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Full text of "Die grosse Täuschung : kritische Betrachtungen zu den alttestamentlichen Berichten über Israels Eindringen in Kanaan, die Gottesoffenbarung vom Sinai und die Wirksamkeit der Propheten"

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^ • I - imr inr . 



FRIEDRICH DELITZSCH 

DIB GROSSETÄUSCHUNG 

ZWEITER (SCHLUSS^) TEIL 

Fortgefetzte kritifcfie Betradhtungen 

zum Alten Tcfiamcnt vomchmliA den Propheten-» 

fcfiriften und Pfalmen, nebß Scfilu^foigerungen 



Motto] 
Um »Gottes« wilkn! 



DEUTSCHE VERLAGS-ANSTALT 
STUTTGART UND BERLIN 

1. 9-2.1 






Ale Stdat mhOuHtta 






Vorwort . 

Bei der Veröffentlichung der „Großen Täuschung" mußte 
ich gefaßt sein , daß mir infolge meiner von der alther- 
gebrachten abweichenden religiösen Bewertung des Alten 
Testaments und des Verhältnisses des Neuen Testaments 
zum Alten aus tausend Kehlen jüdischer wie christlicher 
Kritiker die Anklage des , »Antisemitismus' ' enigegenschallen 
würde*, jenes Schlagwortes, das so vielen Anklägern zum 
willkommenen Deckmantel dient für die eigene antideutsche 
und antichristliche Gesinnung. Sofern man von mir nicht 
das Unmögliche fordert, daß ich unter Millionen Deutscher 
und Nichtdeutscher der Einzigste sein soU, der gegen die 
Flammenzeichen der jüngsten Vergangenheit und der 
Gegenwart blind ist, darf ich mit gutem Gewissen den 
Vorwurf des Antisemitismus weit von mir weisen. Ich 

*) ««Antisemitische Kampfschrift", ««wüteuder Antisemit" (Frank- 
furter Zeitung) ;\«,geistiges Po^^om" (Vossische Zeitung); „gallebitteres 
Pamphlet, das die antichristliche (!) Richtung offenbart, die der Anti- 
semitismus genommen hat" (Berliner Tageblatt vom 29. August 1920) ; 
„brutaler antisemitischer Angriff auf die alttestamentliche Religion und 
das gesamte Judentum", „wilder Zorn gegen das israeUtisch-jüdische 
Volk", „anti jüdischer, zugleich das Christentum (I) imtergrabender 
Fanatismus" (Kölnische Volkszeitung). Und Prof. Dr. M. Rosenfeld 
in Wiener Morgenzeitung vom 14. Juli 1920: „sinnverwirrender Paroxys- 
mus des Hasses", „Nachkriegspsychose", „Gewissenlosigkeit teuf- 
lischer Täuschungsversuche", „Haßorgie", „D. kämpft mit in Gift 
getauchter Pfeilspitze gegen den Gott, den das Judentum die Mensche 
heit gelehrt hat (I), und findet keinen andern Ausweg aus der jüdi- 
schen Gefahr als das jüdische Volk auszurotten und zu ver- 
nichten" (in der Wiener Zeittmg gesperrt). Und so fort in infinitum. 
Zahlreiche Zuschriften jüdischer Männer, Lehrer, sogar Rabbiner zeigen 
mir erfreulicherweise, wie man auch in diesen Elreisen anfängt, solche 
Art der Polemik zu verurteilen, ja sich ihrer zu schämen. 



A Vorwort. 

habe mich mein Leben lang als Gegenteil eines Antisemiten 
erwiesen : habe Jahrzehnte hindurch im Verein mit hoch- 
gesinnten Männern des Judentums für den Ruhm der 
deutschen Wissenschaftgearbeitet, habe viele junge jüdische 
Gelehrte in ihren Studien und in ihrer Laufbahn nach 
Kräften gefördert, und bin vielen deutsch denkenden und 
deutsch fühlenden jüdischen FarnjUien in Freundschaft 
verbunden. Auch ist mir in den zahllosen Kritiken meiner 
Vorträge über Babel und Bibel und der anschließenden 
Schriften niemals, von keiner einzigen Seite der Vorwurf 
des Antisemitismus gemacht worden, im Gegenteil hat 
mich der Verfasser der „Grundlagen des neunzehnten 
Jahrhunderts" unter den heftigsten, mehrere Druckbogen 
füllenden Scl^niälu^igen. des, FhUos^mlti^ms bezichtigt. 
Da nun die der Neuausgabe des I. Teils und die diesem 
n. Teile der „Großen Täuschung" beigefügten zahlreichen 
Anmerkungen aus Babel und Bibel II und III zeigen, daß 
sich meine religionsgeschichtlichen Untersuchungen seit 
igo2 bis heute in durchaus geradliniger Richtung bewegen, 
so wird die Wajturheijt wohl in der Mitte zwischen PliUo- 
und Antisemitismus liegen, das heißt: eßwi^d anzuerkennen 
sein, daß ausschließlich unbestechliche Wahrheits- 
liebe mich leitet. Wenngleich die jetzt lebenden christlichen 
Theologen ihre überkommenen Schulmeinungen schwerlich 
aufgeben werden, ja kaum aufgeben können, so lebe ich 
doch d6r Ho&ung, daß jüngere, an den deutschen Volks- 
wie Hochschulen lehrende und lernende Generationen die 
Darlegunge^ der „Großen Täuschung" ernst und vor- 
urteilsfrei prüfen und an ihrem Teüe mit dazu beitragen 
werden, das „Alte Testament" aus Schule und Kirche 
zu verabschieden und die Gestalt und I^ehre Jesu der 
Christenheit rein und unverfälscht wiederzugeben. 

Berlin, Mjärz 1921. 

Friedrich Delitzsch. 



In meiner Studentenzeit erinnere ich mich von einem 
berühmten lutherischen Professor der alttestament- 
lichen Theologie den Ausspruch gehört oder gelesen zu 
haben: „Die Überlieferung des alttestamentlichen Textes 
ist vielleicht ein noch größeres Wunder als die alttesta- 
mentliche Gottesoffenbarung selbst". Der paradoxe Aus- 
spruch bezog sich wohl ursprünglich auf die scheinbar 
peinlichst sorgsame Vokalisierung und Akzentuierung der 
alttestamentlichen Schriften und wurde dann auf die 
Überlieferung d^ alttestaniehtUchen Textes überhaupt 
ausgedehnt. Nach dem gegenwärtigen Stande der Wissen- 
schaft gäbe es keine gründlichere Verurteilung des Alten 
Testamentes als einer göttlichen Offenbarung als jenen 
Ausspruch. Denn wir wissen jetzt, daß ims das alttesta- 
mentliche Schrifttum, das vermeintliche Wort Gottes, so 
fehlerhaft, ja liederlich überliefert worden ist wie nur 
irgend denkbar. Ich lasse hier beiseite, daß eine große 
Reihe im Alten Testamente zitierter Schriftwerke ver- 
loren g^angen ist (siehe Teill Anmm. i und 39), vielmehr 
meine ich die von Fehlem allerart geradezu wimmelnde 
Rezension der erhalten gebliebenen althebräischenSchrif ten . 
Abgesehen von den zahllosen Fehlem der Abschreiber, 
die z. B. in den Psalmen nicht einmal die Kehrverse richtig 
abzuschreiben sich bemühten ^, und die oft genug Ver- 
schreibungen absichtlich stehen ließen, um durch Korrektur 
den Wert der Handschrift nicht zu verringern, behandelten 
die letzten Abschreiber den ihnen überkommenen Text 
dermaßen idiotisch pietätvoll, daß sie sogar alle ausge^ 
merzten, am Rande verzeichneten Fehler wieder in den 

^) Siebe im Anhang die Pss 49, 67, 80. 



6 Fehlerhafte Überlieferung des alttestamentUchen Textes. 

vermeintlich heiligen T^ct aufnahmen, ebenso die nach 
Tausenden zählenden am Rande vermerkten, zum Teil 
ziemlich umfangreichen Notizen allerartS infolge wovon 
die Psalmen z. B. ihrer ursprünglich poetischen Form voll- 
ständig entkleidet und Hunderte anderer alttestament- 
licher Stellen, z. B. im Buche Hosea, in trostloser Ver- 
wirrung auf uns gekommen sind. Dazu kommt aber ein 
Anderes, wenn möglich noch Schlimmeres. Die alttesta- 
mentUchen Schriften waren gleich vielen anderen semitischen 
Schriften ursprünglich so geschrieben, daß nur die Konso- 
nanten graphischen Ausdruck fanden, die Vokale dagegen 
nur ganz notdürftig und mißverständlich durch die so- 
genannten Halbvokale h, j und v (le^) bezeichnet wurden. 
Erst im 7. Jahrhundert n. Chr., nachdem das Hebräische 
bereits acht, neun Jahrhunderte aufgehört hatte, eine 
lebende Sprache zu sein, und authentische hebräische 
Sprachkenntnis und natürliches Sprachgefühl mehr und 
mehr verblaßt waren, unternahmen es die sogenannten 
Masoreten, die althebräischen Schriften mit unmißver- 
ständlichen Vokalzeichen zu versehen, ließen sich aber 
dabei in Hunderten von Fällen Fehler, ja sogar Schnitzer 
zum Teil bedenklichster Art zuschulden kommen. Indes, 
das sind Interna der hebräischen bzw. alttestamentUchen 
Sprachwissenschaft. Für weitere Kreise der Gebildeten 
sind diese fehlerhaften VokaUsierungen nur insoweit von 
Interesse, als sie Eigennamen betreffen, und diese von 
jüdischen sprachunkundigen Gelehrten gemachten Fehler 
seitdem Gemeingut der abendländischen Völker geworden 
sind. So hat es z. B. eine Stadt des Namens Ninewe 
{Nivsvii, soschon griechische ÜbersetzungundNeuesTesta- 
ment) niemals gegeben. Diese Vokalaussprache der über- 
Ueferten Konsonanten ist ebenso willkürUch als falsch. Die 
konsonantische Wiedergabe meinte Nlnüa, wie die Assyrer 
ihrel^andeshauptstadt niemals anders als Ninüa oder Nina, 

^) Siehe für all dies und das Folgende meine in Teil I Anm. 2 
zitierte Sclirift. 



Falsche Überlieferung vlder Eigennameii. y 

griechisch fj Ntvog, nannten K Ein Fall von vielen. Aber 
auch nicht einmal die eigenen hebräischen Namen wußten 
sie richtig zu lesen. So hat es z. B. auch einen Propheten 
Obadja niemals gegeben, der Name Obadja ,,EInecht 
Jahos'' ist so unhebräisch wie möglich, aber der Fehler 
wird kaum auszurotten sein, obwohl schon die zirka acht 
Jahrhunderte früher lebenden griechisch-jüdischen Bibel- 
Übersetzer, die noch wesentlich besser hebräisch ver- 
standen als ihre Epigonen, den Namen richtig Abdia 
lasen, in der lateinischen Bibelübersetzung Abdias, wie 
der Prophet demzufolge auch in der katholischen Elirche 
mit Recht heißt. Die schönsten hebräischen Personen- 
namen wie „Harre, hoffe auf Jaho": ChakkSrU^Jah, 
Qaww^l^'Jah, JachdrU-el wurden nicht mehr verstanden 
und in ChakaJja, Qöläja, JacM^d verballhornt*. Absicht- 
lich falsche Lesungen erlaubten sich die Punktatoren mit 
den fremdländischen Gottheitsnamen. Da es Ex 23^' 
heißt: „Den Namen anderer Götter sollst du nicht nennen, 
nicht werde er gehört in deinem Munde", gaben sie, so- 
weit es möglich war, den fremden Gottheitsnamen die 
Vokale des hebräischen Wortes böschet, das ist etwa 
„Schandgötze", daher: 'AscfUöreth, Lä'Ömer, und vor allem 
MöUch, eine tendenziöse Vokalaussprache, die schon dem 
Moloch der griechischen Bibelübersetzer zugrunde li^en 
mag. In Wahrheit hat es niemals einen Gott namens 
Moloch g^eben, der wirkliche Name dieses kanaanäischen 
Gottes war Mälk oder Mäläch. Täuschung über Täuschung 
schon in solchen Äußerlichkeiten. 



^) Die in den hettitischen Boghaz-köi-Ihschriften wechselnden Schrei- 
bungen wie Ta-ku-wa nnd Ta-ku-^-^ (Nr. i Z. 30 f.) » Taküa lehren, 
daß auch die Schreibungen wie Ni-nu-wa Ninüa meinten« 

*) Hd. König bleibt natürlich bei dem mittelalterlichen Cht^alja 
und deutet dies ,,Umdunkelt hat sich J." (1), obwohl bereits Th. Böhme 
(1871) das Richtige erkannt hatte. Und Qöläja soll heißen : ,,eine Kunde 
(t) ^ Gnadenzeichen (I) J/s" — da hört jede wissenschaftliche Dis- 
kussion auf. 



•^ 









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i'SiV. - 



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8 



Die Erzählung Lev 24i<^i^ 



Indes, das alles ist im Grunde wenig belangreich. Un- 
gleich wichtiger ist eine andere Irreführung der christ- 
lichen Völker — ich meine die allbekannte Aussprache des 
israelitischen Gottesnamens als Je ho va. 

Im dritten Buche Mosis (Lev 24^^^*) wird erzählt» daß 
der Sohn eines israelitischen, näher danitischen Weibes 
und dnes ägyptischen Vaters im Lager mit einem Israeliten 
in Streit geraten sei und den Namen Jahos verflucht^ 
bzw. geschmäht^ und verwünscht* habe, worauf Jaho 
Mose Befehl gibt, den „Verflucher' * {hanhm^qaUel) durch 
die ganze Gemeinde zu Tode steinigen zu lassen: „jed- 
weder, der seinen Gott verflucht {j^qaUel), soll seine 
Sünde büßen', und wer den Namen Jahos schmäht 
{nöqeb), soll getötet werden — steinigen soll ihn die 
ganze Gemeinde....; dafür, daß er geschmäht hat den 
Namen Jahos, soll er getötet werden". Der Zusammen- 
hang der Erzählung führt mit aller nur erdenkbaren Klar- 
heit darauf, daß die betreffenden Gesetzbestimmungen 
einzig und allein gegen das Verwünschen, Verfluchen 
des Namens Jahos, das ist Jahos selbst, gerichtet sind.^ 
Wohl alle christlichen Theologen dürften darin einig sein, 
daß das betreffende Verbum {Häqab) an der Stelle Lev 24^* 
nichts anderes als „schmähen" bedeuten kann, wie ja 
schon Luther „lästern" übersetzt. Dag^en faßten die 
späteren jüdischen Schriftgelehrten das Verbum näqäb in 



^) Je nachdem waj-jiqqJih, V. 11, was das Nächstliegende, von qäbab 
„verfluchen" oder, worauf V. 16 führt, von näqab (s. hierunten Anm. 4) 
abgeleitet wird. 

*) quin» das gewöhnliche Verbum für „verfluchen". 

') Vgl.Bx 22*7 : „Gott sollst du nicht verfluchen" {UqcUtit). 

*) Sie beweisen ebendamit für das hebräische Verbum Häqab» welches 
ursprünglich ».durchbohren" bedeutet, neben „bezeichnen" usw. (vgl. 
englisch to style), noch eine weit^e Bedeutung „schmähen", genau so 
wie arabisch ta'ana die beiden Bedeutungen „durchbohren" und 
„schmähen" in sich vereinigt. Zu dem Bilde : jemand mit Worten durch- 
bohren = schmähen beachte auch Ps42^^. Auch das deutsche „Stich- 
wort" konnte ein „verletzendes Wort" bedeuten. Und vgl. „sticheln". 






Der vennemtlidi unausspredibare Jaho-Name. q 

der dritten ihm eigenen Bedeutung: ,,bezeichnen, be- 
stimmen, benennen", verdrehten diese Bedeutungen in 
die Bedeutung ^^aussprechen" und fälschten das Gesetz 
Lev 24** gegen Kontext und gesunden Menschenverstand 
um in das Gesetz, daß den Namen Jahos auszusprechen 
die Todesstrafe verwirke. G^en den gesunden Menschen- 
verstand: denn man fragt sich erstaunt, warum der 
Gottesname durch alle Jahrhunderte hindurch von He- 
bräern und Moabitem JHVH geschrieben und gewiß 
auch ausgesprochen wurde (letzteres vom Alten Testament 
selbst sogar für den assyrischen Heerführer Sanheribs be- 
zeugt, siehe2 Kö 18». ». ^ ««; Jes 36^. 10. 18. 20) bis plötz- 
lich die ganz späte, dem 5. Jahrhundert entstammende 
Erzählung des Leviticus die Aussprechung des Gottes- 
namens verbot, ja mit dem Tode bedrohte I Indes, gleich- 
viel ob noch so unberechtigt, man begann das sogenannte 
Tetragramm, mit welchem der Gottesname, wenn er selb- 
ständig gebraucht war, geschrieben wurde, bald durch 
Elöhtm „Gott", bald durch Adönäi „Herr" zu ersetzen 
(Anm. i), die späteren Hinzufüger der Vokalzeichen aber 
gaben dem Gottesnamen bald die Vokale des ersten, bald 
jene des zweiten Ersatzwortes, sodaß nun das Tetragramm 
bald als Jeho^, bald als Jehovä (hier e statt a) vokalisiert 
erscheint, während es nach der Absicht der Vokalisatoren 
dort E161^m, hier Adönäi gelesen werden sollte. Sie ver- 
sahen also, um das Gesagte an deutschen Wörtern zu illu- 
strieren, das für unaussprechbar gehaltene „Herrgott" mit 
den Vokalen von „Allherr", damit statt Herrgott vielmehr 
Allherr gelesen werde. In vollstem Mißverständnis dieses 
Tatbestandes lasen aber die Gelehrten des Mittelalters, 
las I/Uther und liest bis auf den heutigen Tag die ganze 
Christenheit den schlechterdings unsinnigen Namen Jeho va 
und besingt Gott mit dem Namen Jehova, was ebenso 
anwidernd ist, als wenn man unsem Herrgott mit Harrgett 
besingen wollte. Es wird wahrlich Zeit, daß mit diesem 
sonnenklaren Unsinn aufgeräumt wird, daß dieses Mon- 



IfCatmg JeboTa. 

um von Gottesnamen, das unsere Kirchenlieder und 
sere christlichen Bücher schändet, ein für allemal aus- 
rottet werde. „Dir, Dir, o Allherr, will ich singen", aber 
i Gottes mllen nicht länger: „Dir, Dir, Jehova, will ich 
gen". Die letzte Schuld tr^en freihch auch an diesem 
iulichen Worte Jehova die jüdischen Schriftgelehrten, 
: ^cher nicht so töricht waren, den wahren Smn der £r- 
blur^ Lev 24 zu verkennen, die aber mit Freude die 
l^enheit ergriftai, dadurch, daß sie die Schreibung ihres 
•ttesnamens mit den vier Ktmsonanten für unaussprech- 
r erklärt^i, diesen hebräischen Gottesnamen mit ge- 
imnisvollem, heiligem Nimbus zu umklöden, wie ja die 
lirenden Männer Israels es je und je meisterhaft ver- 
luden haben, Israels S^en, Geschichte, Institutionen, 
rvorragende KOinner mit einem durch die Tatsachen ganz 
d gar nicht gerechtfertigten Nimbus der HeiUgkeit zu 
igeben, woraufhin natürlich auch unsere alttestament- 
hen Theologen immerfort von „heiliger" Geschichte, 
eiliger" Sage sprechen, die hebräische Sprache und 
teratur als „heilig" bezeichnen und Eduard König jene 
•r Konsonanten JHVH sogar das „hochheiligeTetra- 
imm" nennt*. In Wahrheit ist, wie neuere Funde' 
lüießen lassen, der dritte Buchstabe, das V, nur ein 
sich entbehrücher Vokalbachstabe, um die Aussprache 
s ursprünglich HH^ geschriebenen Namens als Jahd zu 

') HAräiickM 'und aramäischet WOrttrbueh ntm Alten TutatMnft 
ipdg 1910, S. 144 a. 

') leb mdue die Sclirelbimg anch de« selbständig stehenden Gotte»- 
mens als ^, ebunol auch t^T, In den aramäischen FapTii ans 
spbantliie (NSberes in Anin. 3). Diese Sciueibnngen reichen Iiln zum 
welae, daß das •) in 7r\^'' nicht radikal sein kann, sondern nur 
kalbnchstabe. Da auslautendes 6 einerseits sowohl dnicli ^ als 
rch n wiedergegeben werden konnte (vgl. die B^etmatnen N'eM, 
6, Jertehe sowie z. B. den Inf . abs. rÜS „aeben"), osderetMlta gern 
t zwei Vokalbuchstaben ^ und tj geschrieben wurde (vgl. 'IddO, 
pka. N^bd n. a.], so kann die dreifache Scbrefbnng von Jakä fJ'hSi 
n^^ irP< nur* nicht vermindern. 



Die Es 3^* versuchte Deutung des Tetragramms. n 

sichern, wie ja in den hebräischen Personennamen eben- 
dieser Gottesname zu tausend Malen als Jeh6, Jähü, er- 
scheint, z. B. Jehönäthän, Chizqijjähü usw. Es wäre ja 
auch im höchsten Grade befremdend, wenn in dem als 
männlicher Personenname dienenden Sätzchen: EUphö 
(Jö)' 'Snäi „auf Jaho sind meine Augen gerichtet" und in 
dem eine gewöhnliche Aussage bildenden Sätzchen: 
elächä ph6 'Snäi „auf dich, Tf\JV, sind meine Augen ge- 
richtet" (Ps 141 ^ vgl. 25^*) der einmal kürzer (irT^), das 
andere Mal mit einem Buchstaben mehr (mn*') geschriebene 
Gottesname einmal Jeh6, das andere Mal Jahwe gelesen 
worden wäre. Das Nebeneinander dieser beiden Aussagen 
beweist zugleich von neuem die Widersinnigkeit vom so- 
genannten namen ineffabile. Die Schrulle der vermeint- 
lichen Unaussprechbarkeit des Tetragramms gestattete 
nun aber, in das Tetragramm allerhand hinein zugeheim- 
nissen, wozu der erste Ansatz bereits mit Ex 3 ^* gemacht 
war. Auf die dortige Frage Mosis, was er den Kindern 
Israels sagen solle, wenn man ihn nach dem Namen ihres 
Gottes fragen würde, antwortete Gott, den eigenen Namen 
als hebräisch deutend : ä¥jä aschär äj^jä, was schon nach 
lyuthers Übersetzung heLßen soll: „ich werde sein, der ich 
sein werde", und weiter : „so sollst du sagen zu den Eindem 
Israel: Ä¥jä hat mich zu euch gesandt". Aber selbst 
angenommen, daß das betreffende hebräische Verbtmi 
für „werden, geschehen" auch „sein" in dem hier' be- 
nötigten Sinne bedeuten könnte, ist diese Deutung „ich 
werde sein, der ich sein werde" so nichtssagend wie nur 
möglich. Um die ewig unveränderliche Absolutheit des 
göttlichen Wesens zum Ausdruck zu bringen, müßte doch 
gesagt sein : ich war oder ich bin, der ich sein werde (vgl. 
die alte Deutung 6 öv wxl ö iaöfjievog, sowie z. B. Jes 41 *). 
Diese Kombination des Gottesnamens J%ö, Jähü mit den 
von fem anklingenden hebräischen - Verbalformen p¥jä 
„er wird", j^ht „es werde" ist eine jener schlimmen Volks- 
etymologien, wie sie das Alte Testament so massenhaft 



12 Die Unbaltbaikdt der Iicsong Jahwe, 

verunzieren' — Wortspiekreien, gut gemeint, zum Teil 
auch sinnig, aber meist von Gnmd aus verfehlt, wie z. B. 
der Name BSb-el's, d.h. „Pforte Gottes", von dem hebräi- 
schen Schriftsteller als „Verwirrung" gedeutet wird, eine 
für jeden Einsicht^en an den Haaren herbeigezogene 
Woitveidrehni^, die aber von Ed. König dennoch als 
einzig richtige Namensdeutui^ gerechtfertigt' wird, wes- 
halb es mir für meine Person nutz- und zwecklos erscheint, 
irgendwelche seiner Darl^ungen e in g ehenderer Beachtui^ 
und Widerl^;ung zu würdigen. Den Ursprung des kana- 
anäischen Gottesnamens Jaho darzul^en, ist hier nidit 
der Ort. Mag sdn Uisprung und seine Bedeutung bereits 
anfklärbai sein oder nicht — so vid ist ^cher, daß die be- 
liebt gewordene Lesoi^ des Tetragranunes als Jahwe und 
seine Deutung als „er ist", d. h. „Seiender, Bldbaider, 
Beständiger, Ewiger", de^eichen daß die Annahme ver- 
meintlicher Abkürzung von Jahwe zu JehS, Jähd, Jäh 
aus graphischen wie grammatisch-lexikalischen Gründen 
nicht lauger haltbar ist (Anm. 2), mögen die alttestament- 
lichen Theologen noch so lar^e fortfahren, an dem her- 
gebrachten IiTtume festzuhalten. 

Unvergleichlich verhäi^nisvoller aber als die Um- 
vokali^nmg des Gottesnamens Jaho in Jehova ist die 
von Israel den christlichen Völkern bis auf den heutigen 
Tag suggerierte Gleichsetzung des Gottes Jaho mit dem 
über alle Völker und Menschen in voUkonunen gleicher 
Wdse waltenden, das ganze Weltall durchdringenden, be- 
lebenden und erhaltenden Weltgeiste, den wir „Gott" 
nerraen. Dies ist die im I. Teile meiner Schrift „Die große 
Täuschung" gemdnte und bewiesene weltgeschichtlich 
größte Täuschung, der alle nichtisraelitischen, im Glauben 
an das Alte Testament als an „Gottes" Wort erzc^enen 



I) Ich criniMie um an die Brklänmg des Nunens Samnel (i Sa 1 **), 
nnd Tgl. daa befcHs I S. 32 Gesagte. 

■) })'^ .Verwiirong'. alA£il£iVH. Gottespforte' in der Keilschrift- 
liteifttnr aufgefaßt" {Hebr. Wörterbuch t. v.]l 



Jaho der hebräische Nationalgott. jq 

Völker zum Opfer gefallen sind. Kein urteilsfähiger An- 
gehöriger des jüdischen Volkes, der nicht aufrichtig zu- 
gäbe, daß der alttestamentliche Gottesbegriff der denkbar 
engherzigste, partikularistischste gewesen und bis auf 
diesen Tag geblieben ist: Jaho, der „Heilige Israels", ist 
der ausschließliche Gott Israels, der auch ausschließlich 
auf dem Boden und nach der Sitte seines I^andes verehrt 
werden wollte und durfte, und Israel ist unter allen 
Völkern des Erdkreises das einzige, das Jaho sich zum 
Eigentume erwählt hat. Hundert und aberhundert Stellen 
des Alten Testamentes sprechen diese für ewig feststehende 
Tatsache unumwunden und unzweideutig aus. Mein Nach- 
weis brachte und bringt in der Tat an sich absolut nichts 
Neues. Nur konnte ich als- Forscher auf dem Gesamt- 
gebiete altorientalischer Wissenschaft die alte Wahrheit 
noch weiter illustrieren und bekräftigen durch den Hinweis, 
daß alle vorderasiatischen Völker ihren besonderen 
Nationalgott besaßen, daß ein Volk erst durch diesen 
seinen besonderen Gott als seinem nationalen Oberhaupte 
existenzfähig, existenzberecht^t wurdie. Auch dies lehrt 
das Alte Testköient an zahlreichen Stellen, z. B. durch 
die bekannten Worte Ruths : „Dein Volk ist mein Volk 
imd dein Gott ist mein Gott." ^ Diese denkbar engste Zu- 
sammengehörigkeit Jahos und Israels kommt auch darin 
zum Ausdruck, daß die hebräische Namengebung (in 
Übereinstimmung mit der anderer semitischer Völker) 
nicht davor zurückscheut, Jaho als „Bruder" und „Volks- 
genossen" des einzeliien Israeliten in Anspruch zu nehmen 
(Anm. 3) . Es ist dn wahres Verhängnis, daß von den alten 
vorderasiatischen I/iteraturen bis vor wenigen Jahrzehnten 
nur die lyiteraturreste der Hebräer bekannt waren und daß 
infolge ihrer grundfalschen Bewertung &11 Gottesbegriff 
uns übermittelt wurde, der zwar leicht erkennbar alle 

^} Beachte anch die dem Abgesandten des assyrischen Königs Sanherib 
in den Mund gelegten Worte 2 Kö i8»*«-; Jes $6^*^ und 2 Kö 19"; 
Jes37M 



n 



I^ Jabo eine Vcfxcmnig des 

Merkmale des beschräflkten Gesichtskreises und des maß- 
losen Kigendihifcfb der Wfistmsohne, der Hd>räer genaa 
so wie der Araber, zur Schan trog, aber trotzdem unser 
geistiges Ange dermaflen Uendete, daß es die große Tan* 
sdrang: Jaho — Gott, nicht langst sdion durdischante. 
Trotz alledem, wer mochte es wagen, dem israditischen 
Volke nnd den nbr^en vorderasiatischen Völkern ans dieser 
ihnen eigentSmlichen engb^renzten Gottesanschannng 
einen Vorwurf zn machen? Wahre Religiosität ist 
tolerant — Gott der Herr siehet das Herz an. Um so 
ernsteren Widerspruch fordert dagegen der Irrwahn heraus, 
der sich im Alten Testament an die alleinige Auserwählt« 
heit Israels seitens Jahos oder „Gottes'' geknüpft findet, 
daß nämlich „Gott'' von allen vorisraelitischen Völkern 
überhaupt keine Notiz genommen, ja daß er ihnen 
sogar die Verehrung von Sonne, Mond und Sternen, also 
den ihm verhaßtesten Götzendienst als „Surrogat'' für 
die Israel allein vorbehaltene wahre Gottesverehrung zu- 
geteilt habe! Bbi für den gerechten Gott wie für die ganze 
vor- tmd nachisraelitische Menschheit empörender Irr- 
glaube, eine Verzerrung des wahren Gottesb^ri£Es, in die 
aber sogar noch der Apostel Paulus sich verstrickt zeigt, 
indem er im Bpheserbrief {2^^^) annimmt, alle nicht- 
israelitischen Völker der Erde seien Jahrtausende hindurch 
„ohne Teil am Bürgerrecht Israels, ohne Hoffnung und 
ohne Gott in der Welt" gelassen gewesen I Wie 
namenlos klein und beschränkt mutet uns diese Gottes* 
und Wdtanschauung an angesichts unseres durch die 
Ausgrabungen — Gott sei Dank — so außerordentlich ge- 
weiteten Gesichtskreises, im Hinblick obenan auf das 
sumerische Volk, dessen Existenz gleichzeitig das ganze 
Kartenhaus von „Sem, Harn und Japhet" über den 
Haufen wirft, jenes Volk, dessen Blüteperiode zwei, drei 
Jahrtausende älter ist als das erste Auftreten der Hebräer; 
jenes Volk, das einerseits sich ebenso liebevoll wie poetisch 
in alle Erscheinungen im Himmel, im Wasser, auf der Erde 



Das papieme Dogma vom aogenannten ,,Heibweg". j^ 

versenkte, in ihnen allen göttliche Offenbarungen ver* 
körpert sah, aber trotz seines buntgestaltigen Pantheons 
das Walten Eines allumfassenden göttlichen Wesens ahnte» 
andererseits den theoretischen Gottesglauben in idealste 
Praxis umsetzte durch die I^hre, daß jeder Mensch Kind 
seines Gottes ist, in jeden Menschen bei seiner Geburt 
sein Gott als sein guter Geist Einzug halte, und daß es 
für den Menschen keinen größeren Fluch gebe, als wenn 
infolge andauernder Sündhaftigkeit sein Gott von ihm 
weicht und abseits sich niederläßt.^ Kein Zweifel, daß 
diese Religiosität des sumerischen Volkes in der Religions- 
geschichte und Religionsphilosophie noch die ihr ge- 
bührende Würdigung finden wird und daß ebenso wie die 
Ethik so auch der Gottesglaube des nach alttestament- 
lieber Vorstellung gottverlassenen Volkes der Sumerer 
höher eingeschätzt werden wird als Moral und Gottes- 
glaube des vermeintlich auserwählten „Gottes'Volkes. 
Es bleibt eben dabei, daß Jaho lediglich Israels National- 
gott ist, genau so wie nach alttestamentlicher Bezeugung 
Kemosch der Gott Moabs, Milkom der Gott Ammons war, 
und wie das assyrische Volk Aschur zu seinem Spezialgotte 
hatte. 

Dieser aus vorurteilsfreier Erforschung des Alten Testa- 
ments sich ergebende Tatbestand ist so klar, daß man 
eine I^ugnung desselben oder selbst nur eine Verschleie- 
rung für ausgeschlossen halten möchte. Und doch bringen 
unsere christlichen alttestamentlichen Theologen, einge- 
sponnen in das mittelalterliche papieme Dogma vom so- 
genannten „Heilsweg", sowohl I^eugnung wie Verschleie* 
rung fertig. 

Leugnung. Eduard König bleibt dabei: Jaho ist 
Weltengott, und wirft mir, gewiß ohne es selbst zu glauben 
(denn siehe I, S. 85), Unkenntnis der Stdle Gen I2*'* vor: 
„Ich werde dich zu einem großen Volke machen und dich 
s^nen und deinen Namen groß machen und sei ein Gegen- 

1) Siehe hierüber weiter S. 44. 



> Vemniittwidrigkcit des w^cnanntai .^dbw^s". 

and des Segnens ! Und ich weide segnen, die ^di segnen, 
id die dich verwünschen, verflncheo, und durch didi 
illen gesegnet weiden alle Geschlechter des Eidbodens" 
gl. i8*» n. ö.). Aber diese Worte, die ein Geschichts- 
hreiber, nchtiger Geschichtsmacher, Jaho als zn dem 
ctiven Erzvater Abraham gesprochen in den Mund ge- 
gt hat, besagen doch in nacktester Weise, daß Abrahams 
olk der einzigste Empfänger und Träger des ^tüichen 
>gens ist, S^nung oder Verfluchung aller übrigen Eiden- 
>lker aber ablüngt von ihrem Verhalten gegenübo' 
;iad: nur wer Isr^l s^net und sdig preist, gewinnt 
ottes Segen. Der denkbar krasseste partikularistische 
^endünket. Dazu: welch unfaßbar korzächt^erWelten- 
>tt, der alle Völker der Erde durdi dn Volk segnen wollte, 
if das er sdbst Eluch auf Fluch ob semer Gottlo^kdt 
ad Sündhaftigkeit von Anfang bis zum Ende sdnes 
Eitionalen Bestandes zu häufen gezwungen war! Wdch 
^radezu blind zu nennender Gott, der Abrahams Nach- 
smmenschaft auseisah, damit sie in Beobachtung des 
^eges Jahos „Recht und Gerechtigkeit üben" sollte 
Jen iS**), während Israel und Juda gerade infolge Niciit- 
ms von Recht und Gerechtigkeit zi^iunde gingen I 
^elch Stümper von Pädag(^e dieser Jaho, der nach den 
ergilbten KoU^enheften der alttestamentiichen Theo- 
gen „die wahre Religion zunächst in einem kleineroi 
ireise einwurzeln und zu dnem starken Baum aufwachsen 
issen wollte", und zu dieser „Pflanzschule der Verehrung 
ottes und der aus ihr geborenen Sittlichkeit" gerade die 
■nitstätte der Verehrung des goldenen Kalbes und einer 
on den Propheten selbst gezüchtigten Sittenlos^keit 
hnegleichen ersah ! ^ Und nun gar erst vom Standpunkte 



I) In der toq Bd. König im Rtielubottn Tota 7. JttU 1910 Tercffent- 
::Iiten Bntgegnmig (vgl. aadi die Post vom 9. Juli 1930) beiBt es (die 
emerkungen Imierhslb der Elaoimeni und die Auaniftmgszelclieii 
Ammen von mir) : „Etat aU sicli In der Menschlieit die Tendenz zeigte, 
le irdischen Schtanken zn ttben^)ringen, gldcbsam znm Himmel 



Jahos yermeintliche Entwiddtiiig zum Universalgott« j^j 

des Christentums aus — welch absolut unvorstellbarer 
„Heilsweg", daß der allweise Gott sich zu seinem Eigen- 
tums- und lyieblingsvolke ein Volk erkoren habe, das der- 
einst den Gottessohn ans Elreuz schlagen und ihm sowohl 
wie dem Christentum durch die Jahrtausende hindurch 
nie geminderten tödlichen Haß bewahren solltet 

Indes nicht minder verwerflich wie die Leugnung der 
Tatsache, daß Jaho zu Unrecht mit dem Weltengott 
identifiziert wird, ist die bei den liberalen Theologen be- 
liebte Verschleierung, indem sie behaupten, der ur- 
sprünglich in der Tat rein partikularistische Gottesbegriff 
Israels habe sich allmählich, vor allem durch tmd seit 
Deuterojesaia nebst den Psalmisten, zur universellen 
Gottesidee Jesu entwickelt. Aber angenommen, diese 
Behauptung entspräche der Wirklichkeit, so wäre doch 



emporzusteigen (1), die eigene Einsicht an Stelle der göttlichen Vor- 
sehung zu setzen (!), kurz, die Gottheit zu entthronen (1 welchem 
Volke wäre dieser Wahnsinn je beigefallen?), wie diese Tendenz des 
Menschengeschlechts sich beim Turmbau zu Babel (!) zeigte, erst 
damals ist von der göttlichen Geschichtslenkung der Plan ausgeführt 
worden, die wahre Religion zunächst in einem kleineren Kreise ein* 
wurzeln imd gleichsam zu einem starken Baume (vgl. den Kälber- 
dienst I) aufwachsen zu lassen, ehe sie allen Stürmen (t) der allgemeinen 
Menschenkultur ausgesetzt werden sollte". Bs ist dies der Ausbund 
veralteter religionsgeschichtlicher Irrlehre, die nur möglich war, solange 
für den alten Orient das Alte Testament die einzigste Quelle bildete. 
Das Gleiche gilt von Königs weiteren Beweisen für den Universalismus 
des Jaho-Glaubens: Jona's Missionstätigkeit in Ninewe (I) imd etliche 
andere samt und sonders falsche Zitate (Gen 20*, 33*, 50^), die wohl nur 
noch für ihn ganz allein unter allen alttestamentlichen Theologen Be- 
weiskraft besitzen. Unter allen tieftraurigen Btscheinungen unserer Zeit 
ist eine der abstoßendsten die, daß der Vorstand der Deutschnationalen 
Volkspartei sich in alttestamentliche Fragen mengt, von denen er doch 
absolut nichts versteht, tmd daß er gleich der konservativen Partei 
Bd. König zum allein berufenen Interpreten des Alten Testamentes 
erhebt und Jaho auch seinerseits als Weltengott proklamiert — o deut* 
sches national denkendes Volk, wie bist auch du schon mit Beihilfe 
deiner christlichen Theologen vom Judentum umgarnt, ja fast schon 
erstickt! S« weiter Anm. 4. 

Delitzsch, Di« gross« Tiaschnag. j 



x8 ^^^ gleiche beschränkte Gottesidee bei den Propheten. ■ 

damit erwiesen, daß das Alte Testament, soweit es jener 
beschränkten Gottesanschauung huldigt — das ist aber der 
weitaus größte Teil des Alten Testaments — , von einem 
falschen GottesbegrifE ausgeht und ebendeshalb für 
religiöse Zwecke völlig ausgeschaltet werden muß. Jedoch 
ist tmd bleibt diese ganze Annahme einer allmählichen 
Erhebung des partikularistischen Gottesbegriflfs zu höherer 
und reinerer universeller Gottesanschauung unbeweisbar, 
sowohl Propheten wie Psalmen bezeugen das Gegenteil.^ 
Auch die fälschlich ,,Propheten" übersetzten n^Wtm, 
das ist Sprecher, jene nationalgesinnten, für Erhaltung 
ihres Glaubens und Volkstums glühenden und mit Wort 
und Schrift dafür eifernden Männer sind festgebannt in den 
doppelten Glaubenssatz (siehe I, S. 83): es gibt keinen 
höheren Gott als Jaho, und Israel ist das Volk Jahos. 
Wäre imseren alttestamentlichen Theologen nicht von 
ihrer eigenen Studienzeit her eine ganz falsche Beurteilung 
des Verhältnisses des Alten Testaments zum Neuen Testa- 
ment in Fleisch und Blut übergegangen, so sollte man über 
die engherzige, beschränkte Gottesidee auch der Pro- 
pheten vom ältesten bis zum jüngsten füglich gar nicht 
mehr zu sprechen haben. Auch ihnen ist Jäho der aus- 
schließliche Gott Israels und kein Mensch, kein Volk 
hat Zutritt zu Gott außer durch das Medium Israels. Seit 
dem Auszug aus Ägj^ten hat Jaho sich mit seinem Volke 
verbunden auf ewig, und wenngleich dieses durch alle 
Jahrhunderte hindurch sich widerspenstig bis zum Äußer- 
sten gezeigt, es mit grenzenloser Liebe und Langmut ge- 
tragen, während er alle Israel feindlichen Erdbewohner 
mit seinem unauslöschlichen Zorne verfolgte imd in alle 



^) Ebendeshalb, weil ich weder im Gottesbegriffe noch in der Geistes^ 
Veranlagung Israels irgend eine Spur von ,3ntwickelung" zu erkennen 
vermag, weder in der exilischen und nachexilischen Zeit noch sogar 
in der Gegenwart, muß ich den mir so vielfach gemachten Vorwurf, 
ich hätte keinen Sinn für ,, geschichtliche Entwickelung", als haltlos 
zurückweisen. 



Die gleiche beschränkte Gottesidee bei den Propheten. jg 

Zukunft verfolgen wird, ihnen den Taumelkelch seines 
Grimmes reichend. „Nur in Israel ist Gott" lesen 
wir Jes 45^*. Von einer Entwickelung des engum- 
schränkten Volksgottes zum universellen Weltengott kann 
sich gar keine Spur finden, solange Israel das Volk bleibt, 
das Jaho von Mutterleibe an sich gebildet, das er allein 
liebgewonnen und sich auserwählt hat (Jes 41® 43^» *®'* 
44^). Ich erinnere nur noch einmal einerseits an das 
bitterböse Wort Amos3*: „Von allen Geschlechtem des 
Erdbodens habe ich nur von euch Kenntnis genommen",^ 
andererseits an das von Selbstüberhebung ohnegleichen 
zeugende Wort des Propheten Zacharia (8^) : „So spricht 
Jaho Zebaoth: In jenen Tagen geschieht's, daß zehn 
Männer aus allen Zungen der Völker {Gojim) sich fest- 
klammern werden an den Rockzipfel eines jüdischen 
Mannes, bittend : laßt uns mit euch gehen, denn wir haben 
gehört: Gott ist mit euch!" Jahos Universalität besteht 
einzig und allein darin, daß seinem Volke Israel die ver- 
heißene Weltherrschaft zufällt, womit zugleich Jahos 
Schwur sich verwirklicht, daß jedes Knie Jaho sich beugen 
werde (Jes 45 ^) . Rabbiner Dr. Beermann- Heilbronn 
schließt seine Entgegntmg auf Teil I der „Großen Täu- 
schung" mit dem Hinweis auf das „mit Recht an den 
Pforten so vieler S3niagogen prangende" Wort Jes 56'': 
„Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle 
Völker". Aber gegenüber diesem nicht auszurottenden 
gewissenlosen Mißbrauch einer aus dem Zusammenhang 
gerissenen Stelle bemerkt mit Recht BernhardDuhm 
in seinem Kommentar zum Buche Jesaia (S. 395): „Es 
handelt sich hier keineswegs um eine überale Öffnung des 
Tempels für jedermann, sondern um die Möglichkeit der 



*) Häßlich übersetzt Bd. König obige Worte: „Nur euch habe ich 
zu meinem guten Bekannten gemacht unter" usw. Die Fortsetzung 
des Verses 2: „darum werde ich an euch eure Missetaten heimsuchen'*, 
ändert an der vorausgehenden Aussage über Jahos Verhalten gegenüber 
den nichtisraelitischen Völkern auch nicht das Mindeste. 



20 ^^ gleiche beschränkte Gottesidee bei den Propheten. 

Zulassung von Fremden gegen Erfüllung der vorher ge- 
nannten Bedingungen, d.h. des vollständigen Über- 
tritts zum Judentum, der Beschneidung usw. Damit 
blebit das Judentumhinter den meisten Religionen noch weit 
zurüdc" . Gegenüber aber der im vorhergehenden Verse 6 
vom Propheten gegebenen Verheißung, daß den Fremd- 
lingen gestattet werde, zum Tempel Jahos zu kommen, 
weist D uhm gleich richtig darauf hin, daß an dem großen 
Bettage nach dem ersten korrekt gefeierten Laubhüttenfest 
die Fremdgebomen trotzdem nicht zugelassen wurden 
(Neh 9*). In der Tat ist selbst das dem echten Israeliten 
ein Greuel, daß die Heidenvölker an der Verehnmg Jahos 
teilnehmen und damit Gotte sich nähern möchten, vielmehr 
werden sie von dem Propheten mit kalter, rauher Hand 
auf ewig zurücl^estoßen 1 Ach, daß doch tmsere Führer 
in geistlichen Dingen mit scharfen Augen zu sehen und 
zu lesen vermöchten, um dann der ungeschminkten Wahr- 
heit die Ehre zu geben ! Wir lesen bei Jes 2 ***: „Und es 
wird geschehen in der Zukunft der Tage, da wird der Berg 
des Hauses Jahos feststehen an der Spitze der Berge und 
überragen die Hügel. Und es werden zu ihm strömen alle 
Heiden (Göjitn), und sich aufmachen viele Völker und 
sagen : Auf ! laßt uns hinaufziehen zum Berge Jahos, zum 
Hause des Gottes Jakobs, daß er uns unterweise in seinen 
Wegen und wir wandeln auf seinen Pfaden, denn von Zion 
geht aus Unterweisung und Jahos Wort aus Jerusalem". 
Es folgt die Schilderung des Anbruchs eines allgemeinen 
Völkerfriedens, worauf es in Vers 5 heißt: „Haus Jakobs, 
auf ! laßt uns wandeln im Lichte Jahos !" Ebendiese Worte 
Jes 2*"* finden sich so gut wie wörtlich bei Micha 4^'*, 
aber dort ist sogar diesem Huldigungszug der Völker nach 
Jerusalem ein Dämpfer aufgesetzt durch Vers 5: „Für- 
wahr! die Völker alle mögen wandeln ein jedes im 
Namen seines Gottes, wir aber wollen wandeln im 
Namen Jahos, unseres Gottes, für immer und ewig!" 
Welcher ruhig Urteilende kann in diesen Worten etwas 



Die gleiche beschränkte Gottesidee bei den Psahnisten. 2I 

anderes erblicken als eine verletzend stolze Gleichgültig- 
keit Israels gegenüber dem Endgeschick aller nicht- 
israelitischen Völker?^ Und dabei yrsgt Ed. König zu 
sagen, diese zweimal wiederholte Stelle lehre, daß „alles 
Menschenringen sein höchstes Ziel habe in dem Hin- 
strömen nach dem Tempelhause des Ewigen". Und dabei 
spricht Gunkel von „hohen Wahrheiten reiner Religion", 
die uns die Propheten verkünden. Da sind wahrlich die 
Juden selbst bessere Interpreten ihrer Bibel, indem, wie 
Jakob Fromer*, selbst ICind eines russisch-polnischen 
Ghettos, erzählt, die Ostjuden noch heutzutage jedes 
Christenkind Schqüsä, das ist „Afecheu" oder „Aas" 
nennen. 

Und gleich den Schriften der Propheten atmet auch 
der Psalter, wie sich aus seiner Vergöttlichung der Thora 
leicht begreift, vom ersten Psalm bis zum Schluß-Halle- 
luja ganz den nämlichen Geist engherzigster Gottes- 
anschauung, was um so schwerer ins Gewicht fäUt, als die 
Psalmen die letzte Stufe alttestamentlicher Religions- 
geschichte darstellen. Jaho ist noch immer, ja im Psalter 
erst recht, der ausschließliche Gott Israels, Israel ist „sein 
Volk und das Kleinvieh seiner Weide" (Ps 100, 74, 79), alle 
Heidenvölker sind nur dazu berufen, Jaho zu preisen, daß 
er Israel zum G^enstand seines Segens und seiner Güte 
gemacht hat (Ps 66,67, ii7tisw.), während sie ihrerseits 
nur durch das Eingehen in das Judenttun der Wieder- 
geburt teilhaftig werden — eine Welt- und Gottesanschau- 
ung, die der lychre Jesu direkt zuwiderläuft, ja das Christen- 
tum geradezu ausschaltet, die aber die judenchristlichen 
Apostel dennoch verstanden haben, den ersten Christen 



^) Siehe bereits Babel und Bibel II Anm. 22. Und beachte noch 
Joels Worte in Bezug auf Jahos groBen und schrecklichen Völker- 
gerichtstag (4^*) : „Eine Zuflucht ist Jaho seinem Volke und eine 
feste Burg den Kindern Israel", während die Heidenvölker samt 
und sonders Jahos furchtbarem Strafgericht verfallen. 

') Das Wesen des Judenhtms, Berlin-I^eipzig-Paris 1905, S. 5. 



22 bqimentiig der P ropheten Ton Jabo, aicbt nm Gott. 

emzuimpfeii durch die Schlagwörter vom „geistlichen 
Israd" and von der „Bescbnodtu^ im Geiste". Und 
dieser Volk^ott kann anch noch gemäß dem Psalter einzig 
und allein in Jemsalem, tm Tempel auf Zioo als einzigster 
legitimen Anbetongsstätte Jahos verdirt weiden and 
wird es mit Opfern, gel^entlic^ mit Hekatomben von 
Rindern nnd Schafen, nnd nur an zwei, drei Stellen wird 
ein ren^es Herz als das Jaho angenehmste Opfer bezdchnet. 
Das Gesagte reicht hin, die unomstößliche Wahrheit 
zu bestätigen, daß Jaho nicht der universelle Gott der 
Christenheit ist, also auch Propheten nnd Psalmen — mit 
Ausnahme zahliger Stellen, mit deren Zusammenstdlung 
in Anm. 5 ein Anfang gemacht ist — - in ein chiisthches 
Religionsboch nicht gehören; femer, daß Israel nicht 
, .Gottes" auserwähltes Volk ist; endlich daß alles, was 
Jaho vermeintlich zu ftfose und den Propheten gesprochen , 
nicht „Gottes" Wort ist. 

Was die letztere Erkenntnis betrifft, so hat ja für die 
Thora Mosis die alttestamentliche literarkritife bereits 
einen weitgreifenden Anfang gemacht, indem sie außer 
Zweifel gesetzt hat, daß keine einzige der in der sogenaimten 
Thora Mosis vereinigten drei Gesetzessammlungen auf 
Moses zurückgeht, daß also die htmdertmal wiederholten 
Worte: „Und Jaho sprach zu Mose" oder ,,zu Mose und 
Aaren" nichts als stilistische Formeln sind, bestimmt, 
die Autorität der betreffenden Gesetzbestimmungen zu 
steigern, sie als göttlichen Urspnmgs zu erweisen, während 
sie in Wahrheit ihre menschliche, zum Teil allzu mensch- 
liche Herkunft an der Stirn tr^en. 

Auch wenn die ,, Sprecher", vu^o Propheten Israels 
im Namen Jahos zu ihrem Volke reden, so sind sie hierzu 
nicht von ,,Gott" inspiriert, sondern von Jaho, sie sind 
Sprecher des in Jaho verkörperten spezifisch israelitischea 
Nationalgenius mit allen seinen völkischeu Eig^ischafteu, 
guten und schlechten. Getragen von hohem und hoch- 



Unerfüllte Ptophetieen gegen Babel. 23 

stem Pathos, sind diese prophetischen Sprüche und 
Reden ^delfach von großer rednerischer Schönheit, stellen- 
weise (z. B. Jes 14) Meisterstüdse hinreißender Rhetorik, 
die uns vielleicht durch die Fremdheit der Sprache 
und die Eigenartigkeit der semitischen Redeform des 
päraÜelismus membrorum noch in besonderem Grade 
blendet, also daß wir allerlei Schwächen, z.B. den vielfach 
übertriebenen Redeschwulst mitsamt seinen Hyperbeln und 
die bei solcher Schulberedsamkeit imvermeidlichen Wieder- 
holungen von Gedanken, Bildern u. dgl. nicht weiter be- 
achten. Daß aber diese prophetischen Reden trotz alledem 
inhaltlich nur Menschenworte sind, auf menschliche 
Kombinationen, Mutmaßungen, Schlußfolgerungen, Hoff- 
nvmgen und Befürchtungen gegründet, lehrt kein Ge- 
ringerer als der Prophet Jeremia selbst, allerdings sehr 
wider Willen und Absicht, indem er als einziges untrüg- 
liches Merkmal, ob eine Rede wirklich aus göttlicher Ein- 
gebung stamme, ihr Erfülltwerden angibt (28®). Wie 
viele der alttestamentlichen Prophetieen aber nicht in 
Erfüllung gegangen, vielmehr durch den Gang der 
Ereignisse laugen gestraft worden sind, mag wenig- 
stens an drei Beispielen gezeigt werden. 

Das erste Beispiel betrifft Babylons Untergang. 
Nichts ist entschuldbarer als der Haß, der die in Juda 
und Jerusalem übrig gebliebenen Judäer gegen das Volk 
Nebukadnezars, die Chaldäer, tmd gegen deren Haupt- 
stadt Babel erfüllte. Und nichts ist verständlicher als 
daß ihre Propheten, sobald die Kunde von dem im Norden, 
näher in Medien und dessen Nachbarländern, über Babylon 
sich zusammenballenden Gewitter nach Juda gelangte, in 
den leidenschaftlichsten und bis zum Überdruß sich 
wiederholenden und variierenden Reden, wie sie in den 
Kapitehi 50 und 51 des Buches Jeremia vereinigt sind, 
sich und ihren Hörern in den sattesten Farben ausmalten, 
wie Babel von den nordischen Horden belagert tmd ein- 
genommen, geplündert und unter „Bannung", d. h. grau- 



1 



24 Unetffillte Frophetiecn gegen BabcL 

sanier Niedermetzetung aller seiner Bewohner, vernichtet 
werden würde, seine weiten Mauern bis auf den Grund 
niedergerissen und ihre hohen Tore in Brand gesteckt 
(51**), die Bilder Bels und Marduks zertrümmert (vgl. 
auch Jes 2i*), alle Städte der Chaldäer mit Feuer ver- 
brannt, das ganze Land in eine menschenleere Wüste wie 
Sodom und Gomorrha verwandelt werden würde. Alles 
rennet, rettet, flüchtet — aber es kam ganz anders. 
Bei der immerhin großen Entfernung von Ort und Zeit, 
in der diese Reden gehalten wurden (nämlich in Juda nach 
der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar) bleibt 
der Irrtum verzeihlich.^ Das Nämliche gilt von der dem 
Propheten Jesaia, dem Sohne des Amoz, fälschlich zu- 
geschriebenen Rede Jes 13 — 14**, die zwar auch nur 
von den Med er n als den Feinden Babylons spricht, aber 
doch den zum Falle Babylons führenden Ereignissen 
bereits recht nahe steht (beachte 13**: „und zwar ist 
Babels Zeit nahe herbeigekommen, und seine Tage werden 
sich nicht hinziehen''). Auch er sieht, wie die Meder 
plötzlich hereinbrechen, wie alle Ergriffenen durchbohrt, 
ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser 
geplündert und ihre Weiber geschändet werden (V. 15 f.), 
wie Babel Sodom und Gomorrha gleichgemacht wird 
(V. 19). Nichts von alledem ist geschehen. Aber 
sogar Deuterojesaia (44*^ — Blap. 48), der in Babylonien 
und nur durch eine kurze Spanne Zeit von den sich voll- 
ziehenden geschichtlichen Ereignissen getrennt lebte und 
dem es deshalb ein Leichtes war, „das Ereignis zu künden, 
ehe es in die Erscheinung tritt" (Jes 42*), der wohl auch 
darum wußte, daß die Tore der uneinnehmbaren Festung 
Babel durch Verrat dem König Cyxus, dem „Gesalbten 



^) Ebenso die ganz falsche Verwendung geographischer bzw. ethno- 
graphischer babylonischer Namen, wie ,,das Land MarraHm** und 
PuqM (PifAd), die den Prophetenschülem vom Hörensagen bekannt 
geworden, aber ihrer eigentlichen Bedeutung nach yerborgen geblieben 
waren« 



1 

i 



Unerfüllte Prophetieen gegen Babel. 25 

Jahos", dem „Hirten Jahos", dem „aus fernem Lande 
berufenen Mann seines Ratschlusses" geöfihet werden 
würden, und zwar durch unmittelbares Eingreifen Jahos, 
also vielleicht nicht ohne Mitwirkung oder wenigstens 
Mitwissen exilierter Juden, weshalb er auch bereits die 
unentgeltliche Freilassung der jüdischen Exulanten durch 
Cyrus voraussieht (s. Anm. 6) — auch er täuschte sich 
über die dem Falle Babylons folgenden Ereignisse: er 
sieht den Sturz und die Wegführung der Bildnisse Marduks 
und Nebos (46 *'•) und läßt plötzlichen Untergang über 
Babel kommen (47^^), „an Einem Tage Kinderlosigkeit 
und Witwenschaft" (47*). Aber alle, alle diese Propheten, 
die, ihrem und ihres Volkes Herzenswunsch folgend, Babel 
ein plötzliches Schreckensende nach Art von Ninewe 
verkündeten, haben sich über Gottes, des Welten- 
herrschers, Ratschluß vollkommen getäuscht. Ohne 
Blutvergießen zogen die persischen Truppen in die Stadt 
ein, die ihnen durch Verrat überliefert worden war, die 
Babylonier fraternisierten mit den persischen Soldaten, 
und als Cjrrus bald darauf in die Stadt seinen Einzug hielt, 
breiteten ihm die Bewohner Palmenzweige auf den W^. 
Die babylonischen Götterbilder aber tastete Cyrus so 
wenig an, daß er vielmehr ihrem Kultus (natürlich aus 
politischen Gründen) in jeder Weise huldigte. Und wie 
das babylonische Land noch viele Jahrhunderte hindurch 
dfen jüdischen Exulanten und ihren Nachkommen eine 
zweite liebgewonnene Heimat war und blieb, so sah die 
Stadt Babylon speziell noch Alexander der Große in hohem 
Glänze. Bis in die Zeit der Seleukiden blieb Babylon 
absolut unangetastet. Langsam, ganz langsam und voll- 
kommen kampflos siechte die Weltmetropole dahin, nach 
dreitausendjährigem Bestände das Los alles Irdischen 
teilend.^ Und selbst dann noch kam es anders, als es 
sich die Propheten Jahos gedacht. Babels Ruinen blieben 
bis auf den heutigen Tag eine unerschöpfliche Fundgrube 

^) Siehe bereits Babel und Bibel II, S. 38 nebst Anm, 20. 



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Unerfüllte Prophetieen gegen Tjrms. 



für Bausteine, in schroffstem Widerspruch zu Jersi**: 
,,von dir soll man keinen Stein zum Eckstein noch einen 
Stein zu Grundmauern holen, ist der Spruch Jahos", und 
während Jes 13*® es heißt: „nicht sollen dort Araber 
zelten, noch Hirten dort lagern lassen", stehen auf der 
Stätte der einstigen Riesenstadt noch heutzutage imter 
Palmen versteckte Dörfchen, ja ein freundliches Städt- 
chen am palmenbewachsenen Ufer des Euphrat.^ 

Das zweite Beispiel betrifft das Geschick der großen 
Phönikierstadt Tyrus.* Als nach der Eroberung Jeru- 
salems Nebukadnezar die Stadt Tyrus zu belagern begann, 
war der Prophet Ezechiel von dem bevorstehenden Falle 
auch dieser Stadt so fest überzeugt, daß er die demnächst 
eintretende Katastrophe, in der er eine besonders groß^ 
artige Offenbarung der Allmacht des Gottes Israels er- 
blickte, mit den glänzendsten Farben ausmalte. Aber wie 
sich einst schon Jesaia getäuscht hatte, dessen beredte 
Verkündigung der Eroberung von Tyrus durch den assy- 
rischen König (Kap. 23) sich nicht erfüllen sollte, so ist 
es auch bei Ezechiel trotz aller grandiosen Phantasie, mit 
der er das stolze Meerschiff Tjniis vom Ostwind zerschellt 
sieht (26 — 28^*), bei den bloßen Worten geblieben, Gott 
selbst hatte es anders beschlossen. Trotz drei- 
zehnjähriger Belagerung gelang es Nebukadnezar nicht, 
die Inselstadt einzunehmen. Der Prophet selbst sieht sich 
2gt7ff. genötigt, seinen Irrtum einzugestehen, ja Vers 21 



*) Weniger Gewicht sei auf die unzutreffende Angabe des Jahres 
der Einnahme Babels durch Cjrus und der Heimsendung der jüdischen 
Exulanten gelegt. „Wenn 70 J ahre voll sind, will ich an dem König 
von B abel usw . seine Missetat heimsuchen' ' ( Jer 2 5 **) . , , Wenn 7 o J a h r e 
voll sind für Babel, werde ich euch heimsuchen und meine freundliche 
Zusage, euch an diesen Ort zurückzuführen, an euch verwirklichen" 
(29 1®). Da Babel im Jahre 539 in die Hände der Perser fiel und die 
ersten jüdischen Gefangenen aus Jerusalem im Jahre 597 von Nebu- 
kadnezar weggeführt wurden, so fehlt ein gut Teil zur Abrundung von 
70 Jahren. 

<) Siehe bereits Babel und Bibel II, a. a. O. 



y 









Unerfüllte Weissagungen der Heimkehr Gesamtisraels. 27 

läßt sogar durchblicken, daß seine prophetische Autorität 
durch den unbefriedigenden Ausgang der Dinge ernstlich 
erschüttert war. 

Das letzte und betrübendste Beispiel unerfüllt ge- 
bliebener prophetischer Reden mögei; aber die Ver- 
heißungen bilden, betreffend die Erlösung Judas aus der 
babylonischen Gefangenschaft und GesamtisraelsHeim- 
kehr nach Zion. Diese Weissagungen, die bei Deutero- 
jesaia mit den herrlichen Worten anheben (Jes40^'*): 
„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! redet 
Jerusalem zu Herzen und ruft ihm zu, daß sein Kriegs- 
dienst beendet, seine Schuld abgetragen ist", gehören zu 
den ergreifendsten Reden jener von höchstem Nation'al- 
gefühl begeisterten Männer, und welch lange, länge Reihe 
solcher Verheißungen aus dem Munde der verschiedensten 
Propheten verschiedener Zeiten ließe sich hier anführen! 
„Ich will die Gefangenen Judas, die ich von diesem Orte 
hinweg in das Land der Chaldäer geschickt habe, freund- 
lich ansehen und in dieses Land zurückbringen" (vgl. 
Jer 24^*). „Ich werde meine Schafe aus den Völkern 
herausführen und aus den Ländern sammeln und in ihr 
Land bringen, ich selbst werde sie weiden auf guter und 
fetter Weide auf den Bergen Israels — ist der Spruch des 
Herrn Jaho" (vgl. Ez34^3«). 

Auch die Bewohner des Nordreiches Israel, die in 
Medien und Chalach und wohin sie sonst gefangen weg- 
geführt worden waren, so wenig ihren Untergang ge- 
funden hatten wie ihre jüdischen Brüder in Babylonien, 
sollen aus allen Völkern gesammelt und nach Jerusalem, 
der Stadt Jahos, zurückgeführt werden: „Denn Jaho 
wird sich Jakobs erbarmen und Israel noch einmal er- 
wählen und sie auf ihren Heimatboden versetzen" (Jesi4^). 
„In jenen Tagen und zu jener Zeit, ist der Spruch Jahos, 
werden die Israeliten kommen, zusammen mit den Judäern, 
imter unaufhörlichem Weinen werden sie dahin ziehen und 
Jaho, ihren Gott, suchen. Den Weg nach Zion werden 



UnerffiOte WelaMgongen da Hdmkehr GeMmtlmda. 

fragen, ihr Antlitz hierher gerichtet, sie kommen und 
ließen sich an Jaho zu einem ewigen, nie mehr ver- 
senen Bunde" (Jer5o*'-).^ 

lud welch wunderherrliche Zukunft, welche Zeit un- 
gängUchen Heils (Am 9*"*') wird den Heimgekdirtett 
beißen! Alle ihre Verschuldui^en für ewig vergessen 
[ vergeben 0es 44** Jerss"*); alle ihre Tränen in 
nne gewandelt, sie sdbst getröstet tmd fröhlich ge- 
Atnach ihrem Kummer (Jet 31"""), „Jahos Befreite 
ren zurück und kommen nach Zion mit Jauchzen, und 
ge Freude umschwebt ihr Haupt. Wonne und Freude 
jigen sie, und Kummer und Seufzen werden entfliehen" 
> SS*")- Jaho wird sich mit seinen Wohltaten nie von 
en abwenden (Jer32***). Er wird sein Volk mehren 
[ zu Ehren bringen (Jer30^*). Sie werden in voU- 
omenster Sicherheit wohnen. Keine reißenden Tiere 

Lande, s^enspendende Regengüsse, reicher Boden- 
ag (Ez 34*''") ; das ganze I<and wieder reichbevölkert 

Herden von Kleinvieh (Jer 33"'"). Auch der Handel 
i wieder blühen: ,,Man wird .wieder Acker für Geld 
.fen »md Kaufbriefe schreiben tmd siegeln und Zeugen 
Etmehmen" im Lande Benjamin wie in allen Städten 
las (Jer 32**). Und welch alles überragende Stelle wird 
srael nach außen hin einnehmen ! Israel und Juda, 
las heilige Land zurückgebracht, werden sich vereint 

die Philister im Westen stürzen und die Ostvölker 
adem, Edom, Moab, Ammon sich Untertan machen 
. II »K.^ vgi_ ^jjx g«j_ alle anderen Völker der Erde 
r werden buhlen um die Huld Judas. „Siehe ! ich will 
h den Heiden hin meine Hand erheben und nach den 
kern zu mein Panier aufstecken, daß sie Israels Söhne 
Busen herbeibringen und deine Töchter auf der Schulter 
getragen werden. Und Kön^e sollen deine Wärter 
i und ihre fürstlichen Gemahlinnen deine Ammen ; mit 
1 Ai^esidit zur Erde, sollen sie dir huldigen und den 
Vgl. femer Jer 3" aj»** 39'»-» 32" 50» Ki 37 '*■**• 



Unerfüllte Weissagungen der Heimkehr Gesamtisraels. 20 

Staub deiner Füße lecken!" (Jes49***). Dazu wird 
Israel den ganzen Besitz aller Nationen der Erde in sich 
aufnehmen: Jaho wird „wie einen Strom Wohlfahrt und 
wie einen flutenden Bach den Reichtum der Völker Jeru- 
salem zulenken'* (Jes 66^*), also daß „Jerusalems Tore 
tags und nachts nicht geschlossen werden, um das Ver- 
mögen der Völker in sich aufzunehmen" (60"). 

Und je näher der Verrat Babylons an Cyrus rückte und 
damit die Befreiungsstunde der jüdischen Exulanten, 
desto wort- tmd bilderreicher löst sich die Zunge Deutero- 
jesaias in eitel Jubel aus: „Juble, o Himmel, denn Jaho 
hat's vollführt! Jauchzet, ihr tiefsten Erdengründe! 
Brecht in Jubel aus, ihr Berge, der Wald und alle Bäume 
darinnöa, denn Jaho hat Jakob erlöst und an Israel ver- 
herrlicht er sich !" (Jes 44*'). „Juble, o Himmel, und froh- 
locke, o Erde, und brechet aus, ihr Berge, in Jubel! Denn 
Jaho tröstet sein Volk und seiner Elenden erbarmet er 
sich" (49^). „In Freuden sollt ihr ausziehen, und in 
Frieden sollt ihr geleitet werden. Die Berge und Hügel 
sollen ausbrechen vor euch her in Jubel, und die Bäume 
des Feldes in die Hände klatschen" (55^*). 

Aber trotz aller dieser Verheißungen, wie sie stolzer 
und herrlicher keinem Volke der Erde jemals geworden 
sind, trotz Jahos ins Herz schneidender Worte: „Mag 
auch ein Weib ihres Säuglings vergessen, daß es sich nicht 
erbarmt über den Sohn ihres I^eibes, so will doch ich 
deiner nicht vergessen ; siehe ! auf meine Hände habe ich 
dich gezeichnet, deine (Zions) Mauern sind mir immerdar 
vor Augen" (Jes 49^*'), und trotz allen Jubels der 
Propheten, denen ein anderer Ausgang der Dinge nie in 
den Sinn gekommen, kehrte das Gros des jüdischen Volkes 
aus Babylon nicht zurück, machte die zahHosen Weis- 
sagungen seiner Gottesmänner nicht wahr, strafte es 
Jahos Wort (Jes 55*^') Lügen, gab rein gar nichts 
auf all die Zusicherungen seines Gottes, sondern blieb 
zum weitaus größten Teile, durch kalte Berechntmg 



ßO ^^^ freiwillige Verzicht Israels auf Heimkehr. 

der in dem unermeßlich reichen babylonischen Tief- 
lande gegebenen mibegrenzten Bereicherungsmögüch- 
keiten veranlaßt^, in dem von ihm selbst vordem bis 
zum heutigen Tage stinkend gemachten Babel und 
machte es sich zu einer neuen liebwerten Heimat! Auch 
die nach Medien verpflanzten Bewohner des Nordreiches, 
die teils in Mediens Hauptstadt ansässig geworden oder 
aus Medien ebenfalls nach Babylonien abgewandert waren , 
dachten nicht an Heimkehr in das gelobte Land, sodaß 
z. B. auf den Geschäftsurkunden von Nippur aus der 
Zeit des Perserkönigs Artaxerxes II. Namen judäischer 
imd doch wohl auch israelitischer Männer: Abdia, 
Achijjau, Gedalja, Jehonatan, Menahem, Haggai und viele 
andere mehr mit dem geschäftlichen Treiben der Stadt 
eng verbunden erscheinen. Die Zurückkehrenden waren 
zvmieist Priester und Leviten, aber selbst von den Leviten 
bemerkt Franz Delitzsch, daß sie nur in geringer Zahl aus 
dem Exil zurückkehrten, weil „sie an ihrer untergeordneten 
Stellung keinen Gefallen fanden". Niemand kann leugnen, 
daß dieser freiwillige Verzicht auf sein Heimatiand, 
diese unzweideutige Lossagung von seinem Gotte Jaho, 
diese mit kaltem Verstand bevorzugte Rolle eines vater- 
landslosen, internationalen „Volkes" (übrigens ein ekla- 
tanter Widerspruch in sich selbst) ein nicht zu tilgender 
Schandfleck auf der Geschichte des jüdischen Volkes für 
alle Zeiten bleibt (s. I 103 f.). Hier hilft auch keine Be- 
schönigung, worin unsere judenchristlichen Alttestamentier, 
Juda sich gefällig zeigend, wetteifern. Prof. Gunkel sagt 
in seiner Auftraggeberin, der.„FrankfurterZeitung"Nr.390 
vom 30. Mai 1920 : „Vaterlandslos sind die Juden vor allem 
geworden durch die furchtbaren Gewalttaten der Welt- 



^) Bin jüdischer Arzt in Prankfurt a.M. schrieb mir am 11. Juni 1920: 
„Die meisten Juden blieben in Babylon. Gib allen Antisemiten Deutsch- 
lands am Orinoko zehnmal so viel Gehalt, als sie in Deutschland be- 
kommen, aber richtig in amerikanischer Valuta, und zähle dann, wie 
viel nach Deutschland gehen". Hier erübrigt sich jede Bemerkung. 



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Sonsitige religiös wertlose Prophetenreden. qj 

reiche, die sie zur Übersiedelung in die Fremde zwangen". 
;Er erklärt es für „ein gewaltiges Wagnis, das frühere 
Vaterland, das längst von Feinden in Besitz genommen 
war, aufzusuchen und sich an den schwierigen, gefahr- 
vollen tmd vielleicht unmöglichen Wiederaufbau zu 
machen". „Die Idealisten", sagt er, „die für Heimat 
und Gott alles drangeben, stellen in jedem Volke eine 
Minderheit dar". Eine grausamere Verurteilung des aus- 
erwählten Gottesvolkes, eine stärkere Degradiertmg der 
Propheten zu losen Schwätzern seitens eines Theologen, 
eine nacktere Entwürdigung Jahos und Entwertung aller 
seiner Verheißungen ist nicht denkbar.^ 

Zu diesen umfangreichen unerfüllt gebliebenen 
Spekulationen meist politischer Art gesellen sich aber noch 
viele, viele andere Reden der alttestamentlichen „Sprecher", 
die für uns Jetztiebenden ledigüch historisch-politisches 
und vereinzeltes religionsgeschichtliches, aber keineSpur 
von religiösem Interesse haben. Ich meine z.B. die 
mancherlei Reden Jeremias vor und während der zwei- 
maligen Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar oder 
die Reden, die Ezechiel in Babylonien an seine gleich ihm 
bereits im Jahre 597 in die Gefangenschaft geführten Volks- 
genossen richtete, als die Eroberung und Zerstörung 

^) Ein würdiges Seitenstück solch tendenziöser Beschönigung der 
vom Alten Testamente selbst gelehrten Tatsachen ist Meinholds und 
Anderer Behauptung, daß es mit der vermeintlichen barbarischen 
Kriegführung der hebräischen Nomadenhorden gar nicht so schlimm 
sei. Israel habe Kanaan friedlich durchdrungen! Also auch das 
Buch Josua eitel Lügenwort, alle in Teil I, S.36 zitierten Worte des Exodus^ 
und Beuteronomiums (vgl. noch Dt 7^': „und du sollst fressen alle die 
Völker, die Jaho, dein Gott, dir gibt, nicht soll dein Auge Schonung 
mit ihnen haben") samt und sonders erlogen; das Wort des Propheten 
Amos (i*) : „Ich war es, der die Amoriter vor ihnen vertilgt hat, deren 
Größe wie die der Zedern war und die so stark waren wie die Eichen ! 
und zwar vertilgte ich ihre Frucht oben und ihre Wurzel drunten** 
erlogen, Ps 44* 106** desgleichen — alles Bestandteile des Wortes 
Gottes, von dem die Theologen mit dem Brustton felsenfester Über- 
zeugtheit zu predigen pflegen: „Gottes Wort bleibet in Ewigkeit I" 









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32 



Religiös wertlose Piophetenteden. 



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Jerusalems näher und näher rückte. Ich meine die Triumph- 
bzw. Spottlieder der Propheten über den Fall Ninewes 
(Nah 1—3, vgl. Zef 2"") und Babylons (Jes 14, 47), 
die Spottreden über Pharao Nechos Besiegung bei Karke- 
misch durch den babylonischen Kronprinzen Nebukadnezar 
und über Ägj^tens Eroberung durch die Chaldäer (Jer 46), 
allesamt jeder religiösen Bedeutung entbehrend. Denn 
welcher Vernunftbegabte möchte wohl alle die welt- 
geschichtlichen Ereignisse auf dem weiten Schauplatze 
Vorderasiens während des letzten vorchristlichen Jahr- 
tausends ausschließlich als Racheakte Jahos, des Gottes 
Israels, betrachten, den Fall Babylons und möglicherweise 
auch den Ninewes ausgenommen, bei denen es denkbar 
wäre, daß Jaho sich seines Volkes als Mitwirkenden bedient 
hätte (Anmm. 6. 7) ? Aber im übrigen bleibt es schwer be- 
greiflich, warum wir alle jene ephemeren Redeergüsse an- 
läßlich von drei Jahrtausende zurückliegenden Erdgiussen 
in unsem Bibeln herumtragen zur Erbautmg und religiösen 
Erhebung, während gleichzeitig uns und unsem Kindern 
die erhebende Erinnerung an die denkwürdigen Tage 
deutscher glorreicher Vergangenheit aus der Seele ge- 
graben wird. Und nun gar noch die vielen immer wieder- 
holten haßerfüllten Reden gegen die nächsten Nachbarn 
Israels ! Ich kann mich eines Vergleiches nicht erwehren, 
so trivial er erscheinen mag. Ich saß einmal bei einer 
Abendgesellschaft neben einer sehr „gebildeten" Dame, 
die mich den ganzen Abend ebenso leidenschaf tiüch wie 
wortreich über ihre fortgesetzten Häkeleien und Zwistig- 
keiten mit einer andern Dame unterhielt. Der abstoßende 
Eindruck aber, den ich hierbei empfand, ohne die Unter- 
haltung auf ein anderes Thema überleiten zu können, 
steigerte sich bis zum Zorn über den verlorenen Abend, 
als ich hörte, daß die betreffende Widersacherin schon seit 
Jahren tot sei! Ein ganz ähnliches Gefühl überkommt 
mich immer von neuem, wenn ich die Brandreden der alt- 
testamentlichen „Sprecher" etwa gegen Moab und Ammon 






Religiös wertlose Prophetenreden. 3^ 

oder gegen Israels gehaßtesten Todfeind Bdom lese, z.B. 
Jesaias Rede wider Mo ab (25*®'), die ,,Moab in Grund 
und Boden zerstampft" sieht, „wie Streu zerstampft wird 
in Mistjauche — es breitete seine Hände darin aus wie 
der Schwimmer sie ausbreitet zu schwimmen, aber Jaho 
hat niedergedrückt seinen Stolz samt den Kunstgriffen 
seiner Hände". Oder die berüchtigte Rede des nämlichen 
Propheten oder dnes anderen Pseudojesaia (Jes 34), die 
unter „maßlosen Hyperbeln" (Dillmann) schüdert, wie 
Jahos Schwert sich zuerst im Himmel mit Zorn berauscht, 
um dann, alles vernichtend, auf Bdom niederzusausen — 
alles nach Sprache, Stil und Gesinnung echt beduinische 
Schlacht- und Siegesgesänge (Anm. 8). „Verflucht, wer 
Jahos Schwert das Blut Moabs mißgönnt" (Jer48**); 
„macht Moab trunken, daß es hinklatscht in sein Gespei" 
(V. 26) — erinnern diese und viele andere Ejraftworte, 
wie sie in den Prophetenschulen gelehrt und geübt wurden, 
nicht unwillkürlich an verwandte Rednerschülen der Neu- 
zeit, deren Arsenal zur Schünmg des Hasses ebenfalls un- 
erschöpflich ist? Wir können es ja verstehen, daß Israel- 
Juda gegen seine Nachbarn : Philister, Moabiter, Edomiter 
usw. von glühendem Hasse beseelt war, obwohl wir um- 
gekehrt deren Haß gegen die hebräischen Eindringlinge 
und ihre Gewohnheiten fast noch besser würdigen können. 
Aber wie sollen diese aus bestimmten Zeitverhältnissen 
herausgeborenen Ergüsse politischer Eifersucht und Leiden- 
schaft längst untergegangener Generationen auch uns 
Kindern des 20. Jahrhunderts n. Chr. zur Sittigung dienen 
und zu religiöser Erbauung? Statt uns nachdenkend zu 
versenken in Gottes wunderbares Walten innerhalb unseres 
eigenen Volkes, fahren wir aus Unkenntnis, Gleichgültig- 
keit oder Verblendung fort, jenen altisraeütischen Haß- 
reden einen „Offenbarungs"charakter zuzuerkennen, der 
weder im Lichte der ReUgion noch dem der Ethik stand- 
hält. Auch nicht einmal im Lichte der Geschichte! Denn 
alle diese von Jaho durch den Mund seiner Propheten ver- 

Delitssch, Die grosse Tinschang. II 9 



34 Die oberiWcUiche Bearteflimg des Bflderdknstes. 

wünschten und verfluchten Nachbarstamme Israels haben 
die verwahrlosten Reiche Israel und Juda um Jahrhunderte 
bis herab in die nachezitische Zeit, ja noch darüber hinaus, 
überdauert 1 

Wenig sympathisch berührt die oberflächliche, nur dem 
äußeren Schein folgende Beurteikmg der babylonischen 
Bilderverehrui^, vornehmlich durch Deuterojesaia, der 
sich nicht genug damit tun kann, die technische Her- 
stellung eines solchen Götterbildes bis in alle Einzelheiten 
zu beschreiben und, wie Kittel mit sichtlichem Wohl- 
behagen feststellt, „die schärfste Lauge seines Spottes"' 
über die Götterbilder ausgießt als Machwerke von Menschen- 
hand (z.B.40'*': 41«-' 44*''- ""^e*'). Auf das Wesen der 
sumierisch-babylonischen Gottesanschauung und Gottes- 
verehrung (siehe oben S. 14 f.) brauche ich hier nicht aber- 
mals zurückzukommen. Was aber den ermüdenden Spott 
der alttestamentlichen Propheten und F^almisten auf die 
Götterbilder betrifft, die „Augen haben und nicht sehen, 
Ohren und mcht hören, eine Nase und nicht riechen, Füße 
und nicht gehen" (Ps 115, 135), so können diesen vor allem 
die Babylonier ebenso leicht ertragen wie die katholische 
Kirche. Denn genau so wie die denkenden Katholiken im 
allgemeinen in den Bildern lediglich die Repräsentanten 
Christi, Marias und der Heiligen sehen, so taten dies auch 
die denkenden Babylonier: kein Hymnus, kein Gebet, 
die an das Bild als solches gerichtet wären — sie wenden 
sich stets an die jenseits alles Irdischen waltende Gottheit 
(Anm. 9). In keinem Punkte vielleicht haben die alt- 
testamentlichen „Sprecher** und Dichter befangener, kurz- 
sichtiger und ungerechter geurteilt als in dem des baby- 
lonischen Bilderdienstes. Worte wie die des Propheten 
Habakuk (2^*): „Wehe, wer zum Holze sagt: wache auf! 
werde wach I zum stummen Stein" treffen die Babylonier 
ganz und gar nicht. Das Urteil der israelitischen Propheten 
hat die Welt genasführt, da es an einer Äußerlichkeit 
kleben blieb. Auch die babylonischen Gottheiten sind 



Die .Propheten jbIs Sitten- und Stralprediger. 3g 

lebendige Mächte (siehe bereits Babel und Bibel II, S.34), 
und sie walten mit gleicher Gerechtigkeit und Barm- 
herzigkeit ohne Ansehen der Person über alle Menschen 
und Völker des Erdkreises, was Deuterojesaia in Baby- 
lonien leider nicht gelernt hat zu Nutz und Frommen 
des Gottes Israels. 

Gleich allen Göttern Vorderasiens, obenan den sumerisch- 
babylonischen Gottheiten, war Jaho eine sittliche Macht, 
und so sympathisch uns an sich die prophetischen 
Mahn- und Drohreden gegen die in Israel und Juda 
grassierende Sündhaftigkeit berühren, so liegt doch kein 
Grund voi:, ihnen den Charakter einer „eigenartigen" 
Gottesoffenbarung beizulegen. Wenn wir nach dem Zeug- 
nis aller alttestam^titlichen Propheten annehmen müssen \ 
daß in Israel und Juda die Sittenlosigkeit einen nicht mehr 
überbietbaren Grad erreicht hatte, daß Ungerechtigkeiten 
allerart ungestraft verübt wurden, daß Rechtsbrüchig- 
keit, Hinmorden unschuldiger Menschen, Ehebruch, Be- 
drückung von Witwen und Waisen, Hurerei von Volk und 
Priestern usw. an der Tagesordntmg waren, so bezeugt 

^) Siehe z. B. Ho 4': „sie (die Israeliten) fluchen ttnd lügen, morden 
nnd stehlen und ehebrechen, sie brechen ein und Blutschuld reiht sich 
an Blutschuld". 6*: „g^ich lauernden Räubern ist die Friesterbande". 
— Am. 2 «^ : „weil sie (die Israeliten) für Geld den Gerechten verkaufen, 
und den Dürftigen um eines Paares Schuhe wiUen (vgl. 8*), ... die 
sich, Vater und Sohn, zur Dirne begeben, um meinen heiligen Namen 
zu entweihen". 5^^: „sie hassen den, der im Tore für das Recht ein- 
tritt, und verabscheuen den, der die Wahrheit redet". Ferner 3 *•, 5 ". — 
Jer8^®: „vom Jüngsten bis zum Altesten trachten sie allesamt nach 
Gewinn, Propheten so gut wie Priester verüben allesamt I<ug und 
Trug". 8': „mein Volk weiß nichts von der Rechtsordnung Jahos". 
9^: „sie sind allesamt Bhebrecher, eine Bande von Treulosen". 9': 
.»jeglicher Bruder übt Hinterlist und jeglicher Genosse geht mit Ver- 
leumdung um, einer hintergehen sie den andern und Wahrheit reden 
sie nicht". 2$ *• '• ; „voll von Ehebrechern ist das I^and, imd ihr Rennen 
ist Bosheit und ihre Starke Unwahrhaftigkeit, denn Propheten imd 
Priester sind ruchlos". 23^*: „bei den Propheten Jerusalems aber er- 
lebte ich Schauderhaftes: sie treiben Ehebruch und gehen mit Lüge 
um und bestarken den Übeltäter". 



^ 



36 Ganz nnge&üge&der Brsatz ffir fehlende Strafrichter. 

dies nur die grenzenlose Rechtlosigkeit, die in den beiden 
Duodezstaaten fortdauernd herrschten, indem es dort 
zwar Gesetze, aber keine Richter gab, die, wie in Baby- 
lonien und Assyrien, über der Aufrechthaltung von Zucht 
und Ordnung, über der peinUchsten Beobachtung der 
staatlichen Gesetze wachten. Wir lesen erschüttert von 
jenen schandbaren Zuständen, vermögen aber nicht ein- 
zusehen, welches religiöse Interesse für uns Jetztlebenden 
alle jene Schändlichkeiten und ihre ohne Strafrichter 
schUeßUch doch nutzlose Geißelung durch noch so beredte 
und für Recht und Gerechtigkeit furchtlos kämpfende 
Männer beanspruchen können. Die Babylonier waren ge- 
wiß so wenig wie alle Menschen Tugendbolde, aber die 
harten Strafen, die für Totschlag, Diebstahl und Hehlerei, 
Ehebruch, Kebsweiberwirtschaft, Unzucht, Verleumdung 
usw. vorgesehen waren, wurden von unparteiischen Rich- 
tern auf das Strengste vollzogen, weshalb ja der baby- 
lonische wie ass3nische Staat mehr denn tausend-, ja zwei- 
tausendjährigen Bestand hatten, während Israel nach 
zirka 240, Juda nach 480 Jahren ruhmlos zugrunde ging. 
Wenn zur Babel-Bibel-Zeit die ganze Phalanx meiner 
Gegner sich auf die Parole des „sittlichen Monotheismus 
Israels" geeinigt hatte, so ist der Monotheismus Israels 
längst in die Brüche gegangen und mußte Renans richtiger 
Bezeichnung als Monolatrie weichen.^ Wenn aber im 
„sittlichen Geist des Prophetentums*' eine „wirkliche 
OfEenbaning des lebendigen Gottes" gesehen wird, dann 
erkenne man auch rückhaltlos an, daß diese Gottesoffen- 
barung durchaus nicht auf das vermeintliche Gottesvolk 
Israel beschränkt war, sondern daß sie bei den Sumerern, 

^) Auch noch den Psahnisten ist Jaho nicht der einzige existierende 
Gott, vielmehr haben alle anderen Völker auch ihre Gotter (Ps86' 
96* 97'* • 135* 136* 138^ vgl. 29* 89'), und obschon der Psalter recht 
despektierlich von ihnen redet, werd^i sie doch in ihrer realen Existenz 
anerkannt und aufgefordert, Jaho ihre Huldigung darzubringen. Vgl. 
auch das in I, S. 102 über den Unglücksgott Scheba' der israelitischen 
Volksvorstellung Gesagte. 



Die Ursachen der Bntaittlichuiig Israels. yj 

den Schöpfern, wie wir jetzt wissen, der babylonischen 
Gesetzgebung, die in noch ungleich höherem Maße als die 
Thora Mosis und die Forderungen der Propheten sittlich 
zu nennen ist, sich in weit vollkommnerer Weise 
betätigt hat (s. I Anm. 32). Ich erinnere nur noch einmal 
daran, wie die Frau bei den Sumerern nicht allein dem 
Manne völlig ebenbürtig galt, sondern sogar eine Ehren* 
Stellung vor diesem einnahm, die unwürdige Stellung der 
Frau in Altisrael dagegen einen so tiefen Absturz von 
jener Höhe darstellt, daß die Frauen unserer Tage nur 
langsam und mühsam die Stellung zurückerobern müssen, 
die sie vor 5000 Jahren bereits in idealer Weise besaßen 
(s. weiter I, S. 100 nebst Anm. 44). 

Und noch zwei andere Betrachtungen drängen sich 
auf. Die israelitischen Volksredner hatten gewiß Recht, 
wenn sie in der sittlichen Verlotterung ihrer Volks- 
genossen einen Hauptgrund der über Israel und Juda 
hereingebrochenen Katastrophen sahen, aber es bleibt 
sehr zu bezweifeln, ob diese Entsittlichung, wie die Pro- 
pheten meinen, in Zusammenhang steht mit dem Kultus 
der kanaanäischen Landesgottheiten. Das letztere dürfte 
im Hinblick auf den tausendjährigen Bestand Moabs und 
der phönikischen Städtewesen unbedingt zu verneinen 
sein. Vielmehr wird jene falschverstandene Freiheit und 
Ungebundenheit ein aus dem Wüstenleben mitgebrachtes 
Erbteil sein, wie ja Blutrache, Mißachtung des Weibes, 
Sinnlichkeit, Herrschsucht, Grausamkeit, Gier nach irdi- 
schem Besitz bis heutzutage hervorstechende Eigenschaften 
der Nomadenstämme der syrisch-arabischen Wüste bilden, 
weshalb ja auch die Propheten selbst, wie das Alte Testa- 
ment wiederholt bestätigt (vgl. in Anm. i auf S. 35 die 
Zeugnisse des Propheten Jeremia), von jenen sittlichen 
Mängeln nicht frei waren. Sodann vermissen wir bei allen 
Propheten, die sich mit dem nahen Untergang der Reiche 
Israel tmd Juda befassen, den Hinweis auf einen zweiten 
tmzweifelhaften Hauptgrund jener Katastrophen, nämlich 



I 



38 'Dit politiflclie UnsuverUssigkeit Israels nnd Jndas. 

die politische Unzuverlässigkeit und den fortgesetzten 
Treubruch der israeUtisch-judäischen Könige gegenüber 
den mit Assyrien und Babylonien eingegangenen Ver- 
trägen, Treubrüche, die freilich nicht selten den Propheten 
selbst als den politischen Ratgebern ihrer Könige auf das 
Elonto zu setzen sein werden. Vgl. 2 Kö 17* 18' 24* usw. 
Bis in die nachezilische 2^t erhielt sich der Ruf Jerusalems 
als einer ewig aufrührerischen Stadt (Ezra 4^). 

Ganz besonders sympathisch stehen wir dem alttesta- 
mentlichen Psalter gegenüber, diesem Liederbuch der 
nachexilischen jüdischen Gemeinde, jener Unentw^^n, 
die trotz des in Babylonien lockenden Geldgewinnes und 
behaglichen Lebens treu zu ihrem Gotte Jaho und zu 
dessen Verheißungen standen. „Die Treue steht zuerst, 
zuletzt im Himmel und auf Erden". Deshalb begleitet 
unsere höchste Achtung und aufrichtiges Mitgefühl das 
ursprünglich kleine Häuflein nach Jerusalem und Juda 
heimgekehrter jüdischer Exulanten auf Schritt und Tritt. 
Wir nehmen verständnisvollen Anteil an ihrer Zähigkeit, 
ihrem Mut, mit dem sie den Tempel auf Zion wieder- 
aufbauten; haben inniges Mitgefühl mit ihren schweren 
Bedrängnissen, die von allen Seiten sie umringten, vor 
allem zur Zeit der späteren Verzweiflungskämpfe der 
Makkabäer. Wir trauern mit ihnen, als der unter Mühen 
allerart wieder aufgebaute Tempel zu Jerusalem unter 
Antiochus IV. Epiphanes der greulichsten Verwüstung an- 
heimfiel. Wir verstehen den durch die Siege der makka- 
bäischp^L. Helden aufs Höchste gesteigerten Jubel der jü- 
dischen Frommen : „Heil dem Volke, dessen Gott Jaho 
ist, denr Volke; das er zum Eigentum sich erwählt hat" 
(Ps33^*), ein Jubelgesang, der, in immer neuen Liedern 
variiert, Jahos und seines Gesalbten Königtum über alle 
Völker des Erdkreises feierte. Und als den Erfolgen der 
Makkabäer neue schwere Niederlagen und Heimsuchungen 
folgten, bewundem wir das felsenfeste Vertrauen auf Jaho 



iL' 



\ 



Psalter und '£hota. 30 

und das unerschrockene Festhalten an dem Gotte ihrer 
Väter, also daß wir dieser treuen Juden Endgeschick, so- 
weit wir zu urteilen in der Lage sind, nur beklagen können. 
Aber all dieses unser Mitempfinden, diese unsere „Senti- 
mentalität", ist unabhängig von der rehgiösen Bewertung 
des Psalters als eines vermeintlich auch für die Christen- 
heit noch dienUchen ReUgionsbuches. Eine soldie Be- 
wertung muß mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden. 
Aus sehr einfachen und jedem unvoreingenommen Ur- 
teilenden gewiß einleuchtenden Gründen. 

Zunächst beruht der Psalter ganz und gar auf der 
Thora, dergestalt, daß sogar Jesus Zitate atis dem Psalter 
als Zitate aus dem „Gesetze" bezeichnet (für Ps 69* siehe 
Joh 15 *^ für Ps 82 • Joh 10**). Der sogenannte i. Psalm, 
der die Thora Jahos verherrUcht und als einzigste Richt- 
schnür des wahrhaft Frommen feiert, gilt mit Recht 
als halb prosaische, halb poetische Einleitung in das 
ganze Psalmbuch.^ Daß diese übertriebene Vergötterung 
der Thora, wie sie den Inhalt von Psalm 19B, Psalm iiQu.a. 
bildet, für uns Christen ohne Bedeutung ist, liegt auf der 
Hand. Selbst wenn wir über die Entstehtmg dieser angeb- 
Hchen Thora Mosis nicht so klar sähen, wie es im I. Teü 
der „Großen Täuschung" gezeigt ist, würde die Thora 
als spezifisch jüdisches Gesetz für uns ebenso unmaßgeb- 
lich sein wie das Gesetz Hammürabis oder wie der Sachsen- 
spiegel, welch letzterer Vergleich schon bei Luther sich 
findet. Ebendamit ist aber auch das Urteil über die vielen 
Psalmen gefällt, die von den gesetzestreuen wahrhaft 
Frommen (Chasidim) im Gegötisatz zu den Gottlosen 
und Freigeistern handeln, von dem Ansehen der „Recht- 
schaffenen" bei Jaho und dem ihnen bestimmten Glücke 
einerseits, von ihrer Verfolgung und Drangsaüerung durch 
die Gottlosen, die Frevler, auch durch politische Feinde 

^) Beachte, daß der Apostel Paulus die Worte von Ps 2^: „du bist 
mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget", als Worte des ersten Psalxns 
zitiert (Acta 13«'), 



O DI« thoraglinUgen „pnmunea" nsd die „ 

Ps 35, 55, 69 u. a.), andererseits. Wir Christen haben 
«nerlei Interesse mehr an diesen längst überwundenen, 
n die Thora sich knüpfenden G^ensätzen läi^t ver- 
angenei Zdten, dies um so weniger, als wir ja doch nun 
inmal nicht mehr anter dem Gesetze Mosis stehen, son- 
em durch Jesu schlechterdin^ neue Lehre die herrUche 
Freiheit der Kinder Gottes genieJSen. Und erst recht sind 
iir tms ohne alle Bedeutui^ die poetischen oder richtiger: 
a Verse gebrachten Darstellui^en der im ersten und 
weiten Buche Mosis erzählten vermeintlich historischen 
Ereignisse vom I>utchzi^ durch das Schilfmeer usw. Be- 
merkenswert ist nur, daß auch die Psalmisten den dreimal 
rzäblten Betrt^ mit dem Patriarchenwdb und die Be- 
tehlung der Ägypter getreulich rechtfertigen. Kein 
fensch dürfte länger wagen, die in „Große Täuschui^" 
, S. 77 f. besprochenen Erzählui^en, wie Abraham bzw. 
saak ihre Frau als ihre Schwester ausgaben, gutzuh^ßen 
der auch nur zu beschönigen. Aber Ps 105""" wagt zu 
E^en : „Und sie (die Patriarchen) wanderten von Volk zu 
^}lk, von Königräch zum Volk eines anderen. Nicht ließ 
aho jemand sie bedrücken und züchtigte um ibret- 
rillen Könige: Rührt nicht an mdne Gesalbten tmd 
aeinen Propheten tut nichts Böses 1" Und ebendort 
T. 37 lesen wir: „Und er (Jaho) führte sie heraus mit 
lilber und Gold", woniit der Diebstahl vom Dichter 
uf Jaho selbst zurüc^eführt wird I literarischen Wert 
lehält I^ 104, die dichterische Darstellung des Schöp- 
gngshergai^s Gen E^p. i. 

Auch sonst sind die rehgiösen Vorstellungen der Psalmen 
ßnz die nämhchen wie in allen übr^;en vor- und nach- 
adlischen Büchern des Alten Testamentes. Selbst der 
eringste Fsalmdichter träumt vom Besitztum der 
Völker, das Jaho Israel verheißen (iii*). Was aber das 
,eben des einzelnen Menschen betrifft, so steht im Mittel- 
lunkte der diesbezüglichen Vorstellungen, daß das 
nenschliche Leben ausschließlich ein Leben des Dies- 



Der Unsterbliclikeitsglaabe im Psalter. ^.x 

seits/ Jaho ausschließlich ein Gott der Lebendigen ist — der 
Toten gedenkt Jaho nicht weiter, sie sind abgeschnitten 
von seiner Hand (88^). Im Totenreich hat alles ein Ende: 
Jahos Wunderkraft (88") ebenso wie die dankbare Er- 
innerung an seine Güte und Treue (6*30" 88" 115^^. 
AUes Sinnen und Denken auch der Psalmisten ist auf das 
Diesseits gerichtet. Darum ist und bleibt der Lohn der 
Frömmigkeit, der Furcht Jahos lange Lebenszeit, große 
Nachkommenschaft und Reichtum an irdischen Gütern 
(112^. Ist das nicht alles in direktem Widerspruch mit 
unsem christlichen Anschauungen, sodaß wir den Psalter 
als christliches Religionsbuch ablehnen müssen? Man ver- 
gesse doch nie, daß wir einer Unsterblichkeitslehre sogar im 
nachezilischen Psalter nur an zwei, drei Stellen (49^* 73**, 
vgl. 39*) beg^nen und auch da nur einer auf die Frommen 
beschränkten, insofern diese Jaho zu sich nimmt, während 
alle übrigen Menschen dem Schattenleben der Scheol oder 
Unterwelt verfallen ; daß aber sogar diese wenigen Stellen 
nicht allein ganz jtmgen Datums, sondern augenscheinlich 
nicht auf dem Boden des Judentums erwachsen sind.* 
Was aber die Betätigung der Religion in der Nächsten- 
liebe betrifft, so enthält der Psalter kein einziges Lied, 
das dieser schönsten menschlichen Tugend gewidmet wäre, 

^) Vgl. hierfür auch 2 Kd 30*, eine Stelle, die zugleich lehrt, wie sich 
selbst die alttestamentlichen „Frommen", z. B. Hizkia, Tor dem Sterben 
fürchteten. 

'). Beachte Ps 73 ^^ wo der Dichter bekennt, über das I«eben nach dem 
Tode erst belehrt worden zu sein, als er in Gottes „Besonderheiten 
(Heiligkeiten)", d.h. doch wohl: in Gottes Geheimnisse eingeführt 
wnrde. Da die Babylonier schon viele Jahrhunderte vor dem Juden- 
tum an ein für Fromme und für Gottlose verschiedenes Leben nach 
dem Tode glaubten, entsprechend der späteren Lehre Jesu (siehe meine 
Schrift Das Land ohne Heimkehr, Stuttgart 191 1, S. 18 ff.), so ist es 
sehr wohl denkbar, daß die pharisäische Unsterblichkeitslehre nicht so- 
wohl auf griechische Einflüsse zurückgeht, sondern auf den Binfluß der 
jüdischen Proselyten aus Galiläa. Aus anderen alttestamentlichen 
Schriften sei für die Unsterblichkeitshofinung an die bekannte Stelle 
des Buches lob 19** <• erinnert. 



42 I>i« NidutenUebe im Psalter. 

die ja ohnehin im Alten Testament auf das Mindestmaß, 
nämlich die zu den eigenen Volk^enossen (s. I, S. loif.), 
beschrankt ist. Viehnehr gedenken die I/ieder eines auf 
das Siechl^er geworfenen Kranken (Ps 41) oder eines, 
der sich von seinen als Frevler bezeichneten Volksgenossen 
angefeindet, verfolgt, wohl gar mit dem Tode bedroht 
sieht (Ps 6, 11, 13 usw.), des schadenfrohen oder ge- 
hässigen Feindes ausnahmslos mit Verwünschungen, was 
ja menschlich nur allzu leicht sich versteht, auch bei den 
Babyloniem genau so der Fall ist, aber einem religiösen 
Brbauungsbuche gewiß nicht zur Zierde gereicht, am 
allerwenigsten einem solchen für Christen, welche über- 
dies in I Elor 13 das erhabenste, unübertreffbarste Hohe- 
lied der Liebe besitzen. „Ist Jaho mein SUrte, hab' ich 
nicht Mangel, auf Auen jungen Grüns, an friedlichen Ge- 
wässern läßt er mich ruhen, meine Seele erquickt er. Er 
leitet mich auf richtigen Geleisen um seines Namens 
willen. Auch wenn ich wandle in finsterm Tal |lst mir 
nicht bange], fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei 
mir, dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich". Ge- 
wiß ein schöner, zum Herzen sprechender Psalm, wenn wir, 
Jaho durch „der Herr" ersetzend, an den Gott denken, 
den uns Jesus gelehrt hat. Aber dürfen wir dies, ohne den 
Psalm zu fälschen? Denn wenn der Psalmist fortfährt, 
sich von Jaho zu Tisch geladen und königlich bewirtet 
vorzustellen und zwar „angesichts seiner Feinde" (23*), 
sodaß diese, wie es anderwärts (z. B. 112*®) heißt, es 
sehen müssen und vor Utunut die Zähne zusammenbeißen, 
so bringt dies doch einen recht schrillen Mißton auch in 
dieses lyied, wie denn die Psalmisten, die doch erst recht 
die berufenen Verkünder der Nächstenliebe sein müßten, 
samt und sonders keinem heißeren Wunsche Ausdruck 
verleihen, als „seine Lust zu sehen an seinen Feinden" 
(z. B. 37»* 54* 921* II2*). 

Nehmen wir zu allen diesen für uns Christen in Wegfall 
kommenden Psalmen noch diejenigen hinzu, die lediglich 



Psalm 73 Vers 25 und 26. 43 

längst vergangene geschichtliche Geschehnisse zum Anlaß 
und Inhalte haben, so bleibt nur eine verhältnismäßig 
sehr kleine Auslese von Psalmen und Psalmstellen 
übrig, deren Inhalt den religiösen R^ungen unserer Seele 
entgegenkommt, als da sind : lyiebe zu Gott, Stille zu Gott, 
vollste Genüge in Gott, tmd die dem Neuen Testamente 
angegliedert zu werden verdienen. In weitaus erster 
lyinie gehören zu diesen wenigen sozusagen neutestament- 
lichen Psalmstellen die Verse 25 und 26 des 73. Psalms, 
die nach dem hebräischen Wortlaut etwa zu übersetzen 
sind : „Wen habe ich im Himmel [außer dir] ? und neben 
dir (? bei dir, das ist: mit dir vereint?) habe ich kein Ge- 
fallen auf Erden. Schwindet mein Fleisch und mein Herz, 
so bleibt Jaho mein Teil auf ewig", von Luther frei, aber 
ziemlich sinngemäß verdeutscht: „Wenn ich nur dich 
habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn 
mir gleich I^eib und Seele verschmachtet, so bist du doch, 
Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil". 
Wenn nun aber der Professor der alttestamentlichen 
Theologie Wolf W. Graf Baudissin in seiner im Oktober 
1912 gehaltenen Rektoratsrede „Die alttestamentiiche 
Wissenschaft und die ReHgionsgeschichte" in diesem 
Psalmwort „eine Hohe der religiösen Auffassung" preist, 
„die alle anderen Höhenlagen in sich faßt und sich nicht 
mehr überschreiten läßt", wenn er dieses Bewußtsein der 
„Gottesgemeinschaft" als den „Gipfelpunkt des religiösen 
Gefühls" bezeichnet, so bricht er, ohne es zu wollen, 
meines Erachtens den Stab über die ganze alttestamentiiche 
Religion. Also erst in „der Zeit der dem Abschluß ent- 
gegengehenden alttestamentlichen ReUgionsgeschichte" ein 
Wort, ein einziges Wort, das uhserh deutschen Begriff 
von Religion als der Gemeinschaft des Menschen mit 
Gott (Thomasius) zum Ausdruck bringt, und noch dazu 
in einem Psalm, der sich durch das unmittelbar vorher- 
gehende Bekenntnis zur Unsterblichkeit des Gerechten 
als von fremdem Ideenkreis beeinflußt bezeugt (s. S. 41 






^ Der babykmiadie Gottea^anbe. 

Änm. 2) I Gewiß ein herrlicher Gedanke, wenn wir Jaho = 
Gott setzen: Gott das Einzigste im Himmel und auf 
Erden, woran ich Gefallen finde. Er mein bleibender Teil ; 
beständig, auch aber den Tod hinaus, bei Gott und mit 
Gott vereint zu sein das höchste Ziel des Lebensl Aber 
zeigen nicht bereits die alten Babylonier des dritten Jahr- 
tausends mit ihrem einzigartig schonen Personennamen: 
„Wenn Gott nicht mein Gott wäre" bereits die nämliche 
unfiberschreitbare Höhe religiöser Auffassung, jenen 
„Gipfelpunkt des religiösen Gefühls'', zu welchem sich 
Israel erst im allerletzten Stadium seiner Fäalmdichtung, 
also kurz vor Jesu Auftreten, emporgerungen hat und 
selbst dies nur mit fremder Hilfe? Durch die innige, 
sinnige Anschauung der Sumerer, daß jeder Mensch „Kind 
seines Gottes'' sei, war sein Leben durchw^ in das Licht 
des Gottesgedankens gerückt mit allen seinen Tröstungen, 
Ermutigungen und sittlichen Forderungen einer den gött- 
lichen wie irdischen Gesetzen gerecht werdenden Lebens* 
führung. Der Babylonier wußte sich „in Gottes Hand"; 
sein irdischer Wandel geschieht in und durch seinen Gott 
(„In meinem Gotte wandle ich"), sein Gott war und blieb 
sein himmlischer Erzeuger, sein „Vater". Die Gottheit, 
der der Mensch sein Dasein verdankt, nimmt (vgl. bereits 
oben S. 15) als sein guter Geist Wohnung in seinem Innern, 
sie behält ihn in Not und Elrankheit in ihrer Obhut, und 
kein schrecklicheres Unglück kaim den Menschen treffen, 
als wenn infolge fortgesetzter Sündhaft^keit sein Gott, 
seine Göttin von ihm weicht. „Sei er den gnädigen Händen 
seines Gottes befohlen I" — so lautet der Lieblingss^ens- 
wunsch, mit dem der babylonische Priester von dem 
Kranken und Todkranken Abschied nimmt. Auch im 
Tode verbleibt der Mensch in seines Gottes Hand, „sein 
Gott ruft ihn zu sich I" * Die Lehre von der Unsterblich- 
keit des Frommen, des Elindes seines Gottes, gibt sich 
hiemach gleich jener hohen Auffassung der Religion als 

^) Siehe für das oben Gesagte Da$ Land ohne Heimkehr, S. 30 f. 



Der Psalter in der katholischen Kirche. 



45 



Gottesgemeinschaft als im letzten Grunde sumerischen 
Ursprungs. Waren es also die jüdischen Proselyten 
Galiläas, die in die starre, unveränderliche Jaho-Religion 
die Frühlingskeime einer höheren und reineren Gottes- 
anschauung, und Gottesverehrung trugen? 

Aber wir können vom alttestamentUchen Psalter als 
vermeintlichem christlichen Religionsbuch nicht Abschied 
nehmen, ohne noch einigen weiteren Betrachtungen Raum 
zu geben. 

Zwar daß die katholische Kirche dem Psalter solche 
Bedeutung beimißt, daß sie jeden Priester verpflichtet, 
das ganze Psalterium allwöchentlich durchzubeten, mag 
mit Stillschweigen übergangen werden. Jeder akademisch 
gebildete katholische Theologe weiß ja, was von der 
lateinischen Übersetzur^ gerade der Psalmen zu halten 
ist, daß also die Priester den Sinn dessen, was sie 
beten, an hundert und aberhundert Stellen gar nicht ver- 
stehen können, weil er schlechterdings unverständlich ist.^ 
Wichtiger ist ein anderes, ein zwiefaches. 

„Frei, aber ziemlich sinngemäß" konnten wir das oben 
besprochene Psalmwort Ps 73 ** *■ von I^uther übersetzt 
nennen. Aber nicht immer deckt sich Luthers Psalmüber- 
setzung mit dem ursprünglichen Wortlaut und Gedanken 
des Psalmisten. Eine schöne Pfingstsitte ist die 
Schmückung von Häusern und Kirchen mit Maien. Aber 
an Ps 118*' hat sie keinen Halt, denn der Urtext lautet 
nicht, wie Luther übersetzt: „schmückt das Fest mit Maien 



^) Ganz wenige Stichproben mögen genügen: Moab olla $p§% meae 
(Ps 59= 6oi<*), Original: ,^oab ist mein Wasüiheckeii** ; — priusquam 
intelligerent spinne vestrae rhamnutn (57= 5$i<^; — pvodiit quaii ex 
adipe iniquitas eorum (72 =z y^f); — h(H)erodii domus dux est earum 
(103= 104 1'), Original: ,, der Storch, dessen Wohnung Zypressen sind". 
,,Ein sehr tüchtiger Professor der Dogmatik übersetzte mir selbst die 
Stelle allen Ernstes: »Das Haus des Herodes war ihr Führer'. Wohl 
kam ihm das sonderbar vor, aber er wußte nicht, was es sonst heißen 
sollte" (briefliche Mitteilung aus Österreich). — Jerusalem, quae aedifi» 
catur ut civitas, cujus parücipatio ejus in id-ipsum (121 = 122'). 



J.6 I^uthen Psalmenfibcrsetzimg. 

bis an die Homer des Altars'', sondern : ,,bindet das Fest- 
opfer (gemeint ist die Menge der Opfertiere) mit Stricken 
bis an die Homer des Altars". — In wieviel Tausenden von 
christlichen Häusern wird am Silvesterabend der 90. Psalm 
gelesen und in ihm der Vers 10 : „Unser Leben währet 
siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig 
Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe 
und Arbeit gewesen" als eine dichterische Verherrlichtmg 
der mühseligen Arbeit dieses irdischen lycbens gewertet ! 
Aber der Dichter, ein Pessimist nach Art des Predigers 
Salomonis, der in dem raschen, flugartigen Aufeinander- 
folgen der menschlichen Generationen ausschließlich eine 
Folge des göttlichen Zorns, in dem wie Gras vergehenden 
lieben der Menschheit wie jedes einzehien Menschen nichts 
als Jahos Zorn über die menschliche Sündhaftigkeit sich 
widerspiegeln sieht, darum auch alles menschUche Sich- 
mühen im ewigen Wechsel der Geschlechter für Eitelkeit der 
Eitelkeiten erachtet (Qoh i *'*'), er wollte sagen : „und wenn 
es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es 
ungewöhnlich ist, so ist es {seil, doch nur) Mühsal und 
Nichtigkeit, d. h. Mühe um nichts, vergebliche Mühe, eitel 
nutzlos und zwecklos. Das ist wahrlich kein erhebender 
Gedanke beim Eintritt in ein neues Lebensjahr, das Gottes 
Güte uns schenkt. Beiläufig bemerkt, wird der Psalm 
„Mose, dem Manne Gottes" zugeschrieben aus leicht er- 
kennbarem, aber nichts weniger als stichhaltigem Grunde. 
Es soll dies hier nicht näher ausgeführt werden, nur möchte 
ich im allgemeinen noch vor den Überschriften der 
Psalmen warnen. 

Es ist wahrhaft betrübend, die Torhext, die Un- 
verfrorenheit, ja zum Teil bewußte Unwahrhaftigkeit 
brandmarken zu müssen, mit welcher so viele Psalmen in 
den letzten Jahrzehnten vor Christus datiert worden sind, 
mehr als 70 ofienkundig nächexilische Psalmen David zu- 
geschrieben werden, wie in der griechischen Bibelüber- 
setzung sogar der 137. Psalm : „An den Bächen Babels 



David kein Psalmdlchter und I^iedersänger. Afj 

saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten" 
die Überschrift trägt: „Von David*', und Petrus (Acta 4^) 
den zweiten Psalm auf David zurückführt — Seitenstücke 
zum Chronisten (i Chr 16), der Psalmen des zweiten, ersten 
Jahrhunderts (Ps 105 ^"^*, Ps 96) um tausend Jahre zurück- 
trägt und von David bei der Überführung der Bundeslade 
gesungen sein läßt, obwohl Ps 105^ ein Zitat aus Jesaia 
(12 *) ist (Anm. 10). Das ist eine der gröbsten Täuschungen, 
die sich die jüdischen Schriftgelehrten haben zuschulden 
kommen lassen. Diese Zurückdatierung von mehr denn 
70 Psalmen um ein volles Jahrtausend, ihre Zurück- 
führung auf David, die selbst der beschränkteste Schrift- 
gelehrte in vielen Fällen, schon aus sprachlichen und sach- 
lichen' Gründen, als ganz unmöglich erkennen mußte, ja 
vielfach obendrein die ganz genaue Angabe der Umstände, 
unter denen David jene Psalmen gedichtet und gebetet 
haben soll, hat natürlich keinen anderen Zweck, als die 
Persc»! des Königs David und mit ihm das jüdische Volk 
überhaupt mit dem bekannten Heiligenschein zu umgeben, 
den König David, der natürlich auch gute Eigenschaften 
hatte, aber im Grunde genommen nach all^m, was das 
Samuelis- und Königsbuch von ihm erzählt, ganz und gar 
kein frommer I^iederdichter und Liedersänger war, sondern 
ein rauher Kriegsmann, der sich durch Verstümmelung 
von 100 Philisterleichen die Brautgabe für Sauls Tochter 
Michal verschaffte (i Sa 18^^); der die gefangen genom- 
menen Moabiter auf die Erde sich niederlegen ließ und mit 
einer Meßschnur abmaß, um dann je zwei Schnurlängen 
zur Hinrichtung, je eine Schnurlänge zum Amiebenbleiben 
zu bestimmen (2 Sa 8 ^), und s. weiter i Sa 27^- " 2 Sa 12 '^ 
Ich will nicht von neuem an Davids Ehebruch mit Urias 
Weib erinnern (siehe I, S. 92), obwohl ein solch raffinierter 
und grausamer Ehebruch nicht seinesgleichen findet, son- 
dern nur noch an Davids letzten, seinem Sohne Salomo 
auf dem Sterbebett unmittelbar vor seinem Tode erteilten 
Auftrag, den Simei, dem er selbst Sicherheit des Lebens 



I 

L 



Gegen dk Eiitikei der „Groflca Timcliniig" I. 

geschworen hatte, nicht ungestraft zu lassen, sondern 
ne grauen Haare mit Blut in die Unterwelt zu be- 
■dem (i Eö 2'% Ein König David mit der goldenen 
one auf dem Haupte und der goldenen Harfe an sdner 
ite verdient keinen Platz in den christhchen Kirchen, 

verdient es nicht, als Ahnherr Jesu zu gelten. 
Damit hätte ich im Großen und Ganzen wohl alles 
;^t, was vom religion^eschichtUchen, Uterarischen wie 
itorischen Standpunkt über die Schriftprophetea und 
atmen zu SE^en ist, und hatte nacl^eholt, was ich 
sichtiich nicht gleich im I. Teile der „Großen Täu- 
lung" besprochen habe, obwohl diese vermeintliche 
iterlassung der Hauptvorwurf ist, der mir von meinen 
itikem samt und sonders gemacht wurde.* Als ob man 

Hnem Buche gleich alles sagen müßte mid s^^ 
nnte, zumal wenn man sich der Verantworthchkeit bd 
sen ernsten Fragen bewußt ist. und als ob es bei solchen 
mdstürzenden Darlegungen nicht gälte, langsam und 
dagf^isch vorzugehen! Zu meiner Genugtuung darf 
1 behaupten, daß, abgesehen von jenem Vorwurfe, ich 
tte den Prfipheten und Psahnen ihr Recht nicht werden 
isen, gegen die Ausführungen meines Baches selbst nach 
tn Zeugnisse berufener unparteiischer Beurteiler nichts, 
ch rein gar nichts geltend gemacht werden konnte,' 
laß das in der „Großen Täuschung" über den Hergang 

) Ab beaondcra nngehfirig Ist lurückzuweben, irenn Melnhold mir 
rachlöge für Themata macht, die kh besser behandelt hätte, z. B. 
ase und Veisöbnnngslehie. Für solche Themata nnd ihre richtige 
liandlung muB doch erst die Bahn freigemacht werden, indem die 
Verbindlichkeit des Alten Testaments für unsern obilstlichen Glauben 
I fär das kirchliche Dogma mitsamt dem kircljlichen Kultus auf- 
«igt nird. 

) Vgl. z. B. das Urteil von Konsistoilalrat Albett Klein im 
mur [Heft 11, 1930): „Prof. Herrn. Gunkel bat in der Frankfurter 
tuitg in einem wohl etwas ailzuselir für ihr Publikum gescliriebenen 
f Satz erbittert genug über die Große Täuschung abgeuiteUt, aber das, 
B Delitzsch behauptet und vorbringt, hat er nicht widerlegt". 



1 



Gegen die Kritiker der ,, Großen Tänachung*' I. ^g 

der Eroberung Kanaans durch Israel, die Entstehung 
der sogenannten Thora Mosis und über die politische 
Tätigkeit der Propheten Gesagte als unanfechtbar 
gelten kann. Das wird ja auch der letzte Grund all der 
Schmähungen sein, die jüdische und christHche Theologen 
auf mich gehäuft haben und weiterhin häufen werden. 

Was aber das auch gegenüber der „Großen Täuschung" 
bis zum Überdruß wiederholte Verdikt „nichts Neues" 
betrifft, so ist dies bekanntUch der nämliche Vorwurf, der 
gegen meinen ersten Vortrag über Babel und Bibel aus 
Hunderten von Kehlen erschallte, der aber handgreifUch 
dadurch widerlegt ist, daß jetzt naqh 19 Jahren der Ver- 
leger jenes Vortrages sich genötigt sieht, eine Neuausgabe 
vorzubereiten, um der Nachfrage zu genügen. Es gibt 
also doch noch Tatisende gebildeter und für reUgiöse Dinge 
empfänglicher Deutschen, denen das dort Gesagte auch 
heute noch etwas Neues ist. Sollten sich meine theologi- 
schen Kritiker nicht auch betreffs des in der „Großen 
Täuschung" Gesagten einer Selbsttäuschung hingeben, die 
Tragweite ihrer eigenen aufklärenden Schriften allzuhoch 
einschätzend? Neben den nicht gezählten Schmähbriefen 
habe ich auch viele, viele Dankesbriefe geistig hoch- und 
höchststehender Männer erhalten, von denen wenigstens 
vier im Auszug hier mitgeteilt werden mögen, gewiß nicht, 
um mich mit ihnen zu brüsten, sondern ledigüch, um 
jenen Vorwurf „nichts Neues" auf das richtige Maß 
zurückzuführen. 

Ein weltbekannter Verlagsbuchhändler tmd Antiquar 
schreibt (24. August 1920): „Während meines Ferien- 
aufenthaltes haben meine Frau und ich Ihre Schrift „Die 
große Täuschung" gelesen. Wir waren beide und sind 
auch jetzt noch sehr begeistert davon und wünschten nur, 
daß das Buch in Millionen von Exemplaren dem deutschen 
Volke zugänglich gemacht würde. Die klare überzeugende 
Darstellung von Tatsachen, die dem naiv Denkenden bis- 
her verborgen waren, ist geeignet, uns allen die Augen zu 

Delitzsch, Die g-oese Tlutchnng. II 4 



50 Gegen dsp Kritiker der ,, Großen Tftnscbnng*' I. 

ö£Enen und uns noch rechtzeitig vor den schweren Ge- 
fahren, die dem deutschen Volke drohen, zu retten''. 

Bin langjähriger deutscher Staatsminister und Aristokrat 
konservativster Gesinnung schickte mir folgenden Trost- 
brief (15. JuU 1920): „Sie haben wegen Ihrer „Großen 
Täuschung" so viel Lästerungen erfahren und werden 
sicher noch mehr zu hören bekommen, daß es Ihnen viel- 
leicht nicht gleicl^;ültig sein wird, auch ein Wort der An- 
erkennui^ aus Laienkreisen zu hören. Neues hat Ihr Buch 
mir nicht gebracht, denn ich verstehe etwas hebräisch, und 
ich habe alle einschlägigen Werke von Wellhausen, Eduard 
Meyer, Gunkel und den andern Mitarbeitern von Nowacks 
Kommentar aufmerksam und mit Nutzen gelesen. Aber 
die groi3e Menge der Laien hat sie eben nicht gelesen und 
kann sie wegen mangelnder Sprachvorkenntnisse nicht 
lesen. Daher stehen sie vor Ihrem jüngsten Buch wie die 
Kuh vor dem neuen Tor. Und wenn sie einmal im Alten 
Testament blättern, so tun sie es mechanisch und merken 
gar nicht, wie die Millionen des Auszugs aus Ägypten sich 
im Handumdrehen in die nicht voll 40000 Wehrhaften 
zu Deboras Zeit verflüchtigt haben". Und weiter: „Ich 
stehe in gdegentlichem Briefwechsel mit einem evange- 
lischen Geistlichen, der selber der strengeren, aber ver^ 
ständigen Richtung angehört. Und ich teile dessen in 
mehreren Schriften niedergelegte Auffassung, daß es mit 
dem hergebrachten alttestamentlichen Schlendrian in 
Schule und Kirche so nicht weitergehen darf, soll die 
evangelische Gemeinde nicht schweren Schaden leiden. 
So denken nicht wenige, aber wenige haben den Mut, es 
offen wie Sie zu sagen oder gar ihrer Überzeugung gemäß 
zu handeln". 

Ein in allen geschichtlichen und philosophischen Fragen 
zu maßgebendem Urteil befähigter geistvoller Forscher 
schreibt (11. April 1920): „Ich halte die Resultate für 
schlechterdings zwingend, namentlich die geschichtlichen 
Ausblicke aber sind von ungeheurem Wert. Von ganzem 



Gegoi die Kiitikei: der ».Großen Täusdiung" I. 51 

Hetzen hoffe ich im Interesse unseres unglücklichen Volkes» 
daß das Werk die Resonanz finden möge, die es verdient. 
Der mit Sicherheit zu erwartende Widerspruch wird in 
sich selber zusammenfallen". 

Ein „treuer Elathoük" endlich, obwohl sich nach der 
einen und anderen Seite eine andere Auffassung vor- 
behaltend, schrieb mir (11. April 1920): „Mit jubelndem 
Herzen habe ich die markante Peststellung der großen 
Selbsttäuschung von ungezählten Millionen, daß Jaho = 
Gott sei, begrüßt, Generationen über Generationen werden 
Ihnen für dieses Wort ehrlichen Dank ss^en. Was ich 
schon jahrelang mit Schmerzen empfunden habe, daß wir, 
um die große Menschheitsfrage des Wozu? zu lösen, tmsem 
Blick allzu starr auf das Alte Testament gerichtet haben, 
anstatt den Werdegang der gesamten Erdenvölker zu 
tiberschauen, das hat nun in klassischer Form seinen 
öffentlichen Ankläger gefunden. Um Gottes willen, so 
wünsche ich, möge diese Erkenntnis allgemeine Verbreitung 
finden". 

Auch aus dem Chor der klug und besonnen urteilenden 
Zeitungsstimmen sei wenigstens das Urteil einer süd» 
deutschen Tageszeitung (vom 26. Oktober 1920) hier mit- 
geteilt: 

„Wird man also zum mindesten von einer absicht- 
lichen Täuschimg der gesamten Menschheit durch die 
althebräischen Schriftsteller nicht ohne weiteres sprechen 
können, so kann man diesen Vorwurf ziun Teil der anderen 
Seite, gegen die Delitzsch sich wendet, den heutigen Ver- 
tretern der „alttestatnentlichen Heilswahrheiten" nicht 
ersparen. Es läßt sich schließlich verstehen, wenn jüdische 
und christlich-orthodoxe Kreise aus Tradition und Prinzip 
daran festhalten. Ich will auch nicht bestreiten, daß es 
eine Anzahl wirklich überzeugter Anhänger dieser An- 
schauungen gibt, aber : ein sehr, sehr großer Teil der Leser, 
der diese Ausführungen liest — ich habe bereits manche 
Anfrage deswegen erhalten — steht vor etwas ganz 



; -1- 






i G«gea die Erttiker der „Ofofiea Tfiuschniig" t 

euem, noch nie Gehörtem! Und darin liegt die gioQe 
iverzeihliche Tauschui^, daß man aus kirchlichen und 
rchenpoütischen Gründen und Grundsätzen all diese 
'ennenden Probleme dem wirklich „leichtgläubigen" 
ibelleser und Kirchengänger vorzuenthalten wußte, ot>- 
3hl deren Lösung schon lange Al^emeingut der Wissen - 
:haf t geworden ist. Vertreter und Anhänger der christ- 
^en Kirche und speziell der „alttestamenthchen" 
Issenschaf t haben schon im Babel-Bibel-Streit DeUtzsch 
it der Bemerkung abzutun versucht, was er sage, sei ja 
Les längst bekannt. Gewiß: die Theologie hat das 
eiste, was Delitzsch vorführt, auch schon lange gesehen, 
anches könnte ebensogut bereits Marcion gesagt haben, 
en wirkUchen und wissenschaftlichen Vertretern ist das 
3hl bekannt, nicht aber dem größten Teil des gläubigen 
olkes. Und weil Delitzsch nun wieder diese Tatsache 
harf beleuchtet, darum die Erregung und Erbitterung, 
it der gegen ihn angegangen wird. Man sucht ihn mit 
issenschaftUchen Gründen zu erledigen, kann aber — 
ag man auch über den einen oder anderen Punkt seiner 
arl^ungen „wissenschaftlich" verscWedener Meinung 
in — die feststehenden Tatsachen nicht erschüttern, 
id darum findet man in der Form und Tendenz der 
:hrift einen Angriffspunkt oder noch besser: man über- 
;ht sie vollständig, ein bewährtes und oft angewandtes 
inzip, indem man I^eute, die einem unbequem sind, 
tschweigt". 

Es kommt also nach alledem nicht darauf an, ob das 
m mir Gesagte neu oder nicht neu sei — die Hauptsache 
eibt, daß es wahr ist Diese Wahrheit aber möchte ich 
ie religiöse und sittliche Bewertung hier beiseite lassend) 
ihin zusammenfassen, daß das Alte Testament voll ist 
>□ Täuschungen allerart : ein wahres Sammelsurium 
riger, tmglaubwürdiger, unzuverlässiger Zahlen, auch 
Icher der biblischen Chronologie; ein wahrer Irrgarten 
IscherDarstellm^en, irreführender Umarbeitungen, Über- 



r 



'Sanherib und Hs^kia. 



53 



arbeitangen und Verschiebungen, darum auch Anachronis- 
men^; eine unablässige Durcheinandermischung sich wider- 
sjprechender Einzelangaben und ganzer Berichte,* un- 
liistx)rischer freier Erfindungen, Sagen und Märchen, 
kurzum ein Buch voll absichtlicher und unabsichtlicher 
Tätjschungen, zum Teil Selbsttäuschungen, ein sehr ge- 
f älirliches Buch, bei dessen Gebrauch die größte Vorsicht 
vonnöten ist. Ich wiederhole es : das Alte Testament ist 
in alten seinen Büchern voll von sprachlichen Schönheiten, 
von archäologischen Aufschlüssen, es behält auch trotz 
seiner Mängel den Wert einer historischen Urkunde, aber 
es ist nach allen, allen Seiten hin eine verhältnismäßig 
späte und sehr trübe Quelle, ein Tendenzwerk vom 
1. Kapitel der Genesis bis zum letzten der Chronik. 

Ich will diese Betrachtung mit einem Beispiel schließen, 
das für alttestamentiüche Theologen und Althistoriker in 
der Tat nicht neu, im Gegenteil altbekannt, ja abge- 
droschen ist, aber dennoch noch lange nicht gebührend 
gewürdigt oder erledigt. 

Der König Sanherib, der Sohn Sargons, des Eroberers 
von Samaria, berichtet, daß er auf seinem dritten Feldzug 
im Jahre 701 v. Chr. nach Niederwerfung Sidons und der 
sidonischen Städte bis hinab nach Akko die ununter- 
würfige Philisterstadt Askalon bestraft habe und dann 
g^en Ekron gezogen sei, welches seinen treu zu Assyrien 
stehenden Elönig Padi gefesselt und böswillig dem König 
von Juda, Hizkia, überantwortet hatte. Nach Besiegung 
ägyptisch-äthiopischer Heerhaufen, die den Ekroniten auf 
deren Bitte zu Hilfe gekommen waren, in der Schlacht 
von Altaqü wurde Ekron hart gezüchtigt. Das gleiche 



^) Ein besonders häßlicher und zugleich verräterischer Anachronis- 
mus ist es, daß nach dem klaren Berichte des Exodus Jaho sich unter 
diesem Namen erst Mose geoffenbart habe, während die Genesis Jaho 
bereits von Nosdi und zwar als der Gott Sems überhaupt genannt sein 
läßt (0^*), Abram den Namen Jahos anrief (12*), Jaho schon zum Gott 
Abrahams, Isaaks und Jakobs gemacht wird. Vgl. I, S. 84. 



T> 




KA Sanherib und Uizkia. 

Schicksal traf Hizkia, der, obschon er notgednmg^i den 
Päd! auslieferte, vielleicht sogar mittels eines nach Lakisch 
gesandten Boten Sanherib um Verzeihung bat (s. 2 Ej5 i8 ^^ , 
dennoch in seiner Ununterwürfigkeit beharrte. Nach 
einem klugen Kriegsplan wurde er von einer detachierten 
assyrischen Heeresabteilung in seiner Hauptstadt Jeru- 
salem ,,wie ein Vogel im Käfig" eingeschlossen, sodaß er 
und die judäische Hauptmacht vollkommen matt gesetzt 
war, während Sanherib alle übrigen festen Ortschaften 
Judas, 46 an Zahl, nach heftiger Gegenwehr eroberte, ihre 
Bewohner samt denen der zahllosen kleineren Nachbar- 
ortschaften, klein und groß. Mann und Weib, in der Ge- 
samtzahl von 200 150 Gefangenen nebst Viehherden ohne 
Zahl wegführte, die also entvölkerten Städte und Dörfer 
aber den Philistern von Asdod, Kkron, Gaza zuteilte, also 
daß das jüdische Gebiet um einen großen Teil der Niede- 
rung und des Gebirges (s. Jos 15 W'*®) verringert wurde. 
Der Staat Juda war damit für die Assyrerkönige so voll- 
ständig erledigt, daß Sanheribs Sohn und Nachfolger 
Asarhaddon bei seinen Zügen gegen Ägypten von Juda 
und Jerusalem überhaupt keine Notiz nahm. Eine furcht- 
bare Bestrafung Hizkias, der es unterlassen hatte, gleich 
Ammon, Moab, Edom, Asdod Sanherib rechtzeitig durch 
Tributsendung zu huldigen, und obendrein mit den auf- 
sässigen Ekroniten gemeinschaftiiche Sache gemacht hatte . 
Kein Wunder, daß, nachdem Sanherib nach Ninewe 
zurückgekehrt war, Hizkias Versuch aber, Jerusalems Be- 
festigungen schleunigst zu verstärken, an der Ausständig- 
keit (? Bestürzung?) der hierzu in die Hauptstadt genom- 
menen Beduinen und sonstigen Landesbewohner geschei 
tert war, Hizkia von denkbar größter Angst vor einer 
etwaigen Wiederkehr des assyrischen Großkönigs und 
seines Heeres erfaßt wurde und sich nunmehr zu einer 
Tributsendung entschloß, wie sie selbst den KanzUsten 
Sanheribs als etwas Ungewöhnliches erschien, sodaß sie 
den übersandten Tribut so genau detaillierten, wie die^ 



Sa&herib und Hizkia. 



55 



sonst selten der Fall ist. Wir lesen auf Sanheribs sechs- 
seitigem Tonprisma: „Neben 30 Talenten Gold, 800 Ta- 
lenten Silber auserlesene ..,.., große Libationsgefäße (?), 
elfenbeinerne Betten und Stühle, Elefantenhaut, Ele- 
fantenzähne, kostbare Hölzer, buntgewebte und linnene 
Kleider, violett- und rotpurpume Wollstoffe, Gerät von 
Kupfer, Eisen, Bronze, Blei; Streitwagen, Schilde, Lanzen, 
Panzer, eiserne Gürteldolche, Bogen und Pfeile, Speere, 
zahlloses Kriegsgerät; dazu seine Töchter, seine Palast- 
damen, mäimliche und weibUche Musikanten sandte er 
nach Ninua, der Stadt meiner Herrschaft, hinter mir drein 
(bzw. nach meinem Abzüge), und zur Übergabe des Tributs 
und Huldigungslßistung schickte er seinen Gesandten". 
Da Hizkia für Sanherib eine wenig bedeutende Persön- 
lichkeit war, so ist jeder Zweifel an der Glaubwürdigkeit 
des keilschriftlichen Berichtes ausgeschlossen, wogegen das 
Alte Testament als historische Quellenschrift dermaßen 
diskreditiert ist, daß von vornherein niemand geneigt sein 
wird, dem Berichte des Königsbuches (2 Kö i8^' bis 
Kap. 19/Jn.) bzw. des Buches Jesaia (Elapp. 36, 37) über 
Sanherib - Hizkia höheren Glauben zu schenken. Gleich 
die biblische Jahreszahl für Sanheribs Feldzug gegen 
Philistäa, 714, ist falsch. Er fand auf Grund der astro- 
nomisch beglaubigten assyrischen Reichschronologie im 
Jahre 701 v. Chr. statt. Das Alte Testament gibt, wie die 
Niederlage der philistäischen Städte (2 Kön 18®), so auch 
die Eroberung aller festen Städte Judas zu, desgleichen 
die zeitweise Einschließung Jerusalems, spricht auch von 
einer Tributleistung in Höhe von 30 Talenten Gold und 
300 Talenten Silber, die nur. zum Teil aus dem Tempel- 
und Palastschatze hätten bestritten werden können, aber 
im übrigen ist alles im Alten Testament Erzählte als 
tendenziös verfärbt tmd überdies schon durch seine zwei 
ineinander gearbeiteten, sich widersprechenden Berichte 
als völlig unzuverlässig erwiesen. Nach dem einen Berichte 
hätte Sanherib von Lakisch aus ein großes Heer gegen 



^6 Sanbertb mid BizUa. 

erosalem gesandt and durch dessen Führer, den so- 
:enannten Rabschaqe, die auf der Mauer Jerusalems ver- 
anunelte judäische Soldateska zur Übergabe der Stadt 
ufgereizt.^ Nach dem anderen Berichte hätte Sanherib 
lur Boten mit einem zur Übergabe Jerusalems aitf- 
ordernden Brief an Hizkia geschickt. Nach dem einen 
Jerichte wäre Sanherib, einem Prophetenwort Jesaias 
ntsprechend, auf Grund eines Gerüchtes, daß der Äthiopen- 
»nig Tirhaqa' wider ihn ausgezogen sei, in sein Land 
uriickgekehrt (2 Kö ig'*"; Jes37''**); auch nach dem 
ndem Berichte wäre Sanherib, ebenfalls einer Verkündi- 
long Jesaias entsprechend, von Jerusalem abgezogen und 
.nf dem Wege, den er gekommen, nach Ninewe zurück- 
;ekehrt (2 Kon 19"'^ ••; Jes 37** "' ", vgl. auch 2 K5 19**; 
es 37"). Dagegen zog nach wieder einem anderen Be- 
ichte der Engel Jahos aus und schlug 185000 Mann im 
issyrischen Heere, also daß „sie, als sie am Morgen aol- 
tanden, sämtlich tote laichen waren" I Ein Märchen, in 
iirektem Widerspruch mit allen übrigen Berichten sowie 
[en Aussäen des Propheten Jesaia, noch dazu ein albernes 
(ärchen, da kein as5}msches Heer weder in seiner Gesamt- 
leit noch viel weniger in einem Bruchteil jemals 185 000 
laim gezählt haben dürfte, und da Sanheribs Heer schon 
m nächstfo^enden Jahre wieder kampfgerüstet zum 
)ien5te seines obersten Kriegsherrn stand ; ein Märchen , 
in Albernheit nur übertroffen von einer in Ägypten 

*) Ba mag sein, doQ der Pähier des zur Zeruierung Jemsalems Alis- 
esandten assjrtlachen Detachements auf eigene Paust einen Hand- 
treicb Tersuchte nnd die Besatzung Jernaalems aus eigener Hachtvoll- 
onmtenheit zur Übergab« der Stadt aufforderte, aber dies Kö 18 '•"'*; 
tai6*~" überlieferte Rede des «ssjrischen Würdentiägers erweckt 
a mehr denn Einem Punkte Zweifel an ihrer Authentizität, Anf alle 
rsUe widerstreitet sie Sanheribs klarem Bericht, demzufolge der assTrischc 
iroQkGnig lediglich eine Elnschlieflung, aber keine Belagerung Jern- 
alems zwecks Aushungerung beabsichtigte. 

*} Tirbaqa, ägyptisch Taharqa, assjrisch Tarqü, kam tun 704 auf den 
liron und erscheint als Gegner AsarhaddODS in den Jahren 674 und 671. 



Sanherib und Hizlda. 



57 



kolportierten tragikomischen Geschichte (s. Herodot II 
141), wonach eine ungeheure Zahl Mäuse das Assyrerheer 
(vor Pelusium!) überfallen und sämtliches lycder an den 
Schilden, Köchern, Bogen aufgefressen habe, wodurch 
die Assyrer wehrlos gemacht worden seien ! Was aber die 
Tributsendung betrifft, die nach Sanheribs unmißverständ- 
lichem Berichte nach Ninewe erfolgte, so wird sie im 
Buche Jesaia ganz übergangen, während das Königsbuch 
(2 Kö 18"") den Anschein erweckt, als hätte sie nach 
Lakisch, einer Festung des südwestlichen Juda, statt- 
gefunden. So unwahrscheinlich es einerseits ist, daß 
Sanherib nach erhaltenem Tribute gegen Jerusalem vor- 
gegangen sei, so ist andererseits schlechterdings kein Grund 
abzusehen, warum die Geschichtsschreiber Sanheribs 
Hizkias Tributsendung und Huldigung von Lakisch nach 
Ninewe verlegt haben sollten. Umgekehrt läßt sich be- 
greifen, daß Hizkia angesichts des kurz vorher infolge von 
Hoseas Abtrünnigkeit über Samaria und das Reich Israel 
verhängten furchtbaren Strafgerichts und nach solch 
großem tmd empfindüchem Gebietsverluste eine Wieder- 
kehr der assyrischen Invasion um jeden Preis, selbst um 
den Preis eines Fußfalls in Sanheribs Hauptstadt Ninua, 
abzuwenden versuchte. ^ 



^) Trotzdem daß Hizkias Bmpönmg wider Sanherib so unglücklich 
Terlief wie nur denkbar, indem sie Judäa schon zu Hizkias Zeit dem 
Znsammenbruch nahebrachte und ihm einen riesigen Verlust an Gebiet, 
Menschen und Vieh kostete, wagt 2 Kö 18 ^ zu^behaupten, daß Hizkia 
wegen seines frommen Festhaltens an Jaho „in allen seinen Unter- 
nehmungen eitel Erfolg gehabt" habet Worte, nichts als Worte, 
aber mit solcher Keckheit immer von neuem vorgetragen, daß sie der 
Gutgläubigkeit der gedankenlosen Leser noch auf lange Zeit hinaus 
sicher sein können. Auch wenn Kautzsch in s&neta Abriß der 0$- 
»ehichte des alUestamenUichen Schrifttums S. 165 bemerkt: „Als dann 
der Gott, der auf dem Zion thront (so schreibt ein christlicher 
Theologe!), die unerschütterliche Verheißung (?) seines Propheten wahr 
gemacht und in einer Nacht über die Myriaden (?) Assurs triumphiert 
hatte", usw., so sind das ebenfallmichts als inhaltsleere, der historischen 
Wahrheit ins Gesicht schlagende Phrasen. 



L 



1 



Die Fropheticen JcMiu gegen Sanberib. 

d in welch tmvortdUlaftem lachte erschünt ntm gar 
in betreff des Verhaltens des Propheten Jesaia Be- 
itel Da Sanherib genau so wie später Nebukadnezar 
e, daß Jerusalem nur durch Hunger, d. b. durch lang- ' 
;e BelE^erui^ erobert werden könne, fiel es ihm 
rlich nicht im Traume ein, nach jenen schweren 
pfen gegen die philistäischen Städte und judäistjien 
ea auch noch Jerusalem belagern und erobern zu 
n. Was er beabsichtigte und was ihm vollständig 
g, war, Jerusalem zu zemieren und das dort ver- 
leite judäische Heer festzuhalten, während er die 
sten Städte der Reihe nach stürmte und eroberte, 
len ermutigenden Worten, die Jesaia dem Kön^ 
i in dessen Riesenangst laut dem ersten Berichte 
19*''; Jes37''') und laut dem zweiten Berichte 
ig**"-; Jes S?**"') zukommen ließ, wollen wir 
Kritik im Einzelnen üben. Aber daß auch noch dn 
ischeinlich erst nachexilisches Lied (2 Kö i g ""*« ; Jes 37 
das den Rückzug Sanheribs von Jerusalem zum 
astande hat, Sanherib aber Taten zuschreibt, die er 
oUbracht hat, Sanhenb wohl mit Nebukadnezar ver- 
selnd, als eine prophetische Verkündigung Jesaias, 
ühnes des Amoz, in den historischen Bericht mit ein- 
ölten ist, ja daß sogar ein „Zeichen" als Unterpfand 
lie Erfüllung dieser Stilübung eines späteren Pro- 
aischülers oder Dichters (Anm. 1 r) dem Hizkia ge- 
1 wird (2 Kö ig"**'; Jes37"'*'), ist doch der ten- 
ösen Täuschung im ,, Worte Gottes" etwas zuviel. 



er — so höre ich im Geiste Viele einwenden, obwohl 
LÖnen bisherigen Darlegungen vielleicht zustimmend 
ät sind ~ bleibt nicht das Alte Testament trotz alle- 
:ür uns Christen unentbehrlich, da das Neue Testament, 
sus selbst in seinen Reden fort und fort an das Alte 
iment anknüpft, auf das Alte Testament zurück- 



Jesa neue I>hre. ^n 

weist? Das ist gewiß richtig, jede Seite des Neuen Testa- 
mentes bezeugt es. Aber darf ich meine Leser vom ersten 
Anfang an an Jesu Gleichnis erinnern (Luk S'*'*^): „Nie- 
mand reißt einen Lappen von einem neuen Kleide ab und 
setzt ihn auf ein altes, oder aber er zerreißt das neue und 
zum alten paßt der Lappen vom neuen nicht. Und nie- 
mand legt neuen Wein in alte Schläuche, oder aber der 
neue Wein zerreißt die Schläuche, er selbst läuft aus und 
die Schläuche gehen zugrunde, sondern neuen Wein muß 
man in neue Schläuche legen".' Jesus bezeugt durch diese 
Bilder persönlich und damit unwidersprechbar, daß seine 
Lehre g^enüber der synagogalen, in der er auferzog^i 
worden war, etwas wirklich und vollkommen Neues sei, 
für welches das Althergebrachte, das ist aber Gesetz und 
Propheten, nicht mehr tauge. Er muß als jüdischer 
Proseljrt und im Verkehr mit seinen jüdischen Zeitgenossen 
fortwährend an das beiden Teilen geläufige Alte Testament: 
Thora, Propheten und Psalmen, anknüpfen; er zeigt sich 
als Schüler der Synagoge vielfach abhängig von bzw. nach- 
giebig gegen irrige Angaben des Alten Testaments ebenso 
wie gegen falsche überlieferte Schriftauslegungen; er 
behandelt das Alte Testament, sonderlich in mehr oder 
weniger untergeordneten Dingen, etwa solchen des Usus 
(Luk 5**), schonend und pietätvoll, aber im übrigen 
nimmt Jesus durchweg eine schroff gegensätzliche 
Stellung zum Alten Testamente ein, dasselbe nicht bloß 
modifizierend, sondern in allen Hauptsachen der Religion 
und Ethik unumwunden abweisend, sodaß wir, als Jesu 
Lehre folgende Christen, durch Jesus selbst vom Alten 
Testamente tatsächlich entbunden sind. 

Jesus war jüdischer Proselyt, also überhaupt nicht jüdi- 
schen Ursprungs? Ganz gewiß nicht. Aus historischen 
und noch mehr aus sachlichen Gründen . Aus historischen . 
Schon der assyrische König Tiglathpileser III. oder Pul 
war es, der ganz Galiläa samt dessen Nachbargebieten 
im Jahre 732 zu Assyrien schlug und ihre Bewohner ver- 



1 



Jems. der Galtifi«. jädisdieT Froedyt. 

tnzte, ebenbieiduich abei im Vereia mit Saigon II., 
die Bewohner Samarias und des Reiches Israel in die 
frische Gefangenschaft wegführte, für jenes Mischvolk 
GaUlaer tmd Samaritaner Platz schuf, das im 8. tmd 
ahrhondett v. Chr. durch Dorthinverpflanzung fremder 
ierschaften, obenan von Bewohnern babylonischer 
dte: Babel, Kutha, Erech, entstand. Gemäß 2 Kö 17" 
leite der König von Assur (gemeint ist Sargon II.) 
len Städten Samariens „an Stelle der Israeliten" Volk 
Babel und Kutha und 'Iwwa und Hamath und Sephar- 
m an, während Ezra 4* unter den von Asnappar (das 
Asurbanpal) nach Samarien und dem übrigen Trans- 
>faiatien verpflanzten Völkerschaften neben wahrschein- 
I arischen Stämmen und neben Su&ianem, das ist 
miten, ebenfalls Bewohner von Erech und Babel ge- 
int sind. Der Grundstock dieses Misch volkes war und 
'b aber in dem Grade babylonisch, daß der Talmud 
zahlreichen Stellen die Samariter geradezu ,,KuthäeT" 
int nach der babylonischen Stadt Kutha, und daß die 
läisch-aramäische Mimdart mit ihrer spezifisch baby- 
ischen Vereinerleiung der Kehllaute^ noch zur Zeit 
n sofort den Gahläer verriet. Gerade der Umstand, daß 
i Jesus, der „Galiläer" (Matth 26»» Mark 14"*), gewiß 
nso durch seinen galiläischen Dialekt als An- 
örigen des Mischvolkes der Galiläer verriet, wie dies 
i Simon Petrus, dem galiläischen Fischer (Marki^*), 
drücklich berichtet wird (Matth 26"), macht die An- 
ime, daß Jesu Vorfahren ii^endwelcher zeitwdligen 
ischen Diaspora in Gahlaa angehört hätten, unmög- 
. Die kleine vorübergehende jüdische Diaspora, die 
Vgl. die bekannte Talniiidstelle EnMn 53 b: „Wenn der GaUUer 
e: wer bat ein IQH? 80 dwiderte man ihm: Du Däniscber GalOiet, 
ist du einen Eael (hamSr) zum Kdten, Wein (hamar) zum Trinken 
WoHe ('amarj zum;Klelden oder ein J,uum (immof) tum Schlacti- 
" Im Akkadiscb-AssTriacben sind die Kehüante (unter dem So- 
c. des SnmeriKben) grfiStenteils genau so in »piritut letiU abgr- 
iffen worden. 



Jesus, der Galiläer, jüdischer Proselyt. 6l 

in der Makkabäen^t sich in Galiläa befand, aber schon 
vom Makkabäer Simon um 165 v. Chr. wieder nach 
Judäa zurückgebracht wurde (i Makks**), kommt ohne- 
hin nicht in Betracht. Jesu Vorfahren können nur An- 
gehörige des damaligen Ituräerreiches (vgl. lyuk 3 *) ge^ 
wesen sein, dessen Bewohner Aristobul I. etwa 100 Jahre 
vor Jesu Geburt zwang, die Beschneidung anzunehmen 
und nach jüdischem Gesetze zu leben (Josephus, AUer- 
tümer XIII, 11, 3). Sie waren also nach geschichtlicher 
Beglaubigung jüdische Proselyten bzw. gewaltsam judai- 
sierte Galiläer, „Galiläer, die um 100 v. Chr. dem Juden- 
tum zwangsweise zugeführt*' worden waren. ^ Als An- 
gehörige des galiläischen Mischvolkes waren aber Jesu 
Vorfahren, selbst wenn sie Babylonierwaren, keine reinen 
Semiten, sondern Nachkommen des aus Sumerern und 
Akkadem verschmolzenen babylonischen Volkes. Sie 
könnten natürlich auch Abkömmlinge einer der dem 
assyrischen Reiche einverleibten arischen Völkerschaften 
gewesen sein, doch wird sich dies mit historischen Gründen 
schwerlich jemals beweisen lassen. Den jüdischen Zeit- 
genossen Jesu galt dieser in dem Grade als Galiläer, als 
Abkömmling des galiläischen Mischvolks, daß sie ihn ge- 
legentlich sogar als „Samariter" schmähten (Joh 8*^.* 

^) Siehe den Jesu 'Abstammung behandelnden Aufsatz von Prof. Dr. 
P. Karge (Münster); ,,War Jesu ein ArierV* (die Überschrift ist nicht 
ganz richtig formuliert), in Kölnische Volkszeitung vom 30. Juni 1920, 
der beweisen will, daß Jesus jüdischer Rasse gewesen sei, aber vor 
allem, soweit geschichtliche Gründe in Betracht kommen, gerade die 
gegenteilige Annahme mächtig unterstützt. 

*) Ein argumentum e silentio hat ja nie volle Beweiskraft, aber be- 
merkenswert scheint doch, daB, während viele Christen in dem „jüdi- 
schen Manne", an dessen Rockzipfel Zacharja zehn Männer aus allen 
Zungen der Heidenvölker sich anklammem sieht (s. obenS. 19), Jesum 
geweissagt sein lassen, kein Evangelist, auch nicht Matthäus, und 
kein Apostel dieser so nahe liegenden Deutung des alttestamentlichen 
Prophetenwortes Ausdruck gibt. — Beiläufig sei darauf aufmerksam 
gemacht, daß die Reden Jesu, des „Propheten" von Nazareth, selbst 
die von großer innerer Erregung getragenen, wie z. B. Matth. 23, die 



62 Jesus sieht jüdiacheii Geblüts. 

Daß aber Jesu Vorfahren und Eltern, also auch Jesus 
selbst/ nicht jüdischen Geblütes waren, sondern nur zu 
den „Jaho Fürchtenden" (Ps 115^^ 118* 135 *^ vgl. auch 
Jes 56*), das heißt zu den jüdischen Proselyten gehörten, 
lehrt die ganze Geistesverfassung Jesu, die der jüdischen 
diametral entgegengesetzt war, dergestalt, daß „die 
Religion Jesu auf jüdischem Boden (so wenig wie auf 
semitischem Boden überhaupt) keine Wurzel hat fassen 
können".^ Gegenüber der dem israelitischen Nomadeur 
Volk angeborenen exklusiv-partikularistischen Geistesart, 
die in der Abgesondertheit oder Heiligkeit des Volkes 
Israel dessen größten Vorzug erblickte und bis auf den 
heutigen Tag erbHckt, sehen wir alles Reden und Tun 
Jesu beseelt von erhabenster großzügigster Gesinnung, die 
in aUen Völkern und Menschen der Erde gleichberechtigte 
Glieder der Menschheit erkaimte (Anm. 12). Aus dieser 
Geistesart heraus entdeckt und betont Jesus innerhalb alt- 
testamentlicher Erzählungen Züge, die dem israelitischen 
Erzähler kaum zum Bewußtsein gekommen, waren. Ich 
meine Jesu Reden Luk 4 ^ "* : , ,Es waren viele Witwen in den 
Tagen des Elias in Israel, als der Himmel verschlossen 
ward drei Jahre und sechs Monate, da eine große Hungers* 
not über das Land kam. Und Elias wurde zu keiner von 
ihnen geschickt außer nach Sarepta im Lande Sidon 
zu einer Witwe. Und viele Aussätzige waren in Israel zur 
Zeit des Propheten Elisa, und keiner von ihnen wurde ge- 
reinigt außer der Syrer Naeman". Wenn der Evangelist 
(V. 28 f.) hieran die Worte schließt: „Und es wurden alle 
voll Unwillens in der S3niagoge, als sie dieses hörten, und 

den semitischen Völkern eigentümliche pathetische Redefoim des 
Parallelismus membrorum vollständig vermissen lassen — eine Beob- 
achtung, die eingehenderer Untersuchung wert scheint. 

^) Schon Ad. v. Harnack (Mission, i. Aufl., S. 45) nennt diese 
Tatsache „des Nachdenkens so würdig wie kaum eine andere", und 
kommt zu dem Schlüsse: ,,Bs muß doch etwas in dieser Religion ge- 
legen haben tmd liegen, was dem freieren griechischen Geiste 
verwandt ist". 



J»n twt^üdJsche Geistesait. ß^ 

1 warfen ihn zar Stadt hinaus und brachten 
id des Beides, tun ihn hinabzustürzen", so 

Worte mehr als Bände vermöchten für 
.dische, ja anti jüdische Geistesart.' 
ter an die Aufstellung des Samariters 
en Musters von Barmherzigkeit gegenüber 
Priestern und I^eviten (Luk lo **"•'), auch 
;r Dankbarkeit (17^'''), nicht minder an 
Voreingenommenheit sich hinwegsetzenden 
lern samaritanischen Weibe, und zur Un- 
der Pharisäer und Schrifl^elehrten mit 
lündem (Luk 5'", vgl- 15^'). in schroflEem 
Psalm I. 

üdischen Geistesveranlagung entstammten 
die jene großen und neuen, der jüdischen 
Täcks zuwiderlaufenden I,ehren von Gott 
hnmg, zu denen schlechterdings vom Alten 
s keine Brücke zu bauen oder auch nur 
en vorzutäuschen ist. Es sind lehren, die 

auch noch so hochstehenden Israeliten 
tnals in den Sinn gekommen sind und die 
ischließen, daß Jesu jüdischen Geblütes 

IS als Mitglied der Synagoge den mit dem 
nn'' geschriebenen Namen des Gottes 
osspredibar hielt, ihn in alttestamenüichen 

„der Herr" ersetzte und damit einzelnen 
«n Testaments wie Dt 6' unbewußt einen 

eigenen Gottesanschauui^ entsprechenden 
:rlegte (s. Mark iz'"), so war doch Jesu 
immelhoch erhaben Über jenen des Juden- 

etkt, lassen die obigen Worte Jesu nachfühlen, wie 
fallen sein mag. die griechische Syrophönikerin mit 
t Probe m stellen : „LaB erst die Kinder satt werdcD; 
M;ht, das Brot den Kindern nehmen und den Hündlein 



64 J^^ erhabene Gottesanschaanng. 

tums. Jesu Gottesglaube war der idealsteMonötheis- 
m us.^ Jesus läßt Gott nicht länger wie Jaho an ein einzelnes 
Volk, nämlich an sein auserwähltes Bigentumsvolk Israel, 
gebunden sein, sodaß der Zugang zu ihm nur durch das 
Medium des Judentums denkbar ist, sondern für ihn ist 
Gott ein liebender Gott und himmlischer Vater über alle 
Menschen und Völker ohne Unterschied. Er beseitigte 
alle vermeintlichen Prärogative des jüdischen Volkes, in- 
dem er allen Menschen und Völkern den freien, unmittel- 
baren Zutritt zu ihrem Vater iin Himmel eröffnete. Er 
entfesselte durch die Vernichtung des Dogmas von dem 
„alleinigen Bürgerrecht Israels" (Eph 2^) jenen Kampf 
zwischen Judentum, Judenchristen- und Heidenchristen- 
tum, bis Petrus ausrufen konnte (Acta 10** ') : „Ich fasse 
in Wahrheit, daß Gott nicht auf die Person siehet, sondern 
wer in irgendeiner Nation ihn fürchtet und Gerechtig- 
keit übt, der ist ihm angenehm".^ Auch der Gebunden- 
heit der Gottesverehrung an einen bestimmten Ort, näm- 
lich an Jerusalem, machte Jesus ein Ende: „Glaube mir, 
Weib, es kommt die Stunde, wo ihr weder auf diesem 
Berge (Samarias) noch in Jerusalem werdet den Vater 
anbeten" (Joh 4^-^). Nicht minder setzte er an Stelle des 
heidnischen Opferwesens und priesterlichen Zeremoniells 
das i, Gebet im stillen Kämmerlein" (Matth 6*) und die 
Anbetung im Geist: „Gott ist Geist, und die anbeten, 
müssen im Geist und Wahrheit anbeten" (Joh 4**). 



^) Vgl. bereits Babel und Bibel II, S. 41. — Sehr richtig sagt Hans 
V. Wolzogen in seinem Artikel ..AlUestamenUiche Heilandsworkt* 
(Unterhaltungsbeilage der Täglichen Rundschau vom 27. und 28. De- 
zember 1920): ,, Hierauf kommt es an« daß die jüdische Gottesvor- 
stellung nicht die gleiche ist wie die Jesu Christi. Wer aus einer jahr- 
tausendalten Tradition oder Suggestion an jener festhält» der hat das 
göttlich Neue, Erlösende des Christentums noch gar nicht wahrhaft be- 
griffen. Wie es denn doch auch wiederum für jeden rein Christglaubigen 
unbegreiflich sein muß, daß heute noch ernste Bekenner der christlichen 
Heilslehre behaupten können, zu ihrem Glauben an Christum seien ihnen 
die voryerkündenden Zeugnisse des Alten Testaments unentbehrlich". 




Jesu anti jüdische Lehren. 6^ 

Jesus wandte sich nicht allein gegen die Ehescheidung 
und damit g^en Moses (Mark lo^'^*), sondern gegen alles, 
was im nachexilischen Judentum zu den höchsten und 
heiligsten Dingen gezählt wurde : gegen die Speisegesetze, 
z. B. gegen das Verbot des Essens mit ungewaschenen 
Händen, das er mit dem schlichten, aber ewig wahren 
Worte zurückwies, daß „nicht das, was in des Menschen 
Mund eingehe, den Menschen verunreinige, sondern das, 
was aus dem Menschen (seinem Munde bzw. Herzen) 
ausgehe (Matth isii^'^o, vgl. Mark 7«- 20-23 i^^ns?-«). 

er kehrte sich gegen die Sabbathe, die zu halten und vor 
Entweihung zu bewahren im Judentum die strengsten 
Vorschriften gegeben waren (vgl. auch Jes 56** ** •), mit den 
mutigen Aussprüchen, daß „der Sabbath um des Men- 
schen willen da sei, nicht lungekehrt" (Mark 2*^) und daß 
„des Menschen Sohn Herr sei über den Sabbath" (Matth 12® 
lyuk 6*), sowie mit den hieraus folgenden Krankenheilungen 
am Sabbathtage, welche die Schriftgelehrten und Pharisäer 
„ganz unsinnig machten" (Luk6^^; vgl. auch 13^®^' 14 ^■•). 
Und in wessen Ohren klänge nicht Jesu „Ich aber sage 
euch" (Matth. 5) nach, wodurch er die ganze Thora ver- 
innerlichte, den Schwerpunkt der menschlichen Sündhaftig- 
keit in das Herz und dessen Gelüste verlegte, zugleich 
^er äußeren Gesetzlichkeit und Werkgerechtigkeit ein 
Ende bereitend? Und wenngleich Jesu Vorschrift: „Alles 
was (bzw. Wie) ihr wollt, daß euch die Leute tun, so tut 
auch ihr ihnen" (I^uk 6'^) von ihm selbst durch die Worte : 
„dies ist das Gesetz und die Propheten" (Matth 7^*) als 
die Quintessenz alttestamentlicher Reügiosität bezeichnet 
wird,^ so geht schon diese seine Ausdeutung der Nächsten- 
liebe ungleich weiter als die negativen Umschreibungen in 
der Thora (s. die Gesetze 131 und 132 im Anhang zu 
Teil I). Und wenn Jesus das Gebot: „du sollst lieben 

1) Wie ja auch Hillel (ein Menschenalter vor Jesus) lehrte: „Was 
-dir unlieb ist, das tu' auch nicht deinem Nebenmenschen. Das ist die 
^anze Thora". 

Delitzsch, Die grosse Täuschung. II e 



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66 Jesu antljüdiicher MessiaaglUmbe. 



ddnen Nächsten wie dich selbst" Mark 12*^ nach der 
liebe zu Gott als das zweil^ößte Gebot erklärt, so hat 
er selbst doch auch dieses zweitgrößte Gebot noch un- 
endlich vertieft durch die Ermahnung zur Peindesliebe: 
„liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, 
s^net, die euch fluchen, betet für die, die euch be- 
schimpfen" (Luk6*''). „Ich bin nicht gekommen auf- 
zulösen, sondern zu erfüllen", das heißt: Jesu Lehre 

p wollte nicht lediglich auflösen und niederreißen, sondern 

'i in höherem als vordem geahnten Sinne ein Neues, VöU- 

[' kommenes aufbauen. 

f^. Das Judentum eine Religion des Diesseits und infolge- 

dessen des Materialismus, dag^en bei Jesus alle Gedanken 
auf ein höheres, überirdisches Leben gerichtet, auf eine 
Zusammenklammerung von Erde tmd Himmel voll tröst- 
licher Hoffnung auf eine dereinstige Rückkehr in Gottes 
Vaterhaus mit seinen vielen Wohnungen, eine Religion 
unbegrenzten Idealismus, von welchem jedes Kruzifix am 
Wege immer neu ergreifend predigt: „Sei getreu bis in 
den Tod, so will ich dir die Barone des Lebens geben!'* 
Und welcher Gegensatz zum Judentum bezüglich des 
erhofften Messias: Jesu Überzeugung von der der Juden 
verschieden wie Himmel und Erde, dem Morgensterne 
vergleichbar, der über Nacht und Nebel aufleuchtet, einen 
neuen Morgen verkündend ! Während die jüdischen Pro- 
pheten alles Endheil von einem weltlichen König oder 
Messias erwarteten, der das Reich Israel tmd mit ihm zu- 
gleich Israels Herrschaft über alle Völker und Reiche der 
Erde aufrichten; der alle ihm nicht huldigenden Völker 
mit eisernem Zepter zerschmettern werde (Psa*),^ 

^) Gewalt, nichts als Gewalt gegen die Feinde Israels, wie es auch 
Jes4i^>^'* heißt: „Siehe, ich mache dich zn einer neuen Dreschwalze 

|v mit vielen Schneiden: du wirst die Berge dreschen und zermalmen 

und die Hügel der Spreu gleichmachen! Du wirst sie worfeln, und 
der Wind wird sie davonführen, und der Sturmwind wird sie auseinander- 
fegen; du aber wirst frohlocken über Jaho, des Heiligen Israels wirst 

% du dich berühmen". 



— ^-, 



Die Schändung des . Jesosnamens dnrch die Juden Arabiens. fyj 

machte Jesus mit einem Wahrheitsmute ohnegleichen allen 
solchen irdischen Träumen ein £nde, erklärte er das 
Himmelreich bereits für gekommen (Matth 4^^) in und mit 
der Lehre, mit der ihn sein himmlischer Vater betraut habe. 
,»Mein Heich ist nicht von dieser Welt". ,, Kommet her zu 
mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch 
erquicken. Nehmet mein Joch auf euch und lernet von 
mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen, so 
werdet ihr Erquickung finden für eure Seelen. Denn mein 
Joch ist sanft und meine Last ist leicht" (Matth 11 *®'') — 
sind das nicht Worte aus einer anderen Welt? Aber indem 
nun Jesus folgerichtig sich als den von Gott gesandten 
und mit Gottes Geist gesalbten Messias erklärte, die alt- 
testamentlichen Bezeichnungen des Messias „Gottessohn" 
(Anm. 13) und „Menschensohn" (Anm. 14) auf sich über- 
tragend, auch nach synagogaler Lehre schon Moses und 
die Propheten auf sich hinweisen lassend, und indem er 
obendrein ebenso folgerichtig sich „König der Juden" 
(Mark 15*) nannte, mußte er alle jene unausdenkbaren 
Martern und schließlich den furchtbaren Tod am Kreuze 
erleiden, der ihm trotz alledem mehr als wahrscheinlich 
erspart geblieben wäre, wenn er von jüdischem Geblüte 
gewesen. Als Angehöriger des jüdischen Volkes würde 
Jesus kaum Gegenstand solch grenzenlosen und un- 
auslöschlichen Hasses gewesen und geblieben sein, wie 
ihn noch die Juden Arabiens zur Zeit Muhammeds hegten, 
dermaßen, daß sie Jesum mit ihrem bösesten Schmäh- 
worte „Esau" benannten, wodurch Muhammed irregeführt 
wurde, Jesum ebenfalls 'tsa zu nennen und damit Jesu 
Namen — sehr wider Muhammeds eigenen Willen — im 
Munde von nahezu 250 Millionen von Moslems tagtäglich 
und für ewige Zeiten zu beschimpfen.^ 

Die alttestamentlichen Bezeichnungen des Messias: 
„Gottessohn", „Menschensohn", „der Juden König" über- 

^} Wie ja die jüdischen I^ehtmeister Muhammeds die Christen Arabiens 
entsprechend als ,,Edomiter" benannten. 



68 



Jesus als Messias nicht notwendig Davids Sohn. 



trug Jesus auf sich, aber niemals bezeichnete er sich als 
Sohn oder Abkömmling Davids. Daß die Evangelisten 
den Messias „aus dem Hause und Geschlechte Davids" 
stammen und „in der Stadt Davids" geboren sein ließen 
(Luk 2** ^), dabei vor den gewagtesten Genealogieen 
(Matth I ^'^^ lyuk 3 **"*^) nicht zurückschreckend ; daß der 
Mann aus dem Volke sich den Messias nur als Sohn Davids 
vorstellen konnte (Mark lo*''), für Petrus und Paulus 
der Messias „Frucht der Lende Davids" (Acta 2*') bzw. 
ein „Nachkomme Davids nach dem Fleisch" (Rom i') 
sein mußte, versteht sich von selbst. Wenn aber von 
christlich-theologischer Seite immer und immer wieder be- 
hauptet wird, daß „Jesus sich selbst für einen echten 
Juden gehalten habe", da er ja als Messias aufgetreten 
sei, von seinen Anhängern als Messias sich habe feiern 
lassen und infolgedessen „davidischer Abkunft gewesen 
sein müsse", ^ so vergißt man über allen diesen Trug- 
schlüssen, in wie wundersam feiner Weise Jesus selbst 
die Annahme, daß der Messias, als welcher er selbst sich 
berufen fühlte, notwendig davidischen Geblüts sein müsse, 
zurückwies, um nicht zu sagen, persiflierte. Siehe 
Matth 22*1-" (vgl. Mark 12»* "• Luk 20*1'**): „Da aber 
die Pharisäer versammelt waren, fragte sie Jesus: Was 
dünket euch von dem Christus (= Messias) ? wessen Sohn 
ist er? Sagen sie zu ihm: Davids. Sagt er zu ihnen: wie 
kann ihn dann David im Geiste Herr nennen in den 
Worten (Psiio^): der Herr (Jaho) sprach zu meinem 
(Davids) Herrn : setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege 
deine Feinde unter deine Füße? Wenn ihn David Herr 
nennt, wie soll er sein Sohn sein? Und niemand konnte 
ihm ein Wort erwidern, noch wagte ihn einer von diesem 
Tage an weiter zu fragen". 

Und wer noch immer an dem hergebrachten, aber durch 
nichts zu beweisenden Irrtum, daß Jesus der jüdischen 
Rasse angehört habe, festhalten möchte, der vergegen- 

^) So z.B. Prof. Dr. P. Karge a.a.O. 



I 



Die Unabhängigkeit des Chiistentums vom Judentum. 69 

wärtige sich nur einmal den abgrundtiefen Gegensatz 
zwischen den leidenschaftlichen Reden irgendeines der 
alttestamentiichen Propheten und einer der wunderbaren, 
wahrhaft himmlische Ruhe atmenden Parabeln des Weisen 
von Nazareth ! Ein größerer innerer und äußerer Gegensatz 
ist nicht denkbar. 

Das Christentum ist eine durchaus selbständige neue 
Religion, keine höhere Entwicklungsstufe des Judentums, 
alles eher als auf dem Boden des Judentums oder aus 
diesem erwachsen. Man begreift nicht, wie unsere alt- 
testamentlichen Theologen, wie z. B. Graf Baudissin 
(a. a. O. S. 19, s. Teil I, S. loi Fußnote) sagen kann : „Was 
der Prophet von Nazareth verkündete, war im einzelnen 
kaum etwas Neues", ein Verdikt, welches die unmittel- 
bar folgenden Worte : „aber neu war die Zusammenfassung 
dieser Einzelheiten, die er in semer Person darstellte", 
nur notdürftig redressieren .^ Das Christentum bleibt viel- 
mehr „eine wahrhaft neue Religion, die, wenn befreit 
von all den mannigfachen, der Person und dem Leben 
Jesu angedichteten fremden Zutaten, für ewige Zeiten 



^) Gegenüber solcher Halbheit ist es wahrhaft herzerquickend, in einer 
xbeliebigen amerikanischen Kirchenzeitung die folgenden eindeutigen 
Worte eines amerikanischen Theologen zu finden:/ 05 WS and Judaism, 
The Jew thought hatred of the Gentile compatihle with his religion, if not 
implied in it; Jesus that the very essence of religion was supreme love 
to God, and to man love equal to our love of ourselves. The Jew heheved 
sacred places and prescribed ceremonies necessary to worship; Jesus 
simply a right condition of the spirit. The Jew imagined that Jehovah 
was the God of the riebrews only; Jesus deelared Him to he the God and 
Father of all men. The Jew thought the kingdom of God was confined to 
Israel', Jesus that it was designed to comprehend the whole world, The 
Jew conceived the kingdom as outer and temporal) Jesus taught that it 
was Spiritual and eternal. The Jew trusted much to prayer and fasting; 
Jesus instructed man to trust in the mercy of God, The Jew regarded the 
Pharisee as the ideal of goodness; Jesus preferred the penitent publican, 
The Jew believed in the salvation of his own race ahne; Jesus deelared 
that "God sent not His Son into the world to condemm the world, hut that 
the world through Him might he saved*'. 



yo I>i« ^tbehrliclikelt des Hebräischen für den cfaristlidien Theologen. 



berufen bleibt, die Welt zu gewinnen".^ Und wenn 
Reinhold Seeberg in der Monatsschrift M^eutschlands 
Erneuerung" (September 1920) schreibt: „Man kann nichts 
Höheres zum Preise des Alten Testaments sagen, als daß 
es das Buch ist, aus dem Jesus Religion (I) ge- 
lernt (!!) hat", so kann ich nicht anders, so schwer es 
mir ankommt, dies niederzuschreiben, als diesen Aus- 
spruch für einem Verrat an Jesus und dem Christen- 
tum nahekommend zu erachten. 

Der Studierende der christlichen Theologie kann 
sich, wie jeder andere lemb^erige Christ, die nötigen 
Vorkenntnisse über die israelitisch-jüdische Geschichte 
und Religion mit Einschluß des Kultus mittels hierzu 
geeigneter I/Chrbücher tmter gleichzeitiger Benützung 
einer wirklich guten Übersetzung der althebräischen 
Schriften ausreichend erwerben, ohne viel Zeit und Mühe 
mit der Erlernung der hebräischen Sprache zu 
vergeuden, wobei nach der Ansicht aller großen Hebraisten 
doch nichts Gescheites herauskommt, wenn er nicht bis 
zu einem gewissen Grade auch die übrigen semitischen 
Sprachen erlernt, wozu allein mehr als ein Triennium 
vonnöten ist. Am wenigsten wird der Studierende der 
christlichen Theologie, selbst bei gewissenhaftester Aus- 
nützung seiner Studienzeit, imstande sein, das^ hebräische 
Alte Testament soweit zu meistern, daß er sich, zur rich- 
tigen Würdigung der Hunderte von alttestamentlichen 
Zitaten im Neuen Testament, über die Richtigkeit oder 
Unrichtigkeit der griechischen Übersetzung und die Richtig- 
keit oder Unrichtigkeit ihrer Verwertung seitens der 
Evangelisten und Apostel ein selbständiges, sicheres Urteil 
zu bilden vermöchte, das ihn davon befreit, wie es jetzt 
meist der Fall ist, in verba magistri zu schwören. Hier 
können nur Bücher erprobter Hebraisten und vorurteils- 
freier Exegeten ihm in jedem einzelnen Falle die dringend 
nötige Belehrung vermitteln, in denen alle jene Zitate 

^) Babel und Bibel III, S. 48- 




chleit des Hebräischen für den duisUkhen Theologen, yi 

roitgetreu aus dem Uitexte übersetzt und nach 
unmenhang erULUtert weiden, andererseits ihre 
Übersetznng und ihre Verwertung innerhalb 
Testaments kritisch und unvoreingenommen 
wird (Anm. 15), Jeder in der Schrift forschende 
l auf diese Weise inne werden, wie das unglück- 
reben der jüdischen Evangehsten und Apostel, 
; bereits im Alten Testamente ai^ebahnt, ja 
Leben imd Sterben ebendoit geweissagt zu 
ttels falscher Übersetzm^en oder Auslegungen 
das Neue Testament in eine Abhängigkeit 
1 Testamente hineingezerrt hat, die wissen- 
nicht länger haltbar, nicht länger ertragbar ist. 
jt: das Neue Testament muß aus seiner künst- 
lenziösen Umklammerung durch das Alte Testa- 
usgerissen, Jesu Lehre und Leben müssen in 
irischen Treue und Reinheit herau^earbdtet 
m Segen jedes dnzelnen Christen, obenan aber 
ftigen ]>hrer der christlichen Wahrheit und 
der ganzen christlichen Kirche. Der Jünger 
ichen Theologie wird die Unmasse nutzlos auf 
iische zu verwendenden Zeit ungleich nutz- 
verwenden, wenn er sich neben allgemeiner 
^schichte vomehmUch mit den sozialen For- 
nd Wissensgebieten der Neuzeit rechtzeit^ und 
hst bekannt macht, obenan aber den Kern der 
rehgiös-sitthchen Lehre Jesu, des Galiläers, 
orperten Liebe, für seine eigene Person und 
mit seinen Freunden praktisch zu üben beizeiten 
,g macht, um dereinst nicht als Zionswächter, 
is Nachfolger Jesu der chrisüichen Gemeinde 
voranzugehen und voranzuleuchten . Jesu Über- 
ahnung zu einer NächstenUebe im umfassend- 
des Wortes „Näcteter", ja zur Feindeshebe — 
1 denkbar höchste, der Eigenhebe das schwerste 
utende Gebot — will von Jugend auf geübt sein. 



72 Mehr wahres Christentum! 

Und ZU alledem jene ewig wahren Ivehren, die das Christen- 
tum gerade in der Gegenwart, mitten in den die Völker 
des Erdballs aufwühlenden Lehren des Sozialismus, als 
die höchste und hehrste aller Religionen von neuem er- 
weisen: „Ich bin nicht gekommen, mir dienen zu lassen, 
sondern zu dienen*' (Matth 20*® Mark 10**), „Einer 
trage des andern lyast, so werdet ihr das Gesetz 
Christi erfüllen". „So viel ihr getan habt einem von diesen 
meiner geringsten Brüdern, habt ihr mir getan" (Matth. 25 *®) 
— diese und andere Lehren, auf dienstbereite Unterord- 
ntmg des Einzelnen zum Wohle der Gesamtheit und werk- 
tätige Liebe gegen jedermann hinzielend, werden sich wie 
in alle Zukunft, so gerade in der Gegenwart als die ewig 
festen Stützen wahrer ReHgion bewähren, in der Gegen- 
wart, wo so viele falsche Propheten in den Herzen der 
Menschen die gegenseitige Liebe, die Freudigkeit, sich 
gegenseitig zu dienen, tagaus tagein zu ersticken trachten. 
Das eine, was nottut, ist nur, daß Jesu Lehre auch be- 
tätigt wird. Das „Herr, Herr sagen" tut's nicht, sondern 
den Willen zu tun unseres himmüschen Vaters. Statt des 
Absingens der langen Litaneien mit dem deplacierten 
Halleluja, d.i. „rühmet Jaho", und dem gedankenlosen 
Lobpreisen des Herrn Zebaoth, d. i. Jahos als des Gottes 
der Elriegsscharen Israels,^ sollten die Glieder der einzelnen 
christlichen Gemeinden wenigstens allsonntäglich aus- 
schwärmen an die Stätten der Sorge, der Krankheit, der 
Vereinsamung, jeglichen Elends, Hilfe zu bringen bis an 
die Grenzen der Möglichkeit, Liebe zu tragen in die 
Häuser, in welchen eine volksfremde Presse tagtägüch 
Haß gegen die Mitmenschen predigt, und durch die Tat 
die dem Christentum Entfremdeten diesem wiederzuge- 



*) Möchte auch die unser protestantisches |Kampnied „Kin* feste 
Burg ist unser Gott" entstellende Verein2rleiang von Jesus Christ mit 
Jaho Zebaoth Abhilfe finden, und möchte überhaupt ein neuer religiöser 
deutsch-christlicher Geist den verdorrten Zweig des deutschen Kirchen- 
liedes zu neuer Blüte bringen ! 



Die Quintessenz der Lehre Jesu. 



73 



mnnexi . ^ Solch wohlorganisierter, praktischer Gottesdienst 
würde die sonstigen Gottesdienste mit Predigt und Gesang 
heilsamst ergänzen. Überdies vermögen wir ja ausschließ- 
licli durch solche eigene andauernde Liebestätigkeit in das 
Verständnis der tiefsten Worte Jesu mehr und mehr ein- 
zudringen: „Ich und der Vater sind eins", „Ehe denn 
Abraham ward, bin ich" — „Gott ist die Liebe, und wer 
in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und 
Gott in ihm". 



1) Vgl. Zur Weiterbildung der Religion S. 51 f. 



Anmerkungen 



i, «1^1 konBequent dnich ElöHm ersetzt in den Psabnen 42 — 84. 
Anderwärts schrieb man ElöMm über niH**' worans das toricfate JtUkö 
ElöMm, z. B. Gen 2* — 3*», entstand. 

2. An dem 0- Vokal des vermeintliclien Qal von ntn> nämlich Jahmät 
wird sich angesichts der gleichartigen amoritischen Verbalformen jatbi,- 
jamlik, ja'we (in Ja(' )we^ilum) n. a. niemand stoßen, anch nicht an 
der Snbstantiv-Bedentnng der 3. Person Imperfecti, welche durch viele 
Eigennamen -mejigäl, Juir (vgl. akk. Muiuiwenim)JidbäschJ%shaq n.a jn. 
gesichert ist. Aber dasVerbum p,^n bedeutet wohl im Aramäischen 
das Nämliche wie hebräisch fpn »werden, sein", aber das hebräische 
Tl^n bedeutet „fallen" (wovon hövm» hawv^ „Unfall, Unglück"), 
vielleicht auch „aapirare**, wovon hawmi „Lust, Begehr", aber an 
keiner irgendwie sicheren Stelle „sein, werden". Es kommen für diese 
letztere Bedeutung überhaupt nur zwei Stellen in Betracht: Jes 16^ 
und Gen 27**, aber für die erstere Stelle bleibt noch die Abfassungs» 
zeit festzustellen, und an der zweiten könnte einer der zahllosen Fälle 
der Verwechseltmg von *| und ^ vorliegen. Entscheidend aber gegen 
die Annahme einer solchen Urform Jahwä bleibt die Tatsache, daß 
sich aus ihr die vermeintlich abgekürzten Formen Jehö, JühA schlechter- 
dings nicht erklären lassen. Abgesehen davon, daß derartige gekürzte 
und dabei selbständig stehende Verbalformen wie fht durchweg optative 
Bedeutung gewinnen, wären diese Arten von Abkürzungen J^h6\ 
Jähü ohne alle und jede Analogie. Dazu ist ja Jahwe überhaupt keine 
Verbalform mehr, sondern ein Substantiv, ein Eigenname, und wo 
gäbe es auf dem ganzen Gebiete Vorderasiens einen einzigen abge- 
kürzten Gottheitsnamen,^ noch dazu einen, der bis auf seinen ersten, 
ein reines Büdungselement darstellenden Konsonanten reduziert wäre 
wie Jah, Jd (vgl. Jdhü, Jdschü'a)? Wo ist endlich ein Grund zu ent- 
decken, daß man in den hebräischen Personennamen niemals Jahwe^ 
näian, Chizqijjahwe sagte, sondern immer und ausnahmslos abkürzte? 
Beiläufig bemerkt, heißt es den jungen Hebraisten Sand in die 

^) Die Zusammenziehung von J^hö zu JS oder den in einigen wenigen 
Eigennamen zu konstatierenden Wegfall des epir. UnU von El „Gott" 
nnd des J^ von J^hö wird man wohl nicht einwenden wollen. 



Anmerktmgai. yc 

Aogen streuen, wenn man für jBkü axd Nominalbildmigen wie iMckä, 
schalt binweiat, IMeae Vergleichinigen h&tten ja doch nur Sinn, 
wenn Jahwe, Jähü auf einen Stamm ^^ und nicht nin cn^üchgingea. 
Die jetzt allgemein angenommene Letung des Tetragramms als Jahwe» 
der Yermeintlichen Grundform von J^hd, J9kü, ist hiemach als gans 
und gar unbegrfindet endgültig aufzugeben. Daß die Wiedergabe des 
Tetragramms bei den Kirchenvätern und andern Schriftstellem der 
ersten christlichen Jahrhunderte: teils Vao» (Diodoms, Qrigenes. Theo- 
doret), Jaho (Hieronymus) ; teils 'levm und *farj (Origenes), 'laave u. ä. 
(Clemens Alezandrinus) ; tefls 'laße (speziell auch als samaritanische 
Aasq»rache des Gottesnamens bezeugt) weder für Jahwe noch für 
Jaho irgendwelche Beweiskraft haben, da diese I«esungen sämtlich 
nur geraten sind, bedarf heutzutage wohl nicht erneuter Hervorhebung. 

Die ganze vorstehende Auseinandersetzung ist nur dadtm^h gerecht- 
fertigt, daß die Theologen an der irrigen Lesung des Tetragramms als 
Jahwe noch immer festhalten und trotz aller monumentaler Gegen- 
beweise wer weiß wie lange noch festhalten werden. In Wahrheit ist, 
wie bereits Eduard Sachau richtig erkannt hat, durch die Schrei- 
bungen des selbständigen hebräischen Gottesnamens teils als *i7il, teils 
ab nn^ (letztere Schreibung auch innerhalb des Personennamens llt^nn^ 
„Jaho ist I4cht") das Y von niH^ ^ Vokalbuchstabe bewiesen, 
also daß über die Lesung des Tetragramms als Jah6\ J^hö' künftighin 
kein Zweifd mehr obwalten kann. Siehe Bd. Sachau, Aramäüche 
Papyrua und Ostraka aus einer jüdischen Militär- Kolonie zu Elephantine 
(5. Jahrhimdert v. Chr.), Leipzig 191 1, p. XXIII und S. 9 f. 

Die Ausschaltung eines vermeintlichen Gottesnamens Jahwe hebrä- 
ischen Ursprungs stellt nun die Frage nach Bedeutung und Htfkunft 
des Gottesnamens Jahö' (J^hö), Jahü, Jäh, Jw auf eine ganz neue 
Basis. Auf dieser neu gewonnenen Grundlage wird die Untersuchimg in 
der Neuausgabe meines ersten Vortrags über BcAel und Bibel fort- 
geführt werden. 

3. Daher die vielen hebräischen Personennamen wie Ahijjähü („mein 
Bruder ist Jaho"), Ahi-tüb („mein Bruder ist Güte"), AhUnö'am („mein 
Bruder ist Huld"), Aht-nädäb („mein Bruder ist freigebig"); 'Ammi-el 
(„mein Volksgenosse ist Gott"), 'Ammt-nädäb. Analoge Namen bei 
nichthebräischen semitischen Völkern: AM-milhi, Name des Königs 
von Asdod ztur Zeit Asnrbanpals; Ammi-nadbi {= hebräisch 'Amndnadab) , 
Name des Königs von Ammon aus eben jener Zeit; Amn^xadüga 
amoritisch-akkadischer Königsname u. a. m. 

4. In wohltuendem Gegensatz zu diesem einseitig diktatorischen 
Gebaren des Vorstands der Deutschnationalen Volkspartei gibt die 
Tägliche Rundschau auch andersgearteten Beurteilungen des Alten 
Testaments in ihren Spalten Raum. Vergleiche aus dem in TeU I 



^6 Anmerknngenti 

Anni. 43 zitierten Artikel Dr. Otto Steiners »»Deutsche Helden$äg9 
und deutsche Volksschule": „Die Sagen des Alten Testaments enthalten 
nicht den Gottesbegrifi, den das Christentum ausgebildet hat, sondern 
eine Auffassung von Gott« die mit Ausnahme der Juden jedem anderen 
Volke fremd ist". ,,Die Auffassung der Juden von ihrem Gott und 
ihrem Verhältnis zu Gott entspricht durchaus dem jüdischen Geschäfts* 
geist und Diesseitssinn und ist dem deutschen Volke und allen christ- 
lichen Völkern fremd". „I^i^ Sagen des Alten Testaments sind dem 
deutschen Volke völlig wesensfremd", usw. Und vergleiche femer aus 
Hans V. Wolzogens Artikel ,tAlUestamentliche HeilandsworU^' (siehe 
S.64 Anm. I) gleich den Anfang: ,,In der zweifellos starken Bewegung 
unserer Tage nach einer Neubeseelung des religiösen Geistes hin kommt 
immer mehr das Bewußtsein zum Ausdruck, daß die deutsche Reli- 
giosität, die von jeher einem reinen Christentume zustrebte, dieses 
Ziel nur dann erreichen werde, wenn der christliche Glaube nicht mehr 
gefesselt wird an das sogenannte „Alte Testament" und dessen jüdische 
Gottesvorstellung". Und weiter: „Das Alte Testament (im allgemeinen) 
kann uns, nicht etwa nur als Deutschen, nein, gerade als Christen 
nicht mehr unsere Religionsurkunde, unsere heilige Glaubens- 
grundlage sein". 

5. In seinem Aufsatz „Alttestatnentliche Heilandsworte** (s.Anm. 4) 
sagt Hans v. Wolzogen: Obschon das ganze Alte Testament nicht 
mehr imsere Religionsurkunde sein kann, „so haben wir doch ein volles, 
ehrfürchtiges Gefühl für so viele schöne, tiefsinnige, tröstende, er- 
hebende, gotterfüllte Worte der Propheten imd Psalmisten, welche 
ganzen Geschlechtern frommer Menschen eine unvergleichliche Wohl- 
tat erwiesen haben und erweisen konnten, weil sie und soweit sie, ab- 
getrennt von ihrer zeitlichen und völkischen Sphäre, in der Tiefe religiös 
empfundener Wahrheit sich übereinstimmen ließen mit reinster Gottes- 
auffassung aller Zeiten. Aus diesen Worten imd Sprüchen ein Er- 
bauungsbuch zusammenzustellen, das neben unsem Gesangbüchern 
und besten religiösen Schriften, ja, an erster Stelle, der Andacht ernster 
Christen jedes Bekenntmsses und jeder Richtung diene, das wäre in der 
Tat ein sehr bedeutsames imd wünschenswertes, ein wahrhaft wohltuendes 
und befreiendes Unternehmen". Ich darf hierzu bemerken, daß ich in 
meinen Vorträgen über Babel und Bibel II, III sowie im I. Teile dieser 
Schrift, S. 95 f., wiederholt ganz gleiche Gedanken ausgesprochen habe, 
daß nämlich gar manche alttestamentliche Stellen auch christlich- 
religiösem Empfinden zum Ausdruck dienen. Ich möchte hier den 
Anfang zu einer solchen Zusammenstellung machen, zu deren Erweite- 
rung mir jedermanns Mitarbeit willkommen sein wird. Ob sich ein 
ganzes „Erbauungsbuch" dabei ergeben wird, scheint mir einstweilen 
sehr zweifelhaft. Erst durch Hinztmahme der vielen herrlichen Aus- 



Anmerkungen. 



77 



Sprüche arischer (indischer» griechischer, germanischer osw.) Dichter 
nnd Denker wird das vorschwebende Zid wahrhaft zu erreichen sein. 

Mi 6*-*: ,,Womit soll ich treten vor Jaho, mich beugen vor dem 
Gott droben? Soll ich vor ihn treten mit Brandopfem» mit einjährigen 
Kälbern? Hat Jaho Gefallen an Tausenden von Widdern, zahllosen 
Bächen von öl? Soll ich meinen Erstgeborenen geben als Sühne» meine 
I^eibesfrucht als Buße meines Lebens? Kr tut dir hiermit kund, Mensch, 
was frommt und was Jaho von dir fordert: nichts als Recht zu 
üben und Liebe zu pflegen und demütig zu wandeln vor 
deinem Gottl" 

Ho 6': „An Liebe habe ich Gefallen und nicht an Schiachtopf er, 
und Gott erkennen ist besser als Brandopfer". 

Ps 50 ^i'*: „Esse ich das Fleisch von Stieren und trinke ich das 
Blut von Ziegenböcken? Opfere Jaho Lob tmd bezahle dem Höchsten 
deine Gelübde, und rufe mich am Tage der Not, so will ich dich retten 
und du sollst mich ehren". Vgl. Jes i ""• 

Ps5i^*: „Die Opfer Jahos sind ein gebrochener Geist, ein 
zerschlagenes Herz wirst du, Jaho, nicht verachten". Beachte 
hier freilich die in V. 20 f. zugefügte Einschränkung. 

Jes 58*'-: „Ist nicht das ein Pasten, wie ich Qaho) es haben will: 
ungerechte Fesseln abnehmen, die Bande des Joches lösen. Zerschlagene 
frei ausgehen lassen und jegliches J och sprengen ? Daß du dem Hungrigen 
dein Brot brichst tmd umherirrende Elende ins Haus hineinführest; 
daß, wenn du einen Nackten siehst, du ihn bekleidest, tmd deinem 
Fleische dich nicht entziehest?"^ 

Vgl. auch Joels (2^*) Predigt an sein Volk; sich in seiner Not zu 
Jaho zu bekehren, indem sie ihre Herzen zerreißen und nicht ihre 
EUeider. 

Ps 37^: „Wälze auf Jaho deinen Weg und traue auf ihn' — er 
wird's machen".' 

Jes4o'<^'': „Mögen Jünglinge müde und matt werden und junge 
Männer straucheln — die, die auf Jaho harren, gewinnen neue Kräfte, 
sie verjüngen ihr Gefieder wie die Adler, sie laufen und werden nicht 
matt, sie wandeln und werden nicht müde". 

Jes 55"*: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und 
eure Wege nicht meine Wege, ist der Spruch Jahos, sondern so viel 



^ Für analoge sittliche Forderungen innerhalb des babylonischen 
Schrifttums siehe Teil I Anm. 46 und beachte weiter den babylonischen 
Spruch {Babel und Bibel III, S. 32) : „Täglich bete zu deinem Gott» 
Reinheit der Rede ist das würdigste Räucheropfer. Gegen deinen Gott 
sollst Lauterkeit du besitzen, das ist das Würdigste der Gottheit'* 
(K. 7897 Z. 12-15). 



yg Amnerktuigeii. 

der Hiniinel höher ist als die Brde, so viel sind auch meine Wege höher 
als eure Wege nnd meine Gedanken als eure Gedanken". 

Für Ps33 s. oben S. 42, für Ps73**'- S. 43 f • nebst Anhang, für 
Ps 15 nnd obenan 103 s. den Anhang. 

Für den aarom'tischen Segen Nu 6'^"*, der, richtig und verständlich 
▼erdentscht, etwa lautet: ,,Der Herr (ursp. Jaho) segne dich und behüte 
dich; der Herr blicke freundlich auf dich und sei dir gnädig; der Herr 
blicke liebevoll auf dich und gebe dir Frieden", s. Babel und Bibel 1. 

6. Daß bei dem Verrat Babylons an den Perserkönig Cyrus auch 
jüdische Exulanten ihre Hand im Spiele gehabt und daß die von Cyms 
ihnen unmittelbar darauf gewährte Erlaubnis der Heimkehr und de& 
Wiederaufbaues des Tempels zu Jerusalem der Lohn hierfür gewesen 
— diese Vermutung habe ich zuerst bei einem jüdischen Gelehrten ge- 
lesen, leider ohne mir das betreffende Zitat zu notieren. Daß Deutero- 
jesaia um den von den Belspriestem geplanten Verrat wußte, dar- 
über lassen seine auf Cyrus bezüglichen Sprüche wohl kaum einen 
Zweifel. Vgl. Jes45^"': „So spricht Jaho zu seinem Gesalbten, zu 
Cyrus, dessen Rechte ich ergriffen habe, niederzutreten vor ihm her 
Völker imd die Hüften von Königen zu entgürten, zu öffnen vor ihm 
her Türflügel und Stadttore nicht verschlossen zu lassen* 
Ich werde vor dh: herziehen und das Höckerichte ebnen, eherne Tür- 
flügel zerbrechen und eiserne Riegel zerhauen, imd will dir Öie im 
Dunkel geborgenen Schätze geben usw., auf daß du erkennest, daß 
ich» Jaho, es bin, der dich bei deinem Namen gerufen, der Gott Israels". 
Und Jes48^^: „Den Willen Jahos, der ihn heb hat, wird er an Babel 
vollstrecken . . . Ich, ich habe es verkündet und habe ihn gerufen, 
habe ihn hergeführt und schenkte ihm Gelingen". War 
aber Deuterojesaia Mitwisser um den von den Belspriestem geplanten 
Verrat, so mußte er von diesen in das Geheimnis eingeweiht worden 
sein, und dies könnte die verdächtigen Übereinstimmungen erklären, 
auf welche zuerst Kittel in seinem Aufsatze Cyrus und Deuterojesaia 
(ZA.W XVXn, 1898, S. 149 — 162) hingewiesen hat, die Übereinstim^ 
mwngen nämlich zwischen dem Wortlaut der sogenannten Proklamation 
des Königs Cyrus, deren chaldäischer Redaktor wohl sicher zu den 
Belspriestem in engsten Beziehungen stand, und zwischen den Rede- 
wendungen Deuterojesaias. In der Proklamation des Perserkönigs 
(VR 35) heißt es: „Marduk sah sich um nach einem gerechten Fürsten. 
Den Mann seiner Herzensneigung faßte er bei der Hand. 
Cyrus, den König von Anschan, nannte er bei seinem Namen» 
zur Fürstenschaft über das ganze All berief er seinen Namen", während 
Deuterojesaia, wie wir sahen, ebenfalls von Cyrus als dem Geliebten 
Jahös spricht, dessen Rechte Jaho ergriffen und den er bei 
seinem Namen g«£ufen habe. Beüäufig bemerkt, zeigt dieser 



Anmerkangen. -^g 

Kher Bztdanteti wie Deutdojesaia« mit den höclut- 
•Jb«a Erelaen Babjrlcaia, dofl die von Kebukadueiar 
rnelleiclit im eratcn A nf ang auch gu Zwangsarbdten 
den {v^. Jes47*), daB de aber schon sebr bald 
ibdt sicli crfreaten, wie auch dag Sendachnlbcn des 
ans Jenuatem beweist, in welchem. dieser den kurz 
[ndäemtfit, „Hätuerm bauen, darinnen m wohnen, 
und ihre Prnchte zu genleSen, aidi mit aller Macht 

mehren, nm nicht weniger zn werden" (Jeri9*"-). 
liel hat sich die Erinnerung bewahrt, daH gebildete 
iche Sxnlanten schcm am Hofe Nebnkadneiara su 
and Ämtern gelangen konnten. Wenn aber jüdische 
ojeMia TCm den Belsptiestem in deren Geheimnis 

so drängt nch die Po^erung von gdbst auf, daß 
anz bestimmten Zwecke, nämlich zum Zwecke der 
I. Auf diese Welse erkUrt sich, daß Denteic^eaaia 
er Welse Jaho als den Urheber des PaHes Babels 
oho) werde toi Cjms herziehen, ich habe ihn bei 
iloi, ich, Ich habe ihn hergeführt und schenkte 
oben), „ich habe ihn erweckt und alle seine Wege 
d an letzteres Wort nnmittelbor geknüpft, die be- 
Dg: „er wird bauen meine Stadt und meine. Ge- 
I" Ahnlich äußert sich Kittel (a. a. O., 8. 15S); 
hat die offenbare Tendenz. Ctiob znm. Vorgehen 
nntem, ihm im Namen der Juden und ihres Gottes 
Ilaben zu wünschen und in Aussicht cn stellen, ihm 
H.elch Nabonlds selbst ihm viele Herzen entgegen- 
'iaaen zu lassen, welche Hoffnungen Israel an seinen 
diesen Worten gibt BUttel die Mitwirkung Dentero- 
chen Bxnlanten überhaupt bei dem Verrate Babylons 
mm. — Sdu verdächtig ist auch die enge Verbin- 
I Bndi Daniel Kap. 5 die firmordung Belsasara mit 

Bdraenwiti m'ni n^tU t^cfll A-phata» setzt. Zum 
letzteren, so lange rätselhaft gebliebenen Worte sei 
s in Babtl vitd Bibü III, S. 6 ff., gesagt war: „Von 
n des von Nabopolossar gegründeten Chaldäerrdches 
äer nur zwei Interesse: Nebnfcadnezar, der das 
i Gefangensdiaf t führte, aber selbst seinen Feinden 
: Größe seiner Herrschaft Bhifnrcht abnötigte, und 
ientende König Nabnna'id, nnter welchem Babylon 
Ttus, dem Befreiet Jndas ans der Gefangenschaft, 
E mehr die Brinnerung erblaßte, ward Nabnna'id 
, den Kronprinzen Belsasar. den Anführer des 



So Anmerkungen. 

Chaldäerheeres in den Kämpfen gegen die Perser, ersetzt und dieser 
letztere irrig zum Sohne des großen Chaldaerkonigs Nebukadnezar ge- 
stempelt. Über alles dies wissen wir jetzt, dank den Grabungen, genau 
Bescheid, ohne daß hieraus dem Buche Daniel, einem Erzeugnis des 
2. Jahrhunderts v. Chr., ein sonderlicher Vorwurf erwüchse. Vielmehr 
müssen wir seinem Verfasser dankbar sein, daß er, so frei er auch 
sonst mit Geschichte und Auslegung der Worte tn^ni m^ni t^qel ü-pharsfn 
umgesprungen ist, uns dennoch den Schlüssel zu ihrer richtigen Br- 
klanmg dargereicht hat. Denn wie zuerst der französische Archäologe 
Clermont-Ganneau erkannt hat, verrat der im 5. Kapitel des Buches 
Daniel so nachdrücklich betonte Gegensatz zwischen dem großen Vater 
Nebukadnezar und seinem minderwertigen Sohn, unter wekhem die 
Perser sich des Reiches bemächtigten, im Verein mit der einzig mög- 
lichen Deutung der Worte: „Es ist gezählt worden eine Mine, einSekel 
und Halbminen", daß dieses „geflügelte" Wort jüdischen Kreisen 
entstammt, in denen man den unbedeutenden Sohn eines großen Mannes 
büdlich als „Sekel, Sohn einer Mine", und umgekehrt zu bezeichnen 
pflegte, wozu sich dann das Wort^iel zwischen par$tn „Halbminen" und 
Perser gesellte. Das geistvolle, aber sarkastische Bonmot, das auch 
als Börsenwitz bezeichnet werden könnte, faßt die ganze Geschichte 
des Chaldäerreiches summarisch in die Worte zusammen: Eine Mine, 
d. h. ein großer König, ein Sekel, d. h. ein minderwertiger Königssohn, 
und Halbminen, d. h. Teüung des Reiches unter Meder und Perser". 
Vgl. für die Worte mnS mnä tkBl 4-pharstn Clermont-Ganneau in 
Journal Asiaiique, S4rie VIII, i (1886). p. 36 ff . Th. Nöldeke in 
ZA I, 1886, S. 414 — ^418. Georg Hoff mann in ZA II, 1887, S. 45 
bis 48. Paul Haupt in John Hopkins üniversity Circulars Nr. 58, 
p. 104. Vgl. auch ebenda Nr. 98, May 1892, John Dyneley Prince. 
7. Der jähe und vollständige Untergang Ninewes sowie des assyrischen 
Reiches und Volkes im Jahre 606 (?) v. Chr. ist eines der größten Rätsel 
der Weltgeschichte, zumal da noch wenige Jahrzehnte vorher das 
assyrische Heer gegenüber einer Welt von Feinden sich siegreich be- 
hauptet, ja weitaus überlegen gezeigt hatte. Der Prophet Nahum, der 
seine Jubellieder über die gänzliche Vertagung Ninewes mit den Worten 
beginnt (i ") : »»Ein eifernder Gott ist Jaho, Rache nehmend und 
ingrimmig, Rache nehmend ist Jaho an seinen Widersachern und 
Groll nach tragend seinen Feinden. Jaho ist langsam zumZorn,aber 
ungestraft läßt Jaho nicht", betrachtet Ninewes Untergang als einen 
Racheakt Jahos, und die Frage liegt nahe, ob er sich hierbei seines 
auserwählten Volkes als Mitwirkenden bedient habe wie bei dem Verrat 
Babylons an Cyrus (s. Anm. 6) oder nicht. Die Frage liegt um so näher, 
als die M e d e r es waren, die das Unheü über Ninewe brachten, gerade 
in die Städte der Meder aber hundert Jahre früher (722 v. Chr.) Sargon II. 



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Anmerkungen. 



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die Bewohner Samarias nnd des Reiches Israel überhaupt deportiert 
hatte. Daß die Israeliten in dieser ihrer neuen Heimat nicht etwa zu- 
grunde gingen, sondern sich bald ebensogut einzurichten wußten wie 
ihre judäischen Brüder in Babylonien, kann ebenso als zweifellos gelten, 
wie daß sie gegen Assyrien und seine Hauptstadt Ninewe eitel Gefühle 
des Hasses und der Rache hegten. Dazu kommt, daß Nahum 3^' sagt: 
„die Tore deines (Ninewes) Landes wurden deinen Feinden weit auf- 
getan" (natürlich durch Verrat), in diesem Haupteinfallstor aber, dem 
I^ande Chalach, von dem aus eine direkte Straße nach einem der Nord- 
tore Ninewes führte, ebenfalls israelitische Exulanten angesiedelt 
worden waren (2 Kö 17* 18^^). Daß der Prophet Nahum selbst ein 
Judäer gewesen, dem die schwere Heimsuchung seines Landes und die 
Bedrohimg von dessen Hauptstadt Jerusalem durch den assyrischen 
König Sanherib (701 v. Chr.) unvergessen geblieben war, hat man längst 
aus Nah i ^^ 2 ^ ^ geschlossen. Wenn nun meines Erachtens einerseits 
in den drei Kapiteln des Propheten Nahum lediglich JubeUieder über 
die soeben vollzogene Eroberung Ninewes gesehen werden können, 
andererseits die genaue Schilderung des Hergangs der Einnahme (2^"^^ 
3 ' '•) unmöglich auf bloßer Phantasie, sondern nur auf Autopsie be- 
ruhen kann, so muß Nahum die über Ninewe hereingebrochene Kata- 
strophe persönlich mit erlebt haben und mit unter den ersten gewesen 
sein, die diese Freudenbotschaft nach Juda übermittelten. Er muß 
hiemach weiter zu den Abkömmlingen jener Tausende von Judaern 
gehört haben, die Sanherib 701 in die assyrische Gefangenschaft weg- 
führte und aller Wahrscheinlichkeit nach in Assyrien, auch in Ninewe, 
niederließ. Auf Selbsterlebtes führen u. a. mit Notwendigkeit die Worte, 
daß „die Fluß- oder Kanaltore der Stadt geöffnet worden" seien (2') — 
die einzigste positive Nachricht, die uns über den Hergang der Er- 
oberung Ninewes überkommen ist, da die diesbezügliche Erzählung 
des Ktesias geschichtliche Glaubwürdigkeit nicht beanspruchen kann. 
Ninewe war von mehreren Fluß- und Kanalläufen durchzogen, die in 
den Tigris einmündeten. Diese Wasserläufe waren natürlich an den 
Stellen, wo sie die Stadtmauern passierten, durch Tore und Schleusen 
auf das Sorgfältigste geschützt, um das Eindringen der Feinde un- 
möglich zu machen. Die Frage erhebt sich, ob sie von den Medem 
geöffnet wurden oder von Feinden Assyriens, die innerhalb Ninewes 
wohnten, also daß Jaho sein Racliewerk an Ninewe mit Hilfe der Judäer 
innerhalb und der Israeliten außerhalb Ninewes vollbracht haben würde. 
Der Wortlaut der „Prophetieen" Nahums legt diese Vermutung sicher- 
lich nahe. — Über die Lage des Landes Chalach war auf Grund eines 
assyrischen Briefes (83, i — 18, 6) bereits in Babel und Bibel II, S. 7, 
die Rede; es wurde dort als „noch etwas östlicher als das gebirgige 
Quellenland des oberen Zab, namens Arrapachitis" gelegen bezeichnet. 

Delitzsch, Die grosse Täuschnng. 11 6 






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82 Anmerkungen. 

Jetzt wissen wir aas einem neugefundenen Tonprisma Sanheribs, daß 
das ostnordöstliche Tor Ninewes „Tor des Landes Chalach" hieß, da 
die das Tor passierende bzw. vom Tore ausgehende Straße in das außer- 
ordentlich fruchtbare (obstreiche?) Gebirgsland Chalach führte. — Nahum 
ist im Alten Testament „der Blqoschiter" genannt. Die von J. D. Mi- 
chaelis und Eichhorn vertretene Ansicht, daß mit Elqosch die unweit 
von Ninewe gelegene assyrische Ortschaft Elqosch gemeint sei, in welcher 
das Grab des Propheten Nahum gezeigt wird, gewinnt nach dem oben 
Ausgeführten sehr an Bedeutung. 

8. Jes34^'^<' lautet (vgl. bereits Babel und Bibel II Anm. 21): 
„Tretet herzu, Völker, zu hören, und Nationen, merket auf! 
Es höre die Erde und was sie füllet, der Erdkreis und seine Spröß- 
linge alle! 
Denn wütend Ist Jaho wider alle Völker und grimmig wider all ihr 

xieer. 
Er hat sie gebannt, hingegeben zum Schlachten, 
Und ihre Erschlagenen werden hingeworfen, daß Gestank aufsteigt von 

ihren Leichen, und es zerfließen d|e Berge von ihrem Blut. 
Und es vermodert das ganze Heer des Himmels und wird zusammen- 
gerollt gleich einem Buche der Himmel, 
Und all sein Heer welket, wie Laub abwelket vom Weinstock und 

ein welkend Blatt vom Feigenbaum. 
Ja, mein Schwert, im Himmel berauscht, fährt, siehe, hinab auf Edom 

und auf das Volk meines Bannes zum Gericht. 
Ein Schwert hat Jaho, voll ist's von Blut, schmierig von Fett, 
Vom Blut der Lämmer und Ziegenböcke, vom Nierenfette der Widder; 
Denn ein Opfer hält Jaho in Bosra und ein großes Schlachten im Lande 

Edom. 
Und es fahren hinab die Wildochsen mit ihnen, und die Farren mit 

den Stieren, 
Und es trieft ihr Land von ihrem Blut imd ihr Staub wird schmierig 

von Fett. 
Denn ein Tag der Rache ist Jahos, ein Vergeltungsjahr zur Ahndung 

von Zion. 
Und es werden verwandelt ihre Bäche in Pech imd ihr Staub in 

Schwefel und es wird ihr Land zu brennendem Pech, 
Bei Nacht und Tag verlischt es nicht mehr, in Ewigkeit steiget sein 

Rauch auf. 
Von Geschlecht zu Geschlecht bleibt es wüste, für immer und ewig 

durchwandert es niemand", usw. 
Und Jes63i-«: 
Wer kommt da aus Edom? in hochroten Kleidern aus Bosra? 
Prangend in seinem Kleid, einherschreitend (?) in der Fülle seiner Kraft? 



Amnerkungen. 83 

„Ich QaHo) bin '8, der redet in Gerechtigkeit, der groß ist zu helfen I" 
Warum das Rot an deinem Gewände, und deine Kleider wie die eines 

Keltertreters? 
,,Die Kelter hab' ich getreten allein, und Ton den Völkern war niemand 

mit mir. 
Und ich trat sie in meinem Zorn und zerstampfte sie in meinem Grimm, 
Und es spritzte ihr I«ebenssaft auf meine Kleider, und alle meine Ge- 
wänder hab' ich besudelt. 
Denn ein Tag der Rache war meine Absicht und mein Erldsungsjahr war 

gekommen. 
Und ich schaute, da war kein Helfer, und erstarrte, da war kein Unter- 
stützer. 
Aber es half mir mein Arm, und mein Grimm war meine Stütze, 
Und ich trat die Völker in meinem Zorn und machte sie trunken mit 

meinem Grimm 
Und ließ zur Erde fließen ihren Lebenssaft". 

9. Vgl. Babel und Bibel IJI, S. 29, nebst Anm. 30: „Gewiß wurde 
den durchweg ernsten und würdigen Götterbildern, wenn sie in feier- 
licher Prozession ausgetragen wurden, wohl auch den kleinen Götter- 
figuren, die von den Tempelverwaltungen an die Gläubigen verkauft 
worden sein dürften, seitens des schlichten Volkes eine giewisse Ver- 
ehrung zuteil, aber diese Bilderverehnmg büdete in keiner Weise den 
Kern des babylonischen Gottesglaubens, wie ja die Propheten Judas 
selbst von einem geheimnisvollen Götterberge im Norden wissen, auf 
welchem die babylonischen Gottheiten wohnen (Jes 14^', vgl. Ez 28 ^** 1«), 
also sehr gut den Unterschied zwischen den Gottheiten selbst und 
ihren irdischen Repräsentativmitteln kannten". — Vgl. noch die Worte 
in einem „Sions Türmer" unterzeichneten Artikel der katholischen 
Zeitschrift Zwanx%gste$ Jahrhundert (14. März 1903): „Die Berechti- 
gung des Bilderbrauches nachzuweisen, ist nachgerade überflüssig. 
Vur das sei hier hervorgehoben. Der geistig-sinnlichen Menschennatur 
entsprechend ist der Gebrauch der Bilder als Repräsentativmittel der 
transzendentalen Wahrheiten vernünftig, und ihre Hochschätzung oder 
relative Verehrung, wie die Schule sagt, psychologisch wohl begründet". 

10, Vgl. Babel und Bibel III, S. 15 f : „Es wird für aUe Zeiten eine 
hohe Ruhmestat der neueren alttestamentlichen Wissenschaft bleiben, 
daß sie in rastlos fortschreitender Geistesarbeit zu der jetzt immer 
allgemeiner anerkannten Wahrheit sich durchgerungen hat, daß die 
alttestamentlichen Psalmen in ihrer überwältigenden Mehrzahl der 
jüngsten Periode der hebräischen Literatur angehören, daß speziell 
die etwa 70 Psalmen gegebenen Überschriften „von David" späte, mit 
Sprache und Inhalt meist unvereinbare Zusätze sind, daß sich über- 
haupt für keinen einzigen alttestamentlichen Psalm davidischer Ur- 



1 



84 Anmerkungen. 

Sprung beweisen oder auch nur wahrscheinlich machen läßt. Und es 
bleibt nur zu wünschen, daß diese 'Erkenntnis in immer weitere Kreise 
eindringe, da jene Psalmüberschriften ,,von David" ganz besonders 
geeignet sind, den Werdegang der Religion Israels gründlich zu 
verschleiern". 

11. Es ist längst anerkannt, daß viele prophetische ,, Reden", z. B. 
Bzechiels, überhaupt niemals gehalten worden sind, sondern schrift- 
stellerische Arbeiten darstellen. Solche Lieder aber wie dieses ver- 
meintlich jesaianische Spottlied auf Sanheribs Rückzug von Jerusalem 
bezeugen wieder eine andere Klasse von „Prophetieen", nämlich eine 
solche frei erfundener Lieder bzw. Deklamationen, wie sie mög- 
licherweise in den Prophetenschulen als Aufgaben gestellt wurden. 
Solche rein rhetorischen Übungszwecken dienende Prophetieen bilden 
vielleicht auch die in das Buch Jeremias aufgenommenen Reden wider 
Moab, Ammon, Edom u. a. (Kapp. 48, 49), die zwar die Zeit der syrischen 
Aktionen Nebukadnezars zum historischen Hintergrund haben, aber 
sich tatsächlich ausschließlich in allgemeinen Phrasen bewegen, ohne 
irgendwelcher konkreter Geschehnisse Erwähnung zu tun. Speziell 
die ungebührlich lange Rede wider Moab (48*'*') zeugt zwar von fleißig- 
stem Studium der Geographie des moabitischen Landes, geht aber viel 
zu sehr ins Detail, um nicht ihren doktrinären Charakter, ihren Schul- 
ursprung zu verraten. 

12. Beachte hierfür das bereits in Babel und Bibel III Anm. 22 Ge- 
sagte: „Warum Jesus gerade den Samariter zum Vorbild allgemeiner, alle 
Menschen und Völker unterschiedslos umfassender Nächstenliebe er- 
hoben hat, kann erst jetzt völlig gewürdigt werden. Mit Recht über- 
rascht das Gesetzbuch Hammurabis unter anderm auch dadurch, daß 
„ein Unterschied zwischen In- und Ausländern so gut wie gar nicht 
hervorbricht", weshalb die in Israel ständige Vorschrift, den fremden 
Schutzgenossen gut zu behandeln, dort getrost fehlen kann. „Es scheint" 
— bemerkt Kohler, Hammurabis Gesetz S. I39 — „daß in dieser 
Beziehung (in Babylonien) eine vollständige Nivellierung eingetreten 
ist, ganz den geschichtlichen Vorgängen gemäß, indem man mehr und 
mehr fremde Stämme nach Babylon verpflanzte und hier eine unge- 
heure Verbindung und Vermischung der Völker der Erde mit ihren 
Kulturen herbeiführte. Dem entspricht auch der hochentwickelte 
Handelsverkehr, die internationalen Beziehungen und der Charakter 
der Weltkultur, welcher der babylonischen Bildung innewohnte. Wir 
wissen, daß Hammurabi sich schon, wie die späteren babylonischen 
Könige, als Herr der Erde fühlte und ebenso, wie später die deutschen 
Kaiser des Mittelalters, alle Stämme mit seiner Herrschaft zu um- 
spannen und darum auch den Unterschied zwischen In- und Ausländem 
vollkommen zu verwischen trachtete. — Auch dadurch unterscheidet 



Amuerkiuigen. S5 

btaknltnr Babylons von der In'ads; denn der Fremde 
d Fremder und stand dem israelitisclien Staatsleben fem; 
de Schntzgenosse, der gtr, wurde dort In den Verband an{- 
utd auch er, ohne daß er im Rechtsgennll völlig dem In- 
gestellt wurde. Darum auch die ständige Vorschrift, ihn 
lein, eine Vorschrift, die in Babylon, wo man Fremde nnd 
' nicht unterschied, nicht am Platz gewesen wäre. Aber 
in Unteracbied: die paar fremden SchutEb«folilenen Israels, 
ofer, AnsgestoOene, flüchtige Leute, welche Blutrache 
ürchteten. Im Gegensatz zu den Fremden in Babylon, das 
ropole des Welthandels entwickelte!" 

e auf Pa a^ sich gründende Bezeichnung des Uessias als 
' und die dementsprechende Selbstbezelchnung Jesu 
16*"-) siehe im Anhang zu Pa 3 und beieita meine Voi- 
'tittrbildung der Religion, Stuttgart 1908, S. 25 f. Dafi 
diese Bezeichnung bildlich gefaßt wissen wollte, lehrt 
lehe hierfür Im Anhang zu Ps Sa*- 

i Verständnis der Selbstbezelclmung Jesu als „Menschen- 
im dies gleich vorweg zu nehmen, die babylonisch-ezecbie- 
erbindung .Jlenschensohn" ganz auBer Betracht bleiben, 
f finden wir in der babylonischen (akkadiachen) Uteratnr 
lung „Menscheusohn" (mär aatUim). Da die Akfcader 
I niemals als „Sohn des und des" bezeichnen (vgl. auch 
mg eines Menschen obskurer Herkunft als mir li mamtm 
lohn von niemand"), gewann bei ihnen die Bezeichnung 
tu" die Bedeutung eines ehrenvollen Ausdrucks, nämlich 
:ines freien Mannes. In der Hammurabi-Zeit haftete 
infachen otcdw eine gewisse Auszeichnung an, wie die 
lehren, die nicht an den nnd den Namen gerichtet «Ind, 
den Menschen, den Marduk mit Leben begaben wird" 
ia Marduk iibalhUuiu) — es hat den Anschein, als hätte 
ch in dem einfachen awUum den Begriff „Menschensohn" 
1. a-mu-tu der Ursprung des etymologisch sonst gani 
u?). Die Anrede Jahos an Bzechiel als „Menscliensohn" 
ibt sich als ein Babylonismus, als eine ehrenvolle Um- 
tatt der direkten Namensnennung — ein Zeichen, wie 
iianch von .Jlenschensohn" durch alle Jahrhunderte hin- 
bylonien erhalten hat. Ganz falsch läßt Smend, Der 
kiel, 2 Aufl., Leipzig 1880, S. 17 den Propheten so an- 
ila einen, der sich der Majestät Gottes gegenüber lediglich 
ig gewähltes Individuum seiner elenden Gattung 
: ') nnd nicht mehr als eine eigentümliche Persönlichkeit 
m 7'8' Jer 1"), weshalb auch mit Luther genauer (?) 



16 

.UeuKhcnkiiid" xa flbenetzeti ad. Aber dlew fauerUch nnraSgUclie 
IrkUrnng witd achoa dntch die Tmg/e erledigt, wutun kein anderer 
'rophet jemals Ton Jaho mit „Henscheuohn" oder „Hetuchenkind" 
ingeredet wltd. Vgl. fOi die voratehenden Darlegnngen bereits Babtl 
\nd Btbtl III Anm. g. Eine ähnliche auszeichnende Bedeutung wie 
laa babylonische mir aatlim zeigt äa» hebtäische ben Uch (Fs 49'), 
1. b*nt Ueh (PS 4*}. 

Jesu Selbstbezeichnimg ab „Henachensohn" gründet sich auf zwei 
JttestamentUche Stdlen, in erster Linie anf Dan 7". wo mit Bezug 
inf den Messias gesagt ist, es sei In den Wolken etwas gekommen wie 
in „Heuichenaohn"; richtiger würde Übersetzt »ein; wie ein Menschen- 
dnd, d. b. wie ein llensch, wie ein Wesen von menschlicher Gestalt. 
.Menschenkind", PI. Hcnscheokliider, Ist in den semitischen Sprachen, 
läher im Hebräiachen, Aramäischen, Akkadischen, nichta als eine TJm- 
chidbung für , Jlensch", genau so wie alckadiach-assjtisch mir ummäni 
Verkmeisterssohn = Werkmeister Ist oder wie in den Psalmen Götter- 
Jndet, GAttersShne Götter bezeichnet. Vor allem Im paralUtistuu» 
ntmbrorum bt diese Umsclueibnng des einfachen Begriffs beliebt, wie 
;. B. In Pa 72* „K&iigssohn" Parallelglied von König ist. Auch innet- 
lalb der Tierwelt finden sldi solche Wortverbindungen wie „Löwen- 
dnd". parallel mit „Löwe". Da« btn adam, womit der Engel Gabriel 
Daniel anredet (Dan 8"), wird ebenfalls als Menschenkind ^ Hensch 
u fassen sein. Aber die Bezeichnung des Messlas als „Menschensohn" 
;cht noch auf eine andere, nnbegreiflicherweJse trotz des sonnenklaien 
Kontextes vollkommen miBverstandene Stelle des Alten Testamentes 
urück, nämlich auf PsS*"', wofür im Anhang nachzulesen ist. Vgl. 
?tanz Delitzsch zu dieser Stelle: „Gerade dieser Psalm, von dem 
aan'a am wenigsten denken aollte, wird im Neuen Testament öfter 
dtlert und messianlsch gedeutet, ja dleSclbstbenennnng Jesumit viöt 
■ov är^pmnov, wiefern sie auf die alttestamentliche Schrift zurückgeht, 
ehnt rieh nicht minder an diesen Psalm als an Dan 7**". 

15. Zn dei Frage, ob die obligatorische Forderung des Studinms des 
lebräischen für die evangdlsChen Theologen aufrecht zn erhalten oder 
allen zn lassen sei, siehe jetzt Prof. D. Paul Peine, Zur Reform des 
iUidiumi der Theologie, Leipzig 1920, S. 15 — 22. Ich freue mich, daD 
kuch Ad, von Harnack in seiner auf Veranlassung des PrenSischen 
Ministeriums für Wissmschaf t, Kunst und Volksbildung verfafiten Denk- 
«hrlft für Streichung des Hebräischen aus dem Lehrplan der christ- 
Ichen Theologen eintritt, obschon sein Vorschlag, das Alte Testament 
griechisch, d. h. nach der griechischen Bibelübersetzung lesen zu lassen, 
ron Graf von Bandissln mit guten Gründen zuriickgewieaeu wird. 
Iber wenn Baudlssin meint, es sei „sehr schwer, den Kandidaten die 
TforderUche Kenntnis der alttestamentlichen Rel^ionsgeschichte su 



Anmerkiingen. 87 

vennittdii ohne Voranssetzimg einiger Kenntnis des Hebräischen". 
so ist hieran! zu erwidern, dcJ) eine wirklich gnte deutsche Über- 
setzung des Alten Testaments« die bei allen wichtigeren, insbesondere 
theologisch wichtigeren SteUen auch die griechische Bibelübersetzung 
berücksichtigt, auch die metrische Form vieler Abschnitte gebührend 
zxa Geltung bringt, in Verbindung mit einer Vorlesung über Geschichte 
und Religion Israels vollkommen hinreicht, den Studierenden der evange- 
lischen Theologie das, was sie vom sogenannten Alten Testament wissen 
müssen, zu vermitteln. Speziell müßte dann noch, wie auf S. 70 f. ge- 
fordert wurde, ein Lehrbuch oder ein Kolleg über die alttestament* 
liehen Zitate im Neuen Testamente hinzutreten. Auch Jesu Kenntnisse 
der hebräischen Bibel beruhten wesentlich auf deren aramäischen 
Verdolmetschung. Wenn Baudisain aber weiter bemerkt, daß „das 
Fallenlassen des Hebräischen eine Schädigung des Ansehens und damit 
auch der Wirksamkeit des geistlichen Standes nach sich ziehen werde", 
so werden alle die Tausende und Abertausende evangelischer Pfarrer, 
die ihre mühselig erworbenen hebräischen Brocken schon längst ver- 
gessen haben, gegen eine solche Befürchtung gewiß einhelligen Protest 
einlegen. Selbst wenn man mit Paul Peine an dem veralteten Irr- 
tume festhält, das hebräische Volk für „das Volk der Offenbarung", 
den „Träger der Offenbarungsreligion" zu halten, und es für notwendig 
erachtet, „die alttestamentliche Anschauung als Vorstufe des Christen- 
tums behandeln zu lassen", ist hebräische Sprachkenntnis schlechter- 
dings nicht vonnöten, ganz abgesehen davon, daß sich auch nur halb- 
wegs zureichende Beherrschung des Hebräischen nebenher, neben den 
übrigen theologischen Disziplinen, binnen eines Trienniums überhaupt 
nicht erreichen läßt. Da Jesus sein Evangelium in der palästinisch- 
aramäischen Sprache verkündigt hat und die älteste Predigt seiner 
Jimger aramäisch gewesen ist, so wird !es für die Lehrer der neu- 
testamentlichen Theologie in hohem Grade erwünscht sein, bei 
einem tüchtigen Semitisten diesen aramäischen Dialekt zu erlernen, 
um in wichtigen Fragen selbständig urteüen zu können. 

16. Für die vermeintlich Jes 7 ^*' ^* geweissagte Jungfrauengeburt Jesu 
(Matth I *^-^ Itvk I «•-««), auf einem Übersetzungsfehler des tt (s. S. 95) 
und schwerem exegetischen Mißgriff beruhend, siehe bereits Zur Weiter- 
bildung der Religion, S. 29 ff. Für das mißdeutete Zitat Jes 40' (Mark i '; 
Matth 3»; Luk 3*; vgl. Job i««) siehe ebenda S. 37. Für Ps 16»*, miß- 
deutet von Petrus (Actaa**"*) ebenso wie von Paulus (Acta 13**), 
siehe ebenda S. 38 f. Für den mit Ho 11^ getriebenen Mißbrauch 
(Matth 2 1*) siehe ebenda S. 39 f. — Wenn der Apostel Paulus den 
Juden zu beweisen sucht, daß die Heidenvölker auch schon im Alten 
Testament zur Verehrung des wahren Gottes berufen worden seien, 
und hierfür u. a. die Stelle Dt 32« gemäß tt ins Feld führt: „Jubelt. 



Amuerkuagen. 

den, samt seinem Volke" (Rom 15'*^. so wissen wir jetzt, daB 
xst Uutet; „Bejubdt. Völker, sein Volkl" (siehe Wtiterbildung 
6, und für einen analogen venneintUchen Beweis für den 
lalfsmus der Jaho-Religlon siehe „Grolle Täuschung" I, 8. 73 
117). — Traur^ stimmt es zu sehen, wie Paulus sc^ai Jesu 
i, gegen die Speisegebote gerichtete Lehre bereits für das Juden- 
Anspruch EU nehmen wagt, indem er den Jabelruf am Anfang 
Psalms: „Jahos ist die Brde nnd ihre Fülle" {beachte für die 
ung dieser Worte Jes 34 >) i Kor 10*"- dabin deutet, daß, weil 
le Jahos ist, auch das, was auf den Markt gebracht wird, 
n werden dürfe, „ohne nachxnforschen Gewissens wegen". — 
idere niißverstandene und mißdeutete PsalmsteUen, z. B. S * ", 
Anhang. 



Anhang 



Ausgewählte Psalmen 

r Übersetzung der nachfolgenden ausgewählten 
leitete mich ausschließlich die Absicht, den ur- 
hen Ralmtert möglichst in seiner urspriii^ichen 
wiederzugeben and so genau wie möglich ins 
: zu übertragen, ohne das Metrum der einzelnen 
, d. h. die Zahl der Hebungen innerhalb der ein- 
ichen, nachahmen zu wollen.* Von den hier fol- 
Salmen dürften nur ganz wenige, etwa Psalm 15 
lan Psalm 103, Anspruch auf Aufnahme in ein 
iches Erbauungsbuch erheben dürfen (s. S. 78 

Psalm I. 
zum Psalter {s. S. 39) : SeUgpreisung der Gesetzes- 
a G^ensatz zu den „Frevlem". 
rr Mann, der nicht wandelt im Rate der Frevler, noch 
en Weg der Sünder, noch Platz nimmt in der Sitzung 
r, sondern an der Furcht (?) Jahos Gefallen hat und 
I Thora sinnt bei Tag und bei Nackt — er ist wie ein 
pflanzet an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zur 
Ht und dessen Laub nicht verwelkt, und in allem, was 
t er Gelingen. 

1er Bri üSung dea mir mehrfach geäuOerten Wunsches dner 
img samtlicher Psahnen wird natöilkh, obschon in knappester 
I alle Binzellieiteii dier Textbehandlimg imd Übersetzung 
if t abzulegen sein. Die kleine Schrift mit ihrer erstmaligen 
Anordnung der Psalmen wird, hofFe ich, gleichzeitig zur 
; der Erkenntnis mit beitragen, dall es für den evangelischen 
vollkommen ausreicht, die Psalmen wie überhaupt 
iischen Llteratuireste in deutscher Übersetzung mit kurzem 
re zu lesen. 



Ausgewählte Psalmen. 

Wicht so die Frevler, sondern wie die Spreu, die der Wind 
9ehei. Demgemäß bestehen die Frevler nicht im Gericht noch 
Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn Jako nimmt 
an des Wegs der Gereckten, während der Weg der Frevler 
•unde geht (oAer: zum Abgrund führt). 



Psalm 2. 
Jle Welt diene Jaho und fürchte sich vor seinem 
n! Ein schreckendes und mahnendes Ultimatum an 
Lels Feinde von selten des Messias, diesem selbst in 
Mund gelegt. 



Warum toben die Völker 

Und sinnen Eitles die Nationen? 

Treten einker die Könige der Erde, 

Und besprechen sich zusamt die Machthaber 

Wider Jaho und wider seinen Gesalbten? 

„Laßt uns zerreißen ihre Bande 

Und von uns werfen ikre Stricke/" 

Der im Himmel wohnt, lachet. 
Der Herr spottet ihrer. 
Und dann redet er zu iknen in seinem Zorn 
Und schreckt sie in seinem Grimm: 
„Hab' ich doch meinen König eingesetzt 
Auf Zion, meinem heiligen Berge". 
''Laßt mich erzählen von einem Rechtsspruche Jahos! 

Er sagte zu mir; „Mein Sohn bist du, 

Ich habe dich heute gezeuget. 
*Fordre von mir, daß ick dir gebe 

Die Völker zu deinem Erbteil 

und zu deinem Eigentum die Enden der Erde.* 
'Zerschmettern sollst du sie mit eisernem Zepter, 

Wie ein Töpfergefäß sie zerschmeißen!" 



nun, ihr Könige, seid verständig, 

! euch ermahnen, ihr Richter der Erde! 

let Jako mit Furcht 
gehorsaml (?) ihm mit Zittern, 
er nicht zürne und ihr zugrunde geht, 

<t um ein Haar kann sein Zorn entbrennen. 

• alle, die in ihm Zuflucht suchen.' 

.bylonischen Reditaurknndeii, desglekhen das Gesetz- 
ibis geben luu von gewissen kirnen Formeln Kunde, 
lestinunte WülensSnßenuigen rechtskräftige, unabänder- 
dhielten. Wenn ein Vater, eine Mutter xma Kinde 
. nicht mein Kind", so ist es ebendamit verstoßen nnd 
renn ein Mann zu den Eindem der Magd sagt; „meine 
ohne)", also zu einem derselben: „du bist mein Sohn", 
Sohn kraft dieser juristischen Formel den Söhnen der 
a gleichgestellt nnd gleich diesen erbberechtigt. Es 
sspruch, der die Erbberechttgung gleich einem 
Dhne involvierte. Der Fsalnüst läßt hiernach in dem 
'erse Ps 2' den Messias durch Jahos unverbrüchlichen 
h: „Du bbt mein Sohn, ich habe dich heute gezeuget" 
heute in Vaterverhältnis zu dir getreten), bildlich zu 
.nd Erben, nämlich zum Eiben der Völker bis an die 
Je, erklärt sein. Siehe hierfür bereits meine Vorträge 
Hcklung der Religion. Stuttgart 1908, S. 25 f. (wo auch 
gewiesen ist), sowie Ernste Fragen, ebenda 1912, S. 20 f., 
atel uTid Bibel III, 1905, S. iz f. Für die :Binheit der 
l" und „Erbe" im vorderen Orient vgl. Mattbai'*; 
tbylonisch aplum bedeutet sowohl „Sohn" als „Erbe". 



Psalm 6. 
endliche Hilfe in Todesangst vor den persön- 
.en. 

(Vgl. Fs 13.) 

), in deinem Zorn strafe mich nicht, 
■ in deinem Grimm züchtige mich nicht! 
mir gnädig, denn zerrüttet bin ich, 
e mich, denn verstört sind meine Gebeine, 
'■ meine Seele ist sehr verstört. 



q± Aosgewälilte Fsaltuen. 

Und du, Jaßio, wie lange? 

Wende dich zw, entreiße mein Leben, 

Hilf mir um deiner Güte willen! 

Denn im Toienreich gedenkt man deiner nicht. 

In der Unterwelt — wer soll dich loben? 

''Ich bin ermüdet, Jaho, von meinem Seufzen, 
Ich schwemme mein Lager die ganze Nacht, 
Durchweiche mein Bett mit meinen Tränen; 
Zernagt ist vor Kummer mein Auge, 
Gealtert infolge aller meiner Dränger. 

Weichet von mir, alle Übeltäter/ 

Denn Jaho hört die Stimme meines Weinens,' 

Jaho nimmt mein Gebet an. 

Sehr verstört mögen werden alle meine Feinde, 

Sich zurückwenden, zuscharuien werden im Nu/ 

a) Var.: Jaho hört mein Flehen. 



Psalm 8. 
I/}bpreis Jahos im Hinblick auf Makro- und Mikro- 
)smus: das noch lallende Menschenkind, vom Wdt- 
höpfer so unausdenkbar hoch begnadet, begabt und be- 
)llmächtigt, als ein mächtiger Zeuge widei die Feinde 



Jaho, unser Herr/ Wie herrlich ist 
Dein Name auf der ganzen Erde/ 

Du, dessen Glorie die Himmel überragt. 
Hast durch den Mund der Kinder und Säuglinge 
Eine Veste gegründet um deiner Gegner willen. 
Zu Ruhe zu bringen Feind und Rachesüchtigen.* 

Wenn ich sehe das Werk deiner Finger, 
Mond und Sterne, die du befestigt — 
^Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest. 
Und das Menschenkind, daß du seiner achtest? 



Psalm 6, 8, ii. qj 

hn nur wenig utUergöttUch machtest 

nit Majestät und Herrlichkeit ihn kröntest, 

im Herrscher machtest Über die Geschöpfe deiner Hand, 

hast du unter seine Fuße getan: *> 

lieh und Rinder aUxumal, 

die Tiere des Feldes, 

Ögel des Himmels und die Fische des Meers, 

ihinziehen die Straßen des Weltmeers. 

unser Herr/ Wie herrlich ist 
t Name auf der ganzen Erde! 

Sinn dieser Strophe kann nur ein ähnlicher mIh wie die Aus- 
r i»^; Waa töricht und schwach vor der Welt ist, hat er er- 
i zuschanden zn machen die Weisen uad waa ataik ist. b) Der 
rtsinii der Verse j f. ist tou @ (der grlecbi*chen Bibeltther- 
jjründllch mißTerstanden worden, indem sie übersetzt (ebenso 
ief 3 ^) : „Was ist der Mensch, daD dn sein gedenkest? oder 
ichen Sohn, daß du sein achtest? du hast Ihn ein kurzes 
in Engeln erniedrigt," usw.] Man sollte eine solche über- 
ta hebräischen Textes nicht für möglich halten, und für noch 
ler die im Hebräerbrief 3° hieran geknüpfte Ausl^ung: „Den 
ein kurzes neben den Bngeln erniedrigt ist, sehen wir in 
1 des Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre bekränzt, 
•X durch Gottes Gnade für jedenuaun den Tod koste". Daß 
m glaubliche MiMeutung des Urtextes aber bereits zu Jean 
gogale Überlieferung war, lehrt Jesu Selbstbezeichnung all 
nsofan" {s. Anm. 14). Vgl. noch 1 Kor 15" mit Bezug anf 
„Als letzter Feind wird der Tod yemichtet, denn fPsS") 
m alles unter die FüBe getan". 



Psalm II. 
; eines Gerechten über Verfo^ung seitens der 
nebst Verwünschung der letzteren. 
(Vgl. zu Ps 8j.) 

In Jaho hab' ich mich geborgen — 
Wie mögt ihr sagen zu meiner Seele: 
Flattre nach dem Berg 
Wie Hn Vogel/ 



*•»" 



i.f 



q6 Ansgewählte Psalmen. 

Ja, siehe! die Frevler 
spannen den Bogen, 
Legen ihren Pfeil 
Auf die Sehne, 



r Zu schießen aus der Finsternis 

Auf die rechtschaffnen Herzens, 
Ja, die Fundamente werden niedergerissen. 
Der Gerechte — was hat er getan? 

Jaho, in seinem Heiligtum, 
In den Himmeln thronend — 
Seine Augen schauen. 
Seine Wimpern prüfen, 

Jaho prüft 

Gerechten und Frevler, 

Und den, der Gewalttat liebt, 

Hasset seine Seele, 

Er regne auf die Frevler 
Feurige Kohlen und Schwefel, 
Und Glutwind sei 
Der Teil ihres Bechers! 

Denn gerecht ist Jaho, 
Gerechtigkeit liebt er. 
Den Rechtschaffnen durchschauet 
Sein Blick, 



Psalm 13. 

Gebet um endliche Hilfe in Todesgefahr durch die 
persönlichen Feinde. 

(Vgl. Ps 6.) 

Wie lange, Jaho, 
Vergissest du mich dauernd? 
Wie lange verbirgst du 
Dein Antlitz vor mir? 






r 



Psalm II, 13, 1$. ^7 

Wie lange hege ich 
Sorgen in meiner Seele, 
Kuntmer in nteinetn Herzen 
Bei Tag und bei Nacht? 

Wie lange soll triumphieren 
Mein Feind Ober mich? 
^Siehe doch, erhöre mich, 
Jaho, mein Gott/ 

Erhalte hell meine Augen, 
Daß ich nicht Todes entschlafe. 
Daß nicht sage mein Feind: 
Ich habe ihn übermocht, 

Meine Dränger frohlocken. 
Daß ich zum Wanken gebracht bin! 
*Ich aber, Jaho, 
Der ich auf deine Güte traue — 

Es frohlocke mein Herz 
Ob deiner Hilfe, 
So will ich Jaho lobsingen, 
Dieweil er mir Gutes getan. 

Psalm 15. 
X>ie zehn Voraussetzungen für das Bürgerre<^ht auf Zion . 

JcJio, wer darf gasten in deinem Zelte? 
Wer wohnen auf deinem heiligen Berge? 
Wer untadelig wandelt und Reckt tut 
Und Wahrhät redet aus seinem Herzen, 

Seinem Mitmenschen nicht- Böses tut 

Und Schmähung nicht ausspricht wider seinen Nächsten* 

Mit Verachtung straft den Verworfenen, 

Aber die Jaho Fürchtenden ehrt, 

Sein Geld nicht gegen Wucher gibt 
Und Bestechung wider den Unschuldigen nicht annimmt, 
Sich zum Nachteil schwört und doch nicht ändert — 
Wer dieses tut, wird in Ewigkeit nicht wanken. 
;a) Var. : wer nicht verleumden geht mit seiner Zunge. 

Delitzsch, Die grosse Täuschung. II j 



g8 Ansgewälilte Psalmen. 

Psalm 19 A (V. 2 — 7). 

Lobpreis der himmlischen Wunderwerke Jahos. Ein 
Psalmfragment. 

Die Himmel erzählen die Majestät Gottes, 
Und das Werk seiner Hände verkündet die Himmelsveste; 
Ein Tag läßt Rede zukommen dem andern, 
Und eine Nacht teilt Wissen mit der andern.^ 
^Über die ganze Erde ging aus ihre Meßschnur, 
Und bis ans Ende des Erdkreises reicht ihre Ausdehnung.^ 
Dem Sonnenball hat er ein Zelt in ihnen gemacht. 
Und der geht aus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, 
Freut sich wie ein Held zu laufen die Bahn. 
Vom Ende der Himmel ist sein Ausgang, 
Und sein Umlauf erfolgt über ihre Enden, 
Und niemand kann sich verbergen vor seiner Hitze. 

a) Randnote: es ist nicht Rede und sind nicht Worte, unhörbar ist 
ihre Stimme, b) Diese Übersetzung von V. 5 wird als die einzig richtige 
durch den assyrischen Sprachgebrauch erwiesen. Die Übersetzung 
von ® und Rom 10^^: ,3s ist ihre Stimme ausgegangen in das ganze 
I^and und ihre Worte bis zu den Enden der Welt" ist falsch. Der Apostel 
bezieht den Vers auf die Kunde von Christi Wort! 

Psalm 19 B (V. 8—14). 
Lobpreis der Thora. 

Die Thora Jahos ist vollkommen, 

Seele erquickend, 
Das Gebot Jahos ist verlässig, 

Den Einfältigen witzigend. 

Die Vorschriften Jahos sind recht. 

Herzerfreuend, 
Die Satzung Jahos ist lauter, 

Augen erhellend. 

^^Die Furcht Jahos ist rein. 
Für immer bestehend. 
Die Rechte Jahos sind Wahrheit, 
Gerecht allzumal. 



Psalm 19. 24. gg 

Sie, die köstlicher sind als Gold 

Und viel Feingold, 
Und süßer als Honig 

Und Honigseim. 

^^Auch dein Knecht wird durch sie gewarnt, 
In ihrer Bewahrung liegt reicher Lohn. 
Irrungen — wer gewahrt sie? 

Von verborgenen Sünden halte mich frei! 

Auch von Aufbrausung (?) halte zurück deinen Knecht, 
Sie gewinne nicht über mich Herrschaft! 

Dann werde ich untadelig sein und frei 
Von viel Frevel, 

Zusatz V. 15: Mögen wohlgefällig sein die Worte meines Mundes 
und das Sinnen meines Herzens vor dir, Jaho, mein Fels und mein 
Erlöser I 

Psalm 24. 
Festlied beim Einzug in den Tempel nach errungenem Siege. 

(Beim Hinaufzug: V. i f. Chor des Pestzugs, V. 3 — 6 zwei ab» 
wechselnde Stimmen.) 

^Jahos ist die Erde und ihre Fülle, 
Der Erdkreis und seine Bewohner.^ 
Denn er hat über dem Ozean sie gegründet 
Und über Strömen sie gefestigt. 

^Wer darf hinaufsteigen auf den Berg Jahos? 
Und wer stehen an seiner heiligen Stätte? 
Wer rein ist an Händen und lauteren Herzens, 
Nicht auf Eitles seinen Sinn richtet, 

Der trägt Segen davon von Jaho 
Und Rechtfertigung von dem Gotte seines Heils. 
Das ist das Geschlecht derer, die nach Jaho fragen. 
Die das Antlitz des Gottes Jakobs suchen. 

(Beim Einzug: Festzug und eine Einzelstimme abwechselnd.) 

''Erhebet, Tore, eure Häupter, 
Und erhebt euch, ihr ewigen Pforten, 
Daß der majestätvolle König einziehe/ 



lOO Ausgewählte Psalmen. 

Wer isl das, der tnajestätvolU König? 
Jaho, der Starke und Held, 
Jaho, der Kriegsheldi 

^Erhebet, Tore, eure Häupter, 
Und erhebt euch, ihr ewigen Pforten, 
Daß der majestätvoüe König einziehe/ 

Wer ist denn das, der majestätvoüe König? 
Jaho der Kriegssekaren, 
Er ist der majestätvotle König/ 
a) Füi den von Faultu (i Kot lo**') mit dieser Stelle getriebenen 
Hißbrauch a. Anm. i6 /in. 

Psalm 41. 
Gebet auf dem ICiankenlager. 
sdig Lied an den Elenden: 
„Zur Zeit des Unglücks wird Jaho ihn erraten, 
Jaho wird ihn behüten und leben lassen auf Erden, 
Und du wirst ihn nicht geben in die Gier seiner Feinde, 
Jaho wird ihn stützen auf dem Siechbeä, 
Woran immer er krank liegt, wendest du". 

Ich sprach: Jaho, sei mir gnädig. 

Heile mein Leben, ich habe an dir gesündigt. 

Meine Feinde sprechen schlecht von mir: 

„Wann wird er sterben und zugrunde gehen sein Name?" 

Und wenn einer zu Besuch kommt, ist Falschheit sein Sem, 

Er spickt sich mit Unwahrheit, geht ftinaus, redet. 

Zusamt tuscheln wider mich alle meine Hasser, 
Ersinnen Unglück für mich: 
„Etwas ganz Schlimmes ist ihm angegossen. 
Und wo er liegt, steht er nicht wieder auf. 
^*Auch mein Intimus, auf den ich traute. 
Der von meinem Brot aß, vermißt sich wider mich rücklings.' 

Aber du, Jaho, sei mir gnädig und lasse mich aufstehen, 

Daß ich ihnen vergelte/ 

Daran erkenne ich, daß du mir wohlwillst, 



Psalm 34, 41, 42/43. loi 

icht Über mich jauchzt, 

ilist ob meiner UnladeHgkeit 

Issest vor dir auf ewig, 

illem znUssige Übersetzung (s. zahigMPass** 

»"Genj^). Q( : „der mein Brot IQt, hat große 

Eirend Joh 13'» ebendiese Worte, frd und tm- 

lit mir das Btot isset, hat seine Ferse wider 

I ihreta Zusammerüiange gelöst, von Jesus auf 

sdiarlotli bezogen werden („aber es soU die 



Psalm 42/43. 
DDL. Ijed auf der Reise (zum Teil See- 
roste gesungen. 

Hindin, die schreiet 

von Wasserrinnen^, 

leine Seele 

ihof 

eine Seele nach Jaho, 

ebendigen Gott — 

ich kommen und sehen 

z Jakos? 

n waren mir Speise 

nd hei Nacht, 

terfort zu mir sagte: 

n Gott? 

dt denken und ausschütten 

ch durch die sich stauende Menge schriti- 

weis bewege 
lause Jahos, 
Jubel und Lohe — 
'.md Getümmel. 

so gebeugt, meine Seele, 

.0 unruhig in mir? 

iho, denn noch werde ich ihn loben 

' Hilfe und meinen Gott. 



*1 



I02 Angewählte Psalmen 

Gebeugt in meiner Seele — 

So dachte ich dein 
Seit dem Jordanlande und Hermon, 

Seit dem Berge Mis'är ^. 
Eine Wassertiefe ruft die andere 

Beim Schall deiner Wasserstürze, 
Alle deine Brandungen und Wogen 

Gehen hin über mich. 
Bei Tag bestellt Jaho seine GiUe, 

Und bei Nacht ist sein Lied^ mein Begleiter, 
Da sage ich zu Gott: mein Fels/ 

Warum hast du mich vergessen? 
Warum muß ich trauernd wandeln 

Unter Drangsalierung des Feindes? 
Meine Gebeine durchbohrend, 

Schmähen mich meine Dränger, 
Da sie immerfort zu mir sagen: 

Wo ist dein GoU? 

Was bist du so gebeugt, meine Seele, 

Und was so unruhig in mir? 
Harre auf Jaho, denn noch werde ich ihn loben 

Als meine Hilfe und meinen Gott. 

Schaffe mir Recht, Jaho, und führe meinen Streit/ 

Von dem unfrommen Volke, 
Von den Leuten des Trugs und der Ungerechtigkeit 

Mögest du mich erretten/ • 

Ja, du, Gott meiner Zuflucht, 

Warum hast du zornig mich verworfen? 
Warum muß ich trauernd einherwandeln 

Unter Drangsalierung des Feindes? 
Sende dein Licht und deine Wahrheit, 

Sie mögen mich leiten. 
Mögen mich bringen zu deinem heiligen Berge 

Und zu deinen Wohnungen, 
Daß ich komme zum Altar Jahos, 

Zu dem Gott meiner Freude,^ 
Und dich lobe auf der Zither, 

Jaho, mein Gott/ 



Psalm 42/43, 4S. 103 

Vas bist du so gdieu^, meine Seele, 

Und was so unruhig in mir? 
larre auf Jaho, denn noch werde ich ihn loben 

Als meine Hilfe und meinen GoU.' 
cb auBgetrockneten. b) Wfirtllcli: meine penSnllclie HiUe. 
Jülich eine letzte BergeshiUie, von der der Sänget einen GruS 
[eimat senden konnte, bevor et sich in einem phönlklKlien 
zu einer Seereise einschiffte, d) Kondnote: daa Gebet zn 
meines Lebens, e) Var.: meines Prohlockeos. f) Trotz des 
•hrrerses ist der letzte Diitteil des Psalms als ein besondenr 
13) im bebr&ischen Psalter verselbstlndigt und vom erstm 
1 Drittel (Ps 43] losgerissen. Ja, @ läßt sogar diesen Termelnt- 
3 von David. Ps43 von den Söhnen Qorocha vetfaBt selnt 

Psalm 45. 
les Festlied zu Ehren eines Kön^p nebst kön^- 
milie. 

ht zur Wiederkehr des Thronbesteigui^t^es bei 
iger Aufnahme einer tyrischen Prinzessia in den 
en Harem. 

Überquim mein Herz 

Von schöner Rede. 

Ich sage mir: 

Mein Tun einem König gu Ehren, 

Meine Zunge der Griffel 

Eines geschickten Schreibers/ 
'Weit schöner bist du 

Als die Menschenkinder, 

Ausgegossen ist Anmut 

Auf deine Lippen — 

Also hat dich gesegnet 

Gott in Ewigkeit. 

Gürte dein Schwert 

An die Lende, o Held, 

In deiner Glorie und Pracht 

Fahre siegreich hindurch 

Um der Wahrheit willen 

Und . . .der Gerechtigkeit, 



1 



Angewählte 

Und FurcktgMetendes lasse dich sehen 

Däne Rtchtet 

Deine Pfeüe geschärft. 

Die Völker dir zu Füßen, 

Entmutigt Verden 

Die Feinde des Königs/ 

''Dein Thron ist göttlich. 

Immer und ewig. 

Ein gerechtes Zepter 

Dein Herrschaftszepter. 
*Du liebst Gerechtigkeit 

Und hassest den Frevel. 

Darob hol dich gesalbt 
Jaho, dein Gott, 
Mit Freudenöl 
Vor deinen Genossen. 
Myrrhe und Aloe* 
Alle deine Gewänder. 

Aus Elfenbeinpalaste 

Erfreuet dich Saitenspiel. 

Töchter von Königen 

Sind deine Kleinode. 

Die Königin zu deiner Rechten 

In Feingold aus Ophir. 

Höre, Tochter, und sieh . 

Und neige dein Ohr 

Und vergiß dein Volk 

Und dein Vaterhaus, 

Und läßt sich gelüsten 

Der König nach deiner Schönheü — 

Denn er ist dein Herr — , 
So faä vor ihm nieder. 
Und, Tochter von Tyrus, 
Durch Geschenk^ 
Laß dich begütigen 
Die Reichen des Volks. 



PMbn 45, 49. 105 

ifwn dü Tochter des Königs, 
•plddurchwirkteti Gewändern 
i zum König gebracht, 
^frauen hinter ihr drein,^ 
fr Fröhlichkeit und Frohlocken 
en sie ein in des Königs Palast. 

Stelle deiner Väter' 
m deine Söhne, 
machst sie tu Fürsten 
ganzen Lande, 
will rühmen deinen Namen 
edem Geschlecht und Gescltlecht/ ^ 
}) Randnote: iKli hÜbOd d. I. könl^iche GewSuder 
■ c) Randnote: ihre FtenndiiiQCD bzw. Gespielitmen 
■ht. d) Gemeiiit die Laiides„Tätet" an der Spitze 
izen des Landes, e) Vai. ; die V51ker mögen dicb 
1 ewigl 

(i » ' ) folgt der irrigen tai^iunisclien Übersetzung 
SdiSnhelt, o König Messlas, Ist vorzüglicber 
dei", nnd l£13t dementsprechend die Worte V. 7 f . : 
Ist für alle Ewigkeit" naw. zum Messias gesprochen 
ae dieses Psalms in den Kanon bliebe ohne die 
hetisch-allegoriachen Sinnes nnerklätlich" (Franz 



Psalm 49. 
:: rege dich nicht auf über den Reichen, 
iiö sterben und nimmt seinen Reichtum 
■ab. 

aüe Völker, 

'^ Bewohner der Zeitlichkeit, 
nschenkinder als Herrensöhne, 
ich und Dürftig f 

d redet WeisheitsfüUe 

'nnen meines Herzens ist Fülle von Einsicht. 
» einem Weisheitsspruch meinen Sinn, 
er Zitherspiel mein Rätsel.^ 



Io6 Ausgewählte Psalmen. 

Warum soll ich mich fürchten in bösen Tagen, 
Da die Missetat meiner Nachstdler mich umringt. 
Die vertrauen auf ihr Vermögen 
Und der Menge ihres Reichtums sich rühmen? 

Loskaufen kann sich keiner, 
Noch Jaho sein Sühngeld geben, 
^Zu teuer ist der Loskauf seines Lebens, 
Sodaß er davon absteht für ewig. 

Und lebte einer dauernd für immer, 
Nicht sehend das Verderben, 
Fürwahr, er wird die Weisen sterben sehen. 
Zusamt Tor und Dummen zugrunde gehen. 

Und sie lassen anderen ihr Vermögen, 
^^Ihr Grab werden ihre Häuser für ewig, 
Ihre Wohnungen auf Geschlecht und Geschlecht,^ 
Nur Erdschollen nennen sie ihr eigene 

Der Mensch trotz seiner Ehrung^ hat nicht seines Bleibens, 
Er wird gleichgemacht dem Vieh, das man umbringt,^ 

Das ist der Weg der mit Torheit Begabten 
Und an deren Mund andere Gefallen finden — 
Wie Kleinvieh müssen sie hinein in die Unterwelt, 
Während der Tod als Hirte sie leitet. 

Und fahren schnurstracks hinab, 
Ehestens ist ihre Gestalt zu verfallen bestimmt, 
^*Indes wird Jaho meine Seele loskaufen. 
Aus der Gewalt der Unterwelt fürwahr wird er mich holen. 

Fürchte nicht, wenn reich wird ein Mann, 
Wenn groß wird der Reichtum seines Hauses, 
Denn nicht nimmt er bei seinem Tod das Ganze mit, 
Nicht folgt ihm hinunter sein Reichtum, 

Mag er sich beglückwünschen bei Lebzeiten, 

Und mag man dich loben, daß du dir*s wohl sein läßt — 

Er kommt doch zum Geschlecht seiner Väter, 

Sieht auf ewig nicht mehr das Licht. 



Ptaba 49, 54. 66 C. k 

h trotz seiner Ehrui^ hat nicht seines Bleibens, 
leichgemaiM dem Vieh, das man umMt^.* 

[wophem. b) Die Worte erinnem an die babyloniac 
'., die VcTstotbctieii Im eigenen Haiue in begrab« 
i mfen iluen Namen aus über Erdschollen, d) Bezi 
anken wie jene Ton Fs 6 ? e) Ob dieaei Kehrvets an 
len 5. 9. lind 16 wiederholt sein müSte? 



Psalm 54. 
persönliche Nachstellet und Dank für Hill 

kraft deines Namens errette mich, 
raff deiner Stärke schaffe mir Recht/ 
srhöre mein Gebet, 
auf die Worte meines Mundes/ 

Frechlinge stehen wider mich auf, 
■ewalttäler trachten mir nach dem Leben, 
sich Jaho nicht vor Augen.' 

Jaho ist mein Hafer, 
err stützet mein Leben, 
tde das Böse zurück auf meine Gegner, 
deiner Treue, Jaho, vernichte sie/ 

l ich in Freigebigkeit dir opfern, 

I Namen loben, dieweil er freundlich. 

aus aller Not hat er mich befreit, 

n meinen Feinden labt sich mein Auge. 

lieh = 86»'. 



Psalm 66 C (V. 13—20). 
Abtr^en eines Gelübdes im Tempel. 

nme in dein Haus mit Brandopfem, 

hlend meine Gelübde, 

en sich auf taten meine Lippen, 

die mein Mund geredet, als ich in Not war 



AnsgewäUte. Psalmen. 

Brandopfer von Sckafhöckchen bringe tA dir da 

Nt3)st Rauchwerk von Widdern, 
Ich opfere dir Rinder 

Nebsi Ziegenböcken. 

Wohlan! Höret und laßt mich erzählen. 

Alle Jaho-Fürchtendenf 
Was er getan hat meiner Seele, 

[Laß mich euch künden?] 

Zu ihm rief ich mit meinem Munde, 
Redlichkeit (?) unter meiner Zunge, 

Hätte ich Falschkeit gehegt in meinem Herzen, 
Hätte der Herr nicht gehört. 

Aber Jaho hat gehört. 

Hat gemerkt auf die Stimme meines Gebtis. 
Gepriesen sei Jaho, der nicht entfernt hat 

Seine Güte von mir/ 



Psalm 67. 
Dreifacher Ssgen über Israel, damit alle Völker Jahos 
rechtes Walten erkennen mid Jaho loben und fürchten, 
n Emtefestlied. 

Jaho sei uns gnädig und segne uns. 

Er blicke freundlich nach uns hin, 

Daß erkannt werde auf Erden dein Walten, 

Unter allen Völkern deine Hilfe.* 

Es mögen die Völker dich, Jaho, loben. 
Dich loben die Völker insgesamt! 

Es mögen fröhlich sein und jubdn die Nationen, 
Daß du den Erdkreis richtest mit Recht,*> 
Die Völker mit Gerechtigkeit richtest 
Und die Nationen auf Erden leitest. 

Es mögen die Völker dich, Jaho, loben. 
Dich loben die Völker insgesamt! 



C 67, 70, 73. 10 

» iAr«n Erh'ag. 

unser GoUl 

unser Gott/ 

ihn alle Enden der Erde! 

' dich, Jaho, loben, 

er insgesamt/^ 

! seinem Volke erwiesen hat. b) Ge 

rieht, das Jaho an den Israel felnd 

96" 97* 98*- c) Im hebräischen Ter 



Im 70. 

nde persönliche Feinde. {Aucl: 

ingefi^.) 

o, mich zu bieten, 

len mögen zusamt werden, 
mir trachten, 

it Schimpf bedeckt werden, 
neinem Ur^lück, 
Kehrum machen, 

reuen und fröhlich sein 

troß ist Jaho, 
n! 

d dürftig, 
Retter bist du. 



^ 73- 

Ende mit Schrecken, dagegen 

in Tod überdauernde Gemein- 



Ausgewählte Psalmen. 

Eitei gütig zum Rechtschaffenen ist Gott, 

Jaho zu denen reinen Herzens, 

Und doch wären um ein Haar zu Fall gekommen meine FUße, 

Wie nichts hingeglitten meine Schritte, 

Da ich mich ereiferte wider die, die es toU treiben. 

Sehend die Wohlfahrt der Frevler: 

Denn keine Beschwerden haben sie. 

Gesund und feist ist ihr Wanst, 

In irdischer Mühsal sind sie nicht. 

Und gleich dem Menschen werden sie nicht betroffen. 

Darum ist Hochmut ihr Halsschmuck, 

Gewalltat das Kleid, das sie einhüllt. 

Es tritt aus dem Fette ihr Auge, 

Es strömen über die Gebilde ihres HerzcTts. 

Sie höhnen und führen schlechte Reden, 

Bedrückung reden sie von oben herab, 

Sie legen an den Himmel ihr Maul, 

Während ihre Zunge auf der Erde sich breit macht, 
^^Darum haben sie Lobredner genug (?), 

Und wird kein Makel an ihnen gefunden.^ 

Und sie sagen: wie sollte Gott wissen. 

Und Wissen eignen dem Höchsten? 

Siehe/ so sind die Frevler, 

Und die ewig Sorglosen wachsen an Macht. 
"Rein umsonst erhielt ich lauter mein Herx 

Und wusch in Unschuld meine Hände, 

Und ward immerfort geschlagen 

Und Züchtigung ward mir allmorgentüch. 

Wenn ick dachte: ich will demgemäß erzählen. 

Die Generation meiner Söhne (?) •• 

Und will trachten dies zu verstehen, 

So schien dies mir Mühsal, 
"Bts ich Eingang fand in die Geheimnisse Gottes, 

Acht gab auf ihr Ende. 

Nur auf Glaäeis steilst du sie. 

Lassest zu Ruinen sie hinfallen. 



FMlm 73, 80. 1 

len sie im Nu xum EntseUen, 
sie ein Ende mit Schrecken} 
räumen nach Erwachen sind sie, 
'bild du im Wachsein verachtest. 

, es ward mit Herbheit mein Herz erfüllt 
ward gereizt in meinen Nieren, 
tin unverständiger Dummkopf, 
lieh^ war in deinen Augen. 

doch beständig bei dir, 

I doch meine Rechte, 

Ach in deinem Rate 

imst mich schließlich in Ehren zu dir. 

e ich im Himmel [außer dir]? 
in (?) dir habe ich kein Gefallen auf Erder, 
i mein Fleisch und mein Herz. 
Jaho mein Teil auf ewig. 

f die dir Fernen gehen zugrunde. 
Igst jeden, der von dir weghurt. 
' ist wohl in Jahos Nähe, 
im Herrn meine Zuflucht. 



Psalm 80. 
Gebet zu Jaho, seinem Volke Israel in schwerer fe 
lieber Bedrängnis zu helfen. 

Hirte Israels, horche/ 

Der du Joseph leitest wie Kleinvieh, 

Auf Kerubim thronest, strahle auf 

Vor Ephraim her und Manasse, 

Erwecke deine Kraft 

Und komm uns zu Hilfe/ 

^Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht 
Und blicke freurtdUck, daß wir erreitet werden/ 



2 Atugeträlilte Psaltueu. 

^Jaho Zebaoth, wie lange 

Rauchst du trotz Gebets deines Volkes? 

Du speislest uns mit Tränenbrot 

Und tränktest uns kannenweise mit Tränen, 

Machtest uns zum Kopf schütteln unsem Nachbarn, 

und unsere Feinde spotten unser. 

*Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht 

Und blicke freundlich, daß wir errettet werden/ 

Einen Weinstock rissest du los aus Ägypten, 
Vertriebest Völker und pflanztest ihn. 
Du schufest Bahn für seine Wurzeln 
Und er wurzelte ein und füllte die Erde, 
Berge wurden bedeckt von seinem Schatten 
Und von seinen Ästen die Zedern Gottes. 

Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht 

Und blicke freundlich, daß wir errettet werden!* 

Er entsandte seine Zweige zum Meer^ 
Und zum Euphrat seine Schößlinge ^ — 
Warum rissest du ein seine Mauern, 
Daß ihn berupften alle Vorbeigehenden, 
Ihn abfraß das Schwein aus dem Waide 
Und das Getier des Feldes ihn abweidete? 

^^Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht 
Und blicke freundlich, daß wir errettet werden/* 

Schaue vom Himmel und siehe 

Und hege, was gepflanzt deine Rechte. 

Die ihn mit Feuer verbrannten, wegkehrten. 

Mögen zugrunde gehen vor dem Dräuen deines Blickes/ 

Es ruhe deirte Hand auf dem Mann deiner Rechten 

Und auf dem Sohn, den du dir auferzogen (?)/ 

Jaho Zebaoth, bring uns wieder zurecht 

Und blicke freundlich, daß wir errettet werden/ 

t] Eehrven fehlt hier, wahrend er In V. 15 noi angedeutet ist. 
Siehe hierfür TeU I, S. 37 B. 



salm 82. 
Richterbehöide, Jaho se 

göttlicher* Versammlung, 
Item* zu richten: 
let ihr ungerecht richten 
der Frevler nehmen? 

tm Niedrigen und der Wais 
men sprechet frei! 
'Niedrigen und Dürftigen, 
'.er Frevler befreit ihn!" 

Vissen und keine Einsicht, 
mdeln sie, 
nen ins Wanken 
des Landes. 

r wärt ihr 

tne^ alizumal, 

m Menschen werdet ihr ster 

iner der Großen hinfallen.^ 

ite die Btde. deim du bist Big 

ihne" = Gotteasdlue = Götter, 
VUide und Autorität anmaßen. 
i die Juden : wir steinigeti diel 
I ein Mensch bist, dich zu Gott 
cht geschrieben in eurem Gesetz | 
:terseldllirP Wenn er jene GÖttei 
n — und die Schrift darf nlcb 
en der Vater geheiligt und ia c 
. weil ich gesagt hahe, ich bin 
e seine Selbstbezelclmuug als . 
en. c) Gleich vielen andern : 
er Psalm, daQ auch im nacbei 
le grenzenden Zustände hertscl 
len „Reichen". 



± Ausgewählte Psalmen. 

Psalm 90 (V. 1^12). 
Pessimistische Betrachtung über das rasche Vergehen 
r menschlichen Generationen wie des einzelnen Menschen 
i eine Folge des furchtbaren Zornes des ewigen Gottes 
der menschlichen Sündhaftigkeit. 

Herr/ eine Veste bist du 

Uns gewesen in Geschlecht und GescMechi. 

Ehe die Berge geboren wurden 

Und hervorgebracht ward die Erde, bist da Gott. 

Du bringst den Sterblichen zur Strecke 

Und sprichst: Kehrt zurück, Menschenkinder/ 

Denn tausend Jahre erscheinen dir 

Wie ein gestriger Tag und eine Nachtwache. 

Du säest (?) sie jahraus, jahrein, 

Sie sind wie nachwachsend Gras, 

Am Morgen blüht es und wächst, 

Am Abend wird es abgekuppt und verdorret. 

''Ja, alle unsere Tage schwanden in deinem Grimm, 
Wir endeten unsere Jahre wie einen Gedanken.* 

^Du staltest unsere Missetaten vor dich. 
Unsere verborgenen Fehler in die Beleuclttung deines 
Ar^esichts. 

^"Die Zahl unserer Jahre sind siebzig Jahre, 
Und wenn's gar groß ist, achtzig Jahre, 
Und ungewöhnlich lang, sind sie Mühsal für nichts. 
Denn eilends geht's vorüber, sind wir verflogen. 

Wer ermisset die Stärke deines Zorns, 
Und wer wird inne (?) die Wucht (?) deines Grimms? 
^*Unsere Tage zu zählen — solches laß erkennen. 
Daß wir davontragen ein Herz der Weisheit.^ 

) Obige Übersetzung ist der Wortlaut von V. 9, viellejclit einer 
.zu V. 7: Ja, wir nähmen ein Ende durch deinen Zorn und wurden 
jtört durch deinen Gtinun. b) Sehr zu Unrecht ist mit diesem 
jimistischen Psalm das kleine Lied V. 13 — 17 verbunden worden, 
ches ganz andern Seelenstimmungen Ausdruck verleiht. Ba lautet: 
ende dich wieder zu, Jaho, ach endlich I Und habe Mitleid mit 
len Knechten! Sättige uns ehestens mit deiner Güte, Daß wir jubeln 



Psalm 90, 96. Ilj 

{Var. fröhlich seien) während all unserer Tage. Erfreue uns gleich den 
Tagen, da du uns niederdrücktest. Den Jahren, da wir Unglück erlebten. 
Es werde offenbar deinen Knechten dein Tun, Und deine Herrlichkeit 
ihren Kindern, Und die Huld Jahos ruhe auf uns. Und gib Bestand dem 
Werk unserer Hände!" 

Psalm 96. 

Im Siegesjubel : Jaho, der Gott Israels, König über alle 
Götter und Völker. 

(= I Chr 1623-83, wie Ps 105 »-»ß = i Chr i6«-22.) 

Singet Jaho ein neues Lied,^ 
Singet Jaho, alle Erdbewohner/ 
Singet Jaho, preiset seinen Namen, 
Verkündet von Tag zu Tag seine Hilfe /^ 
Erzählt unter den Völkern seine Majestät, 
Urtier allen Völkern seine Wundertaten! 

Denn groß ist Jaho und sehr rühmenswert, 
Zu fürchten ist er über allen Göttern. 
Denn alle Götter der Völker sind Nichtse, 
Während Jaho die Himmel geschaffen,^ 
Glorie und Herrlichkeit sind vor ihm her, 
Macht und Pracht in seinem Heiligtum, 

Gebet Jaho, ihr Geschlechter der Völker, 
Gebet Jaho Majestät und Macht, 
Gebet Jaho die Majestät seines Namens, 
Bringt ein Speiseopfer und kommt in seine Höfe, 
Fallet nieder vor Jaho in heiligem Schmuck, 
Zittert vor ihm, alle Erdbewohner! 

^^Sagt unter den Völkern: Jaho ward König! 

^^Es freue sich der Himmel und frohlocke die Erde,^ 
Es jauchze das Feld und alles was auf ihm. 
Auch alle Bäume des Waldes mögen jubelnd 
^^Jaho begrüßen, da er gekommen zu richten 
Den Erdkreis mit Recht und die Völker mit seiner Wahrhaftigkeit, 

a) Vgl. Jes 42 10. b) Durch Verleihung des Sieges, c) Eine naive 

Begründung, wenn man bedenkt, daß Propheten und Psalmisten 

{siehe Babel und Bibel I) Marduks Schöpfungstat auf Jaho übertragen 

haben, d) Die Verse 10 und 11, zum Teil auch 13, sind mit Zitaten aus 

Ps93^ 98'-^ überladen. 

Delitzsch, Die rosse Täuschung. II o« 



Ausgewählte Psalmen. 

Psalm loo. 
ruf an alle Erdbewohner zu Jahos Lobpreis und Ver- 
j ob der seinem Volke erwiesenen Güte und Treue. 
(Vgl.Pss67, ri7.) 

Jauchzet Jaho, alle Erdbewohner, 

Dienet Jaha mit Fröhlichkeit, 

Kommet vor ihn mit Jubel/ 

Erkennet, daß Jaho Gott ist: 

Er hat uns gemacht und sein sind wir. 

Sein Volk und das Kleinvieh seiner Weide. 

Kommt in seine Tore mit Loben, 

In seine Höfe mit Rühmen, 

Lobet ihn, preiset seinen Namen/ 

Denn freundlich ist Jaho, 

Denn ewig währt seine Güte 

Und auf Geschlecht und Geschlecht seine Treue. 

Psalm 103. 
)preis Jahos als des Gnädigen und Gerechten." 
*reise, meine Seele, Jaho, 

Tnd altes, was in mir ist, seinen heilten Namen/ 
^reise, meine Seele, Jaho, 
Tnd vergiß nicht alle seine Wohltaten: 
')er alle deine Missetat vergibt, 
)er alle deine Gebrechen heilet, 
)«■ dein Leben vom Verderben erlöst, 
)i!f dich umgibt mit Güte und Barmherzigkeit. 
)er dich mit Gutem, so viel du bedarfst (?), sättigt, 
taß sich adlergleich deine Jugend erneuert. 
'rerechtigkeit tut Jaho 
Tnd Recht allen Bedrückten. 
',r ließ Mose seine Wege wissen, 
'He Kinder Israel seine Taten. 
barmherzig und gnädig ist Jaho, 
.angmütig und groß an Güte. 



Psalm loo, 103. iiy 

it dauenui hadern 

vigUch groUe». 

*»sem Sünden tut er 

ach unsem Missetaten vergiii er, 

'loch der Himmel über der Erde, 
\e Güte über die, die ihn fürchten, 
Osten ist vom Westen, 
von uns sein unsere Frevel.** 

I Vater aber Kinder erbarmt, 

\ Jaho Über die, die ihn fürchten, 

nt unser Gebilde, 

i, daß wir Staub sind. 

— gleich dem Gras ist seine Lebenszeit, 
lume des Feldes, so bUihl er. 
'ind an sie streift, so ist sie nicht mekr,<^ 
'kennt sie mehr ihre Stätte." 

te Jahos ruht auf denen, die ihn fürchten, 
''erechtigkeit auf Kindeskinder, 
Stimme seines Wortes hören^ 
Vorschriften gedenken, sie zu tun. 

Himmel ist sein Thron, 
öni^m herrscht über alles. 
, seine Engel, 
Helden, die ihr sein Wort tut/ 

>, alle seine Heerscharen, 
r, die ihr seinen Willen tut/ 
', alle seine Geschöpfe 
ten seiner Herrschaft/ 

■3. V, 21': Preise, meine Seele, Jabot 

irani£iacbeii Wortfonnen und seinei Zitate aui 
>b tiSgt der PmIiu die Übersduift: „Von David" 
•fung. Wideispmch zu Fa 90. c) Gmndstelle n 
)*. d) Zitat aua lob 7» („ne" Akk.. „ihre StXtte' 
Vai. als: „die bewafarea aeineii Bund". 



1X8 Ausgewählte Psalmen. 

P^alm HO (V. I — 4). 

Orakelspruch an Simon, den Makkabäer, als den Hohen- 
priester und Führer semes Volks. 

Spruch Jahos an meinen Herrn: 

^ Setze dich zu meitier Rechten, 
Bis daß ich mache deine Feinde 

Zum Schemel deinen Füßen. 

^Deinen Siegesstab wird ausstrecken 

Jäho aus Zion: 
[Wohlan!] herrsche 
Inmitten deiner Feinde! 

^Dein Volk ist ganz Freiwilligkeit 

An deinem Heertag. 
In heiligem Schmuck aus dem Schöße des Morgenrots 
Perlt der Tau deiner jungen Mannschaft. 

^Geschworen hat Jaho . . . 
Und wird's nicht bereuen: 
Du bist Priester für ewig 

Nach der Weise Melchizedeks. 

Diese vier Verse, deren Anfangsbuchstaben den Namen Simon er- 
geben, bilden eine zusammengehörige Kinheit, während die anschließen- 
den Verse 5 — 7 ein anderes Orakel aus ebenjener Zeit enthalten. Für 
den Gebrauch, den Jesus von diesem David zugeschriebenen Psalm 
machte, siehe oben S. 68. Als Spruch Jahos an den Messias ist der 
Psalm auch gefaßt Acta 2^^, Hebr i^^, i Kor 152511. — Zum histo- 
rischen Verständnis des Psalms siehe i Makk 14'**^. 

Psalm 117. 

Aufruf an alle Völker zu Jahos Lobpreis ob der seinem 
Volke erwiesenen Giite und Treue. 

(Vgl. Pss 67, 100.) 
Halleluja! 
Rühmet Jaha, alle Völker, 
Lobpreiset ihn, alle Nationen, 
^Denn mächtig ist über uns seine Güte 
Und die Treue Jahos währet ewiglich. 
Halleluja! 
Zum Inhalt des Psalms siehe bereits Teil I, S. 73. 



cseim HO, 117, iis. nq 

Psalm 118. 
iigie bei der Rückkehr des jüdischen Heeres von 
jreichen Feldzuge. 

(Cboriühier und Chor beim Anfbmcli des Pestmga.) 
obel Jaho, denn er ist freundlich — 

Fürwahr, ewig währt seine Güte; 
precke doch Israel — 

Fürwahr, ewig währt seine Güte: 
preche doch das Haus Aarons — 

Fürwahr, ewig währt seine Güte; 
lögen doch sprechen die Jaho Fürchtenden — 
Fürwahr, ewig währt seine Güte. 

(Während des Festiuga: V, 5 — 18.) 
WS der Drangsal rief ich Jak, 
s erhörte mich Jah mit weitem Plan, — 
s( Jaho. für mich, fürchte ich mich nicht, 
'as könnte mir tun ein Mensch? — 
•,t Jaho unter meinen Helfern, 
werde ich meine Lust sehen an meinen Hassern. — 
esser Zuflucht zu suchen bei Jaho 
Is zu vertrauen auf Menschen; 
esser Zuflucht zu suchen bei Jaho 
Is zu trauen auf Vornehme. — 

-12; Gesänge der im Pestzug mitziehenden Soldaten.) 

Ue Völker hatten mich umringt — 

t Jahos Namen fürwahr werd' ich sie kuppen.' — 

le hatten mich umringt, ja um,ringt — 

t Jahos Namen fürwahr werd' ich sie kuppen. — 

le hatten mich umringt gleich Bienenschwärmen — 

'urden ausgelöscht wie ein Dornenfeuer.^ — 

ngestoßen hattest du mich zu fallen, 

her Jaho hat mir geholfen. — 

'eine Stärke und mein Lohgesang ist Jah, 

nd er ward mir zur Hilfe.' — 

luter Siegesjuhel erschallt 

i den Zelten der Gerechten, — ■ ; 



Ansgewöhlte PsalmeD. 

Dif Rechte Jahos wirket Sieg, 
Die Rechte Jahos erhöht. — 
Ich werde nicht sterben, sondern leben. 
Und erzählen die Taten Jahs. — 
^'Gezüchtigt hat mich Jaho, 
Aber dem Tode nicht preisgeg^en. 

d«r Ankauft vor dem Tempel: Festzug, eine Priertcntiiiuiie.) 
Offnet mir die Tore der Gerechtigkeit, 
Daß ich durch sie einziehe, Jah lobe. 
Dies ist das Tor, Jaho geweiht — 
Die Gereckten ziehen dadurch ein. 

im Binmg: Wechaelgesang Ewischen Featzug nnd Prieatei?) 
Ich lobe dich, daß du mich erhört hast 
Und mir wurdest zur HilfeS 
^Der Stein, den die Bauleute verworfen, 

Ist zum obersten Eckstein geworden. 
"Von Seiten Jahos ist dieses geschehen. 
Es ist wunderbar in unsem Ai^en.^ 
Dies ist der Tag, den Jaho gemacht — 
Laß uns frohlocken und seiner uns freuen} 
Ach, Jaho, hilf doch/ 
Ach, Jaho, laß doch gelingen/ 

(Segen^niB der Friester und Antwort des Festxugs.) 
Gesegnet sei, der kommt im Namen Jahos/ 
Wir segnen euch aus dem Hause Jahos. 

Gott ist Jaho und freundlich blickte er auf ung. 

(Anfforderung der Priester zum Opfei.) 
" Bindet das Festopfer mit Stricken 
Bis an die Hörrur des Atiars/* 

(Zum nnd noch dem Opfet,) 
Mein Gott bist du, ich lobe dich. 
Mein Gott, ich erhöhe dich. 
**Lobet Jaho, denn er ist freundlich. 
Fürwahr ewig währt seilte Güte.\ 



Pulm HS, lat, 

Idatenansdinck ffii 
ie lo^ 11", c) Geo 
Der Wortaiim ist n» 
idische Volllnfolf 
dlaug in der VSIkeni 
10 1.; i,Tit 3oi»} bead 
Im Solm und Brboi 
p. I Petri 2^*^. e) S 



Psalm 12 
Q Israels Helfer 

Ein Filgerlie 
meine Augen auf 
kommt mir Hilfe, 
ilfe kommt von Jt 
'Jiöpfer von Himn 

licht wanken lassi 
cklummert dein h 
:ht schlummerl uk 
iter Israels. 

iein Hüter, dein , 
iiner rechten Han 
Tag die Sonne di 
er Mond in der 1 

i dich behüten voi 
ehüten dein Leber, 
Uten deinen Ausg< 
m an bis in Ewti 

Psalm 12 
telfer wider das 

Ein Pifeerlle 

ht Jäho für uns ( 
}ch Israel — , 
W Jaho für uns ( 
iie Menschen wid