
ohne das aber nicht. Auf uns ist dabei, articulo foederis, nicht zu
rechnen. Für uns Hegt ein Kriegsmotiv niemals in den Balkanfragen,
sondern immer nur in dem Bedürfnis, die Unabhängigkeit Österreichs
auch unsererseits zu vertreten, sobald sie durch Rußland bedroht wird.
Österreich hat keine Pfhcht übernommen, bei französischen oder
dänischen und andern Verwickelungen für uns einzutreten, und wir
nicht für die außerhalb seiner Landesgrenze liegenden orientalischen
Interessen Österreich-Ungarns. Das ist beiderseits festzuhalten. Der
Unberechenbarkeit der russischen Politik gegenüber müssen wir beide
gegen russischen Überfall stark gerüstet sein, aber an einem Angriff
auf Rußland wollen wir uns nicht beteiligen, auch wenn unsere Militärs
überzeugt sind, daß wir den Krieg heut unter günstigeren Verhält-
nissen führen könnten wie später.
Aus dem Schreiben des Majors von Deines, welches Eurer Durch-
laucht an den Staatssekretär gerichtetem Privatbrief vom 9. er. bei-
geschlossen war, habe ich den Eindruck gewonnen, daß Herr von Deines
Neigung hat, den österreichischen Generalstab zu drängen, nicht bloß
zu besserer Sicherstellung der Verteidigung, sondern darüber hinaus.
Ich halte dies nicht für zweckmäßig; denn wenn wir von den Öster-
reichern mehr verlangen, als sie zu leisten imstande sind, so werden sie
zu nervöser Politik gedrängt werden und uns, wenn sie weiter gehen,
wie uns erwünscht, sagen können, es sei auf unser Drängen geschehen,
und wir deshalb verpflichtet, sie zu decken. Es Hegt in keiner Weise
in unserem Interesse, wie Herr von Deines in seinem Briefe meint,
daß die Österreicher Rußland jetzt oder später die Alternative stellen
„Krieg oder Frieden"; der Angriff Rußlands muß abgewartet werden.
Die Einziehung von Urlaubern ist gewiß richtig und auch weiter keine
Provokation, aber es ist nicht unsere Aufgabe, die Stimmung, in welcher
Feldmarschalleutnant von Beck nach dem Januar sein wird, und in
der die Österreicher den Russen die Frage, ob Krieg oder Frieden, stellen
wollen, in irgendeiner Weise zu fördern. — Als Belege angeblicher
* Vgl. Bd. IV, Kap. XXVm.
26
Provokationen Österreichs werden die Russen eher offiziöse Zeitungs-
artikel ansehen, welche, wie kürzHch ein communique des „Wiener
Fremdenblatts", offen von österreichischen Vorbereitungen sprechen.
Prophylaktische Maßnahmen, welche als Warnungen dienen sollen,
pflegen weniger zu reizen, wenn sie stillschweigend angebahnt, als
wenn sie öffenthch in Zeitungsartikeln angekündigt werden. — Sich
mit der Kriegsbereitschaft zu rühmen und zu brüsten, ist immer bedenk-
lich. Ich möchte glauben, daß es richtiger wäre, wenn die Österreicher
nach russischem Vorgange in den Zeitungen sagen lassen, daß nichts
geschehe, heimhch aber alles tun, was ihr Oeneralstab für nützUch
hält. — Ein herausfordernder Zeitungsartikel nützt nichts und
macht im Sinne der Provokation mehr Lärm als eine vorgeschobene
Division.
Um die jetzige klare Abgrenzung des casus foederis nicht zu ver-
wischen, dürfen wir die Versuchung nicht verstärken, in der die Öster-
reicher sich ohnehin befinden, die Situation auszunutzen, um die deutsche
Heereskraft für ungarische oder katholische Ambitionen im Balkangebiet
zu verbrauchen. Wir dürfen nicht vergessen, daß es in Österreich
Aspirationen gibt, denen eine Verminderung der gegenwärtigen Stärke
Deutschlands nicht unerwünscht sein würde. Wir müssen dahin wirken,
daß Österreich sich stark macht, um von einem russischen Angriff nicht
übergelaufen zu werden, und um uns in solchem Falle ein starker Bundes-
genosse zu sein. Um Österreich stark zu machen, haben wir uns be-
müht, ihm Itahens und womöglich auch Englands Unterstützung im
Kriegsfall zu verschaffen. Aber auf eine Zusage unserer Unterstützung
Österreichs im Falle des österreichischen Angriffs auf Rußland werde
ich mich unter keinen Umständen einlassen. Wenn ich Seiner
Majestät dazu raten wollte, so würden wir der österreichischen Politik
eine Prämie auf das Händelsuchen setzen.
Wenn der russische Krieg durch österreichischen Angriff auf Ruß-
land entsteht, so ist für uns meines Erachtens nicht die Beteiligung
an demselben, sondern der sofortige Angriff auf Frankreich indiziert,
und unser Verhalten zum russischen Kriege von dem Erfolg unseres
französischen Krieges abhängig zu machen*. Wir dürfen Öster-
reich durchaus nicht zu aggressivem Vorgehen gegen-
über Rußland ermutigen, nur zum Starksein in der De-
* Aus diesem Satz kann natürlich nicht geschlossen werden, daß Fürst Bismarck
Ende 1887 einen Angriffskrieg gegen Frankreich geplant habe. Wie die folgen-
den Sätze des Textes ergeben, ist der Sinn ganz offenbar der, Österreich von
einem Angriffskrieg gegen Rußland durch den Hinweis darauf abzuhalten, daß
Deutschland in solchem Falle nicht etwa Österreich zu Hilfe eilen, auch nicht
in drohender Haltung gegen Rußland Gewehr bei Fuß stehen bleiben werde,
sondern dem unvermeidlichen Angriff Frankreichs zuvorkommen müsse. Tat-
sächlich hat Bismarck durch diesen eindringlichen Hinweis auf die eventuelle
Notwendigkeit, die deutschen Kräfte einseitig nach Westen zu werfen, den Aus-
bruch des österreichisch-russischen Konflikts verhindert und den schwerbedrohten
27
fensive. Ob die österreichische Armee irrtümlich glaubt, daß wir ein
Schutz- und Trutzbündnis für alle Fälle hätten, ist für unsere Politik
ganz gleichgültig; wir können nur beklagen, daß das Wiener Kabinett
nicht wenigstens die amtlichen Kreise in Zivil und Mihtär über diesen
Irrtum aufklärt.
Es empfiehlt sich, dem bei jeder Gelegenheit zu widersprechen
und hervorzuheben, daß wir in einem deutsch-französischen Kriege
kein vertragsmäßiges Recht auf Österreichs Unterstützung haben, son-
dern nur in einem russischen, und daß die Ausdehnung unseres Bünd-
nisses auf jeden Angriff, auch auf den französischen, nicht von uns,
sondern von Österreich abgelehnt worden ist.
Erwünscht ist uns der Krieg unter keinen Umständen. Zu allen
übrigen Gründen dagegen kommt die Rücksicht auf die Jahre Seiner
Majestät des Kaisers und die Gesundheit Seiner Kaiserlichen Hoheit
des Kronprinzen.
Euere Durchlaucht wollen die vorstehenden Ausführungen als für
Ihre persönliche Orientierung bestimmt ansehen.
v. Bismarck
Nr. 1164
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt Grafen
zu Rantzau, z. Z. in Friedrichsruh
Eigenhändig
Friedrichsruh, den 15. Dezember 1887
Seine Durchlaucht bittet, dem Prinzen Reuß in Anknüpfung an
das dem Auswärtigen Amte heute mitgeteilte Telegramm Nr. 2* nach
Wien zu schreiben, er möchte dem Major von Deines sagen, solche
Besprechungen, wie derselbe sie mit dem Kaiser von Österreich gehabt
hätte, überschritten nach seiner, des Herrn Reichskanzlers, Ansicht
die Grenze zwischen den pohtischen und militärischen Erwägungen.
Die ersteren müßte der Herr Reichskanzler sich ausschließlich vor-
behalten und namentlich auch die Beurteilung des Einflusses, der
dem militärischen Urteile auf politische Entschließungen beizulegen
sei. Die direkten Verhandlungen über die Politik beider Länder wären
zwischen ihren auswärtigen Ämtern und nicht zwischen ihren beiden
Generalstäben zu führen. In der Unterredung, welche Major von Deines
Weltfrieden erhalten. Vgl. auch Nr. 1185. Umgekehrt hat Frankreich keinen
Zweifel daran gelassen, daß es zum Angriff auf Deutschland schreiten werde,
sobald dieses anderweitig stark engagiert sei. Das wird bekräftigt durch das Zeug-
nis des Botschafters Mohrenheim, mitgeteilt bei S. Goriainow, The End of the
Alliance of the Emperors in The American Historical Review Vol. XXIII Nr. 2,
p. 331.
* Siehe Nr. 1165.
28
1967(
mit dem Kaiser Franz Joseph gehabt hätte, läge nach Seiner Durch-
laucht Eindrücken eine Aufforderung und ein Treiben Österreichs zum
Angriffskrieg gegen Rußland. Der Herr Reichskanzler teilte die in
dem Generalstabsgutachten ausgesprochene Ansicht von der ünvermeid-
lichkeit des Krieges nicht; und wenn dieselbe richtig wäre, so würde
Seine Durchlaucht auch darin kein Motiv finden, einen Krieg heute zu
beginnen aus keinem anderen Grunde, als weil mit großer Wahrschein-
lichkeit anzunehmen wäre, daß er später stattfinden werde, pp.
Dem Prinzen Reuß bittet der Herr Reichskanzler noch vertrau-
lich zu schreiben, er würde, wenn dergleichen sich wiederholte, eine
andere Besetzung der Stelle des Militärattaches verlangen. Der Herr
Botschafter hätte den Militärbericht mit dem Vermerk der Kenntnis-
nahme versehen; der Herr Reichskanzler hätte gewünscht, daß Prinz
Reuß den politischen Druck, welchen Major von Deines auf den Kaiser
Franz Joseph geübt hätte, sofort selbst rektifiziert hätte. Das Gut-
achten des Generalstabes wäre nur zu dem Zwecke mitgeteilt worden,
Österreich zu bestimmen, daß es sich defensiv auf die Möglichkeit eines
Angriffes vorbereite, aber keineswegs, um den unsererseits nach aller
Möglichkeit zu vermeidenden Kriegsfall herbeizuführen oder zu be-
schleunigen. In Österreich selbst würde durch dieses übertriebene
Drängen und Treiben unsere Stellung geschädigt, wie schon aus der
Möglichkeit solcher Artikel, wie des der „Neuen Freien Presse'', er-
sichtlich wäre. Wenn auch diesem Artikel französisches Geld und fran-
zösische Tendenz, in Österreich gegen uns zu hetzen, zugrunde liegen
möge, so würde doch die österreichische Regierung mit einer Be-
richtigung schneller bei der Hand gewesen sein, wenn sie nicht selbst,
mit Recht oder mit Unrecht, sich durch die Art von Bevormundung
verstimmt gefühlt hätte.
C. Rantzau
Nr. 1165
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Fried ichsruh,
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Telegramm. Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Nr. 2 Friedrichsruh, den 15. Dezember 1887
Militärbericht Nr. 88 vom 13. d. Mts. erhalten.
Die Befürwortung des Winterfeldzuges, also Herbeiführung des
Krieges, widerspricht unserer Politik direkt und vollständig, und er-
suche ich den Herrn Militärattache, sich ähnlicher politischer Ein-
wirkungen auf den Kaiser von Österreich zu enthalten, solange nicht
eine von mir ausgehende Instruktion dafür vorliegt.
V. Bismarck
29
Nr. 1166
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Entzifferung (Umstellung)
Nr. 416 St. Petersburg, den 14. Dezember 1887
Mein österreichischer Kollege sagt mir, daß Herr von Qiers sich
heute ihm gegenüber in versöhnhchem Sinne ausgesprochen habe. Der
Minister betonte, daß die russischen Militärmaßnahmen einen rein
defensiven Charakter trügen, und fügte die Behauptung hinzu, es ständen
jetzt weniger Truppen in Russisch-Polen, als zur Zeit Kaiser Nikolaus'
und Alexanders II. Hinsichtlich der poütischen Beziehungen zwischen
Rußland und Österreich hat Herr von Giers bemerkt, daß die bezüglich
Bulgariens zwischen diesen beiden Mächten herrschende Meinungs-
verschiedenheit noch keinen Grund zu ernstlichen Zerwürfnissen dar-
stelle. An der Donau bestände überhaupt keine wirkliche Kriegsgefahr;
der unversöhnbare Gegensatz zwischen Deutschland und Frankreich
sei nach seiner Ansicht bedenklicher.
Meines gehorsamsten Erachtens ist die letztere Bemerkung des
Ministers um so befremdlicher, als die friedüch gestimmte Botschaft
des Präsidenten der französischen RepubHk heute hier bekannt wurde.
Die entgegenkommende Haltung des Herrn von Qiers hat Graf
Beust ebenso überrascht, als erfreut. Auch dem Grafen Wolkenstein
gegenüber, welcher aus Gesundheitsrücksichten seit 5 Wochen sich
von den Geschäften fernhält, und den er gestern besuchte, führte der
russische Minister eine versöhnliche Sprache, indem er bezüglich des
Verhältnisses Rußlands zu Österreich äußerte: „Nous aurons peut-
etre une paix desagreable, mais nous aurons la paix."
Bülow.
Nr. 1167
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an das Aus-
wärtige Amt
Telegramm, Entzifferung
Nr. 186 St. Petersburg, den 15. Dezember 1887
Der „Russische Invalide", das Organ des Kriegsministeriums, bringt
heute eine offenbar amtliche Auslassung i, in welcher unter Hinweis
auf die angeblichen Kriegsvorbereitungen Deutschlands und Österreichs
die Fortsetzung der begonnenen russischen „Gegenmaßregel" als not-
wendig bezeichnet wird. Der „Invalide" erklärt eine Vermehrung des
russischen Eisenbahnnetzes im Grenzgebiet für zu kostspielig und lang-
30
wierig, dagegen Verstärkung der Kriegsbereitschaft der Festungen und
Vermehrung der Truppen an Grenze für geboten.
Bülow
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopf des Schriftstücks:
System der Fälschung; die russ[ische] Presse ufndj Deroulede-Demonstration*
Hefern Commentare zu den Aufstellungen u[nd] ihrer aggressiven Tendenz
Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
1 Von Wolffs Bureau gebracht, wahrscheinlich von Obrutschew redigiert, wie
ich vermute, auf eine Anfrage des Zaren, um diesen über die Wahrlieit zu
täuschen. Die ursächhchen und tatsächlichen Fälschungen sind ziemlich grob.
Ich werde sachliche Zusammenstellung des Generalstabs erbitten und
vorlegen.
Nr. 1168
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 431 St. Petersburg, den 17. Dezember 1887
Die russische Diplomatie scheint die Taktik zu verfolgen, gegen-
über der hiesigen österreichischen Vertretung immer dann freundliche
Saiten aufzuziehen, wenn die russische Heeresverwaltung einen Schritt
vorwärts zu machen wünscht. Unmittelbar bevor die 13. Kavallerie-
division von Moskau nach Lublin verlegt wurde, erfreute Herr von Giers
den Grafen Wolkenstein durch die Versicherung, daß die schönen
Tage von Kremsier** wiederkehren würden, da die dort zum Ausdruck
gelangte Politik die einzig mögliche sei. Diesmal versicherte der russi-
sche Minister des Äußern unmittelbar vor der Kundgebung des „In-
validen" dem österreichisch-ungarischen Botschafter, wie dem Grafen
Beust, daß zwischen Österreich und Rußland keine ernstlichen Ver-
wickelungen zu befürchten wären.
Über den Artikel des ,, Invaliden"*** wird mir von verschiedenen
Seiten übereinstimmend erzählt, daß derselbe der Auszug aus einem
größeren Promemoria sei, welches General Kuropatkin im Auftrage
des Generals Obrutschew redigiert und Kriegsminister Wannowsky dem
Kaiser vorgetragen habe. General Kuropatkin war bekanntlich Stabs-
chef und intimer Freund des Generals Skobelew; er gilt der Armee
und der „Intelligenzia" für dessen Erben ; er ist zweifellos ein durch
Geist und Charakter gleich hervorragender Offizier. Von allen Seiten
* Vgl. Bd. V, Nr. 1117, S. 294, Fußnote **.
** In Kremsier hatte am 25. August 1885 eine Entrevue zwischen Kaiser Franz
Joseph und dem Zaren stattgefunden.
*** Vgl. Nr. 1167.
31
höre ich, daß der Einfluß des Generals Obrutschevv gegenwärtig im
Kriegsministerium vollständig dominiere. Da jedoch der General per-
sönlich dem Kaiser höchst unsympathisch ist, so übernimmt es der
Kriegsminister, die Ideen des Chefs des Generalstabs Seiner Majestät
mundgerecht zu machen. „Wannowsky est un vrai patriote," äußerte
eine mir befreundete russische Dame, „il reconnait la superiorite
d'Obroutchevv et s'y soumet, sa täche consiste uniquement ä faire
accepter par l'Empereur les plans d'Obroutchevv, il est tres habile pour
cela, il possede la note honnete, naive, un peu bebete, qui plait ä
Sa Majeste." Ich fand Gelegenheit zu beobachten, daß Herr von Oiers
neuerdings mit dem Kriegsministerium und dem Generalstabe mehr
Fühlung hat als früher.
Die Auslassung des „Invaliden" verfolgt meines gehorsamsten Er-
achtens mehr wie einen Zweck: Zunächst ist dieselbe in usum Caesaris
verfaßt; demnächst soll das russische Publikum davon überzeugt werden,
daß die Schuld an der gegenwärtigen Spannung und eventuell am
Kriege die deutschen Mächte treffe, nicht Rußland; endlich soll der
Armee gezeigt werden, daß Rußland sich nicht fürchte. Diese Absichten
des Artikels sind hier erreicht worden: Kaiser Alexander hat sich mit
der vom „Invaliden" dargelegten Auffassung durchaus einverstanden
erklärt. In der hiesigen Gesellschaft begegne ich allgemein der An-
sicht, daß nach der Enunziation des „Invaliden" an dem guten Rechte
Rußlands nicht mehr zu zweifeln sei. Die militärischen Kreise scheinen
befriedigt darüber, daß Rußland hinsichtlich der von ihm für notwendig
erachteten Militärmaßnahmen niemandem Rechenschaft ablegen wolle.
Die Sophismen, mit welchen der „Invalide" das Kräfteverhältnis
zwischen Rußland und den deutschen Mächten zu verdrehen, die
hier geplanten Truppenvorschiebungen zu verschleiern sucht, er-
regen allerdings bei aufrichtigeren russischen Militärs einige Heiter-
keit. Sofort nach dem Erscheinen des „Invahden"-Artikels wurde dem-
selben von hiesigen Offizieren prima vista nachgerechnet, daß bei
Aufzählung der russischen Grenztruppen 80000 Mann „vergessen"
worden wären.
Die schärfste Kritik, welche ich über die Auslassung des „In-
validen" vernahm, rührte eigentümlicherweise von Herrn von Saburow
her. Derselbe meinte, es sei ein höchst bedenkliches Symptom, daß
jetzt die russische Militärverwaltung statt des Ministeriums des Äußern
das Wort führe, Herr von Giers hätte es nicht so weit kommen lassen
dürfen. „De cette maniere nous aurons la guerre au printemps." Auch
die Form, des „Invaliden"-Artikels tadelte Herr von Saburow: Be-
merkungen wie die von den „billigen Lorbeeren", welche die deutschen
Mächte in Polen zu holen hofften, und die ironische Anwendung des
Wortes „Friedensliga", welches im russischen Text noch dazu gesperrt
gedruckt wurde, gehörten in den „Grashdanin", nicht in ein amt-
liches Manifest. Herr von Saburow scheint zu glauben, daß der gegen-
32
wärtige Moment für Rußland nicht opportun zum Losschlagen sei. Wie
mancher unserer hiesigen Gegner wünscht auch er, daß Rußland sich
in der Hinterhand halte, bis Deutschland mit Frankreich engagiert sei.
Dagegen sind allerdings viele Militärs — namentlich wegen der An-
nahme, daß gegenwärtig nicht nur Österreich mit drei Gewehrkalibern
ins Feld rücken würde, sondern auch das neue deutsche Gewehr sich
nicht bewährt habe — der Ansicht, Rußland sollte die Gelegenheit
beim Schopf ergreifen und im Frühjahr losgehen. In diesem Sinne
sprach sich erst kürzlich General Wannowsky gegenüber der Gräfin
Kreutz aus.
Der „Russische Invalide" stellte Deutschland und Österreich als
Gegner Rußlands auf eine Linie. Bis dahin hatte sich die russische
Presse vorzugsweise mit Österreich beschäftigt. Auf die Proteste der
österreichischen Blätter gegen die russischen Militärmaßnahmen ant-
wortete die russische Presse zunächst mit ruhigem Selbstbewußtsein,
neben welchem sich die Angstschreie mancher österreichischen Blätter,
insbesondere der „Neuen Freien Presse", seltsam ausnahmen. Es konnte
hier nicht unbemerkt bleiben, welche Furcht in Österreich, und nicht
allein bei den Slawen, vor einem Zusammenstoße mit Rußland zu be-
stehen scheint. Einige russische Blätter hielten infolgedessen Öster-
reich für genügend intimidiert und begannen demselben Avancen zu
machen, die zeigten, wie gern man hier Österreich von Deutschland
trennen möchte. Der „Grashdanin" frug, warum „das arme, ganz
unschuldige Österreich" durch deutsche Tücke in den Krieg mit Ruß-
land hineingehetzt werden solle, und drückte seine Verwunderung dar-
über aus, daß das Haus Habsburg einerseits die Dienste Rußlands
im Jahre 1848, andererseits Königgrätz vergessen habe. Unter An-
spielung auf den jüngst den hiesigen Blättern erteilten Wink, sich
Deutschland gegenüber einer vorsichtigen Sprache zu befleißigen, meinte
die „Nowoje Wremja": hinsichtlich Österreich-Ungarns sei die russi-
sche Presse frei und dürfe in dieser Richtung ihre Meinung offen aus-
sprechen; trotzdem wäre gegenüber diesem Nachbar in Rußland von
Chauvinismus nichts zu spüren.
Der österreichische Militärbevollmächtigte Oberst Klepsch sagte
mir vor einigen Tagen, daß es seiner Ansicht nach noch kein sicherer
Beleg für die friedlichen Absichten Rußlands sein würde, wenn der in
den hiesigen miütärischen Maßregeln gegenwärtig eingetretene Still-
stand auch noch ein bis zwei Monate anhalten i sollte. Selbst wenn die
russische Armeeleitung entschlossen wäre, den Kampf mit den deut-
schen Mächten im nächsten Jahre auszufechten, so würde dieselbe mit
den eigentlichen Rüstungen kaum vor Mitte Februar beginnen, da eben
erst um jene Zeit Russisch-Polen, Wolhynien und Podolien für sechs
bis acht Wochen durch das Tauwetter ziemlich unangreifbar würden.
B. von Bülow
3 Die Große Politik. 6. Bd. 33
Nr. 1169
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an ?*
Privatbrief. Unsignierter Auszug in Abschrift
St. Petersburg, den 18. Dezember 1887
Der Kaiser soll sich namentlich über Österreich und österreichische
Zustände seltsame Illusionen machen. Wie er seinerzeit überzeugt
war, daß Kaulbars in Bulgarien nur in seinem Namen zu sprechen
brauche, damit alles Volk vor Rußland auf die Knie falle, so glaubt
er jetzt, die österreichischen Slawen wären ihm ergeben und sehnten
sich nach russischer Kirche und russischer Knute, als ob sie treu-
untertänige Moskowiter wären. Unter solchen Umständen ist es begreif-
lich, wenn der Zar auch die Obrutschevvschen Lügen glaubt, welche
ihm Wannowsky vorträgt.
Nr. 1170
Aufzeichnung des Österreich -ungarischen Ministers des Äußern
Grafen Kälnoky
Unsignierte und undatierte Abschrift nach dem vom Österreich-ungarischen Bot-
schafter in BerUn Grafen Szechenyi am 30. Dezember 1887 vorgelegten Original
Am 18. d. Mts. kam der russische Botschafter zu mir, und nach
einem Austausch von Erläuterungen der miUtärischen Situation in Polen,
deren inoffensiven Charakter er aufrechtzuhalten versuchte, erklärte
er mir in formeller Weise im Namen der russischen Regierung und
mit Zustimmung des Kaisers, daß Rußland keinerlei Absicht habe,
Krieg zu machen, und noch weniger die, Österreich-Ungarn anzugreifen;
daß die Verschiebung der Truppen nicht im Widerspruche mit den
vollkommen friedlichen Absichten des Kaisers stehe, und daß niemand
in Rußland den Krieg wünsche, dessen Opfer enorme sein würden, und
für welchen kein Grund vorhanden sei.
Man denke nicht daran, auch nur einen einzigen Tropfen Blutes
für Bulgarien zu vergießen; diese Frage würde ihre friedliche Lösung
finden, und Rußland habe nicht die Absicht, aus der Reserve und Ent-
haltung herauszutreten, die es sich in dieser Beziehung vorgezeichnet
habe.
Ich erwiderte dem Fürsten Lobanow, daß ich mit Befriedigung
von dieser Erklärung Akt nehme und nicht verfehlen würde. Seiner
Majestät dem Kaiser dieselbe zur Kenntnis zu bringen, daß ich ihm
übrigens sofort sagen könne, daß von unserem allergnädigsten Herrn
und allerhöchstseiner Regierung ganz entschieden dieselben Erklärun-
* Der Adressat des Briefes ist nicht sicher zu ermitteln.
34
gen über die ausschließlich friedlichen Intentionen unserer Politik,
an welchen übrigens hier niemand zweifle, abgegeben werden können.
Nicht um anzugreifen, sondern weil Rußland uns durch seine
ungeheuren Rüstungen in Polen dazu zwinge, hätten wir, für die
Sicherheit unserer Grenzen besorgt, die notwendigen militärischen Vor-
kehrungen einleiten müssen, bei denen wir übrigens alles vermeiden
wollen, dem ein aggressiver oder provokatorischer Charakter zu-
geschrieben werden könnte. Aus letzterer Rücksicht hätten wir trotz
der kolossalen russischen Truppenvermehrungen bisher nicht die Ab-
sicht, neue Truppenkörper nach Galizien zu dislozieren, und be-
schränken uns vorläufig auf solche Maßregeln, welche die Sicherung
Galiziens gegen ein offensives Vorgehen Rußlands zum Zwecke haben.
Hierauf entspann sich ein längeres, mehr akademisches Gespräch
über die politische und militärische Lage, worin ich unter anderem
auseinandersetzte, wie verletzend die letzten offiziösen Artikel, welche
uns und Deutschland verdächtigen, heimtückisch den Angriff auf Ruß-
land vorzubereiten, hier gewirkt hätten, und wie wenig Wert ähnliche
Versicherungen hätten, wie wir sie soeben ausgewechselt haben, wenn
denselben keine praktische Folge gegeben werde.
Am 22. d. Mts. kam Fürst Lobanow abermals zu mir, um mir zu
sagen, daß er nicht verfehlt habe, seiner Regierung unsere vorerwähnte
Unterredung einzuberichten, und daß er durch ein Telegramm aus
St. Petersburg beauftragt worden sei, mir die große Befriedigung aus-
zudrücken, mit welcher man dort von meinen Erklärungen Kenntnis
genommen habe, und mir zu sagen, daß der Kaiser ausdrücklich alles
bestätigt habe, was Fürst Lobanow in unserer letzten Unterredung
mir zu erklären den Auftrag gehabt hatte.
Ich antwortete dem Herrn Botschafter, daß, wenn er nicht zu
mir gekommen wäre, ich noch am selben Tage ihn aufgesucht haben
würde, um ihm mitzuteilen, daß Seine Majestät der Kaiser mich be-
auftragt habe, ihn zu bitten, in Erwiderung seiner letzten Erklärungen
bezüglich der friedlichen und keineswegs aggressiven Absichten Ruß-
lands zur Kenntnis des Kaisers Alexander die formelle Versicherung
zu bringen, daß Seine Majestät, den Gefühlen getreu, welche bei der
Zusammenkunft in Kremsier vorgewaltet haben, niemals daran ge-
dacht habe, den Krieg gegen Rußland sei es vorzubereiten oder zu
machen, daß aber die unbestreitbare Tatsache der enormen militäri-
schen Vorbereitungen in Polen seiner Regierung die Pflicht auferlegt
habe, ernstliche Maßregeln zu ergreifen, um die bedrohte Sicherheit
des Reiches zu schützen.
Ich fügte hinzu, daß es Seine Majestät schmerzlich berührt habe
zu sehen, daß die letzten offiziösen Auslassungen der russischen Re-
gierung es wagten, Österreich-Ungarn anzuklagen, daß es de mauvaise
foi sei und mit seinen Alliierten einen Angriffskrieg gegen Rußland
vorbereite.
3» 35
Nachdem ich von diesem Austausch friedlicher Erklärungen Akt
genommen hatte, stellte ich dem Fürsten Lobanow folgende Frage:
Nachdem wir nun von allerhöchstunseren Souveränen persönlich
wissen, daß weder der eine noch der andere den Krieg wünsche oder
denselben beginnen wolle (woran übrigens weder ich noch Sie jemals
gezweifelt haben), frage ich Sie, in was diese wichtigen Erklärungen
die drohende Lage, in der wir uns befinden, irgendwie ändern? Können
Sie mir irgendeinen Unterschied in unserer gegenseitigen Stellung vor
diesen Erklärungen und nach denselben angeben? —
Ich kam darauf zurück, daß letztere wertlos seien, wenn denselben
nicht eine greifbare praktische Folge gegeben werde. Fürst Lobanow
sah dies ein und versuchte mich zu einem Vorschlag meinerseits in
dieser Richtung zu veranlassen. Ich lehnte dies ab und sagte: Ich
sehe nicht ein, was wir tun könnten, um der gespannten Situa-
tion ein Ende zu machen. Die Lösung liege in Petersburg, unser
Truppenstand in Galizien sei ein normaler, es haben weder außer-
ordentliche Truppenbewegungen noch außerordentliche Rüstungen an
der Grenze stattgefunden, ich wüßte daher nicht, auf welche Weise
unsererseits in dieser Frage Abhilfe geschaffen werden könne. Läge
eine poHtische Streitfrage vor, so wäre es wahrscheinlich leichter, eine
Lösung zu finden. Von der bulgarischen Frage behaupte ja die russi-
sche Regierung ausdrücklich, daß sie eine sekundäre Frage sei, wegen
der sie keinenfalls den Krieg machen wolle. Es liege also kein Streit-
objekt vor, welches greifbar wäre, und doch würden täglich in den
russischen Zeitungen die Leidenschaften gegen uns und Deutschland
losgelassen und Krieg und Rache gepredigt.
Meine Konklusion war, wenn man Beruhigung und Beilegung
der jetzigen Krise wolle, so könne dies nur von Petersburg
aus geschehen.
Nr. 1171
Der Chef des Generalstabes Ceneralfeldmarschall Graf von Moltke
an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 166 Berlin, den 31. Dezember 1887
Geheim
Euer Durchlaucht beehre ich mich, unter Bezugnahme auf die mit
dem Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amtes gehabte Unterredung*,
angeschlossen die gewünschte vergleichende Zusammenstellung der
* Vgl. die Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck zu
Nr. 1167.
36
tatsächlichen Friedensstärken in den Grenzgebieten Deutschlands und
Rußlands ganz ergebenst zu übersenden.
Betreffs der im Schreiben des Herrn Staatssekretärs vom 20. d. Mts.
erwähnten Behauptung des Herrn von Giers, daß die Gesamtzahl der
russischen Truppen in Polen heute geringer sei als zur Zeit der Kaiser
Nikolaus und Alexander II.*, haben inzwischen eingehende Ermitte-
lungen in den Akten des Generalstabes stattgefunden. Die Ergebnisse
dieser Nachforschungen beweisen, daß die Behauptung des Herrn von
Giers durchaus unzutreffend ist: Während der heutige Friedens-
stand der in den Militärbezirken Wilna, Warschau und Kiew be-
findUchen Truppen rund gerechnet mindestens 300000 Köpfe beträgt,
haben daselbst zu Zeiten des polnischen Aufstandes 1831 und des
Krimkrieges zu Ende 1855 auf Kriegsfuß nicht mehr wie 200 000
Mann gestanden, in den Friedensjahren bleiben die Truppenstärken
dagegen weit unter den genannten Zahlen.
Gr. Moltke
Nr. 1172
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Entzifferung
Nr. 445 St. Petersburg, den 2Q. Dezember 1887
Fürst Lobanow, welcher vor acht Tagen beruhigende Erklärungen
in Wien gegeben** und empfangen hatte, meldete gestern, daß be-
deutende Truppenbewegungen in der Richtung nach Galizien statt-
finden. „Zum ersten Male," sagte Herr von Giers, „ist der Bot-
schafter selbst alarmiert, es geht dort etwas vor; der Kriegsminister
Wannowsky hat dem Kaiser einen ganzen Stoß von Nachrichten über
österreichische Rüstungen zugeschickt; Seine Majestät hat mir gesagt:
»Sprechen Sie mit dem General von Schweinitz darüber.*"
Ich antwortete, daß ich von österreichischen Rüstungen nichts
wisse; wenn solche stattfänden, so seien sie jedenfalls nur für die
eigene Sicherung bemessen; eines aber wisse ich gewiß, nämlich daß
Österreich-Ungarn Rußland nicht angreifen wird, denn wenn es dies
tut, steht es allein, während es, von Rußland angegriffen, unserer Hilfe
sicher ist.
Herr von Giers sagte : „Ici, chez nous le sentiment predomine, que
nous serons attaquesi au printemps."^
Vgl Nr. 1166.
' Vgl. Nr. 1170.
37
Der Minister sprach über die bedenklichen gestern und heute an
den Tag getretenen Erscheinungen; er hat viele alarmierende an hiesige
Zeitungen gerichtete Telegramme als Zensor zurückgehalten ; eines
derselben, aus Varna datiert, laute: „Herr von Radovvitz hat erklärt,
daß Deutschland im bevorstehenden Kriege auf Seiten Österreichs stehen
wird." Der Minister fügte hinzu: „Dies alles geht von derselben bul-
garischen Lügenoffizin aus; seit man weiß, daß der Kaiser die Fäl-
schungen dem Fürsten von Bismarck mitteilt*, schickt man uns nichts
mehr, sondern versucht es mit Zeitungskorrespondenzen und Tele-
grammen."
Herr von Giers schloß: „Ich habe an Fürst Lobanow telegraphiert,
er solle sich nach dem militärischen Sachverhalt erkundigen unter
ausdrücklicher Betonung, daß dies nicht als Interpellation zu betrachten
sei; Kaiser Alexander vertraue auf das Wort des Kaisers Franz Joseph."
von Schweinitz
Randbemerkungen des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
1 Unaufrichtig!
* respondeatur zur Mitteilung: wir glaubten nicht, daß Giers das sentiment
wirklich hat. Seine Durchlaucht glaubt an Möglichkeit nur dann, wenn
Österreich uns oder England dabei im Bunde hätte. Letzteres sehr unwahr-
scheinlich, und von uns bekannt, daß wir Angriffskrieg nicht mitmachten. Daß
Österreicher möglicherweise ihre cadres verstärken, gegenüber den wachsenden
russischen Truppenverstärkungen nicht zu verwundern. Wir hätten aber ge-
naue Nachrichten, und darnach hätten sie keinen einzigen cadre gerührt.
Österreich ist friedlich, und wir werden reden zum Frieden, falls dort etwa
jemals agressive Tendenzen zu Tage treten sollten.
Nr. 1173
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 447 St. Petersburg, den 29. Dezember 1887
Vertraulich
pp. Diese Stimmung, oder vielmehr die allgemeine, bei hoch und
niedrig vorherrschende Überzeugung, welcher ich bei meiner Rück-
kehr nach St. Petersburg** begegnete, war, daß wir Österreich-Ungarn
zum Kriege mit Rußland trieben i. Diese ebenso falsche wie allgemein
verbreitete Meinung ist nicht nur durch die systematischen Verleum-
dungen der europäischen Kriegspartei, nicht nur durch Artikel deut-
* Vgl. Bd. V, Kap. XXXVI, Anhang B.
** Botschafter von Schweinitz hatte im Dezember 1887 auf Urlaub in Deutschland
geweilt; am 15. Dezember stattete er dem Fürsten Bismarck einen Besuch in
Friedrichsruh ab.
38
scher Zeitungen hier bestärkt worden, sondern auch durch vertrauliche
Mitteilungen aus Wien 2.
Die Neigung, sich zu verständigen, um uns allein zu lassen, darf
nach meinem ehrerbietigen Dafürhalten in Rußland bei wenigen, in
Österreich bei vielen ^ als vorhanden angenommen werden; es drängt
sich also die Frage auf, ob eine solche Verständigung möglich ist*.
Die russische Regierung hat uns Beweise geliefert, daß sie, um
den nationalen Leidenschaften zu schmeicheln, ökonomische Interessen
zu opfern fähig ist; sie würde wohl wenig Bedenken tragen, politische
Konzessionen zu machen, um einen unserer Bundesgenossen von uns
zu trennen; sie würde Österreich gegenüber um so bereitwilliger ^
zu temporären Zugeständnissen^ sein, als sie dessen Zerfall mit Zu-
versicht^ erwartet, sobald wir es nicht mehr stützen können. Wenn
nun unter dem Eindrucke der Kriegsfurcht, des „cimbrischen Schreckens",
wie er unlängst in Wien zutage trat, die dortige Staatsleitung in slavvo-
phile^ und ultramontane Hände geriete'^, so wäre es wohl denkbar,
daß man trotz Polen und Magyaren schon vor Solferino nach Villa-
franca ginge.
Zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, zwischen der katho-
hschen und der orthodoxen Slawenwelt bestehen aber Gegensätze,
welche in den letzten Jahren so schroff geworden sind, daß sie weder
durch gemeinsamen Haß gegen das Deutschtum noch durch diplo-
matische Arrangements, selbst nicht durch wechselseitige Kompen-
sationen auf Kosten eines dritten ausgeglichen werden können. Die
territorialen Fragen ließen sich vielleicht auf solche Weise lösen, die
nationalen Aspirationen sich versöhnen s, aber das Zusammenwirken
konfessioneller Rivaütäten mit den nationalen und den politischen läßt
friedlichen Ausgleich fast unmöglich erscheinen 8.
Die abendländische Kirche ist aggressiv in den ruthenischen und
in den südslawischen Ländern; die morgenländische ist es im öst-
Hchen Galizien und in Böhmen 9; auch wohl bei den Slowenen; sie
ist arm an geistigen Kräften, schwach durch Mangel an Disziplin,
arm auch an materiellen Mitteln trotz russischer Unterstützung. Un-
fähig, mit ihrer ungebildeten Geistlichkeit den Kampf gegen den über-
legenen katholischen Klerus siegreich zu bestehen, sucht sie die Staats-
gewalt in diesen Kampf hineinzuziehen, und bei der gegenwärtigen
Zerfahrenheit der russischen Staatsleitung fehlt es hierzu weder an
Mitteln noch an Aussicht auf Erfolg.
Wenn ich es wage, die Ansicht auszusprechen, daß kirchliche
Gegensätze eine Verständigung zwischen Rußland und Österreich für
nahe Zukunft ausschließen, so tue ich dies auf Grund langer Beob-
achtung, will aber nicht versuchen, die Wahrheit einer so gewichtigen
Behauptung durch Anführung einzelner Beispiele von lokalen Kon-
flikten oder durch anekdotische Mitteilungen aus Petersburger Salon-
gesprächen zu beweisen 10. Die tiefgehende Strömung, welche ich im
39
Auge habe, tritt übrigens hier in der zweiten Hauptstadt weniger
zutage als der aus Franzosenhebe und Deutschenneid zusammengesetzte
Chauvinismus, der sich weder um die Kirche noch um Bulgarien,
noch um die Dardanellen kümmert, wenn er nur uns demütigen
könnte 11. Ich glaube aber doch, mir gestatten zu dürfen, in aller Kürze
zwei Unterredungen zu resümieren, aus welchen sich auf die Anschau-
ungen einflußreicher Kreise schheßen läßt.
„Le joug de l'Autriche devient insupportable", sagte Herr Pobe-
donoszew, nachdem er mir die Verfolgungen geschildert hatte, denen
die Unierten in GaHzien ausgesetzt sind. Es scheint hiernach, daß in
neuerer Zeit wirklich recht lästige Maßregeln gegen die Ruthenen in
Anwendung gebracht worden sind, und zwar durch die polizeilichen
Organe, auf Anregung der römisch-katholischen Geistlichkeit. Letztere
geht von der, wie man hier zugibt, richtigen Ansicht aus, daß es, um
jenes ungebildete Volk ganz für Rom zu gewinnen, zunächst darauf
ankomme, die Äußerlichkeiten des Kultus denen der lateinischen Kirche
gleich zu machen und die der griechischen zu beseitigen. Nun hat
man jetzt den Kampf gegen die Form des Kreuzes eröffnet, welches
die Ruthenen auf ihren Kirchen und Gräbern seit alten Zeiten haben;
es ist das russische Kreuz mit drei Querbalken, an dessen Stelle das
lateinische mit einem, am oberen Dritteil angebrachten Querbalken
treten soll. Hierüber scheint es zu so peinlichem Streite gekommen
zu sein, daß der Papst Einhalt geboten hat. Hierdurch ist aber der
Zorn des Herrn Pobedonoszew nicht besänftigt worden, und er führte
bittere Klage über die von der Wiener Regierung getriebene jesuitische
Propaganda.
Wie schon oft bei ähnlichen Gesprächen, so erwiderte ich auch
diesmal, und zwar auf Grund des hohen Erlasses Nr. 892 vom 18. d.Mts.,
daß nicht die österreichisch-ungarische Regierung, sondern die katho-
lische Internationale, in neuerer Zeit durch die ultramontanen Mitglieder
des Hauses Orleans unterstützt, die Propaganda unter den Völker-
schaften der griechischen Kirche begünstige. „Nein," sagte der Proku-
rator des Synods, „dies ist nicht richtig; Fürst Bismarck irrt sich
hierin ; der Fürst bekommt diplomatische Berichte, sozusagen die großen
Nachrichten, ich bekomme die kleinen, und diese, aus der Mitte des
Lebens in jenen entlegenen Gebieten heraus, schildern die Dinge,
wie sie wirklich sind, in der Herzegowina, Bosnien, Serbien, Ungarn
und Galizieni2. Wenn nur dieses schreckliche Österreich nicht
wäre!"
Ich sagte, wie immer, daß Seine Majestät der Kaiser streng ver-
fassungsmäßig regiert, daß Graf Kälnoky sehr vorsichtig, Herr
von Källay religiös indifferent, Herr von Tisza reformiert sei; aber alles
dieses macht Herrn Pobedonoszew nicht irre. pp.
Ein leitendes Vorstandsmitglied vom Slawischen Wohltätigkeits-
verein sagte unter anderem: „Ich bin Panslawist, und darum kein
40
Gegner, sondern ein Freund Deutschlands ; Sie haben eine Million
Polen, um welche wir uns nicht kümmern, und 80000 Wenden, die
kaum in Betracht kommen, aber Österreich" — und nun entwickelte
mir mein gut unterrichteter Bekannter ähnliche Auffassungen wie Herr
Pobedonoszew, schilderte lebhaft die Leiden, welche die armen Ruthenen
am rechten Ufer der Sau wegen der dreiarmigen Kreuze erdulden, und
suchte nachzuweisen, daß die österreichische Regierung unter der Maske
der Parität das Schulwesen in Bosnien und der Herzegowina in die
Hände der Jesuiten gebracht habe. pp.
„Wir leben'', fuhr er fort, „in der Zeit der großen nationalen Agglo-
merationen; ein Staat, der kein Nationalitätsstaat ist, kann nicht fort-
bestehen ; ich sage Ihnen aber ausdrücklich, daß wir Panslawisten
meiner Richtung die Grenze unserer Bestrebungen nach der Kon-
fession ziehen, daß also nicht nur die Polen, sondern auch die Tschechen
außerhalb derselben bleiben, pp."
Durchdrungen von der Inferiorität seines Klerus und entschieden
abgeneigt, ihn materiell und intellektuell zu heben, scheint der Proku-
rator des Synods keine andere Rettung für seine bedrohte Kirche zu
sehen als ihren Schutz durch die russische Autokratie i3; daß sie unter
konstitutionellen Staatsformen nicht gedeihen kann, hat er einmal in
einem geistvollen Essay nachgewiesen; aus diesem Grunde hat er
sich auch beim Regierungsantritt des jetzigen Kaisers den Reformen,
denen man in dem denkwürdigen Conseil vom 20/8. März 1881* sehr
nahe war, so energisch und erfolgreich widersetzt. Mit gleicher Energie
und Konsequenz treibt er zum Kriege gegen Österreich-Ungarn, und
die „kleinen Nachrichten", auf die er so stolz ist, und die ihm aus den
slawischen Provinzen des Nachbarreichs in Menge zugehen, setzen ihn
instand, seinen kaiserlichen Herrn zu beeinflussen; so auch jetzt, wo
ihm, wie er mir sagt, berichtet wird, daß alle Straßen, die in Galizien
nach der russischen Grenze zu führen, mit österreichischen Truppen
angefüllt sind. v. Schweinitz
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 r
- dort ist dergleichen auch von militärischer Seite geschehn.
3 bei welchen?
* gewiß; sie bestand lange ulnd] oft, u[ndl war 1876 im Wer
5 p
6 was ist Ta[a]ffe** denn anders?
' das ist sie
8 die Verständigung auf unsre Kosten aber doch als möglich?
* In dem Konseil vom 20. März 1881 war die Frage der Berufung von Kom-
missionen oder Delegationen der russischen Semstwos verhandelt worden; der
Entwurf des Grafen Loris Melikow scheiterte aber an dem leidenschaftlichen
Widerspruch Pobedonoszews. Bericht des Botschafters von Schweinitz vom
29. März 1881.
** Graf Taaffe, österreichischer Ministerpräsident und Minister des Innern.
41
9 in Böhmen minimal
10 ist auch nicht nöthig
11 Skobelew
12 in Galizien besorgen es die Polen, denen die öst[er]r[eichi3che] ReglierungJ
freie Hand läßt, um sie gegen Rußland zur Verfügung zu haben; in Bosnien
die Jesuiten, in Bulgarien Clementine.
13 gegenseitig!
Nr. 1174
Kaiser Wilhelm I. an Kaiser Alexander III. von Rußland
Reinkonzept*
Berlin, le 5 Janvier 1888
[abgegangen am 6. Januar]
Mon eher petit neveu,
Le plaisir que m'a cause Votre visite** m'est un motif de plus pour
exprimer, ä l'occasion de la nouvelle annee, les voeux que m'inspirent
les liens de famille qui nous unissent et l'identite de nos interets
monarchiques. Ma jeunesse s'est passee sous l'influence de la reci-
procite des sentiments affectueux de nos peres; j'en ai garde la tra-
dition dans ma longue vie et je tiens ä Vous les exprimer de nouveau
dans un moment, oü les nations dont Dieu nous a confie le gouver-
nement, n'ont que leurs monarques pour leur conserver les bienfaits
de la paix et de l'ordre social menaces partout en Europe. Pour suffire
ä cette noble täche, il faudra avant tout ecarter entre nous tout
malentendu propre ä affaiblir la foi que mutuellement nous avons dans
les intentions paisibles et amicales qui president ä notre politique. J'ai
lu dans un organe officiel, „l'Invalide Russe" au sujet de la distribu-
tion de mes troupes des donnees, qui, si elles etaient fondees, pourraient
faire naitre des doutes au sujet du caractere de ma politique. J'ai im-
mediatement ordonne que cette question füt soumise ä un examen
minutieux et je crois de mon devoir de Vous communiquer dans
l'annexe les donnees officielles qui m'ont ete fournies ä la suite d'une
etude exacte et approfondie.
Les chiffres pubiies par l'„Invalide'' sont inexactes au sujet de
Paugmentation de mes troupes aussi bien qu'en ce qui concerne nos
constructions de chemins de fer. Je joins ici ä titre de preuve, un
tableau synoptique prepare par mon Ministre des Travaux Publics,
oü se trouvent specifiees toutes les lignes construites ou en construc-
tion depuis 1878 sur la rive droite de l'Oder, et dont une partie, ä
l'heure qu'il est, n'est pas encore achevee.
* In der Ausfertigung vom Prinzen Wilhelm geschrieben; s. den Schluß des Briefes.
** Vgl. Nr. 1155, S. 10, Fußnote *.
42
Ce tableau prouve que les chiffres publies par l'„Invalide" etaient
exageres au double de la verite et que la plupart de ces constructions
n^est d'aucune importance militaire, ne servant qu'aux interets du
commerce et de l'agriculture.
Unc des plus surprenantes parmi les affirmations Inexactes de
l'„Invalide" c'est celle qui se rapporte ä mes forteresses. Graudenz
par exemple y est designee comme „nouvelle place forte" tandis qu'en
realite c'etait autrefois une bonne forteresse qui, commandee par
Courbiere, tint bon en 1806 et 1807 contre Napoleon, avec un petit
nombre d'autres places fortes. Mais l'ancienne forteresse de Grau-
denz a ete condamnee et rasee il y a plus de 20 ans et per-
sonne n'a songe ä y faire construire de nouveaux ouvrages. Ce fait
ne peut pas etre inconnu ä Votre Ministre de la guerre et ä sa feuille
officielle.
Ce n'est qu'ä la suite des agglomerations considerables de troupes
russes realisees depuis la fin de la derniere guerre turque dans Vos
provinces limitrophes, que des renforcements peu considerables du
cote allemand ont ete diriges vers la frontiere. Ces dislocations n'ont
commence qu'en 1883 et ont garde de petites proportions, malgre
les menaces de guerre et d'alliance frangaise que des journaux officieux
et des personnes haut-placees en Russie ont publiquement proferees
contre nous et malgre les renforcements recents qui continuent ä
augmenter le nombre des troupes russes echelonnees ä proximite de
notre frontiere. La confiance dans la duree de la paix que m'inspire
l'absence de toute raison de guerre n'a pas ete ebranlee par ces
incidents, et aucun projet hostile contre la Russie ne saurait entrer
dans mon esprit. Toutes mes pensees tendent vers la paix, non seule-
ment ä cause de mon äge, mais aussi en vertu de l'empire qu'exerce
sur moi la conscience des devoirs que j'ai envers mes sujets, et les
sentiments que m'inspire l'approche du moment oü j'aurai ä rendre
compte devant Dieu de la maniere dont j'ai accompli ces devoirs
que Sa providence m'a imposes.
J'ai la conviction que Vous pensez comme moi et que nous
saurons proteger nos peuples contre les fleaux d'une guerre dont les
resultats, quelle qu'en soit l'issue, ne profiteraient qu'aux ennemis
de toutes les monarchies en Europe. J'espere que l'avenir justifiera
cette conviction qui m'est chere, et j'appelle sur Vous et sur les
Votres, nommement sur l'Imperatrice, la benediction de Dieu pendant
l'annee qui nous arrive.
Je suis sur que Vous voudrez bien m'excuser si ä cause des diffi-
cultes que presente le maniement de la plume ä mon äge, je me suis
servi de la main de mon petit-fils Guillaume.
Pour la vie Votre tout devoue et tres affectionne frere et grand-
oncle
Guillaume
43
Nr. 1175
Der Botschafter in Wien
Prinz Heinrich VII. Reuß an den Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Eigenhändiger Privatbrief
Wien, den 19. Januar 1888
Graf Kälnoky fährt fort, die allgemeine Lage pessimistisch zu
beurteilen, und er steht damit hier nicht allein.
Er sagt, was helfen alle Friedensversicherungen des Zaren? Die
Ansammlung der russischen Armee an unseren Ostgrenzen dauert fort,
ebenso die Hetzereien in der Presse, die Lügen der russischen Diplo-
matie.
Der den Russen unerträgliche Gedanke der deutschen Hegemonie
in Europa treibt in erster Linie gegen Deutschland, und da hier kein
Vorwand zum Krieg zu finden ist, so wird sich Rußland an Deutsch-
lands Alliierten halten; hier fehlt es nicht an Reibflächen. Bulgarien
wird das Prätext sein, die Oberherriichkeit über die Slawen und
die Meerengen 1 das Ziel. Wenn Rußland durchaus Händel sucht,
trotz der FriedensHebe des Zaren und trotz der hiesigen Friedensliebe,
so wird der Krieg da sein, und zwar in einem Moment, der Rußland
paßt und Österreich nicht. Österreich ist genötigt, ruhig abzuwarten,
wird es aber mit seinen schlechten Finanzen dies Warten lange ver-
tragen können?
Diese Frage legt sich hier fast ein jeder vor. Andrassy hat des-
halb hier geraten, man solle die günstige diplomatische und die noch
immer vorteilhaftere militärische Lage benutzen und sich mit Rußland
auseinandersetzen. Das heiße, die Tripelallianz solle mit England 2
den Russen sagen: wir wollen keinen Krieg, wir wollen die strikte
Erhaltung des Berliner Vertrags, den du, Rußland, immer im Munde
führst, und wollen uns auf dieser Basis verständigen, aber definitiv (?).
Willst du darüber hinaus, so hast du es mit allen zu tun.
Diesem Kriegsprogramm stimmt Kälnoky nicht zu, weil er dafür
hält, Rußland würde eine solche Sprache Europas (ohne Frankreich)
für Drohung nehmen, und dann wäre der Krieg unvermeidlich. Daß
auf England so wenig zu rechnen ist, macht den Minister noch vor-
sichtiger, und Andrassy sagt, er habe keine ^ Courage.
Die vielfachen offiziösen russischen Andeutungen, Österreich möge
sich doch mit Rußland direkt verständigen, prallen wie Erbsen an
Kälnoky ab ; er sieht darin das Bemühen, Österreich von uns zu trennen,
hält diese Andeutungen für unaufrichtig* und meint, Verständigung
heiße hier: vollkommne Unterordnung unter die russische Politik.
44
Für eine andere Verständigung würde das Petersburger Kabinett niclit
zu haben sein^
Das ist's eben; warum hat man hier die günstige Zeit für die
Demarkation verpaßt!
Darin ist Käinoky mit Andrässy einverstanden, daß es de pure
perte^ wäre, den Russen hier und da kleine Liebesdienste zu erweisen,
den Koburger wegjagen helfen und dergleichen. — Er will jede Provo-
kation vermeiden; was würde aber nicht als Provokation angesehen!
Das ceterum censeo Kälnokys bei derartigen Gesprächen bleibt:
Rußland will den Kriegt; wir, die wir ihn nicht wollen, haben kein
Mittel dagegen und müssen ihn uns daher diktieren lassen, weil wir
ihn nicht anfangen wollen. Diese Betrachtung stimmt ihn nicht rosig.
Die Militärs sind wegen der verunglückten militärischen Be-
sprechungen 8* verstimmt. Wir predigen ihnen, daß sie selbst daran
Schuld haben; sie sehen es wohl ein, ärgern sich aber doch. Ich weiß
nicht, ob es ginge, diese Besprechungen in anderer Form und Frage-
stellung wieder aufzunehmen 9, wie Euere Exzellenz mir unter dem
14. schrieben. Wenn aber wieder nur eine Verstimmung dabei heraus-
kommen soll, ist es wohl besser nichtig.
Kronprinz Rudolf ist ganz im Kriegsfahrwasser. Er faßt die Sachen
sehr leidenschaftlich auf und meint, daß, wenn Österreich den Moment
versäumte, sich gegen Rußland zu schlagen, solange es noch ent-
schiedene militärische Vorteile besäße, es besser tun würde, dann
ganz von der Großmachtstellung zu abdizieren. Diese Ansichten gebe
ich nur als Symptom wieder, wie die Mihtärs denken. Politische Be-
deutung haben sie nicht.
H. VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ Die Meerengen, ja; die Slaven nein; das Streben wird soweit gehn wie die
griech[isciie] Kirche reicht; auf kathol[ischeni] Gebiet ist es ohne Aussicht, u[nd]
auf griech[ischem] wie figura Bulg[arien] zeigt, auch eine Fehlrechnung. Die
„Meerengen" aber ist practisch erreichbar, via Sultan.
2 ja! wenn!
3 [zwischen „keine" und „Courage" eingeschoben:] falsche
* natürlich
5 richiig
6 doch kaum! außerdem fällt der Cob[urger] von selbst, u[nd] auf Kais[er]
Alex[ander] würde diese wohlfeile Gefälligkeit immer wiri<en; außerdem würde
dadurch die „Position auf Basis der Verträge" gestärkt
7 Der Kaiser A[lexander] persönlich nicht
8 wegen des verunglückten Versuchs den Bündnißvertrag zu verschieben!
3 nein! die Leute sind zu happig u[nd] zu steif dazu
" ja.
Vgl. Kap. XXXVIII: Österreichisch-Deutsche Besprechungen über den casus foederis.
45
Nr. 1176
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
J^*"- ^!^ St. Petersburg, den 27. Januar 1888
Geheim
Herr von Giers teilte mir gestern nachmittags mit, Seine Majestät
der Kaiser Alexander wünsche mich abends während des Balles im
Winterpalais in seinem Kabinett zu empfangen, um mir einen Brief an
unseren allergnädigsten Kaiser und Herrn einzuhändigen und um
mit mir zu sprechen, pp.
Kaiser Alexander eröffnete die Unterredung mit Worten des wärm-
sten Dankes für das wohlwollende und wohltuende Schreiben unseres
erhabenen Monarchen, welches ihn tief bewegt habe. Kaiser Wilhelm
sei so gütig gewesen, dem Briefe Tabellen beizufügen, durch welche
einigen in dem Artikel des „Invaliden" aufgestellten Behauptungen,
Festungen und Bahnen betreffend, widersprochen wurde; man habe
hier auf Angaben des — der Name war Seiner Majestät entfallen —
Handbuchs gefußt; doch dies sei ja unwesentlich; auf ein paar hundert
Kilometer Eisenbahn komme es nicht an; wir könnten ja doch 300000
Mann in 24 Stunden ^ an die Grenze ^ schaffen, während Rußland auf
die Truppen beschränkt bleibe, welche es im westlichen Gebiete habe.
Wegen jedes Bataillons, welches von Rußland bewegt werde, erhebe
sich in Österreich und Deutschland ein allgemeines Geschrei"'; die
Verlegung der 13. Kavalleriedivision in Quartiere, welche sie vor dem
türkischen Kriege innehatte, habe eine große, jetzt glücklicherweise
beseitigte Aufregung hervorgerufen; die Wiener Regierung sei von
Berlin aus ermahnt i worden, auf ihrer Hut zu sein* und sich auf den
Krieg vorzubereiten!. Er, der Kaiser, denke nicht daran, Österreich
anzugreifen, geschweige denn Deutschland, mit welchem er gar keine
kollidierenden Interessen habe; ihm sei es nur darum zu tun, sich zu
sichern, wie dies das Recht jeder Regierung sei; infolge des Lärmens,
welchen die ausländischen Blätter über die Bewegung der 13. Kavallerie-
division erhoben, habe er gestattet, daß der „Invalide" die Haltung
des russischen Kriegsministeriums darlege und die Maßregeln angebe,
welche dasselbe für die Sicherheit Rußlands noch fernerhin für geboten
erachte.
Mit Österreich, so fuhr Seine Majestät fort, habe er in einem
Vertragsverhältnis gestanden, durch welches er berechtigt war, auf
dem einzigen Felde, auf dem er ein Interesse habe, nämlich auf der
Balkanhalbinsel, gute Dienste zu erwarten; statt dessen habe Öster-
reich nur des cochonneries gemacht und Insulten hinzugefügt; Graf
Kalnokv habe in seinen Delegationsreden* Rußland beleidigt; auf Öster-
* Vgl. Nr. 1150, Fußnote *
46
reich sei gar kein Verlaß, das Beste sei, gar nicht mit ihm zu sprechen ;
der Kaiser Franz Joseph wolle keinen Krieg, aber Rußland müsse sich
doch gegen einen österreichischen Angriff sichern^; von uns, das wisse
er, sei ein solcher nicht zu erwarten, obwohl er von Euerer Durchlaucht
selbst gehört hätte*, daß Feldmarschall Graf Moltke und andere Militärs
einen Angriffskrieg jetzt ^ für geboten^ erachteten. Euere Durchlaucht
widersetzten sich solchen Ideen, welche von unserem Kaiser und Herrn
nicht gebilligt würden.
Als Seine Majestät eine Pause machte, sagte ich, daß allerdings
bei uns viele und gewichtige Stimmen sich für einen Krieg unter den
gegenwärtigen für uns günstigen Verhältnissen aussprächen 8; Seine
Majestät möge sich nur einmal klarmachen, in welcher Gemüts-
verfassung sich hunderttausende deutscher Familien befänden, seitdem
die russische Presse den Rachedurst und den Mut der Franzosen 9 neu
belebt habe; jeden Augenblick müßten unzählige Familienväter gewärtig
sein, zur Fahne berufen zu werden, um vielleicht schon am nächsten
Tage gegen die Franzosen zu kämpfen; diese hätten sich schon etwas
beruhigt gehabt, als sie von Rußland aus zu verdoppelter Kriegslust
erregt wurden. Das Echo, welches die russischen Stimmen in Frank-
reich erweckten, habe bei uns eine Gereiztheit gegen Rußland hervor-
gerufen, welche mit den traditionellen Gesinnungen unseres Volkes im
Widerspruch stände; er, der Kaiser, werde vielleicht auf den Gesichtern
des Berliner Publikums gelesen haben, daß man sich trotz allem dem
freute, ihn dort zu sehen; gegen Rußland selbst habe man nichts, aber
man sei entrüstet darüber, daß es die Franzosen auf uns hetze.
Österreich, so sagte ich weiterhin, werde Rußland nicht angreifen,
weil es wisse, daß es allein bleiben werde, wenn es allein marschiere;
selbst die Ungarn wollten keinen Krieg, ja sogar die Polen nicht. Graf
Kälnoky habe einen schweren Stand, er müsse mit den parlamentari-
schen Faktoren rechnen; kein anderer an seiner Stelle werde es so
gut machen wie er; dies gab der Kaiser zu; Seine Majestät war
übrigens vortrefflich über dasjenige unterrichtet, was wir im November
und Dezember v. Js. in Wien getan haben ^O; gleichzeitig aber ließ er
sich durch keine Gegenbeweise in der Überzeugung erschüttern, daß
Euere Durchlaucht in Wien nur zu befehlen, nur die Faust — und
dabei erhob Seine Majestät die geballte Hand — zu zeigen i^ brauchen.
Auf die Truppenstärke in den Grenzgebieten zurückkommend, sagte
der Zar, es sei richtig, daß innerhalb der von unserem Generalstab ge-
zogenen Linien die russischen Streitkräfte den unsrigen bedeutend über-
legen seien, aber in wenigen Tagen könnten wir doppelt so stark sein,
während Rußland auf diejenigen Truppen, welche schon an Ort und
Stelle wären, beschränkt bliebe. Ich sagte, es sei nicht le nombre des
* Gelegentlich des Besuchs Kaiser Alexanders in Berlin am 18. November 1887.
Vgl. Bd. V. Kap. XXXVl, Nr. 1129.
47
troupes russes; c'est leur proximite de la frontiere, welche auf die
Bewohner der limitrophen Bezirke beunruhigend wirkten; in wenigen
Stunden könne die russische Kavallerie in unserem Lande sein. „Ja,"
sagte der Kaiser, „wir müssen suchen, Ihre Mobilisierung zu hemmen."
Ich warf ein, es sei doch eigentlich ganz unglaublich, daß man
so, wie es eben jetzt zwischen Seiner Majestät und mir geschehe, über
die Eventualität eines Krieges sprechen könne, für welchen kein Mensch
einen vernünftigen Grund zu erfinden wisse; ein Krieg sei aber doch
ein großes Unglück, freilich nicht das größte; die Revolution sei viel
schhmmer; okkulte Kräfte trieben zum Kriege, um der Revolution
zum Siege zu verhelfen ; ein Niederwerfen Österreichs würde eine
Menge slawischer und anderer, jedenfalls anarchistischer kleiner Re-
publiken an Rußlands Grenze erstehen lassen und dergleichen mehr.
Seine Majestät antwortete. Euere Durchlaucht hätten das auch gesagt
und die Erhaltung des Kaiserstaats 12 als im monarchischen Interesse
für notwendig erklärt; das sei wohl möglich, aber dann solle diese
Monarchie nicht überall Schwierigkeiten in Rußlands Weg legen ^ und
so fort.
Recht interessant war mir, daß Seine Majestät der Kaiser, als er
über seine Beziehungen zu Frankreich sprach, offen aussprach, seine
Regierung habe sich der französischen zu nähern gesucht*; da habe
Herr Flourens und besonders Präsident Grevy gesagt, sie könnten
dazu nicht raten, denn niemand sei imstande vorherzusagen, mit wem
Rußland sich engagiere; Herr Grevy habe während seiner Präsident-
schaft über 300 Minister gehabt.
„Es ist gewiß," fuhr Seine Majestät fort, „daß wir eine weitere
Schwächung Frankreichs nicht zulassen können 8; Fürst Bismarck hat
mir auch gesagt, daß er eine solche nicht beabsichtige; solange er
Minister sei, solle Frankreich nicht angegriffen werden, ich weiß nicht,
ob dies eine Phrase ist oder wirklicher Ernst ^."
Ich erwiderte, es sei nichts weniger als eine Phrase, denn für uns
selbst sei das Bestehen Frankreichs notwendig aus diesen und jenen
bekannten Gründen, deren Aufzählung, ich wohl unterlassen darf. Ich
versuchte bei dieser Gelegenheit Seiner Majestät anschauHch zu
machen, daß Europa ein kompliziertes Gebilde sei, und daß, wenn
einer seiner Hauptbestandteile, wie vornehmlich Österreich, in Trümmer
gehe, wir keinen ruhigen AugenbHck mehr während unseres ganzen
Lebens haben würden.
In dieser Weise verlängerte sich das Gespräch; „nun," sagte der
Zar, „jetzt hat man sich glücklicherweise beruhigt, und für dieses Jahr
werden wir also Frieden behalten."
Ich sagte, daß ich nicht einsehe, warum wir bloß für dieses Jahr
und nicht überhaupt Frieden behalten sollten. An diese Möglich-
* Vgl. Kap. XXXIX: Russisch-Französische Allianzfühler 1886—1890, Nr. 1220.
48
keit schien Seine Majestät nicht recht zu glauben, so sehr es auch seinen
Wünschen entsprechen möchte; ich empfing, und dieses Mal noch
stärker als in dem Gespräche beim St, Georgsfeste 1886*, den Ein-
druck, daß der Kaiser Alexander sich in die Unvermeidlichkeit eines
Krieges mit Österreich hineingefunden hat; er wiederholte oft, daß
er mit Deutschland nie in Zwiespalt geraten werde; Deutschenhaß be-
stehe gar nicht 5 im russischen Volke; ich wandte ein, er werde jetzt
systematisch erregt durch die Zeitungen, durch wohlfeile Blätter wie
der „Swet" usw.
Über allem diesem war eine lange Zeit vergangen, und die Stunde
des Soupers näherte sich; ich fragte: „Eure Majestät sind also in
Ihrem Briefe nicht auf die Dislokationsfragen eingegangen?" Der
Kaiser sagte, er habe dies nicht getan, es könne ja auch zu nichts
führen; er sei aber Seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm innig dankbar
dafür, daß er ihm so offen darüber geschrieben habe. Ich fragte:
„und über die Zukunft dieser Angelegenheiten haben Euere Majestät
auch nichts gesagt?" „In welcher Beziehung?" entgegnete der Zar.
Ich sagte: „ob noch mehr Veränderungen stattfinden sollen?"
Seine Majestät sprach nun ziemlich ausführlich, wenn auch nicht
ganz klar über den Plan, welchen sein Kriegsministerium zur Siche-
rung des Landes verfolge, und zu dessen Ausführung noch zwei Divi-
sionen aus dem Kaukasus die eine nach Kiew die andere nach
Warschau gehen sollten, um die Armeekorps in die regelrechte Ord-
nung und Stärke zu bringen, woran noch vieles fehle; manche hätten
drei, einige vier, andere zwei Divisionen; aus finanziellen Rücksichten
habe sich diese notwendige Maßregel bisher immer noch verzögert.
Ich fragte noch weiter, ob die beabsichtigte Verschiebung der er-
wähnten zwei Divisionen nach Beendigung der Herbstmanöver zu ge-
wärtigen sei? Seine Majestät antwortete: „Vielleicht im Herbst, viel-
leicht auch noch gar nicht in diesem Jahre; solche Ortsveränderungen
kosten viel Geld, und nun gar, wenn es sich um Truppen handelt, die
im Kaukasus stehen."
Zwischenein ließ Seine Majestät wiederholt Bemerkungen fallen,
daß es jeder Macht freistehen i^ müsse, ihre Truppen dahin zu stellen,
wo sie es für zweckmäßig halte; im ganzen aber wollte es mir so
scheinen, als wenn in nächster Zukunft nichts geschehen würde, vor-
ausgesetzt, daß kein Anstoß von außen kommt.
Als die Unterredung sich ihrem Ende näherte, wiederholte Seine
Majestät nochmals seinen wärmsten Dank für das kaiserliche Schrei-
ben, welches ihn wirklich auf das tiefste gerührt habe, ebenso wie
die herzliche Aufnahme, welche die Kaiserin und er in Berlin fanden.
Auch über seine Unterredung mit Euerer Durchlaucht sprach der
Kaiser mit sichtlich angenehmer Erinnerung an diesen historischen
* Vgl. Bd. V, Kap. XXXI, Nr. 997.
4 Die Große Politik. 6. Bd. 4Q
Moment; „anfangs," so sagte Seine Majestät, „grollte der Fürst etwas,
aber nachher wurde er freundlicher," pp.
Der Botschafter* sagte mir auf dem Hof ball: „Wir werden noch
mit den Herren vom Kriegsministerium verhandeln, um auf die mili-
tärischen Fragen eine wünschenswerte Auskunft in Berlin geben zu
können,"
Der allerhöchste Briefwechsel ist hier Geheimnis geblieben; im
Ministerium des Äußern sind nur die Herren Vlangaly und Qraf
Lamsdorff in Kenntnis gesetzt worden; Herrn von Giers schien viel
daran zu liegen, daß die fremde Diplomatie nichts davon erfahre,
V. Schweinitz
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ?
2 wo?
3 in Folge der drohenden Sprache der russischen Presse.
* ja
5 !
6 ich habe S[eine]r M[ajestät] das als Antidot gegen russische Ueberschätzung ge-
sagt u[ndj gegen die Annahme als fürchteten wir Rußland.
^ („geboten" eingeklammert, dafür:] „nützlich"
8 gut
9 gegenseitig
*" was denn?
1^ um Oest[er]reich zur Annäherung an Russland zu treiben?
^2 auch des russischen richtig
*3 also auch Oest[er]reich
Nr. 1177
Kaiser Alexander IH. von Rußland an Kaiser Wilhelm I.
Eigenhändiges Handschreiben
St. Petersbourg, ce 13/25 Janvier 1888
Mon eher Grand Oncle,
C'est du fond de mon cceur que je Vous remercie de Votre
bonne et affectueuse lettre du 5 Janvier ct.**, ainsi que des souhaits
que Vous avez bien voulu m'exprimer pour l'annee qui commence. —
Parmi ceux que je forme, celui de conserver Votre amitie et de
voir les liens qui nous unissent servir ä l'affermissement des bienfaits
de la paix et de l'ordre social en Europe, sont certainement des plus
ardents. — Je Vous suis tres reconnaissant de la communication des
donnees officielles sur la distribution de Vos troupes, dont j'ai fait
prendre connaissance ä mon Ministere de la Guerre, mais je n'ai pas
* Graf Paul Schuwalow.
** Siehe Nr. 1174.
50
besoin de Vous dire que rien ne saurait ebranler la foi absolue que
j'ai toujours eue dans Vos intentions loyales et pacifiques. — Vous
me rendez justice en pensant que je partage Vos convictions quant
ä Pimmense responsabilite qui nous incomberait si nous ne cherchions,
par tous nos efforts ä proteger les peuples dont Dieu nous a confie
les destinees contre les fleaux d'une guerre. — Ai-je besoin d'ajouter
que l'eventualite d'une guerre sans motif, comme le serait celle entre
TAllemagne et la Russie, me semble tout-ä-fait impossible ä admettre. —
Ma femme a ete vivement touchee des sentiments que Vous lui
temoignez et nous sommes tres heureux de voir que le souvenir si
profond et si agreable que nous gardons de notre visite ä Berlin
trouve un echo aupres de Vous. — Veuillez presenter mes hommages
tres respectueux ä l'Imperatrice Reine et croyez toujours, mon eher
Grand Oncle, aux sentiments de sincere veneration et de l'attache-
ment le plus inalterable de Votre bien affectueusement devoue
frere et petit neveu
Alexandre.
51
Kapitel XXXVIll
Österreichisch -Deutsche Besprechungen
über den casus foederis
1887—1888
Nr. 1178
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bis-
marck an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 691 Berlin, den 11. Dezember 1887
Geheim [abgegangen am 12. Dezember]
pp. Seine Majestät der Kaiser hat unter der Voraussetzung strik-
tester Geheimhaltung genehmigt, daß dem österreichischen Vorschlag*
entsprechend in vorläufige Besprechungen über die militärischen Folgen
des eventuellen casus foederis eingetreten werde. Ich werde den
Feldmarschall Grafen Moltke also benachrichtigen, daß Oberstleutnant
von Steininger sich zu diesem Behufe demnächst bei ihm melden wird.
Ew. persönlichem Ermessen stelle ich anheim, an geeigneter Stelle
anzuregen, daß Seine KaiserHche Hoheit der österreichische Armee-
befehlshaber seine Instruktionen dem Freiherrn von Steininger direkt
erteilt. Ich wäre dankbar für eine Mitteilung, sobald die durch Steininger
hier zur Sprache zu bringenden Punkte dort festgestellt sein werden.
H. Bismarck
Nr. 1179
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Chef des Generalstabes Generalfeldmarschall Grafen von Moltke
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Berlin, den 16. Dezember 1887
Mit Bezugnahme auf die mündliche Besprechung, welche Ew.
mir heute zu gewähren die Gewogenheit hatten, beehre ich mich, Hoch-
denselben s. pet. rem. den beigefügten Bericht des Prinzen Reuß vom
8. d. Mts.** zu überreichen. Es geht daraus hervor, daß der Kaiser
* Laut Berichts des Botschafters in Wien Prinzen Heinrich VII, Reuß (siehe
Nr, 1162) hatte Graf Kälnoky angeregt, daß Deutschland und Österreich sich im
Hinblick auf die von Rußland drohende Kriegsgefahr „über die militärischen Maß-
nahmen für den Fall des Eintretens des casus foederis" rechtzeitig besprechen
möchten.
** Siehe Nr. 1162.
55
Franz Joseph einen fachmännischen Meinungsaustausch über die bei
eventuellem Eintreten des deutsch-österreichischen casus foederis er-
forderlichen militärischen Maßnahmen und Vorbereitungen schon jetzt
herbeizuführen wünscht.
Auf Grund der zustimmenden Marginalien des Reichskanzlers hatte
ich Seiner Majestät, unserm allergnädigsten Herrn, über diese Frage
Vortrag erstattet. AUerhöchstderselbe hatte anfangs gewisse Beden-
ken gegenüber der' österreichischen Anregung, welche die Kriegs-
eventualität als nahe bevorstehend voraussetzt. Schließlich haben Seine
Majestät aber erklärt, Ew. ermächtigen zu wollen, von dem öster-
reichischen Militärattache Freiherrn von Steininger die von letzterem
zu übermittelnden Vorschläge und Anfragen der österreichischen Hee-
resleitung entgegenzunehmen.
Seine Majestät wollten vorher noch Ew. Vortrag hören.
Wie ich Ew. Exzellenz heute mündlich darzulegen mir erlaubte,
erscheint es dem Herrn Reichskanzler nicht tunlich, unsre kombinierte
Aktion schon jetzt in einer bestimmten Richtung und in bestimmter
Stärke festzulegen. Er hat aber die österreichische Anregung nicht von
der Hand weisen wollen, weil das in Wien hätte verstimmen können.
H. Bismarck
Nr. 1180
Der Chef des Militärkabinetts General von Albedyll an den Staats-
sekretär des Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Eigenhändig
Berlin, den 18. Dezember 1887
Euer Hochgeboren
ermächtigt* mich Seine Majestät der Kaiser und König zu benachrich-
tigen, daß allerhöchstdieselben nach Rücksprache mit dem General-
feldmarschall Grafen Moltke und dem Kriegsminister den ersteren er-
sucht haben, den K. K. österreichischen Obersten Baron von Stei-
ninger zu empfangen und dessen Mitteilungen resp. Anfragen ent-
gegenzunehmen, wovon Seine Majestät Euer Hochgeboren ersuchen,
den Baron von Steininger in Kenntnis setzen zu wollen.
Bezüglich des Standpunktes, welchen der Generalfeldmarschall bei
dieser Unterredung betreffs der diesseitigen Maßnahmen einnehmen
wird, ist festgestellt worden, daß der Feldmarschall auf die für uns
gleichzeitig wahrscheinlichen anderweitigen Engagements hinweisen,
jedoch außerhalb jedes Zweifels stellen wird, daß unter allen Um-
ständen und in jedem Fall mindestens einige Armeekorps zur Koope-
ration mit den österreichischen Truppen im Osten bereitstehen werden
* „beauftragt"?
56
Im übrigen wird der Feldmarschall sich noch nicht auf nähere
Besprechungen einlassen, und wird er es auch vermeiden, über die im
Osten aufzustellenden Truppen nähere Zahlen anzugeben.
V, Albedyll
Nr. 1181
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt Grafen
zu Rantzau, z. Z. in Priedrichsruh
Eigenhändig
Priedrichsruh, den 19. Dezember 1887
Der Herr Reichskanzler bittet, das anliegende Schreiben* an General
von Albedyll expedieren zu lassen und nach Maßgabe des ebenfalls
beigefügten Konzeptes zu demselben Seiner Majestät mündUch vorzu-
tragen und mit dem Grafen Moltke und Herrn von Albedyll zu spre-
chen. Der Herr Reichskanzler bittet, unter Benutzung des Inhaltes der
bezüglichen Erlasse nach Wien resp. an Herrn von Deines auf die
Affäre Waldersee-Steininger** hinzuweisen und dabei zu sagen, daß,
wenn von neuem von militärischer Seite die Österreicher irre gemacht
würden, dies durch die Bemühungen des Auswärtigen Amtes nicht
wieder gut gemacht und notwendigerweise bei dem an sich schon arg-
wöhnischen Kaiser Franz Joseph Mißtrauen erregt werden würde;
der Kaiser würde glauben, daß wir ihn in den Krieg hineinhetzen woll-
ten, oder, wenn er sich genügend vorbereitet hielte, denselben beginnen
und von uns, auf Grund der gemachten militärischen Zusagen, ver-
langen, daß wir ihm beistehen. Seine Durchlaucht müßte sich dagegen
verwahren, daß die politische Geschäftsführung gewissermaßen auf den
Generalstab überginge, und daß die Militärs ä tout prix in Wien auf
den Krieg drängten.
C. Rantzau
Nr. 1182
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Priedrichsruh, an
den Chef des Militärkabinetts General von Albedyll
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Priedrichsruh, den 19. Dezember 1887
Geheim [abgegangen am 20. Dezember]
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat mir Euer pp. gefäl-
liges Schreiben vom 18. d. Mts. mitgeteilt.
* Siehe Nr. 1182.
** Der Generalquartiermeister Graf von Waldersee, der spätere Generalfeldmarschall,
hatte in Gesprächen mit dem österreichischen Militärattache Oberst von Steininger
und dem Botschafter Szechenyi die Frage eines russisch-österreichischen Krieges
57
Ich bin auf die Tragweite, welche danach die allerhöchste Ent-
schließung bezüglich der Unterredung des Herrn Oeneralfeldmarschalls
mit dem Obersten von Steininger haben kann, nicht vorbereitet ge-
wesen. Ich war bisher der Ansicht, daß unser Eingehn auf den öster-
reichischen Wunsch eines mihtärischen Gedankenaustausches für uns
zunächst nur eine Rekognoszierung der österreichischen Auffassungen
und Absichten zum Zweck haben werde. Die Tatsache, daß auf Vor-
trag der höchsten militärischen Autoritäten der Standpunkt, welchen
der Herr Feldmarschall bei dieser Unterredung bezüglich diesseitiger
Maßnahmen einnehmen soll, von Seiner Majestät bereits festgestellt
ist, gibt der Unterredung eine poUtische Bedeutung bezüglich unsrer
Stellung nicht nur zu Österreich, sondern auch zu Frankreich und Ruß-
land. Soweit es sich um eine Beruhigung für Österreich darüber
handeln konnte, daß wir unsern Bündnisvertrag getreulich halten
werden, glaube ich nicht, daß ein Bedürfnis hierfür vorliegt, weil unsere
amtUchen Mitteilungen dem Wiener Kabinett die bündigsten Versiche-
rungen in dieser Beziehung gegeben haben, und ein Zweifel daran in
Österreich nicht besteht. Wohl aber befürchte ich, daß bei der in Wien
herrschenden publizistischen Indiskretion die Besprechungen, wenn sie
mit der in Ew. pp. Schreiben angedeuteten politischen Tragweite statt-
fänden, neue Beunruhigungen und Verschärfungen der Situation nach
der Kriegsseite hin verursachen könnten.
Eine amtliche Benachrichtigung und Ermächtigung des Obersten
von Steininger durch das Auswärtige Amt halte ich nicht für ratsam.
Das Auswärtige Amt und ich persönlich würden dadurch die Verant-
wortlichkeit für die politischen Konsequenzen dieser militärischen Be-
sprechung mindestens Österreich gegenüber auf sich nehmen. Ich kann
aber eine politische Verantwortlichkeit nur für solche Verhandlungen
übernehmen, welche zwischen den direkten Organen des diplomatischen
Dienstes beider Höfe stattfinden und muß in der Lage bleiben, dem
österreichischen Kabinett gegenüber aus politischen Gründen eine an-
dere Meinung haben zu können als diejenige, welche aus militärischem
Gesichtspunkte für die maßgebende gehalten wird.
Die gegenwärtige pohtische Situation ist eine außerordentlich
schwierige und empfindliche, und ich würde die Verantwortlichkeit für
ihre weitere Entwicklung nicht übernehmen können, wenn militärische
Verhandlungen stattfänden, mit deren Inhalt und Tragweite ich mich
vom poHtischen Standpunkte nicht einverstanden erklären könnte. Dies
würde aber der Fall sein, wenn die Besprechungen zwischen dem Herrn
Generalfeldmarschall und dem Obersten von Steininger sich in der
von Euerer pp. bezeichneten Richtung bewegen sollten. Daß wir „unter
allen Umständen und in jedem Falle", also auch für den Fall, daß
erörtert. Dies veranlaßte den Fürsten Bismarck, sich in einem Schreiben an den
Grafen Waldersee vom 7. Dezember 1887 lebhaft gegen „solche Eingriffe von mili-
tärischer Seite zu verwahren".
58
zwischen Österreich und Rußland ein Krieg entstände, welcher außer-
halb des casus foederis liegt, einige Armeekorps an unserer Ostgrenze
bereithalten, kann und wird wahrscheinlich auch poHtisch ange-
zeigt sein; daß wir aber diese Armeekorps dem österreichischen Ka-
binett von Hause aus und ohne casus foederis als zur Kooperation
mit den österreichischen Truppen bestimmt bezeichnen, dazu kann ich
nach Maßgabe unserer geheimen Verträge nicht mitwirken. Ich weiß
nicht, ob die letzteren dem Herrn Generalfeldmarschall in ihrer voll-
ständigen Ausdehnung bekannt sind, und halte ich schon deshalb
die in Aussicht genommene Basis für die Besprechungen der beiden
Herren nicht für opportun, weil man österreichischerseits aus der-
selben Konsequenzen und moralische Verpflichtungen ableiten würde,
welche wir nicht erfüllen können.
Die Besprechungen sind von Österreich gewünscht worden und
lassen sich nicht ablehnen; aber ich glaube, daß wir uns zunächst
ledigHch rezeptiv dabei zu verhalten und vor jeder diesseitigen Er-
klärung abzuwarten haben, in welcher Richtung Oberst von Steininger
sich namens des österreichischen Generalstabes aussprechen wird. Die
Beantwortung seiner Eröffnung wird kaum möglich sein, ohne in das
poHtische Gebiet hinüberzugreifen, und deshalb glaube ich beanspru-
chen zu können, daß sie nicht ohne mein Einverständnis erfolgt. Das
Bestreben Österreichs oder- doch derjenigen österreichischen Staats-
männer und Militärs, welche die Gelegenheit wahrnehmen wollen, um
die deutsche Armee für spezifisch österreichische Zwecke einzu-
setzen, auch für solche, an denen Deutschland kein Interesse hat,
ist auf Erweiterung und Verschiebung unseres Bündnisses ge-
richtet. Dazu die Hand zu bieten, ist für uns nicht möglich, schon
aus Rücksicht auf geheime Verträge, welche wir mit andern europäi-
schen Regierungen haben. Auch abgesehn hiervon liegt es nicht in
unserem politischen Interesse, das österreichische Kabinett zum Be-
ginn oder zur Beschleunigung des Krieges mit Rußland zu ermutigen.
Unsre Politik hat die Aufgabe, den Krieg, wenn möglich, ganz zu
verhüten, und geht das nicht, ihn doch zu verschieben. An einer andern
würde ich nicht mitwirken können.
V. Bismarck
Nr. 1183
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck für den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Reinschrift
BerHn, den 20. Dezember 1887
Bei Rückreichung der anhegenden Instruktion und des Briefes
des Generals von Albedyll bemerke ich gehorsamst, daß ich sowohl
mit dem letzteren wie mit dem Grafen Moltke heute eingehend nach
59
Maßgabe Eurer Durchlaucht Weisung gesprochen habe. General von
Albedyll kam zu mir, um mir zu sagen, er bedauere lebhaft seine über-
eilte Schreibweise, und er würde heut selbst nach Friedrichsruh schrei-
ben, um seine zu mißverständlichen Auslegungen, wie er zugeben müsse,
sehr geeignete Ausdrucksweise richtig zu stellen: er erklärte, daß ent-
weder die Worte „zur Kooperation'' hätten wegfallen oder daß ihnen
hätte hinzugesetzt werden müssen „in casu foederis"; so wie sein
Brief jetzt lautete, gebe er in der Tat eine falsche Auffassung von der
mit Seiner Majestät gepflogenen Besprechung. Die letztere sei haupt-
sächlich deshalb herbeigeführt worden, weil der Kaiser besorgt habe,
Graf Moltke könne die Absicht haben, dem Oberst von Steininger zu
viel zu sagen. Dem militärischen Immediatvortrage vom Sonnabend
habe mithin ganz dieselbe Idee zugrunde gelegen, welche in Euerer
Durchlaucht Schreiben von gestern zum Ausdruck gebracht sei.
General von Albedyll fügte hinzu, daß Graf Moltke bei dem Vor-
trage ebenso besonnen wie sachgemäß gewesen sei und durchaus nicht
kriegerisch. Der Kaiser habe in diesen Tagen wiederholt Befürch-
tungen geäußert, daß die Zweiteilung unserer Armee, welche Graf
Moltke für den Fall kriegerischer Verwickelung nach beiden Seiten in
Aussicht genommen habe, dieselbe gegebenen Falles am richtigen Punkte
schwächen könnte. Seine Majestät sei nun durch die Darlegungen des
Feldmarschalls bedeutend ruhiger geworden.
General von Albedyll bat mich. Euerer Durchlaucht zu schreiben,
daß ihm nichts ferner läge, als kriegshetzende Tendenzen zu begün-
stigen: er bedauere außerordentlich, durch seine unrichtige Ausdrucks-
weise Euerer Durchlaucht die Mühe eines Briefes auferlegt zu haben,
und bäte, sich überzeugt zu halten, daß ihm nur daran läge, Erregungen
sowie Verwirrungen vorzubeugen, und daß er sich stets zur Verfügung
hielte, wenn wir in diesem Sinne irgendwie an ihn appellieren sollten.
Ich bemerkte dem General nur, daß mir die Beunruhigung wegen
der Stimmung des Grafen Moltke ohne Grund gewesen zu sein schiene.
Letzterer habe sich mir gegenüber am letzten Freitag des langen und
breiten in einem Sinne ausgesprochen, der Euerer Durchlaucht Inten-
tionen durchaus entsprochen hätte. Ich wüßte deshalb nicht, weshalb
unter dem von Seiten des Hofes lanzierten Worte „Kriegsrat" Prinz
Wilhelm und drei Generäle an dem Vortrage des Grafen Moltke teil-
genommen hätten. General von Albedyll erwiderte hierauf nur, er be-
dauere diese alberne und Aufsehen erregende Bezeichnung, er hätte
aber nicht gewußt, daß ich am Freitag mit Graf Moltke bereits gespro-
chen hätte, und die anderen Generäle seien dem Vortrage des letzteren
eben nur beigetreten, um seinen vermeintlichen kriegerischen Ideen ent-
gegenwirken zu können. Ich ließ hier nur einfließen, daß ich weder
den Beruf noch die Zeit hätte, über meine Unterredungen mit dem
Chef des Generalstabes den Chef des Militärkabinetts immer auf dem
laufenden zu erhalten, und daß nach meinen Eindrücken Graf Moltke
60
der ruhigste und besonnenste aller unserer Generale sei. General von
Albedyll nahm für sich das gleiche Epitheton in Anspruch und wieder-
holte, Euere Durchlaucht könnten sich darauf verlassen, daß er immer
alles täte, um Schwierigkeiten von unserer auswärtigen Politik fernzu-
halten.
Graf Moltke empfing mich heut nachmittag, und ich las ihm so-
wohl den Brief des Generals von Albedyll als Euerer Durchlaucht Ant-
wort darauf mit angemessenen Erläuterungen vor. Bei der Lektüre des
ersteren unterbrach mich Graf Moltke sofort mit den Worten: ,,,zur
Kooperation* ist unrichtig und der Ausdruck ,auf jeden Fall' ebenso.
Ich habe Seiner Majestät nur gesagt, daß wir auch ,wie beim franzö-
sischen Kriege immer in der Lage sein würden, vier Armeekorps an un-
serer Ostgrenze stehen zu lassen*.'' Bei meinen weiteren Mitteilungen
machte Graf Moltke wiederholt Einschaltungen, aus denen hervorging,
daß er sich in voller Übereinstimmung mit Euerer Durchlaucht Auffas-
sung befindet. Er sagte, Steininger sei gestern bei ihm gewesen, habe
aber nur mitgeteilt, er werde nächster Tage in der Lage sein, Eröff-
nungen seines Generalstabes zu übermitteln.
,,Ich bin", fuhr er fort, „mit dem Reichskanzler vollkommen darüber
einverstanden, daß meine Kritik oder Beantwortung der österreichischen
Eröffnungen in das politische Gebiet hinübergreift, da sich eben alles
um den Eintritt des casus foederis dreht. Wann letzterer vorliegt, ist
lediglich Sache des Reichskanzlers zu entscheiden. Ich werde daher
Steininger, wenn er mir seine Schriftstücke überbringt, sagen, ich müsse
mir die Sache überlegen und werde meine Antwort darauf zunächst
dem Reichskanzler zur Begutachtung mitteilen. Diese Antwort selbst
werde ich an den Erzherzog Albrecht richten und bei ihr an erster
Stelle hervorheben, daß unser ganzer Meinungsaustausch sich nur auf
den casus foederis bezöge, dessen Beurteilung nicht in meiner Kom-
petenz läge."
Der Feldmarschall sprach mir noch seine Verwunderung über die
Berichterstattung von Herrn von Deines* aus; er bemerkte, solche
Fragen, wie Beck danach gestellt haben sollte, lägen doch gar nicht
in den Gebräuchen und wären jedenfalls besser unbeantwortet geblie-
ben. Deines hätte sich entschieden durch militärische Passion zu weit
fortreißen lassen, pp.
Zum Schluß bemerkte Graf Moltke, der Kaiser sei nach seinem
letzten Vortrage viel couragierter und zuversichtlicher, als er bisher
in den letzten Wochen gewesen, es sei Seiner Majestät dabei nach-
gewiesen worden, daß die in der Ausführung begriffene Neuorganisation
nicht nur über 400000 Oarnisontruppen, sondern auch noch reichhch
* Am 9. Dezember hatte der Militärattache in Wien Major von Deines eingehend
über eine Besprechung mit dem Chef des österreichischen Generalstabes Feld-
marschalleutnant von Beck berichtet, wonach dieser sehr wißbegierig wegen der
eventuellen deutschen militärischen Kooperation gewesen war.
61
200000 Feldtruppen liefern würde. Letztere würden in Divisionen zu
je 16 Bataillonen, 1 Kavallerie- und 1 Artillerieregiment gegen den
Feind Verwendung finden können; dies sei eine ganz formidable Ver-
stärkung, und er (Graf Moltke) habe dem Kaiser versichert, daß wir nun
selbst einem zweiseitigen Angriff gewachsen seien und ihn nicht zu
fürchten brauchten.
Euerer Durchlaucht Brief an General Albedyll behalte ich im Kon-
zept zum morgigen Immediatvortrage hier: sehr eingehend werde ich
dasselbe nun nicht zu verwerten brauchen, da die genannten Ausdrücke
in Herrn von Albedylls Schreiben von ihm selbst als irrtümlich aner-
kannt sind, und da ich den bestimmten Eindruck habe, daß der Feld-
marschall vollständig auf Euerer Durchlaucht Standpunkt steht.
H. Bismarck
Nr. 1184
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt
Grafen zu Rantzau, z. Z. in Friedrichsruh
Eigenhändig
Friedrichsruh, den 20. Dezember 1887
Der Herr Reichskanzler bittet, in Gemäßheit des nachstehenden
Diktates Seiner Majestät vorzutragen und mit dem Grafen Moltke zu
sprechen:
„Wenn ich mit den österreichischen Besprechungen einverstanden
gewesen bin, so galt das doch nur für eine Besprechung desjenigen,
was beiderseits getan werden kann, wenn der casus foederis vorliegt.
Von dieser Distinktion ist in dem Schreiben des Generals von Albedyll
gar nicht die Rede, und Österreich wünscht auch nicht, sie zu machen,
sondern will den casus foederis verschieben, als jederzeit vorhanden.
Um den casus foederis herzustellen, ist der Angriff Rußlands auf
Österreich notwendig. Solange derselbe nicht stattfindet, können wir
Österreich keinen Beistand zusagen und auch nicht darüber in Ver-
handlung treten, ob und welche Aufstellungen wir im Kriegsfall machen.
Seine Majestät muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß wir damit
unsern neuesten diesjährigen geheimen Vertrag mit Rußland brechen
würden.
Das bisherige Ziel der kaiserlichen Politik ist die Erhaltung des
Friedens, und unser System geheimer Verträge setzt eine Prämie auf
friedliches Verhalten insofern aus, als wir Österreich beistehen, wenn
Rußland den Frieden bricht, und nach dem russischen Vertrage neutral
bleiben, wenn Österreich den Frieden bricht. Wir können und dürfen
also den Österreichern nichts versprechen, keine Aufstellung, keine Mo-
02
bilmachung, wenn sie die Angreifenden sind; deshalb war es nicht
zulässig, daß Major von Deines dem Kaiser Franz Joseph zu aggressivem
Vorgehen zuredete. Glücklicherweise ist Kaiser Franz Joseph nicht
darauf eingegangen. Wir wären in die größte Verlegenheit gekommen,
wenn es der Fall gewesen wäre, da der Kaiser von Österreich nicht
leicht daran geglaubt haben würde, daß der diesseitige Militärattache
ohne Auftrag zum sofortigen Kriege zugeredet habe.
Wenn nun in dieser Lage Graf Moltke ohne meine Mitwirkung
die Vollmacht unseres allergnädigsten Herrn erhält, einem österrei-
chischen Militärvertreter kaiserliche Zusagen zu machen über even-
tuelle diesseitige Truppenaufstellungen, auch ohne daß Österreich der
Angegriffene ist, also ohne casus foederis, so wird damit der Herr
Feldmarschall ermächtigt, im Namen des Kaisers Schritte zugunsten
Österreichs in Aussicht zu stellen, durch welche die österreichische
Kriegslust im Widerspruch mit unserer Politik gefördert wird, und durch
welche wir eine Haltung zusagen, die mit unserer russischen Vertrags-
pflicht in Widerspruch steht und das Deutsche Reich dem russischen,
also auch dem gleichzeitigen französischen Kriege entgegenführt. Wenn
solche Vollmachten ohne mein Zutun und gegen meinen Rat erteilt oder
auch nur bei Seiner Majestät beantragt werden, so ist meine Verant-
worthchkeit für die mit der Leitung der auswärtigen Politik verbun-
dene Stellung als Reichskanzler nicht mehr haltbar."
Der Herr Reichskanzler bittet, bei Seiner Majestät die Erlaubnis zur
vertrauHchen Mitteilung des geheimen russischen Vertrages an den
Grafen Moltke einzuholen, aber nur an den Herrn Feldmarschall per-
sönlich, nicht an die Herren des Generalstabes. Seine Durchlaucht bittet,
auch nach Maßgabe der vorstehenden und der gestrigen Direktive
mit dem Herrn Kriegsminister zu sprechen, überall aber eine Anklage
gegen Major von Deines zu vermeiden, welchem er aus Kameradschaft
nicht schaden wolle.
C. Rantzau
Nr. 1185
Der Österreich -ungarische Minister des Äußern Graf Kälnoky an
den Österreich -ungarischen Botschafter in Berlin Grafen Sz6chenyi
Abschrift, von dem Botschafter Grafen Szechenyi am 23. Dezember im Auswärtigen
Amt übergeben
Geheim Wien, den 22. Dezember 1887
Infolge einer von hier ausgegangenen Anregung machte mir Prinz
Reuß in voriger Woche die Mitteilung, Seine Majestät der Deutsche
Kaiser habe genehmigt, daß unter Voraussetzung strengster Geheim-
haltung in vorläufige Besprechungen über die militärischen Folgen des
63
eventuellen casus foederis eingetreten werde — und daß es sich dem-
gemäß empfehlen dürfte, die bezüglichen Instruktionen an Oberstleutnant
Freiherrn von Steininger zu erteilen.
Wie ich aus Euer Exzellenz Bericht Nr. 114 vom 20. Dezember
ersehe, hat nun auch Graf Bismarck hiervon die amtliche Mitteilung
an uns gelangen lassen. Wir sind mit der darin vorgeschlagenen Mo-
dalität einverstanden und teilen die Ansicht, daß die vorläufige Ver-
mittlung durch unseren Militärbevollmächtigten in Berlin der jetzigen
Situation entspreche, und es, wenn die Eventualitäten dies erheischen
sollten, einer späteren Epoche vorbehalten bleiben dürfte, durch zwei
höhere mihtärische Vertreter der beiden Reiche diese wichtigen miH-
tärischen Fragen zum Abschluß zu bringen. Der heutige Kurier über-
bringt an Oberstleutnant von Steininger die Instruktionen von Seiten
der obersten Armeeleitung, um die eingangs erwähnten Besprechungen
mit Feldmarschall Grafen Moltke einzuleiten. Bei dem großen Werte,
den ich darauf lege, auch in dieser Angelegenheit in enger Fühlung
mit Seiner Durchlaucht dem deutschen Reichskanzler zu bleiben, schließe
ich beiliegend Abschrift jener Punktationen* bei, welche von unserem
Generalstabe als Grundlage zu den bevorstehenden vorläufigen Erörte-
rungen entworfen wurden und heute dem Baron Steininger zugehen.
Indem Euer Exzellenz dem Herrn Staatssekretär Grafen Bismarck
für die durch Ihren Bericht vom 20. Dezember vermittelte Mitteilung
unseren verbindlichsten Dank aussprechen und ihm von der Beilage
Kenntnis geben wollen, wünschen wir zugleich einen weiteren Punkt
in Anregung zu bringen, dessen Erörterung um so wichtiger ist, je näher
die Frage eines gemeinsamen Kriegsfalls gegen Rußland herantritt.
Unsere beiden Armeeleitungen sind darin vollkommen einig, daß es
vorteilhaft! und daher notwendig wäre, den Angriff des russischen
Heeres nicht abzuwarten, sondern demselben zuvorzukommen und den
Krieg je eher je besser auf russischen Boden zu verlegen 2. Während
die durch Baron Steininger einzuleitenden vorläufigen Besprechungen
diemi litärischen Folgen des casus foederis^ betreffen, schiene
es mir von großer Wichtigkeit, daß die zwei Kabinette sich über die
Frage beizeiten einigen, unter welchen Umständen der casus foederis
tatsächhch einzutreten habe*. Da der zwischen Deutschland und uns
bestehende Vertrag ein reiner Defensiwertrag ist und daher eine Ver-
pflichtung für den Fall eines Angriffes durch einen der beiden Kontra-
henten auf Rußland nicht einschließt, andererseits aber, wie miHtärischer-
seits^ entschieden erklärt wird^, das offensive Vorgehen für den Fall,
als der Krieg unvermeidlich ist^, schwerwiegende Vorteile bieten würde,
so scheint es uns dringend notwendig, schon jetzt volle Klarheit in diese
Frage zu bringen 8, eventuell hierüber ein solches förmliches Einver-
ständnis herzustellen, welches auch unseren beiden Armeeleitungen ^
* Siehe die Anlage.
64
eine sichere Grundlage für iiire zu treffenden Dispositionen zu bieten
vermöchte.
Ich ersuche Euer Exzellenz daher auch diesen Gegenstand streng
vertrauHch beim Herrn Staatssekretär anzuregen und mich von der
Aufnahme, welche diese Anregung gefunden hat, in Kenntnis setzen zu
wollen. — (gez.) Kälnoky
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Ja, aber für uns politisch nicht thunlich
^ wenn Oest[er]reich, gestützt auf Italien, Pforte u[nd] England das nützlich hält;
wir thun dabei nicht mit.
3 also nicht des Angriffs!
^darüber ist keine Einigung nöthig; es steht im Bündnißvertrage !
5 die Militärs machen die Diplomaten nicht
* Sofismen!
■^ das ist er nicht
8 sie ist klar, u[nd] nur durch diese Verschiebungen getrübt!
9 das würde die Politik also nicht berühren!
Anlage
Punktationen des österreichischen Generalstabes für den österreichisch-
ungarischen Militärattache Oberstleutnant Freiherrn von Steininger
Abschrift
Geheim
Es erscheint geboten, für den Fall, als der casus foederis infolge
eines Angriffes seitens Rußlands, oder infolge gemeinsamen überein-
stimmenden Vorgehens der verbündeten Mächte eintreten sollte*, zur
Klarstellung der militärischen Lage die nachfolgenden Punkte einer vor-
läufigen Besprechung zu unterziehen.
1. Festsetzung über einen gemeinsamen gleichzeitigen Mobilma-
chungstag i für die gesamte bewaffnete Macht beider Reiche.
Welche Folgen würde ein feindHcher Einbruch in eines der beiden
Staatsgebiete für das andere nach sich ziehen? 2
Was wäre für den Fall einer konstatierten weiteren bedrohlichen
Verstärkung durch Heranziehung neuer Truppenkörper des Gegners
festzusetzen? 3
2. Österreich-Ungarn würde gegen Rußland seine ganze Macht ein-
setzen*, mit einziger Ausnahme des zur Behauptung des Okkupations-
gebietes unbedingt erforderlichen Kraftteiles.
3. Wie viele seiner Feld- und Reservetruppen würde das Deutsche
Reich gegen Rußland aufbieten^, und zu welcher Zeit könnten dieselben
eingreifen?
4. Die Kriegserklärung würde, falls der Gegner dies nicht früher
tut, von beiden Mächten am gleichen Tage zu übergeben sein^.
* Anm.: Die Worte von „oder infolge" bis „Mächte" sind von Bismarck ein-
geklammert.
5 Die Große Politik. 6. Bd. 65
Die Feindseligkelten würden gleichfalls mit einem und demselben
Termine beginnen ''.
5, Beide Mächte würden den Krieg offensiv führen und die Ope-
rationen gegen die feindliche Hauptkraft richten 8.
Wir setzen voraus, daß im Falle eines beschlossenen Angriffs-
krieges ^ zwischen den beiden Kabinetten die entsprechenden Abma-
chungen getroffen sein werden.
6, Welcher Vorgang lo erscheint am zweckmäßigsten, um sich wäh-
rend des Kriegsfalles gegenseitig rasch alle erforderlichen Mitteilungen
zu machen und dauernd in engster Fühlung zu bleiben ?ii
7, In welchem Maße werden von Seite Deutschlands eventuell
die militärischen Kräfte Italiens in Anspruch genommen? 12
In welchem Maße ist es beabsichtigt, auf Rumänien einzuwirken,
um dasselbe zu aktiver Mitwirkung zu veranlassen ?i3
Randbemerkungen des Fürsten Bismarck:
^ ? Jeder quam citissime! jetzt läßt sich kein Tag im Voraus festsetzen, u[nd]
tritt der Fall ein, so macht jeder so schnell er kann mobil
- die Mobilmachung u[nd] Kriegserklärung!
3 nichts, wenn wir sofort das Ganze mobilmachen also nichts übrig haben
* wir auch, mit Ausnahme der „Deckung gegen Frankreich".
^ in casu foederis alles u[nd] davon 4 Corps im Osten.
^ ! Unsinn; wir erklären Rußland den Krieg erst nachdem es Oestler]reich an-
gegriffen haben oder ihm den Krieg erklärt haben wird. Dann ist also
Oest[er]reich schon im Kriege
• doch sofort mit Eintritt des Krieges, ohne Termin
8 wo steht die?
9 fällt uns nicht ein!
11 der Telegraph wird das besorgen
^2 das hängt von Frankreichs Verhalten ab. Wir nehmen ital[ienische] Truppen
für uns nicht in Anspruch; aber die Ital[iener] werden sie bei sich brauclien
1^ sobald Oestlerlreich von Rußland angegriffen wird, tritt für Rumfänien] wie für
uns casus f[oederis|, also volle Mitwirkung ein; ohne russ[ischen] Angriff, für
agressives öst[er]rleichisches] Vorgehn, wird auf Rumänien so wenig wie auf
uns zu rechnen sein.
Nr. 1186
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh, an
den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept von der Hand des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck
Nr. 745 Friedrichsruh, den 27. Dezember 1887
Geheim [abgegangen am 29. Dezember]
Der österreichisch-ungarische Botschafter hat den zu Ew. ver-
traulicher Kenntnisnahme abschriftlich mit meinen Marginalien hier bei-
66
gefügten Erlaß des Grafen Kälnoky vom 22<en er.* zu meiner Kenntnis
gebracht.
Die im österreichischen Generalstabe redigierte Anlage jenes Er-
lasses**, welche im Original dem Grafen Moltke vorliegt, bin ich zu
beurteilen nicht berufen und enthalte mich deshalb einer Besprechung
derselben: es handelt sich darin um militärische Fragen, deren Prüfung
dem Generalstabe obliegen wird.
Soweit die Politik dadurch berührt ist, möchte ich für Ew. per-
sönlich bemerken, daß Inhalt und Fassung mir einen mehr oberfläch-
lichen als sachlichen Eindruck macht. Ich gehe auf die einzelnen Fragen
nicht ein, schon weil die meisten nach Inhalt und Fassung jede Mög-
lichkeit der Beantwortung ausschließen und beschränke mich darauf,
zu wiederholen, daß ich alle Verabredungen, welche ein aggressives Vor-
gehen zur Voraussetzung oder zum Ziele haben, von der Hand weisen
muß.
Ich glaube, daß der Chef unseres Generalstabes auf die Mehrzahl
der von seinem österreichischen Kollegen ausgehenden Fragen durch
Aufstellung von Gegenfragen wird antworten müssen:
Graf Moltke wird zuerst zu wissen nötig haben, welche Kräfteent-
faltung Österreich in Aussicht nimmt und wie seine Heere aufmar-
schieren sollen, bevor er sich ein Bild von den Leistungen macht, durch
welche wir beim Eintritt des casus foederis zweckmäßig eingreifen wer-
den. Die Entschließungen der österreichischen Militärleitung werden
aber wieder einigermaßen durch die Art und die Örtlichkeit des russi-
schen Angriffs bedingt sein, welcher ihnen vorhergehen muß, um den
casus foederis herzustellen.
Ich kann mich nach Lektüre der Anlage des Eindrucks nicht er-
wehren, daß in gewissen militärischen Kreisen Wiens die Absicht be-
steht, unser Defensivbündnis zu verschieben, und betone deshalb
wiederholt, daß es für keinerlei offensive Zwecke geschlossen wurde.
Graf Kälnoky ist mit mir darüber vollkommen einverstanden. Wir
müssen nur beiderseits darauf achten, daß die Berechtigung, unsere
Monarchen politisch zu beraten, nicht faktisch unsern Händen ent-
gleite und auf die Generalstäbe übergehe.
Wir dürfen solche Bestrebungen nicht über die von mir Ew.
gegenüber mündlich bezeichnete Linie hinaus ermutigen, und durch
unsere Empfehlungen starker Rüstung auf den Fall russischen An-
griffs nicht die Vermutung erwecken, daß wir einen österreichischen
Angriff auf Rußland mitmachen oder unterstützen würden.
Unser Eintreten in den eventuellen Krieg wird durch den russi-
schen Angriff auf Österreich prinzipiell bedingt; eine gleich-
zeitige Kriegserklärung oder Mobilmachung, welche in dem militäri-
schen Fragebogen Erwähnung finden, kann daher nicht vorkommen, weil
* Siehe Nr. 1185.
** Siehe Nr. 1185, Anlage.
67
Österreich, wenn casus foederis für uns eintritt, bereits von Rußland
angegriffen und mit ihm im Kriege sein wird.
In welcher Weise wir dann ein- und Rußland angreifen, das wird
wesentlich davon abhängen, einmal, wo der russische Angriff auf Öster-
reich erfolgt, mit welchen Kräften letzteres ihm entgegentritt, wieviel
Truppen es sofort und wieviel in jeder demnächstigen Woche wird auf-
stellen können.
Daß für uns der Krieg gegen Frankreich dem Ausbruch des rus-
sisch-deutschen Krieges unverzüglich folgen wird, ist nicht zweifelhaft:
Sollte er wider Erwarten nicht von selbst eintreten, so würde es für
uns mehr oder weniger geboten sein, ihn ohne Verzug herbeizuführen.
Wir können einen Krieg nach Osten so lange nicht mit voller Kraft
und weit über unsere Grenzen hinaus leisten, als wir noch die volle
französische Macht ungeschwächt und angriffsbereit im Rücken haben.
Wir wissen nicht, wie es in dem Fall dann in Frankreich aussehn wird,
aber wenn unser Friede dort nicht gesicherter ist, wie heute, so wird
es vielleicht geboten sein, daß wir dem Ausbruche des russisch-öster-
reichischen Krieges unsere Kriegserklärung gegen Frankreich folgen
lassen, um dann nach Sicherstellung unserer Westgrenze unsere volle
Macht gegen Rußland zur Verfügung zu haben.
Ich bitte Ew., diese letzten Erwägungen durchaus zu sekretieren
und das im Eingang Gesagte nur als zur Regelung Ihrer vertraulichen
mündlichen Rückäußerung auf den vom Grafen Szechenyi mitgeteilten
Erlaß bestimmt anzusehn. Ew. wollen meinen Dank für die in dem
letzteren enthaltenen Mitteilungen an Graf Kälnoky aussprechen, dabei
aber ausdrücklich bemerken, daß es nicht meine Sache sei, die mili-
tärischen Anfragen zu erwägen.
Sie können dabei einfließen lassen, daß ich einen unerwarteten
russischen Angriff allerdings für möglich hielte und deshalb wünsche,
daß Österreich durch einen solchen nicht militärisch überrascht würde;
je stärker sich Österreich macht, desto schwächer wird die Versuchung
für Rußland, den Krieg zu beginnen. Einstweilen halte ich den Krieg
nicht für nahe bevorstehend und werde mein Möglichstes tun, um ihn
zu vermeiden. Der Kaiser Franz Joseph teilt meine friedlichen Wünsche.
Damit wir aber denselben entsprechend die Aussichten auf die Bewah-
rung des Friedens verstärken können, ist es notwendig, daß Österreich
unserem Beispiel folge und so stark, vielleicht stärker wie jetzt, gerüstet
bleibe: anderenfalls gewährt es Rußland eine Verlockung zum
Angriff. Die Größe der Kalamität, welche für die Völker Österreich-
Ungarns und Deutschlands mit einem französisch-russischen Kriege,
wie immer er ausfallen mag, verbunden sein wird, legt uns die Pflicht
auf, den Ausbruch desselben, wenn wir können, zu verhüten, und jeden-
falls der göttlichen Vorsehung nicht dadurch vorzugreifen, daß wir ihn
* Vgl. Nr. 1163, S. 24, nebst Fußnote.
68
herbeiführen, ehe er sich uns aufdrängt. Die Zeit läuft mehr zu unsem
als zugunsten der Gegner; in Frankreich wie in Rußland sind die Zu-
stände gespannter als bei uns und können zu inneren Entwicklungen
dieser Länder führen, welche uns eines Kampfes von so riesigen Di-
mensionen überheben würden. Wir dagegen glauben in 2 bis 3 Jahren
stärker zu sein wie heut, im Innern wie nach außen; die volle Kraft
des deutschen Volkes werden wir aber nur für einen defensiven Krieg,
für Abwehr eines Angriffs in Tätigkeit bringen können. Den Beweis,
daß wir den Krieg, weil er später doch ausgebrochen wäre, jetzt führen
müßten, und daß die Umstände dazu heut günstiger wären wie später,
wird man nicht einmal den Parlamenten, viel weniger dem Volke führen
können, und niemand kann vorhersehn, ob der Erfolg der Behauptung
entsprechen wird, daß der Zeitpunkt zum Losschlagen jetzt der gün-
stige sei.
Wenn Feldmarschall-Leutnant von Beck Ew. Anfang des Monats
sagte, „er bedürfe 6 Wochen, um eine ersprießliche Mobilmachung
auch nur einleiten zu können", so hoffe ich, daß Österreich die
vor uns Hegende Zeit benutzen wird, um diese bedenkliche Lücke
auszufüllen und stärker zu rüsten. Die Zeit läuft zugunsten Öster-
reichs. Jetzt ist es mit seinen 3 Gewehrarten und fehlenden Montie-
rungen etc. schwächer, als es in Jahresfrist sein wird, wenn es die
Hauptsache nicht aus den Augen läßt, nämUch mehr Geld auf die
Armee zu verwenden. Auch wir bedürfen noch der Zeit, um in der
Vollzahl, die unser neues Landwehrgesetz für das deutsche Heer in Aus-
sicht nimmt, so gerüstet zu sein, wie wir es für nötig ansehn, bevor
wir in unsern Bemühungen für die Erhaltung des Friedens nachlassen
können. Ich halte daher an der Hoffnung fest, daß Graf Kälnoky nach
wie vor mit uns bemüht sein werde, den Krieg zu verhüten oder doch
aufzuschieben, und daß wir uns die Verantwortlichkeit dafür nicht von
militärischen Ratgebern aus der Hand nehmen lassen.
V. Bismarck
Nr. 1187
Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Graf von Berchem
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 752 Berlin, den 29. Dezember 1887
Ew. pp. gefälliger Bericht vom 21. d. Mts. Nr. 535 hat dem Fürsten
Bismarck vorgelegen.
Der Herr Reichskanzler hat dazu bemerkt, daß Graf Kälnoky und
er in ihrer Eigenschaft als Minister der Auswärtigen Angelegenheiten
ihre Befugnisse, auch in Nebendingen, nicht auf die beiderseitigen
MiUtärpersonen übertragen dürften, ohne die Geschäfte zu gefährden,
69
für welche sie verantwortlich seien. Fürst Bismarck bittet den Grafen
Kalnoky, ihm dabei behilflich zu sein, daß internationale Verabredungen
und Unterlagen zu solchen nicht ohne ihre beiderseitige Kenntnis und
Genehmigung von rein militärischer Seite gefaßt werden.
Beide Minister können weder ganz noch teilweise zugunsten unter-
handelnder Offiziere abdizieren; müssen vielmehr die Geschäfte in der
Hand behalten und keinen Zweifel darüber lassen, daß internationale
Verabredungen, welche ohne ihr aktenmäßiges Einverständnis erfolgen,
ihren Parlamenten gegenüber als verbindlich nicht angesehen werden
würden. Es liegt im Interesse des Friedens, an dieser Art der Ge-
schäftsbehandlung streng festzuhalten, da beide Minister naturgemäß
friedlicher gesinnt sein werden als ihre militärischen Landsleute.
Der Herr Reichskanzler bittet Ew. pp. im Sinne des Vorstehenden
mit dem Grafen Kalnoky mündlich und vertraulich zu sprechen und fügte
hinzu, die militärischen Korrespondenzen könnten doch nur einen infor-
matorischen, keinen vertragabschließenden Charakter haben.
Berchem
Nr. 1188
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh
Ausfertigung
Nr. 554 Wien, den 31. Dezember 1887
Geheim
Euerer Durchlaucht hohen geheimen Erlaß Nr. 745* vom 27. d. Mts.,
die Besprechungen zwischen dem deutschen und dem österreichischen
Generalstab betreffend, habe ich zu erhalten die Ehre gehabt, und
habe ich mich in der mir vorgeschriebenen Weise und mit Sekre-
tierung der auf Seite 7 und 8 enthaltenen Erwägungen dem Grafen
Kalnoky gegenüber ausgesprochen.
Der Minister drückte mir seinen Dank für diese Rückäußerung auf
seinen unter dem 22. d. Mts. an Graf Szechenyi gerichteten Erlaß**
aus und war befriedigt durch die präzise Weise, in welcher die Fragen,
die er sich zu stellen erlaubt hätte, durch Euere Durchlaucht beantwortet
wurden.
Er sagte, es bedürfe nicht erst hervorgehoben zu werden, daß er
vollkommen mit Euerer Durchlaucht einverstanden sei, daß die Berech-
tigung, die allerhöchsten Monarchen politisch zu beraten, nicht den
Händen der leitenden Minister entgleiten dürfe und auf die General-
* Siehe Nr. 1186.
** Siehe Nr. 1185.
70
Stäbe übergehe. Er seinerseits halte streng hierauf, und könne er ver-
sichern, daß bei den mihtärischen Beratungen, die hier stattgefunden,
nichts hinter seinem Rüci<en geschehen sei und geschehen werde. Auch
der Kaiser, sein Herr, würde dies nie leiden.
Aus diesem Grunde habe er, wie er mir schon neulich gesagt, die
vom österreichischen Generalstabe redigierten Instruktionen für Herrn
von Steininger* durch den K. und K.Botschafter zu Euerer Durchlaucht
Kenntnis bringen lassen, weil es ihm vor allem wichtig sei, mit Euerer
Durchlaucht direkt in allen diesen Fragen in Fühlung zu bleiben.
Er habe nichts zu meinen Auseinandersetzungen über den casus
foederis zu bemerken, und Euere Durchlaucht hätten vollkommen recht
anzunehmen, daß Hoclidieselben hierüber ganz mit ihm einverstanden
wären. Nur gegen die Vermutung, die ich ihm nicht verhehlte, daß in
gewissen militärischen Kreisen Wiens die Absicht bestünde, den Sinn
unseres Defensivbündnisses zu verschieben, müsse er Einspruch er-
heben. Er sei sich über die Bedeutung und die Zwecke dieses Bünd-
nisses immer ganz klar gewesen. In hiesigen militärischen Kreisen
habe indessen schon längst theoretisch ein vollkommenes Einverständ-
nis mit den Ansichten des deutschen Generalstabes darüber geherrscht,
daß in einem Kriege Österreichs gegen Rußland ein günstiges Resultat
nur dann zu erhoffen sei, wenn das Kriegstheater sofort bei Beginn des
Krieges nach Rußland verlegt würde. Daß die Militärs hierbei nur von
militärischen und nicht von politischen Ideen geleitet würden, könne
man ihnen nicht verdenken. Dieses habe aber keinen Einfluß auf die
politischen hier zu treffenden Entscheidungen.
Politisch liege die Sache anders, und er hoffe, daß ich Euerer
Durchlaucht gemeldet hätte, daß er mir mehr wie einmal versichert
hätte, Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph wollten den Krieg ver-
meiden, wollten Rußland nicht angreifen und sich aller Handlungen
enthalten, welche von Rußland als Provokation aufgefaßt werden
könnten.
Er befände sich in derselben Lage wie Euere Durchlaucht: er
müsse die Richtigkeit der militärischen Beweisführung anerkennen,
könne sich aber nicht dadurch bewegen lassen, sich für die Notwen-
digkeit eines Angriffs auszusprechen. Er pflichtete daher den Ausein-
andersetzungen vollkommen bei, die ich ihm nach Maßgabe des ge-
nannten hohen Erlasses (Seite 9 bis 14) vortrug. Er bemerkte. Euere
Durchlaucht würden sich nicht in der Voraussetzung täuschen, daß
er nach wie vor bemüht sein werde, den Krieg zu verhüten und daß
er sich, wie er mir schon wiederholt versichert habe, hierin in vollem
Einverständnis mit seinem kaiserlichen Herrn befände. Für Österreich-
Ungarns militärische Entwicklung sei das Zeitgewinnen noch ungleich
viel wichtiger als für Deutschland.
* Siehe Nr. 1185, Anlage.
71
Ob Rußland diese Zeit lassen werde, das sei eine andere Frage.
Daß mehr Geld auf die Armee verwendet werden müsse, sei unzweifel-
haft richtig, aber es sei nicht leicht für ihn, die maßgebenden Männer
für den Gedanken zu gewinnen, daß dies auch bleibend der Fall
sein müsse, wenn Österreich wirklich stark sein solle. Jedenfalls habe
der Kriegslärm der letzten Wochen sehr günstig in dieser Richtung
gewirkt, und sei es ihm daher sehr erwünscht gewesen, daß meine
Sprache sowohl, wie die Berichte, die er aus Berlin in den letzten
Wochen erhalten habe, ihn so kräftig unterstützt hätten, um energi-
schere militärische Vorkehrungen durchzusetzen, die Österreich in den
Stand setzten, einem russischen Überfall, der ja nicht ausgeschlossen
sei, die Spitze bieten zu können.
Auf die Besprechungen zwischen den beiderseitigen Generalstäben
ist der Minister nicht näher eingegangen; auch hat er mir nicht wieder
von der wünschenswerten genaueren Definition gesprochen, was eigent-
lich unter „Angriff" zu verstehen sein würde.
Ich habe mich darauf beschränkt, die auf der 5. und 6. Seite des
Erlasses Nr. 745* enthaltene Auseinandersetzung, was der casus foederis
bedeute, in der entschiedensten Weise zu betonen, und hat der Minister
auch keinerlei Einwendungen dagegen erhoben. Er fand es ganz rich-
tig, daß die Entschließungen der österreichischen Armeeleitung durch
die Art und die Örtlichkeit des russischen Angriffs bedingt sein würden,
welcher ihnen vorhergehen muß, um den casus foederis herzustellen,
und daß unser eventuelles Eingreifen auch davon abhängen werde, wo
dieser Angriff auf Österreich erfolgen werde. Er sagte mir schließlich,
er befürchte noch immer, daß Euere Durchlaucht den Eindruck hätten,
daß er oder sein Kaiser den Krieg wollten. Daß dies ein Irrtum sei,
bat er mich mehrmals Euerer Durchlaucht in seinem Namen zu er-
klären.
Ich darf ganz gehorsamst wiederholen, daß Graf Kälnoky an meiner
Sprache nichts auszusetzen hatte, und daß er Euerer Durchlaucht An-
sichten daher akzeptiert. H. VII. P. Reuß
Nr. 11 8Q
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 6 Wien, den 4. Januar 1888
Geheim
Graf Kälnoky hat mir gestern gesagt, daß er den Bericht des Frei-
herrn von Steininger über dessen Unterredung mit dem Herrn Staats-
* Siehe Nr. 1186.
72
Sekretär erhalten habe, und hinzugesetzt, die Äußerungen Seiner Exzel-
lenz stimmten ganz mit demjenigen überein, was ich ihm vor ein paar
Tagen über die Ansichten Euerer Durchlaucht mitgeteilt hätte (conf.
geheimer Erlaß Nr. 745 vom 27. Dezember v. Js.*).
Der Feldmarschall Graf Moltke, der den Oberstlieutnant sehr
freundlich empfangen habe, sei nicht näher auf die Mitteilungen i ein-
gegangen, die letzterer ihm zu machen beauftragt gewesen sei, w^enn
er auch die verabredeten miUtärischen Besprechungen nicht abgebro-
chen hätte.
Unter diesen Umständen glaube er, der Minister, daß wohl kein
ersprießhches Resultat von diesen Besprechungen zu erwarten sein
würde. Gegenfragen habe der Feldmarschall bis jetzt nicht gestellt.
Der preußische Generalstab sei übrigens ganz genau mit den Stärke-
verhältnissen, den Aufmarschideen und den Zeitabschnitten, in denen
die Aufstellung der österreichisch-ungarischen Armee erfolgen könnte,
bekannt 2; hierüber würden daher wohl von hier aus keine weiteren Auf-
schlüsse verlangt werden.
Aus den Äußerungen des Grafen Kalnoky schien mir hervorzu-
gehen, daß er annehmen zu können glaubte, unsererseits würden weitere
und eingehendere Besprechungen nicht gewünscht, und daß er daher
wohl seinerseits auch keine weiteren Anfragen stellen wird.
Er wiederholte mir, daß der deutsche wie der österreichische
Generalstab für den Fall des Ausbruches eines Krieges zwischen Ruß-
land und Österreich in der Theorie darüber einig gewesen wären, daß
derselbe nur mit Aussicht auf Erfolg zu führen sein werde und Galizien
nur gerettet werden könnte, wenn man den Krieg sofort auf das feind-
liche Territorium trüge. So richtig diese militärische Auffassung sei,
so käme sie doch hier nicht in Betracht, weil die K. und K. Regierung
nach wie vor entschlossen sei, Rußland nicht anzugreifen^. Für den
Fall eines russischen Angriffs möchte man sich indessen so gut als
möglich vorzubereiten suchen*. Da die Chancen für diesen Fall aber
sehr ungünstig für Österreich, namentlich durch die geographische
Lage der Grenzprovinz, lägen, so müsse man mit verdoppelter Vor-
sicht handeln, um den russischen Krieg nicht zu provozieren.
Die einmal befohlenen Vorbereitungen würden demungeachtet wei-
ter betrieben werden, w^eil man hier von der Annahme ausginge, daß
Rußland in diesen reinen Defensivmaßregeln keine Provokation sehen
könnte. H.VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ fragen!
3 gut
* richtig
* Siehe Nr. 1186.
73
Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
2 Dies hat mir Graf Moltke bestätigt und dabei gesagt, daß er Gegenfragen des-
halb nicht zu stellen habe.
Schlußbemerkung des Grafen Herbert von Bismarck:
Oberstleutnant Graf Keller sagte mir, eine Hauptsache sei, daß die Öster-
reicher Lemberg befestigen. Dann wäre ausgeschlossen, daß sie beim ersten
russischen Angriff gleich hinter die Karpathen retirierten, wodurch unser Schlesien
ganz bloßgestellt werden würde. Erfreulich sei deshalb, daß die Österreicher
jetzt mit Feldbefestigungen bei Lemberg begonnen hätten.
Nr. 1190
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 11 ' Wien, den S.Januar 1888
Geheim
Ich habe heut die Ehre gehabt, nach dem Hofdiner mit Seiner
Majestät dem Kaiser von Österreich ein kurzes Gespräch zu haben.
Seine Majestät sagte mir, er bedauerte, daß die von ihm ange-
regten Besprechungen! zwischen den beiderseitigen Generalstäben un-
sererseits so gut wie ablehnend behandelt worden seien. Ich würde mich
entsinnen, daß er diese Besprechungen vorgeschlagen hätte, als vor
etwa 4 Wochen die politische Lage eine sehr drohende gewesen wäre.
Auch unsererseits wären diese russischen militärischen Vorbereitungen
für bedenklich gehalten worden, und hätten wir daher hier den Rat
gegeben, man möge sich, ohne Rußland zu provozieren, militärisch
vorbereiten, um sich nicht überraschen zu lassen 2. Die gleichen An-
sichten hätte auch der hiesige Generalstab gehabt, und namentlich habe
der österreichische Militärattache in St. Petersburg, der ein richtiger
Beobachter sei und auch in Berlin als solcher anerkannt würde, ent-
schieden die Ansicht vertreten, daß der Krieg von Rußland geplant
würde ^.
Aus diesen Gründen habe er, der Kaiser, es für wichtig gehalten,
sich über die gemeinsamen militärischen* Maßnahmen mit uns zu be-
sprechen. Denn da allem Anschein nach der Angriff von Rußland aus-
gehen sollte, so habe er keinen Augenblick daran zweifeln zu können
geglaubt, daß wir gemeinsam diesem Angrifft zu begegnen haben
würden.
Die Aufnahme, die diese seine Anregung anfangs bei uns ge-
funden, habe ihn befriedigt. Wenn nun diese Besprechungen nicht den
erwünschten Fortgang gefunden hätten, so könne er sich dies nur da-
durch erklären, daß Euere Durchlaucht die Besorgnis gehabt hätten,
74
daß er, der Kaiser, nur deshalb jene Besprechungen angeregt hätte, weil
er beabsichtige 6, aggressiv gegen Rußland vorzugehen^.
Wie diese Auffassung entstanden sein könnte, sei ihm unerklärlich.
Er sei sich keines Schrittes seiner Regierung bewußt, welcher eine
solche Absicht vermuten lassen könnte s. Er selbst ebenso wie sein
Minister des Äußern hätten mir sowohl, wie auch durch seine amt-
lichen Organe in Berlin, stets das Gegenteil versichert. Es wäre daher
nur denkbar, daß die dem Baron Steininger erteilten Instruktionen
diesen Glauben hätten erwecken können.
In diesen Instruktionen sei der hiesige Generalstab allerdings von
der auch von unserem Generalstab ^ seit langem geteilten Voraussetzung
ausgegangen, daß, wenn Rußland die Absicht hätte, den Krieg zu
machen, die einzig richtige Begegnung eines russischen Angriffs nur
in einem Offensivstoß lo zu finden wäre, den man nach Rußland hinein
zu führen haben werde. Daß die Idee eines unter diesen Bedingungen
geplanten Offensivstoßes als ein beabsichtigter Angriff gegen Rußland
aufgefaßt werden könnte, habe man hier nicht für möghch gehalten ii.
Seiner Ansicht nach sei nicht immer derjenige der Angreifer, der
den ersten Schlag führe. In dem Kriege, den Österreich gegen Sar-
dinien seinerzeit geführt, habe letzteres den Krieg erklärt und niemand
hätte Österreich beschuldigen können, daß es durch seine rasch er-
griffene Offensive, die ihm den Sieg von Novara etc. eingetragen, einen
Angriffskrieg geführt habe^^. Er könne sich daher unserer Auslegung
des casus foederis nicht anschließen, wonach derselbe erst dann ein-
treten könne, wenn die russischen Armeen die österreichischen Grenzen
bereits überschritten haben würden. Dem Buchstaben nach wäre diese
Auslegung, wie ich sie Seiner Majestät nochmals auseinandersetzte,
allerdings richtig, aber er könne nicht umhin, das Wort „Angriff" in
diesem Falle anders zu verstehen. Wenn Österreich fest entschlossen
sei, Rußland nicht anzugreifen, Rußland aber Österreich mit einer immer
größeren Aufstellung von Armeen bedrohe, und dadurch die Absicht
eines bevorstehenden Angriffs klar erwiesen sei, so bliebe seiner An-
sicht nach kein Zweifel mehr darüber, wer der Angreifer und wer der
Angegriffene sei^^.
Wenn er daher nach »unseren Erklärungen darauf gefaßt sein müsse,
daß erst, wenn die russische Heeresmacht den Krieg in sein Land ge-
tragen haben würde, unsere Hülfe eintreten werde, so müsse er sich
danach richten und seine militärischen Dispositionen daraufhin zuschnei-
den, daß er allein dem ersten russischen Stoß zu begegnen haben
werde ;i'^ denn auf andere Bundesgenossen habe er in diesem ersten
aber bedeutungsvollsten Moment der Kampagne nicht zu rechnen.
Meine Auseinandersetzung der Gründe, weshalb uns die Ver-
meidung dieses Krieges ganz besonders am Herzen liege, hat der
Kaiser nicht bestritten, aber wiederholt versichert, daß er nur gezwun-
gen in diesen Krieg gehen werde.
75
übrigens, schloß der Kaiser, schiene es ja, als wenn vorläufig die
Kriegsgefahr nicht mehr so nahe bevorstehend wäre. Daß sie aber
beseitigt sei, könne er leider nicht annehmen. Er setze Vertrauen in die
friedlichen Absichten des Kaisers Alexander, aber nicht darein, daß
dieser Monarch auf die Dauer imstande sein werde, dem Drängen seiner
eigenen und unserer Feinde in Rußland zu widerstehen. Über kurz oder
lang könne die Frage wieder brennend werden, und dann würden wir
beiderseitig doch genötigt sein, die fallen gelassenen Besprechungen
wieder aufzunehmen i^; das würde sich ja alles von selbst finden, denn
es bestände bei ihm kein Zweifel darüber, daß dann die Dinge so Hegen
würden, daß auch unsererseits das Vorgehen Rußlands als ein Angriff
auf Österreich betrachtet werden würde, auch wenn noch kein russischer
Soldat die österreichische Grenze überschritten hätte.
Ich habe dem Kaiser hierauf nach Maßgabe Euerer Durchlaucht
hohen Erlasses Nr. 745 vom 27. v. Mts.* geantwortet und geäußert,
es sei mir wichtig, daß hierüber keine Zweifel zwischen uns auf-
kommen könnten.
Endlich bat mich der Kaiser noch, ich möchte Euerer Durchlaucht
versichern, daß die Besorgnis, als könne sich der hiesige Generalstab
der Leitung der Politik seiner Regierung bemächtigen wollen, durch-
aus unbegründet sei. Die Politik bestimme er allein und zöge dabei
nur seinen Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu Rate.
Seine Majestät sprachen hierauf von den mihtärischen defensiven
Maßnahmen, die eifrig weiter betrieben würden i^. Pferde für die
komplette Bespannung der Artillerie, sowie für die Augmentation der
Kavallerieregimenter in Galizien seien angekauft und die dazu nötigen
Reserven einberufen. 2 Bataillone Pioniere, sowie 2 Bataillone Fuß-
artilleriemannschaften seien nach den dortigen Festungen abgegangen;
aber mehr Mannschaften würden nicht deplaziert, noch auch eingezogen
werden. Urlauber der dortigen Infanterieregimenter einzuberufen, wie
dies anfangs beabsichtigt war, halte er nicht mehr für nötig, obwohl
hierzu sowohl Graf Kälnoky, als auch der Generalstab dringend geraten
hätten. Hierzu sei immer noch Zeit, und habe er es vorgezogen, den
Russen keinen weiteren Anlaß zu, wenn auch noch so unmotivierten,
Rekriminationen zu geben. Das, was geschehen sei, habe genügt, um in
Petersburg zu zeigen, daß man hier die Augen offen und die dort er-
griffenen Maßnahmen richtig verstanden habe. H. VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Bündnißverschiebungen
* ja
3 das bestreiten wir ja nicht; aber wer ist Rußland? u[nd] muß der Krieg
stattfinden?
* aggressiven
* Siehe Nr, 1186.
76
5 gewiß
^ (interlinear; eingeschoben hinter „beabsichtige"): unter Umständen.
^ richtig.
9 d. h. Übergang der Politik auf beide Qeneralstäbe.
10 also!
UM I
12 doch!
13 wer Angreifer ist, das wird eintretenden Falls von unserem Kaiser ehrlich er-
wogen werden. Unsre zurückhaltende Vorsicht hat mehr die bulgarische
Situation, als die an der galizischen Grenze zur Grundlage. Wegen Bul-
g[arien] wollen wir nicht fechten. Evidente Vorbereitungen zum Angriff auf
Oest [er] reich aber (Galizien) werden uns immer zu Vorbereitung der Abwehr
(Mobilisirung) Anlaß geben, u[nd] damit zum factisch[en] Eintritt in den
russ[isch]-öst[er]r[eichischen] Conflict.
1* doch in andrer Form u[nd] Fragstellung.
« gut.
Randbemerkungen des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
8 Wohl auch nicht der Redaktion seines Generalstabes!
1* gut, das bezweckten wir. Österreich soll sich stark machen,
Schlußbemerkung des Fürsten von Bismarck:
Über das Mißlingen des Versuchs den casus foederis zu erweitern, ist der
K[aiser] Fr[anz] J[osephl natürlich verstimmt.
Nr. 1191
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 43 Berlin, den H.Januar 1888
Ew. geheimer Bericht vom 8.* hat dem Herrn Reichskanzler vor-
gelegen.
Was die Äußerungen des Kaisers Franz Joseph betreffs der von
ihm angeregten militärischen Besprechungen betrifft, so ist daran zu
erinnern, daß die durch Herrn von Steininger übermittelten militärischen
Fragen, welche die Basis dafür bilden sollten, auf Verschiebung un-
seres Bündnisses ausgingen und mehr politischer als militärischer Natur
waren. Wenn der Kaiser Franz Joseph Ew. gesagt hat, daß sein
Generalstab in jenen Instruktionen von der Voraussetzung eines Offen-
sivstoßes gegen Rußland ausgegangen sei, so wird damit eben der
Boden unseres Bündnisses verlassen, und der Übergang der Politik vom
Auswärtigen Minister auf den Generalstab bedingt. Hiergegen hatte
der Herr Reichskanzler in seinem Erlaß Nr. 745 vom 27. Dezember
v. Js.** gerade Verwahrung eingelegt. Nach Ew. Bericht Nr. 17 vom
* Siehe Nr. 1190.
** Siehe Nr. 1186.
77
10. Januar hat der Graf Kälnoky inzwischen selbst anerkannt, daß die
Fragestellung des österreichischen Generalstabs bei uns den Glauben
erwecken mußte, Österreich wolle unsere Macht zu einem Angriffs-
kriege gegen Rußland ausnützen. Wie Ew. bekannt ist, hat Seine
Majestät der Kaiser sich gegen jeden Angriffskrieg erklärt, und es war
unseren Offizieren deshalb unmöglich, sich über gemeinsame aggressive
Maßnahmen auf der vom österreichischen Generalstab aufgestellten
Basis auszusprechen.
Daß Österreich sich militärisch stärken solle, ohne Rußland zu
provozieren, bleibt nach wie vor unsere Ansicht. Wir wünschen jede
Provokation vermieden zu sehen*, weil die Erhaltung des Friedens un-
seren Interessen entspricht, und weil niemand mit unbedingter Sicher-
heit sagen kann, ob der Krieg stattfinden muß; daß der Krieg „von
Rußland" geplant wird, bestreiten wir nicht; es handelt sich aber hier
um die Frage, „wer ist Rußland" und jedem Plane braucht die Aus-
führung nicht notwendig zu folgen.
Bezüglich der Bemerkungen des Kaisers von Österreich über die
Ausführung des casus foederis* hat Fürst Bismarck sich im Hinblick
auf einen russisch-österreichischen Krieg folgendermaßen geäußert:
„Wer Angreifer ist, das wird eintretendenfalls von unserem Kaiser ehr-
lich erwogen werden. Unsere zurückhaltende Vorsicht hat mehr die
bulgarische Situation, als die an der galizischen Grenze zur Grund-
lage. Wegen Bulgarien wollen wir nicht fechten. Evidente Vorberei-
tungen zum Angriff auf Österreich aber (GaHzien) werden uns immer
zur Vorbereitung der Abwehr (Mobilisierung) Anlaß geben und damit
zum faktischen Eintritt in den russisch-österreichischen Konflikt."
Für Ew. pp. persönlich bemerke ich, daß wir nur erfreut darüber
sein können, wenn der Kaiser Franz Joseph jetzt entschlossen ist,
„seine militärischen Dispositionen darauf zuzuschneiden, daß er allein
dem ersten russischen Stoß zu begegnen haben werde". Dieser Ent-
schluß muß dazu führen, daß Österreich sich stärker macht, als es
bisher zur Abwehr gewesen ist. Und dieses Resultat allein ist von uns
bei unseren Mitteilungen nach Wien in den letzten Monaten erstrebt
worden.
Wenn die militärischen Besprechungen über kurz oder lang wieder
aufgenommen werden sollten, so müßte dies doch in anderer Form und
Fragestellung geschehen als das letzte Mal: Die politischen Erwägun-
gen müssen von den militärischen streng gesondert bleiben! Denn kein
Minister könnte die Verantwortung für das Auswärtige Ressort über-
nehmen, wenn beide Gebiete vermengt werden.
H, Bismarck
* Siehe Nr. 1190.
78
Nr. 1192
Der Österreich - ungarische Minister des Äußern Graf Kälnoky an
den Österreich -ungarischen Botschafter in Berlin Grafen Sz6ch6nyi
Abschrift, vom Grafen Szechenyi mitgeteilt
Geheim Wien, am 12. Jänner 1888
Mit meinem Erlasse vom 22. Dezember v. Js.* habe ich gleich-
zeitig mit Einleitung vorläufiger Besprechungen über die militärischen
Folgen des casus foederis und namentlich deshalb, weil es von mili-
tärischer Seite zur Feststellung der zu treffenden Dispositionen für
den Kriegsfall dringend gewünscht wurde, die Frage angeregt, ob es
sich nicht empfehlen würde, beizeiten die Umstände genau zu präzi-
sieren i, unter welchen der casus foederis einzutreten habe.
Die Ihnen und dem Baron Steininger hierauf durch den Staats-
sekretär Grafen Bismarck zugegangene Antwort sowie die analogen
Mitteilungen des Prinzen Reuß lassen keinen Zweifel darüber, daß
Fürst Bismarck ein Eingehen auf diesen Gegenstand unter Hinweis
auf den Vertragstext, der eine weitere Interpretation oder Ausdehnung
weder erfordere noch zulasse, ablehnt. Der Herr Reichskanzler ist der
Ansicht, daß das Eintreten des casus foederis in unserem Vertrage so
klar und bündig niedergelegt sei, daß darüber ein Zweifel nicht be-
stehen könne. Greife uns Rußland an, so werde Deutschland keinen
Moment anstehen, seiner Vertragspflicht nachzukommen. Seien aber
wir — unter welchen Konjunkturen immer — die Angreifer, so würde
Deutschland vertragsmäßig neutral bleiben, selbst dann, wenn der An-
griff den defensiven Charakter ^ des Zuvorkommens eines feindlichen
Einfalles trüge, und wir müßten uns auf unsere eigenen Kräfte stützen
und auf den etwaigen Beistand unserer anderen Alliierten 3,
Es ist unleugbar, daß diese Interpretation in strengstem Sinne
dem Wortlaute unseres Vertrages entspricht, und daß wir gegen die-
selbe keine Einsprache zu erheben vermöchten. Wir haben auch nicht
die Absicht, in dem gegenwärtigen Augenblicke, wo die Ende v. Js.
noch so regen Kriegsbesorgnisse einer neuen Friedensströmung ge-
wichen sind, diese heikle* Frage weiter zu verfolgen; doch halten wir
es für wichtig, einige Punkte, deren Erwägung uns unausweichlich
scheint, schon jetzt hervorzuheben.
In erster Linie scheide ich den Gedanken, daß Österreich-Ungarn
einen Angriffskrieg gegen Rußland unternehmen oder einen Krieg mit
diesem Reiche überhaupt provozieren wolle, aus der Diskussion voll-
kommen aus. Es ist ausgeschlossen, daß Österreich-Ungarn allein
Rußland angreift, und es fallen sohin auch alle Kombinationen weg,
welche diesen Fall und die hieraus vertragsmäßig Deutschland zu-
* Siehe Nr. 1185.
79
stehende Neutralität in Betracht ziehen. Wir sind uns dessen voll-
kommen bewußt, daß es Wahnsinn wäre, sowohl vom militärischen
wie vom politischen Standpunkte, wollten wir allein einen Angriffs-
krieg gegen Rußland unternehmen, denn wenn Graf Herbert Bismarck
für einen solchen Fall auf den militärischen Beistand Italiens, Englands und
der Türkei hinwies, so muß ich annehmen, daß dies wohl nur deshalb
geschah, um anzudeuten, daß wir auf diese nicht^ rechnen könnten.
Nicht nur, daß wir uns mit Italien und England prinzipiell auf den
Boden des Ausschlusses jeder Angriffspolitik gestellt haben, dürfte
Italien, welches in Massauah engagiert und gegenüber Deutschland ver-
pflichtet ist, sich außerdem auf größere militärische Leistungen kaum
einlassen können. Was England betrifft, steht es außer Zweifel, daß
die dortige öffentHche Meinung sich gegen^ den Angreifer, wer
er immer sei, erklären wird. Mit welcher Sicherheit endhch man auf
eine militärische Unterstützung der Türkei rechnen könne, ist in Berlin
ebenso bekannt wie hier. Ich kann also nur wiederholen, daß Öster-
reich-Ungarn unter keiner Bedingung den Wahnsinn begehen werde,
einen Angriffskrieg gegen Rußland zu unternehmen ß.
Eine andere Frage ist, und auf diese legen wir das größte Ge-
wicht, daß von den höchsten militärischen Autoritäten in voller Über-
einstimmung erklärt wird, daß durch das Abwarten des russischen An-
griffs, von Österreich-Ungarn, ebenso wie von Deutschland, die wich-
tigsten militärischen Vorteile preisgegeben, und der ganze Erfolg des
Krieges schwer kompromittiert werden würde. Bei der ganz ungewöhn-
lich ungünstigen geographischen Lage und Konformation Galiziens
und der äußerst schwierigen Aufmarschlinie unserer Armee, liegt die
Gewähr des Erfolges nur im sofortigen Angriff, kombiniert mit einem
gleichzeitigen Vorstoß von Seite der deutschen Armee. Hiebei war
selbstverständlich nie ein Offensivkrieg und ein Friedensbruch gedacht,
sondern im Falle ^ eines unausweichlichen und unabwendbaren Krieges
jene Initiative und jenes Zuvorkommen, welches historisch nachweisbar
schon so oft 2 den siegreichen Erfolg des Feldzuges entschieden hat.
Zieht man die Rüstungen, militärischen Vorbereitungen und gefährlichen
Dislokationspläne Rußlands (von denen uns offiziell gesagt wird,
daß sie jedenfalls durchgeführt werden würden) in Betracht, so muß
man zu der Überzeugung gelangen, daß in einer näheren oder ferneren
Zukunft der Krieg mit Rußland immer wahrscheinlicher wird — es
wäre denn, man wollte demselben um jeden Preis ^ aus dem Wege
gehen. Für den Fall eines russischen Krieges aber ist die oben an-
geregte Frage des casus foederis von so entscheidender Wichtigkeit,
daß dieselbe nach meiner Meinung je eher in einer definitiven Weise
klargestellt 9 werden sollte, und ich zweifle nicht, daß bei der weiteren
EntWickelung der Dinge es sich als notwendig lo herausstellen wird,
auf die eingehende Erwägung derselben zurückzukommen. Wüßten
wir, daß wir definitiv auf die ungeheuren militärischen Vorteile ver-
80
ziehten müßten, welche unter gegebenen Umständen ein scharfes Vor-
gehen in Feindesland unseren Heeren bringen würde, und wären wir
darauf angewiesen, den Feind ins Land hereinzulassen und den schwie-
rigen Feldzug unter diesen entschieden ungünstigen Umständen zu
beginnen, so würde an uns die Pflicht herantreten, neuerdings und
beizeiten zu erwägen, in welcher Weise es unter solchen Verhält-
nissen mögUch und ratsam sei^, den Krieg gegen Rußland zu führen,
und ob er überhaupt aufzunehmen oder zu vermeiden sei.
Diese Konsiderationen mögen heute verfrüht sein, wie es ja über-
haupt vorerst sich nicht um den Krieg, sondern um den Frieden han-
delt; doch können die Umstände es leicht mit sich bringen, daß die
aufgeworfene Frage plötzlich aktuell und eine definitive Klarstellung
derselben dringlich wird. Meiner Meinung nach Heße sich leicht eine
Form 12 finden, welche die von dem Herrn Reichskanzler befürchtete
Möglichkeit einer Verschiebung des defensiven Charakters unseres
Bündnisses ausschlösse und doch die für die militärischen Kombina-
tionen unerläßliche feste Basis zu bieten vermöchte. Die Dimensionen
und Folgen eines Krieges mit Rußland können so ungeheure sein,
daß derselbe auch militärisch nur unter den möglichst günstigen Um-
ständen begonnen werden darf. Bei der vertrauensvollen Übereinstim-
mung, in der sich unsere beiden Kabinette in der Beurteilung der poli-
tischen Lage überhaupt und der möglichsten Vermeidung des Krieges i3
befinden, bezweifle ich nicht, daß, wenn die Verhältnisse es erheischen,
auch über diese politisch und militärisch schwer ins Gewicht fallende
Frage eine übereinstimmende Auffassung sich ergeben werde. Ich er-
suche Euer Exzellenz, diese Erwägungen i* streng vertraulich zur Kennt-
nis des Herrn Staatssekretärs zu bringen und mich s. Z. von der Auf-
nahme, welche dieselben gefunden haben werden, in Kenntnis setzen
zu wollen. (gez.) Kälnoky
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Das ist ganz unmöglich; der Text des Vertrages präcisirt so genau wie möglich,
so lange man keine sichre Sehergabe für die zukünftigen Ereignisse besitzt.
- ?
3 die haben wir ihnen, für den Fall eigner Angriffsgelüste, mühsam ad hoc besorgt.
* („heikle" eingeklammert, dafür:] „unlösbare"
^ ? bei uns auch
G gut.
'wann Hegt der vor??
8 Phrase!
9 das ist eine Cirkelquadratur, definitiv nicht klar zu stellen, u[nd] durch keinen
Vertragstext theoretisch lösbar, sobald man nicht der bona fides des Ver-
bündeten mehr vertraut als dem Wortlaut der Clausein.
^'^ durchaus nicht
" möglich gewiss, rathsam nie, so lange das Vermeiden politisch möglich bleibt.
12 ?? auf die wäre ich neugierig!
'■1 z. B. bei Angriff auf russ[ische] Truppen ausserhalb des russfischen] Reiches?
Bulg[arien], Türkei.
1* [„Erwägungen" eingeklammert, dafür:] „Redensarten"
C Die Große Politik. 6. Bd.
81
Nr. 1193
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Eigenhändig
Berlin, den 17. Januar 1888
Graf Szechenyi las mir heute den abschriftlich anliegenden Erlaß*
Kälnokys vori. Als ich ihm einige sachliche Erläuterungen meiner dort
nicht zutreffend vviedergegebenen Äußerungen bezüglich Österreichs
Hoffnungen auf England und Italien gegeben hatte (sc. daß diese
Mächte eintreten würden, wenn es auf der Balkan halbinsel und
wegen Bulgarien zum Kriege käme), und mich im übrigen be-
friedigt über den ersten Teil des Erlasses äußerte, meinte Graf Szechenyi,
„ja, des Pudels Kern ist aber am Schluß, wo es sich um Auffindung
einer Form handelt, in welcher später, wenn der Krieg näher rückte,
militärische Verabredungen getroffen werden könnten, ohne^ dem De-
fensivcharakter unseres Bündnisses zu derogieren".
Ich sagte Szechenyi, daß ich diese Formel nicht diskutieren könnte,
da die Gefahr eines Angriffskriegs gegenwärtig nicht vorläge. Wäre
der Fall jemals zweifelhaft — was bisher nicht vorauszusehn --, so
würde Seine Majestät auf der Basis unseres Bündnisses ehrlich ent-
scheiden.
Im übrigen sprach ich mich in liebenswürdigster und vertraulicher
Form dahin aus, daß unsere neuerHchen freundschaftlichen Meinungs-
austausche volle Klarheit in die beiderseitigen rein defensiven Ab-
sichten gebracht hätten. Seine Majestät würde einen „wie immer**
gearteten Angriffskrieg niemals mitmachen. Szechenyi floß an der
Hand seines Erlasses über in ähnlichen Versicherungen. Ich habe in den
50 Minuten unserer Unterredung alle wichtigen Punkte rekapituliert
und hervorgehoben, welche durch unsere letzten Erlasse nach Wien
festgelegt waren. Ich glaube erschöpfend. Deshalb wiederhole ich
die ganze Wiederkäuung hier nicht.
Szechenyi war nach der Unterredung über unseren Standpunkt voll-
kommen edifiiert, bat mich nur die Sache noch einmal durchzulesen.
Dies versprach ich, bemerkte aber, daß eine weitere diesseitige
Äußerung nach unserer langen Konversation nicht mehr zu ergehen
brauche. " H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ Verhandlungen sind über Phrasen unfruchtbar. Oest[er]reichs Hauptsicher-
heit für unsre ehrliche Auslegung des casus foed[eris] liegt nicht in Clausein
u[nd] Wort-Texten, sondern in der unzweifelhaften Thatsache daß die un-
geschwächte Existenz Oestlerjreichs ein Lebensbedürfniß für uns u[nd] für das
europläische] Gleichgewicht ist
' [„ohne** eingeklammert, dafür:] „um"
* Siehe Nr. 1192.
82
Nr. 1194
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 70
Oeheim Berlin, den 19. Januar 1888
Ew. beehre ich mich, in der Anlage zu Ihrer persönlichen In-
formation einen vom Grafen Szechen)d hier mitgeteilten Erlaß des Grafen
Kälnoky vom 1 2. d.Mts.* sowie meine Aufzeichnung über die Unterredung
mit dem österreichischen Botschafter** abschriftlich zu übersenden.
Zunächst werden Ew. pp. aus der Vergleichung beider Schrift-
stücke ersehen, daß die Annahme des Grafen Kalnoky, als hätte ich
Österreich für den Fall eines Angriffskrieges gegen Rußland auf die
Unterstützung Italiens, Englands und der Türkei verwiesen, in dieser
Allgemeinheit nicht richtig ist. Vielmehr habe ich in diesem Zusammen-
hange nur den Fall besprochen, wo der Krieg auf der Balkanhalb -
in sei und Bulgariens wegen begonnen würde.
Was die Ansicht des Herrn Reichskanzlers über die Frage des
casus foederis anlangt, so darf ich auf dessen ausführUchen Erlaß Nr. 745
d. d. Friedrichsruh, den 27. Dezember*** verweisen. Den in dieser
Schrift niedergelegten Auffassungen hat Seine Durchlaucht noch die
Bemerkung hinzugefügt, daß der Text des Vertrages die Umstände,
unter welchen der casus foederis einzutreten habe, so genau wie möglich
präzisiere; der von Graf Kälnoky ins Auge gefaßte Moment, wo der
Krieg unausweichlich und unabwendbar werden, und wo folgüch der
casus foederis tatsächlich eintreten würde, sei durch keinen Vertrags-
text theoretisch fixierbar, solange man nicht eine sichere Sehergabe
für die zukünftigen Ereignisse besitze. Österreichs Hauptsicherheit
für unsre ehrliche Auslegung des casus foederis liegt nicht in Klauseln
und Worttexten, sondern in der unzweifelhaften Tatsache, daß
die ungeschwächte Existenz Österreichs ein Lebensbedürfnis für uns
und für das europäische Gleichgewicht ist. Über eine Form, welche
eine militärische Ergänzung des gegenwärtigen Abkommens, ohne Ver-
schiebung des defensiven Charakters desselben mit sich brächte, ver-
mag der Herr Reichskanzler sich kein Bild zu machen, denn es wird
niemals ausführbar sein, die militärischen Kombinationen der Zukunft
im voraus zu präzisieren. Die offizielle Übermittelung unserer Er-
widerung ist durch den Grafen Szechenyi bewirkt worden.
Ew. wollen daher diese Mitteilung als ausschließlich zu Ihrer
persönhchen Orientierung bestimmt ansehen, und Ihre Sprache nach
wie vor nach dem vorerwähnten erschöpfenden Erlaß des Herrn Reichs-
kanzlers regeln. H. Bismarck
* Siehe Nr. 1191.
♦* Siehe Nr. 1192.
♦** Siehe Nr. 1186.
6» 83
Nr. 1195
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr 30 Wien, den 17. Januar 1888
Geheim
Graf Kälnoicy hat mir vertraulich mitgeteilt, daß nach seinen Mel-
dungen aus Berlin die Besprechungen, welche Herr von Steininger
mit den dort weilenden italienischen Offizieren gehabt, einen befrie-
digenden Fortgang genommen hätten. Er, der Minister, habe die von
unserer Seite gewünschten Notizen über die Transportverhältnisse auf
der Brennerbahn hier ausarbeiten lassen und nach Berlin geschickt.
Der Minister wiederholte mir bei dieser Gelegenheit, wenn auch die
Besprechungen zwischen dem österreichischen Militärattache und un-
serem Generalstab so gut wie sistiert wären, so hätten dieselben doch
sehr nützliche Resultate geliefert. Freilich könne er nicht verhehlen, daß
sich der österreichisch-ungarische Generalstab mehr von diesen Be-
sprechungen erwartet hätte i und nun einigermaßen verstimmt sei.
Doch sei er eifrig bemüht, beschwichtigend einzuwirken. Der Grund
hierzu sei, wie er mir schon gesagt, hauptsächUch darin zu suchen, daß
die Instruktionen des Generalstabes nur von einem ^ einseitigen Ge-
sichtspunkt ausgingen und deshalb nicht unseren Erwartungen entspre-
chen konnten.
Ich habe dem Minister bei diesem Anlaß gesagt, daß, wenn der-
artige Besprechungen früher oder später wieder aufgenommen werden
sollten, dies in anderer Form und^ Fragestellung geschehen müsse, und
politische Erwägungen von militärischen streng zu sondern seien*.
Graf Kälnoky gab mir hierin vollkommen Recht.
Daß die üble Laune in der Armee*, von der mir der Minister
sprach, besteht, hat mir Major von Deines bestätigt. Letzterer tritt
solchen Auslassungen, so oft sie ihm begegnen, stets mit dem Hinweis
auf unser Bündnis entgegen, welches vom österreichischen General-
stab eben nicht richtig interpretiert worden sei^. Denn nur hierdurch
sei die jetzt herrschende Enttäuschung hervorgerufen worden.
H.VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
* D. h. Verfügung über die deutsche Armee auch ohne casus foederis, lediglich
^ nach Ermessen des östlerlr[eichischen] G[eneral]-Stabes
" [vor „einseitigen" ist eingeschoben): sehr
3 [„und" ist eingeltlammert; vor „Fragestellung" ist eingeschoben]: als in der der
* bei wem?
^ weil er es nicht kennt! Hat denn der Te.xt dem G[eneral]-Stabe schon vor-
gelegen?
* Vgl. auch Nr. 1175 und 1191.
S4
Nr. 1196
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 31 Wien, den 19. Januar 1888
Bei dem gestrigen Hofball hat mir Seine Majestät der Kaiser von
Österreich über die allgemeine Lage gesprochen, die ihm keine Be-
ruhigung einflößt.
Ich habe bei dieser Gelegenheit wieder herausgefühlt, daß Seine
Majestät sich dermaßen in den Gedanken hineingelebt hatte, daß ein
russischer Angriff auf Österreich sofort durch gemeinsamen Offensiv-
stoß zu parieren sein werde, daß es höchstdemselben schwer wird,
sich in unsere Auffassung zu finden.
Wenn er sich auch neulich dahin aussprach, er müsse sich darauf
präparieren, den russischen Angriff allein auszuhalten i, so scheint er
sich doch noch nicht schlüssig geworden zu sein, wie für diesen Fall
der Aufmarsch der österreichischen Armee einzurichten sein werde.
Dasselbe entnehme ich auch aus den Äußerungen des österreichi-
schen Chefs des Generalstabes, und Major von Deines versichert, daß
man hier bis jetzt noch nicht daran gegangen sei, den Aufmarsch für
diesen Fall vorzubereiten.
Es ist, als wenn sich eine gewisse Mutlosigkeit der Militärs be-
mächtigt hätte, und sie nicht recht wüßten, was sie nun vorzubereiten
haben sollten.
Ich habe dem General von Beck gesagt, es würde doch im eigenen
Interesse Österreichs sein, wenn er sich an diese Arbeit machte, um
dann nicht überrascht zu werden.
Seiner Majestät dem Kaiser habe ich versichert, er könne sich
darauf verlassen, daß Seine Majestät der Kaiser und König eintretenden
Falles ehrlich erwägen werde, wer der Angreifer sei, worauf mir Seine
Majestät erwiderte, daran wolle er auch keinen AugenbHck zweifeln;
nur sei eben zu fürchten, daß es dann zu spät sein werde, noch ge-
meinsame Verabredungen zu treffen. Daß er den Krieg nicht wolle und
nicht angreifen werde, das wiederhole er auch heute, und hätte er ge-
hofft, wir würden ihm genug Vertrauen schenken, um nicht aus seinem
Wunsche, militärische Besprechungen anzuknüpfen, den Schluß zu zie-
hen, daß er den Angriff wolle 2.
Ich habe, wie schon neulich dem Minister, auch dem Kaiser gesagt,
die österreichische Fragestellung wäre keine glückliche gewesen und
hätte zu der Deutung führen müssen, gegen die er jetzt protestiere "*.
Wie man hierseits zu dieser Form der Fragestellung gekommen
ist, hat Graf Kälnoky in einem an Graf Szechenyi gerichteten Erlaß aus-
einandergesetzt, dessen Inhalt Euerer Durchlaucht bekannt ist.
Der Minister faßt alle diese Dinge ruhiger auf als sein kaiserlicher
85
Herr und die Armeeleitung, und glaubt er auch, daß man sich in diesen
Sphären beruhigen werde. Er ist sich aber darüber vollkommen klar,
in welch ungünstige Lage Österreich kommen kann, wenn es die In-
vasion Rußlands in Galizien abwarten muß, um unsere Hülfe zu er-
langen. Er weist auch darauf hin, daß es uns nicht gleichgültig sein
kann, einer Armee zu Hülfe zu kommen, die in ihrem Aufmarsch, even-
tuell sogar in ihrer Mobilmachung, durch den russischen Einbruch in
Galizien gestört sein wird. Er nimmt aber die Sachen hin, wie sie von
uns geboten werden, will damit rechnen, tröstet sich aber damit, daß
eintretenden Falles, wenn die russischen Vorbereitungen bis zur Evidenz
die Angriffsabsichten auf Galizien beweisen werden, wir unmöglich ruhig
bleiben können*.
Da ich nicht ausdrückhch autorisiert war, die auf Seite 4 des hohen
Erlasses Nr. 43 vom 14. d. Mts.* geäußerten Ansichten Euerer Durch-
laucht über diesen Fall auszusprechen, so habe ich dies auch nicht
getan; aber ich habe geglaubt, dem Minister nicht widersprechen zu
sollen.
Bei jeder Gelegenheit bringe ich ihm in Erinnerung, daß wir
wegen Bulgariens nicht fechten werden. H.VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ?y
2 Die Fragsteilung war doch danach; sie hatte Verschiebung des Bündnisses
zur Voraussetzung; nicht defensiv, sonst konnte nicht Festsetzung des
Tages gemeinsamer gleichzeitiger Mobilmachung verlangt werden; das wäre
doch nur zum Angriff möglich.
3 richtig
* wir werden in solchen Fällen mobilisiren, um zur Abwehr des russ[ischen]
Angriffs auf Oest[er]reich bereit zu sein; das wird genügen, um Rußland pro
rata von Oestlelrfreich] abzuziehen. Oest[e]r[reich] sollte weder vor noch hinter
den Karpathen Stellung nehmen, sondern bei Krakau in Fühlung mit unsrem
schlesischen Corps, ulnd] für seine böhmischen Truppen, in Schlesien (Troppau)
Nr. 1197
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschalter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 82 Berlin, den 24. Januar 1888
Geheim
Ew.pp. gefälliger Bericht Nr. 31 vom 19. er.** hat dem Herrn Reichs-
kanzler vorgelegen, und derselbe hat sich befriedigt darüber geäußert,
daß Ew. pp. dem Kaiser Franz Joseph gegenüber die österreichische
Fragestellung in so richtiger Weise kritisiert haben; dieselbe hatte die
* Siehe Nr. 1191.
♦* Siehe Nr. 1196.
86
Verschiebung unseres Bündnisses zur Voraussetzung; sie ging nicht
von dem defensiven Gesichtspunkt aus, denn sie hätte sonst nicht
die Festsetzung des Tages gemeinsamer gleichzeitiger Mobilmachung
und Kriegserklärung verlangen können; dies wäre doch nur zum An-
griff möglich.
Wenn die russischen Kriegsvorbereitungen soweit getrieben wer-
den sollten, daß Angriffsabsichten unzweifelhaft zutage treten, so wer-
den wir in solchen Fällen mobilisieren, um zur Abwehr des russischen
Angriffs auf Österreich bereit zu sein; das wird genügen, um Rußland
pro rata von Österreich abzuziehen, pp.
H. Bismarck
87
Kapitel XXXIX
Russisch -Französische Allianzfühler
1886—1890
Nr. 1198*
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 218 Wien, den 12. Mai 1886
Der durch die gestrigen Abendzeitungen veröffentlichte deutsch-
feindliche Artikel des „Journal des Debats"** gab meinem russischen
Kollegen Veranlassung, sich heut mir gegenüber über die Stimmungen
in Frankreich auszusprechen,
Fürst Lobanow bringt alljährlich mehrere Wochen in Frankreich
zu, teils in Bädern, teils in Paris und bei Bekannten auf dem Lande
und kennt daher die Stimmung genau. Jedesmal, wenn er hierher
zurückkommt, sagt er mir, er konstatiere einen neuen Rückgang dieses
Landes und es gäbe keine Kapazitäten, um dasselbe vor dem gänz-
lichen Ruin zu retten. Das einzige Gefühl, was die Menschen dort
noch zu entflammen im Stande sei, wäre der Rachedurst gegen Deutsch-
land. Aber um dieses Gefühl zu betätigen, dazu fehle die Energie, und
die Furcht vor Deutschland sei vorherrschend.
Kriegsminister Boulanger sei ein gefährUcher Mensch, aber auch
ihm würde es nicht gelingen, das Land in neue Abenteuer zu stürzen.
In dem Augenblick aber, wo sich ein Zerwürfnis zwischen den 3 Kaiser-
mächten manifestieren würde, welches zu einer Komplikation zwischen
denselben führen könnte, wäre ein Angriff Frankreichs auf Deutschland
mit Bestimmtheit vorauszusehen.
Aus diesem Grund sei den Franzosen das Drei-Kaiser-Bündnis ganz
außerordentlich verhaßt. Er wolle mir nicht verbergen, daß es nicht
an Versuchen gefehlt hätte, Rußland von uns zu trennen. Nicht von
* über frühere russisch-französische Allianzprojekte s. Bd. III, S. 81, Fußnote. In
ein ernsthafteres Stadium treten die dahin gerichteten Bestrebungen, wie sich
schon aus den Kapiteln über die deutsch-russischen Beziehungen seit 1886 ergab,
im Zusammenhang mit dem drohenden Zerfall des Drei-Kaiser-Bündnisscs. Im
folgenden sind eine Anzahl Schriftstücke zusammengestellt, die sich auf die ersten
Annäherungsversuche zwischen Fiußland und Frankreich beziehen.
** Nach einem Berichte des Botschafters Grafen Münster vom 13. Mai hatte der
Artikel des „Journal des Debats" vom 11. Mai, der die deutsch-französischen Be-
ziehungen in unfreundlichem Sinne glossierte, in Paris großes Aufsehen erregt
und wurde als eine Wiedergabe der im französischen Auswärtigen Ministerium
herrschenden Ansichten angesehen; Fürst von Bismarck wollte ihm aber, laut einer
Randbemerkung zu dem Münsterschen Berichte keine sonderliche Bedeutung bei-
messen.
91
Propositionen wolle er sprechen, die französischerseits der russischen
Regierung gemacht worden seien, aber man heße keine Gelegenheit
vorübergehen, um der russischen Regierung und dem Hofe zu schmei-
cheln und der Nation den Hof zu machen. Es sei ordentlich wider-
wärtig, dieses französische Gebahren zu verfolgen. Glücklicherweise
machten alle diese Versuche dem Kaiser Alexander keinen Eindruck,
und würde man in Frankreich sehr irre gehen, wenn man glauben würde,
die Sympathien, die in Rußland, und namentlich unter den höheren
Ständen für Frankreich bestehen, könnten irgendwelchen Einfluß auf
die kaiserlich russische Regierung haben.
Solange das Dreikaiserbündnis fest bestünde, so lange würde Frank-
reich keinen Krieg anfangen. H. VII. P. Reuß
Nr. 119Q
Aufzeichnung des Vorfragenden Rats in der Reichskanzlei Rottenburg,
z. Z. in Kissingen
Eigenhändig
Kissingen, den 22. Juli 1886
Der Herr Reichskanzler wünscht, daß der Herr Unterstaatssekretär
sich bei sich darbietender Gelegenheit dem Grafen Schuwalow gegen-
über in folgendem Sinne äußere:
Wenn ein Engländer, Österreicher oder Ungar, der in seiner Heimat
so gegen Rußland gehetzt hätte wie Deroulede* gegen uns, nach
BerHn käme, beziehungsweise nach Deutschland, so würde der Reichs-
kanzler* mit allen Mitteln dessen Ausweisung herbeizuführen suchen,
und zwar aus Rücksicht für Rußland; Agitationen würde er nicht
dulden. In Rußland aber scheine niemand auf solche Gedanken zu
kommen; im Gegenteil. Während man Deroulede in Odessa äußerst
sympathisch empfängt, hält ein russischer General in Frankreich eine
fraternisierende Rede an die französische Armee angesichts des Denk-
mals des General Chanzy, das die Aufschrift trägt, die französischen
Generäle müßten sich den Marschallsstab jenseits des Rheins holen**.
Dazu komme endlich die Sprache der russischen Presse. Alle diese
Erscheinungen müßten in der öffentlichen Meinung Deutschlands nicht
nur, sondern ganz Europas den Eindruck hervorrufen, als ob wir
nicht, wie wir glaubten, in einem freundschaftlichen, sondern in einem
feindlichen Verhältnis zu Rußland ständen. Die gedachten Erschei-
* Der Führer der Patriotenliga, Deroulede, hatte im Sommer 1886 eine antideutsche
Agitationsreise vor allem nach Rußland unternommen, wo er von den Panslawisten
begeistert aufgenommen wurde.
** Bei der Enthüllung des Standbildes des Generals Chanzy in Nouart hatte der
russische Militärattache General Fredericks auf die Begrüßung des Generals
Mathelin mit Ausdrücken des Danks und der Sympathie geantwortet.
92
nurigen müßten um so mehr auffallen, als wir in allen Fragen das
Menschenmögliche täten, um Rußland entgegenzukommen. Wir ent-
fremden uns durch dieses Entgegenkommen andere bis zu einem ge-
wissen Grade und würden das System, andre Freundschaften der
Rußlands zu opfern, mit mehr Zurückhaltung treiben, die von Rußland
unabhängigen Beziehungen mehr pflegen müssen. Denn das Verhalten
Rußlands erschwere jede Anlehnung an Deutschland, wie es andrer-
seits Frankreich zum Krieg ermutigen müsse. Ist man sich in Peters-
burg der Eindrücke nicht gewahr, die das russische Verhalten in
Deutschland hervorrufen muß, oder ist man gleichgiltig dagegen?
Ferner bittet der Reichskanzler Herrn von Bülow in Petersburg
zum Bericht darüber aufzufordern, ob man sich dort nicht über den
schlechten Eindruck klar sei, den die Aufnahme Derouledes in Odessa
bei uns machen müsse, Rottenburg
Nr. 1200
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler Fürsten
von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 255 Paris, den 1. Oktober 1886
Ganz vertrauUch
Der enghsche Geschäftsträger* teilte mir ganz im Vertrauen i mit,
daß er aus guter französischer Quelle erfahren habe, daß hier in den
letzten Tagen des August von russischer Seite der französischen Re-
gierung Anerbietungen zum Zwecke einer Allianz gemacht worden
seien. Wer der Unterhändler gewesen, wußte der Geschäftsträger
nicht, es sei aber nicht durch die hiesige russische Botschaft geschehen,
auch habe der französische Geschäftsträger in St. Petersburg** nichts
darüber gewußt. Bei den vielen Verbindungen, welche die Russen hier
haben, war es auch nicht schwer, einen andern Weg zu finden.
Die Eröffnungen seien so wichtig gewesen, daß Herr von Frey-
cinet deshalb den Präsidenten Grevy veranlaßt habe, hierher zu kommen
und einen Ministerrat abzuhalten. Der Vertrag mit der Telephon-
Gesellschaft habe nur als Vorwand gedient.
Die russischen Vorschläge haben sich mit auf Ägypten bezogen,
d. h., Rußland habe dort die Unterstützung der französischen Wünsche
zugesagt; es soll aber auch eine weitergehende Allianz für den Kriegs-
fall angeboten worden sein.
Der Präsident Grevy, Herr von Freycinet und die Majorität des
* E. H. Egerton.
** Ternaux-Compans,
93
Conseils haben es für zu gefährlich gehalten, auf diese Anerbietungen
einzugehen, und es sei eine abschlägige Antwort beschlossen worden.
Herr Egerton^ bemerkte dabei, er wisse, daß Herrn Blowitz^*
ähnliche Nachrichten zugegangen seien, er habe sie aber nicht von ihm*.
Herr Biowitz, den ich nicht gesehen habe und vermeide, hat
meinen Bekannten erzählt, daß er ganz bestimmt wisse, daß Rußland
Allianzvorschläge hierher habe gelangen lassen, sagt auch, daß Herr
Grevy deshalb hierher gekommen sei, und behauptet, genau von den
Vorgängen im Ministerrate unterrichtet zu sein.
Danach sollen General Boulanger, Lockroy**, Granet*** und noch
ein radikaler Minister sich sehr bestimmt für die Allianz ausgesprochen
haben, und habe General Boulanger seine Rede damit geendet, daß
er ausgerufen habe: „Vous pouvez compter sur l'armee, il ne lui
manque pas un bouton!" Herr von Freycinet hätte ihm darauf sehr
kalt geantwortet, diese Redensarten erinnerten ihn an die bekannten
Worte des General Leboeuf, und er werde sich auf eine politique
d'aventures nicht einlassen.
Solchen Sensationsnachrichten des Herrn Biowitz, der jetzt wieder
sehr auch gegen uns hetzt, lege ich gewöhnlich kaum Wert bei. Der
italienische Geschäftsträger, der hier ganz außerordentlich gut unter-
richtet ist, Herr Reßmann, glaubt aber auch bestimmt ^ zu wissen, daß
Rußland hier Anerbietungen gemacht habe. Da es von so verschiedenen
Seiten kommt, bin ich geneigt zu glauben, daß diese Gerüchte einen
Grund haben müssen.
Über Herrn von Mohrenheims Herkommen ist neuerdings nichts
bekannt geworden, er wird aber wahrscheinlich im Laufe dieses Monats
herkommen. Münster
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ Tendentiös
- er wird sie von Biowitz haben
3 II
* ?? doch wohl!
= von Biowitz?
Schlußbemerkung des Fürsten von Bismarck:
Vermuthlich alles Biowitz f.
* Bekanntlich der Korrespondent der „Times" in Paris.
** Minister des Handels und der Industrie im Kabinett Freycinet.
*** Minister der Posten und Telegraphen.
t Später ist Bismarck der Ansicht gewesen, daß die Allianzfühler auf den
russischen Generalstabschef und dessen Frau, eine gebürtige Französin, zurück-
gingen. Siehe den in Bd. V, Kap. XXXI, Nr. 1007, abgedruckten Erlaß an den
Botschafter von Radowitz vom 17. Februar 1887, wo es heißt: „Die Versuche,
welche im vorigen Jahre nach dem Zeugnis Freycinets bei diesem, als er
Minister war, gemacht worden sind, um antideutsche Verabredungen einzuleiten,
sehe ich nicht als amtliche an, sondern vennute, daß sie in Sondierungen be-
stehen, die der General Obrutschew und seine französische Frau offiziös, aber
ohne höheren Auftrag in Paris angestellt haben." Vgl. auch S. 19, 120.
94
Nr. 1201
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Abschrift
Vertraulich Paris, den 7. Oktober 1886
pp. Daß Ende August hier von Rußland Annäherungsversuche
stattfanden und Allianzvorschläge auf unoffizielle Weise hierherge-
langten, bezweifle ich, nach allem, was ich von verschiedensten Seiten
höre, nicht mehr. Auf offiziellem Wege geschah es nicht. Wenn auch
dieses Mal die Anerbietungen sehr kühl und abschläglich erwidert wur-
den, so werden die Bemühungen von jener Seite doch fortgesetzt, pp.
(gez.) Münster
Nr. 1202
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck für den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Reinschrift
BerHn, den 26. Oktober 1886
pp. Als ich Herrn Herbette auf seine weitere Frage, wann Euere
Durchlaucht nach BerHn zurückkämen, eine bestimmte Antwort nicht
geben zu können erklärte, sagte er, dann wolle er mich bitten. Euerer
Durchlaucht folgende Mitteilung zu unterbreiten. Seine Worte lauteten
etwa:
„Daß wir wichtige Interessen in Ägypten haben, verstehen Sie
also; dann werden Sie auch begreifen, daß wir genötigt sind, dieselben
wahrzunehmen 1; dies kann nur geschehen mit einer Spitze gegen Eng-
land, und da führt uns die nächste Erwägung dazu, daß wir, um
etwas zu erreichen, uns nicht an Englands Freunde, sondern an eine
solche Macht wenden müssen, welche mit England nicht auf gutem
Fuße steht. Ich habe Ihnen schon neulich erklärt, daß alle Gerüchte und
Angaben über Verhandlungen mit Rußland, die wir in Konstantinopel,
Petersburg oder Paris bereits geführt hätten oder noch führten, voll-
ständig falsch sind. Ich habe mir zum Gesetz gemacht, mit Ihnen
cartes sur table zu spielen und wiederhole Ihnen deshalb auf mein
Wort, daß bisher zwischen uns und Rußland absolut nichts vorgefallen
ist 2. Das Wort Ägypten ist von unserer Seite Rußland gegenüber noch
gar nicht ausgesprochen 3, Wir hätten aber allerdings den Wunsch,
uns aus den oben angegebenen Gründen mit Rußland über Ägypten
zu verständigen*, wollen dies jedoch nicht tun, ohne den Herrn Reichs-
kanzler hiervon zu benachrichtigen und ihn um seine Meinung zu
fragen, denn wir wünschen vor allem zu vermeiden, daß man in Berlin
95
des apprehensions ou des preoccupations^ über unsere Besprechungen
mit Rußland haben könnte, welche sich nur auf Ägypten erstrecken
würden. Sobald wir sicher sind, daß die deutsche Politik nicht gegen
uns mißtrauisch wird 6, wenn wir mit Rußland ein Einvernehmen her-
zustellen suchen, um England aus Ägypten zu verdrängen'^, so werden
wir unsere pourparlers mit Petersburg beginnen*.*' pp.
H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Gewiß
2 glaube ich auch
3 ?
4 gut
5 wir haben sie nicht
6 nein
7 gut
Nr. 1203
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Abschrift
Ganz vertraulich Paris, den 5. November 1886
pp. Herr von Freycinet begann das Gespräch damit, daß er mich
fragte, ob ich annehme, daß die vielen Gerüchte, die über den Geistes-
und Gemütszustand des Kaisers Alexander in der Presse und selbst
in der russischen Kolonie verbreitet würden, wirkUch begründet seien.
Ich erwiderte, daß ich solche Gerüchte von vielen Seiten allerdings
gehört, denselben aber keinen Glauben beimesse. Der Minister er-
widerte darauf: „Etwas muß doch daran sein, und da der Kaiser jetzt die
Auswärtigen Angelegenheiten seines Reiches anscheinend ganz allein
und mit Umgehung seines Auswärtigen Amts führt, wäre die Gefahr
doch entsetzlich, wenn der Kaiser nicht Herr seiner selbst wäre. Auf mich
machten'', fuhr der Minister fort, „die Verhandlungen, die mit mir im
direkten Auftrage des Kaisers geführt wurden, einen ganz eigentüm-
Hchen Eindruck, das sage ich Ihnen ganz im engsten Vertrauen. Bei
der Abberufung des früheren Botschafters, des General Appert**, und
* Vgl. Kap. XL, Nr. 1233.
** Die Abberufung des französischen Botschafters in Petersburg, General Appert,
war im Februar 1886, angeblich wegen ungeschickter Behandlung der Weltaus-
stellungsfrage, tatsächlich wegen seiner Bemühungen, die Freilassung des in Frank-
reich verhafteten Nihilisten Fürsten Krapotkin zu hintertreiben (Bericht des Bot-
schafters in Petersburg von Schweinitz vom 21. Februar), erfolgt. Kaiser Alexander
war durch die Abberufung des ihm sehr sympathischen Botschafters heftig erzürnt
worden, so daß er seinen eigenen Botschafter in Paris, Baron von Mohrenheim,
auf Urlaub gehen ließ und auf die Ankündigung der Ernennung des Generals
Billot an Stelle von Appert erklärte: „Weder diesen noch einen andern".
96
nachher bei der Verbannung der Prinzen*, sprach der Kaiser in der
heftigsten, beleidigendsten Weise über die RepubUk und über mich
und erklärte, daß er weder den General Billot noch irgendeinen an-
dern Botschafter empfangen werde und den Verkehr durch Bot-
schafter mit der Republik überhaupt nicht wolle. Der Kaiser mußte
annehmen, und schien es auch seine Absicht zu sein, daß diese Äuße-
rungen zu unserer Kenntnis gelangen würden.
Groß war daher mein Erstaunen, als anfangs September plötzlich
von einem Vertrauten des Kaisers eine ganz andere Sprache geführt
und mir Vorschläge gemacht wurden, die ich Ihnen gegenüber nicht
näher angeben will, die Sie wohl erraten werden und die sehr weit
gingen. Präsident Grevy, ich und die Majorität meiner Kollegen wollen
keine politique d^aventures, und so haben wir in höflicher und verbind-
licher Weise, aber durchaus ablehnend, geantwortet**." Darauf habe
er nichts weiter gehört, sei auch überzeugt, daß Herr von Giers nichts
davon gewußt habe. Vor etwa 12 Tagen sei darauf wieder im Auf-
trage des Kaisers (ich glaube durch ein Mitglied der kaiserlichen
Familie) Herrn von Freycinet gesagt worden, der Kaiser habe be-
schlossen, die Beziehungen mit Frankreich durch Botschafter wieder-
herzustellen. Herr von Mohrenheim habe Befehl erhalten, spätestens
bis Ende November wieder auf seinem Posten in Paris zu sein, und
Seine Majestät wünsche, daß Herr von Freycinet einen Botschafter,
womöglich aus der diplomatischen Karriere vorschlagen möge! Herr
von Freycinet sagte mir, er habe sich eigentUch noch gar nicht für
eine Persönlichkeit ganz entschieden gehabt und zwischen mehreren
Botschaftern geschwankt, habe aber, als er sehr gedrängt wurde, ge-
fragt, ob etwa Herr von Laboulaye*** genehm sein würde. Mit merk-
würdiger Schnelligkeit sei sofort die Antwort gekommen und Herr
von Laboulaye angenommen worden, ehe er eigentlich wirklich vorge-
schlagen wurde. Er mußte infolgedessen ernannt werden. Ich habe mich
eigentlich, trotzdem daß Herr von Freycinet mir sehr viel Vertrauen
zeigt und stets gern lange und ich glaube ziemlich offen mit mir spricht,
gewundert, daß er mir diese Mitteilung machte. Es zeigt das, daß er
entweder ernsthch an eine geistige Störung des Kaisers Alexander
glaubt oder in diesem allerdings rätselhaften Benehmen eine Falle
fürchtet.
Was will aber der Ruski uns gegenüber damit bezwecken? Glaubt
er etwa dadurch unsere Allianz zu befestigen?? Es ist jedenfalls gut,
daß wir das alles wissen, und mich freut es, daß meine früheren
* Auf Grund eines von der französischen Deputiertenkammer im Juni 1886 ge-
faßten Beschlusses waren die Häupter aller Familien, welche in Frankreich regiert
hatten, und ihre unmittelbaren Erben aus Frankreich verbannt worden.
♦* Vgl. Nr. 1200, 1201.
*** Bis dahin Botschafter in Madrid.
7 Die Große Politik. 6. Bd. 97
Nachrichten richtig waren, und mir Freycinet jetzt selbst das russische
Anerbieten der AHianz im September bestätigte.
Sie werden aus einem längeren Situationsberichte ersehen, wie
ich die Sachen hier ansehe, daß man hier wirklich Frieden will und
bei der jetzigen Lage der Republik und der Parteien auf keine ge-
fährlichen Unternehmungen sich einlassen wird, ist meine Überzeugung.
Auf eine russische Allianz geht man gewiß hier nicht leicht ein,
und insofern ist die Situation günstiger als sie bisher war.
(gez.) Münster
Nr. 1204
Der Vortragende Rat im Auswärtigen Amt Graf zu Rantzau,
2. Z. in Varzin, an das Auswärtige Amt
Telegramm. Entzifferung
Nr. 41 Varzin, den 9. November 1886
Reichskanzler hat soeben Nachstehendes nach St. Petersburg tele-
graphiert*: „Aus Paris geht mir glaubwürdige Meldung zu**, daß
dort im Anfang September unerwartet durch einen Vertrauten des
Kaisers Alexander Herrn von Freycinet „weitgehende Vorschläge" ge-
macht worden seien, und vor etwa 14 Tagen wiederum im Auftrage des
Kaisers Alexander ohne Mitwirkung des Herrn von Oiers unter Be-
tonung des russischen Wunsches nach sofortiger Wiederbesetzung des
französischen Botschafterpostens in St. Petersburg und Mitteilung, daß
Baron von Mohrenheim Ende November wieder auf seinem Posten
eintreffen würde; die jüngste Eröffnung durch ein Mitglied der kaiser-
üchen Familie.
Sind Euerer Exzellenz keine Symptome dieser geheimen und di-
rekten Verhandlungen erkennbar geworden?" Rantzau
Nr. 1205
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Telegramm. Entzifferung
Nr. 1 St. Petersburg, den 9. November 1886
Antwort auf Telegramm Nr. 1 ***. Mir ist nicht erkennbar geworden,
daß Kaiser Alexander in geheimer, seiner Natur widersprechender
* Mittels Telegramm Nr. 1 vom 9. November
** Vgl. Nr. 1203.
*** Vgl. Nr. 1204.
98
Weise in direkte Beziehungen zu Staatsmännern getreten sei, welche
er wenige Monate zuvor als „ignoble gouvernement et canailles" öffent-
lich bezeichnete. Die Wiederherstellung der Vertretung durch Bot-
schafter war von Anfang an im Wunsche der beiderseitigen Minister
der Auswärtigen Angelegenheiten und erfolgte, sobald es gelang, die
Zustimmung Seiner Majestät zu erhalten, wozu die Großfürsten Wladimir
und Alexis viel beitrugen. Zu den hierzu nötigen Verhandlungen ge-
nügten die Geschäftsträger Kotzebue* und d'Ormesson**, und es bc;
durfte keiner außeramtlichen Vertrauensmänner,
Wenn, woran ich nicht zweifele, Tripotagen stattfanden und noch
im Gange sind, so glaube ich doch nicht, daß Seine Majestät darum
wisse. Vielleicht haben Katkowsche Agenten den kaiserlichen Namen
mißbraucht. Bericht folgt. Schweinitz
Nr. 1206
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 428 . St. Petersburg, den 9. November 1886
Geheim
pp. Während ich, selbst in den schhmmsten Tagen des Sommers
1879 die Überzeugung aussprechen durfte, es sei psychologisch unmög-
lich, daß Kaiser Alexander II., der nur mit Tränen im Auge von den
Erinnerungen seiner Kinderzeit, von seiner Mutter und von Potsdam
sprach, freiwillig zum Kriege gegen uns schreiten könne, so bin ich
jetzt keineswegs imstande, in der Naturanlage des jetzigen Kaisers
ähnliche Garantien zu suchen. Von pietätsvollei Erinnerung an die
Großeltern und an die gemeinsamen Heldentaten der \X'atfenbrüder
von 1813/14 ist bei Alexander III. keine Spur zu^finden. Die Andenken
an Berlin und Potsdam, mit welchen die Gerfiäch'ir .seines Vaters und
seines Großvaters angefüllt sind, haben für ihn nicht das geringste Inter-
esse; es hat ihn vielmehr in seiner frühen j:jg;end- oft gelan:g\v^e\l.' und
geärgert, wenn sein erhabener Vater so gern und so viel von diesen
Dingen sprach. Für unseren allergnädigsten Kaiser und Herrn hegt
Seine Majestät hohe Verehrung, für Seine Kaiserliche und Königliche
Hoheit den Kronprinzen aufrichtige Achtung, für Seine Königliche Ho-
heit den Prinzen Wilhelm Freundschaft und für Euere Durchlaucht Be-
wunderung und Furcht. Im übrigen aber bieten uns höchstseine
Gefühle nicht die geringste Garantie, und von Ihrer Majestät der
Kaiserin ist in dieser Richtung kein günstiger Einfluß zu erwarten;
* M. V. Kotzebue, Russischer Botschaftsrat und Geschäftsträger in Paris.
** Comte d'Ormesson, französischer Geschäftsträger in Petersburg.
7' gg
diese hohe Frau hat die Eindrücke, welche sie im Jahre 1864 empfing,
nicht verwunden. Nur wenn ein neues dynastisches Band die beiden
Herrscherhäuser verknüpfte, könnte man auf dem Gebiete der Gefühis-
poiitik von der Zukunft etwas erwarten.
Wenn ich es trotzdem auf mich nehme, mit einiger Bestimmtheit
meine Zweifei auszusprechen, daß Kaiser Alexander III. imstande sei, in
direkte, heimhche Beziehungen zu unseren westlichen Nachbarn zu
treten!, §0 finde ich meine Gründe auf einem ganz anderen Terrain,
nämlich auf dem der Interessen, der Wünsche und der instinktiven Dis-
position. Diese letztere macht den Monarchen abgeneigt, sich mit der
Republik einzulassen. Seine Majestät der Kaiser hat für Nuancen wenig
Verständnis und begreift nicht, wie schwer er das Prinzip, auf wel-
chem seine Macht beruht, durch eine Politik schädigt, welche süd-
slawische anarchistische Bewegungen fördert; daß aber Frankreich eine
Republik ist, erscheint Seiner Majestät als unsympathisch und gefähr-
lich, besonders solange sie den Krapotkins und Genossen freie Be-
wegung gestattet.
Das Interesse, welches gute Beziehungen zu uns für ihn haben,
hegt so klar vor Augen, daß er sich ihm gar nicht verschließen kann,
wenn er es auch nicht annähernd im ganzen Umfange begreift. Der
Kaiser fühlt, daß, wenn auch nicht seine Sicherheit, so doch seine Be-
quemlichkeit durch ein Zerwürfnis mit uns gefährdet sein würde; ein
starkes, wahrhaft monarchisches Deutschland neben sich zu haben,
ist Seiner Majestät angenehm, und partikularistische Tendenzen im
deutschen Reiche werden bei Alexander III. keine Ermutigung finden.
Nachdem er, hauptsächUch infolge einer denkwürdigen Unterredung,
welche er noch als Thronfolger mit unserem Kronprinzen im Anitsch-
kowpalaste 1880 hatte, die vorgefaßte Meinung, daß wir die baltischen
Provinzen begehrten, fallen ließ, sieht er ohne Besorgnis auf
unsere Größe und würde diese sogar ruhig wachsen sehen, wenn hier-
durch eine der stärksten seiner Idiosynkrasien begünstigt würde, näm-
lich seine Abneigung gegen Österreich.
Einstimmend ii? das ceterum censeo Pobedonoszews ist nämlich
Kaiser Alexander HI. überzeugt, daß dieser Staat nicht mehr lange be-
stehen kann;, Seine Majestät läßt sich auch nicht ausreden, daß wir
dessen deutsche Provinzen haben wollen und nehmen müssen 2; er
würde nichts dagegen einzuwenden haben, vorausgesetzt daß Rußland
Galizien bekäme 3.
Alexander III,, dem es nicht an der normalen Begabung einer
kräftigen Natur fehlt, der Schönheitssinn und musikalisches Talent hat
und mehr Belesenheit und Kenntnisse besitzt, als er zeigt, ist nicht reich
an Ideen, aber er hält fest an denen, welche er sich zu eigen gemacht
hat, und gibt sich nicht die Mühe, sie bis in ihre weiteren Konsequenzen
durchzudenken ; frei beieinander leben in seinem Kopfe die Gedanken,
und in Gatschina ist niemand, der Seine Majestät darüber belehren
100
könnte, wie hart im Räume sich die Dinge stoßen. Dies gilt nun auch
von der prädominierenden Idee des Kaisers, nämlich von seinem tief-
gewurzelten Wunsche, die Meerengen zu beherrschen*; er glaubt jetzt,
infolge bekannter Eröffnungen, daß wir ihn in dieser Bestrebung unter-
stützen werden, und daß Deutschland die einzige Macht in Europa ist,
die ihm dabei helfen will und kann 5. In dem Bewußtsein, in diesem
Wunsche mit dem dunklen Drange seines Volkes, mit der traditionellen
Politik und mit den Tendenzen, wie auch mit den Interessen der
nissischen Gesellschaft in Übereinstimmung zu sein, hält Alexander III.
dieses Ziel fest im Auge. Ohne Verständnis für Nuancen, wie ich mir
zu wiederholen erlaube, macht Seine Majestät vielleicht nicht die Unter-
scheidung, welche in der Meerengenfrage so wichtig ist, nämhch ob
er den Schlüssel oder nur einen Riegel will. Maßvolle russische Poli-
tiker würden sich nämlich damit begnügen, den Bosporus für fremde
Kriegsschiffe materiell sperren zu können, ohne freie Ausfahrt*^ durch
die Dardanellen für die eigene Kriegsflotte zu fordern und zu sichern.
Für ersteres würde vielleicht Frankreichs Zustimmung zu erreichen
sein, für letzteres aber nicht, wenigstens solange nicht, als diese Mittel-
meermacht'^ nicht die ganze Staatsraison der Revanche unterordnet.
Ich darf also wohl die Meinung aussprechen, daß der Kaiser Ale-
xander sich nicht eng an das republikanische Frankreich anschließen
wird, solange er die Aussicht hat, mit unserer Zustimmung an die
Meerengen vordringen zu können; ich wage aber die ehrerbietige An-
sicht Euerer Durchlaucht zu unterbreiten, daß es sich empfehlen dürfte,
dem Kaiser unsere Konnivenz als eine nicht ganz leicht erreichbare,
sondern als eine nur durch korrekte Politik im Auslande und an die
Grenze zu verdienende erscheinen zu lassen. II faut lui tenir la dragee
haute, sonst denkt Seine Majestät, es sei eine Lockspeise; schon jetzt
wird ihm dies von verschiedenen Seiten, unter anderen auch von der
„Moskauer Zeitung" angedeutet, pp. v. Schweinitz
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms I.:
- Ich habe dem Kaiser Nicolas u[nd] Alexander 11 gesagt: Lasset doch den
deutschen Provinzen ihre Privilegien, Religion u[ndl Sprache, damit sie sich
nicht nach Deutschland umsehen. Vergeblich! W.
3 II
* Das ist eigentlich seit einem Jahrhundert die Idee ganz Rußlands. Seit dem
Berliner Frieden, wo das uncivilisirte Land der Balkan Halb Insel zu selb-
ständigen Staaten geworden sind, ist dieser russische Traum sehr schwierig zu
realisiren geworden, daher auch die sehr ernste Verstimmung selbst beim
Kaiser Nicolas, da seine Siegreiche Armee vor u[nd] sogar auch in Constanti-
nopel stand! W.
5 pp
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Dann müßte Freycinet doch sehr dreist lügen!
^ ?? der Kaiser schwerlich!
" desto besser; es war das Napoleons Vorwand zum Krimkriege, mir gegenüber
ex post 1857. Er behauptete Rußland würde ihm im Mittelmeer zu stark ge-
worden sein, wenn usw.
101
Nr. 1207
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
Graf Herbert von Bismarck an den Botschafter in Petersburg
von Schweinitz
Konzept
Nr. 840 Berlin, den 16. November 1886
Geheim
pp. In der Meerengenfrage will der Kaiser Alexander natürlich
nicht nur einen Riegel, sondern den Schlüssel haben; und ich halte es
nicht für praktisch, ihm zu verhehlen, daß wir vollkommen bereit sind,
seine Besitzergreifung dieses Schlüssels zuzulassen*: Wenn wir dem
Kaiser den Korb hoch hängen und ihn über unsere Stellung in der
Meerengenfrage im Zweifel lassen, so möchte er mißtrauisch werden,
da er ganz gut weiß, daß die deutschen Interessen hierbei nicht auf
dem Spiele stehen. Daß wir nicht alles, was uns von Rußland zu-
gemutet wird, zu akzeptieren bereit sind, wird der Kaiser Alexander
aus den Kampfzöllen ersehen, zu denen wir bei der geringen Aussicht
auf eine zollpolitische Verständigung vermutlich doch zu schreiten ge-
nötigt sein werden. Die russische Ausfuhr nach Deutschland ist sehr
viel stärker als die unserige dorthin. Letztere nimmt nur etwa 3000
Waggons jährlich in Anspruch, während die russische Ausfuhr nach
Deutschland zwischen 30000 und 50000 Waggons alljährlich belastet.
Je mehr wir voraussehen müssen, daß wir auf handelspolitischem Ge-
biete zu Kampfzöllen kommen, um so mehr ist es notwendig, daß wir
kein Geheimnis daraus machen, was wir auf politischem Gebiet an sehr
viel Wichtigerem konzedieren können: Wir würden nicht gut tun,
letzteres zu verschweigen, und ich habe sogar dem englischen Bot-
schafter schon gesagt, nicht nur Bulgarien, sondern auch Konstanti-
nopel wäre uns vollkommen gleichgültig.
In Anknüpfung des Vorstehenden beauftragte Fürst Bismarck mich
noch Ew. zu sagen, er teile ganz Ihre Ansicht, daß Frankreichs Zu-
stimmung für die Aushändigung der Dardanellen an Rußland nicht
so leicht zu erlangen sein würde; auch er hielte es bisher noch nicht
für wahrscheinlich, daß Frankreich, welches seine Mittelmeerinteressen
neuerdings so scharf betone**, die ganze Staatsraison der Revanche-
idee unterordnen werde. Die Gefahr, welche vor dem Krimkriege be-
stand, daß der Kaiser Nikolaus bis an das Ägäische Meer vordringen
konnte, hätte dem Kaiser Napoleon den Vorwand zur Beteiligung an
jenem Kriege gegeben: dieser Monarch hätte das Seiner Durchlaucht
Vgl. dazu Bd. V, Kap. XXX!, Nr. 992, S. 79.
" Vgl. Kap. XL, Nr. 1233.
102
selbst im Jahre 1857 ex post angegeben. Der Kaiser Napoleon be-
hauptete damals, Rußland würde ihm im Mittelmeer zu stark werden,
wenn es erst über die griechischen Matrosen für seine Flotte disponieren
könnte. Er hat damals, als Fürst Bismarck sich auf einer vertraulichen
Mission wegen der Neuchäteler-Frage in Paris befand*, demselben ge-
sagt, er würde binnen kurzem einen Krieg gegen Österreich führen
müssen, um dieses aus Italien hinausdrängen und aus letzterer Macht
eine französische Dependance zu machen. Er hat dabei geäußert:
„Je ne dis pas que je veux faire de la Mediterranee un lac frangais,
mais pourtant ä peu pres la meme chose." Diese vom Kaiser Napoleon
erstrebte Suprematie im Mittelmeere würde ihm nach seiner Ansicht
unmöghch oder wenigstens nachdrückUch streitig gemacht worden sein,
wenn Rußland bis zu demselben Meere vorgedrungen wäre.
Es ist allerdings zweifelhaft, ob die heutigen französischen Staats-
männer sich noch von den gleichen Ideen leiten lassen, welche den
letzten Kaiser der Franzosen beseelten. Immerhin ist aber denkbar, daß
die französische Politik eine antirussische Tendenz anzunehmen ge-
zwungen sein wird, wenn sie erst in Rußland einen Mitbewerber um die
Herrschaft im Mittelmeer erbUckt, und in unserem Interesse liegt es
deshalb, die hierauf gerichteten russischen Bestrebungen zu fördern.
H. Bismarck
Nr. 1208
Der Botschalter in Paris Graf Münster an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Abschrift
Ganz vertraulich Paris, den 20. Dezember 1886
pp. !Was von englischer und italienischer Seite über Eröffnungen
der Russen im November gemeldet wurde, ist insofern irrtümlich, als
das sich auf die Anknüpfung der diplomatischen Beziehungen bezog,
die ersten Alhanzanerbietungen wurden Ende August oder anfangs
September gemacht, und als die abgelehnt waren, kam man im Novem-
ber von russischer Seite auf die Botschafterfrage zurück. Gleichzeitig
(anfangs oder ausgangs September) ist Italien sondiert** und die Frage
* Anfang April 1857 hatte sich der damalige preußische Bundestagsgesandte von
Bismarck zu Besprechungen über die Neuenburger (Neuchäteler) Frage nach Paris
begeben, wo er mehrfach, u. a. am 12. April, Audienzen bei Kaiser Napoleon III.
hatte. Vgl. v. Poschinger, Preußen im Bundestag 1851—1859 Bd. III, S. 94 ff.,
IV, 257 ff.
** Vgl. Bd. IV, Kap. XXIV, Nr. 825.
103
Triest und Trient von russischer Seite bei Italien berührt und sind An-
erbietungen gemacht. Mir ist dies von jemandem, der es weiß, unter dem
Siegel der Verschwiegenheit bestimmt versichert worden*, pp.
(gez.) Münster
Nr. 1209
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 490 St. Petersburg, den 23. Dezember 1886
Herr von Giers sagte mir heute aus eigener Initiative:
„Über die Ernennung des Herrn Laboulaye sind von französischer
Seite, sei es in böser Absicht, sei es aus naiver Unkenntnis der im
diplomatischen Verkehr üblichen Formen solche Fabeln verbreitet wor-
den, daß ich die Tatsachen noch einmal richtig stellen möchte. Daß
Kaiser Alexander III. dans son for interieur für die französischen Repu-
blikaner nur Verachtung und Ekel (mepris et degout) empfindet, weiß
alle Welt. Diese Gefühle des Kaisers für die Franzosen traten nach
außen hervor, als gegen den Wunsch Seiner Majestät der General
Appert abberufen wurde**, welcher ihm als Feind der radikalen Bande
sympathisch war. Mohrenheim mußte auf Befehl des Kaisers Paris
verlassen. Darüber gerieten die Franzosen in Verzweiflung. Sie ver-
folgten uns mit Bitten und Flehen, wir möchten doch die regulären
diplomatischen Beziehungen wieder herstellen. Ils etaient litteralement
ä genoux devant nous. Ich sagte an Ternaux-Compans und Ormesson
und ich schrieb an Kotzebue, daß die Franzosen sich gedulden sollten.
Endlich, im Oktober, schien mir der Augenblick gekommen, wieder
Mohrenheim nach Paris zu schicken und hier einen französischen Bot-
schafter zu admittieren. Jeder Minister des Äußern würde den Wunsch
gehabt haben, in formaler Hinsicht zu allen Großmächten normale Be-
ziehungen zu unterhalten, auch zu Frankreich, wie erbärmlich auch die
gegenwärtigen französischen Machthaber sind. Der Kaiser teilte meine
Auffassung, legte aber gar kein besonderes Gewicht darauf, weder Mohren-
heim in Paris zu sehen, noch hier einen französischen Botschafter. Als die
Franzosen erfuhren, daß sie Mohrenheim zurückerhalten sollten und wieder
einen Botschafter hierhersenden dürften, waren sie außer sich vor Freude
(ils etaient fous de joie). Herr von Freycinet bat, wir möchten keinen
General verlangen, weil dies General Billot verletzen würde, den der
♦ Ein weiterer Teil des Briefes wird abgedruckt in Kap. XL, Nr. 1237.
** Vgl. Nr. 1203, S. 96, Fußnote.
104
Kaiser bekanntlich dreimal refüsiert hatte: „Tant mieux", meinte dazu
der Kaiser, „si le nouvel ambassadeur fran^ais n'est pas un militaire,
je le verrai d'autant moins". Nun proponierten uns die Franzosen
Laboulaye oder Lefebvre de Behaine*. Ich wählte den ersteren, weil
ich ihn kannte, während ich von dem letzteren nie etwas gehört hatte.
Wenn die französischen Zeitungen behaupten, wir hätten um Laboulaye
gebeten, so ist das lächerHch. Wir brauchen die Franzosen überhaupt
um nichts zu bitten; ils sont ä plat ventre devant nousl II y a des
Russes qui pensent que nous devrions profiter de cette disposition
des Frangais pour nous faire tirer par eux les marrons du feu; mais
je crois moi, et TEmpereur croit, que toute intimite reelle avec la
France ne ferait que nous compromettre, tant au point de vue de
notre politique interieure que relativement ä notre avenir en Orient."
B. von Bülow
Nr. 1210
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck**
Ausfertigung
Nr. 497 St. Petersburg, den 24. Dezember 1886
Geheim
pp. Den stärksten Eindruck machte Herrn von Giers der Satz des
Erlasses***, wo daran erinnert wird, wie Herr von Freycinet dem
Kaiserlichen Botschafter in Paris eröffnete, daß ihm von russischer Seite
Anerbietungen gemacht worden wären im Sinne einer russisch-französi-
schen Kooperation gegen Deutschland. Der Minister fühlte sich ver-
anlaßt in fließenderer und nachdrücklicherer Sprachweise als dieselbe
ihm sonst eigen ist, mir über diesen Punkt zu erklären: „Ich freue
mich, darüber mit Ihnen sprechen zu können. Ich fiel aus den Wolken,
als mir neulich General von Schweinitz die Berichte des Grafen Münster
über die französischen Insinuationen gegen meinen Kaiserf vorlegte.
Ich habe über diese Sache gestern mit Seiner Majestät geredet. Der
Kaiser hat mir geantwortet, er begreife nicht, wie die Franzosen so
etwas über ihn verbreiten könnten. Ich will mir den Kopf abschneiden
lassen, wenn der Kaiser jemals den Franzosen Avancen gemacht hat
(Je me fais couper la tete, si l'Empereur a jamais fait des avances aux
* Französischer Botschafter beim Päpstlichen Stuhle.
** Teilweise bereits abgedruckt Bd. V, Nr. 1003.
*** Vgl. Bd.V, Nr. 1001.
t Vgl. Nr. 1204, 1208.
105
Francais). Ich kann so sprechen, weil ich den Charakter meines Sou-
veräns kenne, der weder fähig ist mich zu täuschen, noch sich mit den
Franzosen einzulassen. Beides stände in völHgem Widerspruch zu der
Natur des Kaisers. Es ist das einfach undenkbar; ich erkläre Ihnen
dies feierlich. Ich will nicht behaupten, daß nicht in Paris intrigiert
worden ist. 11 a du y avoir une trame quelconque, je ne le nie pas.
Aber diese Intrigen sind nicht von Seiner Majestät autorisiert worden,
noch von einem Großfürsten ausgegangen. Ich habe wohl einen Augen-
blick an den Großfürsten Alexei gedacht, bin jedoch von diesem Arg-
wohn wieder abgekommen. Der Großfürst hat erst neulich zu Staal
geäußert: „Paris, c'est fort drole et amüsant, mais Dieu nous garde
d'une alliance avec la France. II n'y a pas de fonds ä faire sur les
Frangais, et puis ce serait l'envahissement de la revolution. 11 faut
rester avec TAllemagne.** Dem Prinzen Eugen Beauharnais* traue ich
nicht den Mut zu, im Widerspruch zu den ihm bekannten Prinzipien
und Ansichten des Kaisers PoHtik zu treiben." Ich sagte dem Minister,
daß die Weisheit und Charakterfestigkeit Seiner Majestät des Kaisers
Alexander nirgends mehr anerkannt würden wie bei uns, wo auch das
Vertrauen in den russischen Minister des Äußeren ein festbegründetes
sei. Es bleibe aber doch die Tatsache bestehen, daß der französische
Minister des Äußern unserem Botschafter amtUch erklärt habe, es habe
sich Rußland um die französische Allianz gegen Deutschland beworben,
sei hiermit jedoch abgefallen, Meldungen aus verschiedenen europä-
ischen Hauptstädten deuteten darauf hin, daß die Pariser Regierungs-
leute auch anderen Vertretern dieselbe Confidence gemacht hätten.
Sichtlich geärgert rief Herr von Giers: „Diese verfluchten Franzosen
(ces sacres Francais) sind eine Bande von Schwindlern, sie haben keine
Ahnung von Geschäften, sie halten jeden durchreisenden Russen für
einen Vertrauensmann des Kaisers, auf jede Phrase bauen sie einen
Berg von Hoffnungen und Träumen. Freycinet scheint zu glauben,
daß ich nur noch dem Namen nach Minister sei, in Wirklichkeit jedoch
die auswärtige Politik hinter meinem Rücken und ohne mein Wissen
gemacht werde. Aus vertraulichen Äußerungen des Grafen Greppi**
und der Berichterstattung des Baron Uexküll entnehme ich, daß man
dies infolge französischer Schwätzereien auch in Rom annimmt. So
liegen die Dinge nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich noch im Amte
bleiben werde. Aber solange ich Minister bin, weiß ich, was der Kaiser
will. Die Franzosen kennen nicht die russischen Verhältnisse. Sie
haben übrigens schon einmal versucht, Deutschland gegen uns miß-
trauisch zu machen, damals als Waddington behauptete, Obrutschew
wäre nach Frankreich geschickt worden, um dieses für eine Allianz mit
* Prinz Eugen Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, durch seine Mutter, Groß-
fürstin Maria Nicolajewna, nahe mit dem russischen Kaiserhause verwandt.
** Italienischer Botschafter in Petersburg.
106
Rußland gegen Deutschland zu gewinnen. Jetzt haben wir kaum regu-
läre diplomatische Beziehungen zu den Franzosen auf deren dringenden
Wunsch wieder hergestellt, so spielen sie uns einen solchen Streich. Mit
diesen Leuten kann man keine vernünftige Politik machen („II n'y a
pas de poHtique raisonnable ä faire avec ces gens-lä")-
Ich benutzte die Gelegenheit, um Herrn von Giers aus meinen
Pariser Erlebnissen* zu erzählen, daß Gambetta und GaHffet** sich
wiederholt und gegenüber vielen fremden Diplomaten gerühmt hätten,
die ihnen von dem verstorbenen General Skobelew angebotene russische
Allianz zurückgewiesen zu haben. Als im Jahre 1882 Skobelew in Paris
gewesen wäre, habe er im Cafe Anglais mit Gambetta und Galiftet ä
trois diniert. Bald nachher wären die beiden Franzosen zum Fürsten
Hohenlohe gekommen. Beide hätten ihm anvertraut, daß Skobelew
sich umsonst bemüht hätte, sie für eine russisch-französische Allianz
zu gewinnen; nur habe Gambetta behauptet, er sei es gewesen, „qui
avait empeche ce hussard de Galiffet de donner dans le panneau", wäh-
rend Galiffet versicherte, „que gräce ä lui cette outre pleine de vent,
nommee Gambetta, ne s'etait pas laisse berner par les Russes". Dabei
wäre Skobelew der Überzeugung gewesen, daß er sowohl Galiffet als
Gambetta in der Tasche habe und ganz Frankreich dazu. Herr von Giers
hörte mit Interesse zu und meinte: „C'est tres instructif, et je crois
que cela se sera passe comme cela." Der Minister sprach hierauf die
Absicht aus, weitere Nachforschungen darüber anzustellen, welcher
Russe jetzt den Anlaß geboten haben könne zu den „Verleumdungen"
des Herrn von Freycinet gegen Kaiser Alexander. Wenn der Schuldige
entdeckt werde, so solle er streng bestraft werden. Es fiel mir auf,
daß Herr von Giers hierbei mehrfach die Namen Saburow und Obru-
tschew nannte, ohne grade dieselben als die Schuldigen hinzustellen,
aber , offenbar mit einigen inneren Zweifeln. Dem hiesigen französi-
schen Botschafter spendete Herr von Giers Worte der Anerkennung.
Der Minister bezeichnete Herrn Laboulaye wiederholt als einen
„homme sage et modere, qui desire la paix". Der Minister beteuerte
mir, daß Baron Mohrenheim den Franzosen eine friedliche Haltung
gegenüber Deutschland anempfehle; in demselben Sinne spreche er
selbst mit dem hier akkreditierten französischen Vertreter. „Je ne
cesse de leur dire de se tenir tranquille vis-ä-vis de l'AlIemagne, et de
ne pas faire de betises. Si ils ne m'ecoutent pas, ce n'est vraiment pas
ma faute. Je voudrais que Vous fussiez present, derriere ce rideau,
pendant mes entretiens avec Laboulaye, Vous seriez content de moi."
Herr von Giers deutete hierbei an, daß er gerne Herrn Laboulaye fragen
möchte, ob dieser wisse, wer in Paris die fraglichen Eröffnungen ge-
* Zu Anfang der achtziger Jahre hatte Bülow als zweiter Sekretär der Deutschen
Botschaft in Paris gelebt.
** Bekannter französischer General.
107
macht habe; er würde hierbei die Berichte des Grafen Münster jedoch
natürlich nicht erwähnen, sondern tun, als ob ihm die Nachricht über
diese Intrigen aus nicht-deutscher Quelle zugegangen wäre; auch in
dieser Form würde er übrigens nur dann mit Herrn Laboulaye reden,
wenn wir nichts i dagegen hätten, pp. B. vonBülow
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 Nichts
Nr. 1211
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 1 St. Petersburg, den I.Januar 1887
pp. Von Herrn Laboulaye ging der russische Minister des Äußern,
ebenfalls proprio motu, auf das Verhältnis zwischen Rußland und Frank-
reich über: ,,Comment peuvent-ils etre assez betes, ces Frangais",
äußerte der Minister, „pour se figurer que l'Empereur Alexandre mar-
cherait avec les Clemenceaus contre son oncle! C'est une alliance qui
ferait horreur ä TEmpereur, qui n'ira pas tirer les marrons du feu
pour la commune". Herr von Giers setzte mir demnächst auseinander,
daß er Frankreich lediglich in der ägyptischen Frage eine gewisse Unter-
stützung versprochen habe; in dieser Frage finde er allerdings den
französischen Standpunkt und die französischen Ansprüclie gerecht-
fertigt; es sei empörend, daß England die Hand auf den Suezkanal
gelegt habe, der mit französischem Geld von französischen Ingenieuren
gegen den Widerspruch Englands angelegt worden sei; für Rußland
würde es allerdings das allerbeste sein, wenn man den Kanal zu-
schüttete; denn das indische und australische Getreide, welches durch
denselben nach Europa gelange, schädige mehr und mehr den russi-
schen Landwirt, pp. B. vonBülow
Nr. 1212
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 89 St. Petersburg, den 9. März 1887
Ganz vertraulich
Herr von Giers kam heute wieder auf die Besprechung zurück,
welche ich mit ihm auf Grundlage des hohen Erlasses Nr. 152 vom
25. V. Mts. am 2. d. Mts. gehabt hatte; er schilderte mir nochmals
108
den Eindruck, welchen die Mitteilung davon beim gestrigen Vortrage
auf Seine Majestät den Kaiser Alexander gemacht hat, und fügte
hinzu: „Si nous etions assez betes pour vouloir conclure une alliance
avec la republique frangaise, je crois que ia France n'en voudrait
pas*'*.
Weiterhin sagte der Herr Minister: „Lorsque Vous m'avez parle
des propositions de rapprochement et meme d'alliance que la Russie
aurait faites ä Paris au mois de septembre dernier**, je Vous ai prie
de me fournir quelques indications sur les organes dont nous nous
serions servis^; mais jusqu'ä present Vous n'avez pas cte ä meme de
nommer quelqu'un, qui aurait servi d'intermediaire^ entre nous et les
hommes d'etat frangais. Le Comte Schouwalow que j'avais Charge de
prendre des informations ä ce sujet, n'en a pas obtenu. S'il y avait,
apres moi, un ministre assez fou, pour offrir une alliance ä la republique
et si l'Empereur voulait y consentir, je crois, je Vous le repete, que
la France la refuserait; eile veut etre bien avec nous et profiter de
l'apparence d'une entente, mais eile ne voudrait pas s'exposer aux
dangers d'une guerre contre Vous; et puis, qu'est ce qu'elle pourrait
nous donner en Orient?"
Ich erw^iderte, dies sei ganz richtig; Frankreich habe eigene, un-
veräußerliche Interessen im Mittelmeer, und was die russisch-fran-
zösische Allianz anbeträfe, so sei sie schon oft versucht, aber noch
nie zu gutem Ende geführt worden, von den Zusammenkünften auf
der Niemenbrücke und in Erfurt an, bis zur Begegnung in Stuttgart
1857; vielleicht wäre es nur Zufall gewesen, daß der Annäherung
Rußlands an Karl X. 1829 und an Louis Phihpp 1847 der Sturz dieser
Könige auf dem Fuße folgte; innere, tiefliegende Gründe widersetzten
sich einer solchen Verbindung, aber schon der Schein, daß sie an-
gestrebt werde, könne viel Unheil anrichten.
V. Schweinitz
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Er hätte doch Freycinet fragen sollen!
2 Obrutschew, Trubetzkoi
* Vgl. Nr. 1200, 1201, 1208.
** Vgl. dazu S. Qoriainow, The End of the Alliance ot the Emperors, The
American Historical Review, Vol. XXIII, Nr. 2, p. 332. Aus Goriainows Mit-
teilungen geht hervor, daß, vk^enn Frankreich im Herbst 1886 den russischen
Allianzfühler zurückgewiesen hatte, es jetzt, im Frühjahr 1887, zur Zeit der
Boulanger-Krise, selbst die Fühler ausstreckte. Das französische Kabinett beab-
sichtigte damals, den früheren Botschafter in Wien Grafen de Vogue als Unter-
händler nach Petersburg zu entsenden, und der Zar antwortete auf die An-
kündigung dieser Mission durch Mohrenheim: „This might be very useful to
US, in certain contingencies, and we ought not to discourage them."
109
Nr. 1213
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 200 St. Petersburg, den 1. Juni 1887
Vertraulich
Die hohen Erlasse Nr. 420 und 422 vom 27. Mai, denen Berichte
des Kaiserlichen Botschafters in Paris vom 24. und 25. v. Mts.* beilagen,
habe ich zu erhalten die Ehre gehabt; letztere betrafen russische Intri-
guen in Paris und das auffällige Verhalten des Herrn von Mohrenheim
während der soeben beendeten Ministerkrisis. Schon vorher war ich
hochgeneigtest in Kenntnis gesetzt worden**, daß der russische Bot-
schafter in Paris offen ausgesprochen hat, der Rücktritt des General
Boulanger würde Seiner Majestät dem Kaiser Alexander unerwünscht
sein. Ich hatte gleich nach Empfang dieser ersten Nachricht durch
gesellschaftliche Verbindungen dafür gesorgt, daß an höchsten Stellen
nicht verborgen bleibe, in welchem Widerspruche das Auftreten Baron
Mohrenheims zu dem entschiedenen auf Verhütung eines deutsch-franzö-
sischen Krieges gerichteten Wunsche seines kaiserlichen Herrn stehe.
Amtlich habe ich erst jetzt, nach Empfang des obenerwähnten hohen
Erlasses Nr. 420, mit Herrn von Giers über diesen Gegenstand ge-
sprochen. Der Herr Minister versicherte zwar auf das Bestimmteste,
daß der russische Botschafter in Paris weder ermächtigt noch etwa gar
beauftragt gewesen sei, Sympathie für den bisherigen französischen
Kriegsminister zu zeigen, er bestritt aber nicht, daß der sehr ge-
sprächige und sich selbst gern reden hörende Baron Mohrenheim
Äußerungen, wie die ihm zugeschriebenen, getan haben könne.
Nach meinem ehrerbietigen Dafürhalten hat der Botschafter nicht
viel riskiert, wenn er sich eigenmächtig zugunsten des General Bou-
* Mit den Erlassen Nr. 420 und 422 vom 27. Mai 1887 waren dem Botschafter
von Schweinitz zwei Berichte des Botschafters Grafen Münster übersandt wor-
den, nach denen sich der russische Botschafter in Paris Baron Mohrenheim mit
aller Entschiedenheit zugunsten des Generals Boulanger einsetzte. In dem Er-
laß an Schweinitz Nr. 420 hieß es dazu: „Das von Graf Münster geschilderte
Auftreten des Baron Mohrenheim muß jeden Unbefangenen darauf schließen lassen,
daß Rußland der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich erwünscht sei. In
dem gegenwärtigen kritischen Momente der Dinge in Frankreich sind die Be-
mühungen des Herrn von Mohrenheim, den General Boulanger am Ruder zu er-
halten, um so auffallender, als nicht nur der Präsident der Republik, sondern
auch alle nicht radikalen Politiker von Ansehen und die große Majorität des
französischen Volkes gerade aus Besorgnis vor kriegerischen Verwidcelungen
sich des bisherigen Kriegsministers zu entledigen bestrebt sind."
** Durch Telegramm vom 20. Mai.
110
langer ausgesprochen hat; daß hierdurch der Glaube, der russische
Kaiser wünsche den deutsch-französischen Krieg, erweckt und bestärkt
werden müsse, macht man sich hier an höchster Stelle wohl nicht
ganz klari; wenn aber selbst in Paris bis noch vor kurzem konser-
vative Leute glauben konnten, General Boulanger werde bei erster
günstiger Gelegenheit mit der demokratischen Republik aufräumen und
Ordnung machen, so wäre es wohl zu entschuldigen, wenn man in
der Einsamkeit von Gatschina an die Möglichkeit dächte, jener populäre
Soldat könne sich in einen großen Gendarmen verwandeln, der alle in
Frankreich lebenden Nihilisten ausliefern würde.
Darüber, daß General Boulanger in Moskau und in St. Petersburg
nicht nur viele begeisterte Bewunderer, sondern auch direkte Bezie-
hungen hat, hege ich keinen Zweifel, wenn ich auch weit entfernt
bin zu glauben, was die Gemahlin eines russischen Ministers unlängst
bei einem diplomatischen Diner laut aussprach, nämlich, daß er mit
Herrn Polowtzow* in Korrespondenz stehe. Es reisen fortwährend
so viele Russen zwischen Paris und Petersburg hin und her, daß der
Austausch schriftlicher und mündlicher Mitteilungen keine Schwierig-
keiten bietet. Vielleicht aber wird das abschreckende Beispiel, welches
gestern durch die Dienstentlassung des General Bogdanowitsch**
statuiert wurde, den Eifer der freiwilligen Diplomaten etwas ab-
kühlen.
Da diese Maßregel erst heute bekannt wurde, so läßt sich über den
Eindruck, welchen sie hervorbringt, noch nicht viel sagen; auch die
Umstände, unter welchen sie erfolgte, sind mir noch nicht genau be-
kannt; aber Herr von Giers erzählte mir, daß Seine Majestät der Kaiser
durch Berichte des Baron Mohrenheim und durch die denselben beiliegen-
den Beweise die Überzeugung von dem Bestehen geheimer Verbindungen
zwischen Paris und Petersburg gewonnen habe, bei welchen General
Bogdanowitsch als Mittelsperson beteiligt wäre; Seine Majestät habe
neben den Namen dieses Generals die Randbemerkung geschrieben:
„yBOJicHTb" (entlassen); dies sei am Montag, dem 30. geschehen; er,
der Minister, habe erst am folgenden Tage es erfahren.
Herr von Giers fügte hinzu, der Schlag, welcher den rechten
Arm Katkows getroffen hat, habe die Anhänger des letzteren sehr
bestürzt gemacht; Tatischtschew, welcher nicht mehr im Dienste sei,
solle gerichtlich belangt werden; der Kaiser scheine nun doch den
Vorstellungen, welche er, der Minister, ihm nach dem Erscheinen des
* Direktor der russischen Reichskanzlei.
** General Bogdanowitsch, Verfasser der Schrift „L'alliance franco-russe", hatte
während eines Pariser Aufenthalts mit französischen Politikern Verhandlungen
zur Herbeiführung eines russisch-französischen Bündnisses angeknüpft. Er wurde
in Verfolg seiner Entlassung Anfang Juli aus den Heereslisten gestrichen und mit
Verbannung von allen Orten, wo sich der russische Hof aufhielt, bestraft.
111
mehrerwähnten von mir telegraphisch signaUsierten Katkowschen Ar-
tikels vom 11. Mai, gemacht habe, nämUch, „daß es so wie jetzt nicht
länger gehen könne", nachzugeben. v. Schweinitz
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 ?? Wäre der Krieg zwischen uns und Frankreich für das amtliche Rußland
wirklich unerwünscht? er würde der russischen Politik analoge Freiheit der Be-
wegung gewähren, wie etwa ein deutsch-russ[ischerl oder deutsch-französischer
der englischen Politik.
Nr. 1214
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Petersburg von Schweinitz
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Nr. 455 Berlin, den 10. Juni 1887
[abgegangen am 13. Juni]
Euerer pp. gefälliger Bericht Nr. 200 vom 1. d. Mts.* ist hier eingegangen
Der Herr Reichskanzler vermag die Überzeugung nicht zu teilen,
daß die russische Politik in der Frage Boulanger ganz unzweideutig
und ehrlich gewesen ist. Der Wunsch, uns in offnen Streit mit Frank-
reich zu bringen und dadurch freie Hand gegen Österreich zu ge-
winnen, wird in Rußland ganz allgemein gehegt: man kann dies auch
nicht so befremdlich finden, denn es ist unbestreitbar, daß ein deutsch-
französischer Krieg Rußland eine analoge Freiheit der Bewegung geben
würde, wie sie etwa ein Krieg Deutschlands mit Rußland der eng-
Hschen Politik gewähren würde. So aufrichtig die platonische Friedens-
liebe des Zaren an und für sich sein mag, darf doch nicht vergessen
werden, daß er in erster Linie immer ein russischer Politiker bleibt,
und daß er sich deshalb der Erwägung nicht wird verschUeßen können,
daß der Ausbruch eines deutsch-französischen Krieges Rußland die
willkommene Handhabe bieten würde, um mit wenig Mitteln einen
zwingenden Druck auf uns auszuüben. Es dürfte keinem Zweifel unter-
liegen, daß das amtliche Rußland nicht weniger als das panslawistische
einen deutsch-französischen Krieg für wünschenswert hält und trotz
aller offiziellen Ausflüchte und Ableugnungen im geheimen für die Her-
beiführung desselben hetzt und arbeitet. H. Bismarck
Nr. 1215
Der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Graf von Berchem an
den Botschafter in Petersburg von Schweinitz
Konzept
Nr. 644
Gehein^ Berlin, den 29. August 1887
Ew. pp. gefällige Berichte Nr. 273 und 274 vom 23. d. Mts. haben
dem Herrn Reichskanzler vorgelegen.
* Siehe Nr. 1213.
112
Fürst Bismarck ist erstaunt gewesen über die in dem letzteren
Berichts enthaltene Bemerkung Ew. pp., daß die Derouledesche Reise
spurlos verlaufen sei*. In unserer Presse hat die Aufnahme des fran-
zösischen Revanche-Helden in Rußland allgemeine Entrüstung hervor-
gerufen, und in der Tat liegt in dem Verhalten des Generals Baranow
eine ungeheuere Unverschämtheit. Seine Durchlaucht wünscht, daß
Ew. pp. in Petersburg auf die Möglichkeit hinweisen, daß ein pol-
nischer, ungarischer oder bulgarischer Russenfeind bei uns eine ähn-
liche Aufnahme fände wie Deroulede in Rußland. Wir würden einen
Russenfeind, der zum Zweck einer Agitation ä la Deroulede bei uns
erschiene, sofort ausweisen.
Im übrigen hat Seine Durchlaucht nachstehende Bemerkungen an
die erwähnten Berichte geknüpft:
Wenn die russische Regierung das Kokettieren mit Frankreich
duldet, so wird das nicht ohne Einfluß auf unsere Politik bleiben;
wir werden beispielsweise in der bulgarischen Frage eine Auffassung
adoptieren, die sich mehr der Österreichs, Englands und Italiens an-
schließt. Die russische Hetzerei kann uns nicht gleichgültig lassen.
Die ganze russisch-französische Frage, wie sie in Petersburg behandelt
wird, in Verbindung mit der Tatsache, daß Frankreich gegenwärtig
für einen Krieg mit Deutschland noch nicht vorbereitet ist, daß es
infolge verschiedener Boulangerscher Maßregeln und der darin liegenden
Irrtümer erst in einigen Jahren mit seiner Bewaffnung fertig werden
wird, läßt die Auslegung zu, daß Rußland mit Frankreich geheime
Verträge hat, die bestimmt sind, in Kraft zu treten, sobald Frankreich
zu einem Kriege gegen uns bereit ist. pp. Berchem
Nr. 1216
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 282
Geheim ^** P^^^^sburg, den 2. September 1887
Den hohen geheimen Erlaß Nr. 644 vom 29. August** habe ich
durch königlichen Feldjäger zu erhalten die Ehre gehabt; Euere Durch-
* Irn August und September durchreiste der französische Revanchepolitiker Derou-
lede von neuem Rußland, wo er vielfach von den panslawistischen Kreisen demon-
strativ gefeiert wurde. Namenth'ch der General Baranow, Gouverneur von Nischni-
Nowgorod, hielt schwungvolle Reden auf Deroulede und seine französisch-
russischen Bündnisbestrebungen, wofür er später, im Dezember, einen offiziellen
Verweis erhielt. Vgl. Bd. V, Nr. 1117 nebst Fußnote **.
** Siehe Nr. 1215.
8 Die Große Politik. 6. Bd. 113
laucht hatten in demselben auf eine in meinem Berichte Nr. 274 vom
23. V. Mts. enthaltene, die Reise des Herrn Deroulede betreffende Be-
merkung hochgeneigtest Bezug genommen, und ich erlaube mir daher
nochmals auf diesen Gegenstand zurückzukommen.
Die Fahrt, welche einige Mitglieder der Patriotenliga nach Moskau,
Nischni-Nowgorod und St, Petersburg unternommen haben, ist im Aus-
lande mehr bemerkt worden als in Rußland selbst i; den Zweck, welchen
die Herren Deroulede und Goupil hier^ verfolgten, haben sie nicht
erreicht 3; es ist vielmehr das Gegenteil von dem, was sie beabsich-
tigten, eingetreten, denn während sie Demonstrationen der russischen
Gesellschaft und Presse zugunsten der von Boulanger und der Patrioten-
liga vertretenen Richtung anstrebten, haben sie dazu beigetragen, daß
seitens der maßgebenden Organe der öffentlichen Meinung Rußlands
eine förmliche Absage an die chauvinistische Demokratie erfolgt ist.
Die Veränderung in der Haltung der franzosenfreundlichen
russischen Politiker zeigte sich darin, daß die bedeutenderen unter ihnen
sich von allen Ovationen und Kundgebungen für die französischen
Reisenden persönlich fern hielten und sich in ihren Preßorganen nicht
in Leitartikeln, sondern fast nur in Feuilletons mit ihnen beschäftigten,
während der „Nord", die „Moskowskije Wedomosti" und vor allem der
„Grashdanin" geradezu erklärten, daß Rußland sich mit den agitato-
rischen Elementen der französischen Republik auf nichts einlassen
wolle.
Weit entfernt hierin ein Abbrechen der seit Jahresfrist stärker
hervorgetretenen Annäherung Rußlands an Frankreich zu erblicken,
finde ich vielmehr, daß die Allianzbestrebungen grade hierdurch
praktischer Ausführbarkeit näher gerückt worden sind, denn es ist
unter ziemlich allgemeiner Zustimmung ausgesprochen worden, daß
Rußland, indem es die der französischen Regierung unbequemen Hitz-
köpfe abweist, ihr selbst gern die Hand reichen wird, sobald sie stark
und stabil ist. Die republikanische Form der französischen Re-
gierung erscheint mir heute nicht mehr als ein so großes Hindernis
offizieller Annäherung Rußlands wie vor anderthalb Jahren, als Kaiser
Alexander in meiner Gegenwart zum General Appert sagte: „Quel
ignoble gouvernement! j'espere que vous le chasserez". Daß Seine
Majestät der Kaiser Alexander die bewußte Absicht hege, sich mit
Frankreich, sobald es mit seiner Bewaffnung fertig und von einer
starken Regierung geleitet sein wird, zum Kriege gtgen uns zu ver-
binden, glaube ich auf Grund meiner Auffassung von seinem Charakter
bezweifeln zu dürfen. Warum hätte auch sonst Seine Majestät eine
fünfjährige Dauer unseres neuesten Abkommens gewünscht** und nur
ungern in die von uns vorgeschlagene Beschränkung auf drei Jahre
gewilligt?
* Vgl. Bd. V, Kap. XXXIV: Rückversicherungsvertrag, Nr. 1093.
114
Aber weder die Friedensliebe noch überhaupt die persönHchen
Eigenschaften Seiner Majestät des Zaren können das nur zu berech-
tigte Mißtrauen beseitigen, mit welchem uns die Unaufrichtigkeit der
russischen Politik erfüllt, einer Politik, welche nicht von einer ziel-
bewußten Regierung bestimmt, sondern mehr als in manchen konstitu-
tionellen Staaten von Neben- oder Gegenströmungen beeinflußt wird;
daß letztere lange anhalten und gefährlich werden können, ehe der
Monarch dies erkennt und korrigiert, hat uns die an Katkow gemachte
Erfahrung gelehrt ; es ist fraglich, ob künftighin, wenn vielleicht andere
als nur journalistische Kräfte in Wirksamkeit treten, der Wille des
Zaren ausreicht, um sie zu hemmen. Seinem Vorgänger ist dies im
Herbste des Jahres 1876 nicht gelungen.
Eine eigentümliche, vom Parteiwesen in anderen Staaten ab-
weichende Erscheinung ist, daß es in Rußland Beamte und Diener
der Regierung sind, welche der von letzterer befolgten Politik entgegen-
arbeiten &. Da es hier kein einheitliches, kein homogenes unter einem
Premier solidarisch zusammenwirkendes^ Ministerium, sondern nur
Minister gibt, welche gelegentlich ohne Wissen ihrer Kollegen die
allerhöchste Ermächtigung zu wichtigen Maßregeln erlangen können,
so ist es erklärlich, daß die Beamten des einen Ressorts dem Chef
eines anderen Opposition machen.
Diese Gewohnheit tritt uns am stärksten in ihrer Wirksamkeit
auf das Ministerium des Äußeren entgegen : Herr von Giers hat weder
gesellschaftlich, noch persönlich, noch amtlich Aszendant über seine
Kollegen und übt weder im Ministerkomitee, noch im Reichsrat Einfluß
aus; er kann also weder im Finanzministerium vexatorische Maßregeln
gegen die Deutschen, noch in dem des Inneren die Anfeindung derselben
durch die Presse oder ihre Beraubung durch die Fremdengesetze ver-
hindern; ebenso wenig findet er beim Kriegsministerium Schutz gegen
die Generale, welche, sei es als Truppenkommandeure, sei es als hohe
Verwaltungsbeamte seiner vom Monarchen gebilligten Politik direkt
entgegenarbeiten, pp.
V. Schweinitz
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ! In Frankreich natürlich, ufnd] das ist die Hauptsache, die Ermuthigung zur
; Revanche
2 p
3 p
* das ist mir neu; Schuwalow hat mich nur gefragt, ob wir 3 oder 5 wünschten,
u[nd} weil ich fand, daß er eine übertriebene Meinung von unsrer Vertrags-
bedürftigkeit hatte, sagte ich, es sei uns beides annehmbar, wenn uns' die Ent-
scheidung zugeschoben würde, 3, mit Rücksicht auf die Unaufrichtigkeit der
russlischenl Politik in der VerhandUtng
■"' wie bei uns vor 1848
6 hier auch nicht
115
Nr. 1217
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an deo
Reichskanzler Fürsten von Bismarck*
Ausfertigung
Nr "^04
r^ X r u St. Petersburg, den 28. September 1887
Ganz vertraulich ^' ^
pp. Die Beziehungen Rußlands zu Frankreich [sagte Herr von
Giers], seien jetzt sehr gute, die Franzosen wären Rußland in allem
zu Willen, die Herren Rouvier und Flourens wären auch vortreffliche
und vernünftige Leute. Das verhindere aber nicht, daß das gute Ein-
vernehmen mit Deutschland der „Pivot" der russischen Pohtik bleiben
müsse und für Kaiser Alexander auch nach wie vor sei. Der Kaiser
wolle keine Allianz mit Frankreich i, ein Zusammengehen des Kaisers
mit Frankreich gegen Deutschland sei undenkbar 2, dazu werde es nie-
mals kommen-^. Ich ging während meiner ganzen Unterredung mit
Herrn von Giers von dem Gesichtspunkt aus, daß Rußland, die russi-
sche Dynastie und ihre treuen Diener schweren und sicheren Schaden
nehmen würden, wenn die Wühlereien der hiesigen Deutschenfeinde
und die Passivität der russischen Regierung es zum Bruche mit uns
kommen ließen. Ich legte jedoch auch gegenüber Herrn von Giers
keinerlei Besorgnisse an den Tag hinsichtHch der Folgen eines solchen
Bruchs für uns und zeigte kein besonderes Interesse für den gegen-
wärtigen Stand der russisch-französischen Beziehungen. Als Herr von
Giers mir von der Undenkbarkeit eines Zusammengehens des Kaisers
Alexander III. mit Frankreich sprach, fixierte ich ihn. Der Minister
wiederholte mit dem Akzent der Überzeugung: „Je vous donne ma
tete ä couper, que jamais, jamais l'Empereur Alexandre ne levera
le bras contre TEmpereur Guillaume ni contre le fils ni contre le petit-fils
de l'Empereur Guillaume." pp. B. von Bülow
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
* Alexander] II wollte aucii den türk[ischenl Krieg nicht u[ndl führte ihn doch
2 p
s p
Nr. 1218
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 330 St. Petersburg, den 20. Oktober 1887
Herr von Giers kam gestern aus eigener Initiative auf den „soi-
disant toast de Nicolai Michailowitch"** zurück, wobei er sich in weg-
* In extenso bereits abgedruckt Bd. V, Kap. XXXVI, Nr. 1118.
** Vgl. über den vom Großfürsten Nicolaus an Bord des Dampfers gehaltenen
Toast Bd.V, Kap. XXXVI, Nr. 1119, S. 305, nebst Fußnote *.
116
werfender Weise über den Großfürsten ausließ. Der Minister äußerte
unter anderem, daß, wenn der Großfürst auch niclit so gesprochen
hätte, wie der „Figaro" behaupte, er sich jedenfalls „comme un sot"
benommen habe. Es sei aber doch bedauerlich, daß diese Angelegen-
heit in Deutschland soviel Aufsehen errege. Ich erwiderte, daß der
„soi-disant toast" wohl deshalb überall Beachtung gefunden habe, weil
derselbe betrachtet worden sei als ein Glied in der Kette zweifelloser
antideutscher Demonstrationen, die seit längerer Zeit von hier aus un-
gestraft gegen uns in Szene gesetzt würden. Herr von Giers meinte,
es sei neuerdings eine kleine Wendung zum Bessern i eingetreten: Graf
Tolstoi scheine endlich zu begreifen, wohin das „desastreuse" Prinzip
der Ablenkung innerer Unzufriedenheit nach außen führen müsse. Zwei
Journale („Minuta" und „Syn Otetschestwa") wären gemaßregelt worden.
Ich gab Herrn von Giers in verbindlicher Form zu verstehen, daß
von russischer Seite noch manches geschehen müsse, wenn wir das
Mißtrauen aufgeben sollten, welches unserer Politik gegenüber Rußland
früher ganz fremd gewesen sei, zu dem uns aber jetzt das Verhalten
Rußlands nötigte. Herr von Giers antwortete, daß er es begreife,
wenn „une serie d'incidents regrettables" unser Vertrauen zu Ruß-
land erschüttert habe. Diese Zwischenfälle wären aber nicht hervor-
gegangen aus „mauvaises arriere-pensees", sondern aus Schwäche und
Einsichtslosigkeit^. Sichtlich bekümmert fügte der Minister hinzu, er
fühle bereits überall, aber namentlich in Konstantinopel, daß unsere
Haltung eine andere geworden wäre 3. Die Österreicher, Italiener und
Engländer triumphierten, die Türken entzögen sich der russischen Ein-
wirkung, Ich erinnerte den Minister daran, wie ich ihm schon vor
Wochen nicht verhehlt hätte, daß unser Eifer, Rußland zu helfen und
zu nützen, erlahmen müßte, wenn derselbe von hier aus gar nicht oder
mit Angriffen und Verdächtigungen erwidert würde. Ich ließ durch-
blicken, daß, je passiver sich die russische Regierung gegenüber den
friedenstörenden Elementen in ihrem Lande verhalte, um so mehr der
Gedanke sich aufdränge, es könnten ihr letztere doch einmal über den
Kopf wachsen. Unsere hiesigen Gegner wollten wohl in ihrer Mehr-
heit nicht sofort gegen Deutschland vorgehen, vielleicht aber das Terrain
vorbereiten für den Augenblick, wenn einerseits in einigen Jahren die
russischen Rüstungen vollendet sein, andererseits Frankreich mög-
licherweise eine weniger besonnene Regierung haben würde als die
gegenwärtige. Ich ließ hierbei die Bemerkung fallen, daß mich in dem
„soi-disant toast" des Großfürsten Nikolaus Michailowitsch namentlich
die Stelle frappiert habe, wo es heiße: In „kurzer Zeit" würden alle
Hindernisse verschwunden sein, welche jetzt noch dem russisch-fran-
zösischen Angriffskrieg gegen Deutschland im Wege stünden. Herr
von Giers protestierte gegen meinen Argwohn. „Cet ecervele de Nicolai
Michailowitch," rief er, „n*a aucune idee serieuse dans sa tete; si
meme nous avions vis-ä-vis de Vous de mauvais projets, ce qui n'est
117
certainement pas, ce blanc bec n'en saurait rien. II n'a aucune con-
naissance de l'etat reel des relations exterieures de la Russie." Der
Minister beteuerte, daß Kaiser Alexander III. „weder jetzt noch später,
noch in irgendeiner noch so fernen ^ Zukunft" etwas gegen uns unter-
nehmen würde, pp.
Über Frankreich ließ sich der Minister mit Gereiztheit aus: „Les
Frangais sont le plus infecte des peuples, le gouvernement frangais
est mauvais, bete; le gächis ä Paris est complet." Vor einem Monat
pflegte Herr von Giers in etwas affektierter Weise die „Weisheit" der
Herren Rouvier und Flourens zu loben. Über Baron Mohrenheim
bemerkte der Minister: „Ce bavard nous predisait un gouvernement
stable ä Paris, eile est jolie sa stabilite." Der Minister drückte die Hoff-
nung aus, daß General Boulanger jetzt „un homme fini" sein werde.
Er insinuierte, daß die Franzosen alles täten, um Rußland mit Deutsch-
land zu brouillieren*.
Als ich mich bei Herrn von Giers verabschiedete, sagte mir der-
selbe, daß die „mauvaise phase", in der wir uns noch befänden, hoffent-
lich in einiger Zeit überwunden sein würde. Es dürfte nicht mehr
lange dauern, bis hier in der öffentlichen Meinung „eine Reaktion"
eintrete. Die russische Gesellschaft werde die Ungerechtigkeit und
Ziellosigkeit ihrer Verstimmung gegen Deutschland i, „le creux'* ihrer
Schwärmerei für die Franzosen einsehen und mit ihrer bekannten
Mobilität vielleicht in einigen Monaten, wenn nicht Wochen, das Zu-
sammengehen mit Deutschland wünschen 5. Ich erwiderte, daß das
Eintreten dieses AugenbHcks von der russischen Regierung abhängen
dürfte, welche die russische öffentliche Meinung in der Hand habe,
sobald nur der Wille des Zaren klar und unzweideutig zutage liege,
B. von B ü I o w
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ?
2 an maßgebender Stelle; sonst aus Bosheit ,
3 Mißtrauen, natürlich.
* natürlich und die Russen alles um uns mit Frankreich zu br[ouiIliren]
Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
* Dann wird es vielleicht zu spät sein.
Nr. 1219
Der Geschäftsträger in Petersburg Bernhard von Bülow an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 424 St. Petersburg, den 15. Dezember 1887
Deutschland und Rußland sind nicht durch große, widerstrebende
Interessen getrennt, wie solche zwischen Rußland und den übrigen
Mächten obwalten. Dementsprechend haben sich Deutsche und Russen
118
seit über hundert Jahren nicht mit den Waffen in der Hand gegenüber-
gestanden, während in diesem Zeitraum Rußland mit Frankreich mehr
als einen schweren Krieg zu führen gezwungen war. Nichtsdesto-
weniger wendet sich die russische Gesellschaft mehr und mehr von
Deutschland ab, auf das sie Tradition und wohlverstandener Vorteil
hinweisen sollten, und neigt zu Frankreich, von wo ihr bisher viel
Schlimmes und wenig Gutes kam. Diese Erscheinung läßt sich nicht
durch Vernunftgründe erklären, denn ruhige Überlegung müßte Ruß-
land an die Seite Deutschlands führen und gegen Frankreich, wenn
nicht feindlich, so doch mißtrauisch stimmen, sondern nur aus miß-
leiteter Leidenschaft. Manche Faktoren tragen dazu bei, die in Ruß-
land aus verschiedenen Ursachen — Unzufriedenheit mit den inneren
Zuständen, wirtschaftliche Notlage, Enttäuschungen auf dem Gebiete
der auswärtigen Politik — erregten Gemüter gegen den deutschen
Nachbarn aufzustacheln und gleichzeitig Frankreich zuzuführen. Ein
nicht unwesentlicher, bisher vielleicht zu wenig gewürdigter Faktor ist der
Umstand, daß grade die beiden hervorragendsten und maßgebendsten
russischen Generäle, der Chef des Generalstabs, General Obrutschew
und der Generalgouverneur von Warschau, General Gurko, mit Damen
vermählt sind, die, Französinnen von Geburt und von Gesinnung, den.
sehr großen Einfluß, welchen sie über ihre Männer und dadurch auf
die russische Gesellschaft ausüben, dazu benützen, Rußland in den
Dienst Frankreichs zu stellen. Madame Obrutschew* ist eine geborene
Milot und gehört einer in der Nähe von Bordeaux angesessenen fran-
zösischen Familie an. Sie selbst hat sich in der Nähe von Perigueux
ein Landhaus gebaut, in welchem sie in jedem Herbste mit ihrem
Gatten einige Wochen zubringt. Wenn indiskrete Bekannte fragen,
warum General Obrutschew jahraus jahrein in Frankreich einen längeren
Aufenthalt nehme, so wird ihnen erwidert, daß dies nur aus Gesund-
heitsrücksichten geschehe, und der Chef des russischen Generalstabs
in Frankreich sehr zurückgezogen zu leben pflege. Wer die hoch-
fhegenden Pläne des Ehepaars Obrutschew kennt, wird sich durch
diese Versicherung freilich nicht irreführen lassen. Madame Obrutschew
ist eine ehrgeizige Dame, welche auf der Weltbühne eine große Rolle
spielen will. Sie huldigt politisch radikalen Anschauungen, wie denn
auch General Obrutschew^ zu den Roten gerechnet wird, und in den
sechziger Jahren in revolutionäre Komplotte verwickelt war, was ihm
der Zar nur sehr allmählich und nie völlig verziehen hat. Madame
Obrutschew hat ihren Gemahl mit französischen Politikern republika-
nisch-chauvinistischer Richtung in Verbindung gesetzt, sie unterhält
selbst eifrigen Briefwechsel mit den Pariser Demagogen und sucht mit
allen Mitteln, welche einer intelligenten Französin zu Gebote stehen,
Rußland in jenen Krieg mit Deutschland hineinzutreiben, der Elsaß-
* Vgl. S. 94, Fußnote f-
119
Lothringen wieder zu Frankreich bringen soll. Der zweite französische
Militärattache in St. Petersburg, Kapitän Moulin, derselbe, welcher im
vergangenen Winter ausersehen war, dem Zaren den Brief des Generals
Boulanger zu überbringen, steht in sehr freundschaftlichen Beziehungen
zu Madame Obrutschew. Madame Gurko ist die Tochter eines ver-
armten französischen Edelmanns, des Grafen Salias, der in Moskau
als Lehrer der französischen Sprache lebte. Sie ist ebenso Französin
geblieben wie Madame Obrutschew und poHtisch ebenso rot an-
gehaucht. Sie hat es verstanden, in Warschau einen Kreis halber und
ganzer Nihilisten um sich zu gruppieren, welche unter der Maske ultra-
russischer Gesinnung revolutionär-französische Zwecke verfolgen. Es
ist auf Madame Gurko zurückzuführen, wenn das amtliche Organ des
Warschauer Generalgouverneurs, der „Dnewnik Warschawski" im
Geiste der „Republique frangaise" redigiert wird. Auch Madame Gurko
korrespondiert mit namhaften Führern der französischen Revanche-
partei. Sie läßt es sich in jeder Weise angelegen sein, ihren Mann zu
kriegerischen antideutschen Demonstrationen zu verleiten, deren die
Presse schon mehr als eine zu verzeichnen hatte. Es sind in der
letzten Zeit mancherlei Kombinationen angestellt worden über die Ur-
heber, Mitwisser und Verbreiter jener, von der „Kölnischen Zeitung*'
signalisierten Fälschungen*, welche den Zweck verfolgten, Kaiser Alex-
ander in. pour les beaux yeux de la France in den Krieg mit Deutsch-
land hineinzuhetzen. Im St. Petersburger Generalstabsgebäude und im
Warschauer Schlosse weiß man vielleicht näheres über die Vor-
geschichte dieser Fälschungen. B. von Bülow
Nr. 1220
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Rismarck
Ausfertigung
Nr. 15 Paris, den 13. Januar 1888
Wenn auch, wie ich zu berichten die Ehre hatte**, unter den hiesigen
Diplomaten viel die Rede von einer russisch-französischen Defensiv-
Allianz gewesen ist, so glaube ich entschieden noch nicht daran.
Wenn mich meine Beobachtungen nicht täuschen, so liegt die
Sache so, daß von russischer Seite in Beziehung auf Frankreichs even-
tuelle Haltung im Falle kriegerischer Komplikationen hier angefragl
worden ist mit der Hoffnung, hier bindende Zusicherungen erlangen zu
können.
Von "russischer Seite ist dabei geltend gemacht, daß die Allianz der
Zentralmächte nur zum Schein gegen Rußland, in Wirklichkeit aber
» Vgl. Bd. V, Kap. XXXVI, Anhang B.
** Bericht Nr. 10 vom 6. Januar 1888.
120
gegen Frankreich gerichtet sei, und daß naturgemäß die außerhalb
dieser Allianz stehenden Mächte sich zum eigenen Schutz enger ver-
binden müßten.
Wenn auch diese Argumentation für die Franzosen etwas Ver-
führerisches hat, und die Idee der russisch-französischen Allianz bei
der OberflächUchkeit, mit welcher die französische öffentliche Meinung
die poUtischen Verhältnisse beurteilt, sehr populär ist, so gibt es doch
drei Faktoren, welche die jetzigen französischen Politiker vor allem
daran verhindern, Rußland gegenüber sich zu binden.
Erstens die Unsicherheit der hiesigen Verhältnisse, die persönliche
Stellung des Präsidenten und die voraussichtlich kurze Lebensdauer
des Kabinetts.
Zweitens die Furcht vor dem Kriege mit Deutschland, die trotz
der Aussicht auf eine russische AlUanz besteht. Dieses Mißtrauen
gegen Rußland ist sehr groß, und es wird vielfach hier angenommen,
Rußland wolle Frankreich nur vorschieben, um es schließlich den Krieg
doch allein auskämpfen zu lassen.
Endlich drittens besteht doch noch bei vielen Franzosen die Idee,
daß der status quo im Mittelmeer erhalten bleiben müsse, und die russi-
schen den französischen Interessen dort sich diametral entgegenstehen.
Außerdem wissen die Franzosen sehr wohl, daß, wenn sie wirk-
lich Rußland gegenüber sich binden würden, die Panslawisten und die
Kriegspartei sehr gestärkt und die Möglichkeit kriegerischer Kompli-
kationen rascher herantreten könnte, als das hier bei der entschieden
friedlichen Stimmung, die jetzt hier herrscht, gewünscht wird.
Wie weit die russischen Anerbietungen und Forderungen gegangen
sind, habe ich noch nicht ermitteln können, so viel weiß ich aber,
daß die Franzosen keine bindenden Verpflichtungen haben übernehmen
wollen, und daß die Russen durch die Antwort, die sie erhielten, und
die Aufnahme, welche ihre Vorschläge fanden, unangenehm berührt
wurden. Es verbergen die hiesigen russischen Diplomaten ihre Un-
zufriedenheit nicht*.
Auf der andern Seite liebäugeln die Franzosen doch stets mit den
Russen und, wie ich das früher und auch neuerdings gemeldet habe,
steht ein großer Teil der französischen Presse unter russischem Einfluß.
Die Franzosen fühlen sich isoliert, und die Anlehnung an Ruß-
land ist ihnen Bedürfnis: sie sind wie eine kokette Frau, die einen Be-
schützer sucht, es zum Äußersten aber nicht will kommen kssen.
Von russischer Seite wird, um die Allianzgelüste zu verdecken,
stets hervorgehoben, es werde und könne der Kaiser Alexander mit
der demokratischen Republik sich niemals verständigen.
* Daß wirklich um die Wende 1887/88 von russischer Seite nähere Beziehungen
zu Frankreich gesucht, von diesem aber abgelehnt wurden, hat Kaiser Alex-
ander III. dem Botschafter von Schweinitz am 26. Januar 1888 selbst bestätigt.
Vgl. Nr. 1176.
121
Es wäre ganz natürlich, ganz richtig, wenn es so wäre, und des-
halb finden die russischen Versicherungen immer mehr Glauben, als
sie verdienen.
Die hiesigen Verhältnisse sind doch der Art, daß es allerdings
wunderbar erscheint, daß der autokratische Kaiser und seine Berater
an engere und feste Beziehungen mit dem jetzigen Frankreich ernst-
lich denken könnten, und dennoch sind alle Annäherungsversuche
ganz entschieden von russischer Seite ausgegangen. Die Diplomaten
von Fach und Amateurdiplomaten, die stets auf Reisen sind, intrigante
Russinnen, Großfürsten und Journalisten arbeiten aiie in dem Sinne
und würden das nicht tun, wenn sie ernstlich fürchteten, von oben im
Stich gelassen zu werden.
Der letzte Vorfall am russischen Hofe zeigt wieder deutüch, wie
man gegenseitig bemüht ist, sich Liebenswürdigkeiten zu erweisen.
Der neuerwählte Präsident hat an alle Mächte seine Wahl anzeigen
lassen, es ist dabei hier gleich betont worden, daß die Repräsen-
tanten Frankreichs nicht von neuem akkreditiert werden sollten. Nur
in St. Petersburg ist der Botschafter Frankreichs von Seiner Majestät
dem Kaiser mit dem bei Überreichung der Kreditive üblichen Zere-
moniell empfangen worden.
Die Erklärung, die Herr Flourens gestern dem russischen Bot-
schafter gab, der ihn bei dem Empfange im Elysee danach fragte, ,war
folgende :
Dem französischen Botschafter in St. Petersburg seien keine neuen
Kreditive übersandt; er sei beauftragt, wie alle übrigen französischen
Vertreter, die Wahl des Präsidenten dem Souverän, bei dem sie akkredi-
tiert seien, mitzuteilen. Das Schreiben sei dasselbe gewesen wie das an
die übrigen Botschafter. Herr Laboulaye habe dem Auswärtigen Amte
davon Mitteilung gemacht und habe nur angefragt, ob Seine Majestät
ihn bei dieser Gelegenheit empfangen wolle. Am russischen Hofe habe
man irrtümlicherweise angenommen, es handle sich um eine neue Be-
glaubigung des Botschafters.
So erklärt Herr Flourens diesen Vorfall, der natürlicherweise Auf-
sehen erregen mußte. Wenn es wirklich so sein sollte, so zeigt das
wieder, wohin von Seiten der französischen Diplomatie und des russi-
schen Hofes die Strömung geht. Münster
Nr. 1221
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 15 St. Petersburg, den 12. Januar 1889.
Als ich heute Abschied vom Herrn Minister von Giers nahm, er-
griff er diese Gelegenheit, um einige Äußerungen über Rußlands Ver-
122
hältnis zu Deutschland und Frankreich zu tun: „Bei Beginn des jetzt
endenden Jahres", so ungefähr sagte Seine Exzellenz, „lagen einige
beunruhigende Anzeichen vor; diese sind geschwunden, besonders seit
dem Besuche Ihres erlauchten Souveräns*, und ich bin fest überzeugt i,
daß unser jetzt bestehendes gutes Verhältnis fortdauern wird, nicht
bloß für die nächsten, sondern für lange lange Jahre 2. Seine Majestät der
Kaiser bleibt so fest wie nur je bei seiner Anschauung; als Katkow
noch lebte**, war ich manchmal etwas besorgt; jetzt aber gar nicht.
Unlängst konnte ich mich auf's neue davon überzeugen, daß Seine
Majestät sich durch nichts von dem eingeschlagenen Wege abbringen
läßt: dies war, als eine von Herrn Tatischtschew geführte und vom
Finanzminister nicht unbedingt zurückgewiesene Gruppe den Versuch
machte, der Privatbeteiligung an der Pariser Ausstellung größere Pro-
portionen zu geben; mein erhabener Monarch wurde hierdurch sehr
aufgebracht und gab dies deutlich zu erkennen. Die Sympathien, welche
die Franzosen uns beweisen, und die Erwiderung, welche dieselben
bei höchsten Personen und bei einem Teile der Gesellschaft finden,
ändern nichts an der Sache und an der hier festgestellten Politik;
übrigens sind selbst jene höchsten Herrschaften, die sich neuerdings
wieder so vortreffUch in Paris amüsiert haben, durchdrungen von der
Überzeugung, daß dort keine Aussicht auf Herstellung eines geordneten
dauernden Zustandes vorhanden ist, rien que de la pourriture; die
Anfeindung der christlichen Religion, überhaupt das ganze Treiben der
Parteien, besonders die erbärmliche Haltung des Grafen von Paris,
haben auch denen, welche auf eine Restauration der Orleans rech-
neten, alle Hoffnung benommen 3. über Boulanger sagt Baron Mohren-
heim, „ce n'est qu'un son, ein leerer Schall, eine Negation"*.
Zum Schlüsse bat mich Herr von Giers Euerer Durchlaucht für
die durch den Hauptmann Grafen Yorck*** überbrachten Grüße und
freundlichen Worte zu danken und dieselben herzlich zu erwidern;
der Minister fügte hinzu, daß er, sowie von jeher von Bewunderung
für Euere Durchlaucht und von dem auf tiefe Überzeugung gegründeten
Wunsche, daß Euere Durchlaucht recht lange Jahre erhalten bleiben
mögen, durchdrungen sei.
V. Schweinitz
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.
^ Ich nicht
♦ ?
3 ?
* qui vivera, verra.
* Er hatte vom 19. bis 24. Juli 1888 stattgefunden.
** tl- August 1887.
*** Graf Yorck von Wartenburg war dem MilitärbevoUmächtigten in Petersburg
Oberstleutnant von Villaume attachiert.
123
Nr. 1222
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 170 Paris, den 22. Juni 1889
pp. Politisch steht Frankreich isoliert. Das Verhältnis zu Rußland
ist entschieden kühler geworden. Von unserm Standpunkte aus macht
das aber keinen Unterschied, da beide Mächte auch ohne Allianz für
den Kriegsfall doch auf einander rechnen, pp. Münster
124
Kapitel XL
Französisch-Deutsche Kriegsgefahr und ihre
Nachwirkungen 1886—1890
Nr. 1223
Bericht des Militärattaches in Paris Oberstleutnant von Villaume
Abschrift
Nr. 286 Paris, den 28. Februar 1886
Die französische Regierung, ebenso wie jeder Franzose einzeln
genommen, versäumen keine Gelegenheit, um mit Worten ihre Friedens-
liebe zu betonen; die Militärs weisen darauf hin, wie die Organisation
der französischen Armee, sowie die Sicherung der Grenzen durch ein
zusammenhängendes System von Befestigungen erkennen lasse, daß
Frankreich keine Angriffskriege führen wolle. Infolgedessen erhalten
diejenigen Personen, welche sich nur zeitweise in Frankreich aufhalten,
auch wenn sie mit zahlreichen Franzosen der verschiedensten Stände in
Berührung kommen, fast immer den Eindruck, als ob die französische
Nation an keinen Krieg denke, sich vielmehr wie ein Mann gegen die
Revancheschreier erheben würde, wenn dieselben zu einer Aktion
drängen sollten.
Zu einem anderen Schluß gelangen jedoch diejenigen, welche die
hiesigen Verhältnisse und die Franzosen länger kennen und jahrelang
der systematischen, von der Regierung teils direkt, teils indirekt unter-
stützten Vorbereitung der Nation auf den sainte guerre de la Revanche
mit Aufmerksamkeit gefolgt sind. Keine politische Partei, gleichgültig,
ob sie sich am Ruder oder in der Opposition befand, hat bisher aus
Furcht, unpatriotisch zu erscheinen, den Mut gehabt, offen gegen die
Revancheprediger aufzutreten, welche das unter der Asche glimmende
Feuer immer wieder von neuem anfachen, und von tausend Franzosen,
welche aus aufrichtiger innerer Überzeugung gegen einen Krieg mit
Deutschland sind, und von denen jeder einzelne dies offen bekennt,
würde aus derselben Besorgnis kaum einer seine Stimme für Aufrecht-
erhaltung des Friedens zu erheben wagen, wenn die Masse den Ruf
„ä Berlin" ertönen läßt.
Man muß die Ausbreitung und die Macht des Chauvinismus
weniger nach den zahlreichen permanenten oder sporadischen Hetz-
blättern beurteilen, welche wie „La France", „Le Drapeau", „L'Evcne-
ment", „L'Antiprussien", „La Frontiere", „La France militaire" u. a. m.
aus Spekulation den Haß gegen Deutschland schüren, auch nicht nach
den regelmäßig wiederkehrenden Demonstrationen vor der Statue von
Straßburg auf dem Place de la Concorde und den aufreizenden Reden
127
des Präsidenten der Patriotenliga, welcher nur aus persönlicher Eitelkeit
und Ehrgeiz dieses Geschäft betreibt, sondern nach dem Wert, welchen
die Regierung, die politischen Parteien und die Armee diesem Produkt
des französischen Patriotismus beilegen.
Das stärkere Hervortreten des Chauvinismus in der letzten Zeit
bietet die Veranlassung, dieser wichtigen Frage, welche auf die Ge-
schicke Frankreichs einen entscheidenden Einfluß auszuüben berufen
zu sein scheint, näher zu treten, und zwar hauptsächlich mit Bezug auf
die Stellung, welche die Regierung oder ihre Vertreter zu derselben
einnehmen.
In dem auf den letzten Krieg folgenden Jahrzehnt wurde zwar
neben der Deutschenhetze und der kindischen Spionenriecherei auch
die Revancheidee gehegt und gepflegt; doch waren einesteils die Ein-
drücke des letzten Krieges noch zu frisch, anderenteils die Befestigungs-
anlagen zum Schutz der Grenze und im Innern des Landes, sowie die
Vorbereitung der Armee und Nation für den heiligen Krieg noch nicht
weit genug vorgeschritten, als daß die Franzosen den baldigen Aus-
bruch desselben hätten herbeiwünschen sollen. Die dann folgende
tunesische Expedition zog nicht nur die Aufmerksamkeit mehr von der
Ostgrenze ab und absorbierte starke Kräfte der kontinentalen Armee,
sondern deckte auch so große Mängel der Armeeverwaltung und Lei-
tung auf, daß man sich wohl hütete, mit dem Feuer zu spielen.
Erst als gegen Ende 1881 das grand ministere mit Gambetta ans
Ruder kam und General Campenon als Kriegsminister, General Miribel
als Chef des Generalstabes an die Spitze der Armee traten, wurden
die Revanchehoffnungen neu belebt; sie sind seitdem stetig gewachsen,
weil mit der allmählichen Vervollkommnung der Armee und des Landes-
verteidigungssystems, sowie mit der weiteren Ausbreitung der Pa-
triotenliga, der Schieß-, Turn- und anderer patriotischer Vereine, auch
das Selbstvertrauen, die Aussicht auf Erfolg und endlich der Übermut
zunahmen.
Die Wogen des Chauvinismus sind in diesem die letzten Jahre
umfassenden Zeitraum verschieden hochgegangen. Teils rief der
Wechsel der Ministerien, besonders der Kriegsminister, Schwankungen
hervor, teils die nahe oder ferne MögUchkeit europäischer Verwickelun-
gen, teils endlich die mehr oder weniger großen Chancen, welche sich
für ein Bündnis darboten. Noch in frischer Erinnerung ist die auf-
reizende Sprache der hiesigen Journale, als man, betört durch das Be-
nehmen des Generals Dragomirow im Herbst 1883, die Allianz mit
Rußland für gesichert hielt. Das Anfang 1884 neubefestigte Ein-
vernehmen zwischen den drei Kaisermächten wirkte wie eine kalte
Dusche auf die erhitzten Gemüter, und diese Abkühlung hielt um so
länger an, als bald darauf der ungünstige Verlauf der Expeditionen in
Tonking und Madagaskar die Aufmerksamkeit des Landes fast aus-
schließlich fesselte, und die unausgesetzte Nachsendung von Verstärkun-
128
gen immer mehr Kräfte für das rendez-vous aux Vosges verloren-
gehen Heß.
In diese Zeit fielen auch die Versuche der Opportunisten unter
ihrem staatsklugen und energischen Führer, ein gutes Einvernehmen
mit Deutschland herzustellen, nachdem sie selbst lange genug aus dem
Chauvinismus für sich Kapital geschlagen hatten. Aber gerade diesen
Umstand in Verbindung mit der mehr eingebildeten als wirklichen
Schwächung der kontinentalen Armee durch die Ferrysche Kolonial-
politik beuteten die Hauptgegner der damaligen Regierung, Monarchi-
sten und Radikale, im chauvinistischen Sinne aus: „Mit Deutschland
verhandeln, heißt Frankreich verraten!" Die Haltung der Menge,
welche am Tage des Sturzes des Ministeriums Ferry von der Deputierten-
kammer nach dem Auswärtigen Amte zog mit dem Rufe: „A bas le
Prussien'', sowie die Tumulte und Wutausbrüche, welche die Ver-
lesung der bekannten Depesche Ferrys an Herrn von Courcel vom
29. März v. Js. bei Gelegenheit der letzten Tonkindebatte in der
Kammer hervorrief*, legten Zeugnis davon ab, daß die regierungs-
feindhchen Parteien das richtige Mittel gewählt hatten, um die Oppor-
tunisten in der öffentlichen Meinung zu diskreditieren.
Noch deuthchere Beweise dafür, wie feste Wurzeln die Revanche-
idee besonders in der die Geschicke Frankreichs bestimmenden Haupt-
stadt gefaßt hat, Ueferten die Nachwahlen zur Deputiertenkammer. Der
für die Republikaner ungünstige Verlauf des ersten Wahltages Heß es
der Regierung notwendig erscheinen, für die späteren Wahlkämpfe
schweres Geschütz hervorzuholen. Deshalb appellierte auch sie an den
Chauvinismus; die opportunistische Liste hatte ihren Deroulede, die
der gemäßigten Republikaner den Elsässer Dollfus, und bei der Fusion
beider Listen fanden sich die Repubhkaner aller Schattierungen in
dem Präsidenten der Patriotenliga, der „vivante incarnation de la Re-
vanche", zusammen. Am 4. Oktober hatte er als selbständiger Kan-
didat 60000 Stimmen auf sich vereinigt; bei den Ersatzwahlen stieg
diese Zahl, trotz bedeutend geringerer Beteiligung der Wähler auf
über 104 000, sodaß er unmittelbar auf die gewählten radikalen Kan-
didaten folgte.
Aber auch höhere Offiziere scheuen sich nicht, öffentlich, außer-
halb ihrer militärischen Kreise, den Haß gegen Deutschland zu schüren
und den heiligen Krieg zu predigen.
General Vosseur betonte als Kommandeur der 4. Kavalleriebrigade
im August 1884 bei Gelegenheit der Einweihung eines Denkmals, die
Notwendigkeit, daß die Franzosen „abreuves d'humiliations immeri-
tces" in der Tiefe ihres Herzens ihre fureurs vengeresses bis zum
günstigen Moment bewahren müßten; General Verneville gab in dem
Tagesbefehl, in welchem er als Kommandeur der 2. Kavalleriedivision
* Vgl. Bd. III, Nr. 699, S. 443, Fußnote ♦*.
9 Die Große Politik. 6. Bd. 129
von derselben Abschied nahm, der Hoffnung auf eine vigoureuse re-
vanche gegen diejenigen Feinde Ausdruck „qui n'ont du leur succes
en 1870 qu'ä un moment de surprise"; General Davoust d'Auerstaedt,
früher Kommandeur des afrikanischen Armeekorps, bezeichnete bei
einer öffentlichen Ansprache an die Offiziere des 2. Zuavenregiments
den Feind, gegen den er sie siegreich zu führen hoffe, mit den Worten :
„son attitude menagante, malgre toutes les fictions diplomatiques, le
fait assez connaitre ä l'armee"; General Lewal schloß als komman-
dierender General des 17. Armeekorps einen militärischen Vortrag in
einem wissenschaftlichen Verein in Montauban im November 1884
mit den Worten: „Gräce ä l'application du Service obligatoire nous
pouvons envisager, dans un avenir prochain, le glorieux relevement de
la patrie frangaise". Bei der Eröffnung des Kursus der Societe poly-
technique militaire wies der Festredner Oberst Niox, Lehrer an der
Kriegsakademie, in Gegenwart des Kommandanten von Paris auf das
„verstümmelte Frankreich" und die Notwendigkeit hin, ihm seine natür-
liche Grenze, den Rhein, wiederzugeben, und entwickelte dann des
näheren, ebenso wie General Dumont, kommandierender General des
S.Armeekorps, im August v. Js. den Satz: „La Francs est archi-
prete." Die Patriotenliga hatte dem General Faidherbe zum Jahrestage
der Schlacht bei Bapaume die große silberne Medaille verheben;
bei der kürzlich erfolgten feierlichen Überreichung derselben wurde
natürlich stark in Chauvinismus gearbeitet, und General Faidherbe be-
dauerte, daß er die ihm vor einem Jahre angetragene Ehrenpräsident-
schaft wegen „raisons d'ordre superieur qui avaient seul empeche
son consentement personnel de devenir une realite" hätte ablehnen
müssen.
Daß General Campenon als Kriegsminister Ehrenpräsident der
von der Patriotenliga arrangierten Preisschießen in Vincennes war,
sogar die Armee aufgefordert hatte, sich an der Subskription zur Deckung
der Kosten zu beteiligen, und sich bei den Feierlichkeiten, die haupt-
sächlich in deutschfeindlichen Kundgebungen und Brandreden Derou-
ledes bestanden, durch seinen Kabinettschef vertreten ließ, der mit
M*"^ Adam auf die Erfolge der Liga anstieß, ist bekannt und beweist,
daß die Regierung diesen sogenannten „offiziellen Patriotismus" tat-
sächlich unterstützt.
Der Nachfolger des General Campenon, General Boulanger, hat
ein noch wirksameres Mittel gewählt, um sich als Revanchekriegsmini-
ster verherrlichen zu lassen. Er hat die „France militaire", eines der
schhmmsten Hetzblätter, welches schon früher Beziehungen zu ihm
unterhielt und Reklame für ihn machte, zu seinem Leiborgan erhoben.
Dieses Blatt erscheint, anstatt wie früher zweimal wöchentlich, ohne
Erhöhung des Abonnementspreises jetzt tägUch („plus en rapport avec
rimportance de nos moyens d'informations") mit Ausnahme des Mon-
tags, „weil die Bureaux des Kriegsministeriums am Sonntag geschlossen
130
sind"; dasselbe ist offiziös vom Kriegsministerium empfohlen worden
und empfängt von demselben zahlreiche Nachrichten früher als alle
anderen Fachblätter. Es erscheint überflüssig, den von mir früher
gegebenen Proben von der verbissenen und unehrerbietigen Sprache,
mit welcher diese Fachzeitung ihrem Haß gegen Deutschland gewöhn-
lich Ausdruck gibt, noch weitere hinzuzufügen; es genügt darauf hin-
zuweisen, daß ein würdiger Konkurrent der schmutzigsten Hetzblätter
zum offiziösen Organ des jetzigen Kriegsministers erkoren ist, ein
Blatt, welches wetteifert mit „La France" und dem „Antiprussien" in
Spionenriecherei, mit dem „Drapeau" und dem „Evenement" in der
Erfindung von Greueltaten preußischer Soldaten aus dem letzten Kriege
und der Enthüllung der geheimen Absichten des eroberungssüchtigen,
unersättlichen Deutschland, und endlich mit anderen chauvinistischen
politischen Blättern und dem russophilen ,,Progres militaire" in der Ent-
deckung der role si louche, welche Deutschland in allen europäischen
Verwickelungen spielt, sowie in der systematischen Aufreizung aller
anderen Staaten gegen Deutschland. Es ist das einzige mihtärische Blatt,
welches für den neuen Kriegsminister nur Worte der Anerkennung
und des Lobes hat, welches ihm in der niedrigsten Weise schmeichelt
und noch vor einigen Tagen prophezeite: „dans 5 ans, gräce ä lui,
l'armee frangaise, completement regeneree, fera pälir au loin les princes
allemands."
Andere Stimmen in der Presse wollen den Revanchekrieg nicht
so lange aufschieben und hoffen noch vor der Ausstellung 1889 mit
den bons voisins abgerechnet zu haben. Eine allmähliche Abnahme
des Chauvinismus in der nächsten Zeit ist daher um so weniger zu
erwarten, als die Liquidation der kolonialen Expeditionen im Früh-
jahr d. Js. den größten Teil der auf Madagaskar und in Tonking be-
findlichen Truppen nach Frankreich zurückführen und voraussichtlich
auch eine Steigerung des französischen Übermutes zur Folge haben
wird.
(gez.) von Villaume
Nr. 1224
Bericht des Militärattaches in Paris Oberstleutnant von Villaume
Abschrift
Nr. 304 Paris, den 29. April 1886
Ich habe bereits darauf hinzuweisen die Ehre gehabt, daß eines-
teils im allgemeinen nur solche afrikanische und europäische Truppen
in Tonking belassen worden sind, auf die man bei einem europäischen
Kriege nicht rechnet, anderenteils auf deren Ersatz durch Neuforma-
tionen Bedacht genommen ist. Alle anderen europäischen und afrikani-
9* 131
sehen Truppen, welche bei dem großen Rendezvous aux Vosges nicht
fehlen dürfen, werden bis Ende Juni in die Heimat zurückgekehrt
sein*.
Denselben Zweck der Versammlung der europäischen Streitkräfte
im kontinentalen Frankreich verfolgt General Boulanger auch jetzt mit
der Heranziehung aller in Afrika nur irgend entbehrlichen europäischen
Truppenteile.
Es ist bekannt, daß die kontinentale Armee seit dem Jahre 1880,
dem Beginn der tunesischen Expedition, zahlreiche Abteilungen aller
Waffengattungen in den afrikanischen Provinzen unterhält und die-
selben, wenigstens zum Teil, auch solange daselbst wird belassen
müssen, bis das Parlament die Gesetzentwürfe über die Schaffung einer
Kolonialarmee und die Vermehrung der afrikanischen Truppen an-
genommen hat.
Die in den drei algerischen Provinzen stationierten europäischen
Batterien sind, um die Lücken in den betreffenden Regimentern wieder
zu füllen, schon seit langer Zeit als neue, Batterien bis formiertj die ab-
kommandierten Genie- und Trainkompagnien sind den westHchen und
südwestlichen Armeekorps entnommen, fallen aber bei der Berechnung
der kontinentalen Streitkräfte kaum ins Gewicht.
Das tunesische Expeditionskorps, welches 1881 noch drei Divisionen,
bis 1884 noch ein Armeekorps, von da ab eine Division stark war,
wird Mitte Juni d. Js. auf eine Brigade zusammengeschrumpft und von
42 000 Mann, welche dasselbe vor fünf Jahren zählte, auf zirka 9500 Mann
reduziert sein.
Aus den anderen afrikanischen Provinzen werden die drei im vorigen
Jahre zur Aushilfe und provisorisch nach Afrika detachierten Jäger-
bataillone, deren Depots in Europa geblieben waren, hierher wieder
zurückkehren, sobald sie durch die algerischen Tirailleurs aus Tonking
abgelöst sind; außerdem sollen noch die vier Eskadrons der 7. und 13.
Chasseurs und einige der seit 1880 dort stationierten vierten Bataillone
zurückberufen werden.
Die nächste günstige Folge dieser Maßregeln ist, daß die drei Ka-
vallerieregimenter (6. Husaren, 7. und 13. Chasseurs) bezüglich ihrer
Mobilmachung mit den anderen Korps-Kavallerieregimentern wieder
auf gleichen Fuß gestellt, und daß mit Hinzurechnung der aus
Tonkin zurückkehrenden drei Bataillone von Mitte Juni d. Js. ab für
den europäischen Kriegsschauplatz 14 — 16 vierte Bataillone mehr als
bisher, sei es zu Festungsbesatzungen, sei es zu Reserveformationen,
* Schon in seinem Berichte vom 26. April (Nr. 303) hatte Oberstleutnant von
Villaume darauf hingewiesen, daß bis Mitte Mai das französische Expeditionskorps
in Tonkin und Annam auf eine starke Division, und zwar durchweg solche
Truppen reduziert sein werde, die für einen europäischen Krieg nicht in Frage
kämen, wie die Fremdenlegion und die Zephyrs.
132
verfügbar sein werden. Endlich aber fällt damit in Zukunft für die
kontinentale Armee die unbequeme Verpflichtung fort, die in den
Kolonien detachierten Truppenteile auf einem höheren Friedensstand
zu halten und durch Ersatzmannschaften immer von neuem zu kom-
plettieren, eine Maßregel, welche die schwachen Präsenzstärken noch
mehr herabdrückte, die Ausbildung störte und den Truppenteilen die
besten Kräfte entzog.
Frankreich wird also von Mitte Juni d. Js. ab in bezug auf die
Bereitschaft seiner Landstreitkräfte zu einem kontinentalen Kriege so
günstig gestellt sein, wie nie zuvor, und dürften die vorerwähnten
Maßregeln außer aus rein mihtärischen Gründen wohl mit im Hinblick
auf etwaige größere europäische Verwickelungen angeordnet sein. Sagt
doch die ,, France militaire", das Leiborgan des Kriegsministers, welches
nach nur kurzer Ruhepause seit einiger Zeit von neuem ihrem Deutschen-
haß die Zügel schießen läßt, daß Frankreich Griechenland unterstützen
müsse, um das Drei-Kaiser-Bündnis zu sprengen, „welches im großen
und ganzen nur gegen uns und die eventualite de nos revendications
gerichtet ist". „Travaillera qui voudra ä la consolidation de la triple
alliance; mais ce ne sera pas nous. Que nous Importe que 1' Antriebe
et la Russie en viennent aux coups? Mais que l'AUemagne se figure
bien que si eile veut jeter son epee dans la balance, nous nous souvien-
drons qu'en Alsace et en Lorraine on nous attend."
Angesichts der Lügen, welche die französische Presse unausgesetzt
über die Absichten Deutschlands verbreitet, und der verschiedenen
Mittel, welche sie gerade in der letzten Zeit anwendet, um der großen
Masse des Volkes die Furcht vor einem neuen Kriege mit Deutschland
auszutreiben, endlich bei der grenzenlosen Unkenntnis, welche im all-
gemeinen hier über das Ausland herrscht, ist es wahrlich nicht zu ver-
wundern, wenn man hier so vielfach der Auffassung begegnet, daß es
bald zu einem Kriege mit Deutschland kommen werde. Man muß
ferner berücksichtigen, daß es aus verschiedenen Gründen für Frank-
reich nur vorteilhaft sein kann, diese Eventualität möglichst bald
herbeizuwünschen. Die im Juni d. Js, beendigte Versammlung der
kontinentalen Streitkräfte, die augenblicklich in allen Kolonien herr-
schende Ruhe, welche aber über kurz oder lang wieder gestört werden
und neue Anforderungen an die kontinentale Armee stellen kann, endHch
die augenblickliche Ruhepause auf dem Gebiet größerer reformatori-
scher Veränderungen lassen diesen Wunsch seitens der Armeeleitung
und der militärischen Kreise erklärlich und berechtigt erscheinen. Und
daß man in den anderen Kreisen nur von diesem Kriege eine Ver-
besserung der kommerziellen und industriellen Verhältnisse, einen Aus-
weg aus den sozialistischen Wirren und aus den auf die Dauer unhalt-
baren inneren politischen Zuständen erwartet, ist bekannt.
Wenn ich daher zum Schluß den Eindruck über die herrschende
Stimmung zusammenfasse, welchen ich persönlich und aus den mir
133
zugegangenen Mitteilungen gewonnen habe, so ist es der, daß man in
der Armee, wie schon seit langer Zeit, den Krieg wünscht und an einen
baldigen Ausbruch desselben glaubt.
(gez.) von Villaume
Nr. 1225
Der Unterstaafssekretär im Auswärtigen Amt Graf von Berchem
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 249 Berlin, den 8. Mai 1886
Geheim
Ew. beehre ich mich, beifolgend 2 Berichte des Militärattaches
in Paris, Oberstleutnant von Villaume, vom 26.* und 29.** v. Mts. in
Abschrift resp. Auszug zur Kenntnisnahme mitzuteilen.
Wie Ew. aus den Anlagen ersehen werden, ziehen die Fran-
zosen alle ihre Kräfte zusammen, um sich für den Kampf fertig zu
machen; die Tendenz zum Kriege ist in vielen dortigen Kreisen so stark,
daß wir keinesfalls darauf rechnen können, Komplikationen im Osten
ohne Einmischung Frankreichs verlaufen zu sehen.
Der Herr Reichskanzler bittet Ew., dies dem Grafen Kälnoky
vertraulich mitteilen und auch dem Kaiser Franz Joseph bei sich bieten-
der Gelegenheit davon sprechen zu wollen.
Graf Kälnoky wird daraus entnehmen, wieviel Grund wir haben,
Wert darauf zu legen, daß Österreich-Ungarn mit Rußland in Frieden
bleibt und daß das Drei-Kaiser-Bündnis zusammenhält.
Wenn Frankreich uns allein angriffe, so würden wir ja sehen, wie
wir uns aus der Affäre ziehen ; aber es wäre für uns eine unerwünschte
Aussicht, in diese Lage zu kommen, wenn schon im Osten Händel
beständen. Die Situation macht auf uns den Eindruck, als ob wir noch
höheren Wert als sonst auf die Erhaltung guten Einvernehmens zwi-
schen den drei Kaisermächten legen müßten.
Wir werden dem französischen Angriff nicht zuvorkommen ; der-
selbe wird aber sicher eintreten, sobald im Osten Komplikationen ent-
stehen. In solchem Falle würde das antideutsche Gewicht Frankreichs
zugunsten Rußlands in die Wagschale fallen.
Ew. werden, wie ich lediglich zu Ihrer persönlichen Informa-
tion hinzufüge, aus dem Vorstehenden ersehen, wie sehr wir Grund
haben, im Osten Frieden zu halten; es müßte ein sehr gerechter
casus foederis sein, der uns veranlassen könnte, unter dieser Drohung
von Westen den Krieg im Osten zu führen.
Berchem
* Vgl. Nr. 1224, S. 132, Fußnote.
** Siehe Nr. 1224.
134
Nr. 1226
Der kommissarische Geschäftsträger in Wien Militärattache Graf
von Wedel* an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 230 Wien, den 25. Mai 1886
Vertraulich
Bei der heutigen durch Seine Majestät den Kaiser Franz Joseph
vorgenommenen Besichtigung eines Infanterieregiments, zu der auch
ich mich in gewohnter Weise eingefunden hatte, weil ich es für zweck-
mäßig halten zu dürfen glaube, wenn ich meine militärische Stellung
zur gelegentlichen Begegnung mit dem Monarchen ausnutze, kam Seine
Kaiserliche Hoheit der Kronprinz Rudolf, den ich infolge seiner Krank-
heit und längeren Abwesenheit von Wien während einiger Monate
nicht gesehen hatte, gleich zu Anfang an mich herangeritten, um mich
in ein längeres Gespräch zu verwickeln.
Der Kronprinz ging nach kurzer und gnädiger Begrüßung sofort
auf das politische Gebiet über, indem er mit einer gewissen Feierlich-
keit auf die in neuerer Zeit in Frankreich hervorgetretenen beunruhigen-
den Symptome hinwies. Seine Kaiserliche Hoheit bemerkte hierzu, daß
der Glaube an einen in diesem Sommer ausbrechenden Krieg zwischen
Frankreich und Deutschland hier in journalistischen und anderen Kreisen
neuerdings immer festere Wurzeln fasse, und daß dieser Glaube durch
die aus Frankreich hierher gelangenden Nachrichten erzeugt und ge-
nährt werde. Doch nicht in Frankreich allein, sondern auch in Deutsch-
land befestige sich, wie er höre, ein solcher Glaube, besonders in den
Kreisen der kleineren Geschäftsleute.
Auf letztere Äußerung hin habe ich dem Kronprinzen erwidert,
daß ich die Richtigkeit dieser Nachricht bezweifeln müsse, da mir in
der deutschen Presse eine derartige Auffassung bisher nirgends be-
gegnet sei. Das deutsche Volk sei, wie er wisse, ein friedliebendes,
das keine chauvinistischen Neigungen besitze, und wer die deutsche
Politik der letzten 15 Jahre mit unbefangenem Blick verfolgt habe, der
könne nicht einen Moment darüber im ungewissen sein, daß diese
sich ausschließlich auf die Erhaltung des Friedens richte, und daß
Seine Majestät, unser allergnädigster Herr, und Euere Durchlaucht
stets mit der ganzen Autorität und mit Erfolg für dieses Ziel ein-
getreten wären.
Aus diesem Grunde auch hätte ich mit Befremden von gewissen
Stimmen in der hiesigen Presse und besonders von einem in dem „Neuen
Wiener Tagblatt*' vom 23. d. Mts. enthaltenen Leitartikel — den ich
* Militärattache Graf von Wedel war Mitte Mai an Stelle des erkrankten Geschäfts-
trägers Grafen von der Goltz mit der Vertretung des beurlaubten Botschafters
Prinzen Reuß beauftragt worden.
135
in der Anlage mir ganz gehorsamst beizufügen erlaube — Kenntnis
genommen, in welchem die Anschauung vertreten werde, daß es der
deutsche Reichskanzler sei, der allein Antwort zu geben vermöge, ob
es zum Kriege zwischen Frankreich und Deutschland kommen werde*.
Die Verbreitung einer solchen Auffassung sei meiner Ansicht nach
ebenso irrig als gefährlich, da in Deutschland wohl kaum jemand an
etwas anderes als an eine etwa notwendige Abwehr denke, und den
Zeitpunkt für eine solche pflege doch der Angegriffene nicht zu be-
stimmen.
Ich glaube hier nicht unerwähnt lassen zu sollen, daß diese Er-
örterungen ledighch den Charakter eines Privatgesprächs trugen, und
daß ich mich zu einer Antwort in der vorstehend geschilderten Weise
nur um deswillen veranlaßt glaubte, weil sich einesteils der Kronprinz
über die in Frankreich getroffenen militärischen Maßnahmen — sei es
nun durch die Meldungen des österreichischen oder die Berichte unseres
Militärattaches in Paris, welche letzteren dem geheimen Erlasse Nr. 249
vom 8. d. Mts.** angeschlossen waren — orientiert zeigte, und weil
anderenteils die in meinem gehorsamsten Berichte Nr. 222 vom 19.
d. Mts. erwähnten Beziehungen des Kronprinzen zum Redakteur des
„Tagblatt" mir Anlaß zu bieten schienen, den durch dieses Blatt ge-
äußerten falschen Prämissen entgegenzutreten.
Seine Kaiserliche Hoheit antwortete mir übrigens lebhaft, daß er
die Friedensliebe des deutschen Volkes kenne und ebenso wisse, daß
die bisherige Erhaltung des europäischen Friedens lediglich Euerer
Durchlaucht zu danken sei.
Nichtsdestoweniger aber klang in den Worten des Kronprinzen
eine gewisse pessimistische Anschauung durch, welche hauptsächUch
in dem Glauben ihren Grund zu haben scheint, daß zwischen Ruß-
land und Frankreich für gewisse Eventualitäten Abmachungen bestehen,
ein Glaube, der, wie ich annehme, sich auf die jüngst von mir erwähnten
Äußerungen des Herrn Clemenceau stützt.
Einem solchen Glauben, welcher nicht etwa aus chauvinistischen
Regungen des Kronprinzen, sondern aus einem gewissen Mißtrauen
gegen Rußland entspringt, bin ich dadurch begegnet, daß ich es nach
meiner Ansicht für ausgeschlossen erklärte, daß der Kaiser Alexander
überhaupt und ganz besonders unter den gegebenen Verhältnissen mit
der französischen Republik eine Offensivallianz abschließen werde. Nicht
* Der Artikel „Die zwei Gewitter" des „Neuen Wiener Tagblatts" vom 23. Mai
1886, dessen Redakteur Szeps in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem
französischen Politiker Clemenceau stand, konstatierte, daß das Verhältnis zwischen
Deutschland und Frankreich sich verändert habe, nur wisse man nicht, wie und
wieso? Neben dem im fernen Osten stehenden Gewitter der orientalischen Frage
stiegen im Westen Zeichen auf, die vielleicht einen nahen Wetterausbruch be-
deuteten. Nur Bismarck könne wissen, ob es zu solchem Wetterausbruch kommen
werde usw.
** Siehe Nr. 1225.
136
von Rußland sei meiner Überzeugung nach ein Angriff zu fürchten,
zweifellos aber erscheine es mir, daß eine Verwickelung an anderer
Stelle für Frankreich ein Signal zum Losschlagen sein werde.
Qf. V.Wedel
Nr. 1227
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von
Bismarck an Kaiser Wilhelm I., z. Z. in Baden-Baden
Ausfertigung
Berlin, den 28. September 1886
Wie Euere Kaiserliche und KönigHche Majestät aus dem alier-
untertänigst hier beifolgenden Bericht Euerer Majestät Botschafters in
Paris vom 21.d. Mts. huldvollst zu entnehmen geruhen wollen, sucht
die französische Regierung neuerdings wieder — wie zur Zeit der Mi-
nisterpräsidentschaft des Herrn Ferry — Annäherung an Deutschland
zu gewinnen. Herr von Freyciriet hat sich Graf Münster gegenüber
dahin ausgesprochen, daß ihm ein dauernd gutes Verhältnis mit Deutsch-
land aufrichtig am Herzen liege. Als Zeichen dieser Gesinnung
wünsche er die Entsendung seines Vertrauensmanns Herbette als Bot-
schafter an Euerer Majestät Allerhöchsten Hofe angesehen zu wissen,
welcher mit der Instruktion nach Berlin gehe, dort die freundschaft-
hchsten Versicherungen abzugeben*.
Als Überbringer der Freundschaftsanerbietungen Frankreichs soll
Herr Herbette aber zugleich versuchen, die Unterstützung Deutschlands
gegen England namentlich in der ägyptischen Frage zu erlangen.
Es war schon seit einiger Zeit teils durch Äußerungen in der fran-
zösischen Presse, teils durch Andeutungen dortiger amtlicher Persön-
Hchkeiten nicht unbekannt geblieben, daß die französische Regierung
darauf ausgehe, sich Deutschlands Mitwirkung zu gemeinschaftlicher
Aktion gegen die englische Okkupation Ägyptens zu sichern.
Der Herr Reichskanzler hat mich beauftragt, Euerer Majestät bei
* Am 24. August 1S86 hatte der Berliner französische Botschafter Baron de Courcel
sein Abberufungsschreiben übergeben; an dessen Stelle war am Q.September
der bisherige Direktor im Pariser Auswärtigen Amt Herbette ernannt worden. Der
neue Botschafter führte sich dem Fürsten von Hohenlohe gegenüber, wie dieser
am 25. September berichtete, mit der Versicherung ein, er sei stets von der Not-
wendigkeit überzeugt gewesen, daß Frankreich mit Deutschland die besten Be-
ziehungen anstreben und erhalten solle; Elsaß-Lothringen träte in der öffentlichen
Meinung Frankreichs immer mehr in den Hintergrund, in den Vordergrund da-
gegen die französischen Interessen im Mittelmeer; namentlich wegen der ägyp-
tischen Frage müsse Frankreich suchen, sich gegen England mit allen anderen
Mächten zu verständigen. Ähnliche Äußerungen tat Herbette zu dem italienischen
Geschäftsträger in Paris; vgl. die Aufzeichnungen des Staatssekretärs Grafen
Herbert von Bismarck vom 17. und 20. Oktober 1886 in Bd. IV, Kap. XXIV: Der
zweite Dreibundvertrag, Nr. 828, 829.
137
Darlegung dieser Sachlage alleruntertänigst vorzutragen, daß er eine
solche Politik nicht befürworten könne. Die Rückwirkung der inneren
Zustände Frankreichs auf dessen auswärtige Politik, die letztere noch
wandelbarer macht, als die englische, und die Tatsache, daß einer
deutsch-französischen Entente immer dasjenige Vertrauen fehlen würde,
welches auch bei vorübergehend gemeinsamer Aktion notwendig ist,
muß uns allen französischen Annäherungsversuchen gegenüber sehr
vorsichtig machen. Die letzteren werden doch niemals aufrichtig sein,
sondern nur darauf ausgehn, uns schließlich mit anderen Mächten zu
verfeinden. Fürst Bismarck erbittet daher Euerer Majestät huldreiche
Genehmigung dafür, daß derartige Eröffnungen, falls sie französischer-
seits gemacht werden sollten, zwar nicht mit Schärfe abgelehnt, aber
doch ausweichend beantwortet werden und ergebnislos bleiben. Die
Motivierung einer dilatorischen Behandlung würde im Hinblick auf
die Haltung des Kriegsministers Boulanger nicht schwer sein.
H. Bismarck
Nr. 1228
Bericht des Militärattaches in Paris Oberstleutnant von Villaume
Abschrift
Nr. 331 Paris, den 3. Oktober 1886
Gegenüber den von der Regierung und der Presse immer wieder
erneuten friedlichen Versicherungen erscheint es erforderlich, auch die-
jenigen Anzeichen nicht unbeachtet zu lassen, welche darauf hindeuten,
daß die Armee sich immer mehr auf die Eventualität eines Krieges vor-
bereitet, und daß ihr Chef, wenn er den Krieg selbst nicht will, sich
doch den Anschein gibt, ihn zu wollen.
Denn, mag General Boulanger die kriegerischen Artikel seines
Leiborgans, der „France militaire", die er, wenn auch nicht inspiriert,
doch durch sein Verhalten hervorgerufen hat, noch so häufig dementieren,
mag er in seinen militärischen Ansprachen und chauvinistischen Ge-
legenheitsreden noch so vorsichtig alle kriegerischen Ausdrücke ver-
meiden, — der Sinn seiner Reden und seine Taten deuten auf keine
friedlichen Absichten.
Schon früher habe ich die Heranziehung aller in den Kolonien
nur immer entbehrlichen europäischen Kräfte nach dem Kontinent zu
melden die Ehre gehabt und im Militärbericht Nr. 32Q die wahren
Zwecke, welche General Boulanger mit seinen bekannten Manöver-
reden verfolgte, aufgedeckt. Die Verstärkung der Garnisonen an der
Südostgrenze durch Jägerbataillone, welche den westlichen Armeekorps
entnommen werden, dauert inzwischen ununterbrochen fort, die seit
langer Zeit vorbereitete Konzentrierung der 4. Kavalleriedivision an
unserer Grenze wird im Laufe dieses Monats beendet, und in der Um-
138
gegend von Beifort wird übereinstimmenden Nachrichten zufolge eifrig
an der Herstellung neuer starker Batterien gearbeitet. Im Sommer dieses
Jahres hat Hotchkiss eine Bestellung von 600000 Patronen für Re-
volverkanonen erhalten, welche bis zum Frühjahr 1887 geliefert sein
müssen, im August sind den Armeelieferanten außer ihren kontrakt-
lichen Lieferungen noch 200000 Paar Schuhe für zirka I1/2 Million
Franks, und vor einigen Wochen Bekleidungsstücke für je 100000 Franks
pro Armeekorps, für 1700000 Franks für Paris als Supplement auf-
erlegt worden, und ist als Ablieferungstermin der Monat März 1887
festgesetzt. Der Kriegsminister soll ferner beabsichtigen, infolge der
bei den Manövern zutage getretenen Felddienstunfähigkeit vieler höherer
Offiziere noch vor Schluß dieses Jahres eine allgemeine epuration der
Armee von allen non-valeurs vorzunehmen.
Daß General Boulanger inzwischen keine Gelegenheit verabsäumt,
um sich der großen Masse immer wieder als der zukünftige Revanche-
Kriegsminister und unversöhnlicher Feind Deutschlands ins Gedächtnis
zurückzurufen und die chauvinistischen Wünsche der Armee zu nähren,
versteht sich von selbst. Weiß er selbst doch am besten, daß auf den
nach dieser Richtung hin auf ihn gesetzten Hoffnungen seine ganze
Popularität beruht. Sie ist zwar mehr „bruyante" als „solide", aber
sie besteht unleugbar, selbst in der Provinz, wie die ihm bei den letzten
Manövern dargebrachten Huldigungen erkennen Heßen. General Bou-
langer spekuliert auch weniger auf die Sympathien der höheren Klassen,
denen er als Emporkömmling überhaupt feindlich gegenübersteht, als
auf den Beifall der urteilslosen, leicht erregbaren Menge, bei der ihm
selbst seine Fehler nicht geschadet haben, und auf das Vertrauen der
Armee.
Wenn er, der einsichtige Militär, bei dem Festessen zu Ehren des
hundertjährigen Chevreul* den Patrioten leben läßt, „der so energisch
gegen das Bombardement von Paris und dessen wissenschaftliche Reich-
tümer protestiert hat", so tut er es nur, um dem Chauvinismus des
Volkes zu schmeicheln. Die Übertreibungen in seinen prahlerischen
Reden, sein theatralisches Wesen, sein Interesse für äußeres Detail in
allen militärischen Dingen sind darauf berechnet, Eindruck auf den
großen Haufen zu machen; durch die mise en scene bei allen militäri-
schen Schaustellungen (Karussells, Paraden, Fackelzügen, feierlichen
Ordensverleihungen pp.), ja selbst durch Bestimmungen, wie z. B.
die Begleitung der Rekruten- und Reservistentransporte von und nach
den Bahnhöfen durch die Regimentsmusiken, will er sich die ver-
gnügungssüchtige Menge verpflichten und für sich Reklame machen.
Und wenn er sich durch diesen Mißbrauch der bewaffneten Macht zum
Zwecke der Volksbelustigungen auch zum Teil die Sympathien der
Armee verscherzt hat, so verstand er es, auf anderem Wege sich deren
Professor Mich. Eug. Chevreul, geb. 1786, bekannter Chemiker.
139
Vertrauen zu gewinnen. Sowohl meine Kollegen, wie andere fremde
Offiziere, denen gegenüber sich die französischen Kameraden bei den
Manövern über General Boulangers Verhältnis zur Armee offener als
zu mir aussprachen, haben meine Ansicht bestätigt, daß die Armee
ihren Chef nicht liebt, ja daß die anständigen Elemente ihn nicht ein-
mal achten, aber daß alle ohne Unterschied großes Vertrauen in ihn
setzen.
Ich glaube auch, daß der Ehrgeiz des General Boulanger sich dar-
auf beschränkt, dieses Resultat erreicht zu haben, da er wegen seines
Charakters und seiner politischen Gesinnungen auf wärmere Gefühle
für sich in der Armee doch nicht rechnen kann.
General Boulanger scheint seine ehrgeizigen politischen Wünsche
nach der Herrschaft der Republik wenigstens vorläufig aufgegeben zu
haben. Erfaßt von dem Schwindel seiner unerwarteten Größe und
Popularität, hatte er unvorsichtigerweise seine Karten zu früh auf-
gedeckt und auf diese Weise die Reihen seiner Gegner noch durch
zahlreiche Neider und diejenigen Elemente verstärkt, welche in dem ehr-
geizigen General eine Gefahr für die Repubhk sahen. Deshalb hat er
noch rechtzeitig zum Rückzug geblasen, wohl aber nur, um bei gün-
stigerer Gelegenheit wieder zur Offensive überzugehen. Denn man darf
nicht vergessen, daß er, wie viele seiner Vorgänger, besonders Farre*
und Thibaudin**, nicht wegen seiner militärischen Fähigkeiten, sondern
wegen seiner politischen Gesinnungen zum Kriegsminister ernannt
worden ist und deshalb teils verführt wird, die politischen Interessen
fast immer den militärischen voranzustellen, ja selbst seinen militäri-
schen Reformen eine politische Färbung zu geben, teils darauf an-
gewiesen ist, eher in der Pohtik als auf militärischem Gebiet die Be-
friedigung seines Ehrgeizes zu suchen.
Seit einiger Zeit verhält sich General Boulanger politisch ziemlich
ruhig und widmet sich fast ausschließlich seinen militärischen Pflichten.
Selbst bei der Anfang September an der Südostgrenze ausgeführten
Inspizierungsreise, welche ihn über Lyon, Grenoble, Briangon, Nizza
und Marseille führte, hat er sich aller öffentlichen, politischen oder
militärischen Kundgebungen enthalten. Trotzdem aber hat er das Miß-
trauen der aufrichtigen Anhänger der Republik und des Friedens noch
nicht ganz beseitigen können und sieht, wie ich aus guter Quelle weiß,
dem Zusammentritt der Kammern mit um so mehr Besorgnis ent-
gegen, als er bei Herrn von Freycinet und seinen Kollegen auf Unter-
stützung nicht rechnen zu können glaubt. Jedoch will er sich diesem
etwaigen Sturmanlauf seiner Gegner in der Kammer nicht unbewaffnet
gegenüberstellen, sondern trifft Vorkehrungen, um sie zu überzeugen,
daß er als Militär, als Kriegsminister, unersetzlich sei, und daß sie un-
patriotisch handeln würden, das Vaterland in dem jetzigen AugenbHcke
* General Farre, Kriegsminister 1880/82.
** General Thibaudin, Kriegsminister Januar bis Oktober 1883.
140
einer solchen Kraft zu berauben. Mit bekannter Zähigkeit verfolgt er
diesen Zweck schon seit längerer Zeit und hat seine militärischen Vor-
lagen, mit denen er vor der Kammer erscheinen wird, in geschickter
Weise so gewählt, daß sie gleichzeitig den langjährigen Forderungen
der öffentUchen Meinung Rechnung tragen. So wird er außerordent-
liche Kredite für die Neuorganisation und Ausdehnung des militärischen
Luftschifferwesens, für die Massenanfertigung von Repetiergewehren,
sowie für die Beschaffung von 220 mm Mörsern und Sprengbomben
verlangen. Zu den vor kurzem mit diesen neuen Geschossen (über
welche ich an anderer Stelle zu berichten die Ehre haben werde) gegen
das Fort Malmaison ausgeführten Versuchen hatie General Boulanger
die Mitglieder der Budgetkommission eingeladen und denselben bei
dieser Gelegenheit auch das neue kleinkalibrige Zukunftsrepetiergewehr
der französischen Armee vorgeführt. Er beabsichtigt ferner, falls die
Verhältnisse in Madagaskar eine abermalige Expedition dorthin nötig
machen sollten, im Einverständnis mit der Armeekommission aus seinem
loi militaire die die Kolonialarmee betreffenden Bestimmungen in der
Kammer zur sofortigen Beratung zu stellen. Es wird in der Presse
als eine patriotische Pflicht der Deputierten hingestellt, dem Kriegs-
minister diese Kredite, besonders aber die für die Beschaffung von
Repetiergewehren und Sprengbomben im Hinblick auf den von Deutsch-
land gewonnenen Vorsprung zu bewilligen.
In noch höherem Maße endlich hat General Boulanger die öffent-
liche Meinung auf seiner Seite bei der Forderung von 7 Millionen zur
Ausführung eines Mobilmachungsversuchs im nächsten Frühjahr, Aus
verschiedenen Gründen ist diese Angelegenheit unter den jetzigen Ver-
hältnissen für uns von besonderer Bedeutung.
Schon bald nach seiner Ernennung zum Kriegsminister hatte
General Boulanger einen solchen Versuch in den offiziellen Manöver-
bestimmungen für nächstes Jahr in Aussicht gestellt. Im Juli erschienen
dann im „Gil Blas" zwei augenscheinlich vom Kriegsminister inspirierte
Artikel, betitelt: „Le but du General Boulanger" und „Ce que veut le
General Boulanger". Dieselben führten aus, daß man nur aus Be-
sorgnis vor einem Veto Deutschlands einen solchen Versuch bisher
nicht gewagt habe, daß General Boulanger ihn aber dennoch unter-
nehmen wolle, weil er ihn für notwendig, es dagegen mit der Würde
Frankreichs nicht für vereinbar halte, sich eine solche Einmischung
Deutschlands gefallen zu lassen, sondern daß nach seiner Ansicht das
sicherste Mittel, um den Frieden zu bewahren, sei „de nous faire re-
specter de l'AUemagne".
Als sonstige Aussprüche resp. Ansichten des General Boulanger
über diese Frage werden noch angeführt:
„Ce qu'il faut c'est la France maitresse chez eile et ayant une armec
capable de la defendre contre n'importe quelle aggression."
„Verrait-on des lors quelque mal ä ce que l'AUemagne donnät la
141
permission d'examiner, si les rouages de notre mobilisation fonc-
tionnent bien?*'
General Boulanger beabsichtigt nicht, Deutschland den Krieg zu
erklären, „mais, par contre, ce que desir (et il le dit ä qui veut l'en-
tendre) c'est que la France se fasse respecter en ayant la male et
fiere attitude qu'elle ne doit pas abandonner sous peine d'abdiquer sa
dignite".
„Le General Boulanger estime, qu'il est bon, qu'il est digne, et
qu'il est salutaire de ne pas avoir une attitude humble, qui sied peu
ä notre caractere et ä notre Organisation."
Diese Auszüge genügen, um zu erkennen, welche Sprache die vom
Kriegsminister inspirierten Journale demnächst führen werden, wenn
Deutschland der französischen Regierung Vorstellungen wegen der
Mobilmachungsversuche machen sollte. Wird dem General Boulanger
doch bereits, wie ich aus guter Quelle weiß, von seiner eigenen Um-
gebung die Absicht untergeschoben, durch diesen Versuch Deutschland
provozieren zu wollen. Auf eine Einsprache desselben würden dann
die chauvinistischen Journale vom General Boulanger das mot d'ordre
empfangen, um die öffentliche Meinung in Aufregung zu versetzen,
und ich halte einerseits den Chauvinismus in Frankreich und den Wunsch,
mit Deutschland abzurechnen, noch für genügend stark und mächtig,
andererseits, dank der systematischen Schulung des letzten Jahres, das
Vertrauen des Landes in die Armee für genügend befestigt, um in einem
solchen Moment die patriotisch erregten Gemüter zu Ausbrüchen hin-
zureißen, welche unter Umständen trotz der allgemeinen Abneigung
des Landes gegen einen Krieg doch den Frieden gefährden könnten.
Auf einen solchen kritischen Moment ist die Wirkung aller jener
neueren Publikationen berechnet, welche den Franzosen Mut machen
sollen, wie „Nous sommes prets", „Avant la bataille", „L'Allemagne
teile qu'elle est", „La Reponse au Dr. Rommel" u. a. m., sowie die
zahlreichen, noch neuerdings gelegentlich der großen Manöver in der
chauvinistischen Presse erschienenen, „Ayons confiance", „Prets'' pp.
überschriebenen Artikel, welche die große Überlegenheit der französi-
schen Armee über die deutsche dartun sollen. Für einen solchen Moment
endlich, wo General Boulanger als der Verteidiger der Ehre und Würde
Frankreichs auftritt, braucht er seine Popularität im Volke.
Ob nun derartige Ideen in Wahrheit im Kopfe des ehrgeizigen
Chefs der Armee Platz gegriffen haben oder nicht — immerhin ist es
bezeichnend, daß ihn selbst seine nächste Umgebung solcher Pläne für
fähig hält. Jedenfalls kann unter Umständen ein mobiles Armeekorps
im Frühjahr in den Händen eines Boulanger ein gefährliches Spielzeug
sein. Der „Drapeau", das Organ der Patriotenliga und des Mr. Derou-
lede, welcher bekannthch im Auslande seiner festen Überzeugung Aus-
druck gegeben hat, daß Elsaß-Lothringen im Jahre 1889 wieder mit
Frankreich vereinigt sein würde, dankt in seiner Nummer vom 25.
142
V. Mts. den Offizieren der russischen Mission bei den diesjährigen
Manövern für ihre „poignees de main, qui contenaient plus qu'un
encouragement" mit den Worten: „Allons, messieurs, merci! a l'annee
prochaine, avant l'automne — au premier essai de mobilisation,"
(gez.) von Villaume
Nr. 1229
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt Grafen
zu Rantzau, z. Z. in Varzin
Eigenhändig
Varzin, den S.Oktober 1886
Der Herr Reichskanzler bittet, den Militärbericht Nr, 331 * an die
deutschen Höfe mitzuteilen, damit die verbündeten Regierungen im
Hinblick auf etwaige Reichstagsverhandlungen über die Situation in-
formiert sind.
Bei Mitteilung des Berichtes an den Herrn Kriegsminister möchte
hinzugefügt werden, Seine Durchlaucht bäte um die Meinung Seiner
Exzellenz und des Generalstabes, ob uns die Realisierung des Boulanger-
schen Mobilisierungsprojekts irgendwie der Gefahr einer Überraschung
aussetze. Wenn das der Fall wäre, würden wir in die Notwendigkeit
versetzt sein, auch unsererseits denselben Versuch der Mobilisierung
von einem oder zwei Armeekorps zu machen. Seine Durchlaucht würde
dann darauf Bedacht nehmen, in der Presse auf diese EventuaUtät vor-
zubereiten, indem man sagte, daß wir uns einer derartigen Verschiebung
des Gleichgewichtes nicht aussetzen könnten, sondern gezwungen wären,
unsererseits die gleiche Probe anzustellen.
C. Rantzau
Nr. 1230
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von ßismarck
Ausfertigung
Nr. 264 Paris, den 14. Oktober 1886
In den letzten Tagen ist wieder hier viel von Revanche die Rede
gewesen und haben manche bemerkenswerte Ausbrüche des Chauvinis-
mus stattgefunden. Je mehr ich von derartigen Kundgebungen sehe,
je mehr werde ich in der Ansicht bestärkt, daß zwar der von gewissen
Kreisen künstlich genährte Haß gegen Deutschland nicht im Abnehmen
begriffen, sondern vielmehr womöglich stärker ist denn je, daß aber
andererseits der Gedanke an einen Revanchekrieg weit davon ist, im
Volke populär zu sein. Einen allgemeinen Beifall findet die Deutschen-
* Siehe Nr. 1228.
143
hetze eigentlich nur dann, wenn das Wort Krieg dabei nicht aus-
gesprochen wird.
Jeder Vorschlag, feindUche Maßregeln gegen Deutschland, z. B.
auf wirtschaftlichem Gebiete, zu treffen, wird unbedingt von allen
Parteien und allen Klassen der Bevölkerung gutgeheißen. Anders steht
es mit dem Kriege. Der Wunsch, daß es einmal zur „revanche", zu der
„guerre sainte" kommen möge, wohnt unstreitig jedem Franzosen inne;
der Gedanke aber, die VerwirkHchung dieses Wunsches als nahe be-
vorstehend zu betrachten, ist zweifellos noch bei der Mehrzahl ein
äußerst unsympathischer und begegnet da, wo er ausgesprochen wird,
ernstem Kopfschütteln und dringenden Warnungen, pp.
Münster
Nr. 1231
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Reinschrift
Berlin, den 18. Oktober 1886
Der neue französische Botschafter, Herr Herbette, hat mir soeben
seinen ersten Besuch gemacht und bei Gelegenheit desselben unter
Überreichung der copie figuree gebeten, ihm baldmöglichst eine An-
trittsaudienz bei Seiner Majestät zu erwirken, pp.
(Auf Ägypten übergehend bemerkte Herr Herbette) : „Ich bin von
Herrn von Freycinet beauftragt, dem Fürsten Bismarck unsere Wünsche und
Ansichten in bezug auf das Mittelmeer auseinanderzusetzen und freue
mich sehr auf die erste Unterredung, die ich mit dem Reichskanzler haben
werde. Die guten Dienste, die Deutschland in den letzten Jahren uns in
bezug auf Tunis und unsere Kolonialpolitik geleistet hat, sind nur den
Eingeweihten bekannt, im großen Publikum ist durch die schlechte, teils
dumme, teils böswillige Presse der Glauben verbreitet worden, als
hätte Fürst Bismarck, indem er uns auf den kolonialen Weg stieß, nur
,le plan sinistre' verfolgt, uns Verwickelungen und Schädigungen zu-
zuziehen. Jetzt würde der Moment gekommen sein, um die öffentliche
Meinung in Frankreich über die wahren Absichten der deutschen Politik,
die uns ja in unseren Mittelmeerinteressen gewiß nicht kreuzen will,
aufzuklären. Vous verrez quelle detente s'opererait dans notre opinion
publique et comme tous les soupgons et apprehensions chez nous
disparaitraient du moment, que le Prince de Bismarck declare ouverte-
ment, qu'il veut faire valoir son enorme autorite pour le maintien du
Status quoi dans la Mediterrannee^, L'idee de la revanche est
surannee3 et la facon dans laquelle des faiseurs d'embarras, comme
par exemple ce faineant de Deroulede, parlent de la frontiere de l'est,
est maladive et on serait content chez nous de pouvoir s'occuper
d'autres choses. Si le Prince de Bismarck fait une declaration dans le
144
sens precite, une enorme detente se ferait chez nous de suite*; tous
les yeux se detourneront de l'est, et nous pourrons augmenter et
deployer toutes nos forces et ressources dans la Mediterranee; c'est
lä qu'il s'agit de nos interets vitaux, Pour nous c'est vraiment une
question d'existence comme Grande Puissance, que l'Angleterre evacue
FEgypte». Nous craignons, qu'ä l'heure qu'il est, l'Angleterre veut
faire garantir la neutralite du canal de Suez pour obtenir en echange
un mandat de maintenir l'occupation de l'Egypte. Ceci nous arrangerait
nullement; nous ne voulons retablir en Egypte l'empire turc comme
avant l'annee 1840, mais nous voulons que l'Egypte recouvre la sorte
d'independance dont eile a jouie avant le double controle, qui, entre
nous soit dit, etait une invention infecte. Aussi longtemps qu'il y a
des officiers chr^tiens ä la tete des troupes et milices egyptiennes, l'ordre
ne sera jamais solidement retabli. II faut que des officiers musulmans
soient ä la tete des armees egyptiennes. Une politique frangaise qui
aurait pour objectif d'atteindre ce but, serait immensement populaire
chez nous 6. Je Vous assure, que la Mediterranee est le pivot de notre
politique et puis les Anglais sont abomines chez nous, beaucoup plus
que les Allemands ne l'ont jamais ete''!"
Ich schaltete hier ein, daß mich diese letzte Äußerung lebhaft
überraschte: ich hätte immer geglaubt, daß die Gefühle der in den
50 er und 60 er Jahren zwischen Frankreich und England etablierten
entente cordiale noch vorherrschend wären, und daß die westmächtliche
Idee unter den französischen Politikern doch in der Hauptsache prävaUere.
Herr Herbette erwiderte mit einer bezeichnenden Handbewegung:
„Dies ist ein großer Irrtum; die Engländer machen uns seit Jahren
auf allen Punkten des Erdballs die größten Schwierigkeiten, überall
haben wir Reibungen mit ihnen und kontrekarieren sie uns; die Er-
bitterung gegen England ist bei uns auf das höchste gestiegen, und für
}eden französischen Minister würde es die dankbarste Aufgabe sein,
eine prononciert antienglische Politik zu verfolgen."
Ich enthielt mich jeder positiven Äußerung zu dieser Auseinander-
setzung und machte nur ab und zu, wo es anging, anodyne Bemerkun-
gen in verbindlicher Form, um die Unterhaltung auf freundschaftlichem
und zwanglosem Fuße weiterführen zu können*, pp.
H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ Y compris l'occupation anglaise?
^ kein Interesse
» ?
* ?
5 pas pour nous
8 f altes la donc!
^ ?
* Weitere Äußerungen Herbettes zu Graf Herbert Bismarck über die Ägyptische
Frage (vom 26. Oktober 1886) siehe in Kap. XXXIX, Nr. 1202.
10 Die Große Politik. 6. Bd. 145
Nr. 1232
Bericht des Militärattaches in Paris Oberstleutnant von Villaume
Abschrift
Nr. 335 Paris, den 22. Oktober 1886
Das schärfere Hervortreten der Revanchegelüste in Frankreich
datiert von dem Zeitpunkt, wo General Boulanger zum Kriegsminister
ernannt wurde, da derselbe schon lange Zeit vorher als Revanche-
kriegsminister der Zukunft für sich hatte Reklame machen lassen. Seit-
dem hat die Revancheidee in demselben Maße zugenommen, wie seine
Popularität, weil er kein Mittel und keine Gelegenheit unbenutzt ließ,
um den ihm vorausgegangenen Ruf zu rechtfertigen.
General Boulanger und die Revancheidee gehören jetzt so eng zu-
sammen, daß der eine nur mit resp. durch den anderen bestehen kann,
und daß sie sich gegenseitig ihres Einflusses auf die Massen zur Ver-
mehrung ihrer Popularität bedienen. Diese Verbindung ist sogar eine
so enge, daß von seinen Anhängern sein Sturz bereits als gleich-
bedeutend mit dem Verzicht auf Elsaß-Lothringen hingestellt wird.
In welchem Maße General Boulanger dadurch seine Position verstärkt
hat, wird die Regierung vielleicht erst dann erkennen, wenn sie, um
des inneren und äußeren Friedens willen, über kurz oder lang doch
noch versuchen sollte, sich dieses gefährlichen Störenfriedes zu ent-
ledigen. Mit jedem Tage wird ihr dies schwerer werden, da auch die
Kammer aus Besorgnis, unpatriotisch zu erscheinen, sich scheuen wird,
diesen Günstling des Volkes fallen zu lassen. General Boulanger ist
außerdem zu klug, um sich, nachdem er die öffenthche Meinung in
die von ihm vorgezeichneten Bahnen gelenkt hat, neue Blößen zu
geben. Die Saat, welche er gesäet, sprießt überall hervor, ohne daß
er den Boden noch weiter zu düngen braucht. Auch ohne die zahl-
reichen Dementis dieses besten Kunden der offiziösen Agence Havas
würde niemand daran zweifeln, daß er den neuen chauvinistischen
Publikationen, welche in der letzten Zeit wie Pilze aus der Erde wach-
sen, persönlich völlig fern steht. Er braucht sie weder zu subventio-
nieren noch zu inspirieren ; sie leben von der Popularität seines Namens
und der in ihm personifizierten Hoffnungen und liefern dadurch den
deutlichsten Beweis von der Unzertrennlichkeit seines Namens von der
Revancheidee. Die frischen Blüten, welche der Chauvinismus der letzten
Wochen getrieben hat, sind nichts als buchhändlerische Spekulationen,
welche die gegenwärtige „patriotische Erregtheit" der Bevölkerung
ausbeuten wollen, dadurch aber gleichzeitig die Revanchehoffnungen
derartig stärken, daß nach übereinstimmendem Urteil aller augen-
blicklich in Paris eine so gereizte Stimmung gegen Deutschland herrscht,
wie vielleicht noch nie nach dem Kriege.
Die kleine Broschüre „Maniere de combattre et battre les Prussiens
par le General L." hat, weil sie ein zu jämmerhches mihtärisches Mach-
146
werk war, nicht länger das Feld behauptet als der Boulangiste, Bar-
num und andere Pamphlete der Boulevards, welche gegen Boulanger
gerichtet waren. Das Geschäft, den großen Patrioten lächerlich zu
machen, hat nur sehr kurze Zeit Geld eingebracht. Die in den letzten
Wochen aufgetauchten chauvinistischen Publikationen huldigen jedoch
alle, ohne Ausnahme, dem neuen Stern, weil sie Boulanger als Stütze
und Träger der von ihnen gepredigten Revanche brauchen. Daß sie
nebenbei die Deutschenhetze im großen betreiben ä la „Antiprussien"
(jetzt „La Defense nationale" genannt) und „Drapeau" versteht sich von
selbst.
„L'Etoile", welcher seit Anfang dieses Monats erscheint, hat sich
die Verherrlichung, Anpreisung und eventuell Verteidigung des General
Boulanger zur Spezialaufgabe gewählt und läßt keinen Abend vergehen,
ohne wenigstens eine der vorzüglichen Eigenschaften oder bemerkens-
werten Taten seines Abgottes zu besingen. Doch fristet er nur kümmer-
lich sein Dasein, ebenso wie „La France armee", ein nur zweimal
wöchentlich erscheinendes neues politisch-militärisches Blatt. Dasselbe
bringt Artikel mit Illustrationen über die deutsche Armee und scheint
sich zur Aufgabe gestellt zu haben, gegenüber den kriegerischen und
Eroberungsgelüsten Deutschlands, gegenüber seinen Beleidigungen und
Provokationen die friedlichen Absichten Frankreichs, seine Bescheiden-
heit und Zurückhaltung seit dem letzten Kriege in das rechte Licht zu
stellen, damit schon jetzt Deutschland für den Grandjour als Friedens-
störer gebrandmarkt ist.
Beide Blätter werden aber in den Schatten gestellt durch die
seit dem 20. d. Mts. erscheinende „Revanche", welche sich bestrebt,
den Revanchekrieg jetzt ebenso populär zu machen, wie es bisher nur
die Revancheidee war, „de preparer l'opinion ä l'idee de la lutte, dont
rheure peut sonner d'un instant ä I'autre et de tenir en haieine le
sentiment public". Schon seit Wochen wurde für dieses Blatt in der
frechsten und unwürdigsten Weise Reklame gemacht. Der Chefredak-
teur desselben ist der bekannte Orleanist Peyramont, früher Mitarbeiter
des „Soleil", der als Gelegenheitsdiplomat im Jahre 1879 vom Herzog
von Decazes mit einer Mission an den in Baden-Baden weilenden
Fürsten Gortschakow betraut wurde. Das Redaktionsbureau befindet
sich gegenüber dem Cercle militaire an dem belebtesten Punkte von
Paris und ist seit langer Zeit durch ein Aushängeschild bezeichnet, wel-
ches in enormen Buchstaben den kriegerischen Titel des Blattes unter
dem mit russischen und französischen Fahnen geschmückten Wappen
von Elsaß-Lothringen mit der Umschrift „Lorraine, Alsace Gaulois
point ne renonce" trägt. Auf den belebtesten Promenaden wurden zahl-
reiche Reklameschilder dieses Journals getragen oder auf Reklame-
wagen umhergefahren, von denen einige den General Boulanger in
der Uniform des französischen Infanteristen an der Spitze der Truppen
mit gefälltem Bajonett zum Angriff vorgehend, andere auf der Land-
10' 147
karte Europas in der Mitte die mit einem preußischen Helm ge-
schmückte pieuvre allemande darstellten, über welche von der einen
Seite ein französischer Infanterist mit umgedrehtem erhobenem Gewehr,
von der anderen ein russischer Soldat, welcher der Hydra den Schwanz
abzuschneiden bestrebt ist, herfallen. Da die Träger der letztgenannten
Bilder außerdem durch ihre freudigen Gesten Ansammlungen hervor-
riefen, so wurden sie von der Polizei mit Beschlag belegt, erschienen
jedoch am nächsten Tage vor den Fenstern des Redaktionsbureaus
wieder, und zwar mit der Überschrift „affiches saisies et interdites par
le gouvernement, en violation de la loi sur la liberte de la presse".
Da sich natürlich auch hier zahlreiche Gruppen Neugieriger bildeten,
so störte die Polizei auch dieses Vergnügen, konnte jedoch, nebenbei
bemerkt, die ungesetzliche Beschlagnahme nur aufrechterhalten, indem
sie Herr von Freycinet mit seiner eigenen Verantwortlichkeit als Chef
der Regierung deckte.
Ich habe mich zu verschiedenen Tageszeiten mehrfach in diesen
Gruppen bewegt; dieselben verhielten sich völlig ruhig und ließen
außer vereinzelten chauvinistischen Ausrufen und Bemerkungen weder
Worte des Tadels noch der Zustimmung über diese Art der Reklame
hören.
Der Leitartikel der ersten Nummer dieses Blattes trägt als Vignette
das Porträt des General Boulanger und ist in Briefform an „la per-
sonnification de l'honneur national ä venger notre espoir ä tous" ge-
richtet. Unter den Versprechungen, welche derselbe enthält, verdienen
die nachfolgenden hervorgehoben zu werden: „Nous nous appliquerons
ä relever tous les defis, ä noter toutes les menaces, ä enregistrer toutes
les injures qui nous sont journellement prodiguees de Pautre cote
du Rhin. Nous signalerons, avec une persistance infatigable, tous les
incidents politiques qui pourront etre utilises contre l'ennemi. Nous
provoquerons, nous entretiendrons et nous envenimerons, au besoin,
les haines de ses rivaux et de ses victimes."
Diese Sprache läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Be-
rücksichtigt man ferner, daß die Feuilletonartikel mit den Überschriften:
„Les Fran^ais au bagne allemand" und „L'ennemi hereditaire" an Ent-
stellung und Gehässigkeit den „Drapeau" und die „France" neidisch
machen könnten, und daß die Neugierde des Publikums schon seit so
langer Zeit rege gemacht worden war, so kann man sich nicht wun-
dern, wenn von diesem Hetzblatt am ersten Tage in Paris ungefähr
130000 Exemplare verkauft wurden. Der Rückschlag wird jedoch um
so weniger ausbleiben, als fast die gesamte Presse, welche seinerzeit
dieses Blatt als der Verteidigung der nationalen Interessen gewidmet
und von einem glühenden Patriotismus eingegeben hingestellt hatte,
jetzt den neuen Konkurrenten totschweigt. Nur einige republikanische
Zeitungen, wie „Paris", „La France libre" pp. geben sich die Mühe,
entweder „La Revanche" lächerlich zu machen oder eine derartige
148
Monopolisierung und kommerzielle Ausbeutung des Patriotismus an
den Pranger zu stellen.
Daß übrigens dieses Spielen mit dem Feuer selbst hier nicht als
völlig harmlos und unbedenklich angesehen wird, zeigte die Haltung
der Presse schon jener Reklame gegenüber. Der chauvinisme pousse
ä cet exces wurde verurteilt und un peu plus de sang-froid empfohlen,
weil derartige Provokationen sowohl Frankreich die Achtung und die
Sympathien des Auslandes grade in einem Moment verscherzen könnten,
wo ihm diese Gefühle von allen Seiten entgegengetragen würden, als
auch der Regierung diplomatische Schwierigkeiten bereiten könnten.
Dieser Besorgnis vor Verwickelungen mit dem Auslande, sei es
infolge von Ausbrüchen des überreizten Chauvinismus oder der in
General Boulanger personifizierten Kriegsgefahr, entsprang auch die
allgemeine Verurteilung, welche der bekannte Sensationsartikel des
„Figaro", überschrieben: „Encore lui", in der repubhkanischen Presse
gefunder. hat. Derselbe wurde teils als ein von den Orleanisten aus-
gehender indirekter Angriff gegen die Repubhk, teils als unpatriotisch
hingestellt (il fait le jeu de l'Allemagne), weil er das Ausland gegen
Frankreich aufreize. Wohl nicht ganz ohne Berechtigung werfen bei
dieser Gelegenheit einzelne Journale den Orleanisten vor, daß sie durch
Verleumdung des Generals Boulanger und der Republik auf einen Krieg
hinarbeiten, weil sie, immer mehr von der Aussichtslosigkeit einer Re-
stauration in friedlichen Zeiten überzeugt, nur noch auf den Krieg,
eventuell den Ruin des Landes hoffen können. In General Boulanger
fürchten sie vielleicht einen Konkurrenten, der ebenfalls im Trüben
fischen will.
Unter die Beteuerungen der friedlichsten Absichten mischt sich bei
anderen Journalen der Hinweis, daß die Wolke jeden Tag platzen
könne. Im Hinblick darauf nehmen auch alle republikanischen Blätter
ohne Ausnahme den arg verleumdeten, völlig verkannten und un-
schuldigen Kriegsminister, „le patriote eprouve", in Schutz, als ob er
kein Wasser trüben könne, an keinen Krieg dächte, sich fern von aller
Politik hielte und nur darauf bedacht sei, die Armee stark und im
Auslande gefürchtet zu machen.
Aber trotz aller dieser Versicherungen hat Philippe de Grandlieu
im „Figaro" nicht nur Recht, wenn er den General Boulanger als den
eifrigsten Anhänger der Revancheidee hinstellt, sondern die Republi-
kaner selbst sind zum größten Teil der gleichen Ansicht. Aber sie
wollen nicht, daß die stillen Hoffnungen, welche sie auf diesen Kriegs-
minister setzen, ausposaunt werden, damit die Republik nicht in den
Verdacht kriegerischer Absichten gerät, und damit sie nicht vielleicht
früher zum Kriege getrieben werden, als es ihnen paßt. Weil sie selbst
kein reines Gewissen haben, kam ihnen auch der „La guerre" über-
schriebene Sensationsleitartikel der republikanischen „France", welcher
dem General Boulanger dieselben kriegerischen Absichten unterlegt,
149
wie der „Figaro", so ungelegen. Während der letztere ihn jedoch des-
halb tadelt und auf die Gefahren hinweist, denen Frankreich dadurch
ausgesetzt ist, lobt ihn die „France", weil er die patriotische Fiber der
Nation hat vibrieren machen, und weil er das materiell für den Krieg
bereite Frankreich nun auch moralisch für denselben vorbereiten will.
„II est le lutteur en qui nous mettons nos esperances, le soldat en qui
se personnifient nos aspirations, pour quand? Pour demain peut-etre.
Pour le jour oü surgira une occasion favorable! II est pret et nous
aussi! Le plus tot sera le mieux!"
Während durch solche kriegerische Artikel die Gemüter beunruhigt
und aufgeregt werden, wird der Kampf gegen die deutsche Kon-
kurrenz mit ungeschwächten Kräften fortgesetzt. Der deutsch-französi-
sche Bierkrieg hat zu so parteiischen und strengen Vorschriften des
radikalen Handelsministers bezüglich der Einfuhr der deutschen Biere
geführt, daß dadurch, wie mir hiesige Industrielle versichern, unserer
Ausfuhr beträchthcher Schaden zugefügt wird. Derselbe Herr Lockroy
hat nun, allein auf eine Denunziation des „Drapeau" hin, nicht nur vom
1. November ab die Einfuhr deutscher, mit französischer Marke ver-
sehener Spielwaren verboten, sondern auch einen besonderen Gesetz-
entwurf gegen die contrefagons etrangeres für die Kammer vorbereitet,
welcher ebenso den Stempel des Deutschenhasses wie der Leichtfertig-
keit und Übereilung an sich trägt. Der Grund für diese Maßregeln
war eine Karte des „verstümmelten Frankreichs", welche von einem
Mitgliede der Patriotenliga in einem aus Deutschland importierten, eine
Dorfschule darstellenden Spielzeug entdeckt worden war. Den alten
Frauen oder Kindern, welche diese Karten antuschen, ist das Versehen
passiert, daß sie anstatt mit dem Pinsel den feinen punktierten Grenz-
linien zu folgen, die dicken Striche der Maas und Rhone bis nach Mar-
seille hinuntergefahren sind. Auf diese Weise ist das Departement
der Vogesen und Beifort an Deutschland, Savoyen, die Dauphine und
Provence an Italien gefallen und so „La France ä la prussienne" ge-
schaffen. Und deshalb wird so viel Geschrei gemacht und werden die
Deutschen mit den gröbsten Schimpfwörtern traktiert. „La dignite
nationale est odieusement outragee! C'est une Infamie! C 'est un plan
concerte! C'est une carte provocatrice, une carte outrageuse pour la
patrie, un document de mensonge et de vol!" Das „Petit Journal" ruft
sogar aus: „La coupe est pleine, eile deborde!"
So lächerlich uns auch alles dies erscheint, so hat diese Art der
Deutschenhetze doch einen sehr nachteiligen Einfluß auf unseren Handel.
In diese Zeit der patriotischen Erregung ist auch noch die Rück-
kehr des Revancheapostels Deroulede von seiner Reise autour de
l'Allemagne* gefallen, von der er den Eindruck mitgebracht hat, daß
* Im Sommer 1886 hatte bekanntlich der Führer der Patriotenliga, Deroulede, eine
antideutsche Agitationsreise nach Italien, Rußland und Skandinavien unternommen.
In Rußland, wo er von Mitte Juli bis Ende August weilte, hielt er namentlich in
150
die heilige Liga gegen Deutschland bereits geschlossen ist. Italien,
Rußland und die Staaten der skandinavischen Halbinsel warten seiner
Meinung nach nur auf das von Frankreich zu gebende Signal, um über
uns herzufallen. Bei den seit Jahren gehegten und gepflegten Hoff-
nungen auf eine Allianz mit Rußland mißt man den Versicherungen
Derouledes von den allgemeinen und großen Sympathien dieses Landes
für Frankreich am meisten Glauben bei. Das Redaktionsbureau der
„Revanche" hat diesen Hoffnungen bereits dadurch eine greifbare Ge-
stalt verliehen, daß seit einigen Tagen über seinen Fenstern Fahnen-
bündel prangen, in denen eine große russische Fahne von französischen
umgeben ist. Auch die meisten illustrierten Zeitungen bringen seit den
letzten Wochen zahlreiche anerkennende Artikel und Bilder über Ruß-
land und die russische Armee, während die Karrikaturen über uns in
ihrer Gemeinheit und Gehässigkeit den Produkten der Kriegsjahre
immer ähnlicher werden.
Alles dies beweist, daß der Chauvinismus zurzeit hier wieder in
voller Blüte steht, und daß einerseits General Boulanger diejenige
Persönlichkeit, andererseits eine Allianz mit Rußland diejenige Even-
tualität ist, auf welche die Franzosen ihre Revanchehoffnungen in erster
Linie gründen.
(gez.) von Villaume
Nr. 1233
Der Staatssekretär desAuswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept
Nr. 424 Berhn, den 13. November 1886
Ew. pp. beehre ich mich anbei zu Ihrer vertraulichen Kenntnis-
nahme Abschrift einer Registratur zu übersenden, welche der Herr
Reichskanzler über seine gestrige Unterredung mit Herrn Herbette zu
den Akten gegeben hat. H. Bismarck
Der französische Botschafter regte bei einem Besuch, den er mir
gestern machte, die ägyptische Frage an. Ich sagte ihm, daß wir gern
bereit sein würden, eine freundschaftliche Verständigung Frankreichs
mit England über die Zukunft Ägyptens zu vermitteln; einen Druck
auf England, die Evakuation zu beschleunigen, könnten wir aber nicht
ausüben; wenn Frankreich eine Pression in dieser Frage ins Werk
setzen wollte, so würde es sich an Rußland wenden müssen.
Odessa Reden zur Anbahnung eines französisch-russischen Bündnisses gegen
Deutschland und fand in panslawistischen Kreisen viel Entgegenkommen; doch
wurde er schließlich durch die russische Regierung auf Betreiben des Fürsten
von Bismarck an weiterer öffentlicher Agitation verhindert. Vgl. auch Kap. XXXIX,
Nr. n9Q.
151
Herr Herbette sagte mir darauf, Frankreich wolle langsam vor-
gehen und England nicht brüskieren; die französische Regierung hätte
den Glauben, daß, wenn man die Frage der Evakuation Ägyptens über-
haupt offiziell zur Sprache brächte, die Tatsachen und die Logik die
Engländer mit der Zeit dahin bringen würden, dieselbe mit einem be-
stimmten Termin in ihr Programm aufzunehmen. Eine Pression wolle
Frankreich nicht, und noch weniger einen Bruch mit England. Der
Botschafter betonte dies wiederholt, als ich ihm sagte, daß unsere
Politik den Frieden an sich erstrebe, weil heutzutage ein Krieg zwischen
zwei großen Mächten eines der größten Übel wäre; in einen solchen
Krieg würde bei der hochgetriebenen Entwickelung aller europäischen
Beziehungen immer auch eine dritte Macht hineingezogen werden ;
jedenfalls würde eine solche nicht tertius gaudens bleiben können,
allein schon, weil sie bei einem Kriege zwischen zwei großen Nachbarn
wirtschaftlich zu sehr leiden würde.
Ich sagte Herrn Herbette ferner, daß die Pourparlers, welche
Frankreich etwa mit Rußland über Ägypten hätte, uns durchaus nicht
beunruhigten*. Herr Herbette nahm hiervon mit Befriedigung Akt.
Als ich ihm weiter bemerkte, daß unsere Politik in einer abstention
bienveillante bestehe, war Herr Herbette damit nicht ganz zufrieden;
er wollte mehr und meinte, wir würden durch eine der französischen
Politik entgegenkommende Haltung einen sehr guten Eindruck in Frank-
reich erreichen; ich sagte, daß ich hieran nicht zweifelte, fragte aber,
ob dies pour longtemps vorhalten würde, worauf er mit assurance nicht
antworten konnte.
Herr Herbette sprach sich mit lebhafter Bewunderung über Herrn
von Freycinet und dessen Eigenschaften aus, worin ich natürlich ein-
stimmte: er äußerte die Überzeugung, daß Herr von Freycinet sehr
fest stände und durchaus Herr der Situation sei: alle andern Minister
wären nur subalterne Naturen, ob mit oder ohne Uniform, und fielen
dem President du Conseil gegenüber nicht ins Gewicht.
Nr. 1234
Der stellvertretende Chef des Generalstabes General quartiermeister
Graf von Waldersee an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Geh. J. Nr. 140 Berlin, den 16. November 1886
Die in letzter Zeit von dem Oberstleutnant und Flügeladjutanten
von Villaume aus Paris erstatteten Berichte** sind nach meinem Dafür-
halten unter dem Eindruck geschrieben, daß wir auf den baldigen Aus-
bruch eines Krieges gefaßt sein müßten.
* Vgl. Kap. XXXIX, Nr. 1202.
** Vgl. namentlich Nr. 1223, 1228, 1232.
152
Ich kann diese Auffassung vom militärischen Standpunkte aus
nicht teilen.
Die gemeldeten Rüstungsmaßregeln, wie Beschaffung von Be-
kleidungs- und Munitionsvorräten, Batteriebauten bei Beifort und der-
gleichen, halte ich für bedeutungslos und bin der Überzeugung, daß
Frankreich gerade aus militärischen Rücksichten den Wunsch haben
muß, jetzt einen Krieg mit uns zu vermeiden, und führe zur Begründung
meiner Ansicht an:
In der Bev^^affnung mit Repetiergewehren haben wir Frankreich
völlig überrascht und einen Vorsprung voraus, der in Jahresfrist kaum
einzuholen ist.
Wir haben den General Boulanger, der glaubte, für die Konstruk-
tion eines neuen Oewehrmodells ausreichende Zeit zu haben, genötigt,
Repetiergewehre an die Armee auszugeben, die sich in Tonking nicht
bewährt hatten, und, um nicht ganz hinter uns zurückzubleiben, von
diesem Modell größere Massen anfertigen zu lassen. Er wird sehr un-
gern zu einem Kriege schreiten, bei dem sich der Zorn der Nation über
die schlechte Infanteriebewafl'nung sogleich gegen ihn richten würde.
In Frankreich sind Versuche im Gebrauche von Explosivgeschossen
gegen fortifikatorische Anlagen in diesem Sommer zum Abschluß ge-
kommen. Sie haben zu der Erkenntnis geführt, daß die Festungen an
Widerstandsfähigkeit erheblich verloren haben, und ist man völlig dar-
über orientiert, daß wir auch auf diesem Gebiete ihnen weit voraus sind.
Zunächst steht man in Frankreich unter dem — nach meiner Über-
zeugung etwas zu weit gehenden — Eindrucke, daß die unter so
kolossalem Geldaufwand hergestellten Befestigungen, die eine Invasion
nahezu unmögHch machen und Paris für immer vor Belagerungen
schützen sollten, unseren Geschossen bald erHegen würden.
Die in der französischen Presse wohl absichtlich viel besprochenen
Äußerungen des Generals Boulanger über die Notwendigkeit, zur Offen-
sive sowohl auf dem Schlachtfeld wie in der Kriegführung überhaupt
zurückzukehren, stehen mit diesen Eindrücken unbedingt im Zusammen-
hange, sind Renommagen und haben zunächst den Zweck, die Aufmerk-
samkeit von der Entwertung der Festungen abzuleiten.
Welche Bedeutung dieser Frage beigemessen wird, ergibt die
Kreditforderung von 2 — 300 Millionen Franks für Verstärkung der
Festungen.
Endlich liegt der Kammer ein Heeresreorganisationsprojekt vor,
das naturgemäß zur Durchführung ansehnliche Zeit erfordert, innerhalb
der zu einer Mobilmachung überzugehen sehr schwierig sein würde.
Ich bin daher der Ansicht, daß in Frankreich augenblicklich
Friedensbedürfnis vorherrschend ist, daß wir keine Besorgnis zu haben
brauchen, von dort angegriffen zu werden, daß sogar Frankreich nötig
hat, uns seiner FriedensHebe zu versichern.
Daß Frankreich seit 15 Jahren mit Konsequenz, wenn auch oft mit
153
Ungeschick, sich darauf vorbereitet, den Revanchekrieg zu führen, ist
ja zweifellos, und bin ich auch überzeugt, daß es sofort zum Kriege
schreiten würde, wenn wir nach anderer Seite in ernste Verwickelungen
kämen; allein wagt es den Krieg aber nicht, und auf keinen Fall in
einer nahen Zukunft.
Vom rein mihtärischen Standpunkte abgesehen, möchte ich auch
noch der Überzeugung Ausdruck geben, daß die Republik überhaupt
ungern zum Kriege schreitet; die jetzigen Inhaber der leitenden und
einflußreichen Stellen fühlen sich viel zu wohl, um Ereignisse herbei-
zuwünschen, durch die sie leicht beseitigt werden könnten.
Die Wirkung der französischen Hetz- und Revancheblätter und
öfter wiederkehrender antideutscher Demonstrationen auf die öffent-
liche Meinung, vermag ich nicht so hoch anzuschlagen als — wie mir's
scheint — Oberstleutnant von Villaume.
Die ersten Nummern solcher oft nur ein kurzes Dasein fristender
Blätter pflegen reißend abzugehen, Abonnenten erhalten sie überhaupt
nicht, und bald liest niemand mehr ihre albernen Phrasen.
Es muß berücksichtigt werden, daß der Deutschenhaß ein Speku-
lationsfeld zu persönlichen Zwecken geworden, welches von Politikern,
Militärs, Schriftstellern und Geschäftsleuten — jeder nach seinen Inter-
essen — umsomehr ausgebeutet wird, als bekanntlich höchst un-
bedeutende Persönlichkeiten sich auf diesem Wege zu Stellung, An-
sehen und Vermögen verholfen haben.
Größere Beachtung würde erst nötig sein, wenn die Überzeugung
gewonnen wäre, daß die Regierung oder einzelne Minister, wie z. B.
Boulanger, treibend dahinter ständen*.
Der Generalquartiermeister
Gf. Waldersee
Nr. 1235
Der Botschafter in London Graf von Hatzfeldt an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Entzifferung
Nr. 387 London, den 5. Dezember 1886
Erlaß Nr. 1009 vom 28.v. Mts.** nebst Anlagen erhalten und gestern
abend Gelegenheit gehabt, in einer vertraulichen Unterhaltung mit Lord
* Fürst Bismarck ließ dem Grafen von Waldersee darauf durch den Staatssekretä/"
des Auswärtigen Amtes schreiben, „daß er die in dieser interessanten Mitteilung
niedergelegten Ansichten teile".
** Im Erlaß vom 28. November 1886 hatte Bismarck bemängelt, Lord R. Chur-
chill habe bei den Erörterungen über eine kriegerische Verwicklung mit Rußland
und einen sich daraus ergebenden Angriff Frankreichs auf Deutschland noch
niemals angedeutet, was dieses in solchem Falle von England zu erwarten haben
würde. Vgl. Bd. IV, Kap. XXV: Verhandlungen über eine Entente zwischen Eng-
land und Österreich 1886.
154
Randolph Churchill Euerer Durchlaucht Diktat vom 27, v. Mts.* in
geeigneter Weise als meine persönliche Meinung zu verwerten, pp.
Die Unterhaltung wandte sich nun auf Frankreich und seine vor-
aussichthche Haltung im Falle eines Krieges zwischen Rußland und
Österreich. Als ich die Überzeugung aussprach, daß wir dann unter
allen Umständen einen französischen Angriff zu erwarten ^ und mit
allen Kräften abzuwehren haben würden, erwiderte mir Lord Ran-
dolph Churchill, daß er eine Verständigung über die Unterstützung,
die England uns dabei gewähren könnte, ebenfalls für möglich halte.
Jedenfalls würde England den Schutz unserer Kolonien gegen etwaige
Angriffe übernehmen**, pp. Hatzfeldt
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
^ ?? M[eines] E[rachtens] hätte dann eher Frankreich zu fürchten; jedenfalls
würden wir England vor französlischem] Angriff bewahren können. Wahr-
scheinlich würde unser Schwert das französ[ischel in der Scheide erhalten.
Nr. 1236
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 845 Berlin, den 18. Dezember 1886
pp. Der Herr Reichskanzler hat aus den Äußerungen des Kaisers
Franz Joseph*** den Eindruck gewonnen, daß höchstderselbe die Ge-
fahren eines französischen Krieges und die Stärke der französischen
Macht erheblich unterschätzt; die französische Armee ist gegenwärtig
stärker als die unsrige. Um uns mit Sicherheit zu verteidigen, werden
wir so ziemlich unsere volle Stärke am Rhein gebrauchen und können
froh sein, wenn das ausreicht. Wir sehen den französischen Krie^ als
ziemlich nahe bevorstehend an und haben deshalb den Wunsch, den
gleichzeitigen russischen Krieg nach Möglichkeit zu vermeiden. Es
ist kein Beweis von Wohlwollen, daß Österreich auf die schwierige
Lage, in der wir uns unter dem beständigen französischen Alpdruck
befinden, so wenig Rücksicht nimmt, und daß es trotz des mit großer
Wahrscheinlichkeit bevorstehenden französischen Krieges uns Vorwürfe
* Siehe Bd. IV, Nr. 873.
** Diese vagen Versicherungen befriedigten den Fürsten von Bismarck nicht. Am
11. Dezember schrieb der Staatssekretär Graf Herbert von Bismarck im Auftrage
des Kanzlers an Hatzfeld: „Daß Lord R. Churchill eine Verständigung über die
Unterstützung, die England uns etwa gegen Frankreich gewähren könnte, für
möglich hält, ist gewiß erfreulich, wenn damit auch nicht mehr gesagt ist, als was
jedem Zeitungsleser einleuchtet: Etwas naiv klingt nur die Versicherung, daß
England den Schutz unserer Kolonien gegen Angriffe übernehmen würde! Das
Schicksal unserer Schutzgebiete bei einem französisch-deutschen Kriege wird nie-
mals zur See, sondern lediglich durch unsere Landarmee entschieden werden".
*** Vgl. Bd.V, Kap. XXXII, Nr. 1025, Fußnote.
155
macht, weil wir den Krieg mit Rußland zu vermeiden suchen. Unsere
beiderseitigen Interessen weisen uns darauf hin, uns gegenseitig zu
unterstützen, im Fall einer von uns angegriffen werden sollte, aber
doch auch alles zu tun, was möglich ist, um einen solchen Fall zu
verhindern. Nach unserer Schätzung der Wehrkräfte würde der gleich-
zeitige Kampf der beiden österreichisch-deutschen Kaiserreiche gegen
Frankreich und Rußland immer ein schwieriger, sogar ein ungleicher
sein, und in der bulgarischen Frage liegt absolut kein Äquivalent für die
Opfer, die ein solcher Krieg fordern würde, pp.
H. Bismarck
Nr. 1237
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck*
Privatbrief. Abschrift
Ganz vertraulich Paris, den 20. Dezember 1886
pp. Nach allem, was ich höre aus Deutschland und namentlich von
Berlin, erwartet man den Krieg mit einiger Sicherheit zum Frühjahr^;
worauf basiert das? Ich vermute, hauptsächlich auf den Verhandlungen
in Kommission und Reichstag**?
Hier ist die Stimmung der Republikaner und, wie ich von gut
unterrichteten Seiten höre, in der Provinz entschieden friedlich.
Gestern besuchte mich Courcel, behauptete dies auch, sagte dabei,
man werde aber besorgt, und werde vielfach die Ansicht verbreitet,
als ob Deutschland entschlossen sei, Frankreich im Frühjahr anzugreifen.
Er habe dem entschieden widersprochen und habe viel nachgeforscht,
woher diese Gerüchte kommen 2. Ich brachte ihn schließlich so weit,
daß er mir zugab, diese Gerüchte kämen nach seiner Überzeugung von
russischer Seite. Es seien jetzt zahllose weibliche und männliche
russische Agenten hier. Er sagt, man werde hier die Russen gegen
England benutzen, man werde sich aber auf eine Offensiv- und Defensiv-
allianz nicht einlassen. Die Allianz zwischen Republik und Autokraten
erinnert mich immer an eine Menagerie, die ich in Bonn sah, wo ein
Tiger eine Löwin gedeckt hatte. Der Menageriebesitzer bemerkte dazu,
diese Tiere begatten sich nicht aus Liebe, sondern aus reiner Bosheit.
So würde es mit den beiden Bestien Ruski und Franzuski auch sein.
Boulanger ist nicht so gefährlich s, als bei uns angenommen wird. Er
ist eine Persönlichkeit, mit der allerdings zu rechnen ist, und den wir
* Ein anderer Teil des Briefes ist bereits in Nr. 1208 abgedruckt.
** Dem Reichstage war bei seinem Zusammentritt (25. November 1886) eine Miii-
tiirvorlage zugegangen, durch die, unter ausdrücklichem Hinweis auf den wesent-
lichen Vorsprung Frankreichs in der Friedenspräsenzstärke, der eben jetzt durch
eine abermalige Erhöhung des Mannschaftsbestandes noch vergrößert zu werden
drohte, auch die deutsche Friedenspräsenzstärke entsprechend erhöht wurde.
156
scharf beobachten müssen, zur Diktatur kommt er aber noch lange
nicht, dazu ist vor allem die Eifersucht der anderen Generale und
das Mißtrauen der Republikaner zu groß. pp.
(gez.) Münster
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ Nicht nothwendig; aber er kann jederzeit, auch vor Ostern ausbrechen, weil
die Franzosen mit ihrem Latein der Republik zu Ende sind; aus Verlegen-
heit werden sie losbrechen. Die halben Milliarden Anleihen, Franken ufnd}
Rubel* sind durch laufende Bedürfnisse nicht erfordert.
2 sie sind über 10 Jahre alt ulndj der permanente Vorwand für gesteigerte Rü-
stungen.
3 er ist ein „Zünder" für die Explosion, vielleicht ohne sie zu wollen, aber er
macht sie leichter.
Nr. 1238
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 326 Paris, den 21. Dezember 1886
Das jetzige Kabinett** versichert auf das bestimmteste, daß es vor
allem den Frieden erhalten wolle, und alle Äußerungen mir gegenüber,
sowohl die des Ministers des Äußeren Flourens wie auch anderer
maßgebender PersönUchkeiten betonen diese friedlichen Absichten in
allen Tonarten.
Ich würde an und für sich solchen Versicherungen nur sehr ge-
ringen Wert beilegen, wenn ich nicht überzeugt davon wäre, daß sie
deshalb aufrichtig gemeint sind, weil diese sehr schwache Regierung
bei der jetzigen Stimmung in Frankreich nicht imstande wäre, eine
kriegerische Politik zu führen, Sie würde weder in den Kammern
noch im Lande die Unterstützung finden, die sie dazu haben müßte i.
Ich habe schon in früheren Berichten darauf hingewiesen, daß der
Chauvinismus und das Schreien nach „Revanche" nicht mehr den An-
klang wie früher findet 2.
Die Mihtärvorlage im Reichstage und die Debatten im Reichstage
selbst und in der Militärkommission*** haben einen ganz anderen Ein-
druck hervorgebracht, als die Chauvinisten erwarteten und wünschten.
Die Stimmung ist eine andere geworden, und die Befürchtung, daß
Frankreich von Deutschland aus angegriffen werden könnte, fängt an
überall durchzudringen.
* Sowohl in Frankreich wie in Rußland waren im Herbst 1886 von den Kriegs-
ministern sehr hohe Kredite zu militärischen Zwecken in Anspruch genommen
worden.
** Mitte Dezember war an die Stelle des Ministeriums Freycinet das Kabinett
Goblet mit Flourens als Minister des Äußern getreten. Boulanger verblieb auch
unter der neuen Regierung als Kriegsminister.
*** Vgl. darüber Schultheß' Europäischer Geschichtskalender Jahrg. 1886, S. 178 ff.
157
Dabei zeigt sich aber deutlich, daß das Vertrauen in die eigene
Widerstandsfähigkeit und die eigene Armee ein viel geringeres ist, als
die Franzosen selbst zugestehen mögen. Die Chauvinisten ändern ihre
Sprache und wollen jetzt den Ruf um Rache durch den Ruf: das Vater-
land ist in Gefahr, die Deutschen wollen uns überfallen, ersetzen. Die
russischen geheimen Agenten unterstützen sie dabei und hetzen in
diesem Sinne in der Presse und in der Gesellschaft.
Die Popularität des General Boulanger und die Unterstützung, die
er auch bei allen Parteien in der Kammer findet, kommt nicht daher,
daß General Boulanger als der Mann angesehen wird, welcher jetzt
Krieg wollte und die französische Armee zum Siege führen könnte. Er
wird aber für den Mann gehalten, der die Mängel der Armee verbessern
kann, und dem man Zeit lassen muß, um seine Organisationspläne in
den Kammern zu vertreten und selbst durchzuführen.
Deshalb mußte der Präsident und Herr Goblet Herrn Boulanger
in das neue Kabinett mit aufnehmen.
Durch die Vermehrung der deutschen Armee sind die Franzosen
notwendigerweise an die Mängel ihrer Armee erinnert worden, und es
wird auch im Parlamente dem General Boulanger leichter als jedem
andern, Bewilligungen für die Armee durchzusetzen.
Daß General Boulanger und, wie ich auch nachträglich gehört habe,
der Marineminister Aube ihren Wiedereintritt an die Bedingung knüpften,
daß das Kabinett die außerordentlichen Kredite von 360 Millionen für
das Kriegsministerium und 150 Millionen für die Marine sofort nach Zu-
sammentritt des Parlaments vorlegen und kräftig unterstützen solle,
war natürlich. Der jetzige Moment ist besonders günstig, und sie und
das Kabinett können mit Hinweisung auf die vermehrte Wehrkraft
Deutschlands die Billigung des Parlaments erwarten.
Diese großen Summen, die in Frage kommen, werden trotz ihrer
Höhe lieber beantragt und leichter bewilligt, als stehende Budget-
positionen. Bei den vielen Lieferungen und Anschaffungen, die eine
solche Vermehrung des Materials mit sich bringt, fällt mancher nicht
ganz erlaubte Verdienst für Beamte und selbst Parlamentsmitglieder
ab. Außerdem lassen sich dadurch viele Wahlen beeinflussen.
Wie jetzt die Verhältnisse noch liegen, ist General Boulanger ganz
zufrieden, wenn er sich die Stellung als Kriegsminister erhalten kann.
Es ist unbedingt die beste und einflußreichste Stellung in Frankreich,
wenn man nicht Präsident der Republik ist. An einen Staatsstreich, der
ihm zur Diktatur verhelfen könnte, kann er nicht ernstlich denken 2.
Dazu kann er die Armee noch nicht bringen. Das Mißtrauen und die
Eifersucht der älteren Generäle machen das unmöglich. Er weiß recht
gut, daß, solange General Saussier Gouverneur von Paris ist, die
Truppen treu zum Präsidenten und zur Republik halten würden. Weil
er das weiß, versuchte er den General Saussier zu entfernen, was ihm
bekanntlich mißlang.
158
Ein Staatsstreich zur Einsetzung der Monarchie wäre möglich,
wenn es nur einen tüchtigen Prätendenten in Frankreich gäbe und
dieser einen Mann wie Boulanger und einen großen Teil der Armee
für sich gewönne. Ein solcher Prätendent existiert aber nicht, und ein
Säbelregiment läßt sich nur nach einem siegreichen Kriege oder nach
einer blutigen Revolution denken. Dann gehört aber noch ein ganz
anderer Mann dazu, als General Boulanger zu sein scheint.
Ein Wort des bekannten Spaniers Herrn Castelar* erzählte mir ein
uns sehr bekannter französischer Diplomat, welches nicht geradezu
schmeichelhaft, aber bezeichnend für die Stimmung, die viele hier über
General Boulanger haben. Herr Castelar, der hier überhaupt sehr ge-
feiert wurde, saß bei einem Diner bei General Boulanger, und als er
nach Tisch gefragt wurde, wie dieser ihm gefallen habe, erwiderte er:
„Ich habe geglaubt, einen ausgezeichneten französischen General zu
finden und habe nur einen spanischen General gefunden, wie wir leider
deren so viele haben."
General Boulanger, der alles tut, um die Aufmerksamkeit auf sich
zu ziehen, mußte sich anfänglich auch auf die Chauvinisten stützen und
ihnen schmeicheln. Er mußte sich kriegerischer stellen als er ist. Nach
allem, was ich sehe und höre auch von solchen, die ihn gut kennen,
will er den Krieg mit Deutschland nicht und fürchtet ihn. Er kennt
die Mängel der französischen Armee zu gut und er weiß außerdem,
daß man ihm doch nicht das Kommando der Armee im Felde und
das Oberkommando lassen würde, und daß er, wenn der Feldzug un-
glückHch ausfallen würde, die Verantwortung als Kriegsminister doch
mit tragen würde, pp. Münster
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopf des Schriftstücks:
Optimist.
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Wie lange kann das dauern?
2 ?
Nr. 1239
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Abschrift
Paris, den 30. Dezember 1886
Ich danke sehr für Ihre freundlichen Zeilen aus Friedrichsruh.
Auf die Gefahr hin, für einen Optimisten zu gelten, der ich aber
den Franzosen und der RepubHk gegenüber gewiß nicht bin, kann ich
nicht die Meinung teilen, daß die Republik am Ende ist, und daß sie
daran denkt, Deutschland anzugreifen. Die Angst vor dem Kriege ist
• Emilio Castelar, früherer spanischer Ministerpräsident, Führer der Opposition
in den Cortes.
159
hier sehr groß, und es findet sich kein Minister, der die Kriegsfackel
entzünden und das Revanchegeschrei loslassen möchte, am allerwenig-
sten Boulanger, der jetzt vor allem nur sucht, Kriegsminister zu bleiben,
und der sich, da Freycinet und die Opportunisten jetzt mehr Aussicht
haben, wieder an das Ruder zu kommen, nicht mehr ganz sicher fühlt.
Meine Ansichten über die hiesige Stimmung werden von allen Mit-
gliedern des diplomatischen Korps ohne Ausnahme und von allen mit
der Presse in Verbindung stehenden Deutschen, auch von allen deut-
schen hiesigen Kaufleuten, die bisher alle den Chauvinismus so sehr
fürchteten, geteilt.
Pourtales hat nun doch auch Gelegenheit gehabt, sich ein Urteil
über die hiesigen Verhältnisse zu bilden, er wird es Ihnen noch besser
sagen können, als es sich schreiben läßt, wie die Franzosen, gerade
die früher feindlichsten, jetzt denken.
Nicht allein, daß die Republik, die so noch recht lange fortleben
kann, trotz der schlechten Finanzen, trotz der vielen traurigen Verhält-
nisse, bestimmt keinen Angriffskrieg macht, — ich glaube sogar sicher,
daß selbst bei einem Kriege im Osten sie alles aufbieten würde, um
erst neutral zu bleiben. Daß das umschlagen kann, daß das Unvorher-
gesehene plötzlich Überraschungen bringen kann, und daß wir hier
die Augen offen halten müssen, weiß niemand besser als ich, und daß
mir Franzosen zuwider sind wie die ganze Republik, und ich mich
nicht durch sie^ bestechen lasse, können Sie glauben und können
auch annehmen, daß ich doch die Verhältnisse hier besser beurteilen
kann, als das von weitem und durch die stets gefärbte Brille der
Presse möglich ist. Ein Krieg mit Frankreich könnte, wie jetzt die
Verhältnisse liegen, nur von uns ausgehen, und es würde einer sehr
starken Provokation bedürfen, um die Franzosen dazu zu bringen, pp.
(gez.) Münster
Randbemerkung des Grafen von Bismarck:
i Durch Redensarten
Nr. 1240
Der Botschafter in Paris Gral Münster an Kaiser Wilhelm I.
Ausfertigung
Nr. 339 Paris, den 30. Dezember 1886
Euere Majestät wollen mir huldreichst gestatten, meine allerunter-
tänigsten, treuesten und aufrichtigsten Glückwünsche beim Jahres-
wechsel auszusprechen. Gott erhalte uns Euere Majestät!
Euere Majestät wünschen vor allem die Erhaltung des Friedens,
und so freue ich mich. Euerer Majestät melden zu können, daß hier
eine durchaus friedliche Strömung das Land durchweht i.
Jetzt, wo durch die Rüstungen in allen Ländern 2, durch die
160
orientalischen Verwickelungen der Ausbruch eines Krieges möglich
und näher gerückt erscheint 3, müßte es sich zeigen, ob der Ruf nach
Rache, ob das Kriegsgeschrei der Chauvinisten, die Hetzereien eines
Deroulede und Genossen wirklich Widerhall im Volke findet*.
Es hat sich deutlich gezeigt, daß dem nicht so ist^ und so hat
sich Herr Deroulede im ünmute und bitter klagend über den mangeln-
den Patriotismus seiner Landsleute grollend auf das Land zurück-
gezogen. Bei seiner Abschiedsrede sagte er, er wolle es dem General
Boulanger überlassen, die Fahne des Vaterlandes hoch zu halten.
General Boulanger aber hat seine Sprache sehr geändert '^ und benutzt
jetzt jede Gelegenheit, um sich friedlich zu zeigen. ,
Die jetzige Friedensliebe der Franzosen kommt nicht daher, daß
etwa die Niederlagen verschmerzt wären, und der seit dem Kriege
künstlich genährte Haß gegen die Deutschen ist gewiß nicht ver-
schwunden '.
Die Erkenntnis, daß der Friede für Frankreich notwendig ist,
glaube ich auf folgende Gründe zurückführen zu dürfen.
Die finanziellen Kräfte des Landes sind durch die schlechte Finanz-
verwaltung der Republik so erschöpft », daß ein Krieg eine finanzielle
Katastrophe zur Folge haben könnte.
Die Republikaner 9 wissen, daß der Anfang des Krieges der An-
fang des Endes der Republik sein würde. Sie wissen, daß eine Nieder-
lage, und auf diese rechnen sie selbst mehr als auf Siege, zu der
fürchterlichsten Anarchie" führen könnte, und wissen ferner, daß ein
siegreicher Krieg lo der Diktatur oder Monarchie die Wege ebnen würde.
Diese Eventualitäten fürchten die Republikaner naturgemäß.
Was die Armee betrifft, so ist das Vertrauen zu ihr im Volke
gering, und in ihr selbst herrscht, nach allem, was ich sehe und höre,
kein kriegerischer Geist.
Die allgemeine Dienstpflicht hat hier ganz anders gewirkt als in
Deutschland. Der jetzige Franzose hat kein Vaterlandsgefühl n im
höheren Sinne, kein Pflichtgefühl wie der Deutsche. Der Soldat wird
nicht gut behandelt, hat keine Freude an seiner wenig kleidsamen 12
Uniform, wird, da alles durch Kontrakte geschieht, schlecht verpflegt,
schlecht ernährt. Jeder Rekrut geht ungern unter die Fahnen i3, und,
wie mir selbst französische Offiziere gesagt haben, die meisten
Soldaten warten mit Ungeduld auf den Augenblick, wo sie die Uniform
wieder ausziehen können 1*.
Jeder sucht sich dem Dienste zu entziehen i^, und ich weiß, daß
hier die Befürchtung besteht, daß bei einer Mobilmachung für den Krieg
ein großer Teil der eingezogenen Reserven ausbleiben würde. Ein
französischer aktiver General hat einem meiner Kollegen gegenüber ge-
äußert, daß bei einem ausbrechenden Kriege mindestens 50000 Mann
sich nichi stellen würden. „Nous aurons en cas de guerre au moins
cinquante mille refractairesi^." Ob das richtig ist, vermag ich nicht
11 Die Große Politik. 6. Bd. 161
zu beurteilen, daß aber ein französischer General einem Fremden gegen-
über eine solche Eventualität als möglich hinstellt, ist ein bedeutsames
Zeichen 1'^.
Die Idee der Revanche verblaßt i» mit der Zeit, und die Nach-
richten, namentlich aus dem Elsaß, gehen immer mehr dahin, daß es
den Elsassern materiell sehr gut geht, und daß die Sympathien der
Elsasser für Frankreich abgenommen haben. Selbst der bekannte Bischof
von Angers, Freppel, ein geborener Elsasser, der bisher die Rolle des
französischen Patrioten gespielt hat, äußert jetzt seinen intimen Be-
kannten gegenüber, daß er zu seinem Schmerze eingestehen müsse,
daß die Stimmung im Elsaß immer mehr deutsch werde, und die El-
sasser selbst den jetzigen Zustand ihres Landes mit den französischen
Zuständen verglichen. Materiell gehe es ihnen besser, ihre Fabriken
gingen gut, sie hätten eine autonome Regierung, wie sie dieselbe unter
Frankreich niemals hatten, der Klerus sei gut behandelt und zufrieden,
Fürst Hohenlohe sei im ganzen Lande sehr beliebt. Man dürfe, so
endete Bischof Freppel sein Gespräch, im Falle des Krieges leider
nicht mehr auf die Hilfe der Elsasser rechnen.
Der allgemeine Eindruck der jetzigen Stimmung ist der der Be-
sorgnis, selbst der Furcht vor dem Kriege i^. Der friedliche Ton der
Presse aller Parteien bestätigt das.
Vielfach wird angenommen, daß diese friedliche Sprache darauf
berechnet sei, die Annahme der Militärvorlagen im deutschen Reichs-
tage zu erschweren. Etwas mag das dazu beitragen, viel aber nicht,
weil hier im allgemeinen an der Annahme der Vorlage nicht gezweifelt
wird.
Wie jetzt die Lage und die Stimmung hier ist, kann ich nicht daran
glauben, daß wir von dieser Seite Krieg zu erwarten haben.
Daß bei einem so erregbaren Volke diese Stimmung sich wenden
kann, und daß wir hier die Augen offen halten müssen, bin ich mir
wohl bewußt, und Euere Majestät können sich fest darauf verlassen,
daß das geschieht. -Münster
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ?
2 Für oder gegen Fr[an]kr[ei]ch?
3 ? durchaus nicht
* das ist garnicht nöthig; die Bewegungen sind in Frankreich stets von energischen
Minoritäten gemacht worden.
5 wie kommt es denn daß keine französfische] Zeltung es wagt ihre Leser zu
belehren?
8 aber auch seine Gesinnung?
^ das reicht hin
8 u[ndj doch wird jede Anleihe leicht realisirt, vielleicht in Hoffnung auf deutsche
Milliarden.
9 wer ist das? Boulanger?
^0 oder die Aussicht auf einen solchen
11 ! wollte Gott alle Deutschen hätten den französischen Durchschnitt davon!
162
18 I
*' wohl überall im Frieden.
** andre nicht?
^5 überall!
" das war schon unter Nap[oleon] I. der Fall, u[nd] doch —
'' doch nicht; viel eher die Überschätzung davon.
^8 noch nicht
1» wohl nicht bloß in Frankreich; jede Nation zieht den Frieden vor; ilirc
Leiter aber nicht immer;
Nr. 1241
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh,
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Nr. 4 Friedrichsruh, den 4. Januar 1887
Euerer pp. Immediatbericht Nr. 339* vom 30. v. Mts. ist mir hier
zugegangen, und erlaube ich mir, bevor ich denselben Seiner Majestät
unterbreite, die nachstehenden Bemerkungen über seinen Inhalt.
Wenn Seine Majestät und die verbündeten Regierungen die darin
von Ew. pp. entwickelten Ansichten teilten, so würde die Reichsregie-
rung kaum in der Lage sein, die von ihr gemachte Militärvorlage mit
Überzeugung vor dem Reichstage zu vertreten und aufrechtzuerhalten.
Euere pp. treten, indem Sie Seiner Majestät dem Kaiser direkt eine so
eingehende und nachdrückliche Darlegung Ihrer Überzeugung von den
friedlichen Absichten Frankreichs und seiner Regierung unterbreiten,
der Politik entgegen, zu welcher die Verbündeten Regierungen sich
durch die neueste Militärvorlage amtlich und öffentlich bekannt haben.
Euere pp. werden darüber selbst nicht im Zweifel sein können, wenn
Sie einen Augenblick die Fiktion zulassen wollen, daß Ihr Bericht vom
30. V. Mts. in die Öffentlichkeit gelangte. Er würde von Seiten der ge-
samten demokratischen und ultramontanen Opposition nicht ohne Er-
folg zu dem Zwecke der Bekämpfung der Vorlage der Verbündeten
RegierungeiJ ausgebeutet werden, und die Vertreter der letztern würden
in die Notwendigkeit gesetzt sein, dem Reichstage so gut wie möglich
darzulegen, daß der Kaiserliche Botschafter in Paris sich im Irrtum
befinde.
Wenn Ew. pp. unsre Besorgnisse vor französischen Friedens-
störungen für unbegründet halten, so wäre es mir lieber gewesen, wenn
Sie Ihre Auffassung zunächst mir in vertraulicher Form mitgeteilt und
mir überlassen hätten, Ihre von den meinigen abweichenden Ansichten
Seiner Majestät dem Kaiser zu unterbreiten, oder sie Ihnen gegenüber
zu diskutieren. Euere pp. haben vorgezogen, für Ihre Mitteilung die
* Siehe Nr. 1240.
„. 163
Form des Immediatberichtes zu wählen, welche bei allen unsern
diplomatischen Vertretern für ihre persönlichen Glückwünsche aller-
dings üblich ist, aber nicht für Darlegungen von politischen Meinungs-
verschiedenheiten, die so tief greifen, wie die Frage, ob wir von Seiten
Frankreichs in der nächsten Zukunft einer friedlichen Haltung sicher
sind. Durch die von Euerer pp. gewählte Form der Berichterstattung
werde ich in die Notwendigkeit versetzt, meine von der Ihrigen ab-
weichende Ansicht, für welche allein ich die mir obliegende Verant-
wortlichkeit übernehmen kann, Seiner Majestät dem Kaiser gegenüber
dadurch zu motivieren, daß ich Euerer pp. Immediatbericht in seinen
einzelnen Punkten kritisiere und nach besten Kräften widerlege. Ich
bin überzeugt, daß es nicht Euerer pp. Absicht gewesen ist, diese Si-
tuation herbeizuführen, aber doch in der Notwendigkeit, Ihre noch-
malige Erwägung über die Frage zu erbitten, ob ich Ihren Bericht
Seiner Majestät dem Kaiser in Verbindung mit meiner abweichenden
Überzeugung vortragen soll.
Ich zweifele nicht daran, daß die gegenwärtige Regierung in Frank-
reich friedlich gestimmt ist und absichtlich keine Händel mit uns suchen
wird. Daraus aber möchte ich doch nicht schließen, daß, wie Euere pp.
anführen, eine durchaus friedliche Strömung das Land durchweht. Ich
gebe gern zu, daß dem französischen Volk, wie jedem anderen, der
Krieg an sich als ein Übel und nicht minder der Kriegsdienst im Frieden
als eine Unannehmlichkeit erscheint. Es ist dies aber unter dem Kaiser-
reich nicht weniger der Fall gewesen wie heute, und dennoch hat das-
selbe trotz seiner Erklärung „L'empire c'est la paix" den Krimkrieg,
den italienischen, den chinesischen, den mexikanischen und den deut-
schen Krieg in ununterbrochener Folge geführt und geglaubt, sich damit
im Inlande zu befestigen. Frankreichs Pohtik hat jederzeit unter dem
Impulse einer oft auffällig geringen, aber energischen Minorität ge-
standen. Daß die Unterlage für die Einwirkung einer solchen auch in
diesem Augenblicke vorhanden ist, gibt Euerer pp. Bericht selbst mit
den Worten zu, daß „die Niederlagen nicht verschmerzt sind und der
Haß gegen die Deutschen nicht verschwunden ist". Daß General Bou-
langer seine Sprache geändert hat, beweist noch nicht, daß seine Ge-
sinnung und seine Pläne andre sind wie früher. Es ist nicht anzu-
nehmen, daß dieser ehrgeizige Kriegsminister in den letzten Wochen
innerlich ein andrer geworden sei. Es ist höchstens zu vermuten, daß
seit einiger Zeit Gründe eingetreten oder ihm und anderen bekannt
geworden sind, welche den Moment zum Losschlagen noch nicht als
einen günstigen erscheinen lassen. Welches Gewicht kann die von
mir nicht angezweifelte friedUche Gesinnung der Mitglieder der gegen-
wärtigen Regierung für uns haben, sobald sie aufhören am Ruder zu
sein.-^ und wie schnell dies der Fall sein kann, beweist am besten die
jüngste Wendung mit Herrn von Freycinet und die Beibehaltung des
Generals Boulanger, dessen seitdem geänderte Sprache ich Jür ebenso-
164
wenig aufrichtig halte, wie die Verstimmung von Deroulede und Ge-
nossen.
Die finanziellen Kräfte des Landes mögen der Erschöpfung ent-
gegengehen, aber sie sind nicht erschöpft; das beweist die Bereit-
willigkeit der Franzosen, jede Anleihe zu überzeichnen, und außerdem
würde die Erschöpfung, wenn sie einträte, schwerlich dazu führen,
durch friedliebende Sparsamkeit einen Ausweg aus der Verlegenheit
zu suchen, sondern das Räsonnement viel näher liegen, mit welchem
Graf Larioche 1866 meine letzten friedlichen Versuche beantwortete:
daß Österreich in 6 Wochen entweder einige hundert Millionen preußi-
scher Kontribution oder einen anständigen Vorwand zum Bankerott
haben müsse. Daß der Anfang des Krieges das Ende der Republik
sein werde, ist möglich; aber die Leidenschaften sind stärker, als die
Berechnungen, — und ebenso möglich ist, daß noch vor Ausbruch des
Krieges eine Militärdiktatur eintreten kann, welche ihre Rechtfertigung
und ihre Befestigung in den Chancen des Krieges sucht. Ob das Ver-
trauen des Volkes zur Armee groß oder gering ist, würde eine solche
Regierung, die den Krieg braucht, um sich zu erhalten, nicht irre
machen, ich würde es sogar erklärlich finden, wenn einsichtige Fran-
zosen den Krieg mit uns grade um deshalb wünschten, weil sie darin
ein Heilmittel für die Zerfahrenheit und Zerrissenheit ihrer inneren Zu-
stände erblicken.
Das von Euerer pp. angezweifelte Vaterlandsgefühl der Franzosen
würde, sobald Frankreich im Kriege ist, sich zu gleicher Höhe ent-
wickeln, wie bei allen analogen Vorkommnissen der französischen Ge-
schichte. Ich wünschte, die Überlegenheit der Deutschen im Vaterlands-
gefühl, welche Euere pp. entsprechend Ihrer eigenen Gesinnung bei
Ihren Landsleuten voraussetzen, bestände in Wahrheit; dann würden
aber Reichstagsmajoritäten, wie unsere jetzigen, nicht möglich sein.
Die Abneigung gegen den Kriegsdienst im Frieden möchte ich als
Symptom des mangelnden Patriotismus bei den Franzosen doch nicht
ansehen: Die Erscheinung, daß der Rekrut ungern die Heimat ver-
läßt, und der Soldat sich freut, wenn er entlassen wird, wiederholt
sich im Friedensdienst in allen Ländern. Die Masse der refractaires ist
zu keiner Zeit größer gewesen als gegen das Ende des ersten Kaiser-
reiches, und doch hat sich nie eine Nation hartnäckiger geschlagen und
gewehrt, als die Franzosen von 1813 und 14.
Daß die Idee der Revanche bereits verblasse, halte ich für einen
Irrtum, der durch friedliebende Leute, denen es wohl geht, durch höf-
liche Beamte und berechnete Lügner Euerer pp. gegenüber bekräftigt
werden kann; aber aus der gesamten französischen Presse läßt sich
nicht entnehmen, daß Zeitungen Aussicht hätten, ihre Abonnenten zu
behalten, wenn sie ihre Spalten der Empfehlung der Freundschaft mit
uns und der Bekämpfung des Chauvinismus aufrichtig widmen wollten.
Nach meiner vorstehend dargelegten Überzeugung bin ich nicht
165
imstande, Seiner Majestät dem Kaiser die Auffassung, welche Euerer pp.
Immediatbericht vom 30. v. Mts. zugrunde liegt, als eine zutreffende zu
bezeichnen, und befinde mich in der Notwendigkeit, ihr mit der vollen
Überzeugung, die ich aus meiner Verantwortlichkeit für die aller-
höchstenorts zu treffenden Entschließungen schöpfe, entgegenzutreten.
Euere pp. wollen mich daher mit Nachricht versehen, ob Sie die
Vorlage Ihres Berichtes bei Seiner Majestät dem Kaiser dennoch wün-
schen*. Ich habe zwar als verantwortlicher Minister keine Verpflich-
tung, bei Seiner Majestät dem Kaiser Auffassungen, die den meinigen
entgegenstehn, innerhalb meines Ressorts zum Vortrage zu bringen;
ich würde mich aber nicht entschheßen, Seiner Majestät ein direktes
Schreiben Ew. pp. ohne Ihre Zustimmung vorzuenthalten.
V. Bismarck
Nr. 1242
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Geschäftsträger
in Paris Grafen von Leyden
Konzept
Nr. 24 Berlin, den 22. Januar 1887
Geheim [abgegangen am 23. Januar]
Ew. pp. erhalten beifolgend als Bestärkung der durch die Zei-
tungen bereits bekannten Nachrichten** ein Schreiben des Ministers May-
bach*** vom 18. und zwei Berichte von reichsländischen Oberförstern
vom 5. resp. 9. d. Mts., alle auf französische Holzankäufe bezüglich.
Es steht hiernach fest, daß seitens französischer Händler außergewöhn-
liche Massen von Brettern mit kurzer Lieferungsfrist bestellt worden
sind. Dagegen besteht noch keine Gewißheit hinsichtlich der Angabe,
daß jene Bestellungen im Auftrage der französischen Regierung erfolgt
seien, und daß an unsrer Grenze eine Truppenkonzentration von
solcher Stärke beabsichtigt wird, daß sie in den vorhandenen Räum-
lichkeiten nicht untergebracht werden kann.
Ferner geht uns von beachtenswerter Seite die Mitteilung zu, daß
in Deutschland sehr bedeutende Bestellungen der zur Herstellung ,von
MeUnit erforderlichen Pikrinsäure gemacht worden sind. Wegen der
beschränkten Verwendbarkeit des Stoffes würde der Beweis, daß die
französische Regierung mit den Bestellungen in Zusammenhang ist,
in diesem Falle vielleicht noch eher als bei den Bretterbestellungen für
erbracht zu erachten sein.
* Graf Münster verzichtete, laut Privatbrief an Fürst Bismarck vom 6. Januar,
auf die Vorlage seines Immediatberichtes.
** U. a. hatte das „Berliner Tageblatt" am 18. Januar gemeldet, daß Frankreich
zum Frühjahr bedeutende Truppenmassen an seiner östlichen Grenze zusammen-
zuziehen gedenke und deshalb in der Gegend von St. Die und Nancy große
Barackenbauten plane.
*** Preußischer Minister der öffentlichen Arbeiten.
166
Ew. pp. ersuche ich, in Verbindung mit den Herrn Militärattaches
zu prüfen, ob und welche Anzeichen dafür sprechen, daß die Holz-
und Pikrinbestellungen von der französischen Regierung ausgehen.
Die Kaiserliche Regierung ist mit der Erwägung beschäftigt, ob
es sich empfiehlt, die französische Regierung auf das Bedenkliche von
Maßnahmen aufmerksam zu machen, welche geeignet sind, die Völker
über den bei beiden Regierungen unzweifelhaft vorhandenen Wunsch
nach Erhaltung des Friedens irrezuleiten.
Zunächst wollen Ew. pp. jedoch bei Ihren Erkundigungen jeden
amtlichen oder selbst nur auffälligen Schritt vermeiden.
v. Bismarck
Nr. 1243
Der Geschäftsträger in Paris Graf von Leyden an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 34 Paris, den 27. Januar 1887
In vorläufiger Erledigung des hohen Erlasses vom 22. d. Mts. Nr. 24*,
die französischen Holzankäufe und Bestellungen von Pikrinsäure be-
treffend, beehre ich mich. Euerer Durchlaucht einen Artikel des „Figaro"
vom 6. d. Mts., „La Melinite", beifolgend gehorsamst zu überreichen,
in welchem zugegeben wird, daß die bezüglichen Ankäufe von Schwefel-
äther in Deutschland stattgefunden haben. Einen Artikel der ,,France"
aus derselben Zeit, in welchem, der Gewohnheit dieses Blattes zufolge,
die Bevorzugung der fremden Industrie in dieser Sache gerügt wird,
habe ich mir nicht mehr verschaffen können.
Was die Bretterbestellungen betrifft, so wird, nachdem die Ent-
hüllungen deutscher Blätter die hiesige Aufmerksamkeit auf die Sache
gelenkt haben, in dem beifolgenden Ausschnitte aus dem heutigen
„Temps" in offiziöser Form zugegeben, daß in fast allen Qarnison-
städteni Baracken für die Unterbringung der Reservisten und der Leute
der Territorialarmee errichtet werden sollen. Es wird hinzugefügt,
daß im Zusammenhange damit Truppenkonzentrationen an der Ost-
grenze nicht beabsichtigt seien. Eine noch unbestätigte Nachricht lautet
ferner dahin, daß ein Teil der projektierten Barackenbauten zur Er-
weiterung gewisser Bahnhöfe bestimmt sei, welche sich zu Manöver-
zeiten 2 für den Truppenverkehr als zu klein erwiesen hätten. Endlich
erwähne ich gehorsamst einer ebenfalls noch unerwiesenen Angabe,
daß nämlich ein großer Teil der in Deutschland bestellten Bretter vom
Ausstellungskomitee für 1889 angekauft werde, dessen Arbeiten dem-
nächst mit der Umfriedung des Platzes beginnen sollen. Über letzteren
Punkt hoffe ich in ein paar Tagen Aufklärung erhalten zu haben 3.
* Siehe Nr. 1242.
167
Die beiden Herren Militärattaches, welche der Angelegenheit gegen-
wärtig ihre ernste Aufmerksamkeit zuwenden, befinden sich heute noch
nicht in der Lage, Euerer Durchlaucht über das Resultat ihrer Er-
kundigungen gehorsamst berichten zu können*.
GrafLeyden
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Das ist nicht wahr; nur an der Gränze
2 an der Gränze?
3 Lieferungsprämie von 100 frfanjcs pro Tag vor u[nd] Strafen von 1000 pro
Tag nach dem 15. März 87. alles Schwindel.
Nr. 1244
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Nr. 65 Berlin, den 31. Januar 1887
Antwort auf Bericht Nr. 48 vom 23. Januar.
Wie der Herr Reichskanzler es in seiner großen Reichstagsrede**
deutlich ausgesprochen hat, beabsichtigen wir nicht, den Krieg mit
Frankreich unsererseits zu beginnen oder zu provozieren. Bis zu An-
fang vorigen Jahres haben wir auch nicht befürchtet, daß dies von
Frankreich aus geschehen würde. Seitdem aber General Boulanger
* Am 2. Februar übersandte Botschafter Graf Münster des weiteren ein Com-
munique des Kriegsministers Boulanger, wonach die erwähnten Barackenbauten sich
infolge des gesundheitsschädlichen Zustandes der Kasematten in den neuerrich-
teten Forts an der Ostgrenze als notwendig erwiesen hätten. Schon vorher hatte
die französische Regierung Gelegenheit genommen, durch den französischen Bot-
schafter dem Fürsten Bismarck unter lebhaften Friedensbeteuerungen Aufklärungen
über die Holzankäufe zu erteilen, welche Kriegsminister Boulanger angeordnet
hatte, ohne den französischen Ministerrat davon in Kenntnis zu setzen! G. Pages,
L'Hegemonie allemande im Rapport de la Commission d'Enquete sur les faits de
la Guerre Vol. I (1919) p. 226. Deutscherseits gab man sich mit diesen Auf-
klärungen zufrieden.
** Gemeint ist die große Reichstagsrede des Fürsten von Bismarck zur Militär-
vorlage vom 11. Januar 1887, in der er sich ausführlich über die deutsch-franzö-
sischen Beziehungen ausließ. Mit aller Entschiedenheit betonte der Kanzler bei
diesem Anlaß: „Wir werden Frankreich nicht angreifen, unter keinen Umständen".
Auch erklärte er, festes Vertrauen zu den friedlichen Gesinnungen der gegen-
wärtigen französischen Regierung zu haben. Aber Fürst Bismarck bekannte sich
doch zu der Ansicht, „daß der historische Prozeß, der seit drei Jahrhunderten
zwischen uns und Frankreich schwebt, nicht beendigt ist, und daß wir darauf
vorbereitet sein müssen, ihn von französischer Seite fortgesetzt zu sehen." Ja,
Fürst Bismarck sprach es offen aus: „Nach meiner Überzeugung haben wir einen
Krieg zu fürchten durch den Angriff Frankreichs, ob in 10 Tagen oder in 10 Jahren,
das ist eine Frage, die ich nicht entscheiden kann, das hängt ganz ab von der
168
mehr in den Vordergrund getreten ist, trauen wir dem Frieden nicht
mehr, sondern glauben, daß Boulanger, wenn er vielleicht früher, als
ihm lieb wäre, sei es als Präsident der .Republik, sei es als Conseils-
präsident, an die Spitze der Geschäfte gelangen sollte, zum Kriege
gezwungen sein würde, um sein Prestige zu retten und die Gefahr
der Lächerlichkeit zu vermeiden.
H. Bismarck
Nr. 1245
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler Fürsten
von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 36 Paris, den 2. Februar 1887
Bei meiner Rückkehr habe ich die Stimmung insofern verändert
gefunden, als sie eine ängstlichere und gedrücktere geworden ist, und
man die Möglichkeit eines baldigen Krieges mehr vor Augen hat.
Die leitenden Kreise wollen nach wie vor den Krieg nicht, und
im ganzen bewahrten Presse und Pariser Publikum bisher eine ziem-
liche Ruhe. Die Nachrichten über militärische Maßregeln und die
Haltung eines Teils der deutschen Presse, das Weichen der Kurse und
der schlechte Stand der Börse fangen aber jetzt an, sehr zu beunruhigen.
Ich sah diesen Morgen Herrn von Freycinet, der mir über die
allgemeine Besorgnis und Beunruhigung sprach, dabei aber entschieden
betonte, daß er doch noch fest hoffe und glaube, daß der Krieg ver-
mieden werden könne. Er sagte, er habe gestern ein vertrauliches
Schreiben des Herrn Herbette erhalten. Der Botschafter habe sich sehr
anerkennend und befriedigt über sein Gespräch mit Euerer Durch-
laucht* geäußert und seine Überzeugung, daß der Friede erhalten
bleiben werde, bestimmt ausgesprochen.
Dauer der Regierung, die gerade in Frankreich ist. — Es ist an jedem Tage mög-
lich, daß eine französische Regierung ans Ruder kommt, deren ganze Politik
darauf berechnet ist, von dem feu sacre zu leben, das jetzt so sorgfältig unter
der Asche unterhalten wird. Darüber können mich auch keine friedlichen Ver-
sicherungen, keine Reden und Redensarten vollständig beruhigen". In Paris nahm
man die Rede Bismarcks, die so deutlich den festen Entschluß bekundete, unter
keinen Umständen Frankreich anzugreifen, gut auf; vgl. die Äußerungen des
französischen JWinisters des Auswärtigen Flourens vom 14. Januar 1887 bei George
Pagfes, L'Hegemonie allemande, im Rapport de la Commission d'Enquete sur les
faits de la Guerre Vol. I (1Q19), p. 225.
* Nach dem Berichte Herbettes über diese Unterredung (Rapport de la Commission
d'Enquete sur les faits de la Guerre Vol. I [191Q1, p. 227), hätte Bismarck in ihr
von neuem zu wiederholten Malen erklärt, „que l'Allemagne desirait la paix et
n'attaquerait pas". Aber er hätte hinzugefügt: „Ce que j'apprehends, c'est l'avenc-
ment comme President du Conseil ou comme President de la Republique du
General Boulanger. Dans ce cas, ce serait la guerre ä breve echeance".
169
Herr von Freycinet brachte darauf selbst das Gespräch auf General
Boulanger, indem er alles das, was in der letzten Zeit über Äußerungen,
die er über den General und die Rede Euerer Durchlaucht gemacht
haben sollte, als tendenziöse Lügen bezeichnete.
Er erkannte an, daß diese Persönlichkeit eine Gefahr sei, und be-
dauerte, daß durch die Wichtigkeit, die ihm von der deutschen und
einem Teil der französischen Presse beigelegt vk^urde, es schwieriger
geworden sei, ihn loszuwerden.
General Boulanger wolle entschieden den Krieg nicht, er könne es
aber nicht lassen, alles, was er tue, als Reklame für sich zu benutzen.
Er könne nur bei der nächsten Ministerkrisis beseitigt werden, und
die stehe, nachdem das Budget so gut als angenommen sei, für den
Augenblick noch nicht in Aussicht, pp.
Münster
Nr. 1246
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 66 Wien, den 4. Februar 1887
Ganz vertraulich
Gestern abend auf einem Balle, bei welchem der ganze kaiserlich
österreichische Hof anwesend war, hat mich der Kaiser Franz Joseph
mit der Frage angeredet: Sagen Sie mir, wollen Sie wirkHch den Krieg
mit Frankreich?
Ich habe Seiner Majestät nach Maßgabe meiner Instruktionen* ge-
antwortet und gesagt, daß wir weder beabsichtigten, diesen Krieg zu
beginnen, noch ihn zu provozieren. Ich habe aber entwickelt, daß wir
dem Frieden auf Grund dessen, was in Frankreich vorginge, nicht mehr
trauen könnten.
Seine Majestät schienen offenbar anzunehmen, daß wir den Krieg
nicht würden vermeiden können, und fragten mich, diese Idee weiter
verfolgend, ob wir Rußlands in diesem Fall ganz sicher wären? Ich
habe geantwortet, daß ich dies glaubte, aber hinzugesetzt, ich könnte
nur das wiederholen, was ich seinem Minister im Laufe der letzten
Monate öfters gesagt hätte, daß nämlich, angesichts der uns drohenden
Kriegsgefahr, auf welche Euere Durchlaucht stets aufmerksam ge-
macht hätten, wir dringend wünschen müßten, daß von Seiten unseres
hohen Verbündeten nichts getan würde, um eine gleiche Kriegsgefahr
im Osten heraufzubeschwören, weil dadurch die Weltlage sich nur noch
ungünstiger gestalten würde, pp.
H. VII. P. Reuß
* Vgl. Nr. 1236.
170
Nr. 1247
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Nr. 82 Berlin, den 8. Februar 1887
Vertraulich
pp. Was die Äußerungen des Kaisers Franz Joseph über die
deutsch-französischen Beziehungen* anbelangt, so bemerke ich er-
gebenst, daß die Franzosen nicht nur durch die öffentlichen Reden des
Herrn Reichskanzlers, sondern auch auf anderem Wege auf das be-
stimmteste davon unterrichtet sind, daß wir nicht beabsichtigen, den
Krieg mit Frankreich zu beginnen oder zu provozieren. Eine wirkliche
Beunruhigung vor einem Angriffe Deutschlands kann also nicht wohl
vorhanden sein**. Wenn man sich dennoch in Frankreich den An-
schein einer solchen gibt, so geschieht das nur in der Absicht, daraus
den Vorwand zu gesteigerten Rüstungen für den französischen Anfall
auf Deutschland zu nehmen. Sollte es zum Kriege zwischen beiden
Ländern kommen, so glauben wir nicht, daß Rußland gemeinsame Sache
mit Frankreich machen werde; die Haltung Rußlands würde aber
schwerUch eine solche sein, daß wir in der Lage wären, unsere ganze
Kraft wie im Jahre 1870 gegen Frankreich zu verwenden und dieselbe
bis zur vollständigen Niederwerfung unseres Gegners auszunutzen.
H. Bismarck
Nr. 1248
Aufzeichnung des Militärattaches in Wien Grafen von Wedel
Eigenhändig. Vom Grafen von Wedel am 8. Februar mit Privatbrief dem Staats-
sekretär Grafen von Bismarck übersandt
Wien, den 1. Februar 1887
Graf Kälnoky glaubt an einen Krieg zwischen uns und Frankreich,
er glaubt auch, daß derselbe von militärischer Seite i gewünscht wird,
weil man ihn auf die Dauer für unvermeidlich halte und daher die
gerade jetzt für uns günstigen Chancen benutzen möchte. Daß Fürst
* Vgl. Nr. 1246.
** Tatsächlicii hat sich eine solche Beunruhigung in Frankreich geltend gemacht.
Sie fand vor allem in dem Umstand Nahrung, daß durch Kaiserlichen Erlaß vom
S.Februar 73000 Reservisten auf den T.Februar zu einer zwölf tägigen Übung
mit dem neuen Magazingewehr einberufen wurden. Der Schriftwechsel zwischen
dem französischen Außenminister Flourens und dem Botschafter Herbette aus
diesen Tagen (mitgeteilt von G. Pages im Rapport de la Commission d' Enquete
sur le faits de la Guerre Vol. I I1Q191, p. 228 f.) zeigt, daß sich die französischen
Staatsmänner wirklich in einem Zustande nervöser Aufregung befanden.
171
Bismarck den Krieg nicht wolle, betont Oraf Kälnoky übrigens auf
das bestimmteste. Er hält es für unzweckmäßig, daß die deutsche
Presse Boulangers Bedeutung erhöht 2 und gerade dadurch dessen Sturz
nur unwahrscheinlicher macht. Der Glaube an den Ausbruch eines
Krieges sei in fortwährendem Steigen begriffen, und man müsse fürch-
ten, daß dieser Glaube, in Verbindung mit den zunehmenden Rüstungen
schHeßHch in den Krieg hineintreiben würde, pp.
Bei Erwähnung eines Krieges zwischen Deutschland und Frank-
reich, der zweifellos zu unseren Gunsten ausfallen würde, äußerte Graf
Kälnoky auch noch, daß Rußland seiner Überzeugung nach ein völliges
Niederwerfen Frankreichs niemals zugeben, sich vielmehr auf denselben
Standpunkt stellen werde, welchen Deutschland und Österreich in
ihren Beziehungen zueinander verträten, den nämlich, daß eine Schä-
digung Frankreichs als Großmacht nicht Platz greifen dürfe, pp.
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck;
1 Wer?
2 ? sie ist vorhanden u[nd] läßt sich nicht todtschweigen
Nr. 1249
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VIL Reuß
Konzept
Nr. 95 Berlin, den 16. Februar 1887
Der Herr Reichskanzler hat Ew. gefälligen Bericht Nr. 69 vom
4. er.* mit Interesse gelesen und es als vollkommen korrekt bezeichnet,
daß Ew. Ihrem russischen Kollegen erklärt haben, wir würden einen
Krieg niemals aus dem Grunde führen, weil es früher oder später
wahrscheinlich doch zu einem solchen kommen würde. Niemand kann
der göttlichen Vorsehung so weit vorgreifen, um dies mit unbedingter
Sicherheit behaupten zu können, denn es können sich im Laufe der
Zeiten allerhand unberechenbare Vorfälle ereignen, welche den Aus-
bruch eines französisch-deutschen Krieges verhindern. Ich erinnere nur
an die Zeit von 1815—1870, in der wir mit Frankreich in ununter-
* In seinem Bericht vom 4. Februar 1887 hatte Botschafter Prinz Reuß Äuße-
rungen seines russischen Kollegen Fürsten Lobanow über das deutsch-französische
Verhältnis wiedergegeben. Danach sah Fürst Lobanow den Krieg zwischen Deutsch-
land und Frankreich als unvermeidlich an und hielt es im Interesse Deutschlands
für angezeigt, diese beklagenswerte Notwendigkeit nicht hinauszuschieben, obwohl
Deutschland eigentlich bei einem Kriege kaum etwas gewinnen könnte. Die
Wahrscheinlichkeit eines Krieges, trotz der Friedensbeteuerungen der französischen
Regierung, leitete Fürst Lobanow daraus ab, daß kein Franzose den Frieden von
1871 anerkenne, jeder ihn nur als einen Waffenstillstand betrachte, der zu kündigen
sein würde, sobald man sich stark genug fühlen werde, um Deutschland die ver-
lorenen Provinzen wieder abzujagen.
172
brochenem Frieden gelebt haben, obgleich das Verlangen nach re-
vanche pour Waterloo im Anfange und während der Mitte dieser Zeit-
periode gewiß ein sehr lebendiges war. Es ist ferner eine geschicht-
liche Tatsache, daß die Beziehungen zwischen Frankreich und dem uns
bei Waterloo verbündeten England unter der ganzen Regierung Louis
PhiHpps so gespannte waren, daß man während der Dauer derselben
in jedem Jahre einem Kriege zwischen den beiden genannten Mächten
entgegensah. Trotzdem ist es nicht zu einem solchen gekommen, son-
dern die Wechselfälle der Politik haben Frankreich und England sogar
zu der entente cordiale der 50 er Jahre geführt.
Es ist allerdings richtig, daß die Zeiten, in denen Frankreich mit
seinen Nachbarn in Frieden gelebt hat, seit der Konsolidierung des
französischen Nationalstaats stets von kurzer Dauer gewesen sind.
Seit der Thronbesteigung des Kaisers Karl V. ist eine längere Friedens-
pause allein für diejenigen 80 Jahre zu rubrizieren, welche durch
die französischen Religions- und Bürgerkriege ausgefüllt waren. Nach-
dem die letzteren durch den Kardinal Richelieu beendet waren, hat
Frankreich aber seit seiner Einmischung in den 30 jährigen Krieg so oft
mit Deutschland Händel gesucht, daß die Zeit der Kriegsjahre von
1633 — 1815 über ein Drittel dieser gesamten Periode ausfüllt. Nach
der geschichtlichen Erfahrung kann man also wohl in dem Sinne mit
einer gewissen Berechtigung von der Unvermeidlichkeit der steten
Wiederkehr französisch-deutscher Konflikte sprechen, daß alle paar
Dezennien es zum Kriege zwischen Frankreich und Deutschland ge-
kommen ist.
Ich will dem Fürsten Lobanow darin gern recht geben, daß die
jetzige französische Regierung einen Angriff auf Deutschland nicht
beabsichtigt; die Bewahrung des Friedens liegt zu sehr im Interesse
der momentan an der Regierung befindlichen zivilistischen Elemente,
als daß sie denselben preisgeben sollten. Die Herren Grevy, Goblet,
Flourens etc. wissen genau, daß es mit ihrer Herrschaft zu Ende ist,
sobald der Kriegszustand proklamiert wird, und daß sie, wie der
Krieg auch enden möge, keine Aussicht haben, wieder zur Regierung
zu kommen, sobald ein General das Oberkommando in die Hand ge-
nommen hat.
Leider hat der russische Botschafter aber auch vollkommen recht,
wenn er sagt, daß kein Franzose den Frankfurter Frieden anerkenne,
und in dieser Tatsache liegt eben die Gefahr für den Fall, daß eine ent-
schlossene militärische Clique in Paris das Heft in die Hand nimmt.
Bezüglich der übrigen Bemerkungen des Fürsten Lobanow ver-
weise ich auf die bezüghche Reichstagsrede des Fürsten Bismarck'',
in welcher er erklärt hat, daß die Franzosen garnichts besäßen, was
irgendeinen Reiz für uns haben könnte; ich kann deshalb und aus den
♦ Vom 11. Januar 1887; vgl. Nr. 1244, Fußnote **.
173
oben genannten Gründen seiner Ansicht, daß es eine richtige Politik
sein würde, wenn wir Frankreich jetzt mit Krieg überzögen, auch nicht
beipflichten: Der Krieg bleibt immer ein großes Übel, selbst für den
siegenden Teil.
Die Äußerung Ihres französischen Kollegen, daß seine Regierung
von Berlin gerade in letzter Zeit die beruhigendsten Versicherungen er-
halten hätte, ist vollkommen richtig: es ist darauf aber zu bemerken,
daß der Kaiserlichen Regierung von der seinigen solche Versicherungen
nicht gemacht worden sind.
H. Bismarck
Nr. 1250
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Militärattache in Wien Grafen von Wedel
Konzept
Beriin, den 16. Februar 1887
Ew. gefälliges Schreiben vom 8. d. Mts. habe ich nebst Anlagen
mit verbindlichstem Danke erhalten und dem Herrn Reichskanzler vor-
gelegt. Derselbe hat mich beauftragt, Ihnen auf die vom 1. d. Mts. da-
tierten Aufzeichnungen über ein Gespräch mit dem Grafen Kälnoky*
Nachstehendes zu erwidern.
Der Glaube des Grafen Kälnoky, daß ein Krieg zwischen uns
und Frankreich von militärischer Seite gewünscht werde, hat inso-
fern keine für uns greifbare Basis, als nicht ersichtlich ist, welche Per-
sönlichkeiten der Graf hierbei im Auge hat: das Militärische wird bei
uns in erster Linie durch Seine Majestät den Kaiser repräsentiert, und
dieser sowohl wie der Kronprinz sind allen kriegerischen Unterneh-
mungen abgeneigt.
Daß Boulangers Bedeutung durch die deutsche Presse erhöht
werde, kann ich nicht zugeben: diese Bedeutung ist vorhanden und
läßt sich nicht totschweigen. Der französische Kriegsminister hat es
auch nach der Meinung seiner urteilsfähigen Landsleute verstanden, sich
eine Popularität in Frankreich zu erwerben, wie niemand sie dort in
den letzten 20 Jahren besessen hat. Er ist seinen Kollegen über den
Kopf gewachsen, und da niemand voraussehen kann, wie schnell er
an die Spitze der Geschäfte treten wird, so würde es dem Einwiegen in
eine falsche Sicherheit gleichbedeutend sein, wenn man versuchen wollte,
den populärsten frahzösischen General zu ignorieren, welcher jederzeit
in der Lage ist, durch den Appell an den Chauvinismus und die Eitelkeit
seiner Landsleute dieselben zum Kriege fortzureißen, pp.
H. Bismarck
* Siehe Nr. 1248.
174
Nr. 1251
Der stellvertretende Chef des Generalstabes General quartiermeister
Graf von Waldersee an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Berlin, den 20. Februar 1887
Euer Durchlaucht verfehle ich nicht, von nachstehenden, in den
letzten Tagen zu meiner Kenntnis gekommenen Nachrichten über Kriegs-
vorbereitungen in Frankreich gehorsamst zu berichten.
1. Auf der Ost- und Nordbahn w^ird rollendes Material an einzelnen
Punkten zu größeren Parks vereinigt.
2. Seit einigen Tagen wird die Überführung von französischen
Güterwagen nach dem Reichslande auffallend beschränkt; namentlich
werden Wagen guter Qualität zurückgehalten.
Diese Nachricht kann mit der ad 1 wohl im Zusammenhange
stehen.
3. Auf 2 nach Toul und Nancy führende Bahnen wird je eine Lade-
rampe für ganze Militärzüge hergestellt, eine Maßregel, die um so
auffallender ist, als im französischen Aufmarschterrain derartige Rampen
in großer Zahl bereits vorhanden sind; die volle Bedeutung dieser An-
lage kann ich erst beurteilen, wenn ich deren genaue Lage erfahren
haben werde.
4. Bei Beifort haben Abholzungen der Glacis begonnen, Arbeiten,
die man bis zum letzten Augenblick zu verschieben pflegt; über den
Umfang derselben, und ob sie auch auf andere Festungen oder Forts
ausgedehnt sind, ist mir noch nichts bekannt.
5. Munitionstransporte in für den Frieden ungewöhnlicher Größe
sind nach den Festungen der Ostgrenze beobachtet worden.
Ich halte diese Nachrichten sämtlich für beachtenswert; sie geben
den Eindruck, daß man in Frankreich den Ausbruch des Krieges für
nahe hält.
Daß die Maßregeln der Furcht vor einem überraschenden Los-
schlagen unsrerseits entsprungen sein können, ist aber sehr wohl
möglich.
Besondere Beachtung würde es verdienen, wenn der Baracken-
bau plötzlich sistiert sein sollte, wie von 2 Holzlieferanten ange-
geben wird.
Die Baracken konnten nach Lage und Umfang und Solidität der
Bauart nur den Zweck haben, eine ansehnliche Truppenzahl aus dem
Innern des Landes näher an unserer Grenze für längere Zeit unter-
zubringen, der Kriegführung selbst können sie nicht dienen; wird der
Bau eingestellt, so ist die Annahme immerhin zulässig, daß man den
Ausbruch des Krieges für nahe hält. Der General-Quartiermeister
G f. Waldersee
175
Nr. 1252
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler Fürsten
von Bismarck
Ausfertigung
fsjr 58 Paris, den 23. Februar 1887
Am vorigen Sonnabend sollen ziemlich heftige Verhandlungen zwi-
schen General Boulanger und seinen Kollegen im Ministerrate, dem
Präsident Orevy präsidierte, stattgefunden haben. Es wird das strengste
Geheimnis bewahrt und ist nichts darüber in die Presse gedrungen.
General Boulanger verlangte nämlich die Vorlage eines Kriegs-
leistungsgesetzes, indem er näher darlegte, daß bei einer etwaigen
Mobilmachung jede gesetzüche Grundlage fehle, und er nicht glaube,
daß die fehlenden Bestimmungen durch einfache Dekrete erlassen
werden könnten.
Sollte es zum Kriege kommen, so sei ein solches Gesetz durchaus
notwendig. Aber auch für den Fall, daß, wie er es beabsichtige, eine
versuchsweise Mobilmachung angeordnet werden sollte, würde die
gesetzliche Regelung über die Verpflichtungen zu Leistungen notwendig
werden.
Es wurde im Ministerrate anerkannt, daß in Beziehung auf Kriegs-
leistung die französische Gesetzgebung Lücken enthalte und ergänzt
werden müsse. Alle Mitglieder des Kabinettes sollen aber dem Präsi-
denten Grevy, der sich sehr energisch gegen General Boulanger aus-
sprach, darin beigetreten sein, daß sie erklärten, daß der jetzige Augen-
blick zur Vorlage eines solchen Gesetzes schlecht gewählt sei, indem
dieselbe als eine Vorbereitung zum Kriege angesehen und Debatten
dadurch veranlaßt werden könnten. Im Interesse des Friedens liege es,
dieses zu vermeiden.
General Boulanger blieb mit seinem Vorschlage allein und soll
in sehr schlechter Laune den Ministerrat verlassen haben.
Es zeigt dieser Vorfall, daß der Präsident und die Mitglieder des
Kabinetts aufrichtig die Erhaltung des Friedens und alles vermeiden
wollen, was als eine kriegerische Maßregel gedeutet werden könnte.
,Wie bei dem Konflikte mit Herrn Flourens wegen des Briefes
an den Kaiser von Rußland*, so auch jetzt hofften die Kollegen des
General Boulanger, daß, heftig wie er ist, er in schlechter Laune seinen
Abschied einreichen würde. Er tut ihnen aber diesen Gefallen nicht
und wird nicht anders als bei einer völligen Ministerkrisis beseitigt
werden.
* Der französische Minister des Auswärtigen Flourens hatte Mitte Februar wegen
der dem Kriegsminister Boulanger nachgesagten Absicht, sich mit einem Briefe
an den russischen Kaiser zu wenden, ein Abschiedsgesuch eingereicht, das er
jedoch auf Andringen des Präsidenten Grevy zurückzog. (Bericht des Grafen
Münster vom 8. Februar 1887.)
176
Wann und ob eine solche bald kommen wird, läßt bei den hiesigen
Verhältnissen sich nicht im voraus sagen.
Ich habe in diesen Tagen aber wiederholt behaupten hören, daß
nächste Woche eine Krisis möglich sei, und die Kornzölle dazu den
Anlaß bieten könnten.
Münster
Nr. 1253
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter
in Petersburg von Schweinitz
Konzept
Nr. 152 Berlin, den 25. Februar 1887
Ew. geheimen Bericht Nr. 62 vom 21,d. Mts.* habe ich erhalten.
Wenn Sie wieder eine Gelegenheit finden, die Frage der Großmachts-
stellung Frankreichs mit russischen Staatsmännern zu besprechen, so
können Sie letztere über unsere Stellung zu derselben vollkommen be-
ruhigen. Wir haben einmal durchaus kein Bedürfnis, Frankreich an-
zugreifen; wenn wir aber bei einem Angriffe Frankreichs auf uns
siegreich bleiben sollten, so irrt Herr von Giers, wenn er annimmt,
daß wir nicht das gleiche Interesse an der Aufrechterhaltung von Frank-
reichs Großmachtstellung haben, wie Rußland. Frankreichs Fortbe-
stehen als Großmacht ist für uns ebenso Bedürfnis, wie das jeder
andern der Großmächte, allein schon aus dem Grunde, weil wir für ge-
wisse Fälle eines maritimen Gegengewichtes zur See gegen England be-
dürfen. Bei der naheUegenden Möghchkeit der Wiederkehr einer radikalen
Regierung in England liegt auch der Lieblingsgedanke des Herrn Glad-
stone, d.h. ein russisch-englisches Bündnis, nicht außerhalb unserer Er-
wägungen. Schon mit Rücksicht auf diese Eventualität liegt die Fort-
existenz Frankreichs als Großmacht innerhalb der Erwägungen jeder deut-
schen Politik, die mit einem längern Zeitraum als dem der momentanen
Konstellation zu rechnen hat. Es ist ein Bedürfnis der deutschen
PoHtik, wenigstens mit einer der großen westlichen Seemächte, wenn
es mit beiden nicht geht, auf freundschaftHchem Fuße zu stehen; da
dies für jetzt mit Frankreich nicht möglich ist, welches durch die Haltung
der russischen Presse in eine besonders feindselige Stimmung gegen
Deutschland hineingehetzt wird, so sind wir gegenwärtig auf Eng-
land angewiesen; es kann sich das aber bald ändern, und es ist sehr
gut denkbar, daß unsere Beziehungen zu Frankreich in kurzer Zeit
noch intimer werden, als sie selbst zur Zeit des Herrn Ferry waren.
Die russische Annahme, als ob wir Frankreichs Großmachtsstellung
dauernd vernichten wollten, ist also eine kurzsichtige; wir brauchen
* In seinem Berichte vom 21. Februar war Botschafter von Schweinitz darauf zu
sprechen gekommen, daß die russischen Staatsmänner den Fortbestand Frank-
reichs als Großmacht als im russischen Interesse liegend erachteten.
12 Die Große Politik. 6. Bd. 1 77
Frankreich in den politischen Konstellationen nach Umständen sogar
mehr, als Rußland desselben zu bedürfen glaubt. Wenn wir von
Frankreich angegriffen würden und siegten, so würden wir doch nicht
an die Möglichkeit glauben, eine Nation von 40 Millionen Europäern
von der Begabung und dem Selbstgefühl wie die Franzosen ver-
nichten zu können. Es ist das drei großen Reichen im Osten seit 100
Jahren nicht einmal mit der im Vergleich mit der französischen so
unbedeutenden polnischen Nationalität gelungen, obschon in der letz-
tern der in Frankreich fehlende Zwiespalt zwischen Adel und Bauern
die Aufgabe leichter erscheinen läßt. Wir würden deshalb den aus-
sichtslosen Versuch, Frankreich als Macht zu vernichten, niemals unter-
nehmen. Wenn aber Frankreich jedenfalls stark bleibt oder nach kurzer
Erholung wieder wird, so daß wir mit seiner Nachbarschaft stets zu
rechnen haben, so wird sich im nächsten Kriege, wenn wir siegen,
eine schonende Behandlung empfehlen, grade wie Österreich gegen-
über 1866. Wenn ich im Reichstage anders gesprochen habe, so ge-
schah es, um vom Kriege abzuschrecken. Gehngt letzteres nicht, so
würden wir nach der ersten gewonnenen Schlacht Frankreich unter
günstigen Bedingungen den Frieden bieten. Würden wir geschlagen,
so läßt sich kaum annehmen, daß der russischen Politik das geogra-
phische Näherrücken der siegreichen französischen Republik sehr will-
kommen sein könne.
Ich glaube, daß ein so besonnener und kaltblütiger Staatsmann
wie Herr von Giers diese Erwägungen würdigen wird, wenn Ew.
dieselben akademisch mit ihm besprechen.
V. Bismarck
Nr. 1254
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den preußischen Gesandten beim Päpstlichen Stuhl von Schlözer
Konzept
Nr. 76 Berlin, den 5. März 1887
Der Herr Reichskanzler hat Ew. gefälligen Bericht Nr. 33 vom
26. V. Mts.*, den französischen Gedanken einer päpstlichen Vermittelung
betreffend, erhalten und bittet Sie, sich, falls die Sache Ihnen gegenüber
von autoritativer Seite angeregt werden sollte, in dem Sinne zu äußern,
daß wir sehr dankbar sein würden für jede Mitwirkung zur Erhaltung
des Friedens auf dem Status quo; wir glaubten aber nicht, bei
Frankreich dieselben Dispositionen voraussetzen zu können, sondern
vermuteten vielmehr, daß dieses hoffe und glaube, wir würden uns bereit
* Nach Schlözers Bericht vom 26. Februar 1887 wären an den Papst verschiedent-
lich französische Anregungen herangetreten, er möge eine Allianz zwischen Deutsch-
land und Frankreich herbeizuführen suchen.
178
finden lassen, den Frieden mit ihm durch irgendwelche Konzession
zu erkaufen. Eine solche Möglichkeit auch nur zu erwägen, würde
schon früher bei der in Deutschland herrschenden Stimmung sehr
schwierig gewesen sein; nachdem aber jetzt seit dem Hervortreten des
Ministers Boulanger und seiner offenen Begünstigung der Bestrebungen
der Patriotenliga die Kriegsgefahr in frivoler Weise uns näher gerückt
worden ist, liegt die absolute Unmöglichkeit vor, auf irgendeine Trans-
aktion einzugehen, welche uns auch nur die geringste Konzession zu-
muten würde. Wenn der Gedanke, von dem Ihr erwähnter Bericht
handelt, wirklich Gestalt gewinnen sollte, so kann ihm nur der Plan
zugrunde liegen, dem Papste nach einer gelungenen Mediation eine
mißlungene mit Deutschland zu obtrudieren, indem man es etwa darauf
anlegt, den Papst zu bewegen, uns irgendeine kleine Abtretung oder
vielleicht die Neutralisierung eines bestimmten Teils des deutschen
Reiches vorzuschlagen. Der Herr Reichskanzler glaubt zwar, daß der
Papst viel zu klug ist, sich in dieser Richtung eine Falle von Frankreich
stellen zu lassen; sollten Sie aber trotzdem davon hören, daß etwa
beabsichtigt würde, einen solchen Versuch zu machen, so ersuche ich
Ew., denselben als eine Intrige zu bezeichnen, welche nur bestimmt
wäre, Verstimmungen zw^ischen uns und dem Papste zu schaffen.
H. Bismarck
Nr. 1255
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 82 Berlin, den 10. März 1887
Es Hegen Anzeichen vor, daß die Franzosen in neuester Zeit die
deutsche PoHtik durch Einschüchterung beeinflussen, d. h. an der Aus-
führung der uns fälschlich zugeschriebenen Absicht, offensiv gegen
Frankreich vorzugehen, und zunächst an der Verstärkung der Orenz-
besatzungen hindern möchten.
In letzterer Hinsicht läßt man durch angebliche Indiskretionen
aus dem Kriegsministerium die Nachricht hierhergelangen, daß der
General Boulanger, dessen Einfluß heute mächtiger, dessen Stellung
stärker sei als je, mit oder ohne Zustimmung der andern Minister
jede unsrer Maßnahmen durch Gegenmaßnahmen beantworten, und
daß man so von Schritt zu Schritt unvermeidlich zum Kriege ge-
langen werde. Da die für Verstärkung unsrer Verteidigungsstellung
getroffenen Dispositionen demnächst zur Ausführung gelangen, so
werden wir in naher Zukunft darüber klar sein, ob seine geheimen
Drohungen einen realen Hintergrund hatten oder nicht. Vorläufig
vermuten wir letzteres. Soweit es sich um die Eventualität eines
deutschen Offensivstoßes gegen Frankreich handelt, wird die Probe
12* 179
auf das Exempel nicht gemacht werden, da ein solcher Schritt, wie
Ew. wissen, nicht beabsichtigt wird.
Ew. wollen bei den Ihnen zugehenden Nachrichten von sen-
sationeller Färbung die Möglichkeit ins Auge fassen, daß dieselben auf
Einschüchterung berechnet sind, wobei ich jedoch ausdrücklich be-
merke, daß ich den russischen Wunsch, eine nähere Fühlung mit Frank-
reich herzustellen, als wirklich vorhanden ansehe. Fraglich bleibt nur,
wieweit das offizielle Rußland, d.h. der Kaiser Alexander, sich
bei Manifestationen dieser Art beteiligt.
H. Bismarck
Nr. 1256
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 159 Berlin, den 19. März 1887
[abgegangen am 20, März]
Ew. pp. gefällige Berichte Nr. 127 und 128* hat der Herr Reichs-
kanzler erhalten. Aus beiden geht zum Erstaunen Seiner Durchlaucht
hervor, daß man in Österreich wirklich den ganz unglaublichen Ge-
danken gehabt zu haben scheint, als ob wir die Absicht hätten, Frank-
reich anzufallen. Es ist schwer zu erklären, wie ernsthafte österreichische
Staatsmänner und Politiker auf solche Idee haben kommen können, denn
es ist nicht der geringste Grund ersichtlich, aus welchem wir gegen
Frankreich Krieg führen sollten. Die Sache ist vielmehr die, daß die
Orleans zum Kriege hetzen; bedroht ist Frankreich von niemand,
und am allerwenigsten von uns. Allein die Tatsache, daß wir das Elsaß
besitzen und nicht erst zu erobern brauchen, spricht dafür, daß uns
an einem Friedensbruche nichts Hegen kann. Wir haben von Frank-
reich absolut nichts zu gewinnen, es besitzt nichts, was uns reizen
könnte, und daß es bei uns Leute geben sollte, die aus reiner Frivolität
unsern 90 jährigen Kaiser noch in einen leichtsinnigen Krieg stürzen
wollten, ist ein für den Herrn Reichskanzler unfaßbarer Gedanke. Der
Herr Reichskanzler kann in den Ihnen in Wien gegenüber getretenen
* In den beiden Berichten Nr. 127 und 128 vom 11. März 1887 hatte Botschafter
Prinz Reuß Äußerungen des Grafen Kälnoky wiedergegeben, wonach in Wien vor
einigen Wochen die Ansicht sehr verbreitet gewesen wäre, „als wolle Deutsch-
land, des Revanchegeschreis in Frankreich und der daraus liervorgehenden be-
ständigen Unsicherheit müde, den ihm jetzt günstigen Augenblick benutzen, um
den ihm unbequemen Nachbar auf eine längere Reihe von Jahren zur Ruhe
zu bringen". Nach Kälnoky sollte diese Ansicht „auch in der deutschen militäri-
schen Welt sehr gewichtige Vertreter gefunden haben". An dem Wiener Gerede
scheint vor allem auch der russische Botschafter Fürst Lobanow beteiligt gewesen
zu sein, der seine eigenen Argumentationen (vgl. S. 172, Fußnote) dem Grafen
Kälnoky unterschob. Erlaß an Schweinitz vom 13. März 1887.
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diesbezüglichen Ansichten nur einen Mangel an Urteil erblicken, wel-
cher entweder auf der eigenen Beschränktheit der Betreffenden be-
ruhen muß oder darauf, daß ein hoher Grad von Torheit in der Leitung
unserer Politik vorausgesetzt wird; es ist dies insofern erschreckend,
als es unsere poHtischen Berechnungen, welche sich doch auf das Vor-
handensein einer gewissen Einsicht in Wien gründen müssen, ganz
unsicher macht. Es ist dem Fürsten Bismarck unbegreiflich, welche
Idee die hier in Frage kommenden österreichischen Politiker sich von
unserem Bündnis mit Österreich machen, wenn sie glauben, daß wir
ohne jeden vorgängigen Gedankenaustausch und ohne jede Rückfrage
bei unserm Bundesgenossen einen großen und schweren Krieg vom
Zaune brechen könnten; wir würden ja gar nicht in der Lage
sein, unser Bündnis ausführen und Österreich, falls es angegriffen
wird, irgendwie stützen zu können, wenn wir gegen Frankreich zu
Felde zögen und dadurch unsere gesamte Kriegsmacht engagierten.
Die Ausrede mit den Absichten der supponierten hiesigen Militär-
partei erscheint dem Herrn Reichskanzler sehr naiv; es gibt bei uns
keine Militärpartei, sondern höchstens einzelne Offiziere, welche ge-
legentlich von ihrer kriegerischen Bereitwilligkeit sprechen mögen. Wenn
man in dem Sinne, wie es Ihnen gegenüber geschehen ist, vom Ein-
flüsse einer „Militärpartei" sprechen wollte, so würden sämtliche großen
europäischen Staaten unaufhörlich dicht vor dem Kriege stehen, denn
die Mehrzahl des Militärs rasselt überall gern mit dem Säbel, wenn sie es
auch vielfach nur unter der Gewißheit tut, daß der Friede nicht ge-
brochen werden wird.
Der Herr Reichskanzler bittet Ew. pp., allen denjenigen, die Ihnen
über unsere angebliche Kriegslust und von der imaginären deutschen
Militärpartei gesprochen haben, den Ausdruck Ihrer Verwunderung dar-
über nicht vorenthalten zu wollen, daß man auf diese Torheit, welche auf
uns einen betrübenden Eindruck machen muß, hat kommen können.
In der ganzen Ihnen gegenüber zum Ausdruck gekommenen Argu-
mentierung liegt eine vollkommen unrichtige Auffassung der franzö-
sichen Verhältnisse. Die Franzosen bemänteln ihre ununterbrochenen
und enormen Rüstungen mit dem von ihnen selbst nicht geglaubten Vor-
wand, daß wir sie angreifen würden; diese Rüstungen dienen lediglich
Angriffszwecken ; sie sollen die französische Armee der unsern über-
legen machen, damit Frankreich alle Chancen des Erfolges auf seiner
Seite hat, sobald es den Moment für den Angriff auf uns für ge-
kommen hält.
Daß unsere Gegner den Sachverhalt im Sinne der altbekannten
Fabel des Phädrus von dem Wolf und dem Lamm umdrehen und uns
in bewußter Verlogenheit aggressive Absichten imputieren, ist natür-
lich. Daß aber unsere Freunde in Wien sich soweit haben verblenden
lassen können, jenen Unterstellungen auch nur für eine kurze Zeit
Glauben beizumessen, ist sehr niederschlagend. Es zeigt das eine
181
gewisse Neigung, uns immer das Dümmste zuzutrauen, was eine Re-
gierung nur begehen kann, und es ist das umsoweniger verständlicii,
als wir niciit glauben, für eine solche Beurteilung greifbare Anhalts-
punkte gegeben zu haben.
Ew. wollen die vorstehenden Ausführungen als lediglich für Ihre
persönliche Information bestimmt ansehen.
H. Bismarck
Nr. 1257
Der Geschäftsträger in Paris Graf von Leyden an das Auswärtige Amt
Telegramm. Entzifferung
Nr. 55 Paris, den 22. April 1887
„Temps** meldete gestern abend, französischer Polizeikommissar
Schnäbele aus Pagny sei über die Grenze gelockt, überfallen und ge-
knebelt nach Metz eingebracht worden*, und — auf der Börse fiel die
Rente um 60 Centimes.
Bei einer Abendgesellschaft im Ministerium der Auswärtigen An-
gelegenheiten fand ich die Stimmung in Regierungskreisen wegen
dieses Vorfalles besorgt, man bezweifelte die Richtigkeit der Nachricht,
erwartete aber mit Ungeduld Aufklärung des Sachverhalts. Im Mini-
sterium des Innern war die Sache auch seit gestern Nachmittag von
der Grenze gemeldet worden. Leyden
Nr. 1258
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Geschäftsträger
in Paris Grafen von Leyden
Telegramm. Konzept von der Hand des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck
Nr. 40 Berlin, den 22. April 1887
Telegramm Nr. 55 erhalten.
Ich bitte Herrn Flourens vertraulich zu sagen, daß ich nicht wüßte,
unter welchen Modalitäten die Festnahme Schnäbeies stattgefunden,
und Erkundigungen darüber angeordnet hätte: es sei aber Tatsache, daß
* Am 11. Februar 1887 vi^ar ein in Straßburg wohnender Agent Tobias Klein
wegen des Verdachts des Landesverrats verhaftet worden. Bei seiner Vernehmung
vor dem Untersuchungsrichter in Straßburg belastete er den französischen Polizei-
kommissar Schnäbele derart, daß der Richter laut eines Berichts des Staats-
sekretärs des Reichsjustizamts Schelling an den Reichskanzler vom 11. März „es
für dringlich erachtete, den Polizeikommissar von Tausch mit dem Auftrage
nach Metz zu schicken, auf Schnäbele zu fahnden und ihn im Betretungsfalle zu
verhaften". Wie Schelling dem Fürsten Bismarck mitteilte, glaubte er seinerseits
in die Maßnahmen des Untersuchungsrichters nicht eingreifen zu sollen. Auch
Bismarck sah, wie er Schelling am 12. März erwiderte, „vom politischen Stand-
punkte aus kein Hindernis dagegen", Schnäbele zu verhaften, sobald er etwa
auf deutschem Boden betroffen werde, und die Voruntersuchung gegen ihn einzu-
leiten. Die Verhaftung erfolgte am 20. April, gelegentlich eines von dem deutschen
Polizeikommissar Qautsch aus Ars mit Schnäbele wegen Grenzstreitigkeiten ver-
182
schriftliche Beweise wegen Beteiligung Schnäbeies an landesverräteri-
schen Umtrieben im Reichslande vorliegen, und seine auf gerichtliche
Requisition erfolgte Verhaftung sei deshalb vollständig gerechtfertigt.
Die Franzosen können es uns nicht verdenken, daß wir uns gegen
Spionage und Konspirationen an unseren Grenzen nachdrücklich wehren,
V. Bismarck
Nr. 1259
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Geschäftsträger
in Paris Grafen von Leyden
Telegramm. Konzept
Nr. 41 Berlin, den 22. April 1887
Die Verhaftung Schnäbeies ist infolge der Geständnisse eines wegen
Landesverrats in Untersuchung befindlichen Spions durch den Unter-
suchungsrichter für den Fall der Betretung Schnäbeies auf deutschem
Gebiete schon länger angeordnet gewesen und jetzt zur Ausführung
gelangt. Schnäbele wird sofort in Freiheit gesetzt werden, wenn die
schwebende Untersuchung seine Unschuld ergibt. Teilen Sie das Herrn
Flourens vorläufig vertraulich mit.
V. Bismarck
Nr. 1260
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Geschäftsträger
in Paris Grafen von Leyden
Telegramm. Eigenhändiges Konzept
Nr. 47 Berlin, den 24. April 1887
Antwort auf Telegramm Nr. 60*.
Machen Sie gelegentlich noch geltend, daß die Reichsregirung in
der ganzen Sache unbetheiligt ist, da der ganze Vorgang auf der Initiative
abredeten Rendezvous an der Grenze, jedoch auf deutschem Boden, was von
französischer Seite erst bestritten, später aber von Schnäbele selbst zugegeben
wurde. Nicht ganz sicher steht fest, ob Schnäbele durch Oautsch mit Absicht
in einen Hinterhalt gelockt ist. Anfänglich hat Qautsch selbst in diesem Sinne
berichtet; später hat er aber einen solchen Zusammenhang bestritten; auch Kri-
minalkommissar von Tausch, der durch seine Beamten die Verhaftung vorgenommen
hatte, hat wiederholt erklärt (u. a. in einem Berichte vom 6. Mai), daß er nur zu-
fällig von dem zwischen Qautsch und Schnäbele verabredeten Rendevous er-
fahren, und daß Qautsch von der beabsichtigten Verhaftung nichts gewußt habe.
Für Bismarck genügte, wie die folgenden Aktenstücke lehren, die Tatsache, daß
Schnäbele bei Gelegenheit einer mit einem deutschen Beamten in Grenzsachen
verabredeten Zusammenkunft verhaftet war, um die Freilassung zu befehlen.
* In dem Telegramm Nr. 60 vom 24. April hatte der Geschäftsträger Graf von
Leyden berichtet, daß der Minister Flourens und die allgemeine Stimmung in
Paris, die erst hochgradig aufgeregt gewesen war, und vor allem an dem dem
Polizeikommissar Schnäbele angeblich gelegten Hinterhalt Anstoß genommen hatte,
„bedeutend zuversichtlicher seit gestern Abend auf Nachricht der Erklärungen
Eurer Durchlaucht" geworden sei.
183
der dortigen Gerichte, in Anknüpfung an eine bei ihnen schwebende
Untersuchung erfolgt ist. Sollten Mißgriffe dabei vorgekommen sein,
so würde ich sie lebhaft bedauern und mißbilligen.
V. Bismarck
Nr. 1261
Der Geschäftsträger in Paris Graf von Leyden an das Auswärtige Amt
Telegramm. Entzifferung
Nr, 61 Paris, den 24. April 1887
Herr Flourens, dem ich soeben die Aufträge von Telegramm Nr. 44
und 45* entrichtet habe, zeigte mir zwei im Schreibtisch Schnäbeies
gefundene Briefe von Gautsch vom 13. und 16. April, welche allerdings
Beweis zu erbringen scheinen, daß guet-apens vorliegt. Beide Briefe
sind noch unveröffentlicht und gehen in Photographie Herrn Herbette zu.
Über Grenzverletzungsfrage erwartet Minister Aufklärung durch
Vergleichung der Protokolle. Er scheint aber sehr besorgt über Ein-
druck der beiden Briefe auf öffentliche Meinung und weist daraufhin,
daß Frankreich eben an Belgien französischen Militärpfhchtigen wieder
ausgeliefert habe, welcher durch List über die Grenze gelockt worden
sei. Minister bedauert es lebhaft, wenn Beteiligung Schnäbeies an
Verschwörung im Reichsland vorliegt.
Leyden
Nr. 1262
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Eigenhändig
Berhn, den 25. April 1887
Der französische Botschafter übergab mir heute die anliegenden
Piecen** mit dem Bemerken, es ginge daraus zweifellos i hervor, daß
Schnäbeies Festnahme auf französischem Gebiet erfolgt sei 2. Ich er-
widerte, daß unsere bisherigen Nachrichten gegenteilig lauteten: Ich
würde die Anlagen aber sorgfältig prüfen und demnächst mit der Dar-
* In den Telegrammen Nr. 44 und 45 vom 23. April war Graf Leyden benachrichtigt
worden, daß nach der gerichtlichen Zeugenvernehmung die Verhaftung Schnäbeies
wirklich auf deutschem Boden erfolgt sei, und daß Bismarck es bedauern würde,
wenn Schnäbele in den Hinterhalt gelockt sein sollte, daß dies aber doch nicht so
übel sein würde, wie die Beteiligung eines französischen Beamten an einer Ver-
schwörung im Reichslande.
** Es handelt sich dabei um französische gerichtliche Aufnahmen, sowie um die
Abschrift eines Briefes von Gautsch an Schnäbele, aus dem hervorgeht, daß
Schnäbele am 20. April wirklich nur einer Aufforderung von Gautsch zu einem
Rendezvous in Grenzangelegenheiten gefolgt war.
184
Stellung vergleichen, welcher ich seitens des Ersten Staatsanwalts und
des Untersuchungsrichters entgegensähe. Wir hätten bisher bloß kurze
Meldungen von Polizeibeamten, und ich müsse mir deshalb eine weitere
Besprechung und definitive Äußerung reservieren, bis der gerichtliche
Bericht vorhegen würde. Sollte derselbe ergeben, daß Schnäbele tat-
sächhch jenseits des französischen Grenzpfahls ergriffen worden sei,
so würde er wieder in Freiheit gesetzt werden.
Die Rekriminationen, welche Herbette an den mitanliegenden Brief
Oautschs knüpfte — welchen er une fraude nannte, die an und für
sich die Festnahme invahdiere — beantwortete ich in trockener Weise
dahin, daß ich dies Vorgehn nicht billigen, von einem subalternen
Polizisten 3 aber auch nicht besonders chevalereske Rücksichtnahmen
erwarten könnte.
Viel schlimmer sei es aber, daß ein Beamter der französischen Re-
gierung für dieselbe Spionagen und Landesverrat organisiere. Als Her-
bette dies zurückweisen wollte und behauptete, seine Regierung gebe
sich zu so etwas nicht her*, fragte ich ihn, ob er denn glaube, daß
Schnäbele nur für sein eigenes Vergnügen kostspielige Spionage ge-
trieben habe? Außerdem erinnerte ich ihn daran, daß eine im vorigen
Dezember vom Kriegsministerium veranlaßte Preßnotiz offen erklärt
habe, das Konzept eines Militärberichts des Hauptmanns von Schwartz-
hoff sei zu seiner Kenntnis gelangt. Dies bewiese doch, daß Organe
der französischen Regierung die Resultate von Spionagen öffentlich
endossieren. — Herbette machte hierauf einige nichtssagende Redensarten;
er schien kein Bedürfnis zu haben, dieses Thema eingehender zu be-
handeln; er begnügte sich damit, die Bitte auszusprechen, daß wir
unsrerseits dazu beitragen möchten, diese kleine und an sich nicht
wichtige Subalternaffaire aus der Welt zu schaffen: da doch jedenfalls
des irregularites bei der Verhaftung und ihrer Anbahnung vorgekommen
seien, so könnten wir auf Grund derselben Schnäbele wohl freilassen ;
er würde dann in Frankreich bestraft werden.
Ich bemerkte dazu, daß es schwer tunlich sein würde, in den Gang
der Gerichtsverhandlungen administrativ einzugreifen: wir könnten keine
Kabinettsjustiz üben; bestimmtere Äußerungen müsse ich mir aber bis
nach Eingang unseres Materials reservieren.
H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
2 Der Hauptfehler der Situation liegt darin, daß Schnebele bei Gelegenheit einer
amtlichen Conferenz über internationale Orenzfragen gegriffen wurde. Der-
gleichen Conferenzen stehn in gleichem Verhältniß wie die Begegnungen mit
feindlichen Parlamentärs, u[ndl müssen freies Geleit sichern, sonst wird der
amtliche Grenz-Verkehr unmöglich
^ I„von einem subalternen Polizisten" eingeklammert, dafür:} einem Spion, der sein
Amt mißbraucht, gegenüber
4 !
185
Nr. 1263
Bericht des Militärattaches in Paris
Hauptmann Freiherr von Hoiningen, gen. Huene
Abschrift
Paris, den 27. April 1887
In bezug auf die Verhaftung des französischen Polizeikommissars
in Pagny vernehme ich von verschiedenen zuvedässigen Seiten, daß
durch dieselbe eine nicht geringe Beklommenheit im französischen
Kriegsministerium herrschen soll.
Der Kriegsminister, welcher seinem Charakter entsprechend den
Dienst seines bureau des renseignements niit besonderer Vorliebe selbst
zu dirigieren scheint, soll in Voraussicht einer eventuellen großen Kom-
promittierung seiner Person in besonderer Aufregung sein, zumal er
über den Umfang des diesseits über französische Spionage pp. im Reichs-
land Bekannten nicht orientiert ist. Daß der französische Polizeikom-
missar zu Pagny einer der Dirigenten dieser französischen Machinationen
ist, wird auch in der Presse mehrfach ausgesprochen.
Über einen Vorfall im Ministerrat am 23. d. Mts. bei Besprechung
genannter Angelegenheit höre ich, daß der Kriegsminister sich hier-
bei jeder Äußerung enthielt; schließlich vom Präsidenten der Republik
zu einer solchen aufgefordert, soll der Kriegsminister ihm ein Stück
Papier gereicht und gesagt haben: Signez l'ordre et en 18 heures la
frontiere Est sera garnie de troupes süffisantes ä repousser toutes
les attaques; en six jours l'armee sera formee derriere; darauf stand
der Kriegsminister auf und verließ die Sitzung.
Wie telegraphisch am 27. d. Mts. gemeldet, hat der Kriegsminister
die Beurlaubung von Offizieren und Mannschaften bei einer großen Zahl
von Regimentern — soviel bis jetzt konstatiert nicht allgemein —
bis auf weiteres untersagt. Die ebenfalls telegraphisch am 26. d. Mts.
gemeldete Konsignierung der 3 Kavallerieregimenter und reitenden
Batterie der Garnison Paris, welche zur 1. Kavalleriedivision gehören,
stimmt hiermit überein.
Die auf den Außenbahnhöfen von Paris angestellten Ermittlungen,
ob Eisenbahnmaterial bereitgestellt sei, haben ergeben, daß auf den-
selben nur 1 Zug von 40 bedeckten Güterwagen an einer für den son-
stigen Verkehr nicht benutzten Militärrampe bereitsteht, daß sonst
keine Militärzüge rangiert sind, jedoch auf diesen Bahnhöfen der Ost-
bahn außer einigen hundert Personenwagen auch 550 bedeckte Güter-
wagen zur Verfügung stehen. Unauffällige Beobachtung wird fortgesetzt.
Als Ansicht eines ruhig denkenden hohen Militärs hierselbst bin
ich in der Lage wiedergeben zu können, wie derselbe dem gegen-
wärtigen Accident als solchem keine Bedeutung beimißt, jedoch sagt,
die Absicht, dem französischen Volke das Gefühl des von Deutschland
Vergewaltigt-Werdens beizubringen, wie dies die Taktik der maß-
186
gebenden Leute seit Monaten gewesen, sei nunmehr vollkommen er-
reicht, die Erbitterung der großen Masse sei gegenwärtig eine tief-
innerliche; Deutschland möge in der gegenwärtigen Angelegenheit noch
so sehr im Recht sein, beziehungsweise sich noch so korrekt benehmen,
so sei die allgemeine Stimmung in Frankreich zur Zeit doch so schlecht,
daß ein an und für sich ganz gleichgültiger neuer Accident mit Leichtig-
keit eine Situation schaffen, eine Handlung zur Folge haben könne,
deren Folge der Krieg sei.
Diese allgemeine Stimmung im Verein mit dem nicht reinen Ge-
wissen eines gewalttätigen Kriegsministers berge nach semer Ansicht
eine nicht geringe Chance für baldigen Beginn eines Krieges in sich.
(gez.) Freiherrvon Hoiningen, gen. Huene
Nr. 1264
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den französischen
Botschafter in Berlin Herbette*
Konzept
Berlin, den 28. April 1887
[abgegangen am 29. April]
Auf Grund der Mitteilungen, welche Seine Exzellenz der Herr
Botschafter der französischen Republik in betreff der gerichtlichen
Festnahme des französischen PoHzeikommissars Schnäbele gemacht hat,
sowie in Würdigung der durch den Kaiserlichen Geschäftsträger in
Paris gemeldeten Mitteilungen des französischen Herrn Ministers der
Auswärtigen Angelegenheiten hat der Unterzeichnete die Angelegenheit
des Schnäbele einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Zum Zwecke der-
selben sind von den beteiligten Gerichtsbehörden die Beweisstücke
eingefordert worden, welche sich auf die Veranlassung der Verhaftung
des Schnäbele und auf die begleitenden Umstände beziehen.
Die wichtigsten dieser Schriftstücke, vor allem die Aussage des
Schnäbele nach seiner Verhaftung und die sämtlichen gerichtlich zu
Protokoll genommenen Zeugenaussagen sind dem Herrn Botschafter
der französischen Republik abschriftlich mitgeteilt worden. Dieselben
ergeben als zweifellos, daß die Verhaftung in ihrem ganzen Verlauf
ausschließhch auf deutschem Gebiete und ohne Überschreitung der
französischen Grenze vor sich gegangen ist.
Das gerichtliche Verfahren gegen Schnäbele hat das Verbrechen
des Landesverrates, begangen im Gebiete des Deutschen Reiches, zum
Gegenstande und gründet sich auf vollgültige Beweise seiner Schuld,
bestehend in Geständnissen des in gleicher Sache angeklagten Reichs-
angehörigen Klein und in eigenhändigen, in Metz zur Post gegebenen
* Veröffentlicht in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung** vom 1. Mai 1887,
daraus abgedruckt in „Das Staatsarchiv" Bd. 48, S. 328 ff.
187
und von Schnäbele seitdem anerkannten Briefen des letztern. Auf
Grund der erwiesenen und später von Schnäbele selbst eingestandenen
Schuld hat das Reichsgericht befohlen, denselben zu verhaften, sobald
er sich auf deutschem Gebiete würde betreten lassen. Dies ist der
Fall gewesen am 20. d. Mts., bei Gelegenheit einer zwischen Schnäbele
und dem deutschen Polizeikommissar Oautsch verabredet gewesenen
geschäftlichen Zusammenkunft auf der Grenze.
Die gerichtliche Verurteilung Schnäbeies wird unter diesen Umständen
nicht zweifelhaft sein können und voraussichtlich um so strenger ausfallen,
als Schnäbele bei seiner strafbaren Tätigkeit das Ansehen gemißbraucht hat,
welches ihm seine Stellung in dem ein besonderes Maß von gegenseitigem
Vertrauen voraussetzenden amtlichen Grenzverkehr beider Länder verlieh.
Schnäbele hat das für den internationalen Verkehr unentbehrliche Ver-
trauen dadurch geschädigt, daß er seine amtliche Stellung im Grenz-
dienste benutzte, um deutsche Reichsangehörige für Geld zu ver-
brecherischen Handlungen gegen ihr Vaterland zu verleiten. Durch diesen
Amtsmißbrauch wird in den Augen des Gerichtes die Strafbarkeit
Schnäbeies erhöht, unabhängig von der Frage, ob derselbe in höherem
Auftrage gehandelt hat. Der Unterzeichnete erlaubt sich diesen Ge-
sichtspunkt für den Fall hervorzuheben, daß Schnäbele nach seiner
gegenwärtigen Freilassung von neuem auf deutschem Gebiete betroffen
werden sollte, ohne durch vorgängige amtliche Verabredung gegen
Verhaftung gedeckt zu sein.
Der Unterzeichnete gibt sich der Hoffnung hin, daß der Herr Bot-
schafter aus den mitgeteilten Aktenstücken die Überzeugung schöpfen
werde, daß der gerichtUche Haftbefehl gegen Schnäbele wohlbegründet
war, und daß die Ausführung desselben innerhalb der deutschen und
ohne Verletzung französischer Hoheitsrechte stattgefunden hat. Wenn
der Unterzeichnete dennoch für seine PfHcht gehalten hat, den Befehl
zur Freilassung Schnäbeies von dem Kaiser, seinem allergnädigsten
Herrn zu erbitten, so ist er dabei von der völkerrechtHchen Auffassung
geleitet worden, daß Grenzüberschreitungen, welche auf Grund dienst-
licher Verabredungen zwischen Beamten benachbarter Staaten erfolgen,
jederzeit als unter der stillschweigenden Zusicherung freien Geleites
stehend anzusehen seien. Es ist nicht glaublich, daß der deutsche
Beamte Gautsch den Schnäbele zu einer Besprechung in der Absicht
aufgefordert habe, seine Verhaftung mögHch zu machen ; es liegen aber
Briefe vor, welche beweisen, daß Schnäbele, als er verhaftet wurde,
sich an der Stelle, wo dies geschah, infolge einer mit dem diesseitigen
Beamten getroffenen Verabredung befand, um gemeinsame amtliche
Geschäfte zu erledigen. Wenn die Grenzbeamten bei derartigen
Gelegenheiten der Gefahr ausgesetzt wären, auf Grund von An-
sprüchen, welche die Gerichte des Nachbarstaates an sie machen, ver-
haftet zu werden, so würde in der dadurch für sie gebotenen Vorsicht
eine Erschwerung der laufenden Grenzgeschäfte liegen, welche mit dem
188
Geiste und den Traditionen der heutigen internationalen Beziehungen
nicht in Einklang steht. Der Unterzeichnete ist daher der Meinung,
daß derartige geschäftliche Zusammenkünfte jederzeit als unter dem
Schutze gegenseitig zugesicherten freien Geleites stehend gedacht wer-
den sollten. In diesem Sinn hat er, unter voller Anerkennung der Be-
rechtigung des Verfahrens der diesseitigen Gerichte und Beamten das
Sachverhältnis bei Seiner Majestät dem Kaiser zum Vortrag gebracht;
allerhöchstdieselben haben dahin zu entscheiden geruht, daß in Be-
tracht der völkerrechtHchen Motive, welche für unbedingte Sicherstellung
internationaler Verhandlungen sprechen, der pp. Schnäbele trotz seiner
Festnahme auf deutschem Gebiet und trotz der gegen ihn vorliegenden
Schuldbeweise in Freiheit zu setzen sei.
Indem der Unterzeichnete dies zur Kenntnis des Herrn Botschafters
der Französischen Republik bringt, fügt er hinzu, daß die erforderlichen
Weisungen zur Haftentlassung des Schnäbele ergangen sind, und bittet
Seine Exzellenz gleichzeitig die Versicherung seiner ausgezeichneten
Hochachtung entgegenzunehmen. v. Bismarck
Nr. 1265
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 167 Paris, den 11. Mai 1887
Ganz vertraulich
Als ich gestern den Vertrag von Sansibar mit dem Minister be-
sprochen hatte, sagte er mir, ich würde wohl aus den Zeitungen er-
sehen haben, daß der General Boulanger den Mobilmachungsplan für
ein Armeekorps dem Conseil vorgelegt habe, und daß er leider er-
mächtigt worden sei, denselben den Kammern vorzulegen*.
Herr Flourens habe auf das allerenergischste dagegen protestiert,
er findet den Moment für sehr unopportun und die Sache selbst für
gefährlich. Was ihn aber dabei beruhige, sei, daß er die feste Über-
zeugung habe, daß die Kammern den Gesetzentwurf nicht akzeptieren
werden.
Ich erwiderte darauf, daß die Art und Weise, wie er sich mir
gegenüber so offen geäußert habe, mir das Recht gebe, ihm meine Mei-
nung ganz offen und unverhohlen mitzuteilen.
Auf meine Frage, wie weit die MobiHsierung gehen solle? Ob
die wirkhche Kriegsbereitschaft mit Ankauf von Pferden und Beschlag-
nahme des Eisenbahnmaterials in Aussicht genommen sei? Was die
Pferde betreffe, erwiderte er, schien ihm der Plan des General Bou-
* Am 10. Mai hatte der Kriegsminister Boulanger in der französischen Deputierten-
kammer einen Kredit von 5 Millionen Francs für die im Herbst auszuführende
Probemobilmachung eines Armeekorps verlangt.
189
langer durchaus unpraktisch, er wolle Pferde und Wagen requirieren
und zwar mietweise auf 12 Tage, der Eisenbahnverkehr solle sistiert
und die Eisenbahn zur Disposition der Truppen gestellt werden. Die
Kosten der ganzen miUtärischen Operation würden auf 7 Millionen
angegeben, sich aber auf höher belaufen.
Ich bemerkte darauf, daß mir dies doch eine sehr ernste Maßregel
schiene, daß, da das Armeekorps über Eisenbahnmaterial disponiere,
es ziemlich gleichgültig sei, wo es mobilisiert würde, da es leicht
an Punkte der Grenze geworfen werden könnte. Käme diese Maßregel
zur Ausführung, so würde Deutschland notwendig zu Gegenmaßregeln
gezwungen sein, und wozu das führte, das brauchte ich ihm nicht
erst zu sagen.
Der Minister schien meine Argumentation richtig zu finden und
meinte, er glaube ganz bestimmt, daß die Kammern nicht zustimmen
würden, einesteils wegen der Kosten, andernteils, weil die Majorität
den Krieg nicht wolle. General Boulanger vermeide es, die Departe-
ments zu nennen, wo die Mobilisierung stattfinde, weil er von dort
einen großen Widerstand erwarte.
Herr Flourens ließ durchblicken, daß er und mehrere seiner
Kollegen hofften, Boulanger loszuwerden, wenn der Gesetzentwurf fallen
sollte. Ich fürchte, daß er sich dabei täuscht, weil Boulanger, selbst
wenn sein Antrag fiele, doch schwerlich abgehen würde und am Amte
hängt, so lange er irgend kann.
Der Gesetzentwurf selbst wird erst in diesen Tagen im Druck
erscheinen, und werde ich nicht verfehlen, denselben einzusenden, sobald
er erscheint. Münster
Nr. 1266
Aufzeichnung des Unterstaatssekretärs im Auswärtigen Amt
Grafen von Berchem
Reinschrift
BerHn, den 16. Mai 1887
Auf Bestimmung des Herrn Reichskanzlers soll dem Grafen Münster
geschrieben werden, wir wünschten über den Verlauf der französischen
Ministerkrisis* informiert zu werden, wir hätten gewisse Gesetze in Aus-
sicht genommen über das Kundschafterwesen** und warteten, um da-
* Am 17. Mai erfolgte der Sturz des Kabinetts Goblet; es wurde Ende des Monats
durch das Kabinett Rouvier ersetzt, in das Flourens von neuem als Minister des
Auswärtigen eintrat, während General Boulanger als Kriegsminister ausschied.
** Der Erlaß eines solchen Gesetzes war nur eine natürliche Folge des von dem
General Boulanger im März 1886 eingebrachten und von der Deputiertenkammer
und dem Senat im April ohne Debatte angenommenen französischen Gesetzes über
die Spionage. Zu einem solchen Gesetz lag auf deutscher Seite um so mehr An-
laß vor, als gerade seit 1886 eine ganze Reihe von Hochverratsprozessen in Deutsch-
land (Prozeß Kraszewski-Hentsch, Jansen, Sarauw-Hansen) mit Gewißheit ergeben
190
mit die französischen Minister nicht zu stören, und um auf die Krisis
unsererseits nicht einzuwirken, weil bei der Vorlage des Gesetzes viel-
leicht viel unangenehme Redensarten fallen würden. Allzulange könnten
wir nicht warten.
Seine Durchlaucht hat mich ferner beauftragt, wenn der Bot-
schafter Herbette mich besucht, dessen voraussichtlich friedliche Äuße-
rungen friedlich und versöhnlich zu erwidern ; wir betätigten unsere
friedhche Haltung auch dadurch, daß wir dem Fall Schnäbele gegen-
über unsere Gesetzgebung ändern müßten ; wir warteten damit nur,
um Frankreich in seiner Ministerkrisis nicht zu genieren. Dies sei
eine Reform, die dem General Boulanger gegenüber unentbehrlich sei,
nachdem derselbe mit verstärkten Kräften dieses herausfordernde Kund-
schafterwesen fortsetze. Wir würden daher dasselbe Gesetz wie Frank-
reich, ein Gesetz „Boulanger" machen.
Auf Vorlage des bei den Akten befindlichen Gutachtens des Feld-
marschalls Grafen Moltke über die beabsichtigte französische Mobili-
sierung hat Seine Durchlaucht bestimmt, daß von einer Befragung des
Kriegsministers über deutsche Gegenmaßnahmen vorläufig abgesehen
werden soll*. Berchem
Nr. 1267
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 178 Paris, den 18. Mai 1887
pp. In der „Autorite*' teilt Paul de Cassagnac in der ihm ge-
läufigen offenen Sprache heute mit, der Kammer sei vor einigen Tagen zu
ihrem heilsamen Schrecken bekannt geworden, Goblet habe in der
hatte, daß Frankreich nicht ohne Erfolg Deutschland mit einem Netz von Spionen
zu überziehen suchte. In einem Erlaß des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bis-
marck an den Geschäftsträger Grafen von Leyden vom 28. April 1887 heißt es
darüber: „Wenn die Stimmung in Frankreich durch diesen Vorfall — gemeint ist
der Fall Schnäbele — ungewöhnlich erregt ist, so ist es die in Deutschland
bereits seit Jahren in weit höherem Maße, seitdem durch vier große Landes-
verratsprozesse gerichtlich das gegen das Reich gerichtete französische Spionage-
system enthüllt worden ist. Die Erregung ist bei uns um so mehr begründet, als
es festzustehen scheint, daß Schnäbele mit den im Prozeß Jansen verwickelten
Personen in Beziehung gestanden hat, und das Spionieren und Agitieren im Elsaß
durch Grenzbeamte, welche auf das Vertrauen der diesseitigen Behörden ange-
wiesen sind, von der französischen Regierung betrieben wird.''
* Graf Münster wurde auf Grund der Bismarckschen Direktiven vom 16. Mai
durch Erlaß Nr. 167 vom 17. Mai instruiert. An demselben 17. Mai hatte Unter-
staatssekretär Graf von Berchem eine Unterredung mit dem Botschafter Her-
bette, in der laut einer Aufzeichnung vom gleichen Tage ebenfalls die Probe-
mobilmachung zur Sprache kam: „Der Botschafter beklagte sich über das Auf-
sehen, welches die beabsichtigte Mobilisierung eines Armeekorps in unserer Presse
hervorrufe, und behauptete, dies sei um so unverständlicher, als wir an der Grenze
um ein Vielfaches stärker seien, wie die an unserer Grenze echelonierten fran-
191
Angelegenheit „Schnäbele" vollständig den Kopf verloren und auf
Drängen Boulangers den französischen Botschafter in Berlin abberufen
und 50000 Mann an die Grenze werfen wollen. Er sei davon nur mit
Mühe von drei besonnenen Kollegen zurückgehalten worden*.
Diese Enthüllungen stimmen mit dem überein, was Flourens gestern
einem Journalisten sagte: Er trete ungern, aber mit dem erhebenden Be-
wußtsein von seinem Posten zurück, während seiner kurzen Amtszeit
zweimal verhindert zu haben**, daß das Haar zerschnitten wurde, an
dem die friedlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich
hingen, pp. Münster
Nr. 1268
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept
Nr. 178 Berlin, den 3. Juni 1887
[abgegangen am 7. Juni]
Mit Bezug auf den Erlaß Nr. 167 vom 17. v. Mts.*** und die be-
endete Ministerkrisis teile ich Ew. pp. ergebenst mit, daß wir über das
zösischen Truppen. Ich habe auftragsgemäß dem Botschafter bemerkt, daß wir
der französischen Regierung im derzeitigen Augenblick der Ministerkrisis keine
Schwierigkeit bereiten wollten und uns vorbehielten, die Sache später zu prüfen,
wenn nähere Details über diese Mobilisierung vorliegen werden."
Das im Text angezogene Gutachten des Generalfeldmarschalls Grafen von
Moltke „Bemerkungen zu dem in Frankreich beabsichtigten Mobilmachungsversuch"
ist vom 11. November 18S6; es l<onstatiert die Notwendiglteit, erst einmal festzustellen,
ev. durch direkte Anfrage bei der französischen Regierung, welcher Art die geplante
Mobilisierung sein solle. Nur wenn die Mobilisierung in der Form kompletter
Aufstellung schlagfertiger Formationen an der östlichen Grenze beabsichtigt sein
sollte, würden Gegenmaßregeln, dann aber auch die ernstesten, zu ergreifen sein.
* Ende Oktober wurde in der französischen Presse bestätigt, daß der französische
Ministerrat im April wirklich die Frage der Mobilmachung ernstlich erwogen
und über ein an Deutschland zu richtendes Ultimatum abgestimmt habe, wobei
sich u. a. der Ministerpräsident Goblet und General Boulanger für, der Präsi-
dent Grevy und der Minister des Auswärtigen Flourens mit aller Entschiedenheit
gegen das Ultimatum eingesetzt hätten. Nach den Äußerungen Grevys und Flou-
rens' zu dem Botschafter Graf Münster (Nr. 1265 und 1275) wird man diese An-
gaben für authentisch halten dürfen. Auch stimmt damit die Äußerung überein,
die nach G. Pages (Rapport de la Commission d'Enquete sur les faits de la Guerre
Vol. I 11919], p. 233f.) Goblet zu dem nach Paris berufenen Botschafter Herbette
getan hat: „L'incident est clos, soit! Mais il eut ete peut-etre preferable d'en finir
par la guerre avec toutes ces querelles d'Allemands". Später hat bekanntlich
Boulanger in seinem Manifest vom 6. August 1889 ausdrücklich zugestanden,
daß Frankreich niemals dem Kriege näher gewesen sei, als zur Zeit des Schnäbele-
Falls. Das von Anfang an entgegenkommende Verhalten Deutschlands beweist,
daß, wenn es wegen dieses Falles zum Kriege gekommen wäre, die Schuld nicht
an der deutschen Regierung gelegen hätte.
** Vgl. die analogen Äußerungen des Präsidenten Grevy zu dem deutschen Bot-
schafter Grafen Münster vom 15. Juni 1887, Nr. 1270.
*** Vgl. S. 191, Fußnote *.
192
Zustandekommen des neuen Ministerium ohne die Mitgliedschaft des
Generals Boulanger erfreut sind. Wir betrachten es als friedliches An-
zeichen, daß es Herrn Rouvier und seinen Kollegen gelungen ist,
diesen den Frieden gefährdenden Hetzer abzuschütteln. Unter diesem
Eindruck haben wir einstweilen einen unter dem Druck der Boulanger-
schen Spionagewirtschaft zur Vorlage gereiften und nach dem französi-
schen Vorbilde ausgearbeiteten Gesetzentwurf über die Spionage und
die anderen in Aussicht genommenen Vorkehrungen gegen die Ver-
leitung zum Landesverrat zurückgestellt*.
Wir rechnen dabei auf eine Änderung des französischen Systems,
wie es unter General Boulanger betrieben worden ist, und durch welches
sowohl elsässische Beamte zum Treubruch verführt, als auch Agenten
des Obersten Vincent als Grenzbeamte angestellt und angewiesen wor-
den sind, dienstlich über die Ergebnisse ihrer Auskundschaftung zu
berichten, so daß dadurch Skandalprozesse entstanden.
Sollten wir uns hierin täuschen, und eine Änderung dieses Systems
nicht stattfinden, so würden wir allerdings auf die vorbereiteten stren-
geren Gesetze zurückgreifen müssen.
Ich ersuche Ew. pp. ergebenst, sich im Sinne der vorstehenden
Gesichtspunkte Herrn Flourens gegenüber vertraulich und freundlich
zu äußern und hervorzuheben, daß wir bemüht sein werden, dem neuen
Ministerium die Führung der Geschäfte in der Hoffnung und An-
nahme zu erleichtern, daß dem völkerrechtswidrigen Treiben, wie es
unter General Boulanger bestand, ein Ziel gesetzt werde.
H. Bismarck
Nr. 1269
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Reinschrift
Berlin, den 8. Juni 1887
Der französische Botschafter brachte bei seinem gestrigen Besuche
wiederholt die englisch-türkische Konvention bezüglich Ägyptens** zur
Sprache und fragte, ob wir bereits Stellung dazu genommen hätten.
Ich erwiderte darauf, daß, wie ich ihm bereits vor acht Tagen gesagt
hätte, für uns keine Veranlassung vorläge, uns mit dem Studium der
ganzen Materie sehr zu beeilen, solange die englische Regierung den
* In dem gleichen Sinne hatte sich Unterstaatssekretär Graf von Berchem schon
am 17. Mai gegenüber dem Botschafter Herbette geäußert. In einer Aufzeich-
nung des Unterstaatssekretärs vom gleichen Tage heißt es darüber: „Herr Her-
bette schien wenig angenehm hiervon — d. h. von der Vorbereitung eines deut-
schen Spionagegesetzes — berührt zu sein, behauptete, daß man von dem Bou-
langerschen Spionagegesetze in Frankreich keinen genügenden Gebrauch mache,
er war aber so gütig zuzugestehen, daß unser Recht zur Erlassung eines analogen
Gesetzes unanfechtbar sei".
** Vgl. Bd. IV, S. 174, Fußnote.
13 Die Große Politik. 6. Bd. 193
Text der Konvention nicht offiziell an die Kabinette mitgeteilt hätte.
Soviel ich wisse, beabsichtige Lord Salisbury dies erst nach erfolgter
Ratifikation zu tun.
Unsere Stellung zu der Frage wäre sehr einfach: wir beabsich-
tigten nicht, England in Ägypten irgendwelche Schwierigkeiten zu be-
reiten und würden unsere politische Haltung hiernach einrichten.
Herr Herbette bemerkte hierzu, daß die französische Regierung
sich von demselben Gedanken leiten Heße: auch sie wünsche durchaus
nicht, de creer des embarras ä l'Angleterre; sie wolle trotz der be-
deutenden in Ägypten engagierten französischen Interessen für sich
dort durchaus keine besondere Stellung beanspruchen; sie müsse aber
wünschen, daß auch keine andere Macht sich irgendeine Bevorzugung
in Ägypten sichere und ihr Bestreben i ginge daher dahin, die ägyptische
Frage wieder auf den europäischen Boden zu stellen.
Ich erklärte dem Botschafter hier, daß unsere beiderseitigen Ab-
sichten und Anschauungen bezüglich der im vorliegenden Falle ein-
zunehmenden Haltung sich doch wesentlich zu unterscheiden schienen:
wenn ich vorher gesagt hätte, daß wir England in Ägypten nicht ent-
gegentreten wollten, so hieße das, daß wir ihm überlassen wollten, sich
mit dem Sultan zu einigen et de regier la question egyptienne comme
eile l'entend.
Als Herr Herbette nach dieser meiner Äußerung Zeichen von Miß-
vergnügen von sich gab und mir sagte, er hätte gehofft, daß Frank-
reich jetzt, nachdem es ein besonnenes und friedliches Ministerium
hätte 2, bei uns einiges Entgegenkommen finden würde, um Berührungs-
punkte für eine gemeinsame Politik 3 zu finden, und dabei hinzusetzte,
daß Frankreich ja gar keinen Vorteil* von seinem für uns doch be-
friedigenden Ministerwechsel hätte 5, wenn wir uns nach wie vor in
einer für Frankreich so wichtigen Frage ablehnend verhalten wollten,
erwiderte ich ihm, daß unsere Haltung sich nach den Beziehungen
richten müsse, in welchen wir mit den verschiedenen Mächten ständen.
Mit England wären wir auf freundschaftlichem Fuße, und wir müßten
umsomehr darauf bedacht sein, dieses gute Verhältnis zu pflegen, als
wir nach den Erfahrungen der letzten 16 Jahre auf Wohlwollen und
Annäherung an Frankreich leider nicht zu rechnen hätten. Wir wären
lange Zeit hindurch bemüht gewesen, Anknüpfungspunkte zu schaffen,
um die deutsch-französischen Beziehungen besser zu gestalten, hätten
dafür aber keinerlei Dank oder Anerkennung^ von Frankreich geerntet:
ich brauchte nur die Namen Tunis, Tonking, Madagaskar zu nennen
und an den Ausgang des chinesischen Krieges zu erinnern: alle diese
Namen bezeichneten ebenso viel gute Dienste, die wir Frankreich in
der Hoffnung geleistet hätten, daß die Franzosen schließlich einsehen
würden, wie sie größere Interessen auf der Welt hätten, als die Wieder-
eroberung des Elsasses, bei deren Verfolgung unsere Unterstützung
ihnen von Nutzen sein könnte. Die Erwartung, daß die loyale Haltung,
194
welche wir seit dem Abschluß des Krieges Frankreich gegenüber be-
obachtet hätten, dazu führen würde, den Chauvinismus zu mindern
und das Revanchegeschrei schließlich verstummen zu lassen, habe sich
aber nicht erfüllt. Niemals sei die französische öffentliche Meinung und
gesamte Presse mit so bitterer Feindseligkeit gegen Deutschland auf-
getreten, als während der letzten 12 Monate. Wir hätten uns deshalb
der Einsicht nicht länger verschHeßen können, daß unser gesamtes
Bestreben, aufrichtige und vertrauensvolle Beziehungen mit Frankreich
anzubahnen, verlorene Liebesmüh gewesen sei, und wenn Herr Herbette
sich jetzt beklage, daß wir den französischen Anregungen bezüglich
einer anti-englischen Haltung in Ägypten nicht entsprechen wollten, so
müsse er deswegen seine eigenen Landsleute zur Verantwortung ziehen.
Der Botschafter suchte meinen Ausführungen mit allen möglichen
Protestationen entgegenzutreten. Zunächst behauptete er, man könne
doch nicht sagen, daß wir schon 16 Jahre lang^ bemüht gewesen seien,
Frankreich in anderen Weltteilen Dienste zu erweisen, denn vor 16
Jahren sei ja doch kaum der Krieg zu Ende gewesen. Die jetzige
Lage habe eine große Analogie mit der von 1875, wo Frankreich
sich auch bedroht geglaubt habe. Er könne mir seinerseits versichern,
daß seit seinem Amtsantritt in Berlin kein Wechsel in den friedlichen
Anschauungen der französischen Regierung eingetreten sei: wäre dies
der Fall gewesen, so würde er seinen Posten alsbald verlassen haben.
Die ganze Erregung des letzten Winters sei doch hauptsächlich darauf
zurückzuführen, daß wir einen ungebärdigen Reichstag gehabt hätten,
welcher der von der Regierung gewünschten Armeevermehrung wider-
strebt, und daß dies zu der letzten Wahlkampagne geführt hätte, in
welcher die Wogen der öffentHchen Meinung und Publizistik besonders
hoch gegangen wären.
Ich griff zunächst die letzte Äußerung des Botschafters auf, um
ihm zu sagen, daß unsere Armeeverstärkung, welche wegen ihrer
Kostspiehgkeit von der Regierung nur sehr ungern beantragt worden
wäre, doch nur die notwendige Folge der fortwährenden franzö-
sischen Rüstungen gewesen sei 9; ich wolle auf militärische Details
hier nicht eingehen, sondern nur die großen Summen hervorheben,
welche Frankreich besonders in den letzten Jahren auf seine Armee
verwendet hätte: das französische Armeebudget sei viel größer als das
unsrige und die französische Armee zahlreicher als die deutsche. Diese
Tatsache spräche für sich selbst.
Was dann die Reminiszenz von 1875 beträfe, so könnte ich die
einzige Analogie mit der heutigen Lage darin finden, daß wir jetzt
ebensowenig wie damals die Absicht gehabt hätten, Frankreich an-
zugreifen. Die Sache habe aber im Jahre 1875 insofern ganz anders
gelegen, als damals die französischen Militärs und Boulevardiers wirk-
lich noch von ihrer Inferiorität überzeugt waren, während dieselben
heut nach zwölfjähriger Verstärkung und Ausbildung der Armee sich
13' 195
uns vollkommen gewachsen hielten. Wenn die französische Regierung
im Jahre 1875 sich mit erheuchelter Besorgnis an den Kaiser von Ruß-
land gewandt hätte, so mache jetzt nicht nur die französische Regierung,
sondern die gesamte französische Presse den deutsch-feindUchen Pan-
slawisten und ihren Organen in Rußland derartige Avancen, daß dies
allein schon auf kriegerische Gelüste in Frankreich schheßen ließe.
Herr Herbette wußte auf meine Darlegung nicht viel zu erwidern und
meinte nur, daß die m'amours, welche zwischen Frankreich und Rußland
gewechselt würden, mehr von letzterem ausgingen; Rußland sei stets
bereit, in allen Fragen, die Frankreich interessierten, sich ihm angenehm
zu machen und sei gerade in letzterer Zeit immer die erste Macht ge-
wesen, die sich bei verschiedenen europäischen Vorkommnissen sofort
mit Empressement auf die französische Seite geschlagen habe^^^: dies
müsse natürlich in Frankreich um so tieferen Eindruck machen, je mehr
Deutschland sich zurückhielte: Es sei hauptsächlich unserer kühlen Ab-
lehnung jeder Unterstützung der französischen Pohtik in Ägypten zuzu-
schreiben, wenn das russische Entgegenkommen um so mehr hervor-
trete ii. „Trotzdem", fügte Herr Herbette, hinzu, „gebe ich die Hoffnung
immer noch nicht auf, daß wir in der weitaussehenden ägyptischen
Frage uns schließUch mit Deutschland verständigen können." pp.
H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ Unseres nicht
^ wie lange?
3 die haben wir 16 Jahre lang erfolglos gesucht u[ndl gepflegt
t !
^ doch den, daß sie Boulanger los sind!
6 [„keinerlei Dank oder Anerkennung" eingeklammert, dafür:] nur Feindschaft
verstärkte
"> seit 10 Jahren aber
8 nur auf Boulanger
9 richtig
^0 u[nd] vice versa
1^ wir können in Frankreich das Maaß von Wohlwollen nie gewinnen, welches
für Verstimmung mit England Ersatz bieten könnte.
Nr. 1270
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 208 Paris, den 16. Juni 1887
Ganz vertrauHch
Der Präsident der Republik hatte mich durch Herrn Flourens bitten
lassen, ihn zu besuchen, und so war ich gestern längere Zeit im Elysee.
Der Präsident empfing mich auf das allerfreundlichste und begann
sein Gespräch damit, daß er sagte, er habe selbst niemals an der Er-
196
Haltung des Friedens gezweifelt, weil er Frieden wolle und darin einig
sei mit der großen Majorität des französischen Volkes. Er hoffe, daß
aber jetzt auch die Unruhe, welche hier und auch in Deutschland in
letzter Zeit nicht zu verkennen gewesen sei, aufhören und allgemeines
Vertrauen bald wieder hergestellt sein werde. Er rechne mit Sicher-
heit auf einen ruhigen Sommer.
General Boulanger sei als der Störenfried und Unruhestifter an-
gesehen worden, und weil er das gewußt, sei er, der Präsident, ent-
schlossen gewesen, ihn zu beseitigen. Der Einfluß und die Macht des
vorigen Kriegsministers sei sehr überschätzt worden, wie denn der
Einfluß der chauvinistischen Partei, die in Wirklichkeit sehr klein
sei, für weit größer gehalten werde, als er sei. Nachdem aber General
Boulanger sich mit dieser Partei eingelassen und dadurch ihre Be-
deutung und Einfluß vermehrt habe, durfte er nicht länger in seinem
wichtigen Amte bleiben.
Die Bildung des Kabinetts sei dadurch erschwert und in die
Länge gezogen. Er hoffe, daß das jetzige Ministerium einige Zeit am
Ruder bleiben werde, verkenne aber nicht, daß es fast unmöglich sei,
mit der jetzigen Kammer auf sichere Majoritäten zu rechnen.
Auf meine Bemerkung, daß unter solchen Umständen eine Auf-
lösung der Kammer wohl schwer zu vermeiden sein werde, sagte der
Präsident, er würde nur sehr ungern zu diesem Mittel schreiten, weil
mit dem Scrutin de liste niemand mit einiger Sicherheit auf das
Resultat der Wahlen rechnen könne.
Es sei dieses Scrutin de liste ein unglückliches Vermächtnis von
Gambetta. Dasselbe habe sich gar nicht bewährt, befriedige keine
Partei, und er hoffe sehr, daß es deshalb möglich sein werde, auf den
früheren Wahlmodus zurückzugreifen.
Zu meiner Überraschung sprach sich darauf Herr Orevy sehr
energisch gegen das allgemeine Stimmrecht aus. Das sei allerdings
schwerlich zu beseitigen, er selbst würde aber sehr wünschen, einen Wahl-
modus wie in Preußen einzuführen, den er ganz genau zu kennen schien.
Der Präsident kam darauf wieder auf die allgemeine politische
Lage zurück und betonte, daß, da Frankreich, solange er Präsident sei,
Deutschland nicht angreifen werde, er auch keinen Angriff von Deutsch-
land erwarte und Vertrauen in eine friedliche Zukunft habe. „Ich
weiß wohl", setzte er dann hinzu, „daß man mich für einen alten Mann
hält, der nicht eingreift und die Sachen gehen läßt: das ist ein Irrtum,
ich habe das Steuer fest in der Hand und greife ein, wenn ich es für
Zeit halte.''
Ich sagte dem Präsidenten, daß ich an seiner Friedensliebe und
Energie nicht zweifle, und daß ich hoffe, daß es ihm gelingen werde,
die chauvinistischen Angriffe auf Deutsche und auch den feindlichen
Ton der Presse zu mäßigen.
197
Er erwiderte, leider sei das bei Lage der Gesetzgebung sehr
schwierig, was aber die Regierung dazu tun könne, werde geschehen.
Zu meiner Überraschung bemerkte der Präsident, daß der Einfluß
der slawischen Partei und ihrer Rubel leider den Weg in die französische
Presse gefunden haben.
Der Präsident sprach darauf mit merkwürdiger Offenheit über
Rußland, bemerkte, daß dort die gefährliche Wolke am politischen Hori-
zonte zu erblicken sei, sowohl wegen der inneren als auch der orienta-
lischen Verhältnisse. Für Frankreich mache ihn das aber weniger
besorgt, weil er fest entschlossen sei, falls es wegen der orientalischen
Frage zu KompHkationen mit Deutschland und Österreich kommen
sollte, Frankreich neutral zu halten.
Ich bemerkte darauf, daß ich an seinem Einfluß und gutem Willen
nicht zweifle, aber doch eine gewisse Befürchtung hege, daß in einem
solchen Falle Frankreich sich schwerlich werde zurückhalten lassen, da
doch die Idee einer russisch-französischen Allianz und die Hoffnung auf
Rußlands Hilfe ein fast allgemeines Glaubensbekenntnis zu sein scheine.
Er bemerkte, daß man vielfach auf russische Hilfe bei einem
Kriege zwischen Deutschland und Frankreich hoffe, sei richtig, selbst
glaube er daran nicht und würde es für den größten Fehler halten,
wollte Frankreich auf eine offensive und defensive Allianz mit Ruß-
land sich einlassen. Nach seiner Überzeugung würde Rußland Frank-
reich im entscheidenden Momente im Stiche lassen.
Daß der Präsident seine wirkliche Meinung aussprach, will ich
wohl glauben, und insofern hat dieses Gespräch eine gewisse Wichtig-
keit, obgleich ich weit entfernt bin, die Tragweite zu überschätzen.
Mir wird es aber nötigenfalls immer die Gelegenheit geben, darauf mich
zu berufen.
Der Präsident, der, wenn er öffentlich oder in großen Gesellschaften
auftritt, den Eindruck eines sehr ermüdeten Greises macht, erscheint
im Privatgespräche ganz anders und spricht dann mit großer Lebhaftig-
keit und sehr vielem Verstände. Münster
Nr. 1271
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Reinschrift
Berün, den 5. Juli 1887
Der französische Botschafter richtete heute die Frage an mich,
ob ich nicht befriedigt darüber wäre, daß die französische Presse sich
in letzter Zeit weniger mit Deutschland beschäftige und Zurückhaltung
zeige. Ich stellte die Rückfrage, ob der Botschafter im Ernst gesprochen
habe; als er dies mit Nachdruck und einem Anflug von Erstaunen be-
jahte, sagte ich ihm, daß ich nicht wisse, worauf er seinen Eindruck
198
gründe, ich hätte eine Kollektion der giftigsten Hetzartikel und illu-
strierter Schmähgedichte zur Hand, aus welchen er sehen könnte,
in welchem Tone man in Frankreich von allem, was deutsch wäre,
spräche. Es handelte sich dabei nicht etwa nur um die lächerliche
Patriotenliga, sondern um große französische Zeitungen und um Ge-
dichte, welche von Schauspielern eines staatlich subventionierten
Theaters hergesagt worden wären.
Herr Herbette war wenig erfreut über meine Entgegnung und
suchte sich dem Gewicht derselben dadurch zu entziehen, daß er
erklärte, wir legten viel zu viel Gewicht auf die Presse i; selbst die
größeren französischen Zeitungen, die ich angeführt habe, hätten doch
höchstens einen Leserkreis (nicht etwa einen Abonnentenkreis) von
20000; bei der Presse handelte es sich immer darum, Eindruck hervor-
zurufen, um mehr Exemplare abzusetzen, und nebenher um Angriffe
auf die bestehende Regierung.
Die Majorität des französischen Volkes würde aber ganz falsch
von uns beurteilt, sie sei die friedhebendste der Welt,
Ich erklärte dem französischen Botschafter, daß ich bei meiner
Befürchtung, er sei in einem Irrtum über seine Landsleute begriffen,
stehen bleiben müsse. Ich erinnerte ihn an die Phasen von besseren
Beziehungen, welche wir innerhalb der letzten 16 Jahre mit Frank-
reich durchgemacht hätten, und die niemals von längerer Dauer ge-
wesen wären: solange es in Frankreich möglich sei, daß jede Partei,
welche fühle, daß sie an Prestige verlöre, und daß ihr der Boden unter
den Füßen schwände, nur die große Revanchetrommel zu rühren und
kräftig auf Deutschland zu schimpfen brauche, um wieder in die Höhe
zu kommen, könnte ich an die angebhche französische Friedensliebe
nicht glauben.
Der Botschafter sagte, er bedaure, daß seine Regierung sowenig
Handhaben gegen die Presse habe; er selbst täte alles dazu, um die
Wogen der gegenseitigen Verhetzung zu glätten, leider höre man auf
ihn aber nicht viel, weil wir nicht dazu beitrügen, ihm seiner Regierung
gegenüber eine Achtung gebietende Stellung zu machen 2. Wenn er
hier niemals etwas erreiche, so könne er zu Haus auch keinen Ein-
fluß haben.
Ich bemerkte dazu, daß wir uns bei dem Fall Schnäbele so ruhig
und entgegenkommend wie möglich benommen hätten; trotzdem sei
uns nach seiner Erledigung von der ganzen französischen chauvinisti-
schen Presse la lächete de la brutalite vorgeworfen.
Herr Herbette wiegte sich auf seinem Stuhl hin und her und
erklärte, ich erschwerte ihm die Diskussion, wenn ich immer ganz
Frankreich für das Tun und Treiben einer verschwindenden Minorität
verantwortlich machen wollte. Ich erwiderte darauf: „Nach meiner
Überzeugung und nach allem, was wir hören und lesen, wird das von
Ihnen als so ruhig gepriesene französische Volk immer bereit sein, sich
199
fortreißen zu lassen, sobald es von energischen Leuten auf Deutschland
gehetzt wird; wenn wir zu vertrauensvollen Beziehungen zu Frank-
reich so schwer gelangen können, so trägt die Schuld daran unsere
durch das fortgesetzte Hetzen hervorgerufene Überzeugung, daß Sie
bloß auf den Moment lauern, uns den Dolch von hinten in den Rücken
zu stoßen, sobald Sie uns für wehrlos oder in der Front für engagiert
halten." Bei diesen Worten sprang Herr Herbette mit Vehemenz von
seinem Stuhl auf und protestierte mit lauter Stimme gegen eine solche
„UngeheuerHchkeit" : er vergaß, sich wieder zu setzen, ging im Zimmer
auf und ab und blieb während der nächsten 5 — 6 Minuten stehen,
die er noch in meinem Zimmer verweilte. Er wurde schließlich ganz
inständig in seinen Bitten, daß ich endlich von Befürchtungen, die
„nicht begründet seien*', ablassen möchte. Ich erwiderte, daß es ledig-
lich an Frankreich läge, endlich einmal eine Haltung zu beobachten,
welche uns beweisen könnte, daß wir nicht jederzeit auf alle möglichen
Feindseligkeiten gefaßt sein müßten: jeder Deutschredende sei in Frank-
reich Gefahren ausgesetzt. Auf die Dummen und Ungebildeten im
Volk, welche die große Mehrzahl bildeten, wirkten die gratis ver-
triebenen Druckschriften mit dem Motto „pourchasser — les" und „sus
aux Allemands". Herbette fragte, „wer soll das denn jetzt bezahlen,
wo Boulanger nicht mehr über die geheimen Fonds verfügt?"
Ich erwiderte, daß letztere wohl doch in gewohnte Kanäle gingen
und von außen befruchtet würden.
Herbette schwieg hierauf und sagte mir beim Weggehn mit einem
Anflug von Rührung: „Es leben doch über 25000 Deutsche in Paris,
die dort ihr Brot verdienen: wäre es so schlecht, wie Sie meinen, so
würden diese weggehen: der ganze jetzige Lärm ist nur das Nach-
wehen der Boulangerschen Zeit, es wird bald besser werden: je Vous
assure que nous remontons le courant." H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Er rühmt sie.
- würde schwer sein!
Nr. 1272
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept
Nr. 214 Berlin, den 6. JuH 1887
[abgegangen am 12. Juli]
Im Anschluß an den Erlaß Nr. 211* vom 4. d. Mts. erwidere ich
Ew. pp. auf den gefälligen Bericht vom 2. desselben Monats ergebenst,
* Der Erlaß Nr. 211 vom 4. Juli hatte den Botschafter Graf Münster ermächtigt,
emzelne Fälle von Deutschenhetze, welche zu seiner Kenntnis kämen, bei der
französischen Regierung zur Sprache zu bringen; doch sollte von Beschwerden
genereller Art Abstand genommen werden.
200
daß der Herr Reichskanzler Ew. pp. ersuchen läßt, Reklamationen
w€gen Deutschenhetze ganz zu unterlassen und auf den Minister Flou-
rens keinen Druck auszuüben. Der Haß der Franzosen gegen Deutsch-
land ist schon lange vor dem gegenwärtigen Ministerium vorbereitet
worden. Das letztere würde geschwächt werden, wenn wir es zu sehr
drängen wollten, in solchen Fällen Repression zu üben, die wir unter
früheren Ministerien duldeten, weil sie mehr ein pathologisches, als
ein politisches Interesse geboten haben. Würde von den Faktoren,
welche in Frankreich die öffentliche Meinung bilden und beeinflussen,
gemerkt werden, daß die deutsche Regierung durch ihre Anträge auf
Remedur den chauvinistischen Vorgängen eine gewisse Wichtigkeit
beimißt, so steht von dem Idiotismus der Franzosen zu befürchten,
daß sich diese Vorgänge vermehren, und daß sie einen höheren Grad
von Bedeutung gewinnen, als sie in Wirklichkeit besitzen. Wir werden
am besten tun, das Pariser Irrenhausgebaren seinen Weg unbehindert
weitergehn zu lassen.
H. Bismarck
Nr. 1273
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt
Grafen zu Rantzau, z. Z. in Friedrichsruh
Eigenhändig
Friedrichsruh, den 9. Juli 1887
Der Herr Reichskanzler bittet, dem Grafen Münster zu schreiben,
er möchte über den französischen Mobilmachungsversuch nichts reden
und nichts tun*. Wenn der Versuch sich in der Tat auf die Mobil-
machung eines Korps beschränkte und nicht gerade an der Grenze statt-
fände, so wäre Seine Durchlaucht der Ansicht, daß wir die Franzosen
ruhig ihr Geld totschlagen ließen, und er würde diese Ansicht auch
eventuell bei Seiner Majestät vertreten. Es w^äre aber andrerseits auch
nicht nützlich, dies den französischen Ministern vorher zu sagen, weil
sie sonst möglicherweise größere Exzesse glaubten straflos begehen
zu können.
Allerdings wäre es richtig, daß die Mobilmachung fern von der
Grenze momentan eine größere Verstärkung bedeutete, als wenn die
Mobilmachung an der Grenze stattfände, weil hier die Präsenzstärke
an sich schon höher wäre. Aber Seine Durchlaucht wäre nicht der
Meinung, daß wir uns dadurch zu analogen Kosten sollten verleiten
lassen.
* Die im Mai beschlossene französische Probemobilmachung eines Armeekorps
erfolgte erst im September. Da sie fern von der Grenze stattfand — es wurde
dafür das 17. Armeekorps (Toulouse) gewählt — , konnte sie deutscherseits
ignoriert werden.
201
Wenn wir wirklich Frankreich überfallen wollten, so wäre aller-
dings der Moment, wo die Franzosen sich den Luxus einer partiellen
Mobilmachung erlaubten, hierzu ein sehr günstiger, da ihre Haupt-
mobilmachung dadurch ohne Zweifel erschwert würde. Aber mit Zu-
stimmung des Herrn Reichskanzlers würde ein Überfall Frankreichs
nicht geschehen; er wäre dafür, daß wir den Angriff unter allen Um-
ständen abwarteten und uns durch keine Provokationen in diesem
Entschlüsse irremachen ließen, wohl aber uns in unserem Verhalten
diesseits der französischen Grenze nicht daran kehrten, ob wir die
ohnehin an das Irrenhaus streifende Deutschfeindlichkeit der Franzosen
noch steigerten oder nicht. C. Rantzau
Nr. 1274
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept
Nr. 222 Berlin, den 11. Juli 1887
[abgegangen am 12. Juli]
Ew, pp. übersende ich ergebenst beifolgend Ausschnitte aus den
Nummern 373—378 der hiesigen „Nationalzeitung" über den Landes-
verratsprozeß wider Klein, sowie Abschrift des bezüglichen gerichtlichen
Erkenntnisses, mit dem Ersuchen, beide, nebst dem weiter beigefügten
Artikel der genannten Zeitung „Frankreich und der Leipziger Prozeß"
dem dortigen Herrn Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ver-
traulich zu übergeben*.
Bei diesem Anlaß wollen Sie Herrn Flourens gegenüber die Hoff-
nung aussprechen, daß er aus diesen Berichten die Überzeugung
schöpfen werde, wie es sich in dem vorgenannten Prozeß nicht,
wie die „Republique Frangaise" ohne jeden Grund behauptet, um einen
Roman des Oberreichsanwalts Tessendorff handele.
Gleichzeitig wollen Ew. pp. in freundlicher Weise Herrn Flourens
bemerken, daß diese Mitteilung keineswegs in dem Sinne erfolge, um
eine Beschwerde gegen das derzeitige Kabinett zu formulieren. Es
liegt in keiner Weise in unserer Absicht, und wir sind weit davon
entfernt, die Aufgabe desselben erschweren zu wollen. Durch die
vertrauliche Mitteilung der bezüglichen Veröffenthchung wollten wir
vielmehr Herrn Flourens nur die Erklärung dafür geben, daß bei der
Entrüstung, welche in der öffentlichen Meinung Deutschlands durch
* Vom 4. bis 8. Juli 1887 hatte vor dem Reichsgericht zu Leipzig der Landes-
verratsprozeß gegen die Elsaß-Lothringer Klein, Qrebert und Erhart stattgefun-
den, der mit der Verurteilung der beiden ersten Angei<lagten zu schweren Zucht-
hausstrafen endete. Durch den Prozeß wurde das ganze weitverzweigte, durch
Vermittelung der französischen Grenzpolizei betriebene Spionagesystem Frankreichs
aufgedeckt, nicht zuletzt auch der Anteil Schnäbeies an diesem Treiben klargestellt.
202
das infolge der Leipziger Untersuchung aufgedeckte französische
Spionagesystem hervorgerufen worden ist, der Kaiserlichen Regierung
in dem Maße ihres Entgegenkommens Schranken auferlegt sind.
Angesichts der aufreizenden Artikel in der französischen Presse
und de/ maßlos betriebenen Kriegshetzereien ist zu befürchten, daß
jeder wohlwollende Schritt Deutschlands, von Begnadigungen ganz
abgesehen, in Frankreich als ein Zeichen der Kriegsfurcht ausgelegt
werden würde. Nachdem überdies das deutsche Volk seinerseits durch
die Leipziger Verhandlungen einen tiefen Einblick in das Treiben des
französischen Kriegsministeriums gewonnen hat, wird es sehr gegen
den Willen des Herrn Reichskanzlers unmöglich für uns sein, irgend-
welche für die französische Regierung entgegenkommende Schritte zu
tun, ohne auch in Deutschland einen falschen Eindruck hervorzurufen,
H. Bismarck
Nr. 1275
Der Botschafter in Paris Graf Münster an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 244 Paris, den 17. JuH 1887
Ganz vertraulich
Präsident Qrevy hatte mich durch Herrn Flourens bitten lassen, ihn
vor meiner Abreise zu besuchen.
Er empfing mich auf das freundHchste und begann das Gespräch
damit, daß er mir dafür dankte, daß ich nicht seiner Einladung zur
Parade gefolgt sei. Es sei alles bis auf einige Ungezogenheiten gegen
ihn sehr gut verlaufen. Für sich hätte er sich dem aussetzen müssen :
wenn mir oder den der Botschaft attachierten Offizieren aber gegen-
über auch nur das geringste vorgekommen, wenn ich irgendeine Un-
annehmlichkeit gehabt hätte, so würde er das tief beklagt haben.
Das Fembleiben und Vermeiden dieser Gefahr habe er als eine be-
sondere Rücksichtnahme für ihn angesehen*.
Es war das sehr gut gemeint, ist aber doch eigentlich ein testimo-
nium paupertatis, das der Präsident sich und seiner Regierung ausstellt.
Im ganzen sei er mit dem Verlaufe der Feier des 14. sehr zufrieden.
Es habe sich gezeigt, daß die künstHch erzeugte Aufregung nur einen
sehr kleinen Teil der Pariser Bevölkerung berührt habe, im ganzen
übrigen Frankreich sei das Fest in größter Ruhe und ohne irgend
Exzesse auf musterhafte Weise gefeiert worden.
In Paris seien die Vorkehrungen so getroffen gewesen, daß jeder
* Bei der großen Parade auf den Longchamps am französischen Nationalfeste
(14. Juli) war in dem Augenblick, wo der Präsident sich mit den Ministern ein-
fand, eine Demonstration zugunsten Boulangers inszeniert worden.
203
Versuch einer wirklichen Gefährdung der Ruhe und Sicherheit rasch
und energisch unterdrückt worden wäre.
Nun habe aber es sich glücklicherweise gezeigt, daß die Bevöl-
kerung von Paris nicht so leicht sich aufregen lasse, als die Radikalen
gehofft haben, „Tout ce mouvement n'etait qu'ä la surface." Es sei
jetzt der Beweis geführt, daß Boulanger viel verschuldete, daß er sich
immer mehr der Demokratie in die Arme warf, sie aber nicht be-
herrschte, sondern von ihr beherrscht wurde.
Der Präsident sprach darauf mit einer Offenheit, die mich über-
raschte. ^
Es sei ihm unbegreiflich gewesen, wie sonst ganz verständige
Männer die Macht dieses Demagogengenerals überschätzt haben. „Cet
animal de general demagogue" nannte er ihn.
Schon längst habe er ihn los sein wollen, die früheren Minister
seien aber zu schwach gewesen, und als endlich die Krisis eintrat, habe
der Präsident erst niemanden finden können, der das Kabinett ohne
Boulanger bilden wolHe. „Meme Freycinet m'a fait faux bond ä cette
occasion et ne voulait pas comprendre que Boulanger ne valait pas
plus que sa popularite factice."
Durch ihn sei die Ruhe nach innen und der Frieden nach außen
ernstlich gefährdet gewesen. Er habe, als er gesehen, daß die Trauben
in Beziehung auf die Diktatur sauer waren, den Krieg gewollt, und
das zeige, was er für ein leichtsinniger, gewissenloser Mann sei.
Zweimal, sagte zu meinem Erstaunen der Präsident, wollte der
General uns in den Krieg treiben. Das erstemal als die Reservemann-
schaften der deutschen Armee zu der Übung mit dem Repetiergewehr
einberufen wurden, das zweitemal bei der Verhaftung Schnäbeies.
Die Einberufung der deutschen Reser\en wollte Boulanger durch
die Einberufung der französischen Reserven und Mobilmachung beant-
worten. „Er brachte", sagte der Präsident, „das dazu erforderliche
Dekret mit in den Ministerrat und verlangte meine Unterschrift".
„C'est insense ce que vous proposez-lä, general; ne savez-vous pas
que cela serait la guerre?" „Eh bien, je suis pret!" antwortete Bou-
langer. „Aussi pret que Leboeuf dans son temps, et je ne permettrai
pas meme la discussion de ce projet." „Dans ce cas je devrai envoyer
ma demission!" „Bien, faites!" repondis-je. „II ne l'a pas envoyee et
etait tres soumis et tranquille apres cela, voilä Thomme!"
Das zweitemal habe der General den Versuch erneuert und habe,
ehe die Kaiserliche Regierung eine Antwort habe geben können, ein
Ultimatum und Absendung von Truppen an die Grenze verlangt. Er
habe Goblet dafür gewonnen, und von dem AugenbHcke an sei der
Präsident entschlossen gewesen, das Kabinett Goblet, und vor allen
Boulanger, zu beseitigen, habe es aber durch ein Votum der Kammer
herbeiführen wollen, und das sei geglückt.
204
Die Beseitigung Boulangers machte ihm größere Schwierigkeiten,
als er erwartete, und die einzigen beiden Männer, die ihm dabei ener-
gisch zur Seite gestanden hätten, seien Rouvier und Fiourens gewesen.
Er hoffe sehr, daß er beide länger, als gewöhnhch französische Minister
sich zu halten pflegten, im Amte werde erhalten können.
Er glaube, daß durch die Vorgänge auf dem Bahnhofe, die Demon-
strationen auf der Reise nach Clermont, namentlich aber durch die
Diskussion in der Kammer Boulanger die Zähne ausgezogen seien.
Sowie er jetzt zu agitieren fortfahre, werde ihm das Kommando
sofort entzogen werden. Die Armee fühle sich durch die letzten Vor-
gänge sehr verletzt, und die Radikalen hätten ihn in der Kammer ja alle
verlassen, Boulanger habe, darüber entrüstet, offen an den Deputierten
Laisant telegraphiert: „Vous etes le seul qui ne m'ayez pas donne le
coup de pied de l'äne." Er habe nicht gewagt, die Parade in Clermont
abzuhalten aus Furcht vor seinen radikalen Freunden, die dort demon-
strieren wollten, und habe einen lahmen Fuß vorgeschützt.
„Sie können jetzt ruhig abreisen", sagte der Präsident, „und hoffe
ich sehr, Sie im Herbste wiederzusehen. Hier im Lande wird sich alles
beruhigen: ich sehe keine ernste Wolke am politischen Horizont."
Es war mir sehr interessant, manches von dem, was ich wußte, aber
mehr erraten mußte, durch den Präsidenten selbst bestätigt zu hören*.
Münster
Nr. 1276
Der Geschäftsträger in London Freiherr von Plessen an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Nr. 6 London, den 5. Januar 1888
Der französische Botschafter M, Waddington benutzte einen Mo-
ment, als ich ihn heute auf dem Foreign Office traf, um mich der
friedfertigsten Dispositionen des Präsidenten der Republik, der französi-
schen Regierung und der ganzen französischen Nation auf das be-
stimmteste zu versichern. Man beschäftige sich in Frankreich jetzt
nur mit den Vorbereitungen zu der Ausstellung im nächsten Jahre.
Es sei mit positiver Sicherheit darauf zu rechnen, daß während zweier
Jahre 1 eine Kriegsgefahr von französischer Seite nicht drohen werde 2.
Als besonders bemerkenswert hob M. Waddington hervor, daß
General Boulanger von der poUtischen Bildfläche ganz geschwunden
* Mit nicht geringerer Schärfe äußerte sich Präsident Qrevy gegen den Botschafter
Grafen Münster am 18. Oktober über Boulanger: „Der sei allerdings einer der
wenigen gewesen, der aus Ehrgeiz und Egoismus sein Land dem Verderben
des Krieges preisgegeben haben würde. Deshalb habe er ihn aber beseitigt".
(Bericht Münsters vom 19. Oktober 1887.)
205
sei*. Derselbe habe in parlamentarischen Kreisen nicht den geringsten
Anklang mehr, in militärischen Kreisen habe er einen wirklichen An-
hang nie gehabt. Ebenso schnell wie Boulanger gestiegen, sei er
wieder in nichts zurückgesunken.
L. PI essen
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Aber dann?
2 (Pulverfrage!)** u[nd] russische; Rußland ist erst in 4 Jahren fertig.
Nr. 1277
Aufzeichnung des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck
Reinschrift
Berlin, den 15. März 1888
pp. Mit dem General Billot*** habe ich über die innere Politik Frank-
reichs, den Boulangismus etc. nicht gesprochen ; ich habe ihm gesagt,
daß die auswärtige Politik Deutschlands nicht geändert werden würde,
und hinzugefügt, daß, wenn wir, wofür ich nicht die mindeste Not-
wendigkeit sähe, mit Frankreichs etions obliges de croiser la bajonnette,
ce ne serait pas de notre initiative, et que dans ce cas on ferait la
guerre en soldat et en gentilhomme comme autrefois, General Billot
verbeugte sich dazu ernst und schweigend.
V. Bismarck
Nr. 1278
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den
Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 71 Rom, den S.März 1888
Major von Engelbrecht f brachte mir heute die Nachricht, man sei
im Kriegsministerium und noch mehr im Marineministerium in hohem
* Seit General Boulanger Ende Juni 1887 zum Kommandierenden General des
13. Armeekorps in Clermont-Ferrand ernannt worden war, war es in der Tat mit
seinem Ansehen rasch bergab gegangen. Ende Juli nannte ihn Ferry öffentlich
„den General des cafe chantant"; Mitte Oktober wurde er vom Kriegsminister
mit 30 Tagen Stubenarrest bestraft; im März 1888 erfolgte seine Absetzung wegen
wiederholter Unbotmäßigkeiten.
** Das Wort „Pulverfrage" von der Hand des Grafen Herbert von Bismarck.
*** General Billot war von der französischen Regierung anläßlich des Todes Kaiser
Wilhelms I. zu den Trauerfeierlichkeiten nach Berlin gesandt worden,
t Der deutsche Militärattache in Rom.
206
Grade besorgt, die Franzosen könnten eines guten Tages mit einer
Flotte vor La Spezia erscheinen und sich dieses Hafens bemächtigen,
als Vorspiel für eine unmittelbar folgende Kriegserklärung*. Man
habe für alle Fälle die Forts und Batterien von Spezia vollständig
armiert, pp.
Graf Solms
Nr. 1279
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Unsigniertes Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 188 Berlin, den 31. März 1888
pp. Immerhin aber bleibt auch nach eigner italienischer Auffassung
die Unfertigkeit der Verteidigungsanstalten von La Spezia als Tatsache
bestehen.
Es wird sich empfehlen, v^^enn Ew. Herrn Crispi, dessen energi-
sches Temperament ihn für durchgreifende Maßnahmen geneigt macht,
bei erster Gelegenheit darauf hinweisen, daß der gegenwärtige Augen-
blick geeignet ist, das an der Armierung Versäumte nachzuholen, noch
bevor die Beunruhigung, welche sich der Gemüter in Italien be-
mächtigt hatte, ganz geschwunden ist.
Italienische Zeitungen haben kürzlich berichtet, daß im Laufe des
Winters Spezia unter der Gefahr eines französischen Überfalles gewesen
wäre: Ich nehme an, daß seitdem die italienische Marineverwaltung
schon Bedacht darauf genommen hat, den wichtigsten Kriegshafen gegen
überraschende Angriffe und Zerstörung nach Möglichkeit zu schützen.
Unsere höchsten Marineautoritäten sind der Ansicht, daß die erwähnten
Zeitungsnotizen durchaus nicht aus der Luft gegriffen waren, sondern
daß der französische Plan in der Tat darin besteht, eintretendenfalls
gleichzeitig mit der Kriegserklärung einen Handstreich auf Spezia aus-
zuführen : ein solcher würde, wenn er gelänge, der schwerste Schlag
für die itahenische Marine sein, und wir hoffen deshalb, daß italienischer-
seits alles geschieht, um einer solchen Eventualität begegnen zu
können**.
* Zwischen Italien und Frankreich hatte sich seit dem Spätherbst 18S7 teils aus
handelspolitischen Differenzen, teils aus dem französischen Streben, das Gebiet
von Tunis auf Kosten von Tripolis zu erweitern, eine starke Spannung entwickelt.
Als im Februar 1888 ein starkes französisches Geschwader im Mittelmeer kon-
zentriert wurde, wurden in Italien lebhafte Besorgnisse vor einem Handstreich
auf Spezia wach.
♦* Im Bericht Nr. 118 vom 6. April konnte Graf zu Solms melden, daß die Arbeiten
zur Sicherung des Hafens von Spezia nahezu vollendet seien.
207
Nr. 1280
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 198 Berlin, den 12. April 1888
[abgegangen am 20. April]
Aus Ew. Bericht Nr. 118 vom 6. d. Mts.* habe ich mit Befriedigung
ersehen, daß die italienische Regierung unserm Rate und den Ver-
hältnissen Rechnung tragend, die Armierung des Hafens von La Spezia
in ernsten Angriff genommen hat. Es ist kaum nötig, bei diesem An-
laß zu wiederholen, daß wir uns bei dieser Anregung lediglich von
dem Wunsche leiten ließen, Italien vor plötzlichen Überfällen und deren
Folgen geschützt zu sehen, und daß politische und militärische Maß-
nahmen, denen ein provokatorischer Charakter innewohnte, den Zielen
und Bestrebungen unserer gemeinsamen Friedenspolitik schnurstracks
zuwiderlaufen würden.
Ich zweifle nicht, daß Ew. sich bereits in diesem Sinne an ge-
eigneter Stelle geäußert haben, gebe jedoch anheim, ob Sie, angesichts
der Erregbarkeit, welche sich bisweilen in der Haltung der Italiener
Frankreich gegenüber kundgibt, unsern Standpunkt bei Gelegenheit
in freundschaftlichen Gesprächen noch einmal betonen wollen. Es wird
in Italien nicht unbemerkt geblieben sein, daß neuerdings regierungs-
freundliche deutsche Blätter wiederholt hervorgehoben haben, ein
französischer Angriff auf Italien werde alsbald einen deutschen Angriff
auf Frankreich zur Folge haben. Diese aus dem deutsch-italienischen
Vertragsverhältnis gezogene Nutzanwendung entspricht den Anschau-
ungen der Kaiserlichen Regierung. Andrerseits aber beweist die Ent-
schiedenheit des Reichskanzlers in der Battenbergfrage, wie sehr wir
bemüht sind, allem vorzubeugen, was als Akt der Herausforderung an-
gesehen werden und etwaigen Gegnern einen Vorwand zum Konflikt
bieten könnte. Ew. Ermessen überlasse ich daher, auf dieses Bei-
spiel, welches die Friedensliebe der deutschen politischen Leitung be-
sonders deutlich veranschaulicht, in Ihren Unterredungen mit Herrn
Crispi hinzuweisen und dabei anzudeuten, daß wir stets bemüht sein
werden, Anlässe zu Händeln zu beseitigen, welche eines kriegerischen
Austrages nicht wert sein würden. Es gereicht dem Herrn Reichskanzler
zur Beruhigung, daß er die Gewißheit hat, sich mit Herrn Crispi in
seiner Auffassung über die Kalamität großer Kriege zu begegnen,
da Seine Durchlaucht hierauf die Zuversicht gründet, daß Herr Crispi
kleinhche französische Taktlosigkeiten oder Provokationen mit staats-
* Vgl. S. 207, Fußnote **.
208
männischer Ruhe und Kaltblütigkeit als irrelevant behandeln wird, so-
lange nicht wirkliche Interessen Italiens dabei in Frage kommen: würden
letztere jemals ernstlich bedroht, sodaß sie eine kriegerische Abwehr
unvermeidlich machen, so wird Italien uns stets an seiner Seite finden.
H. Bismarck
Nr. 1281
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in London Grafen von Hatzfeldt
Konzept
Nr. 390 Berlin, den 28. April 1888
Vertraulich [abgegangen am 1. Mai]
Ew. gefälligen Bericht Nr. 118 vom 24.* hat der Herr Reichs-
kanzler mit Interesse gelesen. Seine Durchlaucht verkennt nicht, daß
der Schutz der englischen Küste mit Rücksicht auf die öffentliche Mei-
nung in England nicht geschwächt werden kann; bei dem von Lord
Salisbury in Aussicht genommenen Plan bezüghch der Verstärkung des
Mittelmeergeschwaders braucht diese Eventualität gegenwärtig auch nicht
in Frage zu kommen. Der Zweck, den wir mit der Anregung der Ver-
mehrung des englischen Mittelmeergeschwaders verfolgten, ist durch
die von Lord Saüsbury in Aussicht genommene Zuführung einiger aus
dem fernen Osten zurückkehrenden Schiffe erreicht, und ich stelle Ew.
anheim, Lord Sahsbury unsere Befriedigung hierüber auszusprechen.
Was den Schlußsatz Ihres vorerwähnten Berichtes anlangt, so hält
der Herr Reichskanzler den Augenblick jetzt schon für gekommen, daß
seitens Lord SaHsburys den Franzosen kein Zweifel gelassen wird über
die Haltung, welche England bei einem plötzUchen Angriff Frankreichs
auf Italien einnehmen würde. Es ist durchaus richtig, daß England es
in der Hand hat, dem Ausbruch eines französisch-italienischen Krieges,
den auch wir dringend zu vermeiden wünschen, vorzubeugen. Es ist
über unser Vertragsverhältnis mit Italien genug in die Öffentlichkeit ge-
drungen, um den Franzosen keinen Zweifel darüber zu lassen, daß
wir Italien zu Hilfe kommen würden, wenn sie letzteres überfallen
sollten. Wenn nun England ebenfalls in Paris zu verstehen gibt, daß
seine Kriegserklärung einem französischen Angriff auf Italien folgen
* In seinem Bericht vom 24. April 1888 hatte Botschafter Qraf von Hatzfeldt die
Aufnahme geschildert, die die Anregung der deutschen Regierung auf Verstärkung
der englischen Mittelmeerflotte bei Lord Salisbury gefunden hatte. Danach hielt
der englische Premier eine Verstärkung in dem Grade, daß dadurch der Schutz
der englischen Küste geschwächt werde, im Hinblick auf die unberechenbaren
Verhältnisse nicht für möglich, stellte aber eine Heranziehung einiger von Außen-
stationen zurückkehrender Kriegsschiffe zur Mittelmeerflotte in Aussicht und deu-
tete an, daß England im Fall eines französischen Angriffs auf Italien seiner-
seits in der Lage sein würde, mit Repressalien gegen die französischen Häfen im
Norden vorzugehen.
14 Die Große Politik. 6. Bd. 209
würde, so würde ich hierin das sicherste Mittel sehen, um einen solchen
zu frustrieren. Wartet man englischerseits mit einer bezüglichen War-
nung, bis die Feindseligkeiten ausgebrochen sind, so wird der Krieg
nicht mehr zu verhindern sein: es kann dann nur noch repressiv und
nicht präventiv eingegriffen werden. Soweit wir die Lage der Dinge
in Frankreich beurteilen können, ist der Moment schon gekommen,
in welchem eine Andeutung über Englands Stellungnahme von entschei-
dendem Gewicht für die Beziehungen zwischen Frankreich und Italien
sein kann. Man sollte nicht warten, bis der Dammbruch vorliegt, sondern
einen solchen lieber durch einen diplomatischen Hinweis verhüten.
Ich habe mich in diesem Sinne streng vertraulich zu Sir Edward
Malet ausgesprochen und bitte Ew. dies Ihrerseits Lord Saiisbury
gegenüber ebenfalls zu tun und dabei zu betonen, that prevention is
better than eure. H. Bismarck
Nr. 1282
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes
Grafen Herbert von Bismarck
Reinschrift
Berlin, den 1. Mai 1888
Der französische Botschafter, welcher mir vor kurzem das Regle-
ment für die Kunstabteilung der nächstjährigen Pariser Ausstellung
mitgeteilt hatte, fragte mich vor seiner Abreise nach Paris im Auf-
trage seiner Regierung, ob wohl Aussicht wäre, daß wir uns ähnlich wie
im Jahre 1878 mit Erzeugnissen der deutschen Kunst an der bevor-
stehenden französischen Ausstellung beteiligen würden i; er bedaure
sehr, daß wir eine generelle Beschickung seinerzeit abgelehnt hätten,
glaube aber, daß es einen sehr guten Eindruck machen und für die
Beziehungen beider Länder ersprießlich sein würde, wenn wir uns
wenigstens dem 1878" Vorgange analog verhielten.
Ich bemerkte Herrn Herbette, daß ich auf die generelle Frage
trotz seines Bedauerns über den hierüber gefaßten Beschluß nicht
zurückkommen könnte, da ich mich in dieser Hinsicht seinem Amts-
vorgänger gegenüber schon auf das prägnanteste ausgesprochen hätte:
abgesehen von allen sachlichen Gründen genüge für unsere Ablehnung
schon die Tatsache, daß die Ausstellung zur Verherrlichung der Säkular-
feier von 1789 dienen solle. Wäre die Ausstellung aber auch für ein
anderes Jahr geplant gewesen, so würde die deutsche Regierung sich
nach den unerhörten jüngsten Vorfällen in Beifort* doch genötigt sehen,
sich jeder Art von offizieller Beschickung einer in einer französischen
Stadt geplanten Schaustellung zu enthalten.
Der französische Botschafter hatte mich kaum zu Ende sprechen
* Am 8. April 1888 waren vier deutsche Studenten aus Freiburg bei einem Aus-
fluge nach Beifort von dem Straßenpöbel schwer mißhandelt worden.
210
lassen: er beteuerte mit Empressement, daß die üble Erfahrung, welche
unsere Landsleute in Beifort gemacht hätten, seiner Regierung pein-
lich gewesen, und daß seitens der letzteren sofort das Nötige veranlaßt
worden sei, um die Anstifter zur Rechenschaft zu ziehen : er freue sich,
mir mitteilen zu können, daß verschiedene der Tumultuanten mit Ge-
fängnis und Geldstrafen belegt worden seien; er hoffe, daß wir hier-
nach der Sache keine Bedeutung mehr beilegen würden: in Grenz-
städten seien die Bevölkerungen leider immer besonders erregbar, und
hierin fände der bedauerliche Auftritt, dessen Opfer die deutschen Stu-
denten gewesen seien, seine Erklärung. Da ich ihm bisher von der
Sache nicht gesprochen hätte, so hätte er gehofft, daß diese Auf-
fassung auch die unsrige wäre.
Ich erwiderte dem Botschafter: „Ich habe der Sache Ihnen gegen-
über nicht erwähnt, weil ich weiß, daß diejenigen Ihrer Landsleute,
welche die Regierung in den Händen haben, für Ausschreitungen der
übrigen nicht unbedingt verantwortlich gemacht werden können. Der
Fehler liegt im französischen Nationalcharakter, und dieser kann durch
Beschwerden oder Reklamation nicht gebessert werden. Ihre Regierung
hat getan, wozu sie verpflichtet war, indem sie, soweit sie das ihrer
öffentlichen Meinung gegenüber wagen konnte, repressiv verfuhr. Bei
den guten offiziellen Beziehungen, in denen wir stehen, sah ich voraus,
daß Sie den Vorfall nicht gänzlich ungerügt hingehen lassen würden, und
konnte mich deshalb enthalten, denselben Ihnen gegenüber zur Sprache
zu bringen. Sie sind aber nicht in der Lage, uns irgendeine Garantie
zu geben, daß harmlose Deutsche in Frankreich bei der nächsten Ge-
legenheit nicht wieder in brutaler Weise behelligt werden. Dazu ist
Ihre Regierung zu schwach. Frankreich ist gegenwärtig, dank der
systematisch betriebenen Aufregungen der Volksleidenschaften, das un-
gastlichste aller zivilisierten Länder, wenigsten sicherlich soweit Deut-
sche in Betracht kommen. Diese Tatsache ist bekannt genug, und ich
wundere mich nur, daß sich noch Landsleute von mir finden, welche
sich trotzdem nach Frankreich begeben. Ich hoffe, daß dieselben sich
den Vorgang in Beifort zur Lehre dienen lassen und sich künftig
andere Reiseziele als das fremdenfeindliche Frankreich wählen werden.
Wer das nicht tun will, der trägt eben seine Haut zu Markte, und
für Leute, die sich in Gefahr begeben wollen, habe ich kaum ein
Bedauern. Sie werden aber begreifen, daß ich bei dieser Sachlage ein
offizielles Erscheinen Deutschlands auf der Pariser Ausstellung als
ausgeschlossen ansehen muß 2. Wenn Sie vorhin behaupteten, daß Be-
schimpfungen Deutscher nur an Grenzorten vorkämen, so verweise ich
demgegenüber auf die lächerliche Spionenriecherei, die an allen Orten
Frankreichs systematisch betrieben wird, obgleich derselben bisher nur
unschuldige Landschaftsmaler oder commis voyageurs zum Opfer gefallen
sind: trotz alles Spionengeschreis und aller Denunziationen ist in den
letzten 17 Jahren noch niemals ein Deutscher der Spionage überführt
u* 211
worden, während die französischen Offiziere und Spione, welche wir
in diesem Zeitraum beobachtet, sistiert oder ausgewiesen haben, nach
Dutzenden zählen. Ich erinnere femer an die Mißhandlung des Württem-
bergers Wuerst vor wenigen Jahren, der an Ihrem Nationalfest beinahe
umgebracht wurde, weil er angeblich auf dem Place de la Concorde
deutsch gesprochen hatte. Daß die Ungasthchkeit Frankreichs sich
nicht auf Deutsche allein beschränkt, beweist schließlich am besten der
schmähhche Empfang, welchen die Pariser Bevölkerung im Herbst
1883 dem Könige von Spanien bereitete.
Ich führe diese Dinge nicht an, um eine Beschwerde zu formu-
lieren, oder um einen Vorwurf zu erheben: je ne fais que constater un
phenomene regrettable. Ihre Regierung ist nicht in der Lage, die Ver-
antwortung dafür zu übernehmen, daß deutsche Aussteller oder deren
Besitztum in Paris vor Beschädigung bewahrt bleiben werden 3. Bei
der Erregbarkeit der dortigen Massen braucht nur irgendein gewissen-
loser Agitator an einem schönen Sonntag nachmittag mit 10000 Bewoh-
nern von Belleville in die Ausstellung hinabzusteigen, und es wird
ihm ein leichtes sein, in wenigen Minuten eine Beschimpfung unserer
Farben und Zerstörungen der etwaigen deutschen Abteilungen ins
Werk zu setzen; Ihre Regierung würde dann in die schwierige Lage
kommen, entweder Abbitte leisten und für den Schaden aufkommen
zu müssen, und sich dadurch in der öffentlichen Meinung Frankreichs
auf das äußerste zu diskreditieren, oder aber bei ihrer Schwäche der
vox populi gegenüber nachzugeben und das Geschehene zu endos-
sieren. Da wir friedliebend sind und unsere gegenwärtigen Beziehungen
nicht getrübt zu sehen wünschen, so wollen wir Ihre Regierung einer
solchen Eventualität nicht aussetzen."
Der Botschafter hatte mich wiederholt mit Zeichen lebhafter Un-
geduld durch einzelne Ausrufe und Phrasen unterbrochen, welche,
als ich geendet hatte, darin gipfelten, daß er sagte: „Vous ditesque Vous
etes pacifiques, — mais nous* sommes archi pacifiques: c'est dans cette
pensee que je tenais ä ce que TAllemagne prit part ä l'exposition
des beaux arts: je regrette Votre refus, que je devrai transmettre ä
mon gouvernement, mais j'espere que Vous me dispenserez de lui expli-
quer les motifs que Vous venez de me donner^: je crois que Vous y
avez mis un peu de passion^, car si la France etait vraiment si peu
hospitaliere que Vous le pensez il n'y aurait pas ä Paris au delä
de 30000 Allemands qui y gagnent leur vie."
Ich bemerkte hierzu, dies sei kein Beweis: vor dem Kriege hätten
über 300000 Deutsche in Frankreich gelebt, jetzt seien es nurnoch etwa
100000; diese Zahlen sprächen für sich selbst. Daß die Deutschen in
Paris sich übrigens sehr sicher fühlten, bezweifelte ich; bei unserer
starken Bevölkerungszunahme sei ein gewisser Prozentsatz derselben
darauf angewiesen, seinen Unterhalt in der Ferne zu suchen, wenn
derselbe auch mit Gefahren verbunden sei: Viele gingen zu diesem
212
Zwecke zur See'' oder in die ungesunden tropischen Klimata, obgleich
sie wüßten, daß ihr Leben dort vielen Bedrohungen ausgesetzt sei.
Aus den erwähnten Zahlen ergebe sich aber mit voller Klarheit, daß
diejenigen Deutschen, welche auf dem Boden des Vaterlandes nicht ihr
Brot fänden, sich doch noch lieber den klimatischen und elementaren,
als den ihnen in Frankreich drohenden Fährlichkeiten aussetzen, da
sonst seit 1870 eine entsprechende Vermehrung unserer in Frank-
reich lebenden Untertanen eingetreten sein müßte und nicht eine Ver-
minderung um mehr als ^/g. Der Deutsche könne sich heutzutage mit
größerer Sicherheit und Sorglosigkeit in Afrika und auf den Südsee-
inseln bewegen, als in dem sich mit seiner hohen Zivilisation so gern
brüstenden Frankreich, während Franzosen, die sich in Deutschland
aufhielten, niemals irgendeiner Behelligung unterlägen.
Herr Herbette war durch meine Bemerkungen etwas peinlich be-
rührt und wußte nur darauf zu erwidern, man müsse doch auch dem
Rechnung tragen, daß wir die Sieger und die Franzosen die Besiegten
gewesen seien.
Ich sagte ihm, daß ich diesen Satz als stichhaltig nicht anzuerkennen
vermöchte: in den letzten Jahrhunderten hätten leider mehr als 20 große
Kriege zwischen Deutschen und Franzosen stattgefunden, in denen
bald der eine, bald der andere Teil Sieger geblieben wäre; niemals
aber habe sich auf Seiten des unterlegenen Landes eine solche wilde
Animosität gegen die Angehörigen des im Vorteil gebliebenen geltend
gemacht, als in Frankreich seit 1870; wir hätten eine Zeitlang gehofft,
diese Animosität zu überwinden, und Frankreich auf vielen Punkten
das größte Entgegenkommen gezeigt, nicht nur durch unser Erscheinen
auf der 1878er Ausstellung, sondern auch während verschiedener, für
Frankreich wichtiger poUtischer Phasen; es sei uns das aber nur als
Schwäche ausgelegt worden, und der vorübergehenden, von uns mit
Befriedigung begrüßten 1884er Episode einer scheinbaren Annäherung
sei ein Zustand von künstlicher Erbitterung und Verdächtigung ge-
folgt, welcher innerhalb der letzten 3 Jahre sich stetig aufwärts bewegt
habe. Nachdem neuerdings selbst der sonst für versöhnlich und ver-
ständig gehaltene Ferry mit besonderem Nachdruck die chauvinistische
Tonart angeschlagen habe, könne man von keinem französischen Staats-
mann mehr erwarten, daß er etwas anderes als den Beifall der chauvi-
nistischen Presse zur Richtschnur seiner Handlungen nehmen werde.
Wüßte man in Frankreich nicht, daß jeder Minister, der sich nicht un-
möglich machen will, gezwungen ist, der Volksleidenschaft gegenüber
nachgiebig zu verfahren, so wäre es nicht möglich gewesen, daß auch
der bessere Teil der Belforter Bevölkerung sich an der jüngsten Deut-
schenhetze beteiligt, und daß ein um Einschreiten gegen die drohende
Soldateska gebetener französischer Offizier den Studenten mit Schaden-
freude erklärt hätte, sie hätten sich ja nicht auf französischen Boden
zu begeben brauchen.
213
Herr Herbette wollte die letztere Tatsache auf Orund ihm an-
geblich zugegangener Informationen bestreiten. Ich lehnte ab, mit ihm
hierüber zu diskutieren, indem ich erklärte, ich wüßte nicht, inwieweit
seine Nachrichten authentisch seien: für mich sei lediglich das amt-
liche Protokoll maßgebend, welches die Badische Regierung über den
Vorfall aufgenommen und hierhergesandt hätte. Eine Diskussion des
betreffenden Schriftstücks würde die Annahme zulassen, als ob ich die
offizielle deutsche Darstellung nicht für unbedingt zuverlässig hielte,
und diese Möglichkeit sei für mich von vornherein ausgeschlossen.
Der französische Botschafter schwieg hierzu und fragte mich, ob
wir denn nicht wenigstens Private, welche Neigung hätten, die Aus-
stellung zu beschicken, mit Rat und Erleichterungen unterstützen
wollten? Ich erwiderte, daß ich hierzu die Hand nicht zu bieten ver-
möchte, denn nach meiner Überzeugung würden, wie ich bereits ent-
wickelt hätte, deutsche Aussteller in Paris für ihre Person und ihr
Eigentum Gefahr laufen. „Si reellement il y a des Allemands qui veulent
envoyer des objets ä Paris, et qui me demandent mon avis, je me verrais
oblige de leur dire que je leur conseillerais plutot de se rendre dans
le Sud de TAfrique que de risquer leur peau et leurs marchandises
ä Paris.*'
Als der französische Botschafter hierbei fast vom Stuhle aufsprang
und einen unartikulierten Laut des Protestes von sich gab, sagte ich
achselzuckend, „es tut mir sehr leid, daß die Tatsachen mich nötigen,
so zu sprechen, mais ä qui la faute? C'est ma conviction, basee sur
des faits recents, que nos nationaux courent moins de danger, s'ils
voyagent en Afrique que s'ils s'exposent ä la soidisante hospitalite
fran^aise, Comme je desire maintenir les relations actuelles entre nos
deux gouvernements, je dois m'efforcer ä ecarter tous les points noirs
qui pourraient surgir. Dans cet ordre d'idees je crois de mon devoir
de deconseiller ä tout Allemand d'aller sejourner en France; peut-etre
finirons-nous par nous entendre, si un beau jour une muraille de Chine
couvrira toute notre frontiere."
Herr Herbette verwahrte sich hiergegen, indem er erklärte, daß
es im Interesse von zwei benachbarten Völkern doch sehr wünschens-
wert ^ sei, wenn man sich gegenseitig gründlich kennenlernte 9, und
dies sei nur bei einem regen persönlichen Verkehr de part et d'autre
möglich. Ich schloß mich dieser Ansicht aber nicht an, sondern sagte
nur, daß wir die Franzosen zur Genüge kennten, um zu wissen, daß sie
schwierige und wenig wohlwollende Nachbarn seien.
Die Unterhaltung erreichte hier ihr Ende, und wir trennten uns
unter der gegenseitigen Versicherung, daß uns nichts so sehr am
Herzen läge, als wie die Erhaltung des Friedens. H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck auf einer Abschrift der Aufzeichnung:
1 Beifort!
- richtig
214
3 richtig
* wer? Deroulede-Boulanger?
6 ?
6 9
■^ Amerika
8 ?
9 das haben wir!
Nr. 1283
Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt
Grafen zu Rantzau, z. Z. in Varzin
Eigenhändig
Varzin, den 20. Mai 1888
Der Herr Reichsi<anzler bittet dem Grafen Münster vertraulich
und sicher zu antworten, er sei mit seiner Behandlung der Belforter
Angelegenheit* ganz einverstanden.
„Die Erscheinung in Beifort aber," so fuhr Seine Durchlaucht be-
hufs Mitteilung an Graf Münster wörtlich fort, „und auch die Stim-
mungen, die sich bei Gelegenheit der Sezession in der Patriotenliga
von Seiten der Genossen Derouledes dokumentiert haben, und die
Zurückweisung Littauers**, das alles sind Symptome, welche auf die
Kriegslust Frankreichs schließen lassen. Wir müssen uns deshalb doch
mit dem Gedanken vertraut machen, daß diese bis in die untersten
Schichten der Bevölkerung hinab verbreitete Stimmung zu einer Explo-
sion führen muß, sobald irgendein neuer Wechsel in der französischen
Regierung den Zünder dazu liefert. Wir haben bisher unsererseits
bei dergleichen Konflikten alles getan, um eine Verschärfung der-
selben zu vermeiden, aber ich befürchte nachgerade, daß dies Bemühen
ein vergebliches sein werde, und kann mich des Eindruckes nicht er-
wehren, daß friedfertige Höflichkeit zwar für die französische Regierung
bequem und angenehm sein mag, daß die Bevölkerung Frankreichs
* Graf Münster hatte wegen der Belforter Angelegenheit am 16. Mai auf An-
weisung von Berlin scharfe Beschwerde bei dem französischen Minister des Aus-
wärtigen Goblet geführt. Dieser sprach wohl sein Bedauern aus, erklärte aber, erst
mit seinen Kollegen Rücksprache nehmen zu müssen. Der Vorfall führte zu Wei-
terungen, weil die französische Regierung die Zahlung einer Entschädigung ver-
weigerte und die beteiligten Studenten auf den Weg der Privatklage bei den
französischen Gerichten verweisen ließ. Da sich aber kein französischer Anwalt
bereit finden ließ, die Klage der deutschen Studenten zu vertreten, endete die
Angelegenheit mit der Konstatierung in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung"
vom 14. August 1888, „daß der Deutsche in Frankreich kein Recht findet, und
daß für Vergehen gegen Deutsche in Frankreich keine Sühne zu erlangen ist".
Auf deutscher Seite blieb eine Spannung zurück, die ihren Ausdruck u. a. auch
in der Verhängung des Paßzwanges für Elsaß-Lothringen fand. Siehe die folgen-
den Aktenstücke.
** Am 24. April 1888 war der Schriftsetzer Littauer aus Breslau, der zu Ver-
wandten nach Reims reisen wollte, an der Grenze mit dem Bedeuten, sich erst
eine Erlaubnis des Präfekten von Nancy zur Einreise zu verschaffen, zurück-
gewiesen worden.
215
aber zu den Charakteren gehört, welche friedliche Höflichkeit und
anständige Formen sehr leicht als Schwäche und Besorgnis auffassen
und sich dadurch mehr in der Unverschämtheit verhärten, als zu
gleichem Verhalten veranlaßt sehen. Wir werden deshalb niemals Hän-
del suchen, und der Ausbruch des Krieges, den ich befürchte, wird nie-
mals eine diesseitige Aggression zum Ausgangspunkte haben. Aber ich
bin zweifelhaft geworden, ob unser bisheriges System, dem Bruche aus-
zuweichen, einer für anständige Behandlung so wenig empfänglichen
Nation gegenüber, wie es die Franzosen sind, das Richtige ist. Ich
werde es wenigstens Seiner Majestät dem Kaiser nicht mehr mit
derselben Zuversicht wie bisher empfehlen können."
C. Rantzau
Nr. 1284
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Paris Grafen Münster
Konzept
Nr. 152 Berlin, den 21. Mai 1888
Um den von Frankreich aus in Elsaß-Lothringen unternommenen
Wühlereien entgegenzutreten, wird der Kaiserliche Statthalter in Elsaß-
Lothringen zufolge einer Mitteilung desselben die in Abschrift er-
gebenst beigefügte Verordnung, als deren Geltungsbeginn derSl.d.Mts.
in Aussicht genommen ist, durch das Kaiserliche Ministerium in Straß-
burg erlassen*.
* Abgedruckt u.a. in Schulthess' Europäischer Geschichtskalender 1888, S.86. Die
erste Anregung zur Verschärfung der Paßkontrolle an der französischen Grenze
ging auf einen Bericht des preußischen Gesandten in Dresden Grafen von Dönhoff
vom 18. Januar 1888 zurück, der die Tatsache hervorhob, daß die zahlreichen Deutsch-
land und so auch Dresden besuchenden französischen Offiziere nicht entfernt einer
solchen Behelligung und Überwachung unterlägen, wie deutsche Offiziere in Frank-
reich. Fürst Bismarck veranlaßte darauf das Auswärtige Amt, laut Aufzeichnung des
Grafen zu Rantzau vom 20. Januar, mit den Verbündeten Regierungen über die
Frage in Verbindung zu treten, ob es nicht notwendig sei, an der französischen
Grenze eine strengere Paßkontrolle einzuführen, und zwar so, daß Franzosen,
namentlich französische Offiziere nur dann zugelassen würden, wenn sie ein Visa
der deutschen Botschaft in Paris hätten. „Es würde durch eine solche Maßregel
ein doppelter Zweck erreicht werden: einmal würden die Rekognoszierungen und
Spionagen der französischen Offiziere in Deutschland verhindert oder doch er-
schwert werden, welche jetzt ebenso wie zur Zeit Napoleons vor dem Kriege
stark im Gange wären, und dann würde auch den Franzosen die Unangemessenheit
der dortigen Gastfreundschaft durch Talion vor Augen geführt werden". Durch
Vorkommnisse wie die Mißhandlung der deutschen Studenten in Beifort wurde
Fürst Bismarck in seiner Absicht noch bestärkt, sodaß er zu ihrer Ausführung
auch gegen die dringenden Vorstellungen des Statthalters in Elsaß-Lothringen,
Fürsten von Hohenlohe, schritt. Vgl. dessen ausführliche Darstellung in Denk-
würdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst 11 (1Q07), S. 432ff.
Im weiteren Verlauf des Jahres 1888 kam es zu der Ausweisung zahlreicher aktiver
französischer Offiziere, die sich „Sprachstudien" halber in Deutschland aufhielten.
Vgl. „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" vom 6. und 18. Dezember 1888.
216
Von dem gedachten Zeitpunkt an muß jeder über die französische
Grenze nach Elsaß-Lothringen reisende Ausländer, sei es, daß er auf
der Durchreise begriffen ist oder im Reichslande Aufenthalt nehmen
will, einen Paß besitzen, welcher mit dem Visa der Kaiserlichen Bot-
schaft in Paris versehen ist.
Für ein jedes solches Visa wollen Ew. pp. eine Gebühr von zehn
Mark erheben und die hieraus entstehenden Einnahmen in der üblichen
Weise verrechnen bezw. abführen.
Wenn der die Erteilung des Visa bei Ew. pp. Nachsuchende nicht
die französische Staatsangehörigkeit besitzt und sonstige politische Be-
denken nicht obwalten, wird das Visa anstandslos zu bewilligen sein. Ist
der Nachsuchende aber ein Franzose, so ersuche ich Sie, das Visa erst
dann zu erteilen, wenn derselbe den Zweck und die etwaige Dauer
seiner Reise in Elsaß-Lothringen angibt und der Kaiserliche Statt-
halter, mit dem Ew. pp. sich in einem jeden solchen Fall in unmittel-
bare Verbindung setzen wollen, gegen die Erteilung des Visa keine
Bedenken erhebt. Ausnahmen von einer vorherigen Anfrage bei dem
Kaiserlichen Statthalter werden Ew. pp. vorerst nur dann machen
können, wenn der Nachsuchende eine allgemein als einwandfrei bekannte
oder angesehene Persönhchkeit ist, von welcher nach Ihrer Über-
zeugung eine Agitation in Elsaß-Lothringen gegen die deutsche Herr-
schaft nicht zu befürchten steht. Ob auch noch in andern Fällen
vor der Erteilung des Visa von einer Anfrage bei dem Herrn Statt-
halter abgesehen werden kann, wird erst entschieden werden, wenn
die Verordnung etwa einen Monat lang in Geltung gewesen sein wird.
Über diesen Punkt sehe ich seinerzeit einem gefälligen Bericht entgegen.
Die Kaiserlichen Berufskonsuln in Frankreich, welche hinfort Visa
nicht mehr erteilen dürfen, habe ich von der in Aussicht genommenen
Verordnung mit besonderem unter fliegendem Siegel beifolgenden Erlaß,
dessen Weiterbeförderung Ew. pp. gefälligst übernehmen wollen, be-
nachrichtigt. H. Bismarck
Nr. 1285
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Reiiikonzept
Nr. 258 Berlin, den 28. Mai 1888
Die Paßmaßregeln, welche wir genötigt gewesen sind zu ergreifen,
um der französischen Agitation in den Reichslanden entgegenzutreten,
die im Laufe der letzten Jahre mit jedem Tage dreister wurde und
bedenkliche Zustände zu schaffen drohte, werden in der Presse viel-
fach besprochen und finden in Organen internationalen oder republi-
kanischen Anstrichs, die noch mehr oder weniger unter dem Ein-
217
fluß der französischen Presse stehen, eine falsche und gehässige Be-
urteilung. An einigen Stellen wird jene Maßregel sogar bis zu einer
deutscherseits beabsichtigten Provokation des friedliebenden Frank-
reichs entstellt, während gerade die in Frankreich systematisch groß-
gezogene Erbitterung gegen Deutschland, die zu unqualifizierbaren
Ausschreitungen, in jüngster Zeit zu der Mißhandlung deutscher Stu-
denten in Beifort geführt hatte, jene Maßnahmen hervorgerufen und
im Interesse der Aufrechthaltung friedlicher Beziehungen zu unserem
unberechenbaren Nachbarn notwendig gemacht hat. pp.
H. Bismarck
Nr. 1286
Der Geschäftsträger in Paris von Schoen an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 212 Paris, den 18. Juli 1888
Die Stimmung in Frankreich uns gegenüber ist seit einigen Wochen
eine, wenn auch nicht weniger gehässige, so doch entschieden be-
sonnenere geworden. Die Presse im allgemeinen befleißigt sich bei
Besprechung deutscher Angelegenheiten eines maßvolleren Tones und
größerer Zurückhaltung, als es sonst ihre Gewohnheit ist. Auch in den
mannigfachen offiziellen und privaten patriotischen Kundgebungen in
Wort und Tat, zu welchen das Nationalfest am 14. Juli Anlaß gegeben,
ist ein gewisses Streben nach nüchterner Ruhe und ein vorsichtiges
Vermeiden der sonst bei solchen Gelegenheiten üblichen Revanche-
rufe nicht zu verkennen gewesen.
Die Quelle dieser Wandlung dürfte in verschiedenen Ereignissen
der jüngsten Zeit zu suchen sein. Die Paßmaßregeln für Elsaß-
Lothringen haben ihre Wirkung augenscheinlich nicht verfehlt. Den
Franzosen ist es nachgerade klar geworden, daß dieselben eine Art
Ultimatum an ihre Adresse bedeuten, und daß es angesichts dieser
Warnung angezeigt sei, nicht mit dem Feuer der Revancheideen zu
spielen. Mehr aber wie der Paßzwang hat die Thronbesteigung Seiner
Majestät des Kaisers und Königs die Franzosen zu einem maßvolleren
und vorsichtigeren Benehmen in ihren öffentlichen Meinungsäußerungen
bewogen. Ist auch die Annahme einer unmittelbaren Kriegsgefahr,
welche man in Frankreich allgemein an die erhabene Person Seiner
Majestät zu knüpfen liebte, durch die friedfertigen Kundgebungen aller-
höchstdesselben Lügen gestraft worden, so ist doch das Gefühl geblie-
ben, daß Deutschlands Geschicke in den Händen eines Herrschers
ruhen, welcher unter Umständen leichter zum Schwerte greifen könnte,
als der totkranke Vater und der hochbetagte Großvater, daß daher
ruhiges Verhalten mehr denn je am Platze sei. Hierzu kommt nun noch,
daß der Schritt, welchen unser allergnädigster Kaiser und Herr in
218
St. Petersburg zu unternehmen im Begriff steht*, die Aussichten auf
russische Unterstützung oder auch nur Duldung der französischen Ge-
lüste und Ränke zu vernichten droht. Gerade die Zurückhaltung, mit
welcher sich die französische Presse und politische PersönHchkeiten
über den Kaiserbesuch aussprechen, die Gleichgültigkeit, welche sie
mit der Versicherung heucheln, der Besuch sei rein familiärer Natur,
werde keine politischen Folgen haben und an dem Verhältnis zwischen
Rußland und Frankreich nichts ändern, daneben die schüchiernen Ver-
suche der Presse, den Keil der widersprechenden Interessen zwischen
uns und unsere Verbündeten zu treiben und England unter Ausbeu-
tung gewisser Vorkommnisse am Hofe des hochseligen Kaisers Fried-
rich gegen Deutschland aufzustacheln — das alles zeigt, daß die Fran-
zosen wieder zum Bewußtsein ihrer Isolierung und zu der Erkenntnis
gelangt sind, daß es für jetzt geraten sei, vorsichtig alles zu vermeiden,
was als Zeichen kriegerischer Neigungen gedeutet werden und zu
Konflikten Anlaß geben könnte.
V. Schoen
Nr. 1287
Aufzeichnung des Vortragenden Rats in der Reichskanzlei
von Rottenburg, z. Z. in Friedrichsruh
Eigenhändig
Friedrichsruh, den 19. Oktober 1888
Der Herr Reichskanzler wünscht, daß bei Mitteilung des anliegen-
den Pariser Berichts** nochmals in folgendem Sinne an den KaiserUchen
Botschafter in Rom geschrieben werde:
Die tunesische Frage sei kein zweckmäßiger Anlaß, um zum Bruch
mit Frankreich zu treiben, weil er als solcher den Italien verbündeten
Nationen nicht faßlich und verständlich sein würde; er sei zu „diplo-
matisch". Es empfehle sich, für die Möglichkeit einer kriegerischen
Schichtung der Beziehungen zu Italien einen günstigeren Anknüpfungs-
punkt abzuwarten. Daß sich ein solcher bieten würde, wenn man die
innere Entwicklung Frankreichs nicht störe, sei Seiner Durchlaucht
nicht zweifelhaft; die Leidenschaftlichkeit der Franzosen bürge dafür. Für
unsere friedliebenden Bevölkerungen sei die Frage des „Angegriffen-
seins" für jede Kriegseinleitung eine sehr wichtige; sie entscheide über
den Enthusiasmus, mit dem der Krieg aufgenommen werde. Seine
Durchlaucht befürchte, es werde trotz aller Bemühungen nicht möglich
• Ära 14. Juli hatte Kaiser Wilhelm II. seine erste Fahrt als Souverän nach Peters-
burg angetreten; am 20. traf er dort auf der russischen Kaiserjacht ein.
** Am 14. Oktober hatte Botschafter Graf Münster über Äußerungen des Ministers
Goblet bezüglich der tunesischen Schulfrage, in der ein Konflikt zwischen Frank-
reich und Italien entstanden war, berichtet.
219
sein, mit Frankreich im Frieden zu leben, glaube aber, daß es unsere
Aufgabe sei, den französischen Angriff, der seiner Ansicht nach, wie
gesagt, nicht ausbleiben werde, abzuwarten, damit die öffentliche Mei-
nung in den beteiligten Nationen nicht den Eindruck erhalte, als ob wir
unsrerseits Frankreich provozierten*.
Rottenburg
Nr. 1288
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Statthalter in Elsaß-Lothringen Fürsten von Hohenlohe
Konzept
Nr. 7 Berlin, den T.März 1889
[abgegangen am 8. März]
Das gefällige Schreiben Ew. pp. vom 5.d.Mts., betreffend die Be-
schädigung von Grenzpfählen an der französischen Grenze, hat dem
Herrn Reichskanzler vorgelegen. Fürst Bismarck ist dankbar, daß der An-
gelegenheit seitens der dortigen Beamten eine weitere Folge nicht ge-
geben worden ist. Da die jetzige Regierung in Frankreich** Zeichen einer
gewissen Kraft an den Tag gelegt und die Neigung gezeigt hat, sich
von den Kundgebungen der Straße zu emanzipieren, so empfiehlt es
sich, wenn von unserer Seite einstweilen vermieden wird, dem Pariser
Kabinett Schwierigkeiten zu machen und die ruhige Entwickelung der
Dinge zu stören. Ich bitte Ew. pp. ergebenst, soweit es angeht, die fran-
zösische Regierung bei Grenzvorfällen ähnlicher Art dadurch zu schonen,
daß dieselben ohne Aufsehen ihre Erledigung erlangen und nicht in
Publizität gezogen werden. H. Bismarck
Nr. 1289
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes
Grafen von Bismarck
Reinschrift
Berhn, den 3. März 1890
Heute besuchte mich Herr Christofle, Direktor des Credit fonder
in Paris und französischer Deputierter. Derselbe war bei mir durch
* Botschafter Graf zu Solms in Rom wurde durch Erlasse vom 22. und 23. Ok-
tober 1888 in dem Sinne obiger Direktiven beschieden. Wie Graf zu Solms
unter dem 27. Oktober berichtete, hatten Fürst Bismarcks versöhnliche Ratschläge
vollen Erfolg. Ministerpräsident Crispi ließ dem Fürsten zurücksagen, er sei der
französischen Regierung soweit wie nur möglich entgegengekommen; er werde
es durchaus vermeiden, derselben irgendeine Demütigung zuzumuten.
** Am 23. Februar war, nachdem am 14. Februar das Ministerium Floquet gestürzt
war, das Kabinett Tirard an das Ruder gelangt, das am 28. Februar die Auf-
lösung der Patriotenliga verfügte.
220
den mexikanischen Gesandten Romero Vargas eingeführt. Letzterer
hatte schon vor Jahr und Tag mir den Wunsch ausgesprochen, durch
seine Beziehungen zu^ Frankreich dazu beigetragen, daß eine Entente
und womöghch AlHanz zwischen der deutschen und der französischen
Regierung zustande käme. Inzwischen war Herr Vargas ein Jahr auf
Urlaub gewesen. Nach seiner Rückkehr im Monat Januar sprach er
mir wieder von seinem „Liebhngsgedanken", indem er von mir nur
die Zusage erbat, daß ich Herrn Christofle (dessen Namen er mir
dabei zum ersten Male nannte) empfangen würde, wenn er hierher
käme. pp.
Herr Christofle ist ein wohlerzogener, gebildeter Mann und macht
den Eindruck eines der besten Repräsentanten der französischen haute
finance. Als er nach einigen Einleitungen das Thema einer möglichen
deutsch-französischen Allianz abordierte, ergab sich alsbald, daß er
denselben Gedankengang entwickelte, welcher der bekannten neuer-
lichen Broschüre des Obersten Stoffel zugrunde liegt. Er konstatierte,
daß die steigenden militärischen Anforderungen sowohl das französi-
sche wie das deutsche Volk, welche als die zivilisiertesten der Welt
berufen wären, sich gegenseitig zu unterstützen, dem Ruin entgegen-
führen würden, und daß sein lebhafter Wunsch sei, der Krieg von 1870
möge der letzte i=^ zwischen Deutschland und Frankreich gewesen sein.
Er behauptete, daß alle Vorbedingungen dazu vorhanden seien, denn
das französische Volk sei, abgesehen von einigen Pariser Schreiern
und Journalisten, durchaus friedlich gesinnt ^ und würde uns niemals
angreifen 3. Letzteres könne nur dann geschehen, wenn wir etwa in
einen Krieg mit Rußland verwickelt würden. Das Resultat einer solchen
Konstellation würde aber ein für Europa höchst trauriges sein, und
das einzige Mittel, dies zu vermeiden, sähe er in der Retrozession von
Elsaß-Lothringen*. Dieses Land brächte Deutschland keinen Nutzen,
und Frankreich würde mit uns eine dauernde^ Allianz abzuschließen
bereit sein, wenn es die verlorenen Provinzen wiedererhielte.
Ich hörte Herrn Christofle freundlich an und konnte ihm an der
Hand der Geschichte leicht nachweisen, daß wir durch die exponierte
Situation Süddeutschlands und die in jedem Jahrhundert immer wieder-
kehrenden Angriffe Frankreichs genötigt gewesen seien, Deutschland
eine bessere Grenze gegen Frankreich zu geben, als es bis 1870 gehabt
hätte 6: seine Darlegungen hätten zur Voraussetzung, daß das sogenannte
Millennium unmittelbar im Anzüge sei; ich sähe aber hierfür kein
Wahrzeichen. Jeder deutsche Minister, der die Frage einer freiwilligen
Retrozession der uns früher geraubten westlichen Landesteile anregen
wollte, würde sowohl politisch wie persönlich in eine unmögliche
Stellung geraten: davon könne also nicht die Rede sein. Ich hoffe,
daß wir auch ohne dem die guten Beziehungen, in denen wir jetzt mit
Frankreich ständen, weiter auszubilden vermögen würden. Diese Be-
ziehungen seien sowohl Ende der 70^«" Jahre als zumal im Jahre 1884
221
unter dem Ministerium Ferry schon viel besser gewesen. Erst durch
General Boulanger wären wir wieder um mehrere Jahre zurück-
geworfen worden. Da Herr Christofle mir versicherte, daß es mit dem
Boulangismus vollständig und auf immer zu Ende sei, so hätte ich
die Hoffnung, daß wir auf dem guten Wege, auf welchem wir uns jetzt
befänden, die verlorene Zeit aber wieder einbringen und ähnliche gün-
stige Beziehungen zu Frankreich herstellen könnten, wie sie im Laufe
der letzten 20 Jahre schon zweimal mit gutem Erfolg angebahnt seien.
Unsere Unterhaltung bewegte sich fast anderthalb Stunden lang in
der vorstehend skizzierten Bahn, und wenn sie auch zu keinem Resultat
führen konnte, so schloß sie doch aufs freundlichste, indem Herr
Christofle mich einlud, ihn bald in Paris zu besuchen, pp.
H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
* [„zu" durchstrichen, dafür:] in
ta p
2 seit wann?
3 nur 20 Mal in 300 Jahren
* dann wird das „Angreifen" wieder etwas leichter, u[nd] Süddeutschland davon
abhängig
6 richtig
222
Kapitel XLI
Italiens Mitwirkung für den Fall eines
französisch-deutschen Krieges
Nr. 1290
Bericht des Militärattaches in Rom Major von Engelbrecht*
Abschrift
Nr. 21 Rom, den 12. Dezember 1886
Seit der durch Frankreichs Vorgehen in Tunis verursachten An-
näherung Italiens an Deutschland-Österreich ist im italienischen Gene-
ralstab die Möglichkeit eines im Bunde mit Deutschland gegen Frank-
reich zu führenden Krieges zum Gegenstand eingehender Studien ge-
worden.
Während der Jahre 1882 und 1883 wurden die ersten einschläglichen
Arbeiten von dem Kriegsministerium und dem Generalstab gemein-
schaftlich mit Eifer betrieben und bis zur Aufstellung eines Operations-
planes gefördert.
Geleitet von der richtigen Erkenntnis, daß auch das Schicksal Ita-
liens auf den Schlachtfeldern zwischen der deutsch-französischen Grenze
und Paris entschieden werde, lag dem Operationsplan der gesunde Ge-
danke zugrunde, daß vermittelst einer energischen Offensive durch die
Alpen ein möglichst großer Teil der französischen Streitkräfte von dem
eigentüchen Kriegstheater abgezogen und sodann der deutschen Armee
in der Richtung über Lyon die Hand gereicht werden müsse.
Man verhehlte sich allerdings nicht die großen Schwierigkeiten,
welche der Durchführung dieser Operation vornehmlich im Anfange be-
gegnen würden, — Überschreiten der Alpen, Forcieren der durch
fortifikatorische Anlagen geschlossenen Deboucheen, — doch ließ man
sich dadurch nicht von dem Vorsatz abbringen, Herr aller Schwierig-
keiten werden zu wollen. Richtig wurde damals erkannt, daß die Armee
in erster Linie einer besonderen, artilleristischen Ausrüstung behufs Be-
kämpfung der Sperranlagen im Gebirge bedürfe, und das Entsprechende
daher eingeleitet, um dieses schwierige spezifisch technische Problem
zu lösen. Inzwischen war man auch über die einzuleitenden Vor-
wärtsbewegungen, sowie über die Stelle, an welcher der Hauptdurch-
bruch geschehen solle, schlüssig geworden.
So lagen die Dinge, als im Jahre 1884 ein partieller Wechsel in
der Besetzung der höchsten militärischen Stellen vor sich ging. Neue
Ideen verschafften sich Geltung, zum Teil auch durch den Umstand ver-
anlaßt, daß die französischen Sperranlagen stetig an Ausdehnung zuge-
nommen hatten, wodurch allerdings eine merkliche Änderung der Situa-
tion eingetreten war.
Man fing an, die Möglichkeit eines Durchbruchs mehr und mehr
» Vgl. dazu Bd. IV, Kap. XXIV, S. 224.
15 Die Große Politik. 6. Bd. 225
zu bezweifeln, und ließ sich aus diesem Grunde, sowie finanzieller
Rücksichten halber verleiten, die Beschaffung eines durch die eigen-
artigen Verhältnisse absolut gebotenen Materials einzustellen.
Hiermit war der Verzicht auf jede ernste Offensive durch die
Westalpen indirekt ausgesprochen,
(Näheres enthielt der Bericht Nr. 8 pro 1886 über Belagerungs-
parks gegen Alpenbefestigungen.)
Um sich nun aber nicht durch dieses wohlfeile Aufgeben eigener
verantwortHcher Initiative dem gewiß naheliegenden Einwurf des Man-
gels an Vertrauen zu der Leistungsfähigkeit der Armee und ihrer Füh-
rung auszusetzen, verfiel man in Übertreibung der sich darbietenden
Schwierigkeiten.
So sagte z. B. noch vor einigen Wochen der Generalsekretär im
Kriegsministerium* dem Berichterstatter, daßselbst die preußische Armee
hier nicht würde durchzudringen vermögen, worauf die Erwiderung
nicht unterbleiben konnte, daß die preußische Armee aber niemals von
vornherein den Glauben an die MögUchkeit eines solchen Gelingens
aufgeben und sich wenigstens mit allen Mitteln ausrüsten würde, um
sich den Erfolg zu sichern. Der General entgegnete: daß letzteres in
Italien unterlassen worden, sei zu bedauern, doch sei man gegenwärtig
bestrebt, das Versäumte wieder einzuholen. Hierzu muß indes bemerkt
werden, daß diese Absicht einstweilen in dem entscheidenden Artillerie-
ressort noch unbekannt ist.
Mit dem Aufgeben des Gedankens der Offensive durch die West-
alpen mußte nach einem anderen Wege für die Kooperation gesucht
werden, und glaubt man denselben in nördhcher Richtung, sei es unter
Benutzung der Gotthard- oder der Brennerlinie gefunden zu haben.
Man argumentiert nämlich in folgender Weise:
Eine italienische Offensive durch die Alpen kommt an den fran-
zösischen Sperranlagen sofort zum Stehen; gelingt im günstigsten Fall
der Durchbruch, so wird bis dahin doch ein bedenklich langer Zeitraum
verstreichen; während dieser Zeit werden die italienischen Armeen,
deren große numerische Überlegenheit im Gebirge nicht zur Geltung
zu bringen ist, von ungleich schwächeren Kräften aufgehalten, mithin
ein wirksames Degagieren der deutschen Armeen nicht erreicht.
Aus dieser Lage ergibt sich die Notwendigkeit, die italienische
Überlegenheit auf dem eigentlichen Kriegsschauplatz einzusetzen, wäh-
rend in den Alpen die Operationen nur von einer den dortigen Verhält-
nissen entsprechend starken Armee zu führen sein werden.
Solcher Art ist die zurzeit im Kriegsministerium herrschende Vor-
stellung von einer Kooperation Itahens.
Welche Kräfte glaubt man nun für eine solche Entsendung disponibel
zu haben? Die Ordre debataille umfaßt vier Armeen mit 15 Armeekorps.
* Marselli.
226
Eine Ite, 2te und 3'^ Armee sind für die eigentlichen Feldopera-
tionen bestimmt und zählen in 10 Armeekorps höchstwahrscheinlich
nur Truppen erster Linie. Eine 4*« sogenannte Zentralarmee besteht
aus 5 Armeekorps, von denen vier zur Hälfte aus Truppen erster
Linie, zur andern Hälfte aus Truppen zweiter Linie formiert sind,
während das 5'^ Armeekorps nur aus Truppen zweiter Linie zusammen-
gesetzt ist.
Die Armeekorps dieser letztgenannten Armee stehen an wich-
tigen Punkten des peninsularen Teiles des Landes, wie Rom, Neapel,
Viareggio-Spezia zum unmittelbaren Schutz gegen Landungsversuche
verteilt.
Die Konzentration der drei ersten Armeen findet in Piemont statt,
und scheint es, daß von den 10 Armeekorps vier für die Operationen
in den Alpen, sechs zum Auftreten auf dem deutsch-französischen
Kriegsschauplatze bestimmt sind.
Ob dieses Erscheinen von zirka 180 000 Italienern den Plänen der
deutschen Heeresleitung überhaupt entsprechen würde, muß dahinge-
stellt bleiben. Ernste Bedenken werden gewiß dagegen zu erheben
sein. Von hier aus aber muß hervorgehoben werden, daß der Gedanke
einer derartigen Verlegung des Schwerpunktes der Hauptaktion ent-
schieden nachteilig den Vorbereitungen für das nähergelegene Kriegs-
theater gewesen ist.
So mußte es dahin kommen, daß es an besonderm, durchaus not-
wendigen Belagerungsmaterial fehlt; daß über das Angriffsverfahren
gegen Sperrforts keine Entscheidungen getroffen sind; daß die Ver-
pflegung der Truppen in den Alpen nicht genügend vorbereitet ist, und
daß die in dieser Hinsicht von dem Oeneralstabe allein ausgearbeiteten
Projekte nach Ansicht des Ökonomiedepartements der praktischen
Unterlage entbehren.
Für die Operationen in den Alpen aber sind Energie und Schnellig-
keit des Handelns durchaus geboten, weil der Zeitraum, währenddessen
überhaupt hier große mititärische Unternehmungen stattfinden können.,
infolge klimatischer Einflüsse nur ein relativ kurzer ist. Daher muß ein
höchster Grad von Vorbereitung vorhanden sein, und wenn dies nicht
der Fall ist, so begibt man sich gleichsam freiwillig eines wesentlichen
Faktors für das Gelingen der Aktion.
In Frankreich wird man über den hiesigen Stand der Dinge gewiß
informiert sein, und glaubt man dort, vor der Hand nicht viel mehr als
zwei Armeekorps und zwei Reservedivisionen
an der italienischen Grenze eintretendenfalls stehen lassen zu müssen.
Diese beiden Armeekorps und zwei Reservedivi-
sionen repräsentieren also in der ersten, entscheidenden
Periode des Krieges den eigentlichen militärischen Wert
einer italienischen Alliance.
15*
227
Erwägt man, daß Italien glaubt, 15 Armeekorps aufstellen zu können,
von denen 10 für die Feldarmee bestimmt sind, so müßte der Wert einer
solchen Machtentfaltung unzweifelhaft ein bedeutend höherer sein.
Die Armee ist jung, hat Proben ihrer Leistungsfähigkeit noch nicht
abgelegt, der Sieg auf dem Schlachtfelde ist ihr unbekannt.
Festes Vertrauen zu sich selbst wagt man nicht recht zu fassen,
daher der unverkennbare Zug von Zaudern und Abwägen, auf welche
Probe man wohl die Truppe, in der das Gefühl enger Zusammenge-
hörigkeit mit ihren Führern sowie das Moment der Initiative nicht ge-
nügend großgezogen sind, stellen darf. Daher auch der Wunsch nach
unmittelbarer Anlehnung an den Bundesgenossen. Zum Schluß soll aber
nicht unerwähnt bleiben, daß bei der gegenwärtigen H eeresleitung auf beste
Intentionen hinsichtlich einer eventuellen Kooperation gerechnet werden
darf, und bei ihr gewiß jeder Rat dankbare Aufnahme finden würde.
Im Offizierkorps sind alle Sympathien für die in Rede stehende
Waffengemeinschaft vorhanden, in welcher man gleichzeitig das si-
cherste Mittel für eine Rehabilitierung erblickt, die sich erkämpfen zu
müssen, — im Hinblick auf den Verlauf und Ausgang der Kampagne
1866, — als eine dringende Notwendigkeit in der Armee empfunden
wird. (gez.) von Engelbrecht
Nr. 1291
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an Kaiser Wilhelm I., z. Z. in Baden-Baden
Ausfertigung
Berlin, den 3. Oktober 1887
pp. Im engsten Vertrauen regte Herr Crispi* an, wir möchten
mit dem Wunsche um Geheimhaltung in Rom vorschlagen, daß zwischen
ausgesuchten preußischen und italienischen Generalstabs- und Marine-
offizieren Besprechungen über die Möglichkeit und Durchführbarkeit
gemeinsamer Operationen gegen Frankreich stattfänden, damit ein
etwaiger Angriff dieser Macht uns nicht unvorbereitet träfe, und damit
wir uns im voraus klar wären, wie unsere Defensivallianz militärisch am
wirksamsten zur Hebung gebracht werden könne.
Der Reichskanzler bittet Euere Majestät um AUerhöchstdero Er-
mächtigung, mit den Chefs des Generalstabes und der Admiralität auf
dieser Basis in vertrauliche Besprechung treten zu dürfen, und darf ich
Euerer Majestät ehrfurchtsvoll anheimgeben, AUerhöchstdero Willens-
meinung durch huldreiches Marginaldekret zum Ausdruck bringen zu
wollen.
* Vom 1. bis 3. Oktober hatte der italienische Ministerpräsident Crispi zum Be-
suche des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh geweilt. Am 3. Oktober erstattete
Graf Herbert Bismarck, der bei den Unterredungen zwischen beiden Staats-
männern zugegen gewesen war, dem Kaiser darüber Bericht. Vgl. Bd. IV, Nr. 917
nebst Fußnote.
228
Da wir mit Italien keine Grenze haben, so ist die Frage einer kon-
zentrischen Kooperation zu Lande immerhin eine schwierige, und die
Anregung Herrn Crispis, sie von den Generalstäben prüfen zu lassen,
erscheint der Erwägung wert. Fürst Bismarck hat Herrn Crispi auch
hierbei darauf hingewiesen, wie erwünscht es für Italien und Deutsch-
land wäre, Österreich als Dritten im Bunde zu halten, weil sich damit
die MögUchkeit des Durchmarsches durch Tirol und der Kooperation
im Norden oder Süden der Alpen von selbst ergeben würde.
Die Erwähnung dieses militärischen Themas sowohl als der ganze
Besuch des Herrn Crispi überhaupt beweisen, daß derselbe entschlos-
sen ist, Italien noch fester als bisher auf der antifranzösischen Seite zu
engagieren : Er begegnet sich mit uns in dem Wunsche, den Frieden
solange als möglich aufrecht zu erhalten, hat aber durch seine in Frank-
reich mißliebige Reise nach Friedrichsruh uns die Sicherheit geben
wollen, daß wir auf ihn und Italien unbedingt zählen können.
H. Bismarck
Nr. 1292
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Abschrift
Geheim Berlin, den 15. Oktober 1887
Bei seiner Anwesenheit in Friedrichsruh hat Herr Crispi im eng-
sten Vertrauen zur Sprache gebracht, daß militärische Kooperationen
Deutschlands und Italiens im Falle eines französischen Angriffes mit
Rücksicht auf die geographische Situation ihre Schwierigkeiten haben
würden. Der Herr Reichskanzler verabredete darauf mit ihm, daß
Seine Majestät der Kaiser in der Sache Vortrag erhalten und um die
Ermächtigung gebeten werden sollte, daß die Frage vom militärischen
Gesichtspunkt aus geprüft werden könnte*.
Ich habe Seiner Majestät nun Bericht erstattet, und allerhöchst-
dieselben haben mich angewiesen, durch Euere Exzellenz Herrn Crispi
vorschlagen zu lassen, daß unser und der italienische Generalstabschef
die Frage in Erwägung nehmen, in welcher Weise eintretendenfalls mili-
tärische Kooperation stattfinden könnte: Seine Majestät wünscht die
bezügUchen Besprechungen auch auf die Marine auszudehnen, und ich
bitte Euere Exzellenz Herrn Crispi hiervon streng vertraulich Mitteilung
zu machen.
Ich werde mich mit den Chefs des Generalstabes und der Ad-
* Vgl. dazu die Erzählung Crispis (Die Memoiren Francisco Crispis; deutsch von
W. Wichmann S. 227 f.), welche vollauf bestätigt, daß der Gedanke einer gegen
Frankreich gerichteten Militärkonvention auf seine Anregung zurückging. Crispi
sprach sogar von der Notwendigkeit schleuniger Aufstellung eines Verteidigungs-
und Angriffs plans.
229
miralität in Beziehung setzen, um deren Vorschläge über den Modus
der militärischen Besprechungen zu hören, und ersuche Euere Exzel-
lenz, Herrn Crispi zu fragen, ob er etwa besondere Wünsche bezüg-
lich der Einleitung und Behandlung der Sache hat. Es könnten viel-
leicht zunächst die Militärattaches als Mittelspersonen benutzt werden
und nach Erledigung der vorbereitenden Arbeit höhere Offiziere an
einem dritten, unauffälligen Ort zur definitiven Feststellung von Plänen
zusammenkommen, sodaß unnötiges Aufsehen vermieden wird.
Der Kaiser ist über die Anregung sehr erfreut gewesen und hat
sich vorbehalten, noch einige strategisch militärische Bemerkungen zur
Sache eigenhändig aufzuzeichnen. Ich darf mir vorbehalten, nach Ein-
gang derselben und nach Anhörung der militärischen Autoritäten Euere
Exzellenz mit näherer Weisung zu versehen. Wenn ich schon heute
über die Sache schreibe, so geschieht das hauptsächlich, um Herrn Crispi
wissen zu lassen, daß wir diesen geheimen Teil der Friedrichsruher
Besprechungen sorgfältig im Auge behalten. Bei dem Mangel einer
gemeinsamen Grenze mit Italien würde es sehr nützlich sein, wenn wir
uns beizeiten über die Möglichkeit zusammenwirkender Operationen
klar würden, damit uns ein etwaiger französischer Angriff nicht unvor-
bereitet trifft, (gez.) H. Bismarck
Nr. 1293
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Staats-
sekretär des Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Eigenhändige Ausfertigung
Geheim Rom, den 20. Oktober 1887
pp. Herr Crispi war sehr erfreut über meine Eröffnungen und er-
klärte sich mit dem Vorschlage, die Besprechungen auch auf die Marine
auszudehnen, sehr einverstanden.
BezügHch des Modus der militärischen Verhandlungen hatte er
zuerst den Gedanken, die beiderseitigen Generalstabschefs sollten in
Berlin oder Rom zusammenkommen. Als ich ihn darauf aufmerksam
machte, daß Reisen so hoher Militärs großes Aufsehen erregen wür-
den, schlug er vor, entweder einen hohen italienischen Generalstabs-
offizier der Botschaft in BerUn oder einen hohen deutschen Offizier
der Botschaft in Rom für die Dauer der Verhandlungen zu atta-
chieren. Ich machte den Einwand, daß dies zu sehr gegen den Gebrauch
sei und daher ebenfalls auffallend erscheinen müsse. Eine kurze Atta-
chierung werde doch immer als eine besondere Mission angesehen wer-
den, während Rom und Berlin interessant genug wären, um Urlaubs-
reisen von Generalstabsoffizieren erklärlich zu finden.
Herr Crispi machte schließlich folgenden Vorschlag:
Der Feldmarschall Graf Moltke, welcher doch derjenige Stratege
sei, vor dem sich alles beuge, möge einen Plan entwerfen und den-
230
selben hierher mitteilen i; wenn man sich über die Grundzüge geeinigt
haben würde, würde Italien einige höhere Offiziere nach Berlin schicken,
welche dann mit den unsrigen die Details ausarbeiten könnten.
Ich bemerkte dem Ministerpräsidenten, daß uns der Vorschlag
der Entsendung italienischer Offiziere nach Berlin sehr willkommen
sein würde. GrafSolms
Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
1 Seine Majestät einverstanden.
Nr. 1294
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Eigenhändiges Konzept
Nr. 357
Geheim Berlin, den 23. November 1887
Mit Bezugnahme auf meine Ew. im vorigen Monat zugegange-
nen geheimen Mitteilungen betreffs einer eventuellen italienisch-deut-
schen Kooperation in einem Kriege gegen Frankreich* übersende ich
Ihnen mit der Bitte um sekrete Behandlung die beifolgende vom Feld-
marschall Grafen Moltke ausgearbeitete vorläufige Darlegung**.
Der Chef des Generalstabes hat keinen Zweifel, daß Seine Majestät
der Kaiser den Ausführungen der allerhöchstdenselben noch vorlie-
genden Denkschrift beitreten werden. Da Seine Majestät aber vielleicht
noch Zusätze machen, worüber ich Ew. eintretendenfalls telegraphisch
verständigen würde, so habe ich die beiliegende Arbeit einstweilen als
eine vorläufige bezeichnen müssen.
Ich ermächtige Ew., Herrn Crispi eine französische Übersetzung
der Anlage im strengsten Vertrauen und gegen das Versprechen abso-
luter Diskretion persönlich auszuhändigen. Ich stelle Ew. anheim,
solche Stellen, die Ihnen nach Ihrer Kenntnis des Herrn Crispi etwa
nicht zur schriftlichen Ausantwortung an denselben geeignet erschei-
nen, nur auszüglich zu übersetzen oder mündlich mitzuteilen.
Ew. wollen Herrn Crispi sagen, daß wir seiner Rückäußerung
mit lebhaftem Interesse entgegensehen. Sollten Sie bei dem Herrn
Minister Verwunderung darüber wahrnehmen, daß die präliminare Äuße-
rung unseres Generalstabes erst heute zu seiner Kenntnis gebracht
wird, so bitte ich darauf zu verweisen, daß nicht nur Seine Majestät,
sondern auch Graf Moltke bis vor kurzem krank gewesen sind.
Wenn Herr Crispi die Sendung hoher italienischer Offiziere nach
Berlin nunmehr für opportun hält, so wird uns der Besuch derselben
sehr willkommen sein. H. Bismarck
* Siehe Nr. 1292.
** Siehe Nr. 1295.
231
Nr. 1295
,, Vorläufige Darlegung'' des Qeneralfeldmarschalls
Grafen von Moltke über eine eventuelle militärische Kooperation
Deutschlands und Italiens gegen Frankreich
Unsignierte Abschrift
Berlin, im November 1887
Bei einem von Frankreich hervorgerufenen Kriege ist es offenbar
für Deutschland wie für Italien von hohem Wert^, daß beide Mächte
sich miteinander verbünden-.
Die Franzosen w^erden dadurch genötigt sein, ihre Streitkräfte zu
teilen, eine gesonderte Armee im Norden, eine zweite im Süden ihres
Gebiets aufzustellen 3.
Allerdings trennt die neutrale Schweiz auch* die Operationssphäreu
der deutschen und der itaUenischen Armee und verhindert zunächst
ihr unmittelbares Zusammenwirken. Ein solches wird erst möglich,
wenn der Verlauf der kriegerischen Begebenheiten beiden Heeren ge-
stattet, die Richtung etwa auf Lyon einzuschlagen. Andererseits aber
gewährt diese ursprüngHche Trennung auch wieder den Vorteil, daß
die Franzosen sich nicht mit ihren beiden Heeren auf den einen
Gegner werfen können, sofern nur beide die Operationen einiger-
maßen gleichzeitig beginnen.
Es ist deshalb von großer Wichtigkeit, daß die verbündeten Re-
gierungen sich einigen, alle Vorbereitungen zu treffen, um, sobald der
Krieg in Aussicht steht, ihre Heere in kürzester Frist schlagfertig zu
versammeln und dann ungesäumt zu einer kräftigen Offensive zu schrei-
ten. Der Tag, an welchem die französische Grenze überschritten wer-
den soll, wäre gegenseitig zu vereinbaren.
Bei der deutschen Armee ist die Mobilmachung derart geordnet,
daß sie von der französischen nicht überholt werden kann; aber schon
gleich an der lothringischen Grenze wird sie den Feind, und zwar mit
seiner Hauptmacht versammelt finden. Denn eben hier im Norden
sieht Frankreich sich in seiner Existenz bedroht, während es im Süden
weit^ leichter sich auf abwehrendes Hinhalten beschränken kann.
Daß bei uns gleich anfangs große und entscheidende Schlachten
zu gewärtigen sind, macht es unmöglich, einen Operationsplan über
diese hinaus im voraus festzustellen. Frühe Entscheidungen sind indes
willkommen, da nach Ansicht der deutschen Heeresleitung Stellung-
nahmen, Okkupierung von Länderstrecken, selbst von Festungen und
künstliche Manöver einen wirklichen Wert nicht haben, solange noch
der Feind im Felde steht, und daß nur die Vernichtung seiner Heere
den Krieg zu beenden vermag.
Wenn zwar im Süden die Verhältnisse anders liegen und der Geg-
ner erst aufgesucht werden muß, so würden doch auch dort seine mo-
bilen Streitkräfte ohne Zweifel das eigentliche Operationsobjekt bilden.
232
Obwohl die deutsche Flotte imstande ist, einen ansehnlichen Teil
der französischen auf sich zu ziehen, so würde letztere dennoch im
Mittelmeer der italienischen allein überlegen bleiben. Sie kann die
Benutzung der Küstenstraßen erschweren, einzelne Hafenplätze be-
lästigen, übrigens aber auf die entscheidenden Landoperationen einen
wesentUchen Einfluß nicht üben^. Die italienischen Eisenbahnen er-
leichtern die schnelle Heranführung von Streitmitteln nach den bedroh-
ten Punkten, und zu wirklichen Landungen fehlt es der französischen
Regierung an Mitteln. Sie kann zu überseeischen Expeditionen keinen
Mann entbehren, solange sie sich im eigenen Lande aufs ernsthafteste
bedroht sieht.
Sollten hingegen, wie durchaus nicht unmögHch, Verhältnisse ein-
treten, welche es der italienischen Flotte ermöglichen, die See zu halten,
so würde sich ein neues und weites Feld der Tätigkeit öffnen, der An-
griff auf Nizza würde erleichtert und Algerien wäre bedroht.
Gegen Invasion des eigenen Gebiets in dem Maße gesichert, wie
die Franzosen in dem ihrigen ernsthafter angefaßt werden, wird es nicht
die Absicht der italienischen Regierung sein, ihre starke und treffliche
Armee zur passiven Verteidigung der Alpen zu verwenden, wodurch der
Wert des Bündnisses für Deutschland aufgehoben wäre, sondern trotz
lokaler Schwierigkeiten mit derselben das Gebirge zu überschreiten.
Das Heer tritt dann allerdings in ein breites Gebirgsgelände, in
welchem weder der Angreifer noch der Verteidiger große Massen zur
Schlacht zu entwickeln vermag. Es wird sich zunächst um eine Reihe
von Postengefechten handeln, bei welchen aber jedenfalls die Über-
legenheit der Zahl auf italienischer Seite vorhanden sein wird. Nach
unseren Nachrichten hat die französische Heeresleitung bisher nur zwei
Armeekorps — das 14. und 15. — , eine Kavallerie- und etwa vier Re-
servedivisionen für die Verteidigung des Südens bestimmt. Auch wenn
diese Zahlen später verdoppelt werden sollten, bedarf es kaum der
Hälfte des italienischen Heeres, um sich eine entschiedene Überlegen-
heit zu sichern.
Es stellt sich so ein Überschuß an Kräften auf italienischer Seite
heraus, welcher anderweit zu verwerten wäre, doch kann zurzeit auf
diesen Gegenstand nicht näher eingegangen werden, indem darüber
diplomatische Verhandlungen vorangehen müßten. Jedenfalls aber
würde, auch jetzt schon, ein erster Gedankenaustausch zwischen italie-
nischen und deutschen MiHtärs erwünscht sein.
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck*:
1 Wirklich?
- verbündet sind wir ja; richtiger wäre: „den Feldzugsplan combiniren."
3 [Die Worte „Die Franzosen" bis „aufzustellen" sind gestrichen.]
4 [Das Wort „auch" ist gestrichen]
3 [Das Wort „weit" ist gestrichen]
6 9
* Vgl. zu ihnen Nr. 1296.
233
Nr. 1296
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh,
an das Auswärtige Amt
Telegramm. Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Nr. 26 Friedrichsruh, den 24. November 1887
Geheim
Unter Bezug auf deutsch-itahenische Kooperation.
Es scheint mir notwendig, im ersten AHnea Seite 1 der General-
stabsäußerung* statt „sich miteinander verbünden" zu setzen: „den
Feldzugsplan zu kombinieren'', da wir verbündet bereits sind, und das
zweite Alinea von „die Franzosen" bis „aufzustellen" als selbstver-
ständlich ganz zu streichen. Überhaupt halte ich das ganze Aktenstück
zur wörthchen Mitteilung nicht geeignet, fürchte vielmehr, daß dasselbe
wegen des belehrenden Tones, in welchem von Anfang bis zu Ende
zweifellose Dinge, die in jedem Zeitungsartikel stehen könnten, vorge-
tragen werden, einem Eingehen auf praktische Details aber ausgewichen
wird, verletzend wirken kann. Die Andeutungen über unsre offen-
siven Feldzugspläne sind gewagt und für Italien eine Ermutigung, ihren
Erfolg abzuwarten.
Ich bitte deshalb, die Ermächtigung zur Mitteilung zurückzuziehen
und Graf Solms anzuweisen, daß er das Aktenstück für sich behält
und in Anknüpfung an unsern hiesigen Ideenaustausch nur als Basis
vorläufiger mündlicher Besprechung mit Herrn Crispi benutzt.
Der Schlußsatz des Begleiterlasses an Graf Solms ist nicht kon-
ditioneil zu fassen, sondern einfach als Erklärung, daß der Besuch der
italienischen Offiziere uns willkommen sein wird**.
v. Bismarck
Nr. 1297
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Telegramm. Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 89 Berlin, den 30. November 1887
Geheim [abgegangen am 1. Dezember]
Ew. bitte ich die Erledigung des im Eingange meines Telegramms»
Nr. 87 vom 24. d. Mts.*** enthaltenen Auftrages, betreffend die Her-
sendung italienischer Offiziere, tunlichst bald herbeizuführen.
In einer gestrigen Unterredung sagte mir Graf Moltke, die in
Aussicht genommene deutsch-italienische Kooperation biete mit Rück-
* Siehe Nr. 1295.
** Entsprechend den Direktiven des Fürsten Bismarck wurde der Botschafter
Graf zu Solms durch Telegramm vom 24. November (Nr. 87) instruiert.
*** Siehe die voraufgehende Fußnote.
234
sieht auf das Fehlen einer gemeinschaftlichen Grenze Anlaß zu so
vielen Kombinationen und lasse für so zahlreiche Eventualitäten Raum,
daß die eingehende Behandlung der einzelnen Fälle mündlich erfolgen
müsse, um großen Zeitverlust zu vermeiden: Manche ganz geheimen
Pläne vi^ürden de part et d'autre auch nicht gern dem Papier anver-
traut werden. Unter diesen Umständen glaubt der Feldmarschall nicht,
daß er die in Ew. Schreiben vom 20. v. Mts.* erwähnte, durch das
schmeichelhafte Vertrauen des Herrn Crispi ihm zugedachte strategische
Aufgabe mit der seinen eignen Wünschen und der Wichtigkeit des
Gegenstandes entsprechenden Gründlichkeit würde lösen können.
Er glaubt vielmehr, daß die Sache durch mündUche Besprechung
mit hohen itaUenischen Offizieren wirksam gefördert werden würde.
Ew. stelle ich die vorstehenden Gesichtspunkte zum Behufe ge-
eigneter Verwertung zur Verfügung und bemerke noch, daß auch der
Feldmarschall ebenso wie Herr Crispi auf möglichst schleunigen Ein-
tritt in die Beratungen Gewicht legt.
Ew. Meldung über das Eintreffen der italienischen Offiziere hoffe
ich daher binnen kurzem entgegensehen zu dürfen.
Eine weitere Betrachtung des Feldmarschalls, welche jedoch nur
allgemeine Gesichtspunkte behandelt, werde ich Ew. mit nächstem
Feldjäger zugehen lassen. H. Bismarck
Nr. 1298
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde
an das Auswärtige Amt
Telegramm. Entzifferung
Nr. 148
Geheim Rom, den I.Dezember 1887
Unter Bezugnahme auf Telegramm Nr. 89**.
Ich habe am 27. v. Mts. Herrn Crispi nach Maßgabe des Tele-
gramms Nr. 87*** und des Erlasses Nr. 357 f die befohlenen Mit-
teilungen gemacht. Er wünscht zunächst eine schriftliche Unterlage
zu haben, damit der Kriegsminister die nach Berlin bestimmten Offi-
ziere instruieren könne. Es würde mir eine Ermächtigung zu einer
französischen auszugsweisen Mitteilung der dem Erlaß Nr. 357 bei-
gefügt gewesenen vorläufigen Ausarbeitung wünschenswert sein. Be-
richt vom 27. V. Mts. folgt mit morgendem Feldjäger. Solms
Randbemerkung des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
Drei Eventualitäten ins Auge fassen
1. daß wir beide allein sind, ohne Österreich und England, also daß es sich
* Siehe Nr. 1293.
** Siehe Nr. 1297.
*** Vgl. die Fußnote *♦ zu Nr. 1297.
t Siehe Nr. 1294.
235
um eine Defensive von Italien und Deutschland gegen Frankreich handelt.
Darauf findet diese erste und flüchtige Äußerung des Qeneralstabs Anwendung.
2. Eventualität ist die, daß Österreich, infolgedessen auch Rußland, von
Hause aus beteiligt sind. Dann stellt es sich anders, wir können via Brenner
italienische Hilfstruppen haben und dafür aus dem Nordosten Truppen an Öster-
reich abgeben.
3. Eventualität bietet die Beteiligung Englands, die Überlegenheit also zur
See und infolgedessen die aggressive Landung italienischer Truppen an jedem
Punkt der französischen Küste und, bei Beteiligung der Türkei, an der russischen
Küste. Diese drei respektive vier verschiedenen Eventualitäten bieten einen so
weiten Gesichtskreis, daß schriftliche Verabredungen ohne Vorbereitung durch
mündliche Besprechungen zwischen höheren Offizieren nicht möglich.
Nr. 129Q
Der Unterstaafssekretär im Auswärtigen Amt Graf von Berchem
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 373 Berlin, den 4. Dezember 1887
Ew. beehre ich mich, in Verfolg des Telegramms des Herrn Staats-
sekretärs Nr. 89 vom 30. v. Mts.* anbei ein kurzes Promemoria** des
Generalstabs zu übersenden. Dasselbe enthält lediglich allgemeine
Gesichtspunkte und will die Erörterung im einzelnen der mündlichen
Verhandlung zwischen den Vertretern der beiderseitigen Generalstäbe
vorbehalten. Ew. Ermessen stelle ich anheim, Herrn Crispi eine Über-
setzung des Promemoria zu übergeben.
Berchem
Nr. 1300
Promemoria des Generalstabes
Unsignierte Abschrift
Frankreich wird voraussichtlich für den Kriegsfall im Süden ein
Heer bereit halten, im Norden aber, wo ihm die größere Gefahr droht,
seine Hauptmacht versammeln.
Sollten die Franzosen zur Offensive über die Alpen schreiten, so
würde ihnen in der Poebene die italienische Armee in der vollen
Stärke von 15 Korps entgegentreten. Diese Überlegenheit stellt sich
ihnen ebenfalls in der Lombardei gegenüber, wenn sie unter Ver-
letzung der Neutralität durch die Schweiz vordrängen. Sie lüden sich
dabei einen neuen Feind auf, dessen Widerstand keineswegs zu unter-
* Siehe Nr. 1297.
** Siehe Nr. 1300.
236
schätzen ist, und müßten sich zum Schutz ihrer Verbindungen durch
Besetzthalten des Landes noch erhebHch schwächen.
Gerade die neutrale Schweiz gewährt Frankreich Vorteil, indem
sie die Operationssphären der verbündeten Gegner trennt, ihr unmittel-
bares Zusammenwirken zunächst ausschließt, und da die Schweiz völlig
entschlossen und gerüstet ist, diese Neutralität zu verteidigen, so ist
eine Mißachtung derselben, von welcher Seite es sei, unwahrscheinlich.
Frankreich kann sich aber auch im Süden um so eher defensiv
verhalten, als große Entscheidungen dort in den ersten Stadien des
Krieges nicht zu erwarten sind, während solche im Norden gleich bei
der ersten Grenzüberschreitung eintreten müssen.
So gegen eine Invasion des eigenen Landes gesichert, gestalten sich
auf italienischer Seite die Verhältnisse für einen Einbruch in Südfrank-
reich günstig. Allerdings sind die gangbarsten Straßen über die west-
lichen Alpen, die über den kleinen St. Bernhard, über den Mont-Cenis
und Mont-Genevre, durch starke französische Befestigungen gesperrt
und führen schließhch auf Brianyon, auch auf das feste Grenoble, Aber
auf der Straße über Mont-Argentier und einige nahe südliche Pässe, die
ohne sonderliche Schwierigkeiten gangbar hergestellt werden können,
liegen zwei Forts, welche dauernden Widerstand kaum zu leisten ver-
mögen. Der Weitermarsch sowohl westlich gegen die Rhone wie
südlich gegen Nizza stößt auf keine fortifikatorischen Hindernisse. Auch
die Befestigungen, welche die vom Col di Tenda nach Süden führenden
Wege und die Straße längs der Riviera sperren sollen, bedürfen nach
französischem Eingeständnis erheblicher Vervollständigung, um diesen
Zweck zu erfüllen.
Die trefflich organisierten Alpentruppen der italienischen Armee
werden den Widerstand beseitigen können, auf welchen sie in den ver-
schiedenen Pässen selbst stoßen. Dann aber betritt das Heer ein breites
Gebirgsland, in welchem weder Angreifer noch Verteidiger Massen zu
entwickeln vermögen. Es wird sich um eine Reihe von größeren oder
kleineren Postengefechten handeln, in welchen die Überlegenheit der
Zahl auf Seite der Italiener sein wird, wenn sie auch nur mit einem Teil
der Armee in möglichst vielen Kolonnen vorgehen.
Nach unsern Berichten hatten die Franzosen bisher zwei Armee-
korps, eine Kavalleriedivision und etwa vier Reservedivisionen zur
Sicherung gegen Italien bestimmt.
Ein unmittelbares Zusammenwirken der deutschen und italienischen
Streitkräfte könnte nur im späteren Verlauf des Krieges stattfinden,
wenn beide die Richtung auf Lyon einschlagen; denn ursprünglich sind
sie auf Entfernungen von 60 — 70 Meilen voneinander getrennt.
Der Umstand, daß bei uns gleich anfangs große Schlachten zu
gewärtigen sind, macht es unmöglich, einen Operationsplan über diese
hinaus im voraus festzustellen.
237
Nr. 1301
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von ßismarck
Eigenhändige Ausfertigung
Nr. 291 Rom, den 13. Dezember 1887
Geheim
Das dem hohen Erlasse Nr. 373 vom 4. d. Mts.* beigefügt ge-
wesene Promemoria des Generalstabs habe ich nach Maßgabe der
hohen telegraphischen Weisung Nr. 91 vom 6. d. Mts. auf der Basis
der darin aufgestellten Punkte in ein französisches Memoire um-
gearbeitet und Herrn Crispi mit der nötigen Empfehlung der Geheim-
haltung übergeben. Abschrift dieses Memoires füge ich anliegend ganz
gehorsamst bei.
Herrn Crispi war die Mitteilung sehr angenehm, und er beab-
sichtigte sofort mit dem Kriegsminister in Beratung zu treten, was er
auch vorgestern getan hat.
Die nach BerUn zu sendenden Offiziere waren gestern noch nicht
bestimmt.
Herr Crispi und der Kriegsminister speisen morgen bei mir, und
ich werde die Gelegenheit benutzen, vom General Bertole-Viale Nähe-
res über seine Absichten zu erfahren.
Der österreichische Botschafter Baron Brück, welcher mir gegen-
über, noch bevor die Frage zwischen uns und Italien zur Sprache kam,
wiederholentlich die Notwendigkeit der Verabredung eines gemein-
schafthchen Feidzugsplanes mit Itahen erörtert hatte, hat sich, seitdem
die russischen Truppenbewegungen an der österreichischen Grenze
bekannt geworden sind, wieder sehr lebhaft mit dem Gedanken be-
schäftigt und hat, wie er mir sagte, in Wien darauf aufmerksam ge-
macht, daß es Zeit sei, damit so bald als möglich vorzugehen.
Daß man sich mit der Idee, Österreich gegen Rußland beistehen
zu müssen, auch in weiteren Kreisen Italiens vertraut macht, ist bereits
aus den italienischen Zeitungen zu ersehen. Die eine bemerkte neu-
lich, die österreichische Presse, indem sie immer nur hervorhebe, Ruß-
land werde bei einem Angriff auf Österreich die deutschen Bajonette
gegen sich haben, vergesse ganz, daß auch Itahen den Österreichern
in dem Falle mit 300000 Mann beistehen würde.
Ich vermute, daß Itahen sich demnächst auch mit dem österreichi-
schen Generalstab wegen Verabredung eines Feldzugsplanes in Ver-
bindung setzen wird. Graf Solms
* Siehe Nr. 1299.
238
Nr. 1302
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Eigenhändige Ausfertigung
Nr. 292 Rom, den H.Dezember 1887
Geheim
Die nach Berlin bestimmten Offiziere sind die Oberstleutnants Da-
bormida und Albertone. Der erstere war bis vor kurzem Vorstand der
Zentralabteilung im Kriegsministerium und kommandiert jetzt ein In-
fanterieregiment in Neapel. Er soll geneigt sein, die Verhältnisse in der
italienischen Armee zu überschätzen, und kein bedeutender Offizier
sein.
Albertone dagegen, der jetzige Vorstand der Zentralabteilung im
Kriegsministerium, gilt für sehr begabt und gescheut. Als Lehrer an
der Kriegsakademie hat er ein gutes Lehrbuch über Generalstabs-
wissenschaften geschrieben. Früher hat man ihn, ob mit Recht oder
Unrecht, lasse ich dahingestellt sein, mit der Irredenta in Verbindung
gebracht.
Daß die Wahl gerade auf diese beiden Offiziere fiel, während man
vielleicht begabtere an der Hand gehabt hätte, erklärt sich dadurch,
daß mir Herr Crispi gleich anfangs sagte, es komme vor allem darauf
an, Offiziere nach Berlin zu entsenden, auf deren Verschwiegenheit man
sich unter allen Umständen verlassen könne. In dieser Beziehung scheint
auch die Wahl eine wohlüberlegte gewesen zu sein, denn Oberstleut-
nant Albertone beherrscht den General Cosenz vollständig und auch
Dabormida hat sein volles Vertrauen besessen, was besonders hervor-
gehoben zu werden verdient, als General Cosenz wegen seines miß-
trauischen Charakters bekannt ist, und er in der Regel Jahre braucht,
ehe er jemandem sein Vertrauen schenkt.
Auf die Bemerkung in dem Billet des Herrn Crispi, welches die
Namen der Offiziere enthielt, er erwarte eine Mitteilung darüber, wann
die Offiziere abreisen sollten, habe ich erwidert, daß dies gleich ge-
schehen könnte. Graf Solms
Nr. 1303
Der Chef des öeneralstabes Gcneralfeldmarschall Graf von Moltke
an das Auswärtige Amt
Ausfertigung
Geh. J. Nr. 163
Geheim Berlin, den 28. Dezember 1887
Dem Auswärtigen Amt beehre ich mich auf das sehr gefällige
Schreiben vom 23. d. Mts. ganz ergebenst zu erwidern, daß die König-
lich italienischen Oberstleutnants Dabormida und Albertone mir gestern
durch den Militärattache Kapitän Graf Robilant vorgestellt worden
239
sind, und daß ich dieselben mit einem der Abteilungschefs des Großen
Generalstabes in Verbindung gesetzt habe.
Nach der Erklärung der beiden Offiziere beabsichtigt die ita-
lienische Regierung für den Fall eines Krieges zwischen Frankreich und
dem verbündeten Italien und Deutschland in Südfrankreich einzubre-
chen. Durch die Alpen, welche zu überschreiten sind, durch die Unwirt-
lichkeit der Gegend jenseits derselben und durch die zahlreichen fran-
zösischen Befestigungen, welche fast alle Zugänge sperren, seien viele
Schwierigkeiten gegeben, welche man aber zu überwinden hoffe und
zwar um so leichter, wenn es mit Hilfe Englands i gelänge, der französi-
schen Flotte Herr zu werden und von der See aus das Vorgehen der
Armee längs der Riviera zu unterstützen.
Die Natur des Kriegsschauplatzes brächte es aber mit sich, daß
höchstens acht Armeekorps auf die beabsichtigte Operation, welche
immerhin nur Nebenzwecke verfolge, verwendet werden könnten. Es
sei daher der entschiedene Wunsch der italienischen Regierung, den
Überschuß an Kräften (5 — 6 Armeekorps, 2 — 3 Kavalleriedivisionen),
welcher dort nicht zur Entwickelung gebracht werden könnte, dem deut-
schen Heere am Rhein anzuschließen, wo die Entscheidung des ganzen
Krieges fallen müßte.
Dieser Wunsch, welcher unseren Interessen durchaus entspricht,
läßt sich nur verwirklichen, wenn Österreich die Benutzung seiner Eisen-
bahnen soweit gestattet, daß die italienischen Truppen über Innsbruck
und Wiener Neustadt ausholend an den Rhein geführt werden können 2,
Bevor daher die Verhandlungen fortgesetzt werden, ist es, wie ich
bereits in meinem Schreiben vom 26. d. Mts. ganz ergebenst bemerkt
habe, nötig, die Zustimmung Österreichs zu erlangen, damit dann
unter Beteiligung von Offizieren der drei Armeen die nötigen Fahr-
tableaus aufgestellt werden können ^.
Diesseits wurde den italienischen Offizieren nur mitgeteilt, daß
wir beabsichtigten, unsere Streitkräfte in Elsaß-Lothringen zu vereinigen.
Der Bericht des Kaiserlichen Gesandten Grafen Solms vom
14. d Mts.* folgt mit dem verbindlichsten Dank anbei zurück.
Der Generalfeldmarschall
Gr. Moltke
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Dann steht der Seeweg offen!
^ Oest[er]reich fragen
3 richtig
Schlußbemerkung Bismarcks:
Dabei kann man sondiren, wie Oest[er]reich sich zu einem nur deutsch-
ital[ienisch]-französlischen] Kriege zu verhalten gedenkt. Läßt es die Ital[ienerl
auch**, so wird Rußland das als Anlaß betrachten aus der Neutralität heraus-
zutreten.
* Siehe Nr. 1302.
** So im Original, wohl verschrieben für „durch*
240
Nr. 1304
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
Graf Herbert von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh, an den Botschafter
in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Reinkonzept
Nr. 3 Friedrichsruh, den 2. Januar 1888
Geheim
Es wird dem Grafen Kälnoky durch Meldungen der hiesigen öster-
reichisch-ungarischen Botschaft bekannt sein, daß gegenwärtig zwei
italienische Offiziere in Berlin weilen, welche von Herrn Crispi in ge-
heimer Mission abgesandt worden sind, um mit unserem Generalstabe
einen militärischen Operationsplan für den Fall eines französischen
Angriffs zu beraten.
Die Italiener würden bereit sein, mit einem beträchtlichen Teil
ihrer Truppenmacht am Rhein aufzutreten, um in unmittelbarer Weise
an dem Kriege teilzunehmen, wenn ihnen österreichischerseits die
Benutzung der Brennerbahn gestattet würde.
Ich habe mit dem Grafen Szechenyi eingehend über diese Even-
tualität gesprochen und ihn gebeten, an seinen Herrn Chef zu schreiben,
daß wir außerordentlich dankbar sein würden, wenn die österreichische
Regierung die Genehmigung zum eventuellen Transport italienischer
Truppen durch ihr Gebiet in Aussicht nehmen wollte.
Dabei habe ich zur Geltung gebracht, daß im Falle eines deutsch-
französischen Krieges Rußland mit ziemlicher Sicherheit zum Angriff
auf Österreich übergehen würde.
Sollte Rußland dann etwa wider Erwarten zaudern, dabei aber
die gewaltigsten Rüstungen betreiben und bedrohlichsten Aufstellungen
einnehmen, so würde Österreich voraussichtlich aus strategischen
Gründen seinerseits den Krieg an Rußland erklären müssen, um
letzterem nicht eine vorteilhafte Hinterhand und die Wahl des Augen-
blicks zu überlassen. Mit einem Worte, Österreich würde sich nach
dem Zwange der Umstände analog zu Rußland verhalten müssen,
wie wir dies nach dem Erlaß des Herrn Reichskanzlers Nr. 745 vom
27. vorigen Monats Frankreich* gegenüber zu tun beabsichtigen, falls
ein österreichisch-russischer Krieg entsteht, in dem der casus foederis
für uns keine Anwendung fände.
Hiernach würde Österreich selbst ein Interesse daran haben, unsere
Kraft durch italienische Verstärkungen an der Westgrenze möglichst
zu heben, schon weil wir dann voraussichtlich gegebenenfalls mit
größerer eigener Macht an der Ostgrenze auftreten könnten. Bei mei-
ner vertrauHchen Unterredung mit Graf Szechenyi habe ich ferner gel-
tend gemacht, daß Österreich westlich der Brennerbahn nur eine ge-
* Siehe Nr. 1186.
16 Die Große Politik. 6. Bd. 241
ringfügige Zahl von Truppen stehen habe und demnach leicht in der
Lage sein werde, die Benutzung dieser Bahn sofort bei Ausbruch des
Krieges den italienischen Truppen zu überlassen; für den wahrschein-
lichen Fall, daß der französische Angriff nicht isoUert, sondern gleich-
zeitig mit einem Zusammenstoß Österreichs mit Rußland erfolgen werde,
sei Österreich ohnedies darauf angewiesen, den Aufmarsch seiner ge-
samten Streitkräfte nach Osten vorzunehmen, und würden die westlichen
Eisenbahnlinien der österreichischen Monarchie demnach von öster-
reichischen Militärtransporten nur ganz vorübergehend in Anspruch ge-
nommen werden.
Dieses Verhältnis ergebe sich aus dem geheimen Vertrage mit
Itahen, auf dessen Abschluß wir hauptsächlich deshalb mit so viel Nach-
druck hingewirkt hätten, um Österreich eine freie Flanke nach Westen
zu sichern. Ich habe dem Botschafter auseinandergesetzt, daß für uns
allein ein Bedürfnis zu dem italienischen Bündnis kaum bestand.
Wir hätten auch ohne dasselbe auf Italiens Unterstützung im Falle eines
Krieges mit Frankreich zu rechnen vermocht, würden unsererseits Ita-
lien bei einem Angriff Frankreichs auch ohne bestehendes Vertrags-
verhältnis im eigenen Interesse haben zu Hilfe kommen müssen, weil
es allein der französischen Macht nicht gewachsen ist.
Für uns kann das Vertragsverhältnis mit Italien aber nur dann
praktisch werden, wenn Österreich die Durchfahrt italienischer Trup-
pen zuläßt. Die französisch-italienische Grenze ist so stark befestigt,
daß jede Diversion dort aussichtslos sein würde.
Graf Szechenyi hat meine Darlegung ad referendum genommen
und dieselbe mit der Gegenfrage beantwortet, ob Österreich im Falle
eines Zusammenstoßes mit Rußland auf die Benutzung unserer schle-
sischen Eisenbahnen zählen könne. Ich habe ihm erwidert, daß wir diese
Benutzung in casu foederis selbstverständlich konzedieren würden,
auch dann, wenn der Krieg ein allgemeiner russisch-französisch-deut-
scher schon geworden ist.
Graf Szechenyi wird den Inhalt dieser Unterredung nach Wien
gemeldet haben. Euere Durchlaucht werden sonach Gelegenheit finden,
die Sache mit Graf Kälnoky zu besprechen und festzustellen, wie das
Wiener Kabinett über den Durchmarsch italienischer Truppen durch
österreichisches Gebiet denkt.
Ich bemerke noch, daß ich dem Grafen Szechenyi ausdrücklich ge-
sagt habe, daß ich nicht etwa eine amthche Anfrage stellen, sondern nur
eine vertrauliche Anregung machen wolle. Wenn Graf Kälnoky erwidern
sollte, daß er, solange Österreich noch neutral wäre, den italienischen
Durchmarsch nicht bewilligen könnte, so würden wir das erklärUch
finden.
Für den Fall aber, daß es sich mit Rußland im Kriege befindet,
glauben wir auf seine Zustimmung schon allein aus Reziprozität rechnen
zu können. H. Bismarck
242
Nr. 1305
Aufzeichnung des Untersfaatssekretärs im Auswärtigen Amt
Grafen von Berchem
Reinschrift
Berlin, den S.Januar 1888
Graf Launay hat am 31. v. Mts. auf Grund seiner Unterredung
mit dem Herrn Staatssekretär Herrn Crispi die Beteiligung der italieni-
schen Offiziere an dem Ideenaustausch zwischen unserm Generalstab
und Herrn von Steininger telegraphisch nahe gelegt.
Am 3. d. Mts. habe ich dem Botschafter, welcher bis dahin eine
Antwort aus Rom noch nicht erhalten hat, im Auftrage des Herrn
Staatssekretärs gesagt, wir hätten keine Veranlassung auf das Abou-
chieren der italienischen Offiziere mit dem österreichischen Militär-
attache zu drängen; es würde nach unserer Ansicht ebenso gut sein,
wenn Wien und Rom sich in direkte militärische Beziehungen setzt;
wir hätten die Sache nur angeregt aus Deferenz gegen Herrn Crispi,
damit dieser nicht, wenn er etwa von den Besprechungen mit Herrn
von Steininger hörte, die Empfindung hätte, es ginge etwas vor, was
nach der italienischen Auffassung der Triple-Alliance nicht entspräche;
wolle Herr Crispi unserer Anregung nicht folgen, so legten wir gar
kein Gewicht darauf.
Nachdem Graf Launay diese Bemerkungen Herrn Crispi telegra-
phisch gemeldet hatte, hat er mir heute ein Telegramm des italienischen
Ministerpräsidenten vorgelesen folgenden Inhalts:
Die itahenische Regierung anerkennt vollkommen die Zweckmäßig-
keit der Beteiligung des österreichischen Militärattaches an den der-
zeitigen hier stattfindenden Besprechungen deutscher und italienischer
Offiziere. Herr Crispi nimmt an, daß es uns inzwischen gelungen seil,
die Zustimmung des Wiener Kabinetts zur Beteiligung des Herrn von
Steininger an dieser Conference ä trois zu erwirken und hofft, daß,
wenn der Herr Reichskanzler damit einverstanden sei, der deutsche
Generalstab die Initiative nehme bezüglich der Besprechung der Eisen-
bahnfrage, um die es sich dabei im wesentlichen handele.
Die Depesche des Herrn Crispi, welche Graf Launay mir nicht
eingehändigt hat, enthält ferner detaillierte Weisungen an die beiden
italienischen Offiziere in betreff der Mitteilungen, welche dieselben
mit Herrn von Steininger auszutauschen ermächtigt sind. Darin ist,
mit Bezugnahme auf die unserm Generalstab bekannten Instruktionen
der beiden italienischen Militärs, des Falles 1 (des isolierten deutsch-
italienischen Krieges gegen Frankreich) und des Falles 2 (des Krieges
der Zentralmächte mit Frankreich und Rußland) speziell Erwähnung
getan. Bezüglich des Falles 2 werden die italienischen Offiziere zur
Mitteilung ihrer Instruktionen an Herrn von Steininger ermächtigt, be-
16« 243
züglich des Falles 1 hingegen nicht, da, wie Graf Launay bemerkte, die
Mitteilung gewisser die italienische Mobilisierung betreffenden Details
an Österreich anscheinend in Rom nicht für opportun erachtet wor-
den sei.
Noch ehe Graf Launay zu mir kam, hat er die beiden italienischen
Obersten von dem Inhalt des Telegramms des Herrn Crispi verstän-
digt, damit dieselben dem deutschen Generalstab hiervon Mitteilung
machen.
Ich habe den Botschafter darauf hingewiesen, daß der Herr Staats-
sekretär morgen hier wieder eintrifft, und hat er den Wunsch ge-
äußert, mit Seiner Exzellenz über die Sache Rücksprache zu nehmen.
Nachdem Graf Launay mich verlassen hatte, hat derselbe eine
Stunde später schriftlich Nachstehendes mitgeteilt:
„En rentrant chez moi, j'ai regu un telegramme en reponse au
message que Vous m'aviez fait le 3 Janvier, au nom du Secretaire
d'Etat. Son Excellence M. Crispi me mande que nous preferons ne pas
ouvrir des pourparlers directs avec Vienne. II vaut mieux que les Con-
ferences aient lieu ä Berlin ä trois, ä condition que 1' Antriebe delegue
un officier superieur de son Etat Major plus au courant que ne peut
l'etre^ l'attache militaire actuel, depuis longtemps ä Berlin, et des lors
place en dehors des etudes qui se font^ sans discontinuite dans les
bureaux de l'Etat Major. — Les demarches en ce sens devraient etre
faites par le Cabinet de Berlin pour mieux en assurer le succes. — *'
Graf Waldersee, welcher den Herrn Staatssekretär morgen auf-
suchen will, hat mir die ihm seitens der italienischen Offiziere zugegan-
gene Anlage übergeben, welche eine Umschreibung der telegraphischen
Instruktion des Ministers Crispi an Graf Launay bildet.
Berchem
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ?
2 ?p
3 p
Nr. 1306
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 8
Qgjjgjjj^ Wien, den T.Januar 1888
Den hohen geheimen Erlaß Nr. 3 vom 2. d. Mts.* aus Friedrichs-
ruh habe ich am 3. zu erhalten die Ehre gehabt.
Ich habe den Grafen Kälnoky tags darauf aufgesucht, um mit ihm
* Siehe Nr. 1304.
244
die Frage einer eventuellen Benutzung der österreichischen Eisen-
bahnen im Westen des Reiches durch italienische Truppen in der mir
vorgeschriebenen Weise vertraulich zu besprechen.
Ich fand den Minister bereits durch Graf Szechenyi erschöpfend
informiert.
Er sagte mir, er habe über diesen Punkt noch nicht dem Kaiser,
seinem Herrn, Vortrag halten können, höchstweicher für einige Tage
abwesend war; auch bedürfe die Frage einer eingehenden technischen
Erwägung.
Der Minister sieht ein, daß, wenn wir in einem Kriege mit Frank-
reich eine nicht unbedeutende Unterstützung von itahenischen Truppen
am Rhein erhalten könnten, wir imstande sein würden, in einem Dop-
pelkriege einen größeren Teil unserer Macht im Osten zu verwenden
und begreift natürlich den Vorteil, den Österreich-Ungarn hieraus ziehen
werde.
Auch aus einem anderen Grunde scheint es ihm nützlich, wenn
Italien mihtärisch an unserer Seite engagiert ist. Er will gewiß keinen
Zweifel in die italienische Vertragstreue setzen, hält es aber doch für
gut, wenn die italienische Armee nicht ganz intakt bleibe, während sich
die Bundesgenossen erschöpfen. Unter gewissen Umständen könnte
es doch bedenklich werden, eine so große Kriegsmacht ungeschwächt
im Rücken zu haben.
Es war kaum nötig darauf aufmerksam zu machen, daß wir haupt-
sächlich aus Rücksicht auf Österreich den Vertrag mit Italien abge-
schlossen haben, und daß dieser erst durch das Erscheinen Italiens am
Rhein praktisch werde. Das alles sah der Minister sehr wohl ein und
bemerkte, diese Gründe würden ihn gewiß bestimmen, ohne Zaudern
seine Zustimmung zum Durchmarsch zu geben, wenn nicht die Frage
der Neutralität einer sehr ernsten Erwägung bedürfte.
Heute nun hat mir Graf Kälnoky gesagt, er werde dem Grafen
Szechenyi auf seinen Bericht antworten. Er entwickelte dabei folgende
Gedanken.
Die KriegseventuaUtät sei ja zum Glück in weitere Ferne gerückt,
als man dies gegen Ende des vergangenen Jahres annehmen konnte i.
Mithin sei es daher wohl auch verfrüht, der Frage der Benutzung
österreichischer Eisenbahnen durch italienische Truppen schon jetzt
näher zu treten. Sollte sich im Lauf der Zeit die Lage, was er nicht
hoffe, verschlimmern, so würde man klarer sehen, wie sich die Dinge
einfädelten, um danach diese Frage näher ins Auge zu fassen.
Er bäte mich, daran festzuhalten, daß Österreich Rußland nicht
angreifen würde. Bei einem Kriege zwischen beiden Reichen würde
daher Rußland der angreifende Teil sein und sich hieraus der casus
foederis klar herausstellen.
Da wir bei Ausbruch eines Krieges zwischen Rußland und Öster-
reich beabsichtigten, Frankreich sofort anzugreifen, so würde dann
245
die Konflagration auch eine allgemeine werden. Wenn auch Öster-
reich jetzt ebenso, wie wir dies mit Beziehung auf die Benutzung
unserer Eisenbahnen durch österreichische Truppen täten und dort
auf der Aufrechterhaltung unserer Neutralität bestünden 2, an der strik-
ten Bewahrung seiner Neutralität Frankreich gegenüber festhalten
müßte, so wäre es dann, das sage er mir im Vertrauen, wohl selbst-
verständlich, daß Österreich uns, seinem Bundesgenossen, nicht den
erwünschten Zuzug aus ItaUen abschneiden werde 3.
Wenn er daher in seiner Antwort die Zustimmung zum Durch-
marsch italienischer Truppen nicht schon jetzt* geben könne ^, so
möchten Euere Durchlaucht dies nicht als eine prinzipielle Ablehnung
unserer vertraulichen Anfrage aufnehmen.
Der Minister sagte mir endlich, Italien habe auch hier seine mate-
rielle Hülfe angeboten, auf welchem Punkte und in welcher Stärke
Österreich dies wünschen sollte. Seine Idee wäre, diese Hülfe nicht
von der Hand zu weisen. Da aber die österreichisch-ungarischen Bahnen
genug zu tun haben würden, um die eigene Armee nach dem Norden
und Osten zu befördern, so würde es vielleicht nützhch sein, wenn man
die italienischen Truppen nach Rumänien dirigierte ß. Die Eisenbahnen,
welche von der österreichisch-itaUenischen Grenze nach Rumänien führ-
ten, würden weniger belastet sein, außerdem würde es für die Rumänen
stärkend wirken, wenn sie sich auf gute itaUenische Truppen stützen
könnten, und der österreichische rechte Flügel eine sehr wünschens-
werte Verstärkung erhalten. Auch würden sich itaUenische Truppen
mit den halb und halb stammverwandten '^ Rumänen ganz gut einrichten
und den Italienern die Satisfaktion gewährt werden, dort eine bessere
Rolle zu spielen, als wenn sie als Appendix der österreichischen Armee
aufzutreten hätten. H. VII. P. R e u ß
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 p
2 in einem Angriffskriege Oest[er]reichs gegen Rußland! aber nicht bei all-
gemeiner Conflagration !
3 unklar im Zusammenhang mit dem Vordersatze!
i !
7 ?
Randbemerkungen des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
5 Nicht einmal für den Fall des Krieges nach beiden Fronten? Das wird auf die
italienischen Offiziere sowie auf Crispi abkühlend und nachteilig wirken und ich
werde zu Szechenyi morgen demgemäß sprechen.
ß ! dort fällt schwerlich die Entscheidung!
Schlußbemerkung des Fürsten von Bismarck:
Hat Einiges für sich, wenn überall ehrliches Spiel anzunehmen wäre. Italien
müßte unserm östlerjrleichischl-rumänischen Vertrage beitreten; es ist immer
noch besser den Rumänen den vertragsmäßigen Beistand in italienischen
Truppen zu leisten als in deutschen.
246
Nr. 1307
Der Chef des Generalstabes Generalfeldmarschall Graf von Moltke
an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Geh. J.Nr. 172 Berlin, den 23. Januar 1888
Geheim
Euerer Durchlaucht beehre ich mich die Abschrift eines Memoires,
welches von dem italienischen Oberstleutnant Dabormida aufgestellt,
von dem Oberstleutnant von Steininger und von dem Generalmajor
Graf von Schlieffen gebilligt worden ist, und welches das Ergebnis der
zwischen diesen Offizieren stattgehabten Besprechungen darstellt, in der
Anlage zur sehr gefäUigen Kenntnisnahme zu übersenden. Seitens der
itaUenischen Offiziere ist der Wunsch ausgesprochen worden, daß die
Delegierten der drei Mächte das Memoire unterschreiben möchten. Da
der Oberstleutnant von Steininger von seiner Regierung ermächtigt ist,
diesem Wunsche nachzukommen, so wird sich der Generalmajor Graf
von Schlieffen der Vollziehung des Memoires auch nicht entziehen kön-
nen. Bevor dies jedoch geschieht, bitte Euere Durchlaucht ich ganz
ergebenst um eine sehr gefällige Rückäußerung.
Der Generalfeldmarschall
Gr. Moltke
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopfe des Schriftstücks:
Resp[ondeatur]: kein Bedenken
Anlage
Memoire indiquant les vues echangees ä BerHn entre les delegues
militaires des trois puissances pendant le mois de janvier 1888*.
Dans le cas oü la guerre viendrait ä eclater entre les trois puis-
sances centrales d'une part et la France et la Russie de l'autre, tandis
que la plus grande partie des forces itahennes attaquerait la France sur
la frontiere des Alpes, le reste se joindrait aux forces de TAllemagne
destinees ä operer au delä du Rhin, dans le but de concourir avec elles
aux Operations actives, qui seraient dirigees contre la France sur ce
theätre de guerre. Ces forces s'elevant ä 6 corps d'armee et 3 divisions
de cavalerie seraient groupees en une ou deux armees, dont les com-
mandants recevraient directement leurs Instructions du commandement
en chef des forces allemandes. La reunion des susdites forces italiennes
aux forces allemandes s'opererait ä travers le territoire de TEmpire
Austro-hongrois. — Le gouvernement de TAutriche donnerait passage
ä ces forces sur les trois voies ferrees suivantes:
* Vgl. darüber Pribram, Die politischen Qeheimverträge Österreich-Ungarns 1879
bis 1914 Bd. I (1920), S. 211, Fußnote 173.
247
1« Ala-Innsbruckl Arlberg-Bregenz pp.
I Kuistein etc.
20 Pontebba-St. Michael-Selzthal-Salzburg etc.
30 Cormoans-Vienne-Wels-Passau etc.
L'indication de ces lignes est simplement approximative. Ces lignes
seraient mises ä la disposition du gouvernement italien le ll""^ jour
ä partir du commencement de la mobilisation de l'armee autrichienne,
bien entendu autant qu'elles ne seraient plus necessaires au gouverne-
ment autrichien pour son propre mouvement de mobilisation; et cela
dans la mesure de 10 trains ä 70 essieux par jour sur les lignes 1 et 3
et 6 ä 8 trains par jour sur la ligne 2. Une augmentation de trains sur
les lignes 1 et 3 ne serait possible, que si Ton disposait du materiel
necessaire. En outre sur la ligne du Brenner les troupes italiennes
pourraient neanmoins disposer de 4 trains par jour ä partir du 5me jour
de mobilisation.
Le projet du mouvement des trains destines au transport des troupes
italiennes sera dresse des ä present par l'Etat-major autrichien pour
ce qui regarde le. parcours sur le territoire de l'Autriche. Le gouverne-
ment italien deleguera aupres de l'Etat-major autrichien un officier qui
sera charge de lui fournir toutes les donnees indispensables pour ce
travail. Quand le projet susdit sera dresse, l'Etat-major autrichien en
donnera communication ä l'Etat-major italien, afin que celui-ci puisse
preparer le projet pour l'arrivee des trains ä la frontiere. Dans la
suite le projet de l'Etat-major autrichien sera transmis ä l'Etat-major
allemand qui dressera ä son tour le projet pour la marche successive
des trains depuis la frontiere autrichienne jusqu'au Rhin. La marche
des trains depuis la frontiere autrichienne jusqu'au Rhin serait reglee
sur la base de 10 trains par jour ä partir de Bregenz, Kufstein et Salz-
burg et de 20 trains ä partir de Passau.
Les projets du mouvement soit sur le territoire autrichien, seit sur
le territoire allemand comprendront l'indication des stations oü les
troupes devraient faire des haltes-repas, ainsi que des stations
oü l'on installerait les hopitaux pour les hommes, qui tomberaient
malades pendant le voyage. Les gouvernements de l'AIlemagne et de
l'Autriche se chargeraient de l'installation soit des stations de halte-
repas soit des hopitaux susdits sur les territoires respectifs. —
Le gouvernement allemand se chargerait en outre de faire preparer
sur son territoire et ä portee de la zone de concentration des forces
italiennes des magasins de subsistances ayant pour but de subvenir
concourremment aux transports de vivres qui seraient intercales par le
gouvernement italien entre les transports de troupes aux besoins des
forces italiennes pendant la periode de leur arrivee sur le Rhin. Les
detaiis de cette Installation seraient regles avec le concours d'officiers,
qui y seront delegues par le gouvernement italien aussitot que le projet
du mouvement des trains sur le territoire allemand aura ete dresse.
248
Ces magasins seraient remis des les premiers jours de la mobili-
sation aux fonctionnaires delegues ä cet effet par le gouvernement
Italien. Au ravitaillement successif des forces italiennes il serait pourvu
directement par le gouvernement italien. — Les gouvernements autri-
chien et allemand mettraient dans ce but ä la disposition du gouverne-
ment italien pendant toute la duree de la guerre la voie ferree, qui passe
par le Brenner, TArlberg, Kempten, Ulm etc., ou celle qui passe par le
Brenner, Innsbruck, Kufstein, Munich etc.
Tous les frais de transport, de subsistance, d'hopital etc. seit pen-
dant le passage des troupes seit par la suite seraient ä la charge du
gouvernement italien. —
II est bien entendu que dans le cas oü la mobilisation des armees
alliees aurait lieu avant la declaration de guerre, le commencement du
transport des troupes italiennes s'effectuerait des que les voies ferrces
de l'Autriche et de l'Allemagne seraient libres.
Tous les transports s'effectueraient en principe avec du materiel
appartenant aux chemins de fer Italiens. Neanmoins les gouverne-
ments allemand et autrichien mettraient ä la disposition du gouverne-
ment italien une certaine quantite de materiel des qu'il leur serait pos-
sible de le faire, soit pour accelerer le commencement des transports
5ur la ligne du Brenner, soit pour suppleer au manque de materiel, qui
pourrait se produire sur les chemins de fer Italiens par suite de la quan-
tite considerable de voitures et chars Italiens, qui se trouveraient enga-
gees sur les lignes autrichiennes et allemandes.
Le gouvernement autrichien se reserve de se maintenir neutre et
de ne pas accorder le passage dont il a ete question, dans le cas, oü
la guerre serait localisee entre l'Allemagne et l'Itahe d'une part et la
France de l'autre. —
II va de soi, que par cette reserve l'Autriche-Hongrie n'entend
deroger en rien ä ses engagements envers l'Italie.
Nr. 1308
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
Graf Herbert von Bismarck an den Reichskanzler Fürsten
von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh
Telegramm. Eigenhändiges Konzept
Berlin, den 25. Januar 1888
Mir scheint die Unterzeichnung eines vollmachtlosen Militärs unbe-
denklich, zumal die anderen, in diesem Falle mehr interessierten, dazu
bereit sind. Bitte telegraphische Entscheidung, da die Italiener
abreisen wollen*. Ich habe Abschrift zurückbehalten.
H. Bismarck
* Der erbetene telegraphische Bescheid ging am 26. Januar aus Friedrichsruh
ein; „Kein Bedenken".
249
Nr. 1309
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Chef des Generalstabes Generalfeldmarschall Grafen von Moltke
Eigenhändiges Konzept
Geheim Berlin, den 30. Januar 1888
[abgegangen am 31. Januar]
Nachdem durch österreichisches Entgegenkommen die in Ew. pp.
geneigtem Sciireiben vom 23. er.* mitgeteilte Verständigung über die
eventuelle Benutzung österreichischer Bahnen durch italienische Truppen
erreicht ist, hält es der Herr Reichskanzler für v^ünschensvi^ert, daß wir
nunmehr Verabredungen mit dem österreichischen Generalstab treffen,
kraft welcher wir für den Eintritt des casus foederis unsere oberschle-
sischen Bahnen für österreichische Truppentransporte in die Umgegend
von Krakau zur Verfügung gestellt werden würden**. Ich habe hierüber
bereits heute morgen mit dem Oberstleutnant Grafen Keller gespro-
chen und darf Ew. pp. ergebenst anheimstellen, den Oberstleutnant von
Steininger zu einer Besprechung einladen zu lassen. Der Herr Reichs-
kanzler würde nichts dagegen einzuwenden haben, wenn Ew. pp. bei
dieser Besprechung dem österreichischen MiHtärattache vertraulich er-
öffnen wollten, daß der italienische Zuzug uns in den Stand setzen würde,
eintretendenfalls etwa 5 Armeekorps und einige Reservedivisionen an
unserer Ostgrenze bereit zu halten.
Der Herr Reichskanzler hält es aus politischen Gründen nicht für
ratsam, eine höhere Zahl zu nennen und möchte vermeiden, daß unsere
Heeresleitung sich von vornherein zu weit mit Österreich engagiert;
es müsse doch wohl abgewartet werden, daß die italienischen Hülfskorps
sich auch wirklich nach Deutschland auf dem Wege befänden, ehe
Ew. pp. definitive Dispositionen treffen könnten.
H. Bismarck
Nr. 1310
Der Chef des Generalstabes Generalfeldmarschall Graf von Moltke
an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Geh. J.Nr. 176 Berlin, den 2. Februar 1888
Geheim
Euerer Durchlaucht beehre ich mich infolge des vom Herrn Staats-
sekretär des Auswärtigen Amts unter dem 30. v. Mts. an mich ge-
richteten Schreibens*** hierdurch ganz ergebenst mitzuteilen, daß dem
Oberstleutnant Freiherrn von Steininger das Erforderliche über die
* Siehe Nr. 1307.
** So im Original, es muß wohl heißen: „zur Verfügung stellen würden".
*** Siehe Nr. 1309.
250
Bereitstellung unserer Eisenbahnen bei eventuellem Eintritt des casus
foederis, um österreichische Truppen nach GaUzien zu bringen, eröffnet
worden ist.
Bei Abschluß der kürzlich hier stattgehabten Verhandlungen über
italienische Truppentransporte durch Österreich unter derselben Vor-
aussetzung ist zur Sprache gekommen, daß die italienische Regierung
voraussichtlich die näheren Vereinbarungen mit dem Oeneralstabe in
Wien durch einen Kommissar dortselbst treffen lassen werde. Hieran
hätten sich dann wiederum unsererseits Verhandlungen anzuschließen,
um die Übernahme der itaUenischen Truppentransporte von den End-
punkten der Eisenbahnen Österreichs auf die Bahnen des deutschen
Reichsgebiets sicher zu stellen.
Euere Durchlaucht bitte ich den Major von Deines in Wien zu
ermächtigen, dieserhalb mit dem österreichischen Oeneralstabe in Ver-
bindung zu treten und ihn auch sehr gefälligst anzuweisen, mir das Er-
gebnis der österreichisch-italienischen Vereinbarung baldmöglichst ein-
zureichen, damit ich die weitere Bearbeitung hier verfügen kann. Den
Major von Deines mit diesem Auftrage zu versehen, erscheint mir auch
insofern erwünscht, als dieser Offizier im Militär-Eisenbahnwesen er-
fahren ist und ihm auf solche Weise Oelegenheit gegeben werden würde,
in die Arbeiten des österreichischen Oeneralstabes auf diesem Gebiete
nähern Einblick zu gewinnen. Der Oeneralfeldmarschall
Gr. Moltke
Nr. 1311
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 79 Wien, den 6. Februar 1888
Geheim
Herr Crispi hat hier angefragt, ob er den Chef des Militär-Eisen-
bahnwesens hierher nach Wien entsenden könne, um sich mit dem hie-
sigen Generalstab über die Frage der Benutzung der österreichischen
Eisenbahnen in Tirol durch italienische Truppen zu besprechen.
Diese Anfrage ist sofort entgegenkommend beantwortet worden.
Graf Kälnoky findet eine solche Besprechung um so nötiger, als es
doch eine Menge von Detailsachen zu erörtern gäbe. So hat der hiesige
Generalstab Zweifel, ob die Italiener imstande sein würden, ihre Trup-
pen mit ihrem eigenen rollenden Material nach Deutschland zu beför-
dern. Man hat hier nur eine geringe Meinung von der Leistungsfähigkeit
der italienischen Bahnen, und wenn auch mit hiesigem Material einiger-
maßen ausgeholfen werden könnte, so hinge es doch von vielen Zu-
fälligkeiten ab, in welchem Maße dies geschehen könnte.
H.VII. P. Reuß
251
Nr. 1312
Der Militärattache in Wien Major von Deines an den Botschafter
in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß
Eigenhändige Ausfertigung
Geheim Wien, den I.März 1888
Euerer Durciilaucht beehre ich mich in der Anlage ein Exemplar
der „Vereinbarungen*' ganz gehorsamst vorzulegen, welche heute von
den Vertretern des k. k. und des k. italienischen Generalstabes in Sfacher
Ausfertigung unterzeichnet worden sind, und welche den eventuellen
Durchzug italienischer Truppen durch österreichisches Gebiet betreffen*.
Nach Punkt 22 sollen je 1 Exemplar derselben erhalten die General-
stäbe von Österreich-Ungarn und Italien und der deutsche Generalstab.
Die zwischen den beiderseitigen Vertretern stattgehabten Konfe-
renzen, von denen ich den 3 letzten zu meiner Information beiwohnte,
haben die Möglichkeit festgestellt, 6 italienische Armeekorps mit 3 Ka-
valleriedivisionen und dem erforderlichen Heeresgerät bis zum 29. öster-
reichischen Mobilmachungstage über die italienische Grenze zu beför-
dern.
Von den zu diesen Transporten erforderlichen Waggons soll Ita-
lien fast 5000, Österreich etwa 2000 stellen; der Rest von etwa 3000
nebst zugehörigen Bremsern, sowie eine Aushülfe auf den österreichi-
schen Linien von etwa 150 Lokomotiven, wird von Deutschland erbeten.
Der italienische Vertreter, Oberstleutnant Gorian, Chef der Trans-
portabteilung des Generalstabes, bleibt zunächst noch hier; er hat in
Rom die Erlaubnis erbeten, sich später nach Berlin zu begeben, um mit
dem königlichen großen Generalstab die Details direkt zu erledigen,
welche sich beziehen auf den Durchzug und die Ausschiffung der ita-
lienischen Heereskörper auf deutschem Gebiet. Es ist jedoch wahr-
scheinlich, daß der genannte Offizier vorher nach Rom zurückkehrt.
Die ersten eventuellen italienischen Transporte würden am 6. öster-
reichischen Mobilmachungstage nach Österreich eintreten können; die
Italiener waren bereit, schon am 5. zu beginnen; doch stellte sich die
Unmöglichkeit heraus, die Züge bereits an diesem Tage weiterzu-
führen.
Italienischerseits trat das Bestreben hervor, die Armee so rasch wie
irgend möglich auf dem eventuellen Kriegsschauplatz haben zu können.
* „Vereinbarungen für den Fall des Durchzuges der Truppen des k. Italienischen
Heeres durch das k. u. k. Österreichisch-Ungarische Gebiet, getroffen auf Grund
des in Berlin im Jänner 1888 von den militärischen Bevollmächtigten der drei
verbündeten Großmächte verfaßten Memoirs." Unterzeichnet sind diese Verein-
barungen, deren Mitteilung hier nicht erforderlich scheint, durch den österreichi-
schen Chef des Eisenbahnbureaus Oberst Ritter von Guttenberg und den italieni-
schen Chef der Militär-Transport-Direktion Oberstleutnant Goiran. Die ent-
sprechende deutsch-italienische Militär-Eisenbahn-Konvention gelangte erst am
H.April zum Abschluß. Vgl. Nr. 1317.
252
Dies Bestreben hat denn auch die Österreicher veranlaßt, alles zu-
zusagen, was ohne Gefährdung der eigenen Interessen zu leisten sein
würde.
Die „Vereinbarungen** haben vor der Unterzeichnung die Zustim-
mung des Herrn Ministers des Äußern gefunden.
Über etwaige Wünsche des k. k. Generalstabes in bezug auf den
eventuellen Transport österreichischer Truppen durch Preußisch-Schle-
sien darf ich mir vorbehalten, ganz gehorsamst zu berichten; während
der bisherigen Verhandlungen sind mir gegenüber solche nicht ge-
äußert worden. V. Deines, Major
Nr. 1313
Italienisches militärisches Promemoria
Unsignierte Ausfertigung, vom italienischen Botschafter Grafen de Launay am
21. März übergeben
Tres secret Berlin, 20 mars 1888
Le ministre de la guerre ä Rome et le Chef d'Etat-major de l'armee
se montraient disposes ä donner leur approbation aux accords etablis par
le memoire signe ä Berlin le 28 janvier dernier par les delegues mili-
taires d'Italie, d'Allemagne et d'Autriche-Hongrie. Mais cette appro-
bation etait toutefois subordonnee ä certaines reserves, —
ä savoir:
1^ que l'engagement de l'ItaHe d'envoyer six corps d'armee et trois
divisions de cavalerie pour cooperer avec l'armee allemande ne doit
pas s'interpreter dans un sens absolu, mais dan's le sens que Tltalie
fournira ä FAllemagne six ou cinq corps d'armee et trois ou deux divi-
sions de cavalerie, selon les circonstances au moment de la declaration
de guerre;
20 Cet engagement est soumis ä la condition que la France ne
prenne pas l'offensive contre IMtalie avec des forces tellement consi-
derables de maniere ä obliger l'Italie d'employer toutes les siennes
pour se defendre;
30 Le gouvernement du Roi, tout en permettant que les troupes
italiennes destinees ä operer directement avec les troupes allemandes,
se trouvent placees sous la haute direction du commandant en chef des
forces allemandes, se reserve la faculte de grouper ses corps d'armee
et divisions de cavalerie, soit dans une seule armee, soit en deux. Cette
reserve est necessaire pour avoir une liberte de choix dans la nomi-
nation des commandants des troupes destinees ä cooperer avec l'armee
allemande.
Le gouvernement du Roi tiendrait en outre, les projets pour les
transports par les chemins de fer une fois termines, ä deleguer des
officiers aupres de l'Etat-major allemand dans le but d'etablir les
bases et les details pour le Service de l'intendance militaire italienne
sur le Rhin et sur les lignes d'etapes.
253
L'Ambassadeur de Sa Majeste etait charge de proposer au gouver-
nement imperial que le protocole d'echange des ratifications contint les
reserves susdites.
D'apres une nouvelle communication de Rome, le gouvernement
du Roi, si on ne le croit pas necessaire ici, n'insiste plus pour un acte
supplementaire comme ratification du memoire susdit. II admet que ce
memoire soit considere comme approuve par les Etats-majors respec-
tifs et reste dans les cartons militaires, sauf ä y recourir en cas de
besoin. — II n'a rien ä ajouter au sujet de la reserve No 1, qui a ete
enoncee dans les pourparlers ä Berlin et dont le delegue allemand a
pris acte en parfait accord avec son collegue Italien. — II n'y a rien ä
ajouter non plus ä la reserve No 3, qui se trouve indiquee aux deuxieme
alinea du memoire precite, et qui a ete faite verbalement aussi et de
la meme maniere par le delegue Italien. — II n'y a rien ä dire aussi
sur la clause ci-dessus mentionnee pour l'envoi d'officiers Italiens ä
Feffet de regier le service de l'intendance militaire et les lignes d'etapes.
Cela etait prevu dans le memoire.
Quant ä la reserve No 2, le ministre de la guerre trouve naturel
que „si la France attaquait l'Italie avec des forces tellement consi-
derables que toutes les notres fussent indispensables pour lui tenir
tete, nous ne pourrions pas envoyer sur le Rhin cinq ou six corps
d'armee." II ne croit pas que l'on doive exclure absolument du calcul
des probabilites, l'hypothese que la France puisse diriger, des le com-
mencement des hostilites, ses plus grands efforts contre l'Italie par mer
et par terre pour tächer de la vaincre et se tourner ensuite, avec ses
armees victorieuses, contre l'Allemagne; et cela dans I'espoir que celle-
ci ne pourrait pas, pendant ce temps, surmonter la resistance des
places fortes et des forces qui lui seraient quand meme opposees sur
la defensive par la France, dans le cas surtout oü l'Allemagne devrait
engager une partie notable de ses forces contre la Russie. „Je pourrais
ajouter, — dit le ministre de la guerre, — que nous avons quelques
donnees qui nous portent ä croire que ce plan de campagne a ses
Partisans dans l'Etat-major francais," — La reserve No. 2 ne s'appli-
querait que dans le cas oii la France commen^ät les hostilites par diriger
contre l'Italie douze corps d'armee, c'est ä dire plus de forces que
l'Italie ne lui opposerait, si eile envoyait dans le meme temps cinq ou
six corps d'armee sur le Rhin. Si I'on ne veut point admettre la possi-
bilite de cette hypothese, la reserve No 2 tombe evidemment d'elle-
meme, — En tout cas, „le gouvernement imperial ne pourra pas douter
des sentiments et des intentions du gouvernement Italien, s'il veut bien
se rappeler les precedents qui ont donne lieu aux pourparlers des
delegues militaires aupres de l'etat major allemand, et les ouvertures
faites ä Berlin par les delegues d'Italie au sujet du concours eventuel
des troupes italiennes sur le Rhin.
254
Nr. 1314
Der Chef des Generalstabes Generalfeldmarschall Graf von Moltke
an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Geh. Nr. 192 Berlin, den 27. März li
Geheim
Euer Durchlaucht beehre ich mich mit Bezug auf das seitens
des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes unter dem 22. d. Mts.
hierher mitgeteilte militärische Promemoria des Grafen Launay* ganz
ergebenst zu bemerken, daß eine französische Offensive mit 12 Armee-
corps nach Italien hinein für diese Macht und für Deutschland ebenso
willkommen, wie für Frankreich bedenklich sein würde.
Die Delegierten des italienischen Generalstabes haben im Januar
d. Js. in überzeugender Weise die Schwierigkeiten entwickelt, welche
mit einem Alpenübergang verbunden sind und welche von der französi-
schen Armee zu bewältigen sein würden, während sie bisher als Italien
zufallend angesehen wurden.
Von Frankreich nach Italien sind die Alpen nur auf 5—6 Kunst-
straßen von Truppenkörpern in der Zusammensetzung eines Armee-
korps zu überschreiten. Auf den Nebenwegen können nicht mehr als
Detachements bis zur Stärke etwa einer Brigade mit großen Abständen
zwischen ihren Teilen hinüber gebracht werden. Es ist daher schon
an und für sich nicht leicht, ein Heer von 12 Armeekorps über die
Alpen in Marsch zu setzen. Die langen, durch unübersteigbare Ge-
birgszüge auf große Entfernungen von einander getrennten Kolonnen
würden zunächst auf dem Kamm den Widerstand der Alpentruppen zu
überwinden haben und dann beim Abstieg vor den Sperrforts zum
Stehen kommen. Mögen sie diese Hindernisse früher oder später be-
seitigen, so können sie doch nur vereinzelt, ohne auf gegenseitige Unter-
stützung rechnen zu können, der italienischen Armee gegenüber er-
scheinen, welche mit Hülfe eines reich entwickelten Eisenbahn- und
Straßennetzes an jeder Stelle rechtzeitig vereinigt sein kann. Das ein-
zige Bedenken, welches man hinsichtlich einer solchen Offensive hegen
könnte, möchte aus dem eigentümlichen Mobilmachungsverfahren der
italienischen Armee hervorgehen, welches den Franzosen es vielleicht
mögUch machen könnte, um einige Tage früher die Offensive zu er-
greifen, als die italienischen Armeekorps operationsfähig dastehen
können.
Eine Offensive auf dem Seewege würde die Vernichtung oder
Blockierung der italienischen Flotte zur Vorbedingung haben. Ob für
eine solche Tat die französische Flotte, deren vernachlässigter Zustand
* Siehe Nr. 1313.
255
erst durch die neuerlichen Kammerverhandlungen an das Licht gestellt
worden ist, die Kraft in sich trägt, erscheint sehr zweifelhaft. Aber
selbst, wenn man die ersten Panzerschiffe der Welt, wie sie Italien
besitzt, als beseitigt annimmt, so würde doch die große und schwer-
fällige Transportflotte ein Angriffsobjekt, wie man es sich nicht besser
denken kann, für die zahlreichen Torpedoboote der Küstenverteidigung
bieten. Versagt auch dieses Mittel, so würde allerdings die Landung
einer Heeresmacht, die man auf höchstens 2 Armeekorps annehmen
kann, nicht zu hindern sein. Die Küste Italiens ist viel zu lang, um durch
Truppenaufstellungen geschützt werden zu können. Nach der Landung
würden aber erst die Verlegenheiten des Angreifers beginnen. Auf
Rom zu marschieren, dazu genügen 2 Armeekorps, welche überdies
den Landungsplatz besetzt halten, die Verbindungslinie decken sollen,
nicht. Sie sind zu schwach, um eine Festung dieser Ausdehnung zu be-
lagern oder zu zernieren. Wohin sie auch sonst sich wenden wollen,
mit mangelhaften Nachrichten und ohne hinreichende Kavallerie, um sich
Aufklärung zu verschaffen, würden sie sich bald einer italienischen
Übermacht gegenüber befinden, welche ihnen nicht nur eine Niederlage
bereiten, sondern auch die Rückkehr unmöglich machen kann.
Es ist schwer glaublich, daß die Franzosen, um sich auf eine aus-
sichtslose Offensive einzulassen, Deutschland gegenüber sich so schwä-
chen werden, um 12 Armeekorps an den Alpen disponibel zu machen.
Wenn auch ein solcher Feldzugsplan in dem französischen Generalstabe
Verfechter finden mag, so wird doch die Regierung, wie man fürchten
muß, bei Würdigung der Verhältnisse von der Ausführung Abstand
nehmen und den verbündeten Mächten die Gelegenheit entziehen, in so
wohlfeiler Weise den Sieg zu erfechten.
Hält Italien an der MögUchkeit einer französischen Offensive fest,
so Hegt die Gefahr nahe, daß es in der Lombardei seine Kräfte gegen
einen Angriff bereitstellt, welcher nicht erfolgt und dann bei der Ent-
scheidung in Lothringen fehlt.
Es wird gegebenenfalls schwer sein, unzweifelhaft zu konstatieren,
ob die Hauptkräfte des französischen Heeres in Lothringen oder an
den Alpen versammelt werden. Weder in den wenigen Tagen der Mobil-
machung, noch während der rasch sich vollziehenden Konzentration wird
an Nachrichten aus Frankreich mehr über die Grenze hinüber dringen,
als daß auf allen Eisenbahnen lebhafteste Bewegung herrscht und daß
Truppen nach den verschiedensten Richtungen transportiert werden.
Man wird die Klärung der Verhältnisse nicht abwarten können, um
einen Entschluß zu ergreifen. Die Überführung der italienischen Trup-
pen durch Österreich an den Rhein erfordert zu viel Zeit, als daß man
ihren Beginn aufschieben könnte. Es wird notwendig sein, der Verab-
redung gemäß die Eisenbahntransporte in Gang zu setzen, selbst auf die
Gefahr hin, sie wieder einzustellen, wenn der unwahrscheinliche Fall
einer französischen Offensive über die Alpen wirkHch eintreten sollte.
256
Es dürfte sich empfehlen, den Mihtärattache in Rom, Major von
Engelbrecht, zu beauftragen i, diese Verhältnisse mündlich mit dem ita-
lienischen Kriegsminister und dem Chef des Generalstabes, deren Ver-
trauen er zu besitzen scheint, zu erörtern und denselben in den Stand
zu setzen, künftig etwa noch in dieser Angelegenheit entstehende Diffe-
renzen in derselben Weise auszugleichen.
Beruhigend könnte derselbe vielleicht in Rom einwirken durch die
Mitteilung, daß nach den hier eingegangenen zuverlässigen Nachrichten
ein Teil der Truppen in Algier (Infanterie und Kavallerie) vom 3. Mobil-
machungstage ab nach Frankreich gebracht werden soll, um in die
Gegend von Lyon weitertransportiert zu werden, wo sie erst mit der
ihr erforderlichen Artillerie und Trains ausgerüstet werden sollen. Zum
Ersatz der aus Algier genommenen Linientruppen sollen Territorial-
Brigaden dorthin übergeführt werden. Es dürfte daraus hervorgehen,
daß die französische Transportflotte in der Mobilmachungszeit hinläng-
lich in Anspruch genommen ist, und daß die algerischen Truppen nicht
unmittelbar zu einer Landung in Italien bestimmt sein können. Ihr
Transportziel, „Gegend von Lyon'', läßt es wahrscheinlich erscheinen,
daß sie je nach den Umständen als Reserve für die Armee gegen
Deutschland oder für diejenige gegen Italien dienen sollen.
Wichtig für die Sicherheit Italiens dürfte sein, wenn Maßregeln für
eine größere Beschleunigung der Mobilmachung getroffen würden, und
wenn die Festungen an der Grenze, wie die Kriegshäfen gegen einen
gewaltsamen Angriff unter allen Umständen gesichert würden.
Der Generalfeldmarschall
Gr. Moltke
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 Fiat
Nr. 1315
Bericht des Militärattaches in Rom Major von Engeibrecht
Eigenhändige Ausfertigung
J.Nr. 35 Rom, den 2. April 1888
Einer Aufforderung des Unterstaatssekretärs Generalleutnant Cor-
vetto nachkommend, begab ich mich vorgestern in das Kriegsmini-
sterium, woselbst ich sofort zu dem Kriegsminister geführt wurde.
Derselbe leitete die Unterhaltung mit dem Bemerken ein, daß es ihm
daran gelegen sei, mir über die schwebenden Verhandlungen, betref-
fend unsere gemeinsamen Operationen im Falle eines Krieges gegen
Frankreich, Mitteilungen zu machen.
„Sie sind", so fuhr der Kriegsminister fort, „von den in Berlin ge-
troffenen militärischen Abmachungen unterrichtet. Unsere Offiziere sind
dieselben vorbehaltlich der Genehmigung der Regierung eingegangen.
Diese Genehmigung ist sofort im Prinzip erfolgt; nur bezüglich einiger
Punkte wurde eine Rückfrage von uns angeregt und zwar:
17 Die Große Politik. 6. Bd. 257
1 ob die Abmachungen seitens der Regierungen zu ratifizieren
seien;
2. daß die Zahl der zur Entsendung nach der deutsch-französischen
Grenze angebotenen Truppen schwanken würde zwischen 5 oder 6 Ar-
meekorps, 2 oder 3 Kavalleriedivisionen, zu gruppieren in 1 oder 2
Armeen;
3. was zu geschehen wäre, wenn Frankreich mit solch bedeuten-
den Kräften Italien angreife, daß man zur eigenen Verteidigung sämt-
licher Truppen bedürfe.
Diese letztere EventuaUtät sei von den itaUenischen Offizieren im
Laufe der Verhandlungen auch zur Sprache gebracht worden, General
Graf Schlieffen habe diese Anregung natürlich gefunden, doch sei eine
nähere Erörterung unterblieben, vermutlich wegen der geringen Wahr-
scheinlichkeit einer solchen Offensive.''
Nunmehr begann der Kriegsminister mit dem Vorlesen verschie-
dener zwischen Regierung und dem Grafen Launay gewechselten De-
peschen.
In der ersten meldet der italienische Botschafter seine Unterhaltung
mit dem Staatssekretär Grafen Bismarck bezüglich der vorgenannten 3
Punkte und spricht von „une Impression penible", welche die Erwäh-
nung des letzten Punktes i hervorgerufen habe. Der Staatssekretär habe
sich eine Erörterung hierüber bis nach stattgehabtem Benehmen mit
dem Generalstabe vorbehalten und sei der Ansicht, daß eine Ratifi-
kation der Verhandlungen von selten der Regierungen nicht geboten
wäre, die Kontrahenten sich vielmehr auch auf Grund der getroffenen
Vereinbarungen als gebunden zu betrachten hätten.
Dieser letzteren Auffassung gegenüber hat die Regierung ihre An-
sicht in der erfolgten Antwort aufgegeben, aber ihr Verwundern ausge-
sprochen, daß durch die Erwähnung des Punktes 3 ein „peinhcher Ein-
druck" habe hervorgerufen werden können, und verwahrt man sich
gegen die Auslegung, daß bei Anregung der sub 3 aufgeführten Even-
tualität irgend welcher Hintergedanke vorgeschwebt habe.
Nach weiteren Depeschen telegraphiert Graf Launay, daß der
deutsche Militärattache beauftragt werden würde, über die Ansichten
des Generalstabes, den fraghchen Punkt betreffend, Aufklärungen zu
geben, und daß es daher einer besonderen Eile hinsichtlich der Ab-
sendung des mit der Vereinbarung der Transportbewegung beauftragten
Offiziers nicht bedürfe.
„Als mir diese Depesche", so fuhr der Kriegsminister fort, „zuging,
beschloß ich, Sie zu mir bitten zu lassen. Ich bedaure, daß eine Anfrage
unserseits zu einem Mißverständnis hat Anlaß geben können; ich habe
Ihnen die gewechselten Depeschen vorgelesen, damit Sie klar in dieser
Angelegenheit zu sehen vermögen.
Die Botschaft in Berlin muß nicht glücklich in der Wiedergabe
unsrer Ansicht gewesen sein, und daher wende ich mich direkt an Sie,.
25S
um jeder irrtümlichen Deutung vorzubeugen, und damit Sie schon orien-
tiert sind, wenn Ihr Auftrag eingeht.
Das von uns freivvilHg ausgegangene Anerbieten der Entsendung
von Truppen nach der deutsch-französischen Grenze 2 werden wir in dem
angenommenen Fall unbedingt halten; es ist bei mir eine festgewurzelte
Überzeugung, daß es im Interesse unserer jungen Armee liegt, an der
Seite deutscher Truppen sich schlagen zu können, und möchte ich nur
wünschen, daß unsere Korps alsdann nicht zu schwierigen Belagerungen
— die uns in dem undankbaren Alpenkriege reichlich bevorstehen —
sondern möglichst im Bewegungskriege Verwendung finden werden."
Während der ganzen Unterredung konnte sich der Kriegsminister
anscheinend nicht von einer gewissen inneren Erregung freimachen. Er
kam immer wieder darauf zurück, daß kein Zweifel gehegt werden
dürfe, daß die Regierung ihr Versprechen halten werde. Es komme ihm
darauf an, die Verhandlungen abzuschließen, und, um seinen guten
Willen zu zeigen, solle der betreffende Offizier schon in den nächsten
Tagen abreisen und werde die Instruktion erhalten, die weiteren Verein-
barungen auf dem gemeinsam gewonnenen Boden der Januar-Abma-
chungen zu treffen, ohne dieses Zwischenfalls auch nur Erwähnung
zu tun.
Inwieweit die entschiedene Verwahrung: zu einer Mißdeutung von
hier aus keinen Anlaß gegeben zu haben, begründet, dafür habe ich nur
Versicherungen, aber keine tatsächlichen Unterlagen erhalten. Sehe ich
hiervon ab und soll den Eindruck bezeichnen, den die Ausführungen des
Kriegsministers auf mich gemacht haben, so glaube ich, daß derselbe
für sein Teil bereit ist, die eingegangenen Verpflichtungen in loyaler
Weise zu halten 3, und daß bei dem General eine gewisse Verstimmung
wegen dieses Zwischenfalls unschwer zu erkennen ist.
von Engelbrecht
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 ?
^ Oestler]reich? Durchmarsch?
8 dazu ist der Aufmarsch durch Oest[er]reich nöthig, der bei einem nur deutsch-
itallienischl-f ranzösischen Kriege nicht gesichert ist.
Nr. 1316
Der italienische Botschafter in Berlin Graf de Launay an den Staats-
sekretär des Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Eigenhändig
Berlin, 10 avril 1888
Le Lieutenant-Colonel Chevalier Goiran arrive ce matin de Rome a
dejä ete mis en rapport avec le Marechal Comte de Moltke, le Comte de
Waldersee et le Comte de Schlieffen. Demain commenceront les pour-
parlers relatifs au service des transports de troupes.
„. 259
Le Ministre de la guerre M. Berthole-Viale, apres avoir pris con-
naissance du memoire de Comte de Moltke, laisse tomber certaine
reserve dont j'avais ete charge de Vous entretenir. — Ainsi le memoire
signe ä Berlin le 28 janvier echu, reste tel quel pour servir au besoin.
Au reste, le general Berthole-Viale n'avait jamais entendu donner une
grande importance ä la reserve dont il s'agissait.
Voilä donc une question reglee. J'en suis on ne peut plus satisfait. —
Launay
Nr. 1317
Die deutsch-italienische Militär- Eisenbahn- Konvention
vom 14. April! 888*
Vereinbarungen
für den Fall des Durchzugs Königlich italienischer Truppen durch Süd-
deutschland nach dem Oberrhein — getroffen auf Grund des in Berlin
im Januar 1888 von den militärischen Bevollmächtigten der drei ver-
bündeten Großmächte verfaßten Memoires.
Zum Zweck des Entwurfs näherer Festsetzungen für den even-
tuellen Eisenbahntransport Königlich italienischer Truppen durch Süd-
deutschland nach dem Oberrhein im Kriegsfall sind von den Herren
Chefs des Generalstabs der preußischen respektive der italienischen Ar-
mee delegiert worden und in Berlin zur kommissarischen Beratung zu-
sammengetreten:
Vom preußischen Qeneralstab:
der Generalmajor Graf von Schlieffen und der Oberst Oberhoffer,
Abteilungschefs im Großen Generalstab.
Vom italienischen Generalstab:
der Oberst Ritter von Goiran, Chef der MiHtär-Transport-Direktion
und der Kapitän Graf Robilant, Militärattache bei der Königlich ita-
lienischen Botschaft in Berlin.
Das Ergebnis der Beratungen ist in nachfolgenden Punktationen zu-
sammengefaßt:
1. Von deutscher Seite werden für die an der österreichischen
Grenze zu übernehmenden Truppentransporte, behufs Weiterführung
nach dem linken Rheinufer, folgende Eisenbahnlinien für die ganze
Transportdauer zur Verfügung gestellt:
I. Passau — Regensburg — Nürnberg — Heilbronn — Bruchsal — Ger-
mersheim — Straßburg.
II. Salzburg — München — Augsburg — Nördlingen — Stuttgart — Karls-
ruhe— Appenweier — Straßburg — Schlettstadt.
* Zum Abdruck gelangen nur die hauptsächlichsten Bestimmungen der umfäng-
lichen Konvention.
260
III. Kufstein — München —Ulm — Radolfzell — Singen — Offenburg —
Freiburg — Kolmar.
Der Linie II können Transporte auch über die Strecke Braunau(Sim-
bach) — München zugeführt werden; es dient dieser Linie ferner als Aus-
hülfe die Verbindung München — Ulm — Cannstatt — Stuttgart.
Eine Transportführung von Innsbruck über den Arlberg nach
Lindau und demnächst weiter auf deutschem Boden nach Ulm wird vor-
läufig nicht beabsichtigt und bleibt vorbehalten.
Für diejenigen Transporte, welche in Kufstein und Salzburg ein-
treffen und eine Weiterbeförderung auf der Linie III bis an das Ziel
nicht finden können, wird die Aushülfslinie: München — Memmingen—
Ulm — Aulendorf — Pfullendorf — Schwackenreuthe zur Verfügung gestellt.
In Pfullendorf oder Schwackenreuthe laden diese Transporte aus;
sie erreichen den Versammlungsraum mittelst Fußmarsches.
2. Die zu übernehmenden Züge werden in der Regel 30 — 36 Wagen,
außer Maschinen, führen ; sie dürfen keinesfalls 50 Wagen überschreiten.
Beträgt das Ladegewicht mehr als 180 tons, so ist die Achsenzahl
auf 33 bis höchstens 40 Wagen beschränkt. Ein Ladegewicht von
320 tons darf in keinem Zuge überschritten werden.
Auf Vorstehendes hat die später während der Fahrt vorübergehend
nötig werdende Teilung der Züge in Halbzüge — zur Überwindung
der stärkeren Steigungen — keinen Einfluß.
3. Auf Linie III können Züge bereits vom 7. Mobilmachungstage ab
übernommen werden; auf den Linien I und II vom 12. Tage ab.
Die volle Tagesleistung wird betragen:
auf Linie I: 10 Züge vom 14. Tage ab.
» » H. ID „ „ 10. „ „
„ „ III: 10 „ „ 16. „ „
Das Nähere ergeben die vereinbarten Fahrtabieaus für die ein-
zelnen Tage (folgen technische Details).
Nr. 1318
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 71 Berlin, den 2. März 1889
Der italienische Marineattache in London, Graf Candiani, hatte
kürzlich gegenüber dem Admiral Schröder dem Wunsch Ausdruck ge-
geben, daß die Oberkommandos der deutschen und der italienischen
Marine in fortlaufendem Verkehr hinsichtlich der technischen Fortent-
wickelung sowohl wie auch der sonstigen Einzelfragen des Berufs blei-
ben möchten, in ähnlicher Weise, wie das zwischen den Oberkom-
mandos der beiden Landheere bereits der Fall ist.
261
Seine Majestät der Kaiser hat genehmigt, daß dem Gedanken des
Grafen Candiani nähergetreten werde; letzterer ist dementsprechend
verständigt worden und hat inzwischen an seine Regierung berichtet.
Ew. pp. teile ich vorstehendes mit, damit Sie, sowie auch der Herr
Militärattache von Engelbrecht in der Lage sind, etwaige autorisierte
Eröffnungen entgegenzunehmen. Bisher ist nur der allgemeine
Grundsatz des fortgesetzten Verkehrs erörtert worden.
H. Bismarck
Nr. 1319
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Entzifferung
Nr. 67 Rom, den 10. März 1889
Erlaß 71 vom 2. März*, betreffend den fortlaufenden Verkehr der
Oberkommandos der deutschen und italienischen Marine erhalten.
Herr Crispi brachte die Sache zur Sprache und sagte, der deutsche
Militärattache habe dem italienischen gesagt, wir wünschten uns mit
Italien über die Verwendung unserer Flotte im Falle eines Krieges mit
Frankreich ebenso zu verständigen i, wie dies bezüglich des Feldzugs-
planes für die Landheere der Fall gewesen. Er sei sehr bereit darauf
einzugehen, würde aber für notwendig halten, auch gleichzeitig mit
Österreich in Unterhandlungen zu treten, weil die Mitwirkung der
österreichischen Flotte im Mittelländischen Meer unumgänglich not-
wendig sei. Wir drei würden Frankreich zur See gewachsen sein.
Ich habe Herrn Crispi gegenüber die Sache richtig gestellt und
darauf hingewiesen, daß Graf Candiani die Initiative ergriffe und nur
allgemeine Grundsätze des fortgesetzten Verkehrs entwickelte 2.
Solms
Randbemerkungen des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck:
1 p
- gut
Nr. 1320
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 84 Berlin, den 16. März 1889
Die im Schlußsatz des Berichts Nr. 67** gegebene Richtigstellung
der irrigen Meldung des Grafen Candiani entspricht der diesseitigen
* Siehe Nr. 1318.
** Siehe Nr. 1319.
262
Auffassung, Die Verständigung mit Österreich, welche bei Beratung
eines konkreten Operationsplans unvermeidlich sein würde, ist daher
für die im gegenwärtigen Falle beabsichtigte Besprechung über allge-
meine Grundsätze technischer Fortentwickelung nicht notwendig,
H. Bismarck
Nr. 1321
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 79 Rom, den 28. März 1889
Geheim
Bezüglich der vom italienischen Marineattache in London, Grafen
Candiani, angeregten Frage, betreffend den fortlaufenden Verkehr zwi-
schen den Oberkommandos der deutschen und der itahenischen Marine
hinsichtlich der technischen Fortentwickelung pp., hatte Herrn Crispi
die Ansicht vorgeschwebt, es handle sich um die Verabredung eines
Planes für einen mit Frankreich zu führenden Seekrieg, was ich, wie
ich bereits zu melden die Ehre hatte, richtigstellte.
Gleich darauf war, wie Euere Durchlaucht aus dem anliegend ganz
gehorsamst beigefügten Bericht Nr. 12 vom 14. d, Mts. des König-
lichen Majors von Engelbrecht hochgeneigtest ersehen wollen, die fort-
laufende Erhaltung der Beziehungen zwischen den beiderseitigen Ma-
rinen, vermittelst eigens dazu kommandierter Offiziere (Marineattaches)
zwischen ihm und dem Marineminister zur Sprache gekommen, und
hatte derselbe sich dem von ihm als ganz persönliche Idee des Herrn
Cricpi bezeichneten Gedanken gegenüber ablehnend geäußert.
Es scheint, daß Herr Brin durch Herrn Crispi später umgestimmt
worden ist, denn als ich bei einer zufälligen Begegnung diese Angelegen-
heit berührte, sagte er mir, er sei sehr damit einverstanden, daß die
beiderseitigen Marinen in fortgesetzten Verkehr treten und auch Ma-
rineattaches ernennen; er schicke in den nächsten Tagen einen Marine-
offizier mit verschiedenen technischen Aufträgen nach Deutschland;
dieser Offizier würde gleich die Stellung eines Marineattaches ein-
nehmen können.
Dem Marineminister gegenüber ging ich auf die Anstellung von
Marineattaches nicht weiter ein.
Als ich Herrn Crispi einige Tage später darauf aufmerksam machte,
daß eine Verständigung mit Österreich bei dieser Gelegenheit, wo es
sich um Verabredungen über allgemeine Grundsätze technischer Fort-
entwickelung handle, nicht nötig erscheine, war er mit den von mir
entwickelten Ansichten einverstanden und kam nicht wieder auf den
263
Operationsplan zur See zurück; dagegen stellte er die gegenseitige Atta-
chierung von Marineoffizieren als sehr wünschenswert in den Vorder-
grund und bat mich, Eurer Durchlaucht diesen Wunsch zu unter-
breiten.
Von fremden Mächten unterhalten Marineattaches bei der Königlich
italienischen Regierung: England, Frankreich, Rußland, Spanien, Nord-
amerika und Argentinien.
Die nach dem Berichte des Major von Engelbrecht vom Marine-
minister Brin geäußerte Rücksicht auf Frankreich würde Herrn Crispi
nicht abhalten, den Gedanken der Ernennung eines Marineattaches in
Berlin zur Ausführung zu bringen. Herr Crispi hegt übrigens schon
längst den lebhaften Wunsch, sich auf irgendwelche Weise das so-
fortige Eingreifen der österreichischen Marine zu sichern, sobald es
zwischen Italien und Frankreich zum Kriege kommen sollte. Die ita-
lienische Marine sieht, wenn sie gezwungen sein sollte, den Seekrieg
gegen Frankreich allein aufnehmen zu müssen, dem Kampfe mit sehr
geringer Siegeszuversicht entgegen, trotz der Überlegenheit ihrer Pan-
zerkolosse, welche sich allerdings erst bewähren müssen. Ebenso fürch-
tet man, daß England zu spät kommen würde, um die offnen Städte
Italiens gegen ein Bombardement zu schützen; dagegen hofft man der
französischen Mittelmeerflotte gewachsen zu sein, sobald man auf die
sofortige Unterstützung durch die österreichische Flotte rechnen kann.
Daher das Bestreben des Herrn Crispi, sich diese Hülfe im voraus zu
sichern.
Die Versuche hierzu sind aber bis jetzt gescheitert, weil Österreich
die Unterstützung von mehreren Armeekorps zu Lande als Gegen-
leistung verlangte, was Italien, wie die Verhältnisse sich heute ge-
staltet haben, zu leisten nicht in der Lage ist. Unter diesen Umständen
haben die Verhandlungen mit Österreich schon längere Zeit geruht.
Wenn daher Herr Crispi bei unserer ersten Konversation über die
Marineangelegenheiten des vom Grafen Candiani angeregten Gedankens
eines einzurichtenden fortlaufenden Verkehrs zwischen den Marinen von
Deutschland und Italien gar nicht erwähnte, sondern gleich von der
Notwendigkeit der Verständigung über einen konkreten Operationsplan
mit Hinzuziehung von Österreich sprach, so drängt sich mir die Ver-
mutung auf, daß er den Wunsch hat, bezüglich der Operationen zur
See mit Österreich zu einem definitiven Abschluß zu gelangen, ohne die
Verhandlungen direkt wieder aufzunehmen, die Anknüpfung derselben
vielmehr über Berlin durch Zuziehung Österreichs zu einer Verabredung
über einen Seekriegsplan zu versuchen.
Schließlich darf ich nochmals hervorheben, daß Herr Crispi bei un-
serer letzten Unterredung auf den Kriegsplan nicht wieder zurückge-
kommen ist.
Graf Solms
264
Nr. 1322
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Graf Herbert von Bismarck
an den Botschafter in Rom Grafen zu Solms-Sonnenwalde
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Holstein
Nr. 105 Berlin, den S.April 1889
Geheim
Die in Ew. pp. geheimem Bericht Nr. 79* vom 28. v. Mts. mit-
geteilte Anregung der Herrn Crispi und Brin wegen Ernennung von
Marineattaches seitens der beiden Regierungen habe ich zur Kenntnis
Seiner Majestät des Kaisers gebracht, allerhöchstwelcher im Prinzip
mit der Neueinrichtung beider Posten einverstanden ist.
Wir erwarten also jetzt die amtliche italienische Initiative.
H. Bismarck
Nr. 1323
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Abschrift
Nr. 185 Rom, den 22. Juli 1889
Sehr vertraulich
Herr Crispi sagte mir, Euere Durchlaucht hätten im Mai die Frage
angeregt, ob es nicht gut sein würde, ebenso wie für die Operationen
der Landheere, auch für das Zusammenwirken der Flotten sich unter
den drei Mächten über einen Plan zum Seekriege zu verabreden; be-
sonders würde es nötig sein, daß Italien sich mit Österreich ver-
ständigte.
Er habe dies mit dem Grafen Nigra ^ besprochen, der habe ihn aber
darauf aufmerksam gemacht, daß es besser sein würde, die Sache
würde in Wien von Berlin aus angeregt; nur dann könnte man darauf
rechnen, daß man in Wien überhaupt einen Entschluß fasse; denn seit
dem Tode des Kronprinzen Rudolf herrsche in den dortigen Regie-
rungskreisen eine Apathie, die schon höchst bedenklich zu werden an-
fange.
Ich entgegnete Herrn Crispi, eine Verständigung zwischen Italien
und Österreich über eine gemeinsame Aktion ihrer Flotten im Mittel-
meer würde schon längst notwendig gewesen sein, und es sei hohe
Zeit, daß man eine solche in Angriff nehme. Da aber Italien der Unter-
stützung durch die österreichische Flotte bedürfe, so würde es richtiger
sein, Italien mache in Wien die nötigen Eröffnungen. Wenn dies ge-
schehen sei, würden Euere Durchlaucht gewiß die Anträge der italie-
nischen Regierung in Wien unterstützen.
Herr Crispi meinte, dies sei allerdings wohl der richtige Weg und
* Siehe Nr. 1321.
265
fügte hinzu, am besten würde es sein, alle drei Flotten, d. h. die von
Deutschland 2, Österreich und Italien im Mittelmeer zu vereinigen.
Ich unterließ nicht, den Herrn Ministerpräsidenten darauf auf-
merksam zu machen, daß die drei Flotten vorläufig etwas weit von
einander entfernt seien, daß es für uns in einem Kriegsfalle mit eini-
gen Schwierigkeiten verbunden sein würde, bei Frankreich vorbei mit
einer Flotte nach dem Mittelmeer zu dampfen, und daß er zu vergessen
scheine, daß wir voraussichtüch den Kampf mit einer sehr bedeutenden
russischen Flotte aufzunehmen haben würden. Die Frage des Herrn
Crispi, wie stark die russische Flotte sei, konnte ich nicht beantworten.
Auch Major von Engelbrecht besitzt keine Angaben über die russischen
Seestreitkräfte. Ich würde Euerer Durchlaucht sehr dankbar sein, wenn
Hochdieselben mich durch eine Mitteilung ^ über diesen Punkt in die
Lage versetzen wollten, Herrn Crispi nachweisen zu können, daß wir
für die Kaiserliche Marine in der Verteidigung unserer Küsten und in
dem Kampfe gegen die russische Flotte und gegen die französischen
Flotten von Cherbourg und Brest* eine Aufgabe zu erfüllen haben,
welche unser Erscheinen im Mittelmeer wenigstens bei Beginn eines
Krieges unmöglich machen würde. Bezüglich unserer Leistungsfähig-
keit gegenüber den französischen Flotten von Cherbourg und Brest
war ich schon im vorigen Jahre beauftragt gewesen, Herrn Crispi zu
informieren; an die russische Flotte hatte er aber augenscheinlich nicht
gedacht, und er bemerkte schUeßlich, daß, wenn wir die französische
Kanalflotte verhindern könnten, nach dem Mittelmeer zu gehen, Italiens
und Österreichs Flotten zur Bekämpfung der französischen Mittelmeer-
flotte stark genug sein würde. (gez.) Solms
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopfe des Schriftstücks:
vor Nigra wird man in Wien vertr[au]l[ich] warnen müssen; er ist französisch
gefärbt.
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Faul?
3 nondum meridies!
* schon das genügt!
Randbemerkung des Grafen Herbert von Bismarck:
2 Von Seiner Majestät für unmöglich erklärt
Nr. 1324
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Abschrift
Nr. 187 Rom, den 23. Juli 1889
Sehr vertraulich
Um genau festzustellen, welche Aufträge Herr Crispi dem Grafen
Nigra in bezug auf einen für den Kriegsfall mit Österreich zu verein-
barenden gemeinsamen Operationsplan für die beiderseitigen Land- und
266
Seestreitkräfte erteilt hat, bat ich ihn heute um eine bezügliche Mit-
teilung.
Herr Crispi äußerte sich dahin, daß zwischen Italien und Öster-
reich nur abgemacht wurde, daß sich beide Staaten, im Falle einer der-
selben angegriffen würde, gegenseitig unterstützen sollten; darüber,
wie dies zu geschehen habe, sei nichts abgemacht worden. Da es beim
Ausbruche eines Krieges selbst zu spät sein würde, hierüber Ver-
handlungen zu eröffnen, habe er den Grafen Nigra beauftragt, der öster-
reichischen Regierung vorzuschlagen, mit Italien schon jetzt zu ver-
einbaren, in welcher Weise im Kriegsfalle die gegenseitige Unter-
stützung durch die Landheere einzutreten haben wird.
Was die gemeinsame Aktion der Flotten betrifft, so habe die
österreichische Regierung bereits früher durch den Kaiserlichen Bot-
schafter Baron Brück den Wunsch bezüglich der Verabredung über
einen Operationsplan zur See hier ausdrücken lassen, ohne aber wieder
auf die Sache zurückzukommen, trotzdem ItaUen sich sofort bereit er-
klärt hatte, auf den Wunsch einzugehen.
Er habe bei näherer Erwägung Anstand genommen, die Sache
durch Graf Nigra nochmals anregen zu lassen und würde es doch für
praktischer halten, wenn die Aufnahme diesbezüglicher Verhandlungen
zwischen Österreich und Italien von Euerer Durchlaucht in Wien an-
geregt würde 1; er habe den Grafen Launay bereits mit entsprechendem
Auftrage versehen, aber noch keine Antwort erhalten.
Ich bemerkte hierzu, ich sehe nicht ein, warum Herr Crispi Be-
denken trage, auch bezüglich der Flotten den Wunsch, sich über einen
Operationsplan zu einigen, in Wien direkt auszusprechen. Wenn Itaüen
von der französischen Flotte bedroht sei, so bedürfe es der Hülfe der
österreichischen sehr dringend, während Österreich sich in weniger
bedrohter Lage befinde. Herr Crispi war bereits durch die von Eng-
land erwartete Hülfe und die zugesagte Verstärkung der englischen
Mittelmeerflotte wieder sehr zuversichtlich geworden und behauptete,
die österreichische Flotte sei so wenijg zahlreich, daß sie sich ohne
Hülfe der itaUenischen im Adriatischen Meere allein nicht würde halten
können, während Italien im Verein mit England, auch ohne Mitwir-
kung der österreichischen Flotte derjenigen von Frankreich mehr als
überlegen sei; es liege mithin eine Vereinbarung über einen gemein-
samen Operationsplan zur See mehr im Interesse Österreichs wie
Italiens.
(gez.) Graf Solms
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopf des Schriftstücks:
Für Italien liegt primo loco die Verständigung mit England im Interesse.
Die öst[er]r[eichische] Flotte giebt noch keine Ueberlegenheit, auch wenn wir die
Canalflotte beschäftigen u[nd] Rußland wartet.
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck:
1 Kein Anlaß. Die ganze öst[er]rleichische] Flotten-Frage ist verfrüht ulndl nicht
entscheidend. In England sollte Crispi sich sichern.
267
Nr. 1325
Der italienische Botschafter in Berlin Graf de Launay an den Staats-
sekretär des Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck
Privatbrief. Eigenhändig
Secret Berlin, le 27 Juillet 1889
Mr. Crispi, au quel j'avais telegraphie ce que Vous m'aviez dit en
reponse ä la question d'un accord naval, me repond qu'il desire que
la negociation ait lieu ä Rome. — Les delegues allemand[s] et austro-
hongrois pourront s')' reunir en meme temps, lesquels traiteraient di-
rectement avec le ministere Royale de la marine et avec M. Crispi.
Son Excellence me charge de Vous en entretenir promptement et
se reserve quand il connaitra votre reponse, de se mettre en communi-
cafion avec Vienne.
Launay
Nr. 1326
Der stellvertretende Staatssekretär
des Auswärtigen Amtes Graf von Berchem an den Botschafter in Rom
Grafen zu Solms -Sonnenwalde
Reinkonzept
Nr. 250 Berlin, den 30. Juli 1889
Qeheini
Zu den gefälligen Berichten vom 22. und 23. d. Mts.*, die Verab-
redungen Italiens und Österreichs über gemeinsame Operationspläne
betreffend, hat der Herr Reichskanzler bemerkt, daß es im Interesse
Italiens primo loco geboten sei, die Verständigung mit England her-
beizuführen; denn die öterreichische Flotte allein gebe Italien noch
keine Überlegenheit über Frankreich, auch wenn wir die Kanalflotte
beschäftigten und Rußland sich abwartend verhielte; wir hätten keinen
Anlaß, Verhandlungen zwischen Österreich und Italien anzuregen; die
ganze österreichische Flottenfrage sei verfrüht und nicht entscheidend;
England sei es, das Herr Crispi sich sichern sollte.
Zu Ew. pp. Information erwähne ich ferner, daß Seine Majestät
der Kaiser, bei Vortrag der obigen Berichte, allerhöchstsich den Äuße-
rungen anschlössen, welche Ew. pp. nach dem Berichte Nr. 185** Herrn
Crispi gegenüber gemacht hatten. Seine Majestät bemerkten, daß selbst,
wenn die russische Flotte nicht in Betracht käme, die unserige zum
* Siehe Nr. 1323, 1324.
** Siehe Nr. 1323.
268
Schutz der deutschen Küste gegen die französische Nordflotte unent-
behrlich sei; auch wenn Frankreich das Unwahrscheinliche tue, sich im
Norden und Westen von Schiffen zu entblößen, so würde unserer
Flotte immer noch die Aufgabe verbleiben, den sehr lebhaften deutschen
Handel durch den Kanal vor französischen Kreuzern zu schützen und
angriffsweise gegen die französische Nordküste vorzugehen.
Zu dieser letzteren Äußerung Seiner Majestät bemerke ich er-
gebenst, daß dieselbe selbstverständlich, außer Herrn Crispi gegenüber,
persönlich, auf das strengste sekretiert werden muß.
Im übrigen hat auch Seine Majestät nachdrücklich betont, daß
ItaHen sich für den Fall kriegerischer Ereignisse im Mittelmeere vor
allem mit England verständigen müsse, während wir in Österreich keine
Anregung nach Maßgabe der Äußerung Herrn Crispis machen könnten,
ohne dort den Eindruck eines unbequemen Mahners und das Gefühl
eines lästigen Druckes hervorzurufen; es sei nicht verständlich, weshalb
Graf Nigra nicht jetzt die Sache in Wien anregen könne, nachdem Baron
Brück — wie Ew. pp. berichteten (confr. Bericht Nr. 187*) — seiner-
zeit namens der österreichischen Regierung die ersten Schritte in dieser
Angelegenheit getan habe.
Zu Ew. pp. persönlichen Information füge ich noch Abschrift eines
geheimen Schreibens des Grafen de Launay an den Grafen von Bis-
marck** ergebenst bei, welches den Wunsch des italienischen Minister-
präsidenten zu erkennen gibt, daß deutsche und österreichische Dele-
gierte in Rom zusammentreffen möchten, um sich dort bezüglich der
geplanten Kooperationen mit dem italienischen Marineminister und
Herrn Crispi zu verständigen.
Seine Majestät geruhten zu dem Inhalte jenes Schreibens zu be-
merken, daß gegenwärtig geeignete Marineoffiziere zu derartigen Ver-
handlungen bei uns nicht entbehrlich seien. Es solle deshalb dem Grafen
de Launay geantwortet werden, daß die Besprechungen über maritime
Operationen der deutschen und italienischen Seestreitkräfte im Kriegs-
falle am besten durch den bereits ernannten Marineattache in Berlin,
Marquis Gualterio, aufgenommen werden würden, ähnlich wie dies vor
Jahr und Tag durch die nach Berlin entsandten italienischen Landoffi-
ziere für die beiderseitigen Armeen geschehen sei; Seine Majestät beab-
sichtigten, unmittelbar nach dem Eintreffen des Marquis Gualterio, der
Kaiserlichen Botschaft in Rom einen deutschen Seeoffizier zuzuteilen.
Da dabei aber nach dem Personalstande unseres Seeoffizierkorps vor-
aussichtlich ein jüngerer Offizier, etwa ein Kapitänleutnant in Frage
kommen würde, so dürften schon aus diesem Grunde die von Herrn
Crispi gewünschten Besjjrechungen besser in Berlin abgehalten werden.
Ich habe Ew. pp. über die hier in betreff der italienischen An-
regungen maßgebenden Auffassungen hiermit eingehend informiert, und
* Siehe Nr. 1324.
** Siehe Nr. 1325.
269
darf es Ihrem bewährten Takte überlassen, unter Übergehung einiger
kleineren technischen Details, hiernach Herrn Crispi in schonender
Weise vertrauHch zu antworten, wie dies auch hier gegenüber dem
Grafen Launay geschehen wird.
Ihre Berichte enthalten mehrfache Argumente, welche die Ver-
wertung vorstehender Direktive erleichtern werden. So werden Ew. pp.
zur Unterstützung Ihrer Aussprache sich dem italienischen Minister-
präsidenten gegenüber darauf berufen können, daß er selbst (confr.
Bericht Nr. 185*) Italiens und Österreichs Flotten zur Bekämpfung der
französischen Mittelmeerflotte für stark genug erachtet, vorausgesetzt,
daß wir den Rest der französischen Flotte verhindern könnten, nach
dem Mittelmeere zu gehen; hieraus ergibt sich gleichzeitig die Berech-
tigung für das Alibi eines Teiles unserer maritimen Streitkräfte. Ebenso
werden Sie geltend zu machen vermögen die weitere Äußerung Herrn
Crispis (confr. Bericht Nr. 187**), daß Itahen im Bunde mit England
stark genug sei, das Mittelländische Meer gegen Frankreich zu halten.
Überdies hat auch Herr Crispi, wie aus der Anlage erhellt, seither
die Absicht kundgegeben, sich direkt mit Wien in Verbindung zu
setzen, so daß die polemische Seite unseres Einwandes gegen die
Zumutung zur deutschen Initiative in Wien entfällt.
Über die Aufnahme Ihrer Aussprache darf ich einem gefälligen
Bericht seinerzeit ganz ergebenst entgegensehen.
B er ehern
Nr. 1327
Der Botschafter in Rom Graf zu Solms-Sonnenwalde an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 197 Rom, den 5. August 1889
Geheim
Ich habe nicht verfehlt, Herrn Crispi gegenüber die von ihm in
Vorschlag gebrachten Verabredungen über gemeinsame Operations-
pläne zur See zwischen Deutschland, Österreich und Italien eingehend
zu erörtern.
Als ich damit begann, daß es im Interesse Italiens primo loco ge-
boten sei, die Verständigung mit England herbeizuführen, eine Ansicht,
welche auch von Seiner Majestät dem Kaiser und Könige ganz beson-
ders in den Vordergrund gestellt werde, lächelte Herr Crispi sehr selbst-
gefällig und deutete mir mit triumphierender Miene an, daß dies bereits
geschehen, und daß er mit England im reinen sei; ob aber ein
* Siehe Nr. 1323.
** Siehe Nr. 1324.
270
faktisch abgeschlossener itahenisch-enghscher Vertrag vorUegt, oder ob
es sich nur um enghscherseits gemachte, sehr bestimmte Versprechun-
gen handelt, konnte ich von ihm nicht erfahren. Da Herr Crispi augen-
scheinlich Gründe hatte, die Sache mit einem gewissen Schleier des
Geheimnisses zu umgeben, wollte ich nicht weiter in ihn dringen. An
einen Vertrag glaube ich nicht, wohl aber an englische bindende Zu-
sicherungen 1.
Für das Vorhandensein solcher Versprechungen würde außerdem
eine mir vor etwa fünf Wochen unter dem Siegel der größten Ver-
schwiegenheit gemachte Mitteilung sprechen, wonach der das englische
Mittelmeergeschwader kommandierende Admiral Hoskins den Befehl
hatte, die französische Flotte, falls sie sich zur Ausführung eines Hand-
streichs gegen Genua oder eine andere der italienischen Küstenstädte
anschicken sollte, was damals einen Moment befürchtet wurde, sofort,
wenn sie schwächer wäre, anzugreifen, wenn sie dagegen stärker wäre,
sich nach Gibraltar zurückzuziehen und dort Verstärkungen abzuwar-
ten; daß ferner das englische Mittelmeergeschwader, nach der großen
Revue in England, bedeutend verstärkt werden würde.
Trotzdem bestand damals bei Herrn Crispi noch die Besorgnis,
die Franzosen könnten das Zerstörungswerk an einigen italienischen
Seeplätzen bereits vollendet haben, ehe die englische Flotte herbei-
geeilt sei.
Durch die Sicherheit, mit welcher Herr Crispi jetzt auf die Hülfe
der englischen Flotte zählt, und durch die teils vollendeten, teils in der
Vollendung begriffenen Verteidigungsanstalten an der itaUenischen Küste
wesentlich beruhigt, hatte der Minister auch keine Einwendungen zu
machen, als ich ihm darlegte, daß unsere Flotte zum Schutze der deut-
schen Küste gegen die französische Nordseeflotte und zur Sicherung
des deutschen Handels durch den Kanal vor französischen Kreuzern,
sowie zum Angriff der französischen Nordküste unentbehrlich sei.
Nachdem ich mich überzeugt, daß dies Herrn Crispi einleuchtete,
suchte ich festzustellen, ob der Graf Nigra den Befehl erhalten hat,
wie nach dem dem hohen Erlaß Nr. 250 vom 30. v. Mts.*, be-
treffend die Verabredungen Italiens und Österreichs über gemeinsame
Operationspläne beigefügten Schreiben des Grafen Launay vom 27.
v. Mts.** hervorzugehen scheint, diese Frage in Wien anzuregen. Als
Herr Crispi dies verneinte, äußerte ich ihm mein Befremden darüber,
daß er den Anstoß zu derartigen Verhandlungen von uns erwarte,
während es doch am natürlichsten sein würde, daß Graf Nigra die
bezügliche Frage in Wien stelle, da Baron Brück seinerzeit namens
der österreichischen Regierung die ersten Schritte in dieser Angelegen-
heit getan hätte.
Herr Crispi zeigte vorläufig eine entschiedene Abneigung, den Gra-
* Siehe Nr. 1326.
** Siehe Nr. 1325.
271
fen Nigra mit Verhandlungen über diesen Punkt zu beauftragen 2, und
dürfte diese Abneigung auf Bedenken beruhen, welche der italienische
Botschafter, der überhaupt eine gewisse Scheu zu haben scheint, dem
Grafen Kälnoky gegenüber in wichtigeren Fragen die Initiative zu er-
greifen, gegen die Übernahme eines solchen Auftrages geltend ge-
macht hat.
Auf meinen Vorschlag, den österreichischen Geschäftsträger, Gra-
fen Beust, zu veranlassen, die Sache in Wien wieder anzuregen, ging
Herr Crispi nicht ein, trotzdem ich ihn darauf aufmerksam machte, daß
Graf Beust nach dem einstimmigen Urteil der jüngeren Herren meiner
Botschaft, welche in Wien oder an anderen Posten mit Graf Beust zu-
sammen waren, ein sehr wohldenkender und zuverlässiger Mann sei.
Herr Crispi entgegnete, den Baron Brück würde er sofort um seine
Vermittelung bitten, den Grafen Beust aber, der ihm im übrigen sehr gut
gefalle, kenne er zu wenig.
Ich habe versucht, Herrn Crispi begreiflich zu machen, daß wir
in dieser Angelegenheit Österreich gegenüber nicht wohl die Initiative
ergreifen können; meine Bemühungen sind vorläufig fruchtlos geblieben.
Ich werde später versuchen, noch einmal auf die Sache zurückzukom-
men. Da Herr Crispi manchmal seine Entschließungen ändert, in ihm
auch der Wunsch, sich mit Österreich zu verständigen, ziemlich lebhaft
vorhanden ist, so ist es möglich, daß er sich doch noch entschließt, dem
Grafen Nigra die nötigen Weisungen zu geben.
In meiner Konversation fortfahrend, habe ich Herrn Crispi mitge-
teilt, daß Seine Majestät der Kaiser und König beabsichtigten, nach Ein-
treffen des Marquis Gualterio der Kaiserlichen Botschaft hierselbst einen
Seeoffizier zu attachieren, daß jedoch bei dem Personalstande unseres
Seeoffizierkorps voraussichtlich ein jüngerer Offizier, Kapitänleutnant,
in Frage kommen würde. Gleichzeitig machte ich Herrn Crispi, den
diese Nachricht sehr angenehm berührte, darauf aufmerksam, daß, da
wir weder für den Marineattacheposten, noch für die Besprechungen
der deutsch-italienischen Marine-Kooperationen mit dem Marineminister
in Rom höhere Marineoffiziere disponibel hätten, auch die Vertretung
der Kaiserlichen Regierung in dieser hochwichtigen ^ Angelegenheit nicht
wohl einem jüngeren Marineattache anvertraut werden könnte, es für
uns durchaus wünschenswert* wäre, die bezügliche Konferenz fände
in Berlin statt, ähnlich wie dies seinerzeit durch die nach Berlin ent-
sandten italienischen Landoffiziere geschehen sei*^; Marquis Gualterio
würde dann auch seinem Range nach die geeignete Persönlichkeit sein,
die italienische Marine zu vertreten 5.
Herr Crispi war damit vorläufig nicht recht einverstanden 6, ver-
mutlich, weil er es dem Ansehen und der Bedeutung der heutigen ita-
lienischen Kriegsflotte für entsprechender hält, daß eine sich mit Marine-
angelegenheiten beschäftigende Konferenz gerade in Rom"^ stattfinde.
Er sagt, der Marquis Gualterio sei nicht befähigt genug, die italienische
272
Marine bei diesen wichtigen Verliandlungen zu vertreten: ich halte dies
jedoch nur für einen Vorwand, da bei Ernennung dieses Offiziers nach
Berlin seine Tüchtigkeit und seine umfassenden Kenntnisse auf dem
Gebiete des Seewesens von Seiten des hiesigen Marineministeriums
ganz besonders hervorgehoben worden sind.
Ich besuchte heute den Unterstaatssekretär Herrn Damiani um
die Angelegenheit auch mit ihm zu besprechen 8. Herr Crispi hatte ihm
bereits von den Gründen Mitteilung gemacht, aus denen wir wünschen,
daß die Besprechungen über die Marineangelegenheiten in Berlin und
nicht in Rom stattfinden 9. Ich habe Herrn Damiani bemerkt, daß, da
die Konferenz geheim i^ sein müßte, es Herrn Crispi gleichgültig sein
könnte, ob die Besprechungen in Rom oder in Berlin erfolgten. Wenn
er, wie er mir sagte, den Marquis Gualterio nicht für befähigt genug
halte, Italien bei dieser Gelegenheit zu vertreten, so könnte er ja noch
einen anderen Marineoffizier nach Berlin entsenden ii; denn bei Ge-
legenheit der Abmachungen über die Operationen der Landheere hätte
Italien ebenfalls mehrere Offiziere nach BerHn geschickt.
Graf Solms
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Das genügt
- traut er ihm? Nigra hat französ[ische] Sympathien
3 9
* ? nein!
wo, scheint gleichgültig; aber ob ist die Frage! Blech. Or[alf S[olms] muß
derglleichenl nicht ohne Auftrag aussprechen! scrib[endum].
4a ?
5 !
•^ ich auch nicht
' gut, wenn überhaupt eine so zwecklose Sache (pose) stattfinden soll
8 !! trop de zele
9 weiß Gr[af] S[olms] nicht, daß wir sie überhaupt nutzlos halten?
10 ! dann ist sie ganz unnütz; ich nahm an, daß die „pose" für Crispi Weith
hätte
11 I
18 Die Große Politik. 6. Bd. 273
Kapitel XLII
Kaiser Friedrich III.
Das Battenbergsche Heiratsprojekt
w*
Nr. 1328
Der Botschaf ter in Petersburg von Schweinitz an Kaiser Friedrich III.
Ausfertigung
Nr. 88 St. Petersburg, den 31. März 1888
Kaiser Alexander III. empfing mich heute im Anitschkow-Palais
in Privataudienz und nahm aus meinen Händen das allerhöchste
Schreiben entgegen, durch welches Euere Kaiserliche und Königliche
Majestät mich aufs neue beim Kaiserlich russischen Hofe zu be-
glaubigen geruht haben.
Nach Erledigung der Förmlichkeiten bot mir der Kaiser einen
Stuhl an und beehrte mich während etwa zwanzig Minuten mit einer
Unterredung, in welcher höchstderselbe seinen freundschaftlichen Ge-
sinnungen für Euere Majestät und seinem, meiner Überzeugung nach
rückhaltlosen Vertrauen in die Gesinnungen Ausdruck gab, welche
Euere Majestät an dieser selben Stelle vor acht Jahren in einer denk-
würdigen Stunde ausgesprochen haben*.
Kaiser Alexander pflegt wenig Worte zu machen, aber was er sagt,
das meint er wirklich, und ich habe ihn noch nie mit so zuversicht-
licher Befriedigung über seine Beziehungen zu Deutschland sprechen
hören als heute.
Seine Majestät zeigte lebhaftes Interesse für alles, was Euere
Majestät seit Allerhöchstihrem Regierungsantritte getan haben, und
sprach mit einer bei ihm ungewöhnlichen Wärme seine Bewun-
derung aus.
Weiterhin lenkte der Zar die Unterhaltung auf Bulgarien und
sagte, im Augenblick sei weiter nichts zu machen, als ruhig zu warten ;
wie immer bei solchen Gesprächen, so kam auch diesmal die Rede
auf Österreich: bei voller Anerkennung des edlen und zuverlässigen
Charakters des Kaisers Franz Joseph bezeichnete Seine Majestät die
Politik der österreichisch-ungarischen Regierung als mißtrauisch und
falsch, getreu den alten Traditionen des Wiener Kabinetts. Ich er-
laubte mir die Schwierigkeiten darzulegen, mit welchen Graf Kälnoky
sowohl in Zisleithanien den deutschfeindlichen Elementen gegenüber
als auch in Budapest mit den Russophoben zu kämpfen habe, und ich
versuchte, Seine Majestät zu überzeugen, daß nicht nur der öster-
* Im März 1881 hatte der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm an den Bei-
setzungsfeierlichkeiten für Kaiser Alexander 11. teilgenommen.
277
reichisch-ungarische Minister des Äußeren sondern auch Herr von
Tisza die besten Männer seien, welche wir dort an der Spitze der Ge-
schäfte sehen könnten. Der Kaiser sagte, Graf Andrässy würde frei-
lich viel gefährlicher sein, aber Graf Kälnoky habe eigentlich gar keine
Stellung, weder in Wien noch in Budapest. Dabei ermutige er den
Prinzen von Koburg und unterstütze ihn ebenso wie früher den Prinzen
von Battenberg, wolle auf den Einfluß, welchen Österreich-Ungarn in
Sofia gewonnen habe, nicht verzichten und nicht zugeben, daß Rußland
dort die Stellung wiedergewinne, welche es bis zum Jahre 1885 in
Bulgarien eingenommen habe; er, der Kaiser, wisse nicht, vor was
sich das Wiener Kabinett eigenthch fürchte; es müsse doch während
der bezeichneten Periode, also bis 1885, gesehen haben, daß der russi-
sche Einfluß in Sofia nichts Bedrohliches für Österreich zur Folge
hatte.
Im ganzen aber war Kaiser Alexander heute weniger gereizt als
sonst gegen das Wiener Kabinett; er sah, im Vertrauen auf die Inten-
tionen Euerer Majestät, die Gesamtlage ruhig an und zeigte deutlich
die behagliche Befriedigung, mit welcher ihn die Aussicht auf Er-
haltung des Friedens erfüllt.
V. Schweinitz
Nr. 1329
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Staatssekretär
des Auswärtigen Amtes Grafen Herbert von Bismarck*
Privatbrief. Ausfertigung
Geheim St. Petersburg, den 5. April 1888
Ich muß einmal an die fast unlösbar scheinende Aufgabe heran-
treten, die Auffassung zu schildern, welche hier an höchster Stelle
herrscht in bezug auf die durch den Thronwechsel geschaffene Situation.
Euer Exzellenz wollen mir zuvor einen kurzen Rückblick auf die
Lage erlauben, die ich am 21. Dezember v. Js. bei meiner Rückkehr hier
vorfand; sie wird am besten durch die Worte bezeichnet, welche Herr
von Giers damals an mich richtete, und an deren Aufrichtigkeit Seine
Durchlaucht der Herr Reichskanzler zweifelte: „Chez nous l'opinion
prevaut, que nous serons attaques au printemps."
Die Unterredung, mit welcher mich Kaiser Alexander in der Ball-
nacht am 26. Januar d. Js. beehrte**, stimmt damit überein; der Satz
„Vous avez voulu pousser l'Autriche ä la guerre" war die Signatur dieser
Epoche.
Die VeröffentHchung der Falsifikate und die daran in Berlin und
* Des Zusammenhangs wegen vor das folgende Schriftstück gestellt.
** Vgl. Kap. XXXVII: Russisch-Österreichische Kriegsgefahr, Nr. 1176.
278
Petersburg geknüpften Erklärungen* kräftigten das Vertrauen, welches
durch den durch Inhalt und Form mächtigen Neujahrsbrief** unseres
verewigten Kaisers neu belebt worden war. Eine wirkliche Klärung er-
folgte aber erst durch die Rede vom 6. Februar***; die Verstärkung
unserer Stellung durch eine „neue Großmacht", nämlich durch 600000
Mann gedienter, mit guten Führern, Waffen und Kleidern aus-
zustattender Leute, wirkte gründlicher als alle Friedensprogramme und
als alle Bündnisse mit mehr oder weniger problematischen Regierungen.
Jene große Rede, Kraft, Mut und Mäßigung zu gewaltiger Ge-
staltung einend, schuf in Rußland einen für uns befriedigenden, auf
Furcht, Verständnis und einigem Vertrauen beruhenden Zustand, wel-
cher durch unsere Unterstützung der russischen Initiative in Kon-
stantinopel gefestigt wurde.
So lagen die Dinge, als es Gott gefiel, unseren kaiserlichen Herrn
abzurufen.
Ohne auf die für den Zaren und sein Volk charakteristische und
als Symptom der wahren Gesinnungen der russischen Nation beachtens-
werte Teilnahme zurückzukommen, will ich nur dasjenige hervorheben,
was mir als das Wesentlichste erscheint, nämlich die Gedanken, welche
sich der Kaiser Alexander III. über den Einfluß des Thronwechsels auf
das Deutsche Reich macht. Seine Majestät kam gleich nach Empfang
der Trauernachricht zu mir und bUeb wohl eine halbe Stunde; er sprach
edle, rein menschliche Empfindungen aus, die unmittelbar von Herzen
kamen, und ebenso unbefangen und absichtslos sagte er: vor dem alten
Kaiser hätten sich die deutschen Fürsten gebeugt, aber jetzt werde
dies anders werden. Als ich die sich von selbst ergebenden Ein-
* Vgl. Bd. V, Kap. XXXVI, Anhang B.
** Siehe Nr. 1174.
*** Gemeint ist die berühmte Reichstagsrede des Fürsten Bismarck zur Wehr-
vorlage vom 6. Februar 1888, die bekanntlich mit den Worten schloß: „Wir
Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt". In dieser Rede, die ihr
besonderes Gepräge durch die unmittelbar voraufgehende Veröffentlichung des
Deutsch— Österreich-Ungarischen Bündnisses von 1879 erhielt (vergleiche Bd. V,
Kap. XXXV), hat Bismarck, in großen historischen Zügen das Verhältnis Deutsch-
lands zu seinen Nachbarstaaten, insbesondere zu Rußland und Österreich zur Dar-
stellung bringend, die friedliche Grundrichtung der deutschen Politik eindrucks-
voll betont. „Es ist nicht die Furcht, die uns friedfertig stimmt, sondern gerade
das Bewußtsein unserer Stärke, das Bewußtsein, auch dann, wenn wir in einem
minder günstigen Augenblicke angegriffen werden, stark genug zu sein zur Ab-
wehr und doch die Möglichkeit zu haben, der göttlichen Vorsehung es zu über-
lassen, ob sie nicht in der Zwischenzeit doch noch die Notwendigkeit eines Krieges
aus dem Wege räumen wird. — Ich bin also nicht für irgendwelchen Angriffs-
krieg, und wenn der Krieg nur durch unsern Angriff entstehen könnte — Feuer
muß von irgendjemand angelegt werden, wir werden es nicht anlegen — , nun,
weder das Bewußtsein unserer Stärke, wie ich es eben schilderte, noch das Ver-
trauen auf unsere Bündnisse wird uns abhalten, unsere bisherigen Bestrebungen,
den Frieden überhaupt zu erhalten, mit dem bisherigen Eifer fortzusetzen." Siehe
den Wortlaut in: Die politischen Reden des Fürsten Bismarck, ed. H. Kohl,
Bd. XII, S. 440 ff.
279
Wendungen gegen diese Ansicht machte, blieb der Zar dabei und sagte,
er kenne die deutschen Regierungen auch, und Schwierigkeiten von
dieser Seite würden nicht ausbleiben.
Ich schalte ein, daß Kaiser Alexander III. nicht die geringste Sym-
pathie für den Partikularismus hat, und daß dieser der ganzen Natur
Seinem Majestät unverständlich ist; der Zar sprach also keinen Wunsch,
sondern nur eine bei ihm feststehende Meinung aus.
Noch deutlicher tat dies Großfürst Wladimir; in langer und geist-
voller Darstellung schilderte er mir die ihm wohlbekannte Stimmung
mancher kleinen Höfe; „mein Schwiegervater"*, so sagte er, „war
gewiß gut preußisch gesinnt und hat dies durch seine ausgezeichneten
Dienste in den Kriegen bewiesen, aber über die mecklenburgsche
Schärpe verstand er keinen Spaß, und ich bin Zeuge harter Kämpfe ge-
wesen, wenn Ihre Offiziere die mecklenburgsche Uniform anziehen
mußten."
Dem Großfürsten gegenüber sprach ich mich etwas eingehender
aus ; ich deutete an, daß, wenn die Regierungen etwa zu diffizil werden
sollten, die von mir perhorreszierte Notwendigkeit an uns herantreten
würde, dem Parlament etwas mehr Spielraum zu geben, was dann
recht empfindliche Folgen für die betreffenden hohen Herren haben
könnte ; stärker aber betonte ich unser Vertrauen in die erprobte Weis-
heit und Treue Seiner Majestät des Königs von Sachsen, des Prinz-
Regenten von Bayern, des Großherzogs von Baden, Weimar usw.
Als nun die ersten Erlasse unseres allergnädigsten Kaisers und
Herrn** erschienen, erregten sie hier allgemeine Bewunderung, ja Be-
geisterung; ich kann versichern, daß ich bei Russen nicht einer einzigen
Ausnahme hiervon begegnet bin; an diese in der Tat aufrichtigen und
selbstlosen Empfindungen schloß sich eng die Freude darüber an, daß
jetzt kein Krieg, kein Angriff von deutscher Seite zu befürchten sei.
Die Verwirrung, welche hier in den Köpfen und der Presse herrscht,
kann ich weder schildern noch definieren, denn wie könnte man es
vernunftgemäß erklären, daß sich die Leute hier einbilden, jetzt sei
unser Bündnis mit Österreich-Ungarn gelockert, und die Rußland be-
drohende Macht des Reichskanzlers gelähmt.
Alle diese Torheiten feront leur temps, und ich verweile nicht
dabei; dagegen möchte ich die Auffassung des Herrn von Giers durch
einige seiner Worte kennzeichnen, die er im Sinne vieler, auch wohl
in dem seines Souveräns gesprochen hat. In ganz vertraulicher Unter-
haltung sagte er: „au fond rien n'a change, rien ne changera, et il
n'est pas meme desirable, que quelque chose change — excepte le
ton et 9a serait deja beaucoup."
* Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin.
** Gemeint sind die Proklamation Kaiser Friedrichs III. „An mein Volk!" und der
Erlaß an den Reichskanzler vom 12. März 1888 (siehe beide in Schultheß* Euro-
päischer Geschichtskalender Jg. 1888, S. 59 ff.).
280
Wenn Euer Exzellenz mir gestatten wollen, diesen Satz zu inter-
pretieren, so dürfte ich ihn wie folgt auslegen:
Wir wünschen nicht, daß der Reichskanzler zurücktrete, denn er
ist uns nützlich, sowohl für die monarchischen Interessen als auch
für unsere Orientpolitik; wir möchten aber gern, daß Deutschland
weniger stark und weniger schlagfertig sei, daß es allmählich weicher
und aus Friedensbedürfnis unserer Hülfe bedürftig werde, daß es, statt
Ruhe zu befehlen, dieselbe durch Nachgiebigkeit gegen uns und Frank-
reich erkaufe.
Als ich gestern abend zu Herrn von Giers kam, um mit ihm
wegen des Battenbergschen Besuchsprojekts* zu sprechen, fand ich ihn
durch Graf Schuwalows Mitteilungen schon vorbereitet; er hatte sogar
schon tags zuvor, am 3., beim Dienstagsvortrag mit Seiner Majestät
darüber gesprochen; es schien dem Minister nicht ganz unerwünscht
zu sein, daß dem Herrn Reichskanzler einige Schwierigkeiten an unserem
Hofe erwachsen*, dem Gedanken an einen Rücktritt Seiner Durch-
laucht wollte er aber um keinen Preis Raum geben, und hierin ist
er meines Erachtens aufrichtig und in Übereinstimmung mit dem
Souverän. Doch der Wunsch, durch Bleigewichte den kühnen Flug des
preußischen Adlers zu erschweren, ist so lebhaft, daß man wenigstens
für einen Augenblick den Widerwillen gegen den Prinzen von Batten-
berg und selbst die sehr ernsten Folgen außer Augen setzt, welche
sein Hervortreten in Österreich, in England und namentlich in Deutsch-
land nach sich ziehen würde. . Schweinitz
Nr. 1330
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter
in Petersburg von Schweinitz
" Telegramm. Eigenhändiges Konzept
Nr. 43 Berlin, den 4. April 1888
S[eine] M[ajestät] der Kaiser theilte mir am 31. v.M. mit, daß der
Prinz Alexander von Battenberg am 2. c. zum Besuch in Charlotten-
burg erwartet werde**. Der Besuch ist auf meine Bitte telegr[aphisch]
* Siehe Nr. 1330.
** Daß der am 31. März an den Prinzen Alexander von Battenberg ergangenen
telegraphischen Aufforderung, sich am Ostermontage bei Kaiser Friedrich III. zu
melden, eine besondere Absicht, etwa die einer Verlobungsproklamation zugrunde
gelegen hätte, ist aus den Akten nicht zu entnehmen, wird allerdings durch die ein-
gehenden Mitteilungen bei E. C. Corti, Alexander von Battenberg S. 325 ff. außer
Zweifel gestellt. Nach den Berichten des preußischen Gesandten in Darmstadt Frei-
herrn von Thielmann, die sich auf Äußerungen des Großherzogs von Hessen
stützten, hätte es nicht in der Absicht des Prinzen gelegen, bei dem geplanten Be-
such um die Hand der Prinzessin Viktoria, Tochter Kaiser Friedrichs, anzuhalten.
Vgl. auch Nr. 1346, S. 329 f.
281
inhibirt worden, ob definitiv verhindert, weiß ich nicht. Ich habe für
den Fall, daß er erfolgt, meinen Abschied erbeten. Bitte um tel[e-
graphischen] Bericht, ob Sie u[nd] Herr von Giers meine Ansicht theilen,
daß der Empfang dieses, wie ich vermuthe, von der Königin von Eng-
land angeregten Besuchs in Rußland den Eindruck einer antirussischen
Demonstration u[nd] einer Aenderung unsrer bisherigen PoUtik machen
würde. Hier würde das auch in unsrer öffentlichen Meinung der Fall
sein.
V. Bismarck
Nr. 1331
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an Kaiser Friedrich III.
Ausfertigung
Berlin, den 3. April 1888
Nachdem Euere Majestät die Gnade gehabt haben, mir bei dem
letzten Immediatvortrag zu gestatten, meine Bedenken gegen eine
Annäherung oder Auszeichnung des Prinzen Alexander von Batten-
berg schriftlich zu formulieren, habe ich dieselben in einem Immediat-
bericht zusammengestellt, welchen ich mich beehre hierneben aller-
untertänigst zu überreichen*. Daß dies nicht schon gestern geschehen
ist, darf ich ehrfurchtsvoll bitten damit huldreichst entschuldigen zu
wollen, daß ich gestern durch Unwohlsein am Arbeiten verhindert war.
V. Bismarck
Anlage
Berlin, den 3. April 1888
Der Prinz Alexander von Battenberg hat durch seine Vergangen-
heit eine europäische Stellung erlangt, deren Folge ist, daß man nicht
in politische Beziehungen zu ihm treten kann, ohne das Land, von
welchem aus es geschieht, den politischen Rückwirkungen auszusetzen,
welche eine Annäherung an den früheren Fürsten von Bulgarien zur
* Siehe die Anlage. Über Bismarcks frühere Stellungnahme zu Prinz Alexander
vgl. Bd. V, S. 58, Fußnote. In dieser ablehnenden Stellungnahme ist seit 1886
keinerlei Wechsel eingetreten. E. C. Cortis Behauptung (a. a. O. S. 300), daß Bis-
marck im Frühjahr 1887 Prinz Alexander wieder nach Bulgarien zu lassen ge-
dacht habe, um durch die daraus für Rußland entstehenden Schwierigkeiten dieses
zu hindern, Frankreich in einem deutsch-französischen Kriege beizustehen, ist
mit den Akten völlig unvereinbar. Ein Gleiches gilt von der Behauptung (S. 294),
daß Graf Hatzfeldt auf Bismarcks Betreiben andauernd Lord Salisbury bestürmt
habe, den Bulgaren zu raten, mit der Rückberufung Alexanders und der Aus-
rufung Bulgariens zum Königreich eine abenteuerliche Politik zu treiben. Nach
den Akten hat sich Graf Hatzfeldt im Gegenteil der äußersten Zurückhaltung
befleißigt, ganz im Sinne Bismarcks, der ihm dafür am IQ. April 1887 sein völliges
Einverständnis aussprechen ließ. „Wir müssen es überhaupt nach Möglichkeit
vermeiden, uns über diese Frage — die bulgarische Krise — auszusprechen."
Erlaß an Hatzfeldt Nr. 359.
282
Folge hat. Das Gewicht dieser Rückwirkungen wird gesteigert durch
die Tatsache, daß die poHtische Rolle des Prinzen Alexander von Batten-
berg unter gewissen möglichen Umständen keineswegs schon zu Ende
gespielt ist. Sobald in Bulgarien Unruhen entstehen von der Art,
daß die bulgarische Frage durch die Waffen entschieden werden soll,
wird die bulgarische Armee den Prinzen von Battenberg voraussicht-
lich wieder an ihre Spitze berufen, und sobald der österreichisch-russi-
sche Krieg ausbräche, würde er einer der Kandidaten für den neu
zu errichtenden polnischen Thron werden. Die Lemberger Ovationen
und Reden zur Zeit seiner Abdikation lassen das voraussehen. Aus
diesen bulgarischen und polnischen Erwägungen wird der Kaiser
Alexander aus jeder Annäherung unseres Königshauses an den früheren
Fürsten von Bulgarien nach wie vor gegen die Aufrichtigkeit und
Friedensliebe der deutschen Politik Rußland gegenüber Verdacht
schöpfen; es würde das auch dann der Fall sein, wenn dieser Monarch
nicht schon aus der Vergangenheit her durch den Abfall seines Vetters
von seinen russischen Blutsverwandten mit Haß und Mißtrauen gegen
denselben erfüllt wäre.
Die auswärtige Politik des Deutschen Reiches ist seit dem Frieden
mit Frankreich vorwiegend auf die Erhaltung des Friedens und auf
die Verhütung antideutscher Koalitionen gerichtet gewesen. Der Brenn-
punkt dieser Politik liegt in Rußland und in der Aufgabe, dem Kaiser
Alexander persönlich das Vertrauen zur deutschen Politik zu ge-
währen und zu erhalten, dessen Seine Russische Majestät bedarf, um
den kriegerischen Velleitäten seiner Untertanen dauernden Widerstand
zu leisten. Nachdem wir Österreich und Frankreich bekämpft hatten,
lag in den Händen des Kaisers von Rußland, der willkürhch darüber
bestimmt, ob eine Macht von hundert Millionen Menschen Deutsch-
land Freund oder Feind ist, die Möglichkeit, sich mit den beiden von
uns geschlagenen Gegnern zu verbinden. Diese Möglichkeit ist durch
den Bündnisvertrag mit Österreich eingeschränkt. Immer aber ist ein
Krieg, den wir mit Rußland und Frankreich gleichzeitig zu führen
hätten, auch wenn er siegreich bliebe, eine der größten Kalamitäten,
welche über das deutsche Volk hereinbrechen können. Der Beistand
Österreichs, auf welchen wir dabei rechnen, ist nicht so stark, wie er
sein könnte, und kann unter Umständen, wenn in Italien Wechsel der
Majoritäten und Regierungen stattfinden, durch einen Umschwung
der italienischen Politik noch sehr vermindert werden, so daß wir
gegen einen Anfall beider Nachbarn in der Hauptsache auf unsere
eigenen Kräfte angewiesen sein würden. Ob wir Gefahr laufen, mit
beiden gleichzeitig in Krieg zu geraten, darüber liegt wieder die Ent-
scheidung ausschließlich beim Kaiser Alexander. Wir können mit
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Frankreich, solange ihm Rußland
nicht beisteht, uns in Ruhe läßt oder von uns wiederum geschlagen
wird. Kann aber Frankreich auf russischen Beistand rechnen, so haben
283
wir den Krieg mit beiden Mächten gleichzeitig in ganz sicherer Aus-
sicht. Die Politik des hochseligen Kaisers Wilhelm hat es daher als
ihre vornehmste Aufgabe betrachtet, den Frieden mit Rußland zu
sichern und zu dem Zwecke das Vertrauen des Kaisers Alexander zu
unserer Politik zu befestigen und ihn dadurch widerstandsfähig gegen
die kriegerischen Velleitäten seiner Untertanen zu machen. Noch vor
sechs Monaten waren die Kriegsbefürchtungen bei uns und überall
vorherrschend. Durch richtiges Verfahren auf diplomatischem Gebiete
ist es uns gelungen, in den Beziehungen zu Rußland, worunter nach den
russischen Verhältnissen immer ausschließlich die zu der Person des
regierenden Kaisers zu verstehen sind, ein Maß von Vertrauen wieder-
herzustellen, welches gegründete Aussicht auf Fortdauer des Friedens
bietet. Durch jeden Wechsel in unserer Politik kann eine Wendung
nach der Seite des Kriegs hin in der politischen Lage herbeigeführt
werden, deren weitere Entwicklung durch diplomatische Mittel nicht
immer mit Sicherheit gehemmt werden kann. Es wäre ein großes
Unglück für Deutschland nicht nur, sondern für alle friedliebenden
Nationen in Europa, wenn lediglich durch einen Mißgriff in der diplo-
matischen Behandlung unserer Beziehungen zum Kaiser Alexander eine
so verhängnisvolle Wendung, eine Zerstörung aller bisher erreichten
diplomatischen Erfolge herbeigeführt werden sollte. Unter den An-
lässen der friedlichen Entwicklung unserer russischen Beziehungen
nimmt das ablehnende Verhalten der Politik des hochseligen Kaisers
zu dem früheren Fürsten von Bulgarien eine hervorragende Stelle ein;
von jeder Annäherung an den letzteren ist der Eindruck auf den Zaren
schwer zu berechnen; ich wenigstens möchte die Verantwortlichkeit für
die praktischen Ergebnisse dem eigenen Lande gegenüber nicht über-
nehmen. Man könnte sagen, daß Deutschland stark und groß genug
ist, um das Wohlwollen, welches seine Dynastie für einen Prinzen
von Battenberg hegen kann, nicht nach den Eindrücken auf den Kaiser
von Rußland zu bemessen. Eine derartige Gleichgiltigkeit gegen die
Rückwirkung, welche das Verhalten der Dynastie auf den Frieden und
das Wohl des Landes und der Untertanen haben kann, liegt indessen
nicht in den Traditionen der preußischen Monarchie. Das friedliche
Beieinanderwohnen der großen europäischen Mächte ist überhaupt nur
dadurch möglich, daß ihre Regierungen und ihre Dynastien auf die
Bedürfnisse nicht nur, sondern auf die Neigungen und Wünsche der
Nachbarvölker und der Souveräne derselben sorgfältig Rücksicht nehmen
und Motiven zu Verstimmungen rechtzeitig vorbeugen, solange es
noch mit Ehren möglich ist. Das sehr starke Nachbarvolk der Russen
ist nun ausschließlich durch den Kaiser Alexander repräsentiert, und
die persönlichen Eindrücke dieses Monarchen werden sich sicher wider-
spiegeln in der auswärtigen Politik des großen russischen Reiches.
Es wird also nach preußischen Begriffen nicht unter die politischen
Möglichkeiten gerechnet werden können, daß persönliche Wünsche
284
und Neigungen der Dynastie schwerer ins Gewicht fallen könnten
als die Rücksicht auf den Frieden und die Wohlfahrt der Untertanen
derselben und der gesamten deutschen Nation.
Den Eindruck, welchen es in Rußland und insbesondere auf den
Kaiser Alexander machen würde, wenn von Euerer Majestät Seite
dem früheren Fürsten von Bulgarien eine Auszeichnung oder ein
Kommando verliehen würde, vergegenwärtigt man sich am deutlichsten,
wenn man annimmt, daß der Kaiser Alexander im gegenwärtigen Augen-
blicke dem in Paris entlassenen General Boulanger einen hohen russi-
schen Militärorden oder ein Kommando in der russischen Armee, zum
Beispiel in Warschau, verleihen wollte. Einem solchen Gunstbeweise
von maßgebender Stelle gegenüber würde in ganz Deutschland so
starkes Mißtrauen gegen die russische Politik folgen, durch dessen
weitere Entwicklung die Friedensaussichten erheblich vermindert werden
könnten. Daß eine von Euerer Majestät jetzt dem Prinzen von Batten-
berg verliehene Auszeichnung oder Ernennung die gleiche Wirkung
in Rußland üben würde, ist nicht zweifelhaft, und sie würde dort infolge
der daran geknüpften Hetzereien der deutschfeindlichen, von französi-
schem Gelde unterstützten Presse noch einschneidender auf die russi-
sche Politik zurückwirken, weil der Kaiser Alexander in der Tat schon
ohnehin eines erheblichen Maßes von Energie und von Vertrauen
auf die Zuverlässigkeit der deutschen Politik bedarf, um der starken
Kriegspression im eigenen Lande Widerstand zu leisten, einen Wider-
stand, welchen Kaiser Alexander II. bei aller Abneigung gegen den
damaligen türkischen Krieg dauernd nicht durchführen konnte. Dabei
ist noch zu veranschlagen, daß die Sorge für die persönliche Sicher-
heit des russischen Monarchen damals, 1877, nicht in dem Maße auf
die russische Politik einwirkte wie jetzt, nach den vielen verbrecheri-
schen, seitdem versuchten und leider zum Teil gelungenen Attentaten.
Ich glaube danach, Euerer Majestät ehrfurchtsvoll empfehlen zu
dürfen, aus Rücksicht auf die Schwierigkeiten, welche die Pflege des
Friedens ohnehin bietet, aus Rücksicht auf die Ausdehnung des Krieges,
im Falle die Erhaltung des Friedens mißlingt, und auf den gänzlichen
Mangel an politischem und nationalem Interesse Deutschlands an einem
Kriege mit Rußland und Frankreich den Anstoß, welchen jede irgendwie
geartete Annäherung an den früheren Fürsten von Bulgarien zu einer
kriegerischen Entwicklung geben könnte, mit landesväterlicher Sorg-
samkeit zu vermeiden. Wenn durch einen solchen Anstoß, wie ich
es nach meiner auf langjährigen Erfahrungen begründeten Überzeugung
für möglich halte, das mühsam hergestellte Vertrauensverhältnis zum
Kaiser Alexander gestört, und infolge dieser Störung eine zwar nicht
sofort kriegerische, aber doch unaufhaltsam feindlicher werdende Ent-
wicklung in der Richtung des Krieges stattfände, so würde es un-
möglich sein, vor der öffentlichen Meinung Deutschlands, den Parlamen-
ten, vor der Geschichte ein annehmbares oder auch nur glaubwürdiges
285
Motiv für eine solche scheinbar willkürliche Störung der Beziehungen
zu unserem autokratischen Nachbar aufzustellen. Die Mit- und Nach-
welt würde sich nicht erklären können, welches Interesse die deutsche
Politik bewogen haben könnte, dem Prinzen von Battenberg Ounst-
bezeugungen zu gewähren, durch welche das bis dahin mühsam ge-
pflegte Verhältnis zum Kaiser von Rußland getrübt, und der Frieden
der Nation dynastischen Konvenienzen geopfert werden konnte.
Ich habe keinen Anspruch darauf, daß Euere Majestät bei Aus-
zeichnungen auf militärischem Gebiete oder bei Allerhöchsten Ent-
schließungen über persönliche Beziehungen des Königlichen Hauses
mir als politischem Minister eine geschäftliche Einwirkung gestatten.
Aber es ist an sich schwer, Akte des Deutschen Kaisers und
Königs von Preußen von politischer Rückwirkung frei zu halten;
sicher unmöglich ist dies aber in dem vorliegenden Falle wegen der
vergangenen und möglicherweise der zukünftigen Beziehungen des
ehemaligen Fürsten von Bulgarien zur europäischen, insbesondere zur
deutsch-russischen Politik. Euerer Majestät ist bekannt, wie entschieden
bis zum Hintritt des hochseligen Kaisers die Haltung unserer Politik
in dieser Frage gewesen ist, und wie ich mich im Sinne derselben
im Parlament, in öffentlichen Aktenstücken und namentlich in Ver-
handlungen mit dem russischen Hofe amtlich auszusprechen gehabt
habe. Wenn nun wenige Wochen nach dem Regierungswechsel aller-
höchste Kundgebungen stattfänden, welche das Ausland zu der Vor-
aussetzung berechtigen, daß eine völlige Umwandlung der bisherigen
Haltung der deutschen Politik in dieser schwerwiegenden Frage statt-
gefunden hat, und wenn dann meine Stellung im Deutschen Reiche
unverändert dieselbe bliebe, so würden daraus Schlüsse gezogen werden,
die, ganz abgesehen von ihrer Rückwirkung auf mein eigenes Ehr-
gefühl, das Vertrauen entkräften müßten, welches mir die Stetigkeit
meiner langjährigen Amtsführung bei den europäischen Kabinetten
und in der öffentlichen Meinung des eigenen Landes erworben hat.
Man würde annehmen, daß entweder meine politische Haltung über-
haupt schroffem Wechsel unterworfen und also unzuverlässig sei, oder
daß ich meine Überzeugungen nach Bedürfnis wechsele, um mich
in meiner amtlichen Stellung zu erhalten. In beiden Fällen würde
meine Brauchbarkeit für den allerhöchsten Dienst wesentlich vermindert
und auf ein Maß zurückgeführt werden, welches andere in meiner
Stelle auch würden erfüllen können, ohne durch Alter und Krankheit
in dem Maße gehemmt zu sein, wie ich es bin. Denn wenn irgend-
etwas meinen Diensten, die ich Euerer Majestät, soweit meine Kräfte
reichen, mit Freuden leiste, einen ausnahmsweisen Wert verleihen
kann, so ist es gerade das Vertrauen auf mein Wort und auf meine
Zuverlässigkeit in der Politik, welches ich mir in einem 25jährigen
Zeitraum habe erwerben können. Dieser Vorzug wird hinfällig, so-
bald der Glaube an meine Zuverlässigkeit oder an meinen Einfluß
286
auf die deutsche Politik schwindet. Wenn ein so wichtiger politischer
Akt wie das Heranziehn einer bisher mit Rücksicht auf Rußland und
nach dessen Wünschen ferngehaltenen hochpolitischen Persönlich-
keit gegen mein Votum stattgefunden hätte, und ich dennoch im
Dienst bliebe, so würden meine Auslassungen dem Auslande gegen-
über auch in andern Fragen das bisherige Gewicht nicht mehr haben,
und der in letzterem liegende Vorteil für den Dienst Euerer Majestät
verlorengehen.
Ich kann aus diesen Gründen Euerer Majestät meine Überzeugung
nicht verhehlen, daß ein politischer Akt, welcher eine Änderung der
bisherigen bulgarischen Politik des Deutschen Reichs, einschließlich
unserer Beziehungen zu der Person des früheren Fürsten von Bul-
garien, involvierte, mich zu meinem tiefsten Schmerze in die Not-
wendigkeit versetzen würde, Euere Majestät um huldreiche Enthebung
von der Leitung der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches in
Ehrfurcht zu bitten.
V. Bismarck
Nr. 1332
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an Kaiser Friedrich III.
Ausfertigung
Berlin, den 4. April 1888
Wenn ich meinem alleruntertänigsten Immediatberichte vom
gestrigen Tage schon heute einen Nachtrag folgen lasse, so wollen
Euere Majestät daraus huldreichst entnehmen, wie lebhaft die Besorg-
nisse sind, welche mich bezüglich der Rückwirkungen der betreffen-
den Frage auf die Politik beschäftigen. Ich habe in meinem gestrigen
ehrfurchtsvollen Bericht grade den nächstliegenden Punkt dieser Rück-
wirkungen, wie ich glaube, nicht hervorgehoben. Wenn Euere Majestät
den Besuch nicht gehindert hätten, so würde der Prinz vorgestern hier
schon eingetroffen sein. Die erste Rückwirkung dieses Ereignisses
würde, wie ich glaube, sich an der Börse durch Rückgang unserer
und der russischen Effekten fühlbar gemacht haben. In der öffent-
lichen Meinung aber bei uns und in anderen Ländern würde der all-
gemeine Eindruck der gewesen sein, daß mit dem Empfang dieses
Besuches, resp. mit der Einladung dazu eine antirussische Demonstra-
tion beabsichtigt sei, also eine Änderung in der bisherigen friedlichen
Politik. Der Prinz von Battenberg ist nach seiner ganzen Stellung
nicht in der Lage, an Euerer Majestät Hoflager uneingeladen zu er-
scheinen. Zu einer ausdrücklichen Einladung desselben würde für
die öffentliche Meinung ein anderer als ein politischer Grund nicht
erfindlich sein. Vor der Öffentlichkeit würde damit Rußland gegen-
über ein neuer Weg eingeschlagen sein, auf welchem, wenn er einmal
betreten ist, mit Ehren umzukehren, seine Schwierigkeiten haben
287
wird. Fände aber keine Art von Umkehr statt, so würde die Presse
der beiden beteiligten Länder und die Frankreiclis einen neuen Anlaß
haben, die durch die Battenbergsche Einladung hervorgerufene russi-
sche Verstimmung zu schüren und weiterzuentwickeln. In Deutsch-
land, wo die öffentliche Meinung in diesem Augenblick noch mehr
wie gewöhnlich Wert auf den Frieden legt, würde man gar kein Ver-
ständnis dafür haben, wie lediglich aus Rücksicht auf einen Battenberg-
schen Prinzen, und um diesem eine Ehre zu erzeigen, unsere Be-
ziehungen zu Rußland freiwillig geschädigt werden können, da Deutsch-
land von dem Wohlwollen des Prinzen Alexander nichts zu erwarten,
von der Verstimmung des Kaisers Alexander aber verstärkte Kriegs-
gefahr zu besorgen hat. Man würde, um eine sonst nicht erkläriiche
und den Traditionen des Königshauses widersprechende Hintansetzung
der Landesinteressen gegenüber persönlichen Wünschen sich zu er-
klären, auf die Vermutung kommen, daß hier nicht ausschließlich
deutsche Erwägungen, sondern englische Einflüsse diese unerwartete
Wendung unserer Politik herbeigeführt hätten. Man würde annehmen,
daß der Anlaß und die Ermutigung des Prinzen von Battenberg von
Ihrer Majestät der Königin Viktoria ausgegangen sei. Diese Ver-
mutungen liegen, abgesehn von den dafür sprechenden persönlichen
Beziehungen Ihrer Majestät der Königin von England zu der Familie
Battenberg, poHtisch nahe; denn für die englische Politik ist es
von wesentlichem Nutzen, Verstimmungen zwischen Deutschland und
Rußland zu schaffen. Ein russisch-deutscher Krieg würde England die
Aufgabe, seine Interessen Rußland gegenüber wahrzunehmen, wesent-
Hch erleichtern; für Deutschland aber ist und bleibt ein russischer
Krieg — siegreich oder nicht — immer eine große Kalamität, deren
Verhütung die Nation von der Politik Euerer Majestät vertrauensvoll
erwartet. Wenn die öffentliche Meinung annehmen könnte, daß diese
Erwartung aus Gefälligkeit für England und aus persönlichen und
dynastischen Motiven getäuscht worden wäre, so würde die daraus
hervorgerufene Verstimmung eine nicht unberechtigte und schwer zu
beruhigende sein. Wie empfindlich der Kaiser Alexander noch immer
in der Battenbergischen Richtung ist, geht unter andern aus der Tat-
sache hervor, daß die Sendung des Thronfolgers zur Beisetzung des
hochseligen Kaisers eine kurze Zeit hindurch aufgegeben werden sollte,
weil das Gerücht nach Petersburg gelangt war, der frühere Fürst von
Bulgarien werde der Feier beiwohnen. Graf Schuwalow war damals
der Meinung, daß dieses Gerücht von der antideutschen Partei in Ruß-
land erfunden sei, um die Sendung des Thronfolgers und den deutsch-
freundlichen und friedüchen Eindruck derselben zu hindern. Daß die-
selbe unterblieben wäre, wenn der russische Thronerbe hier mit dem
Prinzen von Battenberg hätte zusammentreffen müssen, bezweifelte
auch Graf Schuwalow nicht.
v. Bismarck
288
Nr. 1333
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter in London
Grafen von Hatzfeldt
Telegramm. Eigenhändiges Konzept
Nr. 49 Berlin, den 5. April 1888
Ich fürchte, daß das Battenbergische Heirathsproject mit unsrer
Prinzeß von englischer Seite u[nd] persönlich durch I[hre] M[ajestät]
die Königin Victoria wieder lebhafter betrieben wird. Machen Sie Lord
Salisbury vertraulich darauf aufmerksam, daß das Gelingen dieses
Projectes der deutschen Politik nothwendig und auf die Dauer eine
russenfreundlichere Richtung aufnöthigen würde, als ihr ohne solche
Familienbeziehung zu Battenberg u[nd] Bulgarien angezeigt erscheinen
könnte; namentlich wenn eine kriegerische Entwicklung der Situation
den Prinzen von Battenberg wieder nach Bulgarien führen sollte*.
V, Bismarck
Nr. 1334
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an das Auswärtige Amt
Telegramm. Entzifferung
Nr. 59 St. Petersburg, den 5. April 1888
Als ich mit Herrn von Giers über die Eventualität eines Besuchs
des Prinzen Alexander von Battenberg in Charlottenburg sprach, er-
widerte derselbe wörtlich:
„Dans l'opinion publique cette visite rencontrerait une interpreta-
tion fausse et defavorable. Toutefois, si eile avait lieu, bien que nous
la regretterions, nous garderions notre conviction que tant l'Empereur
Frederic que le Prince Chancelier ne changeront pas leur politique
amicale pour la Russie et qu'ils resteront fideles ä notre arrangement
concernant la non-admission du Prince Alexandre au pouvoir en Bul-
garie." Herr von Giers fügte hinzu, er werde meine Mitteilung Seiner
Majestät unterbreiten und mich unterrichten, ob seine rein persönliche
Meinung vom Kaiser geteilt werde.
Meines ehrerbietigen Erachtens überwiegt gegenwärtig beim
Petersburger Kabinett der Wunsch, die Feindschaft und Kontinuität
unserer Politik durchbrochen zu sehen, selbst die Abneigung gegen
* Auf die Demarche Graf Hatzfeldts bei Lord Salisbury wies dieser den eng-
lischen Botschafter in Berlin an, die Bismarckschen Bedenken gegen das Heirats-
projekt direkt der Königin Viktoria zu unterbreiten; gegebenenfalls wollte Lord
Salisbur}- selbst der Königin die größte Reserve anempfehlen. Telegramm Graf
Hatzfeldts vom 6. April.
19 Die Große Politik. 6. Bd. 289
den Prinzen von Battenberg und die Besorgnis vor den Folgen seines
Wiederliervortretens. Die russische Presse würde meines Erachtens
den Besuch des Prinzen Alexander als eine russenfeindliche Demonstra-
tion und als eine Ermutigung für alle Gegner Rußlands darstellen,
die kaum verstummten Verdächtigungen gegen uns würden wieder
beginnen, und die in letzter Zeit abgeschwächte Hinneigung zu Frank-
reich würde in einer den Frieden gefährdenden Weise wieder hervor-
treten.
Schweinitz
Nr. 1335
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter in
Petersburg von Schweinitz
Telegramm. Konzept von der Hand des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck
Nr. 46 Berlin, den 7. April 1888
Die in Ew. Telegramm Nr. 59* „wörtlich" wiedergegebene Äuße-
rung des Herrn von Giers steht nicht im Einklang mit einer heute dem
Grafen Schuwalow telegraphisch zugegangenen Instruktion, welche
lautet: „Sa Majeste l'Empereur trouve naturellem ent quant au
mariage qu'il serait tres peu desirable et meme prejudiciable pour
nos bons rapports avec l'Allemagne." Die Tonart dieser kurzen und
klaren Enunziation des Zaren entspricht seiner bisher bekannten Auf-
fassung mehr als die von Ew. übermittelte evasive und gleichgültig
klingende Version des Herrn von Giers.
Die letztere entspricht auch nicht Ihrer im Schlußsatz Ihres Tele-
gramms formulierten persönlichen Auffassung über die Folgen, welche
Besuch, Auszeichnung und Heirat des Prinzen von Battenberg für
unsere Beziehungen zu Rußland haben würden, dagegen stimmt
wiederum zu den Worten von Giers das, was Ew. kurz vorher über
den russischen Wunsch sagen, die „Feindschaft und Kontinuität**
unserer Politik durch Tolerierung des Prinzen von Battenberg durch-
brochen zu sehen. Wenn dies heißen soll, daß das Petersburger
Kabinett für jetzt nicht den Mut seiner Meinung hat, und daß Herr
von Giers, wie es nach seinem Telegramm an Graf Schuwalow den
Anschein hat, Ihnen seine wahre Ansicht verbirgt, so bitte ich um
eine erklärende Äußerung Ihrerseits**.
v. Bismarck
* Siehe Nr. 1334.
** Nach einem Telegramm Schweinitz' vom 8. April wäre die schwankende russi-
sche Haltung daraus zu erklären, daß zunächst nur von einem Besuch und einer
Anstellung des Prinzen von Battenberg die Rede gewesen war, der man russischer-
seits keine Bedeutung beilegte, dann aber von der eventuellen Vermählung des
Prinzen mit der Tochter Friedrichs III.
290
Nr. 1336
Der Reichskanzler Fürst von ßismarck an den Botschafter in
Petersburg von Schweinitz
Konzept
Nr. 208 Berlin, den 8. April 1888
Geiieim [abgegangen am 9. April]
Ew. an den Staatssekretär gerichteten Privatbrief vom 5. d. Mts.*
habe ich mit Interesse gelesen und bemerke bezüglich des Schluß-
satzes desselben, welcher die Stellungnahme des Petersburger Kabinetts
zu der Battenbergischen Angelegenheit berührt, daß die Behandlung
derselben durch die Unklarheit und Zurückhaltung des Herrn von Qiers
wesentlich erschwert wird. Bei der unberechenbaren Rückwirkung,
welche die Einnistung des Prinzen an unserem Hofe auf unsere Be-
ziehungen zu Rußland haben kann, hatte ich erwartet, daß Herr von Giers
in Übereinstimmung mit seiner früheren Haltung und mit der des
Grafen Schuwalow mich in den Stand setzen würde, die Gefahren
englisch-battenbergischer Zettelungen nachdrücklich zur Geltung zu
bringen. Nach den in Ihren amtlichen telegraphischen Meldungen
gebotenen Unterlagen habe ich hierzu aber keine Handhabe und be-
schränke mich also darauf, mein Bedauern darüber auszudrücken, daß
die mise en scene von russischer Seite ohne guten Willen oder ohne
taktisches Geschick erfolgt ist. Die Folge wird sein, daß ich, ob-
schon ich im Sinne Seiner Majestät des Kaisers zu handeln und dessen
innre Wünsche zu vertreten glaube, doch die Ew. bekannten Pläne
Ihrer Majestät der Kaiserin nicht mit Erfolg werde bekämpfen können,
weil ich nicht russischer sein kann als die russische Regierung. Ich
hatte angenommen, daß ich gegen die Verwirklichung dieser unter
englischem Einfluß geplanten antirussischen und friedensfeindlichen
Schwenkung in unserer Politik bei Herrn von Giers denselben Bei-
stand finden würde, den Graf Schuwalows Tonart hier in Aussicht
stellte: derselbe erfaßte bei unserer ersten Unterredung sofort die
Wichtigkeit, welche dieser Angelegenheit beizulegen ist, mit großer
Lebhaftigkeit, und ich kann nicht daran zweifeln, daß er die schwer-
wiegenden Folgen, welche die Erhebung des Prinzen von Battenberg
für die gesamte europäische Gruppierung haben muß, in seiner Bericht-
erstattung zur vollen Geltung gebracht hat; um so mehr war ich in
dem Glauben, daß Herr von Giers sich der Auffassung des nissischen
Botschafters anschließen und darnach handeln würde. Wenn ich mich
darin geirrt habe, so verliere ich hier die Unterlage meines Stand-
punktes, welche eben die Voraussetzung der Verstimmung des Kaisers
Alexander ist, nicht bloß gegen den Prinzen von Battenberg, sondern
überhaupt gegen die Leitung der deutschen Politik im Sinne der Königin
von England. Wenn der russische Beistand ausfällt, weil das Peters-
* Siehe Nr. 1329.
,9. 291
burger Kabinett nicht den Mut seiner Meinung hat oder Finesserien
gegen mich persönlich betreibt, so wird der Sieg der englischen Politik
an unserem Hofe sich einfach vollziehen und infolgedessen notwendig
auch mein Rücktritt. Ich würde das um so mehr bedauern, als ich
die Überzeugung habe, daß Seine Majestät der Kaiser, dem allein ich
zu dienen beabsichtige, innerlich meiner Meinung ist und selbst in
meinem Abschiedsgesuch eine Stütze seiner eigenen Ansicht der Kaiserin
gegenüber findet. Wenn aber das russische Kabinett mir in dieser
Frage nur lau oder hinterhaltig beisteht, so werden eben die Damen
und England siegreich aus dem Kampfe hervorgehen, und zunächst
mutmaßlich die Folgen in der russischen und französischen Presse ein-
treten, welche Ew. am Schluß Ihres Telegramms Nr. 59 vom 5. d. Mts.*
voraussehen. Ob und wie lange dann der Kaiser Alexander diesem seit
sechs Monaten durch geschickte diplomatische Behandlung mühsam
neutralisierten Ansturm widersteht, muß der Erfolg lehren. Ich will
mich wenigstens von Mitschuld an dergleichen diplomatischen Gewissen-
losigkeiten freihalten.
Inzwischen ist Ew. Telegramm Nr. 62 hier eingegangen. Ich be-
merke dazu, daß eine eheliche Verbindung zwischen der Prinzeß Viktoria
und dem Prinzen Alexander von Battenberg allerdings gefährlich sein
würde, weil letzterer dadurch Einfluß auf die kaiserliche Familie ge-
winnen und diesen politisch ausnutzen würde, ein Besuch, eine Aus-
zeichnung oder Anstellung des früheren Fürsten von Bulgarien würden
aber theoretisch noch bedenklicher sein und nebenher unzweifelhaft
zu derselben führen. Denn ein so dreister Streber, wie der Prinz ist,
würde sicherlich jedes Entgegenkommen ausnutzen, um ein fait accompli
zu schaffen. Jede Anerkennung, welche der Person des Prinzen von
Battenberg an sich zuteil wird, trägt den Charakter einer Unfreundlich-
keit für den Kaiser von Rußland und ist der politischen Bedeutung
niemals zu entkleiden, während eine bloße Vermählung ohne jede
Berücksichtigung der Stellung des Prinzen allenfalls auf das private
Moment persönlicher Neigung zurückgeführt werden könnte.
V. Bismarck
Nr. 1337
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter in
Petersburg von Schweinitz**
Konzept
Nr. 215 ' Beriin, den 12. April 1888
[abgegangen am 14. April]
Zur Richtigstellung von Nachrichten, welche über mein Abschieds-
gesuch in die Presse gedrungen sind, bemerke ich nachstehendes ver-
traulich zu Ew. pp. Information.
* Siehe Nr. 1334.
** Ein im wesentlichen gleichlautender Erlaß ging an die Botschafter in Wien und Rom.
292
Als ich mich entschloß, nach dem Tode des hochseligen Kaisers
weiter zu dienen und auf die meinem Alter und meiner Gesundheit
entsprechende Ruhe zu verzichten, konnte ich das mit Rücksicht auf
meine durch Erschöpfung verminderte Leistungsfähigkeit nur unter
der Voraussetzung tun, daß ich die Leitung der auswärtigen Politik
in derselben Richtung wie unter der vorigen Regierung so zu führen
haben würde, wie ich sie nach meiner seit Jahren betätigten Über-
zeugung unter dem hochseligen Herrn hatte verantworten können.
Schon aus Gesundheitsrücksichten fühle ich mich aber außerstande,
an der Spitze der Geschäfte zu bleiben, wenn sich die Annahme als
irrig erweist, daß dieselben sich auf erprobten festen Bahnen ohne
innere Kämpfe über ihre Richtung weiter bewegen würden.
Wenn Seine Majestät der Kaiser Ratschläge befolgen wollte, die ich
seit Jahren auf Befehl des Kaisers Wilhelm bekämpft habe und mir auch
heut nicht anzueignen vermag, so wäre ich in den Geschäften entbehr-
lich und hätte keine Veranlassung, meine letzten Kräfte in denselben
aufzureiben.
Das Hauptziel meiner Politik ist seit 1871 die Erhaltung des
Friedens gewesen; um dasselbe erreichen zu können, bedarf ich eines
gewissen Spielraums in der Behandlung unserer Beziehungen zu Ruß-
land. Wenn es jetzt zu der bei Hofe geplanten Auszeichnung des
Prinzen Alexander von Battenberg kommt, so wird unserer Politik
dadurch ein fremder Stempel aufgedrückt, dessen Bedeutung ich nicht
vertreten kann. Die Pflege des europäischen Friedens ist eine Aufgabe
von der Schwierigkeit, daß nicht nur poHtische Sachkunde, sondern für
den Sachkundigen auch ein gewisses Maß freier Bewegung nötig ist,
um den Gefahren, die dem Frieden erwachsen können, rechtzeitig vor-
zubeugen. Wenn auf Grund von persönlichen und Familienintefessen
politische Schritte geschehen, welche den Zwang zu einer Änderung
der bisherigen Politik mit sich bringen, von der ich eine Gefährdung
des Friedens und der Landesinteressen voraussehe, so ist es für mich
nicht tunlich, durch mein Verbleiben im Dienst den Schein der Zu-
stimmung zu dem Geschehenen auf mich zu nehmen.
Ich glaube nicht, daß mein Ausscheiden wegen eventueller Er-
hebung des Prinzen von Battenberg eine Änderung in unserer Politik
zur uumiltelbaren Folge haben würde. Immerhin aber würden sicli
unsere Beziehungen zu Rußland dadurch schwieriger gestalten. Die
Ernennung des früheren Fürsten von Bulgarien zu einem Kommando
im deutschen Heere würde, auch abgesehen von der Streichung dieses
Prinzen aus den russischen Armeelisten, den Eindruck einer anti-
russischen Demonstration in Voraussicht eines russischen Krieges
machen. Die in Rußland weitverbreiteten Lügen von der Absicht
Deutschlands, Rußland anzugreifen, würden durch solche Demonstra-
tion neue Nahrung erhalten, und das Vertrauen des Kaisers Alexander
auf unsere Friedensliebe in Mißtrauen verwandelt werden. Käme dazu
293
die Vermählung mit einer preußischen Prinzeß und damit die Fest-
setzung des enghsch-battenbergischen Einflusses im Königlichen Hause,
so ist nicht anzunehmen, daß der Kaiser von Rußland noch fernerhin
seine Person und seine Popularität vertrauensvoll einsetzen werde, um
sich der Kriegslust seiner Untertanen entgegenzustellen. Der Kaiser
Alexander steht aber dem russischen Chauvinismus mit seiner Friedens-
liebe ziemlich allein gegenüber, und ich habe meine Politik auf diese
Erkenntnis gegründet.
Da ich vor meinem Lande und vor der Geschichte die Verant-
wortung nicht übernehmen kann, bei einer Situation in den Geschäften
geblieben zu sein, welche eine nähere Kriegsgefahr in sich birgt als
die von mir erstrebte, und da ich voraussehe, daß mir die Befähigung zur
Umgestaltung derselben verloren gegangen sein würde, nachdem eine so
schwerwiegende Entscheidung wie die schwebende gegen meinen Rat
getroffen worden wäre, so ist die notwendige Konsequenz meiner
Vergangenheit mein konditionelles Abschiedsgesuch gewesen. Der
Kaiser selbst hat bisher keine Neigung, den in der Presse besprochenen
Heiratsplänen näherzutreten.
Seine Majestät haben bei meinem gestrigen Vortrage die aller-
höchste Auffassung dahin auszusprechen geruht, daß der eventuelle
Anlaß zu meinem Abschiedsgesuche nicht vorliege, und die Sache damit
erledigt sei. Ich darf danach hoffen, daß mit Bezug auf den Prinzen
Battenberg zunächst nichts geschehen werde*.
v. Bismarck
Nr. 1338
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Reinschrift. Teilweise eigenhändig
Berlin, den 27. April 1888
Bei dem Souper, welches gestern bei dem Großfürsten Wladimir
auf der russischen Botschaft stattfand, sprach mich Graf Schuwalow
unmittelbar beim Eintritt auf den Besuch der Königin von England**
* Diese Erwartung des Fürsten Bismarck hat sich erfüllt: das Heiratsprojekt ist
nicht wieder ernstlich zur Sprache gekommen. Nach der Thronbesteigung Wil-
helms II. erklärte dieser sofort dem Prinzen von Battenberg, daß er ein für
allemal seine Einwilligung zu einem solchen Projekt versage. Näheres darüber
bei E. C. Corti, a. a. O., S. 329 ff.
** Königin Viktoria von England weilte zum Besuche des deutschen Kaiserpaars
vom 24. — 26. April in Berlin. Über ihre Unterredung mit Fürst Bismarck, bei
der die Battenberg-Frage keine Rolle mehr gespielt zu haben scheint, siehe Bd. IV,
Kap. XXIII, Nr. 819. Vgl. auch Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu
Hohenlohe-Schillingsfürst Bd. II (1907), S. 435.
294
an und sagte: „Ich hoffe, Sie werden doch nicht auch noch mit Eng-
land einen Vertrag abschUeßen; die Anwesenheit der englischen Königin
ist mir in dieser Beziehung besorgHch, und ich bin seit den letzten
Tagen mit der steten Sorge umhergegangen, Sie könnten sich irgendwie
mit England binden. Das dürfen Sie mir nicht antun, denn sonst
würde meine hiesige Position vollständig zusammenbrechen. Seit ich
in Berlin beglaubigt bin, habe ich mich in meiner Berichterstattung
stets dahin erklärt, daß Sie uns England gegenüber freie Hand lassen
würden: das ist ja auch das einzige, was uns noch bleibt; wenn Sie
uns in dieser Hinsicht im Stich lassen, so bin ich nicht nur desavouiert,
sondern für alle Zukunft unmöglich und muß mich sofort in meine
Wälder zurückziehen/*
Ich nahm diese in ziemlicher Hast getanen Äußerungen leichthin
auf und bemerkte nur, der Botschafter wisse ja, daß die englische
Regierung bindende politische Verträge überhaupt nicht abschlösse,
noch weniger könnte dies die enghsche Königin, wenn sie ohne ihren
auswärtigen Minister auftrete. In verbindlichem Tone fügte ich dann
fiinzu, ich hoffte sehr, daß Graf Schuwalow uns bis an sein Lebensende
als Botschafter erhalten bleiben würde, es sei denn, daß er an die
leitende Stelle in Petersburg berufen werden sollte. Die letzte
Redewendung berührte den Grafen augenscheinhch sehr angenehm;
er bemerkte dazu „es ist allerdings davon die Rede gewesen, daß ich
die Nachfolge von Giers übernehmen sollte; für mich würde es aber
ein schwieriger Posten sein; als ich bei meiner letzten Anwesenheit
in Petersburg mit meinem Bruder* darüber sprach, sagte mir der, daß
ich im Falle meiner Berufung dorthin ganz bei ihm wohnen müsse".
„Einen besseren Berater," schaltete ich hier ein, „würden Sie aller-
dings nicht haben können. Mit Ihrem Bruder hinter den Kuhssen
brauchten Sie gewiß keine Sorge zu haben vor den unseren gemein-
samen Zielen feindseligen Elementen,"
Graf Schuwalow erwiderte mit dem Akzent guter Laune, „jeden-
falls würde unsere PoHtik dann aus einem Guß sein; jetzt ist ein
kleinlicher Zug darin ; mein augenblicklicher Chef hat nicht das Zeug
zum Minister, er ist ohne jeden Einfluß und voller Ängstlichkeit und
hätte niemals über das Konsulatsniveau hinausgehen sollen".
Beim Souper saß ich neben dem Großfürsten, der auch diesmal
wieder außerordentlich liebenswürdig zu mir war. Nach der Tafel kam
im Rauchzimmer die Unterhaltung zunächst auf Paris, welches der Groß-
fürst tags vorher verlassen hatte. Er bemerkte, daß die Stadt so unter-
haltend und genußreich sei wie nur je: das besage aber nicht viel,
denn auch während der Schreckenszeit der großen Revolution hätte
die Pariser Gesellschaft sich den gewohnten Lustbarkeiten hingegeben,
während die Hinrichtungen auf dem Konkordienplatze stattfanden.
* Graf Peter Schuwalow.
295
Gegenwärtig seien Genußsucht in der Gesellschaft und Ziellosigkeit
der Politiker wohl noch größer als vor fast hundert Jahren. In der
PoHtik wolle jeder nur hinwegräumen, und keiner mache sich ein Bild,
wie es nachher werden könne und solle, „c'est pourri, c'est degoütant".
Als die Rede auf Mohrenheim kam, und ich einfließen Heß, man spräche
von seiner Nachfolge für Giers, nahm der Großfürst seinen verächt-
lichsten Gesichtsausdruck an. Er nannte jenen Botschafter den hohlsten
und langweihgsten Phraseur, der ihm je vorgekommen sei.
Demnächst ging die Unterhaltung auf unseren Kaiser und auf
die Battenbergs über. Bezüghch Seiner Majestät sprach sich der Groß-
fürst mit warmer Teilnahme und herzHcher Bewunderung aus.
Hinsichthch der Familie Battenberg bemerkte Seine Kaiserliche
Hoheit, die MitgHeder derselben seien seine nahen Verwandten, und
er habe früher viel für sie übrig gehabt; sie hätten sich aber durch ihre
eigene Überhebung und Unaufrichtigkeit in eine so unmögliche Situation
zu seinem kaiserlichen Bruder gebracht, daß er sich von ihnen hätte
lossagen müssen. Als ich hierauf die jüngste hiesige Krise näher be-
rührte und eine Bemerkung über die matte Haltung von Herrn von
Giers einfheßen ließ, welche uns in Ansehung der dezidierten früheren
Stellungnahme des Zaren nicht recht erklärlich gewesen sei*, nickte der
Großfürst verständnisvoll, erhob sich und nahm mich unter den Arm,
um mich in ein weiter gelegenes einsames Zimmer zu geleiten. Dort
angekommen, sagte er: „Vous venez de parier du Battenberg: certaine-
ment TEmpereur le deteste, et ü me parait que Tattitude de Giers n'a
pas ete tres claire par rapport ä la derniere crise: mais Vous savez
ce que c'est que Giers. II a une frayeur de mon frere qui Taveugle et il
sait ce que je vais Vous dire tres-confidentiellement, c'est-ä-dire seulement
pour Vous et pour Votre pere. Mon frere est malheureusement petri d'un
soupQon insurmontable envers Votre pere: II reconnait son genie, mais
il craint toujours d'etre joue par lui. J'ai fait de mon possible pour
ecarter ce soupgon absurde, mais il reparait toujours et ä l'heure qu'il
est la crainte d'etre mis dedans par la politique allemande prevaut chez
mon frere et l'empeche de voir les choses comme il devrait les en-
visager."
Ich sagte dem Großfürsten, daß ich ihm für seine Offenheit dankbar
sei, den Inhalt derselben aber um so mehr bedauere, als ihm jede
tatsächüche Begründung fehle. Die PoHtik des Reichskanzlers habe
sich immer durch Offenheit und Loyalität ausgezeichnet; der Groß-
fürst würde sich des vom Grafen Peter Schuwalow so häufig und gern
wiederholten Ausspruchs entsinnen, daß der Reichskanzler in einem
kritischen Moment des Berhner Kongresses die englischen Bevoll-
mächtigten an ihre Verabredungen erinnert hätte mit dem Worte
„apres tout la politique honnete est encore la meilleure", und hiernach
* Vgl. Nr. 1335, 1336.
296
handelteil wir nach wie vor. Wolle der Zar hieran nicht glauben, so
müsse er durch Aufhetzungen und Vorurteile befangen sein.
Der Großfürst erwiderte mit einem Seufzer „Vous dites vrai, il
s'agit de preventions; wie soll man solche aber überwinden! . Was
Ohrenbläsereien betrifft, so muß ich fast daran glauben, ich weiß nur
nicht recht, von wo^ sie ausgehn sollen. Der Kaiser sieht ja in
poHtischer Hinsicht nur seine Minister und ist anderweit nicht be-
einflußbar."
Ich wollte hier nicht Personalbeschwerden formulieren und äußerte
nur, es sei ja bekannt, daß der Zar keinerlei direktem Einfluß unter-
liege: immerhin würde le langage seiner niemals wechselnden, kleinen
und geistig nicht hervorragenden Umgebung unmerkHch auf ihn ab-
färben. Es hieße da gutta cavat lapidem. Wenn der Zar, wie es
tatsächlich der Fall sei, immer nur eine Tonart von den gleichen, in
vorgefaßten Meinungen lebenden Leuten höre, so müsse ihn das be-
eindrucken. Bei den wenigen direkten Unterredungen, die er mit
dem Reichskanzler gehabt habe, sei das Resultat jedesmal Befriedigung
und volles Vertrauen gewesen. Allerdings könne dies nicht lange vor-
halten, und es sei sehr zu bedauern, daß der jetzige Zar so sehen eine
Begegnung ermögliche, während der vorige alljährlich zweimal durch
Berlin gekommen sei. Die russischen Kaiserreisen hätten seit 1876
aufgehört, und kurz darauf habe die Ära der sogenannten Mißver-
ständnisse und Reibungen begonnen, pp.
Seine Kaiserhche Hoheit kam dann auf die Politik zurück und be-
merkte: „Le point noir dans nos relations c'est Votre arrangement avec
I'Autriche. On ne peut pas detruire le fait que Votre pere negociait
le traite ä Vienne tandis que nos Empereurs s'embrassaient ä Alexan-
drowo^ et on sait chez nous que TEmpereur Guillaume a absolument
refuse de ratifier le dit traite jusqu'ä ce que le chancelier le mena^ait
de sa demission. II est vrai qu'il y avait de notre faute et que Votre
pere a agi tres-loyalement en nous communiquant le texte du traite,
mais tout de meme le point noir reste".
Ich ripostierte „ä qui la faute?" und sagte, man müsse nicht 1879
zum Ausgangspunkt nehmen, sondern 1878, d. h. das ungerechte und
unerwartete Verhalten Rußlands ^ nach dem Kongreß, und knüpfte
hieran eine kleine historische Rekapitulation, welche damit schloß,
daß man Geschehenes nicht beseitigen könne, daß aber der Kaiser
von Rußland ein kaiserliches Österreich in der gegenwärtigen Um-
sturzzeit ebenso nötig brauche wie wir und es bei der Ausführung der
von Rußland beabsichtigten Orientpolitik nicht auf seinem Wege zu
finden brauche. Wir hätten Bulgarien stets als Rußlands Domäne an-
gesehen, und bezüglich der für Rußland unendlich wichtigeren Frage
der Meerengen sei es nicht nur unserer wohlwollenden Neutralität
gewiß, sondern ich nähme auch an, daß für Österreich das Schicksal
des Bosporus gleichgültig sei. Hierbei wurde der Großfürst sehr leb-
297
haft und sagte, die ganze bulgarische Frage sei für Rußland ein Un-
glück, es müsse sich daran vollkommen desinteressieren und nur die
Meerengenfrage ins Auge fassen, beide hätten miteinander nichts zu tun.
Als ich dem Großfürsten zum Schluß wiederholt von der Solidarität
der Dynastien gegen verhetzende internationale Umsturztendenzen, von
unserer Loyalität und Friedfertigkeit eindringlich sprach, drückte er
mir die Hand und erklärte nicht ohne Emphase „Mon frere sait que
je ne suis pas seulement son plus fidele sujet, mais son esclave, s'il
veut se servir de moi: il m'a confie le commandement de ses meilleures
troupes, mais j'espere que je n'aurai pas ä comba.tre nos voisins ä
leur tete. Je parlerai raison ä mon frere et je ferai de mon mieux pour
me faire ecouter. Moi, j'ai entiere confiance en Votre pere, mais
malheureusement je ne puis transplanter tous mes sentiments dans
l'äme de mon frere: mais Vous pouvez compter sur moi que je ferai
ce que je peux pour agir dans l'ordre d'idees qui a preside ä notre
entretien".
Beiläufig hatte mir der Großfürst noch gesagt, daß er vom Zaren
beauftragt sei, im Herbst die polnischen Festungen zu inspizieren,
wir möchten uns hierüber nur nicht beunruhigen.
Ferner erzählte er, Boulanger habe sich in Paris bei ihm aufge-
schrieben: er habe dies zudringlich gefunden, da er den Agitator gar
nicht kenne, und seinem Adjutanten untersagt, irgendeine Notiz davon
zu nehmen.
Als ich mich am Bahnhof vom Großfürsten verabschiedete, rief
er mir noch aus dem Wagenfenster zu „mille et mille choses ä Votre
pere" und reichte mir allein noch einmal die Hand vom fahrenden
Zuge angesichts der barhäuptig sich verneigenden russischen Bot-
schaftsglieder.
H. B i s m a r c k
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Tolstoi
- leider
3 unser Mißtrauen gegen die russ[ische] Politik ist seitdem jedenfalls begründeter
als das des Zaren gegen imsre! vorher existirte es nicht, seitdem aber wird
es sich schwer beseitigen lassen; wir müssen auf die Wiederholung analoger
Ueberraschungen stets gefaßt bleiben u[nd] können andre Anlehnungen nicht
auffjeben.
2QS
Kapitel XLIII
Kaiser Wilhelm IL, Bismarck
und die auswärtige Politik
1888-1890
Nr. 1339
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck*
Ausfertigung
Nr. 217 .Wien, den 28. April 1888
Die mir durch die liohen Erlasse Nr. 322 vom 19, und Nr. 329 vom
23. d. Mts. hochgeneigtest mitgeteilten Berichte des Kaiserlichen Bot-
schafters in St. Petersburg, betreffend den russischen General Bogda-
nowitsch**, habe ich dem Grafen Kälnoky gegenüber vertraulich ver-
wertet.
Der Minister fand die Vorhaltungen, die General von Schweinitz
dem Herrn von Giers mit Bezug auf diesen höchst eigentümlichen
Vorfall gemacht, durchaus gerechtfertigt, fürchtet aber, daß alle diese
guten Worte in den Wind gesprochen sein werden. Herr von Giers
würde es wie gewöhnlich kaum wagen, seinem kaiserhchen Herrn
darüber Vortrag zu halten, sondern ihm vielleicht nur schüchtern an-
deuten, daß die Bevorzugung dieses abgesetzten Beamten einiges
Erstaunen im Auslande hervorrufen dürfte.
Seit Jahren beobachteten wir dasselbe Schauspiel. Herr von Giers
fließt über von korrekten Versicherungen, schwört, daß der Zar ganz seiner
Ansicht ist und die Hetzereien der russischen Friedensstörer ebenso
perhorresziere wie die Bestrebungen der Panslawisten, Rußland in ein
enges Allianzverhältnis zu den französischen Demokraten zu engagieren.
Die Hauptinkriminierten werden vom kaiserlichen Zorn getroffen, Giers
behält anscheinend recht, bekommt aber keine Belohnung, und nach-
dem sich die Wellen etwas geglättet, tauchen die Geächteten vorsichtig
wieder auf. Kein Mensch findet etwas dabei, wenn sie belohnt werden,
oder wenn die ihnen angedrohte Strafe wie bei Herrn Saburow nicht
* Nr. 1339—1341 gehören rein chronologisch in den Rahmen des voraufgehenden
Kapitels, mögen aber an dieser Stelle eingereiht werden, weil die in ihnen zutage
tretenden ersten Unstimmigkeiten zwischen dem künftigen Kaiser und dem
Reichskanzler ihren Schatten auf die Anfänge Wilhelms II. in den Jahren 1888
bis 1890 vorauswerfen.
** General Bogdanowitsch, ein Hauptführer der panslawistischen Agitation und
eifriger Beförderer des Bündnisses mit Frankreich, der bekanntlich im Spät-
frühjahr 1887 beim Zaren in Ungnade gefallen und aus dem Militärdienst ent-
lassen war (vgl. Nr. 1213, S. 111, Fußnote **), wurde Mitte April 1888 auf Vor-
schlag des Ministers des Innern Grafen Tolstoi zum Mitglied des Konseils im
Ministerium des Innern und zum Geheimen Rat befördert.
301
ausgeführt wird, und die schlecht ausgerottete Pflanze treibt aus den
Wurzeln weitere Keime.
So war es, und so wird es weiter gehen; Giers wird immer
schwören, sein Kaiser sei ganz mit ihm einverstanden, den Frieden
zu erhalten, bis der große Aufmarsch der russischen Armee an unseren
Grenzen in 1 bis 2 Jahren vollendet sein wird. Dann wird Giers
weggeblasen werden, der Kaiser immer mehr in den Schlingen der
von ihm begnadigten Missetäter gefangen sein und gegen seinen ehr-
lichen Willen im Kriege und in der französischen Allianz sitzen, ohne
sich mehr rühren zu können.
Welches Vertrauen kann man unter diesen Umständen in das
Petersburger Kabinett und in die friedlichen Versicherungen seines
Leiters setzen!
Vielleicht hatten die Generalstabsoffiziere in Berlin und Wien
doch recht 1, wenn sie im vorigen Herbst rieten, die russische Macht
zu zertrümmern-, noch ehe sie gefährlich wurde*. Man kann die Ge-
fahr mit mathematischer Gewißheit wachsen sehen, ohne sie aufhalten
zu können. Denn den Krieg heraufzubeschwören könne kein Staats-
mann verantworten 3. Es bleibe daher nichts übrig, als sich allmähUch
darauf vorzubereiten. Vielleicht könnten doch Ereignisse eintreten,
die unsere zivihsierten Staatswesen vor solchem Unheil beschützen
könnten. Dieses Vielleicht sieht der Minister als den einzigen Trost
in dem traurigen Zukunftsbild auftauchen.
H. VII. P. Reuß
Randbemerkungen des Kronprinzen Wilhelm:
1 Ja!
3 richtig!
Bemerkung des Fürsten von Bismarck am Kopf des Schriftstücks:
Zu secretiren, mit Rücksicht auf die xVlarg[inalien] Sleine]r Kfaiserlichenl H[oheitl.
Randbemerkung des Fürsten von Bismarck, im Originalschriftstück vor der Vor-
lage an den Kronprinzen getilgt, aber durch besondere Aktennotiz überiiefert:
2 Das ist so leicht nicht! ein Sieg über Rußland ist keine Zertrümmerung sondern
nur die Herstellung eines revanchebedürftigen Nachbarn auch im Osten.
Nr. 1340
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter in Wien
Prinzen Heinrich VII. Reuß
Reinkonzept
Nr. 349 Berlin, den 3. Mai 1888
Vertraulich
Nach Ew.pp. Bericht Nr. 217 vom 28.v.Mts.** hat Graf Kälnoky An-
wandlungen von Zweifel darüber, ob die Generalstabsoffiziere, welche
im Herbst zum Kriege rieten, nicht doch recht gehabt hätten. Es ließe
* Vgl. dazu Kap. XXXVIII: Russisch-Österreichische Kriegsgefahr 1887—88.
** Siehe Nr. 1339.
302
sich hierüber streiten, wenn ein solcher Krieg möglicherweise die Folge
haben könnte, daß Rußland i, wie Graf Kälnoky sich ausdrückt, ,, zer-
trümmert" würde. Ein derartiges Ergebnis liegt aber auch nach den
glänzendsten Siegen außerhalb aller Wahrscheinlichkeit. Selbst der
günstigste Ausgang des Krieges würde niemals die Zersetzung der
Hauptmacht Rußlands zur Folge haben, welche auf den Millionen
eigenthcher Russen griechischer Konfession beruht. Diese würden,
auch wenn durch Verträge getrennt, immer sich ebenso schnell wieder
zusammenfinden wie die Teile eines zerschnittenen Quecksilberkörpers.
Dieses unzerstörbare Reich russischer Nation, stark durch sein Klima,
seine Wüsten und seine Bedürfnislosigkeit, wie durch den Vorteil, nur
eine schutzbedürftige Grenze zu haben, würde nach seiner Nieder-
lage unser geborener und revanchebedürftiger Gegner bleiben 2, genau
wie das heutige Frankreich es im Westen ist. Dadurch wäre für
die Zukunft eine Situation dauernder Spannung ^ geschaffen, welche
wir gezwungen werden können, auf uns zu nehmen, wenn Rußland uns
oder Österreich angreift, welche aber freiwillig herbeigeführt zu haben,
ich nicht auf meine Verantwortung nehmen möchte. Das ,, Zertrüm-
mern" einer Nationalität* ist drei starken Großmächten schon in
betreff der viel schwächeren polnischen in 100 Jahren nicht gelungen.
Die VitaUtät der russischen wird nicht minder zähe sein; wir werden
meines Erachtens immer am besten tun, sie wie eine elementarisch
vorhandene Gefahr zu behandeln, gegen die wir Schutzdeiche ^ unter-
halten, die wir aber nicht aus der Welt schaffen können. Durch einen
Angriff auf das heutige Rußland würden wir seinen Zusammen-
hang festigen; durch Abwarten seines Angriffs aber können wir
seinen inneren Verfall und seine Zersetzung möglicherweise früher ^
erleben als seinen Angriff, und zwar um so früher, je weniger wir es
durch Bedrohungen hindern, tiefer in die orientalische Sackgasse hin-
einzugehen^, v. Bismarck
Randbemerkungen des Kronprinzen Wilhelm:
1 Russische Macht hat er gesagt, damit dürfte die Armee gemeint sein.
- nicht mehr=* wie es jetzt schon ist; bedürftig vielleicht, aber nicht in der Lage''.
^ wie jetzt auch'=
*= wohl aber ihrer Kampfesmittel, Armee etc."*
^ wenn der Deichbruch kommt, ist dann große Ueberschwemmung ^
" hoffentlich!
' Es hat aber leider die Sackgasse gemerkt, und zeigt bisher verzweifelt wenig Lust
hineinzugehn '.
Bemerkungen des Fürsten von Bismarck zu obigen Randbemerkungen des Kron-
prinzen Wilhelm:
^ Doch mehr!
•* aber bald wieder, wie Frankreich seit 12 Jahren längst wieder
° die Spannung ist auf französfischerl Seite doch stärker wie im Osten, für uns
^ die sind in 5 Jahren ersetzt, cf. Frankreich.
'= wenn wir ihn selbst durchstechen, noch früher
' doch, es geht hinein, sobald Oestlerlreich aufhört es zu hindern.
303
Nr. 1341
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Kronprinzen Wilhelm
Konzept*
Aus Ew. Kaiserlichen Hoheit Randbemerkungen zu dem -Wiener
Bericht vom 28. April und zu meiner Antwort auf denselben vom 3. Mai
ersehe ich, daß Höchstdieselben mit der bisher nach den Intentionen
des hochseligen Kaisers geführten Politik nicht einverstanden sind,
sondern mehr mit der Äußerung des Grafen Kälnoky, daß die General-
stabsoffiziere, welche im Herbst rieten, die russische Macht zu „zer-
trümmern", recht hatten.
Nach menschlicher Voraussicht wird, bevor eine längere Zeit ver-
geht, die Entscheidung über Krieg und Frieden ausschließlich in der
Hand Ew. Kaiserlichen Hoheit liegen. Diese Tatsache verleiht jeder
Andeutung, welche von Höchstdenselben auf diesem Gebiete aus-
geht, ein Gewicht, welches mir nicht gestattet, Ew. Kaiserlichen
Hoheit Randbemerkungen stillschweigend zu den Akten des Aus-
wärtiger. Amts gehen zu lassen. Ich darf mir nicht mit der Hoffnung
schmeicheln, daß eine erneute Darlegung der Motive, welche für die
bisherige friedliche und abwartende Politik sprechen, neue Gesichts-
punkte zutage fördern könnte, welche Ew. Kaiserlichen Hoheit Er-
wägung nicht bereits unterlegen hätten. Ich erlaube mir nur, mit
Rücksicht auf die mögliche Zerstörung der „Kampfesmittel" Rußlands
untertänigst zu bemerken, daß wir diejenigen Frankreichs 1870 in
einer Vollständigkeit zerstört haben, wie es Rußland gegenüber wegen
dessen geographischer Ausdehnung niemals gelingen wird; nichtsdesto-
weniger war Frankreich schon vier Jahre später wiederum eine Macht,
mit welcher die Politik zu rechnen hatte, und insbesondere eine vor-
ausschauende Politik in großem Stile, welche ihre Aspirationen nicht
den Verhältnissen eines einzelnen Jahres entnehmen kann, sondern
längere Zeiträume ins Auge fassen muß. Schon zur Zeit der Luxem-
burger Frage 1867 habe ich der Voraussicht öffentlich Ausdruck ge-
geben, daß im Kriegsfalle Frankreich gegenüber der Kampf sich nicht
auf ein Kriegsjahr beschränken, sondern Jahrzehnte und mehr aus-
füllen werde. Wenn dieselben Konsequenzen, wie voraussichtlich, sich
an einen von uns freiwillig herbeigeführten russischen Krieg knüpfen
sollten, so würden wir künftig ein zweites Frankreich haben, bereit,
jede günstige Gelegenheit zu benutzen, um im Bunde mit anderen
über uns herzufallen. Wir würden in einer solchen Situation, in welcher
* Das vom Fürsten Bismarck vielfach korrigierte und eigenhändig paraphierte
Konzept ist nicht datiert; aus dem jetzt im dritten Bande von Bismarcks „Ge-
danken und Erinnerungen" (S. 136 ff.) veröffentlichten Antwortschreiben des Kron-
prinzen geht aber hervor, daß die Ausfertigung, die das Datum des 9. Mai trug,
wirklich abgegangen ist.
304
wir die beiden nächst der deutschen stärksten kontinentalen MiHtär-
mächte zu gebornen Gegnern in jedem Kriege hätten, dauernd in
eine gewisse Abhängigkeit von der Unterstützung geraten, welche die
übrigen Mächte, in erster Linie Österreich, dann auch England und
Itaüen, uns zu leisten geneigt sein würden. Der italienische Bundes-
genosse kann durch innere Ereignisse Italiens leicht aus dieser Be-
rechnung schwinden und sogar für den Gegner in die Wagschale
fallen. England wird mit seinen inneren Angelegenheiten möglicher-
weise zuviel zu tun haben, um sich seiner auswärtigen Politik anneh-
men zu können. Ob uns das Bündnis Österreichs gesichert bleibt, ist
im Hinblick auf die dort recht starken ultramontanen, slawisch-russen-
freundhchen und in Ungarn und Kroatien franzosenfreundlichen Ele-
mente ebenfalls nicht zweifellos. Jedenfalls würde Österreich, wenn es
nach Verbrennung unserer Schiffe in der russischen Richtung unsere
alleinige Stütze bliebe, und wir Rußland und Frankreich als ge-
borene Gegner uns gegenüber hätten, einen analogen Einfluß auf
das Deutsche Reich wiedergewinnen, wie wir ihn 1866 mit Glück
beseitigt haben. Die Sicherheit unserer Beziehungen zum österreichisch-
ungarischen Staate beruht zum großen Teile auf der Möglichkeit, daß
wir, wenn Österreich uns unbillige Zumutungen macht, uns auch mit
Rußland verständigen können. Fällt die letztere Möglichkeit fort, so
wird Österreich ein viel anspruchsvollerer Bundesgenosse werden, als
es bisher war, und wenn es Anlehnung bei Rußland findet, vielleicht
ebenso anspruchsvoll als zur Zeit des Deutschen Bundestages.
Ew. Kaiserliche Hoheit wollen mir diese Vervollständigung der
Argumente für unsere vorsichtige Politik, welche ich wiederholt in
Höchstdenselben bekannten Aktenstücken und vor der Öffentlichkeit
geltend gemacht habe, verzeihen und mir die Annahme gestatten, daß
auch diese Ew. Kaiserliche Hoheit von der Richtigkeit meiner Auf-
fassung nicht überzeugen wird, und daß Höchstdieselben fortfahren,
es im Sinne der Kälnokyschen Bezugnahme auf militärische Wünsche
in dem Wiener Bericht vom 28. April für besser zu halten, daß der
Krieg mit Rußland von uns herbeigeführt werde, bevor dessen Streit-
kräfte sich weiter entwickeln.
Wenn dies der Fall ist, so hätte unsere Politik seit dem Thron-
wechsel im März d. Js. schon bisher eine andere sein sollen und würde
von jetzt ab eine andere werden müssen. Wir hätten dann die Batten-
bergschen Beziehungen nicht ablehnen dürfen, im Gegenteil den Prinzen
Alexander als diesseitigen Kandidaten für die bulgarische Zukunft auf-
stellen und durch dies und manche andere Mittel Rußland zum An-
griff auf Österreich oder auf uns mit unentwickelten Kräften und
vor Vollendung seines Aufmarsches reizen müssen. Wir hätten in Bul-
garien und in Konstantinopel ohne Schwierigkeit eine dementsprechende
Sprache führen, auch Österreich wahrscheinlich veranlassen können,
Schritte zu tun, die einen russischen Angriff provoziert haben würden.
20 Die Große Politik. 6 Bd. 305
Für die Energie, mit welcher die deutsche Volkskraft in den Krieg
eintritt, wird es immer entscheidend sein, ob der Krieg durch fremden
Angriff herbeigeführt oder von uns aus Motiven der höheren Pohtik,
welche sich dem öffentlichen Verständnis entziehen, freiwillig begonnen
worden ist. Wenn es in der Absicht des künftigen Kaisers läge, den
Krieg zu beschleunigen, so müßten dementsprechende Modifikationen
unsrer bisherigen Politik sobald als möglich eintreten, und die Mög-
lichkeit dieses Ziel zu erreichen, d. h. Rußland zum Beginn des Krieges
seinerseits zu reizen, ist bei geschicktem diplomatischen Verfahren
keineswegs ausgeschlossen, sobald man überhaupt glaubt, daß der
frühere Krieg der bessere sei. Meine unvorgreifliche Ansicht liegt
auch heute nicht in dieser Richtung. Wenn aber die Überleitung unsrer
PoHtik aus der bisherigen friedlichen Tendenz in eine kriegerische nach
Ew. Kaiserlichen Hoheit Intention bevorstände, so würde ich es noch
immer für zweckmäßiger halten, den Krieg zuerst imWestenzu suchen
als im Osten. Einmal ist er dort leichter und unauffälliger zu finden.
Frankreich hat uns mannigfache Anknüpfungspunkte gegeben, die wir
nur weiter zu spinnen brauchten, wenn wir Krieg wollen. Wäre letzteres
der Fall, so müßte unsere ganze Stellung zu den inneren französischen
Fragen, zu Boulanger und der jetzigen Regierung eine andere sein,
als sie heut ist; wir müßten Boulanger zu fördern und die Regierung
zu schwächen suchen, wozu sich Mittel finden lassen. Der Krieg mit
Frankreich würde sich der öffentlichen Meinung Deutschlands gegen-
über als ein notwendiges Opfer, um zur Ruhe zu gelangen, sehr
viel leichter motivieren lassen als der Krieg gegen Rußland. Außerdem
würde er nach oberflächlichem Urteil leichter zu führen und schneller
abzuschließen sein. Es ist auch anzunehmen, daß ein deutsch-franzö-
sischer Krieg geführt werden kann, ohne daß wir gleichzeitig zum
Kampf gegen Rußland genötigt würden. Es ist dagegen ganz sicher,
daß wir den Krieg auf beiden Seiten haben, sobald wir ihn auf der
russischen Front beginnen, wie es nach dem „Ja*' in der Randbemer-
kung auf dem Wiener Bericht vom 28. April Ew. Kaiserliche Hoheit
empfehlen. Die geheimen Verträge, welche wir mit Rußland haben,
sind Ew. Kaiserlichen Hoheit bekannt. Ihr Text gibt die Gewißheit,
daß Rußland beabsichtigt, in die „Sackgasse" hineinzugehen, und es
würde schon darin sein, wenn es nicht auf unser Verlangen durch
österreichische Opposition daran gehindert würde. Kommt diese Oppo-
sition in Wegfall, so hört damit auch die russische Zurückhaltung auf.
Ich halte es für meine Pflicht, Ew. Kaiserliche Hoheit auf diese
Eventualitäten in Ehrerbietung aufmerksam zu machen, und behalte
mir untertänigst vor, über die formelle Seite des Anlasses zu dieser
Berichterstattung Ew. Kaiserliche Hoheit um mündlichen Vortrag zu
bitten, indem ich bemerke, daß die gewichtige Tragweite jeder Rand-
bemerkung Ew. Kaiserlichen Hoheit mich nötigt, die davon be-
troffenen Aktenstücke absolut zu sekretieren. Der Eindruck, den die-
306
selben in den amtlichen Kreisen machen werden, denen die Akten
des Ministeriums zugänglich sind, hat nach Ew. Kaiserlichen Hoheit
Stellung notwendig die Tragweite, daß die Beamten, welche Kenntnis
von Höchstdero Randbemerkungen haben, mich selbst nicht ausge-
schlossen, nicht mehr imstande sein werden, das friedliche Verhalten der
deutschen PoHtik bei einem erfolgenden Regierungswechsel mit der-
selben Sicherheit wie bisher anderen Regierungen und auch den deut-
schen Fürsten gegenüber in Aussicht zu stellen. Ich würde, so wie ich
Ew. Kaiserlichen Hoheit Marginalien verstehe, gegen meine Überzeugung
sprechen müssen, und es ist für die Politik des deutschen Kaisertums der
Ruf der Unaufrichtigkeit noch gefährlicher als selbst die entschlossene,
aus politischer Überzeugung hervorgehende Tendenz, Krieg führen zu
wollen. Wenn wir friedliche Versicherungen geben, und daneben ein
Wort in dem Sinne transpiriert, daß die Generalstabsoffiziere recht ge-
habt hätten, welche im vorigen Herbst rieten, die russische Macht zu
zertrümmern, so verlieren wir das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit bei
unseren Bundesgenossen, und das würde schlimmer sein als selbst ein
Krieg, über dessen Notwendigkeit oder Nützlichkeit verschiedene Mei-
nungen obwalten können*. v. Bismarck
* Die Antwort des Kronprinzen Wilhelm vom 10. Mai, die nicht bei den Akten
vorhanden ist, mag hier nach dem Abdruck in Bismarcks „Gedanken und Er-
innerungen" Bd. III, S. 136 ff. wiedergegeben werden, jedoch ohne die dort
hinzugefügten Randbemerkungen, die zum Teil erst späteren Datums zu sein
scheinen.
Kronprinz Wilhelm an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck
Berlin, den 10. .Mai 1888
Ew, Durchlaucht
Schreiben vom 9. er. habe ich mit hohem Interesse gelesen; aus dem Inhalte
desselben glaube ich aber entnehmen zu müssen, daß Ew. Durchlaucht meinen
Randbemerkungen zu dem Wiener Bericht vom 28. April eine übertriebene Be-
deutung beilegen und dadurch zu der Auffassung gelangt sind, ich sei zu einem
Gegner der bisherigen friedlichen und abwartenden Politik geworden, welche
Ew. Durchlaucht mit soviel Weisheit und Vorsicht geleitet haben und hoffent-
lich zum Segen des Vaterlandes noch recht lange leiten werden. Für diese Politik
bin ich wiederholt eingetreten — Petersburg, Brest-Litowsk — und habe ich mich
in allen entscheidenen Fragen stets, wie bekannt, auf die Seite Ew. Durchlaucht
gestellt Welches Ereigniß sollte eingetreten sein, um mich plötzlich anderen
Sinnes zu machen? Die von mir gemachten Randbemerkungen, in welchen
Ew. Durchlaucht eine Aufforderung meinerseits zu einer Modification unsrer bis-
herigen Politik zu erkennen meinen, bezweckten lediglich den Hinweis, daß über
die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit des Krieges die politischen und militäri-
schen Ansichten — die ich dadurch zu Ihrer Kenntniß zu bringen beabsichtigte —
auseinander gegangen seien; und daß die letzteren für sich betrachtet nicht ohne
Berechtigung wären. Ich glaubte, ein solcher Hinweis würde für Ew. Durchlaucht
nicht ohne Interesse sein, aber nie zu dem Glauben führen können, ich wollte
die Politik den militärischen Wünschen unterordnen.
Um für die Zukunft jeder mißverständlichen Auffassung vorzubeugen und in
theilweiser Anerkennung der von Ew. geltend gemachten Gründe werde ich
hinfüro jede Randbemerkung auf den politischen Berichten unterlassen, doch
20» 307
werde ich mir vorbehalten, anderweitig Ew. Durchlaucht meine Ansichten mit
aller Offenheit zur Kenntniß zu bringen.
Bei der Wichtigkeit der von Ew. Durchlaucht angeregten Fragen sehe ich
mich genöthigt, auf dieselben näher einzugehn.
Ich bin durchaus Ew. Durchlaucht Ansicht, daß es uns selbst bei dem glück-
Hchen Verlauf eines Krieges mit Rußland nicht gelingen wird, die Kampfesmittel
Rußlands ganz und gar zu zerstören, doch meine ich, daß dieses Land nach
einem für dasselbe unglücklichen Kriege in Folge der inneren politischen Miß-
stände in eine ganz andere Ohnmacht gelangen wird als irgend ein anderer
europäischer Staat incl. Frankreich. Ich erinnere daran, daß Rußland nach dem
Krimkriege fast 20 Jahre ohnmächtig war, ehe es soweit sich erholte, daß es im
Stande war, 1877 loszuschlagen. Frankreichs Kampfesmittel wurden im Jahre 1871
nicht ausgiebig zerstört, denn unter den Augen, ja mit Hülfe des wohlwollenden
siegreichen Gegners konnte eine neue Armee aufgestellt und formirt werden,
um die Commune zu besiegen und um das Land vor gänzlichem Untergang zu
retten; die in den Händen des Siegers befindlichen Befestigungen von Paris
wurden nicht geschleift, nicht einmal völlig deformirt, die Flotte blieb dem nicht
vernichteten, sondern nur politisch gedemüthigten Frankreich erhalten. Diese
eben angeführten Thatsachen beweisen zur Evidenz, daß wir, weit entfernt den
Feind wirklich zu vernichten, den Stamm erhalten haben zu den jetzt uns be-
drohenden ungeheuren Kampfesmitteln zu Wasser wie zu Lande seitens der Re-
publik. Das war militärisch betrachtet falsch, politisch betrachtet jedoch völlig
nach Lage der Dinge in Europa gegeben und in dem Moment richtig.
Je mehr die Republik nun erstarkte, desto größere Neigung zeigte Rußland
— trotz loyalster Haltung und Absichten des Zaren — ohne von Deutschland im
geringsten geschädigt worden zu sein, nur den günstigsten Augenblick zu er-
fassen, um im Bunde mit der Republik über uns herzufallen. Diese drohende
Lage entstand und besteht, nicht nach einem gegen Rußland freiwillig von uns
geführten Kriege, sondern durch die gemeinschaftlichen Interessen der Pansla-
visten und des republikanischen Frankreichs, Deutschland als Hort der Monarchie
niederzuwerfen.
Zu diesem Zweck verstärkten beide Nationen ihre Kampfesmittel systema-
tisch an den entscheidenden Grenzen, ohne für dieses unqualificirbare Vorgehn
unsererseits irgendwie provocirt zu sein, noch irgend eine haltbare Entschuldigung
dafür vorzubringen.
Mit aus diesem Grunde brachte die durch Ew. Durchlaucht geleitete weise
Politik meines hochseligen Herrn Großvaters Bündnisse zu Stande, welche sehr
dazu beigetragen haben, uns vor Ueberfällen unseres geborenen Erbfeindes im
Westen zu bewahren. Auch verstand diese Politik, Rußlands Herrscher zu unseren
Gunsten einzunehmen. Dieser Einfluß wird so lange fortbestehn, als der jetzige
Zar die Macht, seinen Willen geltend zu machen, wirklich besitzt; geht sie ver-
loren — und es sind viele Anzeichen dafür vorhanden — so ist es sehr wahr-
scheinlich, daß Rußland sich von unserem geborenen Feind nicht länger wird
trennen lassen, um mit ihm den Krieg zu führen, wenn die beiderseitigen
Kampfesmittel ihnen entwickelt genug erscheinen, um uns ungestraft zu ver-
nichten.
Unter solchen Umständen wächst der Werth unserer Bundesgenossen; die-
selben an uns zu fesseln, ohne ihnen einen eingehenden Einfluß auf das Reich
einzuräumen, wird die große, ich gebe zu, schwere Aufgabe einer vorsichtigen
deutschen Politik sein und bleiben müssen. Es ist aber zu beachten, daß ein
Theil dieser Bundesgenossen romanischen Stammes und mit Regirungsmecha-
nismen versehn ist, deren absolute Sicherheit nicht so garantirt ist wie bei uns.
Daher auf eine längere Bundesgenossenschaft wohl kaum zu rechnen sein dürfte,
und der Krieg, zu dessen Abwehr respective Führung sie mithelfen sollen, besser
früher als später geführt werden muß.
308
Unsere Feinde werden es an Versuchen aller Art sicher nicht fehlen lassen,
uns zu isoliren, die Bundesgenossen uns abwendig zu machen; jeder von uns
begangene Fehler, jede Blöße, die sich die deutsche Politik giebt, wird solchen
Bestrebungen Vorschub leisten. Zu solchen Fehlern müßte ich irgend eine Pro-
tegirung des Battenbergers rechnen; Oest[er]reich würde in derselben eine Ver-
letzung seiner speciellen Interessen finden, und Rußland würde die Genug-
thuung haben, uns von unsrem besten Bundesgenossen getrennt zu sehn; auch
wissen, daß ein Krieg, der wegen des Battenbergers entstünde, für Deutschland
kein volksthümlicher sein kann, bei dem der so nothwendige furor Teutonicus
gänzlich fehlen würde.
Rußland würde mit Leichtigkeit Verhältnisse dann zu schaffen vermögen, die
den Krieg zur Folge haben müßten; die öffentliche Meinung wird aber sicher-
lich Deutschland als Urheber desselben bezeichnen. Ich gebe zu, daß die Be-
schleunigung der Kriegsgefahr damit erreicht wäre, doch um welchen Preis?
Sie zu erstreben liegt mir völlig fern. Da der Krieg gegen Westen fortgesetzt
in Sicht war und dementsprechend militärische Vorbereitungen getroffen wurden,
derselbe auch, wie Ew. hervorheben, im Westen in jeder Hinsicht mehr Vor-
theile verspricht wie der im Osten, so würden die militärischen Autoritäten der
Politik besonders dankbar sein müssen, welche, sobald der Krieg als un-
vermeidlich erkannt ist, die Führung desselben im Westen wirklich sicherzustellen
im Stande wäre.
Aber auch ich bin der Ansicht, daß wir den Krieg nach beiden Seiten haben,
wenn wir ihn auf der Ostseite beginnen, Frankreich wird nur in dem Fall
nicht losschlagen, wenn es sich in einer inneren, besonders schweren Krisis be-
findet, oder wenn wieder militärische Schwierigkeiten eintreten sollten, wie
sie im vorigen Herbst ziemlich bestimmt bestanden haben (Fehlschlagen der
Melinitgeschosse und Unbrauchbarkeit des neuen Gewehrs, niederschmetternder
Eindruck der Resultate des Beschießens der Sperrforts bei Jüterbogk). Dagegen ist
nicht mit absoluter Sicherheit vorherzusehn, daß, wenn wir mit Frankreich Krieg
führen müssen, Rußland sich eo ipso passiv uns gegenüber verhalten wird.
Jederzeit, ganz besonders aber unter Verhältnissen, wie solche im vorigen
Herbst bestanden, ist es Pflicht des Großen Generalstabes, die eigene militärische
Lage und die der Nachbaren scharf in's Auge zu fassen, sowie die Vortheile und
Nachtheile, die sich in militärischer Beziehung bieten können, sorgsam ab-
zuwägen. Die so gewonnene Ansicht, nicht über die zu führende Politik, sondern
über die im Dienst derselben und durch deren augenblickliche Lage bedingten
militärischen Maßregeln muß durch die Spitze des Generalstabes dem Leiter
der Politik mit aller Offenheit und mit Festhalten des militärischen Standpunktes
zur Kenntniß gebracht werden. Hierin liegt meines Erachtens eine durchaus er-
forderliche Hülfe für die Leitung auch der friedliebendsten Politik.
In diesem Sinne möchte ich meine ominösen Randbemerkungen zu dem Be-
richt vom 28. April aufgefaßt wissen; sie sollten zugleich darauf hinweisen, daß,
obgleich die deutsche Politik in der friedfertigsten Weise geleitet werden mußte,
die militärischen Autoritäten Deutschlands und Oest[er]reichs mit vollstem Recht
im Herbst vorigen Jalires auf die günstige militärische Gelegenheit auf-
merksam machen mußten, welche sich für ein kriegerisches Vorgehn beider
Länder bot.
Trotz meiner so viel Aufregung verursachenden Marginalia möchte ich doch
überzeugt sein, daß Ew. Durchlaucht mit dem besten Gewissen bei einem etwa
erfolgenden Regirungswechsel mit derselben Sicherheit als bisher das friedliche
Verhalten der deutschen Politik in Aussicht zu stellen im Stande sein werden.
Wilhelm
Kronprinz des Deutschen Reichs und von Preußen.
309
Nr. 1342
Kaiser Wilhelm II. an Kaiser Franz Joseph von Österreich
Konzept von der Hand des Staatssekretärs Grafen Herbert von Bismarck
Potsdam, den 24. Juni 1888
Mein teuerer Freund -
Dein herzlicher Brief*, in dem Du mir in so warmer und wahrhaft
freundschaftlicher Weise Deine Teilnahme aussprichst, hat mich auf
das tiefste gerührt, und ich danke Dir innigst für Deine guten Worte,
insbesondre dafür, daß Du volles und begründetes Vertrauen zu meiner
festen Anhänglichkeit an die von meinem hochverehrten Großvater er-
erbten Traditionen hast. Ich trete diese Erbschaft in der Innern wie
in der auswärtigen PoHtik rückhahlos an und namentlich bezüglich der
Unwandelbarkeit unsrer Freundschaft und der Festigkeit der Bande,
welche unsre Reiche verknüpfen. Mit freudigem Danke empfange ich
Deine Zusicherung darüber und erwidre sie von Herzen. Da ich das
Glück habe, von Dir seit frühester Jugend gekannt zu sein, so bedarf es
Dir gegenüber nicht mehr einer Versicherung dieser meiner Gesin-
nungen, die ich, wie Du aus meiner Eröffnungsrede an den Reichstag
ersehen wirst, öffentlich kundgebe. Je ernster mein verewigter Groß-
vater von der Notwendigkeit durchdrungen war, russische Angriffe
mit Dir gemeinsam abzuwehren, um so eifriger war er bestrebt zu hin-
dern, daß sie stattfänden. Ich folge ihm in dem Bestreben, in Gemein-
schaft mit Dir alles zu tun, um unseren Reichen die Segnungen des
Friedens zu erhalten und zu diesem Zweck unsre Beziehungen zum
Kaiser Alexander zu pflegen.
Die Freundschaft, welche mich mit Dir verbindet, steht so fest, daß
sie keiner äußeren Betätigung bedarf. Ich glaube aber im Interesse
unsrer Tendenzen zu handeln, wenn ich in ostensibler Weise alle in
Rußland wie in Frankreich verbreiteten Verleumdungen unsrer Frie-
densliebe dadurch widerlege, daß ich dem Kaiser Alexander in naher
Zeit einen Besuch abstatte.
Ich beabsichtige, Ende Juli eine Inspektion meiner Flotte mit einer
Erholungsreise zur See zu verbinden. Den Schluß dieser Reise soll
dann eine Begrüßung des Kaisers von Rußland in Peterhof bilden, und
ich rechne darauf, daß Du und ich mit dem Ergebnis desselben zu-
frieden sein werden.
Ich hoffe, daß Du mir erlauben wirst. Dir im Laufe des Spät-
sommers oder Herbstes meinen Besuch abzustatten.
* Dieser Brief Kaiser Franz Josephs an Kaiser Wilhelm 11. findet sich nicht in den
Akten des Auswärtigen Amts.
310
Ich würde mich freuen, wenn Du einverstanden wärst, daß wir die
Traditionen meines Großvaters auch darin aufrecht halten, daß wir uns
womöglich alljährlich persönlich begrüßen, wenn auch vielleicht nicht
grade in Gastein, um in lebendigem Austausch der Gedanken die alte
Freundschaft zu pflegen.
Meine Frau war sehr gerührt über Deine freundlichen Grüße, und
ich bitte Dich, der Kaiserin Elisabeth den Ausdruck meiner herzlich-
sten Verehrung zu Füßen legen zu wollen.
In steter Anhänglichkeit verbleibe ich
Dein treuer Freund und Bruder
Wilhelm
Nr. 1343
„Promemoria für Seine Majestät den Kaiser zur eventuellen Be-
sprechung mit dem Kaiser von Rußland"*
Unsigniertes und undatiertes Konzept mit zahlreichen Korrekturen von der Hand
des Fürsten von Bismarck; am 4. Juli 1888 vom , Chef der Reichskanzlei v. Rotten-
burg dem Staatssekretär Grafen von Bismarck übersandt; die obige Überschrift
ist dem Inhaltsverzeichnis des betreffenden Aktenbandes entnommen.
Eine antideutsche Koalition Frankreichs mit Österreich und Ruß-
land, wie sie Friedrich dem Großen gegenüberstand, wäre heut bei der
dauernd gegebenen Feindschaft Frankreichs gegen uns noch leichter
herzustellen wie damals. Um sie zu verhüten, müssen wir entweder mit
Österreich oder mit Rußland in Beziehungen leben, welche die BeteiH-
gung an der Koalition hindern. Mit den beiden östlichen Kaiser-
mächten gleich fest verbündet zu sein, ist ein Wunsch, dessen Ver-
wirklichung bei der Verstimmung zwischen beiden nicht immer mögüch
ist. Haben wir ein engeres Bündnis mit der einen, so ist es deshalb noch
nicht notwendig, daß die andre von uns befeindet werde; im Gegenteil,
wir haben das Bedürfnis und auch die Möglichkeit, mit beiden dauernd
in Frieden zu leben, wenn wir uns gegen den Bruch desselben durch
die eine den Beistand der andern sichern, soweit wir die Bereitwillig-
keit dazu bei ihnen vorfinden. Letztres ist bisher nur bei Österreich
der Fall, und weil dessen Bündnis uns sicher ist, das russische aber nicht,
werden wir das einseitige Bündnis mit Österreich sorgfältig festhalten
müssen und nicht für unsichre Annäherungen Rußlands gefährden oder
gar preisgeben dürfen. Gelingt es uns nicht, beide — Österreich und Ruß-
land — vertragsmäßig und dauernd zu Freunden zu haben, so müssen
* Kaiser Wilhelm II. weilte vom 20.— 24. Juli als Gast des russischen Kaisers
in Petersburg. An der Fahrt nahm auch der Staatssekretär Graf Herbert Bis-
marck teil.
311
wir wenigstens fes-thalten, was wir haben. Die Beziehungen zu Öster-
reich sind sichrer, als die zu Rußland werden können, und beque-
mer, weil die österreichische Politik weniger anspruchsvoll und weni-
ger herrisch ist als die russische, auch nicht zu jeder Stunde in ihr
Gegenteil umschlagen kann. Wir sind zur Zeit des hochseligen Königs
bis 1878 in dem Glauben befangen gewesen, daß unsere Freundschaft
mit Rußland unzerstörbar sei, weil Gegensätze der Interessen von we-
sentliche! Bedeutung zwischen uns nicht vorliegen. Die Erlebnisse seit
1875 und 1878 haben uns darüber enttäuscht. Wir haben gesehen, daß
ein uns aus rein persönlichen Gründen feindlich gesinnter Kanzler wie
Fürst Gortschakow selbst bei so intimen freundschaftüchen Verhält-
nissen, wie sie zwischen Kaiser Wilhelm und Kaiser Alexander II. be-
standen, hinreicht, um die ganze öffentliche Meinung und das ganze
amthche Rußland in eine uns feindhch bedrohende Haltung zu bringen.
Diese Möglichkeit beruht auf dem Umstand, daß die PoHtik Rußlands
auf dem einzelnen Willen und den Stimmungen des Monarchen allein be-
ruht, dieser aber durch unwahre Darstellungen und sonstige Einflüsse
in seinen Entschlüssen umgestimmt werden kann. In Österreich-Ungarn
sind die Basen, auf welchen die gegenseitigen Beziehungen beruhen,
breitere. Die Sympathien der Bevölkerung üben eine wesenthche Mit-
wirkung auf die Entschließungen des Kabinetts. Es würde kaum mög-
lich sein, in so kurzer Zeit, wie es in Rußland ab und zu geschieht,
das ganze Land plötzlich und willkürlich zu einer deutschfeindhchen
Wendung zu bringen. Österreich bedarf der Anlehnung an uns, Rußland
aber nicht. Rußland kann nach seiner geographischen Lage ohne Lebens-
gefahr unser Bündnis entbehren, Österreich müßte, um es zu können,
starke andere Bundesgenossen finden. Kurz, das österreichische Bündnis
ist militärisch vielleicht nicht so stark wie das russische, aber es ist
sicherer.
Das österreichische Bündnis besitzen wir, das russische aber
nicht, und wenn wir uns um dasselbe bewerben wollten, wäre es
fraglich, ob wir es erreichten, und wenn wir es erreichten, zweifelhaft,
ob das Zusammengehen mit Rußland bei den hochfahrenden Neigungen
und dem gänzlichen Mangel an Verständnis für Gleichberechti-
gung eines Bundesgenossen nicht sehr bald unmöglich werden würde.
Aus diesen Erwägungen schHeße ich, daß unser Verhalten Ruß-
land gegenüber in erster Linie der Notwendigkeit untergeordnet sein
muß, unser Bündnis mit Österreich nicht zu schädigen. Wir müssen
an Österreich festhalten; tun wir das nicht, so verfällt Österreich der
russischen Leitung, und letztere wird uns gegenüber übermächtig. Wir
können daher dem Kaiser von Rußland nicht auf Kosten Österreichs
Dinge im Orient versprechen, die uns die Freundschaft Österreichs
kosten würden. Wir müssen uns die letztere erhalten. Wohl aber
können wir die russische Politik gewähren lassen in Richtungen, welche
für Österreich keine Lebensfrage bilden; also in der asiatischen Rich-
312
tung einschließlich des Schwarzen Meeres, der Meerengen und selbst
Konstantinopels. Es ist möglich, daß Osterreich ein Interesse hat, dies
zu hindern, aber dann müßte Österreich für diese Zwecke andre
Bundesgenossen finden wie uns; wir können der deutschen Nation
nicht zumuten, für die Frage, wer am Bosporus regiert, einen so
schweren Krieg wie den russisch-französischen zu übernehmen. Ruß-
land würde durch Erwerbung Konstantinopels nicht stärker, sondern
in sich und durch die Feindschaft Englands, unter Umständen auch
Frankreichs, welche der Besitz Konstantinopels mit sich bringen würde,
eher schwächer, jedenfalls weniger gefährlich für uns werden. Wir
haben deshalb keinen Grund, Rußlands Streben nach den Meerengen
zu hindern. Das ist dem Kaiser Alexander amtlich bekannt. Es emp-
fiehlt sich aber für uns taktisch nicht, in Besprechung dieser Frage
jetzt Rußland gegenüber eine Initiative zu ergreifen, Rußland irgendein
Anerbieten zu machen oder ihm auch nur um eines Haares Breite
entgegenzukommen. Jede Bereitwilhgkeit dazu würde bei der russischen
Überhebung so ausgelegt werden, als ob wir Rußlands guten Willen
brauchten, weil wir Furcht hätten, und als ob man deshalb über
uns verfügen könnte. Die russische Überhebung ist die wesent-
liche Ursache der Verstimmung gewesen, welche seit einem Jahrzehnt
zwischen uns stattgefunden hat. Man hat uns in Petersburg die Gleich-
berechtigung versagt, und jedes freundschaftliche Entgegenkommen un-
sererseits ist aufgefaßt worden nicht wie ein Ausdruck der Freundschaft,
sondern der Dienstbarkeit und nicht mit Anerkennung, sondern mit
mürrischem Tadel wegen Mangels an rechtzeitigem empressement er-
widert worden. Wir laufen Gefahr, diesen russischen Hochmut wie-
derum zu pflegen, wenn wir jetzt irgendeinen politischen Dienst leisten
oder anbieten, ohne darum gebeten zu sein. Es empfiehlt sich, dem
Kaiser Alexander III. den Eindruck zu machen, daß wir absolut gar
nichts von Rußland erwarten, nicht einmal Zollkonzessionen oder min-
der bedrohhche Truppendislokationen, namentUch aber keinen poUti-
schen oder militärischen Beistand in irgendwelcher Lage, sondern daß
wir durch unsere eigenen Kräfte stark genug sind, um alle Angriffe,
denen wir ausgesetzt sein könnten, abwehren zu können, daß aber wir
trotzdem dringend wünschen, mit Rußland in Frieden und Freund-
schaft zu leben, weil wir wohl gemeinsame Interessen, monarchische
und wirtschaftUche, haben, die wir in Frieden pflegen können, aber
durchaus keine streitigen, die durch Krieg erledigt werden könnten.
Wir müssen den Russen, wenn wir in Freundschaft mit ihnen leben
wollen, den Eindruck machen, daß wir ohne sie bestehen können,
sie nicht brauchen und nicht fürchten, nichts von ihnen begehren und
uns auch ohne sie jeder EventuaUtät gewachsen fühlen. Wenn sie
den Eindruck von uns haben (ohne durch die Sprache, vermöge deren
er gemacht wird, sich verletzt zu fühlen), dann werden wir auf gutem
Fuße mit ihnen leben können, sonst nicht. Sie müssen merken, daß
313
wir ihnen furchtlos und bedürfnislos gegenüberstehen, aber friedfertig
und liebenswürdig, mit aller Achtung vor Kaiser Alexander und seiner
Macht. Wenn unser allergnädigster Herr den Kaiser Alexander besucht,
so geschieht das nicht, um diesseitige Wünsche bei Seiner Zarischen
Majestät anzubringen, sondern um seitens des jüngeren befreundeten
Kaisers dem älteren verwandten Nachbarn seine Liebe und seine Ach-
tung zu beweisen. Politik ist dabei unsererseits nicht beabsichtigt. Will
Kaiser Alexander solche zur Sprache bringen, so wird er die ihm
bekannten freundlichen Gesinnungen wohlwollender Neutralität finden
bezüglich aller russischen Bestrebungen, welche nicht Angriff auf Öster-
reich sind.
Das Bedürfnis unseres Kaisers ist nur, durch persönlichen Verkehr
das gegenseitige Vertrauen und Wohlwollen zu befestigen, damit es in
schwierigen Momenten vorhanden sei und als Grundlage der Pflege der
Freundschaft und des Friedens diene. Aus diesem Grunde ist es wünschens-
wert, daß die Monarchen sich öfter begegnen und besuchen, als es
bisher der Fall gewesen und nicht ausschüeßlich darauf angewiesen
sind, den nicht selten trügerischen und interessierten Nachrichten Glau-
ben zu schenken, welche sie über die Intentionen und Stimmungen
anderer erhalten. Soll ein solches Verhältnis angebahnt werden, so
ist durchaus notwendig, daß die erste Begegnung frei bleibe von
dem Versuch des einen, dem andern politische Konzessionen abzu-
gewinnen oder ihm solche durch Anerbietungen entgegenzutragen,
die von dem andern nicht erbeten wurden. Letzteres erweckt leicht
Mißtrauen. Der Kaiser von Rußland weiß außerdem, daß er bei orien-
talischen Bestrebungen, welche Österreich nicht schädigen, auf kein
Hindernis von unserer Seite stoßen würde; er weiß das amtUch, und
es ist nicht nötig, ihn dessen von neuem zu versichern. Die nützhche
Wirkung eines Besuchs bei Seiner Russischen Majestät würde wesent-
lich beeinträchtigt werden, wenn dabei entweder Wünsche diesseits
zur Sprache gebracht würden, deren Erfüllung von Rußland abhängt,
oder wenn die deutsche PoUtik durch Zusagen und Versprechungen
beschwert werden würde, welche bisher nicht auf uns lasten. Der
erste Besuch Seiner Majestät muß meiner Überzeugung nach ein freund-
schaftHcher, nachbarlicher, politisch uninteressierter sein; ge-
rade dann wird er die beste politische Wirkung haben. Jeder Versuch,
ihm ein politisches Gepräge, einen sofortigen und erkennbaren politi-
schen Erfolg als Aufgabe zu stellen, würde gerade den politischen
Erfolg, den er haben kann und soll, schädigen nicht nur nach gemein-
gültiger psychologischer Berechnung im menschUchen Verkehr, sondern
ganz besonders nach der eigentümlichen Natur des Kaisers Alexander,
der für offenes freundschaftliches Entgegenkommen sehr empfänglich,
für jede Art politischer Berechnung aber empfindlich und gegen u n -
provoziertes Entgegenkommen sogar mißtrauisch zu sein pflegt.
314
Nr. 1344
Der Geschäftsträger in Petersburg Graf von Pourtales an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 178 St. Petersburg, den 13. Juli 1888
Baron Jomini besuchte mich gestern ohne besondere Veranlassung,
anscheinend nur mit dem Wunsche zu plaudern, und sprach in einer
einstündigen Konversation ausführlich seine Ansichten über die gegen-
wärtige Lage aus.
Die Stellung des Baron Jomini im hiesigen Auswärtigen Ministe-
rium ist zwar nicht mehr dieselbe einflußreiche wie früher, die Äuße-
rungen dieses gesprächigen Diplomaten dürften jedoch die in den
hiesigen amtlichen Kreisen vorherrschende Stimmung im allgemeinen
richtig wiedergeben und von diesem Gesichtspunkte aus nicht ohne
Interesse sein.
Baron Jomini sprach sein Bedauern darüber aus, daß der ser-
bische Zwischenfall* grade jetzt vor der bevorstehenden Monarchen-
begegnung eingetreten sei. Durch die nicht zu vermeidende Berührung
der EventuaHtät einer österreichischen Einmischung in die serbischen
Angelegenheiten werde, wie er fürchte i, ein schwieriges Moment in
die in Aussicht stehenden Unterredungen hineingetragen werden. „Wir
würden uns ja auf das beste verständigen können, wenn nur Öster-
reich nicht wäre."
Ich fiel dem Baron ins Wort, indem ich sagte, ich könne seine
Ansicht nicht teilen, daß die Berührung des Themas Österreich bei
den Unterredungen, welche gelegentlich der eventuell bevorstehenden
Begegnung unserer Souveräne stattfinden würden, besser vermieden
würde. Unser Verhältnis zu Österreich sei vor aller Welt klar; wenn
bei dem möglicherweise in Aussicht stehenden Gedankenaustausch von
Österreich die Rede sein werde, so könne dabei nur die vermittelnde
Rolle, welche wir zwischen der russischen und österreichischen Politik
einnehmen, von neuem hervortreten. Sollte hierbei etwas von dem
Mißtrauen, welches hier bezüglich unserer österreichischen Pohtik im-
mer wieder Wurzel fasse, beseitigt werden, so könnte dies unstreitig
doch nur als sehr erfreulich bezeichnet werden. Baron Jomini gab
dies zu, wies aber darauf hin, daß nun einmal die Schwierigkeit in
den deutsch-russischen Beziehungen in unserem Verhältnis zu Öster-
reich liege, und daß er befürchte, diese Schwierigkeit werde nicht
leicht zu beseitigen sein.
* Am 12. Juli war die Königin Natalie von Serbien, die sich seit längerer Zeit
mit dem Kronprinzen in Wiesbaden aufhielt, von der auf Anrufung ihres Ge-
mahls beorderten dortigen Polizeibehörde aufgefordert worden, den Kronprinzen
herauszugeben. Im Verfolg des Eheskandals des serbischen Königspaars drohte
die Abdankung König Milans.
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„Voyez Vous'*, so fuhr Herr von Jomini fort, „autrefois on disait,
si TAutriche n'existait pas, il faudrait l'inventer." Zu der Zeit, da
dieser Satz ausgesprochen wurde, seien die Rollen Europas anders
verteilt gewesen als jetzt. Preußens Aufmerksamkeit sei durch den
Rhein, Österreichs durch Italien, Rußlands durch den Orient in An-
spruch genommen gewesen. Heute, wo Österreich in Italien nichts
mehr zu suchen habe, seien die Augen der Habsburgischen Monarchie
nach der Balkanhalbinsel hin gerichtet, und das könne Rußland auf
die Dauer nicht zugeben 2. Im Gegensatz zu dem oben zitierten
Satze müsse daher heute die Vernichtung Österreichs als eine poli-
tische Notwendigkeit bezeichnet werden. Man habe öfters von einer
Teilung der Interessensphären Rußlands und Österreichs auf der Balkan-
halbinsel gesprochen; noch vor nicht langer Zeit habe Rußland sich
bereit erklärt, Bosnien und die Herzegowina den Österreichern preis-
zugeben', wenn sich dieselben nur von der übrigen Balkanhalbinsel
fernhalten wollten. Statt dessen erstrebe Österreich-Ungarn nicht nur
in Serbien^ eine dominierende Stellung, durch die Eröffnung der Bahn
nach Saloniki gelange der ganze Strich bis zum Ägäischen Meere in
den Bereich der österreichischen Machtsphäre, und auch damit nicht
zufrieden, suche Österreich dieselbe^ bis auf Bulgarien auszudehnen.
Österreich spreche zwar immer von unabhängigen Balkanstaaten, deren
selbständige Entwickelung es begünstige, in Wirkhchkeit aber bedeute
diese Selbständigkeit nichts anderes als die österreichische Oberherr-
schaft^. Einer solchen Politik Österreich-Ungarns, welche übrigens
für diese Macht eine kurzsichtige sei, da sie schließlich die Balkan-
halbinsel dem französischen und engUschen Handel eröffne, könne
Rußland auf die Dauer nicht gleichgiltig zusehen ''.
Rußland habe in seiner PoHtik der letzten zwölf Jahre unstreitig
schwere, unverzeihHche Fehler begangen, und die österreichische Politik
zeige ein unverkennbares Geschick in der Benutzung dieser Fehler.
Rußland müsse jetzt seine Fehler damit büßen, daß es gezwungen
sei, sich eine vollständige Zurückhaltung in Orientangelegenheiten auf-
zuerlegen. An dieser Haltung sei die russische Regierung entschlossen
solange als möghch festzuhalten, sie werde sich nicht leicht dazu
verleiten lassen, für Bulgarien wieder das Schwert zu ziehen. „Aber",
so rief Baron Jomini mit einiger Erregung aus, „das kann ich Sie
versichern, die Haltung, zu der wir jetzt verurteilt sind, ist, wenn auch
teilweise selbst verschuldet, darum nicht minder demütigend, und wenn
Österreich fortfährt, in der bisherigen Weise aus unserer Reserve
auf der Balkanhalbinsel für sich Vorteil zu ziehen, so wird das Maß
der hier gegen diese Macht herrschenden Erbitterung ^ bald voll wer-
den und überlaufen. Das gegen Österreich angesammelte Gift ist
derartig, daß ich einen russisch-österreichischen Konflikt schon heute
für unvermeidUch halte. Et ce sera une guerre terrible, une lutte ä
mort. Was mich dabei bezüglich der Beziehungen zwischen Rußland
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und Deutschland immer mit Sorgen erfüllt, ist die Erwägung, daß Ihr
V'^erhältnis zu Österreich Sie doch nötigt, Österreichs Orientpolitik zu
unterstützen. Der Satz der Thronrede Kaiser Wilhelms II., welcher
bei Besprechung der Beziehungen Deutschlands zu Österreich auf das
dem herkömmlichen europäischen Völkerrechte entsprechende Verhält-
nis hinweist, wie es vor 1866 bestand*, a fait dresser les oreilles ici^.
Man hat sich der Verhandlungen zur Zeit des Krimkrieges erinnert,
wo die Frage ventiliert wurde, ob nicht das Bundesverhältnis, in wel-
chem sich Preußen zu Österreich befand, Preußen die Verpflichtung
auferlege, bei einem Eintritt Österreichs in den Kampf auch an dem-
selben teilzunehmen. Wenn nun wirklich gewissermaßen eine Rück-
kehr zu dem früheren Verhältnis zwischen Österreich und Preußen
stattgefunden hat, und es z. B. wegen Bulgariens schließlich zum Kampfe
kommen sollte, wie würde dann sich Deutschland verhalten?"
Ich verwies den Baron auf die Rede Euerer Durchlaucht vom
6. Februar d.Js.**, in der die Grenzen, innerhalb welcher Österreich auf
unsere Unterstützung rechnen könnte, klar genug angedeutet seien; an
unserem Standpunkte habe sich seitdem nichts geändert; ein aktives
Vorgehen Österreichs auf der Balkanhalbinsel werde von uns sicherlich
nicht begünstigt, geschweige denn unterstützt werden; dagegen sei ihm
ebenso wie mir bekannt, daß nach Euerer Durchlaucht Ansicht Öster-
reich-Ungarn eine gewisse Sphäre 1° zur Ausübung seines Einflusses auf
der Balkanhalbinsel billigerweise zugestanden werden sollte. Ich ver-
suchte sodann einzelne Anklagen, welche Baron Jomini gegen die öster-
reichisch-ungarische Politik erhoben hatte, insbesondere die Behaup-
tung, daß dieselbe ihren Einfluß auch auf Bulgarien auszudehnen
trachte, zu widerlegen. An die Fabel der panslawistischen Presse,
daß Prinz Ferdinand von Koburg ,,ein österreichischer Usurpator" sei,
könne er doch gewiß selbst nicht ernstlich glauben. Baron Jomini war
keineswegs geneigt, die über den Prinzen Ferdinand in der hiesigen
öffentHchen Meinung verbreiteten Ansichten als Fabel zu bezeichnen:
„Glauben Sie mir, die Sendung des Prinzen von Koburg war ein sehr
geschicktes ungarisches Manöver. Wenn dem Wiener Kabinett nicht
daran läge, den Prinzen in Bulgarien weiter schalten und walten zu
lassen, so würden die Mittel zu seiner Entfernung und zur Wieder-
herstellung geordneter Verhältnisse im Fürstentum schon längst ge-
funden worden sein". Rußland würde sich jetzt in Bulgarien mit sehr
* Der Passus der bei Eröffnung des Reichstags am 25. Juni verlesenen Thronrede
lautete: „Unser Bündnis mit Österreich-Ungarn ist öffentlich bekannt. Ich halte
an demselben in deutscher Treue fest; nicht bloß, weil es geschlossen ist, sondern
weil ich in diesem defensiven Bunde eine Grundlage des europäischen Gleich-
gewichtes erblicke, sowie ein Vermächtnis der deutschen Geschichte, dessen In-
halt heute von der öffentlichen Meinung des gesamten deutschen Volkes getragen
wird und dem herkömmlichen europäischen Völkerrechte entspricht, wie es bis
1866 in unbestrittener Geltung war."
** Vgl. Nr. 1329, S. 279, Fußnote ***.
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wenigem begnügen, an eine Wiederherstellung seines dortigen Ein-
flusses in dem früheren Umfange denke es gar nicht. Es verlange nur
Beseitigung des jetzigen illegalen Regimes, wodurch Rußland die Mög-
lichkeit der Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen mit dem
Fürstentum gewährt würde. Das weitere werde sich dann von selbst
finden. In der Wahl der PersönHchkeit eines diplomatischen Vertreters
Rußlands würde man gewiß jetzt die äußerste Vorsicht übenn."
Auf meine Einwendung, es sei doch in hohem Grade bedauerlich,
daß, wie er anzunehmen scheine, eine Verständigung zwischen Ruß-
land und Österreich außer dem Bereiche der Möglichkeit liege, während
doch große vitale Interessen Rußlands bei all den vorerwähnten Fragen
nicht auf dem Spiele ständen, fiel mir der Baron Jomini ins Wort und
sagte: „C'est parfaitement juste, nous n'avons pas besoin de la Bulgarie,
ce n'est que les detroits ou plutot la fermeture des detroits qu'il nous
faut; mais le reste est une question d'amour propre i^". Als ich darauf
erwiderte, ein Konflikt pour une question d'amour propre sollte doch
zu vermeiden sein können, meinte Baron Jomini, die Schuld daran,
daß dies nicht möglich sei, treffe lediglich Österreich-Ungarn. Durch
die intemperances de langage im ungarischen Parlament und in der
ungarischen Presse werde das russische Selbstgefühl fortwährend in
einer Weise verletzt, die jetzt kaum mehr wiedergutzumachen sei.
Der Baron benutzte diese Gelegenheit zu einigen Ausfällen gegen den
Grafen Kälnoky, welcher nun einmal nicht die Gabe besitze, bei seinen
Äußerungen vor parlamentarischen Körperschaften seine Zunge im
Zaum zu halten. Ich erlaubte mir, Baron Jomini auf die sehr gemäßigte
Sprache, die Graf Kälnoky bei der jüngsten Delegationssitzung* geführt
habe, hinzuweisen, und sagte: Wenn die im ungarischen Parlament
bei wiederholten Gelegenheiten gefallenen unvorsichtigen Äußerungen
ein Hauptgrund der hier gegen Österreich entstandenen Verstimmung
gewesen seien, so schiene mir diese Verstimmung doch nachlassen zu
müssen, wenn, wie ja begründete Hoffnung dazu vorhanden sei, in
Zukunft die Ausfälle gegen Rußland im ungarischen Parlament ver-
mieden würden. Baron Jomini gab zu, daß Graf Kälnoky in diesem
Jahre vorsichtiger gesprochen habe als in früheren; er brauchte dabei
dieselben Worte, deren sich Herr von Giers neulich mir gegenüber be-
dient hatte: „on a en effet ete plus convenable", immerhin habe der
österreichisch-ungarische Minister, ohne allerdings Rußland zu nennen,
von Mächten gesprochen, die den Frieden Europas bedrohen, während
doch die einzige Macht, die dies wirklich tue, Österreich sei.
Ich machte den Baron Jomini darauf aufmerksam, daß, wenn auch
* Am 14. Juni 1888 hatte Graf Kälnoky im Delegationsausschuß ein Expose über
die auswärtige Politik gegeben, das zwar das Nachlassen der weltpolitischen
Spannung gegenüber dem voraufgegangenen Winter betonte, aber doch darauf hin-
wies, daß von den Ursachen, die früher die Besorgnisse um den Weltfrieden
hervorriefen, keine geschwunden sei.
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die Bestrebungen der hiesigen Regierung i^ ganz oline Zweifel auf
die Erfialtung des Friedens gerichtet seien, doch unleugbar hier Strö-
mungen existierten, welche offenkundig auf die Störung des Friedens
hinarbeiteten. Er habe mir soeben die berechtigten griefs, welche
Rußland gegen Österreich habe, aufgezählt; diesen müßten doch auch
die von österreichischer Seite gegen Rußland erhobenen Beschwerden
gegenüber gehalten werden. Ich brauche bloß auf die unaufhörlichen
Klagen der Österreicher über die die ganze Balkanhalbinsel umfassende,
in vielen Fällen von amthchen russischen Vertretein unterstützte pansla-
wistische Propaganda, sowie andererseits auf die Haltung der pan-
slawistischen Presse Österreich gegenüber hinzuweisen. Baron Jomini
wollte natürlich die österreichischen Anschuldigungen gegen russische
Agenten nicht gelten lassen und bezeichnete dieselben als Erfindungen.
Nur von Herrn Hitrowo gab er zu, daß derselbe vielleicht manchmal
etwas unvorsichtig sei, im allgemeinen werde dieser Diplomat sehr
verleumdet.
Wie dem auch sei, fuhr ich fort, wenn wirklich keine vitalen Inter-
essen vorlägen, welche Rußland zu einem Kriege veranlaßten, der nach
seinen im Anfange unserer Unterredung gebrauchten Worten mit der
Vernichtung Österreichs endigen müßte, so gäbe es doch einen Ge-
sichtspunkt, welcher für Rußland ebenso wie Deutschland die Erhal-
tung der österreichisch-ungarischen Monarchie notwendig mache, näm-
lich die gemeinsame Abwehr der drei Kaiserreiche gegen die Revolu-
tion. Ich wies dabei darauf hin, daß die Entstehung südslawischer Re-
publiken, welche die Zerstückelung Österreich-Ungarns unfehlbar zur
Folge haben würde, schheßUch für Rußland und den Bestand seiner
monarchischen Institutionen noch größere Gefahren mit sich führen
würde als für uns.
Baron Jomini konnte hiergegen nichts anderes einwenden, als
daß Österreich-Ungarn bei seiner Unterstützung des gegenwärtigen
Regimes in Bulgarien schließlich nur die Anarchie unterstütze. Alle
Balkanstaaten seien schon jetzt des foyers d'anarchie und würden von
Österreich-Ungarn, weil es seiner jetzigen Politik so passe, als solche
unterhalten.
Was im übrigen die friedensfeindlichen Elemente in Rußland und
deren Einfluß auf die russische Politik anbetreffe, so dürfe man deren
Bedeutung nicht überschätzen i^. Die Regierung besitze so viel Macht i^,
daß sie sich an das Geschrei der Hetzer nicht zu kehren brauche i^.
Allerdings müsse er zugeben, daß hier manche Dinge vorkämen, die
im Auslande über die hiesigen Verhältnisse falsche ^^ Vorstellungen
erwecken müßten. Dies sei aber zum großen Teil auf die Unnahbar-
keit des Zaren und das mangelnde Verständnis des Monarchen für
gewisse Dinge zurückzuführen.
„Sehen Sie z. B.", meinte Herr von Jomini, „als in diesem Früh-
jahr im selben Augenblick, da Boulanger wieder in Frankreich in die
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Höhe zu gelangen schien, die Ernennung des Generals Bogdanowitsch
als Mitglied des Konseils im Ministerium des Innern, die Dekorierung
des Generals Baranow und die Wahl des Grafen Ignatiew zum Prä-
sidenten des Slawischen Wohltätigkeitsvereins erfolgte, waren Herr
von Giers und wir alle außer uns, weil wir uns wohl bewußt waren,
welchen Übeln Eindruck dies im Auslande machen würde. Als aber
Herr von Giers den Versuch wagte, Seiner Majestät in diesem Sinne
Vorstellungen zu machen, erwiderte der Zar, er begreife nicht, wie es
jemandem im Auslande einfallen könne, sich darum zu kümmern, wenn
er nichts anderes tue als „empecher un pauvre^^ diable de crever
de faim".
Am Schluß unseres Gesprächs kam Herr von Jomini noch von
selbst auf die hiesige Presse und deren mit den Intentionen der Re-
gierung keineswegs übereinstimmende Haltung in auswärtigen Fragen
zu sprechen. „Leider", rief Baron Jomini aus, „hat man die Presse,
um sie zu verhindern, sich mit inneren Angelegenheiten zu befassen,
dazu ermutigt, sich viel mehr, als wünschenswert ist, mit der aus-
wärtigen Politik zu beschäftigen i^". F. Pourtales
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
^ [„fürchte" eingeklammert dafür:] „hoffe!"
2 u[nd] früher? Prinz Eugen? Joseph II.? Rußland ist anspruchvoller geworden
u[nd] will das Ganze
3 u[ndi Serbien?
* natürlich!
'" zu Unrecht
6 I?
■^ warum denn nicht?
8 das war nach dem Krimkrieg (1859) noch viel stärker wie heut!
9 gut!
10 Serbien!
'2 asiatischer Selbstüberschätzung
13 ?
•* („falsche" eingeklammert]
'5 („pauvre" eingeklammert]
1^ davon muß man die Consequenzen tragen!
Nr. 1345
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck, z. Z. in Peterhof
Reinschrift. Teilweise eigenhändig
Peterhof, den 22. Juli 1888
Als ich Herrn von Giers vorgestern meinen Besuch machte*, be-
wegte sich unsere Unterhaltung während der ersten Viertelstunde
* Vgl. Nr. 1343, Fußnote.
320
im Rahmen verbindlicher Gemeinplätze über das Erfreuliche des kaiser-
lichen Besuches. Ich hob dabei hervor, daß ich mir für die Zukunft
eine ersprießliche Wirkung von den persönlichen Beziehungen unserer
Kaiser im Sinne der Stärkung der Dynastien und des Friedens ver-
spräche, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß wiederholte Begegnungen
der beiden Monarchen diese Wirkung immer mehr verstärken würden.
Herr von Giers schien erwartet zu haben, daß ich die Initiative
zur Berührung poUtischer Fragen ergreifen würde.
Ich schloß das aus einer gewissen Verlegenheit im Ton, mit der
er schließlich zögernd sagte: „In Anbetracht unserer beiderseitigen
amthchen Stellung werden wir es doch nicht vermeiden können, politische
Themata zu abordieren, und da möchte ich mich zunächst dahin aus-
sprechen, daß die gegenwärtige allgemeine politische Lage mir mehr An-
laß zur Zufriedenheit gibt als seit langer Zeit. Die Situation in Bulgarien
ist für uns noch nicht voll befriedigend; wir werden aber keine Initiative er-
greifen, um dort Wandel zu schaffen; es fehlen dazu die Vorbedingungen
und die Handhaben. Den Prinzen Ferdinand von Koburg können wir
niemals anerkennen; wir werden uns ihm gegenüber aber passiv ver-
halten und abwarten, bis er sich verbraucht hat. Dieses würde voraus-
sichtHch bald eintreten, wenn die österreichische Regierung sich um Bul-
garien ebensowenig kümmern wollte, wie die deutsche es tut.
Als ich hier einschaltete, daß meines Wissens Österreich sich mit
Bezug auf Bulgarien in letzter Zeit doch ganz korrekt benommen, und
daß auch Graf Kälnoky in den Delegationen alles vermieden
hätte, was wie eine unberechtigte Einmischung in die bulgarischen
Angelegenheiten hätte ausgelegt werden können, meinte Herr von
Giers: „Dem äußern Anschein nach haben Sie wohl recht, und ich
vermag Ihnen im einzelnen nicht positive amthche Handlungen der
österreichischen Regierung anzuführen, über welche ich mich beschwe-
ren müßte. Immerhin hat Graf Kälnoky in den Delegationen im Hin-
blick auf bestimmte Maßnahmen vom „Feinde" gesprochen, und dieser
Feind kann für Österreich nur Rußland seini. Wenn Deutschland
sich mihtärisch stärkt, so begreift das jedermann bei der Unsicherheit
seiner Beziehungen zu Frankreich; Österreich aber kann mit keiner an-
dern Macht als mit uns in Händel geraten 2, und insofern war die
Qualifizierung als „Feind" immerhin unverbindlich*. Außerdem wirkt
in Bulgarien österreichischer Einfluß unter der Oberfläche. Da wir
dort keine Vertretung haben, so erhalte ich seit Jahr und Tag keine
amtlichen Berichte über bulgarische Zustände und bin infolgedessen
wenig informiert 3. Soviel wissen wir aber doch, daß in Bulgarien
allgemein der Einfluß des österreichischen Vertreters Burian maßgebend
ist, und daß Herr Burian diesen Einfluß reichlich ausübt. Es ist nicht
zu verwundern, daß wir hierüber ein malaise empfinden, zumal wir
* Vgl. Nr. 1344, S. 318, Fußnote.
21 Die Große Politik. 6. Bd. 321
uns in Serbien gänzlich zurückhalten. In dieser Beziehung steht die
Partie nicht egal; österreichischerseits fehlt das fair play*. Alle Ver-
sicherungen des Grafen Kälnoky nutzen uns nichts, solange die öster-
reichische Vertretung in Sofia nicht andere Richtschnuren für ihre Hand-
lungen einnimmt. Wir müssen doch immer den Moment des Ver-
schwindens des Koburgers im Auge behalten und würden in keiner
annehmbaren Situation sein, wenn beim Eintritt desselben es sich
herausstellte, daß alle gewaltigen Opfer an Blut und Geld im letzten
Türkenkriege umsonst gewesen sind und sogar der Stärkung des öster-
reichischen Einflusses zugute kommen".
Im ganzen war die Tonart des Ministers bezüglich Bulgariens die-
selbe, welche in dem anliegenden Berichte des Botschafters von Schwei-
nitz vom 20. er, wiedergegeben ist. Herr von Giers schloß seine bul-
garischen Auseinandersetzungen damit, daß er sagte: „Vous verrez que
l'Empereur Vous parlera dans le meme sens, car TAutriche est son
jdada'; Sa Majeste a personnellement confiance en l'Empereur Francois
Joseph, mais il se mefie de la politique autrichienne en general".
Ich bemerkte nur, daß wir als Freunde Rußlands das Unbehagen
beklagten^ welches Bulgarien unserm Nachbar verursache. Sei die
russische Regierung aber so unzufrieden mit den dortigen Zuständen,
daß sie dieselben für dauernd unannehmbar hielte, so müßte sie ihrer-
seits Maßregeln vorbereiten und Vorschläge machen, welche geeignet
seien, Remedur zu schaffen. Wir könnten uns nicht Rußlands Kopf
darüber zerbrechen, was es in bezug auf Bulgarien zu tun hätte. Un-
seres moralischen und diplomatischen Beistandes sei Rußland immer
gewiß, wenn es die Initiative ergreifen wollte, um in Bulgarien Zu-
stände herbeizuführen, welche dem Geiste des Berliner Vertrages und
unseren Verabredungen entsprächen; dieser Spielraum sei ein sehr
weiter; Rußland müsse verstehen, denselben wahrzunehmen, und es ent-
spräche seiner Großmachtsstellung nicht, sich lediglich der etwaigen
Einfälle fremder Staatsmänner bedienen zu wollen. Wir wären schon
räumlich in der Unmöglichkeit, in Bulgarien etwas initiativ für Rußland
zu tun. Daß unsere Unterstützung ihm stets gewiß wäre, habe er aber
noch Ende Februar d. Js. sehen können, wo wir uns Rußlands Dank ver-
dienten durch unsern Anschluß an die Demarche in Konstantinopel,
welche den Sultan zur Stellungnahme gegen den Koburger veranlaßte.
Wenn wir etwa Schwierigkeiten mit der Schweiz hätten, welche für
Rußland ebenso unerreichbar wäre wie Bulgarien für uns, so würden wir
sofort nach eigenem Plan verfahren und für Rußlands demnächstige
diplomatische Unterstützung sehr dankbar sein, niemals aber uns ein-
fallen lassen, die Hände in den Schoß zu legen in der unberechtigten
Erwartung, daß eine fremde Großmacht unsere Geschäfte besorgen
sollet.
Herr von Giers bemerkte hierauf mit einem Seufzer, daß meine
Äußerung wohl zutreffend sei, daß aber Rußland doch nicht anders als
322
abwartend verfahren könne. „Und doch," setzte er hinzu, ,,wäre es so
schön, wenn nur der Koburger verschwinden wollte; wir könnten uns
dann jahrelang einer ungetrübten Ruhe erfreuen. Le Cobourg est tou-
jours une epine dans notre chair; nous tächons de l'oublier, mais du
moment que nous jetons les yeux sur la Bulgarie, nous sentons tou-
jours Tepine et nous sommes pas ä meme de la retirer". Als ich diesem
schwächlichen Ausbruch von hülfloser Impotenz nur Schweigen ent-
gegensetzte, ließ Giers das Thema fallen und ging auf Serbien über.
„Ich habe die größte Besorgnis", — sagte er — ,,daß Österreich sich ge-
legentlich veranlaßt sehn könnte, in Serbien einzurücken, dies würde
uns in die denkbar schwierigste Lage bringen, denn wir könnten einen
solchen Gewaltakt nicht ruhig geschehn lassen".
Ich erwiderte: ,, Weshalb beschweren Sie sich mit Sorgen, die nicht
aktuell sind? Österreich denkt nicht daran, Serbien zu besetzen, da dazu
auch nicht die mindeste Veranlassung vorliegt. Nachdem jetzt der Zwist
zwischen König und Königin bewiesen hat, daß letztere gar keinen
Anhang in Serbien hat, da der Austrag der Differenz trotz recht unge-
schickter Handhabung seitens der serbischen Organe auch nicht die
geringste Erschütterung in Serbien hervorgerufen hat, so ist daraus
zu schließen, daß König Milan fester sitzt denn zuvor, und daß Kom-
plikationen für ihn nicht einzutreten brauchen, solange sein Sohn mi-
norenn bleibt". Herr von Giers hatte dem nichts entgegenzusetzen,
sprach aber doch noch eine ganze Weile über Serbien und betonte be-
sonders, wie nichts mehr Rußlands friedliche Dispositionen beweise
als sein Verfahren in Serbien: der russische Gesandte in Belgrad* er-
halte eine Instruktion nach der andern, daß er sich vollkommen effa-
zieren und jeder Komplikation vorbeugen solle: ,,je ne fais qu'ecrire ä
Persiani: calmez, calmez avant tout; pourquoi Kälnoky ne pense-t-il faire
autant par rapport ä l'attitude de Burian ä Sofia?"
Als Giers sah, daß ich keine Anstalten machte, auf seine retho-
rische Frage weiter einzugehen, ging er auf die Presse und die wirt-
schaftlichen Beziehungen unserer Reiche über: er gab die schönsten
Versicherungen bezüglich seiner Bemühungen in preßlicher Hinsicht
ab. Ich räumte ein, daß es in letzter Zeit allerdings mit der Deutschen-
hetze in den russischen Zeitungen etwas besser geworden sei: es hieße
aber da wie überall „men, not measures", und solange ein so er-
schöpfter Greis wie Tolstoi Innerer Minister bliebe, sei auf dauernden
Wandel schwerlich zu hoffen. Dies war Herrn von Giers augenschein-
lich aus der Seele gesprochen, er begleitete meine Äußerung mit einem
klagenden Aufblick seiner matten Augen und begann demnächst einen
Panegyrikus auf den anderen Kollegen, Wyschnegradski**. Letzterer
beschäftige sich schon seit längerer Zeit mit der Frage der Verbesserung
* Staatsrat Persiani.
** Minister der Finanzen.
21. 323
unserer zollpolitischen Beziehungen: er studiere jetzt unser Zollsystem,
welches mit seinen vorzüglichen Beamten und Einrichtungen so unend-
lich viel besser sei als das mit ungebildeten und betrügerischen Organen
operierende russische. Er habe ein umfangreiches Promemoria ausge-
arbeitet, welches Herr von Giers gelesen und im Schubfach zu haben
behauptete. Herr von Giers meinte, es sei darin nachgewiesen, daß die
Verschiedenheit der Kohlenzölle eine differentielle Behandlung Deutsch-
lands tatsächlich nicht in sich schlösse 3; „leider verstehe ich zu wenig
von diesen Dingen, um mit Ihnen darüber amtlich sprechen zu können.
Wir wünschen aber noch im Laufe dieses Jahres auf Grund der An-
schauungen meines Finanzkollegen Verhandlungen mit Ihnen anzu-
bahnen 6, denn die Zollplackereien sind nicht nur lästig, sondern beein-
flussen auch bei dem hochgetriebenen wirtschaftlichen Kampfe unsrer
Zeit die politischen Auffassungen der Völker".
Ich erwiderte: „Wir werden selbstverständhch Anträge, die von
Ihnen in wirtschaftlicher Hinsicht kommen, mit aller Rücksicht auf-
nehmen und prüfen; sollten dieselben aber zu nichts führen, so möchte
ich doch schon jetzt hervorheben, daß die wirtschaftlichen und die
poHtischen Beziehungen großer Staaten an sich miteinander nichts zu
tun haben. Wir haben zur Zeit der intimsten Beziehungen zwischen
Preußen und Rußland stets über wirtschaftHche Schwierigkeiten zu
klagen gehabt, die sogar vor mehr als 60 Jahren zwischen den damals
in engster Freundschaft stehenden Monarchen zu Sperrmaßregeln führ-
ten, von denen wir jetzt weit entfernt sind: es hat dies auf die Innig-
keit des poHtischen Zusammenhaltens niemals zurückgewirkt und
braucht das auch jetzt nicht zu tun. Wir stehen der Frage eines wirt-
schaftüchen Ausgleiches sehr kühl gegenüber, da wir nach Rußland
hin kaum noch etwas zu verlieren haben. Der russische Export nach
Deutschland ist noch heute etwa dreifach so groß als umgekehrt, und
aller Schaden, den Sie uns in dieser Hinsicht zufügen könnten, ist uns
bereits angetan; wir haben uns darauf eingerichtet und andere Absatz-
gebiete gefunden, in denen wir erfolgreich mit England konkurrieren,
und die eine noch vielversprechende Zukunft verheißen. Demgegenüber
fallen die wenigen Millionen, deren Wert wir jetzt noch nach Rußland
einführen, nicht in Betracht".
Herr von Giers schien auf die von mir angeschlagene Tonart nicht
gefaßt gewesen zu sein; er rückte verlegen auf seinem Stuhl und brachte
schließlich heraus: „aber wir leiden unter den jetzigen Verhältnissen,
unsre Zölle sind teilweise zu hoch gespannt, sodaß sie uns selbst
schädigen, und wir wünschen auf einen doch sicher für beide Teile
fruchtbringenden Ausgleich und Austausch zu kommen". Als ob er
fürchtete, zuviel gesagt zu haben, gab er dann noch einmal mit stot-
ternder Hast die überflüssige Versicherung ab, daß ihm diese Materie
fremd sei, und daß er deshalb eigentlich nur en amateur darüber spre-
chen könnte, —
324
Ich ging hierauf noch einmal auf die großen Vorzüge der Kaiser-
entrevue über und machte Anstalten, mich zu empfehlen. Herr von Giers
bat mich aber, noch zu verweilen, und kam mit beträchtlichen Um-
schweifen auf die ihm von Graf Schuwalow eingegebene Idee der
Publikation gewisser Verabredungen* zu reden: als ich ihn interessiert,
aber wortlos ansah, fragte er direkt: „Was ist denn Ihre Meinung
darüber?" Ich antwortete, ich glaube nicht, daß bei uns irgendwelche
Bedenken gegen Graf Schuwalows Idee obwalten würden; wenn Herr
von Giers einen diesbezüglichen Antrag stellen wolle, so würde unsere
Zustimmung ihm gewiß sein.
Giers meinte darauf: ,,C'est pourtant une grosse affaire, je dois
Vous dire que l'idee m'effarouche. II faudrait au moins encore quelques
mois de reflection, car aujourd'hui je ne peux pas me former une
opinioii sur l'effet qu'une teile publication produirait". Ich replizierte:
„Faites comme Vous voudrez; nous sommes contents de nos relations
actuels et nous avons entiere confiance en l'Empereur Alexandre, dont
il me parait que nous pouvons tres-bien ajourner cette question''.
Wahrscheinlich war Giers auf diesen gleichgültigen Ton nicht gefaßt:
er sprach zunächst unzusammenhängend von der Wichtigkeit und der
Bedeutung eines secret, ging dann mit einem salto mortale auf die
Ängstlichkeit und Unberechenbarkeit des Sultans über und drückte seine
Besorgnis aus, England könne gelegentlich unter einem jungen unter-
nehmenden Minister einen ähnlichen Gewaltstreich angesichts des un-
vorbereiteten Europas gegen Konstantinopel ausführen wie 1882 gegen
Alexandrien und Ägypten. Die guten Früchte jenes 1882^'^ Gewalt-
streichs könnten England einmal zu einer Wiederholung einer so brüsken
Politik auffordern, und dies würde doch sehr gefährlich werden können.
Ich hielt es nicht für nützlich, dieser Illusion des Herrn von Giers
über den englischen Unternehmungsgeist entgegenzutreten, und be-
schränkte mich auf die Bemerkung, daß solche Möglichkeit allerdings
nicht ausgeschlossen sei. —
Der Zar hat trotz Giers' Prophezeiung in meiner Audienz, über
die ich noch berichten werde, seines „dada" Österreich gar nicht gedacht:
vermutlich hat also Giers, den ich im Vorzimmer nach seinem Vortrag
sprach, ihm dies ausgeredet. H. Bismarck
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Warum?
" es hat noch keinen russ[ischen] Krieg geführt, wohl aber viele französlische]
ulndj einige ital[ienische], auch türkische
8 ?
* ulnd] Hitrowo?
^ sehr richtig
'^' wird zu nichts führen
* Näheres über die Schuwalowsche Idee einer Veröffentlichung des Rückversiche-
rungsvertrags ist in den Akten nicht enthalten.
325
Nr. 1346
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck, z. Z. an Bord S. M. Y. ,,Hohenzollern"
Eigenhändig
S.M.J. „Hohenzollern'S den 25. Juli 1888
Am Sonntag, den 22. er. hatte ich die Ehre, von Seiner Majestät
dem Kaiser von Rußland in Privataudienz empfangen zu werden.
Ich hatte Herrn von Giers am Tage unserer Ankunft gesagt, daß
ich sehr glücklich sein würde, dem Zaren persönlich meine Auf-
wartung machen zu dürfen, und erhielt am 21. abends ein Schreiben
des Ministers, welches mich für den nächsten Nachmittag auf 3 Uhr
in die kaiserliche Villa Alexandrie bestellte.
Als ich dort kurz vor der festgesetzten Zeit eintraf, wurde mir
gesagt, daß Herr von Giers noch Vortrag beim Zaren hatte: wenige
Minuten später erschien der Minister selbst im Vorzimmer, um mir
zu sagen, daß sein Herr mich erwarte, und der kaiserliche Kammer-
diener führte mich durch das Schlafzimmer des Zaren in dessen ver-
hältnismäßig kleines und anspruchsloses Arbeitskabinett. Wenn diese
petite entree, bei der Hofbeamte und Adjutanten garnicht zu sehen
waren, in mir von vornherein den angenehmen Eindruck erweckte,
daß der Zar mir die besondere Auszeichnung eines ganz vertraulichen
Empfanges zuteil werden lassen wollte, so wurde dieser Eindruck noch
wesentlich verstärkt, als in der geöffneten Tür der Zar mir mit wohl-
wollendstem Ton in der Begrüßung gleich die Hand reichte und mir
an einem kleinen Tisch, auf dessen anderer Seite er Platz nahm, einen
Stuhl anwies, indem er mit Hindeutung auf sein augenscheinlich sehr
bequem sitzendes graues Jackett lächelnd sagte: „Entschuldigen Sie
diesen unzeremoniellen Empfang, ich wollte mit Ihnen aber ganz sans
gene sprechen*'. Ich brachte demgegenüber in angemessener Form
meinen untertänigsten Dank zum Ausdruck, mit dem ich diesen hohen
Beweis von Vertrauen zu würdigen wisse, und Kaiser Alexander ging
dann sofort auf die Berliner Wandlungen seit Anfang März d. Js. über:
Er sprach mit Weichheit und Verehrung vom Andenken Kaiser Wil-
helms I., mit aufrichtiger Teilnahme vom tragischen Schicksal Kaiser
Friedrichs und faßte sich dahin zusammen, daß die Zeit seit dem
Tode des Kaisers Wilhelm für Deutschland eine schwere und speziell
für den Reichskanzler eine mühevolle gewesen sein müsse. Auf meine
zustimmende Verneigung ging der Zar demnächst mit warmen Worten
auf unseres jetzt regierenden Kaisers Majestät über, allerhöchstdessen
Besuch ihn so sehr erfreue: letzterer würde vortrefflich auf die öffent-
liche Meinung in Rußland wirken und mächtig dazu beitragen, alle
albernen und böswillig vertriebenen Gerüchte von Beunruhigung des
europäischen Friedens durch russisch - deutsche Divergenzen zum
326
Schweigen zu bringen: Kaiser Wilhelm II. habe es in der icurzen Zeit
seiner Regierung schon verstanden, überall Achtung und Vertrauen
einzuflößen und durch sein Auftreten alle Verleumder, die Seiner Maje-
stät die abenteuerlichsten Pläne angedichtet hätten, Lügen zu strafen.
Besonders erfreuHch sei für das Deutsche Reich die glatte Art ge-
wesen, in der sich die Thronbesteigung des dritten Deutschen Kaisers
vollzogen habe: „Nous avions cru ici que pour l'Allemagne et pour
la dignite d'Empereur les choses n'avaient pas ete definitivement re-
glees ä Versailles et que les princes allemands s'etaient simplement
entendus de conferer la couronne imperiale au roi Guillaume et ä
son successeur, mais pas au delä*'. Ich erwiderte dem Zaren, daß dies ein
fundamentaler Irrtum sei, und daß die Leute, die ihm jene falschen An-
gaben gemacht hätten, nie einen Blick in die Reichsverfassung geworfen
haben müßten, welche expressis verbis die deutsche Kaiserwürde erb-
lich an das preußische Königshaus knüpfe. „So," sagte der Zar, „das
habe ich nicht gewußt: man hatte mir gesagt, daß jetzt wohl die Reihe
der Kaiserkrone nach der Anziennetät an ein anderes deutsches Königs-
haus kommen würde, weil Erblichkeit für Preußen nicht vorgesehn sei;
ich weiß nicht, wie Preußen in der Anziennetät der deutschen Könige
steht, und war deshalb darauf gefaßt, daß Wilhelm II. Schwierigkeiten
in Deutschland haben würde''.
Ich erklärte dem Zaren hierauf, daß von den vier Königen in
Deutschland nur der preußische Monarch ein König aus eigener Sou-
veränität sei und die aus eigener Kraft stammende Krone über 100
Jahre länger trage als die von Napoleons Gnaden aus dem Unglücks-
jahre 1806 datierenden, ursprünglich französischen Vasallenfürsten
Bayerns, Sachsens und Württembergs. Der Kurfürst von Sachsen sei
allerdings ausgangs des 17. Jahrhunderts König von Polen geworden,
und da sein Sohn ihm in dieser Stellung folgte, würden die dem Zaren
gemachten irrigen Angaben vielleicht auf eine oberflächliche Bekannt-
schaft mit diesem historischen Faktum zurückzuführen sein. Da wir
einmal bei diesem Kapitel waren, so benutzte ich die Gelegenheit,
um den deutschen Fürsten ein gutes Zeugnis auszustellen und
dem Zaren auseinanderzusetzen, wie die konservative Stärke Deutsch-
lands in erster Linie auf der loyalen Bundestreue der Reichsfürsten be-
ruhe. Letztere hätten seit Aufrichtung des Reiches sämtlich erkannt,
daß das feste Zusammenhalten der Reichsglieder den einzigen sicheren
Schutzwall gegen die radikalen Nivellierungsbedürfnisse und Bedrohung
der monarchischen Kronrechte bilde, und hätten dieser ihrer Über-
zeugung durch die großartige Demonstration ihres einmütigen Erschei-
nens bei der Reichstagseröffnung einen so eklatanten Ausdruck ge-
geben, daß das Reichsgebäude jetzt fester gefügt als je dastehe.
Der Zar erkannte dies an und gab zu verstehen, daß jenes Ent-
gegenkommen der Reichsfürsten ihn überrascht habe: Er äußerte aber
seine Zustimmung, wie ich von der notwendigen Stärkung des monar-
327
chischen Prinzips gegen die überall solidarischen Bestrebungen des
radikalen Republikanismus sprach und mir dabei eine kurze Ab-
schweifung über die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenstehens
der alten europäischen Monarchien überhaupt erlaubte.
Ich wiederholte hierbei die alte Wahrheit, daß die 3 Kaiser viel
mehr an die Revolution zu verlieren hätten, als sie je voneinander
gewinnen könnten, und streifte flüchtig die subversive Tätigkeit der
Presse, welche es den monarchischen Regierungen häufig unnötig er-
schwere, die von ihnen gewünschten guten und friedlichen Beziehungen
erfolgreich zu kultivieren. Kaiser Alexander nickte dazu lächelnd und
sagte: „Ja, die Presse war im Winter de part et d'autre recht wider-
wärtig, jetzt ist sie aber ruhig, und ich hoffe, es wird so bleiben". —
Seine Majestät fragte mich dann ohne weiteren Übergang: „Wie
sind denn jetzt die Beziehungen zwischen Ihrem Kaiser und der
Kaiserin Viktoria? Ich höre, sie sollen sich ganz befriedigend gestaltet
haben".
Ich erwiderte: „Nach außen und auf der Oberfläche ja; der Kaiser
spricht von seiner Mutter stets dans les termes les plus respectueux
und hat es seinerseits an nichts fehlen lassen, um der verwitweten
Kaiserin entgegenzukommen. Tatsächlich besteht in diesen allerhöch-
sten Beziehungen aber eine meiner Meinung nach schwer zu besei-
tigende Entfremdung et tous les torts sont du cote de l'Imperatrice
douairiere". Als ich hier einhielt, blickte mich der Zar sichtlich in-
teressiert und auffordernd an; da ich nun wußte, daß Seiner Majestät
früher in böswilliger Weise, um unseren allerhöchsten Herrn bei ihm
in ein ungünstiges Licht zu stellen, alle möglichen Unwahrheiten über
dieses Verhältnis vorgespiegelt waren, so schien es mir zweckentspre-
chend, etwaige noch vorhandene Zweifel nachdrücklich auszutilgen,
und ich sagte: „Wenn Euere Majestät mir gestatten wollen, ganz
intim und im Vertrauen auf Euerer Majestät Diskretion zu sprechen, so
darf ich die Erklärung für das vorhin Gesagte damit geben, daß Ihre
Majestät die Kaiserin Viktoria sich ganz als Engländerin fühlt, daß sie
als ihren jetzt verfehlten Lebenszweck betrachtete, als solche möglichst
lange das ihr unsympathische Deutschland zu regieren, und daß sie
meinem jetzigen Herrn niemals das entgegengebracht hat, was man
im gewöhnlichen Leben unter mütterlichen Gefühlen versteht". Wie
ich wieder einen Moment schwieg, tat der Zar einen kleinen Zug aus
einem vor ihm stehenden silbernen Kruge, entzündete eine Zigarette
und sagte: „Ce que Vous me dites lä m'interesse beaucoup; je Vous
prie de continuer, Vous pouvez compter absolument sur ma discretion.
J'ai dejä depuis quelque temps eu l'impression, que le pauvre Empereur
Frederic pour lequel j'avais la plus grande amitie, n'a ete qu'un In-
strument Sans volonte dans les mains de sa femme, mais je tiens
beaucoup ä en savoir plus long sur les peripeties de son court regne".
Als ich sah, daß der Zar, welcher bei den letzten Worten seine
328
Zigarettentasche vor sich hingelegt hatte, einen längeren compte-rendu
erwartete, so holte ich etwas weit aus und gab zunächst eine gedrängte
Schilderung von der Haltung der verschiedenen Mitglieder unserer aller-
höchsten Familie in der Battenberg-Angelegenheit*, von dem Eingreifen
der englischen Familie in dieselbe und von den systematischen Be-
mühungen der Kaiserin Viktoria, den Kaiser Friedrich gegen unseren
jetzigen Herrn einzunehmen. Dies datiere Jahr und Tag zurück und
sei leider nicht immer erfolglos gewesen.
Kaiser Wilhelm II. habe mir vor längerer Zeit einmal selbst ge-
sagt, als er von seinen fruchtlosen Bemühungen bei seiner hohen Mutter
sprach: Ich sehe, daß alles, was ich tun kann, vergeblich sein wird:
wir stehen auf anderen Basen, meine Mutter bleibt immer Engländerin,
und ich bin Preuße, wie sollen wir da kongruieren?
Der Zar schaltete hier mit beifälligem Lächeln ein: „Ceci, je le
crois bien, comment Votre Empereur pourrait-il gouverner l'Allemagne
d'apres les besoins de l'Angleterre; si c'est comme ca, il est evident,
que toute entente est impossible; c'est une petition de principe".
Meine weiteren Angaben unterbrach der Zar wiederholt durch
zustimmende Interjektionen und kleine Erläuterungen. Als ich der
seinerzeit für das Osterfest bereits ergangenen, nachher revozierten
Einladung des Prinzen A. von Battenberg nach Charlottenburg er-
wähnte* und die Annahme als eine sehr ungewöhnliche bezeichnete,
daß bei der Prinzessin Viktoria eine unüberwindliche Neigung für jenen
Prinzen bestehen solle, nachdem Ihre Königliche Hoheit ihn nur einmal
vor zirka viereinhalb Jahren ganz kurz gesehn habe, pflichtete der Zar
mir bei, indem er sagte: „Cette obstination pour le mariage dont Vous
parlez m'etonne d'autant plus, comme je sais de source süre, mais absolu-
ment süre, que le prince de Bulgarie lui-meme ne desire nullement
s'allier ä la princesse Victoria, et ce serait donc peu digne de l'obliger
de paraitre devant l'autel contre son propre desir*'. Ich hatte bei dem
Wort „Bulgarie'' mit keiner Wimper gezuckt; es mußte dem Zaren
aber doch selbst ins Ohr gefallen sein, denn nach Beendigung seines
Satzes sagte er mit einem Anfluge von Heiterkeit: „Pardon, je viens
de dire Bulgarie; j'aurais du l'appeler le Battenberg".
Ich verneigte mich und bestätigte, daß le Battenberg in der Tat
nicht die geringste Neigung zu der nur von der Kaiserin Viktoria be-
triebenen Vermählung habe: er sei aber schwach, unaufrichtig und
geldbedürftig, und wenn die Kaiserin Viktoria ihm statt nur drei Mil-
lionen deren zehn zu bieten vermöchte, so würde er wohl zugreifen.
Mit 100 — 120 000 Mark Jahresrente würde er eine Hofhaltung mit einer
preußischen Prinzeß aber nicht führen können.
Der Zar wußte nicht von dem 1885" Entsagungsbrief des Prin-
Vgl. Kap. XLII, Nr. 1330 ff.
329
zen A. Battenberg* und fand sein Verhalten danach um so doppel-
züngiger. Es war Seiner Majestät entschieden angenehm zu hören,
wie unser Herr die Sache rasch und energisch zu Ende geführt**,
und er erklärte, daß er vollkommen begriffe, wie Kaiser Wilhelm
auch abgesehn von der politischen Seite der Frage nicht zugeben
wolle, daß eine preußische Prinzeß bis zu einem Battenberg hinab-
steige.
Mit wiederholtem mißbilligenden Kopfschütteln hörte der Zar an, was
ich über die Rolle der englischen Ärzte, über die Krankenpflege, über
die Zwecke der Beschönigungen, über die Geschäftsbehandlung, sowie
über das Gebaren der englisch-freisinnigen Kamarilla erzählte. Seine
Majestät meinte schließlich: „Je crois bien que Vous devez avoir le sen-
timent d'etre debarasses d'un cauchemar depuis Pavenement de Guil-
laume. Je n'ai pas sü que FEmpereur Frederic avait tellement ete
reduit sous tout rapport quoique Schouwaloff m'avait bien informe
sur les progres de la maladie."
Als dieser Gegenstand verlassen wurde, ging der Zar zu unseren
ökonomischen Beziehungen über, deren Besserung und vernünftige
Behandlung er wünsche. Er sprach mir in ähnlichem Sinne wie Giers
von Wyschnegradskis Bemühungen in dieser Richtung und schien es
für nützlich zu halten, daß wir einen Handelsvertrag miteinander
schlössen, „sei es auch zum Beginne nur ein ganz oberflächlicher von
wenigen Artikeln". Er habe zu seiner Verwunderung gehört, daß,
obgleich die Geschichte der Handelsverträge eine vielhundertjährige
sei, Rußland niemals einen solchen mit Preußen gehabt habe. Die
Akten der letzten 30 Jahre hätten ergeben, daß alle Anregungen zu
kommerziellen Verabredungen stets a limine abgewiesen seien mit
der einfachen Motivierung „Kaiser Nikolaus habe nie einen Vertrag
gewollt". Dies fände er absurd, es sei kein sachlicher Grund, und er
würde der Sache sein persönliches Interesse widmen. Ich bemerkte,
daß bei etwaigem Eintritt in Verhandlungen jeder Staat selbstverständ-
lich sein eigenes Interesse voranstellen müsse: Besprechungen über
kommerzielle Verabredungen würden wir aber gewiß nicht ablehnen,
nur müsse man sich von vornherein darüber klar sein, daß es kein
Anlaß zu einer politischen Verstimmung sei, wenn derartige Be-
sprechungen etwa resultatlos verlaufen sollten, pp.
Der Zar hatte mich vorher gefragt, mit welchen Eindrücken der
Prinz von Wales von Berlin geschieden wäre. Ich hatte dabei von den
Walesschen Demarchen für Cumberland absichtlich nichts gesagt, um
den Zaren nicht darauf zu bringen, und hatte mich begnügt, zu er-
wähnen, daß der Prince von Wales unseren Kaiser durch lästige Rat-
schläge behelligt habe, die abgelehnt wurden, und daß er hierüber wie
Vgl. Bd.V, Kap. XXXIII, Nr. 1030, S. 162, Fußnote.
' Vgl. Nr. 1337, S. 294, Fußnote *.
330
über die wahrheitsgemäßen Angaben des Reichskanzlers bezüghch der
Regierungsunfähigkeit Kaiser Friedrichs verstimmt gewesen sei*.
Ich fügte hinzu, daß ich dies ganz vertrauhch von dem englischen
Botschafter erfahren hätte, und ließ nun auch einfließen, daß der Prinz
von Wales alle möghchen Wünsche bezüglich Cumberlands durch seine
Frau und direkt zur Sprache gebracht habe. Die fin de non recevoir,
welche ihm hätte aus Staatsraison entgegengesetzt werden müssen,
habe dem Prinzen augenscheinlich das peinliche Gefühl erweckt, daß
er zu weit gegangen sei.
„In der englischen FamiHe und ihren nächsten Abzweigungen*' —
fuhr ich fort — „besteht eine Art Kultus des reinen Familienprinzips,
und die Königin Viktoria wird als eine Art absoluter Chef aller Glieder
des Koburgschen Stammes und seiner Abzweigungen angesehn. Es
hängt dies mit Testamentskodizillen zusammen, welche dem gehorsamen
Verwandten aus der Ferne gezeigt werden (hier lachte der Zar aus
ganzem Herzen). Außerdem ist aber die traditionelle englische Politik,
auf dem Kontinent Zwist und Streit zu stiften und zum Frommen Eng-
lands die anderen Großmächte zu verhetzen. In diesem Sinne hat im
vorigen Herbst der Prinz von Wales direkt und durch ihm zur Ver-
fügung stehende Kanäle unseren jetzigen Kaiser bei Ew. Majestät
angeschwärzt, um gegenseitiges Mißtrauen zu wecken, und hat die
Queen 3 Tage vor unserer Abreise an Kaiser Wilhelm geschrieben,
um ihm von der Fahrt hierher dringend abzuraten. Seine Majestät ist
dieser ungebetenen Bevormundungen aber satt und hat der Queen so
* Die nachprüfende Geschichtsforschung wird sich das absprechende Urteil über
den Prinzen von Wales, späteren König Eduard VII., der im Mai bei der Hoch-
zeit des Prinzen Heinrich und im Juni bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für
Kaiser Friedrich III. in Berlin weilte, nicht ohne weiteres aneignen können. Die
Ratschläge des Prinzen zugunsten seines Schwagers, des Herzogs Ernst August
von Cumberland zu Braunschweig und Lüneburg, haben ihre innere Rechtfertigung
durch die spätere Wandlung Kaiser Wilhelms II. in Sachen des Weifenfonds, der
braunschweigischen Thronfolgefrage usw. erfahren. Auch die Äußerungen, die der
Prinz von Wales unter Berufung auf Ansichten und Absichten des verstorbenen
Kaisers Friedrich in der Richtung einer Verständigung Deutschlands mit Frank-
reich in der Elsaß-Lothringischen Frage (Abtretung der französisch-sprachlichen
Bezirke Lothringens?) in vielleicht nicht eben geschickter Weise in Berlin tat,
wird man im Lichte der seitherigen Weltgeschehnisse milder beurteilen
dürfen, als es 1888 am Kaiserlichen Hofe geschah. Kaiser Wilhelm II. hat da-
mals der Erregung über die Äußerungen seines Oheims scharfen Ausdruck in der
Rede verliehen, die er am 16. August in Frankfurt a. O. bei Gelegenheit der Ent-
hüllung des Denkmals für den Prinzen Friedrich Karl hielt, und die mit den
Worten schloß, ,,daß wir lieber unsre gesamten achtzehn Armeekorps und
42 Millionen Einwohner auf der Wahlstatt liegen lassen, als daß wir einen einzigen
Stein von dem, was mein Vater und der Prinz Friedrich Karl errungen haben,
abtreten". Ob an den angeblichen Absichten Kaiser Friedrichs III., in denen
Wilhelm II. eine Beschimpfung des Andenkens seines Vaters sehen wollte, etwas
Wahres gewesen ist, läßt sich aus den Akten des Auswärtigen .\mts nicht ent-
nehmen.
331
klar geantwortet, daß eine Wiederholung derselben wohl kaum statt-
finden dürfte*'.
Der Zar hörte dies mit Befriedigung, widersprach auch mit keinem
Wort meiner Anklage des Prinzen von Wales. (Nachher bestätigte mir
Großfürst Wladimir ausdrücklich, er wisse bestimmt, daß der Prince of
Wales gegen unseren Herrn gewirkt habe), pp.
Als der Zar sich erhob, fragte er mich nach dem Befinden des
Reichskanzlers und trug mir viele Grüße für denselben auf: Seine Maje-
stät wiederholte mir die Genugtuung, die er über den gegenwärtigen
Besuch empfände, und fügte hinzu: „Je connais Votre Empereur depuis
longtemps, c'est un caractere franc et ouvert, qui m'est extremement
sympathique, et je suis sür que nous nous entendrons toujours*'. Als
ich erwiderte, unser Kaiser sei sehr befriedigt über seine Peterhofer
Eindrücke, bringe dem Zaren volles Vertrauen entgegen und lege Ge-
wicht darauf, die persönlichen Beziehungen, welche die Basis der
Entente zwischen den Kaisern von Rußland und Deutschland sei,
nach den guten alten Traditionen beider Höfe mehr zu kultivieren, als
das in letzter Zeit geschehen sei, erwiderte der Zar, indem er mir
freundlich die Hand reichte: „Ihr Kaiser soll nur kommen, sooft er
mag, mir wird sein Besuch immer sehr angenehm sein: Sie haben ganz
recht damit, daß Sie die Notwendigkeit des Vertrauens am meisten
betonen, und daß Sie sagen qu'une entrevue d'une heure entre les
Souverains vaut plus que cent depeches echangees entre les Gouver-
nements"*.
Ich dankte dem Kaiser Alexander dann noch für die gnädige
Audienz, und derselbe entließ mich mit wiederholtem Händedruck und
den liebenswürdigsten Abschiedsworten. — Bei dem Diner, welches
einige Stunden auf den Empfang folgte, trank mir der Zar, wie er es
schon tags zuvor im Lager getan, ostensibel zu.
Am nächsten Tage, nach einem Frühstück bei dem Großfürsten
Wladimir in Krasnoe dankte ich dem Zaren für die mir verliehenen
Ordensinsignien, „welche mir in Erinnerung an die interessante gestrige
Audienz ganz besonders wertvoll seien". Derselbe erwiderte darauf
mit wohlwollendster Intonation: „Comment donc! Cela m'a fait un
tres-grand plaisir de Vous conferer les diamants comme un souvenir
de Votre visite et je tiens encore ä Vous dire particulierement combien
j'ai ete content que Vous ayez pu accompagner l'Empereur Guillaume.
* Angesichts dieser Äußerungen des Kaisers Alexander III. zu Graf Herbert Bis-
marck befremdet es doch, daß Fürst Bismarck im Herbst 1889 eine Wiederholung
des Besuchs Wilhelms II. am Zarenhofe so entschieden widerriet (vgl. Gedanken
und Erinnerungen Bd. III, S. 49, 144 f.). Hing es etwa damit zusammen, daß dem
Fürsten Bismarck nach dessen Darstellung (das. S. 83 f.) durch Graf Hatzfeldt
geheime Berichte aus Petersburg mit ungünstigen angeblichen Äußerungen des
Zaren über den Kaiser und dessen Besuch im Juli 1888 zugegangen waren? In
den Akten des Auswärtigen Amtes ist übrigens von jenen geheimen Berichten
nichts zu finden gewesen.
332
J'espere que Vous nous reviendrez, Vous serez toujours le bienvenu ä
ma cour. Quant ä Votre Empereur je Vous ai deja dit qu'il m'inspire
la plus grande confiance, et je suis fermement convaincu que nos rap-
ports resteront toujours les plus intimes. N'oubliez pas de dire mille
choses ä Votre pere de ma part". Ich verneigte mich und sagte: „Du
moment que Votre Majeste parle ainsi de nos rapports, ils me paraissent
etablis ä tout jamais puisque personne en Russie n'osera agir autre-
ment que Votre Majeste ne le veut".
Diese Unterredung, welche 8—10 Minuten dauerte und im Park
vor der gesamten Suite stattfand, hat einen beträchtlichen Eindruck auf
die Anwesenden gemacht, wie ich direkt und indirekt gehört habe: der
Kaiser Alexander war mit dem Verlauf des vorangegangenen Exerzie-
rens besonders zufrieden, seine gute Laune wurde deshalb hervor-
ragend ersichtlich, und die ganze Art seines Wesens bewies, daß es
ihm Vergnügen machte, mir dies ostensibel zu erkennen zu geben, pp.
H, Bismarck
Nr. 1347
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 189 St Petersburg, den 25. Juli 1888
Geheim
Wenn man schon nach der ersten Stunde, welche Seine Majestät
unser allergnädigster Kaiser und Herr an Bord der „Alexandria'' am
19. d. Mts. mit dem Kaiser von Rußland und den Großfürsten in heiterer
VertrauHchkeit zubrachte, mit einiger Sicherheit erwarten durfte, daß
der Hauptzweck der Reise erreicht werden dürfte, so fand diese Er-
wartung mit jedem Tage neue Bestätigung. Auf des Zaren offenem
Gesichte, auf welchem so viele die Instruktion für ihr eigenes Ver-
halten zu lesen suchen, war deutlich zu erkennen, daß ihm der persön-
liche Verkehr mit seinem erlauchten Gaste von Stunde zu Stunde
wenige Verlegenheit, mehr Behagen, endlich wirkliches Vergnügen be-
reitete. Wenn vielleicht anfänglich eine wenn auch nur geringe Besorg-
nis bei Seiner Majestät dem Kaiser Alexander vorhanden war, daß poli-
tische oder militärische Fragen peinlicher Natur gestreift werden könn-
ten, so schwand diese Sorge bald, und es kam zu einem dem Gemüt des
Zaren völlig konformen herzlich-fröhlichen Familienzusammensein.
Auch bei Ihrer Majestät der Kaiserin*, der es viel schwerer als
dem Gemahle wird, tief-schmerzliche, in früher Jugend empfangene
* Kaiserin Maria Feodorowna, geborene Prinzessin Dagmar von Dänemark, die
bekanntlich dem Fürsten Bismarck zeitlebens die Annexion Schleswig-Holsteins
nachgetragen hat.
333
Eindrücke zu verwinden, konnte ich wahrnehmen, daß sie während der
letzten Besuchstage den Fremden und namentlich dem Herrn Staats-
sekretär mit zunehmender Freundlichkeit nähertrat, und daß es ihr ge-
ringere Überwindung kostete als sonst, die Erinnerungen an ihr Vater-
haus zu verscheuchen ; ich weiß, wie schwer dies der hohen Frau wird ;
während der drei ersten Jahre ihrer Ehe, wo sie mich so oft im engsten
Kreise bei ihren Schwiegereltern sah, hat sie jemals weder einen Gruß,
noch ein Wort an mich gerichtet; später, ihrer Pflichten als Kaiserin
bewußt, hat Ihre Majestät alle Formen stets gew^issenhaft beobachtet
und mich dann sogar durch besondere Gnade erfreut; ich glaube durch
diese Erfahrungen um so eher zu der Versicherung berechtigt zu sein,
daß die erlauchte Frau durch den kaiserlichen Besuch erfreut worden
ist und die Verlängerung desselben gern gesehen hat. Ihre Majestät
hat mir dies wiederholt ausgesprochen mit Wärme und mit der be-
zaubernden Natürlichkeit, welche jeden Zweifel an der Aufrichtigkeit
ausschließt, pp.
Alle Mitglieder des Kaiserlich russischen Hauses, die weiblichen
wie die männlichen, die älteren wie die jüngeren, überboten sich nicht
nur in Aufmerksamkeiten für unseren Kaiser und Herrn und allerhöchst-
dessen erlauchten Bruder*, sondern sie fanden unverkennbares Ver-
gnügen an diesem Besuche und freuten sich, als derselbe verlängert
wurde. Wenn man so vielen fürstlichen Entrevuen aller Art beigewohnt
hat wie ich, sowohl als Adjutant, wie als Diplomat, wenn man so oft
Zeuge der schlechten Laune beim Erwarten, der Langweile bei den
Festen, der Freude nach der Abreise war, dann darf man wohl behaup-
ten, daß so hohe Gäste und Wirte selten so gern zusammen waren
und so ungern voneinander schieden; die letzte Stunde des Zusammen-
seins auf der „Hohenzollern" und der Augenblick, in welchem die
Schaluppe mit der russischen KaiserHchen Familie abstieß, wird allen,
welche das Glück hatten, dies mitansehen zu dürfen, unvergeßlich
bleiben.
Seine Majestät der Kaiser Wilhelm II. ist angenehm überrascht
gewesen, als er bei einer Fahrt durch die Hauptstraßen St. Peters-
burgs nicht nur geschmückte Gebäude, sondern eine freudig bewegte,
stürmisch zujubelnde Menschenmasse sah.
Mehr als Fünfzigtausend sind in diesen Tagen nach Peterhof und
nach Kronstadt hinausgezogen ; zuverlässige Beobachter und Kenner
des russischen Volkes, welche sich mitten unter ihm bei diesen Pilger-
schaften zu Lande und zu Wasser bewegt haben, versichern mir, daß
die Freude über den Besuch des deutschen Kaisers und der deutschen
Flotte eine ganz allgemeine war, „Wir Russen", so sagte mir ein
Gewährsmann, „sind recht geschmeichelt, daß so mächtige Gäste als
Freunde zu uns kommen; es tut uns auch wohl, jetzt wieder in an-
ständiger Gesellschaft zu sein; man schämte sich doch ein wenig jener
* Prinz Heinrich von Preußen, der an der Kaiserreise nach Rußland teilnahm.
334
Bundesgenossen, welche wie Dcroulede, Boulanger und Floquet sich
streiten, schimpfen und stechen".
Obgleich mir wohl bekannt ist, wie wenig Wert offizieller Be-
geisterung in Petersburg beizumessen ist, und was es bedeutet, wenn
der Polizeipräfekt den „Dvvorniks" sagen läßt „es ist den Einwohnern
gestattet, ihre Häuser mit Fahnen zu schmücken", so lege ich doch
einige Bedeutung auf den spontan freudigen Empfang, welchen Seine
Majestät der Kaiser, allerhöchstdessen Bruder und die Flotte hier ge-
funden haben ; ich erblicke hierin eine Bestätigung der Ansicht, daß
man uns weniger haßt als beneidet; diese gemischten Empfindungen
werden jetzt weniger bitter sein, weil man sich durch den Besuch ge-
ehrt und geschmeichelt fühlt.
Die hierdurch geschaffene Situation, das Verhältnis von Hof zu
Hof und von Volk zu Volk ist meines ehrerbietigen Erachtens vor-
trefflich; die Linie des Wünschenswerten ist erreicht worden; jeder
Schritt darüber hinaus im Sinne größerer Intimität würde ebenso
schädUch sein, wie eine Bewegung rückwärts verderblich werden
könnte.
Was nun die Politik im engeren Sinne und die Diplomatie betrifft,
so enthob mich die Gegenwart des Herrn Staatssekretärs der Pflicht,
darüber zu sprechen ; aus den Berichten Seiner Exzellenz werden Euere
Durchlaucht über den Inhalt seiner Unterredungen mit dem Zaren, den
Großfürsten und dem Minister des Äußeren unterrichtet sein. Vieles
von demjenigen, was mir Graf Bismarck darüber mitzuteilen die Güte
hatte, war mir auch von russischer Seite wahrheitsgetreu erzählt wor-
den; die freundschaftUchen Gesinnungen für Euere Durchlaucht, welche
Seine Majestät der Kaiser Alexander dem Staatssekretär aussprach,
die korrekten Ansichten, welche höchstderselbe bei der Audienz am
22. und mehr noch am 23. in Krasnoe-Selo kundgab, seine besonders
gnädigen Aufmerksamkeiten für den Grafen Bismarck persönlich und
die Antworten des letzteren lauteten in der russischen Version empha-
tischer als in der deutschen.
Weniger warm ist natürlicherweise das Gespräch gewesen, wel-
ches der Herr Staatssekretär am 20. mit dem russischen Herrn Minister
des Äußeren geführt hat*; letzterer gab mir davon ein Resüme: Darnach
hat Graf Bismarck von den freundschaftlichen Gesinnungen und den
„bis jetzt noch nicht sehr nahen*' verwandtschaftlichen Beziehungen
unseres erhabenen Monarchen zum russischen Kaiserhause gesprochen;
nach Entgegennahme dieser Versicherungen hat Herr von Giers ge-
sagt, es werde sich doch nicht ganz vermeiden lassen, von Politik zu
reden; er hat dann über die allgemeine, als ruhig zu bezeichnende
Situation gesprochen und weiterhin über die bulgarischen Schwierig-
keiten, ohne irgendeinen bestimmten Wunsch, Vorschlag oder Plan
zu formulieren; es blieb bei den alten Klagen über die unbehagliche
* Siehe Nr. 1345.
335
Lage, in welche sich Rußland durch die Gegenwart des Prinzen von
Koburg in Sofia versetzt sieht; die Versicherung, daß es weder selbst
dort einrücken, noch Minister dorthin schicken oder einen anderen
Fürsten in Vorschlag bringen wolle, wurde erneuert. Bald nachher ist
dann Herr von Giers auf das Thema gekommen, welches ihn am meisten
beschäftigt, nämlich auf die Fortschritte Österreichs in den Balkan-
staaten und auf die Möglichkeit einer österreichischen Okkupation
Serbiens, welche zu Komplikationen führen müßte.
In seiner Erzählung fortfahrend sagte Herr von Giers, Graf
Bismarck habe von vornherein bestritten, daß man zu der Annahme,
Österreich werde einen solchen Schritt tun, berechtigt sei ; eine Ver-
anlassung dazu liege ja nicht vor; grade jetzt habe sich gezeigt, daß
selbst der eheliche Konflikt mit der Königin Natalie keine Erschütterung
der Stellung Milans herbeizuführen vermochte und dergleichen mehr.
Der russische Minister hat, wie er mir sagt, die Angelegenheit der
serbischen Königin nicht besprochen; er konstatierte bei dieser Ge-
legenheit der Wahrheit gemäß, daß mir gegenüber der Name derselben
nie über seine Lippen gekommen sei.
Herr von Giers hat dem Grafen Bismarck nicht zugestehen wollen,
daß die Eventualität eines österreichischen Einmarsches in Serbien
ausgeschlossen sei, und da der Herr Staatssekretär bei seiner Meinung
bheb, so wurde die Unterhaltung auf hypothetischer Basis fortgesetzt.
Bei dieser Gelegenheit hat der Graf an Vorgänge aus den sechziger
Jahren erinnert: Herr Benedetti hat damals gefragt, was Preußen tun
würde, wenn Frankreich Belgien nehme; Euere Durchlaucht haben ge-
antwortet, wir würden unser Belgien anderswo suchen; der fran-
zösische Diplomat glaubte, Holland sei hiermit gemeint, während es
sich um deutsche Staaten handelte. Herr von Giers schien durch dieses
Zitat in die Entrüstung beleidigter Unschuld versetzt worden zu sein;
Rußland brauche kein Belgien, sagte er, und werde ein solches weder
in Bulgarien noch anderswo suchen; wir hätten uns 1866 in ganz an-
derer Lage befunden und unser Belgien im Gebiet der eigenen Natio-
nalität gefunden; Rußland habe Bulgarien befreit, aber nicht, um es
zu behalten ; es würde vielen erwünscht sein, wenn es hineinmarschiere,
seine Flanke bloßgebe und seine Kräfte zersplittere, statt sie zur Wah-
rung der eigenen, rein russischen Interessen zusammenzuhalten.
Ich bat den russischen Minister, eine historische Reminiszenz nicht
mit einer Suggestion zu verwechseln; wir seien längst dahin gekommen,
von Rußland weder etwas zu fordern, noch ihm etwas anzuraten; wir
wüßten nur zu gut, daß selbst ein ganz uneigennütziger und zweck-
mäßiger Ratschlag nichts als Mißtrauen erwecken würde; „nous ne
demandons rien et nous ne suggerons rien", sagte ich.
Von den weitgehenden, bis an die Meerengen reichenden Gedanken
ist diesesmal nicht die Rede gewesen; beide Minister haben gesagt,
sie hofften die Lösung dieser Frage nicht zu erleben; man hat sich des
336
Wortes erinnert, welches Herr von Oiers einst auf den Grafen Schu-
walovv anwandte, „qu'il nous demandait la lune".
Die Anregung, gewisse Abmachungen teilweise zu veröffentlichen
oder in übereinstimmenden Kundgebungen verlauten zu lassen, ist als
eine Schuwalowsche Idee besprochen und fallen gelassen worden.
Graf Bismarck soll gesagt haben, ihm sei beides recht, geheimhalten
oder publizieren; Herr von Giers hat die Sache als von zweifelhaftem
Nutzen oder gar als gefährlich bezeichnet. Ihm fehlt es an Mut, seinem
Monarchen einen solchen Vorschlag zu machen, und außerdem dürfte
er es nicht wagen, die Lieblingsillusion der öffentlichen Meinung, das
Programm der freien Hand, an welchem sich die russischen Politiker
seit Monaten erfreuen, zu zerstören.
„Notre conversation terminait en poisson", so schloß Herr von
Giers.
Ich bin aber weit davon entfernt, das „desinit in piscem" auf den
Kaiserbesuch anzuwenden; im Gegenteil, durch denselben ist genau
dasjenige erreicht worden, was, soviel mir bekannt, angestrebt wurde,
nämlich persönliche Annäherung und Befestigung gegenseitigen Ver-
trauens ohne Erweckung von Hoffnungen, deren Erfüllung unmöglich
sein würde, pp.
Daß Seine Majestät der Kaiser Alexander den Wunsch ausgedrückt
hat, einen wirtschaftlichen Ausgleich anzubahnen, scheint mir will-
kommen, obgleich es gegenwärtig nicht tunlich ist, auf diesen Wunsch
einzugehen; der Herr Staatssekretär hat dem russischen Minister, wie
mir dieser erzählte, gesagt, Rußland habe uns bereits allen denjenigen
Schaden zugefügt, den es uns überhaupt tun könne, indem die Einfuhr
deutscher Waren auf eine Summe herabgedrückt worden sei, welche
gegenüber unserer gesteigerten Ausfuhr in fernergelegene Länder
gar nicht in Betracht komme. Ich glaube aber, bei meiner Ansicht
bleiben zu dürfen, daß wir noch immer sehr beträchtlichen Absatz in
Rußland haben, daß sich dieser, wenn ein vollständiger Bruch ver-
mieden wird, trotz aller unleugbarer Fortschritte der russischen In-
dustrie bedeutend erhöhen kann und, wenn der Wohlstand in Rußland
zunehmen sollte, große Proportionen annehmen wird.
Wenn ich schon oben versichern durfte, daß die „Temperatur"
während des Zusammenseins der hohen Personen mit jedem Tage eine
angenehmere wurde, so darf ich zum Schluß auf die Unterhaltung hin-
weisen, welche der Zar am 23. nach dem Frühstück in Krasnoe-Selo
mit dem Herrn Staatssekretär geführt hat; die russische, zwar nicht
genaue, aber wahrscheinlich zur Legende werdende Version ist, Seine
Majestät der Kaiser Alexander habe gesagt: „Tant que j'existerai je ne
me brouillerai pas avec l'Allemagne", worauf Graf Bismarck geant-
wortet haben soll: „Alors les cent millions, qui obeissent ä Votre
Majeste, se conformeront ä Sa volonte".
V. Schweinitz
22 Die Große Politik. 6. Bd.
337
Nr. 1348
Der Botschafter in Wien Prinz Heinrich VII. Reuß an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 359 Wien, den 30. Juli 1888
Geheim
Den hohen geheimen Erlaß Nr. 525 vom 27. d. Mts. nebst den Auf-
zeichnungen Seiner Exzellenz des Herrn Staatssekretärs über die Reise
Seiner Majestät nach Rußland* habe ich zu erhalten die Ehre gehabt
und erhaltenem Auftrage gemäß mündlich und vertraulich zur Kenntnis
des Grafen Kälnoky gebracht.
Derselbe bat mich, Euerer Durchlaucht seinen verbindlichsten
Dank für diese hochinteressante Mitteilung auszusprechen, aus der er
mit großer Befriedigung ersehen könne, wie sich das persönliche Ver-
hältnis zwischen den beiden Monarchen zu einem guten und intimen
zu gestalten beginne. Auch er würde sich freuen, wenn diese Be-
ziehungen gepflegt werden würden, da dies nur der Erhaltung des
allgemeinen Friedens zugute kommen werde.
Besonders erfreulich erscheint dem Minister, daß Seine Majestät
der Kaiser von Rußland, wie Graf Bismarck berichtet, seine Auf-
merksamkeit mehr, als dies bisher geschehen, auf die Gefahren zu
lenken scheine, die dem monarchischen Prinzip und den Dynastien vom
Radikalismus drohen. In Skiernewice sowohl wie in Kremsier hätte
der Zar diese doch wichtigste Frage immer mit Verächtlichkeit behandelt
und nicht recht daran geglaubt. Auch das sei erfreulich, daß sich Seine
Majestät im konservativen Sinn über die Reichstreue der deutschen
Fürsten geäußert hätte.
Die Beschreibung der Unterhaltung des Herrn Staatssekretärs mit
Herrn von Giers entlockte dem Grafen Kälnoky öfters ein Lächeln.
Er meinte, er sähe den russischen Staatsmann vor sich, wie er seufzt und
die Augen gen Himmel richtet und damit seine Ohnmacht bekundet.
Die Art, wie Graf Bismarck über die bulgarische Frage sich
geäußert, hat den Grafen Kälnoky sehr befriedigt. Aber er findet es
unbegreiflich, daß der Leiter des Petersburger Kabinetts nicht imstande
gewesen ist, auch nur einen praktischen Gedanken zur Welt zu
bringen. Denn die Behauptung, daß mit dem Verschwinden des Prinzen
von Koburg alles getan sein und die Dinge sich von selbst arrangieren
würden, grenze doch an Naivität und beweise, daß man in St. Peters-
burg seit der letzten Demarche, um diesen Prinzen zu entfernen,
so gut wie gar nicht nachgedacht hätte.
Das beste sei der Entschluß Rußlands, sich nicht zu rühren, wenn
auch dadurch die Gefahren der Situation nicht beseitigt, sondern nur
vertagt würden,
* Siehe Nr. 1345 und 1346.
338
Sehr dankbar ist der Minister für die entschiedene Zurückweisung
der russischen Idee, daß Österreich in Serbien einzurücken gedenke,
was ganz mit den Tatsachen übereinstimmte.
Das alte Lied der Klage über das Umsichgreifen des öster-
reichischen Einflusses in Bulgarien macht auf den Minister keinen
großen Eindruck, aber es erheiterte ihn, daß Herr von Burian als ein
tätiger Agitator angesehen wird, dem Zurückhaltung anzuempfehlen sei.
Burian sei ein guter, ruhiger und intelligenter Beamter, der durch
seinen längeren Aufenthalt in dem Lande, dessen Sprache er spricht,
sich allerdings das Vertrauen der bulgarischen Staatsmänner erworben
hätte, die gern mit ihm verkehrten und sich, da er unterrichteter und
erfahrener wie die meisten unter ihnen, wohl auch manchmal seine
Auffassungen über wirtschaftliche oder innere Regierungsfragen an-
eignen dürften. Daß er sich aber vordrängte, seinen Einfluß überall
geltend machen und hiermit das Land regieren wollte, sei eine kühne
Behauptung. Seit dieser Agent dorthin geschickt ist, hat er noch nicht einen
poHtischen Auftrag an die dortige Regierung erhalten, mit der er bloß
in offiziöser Verbindung steht, und amtlich nur für die laufenden Sachen
mit ihr verkehrt. Prinz Ferdinand ist von Österreich nicht anerkannt,
dessen Agent hat daher den Befehl, sein Verhalten hiernach zu regeln, pp.
Graf Kälnoky möchte auch dem Herrn Staatssekretär Grafen von
Bismarck seinen besonderen Dank dafür ausgesprochen wissen, daß er
sich die Mühe genommen habe, den Baron von Aehrenthal in so
freundschaftlicher Weise in die Lage zu setzen, seine Regierung über
die Peterhofer Vorgänge auf dem laufenden zu erhalten. Seine Majestät
der Kaiser Franz Joseph habe diese Courtoisie sehr zu würdigen gewußt.
Schließlich bemerkte der Minister, es würde interessant sein zu
erfahren, was die Russen den Franzosen über die Peterhofer Entrevue
gesagt haben dürften. H. VU. P. Reuß
Nr. 1349
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh, an
den Botschafter in Wien Prinzen Heinrich VII. Reuß*
Reinkonzept
Nr. 538 Friedrichsruh, den 2. August 1888
Der Besuch Seiner Majestät des Kaisers und Königs in Peters-
burg ist zufriedenstellend und der Absicht entsprechend verlaufen, in
der er unternommen wurde. Seine Majestät beabsichtigte, diesen durch
* Der gleiche Erlaß, der auf den Mitteilungen des bei seiner Rückreise von Peters-
burg in Friedrichsruh (31. Juli) einkehrenden Kaisers Wilhelm 11. beruht, erging
auch an die Botschafter in London, Rom und Konstantinopel, sowie an die Preußi-
schen Gesandten in München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe und Weimar.
Das Reinkonzept trägt am Schluß die Bemerkung Kaiser Wilhelms II.
Einverstanden Wilhelm I. R. Friedrichsruhe l./VIII. 88.
22«
33Q
die Traditionen angezeigten Besuch des verwandten und benachbarten
Hofes nach eingetretenem Regierungswechsel zu benutzen, um die
internationalen und nachbarlichen Beziehungen von solchen Mißver-
ständnissen zu befreien, welche sich durch persönlichen guten Willen
der Monarchen entfernen lassen, weil sie nicht notwendige und in-
härierende Ergebnisse der europäischen Situation sind, sondern solche
Verschlechterung derselben bilden, welche sich bei gutem Willen be-
seitigen lassen kann.
Diese Auffassung bedingte von vornherein, daß dieser persönliche
und freundschaftliche Besuch unsererseits nicht benutzt wurde, um
politische Wünsche und Bedürfnisse zur Sprache zu bringen oder um
die Lösung schwieriger Fragen anzuregen. Deutschland hat überdies
keine direkten Interessen, zu deren Gunsten Seine Majestät der Kaiser
dem Kaiser Alexander Vorschläge hätte machen können, deren An-
nahme oder Erwägung dem Petersburger Kabinett zuzumuten wäre.
Unsere Politik erstrebt die Erhaltung des Friedens, und wir haben
keine vom status quo abweichende Bedingungen zu stellen, von denen
wir denselben abhängig machten. Es ist für uns auch keine der in
Europa schwebenden Fragen bisher eine so brennende, daß wir ein
Bedürfnis hätten, sie Rußland gegenüber anzuregen. Namentlich ist
uns die bulgarische Frage an sich gleichgültig, und können wir gegen
den vertragsmäßigen Standpunkt, welchen Rußland als Basis seiner
Politik bezeichnet, nichts einwenden.
Wir konnten nicht mit Sicherheit vorhersehen, ob unser in Vor-
stehendem gekennzeichneter Standpunkt der Zurückhaltung von jeder
Initiative auf politischem sowohl wie auf wirtschaftlichem Gebiete bei
Gelegenheit des kaiserlichen Besuchs auch der des russischen Ka-
binetts sein, oder ob dasselbe die Gelegenheit benutzen würde, um
bisher zurückgehaltene Wünsche auszudrücken. Es ist für Seine Majestät
den Kaiser erfreulich gewesen, daß die vertraulichen Besprechungen
beider Monarchen von Vorschlägen bestimmter Maßnahmen oder Ver-
abredungen auch russischerseits gänzlich frei geblieben sind. Seine
Majestät hat den Eindruck von Petersburg mitgenommen, daß weder
der Status quo im Orient, noch der Frieden Deutschlands und seiner
Verbündeten von einer Störung durch russische Angriffe oder Provoka-
tionen bedroht sei. Seine Majestät hat die Gesinnungen und Ab-
sichten des Kaisers Alexander in den intimsten Besprechungen als
friedliebende konstatieren können und namentlich in betreff Bulgariens
den Eindruck erhalten, daß der Kaiser Alexander die dortige Ent-
wickelung der Dinge ohne russische Einmischung abwarten und an
den Bestimmungen des Berliner Vertrages bezüglich dieses Fürsten-
tums festhalten werde. Seine Majestät der Kaiser hat die Überzeugung
gewonnen, daß der Frieden, dessen Erhaltung ihm in erster Linie am
Herzen Hegt, durch Bemühungen zur Herstellung neuer Vorschläge und
Auskunftsmittel, durch welche die bulgarische Frage ihrer Lösung
340
entgegenzuführen versucht werden würde, leichter getrübt, als be-
festigt werden könnte, und daß solche Vorschläge, wenn sie über-
haupt gemacht werden sollen, nicht die Aufgabe der deutschen Politik
sein würden. Das Bestreben, den am Orient näher interessierten
Mächten gegenüber die Stellung eines Vermittlers durch Ergreifung
der Initiative zu übernehmen, würde für Deutschland ein undank-
bares sein, während jeder Antrag von beteiligter Seite bei uns eine
bereitwillige Prüfung und, wenn er zur Festigung des Friedens ge-
eignet scheint, eine wohlwollende Befürwortung finden wird. Um der
schließlichen Verständigung unter den beteiligten Mächten in diesem
Sinne förderlich sein zu können, empfiehlt es sich für uns, unseren
Beziehungen zu Rußland dasjenige Maß von Vertrauen zu wahren,
welches erforderlich ist, um den Glauben an unsere eigene uneigen-
nützige Friedensliebe solange zu erhalten, als der Frieden nicht durch
ein aggressives Vorgehen Rußlands gegen uns oder unsere Bundes-
genossen tatsächlich bedroht wird. Daß wir denselben pflegen, so-
lange wir können, glauben wir dem deutschen und den befreundeten
Völkern schuldig zu sein. Wir können dies aber um so besser, je mehr
wir Rußland davon überzeugen, daß es von uns nichts zu fürchten
hat, solange es seinerseits sich der Angriffe enthält, gegen deren Even-
tualität unsere Bündnisse gerichtet sind. Daß wir an letzteren unwandel-
bar festhalten, davon hat auch der jüngste Besuch Seiner Majestät die
Überzeugung in Petersburg nur befestigen können,
Ew. pp. ersuche ich ergebenst, sich nach Maßgabe des Vorstehen-
den zu dem Herrn Minister des Äußern vertraulich aussprechen oder,
wenn es Ihnen angezeigt erscheint, Seiner Exzellenz diesen Erlaß vor-
lesen zu wollen, ohne im letzteren Falle jedoch Abschrift zu lassen.
V. Bismarck
Nr. 1350
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh, an
Kaiser Wilhelm 11.
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Friedrichsruh, den 19. August 1888
Auf Euere pp. allerhöchste Randbemerkung zu dem Berichte des
Grafen Yorck vom 31. v. Mts., betreffend die Verstärkung des Unter-
offizierstandes der russischen Armee*, wird das Auswärtige Amt Euerer
pp. die Meldung der Admiralität vorlegen, daß die russischen Schiffe
im Schwarzen Meer im nächsten Frühjahr fertig sein sollen. Die
* Zu dem Berichte des Hauptmanns Grafen Yorck vom 31. Juli hatte Kaiser Wil-
helm 11. bemerkt: „Es wäre von Interesse, zu vergleichen, ob innerhalb des hier
gegebenen Zeitabschnitts (bis 18Q0) die großen Schiffe im Schwarzen Meer fertig-
gestellt und seeklar sein werden. Denn, falls es an dem wäre, so würde ein
Vorstoß auf Stamboul eventuell durch Bulgarien nicht undenkbar sein."
341
maritime Vorbereitung wird also mit der des Landheeres für 1890
koinzidieren.
Daß die russische Pohtik sich für 1890 auf die Möglichkeit eines
Vorstoßes gegen Konstantinopel vorbereitet, darf ich aus wiederholten
vertraulichen Äußerungen hochstehender Russen entnehmen, welche
bei Gelegenheit der Verhandlungen über unseren jetzt bestehenden
geheimen Vertrag mit Rußland und anderweit zum Ausdruck kamen.
Nach den mir gegebenen Symptomen vermute ich aber, daß der Ab-
lauf von 1890 nur für die Bereitschaft, nicht für die Ausführung maß-
gebend sein wird. Rußland, wenigstens der Kaiser und seine Re-
gierung, wollten ursprünglich auf fünf Jahre mit uns abschließen, und der
Termin von nur drei Jahren ist lediglich durch schlecht berechnete Fi-
nasserien des Grafen Schuwalow zur Annahme gekommen. Derselbe
hatte geglaubt, ich würde auf fünf Jahre einen so hohen Wert legen, daß
er dafür noch besondere, in seiner Instruktion nicht verlangte Kon-
zessionen von uns würde herausdrücken können, während ich um-
gekehrt für dieses, mit unseren österreichisch-italienischen Verpflich-
tungen konkurrierende, und unter gewissen Konstellationen deshalb
schwierige Verhältnis eine längere Dauer als drei Jahr von Hause aus
nicht erstrebte; ich wollte lieber die Möglichkeit der Verlängerung
vorbehalten, bis man besser als damals die Zukunft übersehen konnte.
Für uns kam es im Frühjahr 1887 in erster Linie darauf an, für den
Fall eines französischen Angriffs der russischen Neutralität versichert
zu sein; die Wahrscheinlichkeit, von Frankreich angegriffen zu werden,
lag uns damals, wo Boulanger sich noch in aufsteigender Bewegung be-
fand, näher als heut*.
Ich zweifele nicht an der russischen Absicht, den Vorstoß auf
Konstantinopel zu machen und nach Fertigstellung der Schwarzen-
meerflotte, also im Anfang der 1890^'^ Jahre, den Zeitpunkt zur Aktion
zu wählen, je nachdem die europäische Lage ihn angezeigt erscheinen
läßt. Meines alleruntertänigsten Dafürhaltens liegt es nicht in der Auf-
gabe unserer PoUtik, Rußland an der Ausführung seiner Pläne
auf Konstantinopel zu hindern, sondern dies den anderen Mächten, wenn
sie es in ihrem Interesse halten, lediglich zu überlassen; unser Inter-
esse an der Bosporusfrage ist einen so großen Krieg nach zwei Fronten,
wie der Bruch mit Rußland nach sich ziehn würde, nicht wert; im
Gegenteil, wenn Rußland sich dort einläßt, mindert sich seine Gefähr-
lichkeit für uns durch Abziehung von unsrer Grenze und durch
die herausfordernde Spannung, in die es zu den Mittelmeermächten,
namentUch zu England und auf die Länge auch zu Frankreich tritt.
Daß der russische Vorstoß auf Konstantinopel durch Bulgarien mit
Benutzung des letzteren geschehen würde, möchte ich kaum annehmen,
glaube vielmehr, daß der Seeweg und der durch Kleinasien vorge-
zogen werden, und daß man vorher und gleichzeitig versuchen wird,
* Vgl. Bd.V, Kap. XXXIV, Nr. 10Q3.
342
die Pforte zur Annahme eines russischen Vertrages zu bewegen, wel-
cher dem Sultan seine Besitzungen, den Russen aber die Verfügung
über Schluß und Öffnung des Bosporus durch Besetzung einer festen
Position sichert. Ist letzteres geschehen, so wird Rußland im Schwarzen
Meer gesichert und seine Expansivkraft gegen Persien und Indien
verwendbar sein. Damit ist dann für England die Unmöglichkeit ge-
geben, in seiner bisherigen Fiktion einer kühlen Zuschauerrolle zu
verharren, und wir können abwarten, wie die Konstellation unter den
übrigen Mächten sich gestaltet, da ein russischer Angriff auf Kon-
stantinopel an sich noch keinen casus foederis zwischen Österreich
und uns herstellt.
Euerer pp. würde ich zu ehrfurchtsvollem Danke verpflichtet sein,
wenn Allerhöchstdieselben die Gnade haben wollten, dieses Schreiben
nach genommener Einsicht zu verbrennen; dasselbe berührt Dinge und
Fragen, die ich in der Regel nicht für nützlich halte, dem Papiere
anzuvertrauen und anders als mündlich zu verhandeln, solange ihre
tatsächliche Entwicklung nicht vorHegt.
v. Bismarck
Nr. 1351
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Friedrichsruh, an
Kaiser Wilhelm II.
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats Grafen zu Rantzau
Friedrichsruh, den 20. September 1888
Bei meinen Unterhaltungen mit dem Grafen Kälnoky, welcher
mich nach dreitägiger Anwesenheit gestern abend verlassen hat, hat
sich unsere Übereinstimmung darüber herausgestellt, daß keiner der Be-
herrscher der drei Donaustaaten seiner Aufgabe leider gewachsen ist.
Den Prinzen Ferdinand schildert Graf Kälnoky als einen schwäch-
lichen und wunderlichen Herrn, der aber durch sein großes Selbst-
vertraun und sein Geld sich in der Stellung halte, an der er klebe, und
aus der er nicht freiwillig weichen werde. Er sei dabei geizig, aber
die Tatsache, daß er reich sei, und die Hoffnung auf Geschenke und
sein fürstliches Zeremoniell geben ihm ein Ansehn, welches der Prinz
von Battenberg nicht hatte, weil er arm war und die Bulgaren kamerad-
schafthch behandelte, was bei ihnen nicht angebracht sei. Das Haupt-
hindernis für das Festwachsen des Prinzen Ferdinand in Bulgarien
liege nicht in seiner Persönlichkeit, sondern in seinem Katholizismus.
Der Prinz von Battenberg habe durch seinen Vater den Wunsch
zu erkennen gegeben, in die österreichische Armee einzutreten, man
werde darauf aber nicht eingehen, weil man neuen Anlaß zu Irritationen
des Kaisers von Rußland vermeiden wolle; außerdem würde der Ein-
schub des Prinzen bei den österreichischen Generälen auf Verstim-
mungen stoßen; auch der Erzherzog Albrecht sei kein Freund der
343
ganzen Battenbergischen Familie und halte insbesondere die alte Für-
stin von Battenberg für eine gefährliche Intrigantin.
Von dem König von Rumänien glaubt Graf Kälnoky, und ich teile
seine Ansicht, daß Seine Majestät die falsche Rechnung mache, den
Beistand der Bojaren zu erstreben und auf diese zu zählen, während
dieselben nichts lieber sehn würden als den Umsturz des neuen
Königtums und die Herstellung der Hospodarenwahl unter russischem
oder auch türkischem Protektorat. König Karl überschätze die Festigkeit
seiner Stellung, wie seine großen Güterkäufe im Lande bewiesen, und
suche die Freundschaft der Aristokratie, anstatt gegen dieselbe und
gegen Rußland sich die Anhänglichkeit des Bauernstandes zu ge-
winnen. Die Ungewißheit der Erbfolge und das Fernbleiben des mut-
maßlichen Erben aus dem Lande und der Armee, der KathoUzismus
der regierenden Familie im orthodoxen Lande, das alles mache den
Blick in die Zukunft Rumäniens unsicher.
Den König Milan schien Graf Kälnoky als einen verlorenen Mann
anzusehen. Derselbe sei stets nur darauf bedacht, für seinen Thron
eine mögüchst hohe Abfindungssumme herauszuschlagen, welche
ihn in die Lage setzen würde, auf den Boulevards von Paris und Wien
ein vergnügliches Leben zu führen. Der Graf hält die Verwirklichung
dieses Wunsches nicht unbedingt für eine Gefahr des Friedens. Öster-
reich habe sich mit der Möglichkeit einer Katastrophe in Serbien
vertraut machen müssen. Die Familie Karageorgewitsch sei immer gut
österreichisch gesinnt gewesen, weshalb auch die Russen den Fürsten
von Montenegro gegen seinen Schwiegersohn* unterstützten und die
Eifersucht zwischen diesem und dem Schwiegervater förderten. Wer
aber auch in Serbien regieren würde, so läge doch das Land zu sehr
in dem Bereiche der österreichischen Machtsphäre, als daß Österreich
die Beziehungen zu demselben aufgeben könne; dieselben seien ohne
Gefahr für die österreichischen Serben, welche für das Königreich
keine Sympathien hätten; die Kroaten, obschon Serben, seien durch
die Konfession davon getrennt, und die im Banat lebten bisher ohne
Verkehr und Beziehung mit denen im Königreich, pp.
Das Verhalten Seiner Majestät des Kaisers von Österreich in betreff
der Anwesenheit des Prinzen von Wales in Wien** habe ich mit Graf
* Die älteste Tochter des Fürsten von Montenegro, Prinzessin Zorka Ljubitza,
war mit dem Fürsten Peter Karageorgewitsch verheiratet.
** Kaiser Franz Joseph hatte dem Prinzen von Wales, der im September zum Be-
suche am österreichischen Hofe weilte und hier die Absicht aussprach, auch
während des bevorstehenden Besuchs Kaiser Wilhelms in Wien und Mürzsteg
(3.— 10. Oktober) anwesend zu bleiben, durch den englischen Botschafter zu ver-
stehen gegeben, daß Kaiser Wilhelm nicht wünschen werde, in Wien mit fremden
Fürstlichkeiten zusammenzutreffen. Bericht des Prinzen Reuß vom 13. September
1888. Tatsächlich war ein solcher Wunsch weder von Kaiser Wilhelm noch von
Bismarck zum Ausdruck gebracht worden, obwohl dieser sich nachträglich auf
den Standpunkt stellte, daß ein ,, demonstratives Miterscheinen" des Prinzen von
Wales in Wien, das als Spitze gegen Rußland ausgelegt werden könne, nicht er-
344
Kälnoky besprochen, der mir sagte, daß dasselbe nicht durch Schritte
Euerer pp. Botschafters, sondern durch die Eindrücke veranlaßt worden
wäre, die der Erzherzog Carl Ludwig von Berlin zurückgebracht hätte,
und daß der Kaiser Franz Joseph ganz aus eigenem Antriebe und ohne
Einwirkung des Prinzen Reuß dem Prinzen von Wales habe sagen lassen,
daß er mit Euerer pp. bei dieser Gelegenheit ohne Beteiligung anderer
fürsthchen Besuche zu verkehren wünschte, und daß die stärkere Form
der Eröffnung durch den englischen Botschafter notwendig geworden
wäre, weil der Prinz mildere Andeutungen nicht habe verstehn wollen.
Ich vermute, daß Seine Königliche Hoheit der Prinz von Wales mit dem
Verlangen, der Zusammenkunft beider Majestäten beizuwohnen, un-
eingestanden politische Zwecke verband; entweder den einer antirussi-
schen Attitüde ä trois, oder den der Information resp. der Möglichkeit,
als Augen- und Ohrenzeuge über die Begegnung reden zu können.
Nach Kälnokys Ansicht steckt in Seiner Königlichen Hoheit noch heut
die Erinnerung an und die Vorliebe für die westmächtliche Freund-
schaft mit Frankreich, wenn auch nicht mit der Republik. Ich erlaube
mir, dies anzuführen, damit Euere pp, bei der Begegnung in Wien
über die Genesis der Vorgänge zwischen dem Kaiser Franz Joseph
und dem Prinzen von Wales unterrichtet sind.
Für die russische Seite der Politik war es bezeichnend, daß Graf
Kälnoky sie garnicht zur Sprache brachte, ebensowenig wie die Zu-
kunft unserer deutsch-österreichischen geheimen Verträge. Es läßt sich
daraus entnehmen, daß die Besorgnis vor einem plötzüchen russischen
Angriffe, trotz der Wahrscheinlichkeit der Vorschiebung von zwei wei-
teren russischen Divisionen aus dem Innern, in Wien geringer ge-
worden ist. Über die inneren Zustände des russischen Reiches
sieht mein österreichischer Kollege schwärzer noch wie ich. Nament-
lich rechnet man in Wien auf die zunehmende Abwendung der klein-
russischen Stämme im Süden von den großrussischen Landsleuten und
von der Politik, wie sie in Moskau und Petersburg gemacht wird. Die
Rechnung mit der Möglichkeit, daß innere Gefahren und Umwälzungen
oder die Furcht davor Rußland vom Kriege abhalten werden, scheint
in Wien mehr in den Vordergrund getreten. Die friedliebende Ge-
sinnung des Kaisers Alexander persönlich war dem Grafen Kälnoky
außer Zweifel, und er fürchtete mehr von dem Ungeschick der Peters-
burger Diplomatie und der Unberechenbarkeit der inneren russischen
Entwicklung als von einer Friedensstörung, die im Kabinett präme-
ditiert wäre.
Ich fand Graf Kälnoky im ganzen weniger besorgt gegen Ruß-
land, geringschätziger gegen Frankreich und die balkanischen Fürsten
wünscht wäre. Das Vorkommnis hinterließ, da der Prinz von Wales hartnäcitig
an der Ansicht festhielt, daß Kaiser Franz Joseph zu seinem Vorgehen von Berlin
aus veranlaßt sein müsse, eine tiefgehende Verstimmung zwischen ihm und Kaiser
Wilhelm, deren notdürftige Ausgleichung erst im Frühjahr 1889 gelang.
345
und wohlwollender gegen Italien als bei früheren Gelegenheiten; ganz
fest im Bedürfnis des Zusammenhaltens mit uns und im Vertrauen
auf diesseitige gleiche Intentionen. v. Bismarck
Nr. 1352
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck, z. Z. in Wien
Unsignierte Reinschrift
Wien, den 5. Oktober 1888
Kaiser Franz Joseph hatte mich aus eigener Initiative auf gestern
2 Uhr zur Audienz bestellt, nachdem er mich bei den allgemeinen
offiziellen Anlässen, die zu einer Aussprache keine Gelegenheit boten,
in besonders herzlicher Weise begrüßt hatte. Der Empfang hatte den
von dem Monarchen beliebten ganz privaten Charakter und fand in
seinem Arbeitskabinett ohne jedes Zeremoniell statt. Der Kaiser sprach
zunächst seine herzliche Freude über unsere hiesige Anwesenheit aus,
indem er dabei das alte Vertrauen hervorhob, welches er von jeher
zu unserm Herrn gehabt habe. Demnächst ging Seine Majestät in
einem kurzen RückbHck auf die im Laufe dieses Jahres stattgehabten
gewaltigen Veränderungen über und sprach mit Rührung und Innig-
keit vom Kaiser Wilhelm I., dessen Tradition unser jetziger Kaiser
sich zu seiner Freude, wenn auch nicht zu seiner Überraschung so
vollkommen angeeignet hätte, daß die Kontinuität der Beziehungen
der beiden Kaiserhöfe ihm gesicherter erschiene als je. Über das
Interregnum des Frühjahrs sprach Kaiser Franz Joseph mit großer
Offenheit und war in seinem Urteil über dasselbe sichtHch beeinflußt
durch die neuerlichen Tagebuchveröffentlichungen*. Wenn ich bezüg-
* Gemeint ist die Veröffentlichung des Tagebuchs Kaiser Friedrichs HI. aus
dem Kriege 1870/71 im Oktoberheft der „Deutschen Rundschau". Auf den
Geffcken-Prozeß in der Aktenpublikation einzugehen, liegt kein Anlaß vor. Für
die Auswärtige Politik von Interesse ist nur ein Schreiben des Fürsten Bismarck
an den Grafen Herbert Bismarck vom 5. Oktober, das offen auf die grund-
verschiedene Tendenz der Politik Kaiser Wilhelms I. und Friedrichs III. hinweist.
„Daß diese — die Politik — bei den ersten deutschen Kaisern eine grund-
verschiedene war, ist eine Tatsache, deren Verdeckung weder möglich noch
nützlich ist. Die großen und realen Ergebnisse der Politik Kaiser Wilhelms I.
werden in ihrem Bestände und in ihrer Nachwirkung Schaden leiden, wenn sie
in die Übereinstimmung mit den Absichten Kaiser Friedrichs künstlich hinein-
gedrückt werden sollen. Beide hohen Herren waren in der äußeren wie in der
inneren Politik grundverschiedener Ansicht. In der äußeren pflegte der Vater
die russische, der Sohn die englische, in der innern der Vater das erhaltende
preußische Prinzip, der Sohn den modernen Parlamentarismus ohne selbstregie-
renden Monarchen und die Freundschaft mit den fortschrittlichen Koryphäen dieser
Richtung."
346
lieh der letzteren mich auch streng an die von Euerer Durchlaucht
eingehaltene und von Seiner Majestät gebilligte Linie hielt, so war
dem Kaiser Franz Joseph doch nicht auszureden, daß der Kern des
Tagebuches durchaus demjenigen entsprach, was man von Kaiser Fried-
rich hätte erwarten können. Als Resümee kann ich nur anführen, daß
der hiesige Kaiser ganz analog dem, was der Zar mir in Peterhof
sagte, sich dahin aussprach, daß der Tod vom 15. Juni nicht nur
Deutschland, sondern das gesamte monarchische Europa von einem
schweren Alpdruck befreit habe, und daß das Deutsche Reich dadurch
einer großen Gefahr entgangen sei: Die Tagebuchveröffentlichungen
wären allerdings vom Standpunkt des monarchischen Prinzips höchst
bedauerlich, da die Herunterziehung eines vor kurzem noch regierenden
Königs* in die schmutzige Arena kritisierender Zeitungsschreiber ein
schwerer Schade sei; immerhin würde das Ergebnis sehr wider die
Absicht der Veröffentlicher die Freude über das Avenement unseres
jetzigen Herrn in ganz Deutschland wesentlich erhöhen.
Der österreichische Kaiser kam dann auf die Kaiserin Friedrich
und die englischen Familienbeziehungen zu sprechen. Indem er den
Charakter der Kaiserin und ihr Tun so beurteilte, wie man es von
diesem erfahrenen Monarchen nicht anders erwarten konnte, sprach
er doch die Besorgnis aus, daß die Tätigkeit der Kaiserin Friedrich
in ihren engeren Zirkeln und in der englischen Familie zu einer Ent-
fremdung zwischen der englischen und der deutschen Politik führen
könnte. Ich bestritt dies und bezog mich, um nicht zu lang zu werden
für meine Beweisgründe, auf eine lange vertrauliche Unterredung,
welche ich tags zuvor mit Kalnoky über diesen Fall gehabt hatte.
Der Inhalt dieser Unterredung war kurz der, daß unser Herr die Be-
deutung des englischen Prestiges im europäischen Schachspiel wohl
zu würdigen wisse und weit davon entfernt sei, Überhebungen, welche
sich die englische Königsfamilie zuschulden kommen ließe, auf unsere
Beziehungen zur englischen Regierung zu übertragen: man müsse
nicht vergessen, daß in England die Demokratie regiere, deren Organ
der jeweilige Premierminister mit seinen Kollegen sei: wenn die Köni-
gin Victoria jetzt einen gewissen Einfluß ausübe, so geschehe dies
lediglich, weil Lord Salisbury in loyaler Erinnerung an halbvergessene
alte Torytraditionen der Königin freiwillig einen gewissen Spielraum
einräume: zu meiner amtlichen engHschen Zeit unter Gladstone sei
die Königin lediglich als automatische Unterschriftsmaschine behandelt,
und so würde es nach den nächsten allgemeinen Wahlen in England,
die das alte Torytum definitiv beseitigen würden, auch wieder werden.
Das Flittergold des sogenannten englischen Königstums sei une quantite
negligeable; wenn man dasselbe nicht geradezu direkt beleidige, würde
* Damit sind die Äußerungen des Tagebuchs über das starke Widerstreben König
Ludwigs II. von Bayern gegen die Einigung Deutschlands unter der Ägide der
Hohenzollern gemeint.
347
es für die Beziehungen zur englischen Nation in Zukunft vollständig
einerlei sein, wie man zu dessen Träger stände, pp.
Nachdem dies abgetan war, sprach ich dem Kaiser von der Peter-
hofer Entrevue, von dem Vertrauen, welches unser Herr sich in Ruß-
land von neuem erworben habe, und von Oiers Äußerungen über die
Balkanstaaten. Der Kaiser ging zunächst auf Bulgarien ein und äußerte
seine Verwunderung, daß Prinz Ferdinand sich bis jetzt noch gehalten
habe: er habe an eine so lange Dauer dieser Koburgschen Episode
nicht geglaubt, könne damit aber schließlich nicht unzufrieden sein, da
gegenwärtig wenigstens Ruhe und Ordnung in Bulgarien herrsche und
dies alles sei, was er wünsche.
Ich sagte, daß wir bezüglich Serbiens und Bulgariens nach wie vor
an dem alten Rezept der Teilung der Interessensphäre festhielten, wenn
auch die beiden, uns befreundeten kaiserlichen Regierungen seinerzeit
davon nichts hätten wissen wollen. Seine Majestät unterbrach mich
hier lebhaft mit etwas gezwungenem Lachen: „Ich weiß wohl, daß
dies die Idee Ihres Vaters ist; ich habe mich damit aber nie befreunden
können und muß sie auch heute von mir weisen." Meine Erwiderung
lautete: „Es tut mir leid, dies zu hören, um so mehr, als ich noch ganz
neuerdings habe konstatieren können, daß Graf Schuwalow diese Schei-
dung der Interessensphären für die glücklichste Idee erklärte, die in
der balkanstaatlichen Frage noch vorgebracht worden sei. Man brauche
ja nicht notwendig von einer Trennung der Interessensphäre zu spre-
chen, sondern könne damit beginnen, daß Österreich und Rußland sich
einstweilen für eine sphere de desinteressement aussprächen, d. h. daß
Österreich sich in Bulgarien ebenso desinteressiere, wie Rußland es
tatsächlich in Serbien tue. Dies verpflichte ja zu nichts und gewähre
doch immerhin für einige Zeit einen akzeptabeln trockenen Standpunkt
in dem bulgarischen Sumpf." Der Kaiser erwiderte darauf, daß seine
Regierung sich tatsächlich in Bulgarien zurückhalte; hätte er dort
aktiv eingreifen wollen, so würde er wohl in der Lage gewesen
sein, den österreichischen Einfluß in Bulgarien weit mehr zur Gel-
tung zu bringen : er verlange aber nichts als von beiden Seiten
Geschehenlassen gegenüber der autonomen Entwickelung der jetzigen
Balkanstaaten.
Als ich hier schwieg, weil weiteres Insistieren mir unfruchtbar er-
schien, begann der Kaiser, von Rumänien zu sprechen, und äußerte Be-
sorgnis für die Zukunft des Königs Karl, den er für einen eiteln und
kurzsichtigen Schwätzer erklärte: wenn König Karl so ungeschickt
fortwirtschafte wie jetzt und nicht einmal für sichtbare Kontinuität
der Dynastie sorge, so könne ihm leicht Cusas Schicksal* bereitet wer-
den: hieraus würde für Österreich eine schwere Verlegenheit er-
wachsen, denn er könne nicht mit ansehen, daß Rumänien eine russi-
* Alexander Cusa, Fürst von Rumänien, war bekanntlich 1866 entthront worden.
348
sehe Dependenz werde. Der Kaiser sprach sich lobend über das Ver-
halten unseres Gesandten Bülow* sowie anerkennend über die Fähig-
keit seines eigenen Vertreters Goluchowski aus, fürchtet aber doch,
daß die Tätigkeit dieser beiden Herren durch den besserwissenden
Eigensinn des Königs Karl frustriert werden würde. Ich stellte Seiner
Majestät anheim, durch den Herzog von Nassau, den Onkel der Köni-
gin, auf den König Karl einzuwirken, und dieser Gedanke schien dem
Kaiser zu gefallen.
Bezüglich Serbiens sagte der Kaiser mit einem Seufzer, er werde
binnen kurzem den König Milan hier sehen: er wünsche dessen Ver-
bleiben auf dem Thron, werde ihm aber nicht zureden; auf diesen Herrn,
dessen Charakter einem weiblichen mehr ähnlich sei wie einem männ-
lichen, könne nur durch harte Worte eingewirkt werden.
Als in der Unterhaltung Bulgarien noch einmal berührt wurde,
sagte ich dem Kaiser, es würde im Interesse der Kräftigung der Stel-
lung des Zaren gegenüber panslawistischen Hetzern doch erwünscht
sein, daß eine für Rußland annehmbare Regierung in Bulgarien ent-
stände, weil dadurch diel russisch-österreichischen Beziehungen wesent-
lich erleichtert werden würden. Prinz Ferdinand, der ungarische Uni-
form getragen, in Österreich seine Verwandten habe und von Wien
gekommen sei, gelte nun einmal in ganz Rußland für einen öster-
reichischen Emissär, und seine römische Religion mache ihn für den
Zaren auf die Dauer unannehmbar. Hieran könne der Zar selbst beim
besten Willen nichts ändern. Die Einwirkung aber, welche die nach-
drücklichste auf den Zaren sei, setze bei dessen Empfindungen als ortho-
doxem Cäsaropapst ein und führe demselben unter Pobedonoszews
berechneter Direktive stets das Schreckbild der überlegenen römischen
Propaganda unter den orthodoxen Slawen vor Gesicht. Der Kaiser
meinte, daß hiergegen doch die Zahlen sprächen; nicht einmal in Ru-
mänien mache die römische Kirche Fortschritte, und es sei ein ver-
hängnisvoller Irrtum des Papstes, daß dieser auf Bekehrungen unter
den orthodoxen Slawen rechne: nur unter den Bulgaren seien in letzter
Zeit wenige, kaum nennenswerte Übertritte erfolgt, pp.
Nr. 1353
Der Geschäftsträger in Petersburg Graf von Pourtal^s an den Reichs-
kanzler Fürsten von Bismarck
Ausfertigung
Nr. 229 St. Petersburg, den 9. Oktober 1888
Wenn auch in den amtlichen hiesigen Kreisen nach wie vor betont
wird, daß Rußland nicht die geringste Neigung verspüre, aus seiner
* Der frühere erste Sekretär der Botschaft in Petersburg Bernhard von Bülow
war seit Mai 1888 Gesandter in Bukarest.
349
in der letzten Zeit den Orientangelegenheiten gegenüber beobachteten
Reserve herauszutreten und insbesondere die bulgarische Frage einer
Lösung entgegenzuführen, so ist von der letzteren neuerdings in nicht
amtlichen Kreisen wieder mehr die Rede. Man begegnet öfters der
Ansicht, daß die Langmut Rußlands bald erschöpft sein werde, daß
etwas geschehen müsse, um dem in Bulgarien herrschenden Zustande
der Anarchie ein Ende zu bereiten und um dem sich immer mehr dort
ausbreitenden österreichischen Einfluß Halt zu gebieten.
Ich habe in der letzten Zeit wiederholt Gelegenheit gehabt, Ge-
spräche mit Persönlichkeiten zu führen, welche, wenn auch selbst nicht
in amtlicher Stellung, so doch mit den leitenden Kreisen in Fühlung
stehen, und welche sich in obigem Sinne aussprachen. Wenn ich auf
diese Äußerungen die Frage einwarf, was denn die Pläne Rußlands
bezüglich Bulgariens seien, blieb man mir entweder die Antwort hier-
auf schuldig oder bekannte mit bedauerndem Achselzucken, daß man
eben leider kein Programm hier habe. Beinahe regelmäßig begegnete
ich bei diesen Gesprächen auch irgendeiner Phrase, aus welcher deutlich
zu erkennen war, daß man sich hier noch vielfach zu der Erwartung
berechtigt glaubt, Deutschland werde etwas tun, um Rußland aus
der Sackgasse, in welcher es sich in der bulgarischen Frage befindet,
herauszuhelfen.
Verständige Politiker geben dabei von vornherein zu, daß Rußland
an der schwierigen Situation, in der es sich jetzt befinde, durch seine
nach dem letzten türkischen Kriege begangenen Fehler selbst die
Schuld trage, sie heben jedoch immer wieder hervor, daß Österreich-
Ungarn durch sein Vordringen auf der Balkanhalbinsel ^ in einer
Weise aus den Fehlern Rußlands Vorteil ziehe, welche russischerseits
nicht mehr länger geduldet werden könne. Österreich werde aber nur
durch das Bündnis mit Deutschland 2 in den Stand gesetzt, diese Vor-
teile aus der jetzigen Situation zu ziehen ; es wäre daher dringend
wünschenswert, daß Deutschland, welchem doch an guten Beziehungen
zu den beiden benachbarten Reichen sichtlich gelegen sei, ein weiteres
Umsichgreifen des österreichischen Einflusses da, wo er mit dem rus-
sischen notwendig in Kollision kommen müsse, verhindere. Insbeson-
dere wird dabei darauf hingewiesen, daß, so sehr dies auch von öster-
reichischer Seite bestritten werde, Prinz Ferdinand im Grunde in
Bulgarien nur für die österreichische und katholische Sache arbeite
und darum auch von Österreich wirksam unterstützt werde.
Wie Euerer Durchlaucht bekannt ist, hat die „Moskauer Zeitung"
die Lüge aufgebracht, daß gelegentlich der Peterhofer entrevue von
dem Herrn Staatssekretär im Auftrage Euerer Durchlaucht hier mit
bezug auf die Lösung der bulgarischen Frage Zusagen erteilt worden
seien, von denen sich die deutsche Regierung später wieder losgesagt
habe. Wenn ich nun auch zugeben will, daß, wie von amtlicher rus-
sischer Seite versichert wird, diese tendenziöse Erfindung hier in ernste-
350
ren Kreisen keinen Glauben findet 3, so ist doch gewiß, daß man hier
allgemein an die Wirkungen der Peterhofer Zusammenkunft gewisse
Erwartungen knüpft und der Ansicht ist, daß nach den von Rußland
gelegentlich dieser Zusammenkunft gegebenen Beweisen friedlicher Ab-
sichten Deutschland gegenüber die deutsche Politik wohl etwas tun
könnte, um der russischen einen Dienst zu erweisen* und die guten
Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland dadurch zu pflegen 5.
Solche Erwartungen wurden an den Besuch des Grafen Kälnoky in
Friedrichsruh und werden jetzt noch in erhöhtem Maße an den Besuch
Seiner Majestät des Kaisers am Wiener Hof geknüpft.
Ich habe bei solchen Gesprächen wiederholt darauf hinzuweisen
Gelegenheit gehabt, daß, wenn Rußland etwas unternehmen sollte,
um seinem Einfluß in Bulgarien Geltung zu verschaffen, Deutschland
gewiß weit davon entfernt sein werde, einem solchen Vorhaben Hin-
dernisse in den Weg zu legen, daß es aber eine^ starke Zumutung
an uns sei, wenn von uns verlangt werde, daß wir die Rolle eines
Geschäftsführers Rußlands übernehmen sollen, nachdem wir für die
Übernahme dieser Rolle beim Berliner Kongreß während der letzten
10 Jahre wiederholt nur Undank geerntet hätten. Auf diese Einwendung
erfolgt von russischer Seite in der Regel der Hinweis auf die Dienste,
welche Rußland^ in den Jahren 1866 und 1870 Preußen und Deutsch-
land geleistet habe, und welche durch die seitdem der russischen Poli-
tik von Deutschland zuteil gewordene Unterstützung noch keineswegs
heimgezahlt seien.
„Laissez nous en tete-ä-tete avec l'Autriche", so lautet dann der
Refrain, „voilä tout ce que nous demandons^."
Wenn nun auch Äußerungen der oben angedeuteten Art, welche
in ungezwungener Konversation getan Werden, von der Art, w^ie man
sich in amtlichen Kreisen über die gegenwärtige Situation ausspricht,
wesentlich abweichen, und wenn dieselben auch für die Kenntnis der
in weiten Kreisen hier herrschenden Ansichten und Wünsche nicht
wesentHch neues Material beibringen, so habe ich dieselben um so
mehr verzeichnen zu sollen geglaubt, als ich daraus, sowie aus ver-
schiedenen anderen Anzeichen darauf schließen möchte, daß man sich
gegenwärtig viel mit der Möglichkeit des Eintritts irgendwelcher Er-
eignisse beschäftigt, durch welche die russische Regierung in die Not-
wendigkeit versetzt werden könnte, in der bulgarischen Frage plötzlich
von ihrer reservierten Haltung abzugehen^. Als ein solches Anzeichen
möchte ich eine gewisse Nervosität hervorheben, mit welcher man der
Eventualität einer plötzlichen Unabhängigkeitserklärung Bulgariens ent-
gegensieht, und andererseits auf die bulgarische Agitation in Maze-
donien hinweist, pp.
Es scheint mir in der Tat nicht ausgeschlossen, daß, wenn nach
der Reise Seiner Majestät des Kaisers, unseres allergnädigsten Herrn,
351
die von den panslawistischen Hetzblättern künstlich verbreitete Ent-
täuschung dadurch eintritt, daß die an die Besprechungen in Wien und
Rom* geknüpften Erwartungen lo nicht in Erfüllung gehen, von der
aktionslustigen Partei neue Versuche gemacht werden, die Regierung
zu einer aktiven Politik mit Bezug auf die bulgarische und die Balkan-
frage zu treiben.
Wenn nun auch alle Aussicht vorhanden ist, daß derartige Ver-
suche an dem Mangel an Initiative des Zaren scheitern, so ist es immer-
hin zu bedauern, daß Kaiser Alexander während seiner jetzigen mehr-
wöchentlichen Reise weder von dem Minister der Auswärtigen An-
gelegenheiten noch sonst von einem Staatsmann begleitet ist, welcher
geeignet wäre, Einflüsse der oben angedeuteten Art zu bekämpfen n.
F. Pourtales
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Of (einer Vertrag!
* cf, 1878—79! Fehler in der Politik sind nicht ungeschehn zu machen, wer
sich den Luxus eines eiteln Narren als Kanzler gestattet, kann sich nicht
wundern wenn die Folgen eintreten
3 sie hätte sofort widerlegt werden müssen!
* !! warum?
^ die sollte Rußland pflegen! einseitig geht es nicht!
* sehr
' doch nur darin bestehend, daß R[ußland] nicht über uns herfiel als andre
uns angriffen! dasselbe haben wir 1854 ulnd} 1876 den Russen geleistet. Außer-
dem hat diese platonischen Dienste uns Allexanderl II. geleistet. Al[exanderJ III.
hat auf Dank noch wenige[r] Titel
** et apres?
9 möchte sie doch!
10 !
1* tant mieux
Nr. 1354
Der Österreich-ungarische Botschafter in Petersburg Graf Wolkensfein
an den Österreich-ungarischen Minister des Äußern Grafen Kalnoky
Abschrift, im Auszug dem Auswärtigen Amt vom Österreich-ungarischen Geschäfts-
träger in Berlin am 26. Oktober mitgeteilt
Nr. 570 St. Petersburg, den ]}' ^^^f ^^'l 1888
29. September
Bei einer unter Vorsitz des Kaisers Alexander abgehaltenen Kon-
ferenz, die allerdings schon vor einiger Zeit abgehalten worden sein
dürfte, hätte der Qeneralstabschef die Ansicht entwickelt, daß eine
zielbewußte russische Politik auf eine Teilung der Balkanhalbinsel
mit Österreich-Ungarn niemals eingehen dürfe. Rußland müsse viel-
* Nach seinem Besuche in Wien hatte Kaiser Wilhelm II. auch dem italienischen
Hofe einen Besuch (11.— 19. Oktober) abgestattet.
352
mehr seinen Einfluß auf die ganze Balkanhalbinsei ausdelinen. General
Obrutschew bemerkte ausdrücklich zu der Person, der ich diese Mit-
teilung verdanke, daß Kaiser Alexander seine Übereinstimmung mit
diesen Anschauungen ausgesprochen hätte.
Nr. 1355
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Grafen
Herbert von Bismarck
Reinschrift
BerUn, den I.Dezember 1888
pp. Gestern sah ich den Großfürsten* nur ganz kurze Zeit allein,
da er mich erst in Gegenwart der Großfürstin empfing. Seine Kaiser-
liche Hoheit war dabei außerordentlich innig und freundlich, trug mir
herzliche Grüße für den Herrn Reichskanzler auf, der immer auf ihn
zählen könne. Er habe stets unbedingtes Vertrauen in die Offenheit und
Zuverlässigkeit des Fürsten Bismarck gehabt. Seit der letzten Unter-
redung Ende Juni habe ihn dieser aber einen Blick in sein Herz tun
lassen und ihn vollkommen bezaubert.
Darauf erwähnte der Großfürst noch kurz, daß die Presse sich
wieder mit den russischen Truppenverschiebungen beschäftige; er
hoffe, die Presse werde sich bald beruhigen, denn es sei dies ja nichts
Neues. Der Zar habe im Winter dem Botschafter von Schweinitz alles
genau angekündigt, was bis jetzt geschehen sei, und mehr werde
nicht geschehen; die russischen Truppenverschiebungen nach Westen
seien jetzt abgeschlossen.
Ich bemerkte, daß wir bei den ausgezeichneten Beziehungen unseres
Kaisers zum Zaren gegenwärtig keine Ursache hätten, uns über den
russischen Aufmarsch zu alarmieren, etwas anders liege es mit Österreich,
da nicht zu leugnen sei, daß zwischen Österreich und Rußland Differenz-
punkte existierten, und man könne es Österreich schließlich nicht übel-
nehmen, wenn es angesichts der vielen russischen Truppen an seiner
Grenze etwas kitzlich und unruhig würde.
Der Großfürst nahm diese Bemerkung gut auf und meinte wieder-
holt, die russischen Truppenverschiebungen hätten momentan keiner-
lei schwerwiegende Bedeutung, die Österreicher müßten doch auch
bedenken, daß die weiten Räume Rußlands eine Mobilmachung sehr
erschwerten, und der Verlust an Zeit, welcher Rußland bei ausbrechen-
dem Kriege träfe, müsse, soweit wie tunlich, vorher ausgeglichen
werden. H. Bismarck
* Wladimir.
23 Die Große Politik. 6. Bd. 353
Nr. 1356
Der Militärbevollmächtigte in Petersburg Oberst von Villaume
an Kaiser Wilhelm 11.
Immediatbericht. Abschrift im Auszug
Nr. 93 St. Petersburg, den ^^^. 1889
pp. Der Toast Seiner Majestät des Kaisers auf den Fürsten von Mon-
tenegro* hat der russischen Presse wieder einmal Gelegenheit ge-
geben, über die Westmächte herzufallen. Daß dieser Toast ungeteilten
Beifall in der gesamten russischen Presse gefunden, darf nicht wunder-
nehmen, denn eine abfällige Kritik würde einfach verboten sein. Die
,,Nowoje Wremja'' nennt diesen „historischen" Toast einen Herzens-
schrei, der sich der Brust eines ehrlichen Russen angesichts eines auf-
richtigen Freundes entrang, während doch sonst dieses ehrliche Herz
in seinen besten Friedens- und Eintrachtsgefühlen so oft betrogen
wurde. Oleich darauf aber preist sie aus Anlaß der bevorstehenden
Heiraten russischer Großfürsten mit orthodoxen Prinzessinnen die festen
Bande der „Freundschaft und Blutsverwandtschaft", welche Rußland
mit Griechenland und Dänemark verbinden. Selbstverständlich wird
dabei der dem russischen Kaiserhause doch ebenso nahe verwandten
Dynastien, denen die in Gott ruhenden Mütter des jetzigen Kaisers
Majestät sowie der hochseligen Kaiser Alexander II. und Nikolaus I.
entsprossen sind, mit keinem Worte Erwähnung getan.
Ein anderes Blatt sieht in dem Kaiserwort das künftige Geschick
Rußlands auf der Balkanhalbinsel angedeutet und prophezeit, daß einst
die Stunde kommen werde, wo dieser einzige wahre Freund Ruß-
lands seine Freundschaft würde betätigen müssen.
Der panslawistische „Swjet" bezeichnet den Toast, der wie ein
Donnerschlag in Europa wirken werde, als eine majestätische und
einschüchternde Antwort auf die letzten armseligen Intrigen und Ab-
machungen der falschen Freunde Rußlands, und ein anderes gesinnungs-
tüchtiges Blatt erkennt in dem Kaiserwort den festen Entschluß des
erhabenen Herrschers Rußlands, keinerlei Verträge und Bündnisse mit
anderen Mächten, außer mit Montenegro, einzugehen.
Diese allgemeine anerkennende Beurteilung der kaiserlichen Worte
seitens der Presse gibt aber durchaus nicht den wahren Ausdruck
der öffentlichen Meinung wieder. Noch nie ist mir dieser große Unter-
schied in der Auffassung so deutlich geworden wie bei dieser Ge-
legenheit. Unter den zahlreichen Persönlichkeiten aus militärischen,
Hof- und panslawistischen Kreisen, mit denen ich über diesen Toast
gesprochen, war auch nicht eine, welche über denselben erfreut oder
* Der Trinkspruch, den Kaiser Alexander III. am 30. Mai auf den zum Besuche
am Zarenhofe weilenden Fürsten von Montenegro ausbrachte, hätte nach den
Mitteilungen der Presse gelautet: „Ich trinke auf die Gesundheit des Fürsten
von Montenegro, des einzigen aufrichtigen und treuen Freundes Rußlands."
354
auch nur von ihm befriedigt gewesen wäre. Selbst diejenigen, welche
zugaben, daß er die reine Wahrheit enthalte, bezeichneten ihn min-
destens als inopportun und*,überflüssig. Die einen sehen darin eine Ant-
wort auf das Liebeswerben der Franzosen, die anderen eine Ablehnung
der hier immer noch angenommenen Bestrebungen der benachbarten
Westmächte, Rußland durch neue Verträge die Hände zu binden, und
noch andere vermuten in ihm den Ausdruck einer gewissen Miß-
stimmung des Kaisers über den enthusiastischen Empfang, welchen der
König von Italien in Berlin* gefunden. WahrscheinHcher jedoch ist,
daß dem Toast eine politische Absicht überhaupt nicht zugrunde ge-
legen hat, sondern daß er nur der Ausdruck der herzlichen und auf-
richtigen Freundschaft war, welche der Kaiser schon seit langer Zeit
für den Fürsten von Montenegro empfindet. Als sich letzterer bei
der Parade in Peterhof zum ersten Male öffentlich in der neuen russi-
schen Uniform gezeigt habe und unter dem Eindruck der Freude
über die kurz vorher vollzogene Verlobung**, sei einfach der Mund
übergeflossen von dem, dessen das Herz voll war, und eine politische
Demonstration habe dem Kaiser in diesem Moment sicherlich völlig
fern gelegen. Für uns bleibt aber von Bedeutung, daß der Kaiser
sicherhch fest von dem überzeugt ist, was er ausgesprochen hat, und
glaubt, daß in der Tat Rußland außer dem Fürsten von Montenegro i
keinen aufrichtigen Freund ^ habe.
Allgemein bedauert man, daß der Kaiser mit diesen Worten, wenn
auch unabsichtUch, die Isolierung Rußlands in der internationalen Politik
offen eingestanden habe, und man benutzt dies, um dem Leiter der
auswärtigen Politik Vorwürfe zu machen, daß er sich in der ganzen
weiten Welt keinen anderen Freund zu erwerben verstanden habe,
als das kleine, selbst auf der Balkanhalbinsel bedeutungslose Monte-
negro, dessen Einwohnerzahl in der Tat nur der der Stadt Köln gleich-
kommt. Man fürchtet ferner, daß dieses Eingeständnis aus kaiserlichem
Munde die Feinde des Friedens stärken und ermutigen könne, und
daß die anderen Glaubensbrüder auf der Balkanhalbinsel und in Öster-
reich, sowie die sympathischen Franzosen es übelnehmen könnten,
daß man sie so ganz vergessen hätte. Endlich wird mir noch aus
guter Quelle mitgeteilt, daß auch der Fürst von Montenegro selbst
über diese öffentliche Auszeichnung keineswegs sehr entzückt sein
soll, weil er nicht, wie sein mächtiger Gönner, auf die Freundschaft
aller anderen Staaten verzichten könne. (gez.) von Villaume
Randbemerkungen des Fürsten von Bismarck:
1 Streber!
2 wer hat denn einen?
* Er weilte hier vom 21. bis 26. Mai 1889.
** Gemeint ist die Verlobung der Prinzessin Militza mit dem Großfürsten Peter
Nikolajewitsch.
23» 355
Nr. 1357
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck, z. Z. in Varzin, an den Bot-
schafter in London Grafen von Hatzfeldt
Konzept
Varzin, den 30. Juni 1889
[abgegangen am 3. Juli]
Ew. pp. Bericht Nr. 304 vom 26. d. Mts.* habe ich erhalten. Es
wundert mich nicht, daß Lord Sahsbury in bezug auf die Möglichkeit
einer russisch-österreichischen Verständigung Besorgnisse hegt, weil
er einerseits mit den Stimmungen der österreichischen und ungarischen
Bevölicerung nicht so vertraut ist, wie wir, und weil die Vorgänge der
Reichstädter geheimen Konvention, in welcher Österreich gegen die
Besetzung Bosniens seine Neutralität versprach, einen Präzedenzfall
bilden, der Lord Salisbury vorschweben mag. Ich halte aber nicht für
wahrscheinlich, daß diese Vorgänge sich in Wien wiederholen werden.
Die Neigung, eine Stellung anzunehmen, durch welche Österreich
von Rußland vollständig abhängig würde, ist in den meisten österreichi-
schen Landesteilen gar nicht, in einigen slawischen in sehr geringem
Maße vorhanden. Eine unabhängige Politik Österreichs wird heut
nur im Bunde mit Deutschland oder England, niemals im Bunde mit
Rußland möglich bleiben; bei einem unaufrichtigen Separatabkommen
Österreichs mit Rußland würde sie notwendig verloren gehen und
der Besorgnis Platz machen, daß Deutschland imstande sein könnte,
Rußland viel größere Vorteile anzubieten, als Österreich es vermag.
Unsere ganzen Verstimmungen mit Rußland beruhen nicht auf direkten
russisch-deutschen Schwierigkeiten, sondern lediglich auf der Tatsache,
daß wir bereit sind, Österreich gegen russische Vergewaltigungen
zu schützen, weil der Fortbestand Österreichs, als einer starken und
unabhängigen Großmacht, für das europäische Gleichgewicht unentbehr-
lich ist. Unsere daraus hervorgehende Weigerung, Österreich einem
russischen Angriffe gegenüber im Stiche zu lassen, bildet die alleinige
Unterlage deutsch-russischer Verstimmungen; kämen sie durch Öster-
reichs Anschluß an Rußland in Wegfall, so hätten wir es viel leichter
als Österreich, uns mit Rußland zu einigen.
Ew. pp. wird aus Ihrer Berliner Tätigkeit her erinnerlich sein,
daß mir zuerst im Jahre 1876 durch Telegramm des Generals
* Am 26. Juni hatte Graf Hatzfeldt über ein ausführliches Gespräch mit dem eng-
lischen Premierminister Lord Salisbury berichtet. In diesem Gespräch zeigte sich
Salisbury präokkupiert durch den Gedanken an die Möglichkeit einer öster-
reichisch-russischen Verständigung ä la Reichstadt über die orientalischen An-
gelegenheiten, und daher geneigt zu einer Politik der Vorsicht und Zurück-
haltung; jedenfalls wollte er, bevor er aus solcher Reserve heraustrete, erst den
Ausfall der bevorstehenden französischen Kammerwahlen und deren Rückwirkung
auf die Orientpolitik der Republik abwarten.
356
von Werder von Livadia* aus die kategorische Frage Kaiser Alexan-
ders II. hier in Varzin zuging, ob wir versprächen, in einem russisch-
österreichischen Kriege neutral zu bleiben, und daß diese Frage, bei
Ausbleiben meiner Antwort, telegraphisch in Varzin und dann, nach-
dem ich auf den amtlichen Weg verwiesen hatte, amtlich durch die
russische Botschaft in Berlin wiederholt wurde**. Ew. pp. wissen, daß
der hochselige Kaiser Wilhelm es ablehnte, eine solche Zusage zu
geben. Nach dieser Ablehnung wandte sich die russische Diplomatie
direkt nach Wien resp. nach Ofen, und es wurde dort ohne unser
Wissen die Reichstädter Konvention*** abgeschlossen, von deren Inhalt
Österreich uns später ohne Zustimmung Rußlands in Kenntnis setzte.
Daß dieser Abschluß ein politischer Fehler Österreichs war,
daß es überhaupt nicht im österreichischen Interesse lag, rumänische
und serbische Königreiche herzustellen, wird heutzutage in Wien kaum
mehr zweifelhaft sein, und ich halte jede Wahrscheinlichkeit einer
Wiederholung ähnlicher Vorgänge für ausgeschlossen, weil es an jeder
Möglichkeit einer für beide Teile annehmbaren Abgrenzung der Inter-
essen fehlt. Wir haben uns aus Liebe zum Frieden lange Zeit und
eifrig bemüht, eine Verständigung über eine solche Abgrenzung zwi-
schen Wien und Petersburg zu Stande zu bringen, nicht für Erwerbun-
gen, sondern für den von jeder der beiden Großmächte zu übenden
Einfluß in den ehemals türkischen, jetzt unabhängigen Gebieten. Das
einzige Ergebnis unserer langjährigen Bemühungen unter der vorigen
wie unter der jetzigen russischen Regierung ist die Überzeugung ge-
wesen, daß auf beiden Seiten die Ziele zu hoch gesteckt sind, um
den von uns erstrebten Ausgleich zu ermöglichen. Diese Ziele beliebig
abzumindern, liegt auf österreichischer Seite gar nicht in der Hand
der Regierung, weil ungarischer Ehrgeiz und ungarische Furcht vor
slawischer Herrschaft ein für die Wiener Diplomatie unter allen Um-
ständen unbotmäßiges Hindernis bilden. Wenn Österreich die sichere
Freundschaft oder vielmehr die sichere Protektion Rußlands gewinnen
wollte, so müßte es sich darauf gefaßt machen, diesem Streben schließ-
lich seine Rumänen in Siebenbürgen und der Bukowina, und seine
Serben im Banat und in Kroatien opfern zu müssen, denn die Kroaten
sind nichts wie katholische Serben; selbst Millionen von Slowaken im
Innern Ungarns würden noch ein Objekt serbisch-russischer Begehrlich-
* Vgl. Bd. II, Kap. X, Nr. 237 und 239.
** Von einer solchen amtlichen Anfrage seitens des russischen Botschafters
Oubril wissen die Akten nichts; vgl. Bd. II, Kap. X. Vielleicht hat Bismarck den
Brief des Fürsten Gortschakow vom 2. November 1876 mit seiner indirekten Auf-
forderung, sich für die russische Neutralität aus den Jahren 1866 und 1870/71
durch ein gleichartiges Verhalten in der Krise von 1876 zu revanchieren (vgl.
Bd. II, Nr. 255), im Auge.
*** Bismarck verwechselt hier die Reichstadter Konvention vom 8. Juli 1876, von
deren Inhalt Graf Andrässy Bismarck Mitte September in Kenntnis setzte (vgl.
Bd. II, Nr. 233), mit den Pester Konventionen vom 15. Januar 1877 (Nr. 265, 266).
357
keit und orthodoxer Annektierung oder Konvertierung bieten. Keine
ungarische Regierung würde imstande sein, die Preise zu zahlen,
für welche allein Rußlands dauernde Protektion sicher zu stellen wäre,
und die strikte Abhängigkeit von Rußland liegt überhaupt nicht in
dem Programm irgend eines zur österreichischen Monarchie gehörigen
Stammes. Die reaktionären Politiker der Habsburgischen Monarchie
sind ausnahmslos Katholiken von mehr oder weniger großem Fanatis-
mus: ihnen ist die Herrschaft der griechischen Kirche gefährlicher
als der Kampf mit dem Protestantismus, weil die griechische Kirche
Rußlands Macht hinter sich hat, wie das Beispiel der Uniaten zeigt.
Wirkliche russische Sympathien existieren nur bei einer sehr geringen
Anzahl tschechischer von Rußland gekaufter Agitatoren, die ohne Ein-
fluß auf die Gesamtheit bleiben.
Ich halte demnach die Besorgnisse Lord Salisburys vor der Even-
tuahtät einer österreichisch-russischen Verständigung für unbegründet,
und möchte in ihnen einen Schachzug vermuten, durch den Lord
Salisbury sich der Notwendigkeit überhebt, einzugestehen, entweder
daß England noch längere Zeit militärisch zu unfertig ist, um aktiv
in die europäischen Händel eingreifen zu können, oder daß man noch
immer die Hoffnung nicht aufgegeben hat, daß die Balkankämpfe ohne
aktive englische Mitwirkung ausgefochten werden können.
Ich wünsche, daß Ew. pp. den historischen Teil dieser Darlegungen
Lord Salisbury vertraulich mitteilen, und überlasse Ihnen, aus meinen
weiteren Konjekturen zu benutzen, was Ihnen nützlich scheint, um
die Gespenster zu bannen, die den Minister präokkupieren.
Ihr Gespräch in dieser Richtung bietet Ihnen vielleicht die Ge-
legenheit vorsichtig zu sondieren, ob Lord Salisbury an die Möglich-
keit einer Erneuerung der englischen Allianz mit Frankreich in anti-
russischem Sinne glaubt. Ich würde diesen Glauben für absehbare
Zeiten als einen Irrtum ansehen. Auch vor 36 Jahren wurde das
englisch-französische Bündnis doch nur möglich unter der ungewöhn-
lichen Konstellation, daß ein von Rußland geärgerter französischer
Kaiser sich an dem Wohlwollen der Königin Viktoria zu einer Stel-
lung in der monarchischen Welt hinaufarbeiten wollte. Dergleichen
Konjunkturen wiederholen sich nicht, und ihre damalige Wirkung war
eine sehr kurze und für England wenig lohnende. Frankreich wird
immer stärker wie Österreich nach der russischen Seite ;a^ravitieren :
bei letzterem würde der Gedanke, die Anlehnung an Rußland zu
suchen, immer nur Symptom eines krankhaften Zustandes sein, da-
durch erzeugt, daß Österreich auf Englands Beistand und selbst
Sympathien, auf die es durch die Natur hingewiesen ist, nicht mehr
rechnen kann. Die Haltung Englands und Palmerstons zur Zeit von
Radetzki und Haynau hat damals Österreich in die Arme Rußlands
getrieben, und nur die Wiederholung der Übeln Behandlung des Glad-
stoneschen Kabinetts und seiner Brutalisierung der alten englischen
358
Freunde in Wien und Konstantinopel („hands off' — „unspeakable
Turk"*) können österreichische Staatsmänner auf den Gedanken
bringen, beim russischen Gegner Anlehnung zu suchen. Aber so
lange nicht in England Gladstone oder dessen Geist regiert, glaube ich
nicht an österreichische Annäherungen an Rußland.
V. Bismarck
Nr. 1358
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter in Rom
Grafen zu Solms-Sonnenwalde**
Konzept
Nr. 340 Bedin, den 15. Oktober 1889
[abgegangen am 17. Oktober]
Der dreitägige Besuch Seiner Majestät des Kaisers von Rußland am
allerhöchsten Hofe*** ist in jeder Beziehung befriedigend verlaufen.
Insoweit dies äußerUch in die Erscheinung treten konnte, werden Ew. pp.
aus der Tagespresse entnommen haben, daß nicht nur jeder Mißton
ferngebUeben ist, sondern daß der persönliche Verkehr zwischen Seiner
Majestät und dem Zaren das Gepräge ausgesprochener Herzlichkeit trug.
Beim Beginn der über eine Stunde dauernden Audienz, welche der
Kaiser Alexander mir gewährte, konnte ich die Wahrnehmung machen,
daß dem hohen Herrn Zweifel an der Aufrichtigkeit unsrer Friedens-
Hebe beigebracht waren, wie ich vermute durch Einflüsterungen nicht
nur unserer Gegner in Rußland selbst als auch in Kopenhagen, Bei der
großen Abgeschlossenheit, in welcher der Zar in seinen russischen
Residenzen zu leben pflegt, bei der Seltenheit und Unregelmäßigkeit der
Vorträge seines auswärtigen Ministers und bei seiner Voriiebe für den
schriftUchen Verkehr ist es für seine amtlichen Organe schwer, ihn
gegenüber vereinzelten und berechneten Einwirkungen von Unberufenen
immer richtig informiert zu halten. Da der Zar während der letzten 6
Wochen, die er in Dänemark zubrachte, ohne jeden Zivilbeamten und
nur von wenigen untergeordneten Persönlichkeiten begleitet war, so ist
es nicht zu verwundern, daß die unrichtigen Bilder, welche ihm über die
Ziele unserer Politik von Besuchern und Mitgliedern des dänischen
Hofes vorgeführt wurden, einen Eindruck auf ihn gemacht hatten. Mit
um so größerer Befriedigung hat es mich erfüllt, auch dieses iVlal wieder,
wie schon im November 1887, konstatieren zu können, daß diese Ein-
* Vgl. Bd. IV, S. 15, Fußnote; S. 33, Fußnote **.
** Ein gleicher Erlaß erging auch an den Botschafter in London.
*** Er fand vom 11.— 13. Oktober 1889 statt. Über die lange Unterredung, die
Fürst Bismarck mit dem Zaren am 11. Oktober hatte, vgl. auch Bismarck-Erinne-
rungen des Staatsministers Freiherrn Lucius von Bailhausen (1920). S. 504.
359
drücke nicht so tief saßen, daß Seine Majestät nicht meine Autklärungen
mit vollem Vertrauen und sichtlichen Zeichen der Befriedigung ent-
gegengenommen hätten.
Seine Majestät brachte zuerst seine Besorgnis zum Ausdruck, daß
anläßlich des Kaiserbesuches in Osborne und der unmittelbar darauf-
folgenden Anwesenheit des Kaisers Franz Joseph in Berlin* neue Ab-
machungen mit antirussischer Spitze zwischen den beteiligten Regierun-
gen getroffen worden seien, welche bei dem bevorstehenden Zusammen-
treffen unseres Herrn mit dem Sultan** durch ein Bündnis mit der Türkei
gekrönt werden sollten und demnächst zu einem aggressiven Vorgehen
gegen Rußland führen würden.
In meiner Erwiderung setzte ich auseinander, daß keine enghsche
Regierung ein Bündnis mit einer andern Großmacht ohne parlamen-
tarische Sanktion abzuschließen imstande sei: wir hätten viele gemein-
schaftliche Interessen mit England, unsere traditionellen Beziehungen
zu dieser Macht schlössen jeden Streit mit ihr aus, es sei mithin von
vitalem Interesse für Deutschland, daß Englands Machtstellung erhalten
bliebe. Diese Sachlage wäre eine von selbst gegebene und mache den
Abschluß eines Bündnisses zwischen England und Deutschland über-
flüssig. Unsere Beziehungen zu dem verbündeten österreichischen Kai-
serstaate seien allein aus historischen Gründen engere als wie die mit
England und durch den dem Zaren bekannten Bündnisvertrag vom Jahre
1879 zum öffentlichen Ausdruck gebracht; darüber hinaus existiere kein
Abkommen. Unser Kaiser verfolgte ausschließlich friedliche Ziele, und
der erwähnte Bündnisvertrag genüge dem Bedürfnis. Im Interesse des
Gleichgewichtes sei unsre Aufgabe, für Österreichs Großmachtstellung
in jedem Notfalle einzutreten: aggressive Tendenzen lägen uns aber
ebenso fern wie dem Kaiser Franz Joseph, und ich sähe nicht die ge-
ringste Veranlassung, weshalb wir den russischen Nachbar jemals an-
greifen sollten.
Der Kaiser Alexander erklärte sich durch meine Mitteilung höchst
befriedigt und fügte hinzu, daß er seinerseits niemals angreifen werde.
Bezüglich der bevorstehenden Kaiserreise nach dem Orient sagte
ich, daß dem Besuch in Konstantinopel nur der Wunsch unserer Maje-
stäten zugrunde läge, von Athen nicht heimzukehren, ohne Konstanti-
nopel gesehen zu haben: Deutschland hätte im Schwarzen und im Mittel-
meer keine politischen Interessen, und es sei mithin ausgeschlossen, daß
der Besuch unserer Majestäten in Konstantinopel ein politisches Gepräge
erhalte. Aufnahme der Pforte in die Tripleallianz sei für uns nicht
* Der Besuch Kaiser Franz Josephs in Berlin fand vom 12.— 15. August, kurz
nachdem Kaiser Wilhelm von seiner Englandreise (2.-7. August) zurückgekehrt
war, statt.
** Im Anschluß an die Feierlichkeiten zur Vermählung der Prinzessin Sophie von
Preußen mit dem Kronprinzen von Griechenland in Athen (27. Oktober) stattete
das Deutsche Kaiserpaar auch dem Sultan einen Besuch (2.-6. November) ab.
360
möglich; wir könnten dem deutschen Volke nicht die Pflicht aufer-
legen, für die Zukunft von Bagdad Krieg mit Rußland zu führen.
Aus der ganzen Haltung des Zaren während der auf meine Audienz
folgenden Zeit seiner hiesigen Anwesenheit, sowie aus demjenigen, was
er unserm allerhöchsten Herrn über diese Audienz gesagt, habe ich
bestätigt gefunden, daß er Berlin in zufriedener Stimmung verlassen und
sich gern davon überzeugt hat, daß die ihm zugetragenen Verdächtigun-
gen unserer Politik unehrlichen Motiven entsprangen und nur darauf
berechnet waren, uns ohne Grund zu brouillieren.
Ew. pp. sind ermächtigt, sich nach Maßgabe des Vorstehenden
mündlich und vertraulich zu Herrn Crispi auszusprechen.
v. Bismarck
Nr. 1359
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an den Botschafter in Wien
Prinzen Heinrich VII. Reuß
Konzept
Nr. 538 Berlin, den 15. Oktober 1880
Ew. pp. erhalten anbei Abschrift eines an die Kaiserlichen Bot-
schaften in Rom und London gerichteten vertraulichen Erlasses* mit
der Ermächtigung, den Inhalt desselben Graf Kälnoky gegenüber zu
verwerten.
Nachdem der Staatssekretär Graf Bismarck bereits Gelegenheit ge-
habt hat, sich zu dem heute nach Wien gereisten Grafen Szechenyi über
meine Audienz beim Kaiser Alexander auszusprechen, wird in der An-
lage für den Grafen Kälnoky kaum etwas Neues enthalten sein. Da ich
außerdem nach einer früheren freundlichen Zusage des Grafen Kälnoky
die Freude haben werde, denselben in Friedrichsruh begrüßen zu kön-
nen, darf ich mir bis dahin vorbehalten, den Besuch des Zaren mit ihm
direkt durchzusprechen.
Für Euer pp. persönliche Information möchte ich noch hinzu-
fügen, daß der Zar mit einiger Mißstimmung über die neuerlichen öster-
reichischen Anregungen in der bulgarischen Sache sprach. Ich be-
merkte dazu, daß das Verhalten Österreichs in den inneren bulgari-
schen Fragen außerhalb unserer Verabredungen läge, und ich daher
nicht legitimiert wäre, eine Meinung darüber in Wien zu äußern. Meine
Stellung zu den Balkanfragen beruhe auf den Verträgen und sei noch
heut dieselbe, wie ich sie vor Jahr und Tag nicht nur in Wien und
Petersburg zur Geltung gebracht, sondern auch dem Reichstage gegen-
über öffentlich dargelegt hätte. Wenn es uns auch nicht gelungen
* Siehe Nr. 1358.
361
sei, unsre Auffassungen bei den beiden Kaisern zur Annahme zu
bringen, so hielte ich doch im Prinzip daran fest als an der vertrags-
mäßigen Richtschnur für die deutsche Politik. Die Besorgnis, welche
der Zar bezüglich der serbischen Verhältnisse äußerte, nämhch daß
dieselben zu einem Einrücken österreichischer Truppen in das König-
reich Serbien führen könnten, konnte ich damit entkräften, daß das
Wiener Kabinett die serbischen Dinge mit Ruhe und Gleichmut be-
trachte und nicht annehme, daß sie sich in gefährlicher Weise zu-
spitzen würden. Dem Kaiser Alexander war dies augenscheinlich sehr
angenehm zu hören, und am Schlüsse unserer Unterredung sagte er
mir wiederholt „Je suis parfaitement rassure sur tous les points de
vue parce que Vous venez de me dire."
V. Bismarck
Nr. 1360
Der Konsul in Kiew Raff auf an den Reichskanzler
Fürsten von Bismarck*
Ausfertigung
Nr. O I Kiew, den 3. März 1890
Euerer Durchlaucht wird bereits anderweit gemeldet worden sein,
daß im Sommer d. Js. in der Umgegend von Rowno (Gouvernement
* Es handelt sich hier um den wichtigsten jener berühmt gewordenen Berichte
des Konsuls Raffauf in Kiew, die bei der raschen Steigerung des Konflikts zwi-
schen Kaiser und Kanzler im März 1890 eine Rolle gespielt haben. Vgl. darüber
vor allem Bismarcks eigene Darstellung im dritten Bande der „Gedanken und Er-
innerungen" (S, 89 ff.). Die Darstellung, die Wilhelm Schüßler, Bismarcks Sturz
(1922), S. 201 ff. von den Vorgängen gibt, greift, obwohl sie sich bereits auf
Bismarcks Darstellung stützt, durchgehends fehl. Nach Schüßler hätte Bismarck
die Berichte dem Kaiser vorenthalten wollen, sei aber, da der Kaiser (durch
Holstein?) von deren Eingang erfahren, rechtzeitig durch seine Freunde gewarnt
worden und habe nun, um dem drohenden Sturm vorzubeugen, schnell sechs Be-
richte, ausschließlich militärischen Inhalts, an den Generalstab gesandt, dem Kaiser
selbst aber nur diejenigen Berichte vorlegen lassen, „für deren Eindruck auf
Seine Majestät er die Verantwortung glaubte tragen zu können". Der tatsächliche
Verlauf nach den Akten, der diese Legende völlig zerstört, ist der folgende:
Die Sendung aus Kiew, die 20 Berichte enthielt, war von Konsul Raffauf mit
Begleitschreiben vom 9. März durch den Kanzlerdragoman Rößler von Kiew nach
Warschau expediert worden. Von Warschau aus wurden sie vom deutschen General-
konsul Freiherrn von Rechenberg mit Begleitschreiben vom 12. März in sechs Brief-
paketen durch einen Konsulatssekretär nach Thorn geschickt und dort mit der
Post „eingeschrieben" an das Auswärtige Amt aufgegeben. Im Auswärtigen
Amt ist die Sendung laut Journal und Eingangsvermerk am 15. März eingegangen
und dem Staatssekretär Grafen Herbert von Bismarck vorgelegt worden. Am
16. März lag sie dem Fürsten Bismarck vor, der fünf Berichte militärischen Inhalts
für den Kaiser auswählte und mit dem Vermerk „S. M." versah. Noch am
gleichen Tage, dem 16. März, ließ der Staatssekretär diese ausgewählten Berichte
dem Kaiser unterbreiten, der sie am 17. März mit Handbillett (Nr. 1361) an den
362
Wolhynien) in Gegenwart des russischen Kaisers große Manöver statt-
finden werden. An diesen Übungen sollen vieri Armeekorps aus dem
Warschauer, Wilnaer und Kiewer Militärbezirke teilnehmen, darunter
die in Kiew stehende 33. Infanteriedivision 2. In hohen militärischen
Kreisen sagt man, daß diese Exerzitien veranstaltet würden „pour
passer devant^ le nez des Autrichiens."
In Rowno, Lutzk usw. ist unter dem Militär das Gerücht verbreitet,
auch der deutsche Kaiser werde im Sommer ganz bestimmt zu den
dortigen Manövern kommen. In Lutzk bezeichnet man sogar das Haus,
welches für Seine Majestät zurecht gemacht werde.
Schon jetzt verlautet hier in Offizierskreisen, daß zum Frühjahr
bereits starke Schiebungen von Infanterie und Kavallerie nach dem
wolhynischen Festungsdreieck und weiter nach Podolien hin in Aussicht
genommen sind, zunächst von Warschau und Wilna aus^.
Raffauf
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms IL:
(am Kopf des Schriftstückes): Gen[eral]Stab z[um] Vort[ragI sehr bedenklich!
Wien sofort m[i]tth[eilenl
1 6!
- außerdem 4 Kavallerie-Divisionen und 2 Kosackendivision[en] im Ganzen ISO
Bat[ail]l[one] und 4 0 0 Geschütze. Eine größere Drohung ist noch keinem
Staate im Frieden von einem anderen geboten worden!
3 peut etre sur
* Es ist dies der Anfang des Aufmarsches zum Kriege! Caveant Consules! Da
der Punkt der oesterreich[ischen] Grenze, an welchem die Konzentration statt-
findet, der schwächste und am weitesten entfernt liegende ist! Mit einer solchen
Truppenmacht kann man, überraschend eingefallen, direkt bis Wien ohne auf-
gehalten zu werden durchstoßen.
Fürsten Bismarck zurücksandte. Nach Bismarcks Darstellung (a. a. O. S. 88) ge-
schah dies am 17. morgens. Am gleichen Tage, dem 17. März, antwortete
Fürst Bismarck auf das Handbillett des Kaisers (Nr. 1362). Die fünf dem Kaiser
übersandten Berichte, die am 17. März zurückkamen, sind auf Marginalanordnung
des Kaisers vom Reichskanzler dann am 25./26. März an den Generalstab übersandt
worden; auch dem Botschafter in Wien Fürsten Reuß wurden am 25. März
mehrere dieser Berichte zur Mitteilung an Graf Kälnoky zugefertigt. Die übrigen
15 Stücke der Kiewer Sendung (ein Begleitschreiben und 14 Berichte) sind nach
Empfang des kaiserlichen Handbilletts von Bismarck sämtlich dem Kaiser vor-
gelegt worden, der sie am 24. März zurücksandte. Sie betreffen, wie Bismarck
in seinem Immediatbericht vom 17. März (Nr. 1362) schreibt, nur „Zustände reli-
giöser und sozialer Natur". Die Gegenstände der Berichterstattung sind die fol-
genden: 1. und 2. Handhabung des Ukas betr. deutsche Pächter und ausländische
Kolonisten; 3. Stimmung in Südwestrußland; 4. die neuernannten Gouverneure;
5. das slawische Komitee; 6. und 7. die Bekämpfung der Stundisten; 8. Unter-
schleife in der Universität Kiew; 9. die Kiewer Jubelfeier; 10. die deutsche Koloni-
sation in Südrußland; 11. Zollerhöhung auf landwirtschaftliche Maschinen; 12. ge-
schäftliche Lage von Südwestrußland; 13. und 14. Nachrichtenbeschaffung und
Reiseurlaub des Konsuls.
363
Nr. 1361
Kaiser Wilhelm 11. an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck*
Eigenhändiges Handbillett
Die Berichte lassen auf das klarste erkennen, daß die Russen im
vollsten strategischen Aufmarsch sind, um zum Kriege zu schreiten.
Und muß ich es sehr bedauern, daß ich so wenig von den Kiewer Be-
richten erhalten habe. Sie hätten mich schon längst auf die furchtbar
drohende Gefahr aufmerksam machen können! Es ist die höchste Zeit,
die Oesterreicher zu warnen, und Gegenmaßregeln zu treffen. Unter
solchen Umständen ist natürlich an eine Reise nach Krasnoe meinerseits
nicht mehr zu denken!
W.
Die Berichte sind vorzüglich
Nr. 1362
Der Reichskanzler Fürst von Bismarck an Kaiser Wilhelm II.
Ausfertigung
Berlin,den 17. März 1890
Euere Majestät haben mir heute fünf Berichte des Konsuls in Kiew
mittelst Allerhöchsten Handbilletts wieder zugefertigt, in welchem Euere
Majestät an erster Stelle auszusprechen geruhen, wie „diese Berichte
aufs klarste erkennen ließen, daß die Russen in vollstem strategischem
Aufmarsch seien, um zum Kriege zu schreiten".
Mit Bezug auf diese Allerhöchste Äußerung gestatte ich mir ehr-
furchtsvoll die beiliegende Aufzeichnung des Generalfeldmarschalls
Grafen Moltke vom 30. November 1887 Euerer Majestät zu unterbreiten,
welche schon damals die Überzeugung aussprach, daß die Russen den
Aufmarsch der Armee seit dem Beginn des Jahres 1887 ins Werk gesetzt
hätten**. Trotzdem ist der Frieden nicht nur drei Jahre erhalten, son-
dern sind die Beziehungen zu Rußland wesentlich gebessert worden.
Der hochselige Kaiser Wilhelm war zu jener Zeit derselben Über-
zeugung, welche Euere Majestät mir in den letzten Monaten wiederholt
auszusprechen die Gnade hatten, daß jener sogenannte Aufmarsch der
russischen Armee für Deutschland nichts direkt Beunruhigendes hätte.
Trotzdem wurde die vorliegende Ausarbeitung des Chefs des Gene-
ralstabes im Dezember 1887 nach Wien mitgeteilt, und ist die Veranlas-
sung zu den vielfachen und gewichtigen Vorsichtsmaßregeln geworden,
welche die österreichisch-ungarische Heeresleitung von dem genannten
Zeitpunkt in umfassendem Maße getroffen hat. Die damals von dem
* Bereits veröffentlicht u. a. in Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen" Bd. IH,
S. 88.
♦* Vgl. Kap. XXXVII: Russisch-Österreichische Kriegsgefahr, Nr. 1163, Fußnote **.
364
Militärattache in Wien auf eigene Initiative geübte Einwirkung rief
beim Kaiser von Rußland eine erhebliche, vielleicht noch heute nicht
überwundene Verstimmung hervor*.
Ich gestatte mir nur an diesen Euerer Majestät von früher her be-
kannten Vorgang alleruntertänigst zu erinnern, um an der Hand des-
selben von einer neuen militärischen Warnung, wie Euerer Majestät
Handbillett sie anbefiehlt, ehrfurchtsvoll abzuraten.
Unsere Beziehungen zu Rußland sind besonders seit dem Oktober-
besuch des Zaren** und zufolge der Mitteilungen, welche Graf Schuwa-
low bei seiner heutigen Rückkehr über die Stimmung und die Absichten
in betreff der zukünftigen Beziehungen zu Rußland gemacht hat, bisher
so gute und klare, daß sie ein Mißtrauen in höchstdessen Absichten
nicht rechtfertigen: In Österreich wird man aber über russische mili-
tärische Maßnahmen sicherere Nachrichten haben, als sie die Infor-
mationen des Konsuls in Kiew zu geben vermögen.
Euere Majestät geruhten bisher, meine Überzeugung zu teilen, daß
russische Truppenschiebungen nach dem Südwesten für uns eher eine
Erleichterung bedeuten, weil sie anderen Zielen zu dienen bestimmt
sind als der Aufnahme eines Kampfes mit der deutschen Macht.
Wenn Euere Majestät das Allerhöchste Bedauern aussprechen, daß
Allerhöchstdieselben so wenig von den Kiewer Berichten erhalten haben,
so bemerke ich ehrfurchtsvoll, daß eine Prüfung der Akten ergeben hat,
daß sämtliche Berichte militärischen Inhalts aus Kiew seit Euerer
Majestät Thronbesteigung entweder Euerer Majestät direkt unterbreitet
oder dem Chef des Generalstabes mitgeteilt worden sind, welcher dann
seinerseits zu ermessen hat, ob der Inhalt wichtig genug ist, um Euerer
Majestät vorgetragen zu werden.
Alle Berichte ohne vorhergehende Prüfung durch mich oder durch
den Generalstab Euerer Majestät direkt zu übersenden, würde an
Euerer Majestät Zeit und Arbeit einen noch höheren Anspruch als den
bisherigen stellen, und schon das bisher an Euere Majestät unmit-
telbar gelangende Material ist so ausgedehnt, daß Alierhöchstdie-
selben in der Unmöglichkeit sind, die vorgelegten Aktenstücke so recht-
zeitig, wie die weitere Arbeit erfordert, zurückgelangen zu lassen. Dieser
Geschäftsgang ist zur Zeit des hochseligen Kaisers Wilhelm stets ein-
gehalten worden und empfahl sich aus dem Grunde, daß der Chef
des Generalstabes, welcher allein die militärische Gesamtübersicht hat,
besser in der Lage war. Euerer Majestät die Vorlagen unter dem
richtigen Gesichtspunkt zu unterbreiten als das Auswärtige Amt,
Berichte militärischen Inhalts aus Kiew, welche Euere Majestät
oder der Chef des Generalstabes nicht erhalten hätten, sind somit nicht
vorhanden.
* Vgl. Nr. 1164, 1165.
** Vgl. Nr, 1358,
365
Der Konsul in Kiew hat selten eine sichere Gelegenheit für eine
vertrauliche Berichterstattung: sie erfolgt in der Regel nur, wenn er
selbst oder sein Sekretär auf Urlaub gehen oder eigens an unsere
Grenze reisen. Das Konvolut von Berichten, welches auf letzterem
Wege hier eingegangen ist, war so umfangreich, daß ich darunter nur
die Berichte mihtärischen Inhalts — fünf an der Zahl — Euerer Maje-
stät unterbreitet, die übrigen aber. Zustände religiöser und sozialer
Natur betreffend, in den Geschäftsgang gegeben habe, um dasjenige
auszuziehen und zu berichten, was etwa für Euere Majestät von In-
teresse sein könnte.
Nach Euerer Majestät Handbillett gestatte ich mir nunmehr AUer-
höchstdenselben im beiliegenden Kuwert die ganze letzte Expedition aus
Kiew vorzulegen, welche nicht militärische Dinge behandelt, die zu
perlustrieren im Auswärtigen Amt bisher nicht die Zeit war, und von
denen ich nach ihrem Umfange annehmen mußte, daß Euere Majestät
nicht die Muße finden würden, sie zu lesen. Dieselben betreffen allge-
meine Stimmungen, die Lage der Kolonisten, den Stundismus und
Preßerzeugnisse, haben aber nichts zu tun mit dem von Euerer Maje-
stät erhobenen Vorwurf,
V, Bismarck
Nr, 1363
Der Geschäftsträger in Paris von Schoen an das Auswärtige Amt
Ausfertigung
Nr. 83 Paris, den 25. März 1890
Die außergewöhnlich ernste und mit wenigen Ausnahmen achtungs-
volle Sprache, mit welcher die französische Presse sich über den Rück-
tritt des Fürsten von Bismarck* geäußert hat, zeigt, wie tief der Ein-
druck dieses Ereignisses hier gewesen ist. So sehr auch diese Presse
seit Jahren bemüht gewesen ist, die deutsche Politik zu verlästern, ihr
aggressive Pläne anzudichten, in jedem politischen Ereignis die in-
trigierende Hand des Fürsten von Bismarck zu entdecken und in
persönlicher Verunglimpfung desselben sich zu erschöpfen, so wenig
ist sie nun geneigt, den Weggang des deutschen Staatsmannes zu
bejubeln. Sie ist im Gegenteil nahezu einstimmig darin, das Ereignis
als ein für Frankreich keineswegs erfreuliches zu bezeichnen, und
zollt, teils widerstrebend und verdeckt, teils offen und gern der Friedens-
politik des gewesenen Reichskanzlers eine verspätete Anerkennung,
Die Zukunft erscheint ihr nunmehr besorgniserregend, die Befürchtung
liege nahe, daß die deutsche Politik kriegerischen Verwicklungen zu-
strebe oder zugetrieben werde, daß europäische Fragen sich zu unlös-
baren Knoten verschlingen könnten, nachdem die kundige Hand des
Meisters zur Lösung fehle. Dabei ist jedoch anzuerkennen, daß die
* 20. März 1890.
366
französische Presse im ganzen weit weniger, als sie es zu treiben
liebte, Seiner Majestät dem Kaiser und Könige kriegerische Gelüste
andichtet, überhaupt der erhabenen Person Seiner Majestät, wenn
auch noch mit einer gewissen Scheu, eine Beurteilung entgegenbringt,
welche nicht fern von Bewunderung hegt. Die Sinnesänderung in
dieser Beziehung ist unzweifelhaft zum größten Teil durch die Er-
kenntnis der hochherzigen Bestrebungen Seiner Majestät in den Arbeiter-
fragen herbeigeführt. Nicht wenige öffentliche Stimmen sprechen es
unverhohlen aus, daß in der Sorge des deutschen Kaisers um fried-
liche Lösung der weltbedrohenden wirtschaftlichen Fragen eine Gewähr
des politischen Friedens liege. Staatsmänner wie Foucher de Careil,
Courcel, Chaudordy, Barthelemy St. Hilaire haben sich in Interviews
in diesem Sinne ausgesprochen. Der letztgenannte glaubt übrigens
an eine Annäherung Deutschlands an Rußland, wofür Fürst Bismarck
ein Hindernis gewesen sei; eine Ansicht, welche auch Ferrys Blatt
„L'Estafette" vertritt.
Nahezu sämtliche Blätter jedoch sehen in dem Rücktritt des Fürsten
von Bismarck eine Schwächung des Dreibundes, Schwierigkeiten und
Erkaltung der Beziehungen mit Österreich und Italien. Herrn Crispi
wird ebenfalls baldiger Sturz geweissagt. Man fühlt durch, wie sich
in diesen Preßstimmen bereits Hoffnungen auf veränderte politische
Konstellationen regen.
Wie in der Presse, so hat das Ereignis auch in den leitenden
politischen Kreisen lebhafte Erregung hervorgebracht. Im Ministerium
des Äußern hat mehrere Tage hindurch ängstliche Spannung ge-
herrscht, weil zuverlässige Mitteilungen darüber fehlten, ob etwa Fragen
der auswärtigen Politik den Rücktritt des Reichskanzlers veranlaßt
hätten. Sehr beruhigend hat in dieser Beziehung die Kundgebung
Seiner Majestät gewirkt, daß allerhöchstderselbe fest entschlossen sei,
die bisher innegehaltene Friedenspolitik fortzusetzen. Indessen sind
damit nicht alle Befürchtungen beseitigt. Die vorherrschende Ansicht
ist auch in den Kreisen der Regierung die, daß nunmehr ein Zustand,
in welchen man sich leidlich eingelebt hatte, vorüber sei, und daß man
nunmehr vor dem Ungewissen und Unbekannten stehe. Am Quai
d'Orsay hat man, wie ich wahrzunehmen in der Lage gewesen, die
Zuversicht, bei Deutschland auch künftighin dem aufrichtigen Wunsch
friedlichen Nebeneinanderlebens zu begegnen. Dagegen fürchtet man
von Italien, wenn auch nicht gerade kriegerische Absichten, so doch
Neigung zu Schikanen, wenn der Nervosität Herrn Crispis nicht mehr
die Autorität des Fürsten von Bismarck beruhigend gegenübersteht.
In der Beurteilung der Wahl des nunmehrigen Herrn Reichskanzlers
ist die öffentliche Meinung in Frankreich sehr zurückhaltend, da General
von Caprivi wenig bekannt ist. Die Presse liebt es vorläufig, sich aus
der Verlegenheit mit der Ausführung zu ziehen, daß die Person des
Reichskanzlers nunmehr weniger in Betracht komme, da Seine Majestät
367
der Kaiser mehr wie zuvor der Leiter der deutschen Politik nach innen
wie nach außen sein werde. Im ganzen aber ist die Aufnahme, welche
dem Herrn Reichskanzler in der öffentlichen Meinung hier zuteil wird,
keine unsympathische. Der Umstand, daß Herr von Caprivi Militär
ist, macht weniger Sorge als zu erwarten gewesen wäre. Selbst
chauvinistische Blätter meinen, ein Krieger als Reichskanzler sei noch
kein kriegerischer Reichskanzler.
V. Schoen
Nr. 1364
Der Militärbevollmächtigte in Petersburg Oberst von Villaume
an Kaiser Wilhelm II.
Immediatbericht. Abschrift.
Nr. 1 22 St. Petersburg, den ~ ^^ 1890
Bei den zahlreichen Besuchen, die ich während meiner Rekonvales-
zenz empfing, sowie bei den noch zahlreicheren Dankesvisiten, welche
ich in der letzten Zeit abstatten mußte, brachten meine russischen
Freunde und Gönner fast ohne Ausnahme sehr bald das Gespräch
mit mir auf den Rücktritt des Fürsten Bismarck. Derselbe hat, soweit
ich es feststellen konnte, und abgesehen von den wie immer höchst
kindischen Folgerungen und Betrachtungen der Presse, hier überall
einen deprimierenden Eindruck hervorgerufen, der jedoch in seinen
Wirkungen eine viel gerechtere Würdigung Deutschlands zur Folge
gehabt hat, als dies bisher der Fall war.
Von der Freude, der sich bei dieser Nachricht anfangs ein großer
Teil der russischen Presse hingab, welche das Ausscheiden „dieses
offenen Feindes Rußlands und des Slawentums" aus dem Amte als ein
beruhigendes und sogar erfreuliches Symptom ansehen zu müssen
glaubte, welche für den Dreibund bezw. die Friedensliga schon eine
Grabschrift verfaßte, und den Zerfall der großen Schöpfung der Jahre
1870/71 prophezeite — von solchen Hoffnungen und stillen Wünschen
habe ich in den Kreisen meiner Bekannten nichts gefunden. Es ist
dies ein neuer Beweis der poHtischen Unreife und der geringen Füh-
lung der hiesigen Presse mit den maßgebenden Kreisen; sie trifft
eben nur dann das Richtige, wenn sie von der Regierung ein mot
d'ordre empfängt; auch diesmal hat sie sich erst nach und nach
der allgemeinen Stimmung angepaßt.
Bei den intelligenteren Russen dämmerte es aber viel früher; die
Anfeindungen und Verdächtigungen, mit denen sie den Fürsten Bis-
marck seit dem Berliner Kongreß verfolgt hatten, waren plötzlich
vergessen; man sah es ein, daß man in ihm nicht einen Feind, sondern
einen Freund Rußlands verloren hatte und beklagte in ihm den Mann,
368
der fast drei Jahrzehnte lang die sicherste Bürgschaft guter Beziehungen
zwischen den beiden benachbarten Reichen gewesen sei und in ge-
wisser Weise den Frieden zwischen beiden garantiert habe; man war
zu der Überzeugung gekommen, daß Rußland es eigentUch ihm zu
verdanken habe, wenn es seit dem letzten Türkenkriege in Ruhe
und Frieden hätte leben, seine Finanzen verbessern und seine Rüstungen
vervollständigen können, und so trat an die Stelle der Freude ein auf-
richtiges Bedauern über sein Scheiden aus dem öffentlichen Wirken.
Wie weit dies Bedauern geht, beweist unter anderem die Äuße-
rung, welche ein hochgestellter Beamter mir gegenüber tat, der seine
Regierung direkt anklagte, diese goldene Zeit nicht genügend aus-
genutzt zu haben, „Mit Bismarck als Reichskanzler", meinte er, „würde
eine Verständigung zwischen Rußland und Deutschland ohne Öster-
reich^ mögüch gewesen sein, und damit hätten wir freie Hand im
Orient gehabt."
Nun fehlt den Russen plötzlich in ihren Zukunftsberechnungen
dieser sichere Faktor; an seine Stelle ist „das Ungewisse, Geheimnisvolle
der neuen Ära", wie sie es nennen, getreten, und dieses Dunkel der
Zukunft erzeugt bei ihnen ein großes Unbehagen; das Selbstvertrauen
und die bisherige Überzeugung, die Geschicke Europas zu lenken, sind
geschwunden. Mit einer gewissen Bangigkeit sehen sie den von ihnen
mit Gewißheit infolge des Rücktritts des Fürsten Bismarck erwarteten
großen allgemeinen Umwälzungen und durchgreifenden Veränderungen
entgegen und ergehen sich in hypothetischen Betrachtungen über die
Richtungen, in denen sich dieselben bewegen könnten, besonders aber
über die zukünftige auswärtige Politik Deutschlands. Bei dieser Ge-
legenheit werden die nach dem Hinscheiden des hochseligen Kaisers,
Wilhelm I., Majestät, hier eifrig kolportierten und ziemlich allgemein
geglaubten Gerüchte über Ew. Majestät russenfeindliche Gesinnung
und kriegerische Absichten wieder aufgewärmt und sogar eine Be-
stätigung derselben in der Ernennung eines Militärs zum Reichskanzler
erbUckt, der selbstverständlich ebenfalls sofort ohne jeden Grund zu
einem Feinde Rußlands gestempelt worden ist^.
Die zahlreichen, von mir immer wieder angeführten Beweise,
welche seitdem Ew. Majestät festen Willen bekundet haben, an der
alten Tradition festzuhalten und mit Rußland in Frieden und Freund-
schaft zu leben, scheinen den Russen nichts mehr zu gelten, seitdem
derjenige Mann aus dem Amte geschieden, welcher ihnen plötzlich
als der einzige Träger und Hort der traditionellen guten Beziehungen
zwischen den beiden Reichen erscheint. Bei den Russen regt sich das
böse Gewissen 3 und sie haben das unbehagliche Gefühl, daß der
Kaiser von Deutschland, welcher einen so erprobten und erfahrenen
Ratgeber von sich lassen konnte, auch unter Umständen nicht davor
zurückschrecken würde, dem alten Verbündeten den Laufpaß zu geben,
wenn dieser Deutschlands aufrichtiges und so oft bewiesenes Bestreben,
24 Die Große Politik. 6. Bd. 369
mit ihm gute Nachbarschaft zu halten, nicht durch ein gleiches Ent-
gegenkommen beantworten sollte. Dieser Befürchtung gab z. B. auch
Seine Kaiserliche Hoheit der Großfürst Michael Nikolajewitsch mir
gegenüber Ausdruck. „Wer bürgt uns jetzt dafür", sagte mir ferner
ein alter, uns wohlgesinnter General, „daß Ihr hoher Herr, der ohne
einen Bismarck zu regieren den Mut hat, nicht auch einmal ohne Ruß-
land fertig zu werden versuchen will."* Ich erwiderte beiden darauf,
daß wir zu unserem Bedauern ja schon seit dem Berliner Kongreß in-
folge der Haltung Rußlands mit dieser Möglichkeit zu rechnen ge-
zwungen wären. Trotzdem würde aber Deutschland auch ferner, ob
mit oder ohne Bismarck fest an dem alten Bündnis halten und dem
heiligen Vermächtnis seines unvergeßlichen Kaisers, Wilhelm I., treu
bleiben, solange Rußland den gleichen Wert auf die Erhaltung dieser
Freundschaft legte, und weder den chauvinistischen Revancheideen
unserer westlichen Nachbarn Vorschub leistete, noch sich den pan-
slawistischen Fanatikern auslieferte, welche im Innern und im Auslande
wühlten und zum Deutschenhaß sowie zum Kriege aufreizten.
Gerade in militärischen Kreisen scheint mir dieses Gefühl des Unbe-
hagens und der Ungewißheit wegen der Zukunft besonders entwickelt
und durch die Ernennung des Generals von Caprivi, „eines Militärs
von großem Ruf", wie man hier sagt, zum Reichskanzler, noch ver-
mehrt zu sein. Die bisherige sichere Aussicht auf Erhaltung des Frie-
dens (nämlich solange wie es Rußland genehm war)^ ist von neuem
der Besorgnis gewichen, die sich schon bei Ew. Majestät Regierungs-
antritt bemerklich machte, daß Deutschland bei etwaigen Herausfor-
derungen oder feindseligem Verhalten seines westlichen oder östlichen
Nachbars jetzt eine größere den Frieden bedrohende Empfindlichkeit
zeigen könnte als bisher, und Rußland dann vielleicht weder seine
Rüstungen noch die mindestens noch drei Jahre in Anspruch nehmende
Umbewaffnung seiner Infanterie zu Ende führen könnte. Es sollte
mich nicht wundern, wenn der allen Kreisen gemeinsame und jetzt
besonders rege Wunsch nach Aufrechterhaltung des Friedens selbst
mit dem Opfer eines engeren Anschlusses an Deutschland, auch in
dem offiziellen Verkehr zwischen den beiden Reichen, von hier aus
zum Ausdruck gelangte. Hat doch der Kaiser bereits in der Euerer
Majestät Botschafter gewährten letzten Audienz mehr wie je zuvor
die Vorteile eines festen Zusammenhaltens beider Reiche betont; schreibt
doch der „Grashdanin", das sogenannte Hofjournal, ebenfalls: „Jetzt
ist es jedenfalls leichter als unter Bismarck, geregelte Beziehungen zu
Deutschland herzustellen, die den historischen Traditionen und den
gegenseitigen Interessen der beiden Nachbarreiche entsprechen
würden" 6^
Auch anderen Zeitungen scheint in neuester Zeit die Erhaltung
der guten Beziehungen mit Deutschland wieder wertvoll geworden
zu sein; die eine läßt den Rücktritt des Fürsten Bismarck „um Ruß-
370
lands willen" erfolgt sein, die andere führt aus, daß, nachdem „das
Deutschland Bismarcks, welches eine gegen Rußland gerichtete feind-
selige Macht gewesen", verschwunden sei, Rußland dem neuen Deutsch-
land gegenüber keinen Grund mehr zu dem bisherigen Mißtrauen habe.
Jedenfalls macht sich schon jetzt eine merkliche Abnahme des
Dünkels, der bisherigen Überhebung und des hochmütigen Gefühls
der Sicherheit, welches man in den letzten Jahren zur Schau trug,
geltend, und man rechnet wieder mehr mit Deutschland. Die so sehr
gerühmte „nationale Politik der freien Hand", das Ungebundensein
Rußlands, erscheint nun plötzlich als eine nicht unbedenkliche Iso-
lierung^, und man hört und liest nicht mehr, daß der Zar die Geschicke
Europas in seiner Hand halte. Dieses Gefühl der Vereinsamung ist
noch verstärkt worden durch die Ausschließung Rußlands von der Ar-
beiterkonferenz*, durch die hier sehr bemerkte gnädige Aufnahme, welche
Euere Majestät den französischen Delegierten huldreichst zuteil werden
ließen, ferner durch die Anerkennung, welche die besseren französi-
schen Zeitungen Euerer Majestät Initiative in dieser wichtigen Frage
gezollt haben, und endlich auch durch den Besuch des Prinzen von
Wales in Berlin**.
Die Art und Weise, wie man mir gegenüber dieser Ereignisse Er-
wähnung tut, zeigt ebensoviel Mißtrauen gegen uns, wie gegen Frank-
reich und England. Am meisten ist man jedoch durch die den Russen
jetzt näher als sonst gerückt scheinende Möglichkeit beunruhigt, daß
Deutschland sich mit Frankreich auf einen besseren Fuß stellen ^ und
auf diese Weise Rußland völlig isolieren könnte. Hält es doch der
„Swjet", eines der Organe der panslawistischen Partei, bereits für
nötig, die Franzosen eindringlich zu ermahnen, „den Versuchungen
von Berlin aus zu widerstehen, sowie die Ehre und nationale Würde
Frankreichs zu wahren".
Einen Trost und eine gewisse Beruhigung in dieser pessimisti-
schen Auffassung findet man nur in der von Euerer Majestät noch
jüngst in dem allergnädigsten Erlaß an den Fürsten Bismarck von
neuem betonten Willensmeinung, an der bisherigen „weisen und tat-
kräftigen Friedenspolitik festzuhalten"*** und hofft außerdem, daß die
* Daß an Rußland keine Einladung zu der seit dem 15. März in Berlin tagenden
internationalen Arbeiterschutzlconferenz ergangen war, erklärt sich daraus, daß
von vornherein nur die Teilnahme der „hauptsächlicheren Industriestaaten" vor-
gesehen war.
** Er war zum Zweck der Teilnahme an einem Kapitel des Schwarzen Adlerordens,
auf dem die Investitur seines Sohnes, des Prinzen Georg, des jetzigen Königs
Georg V.. stattfinden sollte, am 21. März in Berlin eingetroffen.
*** In dem Kaiserlichen Erlaß vom 20. März, mit dem dem Fürsten Bismarck der
Abschied erteilt wurde, hieß es u. a. : „Auch im Auslande wird Ihrer weisen und
tatkräftigen Friedenspolitik, die ich auch künftig aus voller Oberzeugung zur
Richtschnur meines Handelns zu machen entschlossen bin, allezeit mit ruhmvoller
Anerkennung gedacht werden."
24» 371
Durchführung der Maßregeln zum Wohle des Arbeiterstandes Euere
Majestät noch für lange Zeit fast ausschließlich in Anspruch nehmen
und von der äußeren Politik abziehen würden.
(gez.) von Villaume
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II. (in Abschrift):
1 Aufrichtig aber nicht schmeichelhaft
2 das böse Gewissen diktirt diesen Unsinn den Russen!
3 s[iehe] o[ben]
* es soll mir im Dreibund stets willkommen sein, aber dann auch ehrlich einge-
stehen, was es will und nicht Unmögliches verlangen!
5 ja eben !
* Ei! Mein Fürst Meschtscherski vor 8 Tagen lauteten Ihre Artikel anders!
' sehr gesund!
8 soweit es mit Anstand möglich, allerdings!
Nr. 1365
Der Botschafter in Petersburg von Schweinitz an den
Reichskanzler von Caprivi
Ausfertigung
Nr. 131 St. Petersburg, den 28. April 1890
Ganz vertraulich
Da jetzt ein voller Monat vergangen ist, seit sich in Berlin der
Kanzierwechsel vollzog, so erscheint es zulässig, die Wirkungen zu
beurteilen, welche dieses Ereignis in St. Petersburg bis jetzt hervor-
gebracht hat; der erste Eindruck desselben war, wenn ich nicht irre,
im allgemeinen an der Peripherie stärker als im Zentrum; das Er-
staunen fand in New-York, Paris, Rom, Wien und St. Petersburg lau-
teren Ausdruck als in BerUn; so wie der Blitz das, was er zerstört,
noch hell beleuchtet i, so brachte der Abgang des Fürsten Bismarck
den russischen Politikern plötzlich vor Augen, was sie mit ihm und
durch ihn hätten erreichen können. Nicht bloß an leitender Stelle, son-
dern auch in weiteren einflußreichen Kreisen war es bekannt, daß der
Fürst nichts dagegen einzuwenden gehabt haben würde, wenn Ruß-
land den Arm nach dem „Schlüssel seines Hauses" ausgestreckt
hättet; aber sie trauten ihm nicht, und es fehlte ihnen auch an ernstem
Willen und an Mut zu dem kühnen Griff. Jetzt nun wurde ihnen mit
einem Male deutlich, nicht bloß, daß sie den Anschluß versäumt haben,
sondern auch, daß die Macht nicht mehr in den Händen des Mannes
ruht, welcher niemals zugegeben haben würde, daß Deutschland ohne
zwingende Notwendigkeit einen Angriffskrieg gegen Rußland unter-
nehme.
Die moderne Geschichtsschreibung, von Busch und Poschinger
bis zu Sybel, ist so umfassend und indiskret gewesen, daß auch den
372
Russell die ganze Laufbahn unseres großen Staatsmannes in ihrem
Zusammenhange mit Rußland verständlich geworden ist und zwar von
ihrem Beginne an: Herrn von Bismarcks Verkehr mit dem russischen
Gesandten Baron Budberg vor Olmütz, seine Tätigkeit in Frankfurt
während des Krimkrieges, sein ebenso geniales \jie gewagtes Ein-
greifen in den polnischen Aufstand und so fort bis zu dem rücksichts-
losen, fast grausamen Auftreten gegen den Prinzen Alexander von
Battenberg. Einsichtige Russen haben hieraus den übrigens von selbst
sich ergebenden Schluß gezogen, daß Fürst Bismarck, der die großen
nationalen Taten von 1864, 1866 und 1870 nur in der Voraussetzung,
daß Rußland ruhig bleiben würde, unternehmen und durchführen
konnte, bei der Überzeugung verharrte, die Freundschaft der Zaren
sei für das Bestehen seines Werkes ebenso vorteilhaft, wie sie für das
Entstehen desselben notwendig gewesen war.
Das neue deutsche Reich hat viele Gegner, deren einige sich
unter gewissen, allerdings für sie selbst verhängnisvollen Folgen mit
Rußland gegen uns verbinden könnten, es hat aber auch gefährliche
Widersacher, welche gleichzeitig unversöhnliche Feinde Rußlands sind;
diese gemeinsamen Gegner wohnen im Vatikan und an der tausend
Kilometer langen russisch-preußischen Grenze.
Durch die zwar nie ausgeführte, aber erfolgreiche sogenannte
Alvenslebensche Konvention vom Jahre 1863* hat Herr von Bismarck
bei Beginn seiner Ministerschaft bewiesen, wie er über die gegen-
seitigen Beziehungen der beiden akatholischen Teilungsmächte denkt
und bis zum Schlüsse ist er dieser Auffassung treu geblieben; er hat
sie, leider mit großer Härte, durch die Massenausweisungen der rus-
sischen und galizischen Polen aus unseren östlichen Provinzen noch
in den letztvergangenen Jahren betätigt.
Durch diese und noch manche andere vom Fürsten Bismarck
gegebenen Proben seiner entschiedenen Abneigung gegen einen deutsch-
russischen Krieg war man hier, in neuester Zeit, in ein Sicherheits-
gefühl eingewiegt worden, aus welchem man jetzt ziemlich unsanft
aufgeweckt worden ist; man sieht sich plötzlich, isoliert in Europa,
einer neuen, nicht minder starken, aber weniger berechenbaren, da-
gegen jeden Augenblick schlagbereiten Kraft gegenüber; hierdurch ist
eine recht heilsame Furcht erzeugt worden, was nur nützlich wirken
kann, solange als kein Mißtrauen hinzutritt; Furcht ist wohl vereinbar
mit Vertrauen, ohne dieses muß sie früher oder später dahin führen,
daß man Sicherheit bei anderen sucht. Um den Effekt zu verstehen,
welchen die Kunde vom Sturze des Fürsten Bismarck Mitte März 1890
im Anitschkow-Palais hei-vorgebracht hat, muß man sich die Frage
* Gemeint ist die durch den General Gustav von Alvensleben am 8. Februar 1863
abgeschlossene Militärkonvention, durch die sich Preußen dem Zaren 2ur Unter-
drückung der polnischen Revolution zur Verfügung stellte. Vgl. Bismarcks Ge-
danken und Erinnerungen Bd. I, Kap. XV: Die Alvenslebensche Konvention.
373
vorlegen, welche Wirkung dieselbe Nachricht im Frühjahr 1888 in
Rußland gehabt haben würde, wenn der Reichskanzler wegen der Bat-
tenbergschen Angelegenheit zurückgetreten wäre*. Ich kann auf Grund
dessen, was ich nach jener traurigen Episode hier in Erfahrung ge-
bracht habe, versichern, daß am Hofe, in der Gesellschaft und im
Publikum die Freude über den Abgang des Fürsten Bismarck so über-
groß gewesen sein würde, daß die Battenbergsche Heirat gar nicht
beachtet worden wäre.
Warum bedauert man nun jetzt dasselbe Ereignis, welches man
vor zwei Jahren mit Jubel begrüßt haben würde? Meine Antwort auf
diese Frage ist: weil damals Deutschland durch den Rücktritt des
Kanzlers geschwächt worden wäre, und weil man heute in Petersburg
das Gegenteil glaubte
Der Kaiser Alexander ließ mich bald nach Empfang der Nach-
richt vom Abgange des Fürsten Bismarck zu sich bescheiden ; Seine Maje-
stät ließ dem großen Staatsmanne Gerechtigkeit widerfahren, indem
er sagte, Fürst Bismarck habe Rußland manchmal recht weh getan,
aber jetzt sei man doch zu richtigem Verständnis seiner Tätigkeit
beim Berliner Kongreß gekommen; auch habe er, der Zar, nament-
lich bei der letzten Unterredung in Berlin, das volle Vertrauen ge-
wonnen, daß der Fürst keine feindlichen Absichten hege**. Der Kaiser
ließ nicht undeutlich die Vermutung durchblicken, die deutsche Nation
würde ihrem Wunsche, daß der Fürst Bismarck im Amte bleibe, so
lauten Ausdruck verleihen, daß er bald wieder auf seinen Posten zu-
rückkehren würde*; ich erlaubte mir zu erwidern, daß so etwas bei uns
undenkbar sei; die Stimme des Volkes könne der Krone nicht ihre
Räte aufdrängen; daß der Fürst bei großen Entscheidungen zugezogen
werden würde, sei dagegen wahrscheinUch.
Der Kaiser kam dann auf die ihn beunruhigende Meldung^ zu
sprechen, wonach der Abgang des Fürsten nicht durch innere Fragen,
sondern durch eine Meinungsverschiedenheit über die Beziehungen
zu Rußland herbeigeführt worden wäre. Hierüber habe ich schon
ehrerbietigst berichtet***. Als hierauf Seine Majestät nochmals die Er-
wartung aussprach, daß in Berlin und überhaupt in Deutschland große
Erregung entstehen werde, gestattete ich mir zu entgegnen, daß ich
diese Erwartung nicht teile: ich hätte nämlich bei meiner letzten
Anwesenheit in Berlin trotz meiner Bewunderung und treuen Ver-
ehrung für den Fürsten die Überzeugung gewonnen, daß wir im
* Siehe Kap. XLII, Nr. 1331.
** Diese authentisch überlieferte Äußerung Kaiser Alexanders III. fällt schwer
ins Gewicht gegenüber den von Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler von Caprivi
im Sommer 18Q2, zur Zeit des schärfsten Konflikts mit Bismarck, vorgebrachten
gegenteiligen Äußerungen des russischen Kaisers. Vgl. Otto Hammann, Der neue
Kurs (1918), S. 22 f., 60 f.
*** Vgl. Bd. VII, Kap. XLIV.
374
Innern vor einem dead lock ständen 6; ich hätte demnach Ursache
anzunehmen, daß viele meiner Landsleute gleiche Anschauungen heg-
ten und, wenn auch mit tiefem Schmerze, sich sagten, daß es so wie
jetzt nicht mehr lange weitergehen konnte.
Der Kaiser Alexander entließ mich dann, wie schon früher ge-
meldet, mit dem Auftrage, ich möge unseren allergnädigsten Kaiser
und Herrn seines Vertrauens versichern, daß der Abgang des Reichs-
kanzlers weder an den persönlichen noch an den politischen Beziehungen
etwas ändern werde 7.
Auf Wunsch des Kaisers ist dann der Preßleitung die Weisung
erteilt worden, dafür zu sorgen, daß die Zeitungen nicht zu lebhaft
Partei für den Fürsten Bismarck ergreifen möchten.
Die Haltung der russischen Presse ist seitdem, abgesehen von
einigen Ausfällen des „Grashdanin", maßvoll gewesen und jedenfalls
anständiger als diejenige der deutschen freisinnigen und auch anderer
Blätter. Der Fürst hat den Russen manches Leid zugefügt, er hat eine
Tripelallianz gegen sie zustande gebracht, den Wert ihrer Papiere
und den Kurs ihres Rubels herabzudrücken gesucht und sie durch
vexatorische Maßregeln aufs äußerste gereizt, z. B. zur Zeit der Pest
von Wetljanka, aber es würde ihnen doch lieber gewesen sein, wenn
er im Amte geblieben wäre; sie wußten, daß er keinen Krieg wollte,
und daß er aus politischer Überzeugung taub blieb für die Klagen
der baltischen Deutschen, der Lutheraner und der Kolonisten 8. Viele
waren ihm auch wohl dankbar dafür, daß er sie durch seine Friedens-
liga vor ihren eigenen panslawistischen oder chauvinistischen Ver-
führern schützte.
Zum Schlüsse bleibt mir noch die Frage zu beantworten, mit
welcher die Berichterstattung aus anderen Hauptstädten wohl begonnen
haben dürfte, nämlich: welchen Eindruck hat der Kanzlerwechsel auf
den Minister der auswärtigen Angelegenheiten gemacht, und inwie-
fern kann er dessen Stellung stärken oder schwächen?
Die erste Empfindung des Herrn von Giers, als er die große Neuig-
keit erfuhr, läßt sich wohl am besten durch das „ouff!" ausdrücken,
welches der erste Napoleon, wie er einmal zu seinen Marschällen
sagte, von ihnen erwartete, wenn er auf der Höhe der Macht stürbe;
vom Fürsten ließ sich der russische Minister freilich vieles gern ge-
fallen, aber der Graf hat ihn manchmal gekränkt. Als im Frühjahr
1888 der Rücktritt des Reichskanzlers erwartet wurde, sagte Herr
von Giers: „J'espere que rien ne changera, excepte le ton"; dies war
auch jetzt seine Hoffnung; er Tiat sich aber doch bald der Wahr-
nehmung nicht verschließen können, daß auch außer dem Ton manches
anders geworden ist. „L'Empereur", so hat mir der Minister nun
schon mehrere Male gesagt, „regrette pourtant la demission du Princc
de Bismarck"; aber sowohl bei ihm, wie bei seinem Kaiserlichen Herni
ist der beste Wille ^ vorhanden, die guten Beziehungen zu pflegen
375
und womöglich noch besser zu gestalten; es fehlt auch nicht an Ver-
ständnis für die Kräftigung monarchischer Autorität, welche in den
neuesten Ereignissen unverkennbar hervortritt.
Die Stellung des Herrn von Giers fand allerdings im Fürsten
Bismarck eine feste Stütze, sowohl im Auslande, besonders in Wien,
als auch in Rußland; sie wird aber vorläufig durch seinen Abgang
nicht entkräftet, denn sie hängt doch einzig und allein von seinem
Kaiser ab, und mit diesem hat auch die fremde Diplomatie zu rechnen,
deren Alpha und Omega die richtige Behandlung Seiner Majestät ist.
V. Schweinitz
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms IL:
1 Hübsch ausgedrückt
' ich auch nicht, wenn sie es nur offen thun.
3 sehr bezeichnend aber richtig!
i !!
^ Schouvalow! wahrscheinlich auf Befehl!
^ ja
' gut.
* ich auch
ä er übertrage sich in die That!
376
Namenregister zu Band i— VI
Vorbemerkung. Das nachfolgende Namenverzeichnis zu Band I bis VI
führt sämtliche im Text der abgedruckten Schriftstücke, sowie in den Anmerkungen
genannten Persönlichkeiten aus den Jahren 1870—1890 auf. Es ist versucht worden,
auch die Stellung, die die genannten Persönlichkeiten jeweils eingenommen haben,
möglichst genau, jedoch unter Fortfall der überflüssigen Titulaturen, anzugeben.
Allerdings läßt sich die Zeitdauer des Verweilens der Botschaftssekretäre und
sonstigen jüngeren diplomatischen Beamten auf ihren rasch wechselnden Posten
oft nur annähernd feststellen, da lediglich die „Foreign Office List" und das „Jahr-
buch des K. u. K. Auswärtigen Dienstes" genaue Daten geben. In einer Anzahl
von Fällen begnügt sich das Register deshalb damit, das Jahr, in dem die be-
treffenden Persönlichkeiten vorkommen, in Klammern anzumerken.
Ein ausführliches Namen- und Sachverzeichnis wird am Schluß der ganzen Pu-
blikatio'i erfolgen. Auch ein nach Absendern und Empfängern geordnetes Inhalts-
verzeichnis, das nach ursprünglicher Absicht schon dem VI. Bande beigegeben
werden sollte, wird zweckmäßiger dem Schluß register vorbehalten bleiben.
Abd el Cadir, Emir.
III, S.406. 406 A.
Abdul Asis, türk. Sultan 1861/76.
II, S.S. 23. 332 A.
Abdul Hamid II., türk. Sultan 1876
bis 1909. .
II, S.47. 124. 125. 142. 163. 165. 177.
191. 192. 193. 195. 199. 294. 326.
328. 332 A. 344 A.
III, S.4. 5. 169 A. 264. 278. 295. 298.
300. 333. 350. 365. 373. 400. 435.
450.
IV, S. 25. 27 A. 28. 29. 34. 36. 37. 39.
43. 44. 107. 108. 111. 112. 117. 118.
118A. 119. 135. 142. 157. 158. 172.
187. 188. 194. 197. 267. 276. 281.
287. 288. 290 A. 291. 292. 293. 301.
327. 328. 336. 345. 346. 347. 349.
352. 354. 355. 356. 358. 360. 362.
364. 366. 369. 378. 382. 383. 385.
387.
V, S.4. 9. 13. 14. 15. 17. 18. 20. 87.
88. 164. 166. 167. 171. 173. 178.
201. 204. 205. 242.
VI, S.4A. 16. 45. 322. 325. 343. 360.
360 A.
Abdul Kerim Pascha, türk. Ober-
befehlshaber im Kriege gegen Ser-
bien 1876.
VI, S. 8.
Abdur Rahman Chan, Emir von Af-
ghanistan 1880/1901.
IV, S. 111. 112. 121.
Abeken, Heinrich, Vortragender Rat
im A.A. 1853/71.
I, S.63A. 79 A. 91 A.
Adalbert, Prinz von Preußen, Adrai-
ral und Oberbefehlshaber der deut-
schen Marine.
I, S. 205.
Adam, Juliette, deutschfeindliche franz.
Schriftstellerin.
VI, S. 130.
Adlerberg. Alexander Graf, russ. Ge-
neral und Minister des Kaiser-
lichen Hauses 1872/81.
III, S.49. 62. 63. 66. 296. 318. 319.
320. 323.
Adlerberg, Nikolaus Graf, Sekretär
bei der russ. Botschaft in London
(1885).
IV, S. 112.
Adolf, Herzog zu Nassau, Großherzog
von Luxemburg 1890/1905.
VI, S.349.
Ägypten
s. Ismail Pascha, Mehemed Tewfik.
Aehrenthal, Alois Freiherr von,
österr.-ung. Botschaftsrat in Pe-
tersburg 1888/94.
VI, S.339.
370
Afghanistan, s. Abdur Rahman.
A k s a k o w , Sergei, slawophiler russ. Pu-
blizist.
III, S. 376.
Albedyll, von, preuß. General, Chef
des preuß. Militärkabinetts 1872
bis 1888.
II, S. 330.
III, S. 48.
VI, S. 57. 59. 60. 61. 62.
Albert, König von Sachsen 1873/1902.
V, S. 147.
VI, S. 280.
Albert Eduard, Prinz von Wales,
s. Eduard.
Albertone, ital. Oberstleutnant, Vor-
stand der Zentralabteilung im
Kriegsministerium.
VI, S. 239.
Albrecht, Erzherzog von Österreich,
Feldmarschall, General-Inspektor
des k. u. k. Heeres.
I, S.205.
II, S.35.
III, S. 34. 39.
VI, S. 5. 11. 17. 55. 61. 344.
Aleko Pascha Vogorides, General-
gouverneur von Ostrumelien 1879
bis 1884.
111, S.353. 353 A. 368. 372 A.
V, S. 175. 177 A,
Alexander II., Kaiser von Rußland
1855/81.
I, S. 197. 198. 199. 200. 202. 203.
203 A. 205 A. 206. 206 A. 207. 241.
254 A. 266. 267. 273. 273 A. 279.
280. 282. 284. 296. 297. 312. 322.
II, S.5. 7. 8. 16 A. 32 A. 33. 34. 34 A.
35. 36. 37. 37 A. 38. 39. 40. 41. 42.
44. 44 A. 46. 49. 50. 51. 52. 53. 54.
55. 55 A. 56. 57. 58. 58 A. 59. 60.
61. 62. 63. 64. 65. 67. 68 A. 71. 72.
73. 74. 74 A. 75. 76. 77. 77 A. 78.
80 A. 82. 82 A. 83. 83 A. 84. 87. 89.
90. 91. 91 A. 92. 94. 95. 98. 99. 100.
102. 103. 105. 107. 109. 110. IIOA.
111. 114. 115. 125. 125 A. 126. 127.
129. 130. 131. 132. 133. 135. 139.
140. 141. 143. 144. 150 A. 158 A.
162 A. 164 A. 165. 169 A. 175. 176.
177. 179. 188. 191. 192. 195. 200.
209. 222. 227. 231. 232. 241. 242.
257. 261. 265. 266. 273. 296. 297.
307 A. 309. 322. 323. 324. 325.
326. 327. 328. 329. 332. 333, 336.
III, S.3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
13. 14. 16. 17. 17 A. 18. 18 A. 19.
20. 23 A. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 31.
32. 33. 34. 36. 39. 40. 41. 42. 44.
47. 48. 49. 50. 52. 53. 54. 55. 62.
63. 64. 65. 66. 68. 69. 70. 73. 74.
75. 78. 79. 81. 82. 84. 88. 89. 90.
96. 97. 98. 99. 104. 107. 109 A. 110.
111 A. 112. 113. 114. 115. 116. 118.
119. 120. 125. 128. 140. 142. 147.
150. 151. 152. 156. 157. 158. 162.
166. 166 A. 169. 174. 296. 296 A.
316. 318 A. 319. 320. 331. 342. 346.
347. 349 A.
IV, S.4. 5. 120 A. 122.
V, S.42. 52. 61. 71. 77. 98. 102. 110.
112. 115. 201. 264. 290. 300. 303.
307.
VI, S.30, 37. 99. 101. 115. 116. 196.
285, 312. 352. 354. 357.
Alexander III., Kaiser von Rußland
1881/94 (s. auch Alexander Alex-
androwitsch).
III, S. 166. 166 A. 167. 174. 175. 176.
204. 213. 286. 287. 288. 288 A. 289.
290. 292. 293. 296. 297. 302. 304.
305. 306. 307. 309. 311. 312. 313.
316. 317. 318. 318A. 319. 320. 321.
322. 323. 324, 326. 327. 328. 330.
331. 332. 333. 334. 339. 340. 341.
342. 347. 349. 351. 356. 357, 357 A.
358. 359. 360, 361, 362, 363. 364.
369. 369 A. 370. 371. 372, 373. 374.
375.
IV, S.41, 111. 112. 120. 120 A. 124.
135. 265, 287. 326, 339, 341. 375.
V, S. 8. 10. 13. 14. 15. 25. 37. 38. 41.
42. 44. 45. 46. 47. 48. 48 A. 50. 51.
52. 53. 54. 55. 57. 57A. 58. 58 A. 59.
60. 61. 62, 63. 64, 67, 68. 68 A, 69.
69 A. 70. 71. 72. 73 A. 74. 75. 76.
78. 79. 80. 81, 82. 83. 84. 87, 88.
89. 90. 91. 92. 93, 94, 100, 104,
105, 106, 107. 108, 109. 110. 111.
113, 114, 115, 116, 117, 118. 127.
132. 134. 135. 142. 144. 152, 158,
160. 161. 162. 163. 167. 168. 169.
170. 172. 173. 174. 175. 176. 178.
182. 188, 191, 194, 197. 203. 205.
206, 212, 213, 214 A, 215. 216. 219.
221. 222, 223, 224. 225. 226. 227.
228. 230, 231, 232. 233. 234, 236,
237. 238. 239, 240, 241, 242, 245.
249. 251. 252. 253, 255. 256. 257,
258. 259. 260, 261, 263. 265, 266.
380
267. 268. 282. 294. 295. 297. 298.
299. 300. 301. 302. 306. 308. 309.
310. 311. 312. 313. 313A. 314. 315.
317. 318. 318 A. 319. 320. 321.
322. 323. 323 A. 324. 324 A. 325 A.
326. 327. 328. 329. 331. 337. 340.
341. 342. 343. 344. 346. 347. 348.
349. 349 A.
VI, S.7. 8. 10. 10 A. 11. 13. 19. 20.
22.31.32.34. 35. 37. 38. 41.44. 45.
46. 48. 50. 76. 92. 96. 96 A. 97.
98. 99. 100. 101. 102. 104. 105. 106.
107. 108. 109. 109 A. 110. 111. 112.
114. 115. 116. 118. 120. 121. 121 A.
122. 123. 136. 176. 176 A. 180. 277.
278. 279. 280. 281. 283. 284. 285.
288. 289. 290. 291. 292. 293. 296.
297. 298. 301. 302. 308 A. 310.
311 A. 312. 313. 314. 319. 320. 322.
325. 326. 327. 328. 329. 330. 332.
332 A. 333. 335. 337. 338. 340. 342.
344. 345. 347. 349. 352. 353. 354.
354 A. 355. 359. 359 A. 360. 361.
362. 363. 365. 370. 371. 374. 374 A.
375.
Alexander, Prinz von Battenberg,
Fürst von Bulgarien 1879/86.
III, S. 295. 296. 296 A. 306. 341. 343.
344. 345. 345 A. 346. 347. 352. 356.
371.
IV, S. 140. 267. 292. 292 A. 326.
V, S. 3A. 8. 11. 14. 21. 24. 24 A. 25.
28. 30. 31. 32. 37. 38 A. 50. 53. 57.
58. 58 A. 59 A. 69. 87. 88. 157 A.
160. 161. 162. 162 A. 163. 164. 165.
194. 201. 212. 240. 247. 250. 254. 295.
VI, S.278. 281. 281 A. 282. 282 A. 283.
284. 285. 286. 287. 288. 289. 290.
290 A. 291. 292. 293. 294. 294 A.
305. 309 A. 329. 330. 343. 373.
Alexander, Prinz von Hessen, Vater
des Prinzen Alexander von Batten-
berg, nachmal. Fürsten von Bul-
garien.
II, S. 176. 178.
III, S.295. 296. 296 A.
VI, S.343.
Alexander Alexandrowitsch, Groß-
fürst-Thronfolger, nachmal. Kaiser
Alexander III.
III, S.U. 53. 150. 152. 158. 162. 165.
167.
Alexander Friedrich Konstantin, Her-
zog von Oldenburg, Oeneraladju-
tant Kaiser Alexanders III. von
Rußland.
V, S. 132. 167. 168.
Alexander Obrenowitsch, Kron-
prinz von Serbien, nachmal. König
Alexander I.
VI, S.315A.
Alexandra, Prinzessin von Wales, Ge-
mahlin des Prinzen Eduard von
Wales, geb. Prinzessin von Däne-
mark.
II, S. 330.
Alexis Alexandrowitsch, Großfürst,
Bruder Kaiser Alexanders III. von
Rußland.
V, S. 343.
VI, S. 99. 106.
Alfons XII., König von Spanien 1874
bis 1885.
III, S. 298.
VI, S.212.
Alfred, Herzog von Edinburg, zweiter
Sohn der Königin Viktoria von
Großbritannien und Irland.
II, S. 158. 158 A. 159.
-Mi Nizamy Pascha, türk. General.
III, S.403. 403 A.
IV, S. 25. 28.
Alvensleben, Freiherr von, erster
Botschaftssekretär in Petersburg
(1875).
II, S. 29 A. 58.
A m p t h i 1 1 , Lord, s. Russell, Odo.
Anderson, Henry Percy, Kolonialrefe-
rent im Foreign Office (1886).
IV. S. 155.
Andrassy, Julius Graf, österr.-ung.
Minister des Äußern 1871/79.
I, S. 197. 205. 239. 239 A. 256. 283.
284. 321.
II, S. 29A. 31 A. 32. 34 A. 35. 39. 45.
46. 47. 71. 94. 127. 129. 161. 169 A.
171 A. 173. 175. 176. 177. 180. 181.
182. 185. 185 A. 188. 189. 190. 191.
197. 198. 200. 201. 202. 203. 207.
217. 221. 223. 228. 236. 233. 254.
255. 256. 257. 260. 261. 263. 273.
274. 275. 294. 295. 296. 298. 300.
303. 311. 312. 313. 314. 315. 316.
318. 319. 332. 341. 342. 342 A. 343.
III, S. 4. 19. 20. 23. 23 A. 27. 30.
31. 32. 33. 34. 35. 36. 39. 40. 41.
46. 48. 50. 55. 56. 59. 60. 66. 67.
68 69. 70. 72. 73. 77. 81 A. 82 A.
84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92.
381
Q3. 94. 95. 96. 97. 99. 101. 103.
106. 107. 107 A. 108. 109. 111. 116.
119. 126. 128. 129. 130. 131. 165.
19Z 218. 226. 256. 266. 350. 354.
361.
IV, S. 3A. 122. 123.
V, S. 33. 37. 123. 123 A. 124. 130. 138.
146. 146 A, 147. 289.
VI, S.44. 45. 278. 357 A.
Angers, Bischof von, s. Freppel.
Appert, franz. General, Botschafter in
Petersburg 1883/86.
III, S.340. 357.
V, S. 326. 349.
VI, S.96. 96 A. 104. 114.
Apponyi, Albert Graf, ung. Abgeord-
neter.
V, S. 128. 129.
Apponyi, Rudolf Graf, österr.-ung.
Botschafter in London 1856/71.
II, S. 22.
Arabi Pascha, aufständischer ägypt.
General.
IV, S. 75.
Arapow, von, russ. Botschaftsrat in
Berlin (1879).
III, S. 7A. 8. 9. 12.
Arendt, Generalkonsul in Sansibar 1886
bis 1887.
IV, S. 166. 169. 169 A. 170. 171.
Arnim, Harry Graf von, Kommissar
bei den Friedensverhandlungen in
Frankfurt a. M. 1871, Gesandter,
dann Botschafter in Paris 1871
bis 1874.
I, S. 7A. 38. 44. 61. 66. 66 A. 67.
67 A. 74. 75. 75 A. 76 A. SO. 80 A.
81. 83 A. 86 A. 88. 89 A. 90. 90 A.
91. 95. 97. 101. 101 A. 105 A. 106.
106A. 108A. 111 A. 113A. 124A.
128. 138 A. 144. 153. 154. 154 A.
155 A. 156. 157. 157 A. 174 A. 179.
179 A. 180 A. 182. 183. 183 A. 185.
189 A. 226. 233. 233 A. 238 A.
III, S. 407.
Arthur Wilhelm, Herzog von Con-
naught, dritter Sohn der Königin
Viktoria von Großbritannien und
Irland.
II, S. 330.
Aube, franz. Admiral, Marineminister
in den Kabinetten Freycinet und
Goblet 1886/87.
VI, S. 158.
Auburn Herbert, engl. Arbeiter-
führer.
II, S. 199. 200.
Augusta, Deutsche Kaiserin und Kö-
nigin von Preußen, Gemahlin
Kaiser Wilhelms I., geb. Prin-
zessin von Sachsen-Weimar.
1, S. 163. 281.
II, S. 64. 104A.
VI, S. 51. 311.
Auguste Viktoria, Deutsche Kaise-
rin und Königin von Preußen, Ge-
mahlin Kaiser Wilhelms II., geb.
Prinzessin zu Schleswig-Holstein.
VI, S. 360 A.
Aumale, Henry Duc d'Orleans, Sohn
Louis Philipps.
I, S. 47. 114. 115. 116. 219.
III, S. 408.
d'Aunay, Comte, franz. Generalkonsul
und diplomatischer Agent in Kairo
1885/87.
IV, S. 156A. 157.
Bach von Hansberg, österr.-ung.
Oberst, Militärattache in Paris
(1886).
VI, S. 136.
Baden, s. Friedrich I.
Balan, Hermann von, Gesandter in
Brüssel 1868/74, stellv. Staats-
sekretär d. A. A. 1872/73.
I, S. 7A. 154.
Baranow, russ. General, Zivilgouver-
neur von Nischni-Nowgorod.
V, S. 294. 294 A, 295. 303. 305. 310.
VI, S. 113. 113 A. 320.
Bargasch ben Said, Sultan von San-
sibar 1870/88.
IV, S. 143A. 144. 146. 148. 151. 15Z
153. 154. 155. 155 A. 158. 165. 167.
168.
Barrere, Camille, franz. diplomatischer
Agent und Generalkonsul in Kairo
1883/85.
III, S. 427. 427 A. 433. 436. 447. 447 A.
448. 449.
Bartels, Konsul in Moskau (1884).
III, S. 376.
Barth.elemy-St. Hilaire, Jules,
franz. Minister des Äußern im Ka-
binett Ferry 1880/81.
III, S. 399. 400. 400 A. 401. 401 A.
402 A.
VI, S. 367.
382
Batbie, Anselm, franz. Unterrichts-
minister im Kabinett Broglie Mai
bis Nov. 1873.
I, S. 222. 223. 224. 224 A. 225.
Battenberg, s. Alexander, Julie.
Baude, Baron de, franz. Delegierter /ii
den Brüsseler Friedensverhand-
lungen 1871.
I, S. 7A. 8. 18.
Bayern, s. Ludwig I!., Luitpold.
Bazaine, franz. Marschall.
I, S. 115. 118A.
Beaconsfield, Earl of, (Benjamin Dis-
raeli), engl. Premierminister 1874
bis 1880, erster engl. Bevollmäch-
tigter zum Berliner Kongreß 1878.
II, S. 12. 31. 33. 83. 119 A. 121. 156.
200. 208. 211. 217. 244. 244 A. 249.
250. 251. 252. 257. 258. 277. 323.
330. 331. 332. 334. 335.
HI, S. 4. 8. 129.
IV, S. 3A. 4. 4A. 6. 7. 7A. 8. 9. 10.
11. 12. 13. 14. ISA. 16. 131. 280.
V, S. 41.
Beauharnais, Prinz Eugen, Herzog
von Leuchtenberg, Enkel des Kai-
sers Nikolaus I. von Rußland.
VI, S. 106. 106 A.
Beck, Freiherr von, österr.-ung. Feld-
marschalleutnant, Chef des Oc-
neralstabes (1887).
V, S. 327.
VI, S. 4. 5. 6. 11. 17. 26. 61. 61 A.
67. 69. 85.
Belgien, s. Leopold II., Maria, Gräfin
von Flandern, Philipp.
Belosselski, Fürst, Flügeladjutant
Kaiser Alexanders III.
V, S. 64.
Benedetti, Vincent Graf, franz. Bot-
schafter in Berlin 1864/70.
I, S. 325.
VI, S. 336.
Berchem, Max Graf von, erster Bot-
schaftssekretär in Petersburg 1875
bis 1878, in Wien 1878/83, Direk-
tor der handelspol. Abt. im A. A.
1885/86, Unterstaatssekretär 18Sü
bis 1890.
II, S. 36. 50. 73.
III, S. 280. 281.
IV, S. 406. 407.
V, S. 57 A.
VI, S. 92. 191 A. 193 A.
Berg, Friedrich Wilhelm Graf von,
russ, Feldmarschall.
I, S. 199. 20Z 203. 234.
Bertin.
I, S. 101. 104.
Bertole-Viale, Ettore, ital. Kriegs-
minister 1887/91.
VI, S. 235. 238. 253. 254. 257. 258. 259.
260.
Beust, A. Graf von, Botschaftsrat bei
der österr.-ung. Botschaft in Pe-
tersburg 1886/88, in Rom 1889/92.
VI, S. 30. 31. 272.
Beust, Friedrich Ferdinand Graf von,
österr.-ung. Minister des Äußern
und Reichskanzler 1867/71, Bot-
schafter in London 1871/78, in
Paris 1878/82.
I, S. 198. 256. 283. 284. 289. 319.
II, S. 88. 199. 210. 211. 216. 217. 223.
227. 228. 229. 230. 244. 294. 309.
III, S. 257.
Biegeleben, Freiherr von, österr.-ung.
diplomatischer Agent und General-
konsul in Sofia 1881/87, Botschafts-
rat in London 1887/89.
III, S. 343. 367.
IV, S. 381. 382.
V, S. 50.
Billot, franz. GeneraL
VI, S. 96A. 97. 104. 206. 206 A.
Bismarck, Herbert Graf von, Lega-
tionssekretär in wechselnder Stel-
lung seit 1876, zwischendurch viel-
fach als Hilfsarbeiter im A. A. und
zu besonderen Missionen verwandt,
Gesandter im Haag 1884, Unter-
staatssekretär im A. A. 1885, Staats-
sekretär 29. April 1886, verabschie-
det März 1890.
I, S. 319A.
II, S. 81 A.
III, S. 315 A. 320. 321. 427 A. 430. 431.
431 A. 435 A.
IV, S. 26 A. 30. 36 A. 37 A. 41 A. 45 A.
46 A. 47 A. 55. 63. 83 A. 94. lOOA.
153 A. 175 A. 176 A. 206 A. 229. 255.
256. 263 A. 340 A. 351 A. 389 A.
404 A. 406 A. 410. 411. 414. 417.
V, S. 10. 13A. 94. 103. 126A. 157.
157 A. 174. 177. 177 A. 183. 212 A.
245 A. 253. 256. 262. 262 A. 297.
VI, S. 26. 36. 37. 57. 64. 65. 73. 79.
80 81. 137 A. 145 A. 154 A. 155 A.
191 A. 206 A. 228 A. 236. 243. 244.
383
250. 255. 258. 269. 290. 311 A. 332 A.
334. 335. 336. 337. 338. 339. 346 A.
350. 361. 362 A. 375.
Bismarck, Otto Fürst von, Kanzler
des Norddeutschen Bundes 1867
bis 1871, Reichskanzler 1871/90,
verabschiedet 20. März 1890.
I, S. 3. 7. 7A. 8A. 9. 10. 16A. 28A.
29 A. 32 A. 35 A. 36 A. 38. 44. 48.
53 A. 60 A. 62 A. 63 A. 64 A. 67 A.
75 A. 79 A. 80 A. 83 A. 89 A. 91.
91 A. 95. 97 A. 102 A. 113 A. 124.
142 A. 155. 156. 156 A. 179 A. 186.
189 A. 191 A. 203 A. 208. 231.
253 A. 254 A. 266. 273. 273 A. 281 A.
283. 283 A. 284. 284 A. 286. 293 A.
294 A. 295 A. 305. 308 A. 309. 311.
31 6 A. 318. 319. 319 A. 324. 324 A.
325. 325 A. 327. 328.
II, S. 29. 29 A. 30. 31. 31 A. 32 A.
34 A. 39. 42. 43. 47 A. 48. 52. 53.
55 A. 58 A. 61. 61 A. 63. 66 A. 68.
68 A. 69 A. 73. 79. 80. 80 A. 81 A.
91 A. 99. 100. 104. 104 A. 105. 106.
107. 108. 109. 110. 121. 125. 134 A.
137. 138. 145. 146. 151. 160. 161,
164. 165. 171. 178. 180. 193. 194.
196. 196A. 207. 208. 209. 213. 216.
218. 219. 220. 221. 222. 223. 224.
225. 226. 231. 236. 238. 240. 245,
261. 264. 266. 266 A. 273. 280. 292.
297. 298. 307 A. 314. 315. 316. 320.
321 A. 323. 332. 334 A. 335. 343 A.
344.
III, S. 3. 7. 7A. 8. 13. 13 A. 15. 17 A.
18A. 22. 23 A. 36. 37. 38. 39 A. 45.
46. 46 A. 47. 48. 49. 50. 51. 62.
63. 74. 74 A. 75 A. 77. 81 A. 82 A.
96 A. 99. 101. 105. 106. 107 A.
111 A. 113 A. 114 A. 117. 118 A.
121. 126. 132. 133. 139. 139 A.
140. 147. 149 A. 155. 157. 158.162.
176. 183 A. 188. 189. 191. 205. 208.
209. 211. 212. 213. 217. 219. 220.
222. 224. 225. 231. 237. 238. 239.
240. 241. 241 A. 244. 251 A. 252.
265 A. 268 A. 276. 277. 278. 285.
285 A. 286. 292. 298 A. 302 A. 314.
315. 332. 334. 339. 340. 348A. 358A.
361. 363 A. 369 A. 373. 375. 381 A.
382. 383. 384. 387 A. 388. 388 A.
389. 389 A. 391. 393. 393 A. 394.
394 A. 395. 397 A. 398. 399. 400.
401. 401 A. 402. 402 A. 403 A. 404.
404 A, 405. 406. 409. 409 A. 415 A.
417 A. 422 A. 426 A. 431 A. 434.
435. 436. 437. 438. 439. 439 A. 440.
440 A. 441 A. 443. 443 A. 444 A.
447 A. 449. 449 A. 450. 451. 453 A.
IV, S. 3A. 4A. 5. 6. 7A. 9. 9A. 10.
11, 14 A. 17 A. 18 A. 21. 21 A. 22.
25. 26. 29. 30. 31. 33 A. 34. 35. 36,
36 A. 37. 37 A. 38. 39. 42. 43. 44.
45. 45 A. 46. 47. 48. 57 A. 62 A. 63.
64A. 65A. 70. 72A, 73. 76. 77A. 78.
79. 80. 86. 90. 91 A. 92 A. 93 A.
102 A. 106. 116. 131. 132. 137. 138.
139. 150. 156. 159. 159 A. 165. 166.
167. 168. 170. 175. 176A. 183.189.
192, 193. 194. 195. 199. 200. 201.
209. 223. 224. 225. 226. 227. 228.
229. 230. 231. 239. 240 A. 241. 247.
251. 252. 253. 257. 258. 263. 264.
268. 269. 270 A. 271. 273. 298 A.
299. 307. 321. 322. 335. 336. 340 A.
344. 345. 348. 349. 351 A. 353. 356.
357, 359. 360. 361. 362. 363. 365.
367. 376 A, 384. 386 A. 399. 400.
400 A. 404 A. 405. 406 A. 413. 415.
V, S. 7A. 37 A. 38 A. 42. 44. 55 A.
56 A. 57. 58 A. 59. 59 A. 60 A.
62 A. 67. 73. 73 A. 74. 75. 76. 77.
78. 78 A. 80. 81, 83. 85. 86. 90.
91, 92. 96. 97, 100. 102. 104.
105. 106. 107. 108. 109 A. 117A.
119 A. 123 A. 124. 125. 126 A. 129.
136. 137. 138. 139. 140. 144. 145.
146. 147. 148. 149. 149 A. 150 A.
151. 152. 153. 161. 163. 172. 173.
174 A. 177. 178. 182. 183. 186. 187.
192 A, 193 A. 203. 204. 205. 206.
211. 212. 213. 214. 214 A. 215 A.
216. 221. 227. 229 A. 230. 231. 239.
240. 244 A. 245 A. 246 A. 251. 259.
260. 261. 279 A, 280. 281 A. 282.
282 A. 284. 286 A. 293. 295. 303.
303 A. 304. 305. 318 A. 320. 325 A.
333. 334. 335. 342. 344. 345. 348.
VI, S.U. 12. 25 A. 27 A. 28. 29. 38.
38 A. 40. 48. 50. 56. 57. 58 A. 61,
62, 63. 64. 65 A. 69. 70. 77. 78. 81.
83. 86. 91 A. 92. 93. 94 A. 95. 98.
102. 103. 103 A. 112. 113. 134. 136.
136 A. 137. 138. 143. 144. 151.
151 A. 154 A. 155. 155 A. 156 A.
168. 168 A. 171. 172. 173. 174. 178.
179. 180. 181. 182 A. 183 A. 184 A.
191. 201. 202. 203. 208. 209. 215.
216 A. 219. 220. 220 A. 228. 228 A.
229. 234 A. 241. 243. 250. 268. 278.
384
279 A. 280. 280 A. 281. 282 A. 289.
294 A. 296. 297. 301 A. 304 A. 326.
331. 332. 332 A. 333. 333 A. 345 A.
346 A. 348. 353. 357 A. 359 A.
362 A. 363 A. 366. 367. 368. 369.
370. 371. 372. 373. 374. 374 A. 375.
376.
Bismarck, Wilhelm Graf von, Hilfs-
arbeiter in der Reichskanzlei 1879
und wieder 1881/84.
II, S. 81 A.
Bitter, preuß. Finanzminister 1879/82,
111, S. 105.
Blanc, Alberto Baron de, General-
sekretär im ital. Ministerium des
Äußern 1881/83, Botschafter in
Konstantinopel 1887/91.
III, S. 191. 192. 194. 195. 196. 199.202.
210. 211. 217.
IV, S. 346. 346 A. 347. 353. 357.
Bleich röder, von, Inhaber des Bank-
hauses Bleichröder &Co. in Berlin.
III, S. 433.
IV, S, 73. 78.
Bio Witz, Heinrich Opper, gen. von Bio-
witz, Korrespondent der „Times"
in Paris.
I, S. 278 A. 283 A.
IV, S. 27. 89. 92. 106.
VI, S. 94.
Boetticher, Heinrich von, Staatssekre-
tär des Reichsamts des Innern
1880/97.
V, S. 334.
Bogdano witsch, russ. General.
VI, S. 111. 111 A. 301. 301 A. 320.
Bojanowski, von, Generalkonsul in
Budapest (1886).
V, S. 123. 123 A. 124. 125. 126. 129.
Botkin, Professor an der Chirurg.
Akademie in Petersburg.
V, S. 72.
Boulanger, franz. General, Kriegsmini-
ster in den Kabinetten Freycinet
und Goblet 1886/87, Kommandeur
des 13. Armeekorps (Clermont)
1887/88.
IV, S. 302.
V, S. 54. 295. 310. 323.
VI, S. 91. 94. 109A. 110. IIOA. 111.
112. 113. 114. 118. 120. 123. 130.
131. 132. 133. 138. 139. 140. 141.
142. 143. 146. 147. 148. 149. 151.
153. 154. 156. 157 A. 158. 159.
160. 161. 162. 164. 168. 168 A. 169.
169 A. 170. 172. 174. 176. 176 A.
179. 186. 187. 189. 189 A. 190.
190 A. 191. 192. 192 A. 193. 193 A.
196. 197. 200. 203 A. 204. 205.
205 A. 206. 206 A. 215. 222. 284.
298. 306. 319. 335. 342.
Bratianu, Joan, rum. Ministerpräsi-
dent 1876/81 und 1881/88.
lll, S. 265. 265 A. 266. 267. 268. 269.
270. 271. 274. 275. 276. 279. 368.
Bray -Steinburg, Hippolyt Graf von,
Generalkonsul, später Gesandter
in Belgrad 1879/91.
V, S. 23. 24.
Bray-Steinburg, Otto Graf von,
bayrischer Ministerpräsident 1870
bis 1871.
I, S. 3.
Brazza, Peter Comte de, franz. Afrika-
forscher.
III, S. 425. 426.
Bright, John, engl. Handelsminister im
Kabinett Gladstone 1868/70, Kanz-
ler des Herzogtums Lancaster im
Kabinett Gladstone 1873/74 und
1880/82.
II, S. 12.
IV, S. 9.
Brin, Benedetto, ital. Marineminister
in den Kabinetten Deprctis und
Crispi 1884/91.
VI, S. 263. 264. 265. 269. 272.
Brincken, Freiherr von den, erster
Botschaftssekretär in London
(1879).
IV, S. 4.
Brisson, Eugene Henry, franz. Mini-
sterpräsident 1885/86.
III, S. 445A.
Broglie, Jacques Duc de, Vizepräsi-
dent des franz. Ministerkonscils
und Minister des Äußern 1873/74,
Ministerpräsident Mai bis Nov.
1877.
I, S. 192A. 194. 211. 212. 213. 214.
215. 216. 217. 219. 220. 221. 222.
223. 224. 323 A.
111, S. 386.
Bronsart von Schellendorf,
Paul, preuß. Kriegsminister 1883
bis 1889.
VI, S. 24. 56. 63. 143. 191.
25 Die Große Politik. 6. Bd.
385
Brück, Karl Freiherr von, österr.-ung.
Botschafter in Rom 1886/95.
IV, S. 351. 351 A. 352. 358. 359. 388.
VI, S. 238. 267. 269. 271. 272.
Brunnow, Baron von, russ. Botschaf-
ter in London 1868/74.
II, S. 9. 11. 12. 22.
Buchanan, Sir Andrew, engl. Bot-
schafter in Petersburg 1864/71, in
Wien 1871/78.
I, S. 283. 291.
II, S. 14.
Buch er, Lothar, Vortragender Rat im
A.A. 1864/86.
I, S. 89A.
IV, S. 4A.
Budberg, Baron von, russ. Botschafts-
sekretär in Berlin (1887),
V, S. 256.
Budde, Korrespondent der „Kölni-
schen Zeitung" in Paris.
I, S. 304.
Bülow, Adolf von, Militärattache in
Paris 1871/82.
I, S. 245. 253 A. 256. 267. 268. 315.
Bülow, Bernhard von, Sekretär bei der
Botschaft in Paris 1878/84, erster
Sekretär bei der Botschaft in
Petersburg 1884/88, Gesandter in
Bukarest 1888/94.
V, S. 55. 68 A. 119A. 212. 216. 217.
218. 225. 226. 305. 306. 346. 347.
348.
VI, S. 93. 107A. 349. 349 A.
Bülow, Bernhard Ernst von, Staats-
sekretär d. A. A. 1873/79.
I, S. 232 A. 253 A. 264. 275. 284 A.
295 A. 308 A. 316 A. 319 A.
II, S.29A, 34 A. 58 A. 61 A. 66A.68A.
69 A. 101 A. 104 A. 125. 126 A. 146 A.
161 A. 164 A. 171. 183. 184A. 185A.
231. 238. 307 A. 317.
III, S. 28. 36. 39. 45. 50. 53. 61. 65.
74A. 77. 105. 111 A. 121. 381 A.
392.
Bülow, Otto von. Vortragender Rat im
A.A. 1874/79, Gesandter in Bern
1882/92, häufig tätig als Rat im
Kaiserlichen Gefolge.
I, S. 150A. 154. 316 A. 327 A.
II, S. 61A. 62 A. 67. 68. 68 A.
III, S. 59. 60. 67. 72. 74. 84. 175. 277.
Büffet, Vizepräsident des Minister-
konseils und Minister des Innern
1875/76.
III, S. 386.
Bulgarien, s. Alexander, Ferdinand.
Bunge, russ. Finanzminister 1882/87.
V, S. 41. 46. 52. 73. 83.
Burg, von der, preuß. Oberst, Chef des
Stabes der Okkupationsarmee in
Frankreich (1872).
I, S. 110.
Burian, Stefan von, österr.-ung. diplo-
matischer Agent und Generalkonsul
in Sofia 1887/95.
VI, S. 4. 8. 321. 323. 339.
Busch, Klemens August, Unterstaats-
sekretär im A.A. 1881/85.
III, S. 300.
IV, S. 39.
Busch, Moritz, Publizist.
VI, S. 372.
Cadorna, Conte, ital. Botschafter in
London 1869/75.
II, S. 21.
Cairns, Lord, engl. Lordkanzler 1874
bis 1880.
II, S. 251.
Cairoli, Benedetto, ital. Ministerpräsi-
dent 1879/81.
III, S. 183 A. 184 A. 186. 188. 189. 190 A.
Calice, Heinrich Freiherr von, Sek-
tionschef im österr.-ung. Reichs-
ministerium des Äußern, zweiter
österr.-ung. Delegierter bei d^r
Konferenz der Großmächte in
Konstantinopel 1877, Botschafter
in Konstantinopel 1880/1906.
II, S. 128.
III, S. 333.
IV, S. 114. 118. 346. 346 A. 347. 353.
353 A. 357.
V, S. 4. 13 A. 15. 15 A. 18. 19. 148.
148 A. 149. 175. 201.
VI, S. 4. 8.
Cambridge, Herzog von, s. Georg.
Campbell, s. Stratheden.
Campenon, Jean Baptiste, franz. Ge-
neral, Kriegsminister in den Kabi-
netten Gambetta, Ferry und Bris-
son 1881/82, 1883/85, 1885/86.
III, S. 428.
VI, S. 128. 130.
Camphausen, Otto, preuß. Finanz-
minister 1869/78.
I, S. 128. 135.
386
Canclaiix, Comte de, erster Sekretär
bei der franz. Botschaft in Berlin
(1879).
III, S. 391.
Candiani, Conte, ital. Marineattache
in London (1889).
VI, S. 261. 262. 263. 264.
Candiano, mm. Hauptmann, Adjutant
König Karls I. von Rumänien.
III, S. 267.
Caprivi, Leo von, Graf (seit 18. Dez.
1891), preuß. General, Chef der
Admiralität 1883/88, Reichskanzler
seit 20. März 1890.
IV, S. 78.
VI, S. 367. 370. 374 A.
Carlos, Don, span. Thronprätendent.
I, S. 323.
Carnarvon, Henry Earl of, engl.
Staatssekretär der Kolonien im
Kabinett Beaconsfield 1874/78.
II, S. 199.
Carnot, Sadi, Präsident der franz.
Republik 1887/94.
VI, S. 121, 122.
Carp, Peter, rum. Gesandter in Wien
1883/87.
III, S. 270. 274. 275.
Cartuyvels, belg. Konsul in Sofia
(1887).
V, S. 350.
Casimir Perier, Auguste, franz. Mi-
nister des Innern 1871/72.
I, S. 114. 115. 116.
Cassagnac, Paul de, franz. Deputier-
ter und Journalist, Redakteur des
„Pays" und der „Autorite".
VI, S. 191.
Castelar, Emilio, früherer span. Mi-
nisterpräsident, Führer der Oppo-
sition in den Cortes (1886).
VI, S. 159. 159 A.
Catalani, erster Sekretär bei der ital.
Botschaft in London (1887).
III, S. 389.
Chambe riain, Joseph, engl. Handels-
minister im Kabinett Gladstone
1882/85.
III, S. 235. 238. 240.
IV, S. 75. 76. 83. 83 A. 84. 88. 102.
105. 275. 293. 337. 407. 408. 409.
410. 411. 412. 414. 415. 416. 417.
Chambord, Comte de, s. Heinrich V.
%Chanzy, Antoine, franz. General, Bot-
schafter in Petersburg 1879/81.
III, S. 11.
VI, S. 92. 92 A,
Charmes, Gebrüder, Redakteure des
„Journal des Debats".
III, 8. 437.
Chaudordy, Comte, Vertreter Frank-
reichs bei der Konferenz derGroß-
mächte in Konstantinopel 1877, Bot-
schafter in Petersburg 1881/82.
I, S. 311. 314.
II, S. 137.
VI, S. 367.
Chevreul, Michel Eugene, franz. Che-
miker.
VI, S. 139.
Chimay, Josef Fürst von Caraman-,
belg. Minister des Äußern 1884/92.
V, S. 350.
Chrestowitsch, s. Gabriel Pascha.
Christian IX., König von Dänemark
1863/1906.
IV, S. 121.
Christian, Prinz von Schleswig-Hol-
stein - Sonderburg -Augustenburg,
Gemahl der Prinzessin Helene von
Großbritannien u. Irland.
II, S. 330.
Christofle, franz. Deputierter, Di-
rektor des Credit foncier in Paris.
VI, S. 220. 221. 222.
Churchill, Lord Randolph, Mitglied
des Unterhauses seit 1884, Staats-
sekretär für Indien im Kabinett
Salisbury 1885/86, Kanzler der
Schatzkammer im zweiten Kabi-
nett Salisbury 1886.
IV, S. 120A. 121. 134. 134 A. 135. 136.
138. 139. 140. 141. 142. 150. 150A.
156. 156 A. 157. 158. 161. 163. 164.
269. 270. 270 A. 271. 272. 273. 274.
275. 277. 277 A. 278. 279. 279 A.
280. 281. 282. 283. 284. 285. 286.
287. 288. 289. 290. 291. 292. 293.
293 A. 320. 336.
V, S. 142.
VI, S. 154A. 155. 155 A.
Cialdini, ital. General, Botschafter in
Paris 1870/81.
III, S. 396.
Cissey-Courtet, de, franz. General,
Kriegsminister 1871/73 u. 1874,77.
I, S. 59. 115. 248. 249. 250. 251. 264.
265.
25»
387
Clemenceau, franz. Deputierter 1871
u. 1876/93, Führer der äußersten
Linken.
III, S. 317. 443 A.
VI, S. 108. 136. 136 A.
CIcmentine, Prinzessin von Koburg,
Witwe des Prinzen August von
Koburg, geb. Prinzessin von Bour-
bon-Orleans.
VI, S. 42.
Clercq, de, franz. Delegierter bei den
Friedensverhandlungen in Brüssel
1871.
I, S. 7A. 18. 20. 61. 75. 76 A,
Cluseret, franz. Kommunistenführer
1871.
I, S. 34 A.
Connaught, s. Arthur.
Corry, William Montagu, Privatsekre-
tär Lord Beaconsfields.
II, S. 335.
Corti, Conte, ital. Botschafter in Kon-
stantinopel 1875/85, Botschafter in
London 1885/88.
IV, S. 119. 297. 298. 299. 300. 303. 304.
305. 306. 307. 309. 310. 311. 312.
313. 314. 319. 321. 329. 361. 390.
V, S. 13A. 15. 15 A. 17. 18. 20.
Corvetto, ital. General, Unterstaats-
sekretär im Kriegsministerium
(1888).
VI, S. 257.
Cosenz, Chef des ital. Generalstabes
1881/92.
VI, S. 229. 239. 253. 257.
Costa, Conte, zweiter Sekretär bei der
ital Botschaft in Petersburg 1884
bis 1886.
III, S. 374.
Courcel, Alphonse Baron de, franz.
Botschafter in Berlin 1882/86.
III, S. 409. 409 A. 414. 415. 416. 417. 418.
419. 420. 421. 421 A. 422. 422 A. 423.
424. 425. 426. 427. 428. 429. 430.
431. 432A. 435. 436. 437. 438. 440.
440 A. 441. 442. 443 A. 444 A. 445.
446. 447. 447 A. 448. 449. 450. 453.
454.
VI, S. 129. 137 A. 156. 210. 367.
Cowper, Lord.
II, S. 330.
Crispi, Francesco, Mitglied der ital.
Deputiertenkammer seit 1861, Mi-
nister des Innern im Kabinett De-
pretis April bis August 1887, Mi-
nisterpräsident und Minister des
Äußern und Innern 1887/91.
IV, S.342. 342A. 350. 350A. 351. 351 A.
352. 353. 357. 359. 361. 362. 363
364. 388. 389. 390. 392.
V, S. 202. 315. 315 A. 316.
VI, S. 207. 208. 220 A. 228. 228 A. 229.
229 A. 230. 231. 234. 235. 236.238.
239. 241. 243. 244. 246. 251. 262.
263. 264. 265. 266. 267. 268. 269.
270. 271. 272. 273. 361. 367.
Croy, Prinzessin, Gemahlin des franz.
Militärattache in Berlin Prince
Polignac.
I, S. 281.
Cumberland, s. Ernst August.
Currie, Philip, Assistent Lord Salis-
burys auf dem Berliner Kongreß
1878, permanenter Unterstaats-
sekretär im Foreign Office 1889
bis 1894.
II, S. 335.
IV, S. 407.
Daher t, Bischof von Perigueux (1874).
I, S. 232. 233. 237 A.
Dabormida, ital. Oberstleutnant im
Generalstab 1887/88.
VI, S. 239. 247.
Dänemark, s. Christian IX., Luise,
Marie, Waldemar.
Damiani, Unterstaatssekretär im ital.
Ministerium des Äußern (1889).
VI, S. 273.
Danisch, Sektionschef im serb. Mini-
sterium des Äußern (1885).
V, S. 22.
Daudet, Erneste, franz. Schriftsteller.
1, S. 295 A.
III, S. 393.
Davoust d'Auerstaedt, franz. Ge-
neral.
VI, S. 130.
Deäk, Franz, ung. Staatsmann (gest.
1876).
V, S. 276.
Decazes, Duc de, Mitglied der franz.
Nationalversammlung 1871, Bot-
schafter in London 1873, Minister
des Äußern in den Kabinetten
Duc de Broglie und Dufaure 1873
bis 1877.
I, S. 225. 226. 229. 232. 236. 237.
238. 238 A. 241. 242. 258. 261. 262.
388
264. 265. 267. 268. 269. 270. 271.
276. 278. 278 A. 287. 287 A. 288.
295 A. 297. 308. 309. 311. 314. 316.
317. 318. 318 A. 319. 324 A. 325.
II, S. 33. 146. 160.
III, S. 392. 393.
VI, S. 147.
Dechend, von, Mitglied des Reichs-
bankdirektoriums (1887).
V, S. 335.
Decrais, franz. Botschafter in Wien
1886/93.
VI, S. 174.
Deines, von, Major, Militärattache in
Wien 1885/93.
VI, S. 26. 28. 29. 57. 61. 61 A. 63. 84.
251. 365.
Delbrück, Rudolf, preuß. Staatsmini-
ster 1868/76, Präsident des Kanz-
leramtes 1867/76.
I, S. 128. 132. 135. 142 A.
Deljanow, russ. Minister des öffentl.
Unterrichts 1884/89.
V, S. 299. 306. 308.
Denhardt, Gustav, Afrikareisender
(1886).
IV, S. 151.
Depretis, A., ital. Ministerpräsident
1876/78, 1878/79, 1881/86, 1887,
Minister des Innern im Kabinett
Cairoli (1881).
II, S. 213.
III, S. 189. 190 A. 204. 218.
Derby, Earl of, engl. Staatssekretär des
Äußern im Kabinett Beaconsfield
1874/78, Staatssekretär der Kolo-
nien im Kabinett Gladstone 1882
bis 1885.
I, S. 259. 260. 272. 273. 279. 281.
284. 285. 285 A. 286. 287. 289. 290.
291. 292. 295. 295 A. 296. 297. 298.
II, S. 12. 29. 31. 42. 71. 101. 108. 120.
121. 133. 134. 138. 139. 143 A. 144.
155. 157. 162. 162 A. 175. 194. 195.
198. 199. 208. 210. 211. 212. 213.
215. 217. 218. 219. 226. 227. 227 A.
228. 229. 231. 233. 234. 235. 236.
237. 238. 240. 241. 242. 243. 244.
244 A. 245. 249. 250. 251. 257. 258.
IV, S. 3A. 4A. 54. 57 A. 60. 61. 66. 68.
69. 70. 73. 85. 86. 87. 92. 101. 105.
108.
Derenthall, von, Generalkonsul in
Kairo (1885), Vertreter Deutsch-
lands bei der Suezkanal-Kommis-
sion in Paris 1885, preuß. Ge-
sandter in Weimar 1887/95.
III, S. 447. 447 A. 449. 450.
VI, S. 339 A.
Deroulede, Präsident der franz. Pa-
triotenliga.
III, S. 404 A. 451.
IV, S. 187. 193.
V, S. 294 A. 295. 300. 303. 305. 306.
310. 315. 322.
VI, S. 31. 92. 92A. 93. 113. 113A. 114.
128. 129. 130. 142. 144. 150. 150A.
151. 151 A. 161. 165. 215. 335.
Desprez, Direktorder politischen Ab-
teilung im franz. Ministerium des
Äußern (1878).
I, S. 237. 238.
Deutsches Reich, s. Augusta, Augu-
ste Viktoria, Friedrich III., Fried-
rich Wilhelm, Viktoria, Wilhelm I.,
Wilhelm, Prinz von Preußen, Wil-
helm, Deutscher Kronprinz, Wil-
helm II.
Dilke, Sir Charles, Parlaments-Unter-
staatssekretär im Foreign Office
1880/83.
III, S. 234. 235. 238. 239. 435 A. 436.
IV, S. 37A. 39. 39 A. 40. 41. 55. 88.
89. 90. 91. 102. 103. 104. 105.
Disraeli, Benjamin, s. Beaconsfield.
Dönhoff, Karl Graf von, preuß. Ge-
sandter in Dresden 1879/1906.
I, S. 69. 71,
III, S. 389 A.
VI, S. 21 6 A. 339 A.
Dolgoruki, Nikolaus Fürst, russ.
Oberst, erster MilitärbcvoUmäch-
tigter in Berlin 1879/84.
III, S. 133. 297. 317. 318.
V, S. 64. 300.
Dolgoruki, Sergei Fürst, Oberzere-
monienmeister am russ. Hofe.
III, S. 331.
Dollfus, elsässischer Protestler.
VI, S. 129.
Dondukow-Korssakow, Fürst,
russ. Generalgouverncur in Bul-
garien 1878/79, Oberbefehlshaber
im Kaukasus 1882/90.
III, S. 9. 11.
V, S. 14. 41.
Dragomirow, russ. General (1883).
VI, S. 128.
Drentcln, russ. Generalgouverneur
389
des Bezirks Kiew, Wolhynien und
Podolien (1884).
III, S. 373.
Drummond, s. Hay, Wolff.
Duclerc, franz. Ministerpräsident und
Minister des Äußern 1882/83.
III, S. 404 A. 403.
IV, S. 40. 42.
Dufaure, franz. Ministerpräsident 1877
bis 187Q.
III, S. 381 A. 386.
Dufferin, Frederick Earl of, engl.
Botscliafter in Petersburg 1879
bis 1881, Botschafter in Konstan-
tinopel 1881/84, Vizekönig von In-
dien 1884/88.
IV, S. 28. 39. 44. 83. 121. 123.
Dumont, franz. General.
VI, S. 130.
Dupanloup, Bischof von Orleans
(1874).
I, S. 237.
Durnow, s. Durnowo.
Durnovvo, Peter, russ. General, Prä-
sident des Slawenkomitees.
V, S. 133. 308.
Dyes, Bankier (1884).
IV, S. 78.
Edhem Pascha, türk. Großwesir 1877
bis 1878.
II, S. 163.
Edinburg, s. Alfred.
Eduard, Prinz von Wales, nachmal.
König Eduard VII.
I, S. 260.
II, S. 217. 330.
IV, S. 8. 9. 31. 84. 85. 91. 120. 121.
VI, S. 330. 331. 331 A. 332. 344. 344 A.
345. 371. 371 A.
Egerton, Edwin Henry, erster engl.
Botschaftssekretär in Paris (1886).
VI, S. 93. 94.
Eisendecher, von, preuß. Gesandter
in Karlsruhe 1884/1914.
VI, S. 339 A.
Eissenstein-Chotta, Ritter von,
österr.-ung. Botschaftsrat in Ber-
lin 1887/91.
IV, S. 353. 356. 357. 358. 359. 375.
Elisabeth, Kaiserin von Österreich,
Gemahlin Kaiser Franz Josephs I.,
geb. Prinzessin von Bayern.
VI, S. 311.
Elliot, Sir Henry, engl. Botschafter in
Konstantinopel 1867/78, zweiter
engl. Delegierter bei der Konfe-
renz der Großmächte in Konstan-
tinopel 1877, Botschafter in Wien
1878/84.
II, S. 12. 121. 125. 128. 134. 144A.
177. 185. 294.
Engelbrecht, von, Major, Militär-
attache in Rom 1882/95.
IV, S. 224, 225.
VI, S. 206. 257. 258. 260. 263. 264.
266.
England, s. Alexandra, Eduard, Ge-
org, Helene, Viktoria.
Er am Bey, türk. Generalkonsul in Ne-
apel (1886).
IV, S. 187.
E r h a r t , franz. Spion in Elsaß-Lothringen.
VI, S. 202 A.
Ernroth, russ. General, bulg. Kriegs-
minister 1880/81.
IV, S. 339. 349 A. 355 A.
V, S. 177A. 178. 179. 181. 182. 183.
184. 185. 187. 188. 189. 190. 191.
193. 197. 200. 202.
Ernst August, Herzog von Cumber-
land, Herzog zu Braunschweig u.
Lüneburg.
VI, S. 330. 331. 331 A.
Essad Pascha, türk. Botschafter in
Paris 1880/95.
IV, S. 118.
Eulen bürg, Botho Graf zu, preuß.
Minister des Innern 1878/81.
III, S. 105.
Fabinyi, ung. Justizminister 1886/89.
V, S. 124A.
Fabrice, Georg von, sächs. General,
Generalgouverneur der besetzten
franz. Gebiete und Vertreter des
Reichskanzlers 1871.
I, S. 7. 7A. 11. IIA. 13 A. 28 A.
31 A. 32 A. 34 A. 49 A. 50 A. 53 A.
Fade je w, Rostislaw, russ. General,
Panslawist.
III, S. 53.
Faidherbe, franz. General.
VI, S. 130.
Farre, franz. General, Kriegsminister
in den Kabinetten Freycinet und
Ferry 1880/82.
VI, S. 140.
390
Favre, Jules, franz. Minister des Äu-
ßern 1870/71.
I, S. 3. 7. 7A. 8. 10. 11. IIA. 12.
12 A. 13 A. 14. 15. 16. 17. 22. 28 A.
29. 30. 31. 31 A. 32. 32 A. 33. 34.
35. 35 A. 36. 36 A. 38. 44. 49. 49 A.
51. 52. 55. 56. 57. 60 A. 65 A.
Feoktistow, Direktorder russ. Ober-
preßverwaltung (1886/87).
V, S. 95. 294. 297. 298. 310. 315.
Ferdinand, Prinz von Sachsen-Ko-
burg-Gotha. seit 14. August 1887
Fürst von Bulgarien.
IV, S. 339 A. 349. 349 A.
V, S. 159A. 187. 187 A. 188. 189. 190.
190 A. 191. 192. 193. 200. 203. 204.
338. 338 A. 339. 340. 341. 343. 344.
346.
VI, S. 3A. 4. 45. 278. 317. 321. 322.
323. 336. 338. 339. 343. 348. 349.
350.
F e r g u s s o n , Sir James, Parlaments-
Unterstaatssekretär im Foreign
Office 1886/91.
IV, S. 395. 407.
Ferron, franz. General, Kriegsminister
im Kabinett Rouvier 1887.
VI, S. 206 A.
Ferry, Jules, franz. Ministerpräsident
1880/81 u. 1883/85.
III, S. 399 A. 409. 414. 417. 418. 419.
420. 421. 421 A. 422. 423. 430. 431.
431 A. 432. 433. 434. 435. 436. 437.
438. 439. 440. 441. 442. 443. 443 A.
445. 445 A. 447 A. 448.
V, S. 310.
VI, S. 129. 137. 177. 206 A. 213. 222.
Flandern, s. Maria, Philipp.
F 1 e m m i n g , Graf von, preuß. Gesandter
in Karlsruhe 1859/84.
I, S. 283 A.
Fleury, Emile Felix, franz. General,
Botschafter in Petersburg 1869/71.
I, S. 114.
F I o q u e t , Charles Thomas, franz. Depu-
tierter, Präsident der Deputierten-
kammer 1885 u. 1889/93, Minister-
präsident 1888/89.
III, S. 317. 402. 402 A.
VI, S. 220 A. 335.
Flourens, Emile, franz. Minister des
Äußern im Kabinett Rouvier 1887
bis 1888.
V, S. 301. 349. 349 A.
VI, S. 48. 116. 118. 122. 157. )57A.
169 A. 171 A. 173. 176. 176A. 182.
183. 183 A. 184. 187. 189. 190.
190 A. 192. 192 A. 193. 201. 202.
203. 205.
Foucault de Mondion, franz. Ge-
heimagent und Publizist.
V, S. 348. 349. 350.
FoucherdeClareil, Comte, franz.
Botschafter in Wien 1883/86.
III, S. 357.
VI, S. 367.
Foulon, Bischof von Nancy (1873/74).
I, S. 211. 212. 213. 216. 217. 221. 222.
223. 224. 224 A. 225. 227. 231. 241.
242.
Fournier, Hugues, franz. Botschafter
in Konstantinopel 1877/80.
III, S. 128.
Frankreich, s. Heinrich V., Napo-
leon III.
Franz II., Exkönig von Neapel (1872).
I, S. 201. 201 A.
Franz Joseph I., Kaiser von Öster-
reich und König von Ungarn 1848
bis 1916.
I, S. 197. 197 A. 198. 202. 203. 205.
206. 206 A. 207. 253 A. 256. 258.
283. 284.
II, S. 16A. 39. 55. 55 A. 63. 74. 74 A.
77 A. 82. 85. 89. 92. 97. 111. 113.
114. 115. 169 A. 177. 196. 241.273.
275. 319.
III, S. 23. 32. 33. 34. 41. 42. 43. 44.
56. 67. 69. 88. 89. 90. 92. 94. 95.
101. 102. 103. 107. 148. 152. 157.
159. 161. 165. 167. 169. 170. 171.
172. 173. 176. 195. 202. 216. 218.
221. 226. 229. 235. 245. 252. 253.
255. 258. 264. 276. 281. 282. 289.
291. 293. 298. 301. 309. 310. 311.
317. 318. 334. 347. 347 A. 348. 349.
350. 351. 352. 353. 354. 357. 359.
360. 361. 362. 363. 364. 369 A. 370.
371. 374.
IV, S. 122. 123. 183. 184A. 185. 196.
198. 203. 204. 210. 212. 214. 216.
217. 232. 237. 242. 244. 245. 246.
250. 251. 253. 254. 256. 257. 320.
325. 387. 418. 418 A.
V, S. 5. 7. 9. 10. 37. 44. 55 A. 59. 60.
67. 79. 82. 92. 114. 129. 130. 138.
149 A. 150. 151. 152. 153. 185. 192.
194. 195. 196. 197. 198. 228. 233.
234. 238. 241. 261. 262. 265. 266.
391
267. 268. 272. 273. 273 A. 276. 279.
280. 281. 283. 285. 286. 288. 289.
300.
VI, S.S. 10. 11. 13. 14. 15. 17. 19. 20.
21. 22. 23. 28. 29. 31. 34. 35. 38.
40. 47. 56. 57. 63. 68. 71. 72. 74.
75. 76. 77. 78. 85. 86. 134. 135.
155. 170. 171. 245. 277. 310 A. 322.
339. 344. 344 A. 345. 346. 347. 348.
349. 360. 360 A.
Fredericks, Baron, russ. General,
Militärattache in Paris (1886).
VI, 92 A.
Freppel, Bischof von Angers (1886).
VI, S. 162.
Freycinet, Charles de, franz. Minister
der öffentl. Arbeiten im Kabinett
Waddington 1879, Ministerpräsi-
dent und Minister des Äußern
1880, Minister des Äußern im Ka-
binett Brisson 1885/86, Minister-
präsident und Minister des Äu-
ßern 1886, Kriegsminister in den
Kabinetten Floquet 1888/89 und
Tirard 1889/90.
III, S. 128. 397 A. 398. 398 A. 445 A.
447. 447 A. 449. 450. 451 A. 453.
IV, S. 116. 157. 159. 190. 191. 194.
V, S. 44. 113. 119. 310.
VI, S. 93. 94. 94 A. 96. 97. 98. 101. 104.
105. 106. 107. 109. 137. 140. 144.
148. 152. 157 A. 160. 164. 169. 170.
204.
Freydorf, von, badischer Minister-
präsident 1871/76.
I, S. 283 A.
Friedrich I., Großherzog von Baden
1856/1907.
I, S. 3.
VI, S. 280.
Friedrich III., Deutscher Kaiser u.
König von Preußen (s. auch Fried-
rich Wilhelm, Kronprinz).
IV, S. 177A.
V, S. 162A.
VI, S. 216. 218. 219. 280. 280 A. 281.
281 A. 289. 291. 293. 294. 295. 296.
326. 328. 329. 330. 331. 331 A. 346A.
347.
Friedrich Franz IL, Großherzog von
Mecklenburg-Schvi^erin 1842/1883.
VI, S. 280.
Friedrich Karl, Prinz von Preußen,
Neffe Kaiser Wilhelms I.
VI, S. 331 A.
Friedrich Wilhelm, Kronprinz des
Deutschen Reiches, nachm. Kaiser
Friedrich III., s. d.
I, S. 308A. 316 A.
II, S. 323. 326. 329. 330. 330 A.
III, S. 36. 59. 60. 61. 70. 83. 88. 109.
111 A. 318. 358. 381. 382.
IV, S. 57. 58. 59. 182.316A. 367. 367A.
369. 377.
V, S. 51. 56. 56 A. 57. 57 A. 93. 152.
162 A. 301.
VI, S. 28. 99. 100. 116. 174.
Gabriac, Marquis de, franz. Geschäfts-
träger in Berlin 1871/73.
I, S. 60. 60 A. 61. 105. 106.
Gabriel Pascha Chrestowitsch, Gene-
ralgouverneur von Ostrumelien
(1884).
III, S. 368. 372.
Gallifet, Marquis de, franz. General.
VI, S. 107.
Gambetta, Leon, Minister des Innern
1870/71, Präsident der Deputier-
tenkammer 1879/81, Ministerpräsi-
dent 1881/82.
I, S. 14. 72. 114. 115. 116. 152. 157 A.
162. 234. 239. 239 A. 240. 262. 311.
III, S. 160. 191. 192. 192A. 201. 387.
387 A. 400. 402. 402 A. 403. 437.
IV, S. 27. 34. 40. 41.
VI, S. 107. 128. 197.
Garaschanin, Milutin, serb. Minister-
präsident und Minister des Äußern
1884/87.
V, S. 22. 23.
Garibaldi, Giuseppe.
III, S. 190. 191.
Gau t seh, Polizeikommissar (1887).
VI, S. 182A. 183A. 184. 184A. 185.
188.
Gavard, Chef des Sekretariats des
franz. Ministers des Äußern Duc
de Broglie 1873/74.
I, S. 212.
Geffcken, Heinrich, Rechtsgelehrter
und Publizist.
VI, S. 346A.
Georg L, König von Griechenland 1863
bis 1913.
IV, S. 19.
Georg, Herzog von Cambridge, engl.
Feldmarschall (1878).
IL S. 330.
392
Georg, Sohn des Prinzen Eduard von
Wales, nachmal. König Georg V.
VI, S. 371 A.
G i a c o n e , ru ss. Journalist.
V, S. 166. 317.
Giers, Nikolaus von, Gehilfe des russ.
Ministers des Äußern Fürsten
Gortschakow 1876/82, Minister des
Äußern 1882/95.
11, S. 297. 307. 308.
III, S. 9. 10. 11. 12. 18. 49. 54. 62. 63.
66. 69. 114. 143. 147. 149. 150.
155. 156. 162. 165. 169. 252. 285.
285 A. 286. 287. 288. 288 A. 289.
292. 295. 296. 297. 300. 302. 302 A.
303. 304. 305. 306. 307. 308. 311.
311 A. 312. 313. 314. 315. 316.
317. 318. 319. 320. 321. 322. 323.
324. 326. 327. 328. 329. 330. 331.
332. 334. 339. 340. 341. 350. 357.
358. 359. 360. 364. 365. 368. 369 A.
371. 372. 373. 375. 376.
IV, S.112. 114. 120. 265.
V, S.7. 7A. 10. 13. 14. 15. 25. 41. 42.
43. 44. 45. 46. 48. 49. 50. 51. 52.
53. 57. 60 A. 61. 61 A. 63. 64. 69.
70. 71. 72. 73. 75. 83. 84. 86. 91.
96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103.
104. 105. 106. 107. 108. 109. 110.
111. 113. 114. 115. 116. 119A. 131.
132. 133. 134. 135. 146. 148. 160.
161. 166. 167. 168. 169. 170. 174.
175. 177 A. 179. 180. 181. 183.
188. 189. 203. 204. 211. 212. 215 A.
216. 217. 218. 219. 220. 221. 222.
222 A. 223.224. 225.226. 227. 228.
2331 234. 236. 238. 240. 241. 242.
243. 244. 244 A. 249. 250. 251. 252.
255. 256. 257. 258. 261. 262. 263.
265. 293. 296. 297. 298. 299. 300.
301. 302. 303. 306. 307. 308. 312.
313. 314. 315. 316. 317. 320. 322.
326. 327. 328. 329. 332. 333. 340.
341. 342. 346. 347. 348. 349. 350.
VI, S. 6. 7. 8. 9. 14. 17. 18. 30. 31.
32. 37. 38. 46. 50. 97. 98. 104.
105. 106. 107. 108. 109. 110. 111.
115. 116. 117. 118. 122. 123. 177.
178. 278. 280. 281. 282. 289. 290.
291. 295. 296. 301. 302. 318. 320.
321. 322. 323. 324. 325. 326. 330.
335. 336. 337. 338. 348. 352. 355.
375.
Girardin, Emile de, franz. Publizist,
Chefredakteur der „France".
III, S. 392.
Gladstone, William, engl. Premier-
minister 1868/74, 1880/85, Januar
bis Juli 1886.
II, S. 12. 200.
III, S. 235. 239. 295. 369. 397. 433 A.
434. 436. 437.
IV, S. 9. ISA. 18. 19. 20. 31. 33. 33 A.
48. 54. 76. 85. 91. 102. 104. 104 A.
106. 120. 121. 122. 125. 131 A. 138.
139. 142. 143 A. 145. 175. 175 A.
263. 272. 287. 293. 355. 382. 416.
V, S. 45. 45 A.
VI, S. 177. 347. 358. 359.
Goblet, Rene, franz. Unterrichtsmini-
ster im Kabinett Brisson 1885/86,
Ministerpräsident 1886/87, Mini-
ster des Äußern im Kabinett Flo-
quet 1888/89.
VI, S. 157A. 158. 173. 190A. 192. 192A.
204. 21 5 A. 219 A.
Goiran, Ritter von, ital. Oberstleut-
nant, Chef der Militär-Transport-
Direktion (1888).
VI, S. 251. 252. 252 A. 259. 260.
Goltz, Karl August Graf von der,
erster Sekretär bei der Botschaft
in Wien (1886).
VI, S. 135A.
Goltz, Karl Friedrich Graf von der,
preuß. General, Generaladjutant
Kaiser Wilhelms I. (1879).
III, S. 116. 118.
Goltz, Kolmar Freiherr von der, preuß.
Oberst, in türk. Diensten 1883/95.
V, S. 182. 186.
Goluchowski, Agenor Graf von,
österr.-ung. Gesandter in Buka-
rest 1887/94.
VI, S. 349.
Gontard, de, franz. Delegierter zu
den Brüsseler Friedensverhand-
lungen 1871.
I, S. 7 A.
Gontaud-Biron, Vicomte de, franz.
Botschafter in Berlin 1873/77.
I, S. 105. 106A. 127. 179 A. 182.184.
185. 186. 189. 192 A. 219. 224.225.
226. 227. 228. 229. 230. 231. 232.
232 A. 233. 236. 237. 261. 264.267.
268. 269. 272 A. 275. 276. 277 A.
281. 287 A. 288. 294 A. 295 A. 316.
316 A. 317. 318. 318 A. 319. 320.
393
321. 322. 323. 324 A. 325. 325 A.
326. 326 A.
II, S. 104. 105.
III, S. 26. 381. 381 A.
Gorst, John, engl. Parlaments-Unter-
staatssekretär für Indien 1886/91.
IV, S. 409.
Qortschakow, Alexander Fürst, russ.
Reichskanzler 1870/82 und Minister
des Äußern 1856/82.
I, S. 111. 111 A. 199. 201. 202. 207.
208. 240. 273 A. 279. 280. 283.
283 A. 286. 291. 296. 297. 299. 300.
304.
II, S. 3. 10. 11. 12. 29 A. 30. 31 A.
32. 32A. 33. 34A. 35. 36. 39. 40. 41.
42. 43. 44. 46. 47. 48. 49. 50. 54.
56. 57. 58. 59. 60. 62. 63. 64. 65.
73. 74. 75. 80. 80 A. 81. 81 A. 84.
87. 89. 91. 92. 93. 94. 95. 100.
110. 120. 121. 123. 127. 128. 129.
130. 134 A. 150. 150 A. 151. 162 A.
169. 170. 173. 175. 176. 178. 179.
181. 182. 184. 184A. 185. 187.192.
194. 195. 196. 199. 207. 208. 209.
210. 213. 215. 217. 220. 221. 222.
223. 223 A. 224. 227. 228. 229. 230.
231. 232. 233. 234. 235. 236. 237.
238. 239. 240. 253. 259. 263. 264.
265. 266. 267. 271. 276. 278. 279.
298. 307. 308. 331. 332. 333.
III, S. 3. 5. 6. 9. 11. 17. 26. 28. 37.
38. 39. 48. 52. 62. 88. 139. 140.
142. 162. 285 A. 316. 319. 320. 411.
IV, S. 106.
V, S. 74. 77. 101. 103. 109. 111. 180.
235. 241. 275. 307.
VI, S. 147. 312. 357 A.
Qortschakow, Michael Fürst, Sohn
des Fürsten Alexander Qortscha-
kow, Legationsrat bei der russ.
Botschaft in Berlin (1872).
I, S. 107.
Qoschen, William, engl. Botschaf ter in
Konstantinopel 1880/81, Schatz-
kanzler im Kabinett Salisbury 1887
bis 1892.
IV, S. 24 A. 293. 293 A. 305. 327. 328.
359. 376. 382. 383. 384. 406. 407.
V, S. 177.
Goulard, de, Mitglied der franz. Na-
tionalversammlung (1871).
I, S. 38. 44.
Qoupil, Mitglied der franz. Patrioten-
liga.
VI, S.114.
Qrandlieu, de, franz. Journalist.
VI, S. 149.
Qranet, franz. Minister der Posten
und Telegraphen in den Kabi-
netten Freycinet und Qobletl886
bis 1887.
VI, S. 94.
Qranville, Qeorge Earl, engl. Staats-
sekretär des Äußern im Kabinett
Qladstone 1870/74 und 1880/85,
Staatssekretär der Kolonien 1886.
11, S. 9. 11. 12. 14. 17. 20. 20 A. 21.
22. 23.
III, S. 423 A. 436.
IV, S. 14. 14 A. 15. 15 A. 16. 26. 27.
28. 29. 30. 31. 36. 37 A. 38. 38 A.
39. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 46 A. 47.
49. 50. 51. 52. 54. 55. 57 A. 59.
60. 61. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69.
70. 71. 72. 72 A. 73. 74. 76. 83.
83 A. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91.
91 A. 92. 92 A. 93. 93 A. 94. 95.
95 A. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102.
102A. 103. 105. 107. 108. 121. 123.
124. 125. 143 A. 408.
Qrebert, franz. Spion in Elsaß-Loth-
ringen.
VI, S. 202 A.
Qreig, russ. Finanzminister 1878/80.
III, S. 41.
Qrekow, bulg. Vertreter bei der
Pforte (1886).
V, S. 158.
Qreppi, Qiuseppe Conte, ital. Bot-
schafter in Petersburg 1883/87.
VI, S. 106.
Qrevy, Präsident der franz. National-
versammlung 1871/73, Präsident
der Republik 1879/85, 1886/87.
I, S. 116.
III, S. 317. 389 A. 390. 409. 409 A.
VI, S. 30. 48. 93. 94. 97. 110 A. 158.
173. 176. 176 A. 186. 192 A. 196.
197. 198. 203. 204. 205. 205 A.
Griechenland, s. Qeorg I., Konstan-
tin, Olga, Sophie.
Qronert Qoercke, Journalist (1880).
III, S. 183. 183 A. 184 A. 186.
Großbritannien, s. Alexandra, Edu-
ard, Georg, Helene, Viktoria.
394
Gualterio, Marchese, ital. Marine-
attache in Berlin 1889/91.
VI, S. 269. 272. 273.
Ouibert, Erzbischof von Paris (1873).
I, S. 212. 213.
Guizot, Frangois, franz. Staatsmann
und Historiker (1873).
I, S. 163.
Gurko, russ. General, Generalgouver-
neur von Petersburg 1879/80, von
Warschau 1883/94.
III, S. 373. 375.
V, S. 54. 82.
VI, S.U. 119. 120.
Gurko, Mme., geb. Salias, Gemahlin
des russ. Generals.
VI, S. 120.
Guttenberg, Ritter von, österr.-ung.
Oberst, Chef des Eisenbahn-
bureaus (1888).
VI, S. 252 A.
Hamburger, von, Staatssekretär im
russ.Ministerium des Äußern (1878).
II, S. 308.
Hansemann, Adolf von, Direktor der
Diskontobank.
IV, S. 78.
Hansen, Jules, franz. diplomatischer
Agent.
V, S. 349A.
VI, S. 190A.
Hanson, Lord-Mayor von London
1886/87.
IV, S. 294. 294 A.
Harcourt, Marquis d', franz. Bot-
schafter in Wien 1873/75, in Lon-
don 1875/80.
I, S. 265.
II, S. 157.
Harcourt, Vicomte d', franz. Präsi-
dentschaftssekretär (1877).
II, S. 121.
Harcourt, Sir William, engl. Staats-
sekretär des Innern im Kabinett
Gladstone 1880/85, Schatzkanzler
1886.
IV, S. 48. 73. 74. 102.
Hardy, Gathorne, engl. Staatssekretär
des Krieges im Kabinett Beacons-
field 1874/80.
II, S. 252.
Hartington, Marquess of , engl. Staats-
sekretär für Indien im Kabinett
Gladstone 1880 81, Staatssekretär
des Krieges 1881/85.
III, S. 433. 434. 436.
IV, S. 86. 87. 91. 102. 105. 106. 293.
337. 382. 405. 408. 409. 410. 415.
417.
Hassan Fehmi Pascha, türk. Justiz-
minister 1884/85.
IV, S. 118. 118A. 119.
Hatzfeldt-Wildenburg, Paul Graf
von, Botschafter in Konstantinopci
1879/81, Staatssekretär d. A. A.
1881/85, Botschafter in London
1885/1901.
III, S. 149. 273. 302 A. 400. 403. 409A.
417 A. 422 A. 444 A.
IV, S. 22. 24. 24 A. 72 A. 126A. 136A.
137. 138. 147 A. 156. 156 A. 161.
162. 169. 169 A. 170. 176A. 263.
263 A. 270 A. 273. 274. 276. 289.
321 A. 323. 345. 348. 353. 356.
359. 361. 365. 365 A. 376. 376 A.
386 A. 387. 400 A. 406. 410. 413.
414. 415. 416. 417.
V, S. 177A. 186.
VI, S. 155A. 209 A. 282 A. 289A. 332A.
339 A. 356 A. 359 A.
Hauke, Julie Gräfin, s. Julie.
Hay, Sir John Drummond, engl. Ge-
sandter in Tanger (1880).
III, S. 397.
Haye, de la, franz. Oberstleutnant (1871).
I, S. 48.
Haymerle, Heinrich Freiherr von,
österr.-ung. Botschafter in Rom
1877/79, Bevollmächtigter auf dem
Berliner Kongreß 1878, Minister
des Äußern 1879/81.
II, S. 315.
III, S. 23. 30. 88. 91. 92. 119. 124. 127.
128. 130. 131. 134. 135. 142. 148.
149. 149A. 150. 151. 152. 153.154.
155. 156. 157. 158. 159. 160. 161.
162. 165. 166. 167. 169. 170. 171.
172. 173. 174. 175. 183. 183 A. 184.
184 A. 185. 186. 187. 189. 192 A.
193 A. 393. 395.
V, S.U. 32.
Heinrich, Prinz von Preußen, Bruder
Kaiser Wilhelms II.
VI, S. 331 A. 334. 335.
Heinrich V., Duc de Bourbon, Comte
de Chambord, franz. Kronpräten-
dent (1872).
I, S. 114.
395
Helene Pawlowna, Großfürstin, Gemah-
lin des Großfürsten Michael, geb.
Prinzessin Charlotte von Württem-
berg.
I, S. 81.
Helene, Prinzessin von Schleswig-
Holstein - Sonderburg - Augusten-
burg, Tochter der Königin Vikto-
ria von England, Gemahlin des
Prinzen Christian.
II, S. 330.
Henckel von Donnersmarc k.
Guido Graf.
I, S. 113. 113A. 116. 135.
Hengelmüller, Baron, österr.-ung.
Botschaftsrat in London (1886).
IV, S. 276. 277.
V, S. 45.
Hentsch, franz. Spion (1884).
VI, S. 190A.
Herbert, s. Auburn Herbert.
Herbette, Jules, franz. Botschafter in
Berlin 1886/96.
IV, S. 159. 159 A. 160. 162. 164. 187.
191. 193. 194. 195.
V, 325.
VI, S. 95. 137. 137 A. 144. 145. 145A.
151. 152. 168A. 169. 169 A. 171 A.
184. 185. 187. 188. 189. 191. 191 A.
192. 192 A. 193. 193 A. 194. 195.
196. 198. 199. 200. 210. 211. 212.
213. 214.
Hertslet, Sir Edward, engl. Sekretär
auf dem Berliner Kongreß 1878.
II, S. 335.
Herzog, Karl, Direktor der Abteilung
für Elsaß-Lothringen im Reichs-
kanzleramt (1871).
I, S. 89. 90.
Hessen-Darmstadt, s. Alexander,
Ludwig IV.
Heu duck, von, preuß. General, Chef
der Militärmission bei den franz.
Manövern 1884.
III, S. 428.
Hirsch, Baron, österr. Finanzmann, Er-
bauer der „Orientalischen Eisen-
bahnen" (1878).
II, S. 307.
Hirschfeld, von, erster Botschafts-
sekretär in Konstantinopel 1881/82.
IV, S. 36.
Hitrowo, russ. Generalkonsul in Sofia
1883/84, in Alexandria 1884/86, Ge-
sandter in Bukarest 1886/91.
III, S. 322. 350. 350 A.
V, S. 343. 348.
VI, S. 319. 325.
Hobart Pascha, engl Marineoffizier in
türk. Diensten (1878).
II, S. 294.
Hödel, Max.
II, S. 309A.
H o f m a n n , von, preuß. Minister für
Handel und Gewerbe (1879).
III, S. 105.
Hoffmann, Delegierter zu den Brüs-
seler Friedensverhandlungen 1871.
I, S. 18.
Hohenlohe -Schillingsfürst,
Chlodwig Fürst von, Botschafter
in Paris 1874/85, interimistischer
Leiter d. A. A. 1880, Statthalter in
Elsaß-Lothringen 1885/94.
I, S.242A. 247. 254A. 256. 261. 278A.
287A. 295A. 311A. 317. 323. 324A.
325 A.
II, S. 104A. 159. 160.
III, S. 68. 81. 81 A. 82 A. 88. 150. 171.
381 A. 387 A. 389. 391. 401 A. 402A.
403. 404. 404 A. 405. 405 A. 406 A.
409. 409 A. 413. 414. 417 A. 425.
426. 451. 451 A. 453 A.
IV, S. 3. 15 A. 16.
VI, S. 107. 137 A. 162. 216. 216A. 217.
H o i n i n g e n , gen. Huene, Freiherr
von, Hauptmann, Militärattache in
London (1885).
IV, S.127A.
Holmwood, engL Konsul in Sansibar
(1887).
IV, S. 165. 166. 167. 168. 169. 170. 171.
173.
Holstein, Friedrich von, Legations-
sekretär, zugeteilt dem General-
gouvernement in Frankreich (1871),
Kommissarischer Hilfsarbeiter im
A.A. 1876/77, Vortragender Rat
1880/1906.
I, S. 34A.
IV, S. 406.
V, S. 68A.
Hörn, Redakteur des „Journal de St.
Petersbourg".
III, S. 375.
V, S. 308.
Hornby, engL Admiral (1878).
II, S. 192A.
396
Horväth, Balthasar, iing. Politiker
(1886).
V, S. 123. 123 A.
Hoskins, engl. Admiral (1889).
VI, S. 271.
Hotchkiss, franz. Munitionsfabrikant
in Paris.
VI, S. 139.
Hoyos, Ladislaus Graf, österr.-ung.
Botschafter in Paris 1883/94.
III, S. 406 A.
Humberti., König von Italien 1878/1900.
III, S. 186. 191 A. 195. 198. 199. 201.
202. 203. 206. 207. 229. 235. 245.
IV, S. 182. 204. 217. 257. 258.
VI, S. 355.
Iddesleigh, Lord, s. Northcote.
Ignatiew, Graf, russ. General, Ge-
sandter und Botschafter in Kon-
stantinopel 1864/77, Delegierter
beim Abschluß des Londoner Pro-
tokolls 1877, Minister des Innern
1881/82.
II, S. 119A. 125. 127. 128. 130. 134.
134 A. 135. 136. 136 A. 137. 138.
139. 140. 141 A. 195. 204 A. 209.
221. 223. 223 A. 231. 232. 236. 238.
241. 241 A. 242. 243. 251. 252. 253.
254. 256. 257. 259. 260. 261. 262.
273. 274. 275. 295. 307. 309. 312.
313. 314. 319.
III, S. 9. 44. 316. 319. 368. 374.
IV, S. 120. 120A.
V, S. 166. 307. 343.
VI, S. 320.
Imbert, erster Sekretär bei der franz.
Botschaft in Konstantinopel (1885).
IV, S. 116.
Imeretinski, Alexander Fürst, russ.
General, Chef des Generalstabes
im russ.-türk. Krieg 1877/78.
III, S. 297.
Iränyi, ung. Politiker (1886).
V, S. 128. 129.
Ismail Pascha, Khedive von Ägypten
1863/79.
II, S. 147A. 149. 155.
IV, S. 87.
I s w o 1 s k i , Alexander, russ. außerordent-
licher Agent in Sofia (1886).
V, S, 49. 50.
Italien, s. Humbert I., Margaretha,
Viktor Emanuel II.
Jansen, franz. Spion (1885).
VI, S. 190A.
Jaur^s, franz. Vizeadmiral, Botschafter
in Madrid 1879/82.
III, S. 398.
Jolly, Julius, bad. Staatsminister und
Ministerpräsident 1868/76.
I, S. 3.
J o m i n i , Baron, Vortragender Rat,
später Mitglied des russ. Mini-
steriums des Äußern.
I, S. 295. 295 A. 296.
II, S. 308.
III, S. 44. 374.
V, S. 71. 104. 166. 170. 222. 317. 343.
VI, S. 315. 316. 317. 318. 319. 320.
Jones, Henry Michael, engl. General-
konsul in Philippopel (1887).
V, S. 174.
Jonin, russ. Agent und Generalkonsul
in Sofia 1883/84.
111, S. 350. 350 A. 366.
Julie, Prinzessin von Battenberg, geb.
Gräfin Hauke, Gemahlin des Prin-
zen Alexander von Hessen.
III, S. 296 A. 345 A.
VI, S. 344.
Kalla y, von, Sektionschef im österr.-
ung. Ministerium des Äußern 1879
bis 1881, Reichsfinanzminister 1882
bis 1903.
III, S. 30. 192. 287.
VI, S. 40.
Kälnoky, Gustav Graf, österr.-ung.
Gesandter in Kopenhagen 1874/79,
Botschafter in f^etersburg 1880/81,
Minister des Äußern 1881/95.
III, S. 153. 193. 193 A. 194. 195. 196.
197. 198. 199. 201. 202. 203. 204.
205. 209. 210. 211. 213. 215. 216.
217. 218. 219. 220. 221. 222. 223.
225. 226. 227. 228. 229. 231. 232.
233. 234. 239. 240. 241. 242. 243.
244. 245. 251 A. 252. 253. 254. 255.
256. 257. 258. 263. 264. 265. 267.
268 A. 269. 270. 271. 273. 274. 275.
276. 277. 278. 279. 280. 282. 289.
290. 291. 294. 297. 298. 298 A. 299.
301. 303. 305. 306. 307. 308. 309.
310. 311. 312. 313. 329. 330. 342.
343. 344. 346. 347. 348 A. 352. 356.
358. 360. 361. 362. 363 A. 364. 365.
366. 367. 368. 369. 369 A. 370. 371.
372. 375.
3Q7
IV, S. 114. 116. 117. 122. 123. 181. 182.
183. 184. 191. 193. 195. 196. 197.
198. 199. 200. 201. 202. 202 A, 203.
209. 210. 211. 212. 213. 214. 215.
216. 220. 221. 222. 224. 225. 226.
227. 228. 229. 230. 231. 232. 233.
234. 235. 236. 237. 238. 239. 240.
240 A. 241. 242. 243. 244. 245. 246.
248. 249. 250. 252. 253. 254. 255.
256. 257. 264. 265. 276. 277. 278.
282. 283. 289. 294. 315. 316. 319.
320. 321. 322. 324. 325. 326. 330.
347. 349. 350. 353. 355 A. 357. 358.
359. 360. 361. 373. 375. 376. 388.
V, S.3. 4. 6. 7. 10. 11. 12. 13. 20. 21.
24. 25. 25A. 26. 26A. 27. 28. 29. 30.
31. 32. 33. 35. 36. 37. 38. 38 A. 44.
45. 50. 55A. 59. 62A. 70. 70A. 72.
84. 118. 123. 125. 126. 127. 128.
129. 130. 131. 132. 134. 135. 136.
138. 139. 140. 141. 142. 143. 147.
148. 182. 183. 184. 185. 192. 192 A.
193. 194. 195. 197. 201. 202. 215 A.
216. 217. 218. 219. 236. 237. 238.
239. 259. 261. 262. 265. 271. 272.
273. 274. 277. 279 A. 280. 282. 283.
286. 287. 288. 327. 339. 341. 344.
VI, S. 3. 4. 7. 8. 9. 10. 13. 14. 16.
17. 18. 19. 22. 23. 24 A. 26. 40. 44.
45. 46. 47. 55 A. 67. 68. 69. 70. 71.
72. 73. 75. 76. 78. 82. 83. 84. 85.
86. 134. 170. 171. 172. 174. 180 A.
241. 242. 244. 245. 246. 253. 272.
277. 278. 301. 302. 303. 304. 305.
318. 318 A. 321. 322. 323. 338. 339.
343. 344. 345. 347. 351. 361. 363 A.
Kameke, von, preuß. General, stellv.
Kriegsminister 1873, Kriegsminister
1873/83.
I, S. 168. 295 A.
III, S. 105.
Kamp, Präsident der „Ligue de la de-
livrance d'Alsace-Lorraine" (1871).
I, S. 65.
Kantacuzen, Fürst, russ. General,
bulg. Kriegsminister 1884/85.
III, S. 316. 320. 321. 326. 330. 367 A.
Kantacuzenos, Fürst, russ. Bot-
schaftsrat in Wien (1887).
V, S. 202.
VI, S. 8.
Kantakazi, russ. Preß- und Finanz-
agent in Paris, früher im Mini-
sterium des Äußern.
II, S. 308.
V, S. 70. 348. 349 A.
Karageorgewitsch, serb. Dynastie.
V, S. 5. 11. 29. 63. 132.
Karawelow, Mitglied der bulg. Re-
gentschaft 1886.
V, S. 58A.
Karl I., König von Rumänien 1866/1914.
III, S. 263. 264. 265. 267. 270. 275. 276.
281. 282. 368.
V, S. 342.
VI, S. 344. 348. 349.
Karl I., König von Württemberg 1864
bis 1891.
I, S. 3.
Karl Alexander, Großherzog von
Sachsen-Weimar 1853/1901.
III, S. 157.
VI, S. 280.
Karl Ludwig, Erzherzog von Öster-
reich, Bruder Kaiser Franz Jo-
sephs I., General der Kavallerie.
V, S. 53.
VI, S. 345.
Kärolyi, Alois Graf, österr.-ung. Bot-
schafter in Berlin 1871/78, in Lon-
don 1878/88.
I, S. 273 A. 283. 317. 319. 320. 321.
II, S. 45. 119. 174. 175. 180. 203. 207.
221. 314.
III, S. 127. 128. 134.
IV, S. 14 A. 275. 276. 282. 283. 284.
285. 289. 299. 304. 319. 320. 321.
322. 323. 324. 325. 326. 327. 328.
347. 376. 381. 391. 392. 393.
Katkow, russ. panslawistischer Publi-
zist, Herausgeber der „Moskauer
Zeitung".
III, S. 296. 342. 349. 374. 377.
IV, S. 236.
V, S. 46. 47. 48. 50. 65. 67. 71. 73.
95. 116. 117. 119. 127. 151. 166.
167. 170. 221. 256. 257. 258. 261.
300. 308. 310. 316. 348.
VI, S. 7. 99. 111. 112. 115. 123.
Kaulbars, Alexander Baron von, russ.
General, bulg. Kriegsminister 1882
bis 1883.
III, S. 367 A.
Kaulbars, Nikolai Baron von, russ.
General, russ. Emissär in Bul-
garien 1886.
V, S. 69. 69 A. 70. 80. 81. 84. 87. 88.
398
89. 91. 132. 153. 157 A. 158. 159.
160. 168.
VI, S. 34.
Keller, Graf von, preuß. Oberstleut-
nant, Abteilungschef im Großen
Generalstab (1888).
VI, S. 74. 250.
Keudell, Robert von, Botschafter in
Rom 1876/83.
III, S. 183. 184. 187. 188. 189. 194. 195.
196. 198. 215. 216. 217. 220. 222.
369 A.
IV, S. 189A. 191. 193. 194. 195. 196.
199. 201.
Khevenhüller-Metsch, Graf von,
Ostern -ung. Gesandter in Belgrad
1881/86.
IV, S. 265.
V, S. 5. 22. 23. 24. 24 A. 25. 28. 29.
32. 70.
Kiamil Pascha, türk. Großwesir und
Präsident des Ministerkonseils
1885/91.
IV, S. 108. 115. 116.
V, S. 166.
Kiderlen-Waechter, von, erster
Botschaftssekretär in Konstanti-
nopel (1887).
V, S. 191.
Kimberley, John Earl of, engl. Staats-
sekretär der Kolonien im Kabinett
Gladstone 1880/82, Staatssekretär
für Indien im Kabinett Gladstone
1882/85, 1886.
IV, S. 66. 70. 125.
Kirk, Sir John, engl, diplomatischer
Agent und Generalkonsul in San-
sibar 1885/87.
IV, S. 144. 146. 147. 148. 166. 167. 169. 170.
Kitchener, engl. Oberstleutnant, Mit-
glied der Kommission zur Fest-
setzung der Grenzen des Sultanats
Sansibar 1885/86.
IV, S. 143 A. 146. 147. 166. 167.
Klein, Tobias, franz. Spion in Elsaß-
Lothringen (1887).
VI, S. 182A. 187. 202. 202 A.
Kiep seh, Oberst, österr.-ung. Militär-
attache in Petersburg (1887).
VI, S. 6. 9. 13. 18. 33. 74.
Koburg, s. Clementine, Ferdinand,
Leopoldine.
Koch, von, Mitglied des Reichsbank-
direktoriums.
V, S. 335.
Koloscyii, russ. Geschäftsträger in
Karlsruhe (1875).
I, S. 283 A.
Konstantin, Kronprinz, nachmal.
König von Griechenland, Gemahl
der Prinzessin Sophie von Preußen.
VI, S. 360 A.
Konstantin Nikolajewitsch, Großfürst,
Bruder Kaiser Alexanders II. von
Rußland.
II, S. 132. 133.
III, S. 18.
Kotschubcy, Helene Fürstin, russ.
Oberhof meisterin.
V, S. 64. 105. 228.
Kotzebu e, von, russ. Botschaftsrat in
Paris (1886).
VI, S. 99. 104.
Kraft, preuß. Wachtmeister (1871).
I, S. 101.
Krauel, Vortragender Rat im A. A.
1885/91.
IV, S. 152. 153. 154. 154A. 155. 155A.
156.
Krapotkin, Fürst, russ. Nihilist (1887).
VI, S. 96 A.
Kraszevvski, franz. Spion.
VI, S. 190A.
Krause, preuß. Oberst, Abteilungschef
im Großen Generalstab (1875).
I, S. 249.
Kreu tz, Gräfin.
VI, S. 33.
Kudriawsky, von, russ. Gesandter in
Madrid 1871/79.
1, S. 283.
Kumani, de, russ. Generalkonsul in
Paris (1878).
II, S. 307.
Kuropatkin, russ. General.
III, S. 297.
VI, S. 31.
Labouchere, Mitglied des engl. Unter-
hauses, Redakteur des „Trnth".
IV, S. 275. 395.
Laboulaye, Antoine de, franz. Bot-
schafter in Petersburg 1886/91.
V, S. 95. 221.
VI, S. 97. 104. 105. 107. 108. 122.
Lachmann, Geh. Sekretär im Chiffrier-
bureau d. A. A. (1885).
V, S. 30.
Laisant, franz. Deputierter (1888).
VI, S. 205.
399
Lamansky, russ. Professor, Panslawist.
VI, S. 7.
Lamezan, Freiherr von, Konsul in
Tiflis (1886).
V, S. 42.
Lamsdorff, Graf, Mitglied des russ.
Ministeriums des Äußern.
V, S. 108. 225. 258. 346.
VI, S. 50.
Langenau, Freiherr von, österr.-ung.
Botschafter in Petersburg 1871/80.
II, S. 169. 170. 172. 176. 177. 178. 228.
Lascelles, Frank Cavendish, engl, di-
plomatischer Agent und General-
konsul in Sofia 1879/87.
IV, S. 326.
V, S. 50.
Latour, s. Sallier.
Launay, Conte de, ital. Botschafter in
Berlin 1867/92.
I, S. 277. 278.
II, S. 213.
III, S. 186. 205. 206. 207. 208. 209. 210.
213. 222. 238. 389. 410. 411.
IV, S. 188. 189. 190. 191. 192. 193. 194.
201. 202. 203. 204. 208. 209. 210.
211. 212. 215. 216. 219. 220. 221.
223. 224. 226. 227. 231. 238. 240.
241. 246. 247. 247 A. 248. 249. 251.
252. 255. 256. 257. 258. 297. 299.
300.
V, S. 103. 174 A. 186.
VI, S. 243. 244. 254. 255. 258. 267. 269.
270. 271.
Layard, Sir Austin Henry, engl. Bot-
schafter in Konstantinopel 1877/81.
II, S. 144. 163. 164. 195. 244. 318.332.
336.
III, S. 130. 131. 131 A. 143. 144.
Leboeuf, franz. Marscliall (1887).
VI, S. 94. 204.
Lee, Privatsekretär Lord Beaconsfields
auf dem Berliner Kongreß 1878.
II, S. 335.
Lefebvre de Behaine, Comte de,
franz. Botschafter beim Päpst-
lichen Stuhle 1882/99.
VI, S. 105.
Le Fl 6, franz. General, Kriegsminister
Februar bis Mai 1871, Botschafter
in Petersburg 1871/79.
I, S. 111. 111 A. 266. 288. 297.
V, S. 326.
Le Maire, franz. Mitglied der Kom.
mission zur Festsetzung der Gren-
zen des Sultanats Sansibar 1886.
IV, S. 146. 146A. 147.
LeMaistre, preuß. Gesandter in Darm-
stadt 1886/87.
V, S. 161. 162.
Leo Xlll., Papst 1878/1903.
III, S. 194. 196. 197. 198. 199. 200.201.
212.
IV, S. 184A.
V, S. 10. 129.
VI, S. 40. 178 A. 179. 349.
Leonard, Cure in Eppingen in Loth-
ringen (1874).
I, S. 232.
Leonhardt, preuß. Justizminister 1867
bis 1879.
III, S. 105.
Leopold IL, König der Belgier 1865
bis 1909.
IV, S. 121.
V, S. 338A.
Leopoldine, Gemahlin des Prinzen
August von Koburg, Mutter des
Prinzen Ferdinand, nachmal. Für-
sten von Bulgarien.
V, S. 344. 345.
Lessar, russ. diplomatischer Agent für
Transkaspien, Mitglied der Grenz-
kommission für Afghanistan 1885.
IV, S. 121. 121 A.
Leuchtenberg, Herzog von, s.
Beauharnais.
Levysohn, Chefredakteur des „Ber-
liner Tageblattes".
V, S. 325A.
Lewal, franz. General.
VI, S. 130.
Lewis, amerik. Konsul in Sierra Leone
(1889).
IV, S. 408.
Leyden, Graf von, erster Botschafts-
sekretär in Paris (1887).
VI, S. 183A. 184 A. 187. 191 A.
Li Fong Pao, chines. Gesandter in
Berlin 1879/84.
III, S. 437. 444 A. 445.
Liegnitz, Fürstin von, geb. Gräfin
Harrach, zweite Gemahlin Fried-
rich Wilhelms III.
I, S. 205. 205 A.
400
Lignitz, von, Oberstleutnant, Militär-
attache in Petersburg (1884).
III, S. 317. 323. 324. 342.
Limburg-Stirum, Graf, Gesandter
z. D., interimistischer Leiter d.
A.A. 1880/81.
III, S. 173.
Lindau Rudolf, der Pariser Botschaft
attachiert für Preß- und Handels-
angelegenheiten 1871/78.
I, S. 236.
Lippert, Konsul in Kapstadt (1884).
IV, S. 62. 62 A. 70. 87.
Litcano, Varnaw, rum. Gesandter in
Berlin 1880/88.
III, S. 280.
L 1 1 1 a u e r , Schriftsetzer aus Breslau.
VI, S. 215. 21 5 A.
Lobanow-Rostowski, Fürst, russ.
Botschafter in Wien 1882/94.
II, S. 325. 332.
III, S. 10. 167. 290. 291. 300. 307. 308.
312. 313. 314. 321. 323. 330. 351.
360. 372. 373.
IV, S. 122.
V, S. 4. 6. 7. 10. 13. 24. 26. 72. 84.
127. 132. 158. 183. 184. 215. 21 5 A.
216. 258. 262 A. 263.
VI, S. 8. 34. 35. 36. 37. 38. 91. 172. 173.
Lockroy, Minister des Handels und
der Industrie in den Kabinetten
Fre3'cinet und Goblet 1886/87.
VI, S. 94. 150.
Loftus, Lord Augustus, engl. Bot-
schafter in Petersburg 1871/79.
I, S. 291. 296. 296 A. 297.
II, S. 83 A. 99. IIOA. 162A. 195. 217.
228. 230. 2J2. 308.
London, s. Hanson, Lord-Mayor.
Loris-Melikow, Graf, russ. General,
Minister des Innern 1880/81.
III, S.U.
VI, S. 41 A.
Lowe, Robert, Schatzkanzler im Kabi-
nett Gladstone 1868/74.
II, S. 12.
Lucius von Ballhausen, Freiherr, preuß.
Minister für Landwirtschaft, Do-
mänen und Forsten 1879/91.
I, S. 254 A.
III, S. 105.
Ludolf, Graf, österr.-ung. Botschafter
in Rom 1882/86.
III, S. 367.
Ludwig II., König von Bayern 1864/86.
I, S. 3.
VI, S. 347 A.
Ludwig IV., Großherzog von Hessen
1877,92.
VI, S. 281 A.
Lüderitz, Bremer Großkaufmann.
IV, S. 56 A. 57 A. 62 A. 70.
Luise, Königin von Dänemark, Gemah-
lin König Christians IX., geb. Prin-
zessin von Hessen-Kassel.
III, S. 321.
Luitpold, Prinz von Bayern, Prinz-
regent 1886/1912.
V, S. 117.
VI, S. 280.
Lumley, Sir John Savile, engL Bot-
schafter in Rom 1883/89.
IV, S. 83. 385.
Luxemburg, s. Adolf.
Lyons, Viscount, engl Botschafter in
Paris 1867/87.
I, S. 260. 2S1.
II, S. 211. 233. 251.
IV, S. 42. 47 A.
Mac Mahon, franz. Marschall, Präsi-
dent der Republik 1873/79.
I, S. 22. 115. 188A. 189A. 239. 239 A.
253 A. 258. 260. 265. 276. 305. 311.
316. 318. 320. 323.323A.324.324A.
326. 327. 328 A.
II, S. 157. 317.
III, S. 381A. 385 A. 386. 389. 389 A.
391. 407.
Maffei, Conte, Generalsekretär im itaL
Ministerium des Äußern 1878 81.
III, S. 183. 183 A. 184 A. 186. 189. 190.
Makow, russ. Minister des Innern 1880
bis 1881.
III, S. 12.
Malet, Sir Edward, engl. Generalkon-
sul in Kairo 1879/83, Botschafter
in Berlin 1884/95.
in, S. 448.
IV, S. 27. 82 A. 91 A. 92. 95. 105.
105 A. 123. 124. 133. 146. 151. 152.
158. 166. 274. 298. 300. 302. 303.
305. 310. 353. 356. 359. 366. 367.
374. 375. 384. 387.
V S. 177 A.
Vli S.102. 210. 289 A.
Malietoa, König von Samoa 1880/87,
1889/98.
IV, S. 151. 176 A. 177. 177 A.
26 Die QrotSe Politik. 6. Bd.
401
Mallinckrodt, Hermann von, Mit-
glied der Zentrumspartei des
Reichstags und des preuß. Ab-
geordnetenhauses.
I, S. 286.
Manassein, russ. Justizminister 1885
bis 1892.
V, S. 52. 73. 308.
M a n c i n i , ital. Minister des Äußern
1881/85.
III, S. 190A. 204. 211. 212. 220. 229.
233. 410. 411. 412. 413.
IV, S. 182. 197.
Manteuffel, Edwin Freiherr von,
preuß. Generalfeldmarschall, Chef
der Okkupationsarmee in Frank-
reich 1871/73, Statthalter in Elsaß-
Lothringen 1879/85.
I, S. 62A. 63 A. 74. 79 A. 102. 109.
165. 175. 185 A. 191. 191 A. 193.
240.
II, S. 4. 34 A. 40 A. 44 A. 45. 47. 47 A.
48. 49. 50. 53. 73. 74. 82.
III, S. 18. 18 A. 19. 22. 24. 25. 40. 41.
48. 51. 52. 54. 55. 60. 69. 84. 381 A.
Manteuffel, Otto Freiherr von, preuß.
Ministerpräsident 1850/58.
III, S. 67.
Margaretha, Königin von Italien, Ge-
mahlin König Humberts I.
III, S. 202.
Maria, Gräfin von Flandern, Gemahlin
des Grafen Philipp von Flandern.
V, S. 338. 339. 340. 341. 344. 345.
346. 347. 349.
Maria Alexandrowna, Gemahlin Alex-
anders II., geb. Prinzessin von
Hessen.
II, S. 178. 257.
III, S. 22. 62. 134. 296.
Maria Alexandrowna, Großfürstin, Ge-
mahlin des Herzogs Alfred von
Edinburg, Tochter Kaiser Alex-
anders II.
II, S. 158A.
IV, S. 120.
Maria Feodorowna, Kaiserin von Ruß-
land, Gemahlin Alexanders III.,
geb.Prinzessin Dagmar von Däne-
mark.
III, S. 316. 342. 359. 374.
V, S. 64. 69. 227. 314. 318. 323 A.
VI, S. 43. 49. 51. 99. 333. 333 A. 334.
Maria Nikolajewna, Großfürstin, Toch-
ter Kaiser Nicolaus' I.
VI, S. 106A.
Maria Pawlowna, Großfürstin, Gemah-
lin des Großfürsten Wladimir,
geb. Prinzessin von Mecklenburg-
Schwerin.
V, S. 327. 328.
VI, S. 353.
Marie, Prinzessin von Dänemark, Ge-
mahlin des Prinzen Waldemar,
geb. Prinzessin von Orleans.
V, S. 341.
Marselli, Generalsekretär im ital.
Kriegsministerium (1886).
VI, S. 226.
Mathelin, franz. General (1886).
VI, S. 92A.
Mavrocordato, griech. Gesandter in
Petersburg 1886/89.
VI, S. 18.
Mavrojeni, rum. Gesandter in Kon-
stantinopel 1882/86.
III, S. 268.
Maybach, Albert von, preuß. Minister
der öffentl. Arbeiten 1878/91.
III, S. 105.
VI, S. 42. 166.
Mayr, Freiherr von, österr.-ung. Ge-
sandter in Bukarest 1882/87.
III, S. 280.
M a z z i n i , Guiseppe, ital. Revolutionär,
Anhänger Garibaldis.
III, S. 197.
M e a d e , Robert, Unterstaatssekretär, Ge-
hilfe im engl. Colonial Office, As-
sistent Malets auf der westafri-
kanischen Konferenz in Berlin
1884.
IV, S. 105.
Mebes, Vortragender Rat im preuß.
Handelsministerium (1871).
I, S. 19.
Mecklenburg-Schwerin, s. Fried-
rich Franz II.
Mehemed Tewfik, Khedive von
Ägypten 1879/92.
III, S. 417. 435.
IV, S. 27. 39. 41. 42. 43. 46.
Meschtscherski, Fürst, Herausgeber
der russ. Wochenschrift „Grashda-
nin".
V, S. 343.
VI, S. 372.
402
Metternich, Richard Fürst von,
österr.-ung. Botschafter in Paris
1859/71.
III, S. 30.
Michael Nikolajewitsch, Großfürst, Bru-
der Alexanders II.
V, S. 75.
VI, S. 370.
Michael, serb. Exmetropolit (1884,
1886).
111, S. 366. 368.
V, S. 133.
Midhat Pascha, türk. Großwesir 1876
bis 1877.
11, S. 124. 125. 332. 332 A.
Milan Obrenowitsch 1., Fürst von Ser-
bien 1868/89 (seit 1882 König).
111. S. 355. 371.
V, S.S. 7. 9. 11. 12. 21. 24 A. 28.
31. 32. 36. 133. 215. 21 5 A.
VI, S. 31 5 A. 323. 336. 344. 349.
Militza, Prinzessin von Montenegro.
VI, S. 355 A.
Mil jutin, Graf, russ. Kriegsminister
1861/81.
11, S. 232. 266. 308.
111, S. 9. 11. 14. 17. 29. 44. 49. 50. 51.
62. 63. 64. 66. 69. 75. 79. 89. 95.
113. 125. 133. 159. 167. 296. 316.
317. 349.
Millet, franz. Gesandter in Belgrad
1885/89.
V, S. 22. 23. 24 A.
Mingrelien, Nikolaus Dadian, Fürst
von (1886).
V, S. 70. 70 A. 103. 158. 159. 160.185.
Miribel, franz. Generalstabschef (1881).
VI, S. 128.
Mohamed Es Sadok Pascha, Bey
von Tunis 1859/82.
111, S. 190A. 388. 400.
Mohamed Selim Effendi, ältester
Sohn des Sultans Abdul Hamid II.
(1887).
V, S. 242.
Mohrenheim, Arthur Baron von, russ.
Botschafter in London 1882/84, in
Paris 1884/98.
III, S. 316. 321. 323.
IV, S. 121.
V, S. 44. 263. 322.
VI, S. 28 A. 94. 96 A. 97. 98. 104. 107.
109A. 110. IIOA. 111. 118. 123.
295.
Moltke, Hellmuth Graf von, preuß.
Generalfeldmarschall, Chef des Ge-
neralstabes 1858/88.
1, S. 97A. 203. 203 A. 269. 285 A.
290. 293. 294 A. 295 A. 312. 316 A.
III, S. 75. 75 A. 79. 83. 97. 114. 115.
VI, S. 24. 24 A. 25. 25 A. 47. 55. 56.
57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 67.
73. 74. 191. 192 A. 229. 230. 231.
234. 235. 259. 260. 364. 365.
Montebello, Comte, franz. Botschaf-
ter in Konstantinopel 1886/91.
IV, S. 276.
Montenegro, s. Militza, Nikolaus,
Zorka Ljubitza.
Monts, Graf, erster Sekretär bei der
Botschaft in Wien 1886/90.
IV, S. 365.
Morier, Sir Robert, engl. Botschafter
in Petersburg 1884/93.
V, S. 174. 313.
Moulin, zweiter franz. Militärattache
in Petersburg (1887).
VI, S. 119.
Mouy, Comte de, franz. Botschafter in
Rom 1886/88.
IV, S. 190. 193.
Münster, Georg Herbert Graf zu,
Botschafter in London 1873/85, in
Paris 1885/1900.
1, S. 272. 278 A. 285 A. 287 A. 294 A.
295 A. 318. 318 A. 319. 320. 321.
II, S. 66 A. 81. 81 A. 100 A. 105 A. 139.
145. 146. 149. 150. 153 A. 161. 176.
192. 194. 240. 244. 264. 265. 271.
313. 314. 321. 321 A. 322. 325.
III, S. 415. 415A. 423A. 441. 441 A.
442. 453 A.
IV, S. 3A. 4. 7A. 8A. 12A. 14A. 17 A.
24 A. 27. 42. 58. 62 A. 63 A. 64 A.
65 A. 67. 71. 72. 72 A. 77 A. 80.
91 A. 92A. 93 A. 96A. 133. 136A.
156 A.
VI, S. 91A. 105. 106. 108. HO. IIOA.
137. 163. 166 A. 168 A. 176 A. 190.
191 A. 192A. 200 A. 201. 205 A.
215. 215 A. 219 A.
Muh i eddin, Emir, Sohn des Emirs
Abd el Cadir (1883).
III, S. 406 A.
Munir Pascha, türk. Minister des In-
nern 1885/91.
IV, S. 347.
26*
403
Murad V., türk. Sultan Mai bis August
1876.
II, S. 332. 332 A.
Murawiew, Michael Graf, russ. Bot-
schaftsrat in Berlin 1884/Q3.
IV, S. 114. 116.
V, S. 55. 65. 66. 67. 2Q3. 2Q4. 295.
296. 297. 310. 346.
Musurus Pascha, türk. Botschafter in
London 1856/85.
II, S. 20. 21. 22. 144. 269.
Mutkurovv, Mitglied der Regentschaft
des Fürstentums Bulgarien 1886
bis 1887.
V, S. 58 A. 166. 167. 174. 178.179.184.
N'achtigal, Gustav, Generalkonsul in
Tunis 1883/85, Kommissar für
Westafrika (1884).
III, S. 425. 432.
IV, S. 78. 79.
Namyk Pascha, türk. General (1878).
II, S. 171A.
Nancy, s. Foulon, Bischof von.
Napoleon III., Kaiser der Franzosen
1852/70.
I, S. 11. 14. 53. 109 A. 114. 115.312.
II, S. 16 A.
III, S. 57. 197. 428.
V, S. 229.
VI, S. 101. 102. 103. 103 A. 216 A. 358.
Nassr ed-din, Schah von Persien
1848/96.
II, S. 328.
Natalie, Königin von Serbien, Gemah-
lin König Milans.
V, S. 133.
VI, S. 315A. 323. 336.
Natschewitsch, bulg. Minister des
Äußern (1886).
V, S. 88. 341. 350.
Neapel, s. Franz II.
Nekliudow, Vizegouverneur von
Nischni-Nowgorod (1887).
V, S. 294. 294 A. 295. 297. 298. 310.
311. 315.
Nelidow, von, russ. Botschafter in
Konstantinopel 1883/97.
II, S. 204A.
III. S. 288. 299. 322. 368.
IV, S. 115. 116.
V, S. 4. 13 A. 15. 16. 17. 18. 19. 20.
158. 166. 167, 171.
VI, S. 4. 8.
Nieter, Leiter des belg. Bureaus der
ausländischen Presse in Brüssel
(1890).
V, S. 349.
Nigra, Conte, ital. Botschafter in Lon-
don 1883/85, in Wien 1885/1904.
IV, S. 121. 191. 197. 232. 320. 350.389.
V, S. 202.
VI, S. 265. 266. 267. 269. 271. 272. 273.
Nikolaus I. (Nikita), Fürst von Mon-
tenegro 1860/1919.
II, S. 257. 296.
V, S. 31. 36.
VI, S. 344. 344 A. 354. 354 A. 355.
Nikolaus Alexandrowitsch, Großfürst-
Thronfolger von Rußland, Sohn
Alexanders III., nachmal. Kaiser
Nikolaus II.
III, S. 339 A. 342.
IV, S. 41.
VI, S. 288.
Nikolaus Michailowitsch, Großfürst,
Sohn des Großfürsten Michael
Nikolajewitsch.
V, S. 303. 305. 305 A. 306.
VI, S. 116. 116A. 117.
Nikolaus Nikolajewitsch, Großfürst,
Bruder Alexanders II.
II, S. 45. 48. 50. 51. 52. 151. 152. 171.
171 A. 172. 176. 178.
V, S. 349 A.
Niox, franz. Oberst.
VI, S. 130.
Noailles, Marquis de, franz. Bot-
schafter in Konstantinopel 1882
bis 1886.
IV, S. 118.
V, S. 13 A. 15. 16. 17. 20.
Nobiling.
II, S. 330 A.
Northcote, Sir Stafford Henry, seit
1885 Lord Iddesleigh, engl. Schatz-
kanzler im Kabinett Beaconsfield
1874/80, Staatssekretär des Äußern
im zweiten Kabinett Salisbury 1886
bis 1887.
II, S. 219. 238.
IV, S. 149. 149 A. 150. 151. 152. 153 A.
154. 157. 158. 159. 160. 161. 163.
164. 165. 274. 275. 277. 285. 289.
V, S. 171.
Nothomb, Baron de, belg. Gesandter
in Berlin 1845/81.
I, S. 295A.
404
Notowitsch, russ. Journalist, Heraus-
geber der „Nowosti" (1886).
V, S. 95.
Nowikow, von, russ. Botschafter in
Wien 1870/80.
II, S. 82. 111. 169. 172. 177. 185. 192.
196. 197. 197 A. 200. 201. 202. 203.
242. 253. 257. 297. 303. 332.
III, S. 9.
Nubar Pascha, ägypt. Minister des
Äußern 1866/74, 1875/76, 1878.
II, S. 147. 147 A. 148. 149. 155. 156.
157.
Oberhoffer, preuß. Oberst, Abtei-
lungschef im Großen General-
stab (1888).
VI, S. 260.
Obolenski, Fürst, Kanzleidirektor im
russ. Ministerium des Äußern 1887
bis 1890.
V, S. 258. 349 A.
Obrenowitsch, s. Alexander, Milan I.
Obrutschew, russ. General, Chef des
Generalstabes 1881/98.
III, S. 141. 141 A. 297. 311. 319. 323.
V, S. 82. 120. 307.
VI, S. 31. 32. 94 A. 106. 107. 109. 119.
352. 353.
Obrutschew, Mme geb. Milot, Ge-
mahlin des russ. Generalstabschefs.
VI, S. 94. 119. 120.
Odian Ef feudi, Unterstaatssekretär im
türk. Ministerium der öffentl. Ar-
beiten (1877).
II, S. 133. 134.
Österreich, s. Albrecht, Elisabeth,
Franz Joseph I., Karl Ludwig,
Rudolf.
Okunew, russ. Botschaftsrat in Paris
(1871).
I, S.U.
Oldenburg, s. Alexander.
Olga, Königin von Griechenland, Ge-
mahlin König Georgs I., Tochter
des russ. Großfürsten Konstantin
Nikolajewitsch.
III, S. 265.
Onou, russ. Botschaftsrat in Konstan-
tinopel (1879).
III. S. 87.
Ordega, franz. Gesandter in Tanger
1881/84.
III, S. 410.
Orleans, s. Aumale, Dupanloup, Bi-
schof von, Philipp.
Orlow, Nikolai Fürst, russ. Botschaf-
ter in Paris 1872/84, in Berlin
1884/85.
I, S. 299. 314.
II, S. 130.
III, S. 9. 54. 93. 297. 318. 318 A. 322.
323. 323 A. 324. 327. 334. 376.
Ormesson, Comte d', franz. Botschafts-
rat in Petersburg 1886/92.
VI, S. 99. 104.
Ostrowski, russ. Minister der Do-
mänen 1881/93.
V, S. 52. 306. 308.
Oubril, Paul von, russ. Botschafter in
Berlin 1871/80, in Wien 1880/82.
I, S. 107.
II, S. 29A. 32 A. 35, 36. 47. 48. 49.
50. 51. 52. 58 A. 73. 95. 105. 119.
125. 127. 131. 162 A. 176. 177. 178.
179. 181. 187. 188. 189. 191. 192.
193. 194. 195. 196. 197. 202. 209.
213. 214. 223. 224. 232. 233. 241.
273. 278. 279. 294. 295. 296. 297.
312. 322. 323. 333.
III, S. 3. 149. 156. 158.
VI, S. 357 A.
Paget, Sir Augustus, engl. Botschafter
in Wien 1884/93.
IV, S. 116. 117. 277. 277 A. 278. 293.
294. 319. 347. 350. 355. 385.
VI, S. 345.
Pallain, Direktor im franz. Finanz-
ministerium (1884).
III, S. 437.
Panwitz, von, preuß. Major, Adjutant
des Kronprinzen Friedrich Wilhelm
(1878).
II, S. 329. 330.
Paris, s. Philipp, Guibert, Erzbischof
von.
Pa Sit seh, serb. Politiker (1884).
III, S. 366.
Patrimonio, franz. Generalkonsul,
Mitglied der Kommission zur Fest-
setzung der Grenzen des Sulta-
nats Sansibar 1885/86.
IV, S.143A.
P e r i e r , s. Casimir Parier.
P^rigueux, s. Dabert, Bischof von.
Persiani, russ. Gesandter in Belgrad
1878/95.
405
V, S. 22. 23. 134.
VI, S. 323.
Persien, s. Nassr ed-din.
PeterKarageorgewitsch, nachmal.
König Peter I. von Serbien.
VI, S. 344. 344 A.
Peter Nikolajewitsch, Großfürst, Neffe
Alexanders II.
VI, S. 355 A.
Peyramont, Chefredakteur der „Re-
vanche" (1886).
VI, S. 147.
Philipp, Graf von Flandern, Bruder
Leopolds II. von Belgien.
V, S. 33SA.
Philipp, Prince d' Orleans, Comte de
Paris.
III, S. 408.
VI, S. 123.
P h o t i a d e s Pascha, türk. Botschafter in
Rom 1886/89.
IV, S. 187.
Picard, franz. Minister des Innern 1871.
I, S. 14.
Pius IX., Papst 1846/78.
I, S. 218. 263. 271.
III, S. 197.
Plessen, Ludwig Freiherr von, erster
Botschaftssekretär in London 1884
bis 1888.
IV, S. 68. 79. 79 A. 80. 132. 133. 141.
152A. 353.
Pobedonoszew, Konstantin, General-
prokurator des russ. heiligen Sy-
nods 1889/1905.
III, S. 288. 288 A. 341. 342.
V, S. 46. 71. 73. 75. 82. 261. 306. 308.
317. 325.
VI, S. 40. 41. 41 A. 100. 349.
Poggenpohl, Redakteur der „Corre-
spondance russe" (1877, 1879).
II, S. 130.
III, S. 29.
Polignac, Prince de, franz. Militär-
attache in Berlin 1872/76.
I, S. 272. 272 A. 281.
Polowtzow, Direktor der russ. Reichs-
kanzlei (1887).
VI, S. 111.
Ponsonby, Sir Henry, Geheimsekre-
tär der Königin Viktoria von Eng-
land (1884).
IV, S. 85. 86. 87.
Poschinger, Heinrich Ritter von, Hi-
storiker (1890).
VI, S. 372.
Pothuau, franz. Marineminister 1871.
I, S. 26.
Pourtales, Graf von, zweiter Sekre-
tär bei der Botschaft in Paris
1885/87.
VI, S. 160.
Pouyer-Quertier, franz. Finanz-
minister 1871/72.
I, S. 13A. 35 A. 38. 44. 50. 52. 61,
62. 62 A. 63. 67. 67 A. 68. 69. 74.
77. 78. 85. 86 A. 87. 88. 89. 89 A.
90. 90 A. 91. 91 A. 95. 104.
Powell, engl. Konsul in Apia (1886).
IV, S. 143.
Preußen, s. Adalbert, Augusta, Au-
guste Viktoria, Friedrich III.,
Friedrich Karl, Friedrich Wil-
helm, Heinrich, Sophie, Viktoria,
Wilhelm I., Wilhelm Prinz von,
Wilhelm Kronprinz von, Wil-
helm IL
Puttkamer, von, preuß. Kultus-
minister 1879/81.
III, S. 105.
R a d o 1 i n s k i , Graf von, erster Sekretär
bei der Botschaft in Konstanti-
nopel 1876/81, später Hofmarschall
des Kronprinzen Friedrich Wilhelm.
II, S. 344 A.
IV, S. 316 A.
Radowitz, Joseph von, Gesandter in
Athen 1874/82, zeitv/eise im A. A.,
in außerordentlicher Mission in
Petersburg 1875 und Paris 1880
bis 1882, Botschafter in Konstan-
tinopel 1882/92.
I, S. 254 A. 277 A. 278 A.
II, S. 58. 58 A. 337 A.
III, S. 7A. 13 A. 105. 254. 394 A. 399 A.
402 A.
IV, S. 7A. 14A. 113. 165A. 168. 170.
171. 276. 290 A. 314. 315. 346.
346 A.
V, S. 4. 13A. 15. 17. 19. 203. 204.
324 A.
VI, S. 4. 4A. 8. 38. 94 A. 339 A.
Raff auf, Konsul in Kiew (1890).
VI, S. 362 A. 364. 365. 366.
406
Raffray, franz. Konsul in Sansibar
(1886).
IV, S. 146.
Rantzau, Cuno Graf zu. Kommissari-
scher Hilfsarbeiter im A. A. 1877
bis 1880, Vortragender Rat 1880
bis 1888, preuß. Gesandter in
München 1888/91.
III, S. 149 A. 409 A.
VI, S. 216 A. 339 A.
Rechenberg, Freiherr von, General-
konsul in Warschau (1887, 1890).
V, S. 293.
VI, S. 362 A.
Remusat, Charles Comte de, franz.
Minister des Äußern 1871/73.
I, S. 65. 65 A. 66. 67. 70. 72. 75. 76.
77. 85. 89. 103. 105. 105 A. 106.
111 A. 120. 121, 124. 133. 138. 139.
141. 142. 143. 144. 146. 166. 179.
184.
Reschid Bey, persönlicher Sekretär
des türk. Sultans Abdul Hamid II.
(1881, 1885).
III, S. 403. 403 A.
IV, S. 25. 117. 118.
Reßmann, ital. Geschäftsträger in
Paris (1886).
IV, S. 187. 190. 193.
VI, S. 94. 137 A.
R e u f Pascha, türk. General, Großmeister
der Artillerie (1878).
II, S. 171. 221.
Reuß, Heinrich VII. Prinz, Gesandter
und Botschafter (seit 1871) in
Petersburg 1867/76, außerordentl.
Botschafter in Konstantinopell877
bis 1878, Botschafter in Wien 1878
bis 1894.
I, S. 1 1 1 A. 235 A. 239 A. 254 A. 295 A.
II, S.4. 150 A. 152. 159. 164. 165.230.
337 A. 341 A.
III, S. 81 A. 98. 103. 107 A. 109 A. 116.
117. 119. 124. 132. 156. 157. 162.
174. 183 A. 184 A. 188. 216. 237.
241. 241 A. 245. 251 A. 258. 268 A.
314. 329. 347 A. 348 A. 351. 368.
395 A. 441 A.
IV, S. 202 A. 222. 223. 240 A. 351 A.
V, S. 26 A. 34. 38 A. 68. 76. 78. 124.
125. 126. 131. 136. 138. 144. 145 A.
148 A. 149. 150. 150 A. 187. 218.
219. 279 A. 282. 284. 285. 286 A.
289. 324 A. 338. 340. 341. 344. 346.
347.
VI, S. 24 A. 28. 29. 55. 55 A. 63. 79.
135 A. 172 A. 180 A. 292 A. 345.
345 A. 363 A.
Reutern, von, russ. General, Militär-
bevollmächtigter in Berlin 1874/79.
III, S. 14. 21.
Richter, Eugen, Mitglied des Reichs-
tags (1886).
V, S. 128. 129.
Ring, Baron, franz. Legationsrat (1871).
I, S. 7.
R i s t i t s c h , serb. Ministerpräsident
1876/80, 1887/88.
III, S. 355. 355 A.
V, S. 5. 11. 133. 197.
VI, S. 8.
Ristow, preuß. Major z. D., türk. Ge-
neral (1885).
IV, S. 115.
Robilant, Nicolis Conte di, ital. Ge-
sandter bzw. Botschafter in Wien
1871/1885, Minister des Äußern im
Kabinett Depretis 1885/87.
III, S. 183. 184 A. 186. 191. 192. 194.
195. 202. 204. 205. 208. 209. 210.
211. 213. 215. 218. 220. 222. 223.
224. 225. 227. 228. 229. 231. 232.
233. 234. 240. 242. 243. 244. 245.
IV, S. 117. 181. 181 A. 182. 183. 184.
185. 186. 187. 188. 189. 190. 191.
192. 193. 194. 195. 196. 197. 198.
199. 200. 201. 202. 202 A. 203. 204.
206 A. 208. 209. 210. 211. 212.213.
215. 216. 219. 220. 223. 224. 226.
227. 230. 231. 232. 234. 235. 238.
240. 241. 242. 243. 244. 245. 246.
247. 248. 249. 250. 252. 253. 297.
299. 304. 306. 307. 309. 312. 316.
319. 320. 321.
V, S. 44. 202.
Robilant, Conte di, ital. Kapitän, Mi-
litärattache in Berlin (1887/88).
VI, S. 240. 260.
R o d i c h , von, österr.-ung. Feldmarschall-
leutnant (1878).
II, S. 260 A. 261.
Rößler, Konstantin, Publizist.
I, S. 253 A. 254 A.
Röszler, Kanzlerdragoman.
VI, S. 362 A.
Rohlfs, Generalkonsul in Sansibar 1884
bis 1885.
IV, S. 144. 144 A.
Rommel.
VI, S. 142,
407
Roon, Albredit Graf von, preuß. Kriegs-
minister 1859/73.
I, S. 168.
Rosebery, Archibald Earl of, Groß-
siegelbewahrer und Bautenminister
1885, Staatssekretär des Äußern
1886 im Kabinett Gladstone.
III, S. 449. 449 A.
IV, S. 85. 101. 101 A. 104. 111. 143.
143A. 144. 145. 147. 148. 149. 407.
V, S. 44. 45.
Rosetti, rum. Kammerpräsident (1883).
III, S. 267.
Rotenhan, Freiherr von, erster Bot-
schaftssekretär in Paris 1884/85.
III, S. 426 A. 431 A.
Rothschild, Bankhäuser (1884).
III, S. 433.
Rothschild, Lionel Baron von, In-
haber des Londoner Bankhauses
(1871).
1, S. 87.
Rothschild, Pariser Bankier (1875,
1886).
I, S. 256.
IV, S. 225.
Rouvier, franz. Ministerpräsident 1887
bis 1888.
V, S. 301.
VI, S. 116. 118. 190 A. 193. 205.
Rudolf, Erzherzog und Kronprinz von
Österreich, Sohn Kaiser Franz Jo-
sephs I.
VI, S. 45. 135. 136. 265.
Rumänien, s. Karl I.
Russell, Lord Odo (seit 1881 Lord
Ampthill), engl. Vertreter im deut-
schen Hauptquartier zu Versailles
1870/71, Botschafter in Berlin 1871
bis 1884.
I, S. 272. 273. 275. 278. 279. 280. 281.
281 A. 290. 291. 294 A. 295 A. 296.
321.
II, S. 9. 13. 13 A. 16. 17. 18. 29. 29 A.
30. 31. 32 A. 69. 69 A. 71. 101. 145.
153 A. 157. 159. 162A. 193. 194.
195. 221.
III, S. 148. 388.
IV, S. 3A. 14A. 21. 25. 25 A. 26. 27.
28. 49. 63. 64. 65. 70. 72 A. 82.
82 A. 108.
Ruß 1 a n d , s. Alexander IL, Alexander III.,
Alexander Alexandrowitsch, Alexis
Alexandrowitsch, Helene Pawlow-
na, Konstantin Nikolajewitsch, Ma-
ria Alexandrowna, Gemahlin Alex-
anders IL, Maria Alexandrowna,
Großfürstin, Maria Feodorowna,
Maria Nikolajewna, Maria Paw-
lowna, Michael Nikolajewitsch, Ni-
kolaus Alexandrowitsch, Nikolaus
Michailowitsch, Nikolaus Nikola-
jewitsch, Peter Nikolajewitsch,Wla-
dimir Alexandrowitsch.
Rustem Pascha, türk. Botschafter in
London 1885/95.
IV, S. 140. 281. 328.
Saburow, von, russ. Gesandter in
Athen 1870/80, Botschafter in Ber-
lin 1880/84.
III, S. 29. 54. 62. 107. 113. 113A. 114.
133. 139. 139 A. 140. 141. 142. 143.
144. 147. 148. 149. 150. 151. 152.
155. 158. 161. 162. 166. 169. 171.
174. 175. 176. 251. 254. 268. 285.
286. 287. 288. 289. 291. 292. 293.
294. 298. 299. 300. 301. 304. 312.
313. 314. 316. 318. 320. 321. 322.
323 A. 324. 327. 329. 330. 332. 333.
365.
V, S. 219. 221. 300. 310. 310 A.
VI, S. 32. 107. 301.
Sachsen, s. Albert.
Sachsen-Weimar, s. Karl Alexander.
Sadullah Bey (Pascha), türk. Bot-
schafter in Berlin 1877/83, in Wien
1883/91.
II, S. 161 A. 164. 164 A. 165. 204A.
IV, S. 118.
Safvet Pascha, türk. Minister des
Äußern 1876/79, Großwesir 1878
bis 1879.
II, S. 119A, 134 A. 145. 204 A. 344.
344 A.
III, S. 87.
Said Pascha, türk. Botschafter in Berlin
1883/85, Minister des Äußern 1885
bis 1895.
IV, S. 118.
V, S. 19. 200. 325.
Saint Paul, de.
IM, S. 386.
Saint Va liier, Charles Comte de,
franz. außerordentl. Kommissar
beim Hauptquartier des Generals
von Manteuffel 1871/73, Botschaf-
ter in Berlin 1877/81.
I, S. 102. 149 A. 179. 182. 183. 191 A.
II, S. 213. 223. 224. 225. 226. 232.
408
III, S. 381. 381 A. 382. 384. 385. 386.
387. 388. 388 A. 38Q. 392. 393 A.
397 A. 398. 398 A. 399. 400. 402.
402 A.
Salisbury, Marquis of, engl. Bevoll-
mächtigter bei der Konferenz der
Großmächte in Konstantinopel 1876
bis 1877, Staatssekretär des Äußern
im Kabinett Beaconsfield 1878,80,
zweiter Bevollmächtigter auf dem
Berliner Kongreß 1878, Premier-
minister und Staatssekretär des
Äußern 1885/86, Premierminister
1886/92, Staatssekretär des Äußern
1887/92.
II, S. 104. 104 A. 105 A. 106. 107. 108.
109. 110. 119A. 120. 121. 123. 124.
125. 134 A. 145. 192. 211. 244 A.
245. 251. 257. 258. 262. 263. 265.
267. 268. 269. 270. 271. 272. 277.
278. 279. 280. 289. 290. 291. 292.
293. 294. 297. 298. 307 A. 311. 312.
313. 315. 317. 318. 320. 321. 321 A.
322. 323. 324. 325. 326. 327. 327 A.
328. 329. 330. 331. 334. 334 A. 335.
336. 337.
III, S. 125 A. 127. 128. 129. 134. 168 A.
169 A.
IV, S. 4A. 7A. 8A. 10. 12. 12A. 13.
14. 14 A. 15. 100. 108. 131. 131 A.
132. 134 A. 136. 137. 138. 139. 140.
141. 143. 143 A. 146. 149. 149 A.
150. 150 A. 154. 156 A. 157. 158.
161. 164. 166. 167. 168. 169. 170.
171. 172. 173. 174. 175. 176. 176 A.
177. 178. 225. 263. 265. 265 A. 266.
267. 268. 269. 269 A. 270. 272. 273.
274. 275. 276. 277. 280. 281. 285.
287. 288. 289. 290. 292. 293. 293 A.
294. 294 A. 297. 298. 299. 300. 302.
303. 304. 305. 306. 307. 308. 309.
310. 311. 312. 313. 314. 315. 316.
316 A. 319. 320. 321. 322. 323. 325.
326. 327. 328. 335. 336. 337. 338.
340. 341. 342. 343. 344. 345. 346.
347. 348. 350. 350 A. 353. 355. 356.
358. 359. 361. 363. 365. 366. 367.
368. 369. 370. 371. 372. 373. 375.
376. 376 A. 381. 382. 383. 384.385.
388. 389. 390. 391. 392. 393. 400.
400 A. 402. 403. 404. 405. 406.
406 A. 407. 408. 409. 410. 411. 412.
413. 414. 415. 416. 417. 418. 419.
V, S. 18. 42. 45 A. 84. 174. 175. 177.
177 A. 186. 191. 324.
VI, S. 194. 209. 209 A. 210. 282 A. 289.
289 A. 347. 356. 356 A. 358.
Sallier de la Tour, Conte, ital. Ge-
sandter in Beigrad 1884/87.
V, S. 22. 23. 24 A.
Samoa, s. Malietoa.
Sansibar, s. Bargasch ben Said.
Sarauw, franz. Spion.
VI, S. 190A.
Sassuli tsch, Vera, russ. Nihilistin
(1878).
II, S. 309. 309 A.
Sau SS i er, franz. General, Militärgou-
verneur von Paris 1884/98.
VI, S. 158.
Say, Leon, franz. Finanzminister im Ka-
binett Büffet 1872/73, 1875/76.
I, S. 165. 180. 181. 264.
Schakir Pascha, türk. Botschafter in
Petersburg 1878/89.
III, S. 368.
V, S. 325.
Schelling, von, Staatssekretär des
Reichsjustizamts 1879/89.
VI, S. 182A.
Schleswig-Holstein, s. Christian,
Helene.
Schlief fen, Alfred Graf von, Abtei-
lungschef im Großen Generalstab
(1888).
VI, S. 247. 258. 259. 260.
Schlözer, von, preuß. Gesandter beim
Päpstlichen Stuhl 1882/92.
VI, S. 178A.
Schlottheim, Freiherr von, preuß.
General (1871).
I, S.U.
Schmidt, Konsul, Mitglied der Kom-
mission zur Festsetzung der Gren-
zen des Sultanats Sansibar 1885
bis 1886.
IV, S. 143A. 146.
Schnäbele, franz. Polizeikommissar
(1887).
VI, S. 182. 182A. 183. 183A. 184. 184A.
185. 186. 187. 188. 189. 191. 191 A.
192. 199. 204.
Schröder, Kapitän zur See, Militär-
und Marineattache in London (1888,
1889).
IV, S. 399.
VI, S. 261.
Schuckmann, von, Feldjägerleutnant
(1872).
I, S. 134.
409
Schuwalow, Paul Graf, russ. Bot-
schafter in Berlin 1885/94.
V, S. 42. 43. 46. 49. 50. 51. 55. 65.
66. 67. 68. 69. 72. 75. 78. 78 A.
81. 84. 86. 97. 100. 103. 107. 108.
109. 111. 146. 149. 160. 162. 169.
169 A. 174. 174 A. 177 A. 179. 182.
183. 187. 188. 189. 190. 191. 192.
203. 204. 205. 206. 21 2 A. 213.
214 A. 218. 222. 223. 223 A. 224.
225. 226. 227. 228. 229 A. 230.
231. 234. 235. 236. 237. 238. 240.
240 A. 241. 242. 243. 244. 244 A.
245. 245 A. 246 A. 247. 248. 250.
251. 252. 253. 255. 256. 257. 259.
260. 264. 265. 268. 274. 275. 277.
278. 281. 281 A. 304. 309. 310. 311.
312. 317. 318. 319. 323 A. 336. 342.
343. 346. 347.
VI, S. 50. 92. 109. 115. 281. 288. 290.
291. 294. 295. 325. 325 A. 330. 337.
342. 348. 376.
Schuwalow, Peter Graf, russ. Bot-
schafter in London 1874/79, Ver-
treter Rußlands auf dem Berliner
Kongreß 1878.
I, S. 289. 290. 292. 295 A. 296. 297.
322.
II, S. 66A. 134 A. 138. 139. 141 A.
143 A. 156. 175. 176. 194. 195. 199.
215. 217. 221. 227. 227 A. 228. 229.
230. 231. 233. 234. 235. 236. 237.
238. 239. 240. 241. 242. 244. 258.
259. 265. 267. 271. 272. 276. 278.
279. 292. 293. 297. 298. 307. 307 A.
308. 309. 310. 311. 312. 313. 314.
315. 316. 319. 320. 321. 321 A. 322.
323. 324. 325. 326. 327 A. 328. 329.
331. 333. 335. 336. 337. 337 A.
III, S. 3. 4. 5. 6. 8. 9. 13. 29. 52. 53.
82. 139. 140. 143. 143 A. 168. 168 A.
169 A. 318. 320.
V, S. 46. 47. 48. 73. 73 A. 75. 77. 97.
98. 101. 106. 110. 112. 160. 161.
162. 163. 163 A. 212. 212 A. 214.
214 A. 218. 220. 223. 225. 226.
VI, S. 295. 296.
Schwartzhoff, von, Hauptmann,
zweiter Militärattache in Paris
(1887).
VI, S. 185.
Schweinitz, Hans Lothar von, preuß.
General, Botschafter in Wien 1871
bis 1876, in Petersburg 1876/93.
I, S. 189A. 200. 204. 253 A.
II, S. 29 A. 31. 32 A. 34 A. 35. 36. 51.
80 A. 81 A. 85. 91. 91 A. 92. 93. 95.
125 A. 126 A. 139. 141. 150. 150 A.
151. 223. 223 A. 262 A. 265. 266.
270. 296. 333.
III, S. 9. 13. 13 A. 23 A. 39. 54. 68.
78. 125. 285 A. 288 A. 315. 318.
324. 341. 342. 348 A. 358 A. 403 A.
440 A.
IV, S. 4. 5. 125.
V, S. 25. 29. 44. 68 A. 73 A. 77. 85.
86. 90. 96. 100. 103. 144 A. 145.
148. 171. 175. 177 A. 182. 183. 185.
187. 204. 211 A. 212. 245 A. 295.
347 A.
VI, S. 37. 38 A. 41 A. 96 A. 105. 110 A.
121 A. 177 A. 290 A. 301. 322. 353.
370.
Scote, Charles Baronet, erster Sekre-
tär bei der engh Botschaft in
Berlin 1883/88.
IV, S. 171.
Sella, Mitglied der ital. Deputierten-
kammer (1882).
III, S. 214.
Serbien, s. Alexander Obrenowitsch,
Karageorgewitsch, Milan Obreno-
witsch I., Natalie, Peter Kara-
georgewitsch.
Server Pascha, türk. Minister des
Äußern 1877/78.
II, S. 163. 171 A. 344.
Shiwkow, Mitglied der Regentschaft
des Fürstentums Bulgarien 1887.
V, S. 166. 167. 174. 179. 184.
Sidmouth, Lord, Mitglied des engl.
Oberhauses (1884).
IV, S. 57A. 61. 62. 71.
Simmons, Sir Lintorn, engl. General,
Teilnehmer des Berliner Kon-
gresses 1878.
II, S. 335.
Simon, Jules, franz. Ministerpräsident
1876/77.
L S. 323 A.
Sinowiew, Chef des asiatischen De-
partements im russ. Ministerium
des Äußern (1884, 1886, 1887).
III, S. 374.
V, S. 61. 170, 222. 316. 329.
Skobelew, Michael, panslawistischer
russ. GeneraL
III, S. 213A. 291. 373.
VI, S. 31. 42. 107.
410
Smith, Euan, engl. Oberst, General-
konsul und politischer Agent in
Sansibar (1887).
IV, S. 169.
Smith, William Henry, erster Lord des
Schatzes im zweiten Kabinett Salis-
bury 1887/91.
IV, S. 382.
Sobolew, russ. General, bulg. Minister-
präsident und Minister des Innern
1882/83.
III, S. 367 A.
Solms-Sonnenwalde, Graf zu, Bot-
schafter in Rom 1887/93.
V S. 324 A.
VI,'s. 207A. 219. 220 A. 234. 234 A.
240. 273. 292 A. 339 A.
Sophie, Prinzessin von Preußen, Ge-
mahlin des Kronprinzen Konstan-
tin von Griechenland (1889).
VI, S. 360 A.
Soubeyrun, de, franz. Publizist.
III, S. 392.
Spanien, s. Alfons XII., Carlos.
Sumarokow, von, russ. General (1876).
II, S. 55 A. 60. 61 A. 74.
St aal, von, russ. Botschafter in Lon-
don 1884/1903.
IV, S. 76. 120. 121. 125. 269.
V, S. 44. 45. 263.
VI, S. 106.
Stambulow, Mitglied der Regent-
schaft des Fürstentums Bulgarien
1886/87.
V, S. 58 A. 166. 167. 174. 179. 184.
Stanley, Frederic, engl. Staatssekretär
des Krieges im Kabinett Beacons-
field 1878/80.
II, S. 252.
Stanley, Henry Morton, Afrikareisen-
der (1884).
III, S. 425. 426.
Starcke, türk. Konteradmiral (1885).
IV, S. 115.
Steininger, Freiherr von, österr.-
ung. Oberstleutnant, Militärattache
in Berlin 1882/95.
VI, S. 24. 55. 56. 57. 57 A. 58. 59. 60.
61. 64. 71. 72. 73. 75. 77. 79. 84.
243. 247. 250.
Stieglitz, Baron von, Bankier in Pe-
tersburg (1884).
III, S. 327.
Stoffel, Baron, franz. Militärschrift-
steller.
VI, S. 221.
Stoilow, bulg. Justizminister 1886/88.
V, S. 157. 157 A. 158. 341.
Stolberg-Wernigerode, Otto
Graf zu, Botschafter in Wien 1876
bis 1878, Vizepräsident des preuß.
Staatsministeriums 1878/81.
II, S. 91 A. 160. 161. 169. 179. 180.
188. 189. 197. 231. 295. 296. 303.
314. 316. 317. 341. 342 A.
III, S. 74. 74 A. 77. 78. 84. 92. 105.
106. 109. 109 A. 110. 111 A. 115 A.
116.
Stosch, Albrecht von, Generalstabschef
der Okkupationsarmee in Frank-
reich (1871).
I, S. 71. 73.
Strantz, von, Generalmajor, Mitglied
der deutsch-franz. Grenzregulie-
rungskommission 1871.
I, S. 8A.
Stratheden and Campbell, Lord,
Mitglied des Oberhauses (1878).
II, S. 238.
Stremooukow (Stremokow), Direktor
des Asiatischen Departements im
russ. Ministerium des Äußern 1870
bis 1878.
II, S. 3. 308.
Stumm, Ferdinand, erster Botschafts-
sekretär in Petersburg 1878/81, in
London 1881/83.
III, S.llOA.
IV, S. 45A. 46 A.
Sturdza, Demeter, rum. Minister des
Äußern 1883/88.
III, S. 265. 279. 280, 368.
Sybel, Heinrich von, Direktor der
preuß. Staatsarchive in Berlin.
VI, S. 372.
Szechenyi, Emerich Graf, österr.-
ung. Botschafter in Berlin 1878/92.
III, S. 172. 175. 176. 334. 446.
IV, S. 216. 221. 225. 254. 256. 257.
329 A. 389 A.
V, S. 3. 8. 9. 10. 103. 192. 193. 194.
283.
VI, S. 57 A. 66. 68. 70. 71. 82. 83. 85.
241. 242. 245. 246. 361.
Szecsen von Temerin, Graf, außer-
ordentlicher österr.-ung. Bcvoll-
411
mächtigter auf der Pontuskonfe-
renz in London 1871.
II, S. 22.
Szeps, Redakteur des „Neuen Wiener
Tagblatts" (1886).
VI, S. 136. 136A.
Szilagyi, ung. Justizminister 1889/94.
V, S. 123. 124. 124 A.
Szögyenyi-Maricli, erster Sektions-
chef im Ministerium des Äußern
1883/92.
IV, S. 276. 279.
V, S. 142.
Taaffe, Graf von, österr. Minister-
präsident und Minister des Innern
1879/93.
V, S. 141.
VI, S. 41.
Taegen, Geh. Sekretär im Chiffrier-
bureau d. A. A. (1887).
V, S. 261.
Tatischtschew, Graf, früherer russ.
Diplomat, Publizist.
V, S. 310A. 348.
VI, S. 111. 123.
Tausch, von, Polizeikommissar (1887).
VI, S. 182A. 183 A.
T a V e r a , Schmit Ritter von, österr.-ung.
Botschaftsrat in Berlin (1886).
IV, S. 222.
V, S. 143. 144. 149.
Ternaux-Compans, franz. Bot-
schaftsrat in Petersburg (1886).
VI, S. 93. 104.
Tessendorff, Oberreichsanwalt.
VI, S. 202.
Tewf ik Bey, türk. Botschafter in Berlin
1886/96.
V, S. 190. 200. 325. 326.
Tewfik, s. Mehemed.
Thibaudin, franz. General, Kriegs-
minister im Kabinett Ferry 1883.
VI, S. 140. 140 A.
Thielmann, Freiherr von, General-
konsul in Sofia 1886/87, preuß. Ge-
sandter in Darmstadt 1887/90.
IV, S. 327.
V, S. 137.
VI, S. 281 A.
Thiers, Louis Adolphe, Chef dör
Exekutivgewalt der franz. Repu-
blik 1871, Präsident der Republik
1871/73.
I, S. 3. 7A. 8. 8A. 9. 10. 11. IZ 14.
22. 24. 29. 47. 48. 50. 52. 53. 54.
56. 57. 59. 60. 62. 63. 66. 66 A. 67.
68. 69. 71. 71 A. 72. 73. 75. 77. 78.
79. 79 A. 82. 83 A. 84. 85. 87. 97.
98. 107. 108. 108 A. 109. 112. 112A.
113. 113A. 114. 115. 116. 117. 118.
118 A. 119. 120. 121. 122. 124. 125.
126. 127. 128. 129. 130. 131. 132.
133. 134. 135. 136. 137. 138. 139.
140. 142. 142A. 143. 144. 146. 150.
151. 152. 153. 154. 155. 155 A. 156.
156 A. 157. 157 A. 159. 165. 166.
167. 168. 169. 170. 171. 173. 174.
174 A. 175. 178. 179. 180. 180 A.
181. 182. 183. 183 A. 184. 185. 186.
188 A. 189 A. 190. 193. 214. 223.
239. 239 A. 258. 262. 263. 304. 305.
310. 311. 312. 313. 314. 315. 324 A.
325. 325 A.
II, S.U. 88.
Thile, Herman von, Staatssekretär d.
A.A. 1870/72.
I, S. 62 .\. 63. 126.
Thomas, franz. General, Kommandant
von Paris (1886).
VI, S. 130.
Thornton, Sir Edward, engl. Bot-
schafter in Petersburg 1881/84, in
Konstantinopel 1884/86.
IV, S. 120.
Tiedemann, von, Hilfsarbeiter, dann
Vortragender Rat in der Reichs-
kanzlei 1875/81.
I, S. 254 A. 308 A.
Timaschew, russ. Minister des Innern
(1878).
II, S. 308.
Tirard, Pierre, franz. Ministerpräsident
1889/90.
VI, S. 220 A.
Tissot, erster Sekretär bei der franz.
Botschaft in London 1869/70, Bot-
schafter in Konstantinopel 1880/82,
in London 1882/83.
II, S. 10.
III, S. 400.
IV, S. 40.
Tisza, Koloman von, ung. Minister-
präsident 1875/90.
III, S. 251 A. 256. 290. 356.
V, S. 4. 126. 127. 136. 138. 141. 142.
193. 276. 283.
VI, S. 40. 278.
Tolstoi, Graf, russ. Minister des
Innern 1882/89.
412
III, S. 376.
V, S. 46. 52. 67. 73. 83. 294. 298. 306.
309. 310. 315. 317. 328. 329.
VI, S. 117. 298. 301 A. 323.
T o n n e I e t.
I, S. 101 A. 104.
Totleben, Graf von, russ. General.
II, S. 174. 293.
III, S. 297.
Travers, Konsul in Sansibar (1885/86).
IV, S. 144A. 145. 146.
Trepow, russ. General, Polizeipräfekt
von Petersburg (1878).
II, S. 309A.
Tresckow, von, preuß. Generalleut-
nant, stellv. Oberbefehlshaber der
Okkupationsarmee (1872).
I, S. 149. 149 A.
T r i k u p i s , griech. Ministerpräsident
1886/90.
IV, S. 328.
Trochu, franz. General, Gouverneur
von Paris 1870/71.
I, S. 52. 53. 54. 55. 56.
Trubetzkoi, Fürst, Attache bei der
russ. Botschaft in Paris (1887).
VI, S. 109.
Tscherewin, russ. General, General-
adjutant Alexanders 111. (1886/87).
V, S. 51. 52. 53. 54. 329.
Türkei, s. Abdul Asis, Abdul Hamid IL,
Mohamed Selim, Murad V.
Tunis, s. Mohamed Es Sadok.
Turnor, Sekretär Lord Beaconsfields
auf dem Berliner Kongreß.
II, S. 335.
Uebel, Ministerresident in Rio de
Janeiro 1874/75.
I, S. 283 A.
Uexküll-Gyllenbandt, Baron von,
russ. Botschafter in Rom 1876/91.
III, S. 328.
V, S. 44.
VI, S. 106.
Urussow, Fürst, russ. Gesandter in
Bukarest 1881/85.
III, S. 368.
Uxkull, Graf von, Vortragender Rat
im württ. Departement der ausw.
Angelegenheiten (1871).
I, S. 76A.
Vargas, mex. Gesandter in Berlin 1887
bis 1894.
VI, S. 221.
Verneville, franz. General (1886).
VI, S. 129.
Vernouillet, de, franz. Gesandter in
Tanger 1877/81.
III, S. 397.
Veuillot, franz. klerikaler Publizist.
I, S. 237. 237 A.
Viktor Emanuel IL, König von Ita-
lien 1861/78.
I, S. 228. 256.
II, S. 16 A.
III, S. 200. 204.
Viktoria, Kronprinzessin des Deut-
schen Reiches. Gemahlin des Kron-
prinzen FriedrichWilhelm,nachmaL
Kaisers Friedrich HL
II, S. 326. 330. 330 A.
IV, S. 177A.
V, S. 56.
VI, S. 291. 328. 329. 347.
Viktoria, Königin von Großbritannien
und Irland 1876/1901.
I, S. 281. 293 A. 294 A.
H, S. 16 A. 104 A. 109. 121. 133. 153 A.
158. 158 A. 159. 199. 233. 244. 250.
258
III, S. 168 A. 169 A. 345.
IV, S. 8. 14 A. 39. 85. 86. 87. 177. 177 A.
178. 281. 316 A. 337. 343. 344. 371.
384. 404. 414. 418.
V, S. 177.
VI, S. 282. 288. 289 A. 291. 294. 294 A.
331. 347. 358.
Viktoria, Prinzessin von Preußen,
Tochter Kaiser Friedrichs IlL
V, S. 162A.
VI, S. 281 A. 288. 290 A. 292. 329.
Villa ume, von, preuß. Oberstleutnant,
Militärattache in Paris 1882/87,
Militärbevollmächtigter in Peters-
burg 1887/93.
V, S. 305. 306.
VI, S. 123A. 132A. 134. 136. 152. 154.
Vincent, Chef des geh. Nachrichten-
bureaus im franz. Kriegsministe-
rium (1887).
VI, S. 193.
Vind, von, dän. Gesandter in Peters-
burg 1868/84, in Berlin 1884/1902.
III, S. 340.
Vinoy, franz. General (1871).
I, S.115.
413
Visconti-Venosta, Marchese, ital.
Minister des Äußern im Kabinett
Minghetti 1873/76.
I, S. 277.
Vlangaly, Gehilfe des russ. Ministers
des Äußern.
III, S. 330.
V, S. 61. 170. 222. 258. 306. 307.316.
VI, S. 50.
Vogüe, Comte de, franz. Botschafter
in Wien 1875/79.
III, S. 406. 406 A.
VI, S. 109 A.
Vosseur, franz. General (1886).
VI, S. 129.
Waddington, franz. Minister des
Äußern im Kabinett Dufaure 1877
bis 1879, Ministerpräsident 1879/83,
Botschafter in London 1883/93.
II, S. 212. 213. 220. 224. 225. 226.
III, S. 12. 81. 82 A. 88. 94. 128. 131.
381 A. 385. 386. 389 A. 390. 391.
392. 393. 395. 439.
IV, S. 91 A. 121. 159. 160. 163.
VI, S. 106. 205.
Wächter, Baron von, württ. Minister
des Äußern (1871).
I, S. 3.
Waldapfel , österr. Agent in Bulgarien
(1887).
V, S. 341.
W a I d e m a r , Prinz von Dänemark, Sohn
König Christians IX. (1886).
V, S. 88.
Waldersee, Alfred Graf von, Militär-
attache in Paris 1870/71, General-
quartiermeister 1882/88, Chef des
Generalstabes 1888/91.
I, S. 50 A. 51 A. 60 A. 65 A. 66 A. 69.
70. 77.
VI, S. 57. 57 A. 58 A. 154 A 244. 259.
Wales, s. Alexandra, Eduard.
Walsham, Sir John, erster Sekretär
bei der engl. Botschaft in Berlin
1878/83.
IV, S. 20. 39.
Walujew, Graf, russ. Minister der
Domänen 1872/80.
III, S. 29.
Wannowsky, russ. General, Kriegs-
minister 1881/97.
III, S. 311.
V, S. 306.
VI, S. 31. 32. 33. 34. 37. 43. 50.
Warren, Sir Charles, engl. Oberst,
Leiter der Betschuanaexpedition
1884/85.
IV, S. 92.
Wartensleben, Graf von, preuß. Ge-
neral (1876).
II, S. 38.
Weber, Ministerresident in Tanger
1874/84.
III, S. 396A. 406 A.
Weber, von, bayr. Staatsrat im Mini-
sterium des Äußern (1871).
I, S. 76 A.
Wedel, Graf von, Oberstleutnant, Mili-
tärattache in Wien 1877/87, April
bis Oktober 1879 deutscher Dele-
gierter bei der bulg. Grenzkom-
mission, Mai bis Juli 1886 interi-
mistischer Geschäftsträger in Wien.
III, S. 13. 347. 347 A. 348. 351.
V, S. 149. 149 A. 150.
VI, S. 135 A.
Wellesley, engl. Militärattache in Pe-
tersburg (1878).
II, S. 324.
Welsersheimb, Graf, österr.-ung.Bot-
schaftsrat in Petersburg (1887).
V, S. 327.
Werder, von, preuß. Generalleutnant,
Militärbevollmächtigter in Peters-
burg 1871/81.
II, S. 37. 37 A. 52. 54. 54 A. 55. 55 A.
56. 57. 58. 58 A. 59. 61. 61 A. 62.
63. 68. 68 A. 72. 73. 74. 75. 76. 77.
77 A. 78. 79. SO A. 85. 91 A. 95. 96.
98. 100. 103. 131. 337.
III, S. 17.
VI, S. 357.
Werner, Anton von, Direktor der Ber-
liner Hochscliule für die bildenden
Künste.
III, S. 383. 384.
Werther, Freiherr von, Botschafter in
Konstantinopel 1874/77.
II, S. 119. 120. 129. 150 A.
Wesdehlen, Graf von, Botschaftsrat
in Paris 1873/77, preuß. Gesandter
in Stuttgart (1888).
I, S. 222. 238. 328 A.
VI, S. 339A.
White, Sir William, engl, außerordentl.
Gesandter in Konstantinopel 1885
bis 1886, Botschafter in Konstan-
tinopel 1887/91.
414
IV, S. 158. 171. 278. 292. 346. 347.353.
353 A. 357.
V, S. 13 A. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 50.
166.
Wilhelm I., Deutscher Kaiser u. König
von Preußen.
I, S. 3. 4. 5. 6. 20. 22. 37 A. 38. 60.
62 A. 70. 78. 79. 79 A. 80. 81. 91.
91 A. 95. 117. 119. 120. 134. 135.
136. 140. 142. 144. 145. 146. 149 A.
150 A. 155. 156. 156 A. 160. 161.
162. 163. 168. 173. 174. 177. 183.
184. 186. 187. 188. 189. 190. 191.
191 A. 197 A. 203. 203 A. 205 A.
206 A. 207. 208. 218. 229. 253 A.
272 A. 284 A. 293 A. 297. 308 A.
314. 314 A. 316. 316 A. 317. 318.
318 A. 319 A. 321. 322. 323. 325.
327. 327 A. 328.
II, S. 5. 14. 16. 16 A. 17. 18. 19. 22.
34 A. 37. 46. 47 A. 49. 50. 51. 53.
57. 60. 61. 62. 62 A. 63. 65. 67. 68.
68 A. 69 A. 72. 78. 83. 84. 86. 87.
89. 90. 91. 91 A. 93. 95. 96. 98.
102. 103. 104. 104 A. 110. 127. 128.
129. 131. 136. 136 A. 145. 147. 159.
162. 164 A. 169 A, 176. 178. 180.
182. 184. 207. 241. 242. 262. 264.
296. 307 A. 309. 309 A. 312. 313.
330. 330 A. 331.
III, S.S. 11. 17 A. 18A. 24. 25. 25A.
26. 33. 36. 39 A. 44. 45. 46. 47.
48. 49. 50. 50 A. 51. 54. 59. 60. 61.
68. 69. 70. 72. 73. 74. 74 A. 75. 83.
84. 85. 88. 89. 90. 91. 92. 96 A. 101.
102. 103. 105. 106. 107. 108. 109.
109A. 110. 111. IIIA. 113A. 114A.
116. 117. 118. 119. 120. 121. 122A.
124. 125. 130. 132. 135. 144. 157.
159. 161 A. 162A. 163 A. 165. 176.
208. 222. 229. 231. 235. 237. 240.
245. 252. 253. 254. 255. 256. 257.
258. 271. 273. 274. 275. 276. 277.
277 A. 280. 281. 282. 285. 286.
302 A. 305. 308. 310. 311. 314. 318.
318 A. 324. 331. 334. 357. 357 A.
358. 360. 361. 362. 363. 369 A. 371.
373. 374. 386. 391. 392. 393. 405 A.
407. 426. 440. 453 A.
IV, S. 5. 32. 33. 35. 50. 55. 56. 94.
119 A. 121. 124. 172. 173. 200. 204.
209. 217. 240. 246. 251. 257. 258.
343. 375. 387. 401. 403.
V, S. 51. 55. 55 A. 57 A. 58. 59. 60.
67. 75. 76. 82. 92. 93. 94. 99. 102.
109. 111. 112. 114. 151. 161. 162.
162 A. 163. 172. 181. 187. 190. 195.
196. 203. 214. 230. 231. 238. 241.
243. 249. 253. 256. 257. 259. 264.
265. 272. 288. 289. 295. 301. 305.
306. 313. 318. 318 A. 319. 324.
VI, S. 10. 19. 21. 25. 28. 46. 47. 49.
55. 56. 57. 58. 60. 61. 62. 63. 77.
78. 82. 85. 99. 116. 123. 135. 163.
164. 166. 174. 180. 188. 189. 206 A.
218. 228 A. 229. 230. 231. 279. 280.
283. 284. 286. 288. 292. 293. 297.
304. 308 A. 310. 311. 312. 326. 346.
346 A. 357. 364. 365. 369. 370.
Wilhelm, Prinz von Preußen (s. auch
Wilhelm, Kronprinz, und Wil-
helm II., Deutscher Kaiser).
III, S. 276. 339. 339 A. 340. 341. 342.
361.
IV, S. 369. 377. 380.
V, S. 55. 56. 57. 57 A. 58. 60. 61. 63.
64. 65. 152. 301. 328.
VI, S. 42 A. 43. 60. 99. 116.
Wilhelm, Deutscher Kronprinz (s. auch
Wilhelm, Prinz von Preußen, und
Wilhelm II., Deutscher Kaiser).
IV, S. 178.
VI, S. 301 A. 307 A.
Wilhelm II., Deutscher Kaiser und
König von Preußen (s. auch Wil-
helm, Prinz von Preußen, und Wil-
helm, Kronprinz).
IV, S. 401. 403. 405. 405 A. 407. 409.
413. 414. 415. 418. 418 A.
VI, S. 218. 219 A. 262. 265. 268. 269.
270. 272. 294A. 301 A. 310A. 31 lA.
314. 317. 326. 327. 328. 329. 330.
331. 331 A. 332. 332 A, 333. 334.
335. 338. 339. 339A. 340. 341. 341 A.
344 A. 345 A. 346. 347. 348. 351.
352 A. 353. 360. 360 A. 361. 362 A.
363. 363 A. 367. 368. 374 A. 375.
Willi seh. Geh. Hof rat, Bureauinspek-
tor im Chiffrierbureau d. A. A.
V, S. 138.
Wimpffen, Felix Graf, österr.-ung.
Botschafter in Paris 1876/78, 1882,
österr.-ung. Botschafter in Rom
1879/82.
I, S. 318A. 319.
III, S. 184. 185. 194. 196. 198. 210.211.
215. 217. 220.
Windthors t, Mitglied des Reichstags
und des preuß. Abgeordneten-
hauses.
415
IV, S. 176A.
V, S. 128. 129. 214 A.
Wladimir Alexandrowitsch, Großfürst,
zweiter Sohn Alexanders II.
II, S. 127.
V, S. 68. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81.
82. 83. 84. 160. 161. 170. 222. 223.
225. 237.
VI, S. 99. 280. 294. 295. 296. 297. 298.
332. 353.
Wolff, Sir Henry Drummond-, engl.
Gesandter in außerordentl. Mission
beim türk. Sultan und High Com-
missioner von Ägypten 1885/87.
IV, S. 165. 165A. 171. 174 A. 276A.
Wolkenstein-Trostburg, Graf
von, österr.-ung. Botschafter in
Petersburg 1882/94.
III, S. 317. 330. 333. 340. 351.
IV S. 275.
V, S. 211. 216. 217. 233. 234. 236.
238. 307. 313.
VI, S. 3. 9. 18. 30. 31.
Wolseley, engl. General, Komman-
deur des Expeditionskorps in
Ägypten 1882.
IV, S. 33 A.
Wood, Sir Richard, engl. Agent und
Generalkonsul in Tunis 1855/79.
III, S. 387A.
Woronzow-Daschkow, Graf, russ.
Minister des Kaiserlichen Hauses
1881/97.
III, S. 296. 374.
V, S. 69.
W u e r s t.
VI, S. 212.
Württemberg, s. Karl I.
Wulkowitsch, bulg. Agent in Kon-
stantinopel (1887).
V, S. 341. 348. 350.
Wyndham, George Hugh, engl. Mi-
nisterresident, dann Gesandter in
Belgrad 1885 88.
V, S. 22. 23. 24 A.
Wyschnegradski, russ. Finanzmini-
ster 1887/90.
V, S. 308.
VI, S. 123. 323. 330.
Yorck von Wartenburg, Graf,
Hauptmann, dem Militärbevoll-
mächtigten in Petersburg atta-
chiert (1889).
VI, S. 123. 123A. 341. 341 A.
Zagulejew, russ. Journalist (1886).
V, S. 70.
Zamojsky, Graf, Führer der poln.
Emigranten in Frankreich (1879).
III, S. 89.
Zeretelew, Prinz, russ. Generalkonsul
in Philippopel (1879).
III, S.11.
Zia Bey, türk. Gesandter in Belgrad
1885/90.
V, S. 22.
Zichy, Graf, österr.-ung. Botschafter
in Konstantinopel 1874/79.
II, S. 120. 341. 341 A. 342. 344.
III, S. 350.
Zichy, Graf, Mitglied der ung. Dele-
gationen (1887).
V, S. 341.
Zimmermann, von, russ. General
(1874).
I, S. 234.
Zorka Ljubitza, Prinzessin von
Montenegro.
VI, S. 344A.
416
Berichtigungen zu Band I— VI
27 Die Große Polit k. 6. Bd.
Band I.
S. 81, Zeile 11 von oben lies „Aufschub-", statt „Aufschub".
S. 122, Zeile 6 von unten lies „Votre note", statt „notre note".
S. 213, Anm. ** die Fassung im Texte „mit der Republik" besteht zu Recht
gegenüber der Emendierung „mit der Monarchie".
Band II.
S. 127, Zeile 3 von oben lies „Ausschreitungen", statt „Ausschreibungen",
S. 209, Zeile 2 von unten lies „Her Majestys", statt „His Majestys".
S. 335, Zeile 14 von oben lies „Tumor", statt „Turner".
Band III.
S. 13, Zeile 9 von oben lies „Wedel", statt „Wedeil".
S. 30, Zeile 13 von oben lies „Gelegenheit", statt „Gelenheit".
S. 87, Zeile 7 von oben lies „Onou", statt „Onon".
S. 119, Zeile 6 von unten lies „beispiellose", statt „beispielslose".
S. 190, Anm.*, Zeile 4 lies „Mancini", statt „Maneini".
S. 213, Anm.***, Zeile 2 lies „Skobelew", statt „Skobolew".
S. 287, Anm. die Worte „Österreich-ungarischer" sind zu streichen.
S. 369, Anm.*, Zeile 2 lies „Kälnoky", statt „Kälnocky".
S. 389, Anm.**, Zeile 1 lies „1879", statt „1878".
S. 451, Anm., Zeile 2 von unten lies „Minister des Äußern", statt „Minister-
präsident".
Band IV.
S. 25, Anm. ***, Zeile 2 lies „Ernennung", statt „nennung".
S. 26, Zeile 9 von oben lies „Interesses", statt „Interesse".
S. 97, Zeile 6 von oben lies „durch", statt „druch".
S. 158, Anm.**, letzte Zeile lies „1886", statt „1899".
S. 174, Zeile 8 von unten lies „Afghanistan", statt „Abghanistan".
S. 190, Zeile 18 von oben lies „pret", statt „prets".
S. 225, Anm. *, Zeile 4 lies „Gotthardlinie", statt „Gotthardtlinie".
S. 251, Zeile 8 von oben lies „la mer", statt „le mer".
S. 270, Anm. *, Zeile 2 lies „Hatzfeldt", statt „Hatzfeld".
S. 339, Anm., Zeile 1 lies „7. Juli", statt „7. August".
S. 355, Zeile 2 von oben lies „accord ä trois", statt „accord trois".
S. 373, Zeile 14 von unten lies „H[atzfeldt]", statt „K[älnoky]".
Band V.
S. 24, Anm. *, Zeile 1 lies „Vertreter", statt „Botschafter".
S. 304, Zeile 8 von unten: Die Lesart „drei Jahre statt fünf" ist offenbar
ein Schreibfehler Graf Rantzaus; die richtige Lesart wird sein: „fünf
Jahre statt drei".
27^ 419
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UTAH
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