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^ • I - imr inr .
FRIEDRICH DELITZSCH
DIB GROSSETÄUSCHUNG
ZWEITER (SCHLUSS^) TEIL
Fortgefetzte kritifcfie Betradhtungen
zum Alten Tcfiamcnt vomchmliA den Propheten-»
fcfiriften und Pfalmen, nebß Scfilu^foigerungen
Motto]
Um »Gottes« wilkn!
DEUTSCHE VERLAGS-ANSTALT
STUTTGART UND BERLIN
1. 9-2.1
Ale Stdat mhOuHtta
Vorwort .
Bei der Veröffentlichung der „Großen Täuschung" mußte
ich gefaßt sein , daß mir infolge meiner von der alther-
gebrachten abweichenden religiösen Bewertung des Alten
Testaments und des Verhältnisses des Neuen Testaments
zum Alten aus tausend Kehlen jüdischer wie christlicher
Kritiker die Anklage des , »Antisemitismus' ' enigegenschallen
würde*, jenes Schlagwortes, das so vielen Anklägern zum
willkommenen Deckmantel dient für die eigene antideutsche
und antichristliche Gesinnung. Sofern man von mir nicht
das Unmögliche fordert, daß ich unter Millionen Deutscher
und Nichtdeutscher der Einzigste sein soU, der gegen die
Flammenzeichen der jüngsten Vergangenheit und der
Gegenwart blind ist, darf ich mit gutem Gewissen den
Vorwurf des Antisemitismus weit von mir weisen. Ich
*) ««Antisemitische Kampfschrift", ««wüteuder Antisemit" (Frank-
furter Zeitung) ;\«,geistiges Po^^om" (Vossische Zeitung); „gallebitteres
Pamphlet, das die antichristliche (!) Richtung offenbart, die der Anti-
semitismus genommen hat" (Berliner Tageblatt vom 29. August 1920) ;
„brutaler antisemitischer Angriff auf die alttestamentliche Religion und
das gesamte Judentum", „wilder Zorn gegen das israeUtisch-jüdische
Volk", „anti jüdischer, zugleich das Christentum (I) imtergrabender
Fanatismus" (Kölnische Volkszeitung). Und Prof. Dr. M. Rosenfeld
in Wiener Morgenzeitung vom 14. Juli 1920: „sinnverwirrender Paroxys-
mus des Hasses", „Nachkriegspsychose", „Gewissenlosigkeit teuf-
lischer Täuschungsversuche", „Haßorgie", „D. kämpft mit in Gift
getauchter Pfeilspitze gegen den Gott, den das Judentum die Mensche
heit gelehrt hat (I), und findet keinen andern Ausweg aus der jüdi-
schen Gefahr als das jüdische Volk auszurotten und zu ver-
nichten" (in der Wiener Zeittmg gesperrt). Und so fort in infinitum.
Zahlreiche Zuschriften jüdischer Männer, Lehrer, sogar Rabbiner zeigen
mir erfreulicherweise, wie man auch in diesen Elreisen anfängt, solche
Art der Polemik zu verurteilen, ja sich ihrer zu schämen.
A Vorwort.
habe mich mein Leben lang als Gegenteil eines Antisemiten
erwiesen : habe Jahrzehnte hindurch im Verein mit hoch-
gesinnten Männern des Judentums für den Ruhm der
deutschen Wissenschaftgearbeitet, habe viele junge jüdische
Gelehrte in ihren Studien und in ihrer Laufbahn nach
Kräften gefördert, und bin vielen deutsch denkenden und
deutsch fühlenden jüdischen FarnjUien in Freundschaft
verbunden. Auch ist mir in den zahllosen Kritiken meiner
Vorträge über Babel und Bibel und der anschließenden
Schriften niemals, von keiner einzigen Seite der Vorwurf
des Antisemitismus gemacht worden, im Gegenteil hat
mich der Verfasser der „Grundlagen des neunzehnten
Jahrhunderts" unter den heftigsten, mehrere Druckbogen
füllenden Scl^niälu^igen. des, FhUos^mlti^ms bezichtigt.
Da nun die der Neuausgabe des I. Teils und die diesem
n. Teile der „Großen Täuschung" beigefügten zahlreichen
Anmerkungen aus Babel und Bibel II und III zeigen, daß
sich meine religionsgeschichtlichen Untersuchungen seit
igo2 bis heute in durchaus geradliniger Richtung bewegen,
so wird die Wajturheijt wohl in der Mitte zwischen PliUo-
und Antisemitismus liegen, das heißt: eßwi^d anzuerkennen
sein, daß ausschließlich unbestechliche Wahrheits-
liebe mich leitet. Wenngleich die jetzt lebenden christlichen
Theologen ihre überkommenen Schulmeinungen schwerlich
aufgeben werden, ja kaum aufgeben können, so lebe ich
doch d6r Ho&ung, daß jüngere, an den deutschen Volks-
wie Hochschulen lehrende und lernende Generationen die
Darlegunge^ der „Großen Täuschung" ernst und vor-
urteilsfrei prüfen und an ihrem Teüe mit dazu beitragen
werden, das „Alte Testament" aus Schule und Kirche
zu verabschieden und die Gestalt und I^ehre Jesu der
Christenheit rein und unverfälscht wiederzugeben.
Berlin, Mjärz 1921.
Friedrich Delitzsch.
In meiner Studentenzeit erinnere ich mich von einem
berühmten lutherischen Professor der alttestament-
lichen Theologie den Ausspruch gehört oder gelesen zu
haben: „Die Überlieferung des alttestamentlichen Textes
ist vielleicht ein noch größeres Wunder als die alttesta-
mentliche Gottesoffenbarung selbst". Der paradoxe Aus-
spruch bezog sich wohl ursprünglich auf die scheinbar
peinlichst sorgsame Vokalisierung und Akzentuierung der
alttestamentlichen Schriften und wurde dann auf die
Überlieferung d^ alttestaniehtUchen Textes überhaupt
ausgedehnt. Nach dem gegenwärtigen Stande der Wissen-
schaft gäbe es keine gründlichere Verurteilung des Alten
Testamentes als einer göttlichen Offenbarung als jenen
Ausspruch. Denn wir wissen jetzt, daß ims das alttesta-
mentliche Schrifttum, das vermeintliche Wort Gottes, so
fehlerhaft, ja liederlich überliefert worden ist wie nur
irgend denkbar. Ich lasse hier beiseite, daß eine große
Reihe im Alten Testamente zitierter Schriftwerke ver-
loren g^angen ist (siehe Teill Anmm. i und 39), vielmehr
meine ich die von Fehlem allerart geradezu wimmelnde
Rezension der erhalten gebliebenen althebräischenSchrif ten .
Abgesehen von den zahllosen Fehlem der Abschreiber,
die z. B. in den Psalmen nicht einmal die Kehrverse richtig
abzuschreiben sich bemühten ^, und die oft genug Ver-
schreibungen absichtlich stehen ließen, um durch Korrektur
den Wert der Handschrift nicht zu verringern, behandelten
die letzten Abschreiber den ihnen überkommenen Text
dermaßen idiotisch pietätvoll, daß sie sogar alle ausge^
merzten, am Rande verzeichneten Fehler wieder in den
^) Siebe im Anhang die Pss 49, 67, 80.
6 Fehlerhafte Überlieferung des alttestamentUchen Textes.
vermeintlich heiligen T^ct aufnahmen, ebenso die nach
Tausenden zählenden am Rande vermerkten, zum Teil
ziemlich umfangreichen Notizen allerartS infolge wovon
die Psalmen z. B. ihrer ursprünglich poetischen Form voll-
ständig entkleidet und Hunderte anderer alttestament-
licher Stellen, z. B. im Buche Hosea, in trostloser Ver-
wirrung auf uns gekommen sind. Dazu kommt aber ein
Anderes, wenn möglich noch Schlimmeres. Die alttesta-
mentUchen Schriften waren gleich vielen anderen semitischen
Schriften ursprünglich so geschrieben, daß nur die Konso-
nanten graphischen Ausdruck fanden, die Vokale dagegen
nur ganz notdürftig und mißverständlich durch die so-
genannten Halbvokale h, j und v (le^) bezeichnet wurden.
Erst im 7. Jahrhundert n. Chr., nachdem das Hebräische
bereits acht, neun Jahrhunderte aufgehört hatte, eine
lebende Sprache zu sein, und authentische hebräische
Sprachkenntnis und natürliches Sprachgefühl mehr und
mehr verblaßt waren, unternahmen es die sogenannten
Masoreten, die althebräischen Schriften mit unmißver-
ständlichen Vokalzeichen zu versehen, ließen sich aber
dabei in Hunderten von Fällen Fehler, ja sogar Schnitzer
zum Teil bedenklichster Art zuschulden kommen. Indes,
das sind Interna der hebräischen bzw. alttestamentUchen
Sprachwissenschaft. Für weitere Kreise der Gebildeten
sind diese fehlerhaften VokaUsierungen nur insoweit von
Interesse, als sie Eigennamen betreffen, und diese von
jüdischen sprachunkundigen Gelehrten gemachten Fehler
seitdem Gemeingut der abendländischen Völker geworden
sind. So hat es z. B. eine Stadt des Namens Ninewe
{Nivsvii, soschon griechische ÜbersetzungundNeuesTesta-
ment) niemals gegeben. Diese Vokalaussprache der über-
Ueferten Konsonanten ist ebenso willkürUch als falsch. Die
konsonantische Wiedergabe meinte Nlnüa, wie die Assyrer
ihrel^andeshauptstadt niemals anders als Ninüa oder Nina,
^) Siehe für all dies und das Folgende meine in Teil I Anm. 2
zitierte Sclirift.
Falsche Überlieferung vlder Eigennameii. y
griechisch fj Ntvog, nannten K Ein Fall von vielen. Aber
auch nicht einmal die eigenen hebräischen Namen wußten
sie richtig zu lesen. So hat es z. B. auch einen Propheten
Obadja niemals gegeben, der Name Obadja ,,EInecht
Jahos'' ist so unhebräisch wie möglich, aber der Fehler
wird kaum auszurotten sein, obwohl schon die zirka acht
Jahrhunderte früher lebenden griechisch-jüdischen Bibel-
Übersetzer, die noch wesentlich besser hebräisch ver-
standen als ihre Epigonen, den Namen richtig Abdia
lasen, in der lateinischen Bibelübersetzung Abdias, wie
der Prophet demzufolge auch in der katholischen Elirche
mit Recht heißt. Die schönsten hebräischen Personen-
namen wie „Harre, hoffe auf Jaho": ChakkSrU^Jah,
Qaww^l^'Jah, JachdrU-el wurden nicht mehr verstanden
und in ChakaJja, Qöläja, JacM^d verballhornt*. Absicht-
lich falsche Lesungen erlaubten sich die Punktatoren mit
den fremdländischen Gottheitsnamen. Da es Ex 23^'
heißt: „Den Namen anderer Götter sollst du nicht nennen,
nicht werde er gehört in deinem Munde", gaben sie, so-
weit es möglich war, den fremden Gottheitsnamen die
Vokale des hebräischen Wortes böschet, das ist etwa
„Schandgötze", daher: 'AscfUöreth, Lä'Ömer, und vor allem
MöUch, eine tendenziöse Vokalaussprache, die schon dem
Moloch der griechischen Bibelübersetzer zugrunde li^en
mag. In Wahrheit hat es niemals einen Gott namens
Moloch g^eben, der wirkliche Name dieses kanaanäischen
Gottes war Mälk oder Mäläch. Täuschung über Täuschung
schon in solchen Äußerlichkeiten.
^) Die in den hettitischen Boghaz-köi-Ihschriften wechselnden Schrei-
bungen wie Ta-ku-wa nnd Ta-ku-^-^ (Nr. i Z. 30 f.) » Taküa lehren,
daß auch die Schreibungen wie Ni-nu-wa Ninüa meinten«
*) Hd. König bleibt natürlich bei dem mittelalterlichen Cht^alja
und deutet dies ,,Umdunkelt hat sich J." (1), obwohl bereits Th. Böhme
(1871) das Richtige erkannt hatte. Und Qöläja soll heißen : ,,eine Kunde
(t) ^ Gnadenzeichen (I) J/s" — da hört jede wissenschaftliche Dis-
kussion auf.
•^
?■ *♦ I
f
I
IV
hl-;'
i'SiV. -
\
8
Die Erzählung Lev 24i<^i^
Indes, das alles ist im Grunde wenig belangreich. Un-
gleich wichtiger ist eine andere Irreführung der christ-
lichen Völker — ich meine die allbekannte Aussprache des
israelitischen Gottesnamens als Je ho va.
Im dritten Buche Mosis (Lev 24^^^*) wird erzählt» daß
der Sohn eines israelitischen, näher danitischen Weibes
und dnes ägyptischen Vaters im Lager mit einem Israeliten
in Streit geraten sei und den Namen Jahos verflucht^
bzw. geschmäht^ und verwünscht* habe, worauf Jaho
Mose Befehl gibt, den „Verflucher' * {hanhm^qaUel) durch
die ganze Gemeinde zu Tode steinigen zu lassen: „jed-
weder, der seinen Gott verflucht {j^qaUel), soll seine
Sünde büßen', und wer den Namen Jahos schmäht
{nöqeb), soll getötet werden — steinigen soll ihn die
ganze Gemeinde....; dafür, daß er geschmäht hat den
Namen Jahos, soll er getötet werden". Der Zusammen-
hang der Erzählung führt mit aller nur erdenkbaren Klar-
heit darauf, daß die betreffenden Gesetzbestimmungen
einzig und allein gegen das Verwünschen, Verfluchen
des Namens Jahos, das ist Jahos selbst, gerichtet sind.^
Wohl alle christlichen Theologen dürften darin einig sein,
daß das betreffende Verbum {Häqab) an der Stelle Lev 24^*
nichts anderes als „schmähen" bedeuten kann, wie ja
schon Luther „lästern" übersetzt. Dag^en faßten die
späteren jüdischen Schriftgelehrten das Verbum näqäb in
^) Je nachdem waj-jiqqJih, V. 11, was das Nächstliegende, von qäbab
„verfluchen" oder, worauf V. 16 führt, von näqab (s. hierunten Anm. 4)
abgeleitet wird.
*) quin» das gewöhnliche Verbum für „verfluchen".
') Vgl.Bx 22*7 : „Gott sollst du nicht verfluchen" {UqcUtit).
*) Sie beweisen ebendamit für das hebräische Verbum Häqab» welches
ursprünglich ».durchbohren" bedeutet, neben „bezeichnen" usw. (vgl.
englisch to style), noch eine weit^e Bedeutung „schmähen", genau so
wie arabisch ta'ana die beiden Bedeutungen „durchbohren" und
„schmähen" in sich vereinigt. Zu dem Bilde : jemand mit Worten durch-
bohren = schmähen beachte auch Ps42^^. Auch das deutsche „Stich-
wort" konnte ein „verletzendes Wort" bedeuten. Und vgl. „sticheln".
Der vennemtlidi unausspredibare Jaho-Name. q
der dritten ihm eigenen Bedeutung: ,,bezeichnen, be-
stimmen, benennen", verdrehten diese Bedeutungen in
die Bedeutung ^^aussprechen" und fälschten das Gesetz
Lev 24** gegen Kontext und gesunden Menschenverstand
um in das Gesetz, daß den Namen Jahos auszusprechen
die Todesstrafe verwirke. G^en den gesunden Menschen-
verstand: denn man fragt sich erstaunt, warum der
Gottesname durch alle Jahrhunderte hindurch von He-
bräern und Moabitem JHVH geschrieben und gewiß
auch ausgesprochen wurde (letzteres vom Alten Testament
selbst sogar für den assyrischen Heerführer Sanheribs be-
zeugt, siehe2 Kö 18». ». ^ ««; Jes 36^. 10. 18. 20) bis plötz-
lich die ganz späte, dem 5. Jahrhundert entstammende
Erzählung des Leviticus die Aussprechung des Gottes-
namens verbot, ja mit dem Tode bedrohte I Indes, gleich-
viel ob noch so unberechtigt, man begann das sogenannte
Tetragramm, mit welchem der Gottesname, wenn er selb-
ständig gebraucht war, geschrieben wurde, bald durch
Elöhtm „Gott", bald durch Adönäi „Herr" zu ersetzen
(Anm. i), die späteren Hinzufüger der Vokalzeichen aber
gaben dem Gottesnamen bald die Vokale des ersten, bald
jene des zweiten Ersatzwortes, sodaß nun das Tetragramm
bald als Jeho^, bald als Jehovä (hier e statt a) vokalisiert
erscheint, während es nach der Absicht der Vokalisatoren
dort E161^m, hier Adönäi gelesen werden sollte. Sie ver-
sahen also, um das Gesagte an deutschen Wörtern zu illu-
strieren, das für unaussprechbar gehaltene „Herrgott" mit
den Vokalen von „Allherr", damit statt Herrgott vielmehr
Allherr gelesen werde. In vollstem Mißverständnis dieses
Tatbestandes lasen aber die Gelehrten des Mittelalters,
las I/Uther und liest bis auf den heutigen Tag die ganze
Christenheit den schlechterdings unsinnigen Namen Jeho va
und besingt Gott mit dem Namen Jehova, was ebenso
anwidernd ist, als wenn man unsem Herrgott mit Harrgett
besingen wollte. Es wird wahrlich Zeit, daß mit diesem
sonnenklaren Unsinn aufgeräumt wird, daß dieses Mon-
IfCatmg JeboTa.
um von Gottesnamen, das unsere Kirchenlieder und
sere christlichen Bücher schändet, ein für allemal aus-
rottet werde. „Dir, Dir, o Allherr, will ich singen", aber
i Gottes mllen nicht länger: „Dir, Dir, Jehova, will ich
gen". Die letzte Schuld tr^en freihch auch an diesem
iulichen Worte Jehova die jüdischen Schriftgelehrten,
: ^cher nicht so töricht waren, den wahren Smn der £r-
blur^ Lev 24 zu verkennen, die aber mit Freude die
l^enheit ergriftai, dadurch, daß sie die Schreibung ihres
•ttesnamens mit den vier Ktmsonanten für unaussprech-
r erklärt^i, diesen hebräischen Gottesnamen mit ge-
imnisvollem, heiligem Nimbus zu umklöden, wie ja die
lirenden Männer Israels es je und je meisterhaft ver-
luden haben, Israels S^en, Geschichte, Institutionen,
rvorragende KOinner mit einem durch die Tatsachen ganz
d gar nicht gerechtfertigten Nimbus der HeiUgkeit zu
igeben, woraufhin natürlich auch unsere alttestament-
hen Theologen immerfort von „heiliger" Geschichte,
eiliger" Sage sprechen, die hebräische Sprache und
teratur als „heilig" bezeichnen und Eduard König jene
•r Konsonanten JHVH sogar das „hochheiligeTetra-
imm" nennt*. In Wahrheit ist, wie neuere Funde'
lüießen lassen, der dritte Buchstabe, das V, nur ein
sich entbehrücher Vokalbachstabe, um die Aussprache
s ursprünglich HH^ geschriebenen Namens als Jahd zu
') HAräiickM 'und aramäischet WOrttrbueh ntm Alten TutatMnft
ipdg 1910, S. 144 a.
') leb mdue die Sclirelbimg anch de« selbständig stehenden Gotte»-
mens als ^, ebunol auch t^T, In den aramäischen FapTii ans
spbantliie (NSberes in Anin. 3). Diese Sciueibnngen reichen Iiln zum
welae, daß das •) in 7r\^'' nicht radikal sein kann, sondern nur
kalbnchstabe. Da auslautendes 6 einerseits sowohl dnicli ^ als
rch n wiedergegeben werden konnte (vgl. die B^etmatnen N'eM,
6, Jertehe sowie z. B. den Inf . abs. rÜS „aeben"), osderetMlta gern
t zwei Vokalbuchstaben ^ und tj geschrieben wurde (vgl. 'IddO,
pka. N^bd n. a.], so kann die dreifache Scbrefbnng von Jakä fJ'hSi
n^^ irP< nur* nicht vermindern.
Die Es 3^* versuchte Deutung des Tetragramms. n
sichern, wie ja in den hebräischen Personennamen eben-
dieser Gottesname zu tausend Malen als Jeh6, Jähü, er-
scheint, z. B. Jehönäthän, Chizqijjähü usw. Es wäre ja
auch im höchsten Grade befremdend, wenn in dem als
männlicher Personenname dienenden Sätzchen: EUphö
(Jö)' 'Snäi „auf Jaho sind meine Augen gerichtet" und in
dem eine gewöhnliche Aussage bildenden Sätzchen:
elächä ph6 'Snäi „auf dich, Tf\JV, sind meine Augen ge-
richtet" (Ps 141 ^ vgl. 25^*) der einmal kürzer (irT^), das
andere Mal mit einem Buchstaben mehr (mn*') geschriebene
Gottesname einmal Jeh6, das andere Mal Jahwe gelesen
worden wäre. Das Nebeneinander dieser beiden Aussagen
beweist zugleich von neuem die Widersinnigkeit vom so-
genannten namen ineffabile. Die Schrulle der vermeint-
lichen Unaussprechbarkeit des Tetragramms gestattete
nun aber, in das Tetragramm allerhand hinein zugeheim-
nissen, wozu der erste Ansatz bereits mit Ex 3 ^* gemacht
war. Auf die dortige Frage Mosis, was er den Kindern
Israels sagen solle, wenn man ihn nach dem Namen ihres
Gottes fragen würde, antwortete Gott, den eigenen Namen
als hebräisch deutend : ä¥jä aschär äj^jä, was schon nach
lyuthers Übersetzung heLßen soll: „ich werde sein, der ich
sein werde", und weiter : „so sollst du sagen zu den Eindem
Israel: Ä¥jä hat mich zu euch gesandt". Aber selbst
angenommen, daß das betreffende hebräische Verbtmi
für „werden, geschehen" auch „sein" in dem hier' be-
nötigten Sinne bedeuten könnte, ist diese Deutung „ich
werde sein, der ich sein werde" so nichtssagend wie nur
möglich. Um die ewig unveränderliche Absolutheit des
göttlichen Wesens zum Ausdruck zu bringen, müßte doch
gesagt sein : ich war oder ich bin, der ich sein werde (vgl.
die alte Deutung 6 öv wxl ö iaöfjievog, sowie z. B. Jes 41 *).
Diese Kombination des Gottesnamens J%ö, Jähü mit den
von fem anklingenden hebräischen - Verbalformen p¥jä
„er wird", j^ht „es werde" ist eine jener schlimmen Volks-
etymologien, wie sie das Alte Testament so massenhaft
12 Die Unbaltbaikdt der Iicsong Jahwe,
verunzieren' — Wortspiekreien, gut gemeint, zum Teil
auch sinnig, aber meist von Gnmd aus verfehlt, wie z. B.
der Name BSb-el's, d.h. „Pforte Gottes", von dem hebräi-
schen Schriftsteller als „Verwirrung" gedeutet wird, eine
für jeden Einsicht^en an den Haaren herbeigezogene
Woitveidrehni^, die aber von Ed. König dennoch als
einzig richtige Namensdeutui^ gerechtfertigt' wird, wes-
halb es mir für meine Person nutz- und zwecklos erscheint,
irgendwelche seiner Darl^ungen e in g ehenderer Beachtui^
und Widerl^;ung zu würdigen. Den Ursprung des kana-
anäischen Gottesnamens Jaho darzul^en, ist hier nidit
der Ort. Mag sdn Uisprung und seine Bedeutung bereits
anfklärbai sein oder nicht — so vid ist ^cher, daß die be-
liebt gewordene Lesoi^ des Tetragranunes als Jahwe und
seine Deutung als „er ist", d. h. „Seiender, Bldbaider,
Beständiger, Ewiger", de^eichen daß die Annahme ver-
meintlicher Abkürzung von Jahwe zu JehS, Jähd, Jäh
aus graphischen wie grammatisch-lexikalischen Gründen
nicht lauger haltbar ist (Anm. 2), mögen die alttestament-
lichen Theologen noch so lar^e fortfahren, an dem her-
gebrachten IiTtume festzuhalten.
Unvergleichlich verhäi^nisvoller aber als die Um-
vokali^nmg des Gottesnamens Jaho in Jehova ist die
von Israel den christlichen Völkern bis auf den heutigen
Tag suggerierte Gleichsetzung des Gottes Jaho mit dem
über alle Völker und Menschen in voUkonunen gleicher
Wdse waltenden, das ganze Weltall durchdringenden, be-
lebenden und erhaltenden Weltgeiste, den wir „Gott"
nerraen. Dies ist die im I. Teile meiner Schrift „Die große
Täuschung" gemdnte und bewiesene weltgeschichtlich
größte Täuschung, der alle nichtisraelitischen, im Glauben
an das Alte Testament als an „Gottes" Wort erzc^enen
I) Ich criniMie um an die Brklänmg des Nunens Samnel (i Sa 1 **),
nnd Tgl. daa befcHs I S. 32 Gesagte.
■) })'^ .Verwiirong'. alA£il£iVH. Gottespforte' in der Keilschrift-
liteifttnr aufgefaßt" {Hebr. Wörterbuch t. v.]l
Jaho der hebräische Nationalgott. jq
Völker zum Opfer gefallen sind. Kein urteilsfähiger An-
gehöriger des jüdischen Volkes, der nicht aufrichtig zu-
gäbe, daß der alttestamentliche Gottesbegriff der denkbar
engherzigste, partikularistischste gewesen und bis auf
diesen Tag geblieben ist: Jaho, der „Heilige Israels", ist
der ausschließliche Gott Israels, der auch ausschließlich
auf dem Boden und nach der Sitte seines I^andes verehrt
werden wollte und durfte, und Israel ist unter allen
Völkern des Erdkreises das einzige, das Jaho sich zum
Eigentume erwählt hat. Hundert und aberhundert Stellen
des Alten Testamentes sprechen diese für ewig feststehende
Tatsache unumwunden und unzweideutig aus. Mein Nach-
weis brachte und bringt in der Tat an sich absolut nichts
Neues. Nur konnte ich als- Forscher auf dem Gesamt-
gebiete altorientalischer Wissenschaft die alte Wahrheit
noch weiter illustrieren und bekräftigen durch den Hinweis,
daß alle vorderasiatischen Völker ihren besonderen
Nationalgott besaßen, daß ein Volk erst durch diesen
seinen besonderen Gott als seinem nationalen Oberhaupte
existenzfähig, existenzberecht^t wurdie. Auch dies lehrt
das Alte Testköient an zahlreichen Stellen, z. B. durch
die bekannten Worte Ruths : „Dein Volk ist mein Volk
imd dein Gott ist mein Gott." ^ Diese denkbar engste Zu-
sammengehörigkeit Jahos und Israels kommt auch darin
zum Ausdruck, daß die hebräische Namengebung (in
Übereinstimmung mit der anderer semitischer Völker)
nicht davor zurückscheut, Jaho als „Bruder" und „Volks-
genossen" des einzeliien Israeliten in Anspruch zu nehmen
(Anm. 3) . Es ist dn wahres Verhängnis, daß von den alten
vorderasiatischen I/iteraturen bis vor wenigen Jahrzehnten
nur die lyiteraturreste der Hebräer bekannt waren und daß
infolge ihrer grundfalschen Bewertung &11 Gottesbegriff
uns übermittelt wurde, der zwar leicht erkennbar alle
^} Beachte anch die dem Abgesandten des assyrischen Königs Sanherib
in den Mund gelegten Worte 2 Kö i8»*«-; Jes $6^*^ und 2 Kö 19";
Jes37M
n
I^ Jabo eine Vcfxcmnig des
Merkmale des beschräflkten Gesichtskreises und des maß-
losen Kigendihifcfb der Wfistmsohne, der Hd>räer genaa
so wie der Araber, zur Schan trog, aber trotzdem unser
geistiges Ange dermaflen Uendete, daß es die große Tan*
sdrang: Jaho — Gott, nicht langst sdion durdischante.
Trotz alledem, wer mochte es wagen, dem israditischen
Volke nnd den nbr^en vorderasiatischen Völkern ans dieser
ihnen eigentSmlichen engb^renzten Gottesanschannng
einen Vorwurf zn machen? Wahre Religiosität ist
tolerant — Gott der Herr siehet das Herz an. Um so
ernsteren Widerspruch fordert dagegen der Irrwahn heraus,
der sich im Alten Testament an die alleinige Auserwählt«
heit Israels seitens Jahos oder „Gottes'' geknüpft findet,
daß nämlich „Gott'' von allen vorisraelitischen Völkern
überhaupt keine Notiz genommen, ja daß er ihnen
sogar die Verehrung von Sonne, Mond und Sternen, also
den ihm verhaßtesten Götzendienst als „Surrogat'' für
die Israel allein vorbehaltene wahre Gottesverehrung zu-
geteilt habe! Bbi für den gerechten Gott wie für die ganze
vor- tmd nachisraelitische Menschheit empörender Irr-
glaube, eine Verzerrung des wahren Gottesb^ri£Es, in die
aber sogar noch der Apostel Paulus sich verstrickt zeigt,
indem er im Bpheserbrief {2^^^) annimmt, alle nicht-
israelitischen Völker der Erde seien Jahrtausende hindurch
„ohne Teil am Bürgerrecht Israels, ohne Hoffnung und
ohne Gott in der Welt" gelassen gewesen I Wie
namenlos klein und beschränkt mutet uns diese Gottes*
und Wdtanschauung an angesichts unseres durch die
Ausgrabungen — Gott sei Dank — so außerordentlich ge-
weiteten Gesichtskreises, im Hinblick obenan auf das
sumerische Volk, dessen Existenz gleichzeitig das ganze
Kartenhaus von „Sem, Harn und Japhet" über den
Haufen wirft, jenes Volk, dessen Blüteperiode zwei, drei
Jahrtausende älter ist als das erste Auftreten der Hebräer;
jenes Volk, das einerseits sich ebenso liebevoll wie poetisch
in alle Erscheinungen im Himmel, im Wasser, auf der Erde
Das papieme Dogma vom aogenannten ,,Heibweg". j^
versenkte, in ihnen allen göttliche Offenbarungen ver*
körpert sah, aber trotz seines buntgestaltigen Pantheons
das Walten Eines allumfassenden göttlichen Wesens ahnte»
andererseits den theoretischen Gottesglauben in idealste
Praxis umsetzte durch die I^hre, daß jeder Mensch Kind
seines Gottes ist, in jeden Menschen bei seiner Geburt
sein Gott als sein guter Geist Einzug halte, und daß es
für den Menschen keinen größeren Fluch gebe, als wenn
infolge andauernder Sündhaftigkeit sein Gott von ihm
weicht und abseits sich niederläßt.^ Kein Zweifel, daß
diese Religiosität des sumerischen Volkes in der Religions-
geschichte und Religionsphilosophie noch die ihr ge-
bührende Würdigung finden wird und daß ebenso wie die
Ethik so auch der Gottesglaube des nach alttestament-
lieber Vorstellung gottverlassenen Volkes der Sumerer
höher eingeschätzt werden wird als Moral und Gottes-
glaube des vermeintlich auserwählten „Gottes'Volkes.
Es bleibt eben dabei, daß Jaho lediglich Israels National-
gott ist, genau so wie nach alttestamentlicher Bezeugung
Kemosch der Gott Moabs, Milkom der Gott Ammons war,
und wie das assyrische Volk Aschur zu seinem Spezialgotte
hatte.
Dieser aus vorurteilsfreier Erforschung des Alten Testa-
ments sich ergebende Tatbestand ist so klar, daß man
eine I^ugnung desselben oder selbst nur eine Verschleie-
rung für ausgeschlossen halten möchte. Und doch bringen
unsere christlichen alttestamentlichen Theologen, einge-
sponnen in das mittelalterliche papieme Dogma vom so-
genannten „Heilsweg", sowohl I^eugnung wie Verschleie*
rung fertig.
Leugnung. Eduard König bleibt dabei: Jaho ist
Weltengott, und wirft mir, gewiß ohne es selbst zu glauben
(denn siehe I, S. 85), Unkenntnis der Stdle Gen I2*'* vor:
„Ich werde dich zu einem großen Volke machen und dich
s^nen und deinen Namen groß machen und sei ein Gegen-
1) Siehe hierüber weiter S. 44.
> Vemniittwidrigkcit des w^cnanntai .^dbw^s".
and des Segnens ! Und ich weide segnen, die ^di segnen,
id die dich verwünschen, verflncheo, und durch didi
illen gesegnet weiden alle Geschlechter des Eidbodens"
gl. i8*» n. ö.). Aber diese Worte, die ein Geschichts-
hreiber, nchtiger Geschichtsmacher, Jaho als zn dem
ctiven Erzvater Abraham gesprochen in den Mund ge-
gt hat, besagen doch in nacktester Weise, daß Abrahams
olk der einzigste Empfänger und Träger des ^tüichen
>gens ist, S^nung oder Verfluchung aller übrigen Eiden-
>lker aber ablüngt von ihrem Verhalten gegenübo'
;iad: nur wer Isr^l s^net und sdig preist, gewinnt
ottes Segen. Der denkbar krasseste partikularistische
^endünket. Dazu: welch unfaßbar korzächt^erWelten-
>tt, der alle Völker der Erde durdi dn Volk segnen wollte,
if das er sdbst Eluch auf Fluch ob semer Gottlo^kdt
ad Sündhaftigkeit von Anfang bis zum Ende sdnes
Eitionalen Bestandes zu häufen gezwungen war! Wdch
^radezu blind zu nennender Gott, der Abrahams Nach-
smmenschaft auseisah, damit sie in Beobachtung des
^eges Jahos „Recht und Gerechtigkeit üben" sollte
Jen iS**), während Israel und Juda gerade infolge Niciit-
ms von Recht und Gerechtigkeit zi^iunde gingen I
^elch Stümper von Pädag(^e dieser Jaho, der nach den
ergilbten KoU^enheften der alttestamentiichen Theo-
gen „die wahre Religion zunächst in einem kleineroi
ireise einwurzeln und zu dnem starken Baum aufwachsen
issen wollte", und zu dieser „Pflanzschule der Verehrung
ottes und der aus ihr geborenen Sittlichkeit" gerade die
■nitstätte der Verehrung des goldenen Kalbes und einer
on den Propheten selbst gezüchtigten Sittenlos^keit
hnegleichen ersah ! ^ Und nun gar erst vom Standpunkte
I) In der toq Bd. König im Rtielubottn Tota 7. JttU 1910 Tercffent-
::Iiten Bntgegnmig (vgl. aadi die Post vom 9. Juli 1930) beiBt es (die
emerkungen Imierhslb der Elaoimeni und die Auaniftmgszelclieii
Ammen von mir) : „Etat aU sicli In der Menschlieit die Tendenz zeigte,
le irdischen Schtanken zn ttben^)ringen, gldcbsam znm Himmel
Jahos yermeintliche Entwiddtiiig zum Universalgott« j^j
des Christentums aus — welch absolut unvorstellbarer
„Heilsweg", daß der allweise Gott sich zu seinem Eigen-
tums- und lyieblingsvolke ein Volk erkoren habe, das der-
einst den Gottessohn ans Elreuz schlagen und ihm sowohl
wie dem Christentum durch die Jahrtausende hindurch
nie geminderten tödlichen Haß bewahren solltet
Indes nicht minder verwerflich wie die Leugnung der
Tatsache, daß Jaho zu Unrecht mit dem Weltengott
identifiziert wird, ist die bei den liberalen Theologen be-
liebte Verschleierung, indem sie behaupten, der ur-
sprünglich in der Tat rein partikularistische Gottesbegriff
Israels habe sich allmählich, vor allem durch tmd seit
Deuterojesaia nebst den Psalmisten, zur universellen
Gottesidee Jesu entwickelt. Aber angenommen, diese
Behauptung entspräche der Wirklichkeit, so wäre doch
emporzusteigen (1), die eigene Einsicht an Stelle der göttlichen Vor-
sehung zu setzen (!), kurz, die Gottheit zu entthronen (1 welchem
Volke wäre dieser Wahnsinn je beigefallen?), wie diese Tendenz des
Menschengeschlechts sich beim Turmbau zu Babel (!) zeigte, erst
damals ist von der göttlichen Geschichtslenkung der Plan ausgeführt
worden, die wahre Religion zunächst in einem kleineren Kreise ein*
wurzeln imd gleichsam zu einem starken Baume (vgl. den Kälber-
dienst I) aufwachsen zu lassen, ehe sie allen Stürmen (t) der allgemeinen
Menschenkultur ausgesetzt werden sollte". Bs ist dies der Ausbund
veralteter religionsgeschichtlicher Irrlehre, die nur möglich war, solange
für den alten Orient das Alte Testament die einzigste Quelle bildete.
Das Gleiche gilt von Königs weiteren Beweisen für den Universalismus
des Jaho-Glaubens: Jona's Missionstätigkeit in Ninewe (I) imd etliche
andere samt und sonders falsche Zitate (Gen 20*, 33*, 50^), die wohl nur
noch für ihn ganz allein unter allen alttestamentlichen Theologen Be-
weiskraft besitzen. Unter allen tieftraurigen Btscheinungen unserer Zeit
ist eine der abstoßendsten die, daß der Vorstand der Deutschnationalen
Volkspartei sich in alttestamentliche Fragen mengt, von denen er doch
absolut nichts versteht, tmd daß er gleich der konservativen Partei
Bd. König zum allein berufenen Interpreten des Alten Testamentes
erhebt und Jaho auch seinerseits als Weltengott proklamiert — o deut*
sches national denkendes Volk, wie bist auch du schon mit Beihilfe
deiner christlichen Theologen vom Judentum umgarnt, ja fast schon
erstickt! S« weiter Anm. 4.
Delitzsch, Di« gross« Tiaschnag. j
x8 ^^^ gleiche beschränkte Gottesidee bei den Propheten. ■
damit erwiesen, daß das Alte Testament, soweit es jener
beschränkten Gottesanschauung huldigt — das ist aber der
weitaus größte Teil des Alten Testaments — , von einem
falschen GottesbegrifE ausgeht und ebendeshalb für
religiöse Zwecke völlig ausgeschaltet werden muß. Jedoch
ist tmd bleibt diese ganze Annahme einer allmählichen
Erhebung des partikularistischen Gottesbegriflfs zu höherer
und reinerer universeller Gottesanschauung unbeweisbar,
sowohl Propheten wie Psalmen bezeugen das Gegenteil.^
Auch die fälschlich ,,Propheten" übersetzten n^Wtm,
das ist Sprecher, jene nationalgesinnten, für Erhaltung
ihres Glaubens und Volkstums glühenden und mit Wort
und Schrift dafür eifernden Männer sind festgebannt in den
doppelten Glaubenssatz (siehe I, S. 83): es gibt keinen
höheren Gott als Jaho, und Israel ist das Volk Jahos.
Wäre imseren alttestamentlichen Theologen nicht von
ihrer eigenen Studienzeit her eine ganz falsche Beurteilung
des Verhältnisses des Alten Testaments zum Neuen Testa-
ment in Fleisch und Blut übergegangen, so sollte man über
die engherzige, beschränkte Gottesidee auch der Pro-
pheten vom ältesten bis zum jüngsten füglich gar nicht
mehr zu sprechen haben. Auch ihnen ist Jäho der aus-
schließliche Gott Israels und kein Mensch, kein Volk
hat Zutritt zu Gott außer durch das Medium Israels. Seit
dem Auszug aus Ägj^ten hat Jaho sich mit seinem Volke
verbunden auf ewig, und wenngleich dieses durch alle
Jahrhunderte hindurch sich widerspenstig bis zum Äußer-
sten gezeigt, es mit grenzenloser Liebe und Langmut ge-
tragen, während er alle Israel feindlichen Erdbewohner
mit seinem unauslöschlichen Zorne verfolgte imd in alle
^) Ebendeshalb, weil ich weder im Gottesbegriffe noch in der Geistes^
Veranlagung Israels irgend eine Spur von ,3ntwickelung" zu erkennen
vermag, weder in der exilischen und nachexilischen Zeit noch sogar
in der Gegenwart, muß ich den mir so vielfach gemachten Vorwurf,
ich hätte keinen Sinn für ,, geschichtliche Entwickelung", als haltlos
zurückweisen.
Die gleiche beschränkte Gottesidee bei den Propheten. jg
Zukunft verfolgen wird, ihnen den Taumelkelch seines
Grimmes reichend. „Nur in Israel ist Gott" lesen
wir Jes 45^*. Von einer Entwickelung des engum-
schränkten Volksgottes zum universellen Weltengott kann
sich gar keine Spur finden, solange Israel das Volk bleibt,
das Jaho von Mutterleibe an sich gebildet, das er allein
liebgewonnen und sich auserwählt hat (Jes 41® 43^» *®'*
44^). Ich erinnere nur noch einmal einerseits an das
bitterböse Wort Amos3*: „Von allen Geschlechtem des
Erdbodens habe ich nur von euch Kenntnis genommen",^
andererseits an das von Selbstüberhebung ohnegleichen
zeugende Wort des Propheten Zacharia (8^) : „So spricht
Jaho Zebaoth: In jenen Tagen geschieht's, daß zehn
Männer aus allen Zungen der Völker {Gojim) sich fest-
klammern werden an den Rockzipfel eines jüdischen
Mannes, bittend : laßt uns mit euch gehen, denn wir haben
gehört: Gott ist mit euch!" Jahos Universalität besteht
einzig und allein darin, daß seinem Volke Israel die ver-
heißene Weltherrschaft zufällt, womit zugleich Jahos
Schwur sich verwirklicht, daß jedes Knie Jaho sich beugen
werde (Jes 45 ^) . Rabbiner Dr. Beermann- Heilbronn
schließt seine Entgegntmg auf Teil I der „Großen Täu-
schung" mit dem Hinweis auf das „mit Recht an den
Pforten so vieler S3niagogen prangende" Wort Jes 56'':
„Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle
Völker". Aber gegenüber diesem nicht auszurottenden
gewissenlosen Mißbrauch einer aus dem Zusammenhang
gerissenen Stelle bemerkt mit Recht BernhardDuhm
in seinem Kommentar zum Buche Jesaia (S. 395): „Es
handelt sich hier keineswegs um eine überale Öffnung des
Tempels für jedermann, sondern um die Möglichkeit der
*) Häßlich übersetzt Bd. König obige Worte: „Nur euch habe ich
zu meinem guten Bekannten gemacht unter" usw. Die Fortsetzung
des Verses 2: „darum werde ich an euch eure Missetaten heimsuchen'*,
ändert an der vorausgehenden Aussage über Jahos Verhalten gegenüber
den nichtisraelitischen Völkern auch nicht das Mindeste.
20 ^^ gleiche beschränkte Gottesidee bei den Propheten.
Zulassung von Fremden gegen Erfüllung der vorher ge-
nannten Bedingungen, d.h. des vollständigen Über-
tritts zum Judentum, der Beschneidung usw. Damit
blebit das Judentumhinter den meisten Religionen noch weit
zurüdc" . Gegenüber aber der im vorhergehenden Verse 6
vom Propheten gegebenen Verheißung, daß den Fremd-
lingen gestattet werde, zum Tempel Jahos zu kommen,
weist D uhm gleich richtig darauf hin, daß an dem großen
Bettage nach dem ersten korrekt gefeierten Laubhüttenfest
die Fremdgebomen trotzdem nicht zugelassen wurden
(Neh 9*). In der Tat ist selbst das dem echten Israeliten
ein Greuel, daß die Heidenvölker an der Verehnmg Jahos
teilnehmen und damit Gotte sich nähern möchten, vielmehr
werden sie von dem Propheten mit kalter, rauher Hand
auf ewig zurücl^estoßen 1 Ach, daß doch tmsere Führer
in geistlichen Dingen mit scharfen Augen zu sehen und
zu lesen vermöchten, um dann der ungeschminkten Wahr-
heit die Ehre zu geben ! Wir lesen bei Jes 2 ***: „Und es
wird geschehen in der Zukunft der Tage, da wird der Berg
des Hauses Jahos feststehen an der Spitze der Berge und
überragen die Hügel. Und es werden zu ihm strömen alle
Heiden (Göjitn), und sich aufmachen viele Völker und
sagen : Auf ! laßt uns hinaufziehen zum Berge Jahos, zum
Hause des Gottes Jakobs, daß er uns unterweise in seinen
Wegen und wir wandeln auf seinen Pfaden, denn von Zion
geht aus Unterweisung und Jahos Wort aus Jerusalem".
Es folgt die Schilderung des Anbruchs eines allgemeinen
Völkerfriedens, worauf es in Vers 5 heißt: „Haus Jakobs,
auf ! laßt uns wandeln im Lichte Jahos !" Ebendiese Worte
Jes 2*"* finden sich so gut wie wörtlich bei Micha 4^'*,
aber dort ist sogar diesem Huldigungszug der Völker nach
Jerusalem ein Dämpfer aufgesetzt durch Vers 5: „Für-
wahr! die Völker alle mögen wandeln ein jedes im
Namen seines Gottes, wir aber wollen wandeln im
Namen Jahos, unseres Gottes, für immer und ewig!"
Welcher ruhig Urteilende kann in diesen Worten etwas
Die gleiche beschränkte Gottesidee bei den Psahnisten. 2I
anderes erblicken als eine verletzend stolze Gleichgültig-
keit Israels gegenüber dem Endgeschick aller nicht-
israelitischen Völker?^ Und dabei yrsgt Ed. König zu
sagen, diese zweimal wiederholte Stelle lehre, daß „alles
Menschenringen sein höchstes Ziel habe in dem Hin-
strömen nach dem Tempelhause des Ewigen". Und dabei
spricht Gunkel von „hohen Wahrheiten reiner Religion",
die uns die Propheten verkünden. Da sind wahrlich die
Juden selbst bessere Interpreten ihrer Bibel, indem, wie
Jakob Fromer*, selbst ICind eines russisch-polnischen
Ghettos, erzählt, die Ostjuden noch heutzutage jedes
Christenkind Schqüsä, das ist „Afecheu" oder „Aas"
nennen.
Und gleich den Schriften der Propheten atmet auch
der Psalter, wie sich aus seiner Vergöttlichung der Thora
leicht begreift, vom ersten Psalm bis zum Schluß-Halle-
luja ganz den nämlichen Geist engherzigster Gottes-
anschauung, was um so schwerer ins Gewicht fäUt, als die
Psalmen die letzte Stufe alttestamentlicher Religions-
geschichte darstellen. Jaho ist noch immer, ja im Psalter
erst recht, der ausschließliche Gott Israels, Israel ist „sein
Volk und das Kleinvieh seiner Weide" (Ps 100, 74, 79), alle
Heidenvölker sind nur dazu berufen, Jaho zu preisen, daß
er Israel zum G^enstand seines Segens und seiner Güte
gemacht hat (Ps 66,67, ii7tisw.), während sie ihrerseits
nur durch das Eingehen in das Judenttun der Wieder-
geburt teilhaftig werden — eine Welt- und Gottesanschau-
ung, die der lychre Jesu direkt zuwiderläuft, ja das Christen-
tum geradezu ausschaltet, die aber die judenchristlichen
Apostel dennoch verstanden haben, den ersten Christen
^) Siehe bereits Babel und Bibel II Anm. 22. Und beachte noch
Joels Worte in Bezug auf Jahos groBen und schrecklichen Völker-
gerichtstag (4^*) : „Eine Zuflucht ist Jaho seinem Volke und eine
feste Burg den Kindern Israel", während die Heidenvölker samt
und sonders Jahos furchtbarem Strafgericht verfallen.
') Das Wesen des Judenhtms, Berlin-I^eipzig-Paris 1905, S. 5.
22 bqimentiig der P ropheten Ton Jabo, aicbt nm Gott.
emzuimpfeii durch die Schlagwörter vom „geistlichen
Israd" and von der „Bescbnodtu^ im Geiste". Und
dieser Volk^ott kann anch noch gemäß dem Psalter einzig
und allein in Jemsalem, tm Tempel auf Zioo als einzigster
legitimen Anbetongsstätte Jahos verdirt weiden and
wird es mit Opfern, gel^entlic^ mit Hekatomben von
Rindern nnd Schafen, nnd nur an zwei, drei Stellen wird
ein ren^es Herz als das Jaho angenehmste Opfer bezdchnet.
Das Gesagte reicht hin, die unomstößliche Wahrheit
zu bestätigen, daß Jaho nicht der universelle Gott der
Christenheit ist, also auch Propheten nnd Psalmen — mit
Ausnahme zahliger Stellen, mit deren Zusammenstdlung
in Anm. 5 ein Anfang gemacht ist — - in ein chiisthches
Religionsboch nicht gehören; femer, daß Israel nicht
, .Gottes" auserwähltes Volk ist; endlich daß alles, was
Jaho vermeintlich zu ftfose und den Propheten gesprochen ,
nicht „Gottes" Wort ist.
Was die letztere Erkenntnis betrifft, so hat ja für die
Thora Mosis die alttestamentliche literarkritife bereits
einen weitgreifenden Anfang gemacht, indem sie außer
Zweifel gesetzt hat, daß keine einzige der in der sogenaimten
Thora Mosis vereinigten drei Gesetzessammlungen auf
Moses zurückgeht, daß also die htmdertmal wiederholten
Worte: „Und Jaho sprach zu Mose" oder ,,zu Mose und
Aaren" nichts als stilistische Formeln sind, bestimmt,
die Autorität der betreffenden Gesetzbestimmungen zu
steigern, sie als göttlichen Urspnmgs zu erweisen, während
sie in Wahrheit ihre menschliche, zum Teil allzu mensch-
liche Herkunft an der Stirn tr^en.
Auch wenn die ,, Sprecher", vu^o Propheten Israels
im Namen Jahos zu ihrem Volke reden, so sind sie hierzu
nicht von ,,Gott" inspiriert, sondern von Jaho, sie sind
Sprecher des in Jaho verkörperten spezifisch israelitischea
Nationalgenius mit allen seinen völkischeu Eig^ischafteu,
guten und schlechten. Getragen von hohem und hoch-
Unerfüllte Ptophetieen gegen Babel. 23
stem Pathos, sind diese prophetischen Sprüche und
Reden ^delfach von großer rednerischer Schönheit, stellen-
weise (z. B. Jes 14) Meisterstüdse hinreißender Rhetorik,
die uns vielleicht durch die Fremdheit der Sprache
und die Eigenartigkeit der semitischen Redeform des
päraÜelismus membrorum noch in besonderem Grade
blendet, also daß wir allerlei Schwächen, z.B. den vielfach
übertriebenen Redeschwulst mitsamt seinen Hyperbeln und
die bei solcher Schulberedsamkeit imvermeidlichen Wieder-
holungen von Gedanken, Bildern u. dgl. nicht weiter be-
achten. Daß aber diese prophetischen Reden trotz alledem
inhaltlich nur Menschenworte sind, auf menschliche
Kombinationen, Mutmaßungen, Schlußfolgerungen, Hoff-
nvmgen und Befürchtungen gegründet, lehrt kein Ge-
ringerer als der Prophet Jeremia selbst, allerdings sehr
wider Willen und Absicht, indem er als einziges untrüg-
liches Merkmal, ob eine Rede wirklich aus göttlicher Ein-
gebung stamme, ihr Erfülltwerden angibt (28®). Wie
viele der alttestamentlichen Prophetieen aber nicht in
Erfüllung gegangen, vielmehr durch den Gang der
Ereignisse laugen gestraft worden sind, mag wenig-
stens an drei Beispielen gezeigt werden.
Das erste Beispiel betrifft Babylons Untergang.
Nichts ist entschuldbarer als der Haß, der die in Juda
und Jerusalem übrig gebliebenen Judäer gegen das Volk
Nebukadnezars, die Chaldäer, tmd gegen deren Haupt-
stadt Babel erfüllte. Und nichts ist verständlicher als
daß ihre Propheten, sobald die Kunde von dem im Norden,
näher in Medien und dessen Nachbarländern, über Babylon
sich zusammenballenden Gewitter nach Juda gelangte, in
den leidenschaftlichsten und bis zum Überdruß sich
wiederholenden und variierenden Reden, wie sie in den
Kapitehi 50 und 51 des Buches Jeremia vereinigt sind,
sich und ihren Hörern in den sattesten Farben ausmalten,
wie Babel von den nordischen Horden belagert tmd ein-
genommen, geplündert und unter „Bannung", d. h. grau-
1
24 Unetffillte Frophetiecn gegen BabcL
sanier Niedermetzetung aller seiner Bewohner, vernichtet
werden würde, seine weiten Mauern bis auf den Grund
niedergerissen und ihre hohen Tore in Brand gesteckt
(51**), die Bilder Bels und Marduks zertrümmert (vgl.
auch Jes 2i*), alle Städte der Chaldäer mit Feuer ver-
brannt, das ganze Land in eine menschenleere Wüste wie
Sodom und Gomorrha verwandelt werden würde. Alles
rennet, rettet, flüchtet — aber es kam ganz anders.
Bei der immerhin großen Entfernung von Ort und Zeit,
in der diese Reden gehalten wurden (nämlich in Juda nach
der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar) bleibt
der Irrtum verzeihlich.^ Das Nämliche gilt von der dem
Propheten Jesaia, dem Sohne des Amoz, fälschlich zu-
geschriebenen Rede Jes 13 — 14**, die zwar auch nur
von den Med er n als den Feinden Babylons spricht, aber
doch den zum Falle Babylons führenden Ereignissen
bereits recht nahe steht (beachte 13**: „und zwar ist
Babels Zeit nahe herbeigekommen, und seine Tage werden
sich nicht hinziehen''). Auch er sieht, wie die Meder
plötzlich hereinbrechen, wie alle Ergriffenen durchbohrt,
ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser
geplündert und ihre Weiber geschändet werden (V. 15 f.),
wie Babel Sodom und Gomorrha gleichgemacht wird
(V. 19). Nichts von alledem ist geschehen. Aber
sogar Deuterojesaia (44*^ — Blap. 48), der in Babylonien
und nur durch eine kurze Spanne Zeit von den sich voll-
ziehenden geschichtlichen Ereignissen getrennt lebte und
dem es deshalb ein Leichtes war, „das Ereignis zu künden,
ehe es in die Erscheinung tritt" (Jes 42*), der wohl auch
darum wußte, daß die Tore der uneinnehmbaren Festung
Babel durch Verrat dem König Cyxus, dem „Gesalbten
^) Ebenso die ganz falsche Verwendung geographischer bzw. ethno-
graphischer babylonischer Namen, wie ,,das Land MarraHm** und
PuqM (PifAd), die den Prophetenschülem vom Hörensagen bekannt
geworden, aber ihrer eigentlichen Bedeutung nach yerborgen geblieben
waren«
1
i
Unerfüllte Prophetieen gegen Babel. 25
Jahos", dem „Hirten Jahos", dem „aus fernem Lande
berufenen Mann seines Ratschlusses" geöfihet werden
würden, und zwar durch unmittelbares Eingreifen Jahos,
also vielleicht nicht ohne Mitwirkung oder wenigstens
Mitwissen exilierter Juden, weshalb er auch bereits die
unentgeltliche Freilassung der jüdischen Exulanten durch
Cyrus voraussieht (s. Anm. 6) — auch er täuschte sich
über die dem Falle Babylons folgenden Ereignisse: er
sieht den Sturz und die Wegführung der Bildnisse Marduks
und Nebos (46 *'•) und läßt plötzlichen Untergang über
Babel kommen (47^^), „an Einem Tage Kinderlosigkeit
und Witwenschaft" (47*). Aber alle, alle diese Propheten,
die, ihrem und ihres Volkes Herzenswunsch folgend, Babel
ein plötzliches Schreckensende nach Art von Ninewe
verkündeten, haben sich über Gottes, des Welten-
herrschers, Ratschluß vollkommen getäuscht. Ohne
Blutvergießen zogen die persischen Truppen in die Stadt
ein, die ihnen durch Verrat überliefert worden war, die
Babylonier fraternisierten mit den persischen Soldaten,
und als Cjrrus bald darauf in die Stadt seinen Einzug hielt,
breiteten ihm die Bewohner Palmenzweige auf den W^.
Die babylonischen Götterbilder aber tastete Cyrus so
wenig an, daß er vielmehr ihrem Kultus (natürlich aus
politischen Gründen) in jeder Weise huldigte. Und wie
das babylonische Land noch viele Jahrhunderte hindurch
dfen jüdischen Exulanten und ihren Nachkommen eine
zweite liebgewonnene Heimat war und blieb, so sah die
Stadt Babylon speziell noch Alexander der Große in hohem
Glänze. Bis in die Zeit der Seleukiden blieb Babylon
absolut unangetastet. Langsam, ganz langsam und voll-
kommen kampflos siechte die Weltmetropole dahin, nach
dreitausendjährigem Bestände das Los alles Irdischen
teilend.^ Und selbst dann noch kam es anders, als es
sich die Propheten Jahos gedacht. Babels Ruinen blieben
bis auf den heutigen Tag eine unerschöpfliche Fundgrube
^) Siehe bereits Babel und Bibel II, S. 38 nebst Anm, 20.
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Unerfüllte Prophetieen gegen Tjrms.
für Bausteine, in schroffstem Widerspruch zu Jersi**:
,,von dir soll man keinen Stein zum Eckstein noch einen
Stein zu Grundmauern holen, ist der Spruch Jahos", und
während Jes 13*® es heißt: „nicht sollen dort Araber
zelten, noch Hirten dort lagern lassen", stehen auf der
Stätte der einstigen Riesenstadt noch heutzutage imter
Palmen versteckte Dörfchen, ja ein freundliches Städt-
chen am palmenbewachsenen Ufer des Euphrat.^
Das zweite Beispiel betrifft das Geschick der großen
Phönikierstadt Tyrus.* Als nach der Eroberung Jeru-
salems Nebukadnezar die Stadt Tyrus zu belagern begann,
war der Prophet Ezechiel von dem bevorstehenden Falle
auch dieser Stadt so fest überzeugt, daß er die demnächst
eintretende Katastrophe, in der er eine besonders groß^
artige Offenbarung der Allmacht des Gottes Israels er-
blickte, mit den glänzendsten Farben ausmalte. Aber wie
sich einst schon Jesaia getäuscht hatte, dessen beredte
Verkündigung der Eroberung von Tyrus durch den assy-
rischen König (Kap. 23) sich nicht erfüllen sollte, so ist
es auch bei Ezechiel trotz aller grandiosen Phantasie, mit
der er das stolze Meerschiff Tjniis vom Ostwind zerschellt
sieht (26 — 28^*), bei den bloßen Worten geblieben, Gott
selbst hatte es anders beschlossen. Trotz drei-
zehnjähriger Belagerung gelang es Nebukadnezar nicht,
die Inselstadt einzunehmen. Der Prophet selbst sieht sich
2gt7ff. genötigt, seinen Irrtum einzugestehen, ja Vers 21
*) Weniger Gewicht sei auf die unzutreffende Angabe des Jahres
der Einnahme Babels durch Cjrus und der Heimsendung der jüdischen
Exulanten gelegt. „Wenn 70 J ahre voll sind, will ich an dem König
von B abel usw . seine Missetat heimsuchen' ' ( Jer 2 5 **) . , , Wenn 7 o J a h r e
voll sind für Babel, werde ich euch heimsuchen und meine freundliche
Zusage, euch an diesen Ort zurückzuführen, an euch verwirklichen"
(29 1®). Da Babel im Jahre 539 in die Hände der Perser fiel und die
ersten jüdischen Gefangenen aus Jerusalem im Jahre 597 von Nebu-
kadnezar weggeführt wurden, so fehlt ein gut Teil zur Abrundung von
70 Jahren.
<) Siehe bereits Babel und Bibel II, a. a. O.
y
Unerfüllte Weissagungen der Heimkehr Gesamtisraels. 27
läßt sogar durchblicken, daß seine prophetische Autorität
durch den unbefriedigenden Ausgang der Dinge ernstlich
erschüttert war.
Das letzte und betrübendste Beispiel unerfüllt ge-
bliebener prophetischer Reden mögei; aber die Ver-
heißungen bilden, betreffend die Erlösung Judas aus der
babylonischen Gefangenschaft und GesamtisraelsHeim-
kehr nach Zion. Diese Weissagungen, die bei Deutero-
jesaia mit den herrlichen Worten anheben (Jes40^'*):
„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! redet
Jerusalem zu Herzen und ruft ihm zu, daß sein Kriegs-
dienst beendet, seine Schuld abgetragen ist", gehören zu
den ergreifendsten Reden jener von höchstem Nation'al-
gefühl begeisterten Männer, und welch lange, länge Reihe
solcher Verheißungen aus dem Munde der verschiedensten
Propheten verschiedener Zeiten ließe sich hier anführen!
„Ich will die Gefangenen Judas, die ich von diesem Orte
hinweg in das Land der Chaldäer geschickt habe, freund-
lich ansehen und in dieses Land zurückbringen" (vgl.
Jer 24^*). „Ich werde meine Schafe aus den Völkern
herausführen und aus den Ländern sammeln und in ihr
Land bringen, ich selbst werde sie weiden auf guter und
fetter Weide auf den Bergen Israels — ist der Spruch des
Herrn Jaho" (vgl. Ez34^3«).
Auch die Bewohner des Nordreiches Israel, die in
Medien und Chalach und wohin sie sonst gefangen weg-
geführt worden waren, so wenig ihren Untergang ge-
funden hatten wie ihre jüdischen Brüder in Babylonien,
sollen aus allen Völkern gesammelt und nach Jerusalem,
der Stadt Jahos, zurückgeführt werden: „Denn Jaho
wird sich Jakobs erbarmen und Israel noch einmal er-
wählen und sie auf ihren Heimatboden versetzen" (Jesi4^).
„In jenen Tagen und zu jener Zeit, ist der Spruch Jahos,
werden die Israeliten kommen, zusammen mit den Judäern,
imter unaufhörlichem Weinen werden sie dahin ziehen und
Jaho, ihren Gott, suchen. Den Weg nach Zion werden
UnerffiOte WelaMgongen da Hdmkehr GeMmtlmda.
fragen, ihr Antlitz hierher gerichtet, sie kommen und
ließen sich an Jaho zu einem ewigen, nie mehr ver-
senen Bunde" (Jer5o*'-).^
lud welch wunderherrliche Zukunft, welche Zeit un-
gängUchen Heils (Am 9*"*') wird den Heimgekdirtett
beißen! Alle ihre Verschuldui^en für ewig vergessen
[ vergeben 0es 44** Jerss"*); alle ihre Tränen in
nne gewandelt, sie sdbst getröstet tmd fröhlich ge-
Atnach ihrem Kummer (Jet 31"""), „Jahos Befreite
ren zurück und kommen nach Zion mit Jauchzen, und
ge Freude umschwebt ihr Haupt. Wonne und Freude
jigen sie, und Kummer und Seufzen werden entfliehen"
> SS*")- Jaho wird sich mit seinen Wohltaten nie von
en abwenden (Jer32***). Er wird sein Volk mehren
[ zu Ehren bringen (Jer30^*). Sie werden in voU-
omenster Sicherheit wohnen. Keine reißenden Tiere
Lande, s^enspendende Regengüsse, reicher Boden-
ag (Ez 34*''") ; das ganze I<and wieder reichbevölkert
Herden von Kleinvieh (Jer 33"'"). Auch der Handel
i wieder blühen: ,,Man wird .wieder Acker für Geld
.fen »md Kaufbriefe schreiben tmd siegeln und Zeugen
Etmehmen" im Lande Benjamin wie in allen Städten
las (Jer 32**). Und welch alles überragende Stelle wird
srael nach außen hin einnehmen ! Israel und Juda,
las heilige Land zurückgebracht, werden sich vereint
die Philister im Westen stürzen und die Ostvölker
adem, Edom, Moab, Ammon sich Untertan machen
. II »K.^ vgi_ ^jjx g«j_ alle anderen Völker der Erde
r werden buhlen um die Huld Judas. „Siehe ! ich will
h den Heiden hin meine Hand erheben und nach den
kern zu mein Panier aufstecken, daß sie Israels Söhne
Busen herbeibringen und deine Töchter auf der Schulter
getragen werden. Und Kön^e sollen deine Wärter
i und ihre fürstlichen Gemahlinnen deine Ammen ; mit
1 Ai^esidit zur Erde, sollen sie dir huldigen und den
Vgl. femer Jer 3" aj»** 39'»-» 32" 50» Ki 37 '*■**•
Unerfüllte Weissagungen der Heimkehr Gesamtisraels. 20
Staub deiner Füße lecken!" (Jes49***). Dazu wird
Israel den ganzen Besitz aller Nationen der Erde in sich
aufnehmen: Jaho wird „wie einen Strom Wohlfahrt und
wie einen flutenden Bach den Reichtum der Völker Jeru-
salem zulenken'* (Jes 66^*), also daß „Jerusalems Tore
tags und nachts nicht geschlossen werden, um das Ver-
mögen der Völker in sich aufzunehmen" (60").
Und je näher der Verrat Babylons an Cyrus rückte und
damit die Befreiungsstunde der jüdischen Exulanten,
desto wort- tmd bilderreicher löst sich die Zunge Deutero-
jesaias in eitel Jubel aus: „Juble, o Himmel, denn Jaho
hat's vollführt! Jauchzet, ihr tiefsten Erdengründe!
Brecht in Jubel aus, ihr Berge, der Wald und alle Bäume
darinnöa, denn Jaho hat Jakob erlöst und an Israel ver-
herrlicht er sich !" (Jes 44*'). „Juble, o Himmel, und froh-
locke, o Erde, und brechet aus, ihr Berge, in Jubel! Denn
Jaho tröstet sein Volk und seiner Elenden erbarmet er
sich" (49^). „In Freuden sollt ihr ausziehen, und in
Frieden sollt ihr geleitet werden. Die Berge und Hügel
sollen ausbrechen vor euch her in Jubel, und die Bäume
des Feldes in die Hände klatschen" (55^*).
Aber trotz aller dieser Verheißungen, wie sie stolzer
und herrlicher keinem Volke der Erde jemals geworden
sind, trotz Jahos ins Herz schneidender Worte: „Mag
auch ein Weib ihres Säuglings vergessen, daß es sich nicht
erbarmt über den Sohn ihres I^eibes, so will doch ich
deiner nicht vergessen ; siehe ! auf meine Hände habe ich
dich gezeichnet, deine (Zions) Mauern sind mir immerdar
vor Augen" (Jes 49^*'), und trotz allen Jubels der
Propheten, denen ein anderer Ausgang der Dinge nie in
den Sinn gekommen, kehrte das Gros des jüdischen Volkes
aus Babylon nicht zurück, machte die zahHosen Weis-
sagungen seiner Gottesmänner nicht wahr, strafte es
Jahos Wort (Jes 55*^') Lügen, gab rein gar nichts
auf all die Zusicherungen seines Gottes, sondern blieb
zum weitaus größten Teile, durch kalte Berechntmg
ßO ^^^ freiwillige Verzicht Israels auf Heimkehr.
der in dem unermeßlich reichen babylonischen Tief-
lande gegebenen mibegrenzten Bereicherungsmögüch-
keiten veranlaßt^, in dem von ihm selbst vordem bis
zum heutigen Tage stinkend gemachten Babel und
machte es sich zu einer neuen liebwerten Heimat! Auch
die nach Medien verpflanzten Bewohner des Nordreiches,
die teils in Mediens Hauptstadt ansässig geworden oder
aus Medien ebenfalls nach Babylonien abgewandert waren ,
dachten nicht an Heimkehr in das gelobte Land, sodaß
z. B. auf den Geschäftsurkunden von Nippur aus der
Zeit des Perserkönigs Artaxerxes II. Namen judäischer
imd doch wohl auch israelitischer Männer: Abdia,
Achijjau, Gedalja, Jehonatan, Menahem, Haggai und viele
andere mehr mit dem geschäftlichen Treiben der Stadt
eng verbunden erscheinen. Die Zurückkehrenden waren
zvmieist Priester und Leviten, aber selbst von den Leviten
bemerkt Franz Delitzsch, daß sie nur in geringer Zahl aus
dem Exil zurückkehrten, weil „sie an ihrer untergeordneten
Stellung keinen Gefallen fanden". Niemand kann leugnen,
daß dieser freiwillige Verzicht auf sein Heimatiand,
diese unzweideutige Lossagung von seinem Gotte Jaho,
diese mit kaltem Verstand bevorzugte Rolle eines vater-
landslosen, internationalen „Volkes" (übrigens ein ekla-
tanter Widerspruch in sich selbst) ein nicht zu tilgender
Schandfleck auf der Geschichte des jüdischen Volkes für
alle Zeiten bleibt (s. I 103 f.). Hier hilft auch keine Be-
schönigung, worin unsere judenchristlichen Alttestamentier,
Juda sich gefällig zeigend, wetteifern. Prof. Gunkel sagt
in seiner Auftraggeberin, der.„FrankfurterZeitung"Nr.390
vom 30. Mai 1920 : „Vaterlandslos sind die Juden vor allem
geworden durch die furchtbaren Gewalttaten der Welt-
^) Bin jüdischer Arzt in Prankfurt a.M. schrieb mir am 11. Juni 1920:
„Die meisten Juden blieben in Babylon. Gib allen Antisemiten Deutsch-
lands am Orinoko zehnmal so viel Gehalt, als sie in Deutschland be-
kommen, aber richtig in amerikanischer Valuta, und zähle dann, wie
viel nach Deutschland gehen". Hier erübrigt sich jede Bemerkung.
J
Sonsitige religiös wertlose Prophetenreden. qj
reiche, die sie zur Übersiedelung in die Fremde zwangen".
;Er erklärt es für „ein gewaltiges Wagnis, das frühere
Vaterland, das längst von Feinden in Besitz genommen
war, aufzusuchen und sich an den schwierigen, gefahr-
vollen tmd vielleicht unmöglichen Wiederaufbau zu
machen". „Die Idealisten", sagt er, „die für Heimat
und Gott alles drangeben, stellen in jedem Volke eine
Minderheit dar". Eine grausamere Verurteilung des aus-
erwählten Gottesvolkes, eine stärkere Degradiertmg der
Propheten zu losen Schwätzern seitens eines Theologen,
eine nacktere Entwürdigung Jahos und Entwertung aller
seiner Verheißungen ist nicht denkbar.^
Zu diesen umfangreichen unerfüllt gebliebenen
Spekulationen meist politischer Art gesellen sich aber noch
viele, viele andere Reden der alttestamentlichen „Sprecher",
die für uns Jetztiebenden ledigüch historisch-politisches
und vereinzeltes religionsgeschichtliches, aber keineSpur
von religiösem Interesse haben. Ich meine z.B. die
mancherlei Reden Jeremias vor und während der zwei-
maligen Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar oder
die Reden, die Ezechiel in Babylonien an seine gleich ihm
bereits im Jahre 597 in die Gefangenschaft geführten Volks-
genossen richtete, als die Eroberung und Zerstörung
^) Ein würdiges Seitenstück solch tendenziöser Beschönigung der
vom Alten Testamente selbst gelehrten Tatsachen ist Meinholds und
Anderer Behauptung, daß es mit der vermeintlichen barbarischen
Kriegführung der hebräischen Nomadenhorden gar nicht so schlimm
sei. Israel habe Kanaan friedlich durchdrungen! Also auch das
Buch Josua eitel Lügenwort, alle in Teil I, S.36 zitierten Worte des Exodus^
und Beuteronomiums (vgl. noch Dt 7^': „und du sollst fressen alle die
Völker, die Jaho, dein Gott, dir gibt, nicht soll dein Auge Schonung
mit ihnen haben") samt und sonders erlogen; das Wort des Propheten
Amos (i*) : „Ich war es, der die Amoriter vor ihnen vertilgt hat, deren
Größe wie die der Zedern war und die so stark waren wie die Eichen !
und zwar vertilgte ich ihre Frucht oben und ihre Wurzel drunten**
erlogen, Ps 44* 106** desgleichen — alles Bestandteile des Wortes
Gottes, von dem die Theologen mit dem Brustton felsenfester Über-
zeugtheit zu predigen pflegen: „Gottes Wort bleibet in Ewigkeit I"
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32
Religiös wertlose Piophetenteden.
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Jerusalems näher und näher rückte. Ich meine die Triumph-
bzw. Spottlieder der Propheten über den Fall Ninewes
(Nah 1—3, vgl. Zef 2"") und Babylons (Jes 14, 47),
die Spottreden über Pharao Nechos Besiegung bei Karke-
misch durch den babylonischen Kronprinzen Nebukadnezar
und über Ägj^tens Eroberung durch die Chaldäer (Jer 46),
allesamt jeder religiösen Bedeutung entbehrend. Denn
welcher Vernunftbegabte möchte wohl alle die welt-
geschichtlichen Ereignisse auf dem weiten Schauplatze
Vorderasiens während des letzten vorchristlichen Jahr-
tausends ausschließlich als Racheakte Jahos, des Gottes
Israels, betrachten, den Fall Babylons und möglicherweise
auch den Ninewes ausgenommen, bei denen es denkbar
wäre, daß Jaho sich seines Volkes als Mitwirkenden bedient
hätte (Anmm. 6. 7) ? Aber im übrigen bleibt es schwer be-
greiflich, warum wir alle jene ephemeren Redeergüsse an-
läßlich von drei Jahrtausende zurückliegenden Erdgiussen
in unsem Bibeln herumtragen zur Erbautmg und religiösen
Erhebung, während gleichzeitig uns und unsem Kindern
die erhebende Erinnerung an die denkwürdigen Tage
deutscher glorreicher Vergangenheit aus der Seele ge-
graben wird. Und nun gar noch die vielen immer wieder-
holten haßerfüllten Reden gegen die nächsten Nachbarn
Israels ! Ich kann mich eines Vergleiches nicht erwehren,
so trivial er erscheinen mag. Ich saß einmal bei einer
Abendgesellschaft neben einer sehr „gebildeten" Dame,
die mich den ganzen Abend ebenso leidenschaf tiüch wie
wortreich über ihre fortgesetzten Häkeleien und Zwistig-
keiten mit einer andern Dame unterhielt. Der abstoßende
Eindruck aber, den ich hierbei empfand, ohne die Unter-
haltung auf ein anderes Thema überleiten zu können,
steigerte sich bis zum Zorn über den verlorenen Abend,
als ich hörte, daß die betreffende Widersacherin schon seit
Jahren tot sei! Ein ganz ähnliches Gefühl überkommt
mich immer von neuem, wenn ich die Brandreden der alt-
testamentlichen „Sprecher" etwa gegen Moab und Ammon
Religiös wertlose Prophetenreden. 3^
oder gegen Israels gehaßtesten Todfeind Bdom lese, z.B.
Jesaias Rede wider Mo ab (25*®'), die ,,Moab in Grund
und Boden zerstampft" sieht, „wie Streu zerstampft wird
in Mistjauche — es breitete seine Hände darin aus wie
der Schwimmer sie ausbreitet zu schwimmen, aber Jaho
hat niedergedrückt seinen Stolz samt den Kunstgriffen
seiner Hände". Oder die berüchtigte Rede des nämlichen
Propheten oder dnes anderen Pseudojesaia (Jes 34), die
unter „maßlosen Hyperbeln" (Dillmann) schüdert, wie
Jahos Schwert sich zuerst im Himmel mit Zorn berauscht,
um dann, alles vernichtend, auf Bdom niederzusausen —
alles nach Sprache, Stil und Gesinnung echt beduinische
Schlacht- und Siegesgesänge (Anm. 8). „Verflucht, wer
Jahos Schwert das Blut Moabs mißgönnt" (Jer48**);
„macht Moab trunken, daß es hinklatscht in sein Gespei"
(V. 26) — erinnern diese und viele andere Ejraftworte,
wie sie in den Prophetenschulen gelehrt und geübt wurden,
nicht unwillkürlich an verwandte Rednerschülen der Neu-
zeit, deren Arsenal zur Schünmg des Hasses ebenfalls un-
erschöpflich ist? Wir können es ja verstehen, daß Israel-
Juda gegen seine Nachbarn : Philister, Moabiter, Edomiter
usw. von glühendem Hasse beseelt war, obwohl wir um-
gekehrt deren Haß gegen die hebräischen Eindringlinge
und ihre Gewohnheiten fast noch besser würdigen können.
Aber wie sollen diese aus bestimmten Zeitverhältnissen
herausgeborenen Ergüsse politischer Eifersucht und Leiden-
schaft längst untergegangener Generationen auch uns
Kindern des 20. Jahrhunderts n. Chr. zur Sittigung dienen
und zu religiöser Erbauung? Statt uns nachdenkend zu
versenken in Gottes wunderbares Walten innerhalb unseres
eigenen Volkes, fahren wir aus Unkenntnis, Gleichgültig-
keit oder Verblendung fort, jenen altisraeütischen Haß-
reden einen „Offenbarungs"charakter zuzuerkennen, der
weder im Lichte der ReUgion noch dem der Ethik stand-
hält. Auch nicht einmal im Lichte der Geschichte! Denn
alle diese von Jaho durch den Mund seiner Propheten ver-
Delitssch, Die grosse Tinschang. II 9
34 Die oberiWcUiche Bearteflimg des Bflderdknstes.
wünschten und verfluchten Nachbarstamme Israels haben
die verwahrlosten Reiche Israel und Juda um Jahrhunderte
bis herab in die nachezitische Zeit, ja noch darüber hinaus,
überdauert 1
Wenig sympathisch berührt die oberflächliche, nur dem
äußeren Schein folgende Beurteikmg der babylonischen
Bilderverehrui^, vornehmlich durch Deuterojesaia, der
sich nicht genug damit tun kann, die technische Her-
stellung eines solchen Götterbildes bis in alle Einzelheiten
zu beschreiben und, wie Kittel mit sichtlichem Wohl-
behagen feststellt, „die schärfste Lauge seines Spottes"'
über die Götterbilder ausgießt als Machwerke von Menschen-
hand (z.B.40'*': 41«-' 44*''- ""^e*'). Auf das Wesen der
sumierisch-babylonischen Gottesanschauung und Gottes-
verehrung (siehe oben S. 14 f.) brauche ich hier nicht aber-
mals zurückzukommen. Was aber den ermüdenden Spott
der alttestamentlichen Propheten und F^almisten auf die
Götterbilder betrifft, die „Augen haben und nicht sehen,
Ohren und mcht hören, eine Nase und nicht riechen, Füße
und nicht gehen" (Ps 115, 135), so können diesen vor allem
die Babylonier ebenso leicht ertragen wie die katholische
Kirche. Denn genau so wie die denkenden Katholiken im
allgemeinen in den Bildern lediglich die Repräsentanten
Christi, Marias und der Heiligen sehen, so taten dies auch
die denkenden Babylonier: kein Hymnus, kein Gebet,
die an das Bild als solches gerichtet wären — sie wenden
sich stets an die jenseits alles Irdischen waltende Gottheit
(Anm. 9). In keinem Punkte vielleicht haben die alt-
testamentlichen „Sprecher** und Dichter befangener, kurz-
sichtiger und ungerechter geurteilt als in dem des baby-
lonischen Bilderdienstes. Worte wie die des Propheten
Habakuk (2^*): „Wehe, wer zum Holze sagt: wache auf!
werde wach I zum stummen Stein" treffen die Babylonier
ganz und gar nicht. Das Urteil der israelitischen Propheten
hat die Welt genasführt, da es an einer Äußerlichkeit
kleben blieb. Auch die babylonischen Gottheiten sind
Die .Propheten jbIs Sitten- und Stralprediger. 3g
lebendige Mächte (siehe bereits Babel und Bibel II, S.34),
und sie walten mit gleicher Gerechtigkeit und Barm-
herzigkeit ohne Ansehen der Person über alle Menschen
und Völker des Erdkreises, was Deuterojesaia in Baby-
lonien leider nicht gelernt hat zu Nutz und Frommen
des Gottes Israels.
Gleich allen Göttern Vorderasiens, obenan den sumerisch-
babylonischen Gottheiten, war Jaho eine sittliche Macht,
und so sympathisch uns an sich die prophetischen
Mahn- und Drohreden gegen die in Israel und Juda
grassierende Sündhaftigkeit berühren, so liegt doch kein
Grund voi:, ihnen den Charakter einer „eigenartigen"
Gottesoffenbarung beizulegen. Wenn wir nach dem Zeug-
nis aller alttestam^titlichen Propheten annehmen müssen \
daß in Israel und Juda die Sittenlosigkeit einen nicht mehr
überbietbaren Grad erreicht hatte, daß Ungerechtigkeiten
allerart ungestraft verübt wurden, daß Rechtsbrüchig-
keit, Hinmorden unschuldiger Menschen, Ehebruch, Be-
drückung von Witwen und Waisen, Hurerei von Volk und
Priestern usw. an der Tagesordntmg waren, so bezeugt
^) Siehe z. B. Ho 4': „sie (die Israeliten) fluchen ttnd lügen, morden
nnd stehlen und ehebrechen, sie brechen ein und Blutschuld reiht sich
an Blutschuld". 6*: „g^ich lauernden Räubern ist die Friesterbande".
— Am. 2 «^ : „weil sie (die Israeliten) für Geld den Gerechten verkaufen,
und den Dürftigen um eines Paares Schuhe wiUen (vgl. 8*), ... die
sich, Vater und Sohn, zur Dirne begeben, um meinen heiligen Namen
zu entweihen". 5^^: „sie hassen den, der im Tore für das Recht ein-
tritt, und verabscheuen den, der die Wahrheit redet". Ferner 3 *•, 5 ". —
Jer8^®: „vom Jüngsten bis zum Altesten trachten sie allesamt nach
Gewinn, Propheten so gut wie Priester verüben allesamt I<ug und
Trug". 8': „mein Volk weiß nichts von der Rechtsordnung Jahos".
9^: „sie sind allesamt Bhebrecher, eine Bande von Treulosen". 9':
.»jeglicher Bruder übt Hinterlist und jeglicher Genosse geht mit Ver-
leumdung um, einer hintergehen sie den andern und Wahrheit reden
sie nicht". 2$ *• '• ; „voll von Ehebrechern ist das I^and, imd ihr Rennen
ist Bosheit und ihre Starke Unwahrhaftigkeit, denn Propheten imd
Priester sind ruchlos". 23^*: „bei den Propheten Jerusalems aber er-
lebte ich Schauderhaftes: sie treiben Ehebruch und gehen mit Lüge
um und bestarken den Übeltäter".
^
36 Ganz nnge&üge&der Brsatz ffir fehlende Strafrichter.
dies nur die grenzenlose Rechtlosigkeit, die in den beiden
Duodezstaaten fortdauernd herrschten, indem es dort
zwar Gesetze, aber keine Richter gab, die, wie in Baby-
lonien und Assyrien, über der Aufrechthaltung von Zucht
und Ordnung, über der peinUchsten Beobachtung der
staatlichen Gesetze wachten. Wir lesen erschüttert von
jenen schandbaren Zuständen, vermögen aber nicht ein-
zusehen, welches religiöse Interesse für uns Jetztlebenden
alle jene Schändlichkeiten und ihre ohne Strafrichter
schUeßUch doch nutzlose Geißelung durch noch so beredte
und für Recht und Gerechtigkeit furchtlos kämpfende
Männer beanspruchen können. Die Babylonier waren ge-
wiß so wenig wie alle Menschen Tugendbolde, aber die
harten Strafen, die für Totschlag, Diebstahl und Hehlerei,
Ehebruch, Kebsweiberwirtschaft, Unzucht, Verleumdung
usw. vorgesehen waren, wurden von unparteiischen Rich-
tern auf das Strengste vollzogen, weshalb ja der baby-
lonische wie ass3nische Staat mehr denn tausend-, ja zwei-
tausendjährigen Bestand hatten, während Israel nach
zirka 240, Juda nach 480 Jahren ruhmlos zugrunde ging.
Wenn zur Babel-Bibel-Zeit die ganze Phalanx meiner
Gegner sich auf die Parole des „sittlichen Monotheismus
Israels" geeinigt hatte, so ist der Monotheismus Israels
längst in die Brüche gegangen und mußte Renans richtiger
Bezeichnung als Monolatrie weichen.^ Wenn aber im
„sittlichen Geist des Prophetentums*' eine „wirkliche
OfEenbaning des lebendigen Gottes" gesehen wird, dann
erkenne man auch rückhaltlos an, daß diese Gottesoffen-
barung durchaus nicht auf das vermeintliche Gottesvolk
Israel beschränkt war, sondern daß sie bei den Sumerern,
^) Auch noch den Psahnisten ist Jaho nicht der einzige existierende
Gott, vielmehr haben alle anderen Völker auch ihre Gotter (Ps86'
96* 97'* • 135* 136* 138^ vgl. 29* 89'), und obschon der Psalter recht
despektierlich von ihnen redet, werd^i sie doch in ihrer realen Existenz
anerkannt und aufgefordert, Jaho ihre Huldigung darzubringen. Vgl.
auch das in I, S. 102 über den Unglücksgott Scheba' der israelitischen
Volksvorstellung Gesagte.
Die Ursachen der Bntaittlichuiig Israels. yj
den Schöpfern, wie wir jetzt wissen, der babylonischen
Gesetzgebung, die in noch ungleich höherem Maße als die
Thora Mosis und die Forderungen der Propheten sittlich
zu nennen ist, sich in weit vollkommnerer Weise
betätigt hat (s. I Anm. 32). Ich erinnere nur noch einmal
daran, wie die Frau bei den Sumerern nicht allein dem
Manne völlig ebenbürtig galt, sondern sogar eine Ehren*
Stellung vor diesem einnahm, die unwürdige Stellung der
Frau in Altisrael dagegen einen so tiefen Absturz von
jener Höhe darstellt, daß die Frauen unserer Tage nur
langsam und mühsam die Stellung zurückerobern müssen,
die sie vor 5000 Jahren bereits in idealer Weise besaßen
(s. weiter I, S. 100 nebst Anm. 44).
Und noch zwei andere Betrachtungen drängen sich
auf. Die israelitischen Volksredner hatten gewiß Recht,
wenn sie in der sittlichen Verlotterung ihrer Volks-
genossen einen Hauptgrund der über Israel und Juda
hereingebrochenen Katastrophen sahen, aber es bleibt
sehr zu bezweifeln, ob diese Entsittlichung, wie die Pro-
pheten meinen, in Zusammenhang steht mit dem Kultus
der kanaanäischen Landesgottheiten. Das letztere dürfte
im Hinblick auf den tausendjährigen Bestand Moabs und
der phönikischen Städtewesen unbedingt zu verneinen
sein. Vielmehr wird jene falschverstandene Freiheit und
Ungebundenheit ein aus dem Wüstenleben mitgebrachtes
Erbteil sein, wie ja Blutrache, Mißachtung des Weibes,
Sinnlichkeit, Herrschsucht, Grausamkeit, Gier nach irdi-
schem Besitz bis heutzutage hervorstechende Eigenschaften
der Nomadenstämme der syrisch-arabischen Wüste bilden,
weshalb ja auch die Propheten selbst, wie das Alte Testa-
ment wiederholt bestätigt (vgl. in Anm. i auf S. 35 die
Zeugnisse des Propheten Jeremia), von jenen sittlichen
Mängeln nicht frei waren. Sodann vermissen wir bei allen
Propheten, die sich mit dem nahen Untergang der Reiche
Israel tmd Juda befassen, den Hinweis auf einen zweiten
tmzweifelhaften Hauptgrund jener Katastrophen, nämlich
I
38 'Dit politiflclie UnsuverUssigkeit Israels nnd Jndas.
die politische Unzuverlässigkeit und den fortgesetzten
Treubruch der israeUtisch-judäischen Könige gegenüber
den mit Assyrien und Babylonien eingegangenen Ver-
trägen, Treubrüche, die freilich nicht selten den Propheten
selbst als den politischen Ratgebern ihrer Könige auf das
Elonto zu setzen sein werden. Vgl. 2 Kö 17* 18' 24* usw.
Bis in die nachezilische 2^t erhielt sich der Ruf Jerusalems
als einer ewig aufrührerischen Stadt (Ezra 4^).
Ganz besonders sympathisch stehen wir dem alttesta-
mentlichen Psalter gegenüber, diesem Liederbuch der
nachexilischen jüdischen Gemeinde, jener Unentw^^n,
die trotz des in Babylonien lockenden Geldgewinnes und
behaglichen Lebens treu zu ihrem Gotte Jaho und zu
dessen Verheißungen standen. „Die Treue steht zuerst,
zuletzt im Himmel und auf Erden". Deshalb begleitet
unsere höchste Achtung und aufrichtiges Mitgefühl das
ursprünglich kleine Häuflein nach Jerusalem und Juda
heimgekehrter jüdischer Exulanten auf Schritt und Tritt.
Wir nehmen verständnisvollen Anteil an ihrer Zähigkeit,
ihrem Mut, mit dem sie den Tempel auf Zion wieder-
aufbauten; haben inniges Mitgefühl mit ihren schweren
Bedrängnissen, die von allen Seiten sie umringten, vor
allem zur Zeit der späteren Verzweiflungskämpfe der
Makkabäer. Wir trauern mit ihnen, als der unter Mühen
allerart wieder aufgebaute Tempel zu Jerusalem unter
Antiochus IV. Epiphanes der greulichsten Verwüstung an-
heimfiel. Wir verstehen den durch die Siege der makka-
bäischp^L. Helden aufs Höchste gesteigerten Jubel der jü-
dischen Frommen : „Heil dem Volke, dessen Gott Jaho
ist, denr Volke; das er zum Eigentum sich erwählt hat"
(Ps33^*), ein Jubelgesang, der, in immer neuen Liedern
variiert, Jahos und seines Gesalbten Königtum über alle
Völker des Erdkreises feierte. Und als den Erfolgen der
Makkabäer neue schwere Niederlagen und Heimsuchungen
folgten, bewundem wir das felsenfeste Vertrauen auf Jaho
iL'
\
Psalter und '£hota. 30
und das unerschrockene Festhalten an dem Gotte ihrer
Väter, also daß wir dieser treuen Juden Endgeschick, so-
weit wir zu urteilen in der Lage sind, nur beklagen können.
Aber all dieses unser Mitempfinden, diese unsere „Senti-
mentalität", ist unabhängig von der rehgiösen Bewertung
des Psalters als eines vermeintlich auch für die Christen-
heit noch dienUchen ReUgionsbuches. Eine soldie Be-
wertung muß mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden.
Aus sehr einfachen und jedem unvoreingenommen Ur-
teilenden gewiß einleuchtenden Gründen.
Zunächst beruht der Psalter ganz und gar auf der
Thora, dergestalt, daß sogar Jesus Zitate atis dem Psalter
als Zitate aus dem „Gesetze" bezeichnet (für Ps 69* siehe
Joh 15 *^ für Ps 82 • Joh 10**). Der sogenannte i. Psalm,
der die Thora Jahos verherrUcht und als einzigste Richt-
schnür des wahrhaft Frommen feiert, gilt mit Recht
als halb prosaische, halb poetische Einleitung in das
ganze Psalmbuch.^ Daß diese übertriebene Vergötterung
der Thora, wie sie den Inhalt von Psalm 19B, Psalm iiQu.a.
bildet, für uns Christen ohne Bedeutung ist, liegt auf der
Hand. Selbst wenn wir über die Entstehtmg dieser angeb-
Hchen Thora Mosis nicht so klar sähen, wie es im I. Teü
der „Großen Täuschung" gezeigt ist, würde die Thora
als spezifisch jüdisches Gesetz für uns ebenso unmaßgeb-
lich sein wie das Gesetz Hammürabis oder wie der Sachsen-
spiegel, welch letzterer Vergleich schon bei Luther sich
findet. Ebendamit ist aber auch das Urteil über die vielen
Psalmen gefällt, die von den gesetzestreuen wahrhaft
Frommen (Chasidim) im Gegötisatz zu den Gottlosen
und Freigeistern handeln, von dem Ansehen der „Recht-
schaffenen" bei Jaho und dem ihnen bestimmten Glücke
einerseits, von ihrer Verfolgung und Drangsaüerung durch
die Gottlosen, die Frevler, auch durch politische Feinde
^) Beachte, daß der Apostel Paulus die Worte von Ps 2^: „du bist
mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget", als Worte des ersten Psalxns
zitiert (Acta 13«'),
O DI« thoraglinUgen „pnmunea" nsd die „
Ps 35, 55, 69 u. a.), andererseits. Wir Christen haben
«nerlei Interesse mehr an diesen längst überwundenen,
n die Thora sich knüpfenden G^ensätzen läi^t ver-
angenei Zdten, dies um so weniger, als wir ja doch nun
inmal nicht mehr anter dem Gesetze Mosis stehen, son-
em durch Jesu schlechterdin^ neue Lehre die herrUche
Freiheit der Kinder Gottes genieJSen. Und erst recht sind
iir tms ohne alle Bedeutui^ die poetischen oder richtiger:
a Verse gebrachten Darstellui^en der im ersten und
weiten Buche Mosis erzählten vermeintlich historischen
Ereignisse vom I>utchzi^ durch das Schilfmeer usw. Be-
merkenswert ist nur, daß auch die Psalmisten den dreimal
rzäblten Betrt^ mit dem Patriarchenwdb und die Be-
tehlung der Ägypter getreulich rechtfertigen. Kein
fensch dürfte länger wagen, die in „Große Täuschui^"
, S. 77 f. besprochenen Erzählui^en, wie Abraham bzw.
saak ihre Frau als ihre Schwester ausgaben, gutzuh^ßen
der auch nur zu beschönigen. Aber Ps 105""" wagt zu
E^en : „Und sie (die Patriarchen) wanderten von Volk zu
^}lk, von Königräch zum Volk eines anderen. Nicht ließ
aho jemand sie bedrücken und züchtigte um ibret-
rillen Könige: Rührt nicht an mdne Gesalbten tmd
aeinen Propheten tut nichts Böses 1" Und ebendort
T. 37 lesen wir: „Und er (Jaho) führte sie heraus mit
lilber und Gold", woniit der Diebstahl vom Dichter
uf Jaho selbst zurüc^eführt wird I literarischen Wert
lehält I^ 104, die dichterische Darstellung des Schöp-
gngshergai^s Gen E^p. i.
Auch sonst sind die rehgiösen Vorstellungen der Psalmen
ßnz die nämhchen wie in allen übr^;en vor- und nach-
adlischen Büchern des Alten Testamentes. Selbst der
eringste Fsalmdichter träumt vom Besitztum der
Völker, das Jaho Israel verheißen (iii*). Was aber das
,eben des einzelnen Menschen betrifft, so steht im Mittel-
lunkte der diesbezüglichen Vorstellungen, daß das
nenschliche Leben ausschließlich ein Leben des Dies-
Der Unsterbliclikeitsglaabe im Psalter. ^.x
seits/ Jaho ausschließlich ein Gott der Lebendigen ist — der
Toten gedenkt Jaho nicht weiter, sie sind abgeschnitten
von seiner Hand (88^). Im Totenreich hat alles ein Ende:
Jahos Wunderkraft (88") ebenso wie die dankbare Er-
innerung an seine Güte und Treue (6*30" 88" 115^^.
AUes Sinnen und Denken auch der Psalmisten ist auf das
Diesseits gerichtet. Darum ist und bleibt der Lohn der
Frömmigkeit, der Furcht Jahos lange Lebenszeit, große
Nachkommenschaft und Reichtum an irdischen Gütern
(112^. Ist das nicht alles in direktem Widerspruch mit
unsem christlichen Anschauungen, sodaß wir den Psalter
als christliches Religionsbuch ablehnen müssen? Man ver-
gesse doch nie, daß wir einer Unsterblichkeitslehre sogar im
nachezilischen Psalter nur an zwei, drei Stellen (49^* 73**,
vgl. 39*) beg^nen und auch da nur einer auf die Frommen
beschränkten, insofern diese Jaho zu sich nimmt, während
alle übrigen Menschen dem Schattenleben der Scheol oder
Unterwelt verfallen ; daß aber sogar diese wenigen Stellen
nicht allein ganz jtmgen Datums, sondern augenscheinlich
nicht auf dem Boden des Judentums erwachsen sind.*
Was aber die Betätigung der Religion in der Nächsten-
liebe betrifft, so enthält der Psalter kein einziges Lied,
das dieser schönsten menschlichen Tugend gewidmet wäre,
^) Vgl. hierfür auch 2 Kd 30*, eine Stelle, die zugleich lehrt, wie sich
selbst die alttestamentlichen „Frommen", z. B. Hizkia, Tor dem Sterben
fürchteten.
'). Beachte Ps 73 ^^ wo der Dichter bekennt, über das I«eben nach dem
Tode erst belehrt worden zu sein, als er in Gottes „Besonderheiten
(Heiligkeiten)", d.h. doch wohl: in Gottes Geheimnisse eingeführt
wnrde. Da die Babylonier schon viele Jahrhunderte vor dem Juden-
tum an ein für Fromme und für Gottlose verschiedenes Leben nach
dem Tode glaubten, entsprechend der späteren Lehre Jesu (siehe meine
Schrift Das Land ohne Heimkehr, Stuttgart 191 1, S. 18 ff.), so ist es
sehr wohl denkbar, daß die pharisäische Unsterblichkeitslehre nicht so-
wohl auf griechische Einflüsse zurückgeht, sondern auf den Binfluß der
jüdischen Proselyten aus Galiläa. Aus anderen alttestamentlichen
Schriften sei für die Unsterblichkeitshofinung an die bekannte Stelle
des Buches lob 19** <• erinnert.
42 I>i« NidutenUebe im Psalter.
die ja ohnehin im Alten Testament auf das Mindestmaß,
nämlich die zu den eigenen Volk^enossen (s. I, S. loif.),
beschrankt ist. Viehnehr gedenken die I/ieder eines auf
das Siechl^er geworfenen Kranken (Ps 41) oder eines,
der sich von seinen als Frevler bezeichneten Volksgenossen
angefeindet, verfolgt, wohl gar mit dem Tode bedroht
sieht (Ps 6, 11, 13 usw.), des schadenfrohen oder ge-
hässigen Feindes ausnahmslos mit Verwünschungen, was
ja menschlich nur allzu leicht sich versteht, auch bei den
Babyloniem genau so der Fall ist, aber einem religiösen
Brbauungsbuche gewiß nicht zur Zierde gereicht, am
allerwenigsten einem solchen für Christen, welche über-
dies in I Elor 13 das erhabenste, unübertreffbarste Hohe-
lied der Liebe besitzen. „Ist Jaho mein SUrte, hab' ich
nicht Mangel, auf Auen jungen Grüns, an friedlichen Ge-
wässern läßt er mich ruhen, meine Seele erquickt er. Er
leitet mich auf richtigen Geleisen um seines Namens
willen. Auch wenn ich wandle in finsterm Tal |lst mir
nicht bange], fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei
mir, dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich". Ge-
wiß ein schöner, zum Herzen sprechender Psalm, wenn wir,
Jaho durch „der Herr" ersetzend, an den Gott denken,
den uns Jesus gelehrt hat. Aber dürfen wir dies, ohne den
Psalm zu fälschen? Denn wenn der Psalmist fortfährt,
sich von Jaho zu Tisch geladen und königlich bewirtet
vorzustellen und zwar „angesichts seiner Feinde" (23*),
sodaß diese, wie es anderwärts (z. B. 112*®) heißt, es
sehen müssen und vor Utunut die Zähne zusammenbeißen,
so bringt dies doch einen recht schrillen Mißton auch in
dieses lyied, wie denn die Psalmisten, die doch erst recht
die berufenen Verkünder der Nächstenliebe sein müßten,
samt und sonders keinem heißeren Wunsche Ausdruck
verleihen, als „seine Lust zu sehen an seinen Feinden"
(z. B. 37»* 54* 921* II2*).
Nehmen wir zu allen diesen für uns Christen in Wegfall
kommenden Psalmen noch diejenigen hinzu, die lediglich
Psalm 73 Vers 25 und 26. 43
längst vergangene geschichtliche Geschehnisse zum Anlaß
und Inhalte haben, so bleibt nur eine verhältnismäßig
sehr kleine Auslese von Psalmen und Psalmstellen
übrig, deren Inhalt den religiösen R^ungen unserer Seele
entgegenkommt, als da sind : lyiebe zu Gott, Stille zu Gott,
vollste Genüge in Gott, tmd die dem Neuen Testamente
angegliedert zu werden verdienen. In weitaus erster
lyinie gehören zu diesen wenigen sozusagen neutestament-
lichen Psalmstellen die Verse 25 und 26 des 73. Psalms,
die nach dem hebräischen Wortlaut etwa zu übersetzen
sind : „Wen habe ich im Himmel [außer dir] ? und neben
dir (? bei dir, das ist: mit dir vereint?) habe ich kein Ge-
fallen auf Erden. Schwindet mein Fleisch und mein Herz,
so bleibt Jaho mein Teil auf ewig", von Luther frei, aber
ziemlich sinngemäß verdeutscht: „Wenn ich nur dich
habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn
mir gleich I^eib und Seele verschmachtet, so bist du doch,
Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil".
Wenn nun aber der Professor der alttestamentlichen
Theologie Wolf W. Graf Baudissin in seiner im Oktober
1912 gehaltenen Rektoratsrede „Die alttestamentiiche
Wissenschaft und die ReHgionsgeschichte" in diesem
Psalmwort „eine Hohe der religiösen Auffassung" preist,
„die alle anderen Höhenlagen in sich faßt und sich nicht
mehr überschreiten läßt", wenn er dieses Bewußtsein der
„Gottesgemeinschaft" als den „Gipfelpunkt des religiösen
Gefühls" bezeichnet, so bricht er, ohne es zu wollen,
meines Erachtens den Stab über die ganze alttestamentiiche
Religion. Also erst in „der Zeit der dem Abschluß ent-
gegengehenden alttestamentlichen ReUgionsgeschichte" ein
Wort, ein einziges Wort, das uhserh deutschen Begriff
von Religion als der Gemeinschaft des Menschen mit
Gott (Thomasius) zum Ausdruck bringt, und noch dazu
in einem Psalm, der sich durch das unmittelbar vorher-
gehende Bekenntnis zur Unsterblichkeit des Gerechten
als von fremdem Ideenkreis beeinflußt bezeugt (s. S. 41
^ Der babykmiadie Gottea^anbe.
Änm. 2) I Gewiß ein herrlicher Gedanke, wenn wir Jaho =
Gott setzen: Gott das Einzigste im Himmel und auf
Erden, woran ich Gefallen finde. Er mein bleibender Teil ;
beständig, auch aber den Tod hinaus, bei Gott und mit
Gott vereint zu sein das höchste Ziel des Lebensl Aber
zeigen nicht bereits die alten Babylonier des dritten Jahr-
tausends mit ihrem einzigartig schonen Personennamen:
„Wenn Gott nicht mein Gott wäre" bereits die nämliche
unfiberschreitbare Höhe religiöser Auffassung, jenen
„Gipfelpunkt des religiösen Gefühls'', zu welchem sich
Israel erst im allerletzten Stadium seiner Fäalmdichtung,
also kurz vor Jesu Auftreten, emporgerungen hat und
selbst dies nur mit fremder Hilfe? Durch die innige,
sinnige Anschauung der Sumerer, daß jeder Mensch „Kind
seines Gottes'' sei, war sein Leben durchw^ in das Licht
des Gottesgedankens gerückt mit allen seinen Tröstungen,
Ermutigungen und sittlichen Forderungen einer den gött-
lichen wie irdischen Gesetzen gerecht werdenden Lebens*
führung. Der Babylonier wußte sich „in Gottes Hand";
sein irdischer Wandel geschieht in und durch seinen Gott
(„In meinem Gotte wandle ich"), sein Gott war und blieb
sein himmlischer Erzeuger, sein „Vater". Die Gottheit,
der der Mensch sein Dasein verdankt, nimmt (vgl. bereits
oben S. 15) als sein guter Geist Wohnung in seinem Innern,
sie behält ihn in Not und Elrankheit in ihrer Obhut, und
kein schrecklicheres Unglück kaim den Menschen treffen,
als wenn infolge fortgesetzter Sündhaft^keit sein Gott,
seine Göttin von ihm weicht. „Sei er den gnädigen Händen
seines Gottes befohlen I" — so lautet der Lieblingss^ens-
wunsch, mit dem der babylonische Priester von dem
Kranken und Todkranken Abschied nimmt. Auch im
Tode verbleibt der Mensch in seines Gottes Hand, „sein
Gott ruft ihn zu sich I" * Die Lehre von der Unsterblich-
keit des Frommen, des Elindes seines Gottes, gibt sich
hiemach gleich jener hohen Auffassung der Religion als
^) Siehe für das oben Gesagte Da$ Land ohne Heimkehr, S. 30 f.
Der Psalter in der katholischen Kirche.
45
Gottesgemeinschaft als im letzten Grunde sumerischen
Ursprungs. Waren es also die jüdischen Proselyten
Galiläas, die in die starre, unveränderliche Jaho-Religion
die Frühlingskeime einer höheren und reineren Gottes-
anschauung, und Gottesverehrung trugen?
Aber wir können vom alttestamentUchen Psalter als
vermeintlichem christlichen Religionsbuch nicht Abschied
nehmen, ohne noch einigen weiteren Betrachtungen Raum
zu geben.
Zwar daß die katholische Kirche dem Psalter solche
Bedeutung beimißt, daß sie jeden Priester verpflichtet,
das ganze Psalterium allwöchentlich durchzubeten, mag
mit Stillschweigen übergangen werden. Jeder akademisch
gebildete katholische Theologe weiß ja, was von der
lateinischen Übersetzur^ gerade der Psalmen zu halten
ist, daß also die Priester den Sinn dessen, was sie
beten, an hundert und aberhundert Stellen gar nicht ver-
stehen können, weil er schlechterdings unverständlich ist.^
Wichtiger ist ein anderes, ein zwiefaches.
„Frei, aber ziemlich sinngemäß" konnten wir das oben
besprochene Psalmwort Ps 73 ** *■ von I^uther übersetzt
nennen. Aber nicht immer deckt sich Luthers Psalmüber-
setzung mit dem ursprünglichen Wortlaut und Gedanken
des Psalmisten. Eine schöne Pfingstsitte ist die
Schmückung von Häusern und Kirchen mit Maien. Aber
an Ps 118*' hat sie keinen Halt, denn der Urtext lautet
nicht, wie Luther übersetzt: „schmückt das Fest mit Maien
^) Ganz wenige Stichproben mögen genügen: Moab olla $p§% meae
(Ps 59= 6oi<*), Original: ,^oab ist mein Wasüiheckeii** ; — priusquam
intelligerent spinne vestrae rhamnutn (57= 5$i<^; — pvodiit quaii ex
adipe iniquitas eorum (72 =z y^f); — h(H)erodii domus dux est earum
(103= 104 1'), Original: ,, der Storch, dessen Wohnung Zypressen sind".
,,Ein sehr tüchtiger Professor der Dogmatik übersetzte mir selbst die
Stelle allen Ernstes: »Das Haus des Herodes war ihr Führer'. Wohl
kam ihm das sonderbar vor, aber er wußte nicht, was es sonst heißen
sollte" (briefliche Mitteilung aus Österreich). — Jerusalem, quae aedifi»
catur ut civitas, cujus parücipatio ejus in id-ipsum (121 = 122').
J.6 I^uthen Psalmenfibcrsetzimg.
bis an die Homer des Altars'', sondern : ,,bindet das Fest-
opfer (gemeint ist die Menge der Opfertiere) mit Stricken
bis an die Homer des Altars". — In wieviel Tausenden von
christlichen Häusern wird am Silvesterabend der 90. Psalm
gelesen und in ihm der Vers 10 : „Unser Leben währet
siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig
Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe
und Arbeit gewesen" als eine dichterische Verherrlichtmg
der mühseligen Arbeit dieses irdischen lycbens gewertet !
Aber der Dichter, ein Pessimist nach Art des Predigers
Salomonis, der in dem raschen, flugartigen Aufeinander-
folgen der menschlichen Generationen ausschließlich eine
Folge des göttlichen Zorns, in dem wie Gras vergehenden
lieben der Menschheit wie jedes einzehien Menschen nichts
als Jahos Zorn über die menschliche Sündhaftigkeit sich
widerspiegeln sieht, darum auch alles menschUche Sich-
mühen im ewigen Wechsel der Geschlechter für Eitelkeit der
Eitelkeiten erachtet (Qoh i *'*'), er wollte sagen : „und wenn
es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es
ungewöhnlich ist, so ist es {seil, doch nur) Mühsal und
Nichtigkeit, d. h. Mühe um nichts, vergebliche Mühe, eitel
nutzlos und zwecklos. Das ist wahrlich kein erhebender
Gedanke beim Eintritt in ein neues Lebensjahr, das Gottes
Güte uns schenkt. Beiläufig bemerkt, wird der Psalm
„Mose, dem Manne Gottes" zugeschrieben aus leicht er-
kennbarem, aber nichts weniger als stichhaltigem Grunde.
Es soll dies hier nicht näher ausgeführt werden, nur möchte
ich im allgemeinen noch vor den Überschriften der
Psalmen warnen.
Es ist wahrhaft betrübend, die Torhext, die Un-
verfrorenheit, ja zum Teil bewußte Unwahrhaftigkeit
brandmarken zu müssen, mit welcher so viele Psalmen in
den letzten Jahrzehnten vor Christus datiert worden sind,
mehr als 70 ofienkundig nächexilische Psalmen David zu-
geschrieben werden, wie in der griechischen Bibelüber-
setzung sogar der 137. Psalm : „An den Bächen Babels
David kein Psalmdlchter und I^iedersänger. Afj
saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten"
die Überschrift trägt: „Von David*', und Petrus (Acta 4^)
den zweiten Psalm auf David zurückführt — Seitenstücke
zum Chronisten (i Chr 16), der Psalmen des zweiten, ersten
Jahrhunderts (Ps 105 ^"^*, Ps 96) um tausend Jahre zurück-
trägt und von David bei der Überführung der Bundeslade
gesungen sein läßt, obwohl Ps 105^ ein Zitat aus Jesaia
(12 *) ist (Anm. 10). Das ist eine der gröbsten Täuschungen,
die sich die jüdischen Schriftgelehrten haben zuschulden
kommen lassen. Diese Zurückdatierung von mehr denn
70 Psalmen um ein volles Jahrtausend, ihre Zurück-
führung auf David, die selbst der beschränkteste Schrift-
gelehrte in vielen Fällen, schon aus sprachlichen und sach-
lichen' Gründen, als ganz unmöglich erkennen mußte, ja
vielfach obendrein die ganz genaue Angabe der Umstände,
unter denen David jene Psalmen gedichtet und gebetet
haben soll, hat natürlich keinen anderen Zweck, als die
Persc»! des Königs David und mit ihm das jüdische Volk
überhaupt mit dem bekannten Heiligenschein zu umgeben,
den König David, der natürlich auch gute Eigenschaften
hatte, aber im Grunde genommen nach all^m, was das
Samuelis- und Königsbuch von ihm erzählt, ganz und gar
kein frommer I^iederdichter und Liedersänger war, sondern
ein rauher Kriegsmann, der sich durch Verstümmelung
von 100 Philisterleichen die Brautgabe für Sauls Tochter
Michal verschaffte (i Sa 18^^); der die gefangen genom-
menen Moabiter auf die Erde sich niederlegen ließ und mit
einer Meßschnur abmaß, um dann je zwei Schnurlängen
zur Hinrichtung, je eine Schnurlänge zum Amiebenbleiben
zu bestimmen (2 Sa 8 ^), und s. weiter i Sa 27^- " 2 Sa 12 '^
Ich will nicht von neuem an Davids Ehebruch mit Urias
Weib erinnern (siehe I, S. 92), obwohl ein solch raffinierter
und grausamer Ehebruch nicht seinesgleichen findet, son-
dern nur noch an Davids letzten, seinem Sohne Salomo
auf dem Sterbebett unmittelbar vor seinem Tode erteilten
Auftrag, den Simei, dem er selbst Sicherheit des Lebens
I
L
Gegen dk Eiitikei der „Groflca Timcliniig" I.
geschworen hatte, nicht ungestraft zu lassen, sondern
ne grauen Haare mit Blut in die Unterwelt zu be-
■dem (i Eö 2'% Ein König David mit der goldenen
one auf dem Haupte und der goldenen Harfe an sdner
ite verdient keinen Platz in den christhchen Kirchen,
verdient es nicht, als Ahnherr Jesu zu gelten.
Damit hätte ich im Großen und Ganzen wohl alles
;^t, was vom religion^eschichtUchen, Uterarischen wie
itorischen Standpunkt über die Schriftprophetea und
atmen zu SE^en ist, und hatte nacl^eholt, was ich
sichtiich nicht gleich im I. Teile der „Großen Täu-
lung" besprochen habe, obwohl diese vermeintliche
iterlassung der Hauptvorwurf ist, der mir von meinen
itikem samt und sonders gemacht wurde.* Als ob man
Hnem Buche gleich alles sagen müßte mid s^^
nnte, zumal wenn man sich der Verantworthchkeit bd
sen ernsten Fragen bewußt ist. und als ob es bei solchen
mdstürzenden Darlegungen nicht gälte, langsam und
dagf^isch vorzugehen! Zu meiner Genugtuung darf
1 behaupten, daß, abgesehen von jenem Vorwurfe, ich
tte den Prfipheten und Psahnen ihr Recht nicht werden
isen, gegen die Ausführungen meines Baches selbst nach
tn Zeugnisse berufener unparteiischer Beurteiler nichts,
ch rein gar nichts geltend gemacht werden konnte,'
laß das in der „Großen Täuschung" über den Hergang
) Ab beaondcra nngehfirig Ist lurückzuweben, irenn Melnhold mir
rachlöge für Themata macht, die kh besser behandelt hätte, z. B.
ase und Veisöbnnngslehie. Für solche Themata nnd ihre richtige
liandlung muB doch erst die Bahn freigemacht werden, indem die
Verbindlichkeit des Alten Testaments für unsern obilstlichen Glauben
I fär das kirchliche Dogma mitsamt dem kircljlichen Kultus auf-
«igt nird.
) Vgl. z. B. das Urteil von Konsistoilalrat Albett Klein im
mur [Heft 11, 1930): „Prof. Herrn. Gunkel bat in der Frankfurter
tuitg in einem wohl etwas ailzuselir für ihr Publikum gescliriebenen
f Satz erbittert genug über die Große Täuschung abgeuiteUt, aber das,
B Delitzsch behauptet und vorbringt, hat er nicht widerlegt".
1
Gegen die Kritiker der ,, Großen Tänachung*' I. ^g
der Eroberung Kanaans durch Israel, die Entstehung
der sogenannten Thora Mosis und über die politische
Tätigkeit der Propheten Gesagte als unanfechtbar
gelten kann. Das wird ja auch der letzte Grund all der
Schmähungen sein, die jüdische und christHche Theologen
auf mich gehäuft haben und weiterhin häufen werden.
Was aber das auch gegenüber der „Großen Täuschung"
bis zum Überdruß wiederholte Verdikt „nichts Neues"
betrifft, so ist dies bekanntUch der nämliche Vorwurf, der
gegen meinen ersten Vortrag über Babel und Bibel aus
Hunderten von Kehlen erschallte, der aber handgreifUch
dadurch widerlegt ist, daß jetzt naqh 19 Jahren der Ver-
leger jenes Vortrages sich genötigt sieht, eine Neuausgabe
vorzubereiten, um der Nachfrage zu genügen. Es gibt
also doch noch Tatisende gebildeter und für reUgiöse Dinge
empfänglicher Deutschen, denen das dort Gesagte auch
heute noch etwas Neues ist. Sollten sich meine theologi-
schen Kritiker nicht auch betreffs des in der „Großen
Täuschung" Gesagten einer Selbsttäuschung hingeben, die
Tragweite ihrer eigenen aufklärenden Schriften allzuhoch
einschätzend? Neben den nicht gezählten Schmähbriefen
habe ich auch viele, viele Dankesbriefe geistig hoch- und
höchststehender Männer erhalten, von denen wenigstens
vier im Auszug hier mitgeteilt werden mögen, gewiß nicht,
um mich mit ihnen zu brüsten, sondern ledigüch, um
jenen Vorwurf „nichts Neues" auf das richtige Maß
zurückzuführen.
Ein weltbekannter Verlagsbuchhändler tmd Antiquar
schreibt (24. August 1920): „Während meines Ferien-
aufenthaltes haben meine Frau und ich Ihre Schrift „Die
große Täuschung" gelesen. Wir waren beide und sind
auch jetzt noch sehr begeistert davon und wünschten nur,
daß das Buch in Millionen von Exemplaren dem deutschen
Volke zugänglich gemacht würde. Die klare überzeugende
Darstellung von Tatsachen, die dem naiv Denkenden bis-
her verborgen waren, ist geeignet, uns allen die Augen zu
Delitzsch, Die g-oese Tlutchnng. II 4
50 Gegen dsp Kritiker der ,, Großen Tftnscbnng*' I.
ö£Enen und uns noch rechtzeitig vor den schweren Ge-
fahren, die dem deutschen Volke drohen, zu retten''.
Bin langjähriger deutscher Staatsminister und Aristokrat
konservativster Gesinnung schickte mir folgenden Trost-
brief (15. JuU 1920): „Sie haben wegen Ihrer „Großen
Täuschung" so viel Lästerungen erfahren und werden
sicher noch mehr zu hören bekommen, daß es Ihnen viel-
leicht nicht gleicl^;ültig sein wird, auch ein Wort der An-
erkennui^ aus Laienkreisen zu hören. Neues hat Ihr Buch
mir nicht gebracht, denn ich verstehe etwas hebräisch, und
ich habe alle einschlägigen Werke von Wellhausen, Eduard
Meyer, Gunkel und den andern Mitarbeitern von Nowacks
Kommentar aufmerksam und mit Nutzen gelesen. Aber
die groi3e Menge der Laien hat sie eben nicht gelesen und
kann sie wegen mangelnder Sprachvorkenntnisse nicht
lesen. Daher stehen sie vor Ihrem jüngsten Buch wie die
Kuh vor dem neuen Tor. Und wenn sie einmal im Alten
Testament blättern, so tun sie es mechanisch und merken
gar nicht, wie die Millionen des Auszugs aus Ägypten sich
im Handumdrehen in die nicht voll 40000 Wehrhaften
zu Deboras Zeit verflüchtigt haben". Und weiter: „Ich
stehe in gdegentlichem Briefwechsel mit einem evange-
lischen Geistlichen, der selber der strengeren, aber ver^
ständigen Richtung angehört. Und ich teile dessen in
mehreren Schriften niedergelegte Auffassung, daß es mit
dem hergebrachten alttestamentlichen Schlendrian in
Schule und Kirche so nicht weitergehen darf, soll die
evangelische Gemeinde nicht schweren Schaden leiden.
So denken nicht wenige, aber wenige haben den Mut, es
offen wie Sie zu sagen oder gar ihrer Überzeugung gemäß
zu handeln".
Ein in allen geschichtlichen und philosophischen Fragen
zu maßgebendem Urteil befähigter geistvoller Forscher
schreibt (11. April 1920): „Ich halte die Resultate für
schlechterdings zwingend, namentlich die geschichtlichen
Ausblicke aber sind von ungeheurem Wert. Von ganzem
Gegoi die Kiitikei: der ».Großen Täusdiung" I. 51
Hetzen hoffe ich im Interesse unseres unglücklichen Volkes»
daß das Werk die Resonanz finden möge, die es verdient.
Der mit Sicherheit zu erwartende Widerspruch wird in
sich selber zusammenfallen".
Ein „treuer Elathoük" endlich, obwohl sich nach der
einen und anderen Seite eine andere Auffassung vor-
behaltend, schrieb mir (11. April 1920): „Mit jubelndem
Herzen habe ich die markante Peststellung der großen
Selbsttäuschung von ungezählten Millionen, daß Jaho =
Gott sei, begrüßt, Generationen über Generationen werden
Ihnen für dieses Wort ehrlichen Dank ss^en. Was ich
schon jahrelang mit Schmerzen empfunden habe, daß wir,
um die große Menschheitsfrage des Wozu? zu lösen, tmsem
Blick allzu starr auf das Alte Testament gerichtet haben,
anstatt den Werdegang der gesamten Erdenvölker zu
tiberschauen, das hat nun in klassischer Form seinen
öffentlichen Ankläger gefunden. Um Gottes willen, so
wünsche ich, möge diese Erkenntnis allgemeine Verbreitung
finden".
Auch aus dem Chor der klug und besonnen urteilenden
Zeitungsstimmen sei wenigstens das Urteil einer süd»
deutschen Tageszeitung (vom 26. Oktober 1920) hier mit-
geteilt:
„Wird man also zum mindesten von einer absicht-
lichen Täuschimg der gesamten Menschheit durch die
althebräischen Schriftsteller nicht ohne weiteres sprechen
können, so kann man diesen Vorwurf ziun Teil der anderen
Seite, gegen die Delitzsch sich wendet, den heutigen Ver-
tretern der „alttestatnentlichen Heilswahrheiten" nicht
ersparen. Es läßt sich schließlich verstehen, wenn jüdische
und christlich-orthodoxe Kreise aus Tradition und Prinzip
daran festhalten. Ich will auch nicht bestreiten, daß es
eine Anzahl wirklich überzeugter Anhänger dieser An-
schauungen gibt, aber : ein sehr, sehr großer Teil der Leser,
der diese Ausführungen liest — ich habe bereits manche
Anfrage deswegen erhalten — steht vor etwas ganz
; -1-
i G«gea die Erttiker der „Ofofiea Tfiuschniig" t
euem, noch nie Gehörtem! Und darin liegt die gioQe
iverzeihliche Tauschui^, daß man aus kirchlichen und
rchenpoütischen Gründen und Grundsätzen all diese
'ennenden Probleme dem wirklich „leichtgläubigen"
ibelleser und Kirchengänger vorzuenthalten wußte, ot>-
3hl deren Lösung schon lange Al^emeingut der Wissen -
:haf t geworden ist. Vertreter und Anhänger der christ-
^en Kirche und speziell der „alttestamenthchen"
Issenschaf t haben schon im Babel-Bibel-Streit DeUtzsch
it der Bemerkung abzutun versucht, was er sage, sei ja
Les längst bekannt. Gewiß: die Theologie hat das
eiste, was Delitzsch vorführt, auch schon lange gesehen,
anches könnte ebensogut bereits Marcion gesagt haben,
en wirkUchen und wissenschaftlichen Vertretern ist das
3hl bekannt, nicht aber dem größten Teil des gläubigen
olkes. Und weil Delitzsch nun wieder diese Tatsache
harf beleuchtet, darum die Erregung und Erbitterung,
it der gegen ihn angegangen wird. Man sucht ihn mit
issenschaftUchen Gründen zu erledigen, kann aber —
ag man auch über den einen oder anderen Punkt seiner
arl^ungen „wissenschaftlich" verscWedener Meinung
in — die feststehenden Tatsachen nicht erschüttern,
id darum findet man in der Form und Tendenz der
:hrift einen Angriffspunkt oder noch besser: man über-
;ht sie vollständig, ein bewährtes und oft angewandtes
inzip, indem man I^eute, die einem unbequem sind,
tschweigt".
Es kommt also nach alledem nicht darauf an, ob das
m mir Gesagte neu oder nicht neu sei — die Hauptsache
eibt, daß es wahr ist Diese Wahrheit aber möchte ich
ie religiöse und sittliche Bewertung hier beiseite lassend)
ihin zusammenfassen, daß das Alte Testament voll ist
>□ Täuschungen allerart : ein wahres Sammelsurium
riger, tmglaubwürdiger, unzuverlässiger Zahlen, auch
Icher der biblischen Chronologie; ein wahrer Irrgarten
IscherDarstellm^en, irreführender Umarbeitungen, Über-
r
'Sanherib und Hs^kia.
53
arbeitangen und Verschiebungen, darum auch Anachronis-
men^; eine unablässige Durcheinandermischung sich wider-
sjprechender Einzelangaben und ganzer Berichte,* un-
liistx)rischer freier Erfindungen, Sagen und Märchen,
kurzum ein Buch voll absichtlicher und unabsichtlicher
Tätjschungen, zum Teil Selbsttäuschungen, ein sehr ge-
f älirliches Buch, bei dessen Gebrauch die größte Vorsicht
vonnöten ist. Ich wiederhole es : das Alte Testament ist
in alten seinen Büchern voll von sprachlichen Schönheiten,
von archäologischen Aufschlüssen, es behält auch trotz
seiner Mängel den Wert einer historischen Urkunde, aber
es ist nach allen, allen Seiten hin eine verhältnismäßig
späte und sehr trübe Quelle, ein Tendenzwerk vom
1. Kapitel der Genesis bis zum letzten der Chronik.
Ich will diese Betrachtung mit einem Beispiel schließen,
das für alttestamentiüche Theologen und Althistoriker in
der Tat nicht neu, im Gegenteil altbekannt, ja abge-
droschen ist, aber dennoch noch lange nicht gebührend
gewürdigt oder erledigt.
Der König Sanherib, der Sohn Sargons, des Eroberers
von Samaria, berichtet, daß er auf seinem dritten Feldzug
im Jahre 701 v. Chr. nach Niederwerfung Sidons und der
sidonischen Städte bis hinab nach Akko die ununter-
würfige Philisterstadt Askalon bestraft habe und dann
g^en Ekron gezogen sei, welches seinen treu zu Assyrien
stehenden Elönig Padi gefesselt und böswillig dem König
von Juda, Hizkia, überantwortet hatte. Nach Besiegung
ägyptisch-äthiopischer Heerhaufen, die den Ekroniten auf
deren Bitte zu Hilfe gekommen waren, in der Schlacht
von Altaqü wurde Ekron hart gezüchtigt. Das gleiche
^) Ein besonders häßlicher und zugleich verräterischer Anachronis-
mus ist es, daß nach dem klaren Berichte des Exodus Jaho sich unter
diesem Namen erst Mose geoffenbart habe, während die Genesis Jaho
bereits von Nosdi und zwar als der Gott Sems überhaupt genannt sein
läßt (0^*), Abram den Namen Jahos anrief (12*), Jaho schon zum Gott
Abrahams, Isaaks und Jakobs gemacht wird. Vgl. I, S. 84.
T>
KA Sanherib und Uizkia.
Schicksal traf Hizkia, der, obschon er notgednmg^i den
Päd! auslieferte, vielleicht sogar mittels eines nach Lakisch
gesandten Boten Sanherib um Verzeihung bat (s. 2 Ej5 i8 ^^ ,
dennoch in seiner Ununterwürfigkeit beharrte. Nach
einem klugen Kriegsplan wurde er von einer detachierten
assyrischen Heeresabteilung in seiner Hauptstadt Jeru-
salem ,,wie ein Vogel im Käfig" eingeschlossen, sodaß er
und die judäische Hauptmacht vollkommen matt gesetzt
war, während Sanherib alle übrigen festen Ortschaften
Judas, 46 an Zahl, nach heftiger Gegenwehr eroberte, ihre
Bewohner samt denen der zahllosen kleineren Nachbar-
ortschaften, klein und groß. Mann und Weib, in der Ge-
samtzahl von 200 150 Gefangenen nebst Viehherden ohne
Zahl wegführte, die also entvölkerten Städte und Dörfer
aber den Philistern von Asdod, Kkron, Gaza zuteilte, also
daß das jüdische Gebiet um einen großen Teil der Niede-
rung und des Gebirges (s. Jos 15 W'*®) verringert wurde.
Der Staat Juda war damit für die Assyrerkönige so voll-
ständig erledigt, daß Sanheribs Sohn und Nachfolger
Asarhaddon bei seinen Zügen gegen Ägypten von Juda
und Jerusalem überhaupt keine Notiz nahm. Eine furcht-
bare Bestrafung Hizkias, der es unterlassen hatte, gleich
Ammon, Moab, Edom, Asdod Sanherib rechtzeitig durch
Tributsendung zu huldigen, und obendrein mit den auf-
sässigen Ekroniten gemeinschaftiiche Sache gemacht hatte .
Kein Wunder, daß, nachdem Sanherib nach Ninewe
zurückgekehrt war, Hizkias Versuch aber, Jerusalems Be-
festigungen schleunigst zu verstärken, an der Ausständig-
keit (? Bestürzung?) der hierzu in die Hauptstadt genom-
menen Beduinen und sonstigen Landesbewohner geschei
tert war, Hizkia von denkbar größter Angst vor einer
etwaigen Wiederkehr des assyrischen Großkönigs und
seines Heeres erfaßt wurde und sich nunmehr zu einer
Tributsendung entschloß, wie sie selbst den KanzUsten
Sanheribs als etwas Ungewöhnliches erschien, sodaß sie
den übersandten Tribut so genau detaillierten, wie die^
Sa&herib und Hizkia.
55
sonst selten der Fall ist. Wir lesen auf Sanheribs sechs-
seitigem Tonprisma: „Neben 30 Talenten Gold, 800 Ta-
lenten Silber auserlesene ..,.., große Libationsgefäße (?),
elfenbeinerne Betten und Stühle, Elefantenhaut, Ele-
fantenzähne, kostbare Hölzer, buntgewebte und linnene
Kleider, violett- und rotpurpume Wollstoffe, Gerät von
Kupfer, Eisen, Bronze, Blei; Streitwagen, Schilde, Lanzen,
Panzer, eiserne Gürteldolche, Bogen und Pfeile, Speere,
zahlloses Kriegsgerät; dazu seine Töchter, seine Palast-
damen, mäimliche und weibUche Musikanten sandte er
nach Ninua, der Stadt meiner Herrschaft, hinter mir drein
(bzw. nach meinem Abzüge), und zur Übergabe des Tributs
und Huldigungslßistung schickte er seinen Gesandten".
Da Hizkia für Sanherib eine wenig bedeutende Persön-
lichkeit war, so ist jeder Zweifel an der Glaubwürdigkeit
des keilschriftlichen Berichtes ausgeschlossen, wogegen das
Alte Testament als historische Quellenschrift dermaßen
diskreditiert ist, daß von vornherein niemand geneigt sein
wird, dem Berichte des Königsbuches (2 Kö i8^' bis
Kap. 19/Jn.) bzw. des Buches Jesaia (Elapp. 36, 37) über
Sanherib - Hizkia höheren Glauben zu schenken. Gleich
die biblische Jahreszahl für Sanheribs Feldzug gegen
Philistäa, 714, ist falsch. Er fand auf Grund der astro-
nomisch beglaubigten assyrischen Reichschronologie im
Jahre 701 v. Chr. statt. Das Alte Testament gibt, wie die
Niederlage der philistäischen Städte (2 Kön 18®), so auch
die Eroberung aller festen Städte Judas zu, desgleichen
die zeitweise Einschließung Jerusalems, spricht auch von
einer Tributleistung in Höhe von 30 Talenten Gold und
300 Talenten Silber, die nur. zum Teil aus dem Tempel-
und Palastschatze hätten bestritten werden können, aber
im übrigen ist alles im Alten Testament Erzählte als
tendenziös verfärbt tmd überdies schon durch seine zwei
ineinander gearbeiteten, sich widersprechenden Berichte
als völlig unzuverlässig erwiesen. Nach dem einen Berichte
hätte Sanherib von Lakisch aus ein großes Heer gegen
^6 Sanbertb mid BizUa.
erosalem gesandt and durch dessen Führer, den so-
:enannten Rabschaqe, die auf der Mauer Jerusalems ver-
anunelte judäische Soldateska zur Übergabe der Stadt
ufgereizt.^ Nach dem anderen Berichte hätte Sanherib
lur Boten mit einem zur Übergabe Jerusalems aitf-
ordernden Brief an Hizkia geschickt. Nach dem einen
Jerichte wäre Sanherib, einem Prophetenwort Jesaias
ntsprechend, auf Grund eines Gerüchtes, daß der Äthiopen-
»nig Tirhaqa' wider ihn ausgezogen sei, in sein Land
uriickgekehrt (2 Kö ig'*"; Jes37''**); auch nach dem
ndem Berichte wäre Sanherib, ebenfalls einer Verkündi-
long Jesaias entsprechend, von Jerusalem abgezogen und
.nf dem Wege, den er gekommen, nach Ninewe zurück-
;ekehrt (2 Kon 19"'^ ••; Jes 37** "' ", vgl. auch 2 K5 19**;
es 37"). Dagegen zog nach wieder einem anderen Be-
ichte der Engel Jahos aus und schlug 185000 Mann im
issyrischen Heere, also daß „sie, als sie am Morgen aol-
tanden, sämtlich tote laichen waren" I Ein Märchen, in
iirektem Widerspruch mit allen übrigen Berichten sowie
[en Aussäen des Propheten Jesaia, noch dazu ein albernes
(ärchen, da kein as5}msches Heer weder in seiner Gesamt-
leit noch viel weniger in einem Bruchteil jemals 185 000
laim gezählt haben dürfte, und da Sanheribs Heer schon
m nächstfo^enden Jahre wieder kampfgerüstet zum
)ien5te seines obersten Kriegsherrn stand ; ein Märchen ,
in Albernheit nur übertroffen von einer in Ägypten
*) Ba mag sein, doQ der Pähier des zur Zeruierung Jemsalems Alis-
esandten assjrtlachen Detachements auf eigene Paust einen Hand-
treicb Tersuchte nnd die Besatzung Jernaalems aus eigener Hachtvoll-
onmtenheit zur Übergab« der Stadt aufforderte, aber dies Kö 18 '•"'*;
tai6*~" überlieferte Rede des «ssjrischen Würdentiägers erweckt
a mehr denn Einem Punkte Zweifel an ihrer Authentizität, Anf alle
rsUe widerstreitet sie Sanheribs klarem Bericht, demzufolge der assTrischc
iroQkGnig lediglich eine Elnschlieflung, aber keine Belagerung Jern-
alems zwecks Aushungerung beabsichtigte.
*} Tirbaqa, ägyptisch Taharqa, assjrisch Tarqü, kam tun 704 auf den
liron und erscheint als Gegner AsarhaddODS in den Jahren 674 und 671.
Sanherib und Hizlda.
57
kolportierten tragikomischen Geschichte (s. Herodot II
141), wonach eine ungeheure Zahl Mäuse das Assyrerheer
(vor Pelusium!) überfallen und sämtliches lycder an den
Schilden, Köchern, Bogen aufgefressen habe, wodurch
die Assyrer wehrlos gemacht worden seien ! Was aber die
Tributsendung betrifft, die nach Sanheribs unmißverständ-
lichem Berichte nach Ninewe erfolgte, so wird sie im
Buche Jesaia ganz übergangen, während das Königsbuch
(2 Kö 18"") den Anschein erweckt, als hätte sie nach
Lakisch, einer Festung des südwestlichen Juda, statt-
gefunden. So unwahrscheinlich es einerseits ist, daß
Sanherib nach erhaltenem Tribute gegen Jerusalem vor-
gegangen sei, so ist andererseits schlechterdings kein Grund
abzusehen, warum die Geschichtsschreiber Sanheribs
Hizkias Tributsendung und Huldigung von Lakisch nach
Ninewe verlegt haben sollten. Umgekehrt läßt sich be-
greifen, daß Hizkia angesichts des kurz vorher infolge von
Hoseas Abtrünnigkeit über Samaria und das Reich Israel
verhängten furchtbaren Strafgerichts und nach solch
großem tmd empfindüchem Gebietsverluste eine Wieder-
kehr der assyrischen Invasion um jeden Preis, selbst um
den Preis eines Fußfalls in Sanheribs Hauptstadt Ninua,
abzuwenden versuchte. ^
^) Trotzdem daß Hizkias Bmpönmg wider Sanherib so unglücklich
Terlief wie nur denkbar, indem sie Judäa schon zu Hizkias Zeit dem
Znsammenbruch nahebrachte und ihm einen riesigen Verlust an Gebiet,
Menschen und Vieh kostete, wagt 2 Kö 18 ^ zu^behaupten, daß Hizkia
wegen seines frommen Festhaltens an Jaho „in allen seinen Unter-
nehmungen eitel Erfolg gehabt" habet Worte, nichts als Worte,
aber mit solcher Keckheit immer von neuem vorgetragen, daß sie der
Gutgläubigkeit der gedankenlosen Leser noch auf lange Zeit hinaus
sicher sein können. Auch wenn Kautzsch in s&neta Abriß der 0$-
»ehichte des alUestamenUichen Schrifttums S. 165 bemerkt: „Als dann
der Gott, der auf dem Zion thront (so schreibt ein christlicher
Theologe!), die unerschütterliche Verheißung (?) seines Propheten wahr
gemacht und in einer Nacht über die Myriaden (?) Assurs triumphiert
hatte", usw., so sind das ebenfallmichts als inhaltsleere, der historischen
Wahrheit ins Gesicht schlagende Phrasen.
L
1
Die Fropheticen JcMiu gegen Sanberib.
d in welch tmvortdUlaftem lachte erschünt ntm gar
in betreff des Verhaltens des Propheten Jesaia Be-
itel Da Sanherib genau so wie später Nebukadnezar
e, daß Jerusalem nur durch Hunger, d. b. durch lang- '
;e BelE^erui^ erobert werden könne, fiel es ihm
rlich nicht im Traume ein, nach jenen schweren
pfen gegen die philistäischen Städte und judäistjien
ea auch noch Jerusalem belagern und erobern zu
n. Was er beabsichtigte und was ihm vollständig
g, war, Jerusalem zu zemieren und das dort ver-
leite judäische Heer festzuhalten, während er die
sten Städte der Reihe nach stürmte und eroberte,
len ermutigenden Worten, die Jesaia dem Kön^
i in dessen Riesenangst laut dem ersten Berichte
19*''; Jes37''') und laut dem zweiten Berichte
ig**"-; Jes S?**"') zukommen ließ, wollen wir
Kritik im Einzelnen üben. Aber daß auch noch dn
ischeinlich erst nachexilisches Lied (2 Kö i g ""*« ; Jes 37
das den Rückzug Sanheribs von Jerusalem zum
astande hat, Sanherib aber Taten zuschreibt, die er
oUbracht hat, Sanhenb wohl mit Nebukadnezar ver-
selnd, als eine prophetische Verkündigung Jesaias,
ühnes des Amoz, in den historischen Bericht mit ein-
ölten ist, ja daß sogar ein „Zeichen" als Unterpfand
lie Erfüllung dieser Stilübung eines späteren Pro-
aischülers oder Dichters (Anm. 1 r) dem Hizkia ge-
1 wird (2 Kö ig"**'; Jes37"'*'), ist doch der ten-
ösen Täuschung im ,, Worte Gottes" etwas zuviel.
er — so höre ich im Geiste Viele einwenden, obwohl
LÖnen bisherigen Darlegungen vielleicht zustimmend
ät sind ~ bleibt nicht das Alte Testament trotz alle-
:ür uns Christen unentbehrlich, da das Neue Testament,
sus selbst in seinen Reden fort und fort an das Alte
iment anknüpft, auf das Alte Testament zurück-
Jesa neue I>hre. ^n
weist? Das ist gewiß richtig, jede Seite des Neuen Testa-
mentes bezeugt es. Aber darf ich meine Leser vom ersten
Anfang an an Jesu Gleichnis erinnern (Luk S'*'*^): „Nie-
mand reißt einen Lappen von einem neuen Kleide ab und
setzt ihn auf ein altes, oder aber er zerreißt das neue und
zum alten paßt der Lappen vom neuen nicht. Und nie-
mand legt neuen Wein in alte Schläuche, oder aber der
neue Wein zerreißt die Schläuche, er selbst läuft aus und
die Schläuche gehen zugrunde, sondern neuen Wein muß
man in neue Schläuche legen".' Jesus bezeugt durch diese
Bilder persönlich und damit unwidersprechbar, daß seine
Lehre g^enüber der synagogalen, in der er auferzog^i
worden war, etwas wirklich und vollkommen Neues sei,
für welches das Althergebrachte, das ist aber Gesetz und
Propheten, nicht mehr tauge. Er muß als jüdischer
Proseljrt und im Verkehr mit seinen jüdischen Zeitgenossen
fortwährend an das beiden Teilen geläufige Alte Testament:
Thora, Propheten und Psalmen, anknüpfen; er zeigt sich
als Schüler der Synagoge vielfach abhängig von bzw. nach-
giebig gegen irrige Angaben des Alten Testaments ebenso
wie gegen falsche überlieferte Schriftauslegungen; er
behandelt das Alte Testament, sonderlich in mehr oder
weniger untergeordneten Dingen, etwa solchen des Usus
(Luk 5**), schonend und pietätvoll, aber im übrigen
nimmt Jesus durchweg eine schroff gegensätzliche
Stellung zum Alten Testamente ein, dasselbe nicht bloß
modifizierend, sondern in allen Hauptsachen der Religion
und Ethik unumwunden abweisend, sodaß wir, als Jesu
Lehre folgende Christen, durch Jesus selbst vom Alten
Testamente tatsächlich entbunden sind.
Jesus war jüdischer Proselyt, also überhaupt nicht jüdi-
schen Ursprungs? Ganz gewiß nicht. Aus historischen
und noch mehr aus sachlichen Gründen . Aus historischen .
Schon der assyrische König Tiglathpileser III. oder Pul
war es, der ganz Galiläa samt dessen Nachbargebieten
im Jahre 732 zu Assyrien schlug und ihre Bewohner ver-
1
Jems. der Galtifi«. jädisdieT Froedyt.
tnzte, ebenbieiduich abei im Vereia mit Saigon II.,
die Bewohner Samarias und des Reiches Israel in die
frische Gefangenschaft wegführte, für jenes Mischvolk
GaUlaer tmd Samaritaner Platz schuf, das im 8. tmd
ahrhondett v. Chr. durch Dorthinverpflanzung fremder
ierschaften, obenan von Bewohnern babylonischer
dte: Babel, Kutha, Erech, entstand. Gemäß 2 Kö 17"
leite der König von Assur (gemeint ist Sargon II.)
len Städten Samariens „an Stelle der Israeliten" Volk
Babel und Kutha und 'Iwwa und Hamath und Sephar-
m an, während Ezra 4* unter den von Asnappar (das
Asurbanpal) nach Samarien und dem übrigen Trans-
>faiatien verpflanzten Völkerschaften neben wahrschein-
I arischen Stämmen und neben Su&ianem, das ist
miten, ebenfalls Bewohner von Erech und Babel ge-
int sind. Der Grundstock dieses Misch volkes war und
'b aber in dem Grade babylonisch, daß der Talmud
zahlreichen Stellen die Samariter geradezu ,,KuthäeT"
int nach der babylonischen Stadt Kutha, und daß die
läisch-aramäische Mimdart mit ihrer spezifisch baby-
ischen Vereinerleiung der Kehllaute^ noch zur Zeit
n sofort den Gahläer verriet. Gerade der Umstand, daß
i Jesus, der „Galiläer" (Matth 26»» Mark 14"*), gewiß
nso durch seinen galiläischen Dialekt als An-
örigen des Mischvolkes der Galiläer verriet, wie dies
i Simon Petrus, dem galiläischen Fischer (Marki^*),
drücklich berichtet wird (Matth 26"), macht die An-
ime, daß Jesu Vorfahren ii^endwelcher zeitwdligen
ischen Diaspora in Gahlaa angehört hätten, unmög-
. Die kleine vorübergehende jüdische Diaspora, die
Vgl. die bekannte Talniiidstelle EnMn 53 b: „Wenn der GaUUer
e: wer bat ein IQH? 80 dwiderte man ihm: Du Däniscber GalOiet,
ist du einen Eael (hamSr) zum Kdten, Wein (hamar) zum Trinken
WoHe ('amarj zum;Klelden oder ein J,uum (immof) tum Schlacti-
" Im Akkadiscb-AssTriacben sind die Kehüante (unter dem So-
c. des SnmeriKben) grfiStenteils genau so in »piritut letiU abgr-
iffen worden.
Jesus, der Galiläer, jüdischer Proselyt. 6l
in der Makkabäen^t sich in Galiläa befand, aber schon
vom Makkabäer Simon um 165 v. Chr. wieder nach
Judäa zurückgebracht wurde (i Makks**), kommt ohne-
hin nicht in Betracht. Jesu Vorfahren können nur An-
gehörige des damaligen Ituräerreiches (vgl. lyuk 3 *) ge^
wesen sein, dessen Bewohner Aristobul I. etwa 100 Jahre
vor Jesu Geburt zwang, die Beschneidung anzunehmen
und nach jüdischem Gesetze zu leben (Josephus, AUer-
tümer XIII, 11, 3). Sie waren also nach geschichtlicher
Beglaubigung jüdische Proselyten bzw. gewaltsam judai-
sierte Galiläer, „Galiläer, die um 100 v. Chr. dem Juden-
tum zwangsweise zugeführt*' worden waren. ^ Als An-
gehörige des galiläischen Mischvolkes waren aber Jesu
Vorfahren, selbst wenn sie Babylonierwaren, keine reinen
Semiten, sondern Nachkommen des aus Sumerern und
Akkadem verschmolzenen babylonischen Volkes. Sie
könnten natürlich auch Abkömmlinge einer der dem
assyrischen Reiche einverleibten arischen Völkerschaften
gewesen sein, doch wird sich dies mit historischen Gründen
schwerlich jemals beweisen lassen. Den jüdischen Zeit-
genossen Jesu galt dieser in dem Grade als Galiläer, als
Abkömmling des galiläischen Mischvolks, daß sie ihn ge-
legentlich sogar als „Samariter" schmähten (Joh 8*^.*
^) Siehe den Jesu 'Abstammung behandelnden Aufsatz von Prof. Dr.
P. Karge (Münster); ,,War Jesu ein ArierV* (die Überschrift ist nicht
ganz richtig formuliert), in Kölnische Volkszeitung vom 30. Juni 1920,
der beweisen will, daß Jesus jüdischer Rasse gewesen sei, aber vor
allem, soweit geschichtliche Gründe in Betracht kommen, gerade die
gegenteilige Annahme mächtig unterstützt.
*) Ein argumentum e silentio hat ja nie volle Beweiskraft, aber be-
merkenswert scheint doch, daB, während viele Christen in dem „jüdi-
schen Manne", an dessen Rockzipfel Zacharja zehn Männer aus allen
Zungen der Heidenvölker sich anklammem sieht (s. obenS. 19), Jesum
geweissagt sein lassen, kein Evangelist, auch nicht Matthäus, und
kein Apostel dieser so nahe liegenden Deutung des alttestamentlichen
Prophetenwortes Ausdruck gibt. — Beiläufig sei darauf aufmerksam
gemacht, daß die Reden Jesu, des „Propheten" von Nazareth, selbst
die von großer innerer Erregung getragenen, wie z. B. Matth. 23, die
62 Jesus sieht jüdiacheii Geblüts.
Daß aber Jesu Vorfahren und Eltern, also auch Jesus
selbst/ nicht jüdischen Geblütes waren, sondern nur zu
den „Jaho Fürchtenden" (Ps 115^^ 118* 135 *^ vgl. auch
Jes 56*), das heißt zu den jüdischen Proselyten gehörten,
lehrt die ganze Geistesverfassung Jesu, die der jüdischen
diametral entgegengesetzt war, dergestalt, daß „die
Religion Jesu auf jüdischem Boden (so wenig wie auf
semitischem Boden überhaupt) keine Wurzel hat fassen
können".^ Gegenüber der dem israelitischen Nomadeur
Volk angeborenen exklusiv-partikularistischen Geistesart,
die in der Abgesondertheit oder Heiligkeit des Volkes
Israel dessen größten Vorzug erblickte und bis auf den
heutigen Tag erbHckt, sehen wir alles Reden und Tun
Jesu beseelt von erhabenster großzügigster Gesinnung, die
in aUen Völkern und Menschen der Erde gleichberechtigte
Glieder der Menschheit erkaimte (Anm. 12). Aus dieser
Geistesart heraus entdeckt und betont Jesus innerhalb alt-
testamentlicher Erzählungen Züge, die dem israelitischen
Erzähler kaum zum Bewußtsein gekommen, waren. Ich
meine Jesu Reden Luk 4 ^ "* : , ,Es waren viele Witwen in den
Tagen des Elias in Israel, als der Himmel verschlossen
ward drei Jahre und sechs Monate, da eine große Hungers*
not über das Land kam. Und Elias wurde zu keiner von
ihnen geschickt außer nach Sarepta im Lande Sidon
zu einer Witwe. Und viele Aussätzige waren in Israel zur
Zeit des Propheten Elisa, und keiner von ihnen wurde ge-
reinigt außer der Syrer Naeman". Wenn der Evangelist
(V. 28 f.) hieran die Worte schließt: „Und es wurden alle
voll Unwillens in der S3niagoge, als sie dieses hörten, und
den semitischen Völkern eigentümliche pathetische Redefoim des
Parallelismus membrorum vollständig vermissen lassen — eine Beob-
achtung, die eingehenderer Untersuchung wert scheint.
^) Schon Ad. v. Harnack (Mission, i. Aufl., S. 45) nennt diese
Tatsache „des Nachdenkens so würdig wie kaum eine andere", und
kommt zu dem Schlüsse: ,,Bs muß doch etwas in dieser Religion ge-
legen haben tmd liegen, was dem freieren griechischen Geiste
verwandt ist".
J»n twt^üdJsche Geistesait. ß^
1 warfen ihn zar Stadt hinaus und brachten
id des Beides, tun ihn hinabzustürzen", so
Worte mehr als Bände vermöchten für
.dische, ja anti jüdische Geistesart.'
ter an die Aufstellung des Samariters
en Musters von Barmherzigkeit gegenüber
Priestern und I^eviten (Luk lo **"•'), auch
;r Dankbarkeit (17^'''), nicht minder an
Voreingenommenheit sich hinwegsetzenden
lern samaritanischen Weibe, und zur Un-
der Pharisäer und Schrifl^elehrten mit
lündem (Luk 5'", vgl- 15^'). in schroflEem
Psalm I.
üdischen Geistesveranlagung entstammten
die jene großen und neuen, der jüdischen
Täcks zuwiderlaufenden I,ehren von Gott
hnmg, zu denen schlechterdings vom Alten
s keine Brücke zu bauen oder auch nur
en vorzutäuschen ist. Es sind lehren, die
auch noch so hochstehenden Israeliten
tnals in den Sinn gekommen sind und die
ischließen, daß Jesu jüdischen Geblütes
IS als Mitglied der Synagoge den mit dem
nn'' geschriebenen Namen des Gottes
osspredibar hielt, ihn in alttestamenüichen
„der Herr" ersetzte und damit einzelnen
«n Testaments wie Dt 6' unbewußt einen
eigenen Gottesanschauui^ entsprechenden
:rlegte (s. Mark iz'"), so war doch Jesu
immelhoch erhaben Über jenen des Juden-
etkt, lassen die obigen Worte Jesu nachfühlen, wie
fallen sein mag. die griechische Syrophönikerin mit
t Probe m stellen : „LaB erst die Kinder satt werdcD;
M;ht, das Brot den Kindern nehmen und den Hündlein
64 J^^ erhabene Gottesanschaanng.
tums. Jesu Gottesglaube war der idealsteMonötheis-
m us.^ Jesus läßt Gott nicht länger wie Jaho an ein einzelnes
Volk, nämlich an sein auserwähltes Bigentumsvolk Israel,
gebunden sein, sodaß der Zugang zu ihm nur durch das
Medium des Judentums denkbar ist, sondern für ihn ist
Gott ein liebender Gott und himmlischer Vater über alle
Menschen und Völker ohne Unterschied. Er beseitigte
alle vermeintlichen Prärogative des jüdischen Volkes, in-
dem er allen Menschen und Völkern den freien, unmittel-
baren Zutritt zu ihrem Vater iin Himmel eröffnete. Er
entfesselte durch die Vernichtung des Dogmas von dem
„alleinigen Bürgerrecht Israels" (Eph 2^) jenen Kampf
zwischen Judentum, Judenchristen- und Heidenchristen-
tum, bis Petrus ausrufen konnte (Acta 10** ') : „Ich fasse
in Wahrheit, daß Gott nicht auf die Person siehet, sondern
wer in irgendeiner Nation ihn fürchtet und Gerechtig-
keit übt, der ist ihm angenehm".^ Auch der Gebunden-
heit der Gottesverehrung an einen bestimmten Ort, näm-
lich an Jerusalem, machte Jesus ein Ende: „Glaube mir,
Weib, es kommt die Stunde, wo ihr weder auf diesem
Berge (Samarias) noch in Jerusalem werdet den Vater
anbeten" (Joh 4^-^). Nicht minder setzte er an Stelle des
heidnischen Opferwesens und priesterlichen Zeremoniells
das i, Gebet im stillen Kämmerlein" (Matth 6*) und die
Anbetung im Geist: „Gott ist Geist, und die anbeten,
müssen im Geist und Wahrheit anbeten" (Joh 4**).
^) Vgl. bereits Babel und Bibel II, S. 41. — Sehr richtig sagt Hans
V. Wolzogen in seinem Artikel ..AlUestamenUiche Heilandsworkt*
(Unterhaltungsbeilage der Täglichen Rundschau vom 27. und 28. De-
zember 1920): ,, Hierauf kommt es an« daß die jüdische Gottesvor-
stellung nicht die gleiche ist wie die Jesu Christi. Wer aus einer jahr-
tausendalten Tradition oder Suggestion an jener festhält» der hat das
göttlich Neue, Erlösende des Christentums noch gar nicht wahrhaft be-
griffen. Wie es denn doch auch wiederum für jeden rein Christglaubigen
unbegreiflich sein muß, daß heute noch ernste Bekenner der christlichen
Heilslehre behaupten können, zu ihrem Glauben an Christum seien ihnen
die voryerkündenden Zeugnisse des Alten Testaments unentbehrlich".
Jesu anti jüdische Lehren. 6^
Jesus wandte sich nicht allein gegen die Ehescheidung
und damit g^en Moses (Mark lo^'^*), sondern gegen alles,
was im nachexilischen Judentum zu den höchsten und
heiligsten Dingen gezählt wurde : gegen die Speisegesetze,
z. B. gegen das Verbot des Essens mit ungewaschenen
Händen, das er mit dem schlichten, aber ewig wahren
Worte zurückwies, daß „nicht das, was in des Menschen
Mund eingehe, den Menschen verunreinige, sondern das,
was aus dem Menschen (seinem Munde bzw. Herzen)
ausgehe (Matth isii^'^o, vgl. Mark 7«- 20-23 i^^ns?-«).
er kehrte sich gegen die Sabbathe, die zu halten und vor
Entweihung zu bewahren im Judentum die strengsten
Vorschriften gegeben waren (vgl. auch Jes 56** ** •), mit den
mutigen Aussprüchen, daß „der Sabbath um des Men-
schen willen da sei, nicht lungekehrt" (Mark 2*^) und daß
„des Menschen Sohn Herr sei über den Sabbath" (Matth 12®
lyuk 6*), sowie mit den hieraus folgenden Krankenheilungen
am Sabbathtage, welche die Schriftgelehrten und Pharisäer
„ganz unsinnig machten" (Luk6^^; vgl. auch 13^®^' 14 ^■•).
Und in wessen Ohren klänge nicht Jesu „Ich aber sage
euch" (Matth. 5) nach, wodurch er die ganze Thora ver-
innerlichte, den Schwerpunkt der menschlichen Sündhaftig-
keit in das Herz und dessen Gelüste verlegte, zugleich
^er äußeren Gesetzlichkeit und Werkgerechtigkeit ein
Ende bereitend? Und wenngleich Jesu Vorschrift: „Alles
was (bzw. Wie) ihr wollt, daß euch die Leute tun, so tut
auch ihr ihnen" (I^uk 6'^) von ihm selbst durch die Worte :
„dies ist das Gesetz und die Propheten" (Matth 7^*) als
die Quintessenz alttestamentlicher Reügiosität bezeichnet
wird,^ so geht schon diese seine Ausdeutung der Nächsten-
liebe ungleich weiter als die negativen Umschreibungen in
der Thora (s. die Gesetze 131 und 132 im Anhang zu
Teil I). Und wenn Jesus das Gebot: „du sollst lieben
1) Wie ja auch Hillel (ein Menschenalter vor Jesus) lehrte: „Was
-dir unlieb ist, das tu' auch nicht deinem Nebenmenschen. Das ist die
^anze Thora".
Delitzsch, Die grosse Täuschung. II e
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66 Jesu antljüdiicher MessiaaglUmbe.
ddnen Nächsten wie dich selbst" Mark 12*^ nach der
liebe zu Gott als das zweil^ößte Gebot erklärt, so hat
er selbst doch auch dieses zweitgrößte Gebot noch un-
endlich vertieft durch die Ermahnung zur Peindesliebe:
„liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen,
s^net, die euch fluchen, betet für die, die euch be-
schimpfen" (Luk6*''). „Ich bin nicht gekommen auf-
zulösen, sondern zu erfüllen", das heißt: Jesu Lehre
p wollte nicht lediglich auflösen und niederreißen, sondern
'i in höherem als vordem geahnten Sinne ein Neues, VöU-
[' kommenes aufbauen.
f^. Das Judentum eine Religion des Diesseits und infolge-
dessen des Materialismus, dag^en bei Jesus alle Gedanken
auf ein höheres, überirdisches Leben gerichtet, auf eine
Zusammenklammerung von Erde tmd Himmel voll tröst-
licher Hoffnung auf eine dereinstige Rückkehr in Gottes
Vaterhaus mit seinen vielen Wohnungen, eine Religion
unbegrenzten Idealismus, von welchem jedes Kruzifix am
Wege immer neu ergreifend predigt: „Sei getreu bis in
den Tod, so will ich dir die Barone des Lebens geben!'*
Und welcher Gegensatz zum Judentum bezüglich des
erhofften Messias: Jesu Überzeugung von der der Juden
verschieden wie Himmel und Erde, dem Morgensterne
vergleichbar, der über Nacht und Nebel aufleuchtet, einen
neuen Morgen verkündend ! Während die jüdischen Pro-
pheten alles Endheil von einem weltlichen König oder
Messias erwarteten, der das Reich Israel tmd mit ihm zu-
gleich Israels Herrschaft über alle Völker und Reiche der
Erde aufrichten; der alle ihm nicht huldigenden Völker
mit eisernem Zepter zerschmettern werde (Psa*),^
^) Gewalt, nichts als Gewalt gegen die Feinde Israels, wie es auch
Jes4i^>^'* heißt: „Siehe, ich mache dich zn einer neuen Dreschwalze
|v mit vielen Schneiden: du wirst die Berge dreschen und zermalmen
und die Hügel der Spreu gleichmachen! Du wirst sie worfeln, und
der Wind wird sie davonführen, und der Sturmwind wird sie auseinander-
fegen; du aber wirst frohlocken über Jaho, des Heiligen Israels wirst
% du dich berühmen".
— ^-,
Die Schändung des . Jesosnamens dnrch die Juden Arabiens. fyj
machte Jesus mit einem Wahrheitsmute ohnegleichen allen
solchen irdischen Träumen ein £nde, erklärte er das
Himmelreich bereits für gekommen (Matth 4^^) in und mit
der Lehre, mit der ihn sein himmlischer Vater betraut habe.
,»Mein Heich ist nicht von dieser Welt". ,, Kommet her zu
mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch
erquicken. Nehmet mein Joch auf euch und lernet von
mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen, so
werdet ihr Erquickung finden für eure Seelen. Denn mein
Joch ist sanft und meine Last ist leicht" (Matth 11 *®'') —
sind das nicht Worte aus einer anderen Welt? Aber indem
nun Jesus folgerichtig sich als den von Gott gesandten
und mit Gottes Geist gesalbten Messias erklärte, die alt-
testamentlichen Bezeichnungen des Messias „Gottessohn"
(Anm. 13) und „Menschensohn" (Anm. 14) auf sich über-
tragend, auch nach synagogaler Lehre schon Moses und
die Propheten auf sich hinweisen lassend, und indem er
obendrein ebenso folgerichtig sich „König der Juden"
(Mark 15*) nannte, mußte er alle jene unausdenkbaren
Martern und schließlich den furchtbaren Tod am Kreuze
erleiden, der ihm trotz alledem mehr als wahrscheinlich
erspart geblieben wäre, wenn er von jüdischem Geblüte
gewesen. Als Angehöriger des jüdischen Volkes würde
Jesus kaum Gegenstand solch grenzenlosen und un-
auslöschlichen Hasses gewesen und geblieben sein, wie
ihn noch die Juden Arabiens zur Zeit Muhammeds hegten,
dermaßen, daß sie Jesum mit ihrem bösesten Schmäh-
worte „Esau" benannten, wodurch Muhammed irregeführt
wurde, Jesum ebenfalls 'tsa zu nennen und damit Jesu
Namen — sehr wider Muhammeds eigenen Willen — im
Munde von nahezu 250 Millionen von Moslems tagtäglich
und für ewige Zeiten zu beschimpfen.^
Die alttestamentlichen Bezeichnungen des Messias:
„Gottessohn", „Menschensohn", „der Juden König" über-
^} Wie ja die jüdischen I^ehtmeister Muhammeds die Christen Arabiens
entsprechend als ,,Edomiter" benannten.
68
Jesus als Messias nicht notwendig Davids Sohn.
trug Jesus auf sich, aber niemals bezeichnete er sich als
Sohn oder Abkömmling Davids. Daß die Evangelisten
den Messias „aus dem Hause und Geschlechte Davids"
stammen und „in der Stadt Davids" geboren sein ließen
(Luk 2** ^), dabei vor den gewagtesten Genealogieen
(Matth I ^'^^ lyuk 3 **"*^) nicht zurückschreckend ; daß der
Mann aus dem Volke sich den Messias nur als Sohn Davids
vorstellen konnte (Mark lo*''), für Petrus und Paulus
der Messias „Frucht der Lende Davids" (Acta 2*') bzw.
ein „Nachkomme Davids nach dem Fleisch" (Rom i')
sein mußte, versteht sich von selbst. Wenn aber von
christlich-theologischer Seite immer und immer wieder be-
hauptet wird, daß „Jesus sich selbst für einen echten
Juden gehalten habe", da er ja als Messias aufgetreten
sei, von seinen Anhängern als Messias sich habe feiern
lassen und infolgedessen „davidischer Abkunft gewesen
sein müsse", ^ so vergißt man über allen diesen Trug-
schlüssen, in wie wundersam feiner Weise Jesus selbst
die Annahme, daß der Messias, als welcher er selbst sich
berufen fühlte, notwendig davidischen Geblüts sein müsse,
zurückwies, um nicht zu sagen, persiflierte. Siehe
Matth 22*1-" (vgl. Mark 12»* "• Luk 20*1'**): „Da aber
die Pharisäer versammelt waren, fragte sie Jesus: Was
dünket euch von dem Christus (= Messias) ? wessen Sohn
ist er? Sagen sie zu ihm: Davids. Sagt er zu ihnen: wie
kann ihn dann David im Geiste Herr nennen in den
Worten (Psiio^): der Herr (Jaho) sprach zu meinem
(Davids) Herrn : setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege
deine Feinde unter deine Füße? Wenn ihn David Herr
nennt, wie soll er sein Sohn sein? Und niemand konnte
ihm ein Wort erwidern, noch wagte ihn einer von diesem
Tage an weiter zu fragen".
Und wer noch immer an dem hergebrachten, aber durch
nichts zu beweisenden Irrtum, daß Jesus der jüdischen
Rasse angehört habe, festhalten möchte, der vergegen-
^) So z.B. Prof. Dr. P. Karge a.a.O.
I
Die Unabhängigkeit des Chiistentums vom Judentum. 69
wärtige sich nur einmal den abgrundtiefen Gegensatz
zwischen den leidenschaftlichen Reden irgendeines der
alttestamentiichen Propheten und einer der wunderbaren,
wahrhaft himmlische Ruhe atmenden Parabeln des Weisen
von Nazareth ! Ein größerer innerer und äußerer Gegensatz
ist nicht denkbar.
Das Christentum ist eine durchaus selbständige neue
Religion, keine höhere Entwicklungsstufe des Judentums,
alles eher als auf dem Boden des Judentums oder aus
diesem erwachsen. Man begreift nicht, wie unsere alt-
testamentlichen Theologen, wie z. B. Graf Baudissin
(a. a. O. S. 19, s. Teil I, S. loi Fußnote) sagen kann : „Was
der Prophet von Nazareth verkündete, war im einzelnen
kaum etwas Neues", ein Verdikt, welches die unmittel-
bar folgenden Worte : „aber neu war die Zusammenfassung
dieser Einzelheiten, die er in semer Person darstellte",
nur notdürftig redressieren .^ Das Christentum bleibt viel-
mehr „eine wahrhaft neue Religion, die, wenn befreit
von all den mannigfachen, der Person und dem Leben
Jesu angedichteten fremden Zutaten, für ewige Zeiten
^) Gegenüber solcher Halbheit ist es wahrhaft herzerquickend, in einer
xbeliebigen amerikanischen Kirchenzeitung die folgenden eindeutigen
Worte eines amerikanischen Theologen zu finden:/ 05 WS and Judaism,
The Jew thought hatred of the Gentile compatihle with his religion, if not
implied in it; Jesus that the very essence of religion was supreme love
to God, and to man love equal to our love of ourselves. The Jew heheved
sacred places and prescribed ceremonies necessary to worship; Jesus
simply a right condition of the spirit. The Jew imagined that Jehovah
was the God of the riebrews only; Jesus deelared Him to he the God and
Father of all men. The Jew thought the kingdom of God was confined to
Israel', Jesus that it was designed to comprehend the whole world, The
Jew conceived the kingdom as outer and temporal) Jesus taught that it
was Spiritual and eternal. The Jew trusted much to prayer and fasting;
Jesus instructed man to trust in the mercy of God, The Jew regarded the
Pharisee as the ideal of goodness; Jesus preferred the penitent publican,
The Jew believed in the salvation of his own race ahne; Jesus deelared
that "God sent not His Son into the world to condemm the world, hut that
the world through Him might he saved*'.
yo I>i« ^tbehrliclikelt des Hebräischen für den cfaristlidien Theologen.
berufen bleibt, die Welt zu gewinnen".^ Und wenn
Reinhold Seeberg in der Monatsschrift M^eutschlands
Erneuerung" (September 1920) schreibt: „Man kann nichts
Höheres zum Preise des Alten Testaments sagen, als daß
es das Buch ist, aus dem Jesus Religion (I) ge-
lernt (!!) hat", so kann ich nicht anders, so schwer es
mir ankommt, dies niederzuschreiben, als diesen Aus-
spruch für einem Verrat an Jesus und dem Christen-
tum nahekommend zu erachten.
Der Studierende der christlichen Theologie kann
sich, wie jeder andere lemb^erige Christ, die nötigen
Vorkenntnisse über die israelitisch-jüdische Geschichte
und Religion mit Einschluß des Kultus mittels hierzu
geeigneter I/Chrbücher tmter gleichzeitiger Benützung
einer wirklich guten Übersetzung der althebräischen
Schriften ausreichend erwerben, ohne viel Zeit und Mühe
mit der Erlernung der hebräischen Sprache zu
vergeuden, wobei nach der Ansicht aller großen Hebraisten
doch nichts Gescheites herauskommt, wenn er nicht bis
zu einem gewissen Grade auch die übrigen semitischen
Sprachen erlernt, wozu allein mehr als ein Triennium
vonnöten ist. Am wenigsten wird der Studierende der
christlichen Theologie, selbst bei gewissenhaftester Aus-
nützung seiner Studienzeit, imstande sein, das^ hebräische
Alte Testament soweit zu meistern, daß er sich, zur rich-
tigen Würdigung der Hunderte von alttestamentlichen
Zitaten im Neuen Testament, über die Richtigkeit oder
Unrichtigkeit der griechischen Übersetzung und die Richtig-
keit oder Unrichtigkeit ihrer Verwertung seitens der
Evangelisten und Apostel ein selbständiges, sicheres Urteil
zu bilden vermöchte, das ihn davon befreit, wie es jetzt
meist der Fall ist, in verba magistri zu schwören. Hier
können nur Bücher erprobter Hebraisten und vorurteils-
freier Exegeten ihm in jedem einzelnen Falle die dringend
nötige Belehrung vermitteln, in denen alle jene Zitate
^) Babel und Bibel III, S. 48-
chleit des Hebräischen für den duisUkhen Theologen, yi
roitgetreu aus dem Uitexte übersetzt und nach
unmenhang erULUtert weiden, andererseits ihre
Übersetznng und ihre Verwertung innerhalb
Testaments kritisch und unvoreingenommen
wird (Anm. 15), Jeder in der Schrift forschende
l auf diese Weise inne werden, wie das unglück-
reben der jüdischen Evangehsten und Apostel,
; bereits im Alten Testamente ai^ebahnt, ja
Leben imd Sterben ebendoit geweissagt zu
ttels falscher Übersetzm^en oder Auslegungen
das Neue Testament in eine Abhängigkeit
1 Testamente hineingezerrt hat, die wissen-
nicht länger haltbar, nicht länger ertragbar ist.
jt: das Neue Testament muß aus seiner künst-
lenziösen Umklammerung durch das Alte Testa-
usgerissen, Jesu Lehre und Leben müssen in
irischen Treue und Reinheit herau^earbdtet
m Segen jedes dnzelnen Christen, obenan aber
ftigen ]>hrer der christlichen Wahrheit und
der ganzen christlichen Kirche. Der Jünger
ichen Theologie wird die Unmasse nutzlos auf
iische zu verwendenden Zeit ungleich nutz-
verwenden, wenn er sich neben allgemeiner
^schichte vomehmUch mit den sozialen For-
nd Wissensgebieten der Neuzeit rechtzeit^ und
hst bekannt macht, obenan aber den Kern der
rehgiös-sitthchen Lehre Jesu, des Galiläers,
orperten Liebe, für seine eigene Person und
mit seinen Freunden praktisch zu üben beizeiten
,g macht, um dereinst nicht als Zionswächter,
is Nachfolger Jesu der chrisüichen Gemeinde
voranzugehen und voranzuleuchten . Jesu Über-
ahnung zu einer NächstenUebe im umfassend-
des Wortes „Näcteter", ja zur Feindeshebe —
1 denkbar höchste, der Eigenhebe das schwerste
utende Gebot — will von Jugend auf geübt sein.
72 Mehr wahres Christentum!
Und ZU alledem jene ewig wahren Ivehren, die das Christen-
tum gerade in der Gegenwart, mitten in den die Völker
des Erdballs aufwühlenden Lehren des Sozialismus, als
die höchste und hehrste aller Religionen von neuem er-
weisen: „Ich bin nicht gekommen, mir dienen zu lassen,
sondern zu dienen*' (Matth 20*® Mark 10**), „Einer
trage des andern lyast, so werdet ihr das Gesetz
Christi erfüllen". „So viel ihr getan habt einem von diesen
meiner geringsten Brüdern, habt ihr mir getan" (Matth. 25 *®)
— diese und andere Lehren, auf dienstbereite Unterord-
ntmg des Einzelnen zum Wohle der Gesamtheit und werk-
tätige Liebe gegen jedermann hinzielend, werden sich wie
in alle Zukunft, so gerade in der Gegenwart als die ewig
festen Stützen wahrer ReHgion bewähren, in der Gegen-
wart, wo so viele falsche Propheten in den Herzen der
Menschen die gegenseitige Liebe, die Freudigkeit, sich
gegenseitig zu dienen, tagaus tagein zu ersticken trachten.
Das eine, was nottut, ist nur, daß Jesu Lehre auch be-
tätigt wird. Das „Herr, Herr sagen" tut's nicht, sondern
den Willen zu tun unseres himmüschen Vaters. Statt des
Absingens der langen Litaneien mit dem deplacierten
Halleluja, d.i. „rühmet Jaho", und dem gedankenlosen
Lobpreisen des Herrn Zebaoth, d. i. Jahos als des Gottes
der Elriegsscharen Israels,^ sollten die Glieder der einzelnen
christlichen Gemeinden wenigstens allsonntäglich aus-
schwärmen an die Stätten der Sorge, der Krankheit, der
Vereinsamung, jeglichen Elends, Hilfe zu bringen bis an
die Grenzen der Möglichkeit, Liebe zu tragen in die
Häuser, in welchen eine volksfremde Presse tagtägüch
Haß gegen die Mitmenschen predigt, und durch die Tat
die dem Christentum Entfremdeten diesem wiederzuge-
*) Möchte auch die unser protestantisches |Kampnied „Kin* feste
Burg ist unser Gott" entstellende Verein2rleiang von Jesus Christ mit
Jaho Zebaoth Abhilfe finden, und möchte überhaupt ein neuer religiöser
deutsch-christlicher Geist den verdorrten Zweig des deutschen Kirchen-
liedes zu neuer Blüte bringen !
Die Quintessenz der Lehre Jesu.
73
mnnexi . ^ Solch wohlorganisierter, praktischer Gottesdienst
würde die sonstigen Gottesdienste mit Predigt und Gesang
heilsamst ergänzen. Überdies vermögen wir ja ausschließ-
licli durch solche eigene andauernde Liebestätigkeit in das
Verständnis der tiefsten Worte Jesu mehr und mehr ein-
zudringen: „Ich und der Vater sind eins", „Ehe denn
Abraham ward, bin ich" — „Gott ist die Liebe, und wer
in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und
Gott in ihm".
1) Vgl. Zur Weiterbildung der Religion S. 51 f.
Anmerkungen
i, «1^1 konBequent dnich ElöHm ersetzt in den Psabnen 42 — 84.
Anderwärts schrieb man ElöMm über niH**' worans das toricfate JtUkö
ElöMm, z. B. Gen 2* — 3*», entstand.
2. An dem 0- Vokal des vermeintliclien Qal von ntn> nämlich Jahmät
wird sich angesichts der gleichartigen amoritischen Verbalformen jatbi,-
jamlik, ja'we (in Ja(' )we^ilum) n. a. niemand stoßen, anch nicht an
der Snbstantiv-Bedentnng der 3. Person Imperfecti, welche durch viele
Eigennamen -mejigäl, Juir (vgl. akk. Muiuiwenim)JidbäschJ%shaq n.a jn.
gesichert ist. Aber dasVerbum p,^n bedeutet wohl im Aramäischen
das Nämliche wie hebräisch fpn »werden, sein", aber das hebräische
Tl^n bedeutet „fallen" (wovon hövm» hawv^ „Unfall, Unglück"),
vielleicht auch „aapirare**, wovon hawmi „Lust, Begehr", aber an
keiner irgendwie sicheren Stelle „sein, werden". Es kommen für diese
letztere Bedeutung überhaupt nur zwei Stellen in Betracht: Jes 16^
und Gen 27**, aber für die erstere Stelle bleibt noch die Abfassungs»
zeit festzustellen, und an der zweiten könnte einer der zahllosen Fälle
der Verwechseltmg von *| und ^ vorliegen. Entscheidend aber gegen
die Annahme einer solchen Urform Jahwä bleibt die Tatsache, daß
sich aus ihr die vermeintlich abgekürzten Formen Jehö, JühA schlechter-
dings nicht erklären lassen. Abgesehen davon, daß derartige gekürzte
und dabei selbständig stehende Verbalformen wie fht durchweg optative
Bedeutung gewinnen, wären diese Arten von Abkürzungen J^h6\
Jähü ohne alle und jede Analogie. Dazu ist ja Jahwe überhaupt keine
Verbalform mehr, sondern ein Substantiv, ein Eigenname, und wo
gäbe es auf dem ganzen Gebiete Vorderasiens einen einzigen abge-
kürzten Gottheitsnamen,^ noch dazu einen, der bis auf seinen ersten,
ein reines Büdungselement darstellenden Konsonanten reduziert wäre
wie Jah, Jd (vgl. Jdhü, Jdschü'a)? Wo ist endlich ein Grund zu ent-
decken, daß man in den hebräischen Personennamen niemals Jahwe^
näian, Chizqijjahwe sagte, sondern immer und ausnahmslos abkürzte?
Beiläufig bemerkt, heißt es den jungen Hebraisten Sand in die
^) Die Zusammenziehung von J^hö zu JS oder den in einigen wenigen
Eigennamen zu konstatierenden Wegfall des epir. UnU von El „Gott"
nnd des J^ von J^hö wird man wohl nicht einwenden wollen.
Anmerktmgai. yc
Aogen streuen, wenn man für jBkü axd Nominalbildmigen wie iMckä,
schalt binweiat, IMeae Vergleichinigen h&tten ja doch nur Sinn,
wenn Jahwe, Jähü auf einen Stamm ^^ und nicht nin cn^üchgingea.
Die jetzt allgemein angenommene Letung des Tetragramms als Jahwe»
der Yermeintlichen Grundform von J^hd, J9kü, ist hiemach als gans
und gar unbegrfindet endgültig aufzugeben. Daß die Wiedergabe des
Tetragramms bei den Kirchenvätern und andern Schriftstellem der
ersten christlichen Jahrhunderte: teils Vao» (Diodoms, Qrigenes. Theo-
doret), Jaho (Hieronymus) ; teils 'levm und *farj (Origenes), 'laave u. ä.
(Clemens Alezandrinus) ; tefls 'laße (speziell auch als samaritanische
Aasq»rache des Gottesnamens bezeugt) weder für Jahwe noch für
Jaho irgendwelche Beweiskraft haben, da diese I«esungen sämtlich
nur geraten sind, bedarf heutzutage wohl nicht erneuter Hervorhebung.
Die ganze vorstehende Auseinandersetzung ist nur dadtm^h gerecht-
fertigt, daß die Theologen an der irrigen Lesung des Tetragramms als
Jahwe noch immer festhalten und trotz aller monumentaler Gegen-
beweise wer weiß wie lange noch festhalten werden. In Wahrheit ist,
wie bereits Eduard Sachau richtig erkannt hat, durch die Schrei-
bungen des selbständigen hebräischen Gottesnamens teils als *i7il, teils
ab nn^ (letztere Schreibung auch innerhalb des Personennamens llt^nn^
„Jaho ist I4cht") das Y von niH^ ^ Vokalbuchstabe bewiesen,
also daß über die Lesung des Tetragramms als Jah6\ J^hö' künftighin
kein Zweifd mehr obwalten kann. Siehe Bd. Sachau, Aramäüche
Papyrua und Ostraka aus einer jüdischen Militär- Kolonie zu Elephantine
(5. Jahrhimdert v. Chr.), Leipzig 191 1, p. XXIII und S. 9 f.
Die Ausschaltung eines vermeintlichen Gottesnamens Jahwe hebrä-
ischen Ursprungs stellt nun die Frage nach Bedeutung und Htfkunft
des Gottesnamens Jahö' (J^hö), Jahü, Jäh, Jw auf eine ganz neue
Basis. Auf dieser neu gewonnenen Grundlage wird die Untersuchimg in
der Neuausgabe meines ersten Vortrags über BcAel und Bibel fort-
geführt werden.
3. Daher die vielen hebräischen Personennamen wie Ahijjähü („mein
Bruder ist Jaho"), Ahi-tüb („mein Bruder ist Güte"), AhUnö'am („mein
Bruder ist Huld"), Aht-nädäb („mein Bruder ist freigebig"); 'Ammi-el
(„mein Volksgenosse ist Gott"), 'Ammt-nädäb. Analoge Namen bei
nichthebräischen semitischen Völkern: AM-milhi, Name des Königs
von Asdod ztur Zeit Asnrbanpals; Ammi-nadbi {= hebräisch 'Amndnadab) ,
Name des Königs von Ammon aus eben jener Zeit; Amn^xadüga
amoritisch-akkadischer Königsname u. a. m.
4. In wohltuendem Gegensatz zu diesem einseitig diktatorischen
Gebaren des Vorstands der Deutschnationalen Volkspartei gibt die
Tägliche Rundschau auch andersgearteten Beurteilungen des Alten
Testaments in ihren Spalten Raum. Vergleiche aus dem in TeU I
^6 Anmerknngenti
Anni. 43 zitierten Artikel Dr. Otto Steiners »»Deutsche Helden$äg9
und deutsche Volksschule": „Die Sagen des Alten Testaments enthalten
nicht den Gottesbegrifi, den das Christentum ausgebildet hat, sondern
eine Auffassung von Gott« die mit Ausnahme der Juden jedem anderen
Volke fremd ist". ,,Die Auffassung der Juden von ihrem Gott und
ihrem Verhältnis zu Gott entspricht durchaus dem jüdischen Geschäfts*
geist und Diesseitssinn und ist dem deutschen Volke und allen christ-
lichen Völkern fremd". „I^i^ Sagen des Alten Testaments sind dem
deutschen Volke völlig wesensfremd", usw. Und vergleiche femer aus
Hans V. Wolzogens Artikel ,tAlUestamentliche HeilandsworU^' (siehe
S.64 Anm. I) gleich den Anfang: ,,In der zweifellos starken Bewegung
unserer Tage nach einer Neubeseelung des religiösen Geistes hin kommt
immer mehr das Bewußtsein zum Ausdruck, daß die deutsche Reli-
giosität, die von jeher einem reinen Christentume zustrebte, dieses
Ziel nur dann erreichen werde, wenn der christliche Glaube nicht mehr
gefesselt wird an das sogenannte „Alte Testament" und dessen jüdische
Gottesvorstellung". Und weiter: „Das Alte Testament (im allgemeinen)
kann uns, nicht etwa nur als Deutschen, nein, gerade als Christen
nicht mehr unsere Religionsurkunde, unsere heilige Glaubens-
grundlage sein".
5. In seinem Aufsatz „Alttestatnentliche Heilandsworte** (s.Anm. 4)
sagt Hans v. Wolzogen: Obschon das ganze Alte Testament nicht
mehr imsere Religionsurkunde sein kann, „so haben wir doch ein volles,
ehrfürchtiges Gefühl für so viele schöne, tiefsinnige, tröstende, er-
hebende, gotterfüllte Worte der Propheten imd Psalmisten, welche
ganzen Geschlechtern frommer Menschen eine unvergleichliche Wohl-
tat erwiesen haben und erweisen konnten, weil sie und soweit sie, ab-
getrennt von ihrer zeitlichen und völkischen Sphäre, in der Tiefe religiös
empfundener Wahrheit sich übereinstimmen ließen mit reinster Gottes-
auffassung aller Zeiten. Aus diesen Worten imd Sprüchen ein Er-
bauungsbuch zusammenzustellen, das neben unsem Gesangbüchern
und besten religiösen Schriften, ja, an erster Stelle, der Andacht ernster
Christen jedes Bekenntmsses und jeder Richtung diene, das wäre in der
Tat ein sehr bedeutsames imd wünschenswertes, ein wahrhaft wohltuendes
und befreiendes Unternehmen". Ich darf hierzu bemerken, daß ich in
meinen Vorträgen über Babel und Bibel II, III sowie im I. Teile dieser
Schrift, S. 95 f., wiederholt ganz gleiche Gedanken ausgesprochen habe,
daß nämlich gar manche alttestamentliche Stellen auch christlich-
religiösem Empfinden zum Ausdruck dienen. Ich möchte hier den
Anfang zu einer solchen Zusammenstellung machen, zu deren Erweite-
rung mir jedermanns Mitarbeit willkommen sein wird. Ob sich ein
ganzes „Erbauungsbuch" dabei ergeben wird, scheint mir einstweilen
sehr zweifelhaft. Erst durch Hinztmahme der vielen herrlichen Aus-
Anmerkungen.
77
Sprüche arischer (indischer» griechischer, germanischer osw.) Dichter
nnd Denker wird das vorschwebende Zid wahrhaft zu erreichen sein.
Mi 6*-*: ,,Womit soll ich treten vor Jaho, mich beugen vor dem
Gott droben? Soll ich vor ihn treten mit Brandopfem» mit einjährigen
Kälbern? Hat Jaho Gefallen an Tausenden von Widdern, zahllosen
Bächen von öl? Soll ich meinen Erstgeborenen geben als Sühne» meine
I^eibesfrucht als Buße meines Lebens? Kr tut dir hiermit kund, Mensch,
was frommt und was Jaho von dir fordert: nichts als Recht zu
üben und Liebe zu pflegen und demütig zu wandeln vor
deinem Gottl"
Ho 6': „An Liebe habe ich Gefallen und nicht an Schiachtopf er,
und Gott erkennen ist besser als Brandopfer".
Ps 50 ^i'*: „Esse ich das Fleisch von Stieren und trinke ich das
Blut von Ziegenböcken? Opfere Jaho Lob tmd bezahle dem Höchsten
deine Gelübde, und rufe mich am Tage der Not, so will ich dich retten
und du sollst mich ehren". Vgl. Jes i ""•
Ps5i^*: „Die Opfer Jahos sind ein gebrochener Geist, ein
zerschlagenes Herz wirst du, Jaho, nicht verachten". Beachte
hier freilich die in V. 20 f. zugefügte Einschränkung.
Jes 58*'-: „Ist nicht das ein Pasten, wie ich Qaho) es haben will:
ungerechte Fesseln abnehmen, die Bande des Joches lösen. Zerschlagene
frei ausgehen lassen und jegliches J och sprengen ? Daß du dem Hungrigen
dein Brot brichst tmd umherirrende Elende ins Haus hineinführest;
daß, wenn du einen Nackten siehst, du ihn bekleidest, tmd deinem
Fleische dich nicht entziehest?"^
Vgl. auch Joels (2^*) Predigt an sein Volk; sich in seiner Not zu
Jaho zu bekehren, indem sie ihre Herzen zerreißen und nicht ihre
EUeider.
Ps 37^: „Wälze auf Jaho deinen Weg und traue auf ihn' — er
wird's machen".'
Jes4o'<^'': „Mögen Jünglinge müde und matt werden und junge
Männer straucheln — die, die auf Jaho harren, gewinnen neue Kräfte,
sie verjüngen ihr Gefieder wie die Adler, sie laufen und werden nicht
matt, sie wandeln und werden nicht müde".
Jes 55"*: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und
eure Wege nicht meine Wege, ist der Spruch Jahos, sondern so viel
^ Für analoge sittliche Forderungen innerhalb des babylonischen
Schrifttums siehe Teil I Anm. 46 und beachte weiter den babylonischen
Spruch {Babel und Bibel III, S. 32) : „Täglich bete zu deinem Gott»
Reinheit der Rede ist das würdigste Räucheropfer. Gegen deinen Gott
sollst Lauterkeit du besitzen, das ist das Würdigste der Gottheit'*
(K. 7897 Z. 12-15).
yg Amnerktuigeii.
der Hiniinel höher ist als die Brde, so viel sind auch meine Wege höher
als eure Wege nnd meine Gedanken als eure Gedanken".
Für Ps33 s. oben S. 42, für Ps73**'- S. 43 f • nebst Anhang, für
Ps 15 nnd obenan 103 s. den Anhang.
Für den aarom'tischen Segen Nu 6'^"*, der, richtig und verständlich
▼erdentscht, etwa lautet: ,,Der Herr (ursp. Jaho) segne dich und behüte
dich; der Herr blicke freundlich auf dich und sei dir gnädig; der Herr
blicke liebevoll auf dich und gebe dir Frieden", s. Babel und Bibel 1.
6. Daß bei dem Verrat Babylons an den Perserkönig Cyrus auch
jüdische Exulanten ihre Hand im Spiele gehabt und daß die von Cyms
ihnen unmittelbar darauf gewährte Erlaubnis der Heimkehr und de&
Wiederaufbaues des Tempels zu Jerusalem der Lohn hierfür gewesen
— diese Vermutung habe ich zuerst bei einem jüdischen Gelehrten ge-
lesen, leider ohne mir das betreffende Zitat zu notieren. Daß Deutero-
jesaia um den von den Belspriestem geplanten Verrat wußte, dar-
über lassen seine auf Cyrus bezüglichen Sprüche wohl kaum einen
Zweifel. Vgl. Jes45^"': „So spricht Jaho zu seinem Gesalbten, zu
Cyrus, dessen Rechte ich ergriffen habe, niederzutreten vor ihm her
Völker imd die Hüften von Königen zu entgürten, zu öffnen vor ihm
her Türflügel und Stadttore nicht verschlossen zu lassen*
Ich werde vor dh: herziehen und das Höckerichte ebnen, eherne Tür-
flügel zerbrechen und eiserne Riegel zerhauen, imd will dir Öie im
Dunkel geborgenen Schätze geben usw., auf daß du erkennest, daß
ich» Jaho, es bin, der dich bei deinem Namen gerufen, der Gott Israels".
Und Jes48^^: „Den Willen Jahos, der ihn heb hat, wird er an Babel
vollstrecken . . . Ich, ich habe es verkündet und habe ihn gerufen,
habe ihn hergeführt und schenkte ihm Gelingen". War
aber Deuterojesaia Mitwisser um den von den Belspriestem geplanten
Verrat, so mußte er von diesen in das Geheimnis eingeweiht worden
sein, und dies könnte die verdächtigen Übereinstimmungen erklären,
auf welche zuerst Kittel in seinem Aufsatze Cyrus und Deuterojesaia
(ZA.W XVXn, 1898, S. 149 — 162) hingewiesen hat, die Übereinstim^
mwngen nämlich zwischen dem Wortlaut der sogenannten Proklamation
des Königs Cyrus, deren chaldäischer Redaktor wohl sicher zu den
Belspriestem in engsten Beziehungen stand, und zwischen den Rede-
wendungen Deuterojesaias. In der Proklamation des Perserkönigs
(VR 35) heißt es: „Marduk sah sich um nach einem gerechten Fürsten.
Den Mann seiner Herzensneigung faßte er bei der Hand.
Cyrus, den König von Anschan, nannte er bei seinem Namen»
zur Fürstenschaft über das ganze All berief er seinen Namen", während
Deuterojesaia, wie wir sahen, ebenfalls von Cyrus als dem Geliebten
Jahös spricht, dessen Rechte Jaho ergriffen und den er bei
seinem Namen g«£ufen habe. Beüäufig bemerkt, zeigt dieser
Anmerkangen. -^g
Kher Bztdanteti wie Deutdojesaia« mit den höclut-
•Jb«a Erelaen Babjrlcaia, dofl die von Kebukadueiar
rnelleiclit im eratcn A nf ang auch gu Zwangsarbdten
den {v^. Jes47*), daB de aber schon sebr bald
ibdt sicli crfreaten, wie auch dag Sendachnlbcn des
ans Jenuatem beweist, in welchem. dieser den kurz
[ndäemtfit, „Hätuerm bauen, darinnen m wohnen,
und ihre Prnchte zu genleSen, aidi mit aller Macht
mehren, nm nicht weniger zn werden" (Jeri9*"-).
liel hat sich die Erinnerung bewahrt, daH gebildete
iche Sxnlanten schcm am Hofe Nebnkadneiara su
and Ämtern gelangen konnten. Wenn aber jüdische
ojeMia TCm den Belsptiestem in deren Geheimnis
so drängt nch die Po^erung von gdbst auf, daß
anz bestimmten Zwecke, nämlich zum Zwecke der
I. Auf diese Welse erkUrt sich, daß Denteic^eaaia
er Welse Jaho als den Urheber des PaHes Babels
oho) werde toi Cjms herziehen, ich habe ihn bei
iloi, ich, Ich habe ihn hergeführt und schenkte
oben), „ich habe ihn erweckt und alle seine Wege
d an letzteres Wort nnmittelbor geknüpft, die be-
Dg: „er wird bauen meine Stadt und meine. Ge-
I" Ahnlich äußert sich Kittel (a. a. O., 8. 15S);
hat die offenbare Tendenz. Ctiob znm. Vorgehen
nntem, ihm im Namen der Juden und ihres Gottes
Ilaben zu wünschen und in Aussicht cn stellen, ihm
H.elch Nabonlds selbst ihm viele Herzen entgegen-
'iaaen zu lassen, welche Hoffnungen Israel an seinen
diesen Worten gibt BUttel die Mitwirkung Dentero-
chen Bxnlanten überhaupt bei dem Verrate Babylons
mm. — Sdu verdächtig ist auch die enge Verbin-
I Bndi Daniel Kap. 5 die firmordung Belsasara mit
Bdraenwiti m'ni n^tU t^cfll A-phata» setzt. Zum
letzteren, so lange rätselhaft gebliebenen Worte sei
s in Babtl vitd Bibü III, S. 6 ff., gesagt war: „Von
n des von Nabopolossar gegründeten Chaldäerrdches
äer nur zwei Interesse: Nebnfcadnezar, der das
i Gefangensdiaf t führte, aber selbst seinen Feinden
: Größe seiner Herrschaft Bhifnrcht abnötigte, und
ientende König Nabnna'id, nnter welchem Babylon
Ttus, dem Befreiet Jndas ans der Gefangenschaft,
E mehr die Brinnerung erblaßte, ward Nabnna'id
, den Kronprinzen Belsasar. den Anführer des
So Anmerkungen.
Chaldäerheeres in den Kämpfen gegen die Perser, ersetzt und dieser
letztere irrig zum Sohne des großen Chaldaerkonigs Nebukadnezar ge-
stempelt. Über alles dies wissen wir jetzt, dank den Grabungen, genau
Bescheid, ohne daß hieraus dem Buche Daniel, einem Erzeugnis des
2. Jahrhunderts v. Chr., ein sonderlicher Vorwurf erwüchse. Vielmehr
müssen wir seinem Verfasser dankbar sein, daß er, so frei er auch
sonst mit Geschichte und Auslegung der Worte tn^ni m^ni t^qel ü-pharsfn
umgesprungen ist, uns dennoch den Schlüssel zu ihrer richtigen Br-
klanmg dargereicht hat. Denn wie zuerst der französische Archäologe
Clermont-Ganneau erkannt hat, verrat der im 5. Kapitel des Buches
Daniel so nachdrücklich betonte Gegensatz zwischen dem großen Vater
Nebukadnezar und seinem minderwertigen Sohn, unter wekhem die
Perser sich des Reiches bemächtigten, im Verein mit der einzig mög-
lichen Deutung der Worte: „Es ist gezählt worden eine Mine, einSekel
und Halbminen", daß dieses „geflügelte" Wort jüdischen Kreisen
entstammt, in denen man den unbedeutenden Sohn eines großen Mannes
büdlich als „Sekel, Sohn einer Mine", und umgekehrt zu bezeichnen
pflegte, wozu sich dann das Wort^iel zwischen par$tn „Halbminen" und
Perser gesellte. Das geistvolle, aber sarkastische Bonmot, das auch
als Börsenwitz bezeichnet werden könnte, faßt die ganze Geschichte
des Chaldäerreiches summarisch in die Worte zusammen: Eine Mine,
d. h. ein großer König, ein Sekel, d. h. ein minderwertiger Königssohn,
und Halbminen, d. h. Teüung des Reiches unter Meder und Perser".
Vgl. für die Worte mnS mnä tkBl 4-pharstn Clermont-Ganneau in
Journal Asiaiique, S4rie VIII, i (1886). p. 36 ff . Th. Nöldeke in
ZA I, 1886, S. 414 — ^418. Georg Hoff mann in ZA II, 1887, S. 45
bis 48. Paul Haupt in John Hopkins üniversity Circulars Nr. 58,
p. 104. Vgl. auch ebenda Nr. 98, May 1892, John Dyneley Prince.
7. Der jähe und vollständige Untergang Ninewes sowie des assyrischen
Reiches und Volkes im Jahre 606 (?) v. Chr. ist eines der größten Rätsel
der Weltgeschichte, zumal da noch wenige Jahrzehnte vorher das
assyrische Heer gegenüber einer Welt von Feinden sich siegreich be-
hauptet, ja weitaus überlegen gezeigt hatte. Der Prophet Nahum, der
seine Jubellieder über die gänzliche Vertagung Ninewes mit den Worten
beginnt (i ") : »»Ein eifernder Gott ist Jaho, Rache nehmend und
ingrimmig, Rache nehmend ist Jaho an seinen Widersachern und
Groll nach tragend seinen Feinden. Jaho ist langsam zumZorn,aber
ungestraft läßt Jaho nicht", betrachtet Ninewes Untergang als einen
Racheakt Jahos, und die Frage liegt nahe, ob er sich hierbei seines
auserwählten Volkes als Mitwirkenden bedient habe wie bei dem Verrat
Babylons an Cyrus (s. Anm. 6) oder nicht. Die Frage liegt um so näher,
als die M e d e r es waren, die das Unheü über Ninewe brachten, gerade
in die Städte der Meder aber hundert Jahre früher (722 v. Chr.) Sargon II.
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Anmerkungen.
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die Bewohner Samarias nnd des Reiches Israel überhaupt deportiert
hatte. Daß die Israeliten in dieser ihrer neuen Heimat nicht etwa zu-
grunde gingen, sondern sich bald ebensogut einzurichten wußten wie
ihre judäischen Brüder in Babylonien, kann ebenso als zweifellos gelten,
wie daß sie gegen Assyrien und seine Hauptstadt Ninewe eitel Gefühle
des Hasses und der Rache hegten. Dazu kommt, daß Nahum 3^' sagt:
„die Tore deines (Ninewes) Landes wurden deinen Feinden weit auf-
getan" (natürlich durch Verrat), in diesem Haupteinfallstor aber, dem
I^ande Chalach, von dem aus eine direkte Straße nach einem der Nord-
tore Ninewes führte, ebenfalls israelitische Exulanten angesiedelt
worden waren (2 Kö 17* 18^^). Daß der Prophet Nahum selbst ein
Judäer gewesen, dem die schwere Heimsuchung seines Landes und die
Bedrohimg von dessen Hauptstadt Jerusalem durch den assyrischen
König Sanherib (701 v. Chr.) unvergessen geblieben war, hat man längst
aus Nah i ^^ 2 ^ ^ geschlossen. Wenn nun meines Erachtens einerseits
in den drei Kapiteln des Propheten Nahum lediglich JubeUieder über
die soeben vollzogene Eroberung Ninewes gesehen werden können,
andererseits die genaue Schilderung des Hergangs der Einnahme (2^"^^
3 ' '•) unmöglich auf bloßer Phantasie, sondern nur auf Autopsie be-
ruhen kann, so muß Nahum die über Ninewe hereingebrochene Kata-
strophe persönlich mit erlebt haben und mit unter den ersten gewesen
sein, die diese Freudenbotschaft nach Juda übermittelten. Er muß
hiemach weiter zu den Abkömmlingen jener Tausende von Judaern
gehört haben, die Sanherib 701 in die assyrische Gefangenschaft weg-
führte und aller Wahrscheinlichkeit nach in Assyrien, auch in Ninewe,
niederließ. Auf Selbsterlebtes führen u. a. mit Notwendigkeit die Worte,
daß „die Fluß- oder Kanaltore der Stadt geöffnet worden" seien (2') —
die einzigste positive Nachricht, die uns über den Hergang der Er-
oberung Ninewes überkommen ist, da die diesbezügliche Erzählung
des Ktesias geschichtliche Glaubwürdigkeit nicht beanspruchen kann.
Ninewe war von mehreren Fluß- und Kanalläufen durchzogen, die in
den Tigris einmündeten. Diese Wasserläufe waren natürlich an den
Stellen, wo sie die Stadtmauern passierten, durch Tore und Schleusen
auf das Sorgfältigste geschützt, um das Eindringen der Feinde un-
möglich zu machen. Die Frage erhebt sich, ob sie von den Medem
geöffnet wurden oder von Feinden Assyriens, die innerhalb Ninewes
wohnten, also daß Jaho sein Racliewerk an Ninewe mit Hilfe der Judäer
innerhalb und der Israeliten außerhalb Ninewes vollbracht haben würde.
Der Wortlaut der „Prophetieen" Nahums legt diese Vermutung sicher-
lich nahe. — Über die Lage des Landes Chalach war auf Grund eines
assyrischen Briefes (83, i — 18, 6) bereits in Babel und Bibel II, S. 7,
die Rede; es wurde dort als „noch etwas östlicher als das gebirgige
Quellenland des oberen Zab, namens Arrapachitis" gelegen bezeichnet.
Delitzsch, Die grosse Täuschnng. 11 6
1
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\.
82 Anmerkungen.
Jetzt wissen wir aas einem neugefundenen Tonprisma Sanheribs, daß
das ostnordöstliche Tor Ninewes „Tor des Landes Chalach" hieß, da
die das Tor passierende bzw. vom Tore ausgehende Straße in das außer-
ordentlich fruchtbare (obstreiche?) Gebirgsland Chalach führte. — Nahum
ist im Alten Testament „der Blqoschiter" genannt. Die von J. D. Mi-
chaelis und Eichhorn vertretene Ansicht, daß mit Elqosch die unweit
von Ninewe gelegene assyrische Ortschaft Elqosch gemeint sei, in welcher
das Grab des Propheten Nahum gezeigt wird, gewinnt nach dem oben
Ausgeführten sehr an Bedeutung.
8. Jes34^'^<' lautet (vgl. bereits Babel und Bibel II Anm. 21):
„Tretet herzu, Völker, zu hören, und Nationen, merket auf!
Es höre die Erde und was sie füllet, der Erdkreis und seine Spröß-
linge alle!
Denn wütend Ist Jaho wider alle Völker und grimmig wider all ihr
xieer.
Er hat sie gebannt, hingegeben zum Schlachten,
Und ihre Erschlagenen werden hingeworfen, daß Gestank aufsteigt von
ihren Leichen, und es zerfließen d|e Berge von ihrem Blut.
Und es vermodert das ganze Heer des Himmels und wird zusammen-
gerollt gleich einem Buche der Himmel,
Und all sein Heer welket, wie Laub abwelket vom Weinstock und
ein welkend Blatt vom Feigenbaum.
Ja, mein Schwert, im Himmel berauscht, fährt, siehe, hinab auf Edom
und auf das Volk meines Bannes zum Gericht.
Ein Schwert hat Jaho, voll ist's von Blut, schmierig von Fett,
Vom Blut der Lämmer und Ziegenböcke, vom Nierenfette der Widder;
Denn ein Opfer hält Jaho in Bosra und ein großes Schlachten im Lande
Edom.
Und es fahren hinab die Wildochsen mit ihnen, und die Farren mit
den Stieren,
Und es trieft ihr Land von ihrem Blut imd ihr Staub wird schmierig
von Fett.
Denn ein Tag der Rache ist Jahos, ein Vergeltungsjahr zur Ahndung
von Zion.
Und es werden verwandelt ihre Bäche in Pech imd ihr Staub in
Schwefel und es wird ihr Land zu brennendem Pech,
Bei Nacht und Tag verlischt es nicht mehr, in Ewigkeit steiget sein
Rauch auf.
Von Geschlecht zu Geschlecht bleibt es wüste, für immer und ewig
durchwandert es niemand", usw.
Und Jes63i-«:
Wer kommt da aus Edom? in hochroten Kleidern aus Bosra?
Prangend in seinem Kleid, einherschreitend (?) in der Fülle seiner Kraft?
Amnerkungen. 83
„Ich QaHo) bin '8, der redet in Gerechtigkeit, der groß ist zu helfen I"
Warum das Rot an deinem Gewände, und deine Kleider wie die eines
Keltertreters?
,,Die Kelter hab' ich getreten allein, und Ton den Völkern war niemand
mit mir.
Und ich trat sie in meinem Zorn und zerstampfte sie in meinem Grimm,
Und es spritzte ihr I«ebenssaft auf meine Kleider, und alle meine Ge-
wänder hab' ich besudelt.
Denn ein Tag der Rache war meine Absicht und mein Erldsungsjahr war
gekommen.
Und ich schaute, da war kein Helfer, und erstarrte, da war kein Unter-
stützer.
Aber es half mir mein Arm, und mein Grimm war meine Stütze,
Und ich trat die Völker in meinem Zorn und machte sie trunken mit
meinem Grimm
Und ließ zur Erde fließen ihren Lebenssaft".
9. Vgl. Babel und Bibel IJI, S. 29, nebst Anm. 30: „Gewiß wurde
den durchweg ernsten und würdigen Götterbildern, wenn sie in feier-
licher Prozession ausgetragen wurden, wohl auch den kleinen Götter-
figuren, die von den Tempelverwaltungen an die Gläubigen verkauft
worden sein dürften, seitens des schlichten Volkes eine giewisse Ver-
ehrung zuteil, aber diese Bilderverehnmg büdete in keiner Weise den
Kern des babylonischen Gottesglaubens, wie ja die Propheten Judas
selbst von einem geheimnisvollen Götterberge im Norden wissen, auf
welchem die babylonischen Gottheiten wohnen (Jes 14^', vgl. Ez 28 ^** 1«),
also sehr gut den Unterschied zwischen den Gottheiten selbst und
ihren irdischen Repräsentativmitteln kannten". — Vgl. noch die Worte
in einem „Sions Türmer" unterzeichneten Artikel der katholischen
Zeitschrift Zwanx%gste$ Jahrhundert (14. März 1903): „Die Berechti-
gung des Bilderbrauches nachzuweisen, ist nachgerade überflüssig.
Vur das sei hier hervorgehoben. Der geistig-sinnlichen Menschennatur
entsprechend ist der Gebrauch der Bilder als Repräsentativmittel der
transzendentalen Wahrheiten vernünftig, und ihre Hochschätzung oder
relative Verehrung, wie die Schule sagt, psychologisch wohl begründet".
10, Vgl. Babel und Bibel III, S. 15 f : „Es wird für aUe Zeiten eine
hohe Ruhmestat der neueren alttestamentlichen Wissenschaft bleiben,
daß sie in rastlos fortschreitender Geistesarbeit zu der jetzt immer
allgemeiner anerkannten Wahrheit sich durchgerungen hat, daß die
alttestamentlichen Psalmen in ihrer überwältigenden Mehrzahl der
jüngsten Periode der hebräischen Literatur angehören, daß speziell
die etwa 70 Psalmen gegebenen Überschriften „von David" späte, mit
Sprache und Inhalt meist unvereinbare Zusätze sind, daß sich über-
haupt für keinen einzigen alttestamentlichen Psalm davidischer Ur-
1
84 Anmerkungen.
Sprung beweisen oder auch nur wahrscheinlich machen läßt. Und es
bleibt nur zu wünschen, daß diese 'Erkenntnis in immer weitere Kreise
eindringe, da jene Psalmüberschriften ,,von David" ganz besonders
geeignet sind, den Werdegang der Religion Israels gründlich zu
verschleiern".
11. Es ist längst anerkannt, daß viele prophetische ,, Reden", z. B.
Bzechiels, überhaupt niemals gehalten worden sind, sondern schrift-
stellerische Arbeiten darstellen. Solche Lieder aber wie dieses ver-
meintlich jesaianische Spottlied auf Sanheribs Rückzug von Jerusalem
bezeugen wieder eine andere Klasse von „Prophetieen", nämlich eine
solche frei erfundener Lieder bzw. Deklamationen, wie sie mög-
licherweise in den Prophetenschulen als Aufgaben gestellt wurden.
Solche rein rhetorischen Übungszwecken dienende Prophetieen bilden
vielleicht auch die in das Buch Jeremias aufgenommenen Reden wider
Moab, Ammon, Edom u. a. (Kapp. 48, 49), die zwar die Zeit der syrischen
Aktionen Nebukadnezars zum historischen Hintergrund haben, aber
sich tatsächlich ausschließlich in allgemeinen Phrasen bewegen, ohne
irgendwelcher konkreter Geschehnisse Erwähnung zu tun. Speziell
die ungebührlich lange Rede wider Moab (48*'*') zeugt zwar von fleißig-
stem Studium der Geographie des moabitischen Landes, geht aber viel
zu sehr ins Detail, um nicht ihren doktrinären Charakter, ihren Schul-
ursprung zu verraten.
12. Beachte hierfür das bereits in Babel und Bibel III Anm. 22 Ge-
sagte: „Warum Jesus gerade den Samariter zum Vorbild allgemeiner, alle
Menschen und Völker unterschiedslos umfassender Nächstenliebe er-
hoben hat, kann erst jetzt völlig gewürdigt werden. Mit Recht über-
rascht das Gesetzbuch Hammurabis unter anderm auch dadurch, daß
„ein Unterschied zwischen In- und Ausländern so gut wie gar nicht
hervorbricht", weshalb die in Israel ständige Vorschrift, den fremden
Schutzgenossen gut zu behandeln, dort getrost fehlen kann. „Es scheint"
— bemerkt Kohler, Hammurabis Gesetz S. I39 — „daß in dieser
Beziehung (in Babylonien) eine vollständige Nivellierung eingetreten
ist, ganz den geschichtlichen Vorgängen gemäß, indem man mehr und
mehr fremde Stämme nach Babylon verpflanzte und hier eine unge-
heure Verbindung und Vermischung der Völker der Erde mit ihren
Kulturen herbeiführte. Dem entspricht auch der hochentwickelte
Handelsverkehr, die internationalen Beziehungen und der Charakter
der Weltkultur, welcher der babylonischen Bildung innewohnte. Wir
wissen, daß Hammurabi sich schon, wie die späteren babylonischen
Könige, als Herr der Erde fühlte und ebenso, wie später die deutschen
Kaiser des Mittelalters, alle Stämme mit seiner Herrschaft zu um-
spannen und darum auch den Unterschied zwischen In- und Ausländem
vollkommen zu verwischen trachtete. — Auch dadurch unterscheidet
Amuerkiuigen. S5
btaknltnr Babylons von der In'ads; denn der Fremde
d Fremder und stand dem israelitisclien Staatsleben fem;
de Schntzgenosse, der gtr, wurde dort In den Verband an{-
utd auch er, ohne daß er im Rechtsgennll völlig dem In-
gestellt wurde. Darum auch die ständige Vorschrift, ihn
lein, eine Vorschrift, die in Babylon, wo man Fremde nnd
' nicht unterschied, nicht am Platz gewesen wäre. Aber
in Unteracbied: die paar fremden SchutEb«folilenen Israels,
ofer, AnsgestoOene, flüchtige Leute, welche Blutrache
ürchteten. Im Gegensatz zu den Fremden in Babylon, das
ropole des Welthandels entwickelte!"
e auf Pa a^ sich gründende Bezeichnung des Uessias als
' und die dementsprechende Selbstbezelchnung Jesu
16*"-) siehe im Anhang zu Pa 3 und beieita meine Voi-
'tittrbildung der Religion, Stuttgart 1908, S. 25 f. Dafi
diese Bezeichnung bildlich gefaßt wissen wollte, lehrt
lehe hierfür Im Anhang zu Ps Sa*-
i Verständnis der Selbstbezelclmung Jesu als „Menschen-
im dies gleich vorweg zu nehmen, die babylonisch-ezecbie-
erbindung .Jlenschensohn" ganz auBer Betracht bleiben,
f finden wir in der babylonischen (akkadiachen) Uteratnr
lung „Menscheusohn" (mär aatUim). Da die Akfcader
I niemals als „Sohn des und des" bezeichnen (vgl. auch
mg eines Menschen obskurer Herkunft als mir li mamtm
lohn von niemand"), gewann bei ihnen die Bezeichnung
tu" die Bedeutung eines ehrenvollen Ausdrucks, nämlich
:ines freien Mannes. In der Hammurabi-Zeit haftete
infachen otcdw eine gewisse Auszeichnung an, wie die
lehren, die nicht an den nnd den Namen gerichtet «Ind,
den Menschen, den Marduk mit Leben begaben wird"
ia Marduk iibalhUuiu) — es hat den Anschein, als hätte
ch in dem einfachen awUum den Begriff „Menschensohn"
1. a-mu-tu der Ursprung des etymologisch sonst gani
u?). Die Anrede Jahos an Bzechiel als „Menscliensohn"
ibt sich als ein Babylonismus, als eine ehrenvolle Um-
tatt der direkten Namensnennung — ein Zeichen, wie
iianch von .Jlenschensohn" durch alle Jahrhunderte hin-
bylonien erhalten hat. Ganz falsch läßt Smend, Der
kiel, 2 Aufl., Leipzig 1880, S. 17 den Propheten so an-
ila einen, der sich der Majestät Gottes gegenüber lediglich
ig gewähltes Individuum seiner elenden Gattung
: ') nnd nicht mehr als eine eigentümliche Persönlichkeit
m 7'8' Jer 1"), weshalb auch mit Luther genauer (?)
16
.UeuKhcnkiiid" xa flbenetzeti ad. Aber dlew fauerUch nnraSgUclie
IrkUrnng witd achoa dntch die Tmg/e erledigt, wutun kein anderer
'rophet jemals Ton Jaho mit „Henscheuohn" oder „Hetuchenkind"
ingeredet wltd. Vgl. fOi die voratehenden Darlegnngen bereits Babtl
\nd Btbtl III Anm. g. Eine ähnliche auszeichnende Bedeutung wie
laa babylonische mir aatlim zeigt äa» hebtäische ben Uch (Fs 49'),
1. b*nt Ueh (PS 4*}.
Jesu Selbstbezeichnimg ab „Henachensohn" gründet sich auf zwei
JttestamentUche Stdlen, in erster Linie anf Dan 7". wo mit Bezug
inf den Messias gesagt ist, es sei In den Wolken etwas gekommen wie
in „Heuichenaohn"; richtiger würde Übersetzt »ein; wie ein Menschen-
dnd, d. b. wie ein llensch, wie ein Wesen von menschlicher Gestalt.
.Menschenkind", PI. Hcnscheokliider, Ist in den semitischen Sprachen,
läher im Hebräiachen, Aramäischen, Akkadischen, nichta als eine TJm-
chidbung für , Jlensch", genau so wie alckadiach-assjtisch mir ummäni
Verkmeisterssohn = Werkmeister Ist oder wie in den Psalmen Götter-
Jndet, GAttersShne Götter bezeichnet. Vor allem Im paralUtistuu»
ntmbrorum bt diese Umsclueibnng des einfachen Begriffs beliebt, wie
;. B. In Pa 72* „K&iigssohn" Parallelglied von König ist. Auch innet-
lalb der Tierwelt finden sldi solche Wortverbindungen wie „Löwen-
dnd". parallel mit „Löwe". Da« btn adam, womit der Engel Gabriel
Daniel anredet (Dan 8"), wird ebenfalls als Menschenkind ^ Hensch
u fassen sein. Aber die Bezeichnung des Messlas als „Menschensohn"
;cht noch auf eine andere, nnbegreiflicherweJse trotz des sonnenklaien
Kontextes vollkommen miBverstandene Stelle des Alten Testamentes
urück, nämlich auf PsS*"', wofür im Anhang nachzulesen ist. Vgl.
?tanz Delitzsch zu dieser Stelle: „Gerade dieser Psalm, von dem
aan'a am wenigsten denken aollte, wird im Neuen Testament öfter
dtlert und messianlsch gedeutet, ja dleSclbstbenennnng Jesumit viöt
■ov är^pmnov, wiefern sie auf die alttestamentliche Schrift zurückgeht,
ehnt rieh nicht minder an diesen Psalm als an Dan 7**".
15. Zn dei Frage, ob die obligatorische Forderung des Studinms des
lebräischen für die evangdlsChen Theologen aufrecht zn erhalten oder
allen zn lassen sei, siehe jetzt Prof. D. Paul Peine, Zur Reform des
iUidiumi der Theologie, Leipzig 1920, S. 15 — 22. Ich freue mich, daD
kuch Ad, von Harnack in seiner auf Veranlassung des PrenSischen
Ministeriums für Wissmschaf t, Kunst und Volksbildung verfafiten Denk-
«hrlft für Streichung des Hebräischen aus dem Lehrplan der christ-
Ichen Theologen eintritt, obschon sein Vorschlag, das Alte Testament
griechisch, d. h. nach der griechischen Bibelübersetzung lesen zu lassen,
ron Graf von Bandissln mit guten Gründen zuriickgewieaeu wird.
Iber wenn Baudlssin meint, es sei „sehr schwer, den Kandidaten die
TforderUche Kenntnis der alttestamentlichen Rel^ionsgeschichte su
Anmerkiingen. 87
vennittdii ohne Voranssetzimg einiger Kenntnis des Hebräischen".
so ist hieran! zu erwidern, dcJ) eine wirklich gnte deutsche Über-
setzung des Alten Testaments« die bei allen wichtigeren, insbesondere
theologisch wichtigeren SteUen auch die griechische Bibelübersetzung
berücksichtigt, auch die metrische Form vieler Abschnitte gebührend
zxa Geltung bringt, in Verbindung mit einer Vorlesung über Geschichte
und Religion Israels vollkommen hinreicht, den Studierenden der evange-
lischen Theologie das, was sie vom sogenannten Alten Testament wissen
müssen, zu vermitteln. Speziell müßte dann noch, wie auf S. 70 f. ge-
fordert wurde, ein Lehrbuch oder ein Kolleg über die alttestament*
liehen Zitate im Neuen Testamente hinzutreten. Auch Jesu Kenntnisse
der hebräischen Bibel beruhten wesentlich auf deren aramäischen
Verdolmetschung. Wenn Baudisain aber weiter bemerkt, daß „das
Fallenlassen des Hebräischen eine Schädigung des Ansehens und damit
auch der Wirksamkeit des geistlichen Standes nach sich ziehen werde",
so werden alle die Tausende und Abertausende evangelischer Pfarrer,
die ihre mühselig erworbenen hebräischen Brocken schon längst ver-
gessen haben, gegen eine solche Befürchtung gewiß einhelligen Protest
einlegen. Selbst wenn man mit Paul Peine an dem veralteten Irr-
tume festhält, das hebräische Volk für „das Volk der Offenbarung",
den „Träger der Offenbarungsreligion" zu halten, und es für notwendig
erachtet, „die alttestamentliche Anschauung als Vorstufe des Christen-
tums behandeln zu lassen", ist hebräische Sprachkenntnis schlechter-
dings nicht vonnöten, ganz abgesehen davon, daß sich auch nur halb-
wegs zureichende Beherrschung des Hebräischen nebenher, neben den
übrigen theologischen Disziplinen, binnen eines Trienniums überhaupt
nicht erreichen läßt. Da Jesus sein Evangelium in der palästinisch-
aramäischen Sprache verkündigt hat und die älteste Predigt seiner
Jimger aramäisch gewesen ist, so wird !es für die Lehrer der neu-
testamentlichen Theologie in hohem Grade erwünscht sein, bei
einem tüchtigen Semitisten diesen aramäischen Dialekt zu erlernen,
um in wichtigen Fragen selbständig urteüen zu können.
16. Für die vermeintlich Jes 7 ^*' ^* geweissagte Jungfrauengeburt Jesu
(Matth I *^-^ Itvk I «•-««), auf einem Übersetzungsfehler des tt (s. S. 95)
und schwerem exegetischen Mißgriff beruhend, siehe bereits Zur Weiter-
bildung der Religion, S. 29 ff. Für das mißdeutete Zitat Jes 40' (Mark i ';
Matth 3»; Luk 3*; vgl. Job i««) siehe ebenda S. 37. Für Ps 16»*, miß-
deutet von Petrus (Actaa**"*) ebenso wie von Paulus (Acta 13**),
siehe ebenda S. 38 f. Für den mit Ho 11^ getriebenen Mißbrauch
(Matth 2 1*) siehe ebenda S. 39 f. — Wenn der Apostel Paulus den
Juden zu beweisen sucht, daß die Heidenvölker auch schon im Alten
Testament zur Verehrung des wahren Gottes berufen worden seien,
und hierfür u. a. die Stelle Dt 32« gemäß tt ins Feld führt: „Jubelt.
Amuerkuagen.
den, samt seinem Volke" (Rom 15'*^. so wissen wir jetzt, daB
xst Uutet; „Bejubdt. Völker, sein Volkl" (siehe Wtiterbildung
6, und für einen analogen venneintUchen Beweis für den
lalfsmus der Jaho-Religlon siehe „Grolle Täuschung" I, 8. 73
117). — Traur^ stimmt es zu sehen, wie Paulus sc^ai Jesu
i, gegen die Speisegebote gerichtete Lehre bereits für das Juden-
Anspruch EU nehmen wagt, indem er den Jabelruf am Anfang
Psalms: „Jahos ist die Brde nnd ihre Fülle" {beachte für die
ung dieser Worte Jes 34 >) i Kor 10*"- dabin deutet, daß, weil
le Jahos ist, auch das, was auf den Markt gebracht wird,
n werden dürfe, „ohne nachxnforschen Gewissens wegen". —
idere niißverstandene und mißdeutete PsalmsteUen, z. B. S * ",
Anhang.
Anhang
Ausgewählte Psalmen
r Übersetzung der nachfolgenden ausgewählten
leitete mich ausschließlich die Absicht, den ur-
hen Ralmtert möglichst in seiner urspriii^ichen
wiederzugeben and so genau wie möglich ins
: zu übertragen, ohne das Metrum der einzelnen
, d. h. die Zahl der Hebungen innerhalb der ein-
ichen, nachahmen zu wollen.* Von den hier fol-
Salmen dürften nur ganz wenige, etwa Psalm 15
lan Psalm 103, Anspruch auf Aufnahme in ein
iches Erbauungsbuch erheben dürfen (s. S. 78
Psalm I.
zum Psalter {s. S. 39) : SeUgpreisung der Gesetzes-
a G^ensatz zu den „Frevlem".
rr Mann, der nicht wandelt im Rate der Frevler, noch
en Weg der Sünder, noch Platz nimmt in der Sitzung
r, sondern an der Furcht (?) Jahos Gefallen hat und
I Thora sinnt bei Tag und bei Nackt — er ist wie ein
pflanzet an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zur
Ht und dessen Laub nicht verwelkt, und in allem, was
t er Gelingen.
1er Bri üSung dea mir mehrfach geäuOerten Wunsches dner
img samtlicher Psahnen wird natöilkh, obschon in knappester
I alle Binzellieiteii dier Textbehandlimg imd Übersetzung
if t abzulegen sein. Die kleine Schrift mit ihrer erstmaligen
Anordnung der Psalmen wird, hofFe ich, gleichzeitig zur
; der Erkenntnis mit beitragen, dall es für den evangelischen
vollkommen ausreicht, die Psalmen wie überhaupt
iischen Llteratuireste in deutscher Übersetzung mit kurzem
re zu lesen.
Ausgewählte Psalmen.
Wicht so die Frevler, sondern wie die Spreu, die der Wind
9ehei. Demgemäß bestehen die Frevler nicht im Gericht noch
Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn Jako nimmt
an des Wegs der Gereckten, während der Weg der Frevler
•unde geht (oAer: zum Abgrund führt).
Psalm 2.
Jle Welt diene Jaho und fürchte sich vor seinem
n! Ein schreckendes und mahnendes Ultimatum an
Lels Feinde von selten des Messias, diesem selbst in
Mund gelegt.
Warum toben die Völker
Und sinnen Eitles die Nationen?
Treten einker die Könige der Erde,
Und besprechen sich zusamt die Machthaber
Wider Jaho und wider seinen Gesalbten?
„Laßt uns zerreißen ihre Bande
Und von uns werfen ikre Stricke/"
Der im Himmel wohnt, lachet.
Der Herr spottet ihrer.
Und dann redet er zu iknen in seinem Zorn
Und schreckt sie in seinem Grimm:
„Hab' ich doch meinen König eingesetzt
Auf Zion, meinem heiligen Berge".
''Laßt mich erzählen von einem Rechtsspruche Jahos!
Er sagte zu mir; „Mein Sohn bist du,
Ich habe dich heute gezeuget.
*Fordre von mir, daß ick dir gebe
Die Völker zu deinem Erbteil
und zu deinem Eigentum die Enden der Erde.*
'Zerschmettern sollst du sie mit eisernem Zepter,
Wie ein Töpfergefäß sie zerschmeißen!"
nun, ihr Könige, seid verständig,
! euch ermahnen, ihr Richter der Erde!
let Jako mit Furcht
gehorsaml (?) ihm mit Zittern,
er nicht zürne und ihr zugrunde geht,
<t um ein Haar kann sein Zorn entbrennen.
• alle, die in ihm Zuflucht suchen.'
.bylonischen Reditaurknndeii, desglekhen das Gesetz-
ibis geben luu von gewissen kirnen Formeln Kunde,
lestinunte WülensSnßenuigen rechtskräftige, unabänder-
dhielten. Wenn ein Vater, eine Mutter xma Kinde
. nicht mein Kind", so ist es ebendamit verstoßen nnd
renn ein Mann zu den Eindem der Magd sagt; „meine
ohne)", also zu einem derselben: „du bist mein Sohn",
Sohn kraft dieser juristischen Formel den Söhnen der
a gleichgestellt nnd gleich diesen erbberechtigt. Es
sspruch, der die Erbberechttgung gleich einem
Dhne involvierte. Der Fsalnüst läßt hiernach in dem
'erse Ps 2' den Messias durch Jahos unverbrüchlichen
h: „Du bbt mein Sohn, ich habe dich heute gezeuget"
heute in Vaterverhältnis zu dir getreten), bildlich zu
.nd Erben, nämlich zum Eiben der Völker bis an die
Je, erklärt sein. Siehe hierfür bereits meine Vorträge
Hcklung der Religion. Stuttgart 1908, S. 25 f. (wo auch
gewiesen ist), sowie Ernste Fragen, ebenda 1912, S. 20 f.,
atel uTid Bibel III, 1905, S. iz f. Für die :Binheit der
l" und „Erbe" im vorderen Orient vgl. Mattbai'*;
tbylonisch aplum bedeutet sowohl „Sohn" als „Erbe".
Psalm 6.
endliche Hilfe in Todesangst vor den persön-
.en.
(Vgl. Fs 13.)
), in deinem Zorn strafe mich nicht,
■ in deinem Grimm züchtige mich nicht!
mir gnädig, denn zerrüttet bin ich,
e mich, denn verstört sind meine Gebeine,
'■ meine Seele ist sehr verstört.
q± Aosgewälilte Fsaltuen.
Und du, Jaßio, wie lange?
Wende dich zw, entreiße mein Leben,
Hilf mir um deiner Güte willen!
Denn im Toienreich gedenkt man deiner nicht.
In der Unterwelt — wer soll dich loben?
''Ich bin ermüdet, Jaho, von meinem Seufzen,
Ich schwemme mein Lager die ganze Nacht,
Durchweiche mein Bett mit meinen Tränen;
Zernagt ist vor Kummer mein Auge,
Gealtert infolge aller meiner Dränger.
Weichet von mir, alle Übeltäter/
Denn Jaho hört die Stimme meines Weinens,'
Jaho nimmt mein Gebet an.
Sehr verstört mögen werden alle meine Feinde,
Sich zurückwenden, zuscharuien werden im Nu/
a) Var.: Jaho hört mein Flehen.
Psalm 8.
I/}bpreis Jahos im Hinblick auf Makro- und Mikro-
)smus: das noch lallende Menschenkind, vom Wdt-
höpfer so unausdenkbar hoch begnadet, begabt und be-
)llmächtigt, als ein mächtiger Zeuge widei die Feinde
Jaho, unser Herr/ Wie herrlich ist
Dein Name auf der ganzen Erde/
Du, dessen Glorie die Himmel überragt.
Hast durch den Mund der Kinder und Säuglinge
Eine Veste gegründet um deiner Gegner willen.
Zu Ruhe zu bringen Feind und Rachesüchtigen.*
Wenn ich sehe das Werk deiner Finger,
Mond und Sterne, die du befestigt —
^Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest.
Und das Menschenkind, daß du seiner achtest?
Psalm 6, 8, ii. qj
hn nur wenig utUergöttUch machtest
nit Majestät und Herrlichkeit ihn kröntest,
im Herrscher machtest Über die Geschöpfe deiner Hand,
hast du unter seine Fuße getan: *>
lieh und Rinder aUxumal,
die Tiere des Feldes,
Ögel des Himmels und die Fische des Meers,
ihinziehen die Straßen des Weltmeers.
unser Herr/ Wie herrlich ist
t Name auf der ganzen Erde!
Sinn dieser Strophe kann nur ein ähnlicher mIh wie die Aus-
r i»^; Waa töricht und schwach vor der Welt ist, hat er er-
i zuschanden zn machen die Weisen uad waa ataik ist. b) Der
rtsinii der Verse j f. ist tou @ (der grlecbi*chen Bibeltther-
jjründllch mißTerstanden worden, indem sie übersetzt (ebenso
ief 3 ^) : „Was ist der Mensch, daD dn sein gedenkest? oder
ichen Sohn, daß du sein achtest? du hast Ihn ein kurzes
in Engeln erniedrigt," usw.] Man sollte eine solche über-
ta hebräischen Textes nicht für möglich halten, und für noch
ler die im Hebräerbrief 3° hieran geknüpfte Ausl^ung: „Den
ein kurzes neben den Bngeln erniedrigt ist, sehen wir in
1 des Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre bekränzt,
•X durch Gottes Gnade für jedenuaun den Tod koste". Daß
m glaubliche MiMeutung des Urtextes aber bereits zu Jean
gogale Überlieferung war, lehrt Jesu Selbstbezeichnung all
nsofan" {s. Anm. 14). Vgl. noch 1 Kor 15" mit Bezug anf
„Als letzter Feind wird der Tod yemichtet, denn fPsS")
m alles unter die FüBe getan".
Psalm II.
; eines Gerechten über Verfo^ung seitens der
nebst Verwünschung der letzteren.
(Vgl. zu Ps 8j.)
In Jaho hab' ich mich geborgen —
Wie mögt ihr sagen zu meiner Seele:
Flattre nach dem Berg
Wie Hn Vogel/
*•»"
i.f
q6 Ansgewählte Psalmen.
Ja, siehe! die Frevler
spannen den Bogen,
Legen ihren Pfeil
Auf die Sehne,
r Zu schießen aus der Finsternis
Auf die rechtschaffnen Herzens,
Ja, die Fundamente werden niedergerissen.
Der Gerechte — was hat er getan?
Jaho, in seinem Heiligtum,
In den Himmeln thronend —
Seine Augen schauen.
Seine Wimpern prüfen,
Jaho prüft
Gerechten und Frevler,
Und den, der Gewalttat liebt,
Hasset seine Seele,
Er regne auf die Frevler
Feurige Kohlen und Schwefel,
Und Glutwind sei
Der Teil ihres Bechers!
Denn gerecht ist Jaho,
Gerechtigkeit liebt er.
Den Rechtschaffnen durchschauet
Sein Blick,
Psalm 13.
Gebet um endliche Hilfe in Todesgefahr durch die
persönlichen Feinde.
(Vgl. Ps 6.)
Wie lange, Jaho,
Vergissest du mich dauernd?
Wie lange verbirgst du
Dein Antlitz vor mir?
r
Psalm II, 13, 1$. ^7
Wie lange hege ich
Sorgen in meiner Seele,
Kuntmer in nteinetn Herzen
Bei Tag und bei Nacht?
Wie lange soll triumphieren
Mein Feind Ober mich?
^Siehe doch, erhöre mich,
Jaho, mein Gott/
Erhalte hell meine Augen,
Daß ich nicht Todes entschlafe.
Daß nicht sage mein Feind:
Ich habe ihn übermocht,
Meine Dränger frohlocken.
Daß ich zum Wanken gebracht bin!
*Ich aber, Jaho,
Der ich auf deine Güte traue —
Es frohlocke mein Herz
Ob deiner Hilfe,
So will ich Jaho lobsingen,
Dieweil er mir Gutes getan.
Psalm 15.
X>ie zehn Voraussetzungen für das Bürgerre<^ht auf Zion .
JcJio, wer darf gasten in deinem Zelte?
Wer wohnen auf deinem heiligen Berge?
Wer untadelig wandelt und Reckt tut
Und Wahrhät redet aus seinem Herzen,
Seinem Mitmenschen nicht- Böses tut
Und Schmähung nicht ausspricht wider seinen Nächsten*
Mit Verachtung straft den Verworfenen,
Aber die Jaho Fürchtenden ehrt,
Sein Geld nicht gegen Wucher gibt
Und Bestechung wider den Unschuldigen nicht annimmt,
Sich zum Nachteil schwört und doch nicht ändert —
Wer dieses tut, wird in Ewigkeit nicht wanken.
;a) Var. : wer nicht verleumden geht mit seiner Zunge.
Delitzsch, Die grosse Täuschung. II j
g8 Ansgewälilte Psalmen.
Psalm 19 A (V. 2 — 7).
Lobpreis der himmlischen Wunderwerke Jahos. Ein
Psalmfragment.
Die Himmel erzählen die Majestät Gottes,
Und das Werk seiner Hände verkündet die Himmelsveste;
Ein Tag läßt Rede zukommen dem andern,
Und eine Nacht teilt Wissen mit der andern.^
^Über die ganze Erde ging aus ihre Meßschnur,
Und bis ans Ende des Erdkreises reicht ihre Ausdehnung.^
Dem Sonnenball hat er ein Zelt in ihnen gemacht.
Und der geht aus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer,
Freut sich wie ein Held zu laufen die Bahn.
Vom Ende der Himmel ist sein Ausgang,
Und sein Umlauf erfolgt über ihre Enden,
Und niemand kann sich verbergen vor seiner Hitze.
a) Randnote: es ist nicht Rede und sind nicht Worte, unhörbar ist
ihre Stimme, b) Diese Übersetzung von V. 5 wird als die einzig richtige
durch den assyrischen Sprachgebrauch erwiesen. Die Übersetzung
von ® und Rom 10^^: ,3s ist ihre Stimme ausgegangen in das ganze
I^and und ihre Worte bis zu den Enden der Welt" ist falsch. Der Apostel
bezieht den Vers auf die Kunde von Christi Wort!
Psalm 19 B (V. 8—14).
Lobpreis der Thora.
Die Thora Jahos ist vollkommen,
Seele erquickend,
Das Gebot Jahos ist verlässig,
Den Einfältigen witzigend.
Die Vorschriften Jahos sind recht.
Herzerfreuend,
Die Satzung Jahos ist lauter,
Augen erhellend.
^^Die Furcht Jahos ist rein.
Für immer bestehend.
Die Rechte Jahos sind Wahrheit,
Gerecht allzumal.
Psalm 19. 24. gg
Sie, die köstlicher sind als Gold
Und viel Feingold,
Und süßer als Honig
Und Honigseim.
^^Auch dein Knecht wird durch sie gewarnt,
In ihrer Bewahrung liegt reicher Lohn.
Irrungen — wer gewahrt sie?
Von verborgenen Sünden halte mich frei!
Auch von Aufbrausung (?) halte zurück deinen Knecht,
Sie gewinne nicht über mich Herrschaft!
Dann werde ich untadelig sein und frei
Von viel Frevel,
Zusatz V. 15: Mögen wohlgefällig sein die Worte meines Mundes
und das Sinnen meines Herzens vor dir, Jaho, mein Fels und mein
Erlöser I
Psalm 24.
Festlied beim Einzug in den Tempel nach errungenem Siege.
(Beim Hinaufzug: V. i f. Chor des Pestzugs, V. 3 — 6 zwei ab»
wechselnde Stimmen.)
^Jahos ist die Erde und ihre Fülle,
Der Erdkreis und seine Bewohner.^
Denn er hat über dem Ozean sie gegründet
Und über Strömen sie gefestigt.
^Wer darf hinaufsteigen auf den Berg Jahos?
Und wer stehen an seiner heiligen Stätte?
Wer rein ist an Händen und lauteren Herzens,
Nicht auf Eitles seinen Sinn richtet,
Der trägt Segen davon von Jaho
Und Rechtfertigung von dem Gotte seines Heils.
Das ist das Geschlecht derer, die nach Jaho fragen.
Die das Antlitz des Gottes Jakobs suchen.
(Beim Einzug: Festzug und eine Einzelstimme abwechselnd.)
''Erhebet, Tore, eure Häupter,
Und erhebt euch, ihr ewigen Pforten,
Daß der majestätvolle König einziehe/
lOO Ausgewählte Psalmen.
Wer isl das, der tnajestätvolU König?
Jaho, der Starke und Held,
Jaho, der Kriegsheldi
^Erhebet, Tore, eure Häupter,
Und erhebt euch, ihr ewigen Pforten,
Daß der majestätvoüe König einziehe/
Wer ist denn das, der majestätvoüe König?
Jaho der Kriegssekaren,
Er ist der majestätvotle König/
a) Füi den von Faultu (i Kot lo**') mit dieser Stelle getriebenen
Hißbrauch a. Anm. i6 /in.
Psalm 41.
Gebet auf dem ICiankenlager.
sdig Lied an den Elenden:
„Zur Zeit des Unglücks wird Jaho ihn erraten,
Jaho wird ihn behüten und leben lassen auf Erden,
Und du wirst ihn nicht geben in die Gier seiner Feinde,
Jaho wird ihn stützen auf dem Siechbeä,
Woran immer er krank liegt, wendest du".
Ich sprach: Jaho, sei mir gnädig.
Heile mein Leben, ich habe an dir gesündigt.
Meine Feinde sprechen schlecht von mir:
„Wann wird er sterben und zugrunde gehen sein Name?"
Und wenn einer zu Besuch kommt, ist Falschheit sein Sem,
Er spickt sich mit Unwahrheit, geht ftinaus, redet.
Zusamt tuscheln wider mich alle meine Hasser,
Ersinnen Unglück für mich:
„Etwas ganz Schlimmes ist ihm angegossen.
Und wo er liegt, steht er nicht wieder auf.
^*Auch mein Intimus, auf den ich traute.
Der von meinem Brot aß, vermißt sich wider mich rücklings.'
Aber du, Jaho, sei mir gnädig und lasse mich aufstehen,
Daß ich ihnen vergelte/
Daran erkenne ich, daß du mir wohlwillst,
Psalm 34, 41, 42/43. loi
icht Über mich jauchzt,
ilist ob meiner UnladeHgkeit
Issest vor dir auf ewig,
illem znUssige Übersetzung (s. zahigMPass**
»"Genj^). Q( : „der mein Brot IQt, hat große
Eirend Joh 13'» ebendiese Worte, frd und tm-
lit mir das Btot isset, hat seine Ferse wider
I ihreta Zusammerüiange gelöst, von Jesus auf
sdiarlotli bezogen werden („aber es soU die
Psalm 42/43.
DDL. Ijed auf der Reise (zum Teil See-
roste gesungen.
Hindin, die schreiet
von Wasserrinnen^,
leine Seele
ihof
eine Seele nach Jaho,
ebendigen Gott —
ich kommen und sehen
z Jakos?
n waren mir Speise
nd hei Nacht,
terfort zu mir sagte:
n Gott?
dt denken und ausschütten
ch durch die sich stauende Menge schriti-
weis bewege
lause Jahos,
Jubel und Lohe —
'.md Getümmel.
so gebeugt, meine Seele,
.0 unruhig in mir?
iho, denn noch werde ich ihn loben
' Hilfe und meinen Gott.
*1
I02 Angewählte Psalmen
Gebeugt in meiner Seele —
So dachte ich dein
Seit dem Jordanlande und Hermon,
Seit dem Berge Mis'är ^.
Eine Wassertiefe ruft die andere
Beim Schall deiner Wasserstürze,
Alle deine Brandungen und Wogen
Gehen hin über mich.
Bei Tag bestellt Jaho seine GiUe,
Und bei Nacht ist sein Lied^ mein Begleiter,
Da sage ich zu Gott: mein Fels/
Warum hast du mich vergessen?
Warum muß ich trauernd wandeln
Unter Drangsalierung des Feindes?
Meine Gebeine durchbohrend,
Schmähen mich meine Dränger,
Da sie immerfort zu mir sagen:
Wo ist dein GoU?
Was bist du so gebeugt, meine Seele,
Und was so unruhig in mir?
Harre auf Jaho, denn noch werde ich ihn loben
Als meine Hilfe und meinen Gott.
Schaffe mir Recht, Jaho, und führe meinen Streit/
Von dem unfrommen Volke,
Von den Leuten des Trugs und der Ungerechtigkeit
Mögest du mich erretten/ •
Ja, du, Gott meiner Zuflucht,
Warum hast du zornig mich verworfen?
Warum muß ich trauernd einherwandeln
Unter Drangsalierung des Feindes?
Sende dein Licht und deine Wahrheit,
Sie mögen mich leiten.
Mögen mich bringen zu deinem heiligen Berge
Und zu deinen Wohnungen,
Daß ich komme zum Altar Jahos,
Zu dem Gott meiner Freude,^
Und dich lobe auf der Zither,
Jaho, mein Gott/
Psalm 42/43, 4S. 103
Vas bist du so gdieu^, meine Seele,
Und was so unruhig in mir?
larre auf Jaho, denn noch werde ich ihn loben
Als meine Hilfe und meinen GoU.'
cb auBgetrockneten. b) Wfirtllcli: meine penSnllclie HiUe.
Jülich eine letzte BergeshiUie, von der der Sänget einen GruS
[eimat senden konnte, bevor et sich in einem phönlklKlien
zu einer Seereise einschiffte, d) Kondnote: daa Gebet zn
meines Lebens, e) Var.: meines Prohlockeos. f) Trotz des
•hrrerses ist der letzte Diitteil des Psalms als ein besondenr
13) im bebr&ischen Psalter verselbstlndigt und vom erstm
1 Drittel (Ps 43] losgerissen. Ja, @ läßt sogar diesen Termelnt-
3 von David. Ps43 von den Söhnen Qorocha vetfaBt selnt
Psalm 45.
les Festlied zu Ehren eines Kön^p nebst kön^-
milie.
ht zur Wiederkehr des Thronbesteigui^t^es bei
iger Aufnahme einer tyrischen Prinzessia in den
en Harem.
Überquim mein Herz
Von schöner Rede.
Ich sage mir:
Mein Tun einem König gu Ehren,
Meine Zunge der Griffel
Eines geschickten Schreibers/
'Weit schöner bist du
Als die Menschenkinder,
Ausgegossen ist Anmut
Auf deine Lippen —
Also hat dich gesegnet
Gott in Ewigkeit.
Gürte dein Schwert
An die Lende, o Held,
In deiner Glorie und Pracht
Fahre siegreich hindurch
Um der Wahrheit willen
Und . . .der Gerechtigkeit,
1
Angewählte
Und FurcktgMetendes lasse dich sehen
Däne Rtchtet
Deine Pfeüe geschärft.
Die Völker dir zu Füßen,
Entmutigt Verden
Die Feinde des Königs/
''Dein Thron ist göttlich.
Immer und ewig.
Ein gerechtes Zepter
Dein Herrschaftszepter.
*Du liebst Gerechtigkeit
Und hassest den Frevel.
Darob hol dich gesalbt
Jaho, dein Gott,
Mit Freudenöl
Vor deinen Genossen.
Myrrhe und Aloe*
Alle deine Gewänder.
Aus Elfenbeinpalaste
Erfreuet dich Saitenspiel.
Töchter von Königen
Sind deine Kleinode.
Die Königin zu deiner Rechten
In Feingold aus Ophir.
Höre, Tochter, und sieh .
Und neige dein Ohr
Und vergiß dein Volk
Und dein Vaterhaus,
Und läßt sich gelüsten
Der König nach deiner Schönheü —
Denn er ist dein Herr — ,
So faä vor ihm nieder.
Und, Tochter von Tyrus,
Durch Geschenk^
Laß dich begütigen
Die Reichen des Volks.
PMbn 45, 49. 105
ifwn dü Tochter des Königs,
•plddurchwirkteti Gewändern
i zum König gebracht,
^frauen hinter ihr drein,^
fr Fröhlichkeit und Frohlocken
en sie ein in des Königs Palast.
Stelle deiner Väter'
m deine Söhne,
machst sie tu Fürsten
ganzen Lande,
will rühmen deinen Namen
edem Geschlecht und Gescltlecht/ ^
}) Randnote: iKli hÜbOd d. I. könl^iche GewSuder
■ c) Randnote: ihre FtenndiiiQCD bzw. Gespielitmen
■ht. d) Gemeiiit die Laiides„Tätet" an der Spitze
izen des Landes, e) Vai. ; die V51ker mögen dicb
1 ewigl
(i » ' ) folgt der irrigen tai^iunisclien Übersetzung
SdiSnhelt, o König Messlas, Ist vorzüglicber
dei", nnd l£13t dementsprechend die Worte V. 7 f . :
Ist für alle Ewigkeit" naw. zum Messias gesprochen
ae dieses Psalms in den Kanon bliebe ohne die
hetisch-allegoriachen Sinnes nnerklätlich" (Franz
Psalm 49.
:: rege dich nicht auf über den Reichen,
iiö sterben und nimmt seinen Reichtum
■ab.
aüe Völker,
'^ Bewohner der Zeitlichkeit,
nschenkinder als Herrensöhne,
ich und Dürftig f
d redet WeisheitsfüUe
'nnen meines Herzens ist Fülle von Einsicht.
» einem Weisheitsspruch meinen Sinn,
er Zitherspiel mein Rätsel.^
Io6 Ausgewählte Psalmen.
Warum soll ich mich fürchten in bösen Tagen,
Da die Missetat meiner Nachstdler mich umringt.
Die vertrauen auf ihr Vermögen
Und der Menge ihres Reichtums sich rühmen?
Loskaufen kann sich keiner,
Noch Jaho sein Sühngeld geben,
^Zu teuer ist der Loskauf seines Lebens,
Sodaß er davon absteht für ewig.
Und lebte einer dauernd für immer,
Nicht sehend das Verderben,
Fürwahr, er wird die Weisen sterben sehen.
Zusamt Tor und Dummen zugrunde gehen.
Und sie lassen anderen ihr Vermögen,
^^Ihr Grab werden ihre Häuser für ewig,
Ihre Wohnungen auf Geschlecht und Geschlecht,^
Nur Erdschollen nennen sie ihr eigene
Der Mensch trotz seiner Ehrung^ hat nicht seines Bleibens,
Er wird gleichgemacht dem Vieh, das man umbringt,^
Das ist der Weg der mit Torheit Begabten
Und an deren Mund andere Gefallen finden —
Wie Kleinvieh müssen sie hinein in die Unterwelt,
Während der Tod als Hirte sie leitet.
Und fahren schnurstracks hinab,
Ehestens ist ihre Gestalt zu verfallen bestimmt,
^*Indes wird Jaho meine Seele loskaufen.
Aus der Gewalt der Unterwelt fürwahr wird er mich holen.
Fürchte nicht, wenn reich wird ein Mann,
Wenn groß wird der Reichtum seines Hauses,
Denn nicht nimmt er bei seinem Tod das Ganze mit,
Nicht folgt ihm hinunter sein Reichtum,
Mag er sich beglückwünschen bei Lebzeiten,
Und mag man dich loben, daß du dir*s wohl sein läßt —
Er kommt doch zum Geschlecht seiner Väter,
Sieht auf ewig nicht mehr das Licht.
Ptaba 49, 54. 66 C. k
h trotz seiner Ehrui^ hat nicht seines Bleibens,
leichgemaiM dem Vieh, das man umMt^.*
[wophem. b) Die Worte erinnem an die babyloniac
'., die VcTstotbctieii Im eigenen Haiue in begrab«
i mfen iluen Namen aus über Erdschollen, d) Bezi
anken wie jene Ton Fs 6 ? e) Ob dieaei Kehrvets an
len 5. 9. lind 16 wiederholt sein müSte?
Psalm 54.
persönliche Nachstellet und Dank für Hill
kraft deines Namens errette mich,
raff deiner Stärke schaffe mir Recht/
srhöre mein Gebet,
auf die Worte meines Mundes/
Frechlinge stehen wider mich auf,
■ewalttäler trachten mir nach dem Leben,
sich Jaho nicht vor Augen.'
Jaho ist mein Hafer,
err stützet mein Leben,
tde das Böse zurück auf meine Gegner,
deiner Treue, Jaho, vernichte sie/
l ich in Freigebigkeit dir opfern,
I Namen loben, dieweil er freundlich.
aus aller Not hat er mich befreit,
n meinen Feinden labt sich mein Auge.
lieh = 86»'.
Psalm 66 C (V. 13—20).
Abtr^en eines Gelübdes im Tempel.
nme in dein Haus mit Brandopfem,
hlend meine Gelübde,
en sich auf taten meine Lippen,
die mein Mund geredet, als ich in Not war
AnsgewäUte. Psalmen.
Brandopfer von Sckafhöckchen bringe tA dir da
Nt3)st Rauchwerk von Widdern,
Ich opfere dir Rinder
Nebsi Ziegenböcken.
Wohlan! Höret und laßt mich erzählen.
Alle Jaho-Fürchtendenf
Was er getan hat meiner Seele,
[Laß mich euch künden?]
Zu ihm rief ich mit meinem Munde,
Redlichkeit (?) unter meiner Zunge,
Hätte ich Falschkeit gehegt in meinem Herzen,
Hätte der Herr nicht gehört.
Aber Jaho hat gehört.
Hat gemerkt auf die Stimme meines Gebtis.
Gepriesen sei Jaho, der nicht entfernt hat
Seine Güte von mir/
Psalm 67.
Dreifacher Ssgen über Israel, damit alle Völker Jahos
rechtes Walten erkennen mid Jaho loben und fürchten,
n Emtefestlied.
Jaho sei uns gnädig und segne uns.
Er blicke freundlich nach uns hin,
Daß erkannt werde auf Erden dein Walten,
Unter allen Völkern deine Hilfe.*
Es mögen die Völker dich, Jaho, loben.
Dich loben die Völker insgesamt!
Es mögen fröhlich sein und jubdn die Nationen,
Daß du den Erdkreis richtest mit Recht,*>
Die Völker mit Gerechtigkeit richtest
Und die Nationen auf Erden leitest.
Es mögen die Völker dich, Jaho, loben.
Dich loben die Völker insgesamt!
C 67, 70, 73. 10
» iAr«n Erh'ag.
unser GoUl
unser Gott/
ihn alle Enden der Erde!
' dich, Jaho, loben,
er insgesamt/^
! seinem Volke erwiesen hat. b) Ge
rieht, das Jaho an den Israel felnd
96" 97* 98*- c) Im hebräischen Ter
Im 70.
nde persönliche Feinde. {Aucl:
ingefi^.)
o, mich zu bieten,
len mögen zusamt werden,
mir trachten,
it Schimpf bedeckt werden,
neinem Ur^lück,
Kehrum machen,
reuen und fröhlich sein
troß ist Jaho,
n!
d dürftig,
Retter bist du.
^ 73-
Ende mit Schrecken, dagegen
in Tod überdauernde Gemein-
Ausgewählte Psalmen.
Eitei gütig zum Rechtschaffenen ist Gott,
Jaho zu denen reinen Herzens,
Und doch wären um ein Haar zu Fall gekommen meine FUße,
Wie nichts hingeglitten meine Schritte,
Da ich mich ereiferte wider die, die es toU treiben.
Sehend die Wohlfahrt der Frevler:
Denn keine Beschwerden haben sie.
Gesund und feist ist ihr Wanst,
In irdischer Mühsal sind sie nicht.
Und gleich dem Menschen werden sie nicht betroffen.
Darum ist Hochmut ihr Halsschmuck,
Gewalltat das Kleid, das sie einhüllt.
Es tritt aus dem Fette ihr Auge,
Es strömen über die Gebilde ihres HerzcTts.
Sie höhnen und führen schlechte Reden,
Bedrückung reden sie von oben herab,
Sie legen an den Himmel ihr Maul,
Während ihre Zunge auf der Erde sich breit macht,
^^Darum haben sie Lobredner genug (?),
Und wird kein Makel an ihnen gefunden.^
Und sie sagen: wie sollte Gott wissen.
Und Wissen eignen dem Höchsten?
Siehe/ so sind die Frevler,
Und die ewig Sorglosen wachsen an Macht.
"Rein umsonst erhielt ich lauter mein Herx
Und wusch in Unschuld meine Hände,
Und ward immerfort geschlagen
Und Züchtigung ward mir allmorgentüch.
Wenn ick dachte: ich will demgemäß erzählen.
Die Generation meiner Söhne (?) ••
Und will trachten dies zu verstehen,
So schien dies mir Mühsal,
"Bts ich Eingang fand in die Geheimnisse Gottes,
Acht gab auf ihr Ende.
Nur auf Glaäeis steilst du sie.
Lassest zu Ruinen sie hinfallen.
FMlm 73, 80. 1
len sie im Nu xum EntseUen,
sie ein Ende mit Schrecken}
räumen nach Erwachen sind sie,
'bild du im Wachsein verachtest.
, es ward mit Herbheit mein Herz erfüllt
ward gereizt in meinen Nieren,
tin unverständiger Dummkopf,
lieh^ war in deinen Augen.
doch beständig bei dir,
I doch meine Rechte,
Ach in deinem Rate
imst mich schließlich in Ehren zu dir.
e ich im Himmel [außer dir]?
in (?) dir habe ich kein Gefallen auf Erder,
i mein Fleisch und mein Herz.
Jaho mein Teil auf ewig.
f die dir Fernen gehen zugrunde.
Igst jeden, der von dir weghurt.
' ist wohl in Jahos Nähe,
im Herrn meine Zuflucht.
Psalm 80.
Gebet zu Jaho, seinem Volke Israel in schwerer fe
lieber Bedrängnis zu helfen.
Hirte Israels, horche/
Der du Joseph leitest wie Kleinvieh,
Auf Kerubim thronest, strahle auf
Vor Ephraim her und Manasse,
Erwecke deine Kraft
Und komm uns zu Hilfe/
^Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht
Und blicke freurtdUck, daß wir erreitet werden/
2 Atugeträlilte Psaltueu.
^Jaho Zebaoth, wie lange
Rauchst du trotz Gebets deines Volkes?
Du speislest uns mit Tränenbrot
Und tränktest uns kannenweise mit Tränen,
Machtest uns zum Kopf schütteln unsem Nachbarn,
und unsere Feinde spotten unser.
*Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht
Und blicke freundlich, daß wir errettet werden/
Einen Weinstock rissest du los aus Ägypten,
Vertriebest Völker und pflanztest ihn.
Du schufest Bahn für seine Wurzeln
Und er wurzelte ein und füllte die Erde,
Berge wurden bedeckt von seinem Schatten
Und von seinen Ästen die Zedern Gottes.
Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht
Und blicke freundlich, daß wir errettet werden!*
Er entsandte seine Zweige zum Meer^
Und zum Euphrat seine Schößlinge ^ —
Warum rissest du ein seine Mauern,
Daß ihn berupften alle Vorbeigehenden,
Ihn abfraß das Schwein aus dem Waide
Und das Getier des Feldes ihn abweidete?
^^Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht
Und blicke freundlich, daß wir errettet werden/*
Schaue vom Himmel und siehe
Und hege, was gepflanzt deine Rechte.
Die ihn mit Feuer verbrannten, wegkehrten.
Mögen zugrunde gehen vor dem Dräuen deines Blickes/
Es ruhe deirte Hand auf dem Mann deiner Rechten
Und auf dem Sohn, den du dir auferzogen (?)/
Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht
Und blicke freundlich, daß wir errettet werden/
t] Eehrven fehlt hier, wahrend er In V. 15 noi angedeutet ist.
Siehe hierfür TeU I, S. 37 B.
salm 82.
Richterbehöide, Jaho se
göttlicher* Versammlung,
Item* zu richten:
let ihr ungerecht richten
der Frevler nehmen?
tm Niedrigen und der Wais
men sprechet frei!
'Niedrigen und Dürftigen,
'.er Frevler befreit ihn!"
Vissen und keine Einsicht,
mdeln sie,
nen ins Wanken
des Landes.
r wärt ihr
tne^ alizumal,
m Menschen werdet ihr ster
iner der Großen hinfallen.^
ite die Btde. deim du bist Big
ihne" = Gotteasdlue = Götter,
VUide und Autorität anmaßen.
i die Juden : wir steinigeti diel
I ein Mensch bist, dich zu Gott
cht geschrieben in eurem Gesetz |
:terseldllirP Wenn er jene GÖttei
n — und die Schrift darf nlcb
en der Vater geheiligt und ia c
. weil ich gesagt hahe, ich bin
e seine Selbstbezelclmuug als .
en. c) Gleich vielen andern :
er Psalm, daQ auch im nacbei
le grenzenden Zustände hertscl
len „Reichen".
± Ausgewählte Psalmen.
Psalm 90 (V. 1^12).
Pessimistische Betrachtung über das rasche Vergehen
r menschlichen Generationen wie des einzelnen Menschen
i eine Folge des furchtbaren Zornes des ewigen Gottes
der menschlichen Sündhaftigkeit.
Herr/ eine Veste bist du
Uns gewesen in Geschlecht und GescMechi.
Ehe die Berge geboren wurden
Und hervorgebracht ward die Erde, bist da Gott.
Du bringst den Sterblichen zur Strecke
Und sprichst: Kehrt zurück, Menschenkinder/
Denn tausend Jahre erscheinen dir
Wie ein gestriger Tag und eine Nachtwache.
Du säest (?) sie jahraus, jahrein,
Sie sind wie nachwachsend Gras,
Am Morgen blüht es und wächst,
Am Abend wird es abgekuppt und verdorret.
''Ja, alle unsere Tage schwanden in deinem Grimm,
Wir endeten unsere Jahre wie einen Gedanken.*
^Du staltest unsere Missetaten vor dich.
Unsere verborgenen Fehler in die Beleuclttung deines
Ar^esichts.
^"Die Zahl unserer Jahre sind siebzig Jahre,
Und wenn's gar groß ist, achtzig Jahre,
Und ungewöhnlich lang, sind sie Mühsal für nichts.
Denn eilends geht's vorüber, sind wir verflogen.
Wer ermisset die Stärke deines Zorns,
Und wer wird inne (?) die Wucht (?) deines Grimms?
^*Unsere Tage zu zählen — solches laß erkennen.
Daß wir davontragen ein Herz der Weisheit.^
) Obige Übersetzung ist der Wortlaut von V. 9, viellejclit einer
.zu V. 7: Ja, wir nähmen ein Ende durch deinen Zorn und wurden
jtört durch deinen Gtinun. b) Sehr zu Unrecht ist mit diesem
jimistischen Psalm das kleine Lied V. 13 — 17 verbunden worden,
ches ganz andern Seelenstimmungen Ausdruck verleiht. Ba lautet:
ende dich wieder zu, Jaho, ach endlich I Und habe Mitleid mit
len Knechten! Sättige uns ehestens mit deiner Güte, Daß wir jubeln
Psalm 90, 96. Ilj
{Var. fröhlich seien) während all unserer Tage. Erfreue uns gleich den
Tagen, da du uns niederdrücktest. Den Jahren, da wir Unglück erlebten.
Es werde offenbar deinen Knechten dein Tun, Und deine Herrlichkeit
ihren Kindern, Und die Huld Jahos ruhe auf uns. Und gib Bestand dem
Werk unserer Hände!"
Psalm 96.
Im Siegesjubel : Jaho, der Gott Israels, König über alle
Götter und Völker.
(= I Chr 1623-83, wie Ps 105 »-»ß = i Chr i6«-22.)
Singet Jaho ein neues Lied,^
Singet Jaho, alle Erdbewohner/
Singet Jaho, preiset seinen Namen,
Verkündet von Tag zu Tag seine Hilfe /^
Erzählt unter den Völkern seine Majestät,
Urtier allen Völkern seine Wundertaten!
Denn groß ist Jaho und sehr rühmenswert,
Zu fürchten ist er über allen Göttern.
Denn alle Götter der Völker sind Nichtse,
Während Jaho die Himmel geschaffen,^
Glorie und Herrlichkeit sind vor ihm her,
Macht und Pracht in seinem Heiligtum,
Gebet Jaho, ihr Geschlechter der Völker,
Gebet Jaho Majestät und Macht,
Gebet Jaho die Majestät seines Namens,
Bringt ein Speiseopfer und kommt in seine Höfe,
Fallet nieder vor Jaho in heiligem Schmuck,
Zittert vor ihm, alle Erdbewohner!
^^Sagt unter den Völkern: Jaho ward König!
^^Es freue sich der Himmel und frohlocke die Erde,^
Es jauchze das Feld und alles was auf ihm.
Auch alle Bäume des Waldes mögen jubelnd
^^Jaho begrüßen, da er gekommen zu richten
Den Erdkreis mit Recht und die Völker mit seiner Wahrhaftigkeit,
a) Vgl. Jes 42 10. b) Durch Verleihung des Sieges, c) Eine naive
Begründung, wenn man bedenkt, daß Propheten und Psalmisten
{siehe Babel und Bibel I) Marduks Schöpfungstat auf Jaho übertragen
haben, d) Die Verse 10 und 11, zum Teil auch 13, sind mit Zitaten aus
Ps93^ 98'-^ überladen.
Delitzsch, Die rosse Täuschung. II o«
Ausgewählte Psalmen.
Psalm loo.
ruf an alle Erdbewohner zu Jahos Lobpreis und Ver-
j ob der seinem Volke erwiesenen Güte und Treue.
(Vgl.Pss67, ri7.)
Jauchzet Jaho, alle Erdbewohner,
Dienet Jaha mit Fröhlichkeit,
Kommet vor ihn mit Jubel/
Erkennet, daß Jaho Gott ist:
Er hat uns gemacht und sein sind wir.
Sein Volk und das Kleinvieh seiner Weide.
Kommt in seine Tore mit Loben,
In seine Höfe mit Rühmen,
Lobet ihn, preiset seinen Namen/
Denn freundlich ist Jaho,
Denn ewig währt seine Güte
Und auf Geschlecht und Geschlecht seine Treue.
Psalm 103.
)preis Jahos als des Gnädigen und Gerechten."
*reise, meine Seele, Jaho,
Tnd altes, was in mir ist, seinen heilten Namen/
^reise, meine Seele, Jaho,
Tnd vergiß nicht alle seine Wohltaten:
')er alle deine Missetat vergibt,
)er alle deine Gebrechen heilet,
)«■ dein Leben vom Verderben erlöst,
)i!f dich umgibt mit Güte und Barmherzigkeit.
)er dich mit Gutem, so viel du bedarfst (?), sättigt,
taß sich adlergleich deine Jugend erneuert.
'rerechtigkeit tut Jaho
Tnd Recht allen Bedrückten.
',r ließ Mose seine Wege wissen,
'He Kinder Israel seine Taten.
barmherzig und gnädig ist Jaho,
.angmütig und groß an Güte.
Psalm loo, 103. iiy
it dauenui hadern
vigUch groUe».
*»sem Sünden tut er
ach unsem Missetaten vergiii er,
'loch der Himmel über der Erde,
\e Güte über die, die ihn fürchten,
Osten ist vom Westen,
von uns sein unsere Frevel.**
I Vater aber Kinder erbarmt,
\ Jaho Über die, die ihn fürchten,
nt unser Gebilde,
i, daß wir Staub sind.
— gleich dem Gras ist seine Lebenszeit,
lume des Feldes, so bUihl er.
'ind an sie streift, so ist sie nicht mekr,<^
'kennt sie mehr ihre Stätte."
te Jahos ruht auf denen, die ihn fürchten,
''erechtigkeit auf Kindeskinder,
Stimme seines Wortes hören^
Vorschriften gedenken, sie zu tun.
Himmel ist sein Thron,
öni^m herrscht über alles.
, seine Engel,
Helden, die ihr sein Wort tut/
>, alle seine Heerscharen,
r, die ihr seinen Willen tut/
', alle seine Geschöpfe
ten seiner Herrschaft/
■3. V, 21': Preise, meine Seele, Jabot
irani£iacbeii Wortfonnen und seinei Zitate aui
>b tiSgt der PmIiu die Übersduift: „Von David"
•fung. Wideispmch zu Fa 90. c) Gmndstelle n
)*. d) Zitat aua lob 7» („ne" Akk.. „ihre StXtte'
Vai. als: „die bewafarea aeineii Bund".
1X8 Ausgewählte Psalmen.
P^alm HO (V. I — 4).
Orakelspruch an Simon, den Makkabäer, als den Hohen-
priester und Führer semes Volks.
Spruch Jahos an meinen Herrn:
^ Setze dich zu meitier Rechten,
Bis daß ich mache deine Feinde
Zum Schemel deinen Füßen.
^Deinen Siegesstab wird ausstrecken
Jäho aus Zion:
[Wohlan!] herrsche
Inmitten deiner Feinde!
^Dein Volk ist ganz Freiwilligkeit
An deinem Heertag.
In heiligem Schmuck aus dem Schöße des Morgenrots
Perlt der Tau deiner jungen Mannschaft.
^Geschworen hat Jaho . . .
Und wird's nicht bereuen:
Du bist Priester für ewig
Nach der Weise Melchizedeks.
Diese vier Verse, deren Anfangsbuchstaben den Namen Simon er-
geben, bilden eine zusammengehörige Kinheit, während die anschließen-
den Verse 5 — 7 ein anderes Orakel aus ebenjener Zeit enthalten. Für
den Gebrauch, den Jesus von diesem David zugeschriebenen Psalm
machte, siehe oben S. 68. Als Spruch Jahos an den Messias ist der
Psalm auch gefaßt Acta 2^^, Hebr i^^, i Kor 152511. — Zum histo-
rischen Verständnis des Psalms siehe i Makk 14'**^.
Psalm 117.
Aufruf an alle Völker zu Jahos Lobpreis ob der seinem
Volke erwiesenen Giite und Treue.
(Vgl. Pss 67, 100.)
Halleluja!
Rühmet Jaha, alle Völker,
Lobpreiset ihn, alle Nationen,
^Denn mächtig ist über uns seine Güte
Und die Treue Jahos währet ewiglich.
Halleluja!
Zum Inhalt des Psalms siehe bereits Teil I, S. 73.
cseim HO, 117, iis. nq
Psalm 118.
iigie bei der Rückkehr des jüdischen Heeres von
jreichen Feldzuge.
(Cboriühier und Chor beim Anfbmcli des Pestmga.)
obel Jaho, denn er ist freundlich —
Fürwahr, ewig währt seine Güte;
precke doch Israel —
Fürwahr, ewig währt seine Güte:
preche doch das Haus Aarons —
Fürwahr, ewig währt seine Güte;
lögen doch sprechen die Jaho Fürchtenden —
Fürwahr, ewig währt seine Güte.
(Während des Festiuga: V, 5 — 18.)
WS der Drangsal rief ich Jak,
s erhörte mich Jah mit weitem Plan, —
s( Jaho. für mich, fürchte ich mich nicht,
'as könnte mir tun ein Mensch? —
•,t Jaho unter meinen Helfern,
werde ich meine Lust sehen an meinen Hassern. —
esser Zuflucht zu suchen bei Jaho
Is zu vertrauen auf Menschen;
esser Zuflucht zu suchen bei Jaho
Is zu trauen auf Vornehme. —
-12; Gesänge der im Pestzug mitziehenden Soldaten.)
Ue Völker hatten mich umringt —
t Jahos Namen fürwahr werd' ich sie kuppen.' —
le hatten mich umringt, ja um,ringt —
t Jahos Namen fürwahr werd' ich sie kuppen. —
le hatten mich umringt gleich Bienenschwärmen —
'urden ausgelöscht wie ein Dornenfeuer.^ —
ngestoßen hattest du mich zu fallen,
her Jaho hat mir geholfen. —
'eine Stärke und mein Lohgesang ist Jah,
nd er ward mir zur Hilfe.' —
luter Siegesjuhel erschallt
i den Zelten der Gerechten, — ■ ;
Ansgewöhlte PsalmeD.
Dif Rechte Jahos wirket Sieg,
Die Rechte Jahos erhöht. —
Ich werde nicht sterben, sondern leben.
Und erzählen die Taten Jahs. —
^'Gezüchtigt hat mich Jaho,
Aber dem Tode nicht preisgeg^en.
d«r Ankauft vor dem Tempel: Festzug, eine Priertcntiiiuiie.)
Offnet mir die Tore der Gerechtigkeit,
Daß ich durch sie einziehe, Jah lobe.
Dies ist das Tor, Jaho geweiht —
Die Gereckten ziehen dadurch ein.
im Binmg: Wechaelgesang Ewischen Featzug nnd Prieatei?)
Ich lobe dich, daß du mich erhört hast
Und mir wurdest zur HilfeS
^Der Stein, den die Bauleute verworfen,
Ist zum obersten Eckstein geworden.
"Von Seiten Jahos ist dieses geschehen.
Es ist wunderbar in unsem Ai^en.^
Dies ist der Tag, den Jaho gemacht —
Laß uns frohlocken und seiner uns freuen}
Ach, Jaho, hilf doch/
Ach, Jaho, laß doch gelingen/
(Segen^niB der Friester und Antwort des Festxugs.)
Gesegnet sei, der kommt im Namen Jahos/
Wir segnen euch aus dem Hause Jahos.
Gott ist Jaho und freundlich blickte er auf ung.
(Anfforderung der Priester zum Opfei.)
" Bindet das Festopfer mit Stricken
Bis an die Hörrur des Atiars/*
(Zum nnd noch dem Opfet,)
Mein Gott bist du, ich lobe dich.
Mein Gott, ich erhöhe dich.
**Lobet Jaho, denn er ist freundlich.
Fürwahr ewig währt seilte Güte.\
Pulm HS, lat,
Idatenansdinck ffii
ie lo^ 11", c) Geo
Der Wortaiim ist n»
idische Volllnfolf
dlaug in der VSIkeni
10 1.; i,Tit 3oi»} bead
Im Solm und Brboi
p. I Petri 2^*^. e) S
Psalm 12
Q Israels Helfer
Ein Filgerlie
meine Augen auf
kommt mir Hilfe,
ilfe kommt von Jt
'Jiöpfer von Himn
licht wanken lassi
cklummert dein h
:ht schlummerl uk
iter Israels.
iein Hüter, dein ,
iiner rechten Han
Tag die Sonne di
er Mond in der 1
i dich behüten voi
ehüten dein Leber,
Uten deinen Ausg<
m an bis in Ewti
Psalm 12
telfer wider das
Ein Pifeerlle
ht Jäho für uns (
}ch Israel — ,
W Jaho für uns (
iie Menschen wid