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Full text of "Die Grundzüge meiner Lehren über Cholera und Typhus"

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Die 



Grnndzflge meiner Lehren 



über 



Cholera und Typhus 



von 



Franz X. von ^etl, 

Geh. Rath und Leibarzt Sr. Majestät des Königs Ludwig IL, 
Professor und Oberarzt der L medicinischen Klinik und Abtheilung im 

städtischen Krankenhause 1. d. J. etc. etc. 



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MÜNCHEN 

Jos* Aiit. Finsterlin'sefae Bnekkandlnnsr 

187 5. 



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Akademische Buchdruckerei von F. Straub. 






/Vieine Forschungen und Arbeiten über Cholera 
und Typhus, welche sich unter fortwährendem Ver- 
gleichen und Prüfen durch Jahrzehende hinziehen, 
führten mich zu Sätzen, die immer bleiben werden. 
Diese sind nun in der Allgemeinen Zeitung zur Ver- 
breitung in die Kreise der Laienwelt in möglichster 
Kürze erschienen. Denn bestimmte Kenntnisse über 
Volkskrankheiten — wie Cholera und Typhus es im 
eminenten Grade sind — sollen unter Hinweisung auf 
die Mittel und Wege zum Schutze gegen dieselben 
die weiteste Verbreitung finden. 

Diese Sätze, welche die Grundzüge meiner Lehren 
über die zwei Seuchen enthalten, sind in dieser Schrift 
unter einigen Zusätzen wieder aufgelegt. 



München, den 30. Juli 1875. 



1140:53 

1* 

\VV 



lieber die Cholera. 



I. Asiatische Cholera. 

Im Jahr 1831 — der ersten Einschleppung der Cholera 
nach Deutschland — hatte die bayerische Regierung Aerzte 
zur Beobachtung der Cholera in die preussischen und die 
österreichischen Staaten ausgeschickt. In dieses Jahr fällt 
die erste Reihe meiner Beobachtungen, welche ich in Ber- 
lin, Breslau, Ratibor, Troppau, Olmütz, Brunn, Wien ge- 
macht habe. Im Jahr 1832 ward ich der Kreisregierung 
zu Regensburg wegen drohenden Einfalles der Cholera 
von Böhmen her zugetheilt. In dieses Jahr fällt die zweite 
Reihe meiner Forschungen in den Epidemien zu Chotie- 
mirz und Mies in Böhmen. In den Jahrgängen 1836/37, 
1854/55 und 1873/74 — den drei Epidemien in München 
— war ich im grossen städtischen Krankenbause 1. d. J. 
thätig, und in diese Jahre fallt die dritte Reihe meiner 
Arbeiten über die Cholera. Sechs Berichte, welche im 
Staatsministerium des Innern deponirt sind, und fünf Druck- 
schriften enthalten meine sämmtlichen Beobachtungen und 
Arbeiten über die Seuche. ^) 

Im Jahr 1831 kam ich in preussisch und in öster- 
reichisch Schlesien — wo kurz vor meiner Ankunft die 
Flüsse ausgetreten waren — zu dem Resultat: dass doch 
der Mensch das Gift verschleppe, und dessen Verbreitung 
durch Feuchtigkeit des Bodens, Unreinlichkeit und Fäul- 



1 ) Gedrängte Uebcrsicbt meiner Beobachtungen über die Cholera vom 
Jahre 1831 bis 1873 von Franz X. v. Gictl. Die Erp^ebnisse meiner Be- 
obachtungen über die Cholera vom Jahre 1831 -—1874 in ätiologischer und 
praktischer Beziehung von Franz X. v. Gietl etc. München, Christ. 
Kaiser, 1874. 



- 6 — 

niss begünstigt und unterstützt werde '). Die kleine leicht 
zu überschauende Epidemie in Chotiemirz brachte mir über 
manche Punkte Ueberzeugung , und war mir vielfach be- 
stimmend in den Beobachtungen späterer Epidemien *). 

Chotiemirz, ein Dorf von 258 Einwohnern in Böhmen, 
liegt in einem sumpfigen Thal und ist von der Südseite 
von zwei Teichen eingeschlossen. Ein verheiratheter Mann 
dieses Dorfes hielt sich im Rakowitzer Kreis auf, wo die 
Cholera herrschte, und wurde wegen Betteins nach Chotie- 
mirz zurückgebracht. Auf der Rückreise ward er von 
Diarrhoe befallen, ohne dass sich daraus eine höhere Cho- 
leraform entwickelte oder er sich besonders krank fühlte. 
Dieser Mann Hess nun seine verunreinigte Wäsche, weil 
sie sein eigenes Weib nicht waschen wollte, in einem an- 
dern Hause von einer armen Frau (Sibylla Kormann) 
waschen, welche die Wäsche in ihrer Stube trocknete. 
Zwei oder drei Tage darauf erkrankte am 10. Mai 1832 
der Mann (Sebastian Kormann) dieser Frau nach 3 — 4 mal 
vorhergegangener Diarrhöe an sehr intensiver Cholera und 
starb nach 18 Stunden. Am 12. Mai erkrankte in dem 
Hause des Sebastian Kormann eine Frau, Anna Koch- 
mann, und in dem Nachbarhaus eine Weberfrau, und zu- 
gleich, entfernt von diesen beiden Häusern, ein 7 5 jähriges 
Weib. Am 13. Mai wurden die SibyUa Kormann, welche 
die Wäsche des obenerwähnten Bettlers gewaschen hatte, 
und der Mann der Anna Kochmann von der Cholera be^ 
fallen. So überfiel sie nun Haus für Haus, und hielt sich 
vorzüglich in jenen Häusern fest, welche zunächst den 
Teichen liegen. Im Ganzen erkrankten 26 Bewohner dieses 
Dorfes. 

Diese Epidemie gibt nun Beweise bis zur Evidenz, 
dass an den Ausleerungen das Gift haftet, sich dasselbe 
ausserordentlich rasch verfielfaltigt und mit Diarrhöe Be- 
haftete, welche sich gar nicht krank fühlen, Epidemien 
veranlassen können. Von Epidemie zu Epidemie habe ich 
immer die Beobachtungen der vorhergegangenen controlirt 
und geprüft, und bin allmählich zu folgenden Sätzen gelangt : 

Es gibt viele Schädlichkeiten und Gifte, welche Cho- 



1) IIL Bericht über die Cholera -Epidemie in Breslau, den 28. Nov. 
1831. IV. Bericht aas den Beobachtungen über die Cholera in Schlesien, 
Mähren und Wien, den 22. Dec. 1831. 

2) y. Bericht über die Cholera-Epidemie zu Chotiemirz im Klattaner 
Kreis in Böhmen, Contumaz zu Höll bei Waldmünchen, den 5. Mai 1832. 



— 7 — 

lera- Anfalle veranlassen, aber das Choleragift steht an der 
Spitze dieser Schädlichkeiten und besitzt diese Kraft im 
eminentesten Grade mit der Eigenschaft, sich in grossem 
Masse zu vervielfältigen. Es gibt keine Differentialdiagnose 
der Cholera - Anfälle nach den Ursachen, und die giftige 
— asiatische — Cholera kann erst diagnosticirt werden, 
wenn mehrere Fälle in immer kürzeren Zeiträumen auf- 
einanderfolgen. Ist das Gift in den Körper gerathen , so 
entzieht es demselben auf der Magen - Darmschleimhaut 
grosse Quantitäten von Gewebswasser, verlangsamt den 
Säftestrom und Blutkreislauf und hemmt schliesslich die- 
selben, aus welchen physiologischen Störungen alle die 
furchtbaren Erscheinungen und das rasche Hinsterben sich 
sattsam erklären lassen. Der Träger des Choleragiftes ist 
ein Staub (organischer Natur), wofür es die schlagendsten 
Beweise gibt^), welcher wohl desswegen mit allen Mitteln 
noch nicht erkannt wurde, weil dieser Giftträger, gleich 
einem jeden andern Staube, durch seine Form das Gift so 
wenig erkennen lässt, als das Mikroskop und die Chemie 
den Pocken-, Rotz- und syphilitischen Eiter etc. von 
dem nicht giftigen sogenannten guten Eiter unterscheiden 
können. 

Der Leib und die Leiche des Cholerakranken , wenn 
sie rein gehalten sind, geben keine Veranlassung zur An- 
steckung ; daher kommt es, dass doch im Allgemeinen die 
Zahl der Erkrankungen im ärztlichen und im Wärter-Per- 
sonal gering ist. Die diarrhöischen Stühle aber bergen 
das Gift, dessen Träger noch mannigfache Metarmophosen 
bis zu einer zur Verbreitung befähigten Gestaltung durch- 
zumachen hat. Dieser Giftkörper kann sich seiner Be- 
schaffenheit nach überall niederschlagen und an allen Ge- 
genständen festsetzen. Das Choleragift besitzt ein zähes 
Leben und behält seine Wirksamkeit und Kraft Monate 
lang. Bisher ist es nicht gelungen, Gegenstände und Dinge 
herauszufinden, auf welche sich das Gift mit besonderer 
Vorliebe niederlässt und daran festhält. Es bleibt überall 
da haften, wo ein so feiner Körper wie Staub hingerathen 
kann. Gewiss ist es, dass der Mensch nicht cholera ver- 
giftet sein kann, wenn er das Gift nicht verschluckt hat; 
daher vorzüglich Speisen , weniger Getränke , weil sie in 
mehr geschlossenen Gefässen aufbewährt werden, eine so 



1) Die Ergebnisse meiner Beobachtungen über die Cholera Seite 12 
und 19. 



— 8 — 

grosse Rolle bei der Verbreitung des Giftes übernehmen. 
Das Wasser gibt nur Veranlassung zu Choleraanfällen, 
wenn Gift in dasselbe gekommen ist. 

In überwiegender Mehrzahl der Fälle treten die stür- 
mischen Erscheinungen 3 — 5 Stunden nach eingenommener 
Mahlzeit ein. Uebrigens weisen doch meine Nachforsch- 
ungen und Beobachtungen auf Speisen hin, welche eine 
Bevorzugung für das Festhalten und Gedeihen des Giftes 
zu haben scheinen. Alle Zubereitungen aus fetten Fleisch- 
sorten, aus Eingeweiden und namentlich alle Artikel aus 
Charcuterien — als Blut- und Leberwürste, die verschie- 
denen Sorten geräucherter Würste, Presssack, Leber- 
käs etc. , welche ohnehin fast immer von Schimmel und 
Pilzen durchzogen sind, gehören dahin. Die eigenthüm- 
liche und häufig räthselhafte Zerstreuung, dann das blitz- 
ähnliche Auftauchen einzelner ausser allem Verkehr ge- 
standenen Fälle finden ihre Erklärung nur darin , dass 
ihnen das Gift durch Speisen zugetragen wurde. Ich be- 
gegnete Bäckern und Köchinnen in Kaffeehäusern, welche 
mit Choleradiarrhöen behaftet noch mehrere Tage das 
Kneten des Teiges und das Zubereiten von Speisen bis 
zum Ausbrucl^ heftigster Anfalle fortsetzten, wobei man 
jsich des Gedankens nicht entschlagen kann, ob nicht auf 
diesem Wege Gift in Brod und Speisen kam. Daher ge- 
wiss Gasthöfe und Kaffeehäuser, vorzüglich aber Charcu- 
terien, kleine Wirths- und Kaffeehäuser, wo fortwährend 
ein lebhafter Menschenverkehr stattfindet und in solchen 
Häusern auch Cholerafälle vorkamen, eine grosse Anzahl 
von Choleravergiftungen liefern. 

Die strenge Ordnung und Aufsicht über die Soldaten 
der Garnison München haben die Cholera-Erkrankungen 
auf eine sehr massige Zahl beschränkt. Aber unzweifel- 
haft haben viele der zerstreuten Fälle aus der Garnison 
ihre Infectionen aus den Wirthshäusern geholt. Die Nach- 
forschungen und Untersuchungen über die Wohnungen, 
namentlich die Schlafzimmer, führen zu denselben Ergeb- 
nissen wie beim enterischen Typhus. *) Kleine, dumpfe, 
dunkle Schlafzimmer neben Abtritten und Versitzgruben 
geben die grösste Zahl bei den Zusammenstellungen über 
die Wohnungen, insonderlich die Schlafzimmer der von 
Diarrhöen und den höheren Choleraformen Befallenen. 



2) Die Ursachen des enterischen Typhus in München von Franz X. 
Gietl. Leipzig 1875 S. 98 u. s. f. 



- 9 — 

Aus dert Zusammenstellungen aller Umstände und 
Verhältnisse, unter welchen kurz vor dem Anfall die Er- 
krankten sich befanden , ergaben sich folgende Zahlen : 
ein Drittheil kommt auf die oben genannten Speisen, das 
zweite Drittheil auf dunkle dumpfe Schlafzimmer neben 
Abtritten, Versitzgruben etc., und auf Häuser, in welchen 
Cholerakranke waren oder noch sind, das dritte und klei- 
nere Drittheil konnte keine Verhältnisse angeben, welche 
der Aufnahme des Giftes günstig gewesen wären. Dabei 
ist zu bemerken , dass viele den höheren Choleraformen 
Verfallenen unter dem Druck der Krankheit keine oder 
nur unsichere Angaben machen konnten, welche nicht zu 
verwerthen waren. Bei den Choleradiarrhöen aber fällt 
eine noch grössere Zahl auf den Genuss der oben er- 
wähnten Speisen.*) Durch Speisen und in Schlafzimmern 
geschieht die weit überwiegende Zahl der Infectionen. 

Dass unter solchen Verhältnissen nicht noch mehr 
Menschen vergiftet werden, mag ^^ohl in den vielen Um- 
wegen und Zufälligkeiten liegen, welche zur Einführung 
des Giftes in den Magen nothwendig sind. 

Hat das Gift nun einmal einen Ort eingenommen, so 
bleibt es Monate lang daselbst haften, wozu dann wieder 
Zufälligkeiten gehören, bis es in den Magen des einen 
oder andern Inwohners geräth. Das Choleragift findet im 
allgemeinen sein Gedeihen überall da, wo Unreinlichkeit 
und Fäulniss ist, wo alle die niedersten der Beobachtung 
sich entziehenden Organismen in kolossaler Menge ihre 
Entstehung und Entwicklung haben. Daher das Gift in 
jenen Bevölkerungsschichten in so überwiegender Zahl 



1) Als Beispiel und Coranicntar mag dienen: im Monat Decembor 1873 
wurden 167 ('holerakranke auf nioinor .Äbtheilung behandelt, wovon 36 
asphyktisdie Fälle, 35 Cholerinen und 96 Cholcradiarrhöen waren. Von 
dieser Gesammtzabl wurden 79 nach dem (ienusse folgender Speisen von 
der Cholera befallen: Frankfurter Blutwurst, Leberwurst, Milzwurst, Zungen- 
wurst, Schwartenraagcn , Leberkäs,, geräucherte Würste, roher Schinken, 
fetter Schweinsbraten, geröstete und sogenannte saure Leber, eingemachte 
Lunge, eingemachtes Gekröse, Käse, übriggebliebene Speisen in Wirths- 
häuscrn; 45 hatten ungesunde Schlafstätten: diese waren dunkel, mit 
kleinen Fenstern oder ohne Fenster, neben Aborten oder über Versitzgruben, 
Ueberfüllung kleiner Zimmer mit hiwohnern , oder sie kamen von Cholera- 
Herden; 10 gaben Verkältung an, 3 wurden im Krankenhause, nachdem sie 
schon längere Zeit mit andern Kranklieiten behaftet daselbst gelegen, von 
der Cholera inficirt; eine Kranke nahm ein Abführmittel (Salzburger Tliee, 
dessen Bestandtheil grösstentheils Sennablätter sind) ; zwei wurden bewusst- 
los ins Krankenhaus gebracht, und 27 wussten keine Einflüsse anzugeben, 
welche die Aufnahme des Giftes begünstigt hätten. 



— 10 — 

seine Verwüstungen anrichtet, welche sich den die Fäul- 
niss befördernden Einflüssen nicht entziehen können ; wäh- 
rend es im Verhältniss zu jenen in sehr wenigen und nur 
einzelnen Fällen in die höheren Schichten hinaufreicht. 

Fäulniss und faulende Stoffe könnefn durch sich allein 
alle Formen der Cholera — bis zum asphyktischen An- 
fall — veranlassen, aber ohne Fortpflanzungs- und Ver- 
vielfältigTingsvermögen. Witterungs- und Temperaturver- 
hältnisse haben keinen merkbaren Einfluss auf die Ver- 
breitung dieses Giftes; aber Elementar-Ereignisse, wie 
Ueberschwemmungen, welche Fäulniss und Elend als Be- 
gleiter haben, geben dem Gifte Gedeihen und Verbreitung. 
Vielleicht vermögen Winde und Stürme dem Giftstaube 
grössere Verbreitung zu geben, worüber aber keine 
sichern Beobachtungen existiren. Ebenso sind die Jahres- 
zeiten ohne besonderen Einfluss auf den Verlauf der Epi- 
demie. Denn die Zunahme und das Exacerbiren derselben 
im Spätherbst und Winter liegt zum grössten Theil in der 
Zuwanderung von Arbeitern in die Städte, in dem Zu- 
sammendrängen der Einwohner in enge Räume beim Ein- 
tritt der Kälte und in dem Mangel an Reinlichkeit unter 
solchen Verhältnissen; daher auch im Winter die Epide- 
mien in Städten bei dem für das Gift so gedeihlichen 
Boden nicht zu Ende gehen wollen. 

Dysenterie und Cholera sind Geschwister und Kinder 
heisser Länder — der Tropen; sie entstehen nun da aus 
uns unbekannten Factoren, deren Keim im Menschen sich 
vervielfältigt und durch deti Menschen überallhin verbreitet 
wird. Cholerafalle mit dysenterischen Stühlen habe ich 
in allen Epidemien beobachtet. 

Das Choleragift kann sich daher nie und nimmermehr 
autochthon entwickeln , und wird immer durch den Ver- 
kehr — den Menschen und die Gegenstände, welche mit 
Cholerakranken in Berührung waren — importirt und 
weiter verschleppt. 

Wenn nun einmal das Gift den Menschen verlassen 
hat, so ist er nicht mehr zur weitern Verbreitung noth- 
wendig, indem diese durch Tausende von Gegenständen 
geschieht; daher auch Gesunde das Gift verschleppen 
können. 

Das Gift hat Intensitätsgrade, indem dasselbe einfache 
gefärbte Diarrhöen, Gewebswasserstühle (Reiswasserstühle) 
ohne weitere Ausschreitungen, Cholerinen und endlich 
Cholera- Anfalle , die in wenigen Stunden tödten , veran- 



— 11 — 



lasst. Diese Stufen liegen in den Intensitätsgraden des 
Giftes und in jedem Falle in viel geringerem Grad in der 
Disposition und Individualität als man gewohnlich annimmt. 
Denn man kann täglich in grossen Spitälern sehen, wenn 
in einem Saale gleichzeitig mehrere Infectionen geschehen, 
wie die Kräftigsten von schnell tödtender Cholera befallen 
werden , und diesen gegenüber Schwächliche und schon 
Sieche mit leichten Anfällen durchkommen 

Das Choleragift verhält sich' zur Disposition wie etwa 
der Arsenik zu derselben; man wird vom Arsenik mehr 
oder weniger vergiftet nach der Stärke des Giftes und der 
Gabe, in welcher es in den Magen kommt. 

Die geringen Cholera-Infectionen , als Diarrhöen und 
Cholerinen, machten nach Zusammenstellungen auf meiner 
Abtheilung — in den Jahren 1854/55 und 1873/74 — et- 
was mehr als zwei Drittheile gegenüber den schweren 
Fällen aus. Allerdings ist eine genaue Statistik nicht 
möglich, weil eine Differentialdiagnose der gewöhnlichen 
Diarrhöen und einheimischen Choleraanfälle von den giftigen 
nicht besteht. ^) 

Uebrigens ist es eine durch massenhafte Thatsachen 
erhärtete Wahrheit, dass die Diarrhöen die Verschlepper 
und Zerstreuer des Giftes sind , und die asphyktischen 
Fälle erst heraufkommen, wenn schon lange durch Diar- 
rhöekranke und die verschiedensten Gegenstände das Gift 
in Städten und Ortschaften verbreitet ist. Man kann diess 
in Hospitälern, Casernen und überhaupt stark bevölkerten 
Häusern sehen, wie lange vorher Diarrhöen den asphyk- 
tischen Fällen vorhergehen. 

In Häusern, in welchen Cholerakranke lagen oder 
liegen, kommen viele Diarrhöen vor. 

1) Beeilt anschaulich wird dieser Satz gemacht durch die sorgfältige 
Zusammenstellung der im kgl. Garnisons-Lazareth vom 8. August 1873 his 
31. März 1874 behandelten epidemischen Diarrhöen und Cholera<ällo. 



Jahr. 


Monat. 


Cholera. 


Epidemische Diarrhöe. 


1873 


August 


20 


119 




September 


9 


19 




October 


1 


19 




November 


12 


48 




December 


26 


135 




Januar 


40 


202 




Februar 


50 


99 




März 


5 


45 




126 


686 



— 12 — 

Gleichfalls macht man sehr häufig die Beobachtung, 
dass in einem Hause mehrere Inwohner an Diarrhoe leiden 
und schliesslich nur einer von diesen nach kurzer Diar- 
rhöe einer asphyktischen Cholera verfällt, und dann keine 
weiteren Cholerafälle mehr vorkommen. 

Es ist durch viele Beobachtungen nachgewiesen, dass 
ein Choleradiarrhöekranker, der weder ein besonderes Ver- 
halten, noch viel weniger ärztliche Hülfe bedurfte, eine 
Cholera-Epidemie veranlassen kann. (Chotiemirz.) 

Die Annahme, als wenn die ganze Bevölkerung einer 
Stadt oder eines Ortes an dem Gifte theilnehmen könnten, 
was sich durch Unruhe , Beklommenheit , Kollern in den 
Gedärmen kundgibt, und es nur eines äussern Anstosses 
bedarf, um einem starken Ausbruch der Cholera zu ver- 
fallen, ist eine chimärische Vorstellung. 

Die Epidemie im Ganzen verläuft unter Ab- und Zu- 
nahme — in Curven — macht aber nie vollständige Inter- 
missionen, indem die Epidemie in diarrhöischen Formen 
noch fortläuft und die scheinbaren Intermissionen sich nur 
auf die asphyktischen Fälle beziehen. 

In den Diarrhöen liegt der Schwerpunkt der Cholera- 
Erkrankungen , sie sind der rothe Faden, welcher durch 
die Epidemie zieht. 

Die Cholera hat, wie alle die niedern Organismen, 
eine gewisse Lebensdauer, indem sie ihre Vervielfältigungs- 
kraft verliert, schwächer wird und abstirbt. 

Jedoch die Dauer der Epidemie hat noch" einen zwei- 
ten Factor in den Verhältnissen und Unterlagen, in denen 
sie mehr oder weniger Nahrung für ihr Forleben findet. 

Wiederholte Infectionen von Choleradiarrhöen, aber 
nicht von höheren Choleraformen , habe ich beobachtet. 
In jedem Falle scheint der einmal eholeradurchseuchte 
Körper für die Wiederaufnahme des Giftes abgestumpft 
zu werden. 

Die voran stehenden aus Erfahrungen geschöpften 
Sätze geben von selbst die Massregeln an die Hand, welche 
als Prophylaxis und Schutz gegen die Seuche zu ergreifen 
sind. Es ist hier nicht der Raum, in Einzelheiten einzu- 
gehen, und es wäre auch überflüssig, indem die Prophy- 
laxis in einer grossen Zahl von Schriften ') behandelt und 
deren Kenntniss überallhin verbreitet ist. Aber doch sollen 
hier einige Punkte berührt werden. 

1) Die Cholera nach Beobachtungen auf der I. med. Klinik und 
Abtheilung etc. von Franz X. v, Gietl, München 1855, pag. 43 u. s. f. 



— 13 — 

Quarantänen und Absperrungen , welche vielleicht in 
den asiatischen, der Cholera heimathlichen Ländern, um 
sie da festzuhalten, in Anwendung kommen könnten, sind 
in Europa unmöglich, daher alle Massregeln dahin ge- 
richtet sein müssen : der Seuche den Boden , auf dem sie 
Nahrung und Gedeihen findet, zu entziehen. Bisher haben 
sich fast alle Massregeln auf di^ aus cholerainficirten Län- 
dern kommenden Personen concentrirt, während noch zu 
wenig Aufmerksamkeit todten Gegenständen zugewendet 
ist, durch welche gleichfalls das Choleragift verschleppt 
und zerstreut wird. Daher sollen gebrauchte Wäsche, 
Kleider, Möbel, Lumpen, dann alle Stoffe und Fabricate, 
welche den Staub festhalten, als wollene Decken, fertige 
wollene Kleider , aus inficirten Gegenden und Städten 
einer Quarantäne von mehreren Wochen unter gehöriger 
Desinfection unterzogen werden. Aber alle Esswaaren 
aus Fleisch, alle Charcüterie-Artikel, als die verschiedenen 
Sorten von Würsten, geräuchertes Fleisch, Fische und die 
sogenannten Delicatessen , dann Speck, Butter, Schmalz, 
sollen aus inficirten Gegenden nicht eingeführt werden. 

Die asphyktischen Fälle zünden seltener, und das Gift 
scheint mit dem Tode des Kranken zu erlöschen. Daher 
in jedem Falle die Diarrhöen so viel und wohl noch mehr 
Aufmerksamkeit verdienen, als die asphyktischen Fälle. 
Die seit dem Jahr 1836 in München eingeführten Cholera- 
stationen müssen auch Diarrhöestationen sein, in welchen 
die Einrichtung getroffen ist, dass die daselbst dienst- 
machenden Aerzte die Bevölkerung ihrer Bezirke über die 
Diarrhöen belehren und überwachen, dass jede auch schein- 
bar unbedeutende Diarrhöe zur Anzeige und Behandlung 
komme. Denn wegen Mangels einer Differentialdiagnose 
ist während der Epidemie jede Diarrhöe als ein Abkömm- 
ling des Choleragiftes zu behandeln. 

Die Desinfectionen der Aborte sind unerlässlich, aber 
sie können nur erfolgreich sein, wenn die Gruben in kurzen 
Zwischenzeiten geräumt werden, denn bei starker Massen- 
anhäufung derselben wird die Desinfection illusorisch. 
Aber diese Desinfectionen dürfen sich nicht nur auf die 
Aborte beschränken , sondern haben sich auch auf alle 
Fäulnissstätten der Häuser und namentlich auf die engen 
geschlossenen Hofräume zu erstrecken , wenn der Nutzen 
derselben ergiebig sein soll. Kleine Wirths- und Kost- 
häuser, Wurstküchen, Charcuterien, Fleischbänke, Milch- 
häuser, Milchläden und selbst die Kaffeehäuser müssen 



— 14 — 

der sorgsamsten Ueberwachung unterliegen, weil that- 
sächlich aus diesen Häusern in grosser Zahl Infectionen 
geholt werden. Kommen Cholerafalle und Diarrhoen in 
solchen Häusern vor, so sind sie zu schliessen. 

Nach Zusammenstellungen in den Jahren 1854 — 55 
und 1873 — 74 liefern die weiblichen Dienstboten ein un- 
gewöhnlich hohes Contingent von Cholera - Erkrankungen 
mit grosser Sterblichkeit. In der Epidemie des Jahres 
1873 — 74 wurden im städtischen Krankenhause 1. d. I. 
673 Cholerakranke — davon 325 Männer und 348 Frauen 
— behandelt, von welch letztern 233 weibliche Dienstboten 
waren. Die Ursache dieses dustern Ereignisses liegt in 
den dumpfen, ungesunden Schlafstätten, wie sie oben be- 
schrieben worden, und zum Theil auch in der Nahrung 
aus Speisen, wie sie ebenfalls oben bezeichnet sind. Es 
scheint dieser giftige Staub in so dumpfen, dunkeln, wenig 
ventilirten und feuchten Räumen insbesondere Gedeihen 
zu finden, was er mit allen niedern Organismen theilt. 
Mögen die hier aufgeführten Zahlen ein Mahnruf an die 
Familien sein, ihren Dienstboten in der Zeit solcher Epi- 
demien gesunde Schlafstätten und unverdächtige Nahrungs- 
mittel zu geben. 

Bei der Zähigkeit und Lebensdauer des Choleragiftes 
können Wohnräume und Häuser, in welchen Cholerakranke 
lagen und starben, nicht vor drei Monaten bezogen werden, 
nachdem sie vorher ausgeschwefelt, die Wände abgekratzt 
und frisch getüncht worden sind. 

Einheimische Choiera. 

Es gibt eine grosse Zahl von Schädlichkeiten und 
Giften, welche choleraähnliche Zufälle selbst bis zur täu- 
schendsten Aehnlichkeit veranlassen können. Aber die 
fauligen Gifte verursachen Anfälle, welche der asiatischen 
Cholera, sowohl in den Symptomen am Lebenden als in 
dem Befunde der Leichen , völlig gleichkommen , indem 
ihnen nur die Fähigkeit der Fortpflanzung fehlt. 

Fäulige Stoffe, als verdorbenes in Fäulniss begriffenes 
Fleisch, ranzige Fette, darunter vorzüglich die verschie- 
denen Charcuterie- Artikel , Trinkwasser mit organischen 
faulenden Stoffen, das Einathmen und Verschlucken fau- 
liger Luft aus Fäulnissstätten machen Cholera-Anfälle. 
Im Winter des Jahres 1872 war das Krankenhaus 1. d. J. 
mit einer Zahl von Fieberkranken überfüllt, wie dasselbe 



— 15 — 

sie nie verpflegte. Meine Abtheilung hatte durchschnittlich 
205 Kranke, von denen 140 — 150 mit Fieber behaftet und 
wieder von diesen die grössere Zahl typhos und putrid 
Inficirte waren. Unter 417 putriden Infectionen waren 
17 Fälle, welche die Cholera in der ausgeprägtesten Art 
hatten , und zwar mit bedeutendem Wasserverlust und 
bei 14 mit Collaps, von denen 2 starben. Die Section der 
beiden Leichen wies einen Magenkatarrh und alle Zeichen 
vollständig nach, wie sie bei der asiatischen Cholera vor- 
kommen. 

Von diesen 17 Cholerakranken hatten 8 ihre Schlaf- 
stätten neben Aborten ; wozu eine Kranke, — welche den 
heftigsten Choleraanfall mit Collaps, Pulslosigkeit und 
eine kaum zu stillende Diarrhoe durchmachte, — ihr 
Schlaf- und Wohnzimmer zwischen Küche und Abort 
hatte, dessen Fenster in einen geschlossenen Hof geht 
und noch unter dem Fenster die Versitzgrube sich be- 
findet ; und eine andere Kranke nicht nur ein Zimmer neben 
dem Aborte bewohnte, sondern auch noch das Kanal- 
wasser in die Küche geleitet wird. Fünf hatten schlechte 
Schlafstätten, welche feucht, dunkel sind, und die Fenster 
in enge schmutzige Hofräume gehen, von denen eklicher 
Geruch in die kleinen Zimmer dringt, in welchen oft drei 
bis vier Mägde und mehr schlafen. Zwei hatten Kranke 
mit profusen Diarrhöen gewartet. Zwei gaben gute Schlaf- 
zimmer an und konnten überhaupt nicht eine bestimmte 
Ursache ihrer Erkrankung bezeichnen. 

Das Vorkommen von Cholerafallen unter putriden 
und typhosen Fiebern ist ein gewöhnliches und steht im 
geraden Verhältniss zu der Zahl dieser Fieber. Die ein- 
heimische Cholera ist eine stäte Begleiterin des Typhus 
und geht aus Typhusherden hervor; daher sie auch eine 
putride Erkrankung ist. 

Demnach nähert sich die einheimische Cholera auch 
in ihrer Ursache der asiatischen, indem letzterer das emi- 
tenteste und furchtbarste putride Gift zu Grunde liegt, 
welches aus den riesenhaften Fäulnissstätten Asiens heisser 
Länder vorzugsweise Indiens Deltagebieten entstammt und 
in den kolossalen Sümjpfen durch der Sonne glühende 
Hitze erzeugt wird. Dieses Gift, mit Fortpflanzungsfähig- 
keit begabt, gewinnt eine solche Selbstständigkeit, dass 
es den Mutterboden verlassen und unter ihm günstigen 
Verhältnissen, die alle in das Bereich der Fäuleiss gehören, 
eine Zeit lang gedeihen und fortleben kann. 



— 16 — 

Weil es nun zwischen einheimischer und asiatischer 
Cholera — weder in dem Lebenden noch Todten — eine 
Differential-Diagnose nicht gibt, so kann, wie schon oben er- 
wähnt, die asiatische Cholera nur nach ihrer Fortpflanzungs- 
eigenschaft diagnosticirt werden, also nur dann, wenn 
mehrere Cholerafalle in immer kürzeren Zwischenzeiten 
auftreten. Dieser Punkt ist von der grössten Tragweite, 
weil, voreilig und ohne diese Rücksicht diagnosticirt, über 
Städte und Länder viel Unheil gebracht werden kann. 



lieber den Typhus. 

Thatsachen. 

Meine vieljährigen Arbeiten und Forschungen über 
den Typhus im städtischen Krankenhause 1. d. J. vom 
Jahre 1838 — 1875, in welchem Zeitraum München seine 
grössten Epidemien durchzumachen hatte, erstrecken sich 
nun über ein Material von achttausend Fällen ; die daraus 
gewonnenen Resultate sind hier in aller Kürze vorgetragen. 

Der Mensch schafft sich selbst durch seine Lebens- 
weise unbewusst Keime verderblicher Krankheiten, von 
denen die durch Fäulniss veranlassten obenan stehen; er 
steht immer mehr oder minder im Kampfe gegen die 
Fäulniss, die ihn fortwährend tückisch zu beschleichen 
droht. Bis zum Jahr 1839 war der Typhus in München, 
sehr massig; er gewann aber Verbreitung mit der Zu- 
nahme der Häuserzahl und der Bevölkerung. Allgemein 
bestand die Anschauung, dass das Nerven- und Schleim- 
fieber — jetzt Typhus genannt — sich aus jeder Krank- 
heit entwickeln und mit jeder Fieberform verbinden könne; 
so nun vermengte sich der Typhus undefinirt und unbe- 
gränzt unter die Fieberformen aus den verschiedensten 
Ursachen. Vom Jahr 1839—1842 zog sich eine Fieber- 
epidemie unter geringen Curven hin, aus welchen bald 
herauszufinden war, dass ein specifischer Giftstoff einem 
grossen Theil dieser Fieber zu Grunde liegen müsse, und 
ich richtete nun meine Forschungen nach den Ursachen 
und Quellen dieses Infectionsfiebers. ') 

1) Die Ursaclien des entcrischen Typhus in München von Franz X. 
y. Gictl. Leipzig 1865. Verlag von Wilhelm Engelmann. 



— 17 — 

Das grosse städtische Krankenhaus 1. d. J. hat 500 
Betten und verpflegt jährlich 9000 Kranke. In den Winter^ 
und Frühlingsmonaten der letzten Jahre ist das Haus voll- 
ständig belegt gewesen, und nahezu zwei Drittheile der 
Pfleglinge sind Fieberkranke, welche die Hälfte der Typhus- 
kranken der Stadt — mit Ausschluss der Vorstädte — 
einschliessen ; die andere Hälfte kommt auf die Privat- 
pflege. Obgleich der Typhus in sehr massiger Zahl bis 
zum Jahr 1838 im Krankenhause vertreten war, so ver- 
fielen doch von Zeit zu Zeit die Assistenten dem Typhus ; 
aber von diesem Jahr (1838) ab kamen keine Typhus- 
erkrankungen unter den Assistenten mehr vor, nachdem 
die Aborte und Versitzgruben umgebaut, für Wasser- 
Closets gesorgt und gusseiserne emaillirte Schläuche durch 
alle Stockwerke geführt und cementirte Senkgruben her- 
gestellt worden sind. Vor allem hat die gewissenhafteste 
bis ins Kleine gehende Reinlichkeit unter der segens- 
reichen Wirksamkeit des Ordens der barmherzigen 
Schwestern vom hl. Vincenz die Erkrankungen im Orden 
selbst und in dem Krankenhause wohnenden Dienstper- 
sonal auf eine höchst geringe Zahl herabgebracht. Solange 
die Wäsche der Kranken unmittelbar von zwölf Mägden 
gereinigt und besorgt wurde, verfielen alljährlich mehrere 
von ihnen dem Typhus; mit dem Jahr 1851, der Einführung 
einer Dampfvorrichtung zur Reinigung der Wäsche, welche 
die Mägde nicht mehr unmittelbar mit ihr in Berührung 
brachte, hörten diese typhösen Erkrankungen auf. In der 
langen Reihe von Jahren, als ich ohne Unterbrechung 
Dienste im Krankenhause machte, hat sich nie im Kranken- 
hause ein Typhusherd angesetzt Die Uebertragung des 
Typhus auf Nebenkranke ist im Ganzen gering und über- 
steigt nicht die Zahl von 3 Proc. , obwohl es bei aller 
Mühe unmöglich ist eine ganz genaue und richtige Zahl 
der im Spital von Typhus angesteckten Nebenkranken 
zu gewinnen. Denn in die bedeutende Zahl von Fieber- 
kranken eines so grossen Spitals mengen sich manche im 
Hospital geschöpfte Infectionen, die aber hinsichtlich ihrer 
Quelle nicht immer , zu diagnosticiren sind. Die weit über- 
wiegende Zahl der Befallenen waren solche die schon lange 
mit acutem Rheumatismus, Entzündung verschiedener 
Organe und sonstigen chronischen Krankheiten im Spital 
lagen, das Bett nicht verlassen konnten und sich der Leib- 
schüssel bedienen mussten, wobei die Vermuthung sich 
gehend macht, dass die Leibschüsseln manche Infectionen 

2 



— 18 — 

vermittelt haben mögen. Dagegen stehen die Erkrankun- 
gen an Gastricismen , fieberlosen und fieberhaften Diarr- 
höen, an Cholera- Anfallen in geradem Verhältniss zu der 
Zahl der Fieberkranken, und haben bei ungewöhnlicher 
Anhäufung von Fieberkranken in den Jahren 1871 — 1873 
eine ausserordentliche Höhe erreicht , indem unter diesem 
Einfluss die Typhuskranken selbst kein Gedeihen finden 
konnten, wovon mehrere dem Brand der Zunge, des 
Gaumens, der Augenlider und der Diphtherie verfielen. 
Sehr augenfällig tritt diese Nosokomialinfection durch 
folgendes Ereigniss hervor. Im December 1857 und 
Januar und Februar 1858 wurden in zwei Reconvale- 
scentensälen der Frauen Typhusreconvalescenten und am 
Schlüsse des Typhus stehende Kranke, von denen mehrere 
brandigen Decubitus und eine Kranke eine* jauchige Zer- 
störung der Parotis hatten, mit anderen Kranken zusam- 
mengelegt. Nach wenigen Tagen bekamen fast alle 
Kranken profuse Diarrhöen, mehrere heftiges Erbrechen 
und eine Kranke die ausgebildetste Cholera. Eine an- 
dere Kranke hatte ein reines Geschwür an der Schläfe 
in Folge eines weggeätzten Hautkrebses, welche ebenfalls 
Diarrhöe und Erbrechen bekam und bei der sich das 
Geschwür schwarzgrau (diphtheritisch) belegte. Auf mein 
Ansuchen hatte Pettenkofer die Luft dieser zwei Säle 
untersucht und mir folgende schriftliche Mittheilung ge- 
macht: „Die Luft des Saales Nr. 53 enthielt in 10000 
Theilen 6,7 Kohlensäure und des Saales Nr. 54 enthielt 
in 10000 Theilen 6,6 Kohlensäure. Da nun dieser Kohlen- 
säuregehalt noch nicht 1 pro mille beträgt, so kann man 
die Luft nicht schlecht in Folge mangelnden Luftwechsels 
nennen. Dieses Resultat widerlegt übrigens noch keines- 
wegs das Vorhandensein eines Krankheitsstoffes in der 
Luft oder im Saal überhaupt ; es sagt nur, dass die Quelle 
der Krankheiten nicht im Mangel an Luftwechsel zu 
suchen sei.** Die zwei Säle wurden nun evacuirt, durch 
mehrere Tage die Fenster und Thüren offen gelassen und 
Chlor und Schwefel in Anwendung gebracht. Nachdem 
aber wieder Kranke in die Säle gebracht worden, ver- 
fielen sie von neuem den vorerwähnten Zufallen. Die 
Wände beider Säle wurden nun abgekrazt und getüncht, 
womit diese Infectionen aufhörten. 

Das Waschhaus des Krankenhauses liegt vom Mutter- 
haus (Kloster) in geringer Entfernung. Das Waschhaus 
hat ganz nahe einen zwanzig Fuss tiefen Brunnen, von 



— lo- 
dern das Wasser durch Druckwerk in einen unter dem 
Dache des Waschhauses befindlichen Behälter gepumpt 
wird. Auf der östlichen und nordlichen Seite des Wasch- 
hauses befinden sich in einiger Entfernung fünf Versitz- 
gTuben in continuirlicher Kette durch einen Canal ver- 
bunden. Die Versitzgruben sammeln das Wasser, welches 
zum Reinigen der Krankenwäsche und also auch der vielen 
Typhuskranken, gebraucht wurden. Dieses Abwasser ge- 
langt nun durch die Canäle in die Versitzgruben. Auf 
solche Weise stagniren in den einzelnen Gruben die wenigen 
flüssigen Bestandtheile des Abwassers. In der letzten 
Grube, welche die meiste Flüssigkeit enthält und in die 
auch noch das übrige abfliessende warme Wasser geleitet 
wird, bleibt sämmtlicher Inhalt und versickert allmählig 
in die umliegende Erde. In Mitte dieser Versitzgruben 
liegt nun der Pumpbrunnen. Die fünf unter sich durch 
einen Canal verbundenen Versitzgruben enthalten das durch 
Schmutz und Excremente von Typhuskranken verunreinigte 
Wasser, aber mit dem Unterschied, dass die Gruben, in 
welche das Wasser zuerst fliesst , mehr die festen , die 
andern die schlammigen und flockigen Stoff^e zurückhalten. 
Der Inhalt dieser Gruben, mikroskopisch untersucht, zeigt 
alle nur möglich denkbaren Formen von in Zersetzung 
begriffenen Substanzen, wie sie eben der Wäsche einer so 
grossen Zahl von schwer Erkrankten anklebt. Das Wasser 
des Pumpbrunnens zeigt ganz dieselben Bestandtheile der 
in Zersetzung und Fäulniss begriffenen Substanzen, aber 
in grösserer Verdünnung. Die chemische Untersuchung 
des Wassers des Pumpbrunnens wies einen bedeutenden 
Gehalt von organischen Stoffen und salpetersauren Salzen 
nach. Vom 17. bis 28. September 1860 nun geschah die 
Reinigung der Canäle der Stadt, während welcher die 
Wasserleitungen sistiren. Spital und Klosterküche wurden 
mit Wasser aus Pumpbrunnen im Klosterhofe versehen, 
während das Wasser zum Reinigen und zu Bädern aus 
dem oben beschriebenen, in Mitte der Versitzgruben liegen- 
den, Pumpbrunnen ins Kloster und ins Spital geleitet 
wurde. Ungeachtet des Verbots, von diesem Wasser zu 
trinken, haben doch mehrere Mitglieder des Ordens ein- 
gestandenermassen zwischen dem 17. und 28. September 
davon getrunken. 

Vom 19. September bis 4. October erkrankten in 
rascher Folge 33 Mitglieder des Ordens, meist aber No- 
vizinnen. Davon hatten 1 1 schwere und 9 leichte Typhen 

2* 



— 20 — 

und fieberhafte Darmkatarrhe, 6 Erbrechen und Diarrhöen 
ohne Fieber. Anfangs October gingen noch 7 Novizinnen, 
welche auf das Trinken des erwähnten Wassers sich un- 
wohl fühlten, in ihre Heimath. Von diesen 7 starb eine 
nach 19 Tagen, und zwei lagen noch schwer darnieder. 
Von den 26 im Mutterhaus Verbliebenen starben vier. 
Es ist nun bis zur Evidenz erwiesen, dass die 33 Erkrank- 
ungen in dem Genüsse des mit Fäcal- und fauligen Stoffen 
gemischten Trinkwassers ihre Veranlassung hatten. 

Vom Jahre 1839 ab ist der Typhus in München unter 
oft bedeutenden Schwankungen und Remissionen stationär 
geworden. Er hat sich allmählich über die ganze Stadt 
ausgebreitet, und es wird keine Strasse sein, in der nicht 
Typhuskranke vorkamen. Aber das Charakteristische seiner 
Verbreitung ist das gruppenartige Auftreten ; wo ein 
wahrer Typhusfall sich zeigt, waren mehrere oder werden 
mehrere nachkommen. Das Verfolgen der Gruppen, die 
in grössere und kleinere zerfallen, führte zu der Erkenntniss, 
dass ihnen Localursachen zu Grunde liegen. 

Aus der Aufzeichnung und Besichtigung der Wohn- 
ungen der in meine Abtheilung zugehenden Typhuskranken 
durch eine lange Reihe von Jahren ist ersichtlich, dass 
mehrere Strassen, kleinere Gruppen von Häusern, dann 
selbst einzelne Häuser zu verschiedenen Zeiten Typhusfälle 
in geringerer oder grösserer Zahl liefern. Nun aber er- 
eignet es sich auch, dass der Typhus einen Theil seiner 
früheren Stationen verlässt und frische aufsucht ; ein ander- 
mal haftet er fest in einzelnen Strassen und Häusern, aus 
welchen dann das ganze Jahr in verschiedenen Zwischen- 
zeiten Typhuställe kommen. Demnach gibt es stehende 
und wandelnde Typhusherde. 

Im Jahre 1852 hatte fast jedes Haus in der Schwan- 
thaler-Strasse Typhuskranke, in einem Hause kamen in 
kurzer Zeit die schwersten Typhusfalle vor ; in den folgen- 
den Jahren war der Typhus aus dieser Strasse verschwunden. 
Im Jahre 1853 war in der Schillerstrasse ein bedeutender 
Typhusherd. In einem Haus dieser Strasse erkrankte 
innerhalb weniger Tage eine Familie von acht Personen, 
von welchen zwei starben und die übrigen sechs die bös- 
artigsten Formen durchmachten. Die folgenden Jahre war 
der Typhus aus dieser Strasse verschwunden. In einem 
Haus der Amalienstrasse kamen in einem Zeitraum von 
zehn Jahren 14 Erkrankungen an Typhus vor. Die Be- 
fallenen waren Studierende der Universität, bewohnten in 



— 21 — 

diesem Haus der Reihenfolge nach dieselben Etagen und 
meist dasselbe Zimmer, und es erlagen zwei von ihnen der 
Krankheit. Die königliche Residenz mit ihren hohen und 
weiten Räumen, welche immer 80 bis 85 Inwohner hat, 
war mit Aborten und Canälen verwahrlosten Zustandes 
versehen. Alljährlich kamen ein bis zwei Typhen vor, 
denen Diarrhöen und gastrische Fieber vorangiengen oder 
nachfolgten, und immer waren dieselben Abtheilungen und 
Wohnungen der königlichen Residenz getroffen. In einer 
dieser Wohnungen war eine Familie von acht Personen, 
welche im Januar des Jahres 1856 nach mehrtägigem Thau- 
wetter in Folge heftiger Ausdünstung vom Aborte her an 
Diarrhöe und Erbrechen erkrankten ; die Bonne der Kinder 
bekam den Typhus und wurde ins Spital gebracht, und 
ihre Stellvertreterin verfiel schon am dritten Tag ihres 
Aufenthaltes in dieser Wohnung einem Fieber mit Erbrechen 
und Diarrhöe. Als nun die Aborte und Canäle gründlich 
hergestellt, umgebaut und in den besten Stand gebracht 
wurden und darin erhalten werden, sind seit mehr als fünf 
Jahren Typhus und putride Erkrankungen verschwunden. 
Nur kam in einer Wohnung, dessen Abort vorübergehend 
in Unordnung gerathen war, vor etwa zwei Jahren eine 
einfache putride Infection mit Fieber vor. 

In einer weiten Strasse bildet ein sehr hohes Haus 
mit grossen und schönen Räumen und immer von wohl- 
habenden Familien bewohnt, mit zwei andern gleich hohen 
Häusern ein Dreieck , welches einen gemeinschaftlichen 
Hofraum hat. In diesem hohen Haus kamen immer Diarr- 
höen und Typhen vor, und wegen des zeitweisen Auf- 
tretens fauligen Geruches wurden Verbesserungen der 
Aborte vorgenommen, aber ohne besondern Erfolg, die 
putriden Erkrankungen hörten nicht ganz auf. Nun ward 
zu einer gründlichen Abänderung der Cloake, der Versitz- 
grube, der Abortrohre vorgegangen ; bei Vornahme dieser 
Reparaturen fand sich eine Versitzgrube, deren Existenz 
Niemand ahnte und welche wenigstens vierzehn Jahre nicht 
mehr geleert und gesäubert worden war. Nach gründlich 
und energisch durchgeführten Arbeiten sind nun in diesem 
grossen Haus, dessen Einwohnerzahl sechzig beträgt, die 
typhösen und putriden Erkrankungen seit fünf Jahren 
verschwunden. 

Wies, nicht weit von Steingaden mid eine Stunde 
vom Trauchgebirge, 2662 Fuss über der Meeresfläche, hat 
fünf Wohnhäu$er mit f^lsig^m Untergrund, kp^tbar^ Trink- 



— 22. ~ 

wasser und die gesündeste Lage weit umher. Die Aerzte 
wissen nicht, dass da einmal der Typhus eingeschleppt 
worden sei. Ende Juni 1856 kam nun ein beurlaubter 
Soldat aus der Garnison München in seine Heimath Wies. 
Am vierten Tage nach seiner Ankunft entwickelte sich 
bei ihm ein heftiger Typhus, von dem er nach acht 
Wochen genas. Sein Bruder, der ihn pflegte, erkrankte 
vierzehn Tage darauf an Typhus von nicht sehr intensivem 
Verlaufe. Der dritte Bruder, ein stets gesunder, kräftiger 
Bursche, Holzarbeiter im Gebirge, kam nach Hause, um 
seinen kranken Bruder zu besuchen. Einige Zeit nach 
diesem Besuche verfiel er dem heftigsten Typhus, dem er 
am 21. Tage erlag. Im August erkrankten derWirth und 
die Wirthin an Typhus. Im benachbarten Haus erkrankte 
eine alte Frau an Typhus und genas. Erst im November 
1856 erlosch der Typhus in diesen Häusern. Von den 
fünf Wohnhäusern zu Wies blieb imr ein Haus verschont, 
das von zwei alten Leuten, die in grosster Abgeschieden- 
heit lebten, bewohnt war. In das Haus, in dem der be- 
urlaubte Soldat mit seinen Brüdern lag, kam ein gesundes 
Mädchen von 17 Jahren zum Besuche. Bald darauf er- 
krankte sie in ihrem väterlichen Hause, das eine halbe 
Stunde von Wies entfernt und isolirt steht, an Typhus 
und starb am vierten Tage der Krankheit. Dieses Mäd- 
chen wurde von ihrer Freundin, einem 18jährigen Mädchen 
aus einem benachbarten Dorfe, besucht. Bald nach diesem 
Besuche erkrankte sie und darauf ihr Bruder. Während 
des in Wies herrschenden Typhus wurden in der dortigen 
sehr besuchten Wallfahrtskirche Baulichkeiten vorgenom- 
men, bei welchen mehrere Arbeiter beschäftigt waren. 
Wegen zu grosser Entfernung ihrer Wohnhäuser über- 
nachteten sie auf den dortigen Heuböden. Ein Maurer 
aus dem benachbarten Trauchgau schlief in dem Hause 
des beurlaubten Soldaten, erkrankte sehr bald in seiner 
Heimath und erlag schon am zehnten Tage dem Typhus. 
Während der Erkrankung dieses Maurers verfielen in den 
benachbarten Häusern vier junge Leute dem Typhus. Von 
da wurde von diesen Arbeitern noch in drei nahegelegene 
Ortschaften der Typhus verschleppt, in welchen eine ziem- 
liche Anzahl Personen erkrankte und mehrere starben. 

Ein Soldat lag vier Wochen an Typhus im Militär- 
krankenhause zu München und wurde am 31. Decbr. 1869 
von da in seine Heimath Pfelling, Bezirksamts Bogen, 
entlassen. Sogleich ward er daselbst wieder bettlägerig 



— 23 — 

und starb an Perforation des Darmes. Darauf erkrankten 
mehrere Bewohner des Hauses, in welchem der Soldat 
starb, darunter drei Schulkinder. Von da nun wurde der 
Typhus in die Nachbarhäuser und selbst in die zunächst 
gelegenen Ortschaften verschleppt. 

Dr, Alb. Haug, welcher auf meiner Klinik und Ab- 
theilung sich auf das einlässigste mit dem Studium des 
Typhus beschäftigte, ^) theilte mir schon vor mehreren 
Jahren äusserst merkwürdige und werthvolle Beobachtungen 
über den Typhus mit. Im Dorfe Riedheim bei Günzburg 
a.D. wohnt eine Bauemfamilie Gerstibauer, zu zehn Köpfen, 
die beiden Eltern und acht Kinder. Zwei Schwestern 
dienten in Ulm und die dritte in einem Hause des Ortes, 
so dass die Eltern und die fünf Kinder zusammenwohnten. 
Im Dorfe Riedheim gab es durch lange Zeit keine Typhus- 
kranken. Im Jahr 1864 und Anfangs 1865 kam in der 
Familie Gerstibauer eine Reihe von Typhuserkrankungen 
vor. Am 14. Februar 1864 kam die Tochter Christine von 
Ulm, wo es Typhusherde gibt, in das väterliche Haus mit 
Typhus, der mild verlief. Sie lag im gemeinschaftlichen 
sehr geräumigen Wohnzimmer und wurde nur von ihrer 
Schwester Margaretha gepflegt, welche bei ihr im Zimmer 
schlief und die diarrhöischen Ausleerungen auf den vor 
dem Hause befindlichen Düngerhaufen brachte. Am 9. März 
kehrte Christine gesund nach Ulm zurück. An diesem 
Tage wurde der oben erwähnte Düngerhaufen abgeführt, 
und beim Aufladen waren die Töchter Margaretha, Ka- 
tharina, Ursula und die Mutter, dann der Sohn Christian 
beschäftigt. Nicht beschäftigt waren dabei der Vater und 
die jüngste Tochter. Sämmtliche beim Aufladen des 
Düngers beschäftigte Personen verfielen später dem Typhus, 
die beim Aufladen nicht Beschäftigten , Vater und die 
jüngste Tochter, erkrankten nicht. Zuerst erkrankte am 
Typhus Margaretha, welche die Christine gepflegt hatte, 
und starb am 28. März. Christine kam gleich am 14. März 
bei der Erkrankung der Margaretha von Ulm zurück zur 
Pflege derselben und der später erkrankten Geschwister, 
welche sie allein besorgte. Die Schwestern Katharina und 
Ursula schliefen sieben Nächte im Zimmer der Margaretha. 



1) BeobacbtangöD aus der medicinischen Klinik und Abtheilung des 
Professors v. Gietl im allgemeinen Krankenhause zu München mit einer 
BtatisÜschen üebersicht des Jahres 1856/57 zusammengestellt von Dr. Alb 
Haag, früher Assistenzart. München 1800. Diese Schrift enthält meine 
Lehren über die Ursachen, Pathologie und Therapie des Typhus. 



— 24 — 

Am 18. März erkrankten Katharina und die Mutter an 
heftigem Typhus und berstanden ihn. Am 24. März ver- 
fiel Ursula dem Typhus, und genas. Am I.April wurde 
der Sohn Christian von Kopfschmerzen, Erbrechen und 
vergrösserter Milz befallen, welche Erscheinungen bis zum 
10. April anhielten und dann verschwanden. Die Aus- 
leerungen der letzterwähnten fünf Kranken wurden in den 
vor dem Hause befindlichen Düngerhaufen an einer Stelle 
tief vergraben. Der Düngfer ward im Verlaufe des Sommers 
drei- bis viermal abgeführt. Bei dieser Arbeit halfen die 
nämlichen Personen, als sie nach überstandener Kränkelt 
wieder arbeiten konnten, die am 9. März dabei beschäftigt 
waren. Nur der Vater und die jüngste Tochter waren 
wieder wie am 9. März dabei nicht beschäftigt. Neun 
Monate nach den Erkrankungen auf das erste Abfahren 
des Düngerhaufens wurde er am 19. Dezember wieder ab- 
geführt, wobei hauptsächlich der Vater und der Sohn 
Christian, der schon nach dem ersten Wegführen des 
Düngers einige Tage gastrisch erkrankt war, Hand an- 
legten. Die Düngerstätte ward ganz entleert, und der 
Vater erzählt; dass er dem Sohne Christian, aus der Stelle, 
wo die Entleerungen vergraben waren, den Dunger zu- 
schob zum Aufladen auf den Wagen. Christian erkrankte 
noch desselben Abends an anginosen Erscheinungen mit 
bald darauffolgendem Typhus, dem er am 18. Januar 1865 
erlag. — 

Von dieser Familie waren somit sechs an Typhus er- 
krankt, wovon zwei starben. Die beiden Töchter, von 
denen eine in Ulm, die andere in Riedheim im Dienste 
waren, kamen gar nicht in das elterliche Haus. Nur der 
Vater und die jüngste Tochter, obgleich sie im Hause 
wohnten, erkrankten nicht. In dieser Hausepidemie sind 
folgende Thatsachen von Erheblichkeit. Der Typhus wurde 
von Ulm her in das Gerstlbauer'sche Haus eingeschleppt. 
Nach dem ersten Abfahren des Düngerhaufens am 9. März 
erfolgten die Erkrankungen in folgender Reihe: Marga- 
retha am 14. März, Katharina und die Mutter am 18. März 
und Ursula am 22. März am Typhus, Christian am 1. April 
an gastrischen Erscheinungen. Nach dem dreimaligen 
Abfahren des Düngers im Sommer kamen keine Erkrank- 
ungen vor; die Arbeit wurde von jenen besorgt, die den 
Typhus durchgemacht hatten. Bei dem völligen Weg- 
bringen des Düngerhaufens am 19. December ward Chri- 
stian inficirt und erlag dem Typhus. Margaretha pflegte 



— 25 — 

ausschliesslich ihre Schwester Christine. Katharina und 
Ursula schliefen in dem Zimmer der kranken Margaretha 
durch mehrere Nächte, ohne sich an der Wartung der 
Kranken zu -betheiligen. Die Mutter und der Sohn 
Christian kamen in keine Berührung mit dem kranken 
Mädchen, Margaretha, die alleinige Pflegerin der Christine, 
wird wahrscheinlich schon in der Krankenpflege die In- 
fection geholt haben. 

Bei Katharina und Ursula bleibt es unentschieden, 
ob die Infection in den Nächten, welche sie in dem Zimmer 
der Margaretha zubrachten , oder beim Aufladen des 
Düngers am 9. März geschah. Bei der Mutter jedoch 
fallt dieser Zweifel weg und die Infection geschah durch 
den Düngerhaufen. Neun Monate hatten die Typhus- 
erkrankungen im Gerstlbauer'schen Haus ausgesetzt, als 
Christian bei dem Abräumen der Düngerstätten eine In- 
fection erlitt, der er nach einigen Wochen erlag. Bei 
Christian sind gar keine Nebenumstände , welche nur im 
entferntesten die Infection durch den Düngerhaufen, in 
dem Typhusstühle vergraben waren, zweifelhaft machen 
können. Diese Beobachtung beweist auch die lange Dauer 
der Keimfähigkeit des Typhusgiftes und, wie es scheint, 
auch ein weiteres Aufschliessen desselben durch den 
Gährungs- und Fäulnissprocess in Düngerhaufen.*) 

Von früheren Assisten meiner Klinik und Abtheilung 
erhielt ich die werthvoUsten Mittheilungen über den Typhus 
während des deutsch - französischen Krieges der Jahre 
1870 und 1871. Namentlich hat Dr. Joseph Hauber, der 
schon auf meiner Klinik eingehende Studien und Arbeiten 
über das Fieber machte, aus Antony vom 29. Oct. 1870 
mir einen vortrefflichen Bericht zugeschickt; in welchem 
auseinandergesetzt und dargethan is£, wie unter dem engen 
Zusammensein sonst ganz gesunder Menschen, die unter 
der eisernen Macht des Krieges in Mitte ihrer Abfalle bei 
Mangel aller Pflege und Reinlichkeit des Körpers, leben 
mussten, sich von dem einfachen Magen - Darmkatarrh 
durch alle Stufen der Zersetzungen und Zerstörungen der 
Flüssigkeiten und Weichtheile des Körpers der Typhus 
in allen seinen grässlichen Formen herausbildete, und 
selbst unter den Symptomen-Gruppen der ausgebildetsten 
Cholera ablief. Die Wirkung fauligen Giftstoffes war 
hier in grossartigem Stil zu sehen, und Dr. Hauber fand 



1) Die Ursachen des enterischen Typhus in München etc S. 86 u. s. f. 



— 26 — 

alle die Beobachtungen und Sätze, die er in meiner Klinik 
machte und horte, im reichlichsten Mass erfüllt und 
bestätigt. 

Die Strafanstalt Kaisheim, nur für Männer bestimmt, 
hatte im Jahr 1859/60 1085 Sträflinge zu verpflegen. In 
sechs Jahren herrschten ohne Unterbrechung acute Er- 
krankungen des Nahrungskanals, als : Darmkatarrhe, Dy- 
senterie und Typhus , und die Gesammtsumme der Er- 
krankungen in diesem Zeitraum war 7141. Die Senk- 
gruben der Anstalt werden im Juli oder Augxist geräumt, 
und der Dünger dieser grossen Anzahl Büsser unmittelbar 
und unvermischt auf die neu cultivirten Felder des könig- 
lichen Gestüts Neuhof gebracht. Die Strafanstalt Eais- 
heim hat von dem konigl. Gestüt 70 Morgen Gründe zum 
landwirthschaftlichen Betrieb durch ihre Büsser gepachtet. 
Diese Gründe gehen in einer Linie von 4030 Fuss längs 
der Weideplätze der Fohlen, und wurden mit Menschen- 
dünger aus den Gruben der Strafanstalt überdeckt, wo er 
sechs bis acht Tage liegen blieb , bis er untergeackert 
wurde. An dem Saume der also gedüngten Felder wei- 
deten die ein- und zweijährigen Fohlen von dem Gestüt. 
Vor dem Ausbruch der Seuche in dem Gestüt wurden im 
weiten Umkreise der Ortschaften keine Krankheiten unter 
den Thieren wahrgenommen. Im August 1859 begannen 
die Erkrankungen unter den Pferden. Die ersten Er- 
krankungsfälle trafen zwei Hengstfohlen mit tödtlichem 
Ausgang; nun zogen sich diese Erkrankungen in verein- 
zelten Fällen und bei einigen mit tödtlichem Ausgang bis 
zum Herbst hin, als in kurzer Zeit rasch sechs Fohlen 
fielen. Alle die jungen Pferde waren auf der oben er- 
wähnten Weide. Die Seuche erstreckte sich nun auch 
auf das Nebengestüt Bergstetten, eine kleine Stunde von 
Neuhof entfernt und nur für eine Abtheilung des Gestütes, 
vorzüglich für Zuchtstuten bestimmt. Vom August 1859 
bis April 1863 • sind 106 Stück an der Typhusseuche ge- 
fallen. Am 12. October 1861 wurde eine Commission aus 
Thierärzten zusammengesetzt, zu welcher auch der ordi- 
nirende Arzt von Kaisheim, Dr. Baur, eingeladen wurde. 
Das schwerst erkrankte Pferd ward nun getödtet und 
secirt : das Blut war sehr dunkel und theerartig ; Herz und 
Lungen sind ohne Veränderung; die Leber ist blutreich 
und weich; die Gekrösdrüsen sind sämmtlich geschwellt 
und markig infiltrirt von der Grösse einer Bohne bis nahe 
einer massigen Mannsfaust; diese Schwellung der Drüsen 



— 27 — 

ist in der Nähe des Blinddarmes am bedeutendsten, die 
Schleimhaut des Dünndarmes ist geschwellt, gewulstet und 
ekchymotisch. Dr. Baur erklärte nun schliesslich: dass 
dieser Befund jenem in den Leichen typhuskranker 
Menschen gleichkomme, bei mangelnder Schwellung und 
Schorfbildung der Drüsen der Darmschleimhaut. Ich be- 
gab mich nun nach den genannten Gestüten , und habe 
die genauesten Untersuchungen nach jeder Richtung an- 
gestellt und den Verlauf der Seuche unter den Pferden 
weiter verfolgt, welche Forschungen mich zu der Ueber- 
zeugfungr drängten , dass diese verheerende Typhusseuche 
ihre Quelle in dem auf die Wiesen gebrachten Menschen- 
dünger von der Strafanstalt Kaisheim hatte, welcher, wie 
schon oben erwähnt, eine lange Strecke hin an dem 
Rande des Weideplatzes der Fohlen ausgebreitet wurde. 
Am 11. Juli ward zum wiederholtenmal eine commissionelle 
Untersuchung, welcher auch der Armee-Oberveterinärarzt 
GräfF und ich anwohnten, abgehalten. Nach genauer Be- 
sichtigung der Stallungen und Felder wurden zwei kranke 
Thiere getodtet und secirt, wobei das gleiche wie bei der 
ersten Commission gefunden ward, indem die zweite Com- 
mission nun ebenfalls die Ursache der Seuche in den von 
Kaisheim her gedüngten Feldern erkannte. Diese lehr- 
reiche Beobachtung und für Cavallerie und Gestüte so 
wichtige Thatsache — putrider Vergiftung von Pferden 
durch Menschendünger — wird durch folgendes Ereigniss 
noch weiter erhärtet. In Lancjshut ist eine Station des 
königl. Landgestüts, in welcher Hengste aufgestellt sind, 
von denen in der zweiten Hälfte des Jahres 1865 mehrere 
erkrankten und zwar einige mit tödtlichem Ausgang. In 
der nächsten Nähe der Stallung dieser Pferde ist ein Graben 
(Johannisgraben), welcher den Inhalt von Aborten aus der 
Stadt und der Kaserne in sich aufnimmt und im Sommer 
durch Gräser und Pflanzen so verengt wird, dass sein Ab- 
fluss sehr schwach ist und eine sehr starke Ausdünstung 
dadurch veranlesst wird. Das oberveterinärärztliche Gut- 
achten bezeichnet nun auch die fauligen Emanationen dieses 
Grabens als Ursache der Typhusseuche unter den Hengsten, 
von denen 26 , unter denselben Erscheinungen wie im 
Gestüt Neuhof, erkrankt und acht gefallen sind. 



— 28 — 



Schlussfolgerungen. 

Aus meiner massenhaften Sammlung von aufgezeich- 
neten Beobachtungen über den Typhus habe ich die vor- 
stehenden Thatsachen ausgewählt, welche als Anhalts- 
punkte und bildliche Belege für die hier aufgestellten 
Sätze gelten sollen. 

Der Typhus ist der Repräsentant der Fäulnisserkrank- 
ungen und eine eminente Fieberkrankheit. Der enterische 
oder abdominale Typhus ist eine specifisch-putride Ver- 
giftungskrankheit , welche aus einer Kette von Krank- 
heitserscheinungen besteht, die sich unter einander bedin- 
gen, aber weder an Zahl noch Reihenfolge eine Regel- 
mässigkeit einhalten; seine Lokal Wirkung ist ein Katarrh 
des Nahrungsschlauches, die weitere und eigenthümliche, 
d. i. specifische, Wirkung ist eine Schwellung des Drüsen- 
apparats sowohl des Gekröses als der Schleimhaut des 
Nahrungskanals mit gewöhnlich darauffolgender Schorf- 
bildung und Verschwärung ; seine Endwirkung ist Morti- 
fication aller Grade. 

Der Typhus kann sich autochthon entwickeln, wozu 
aber immer der Mensch mit seinen Abfallen nothwendig 
ist. Wenn mehrere ganz gesunde Menschen in engen 
wenig ventilirten Räumen, die wenig Licht haben und 
feucht sind, zusammenleben, ihre Abfälle nicht entfernen 
und Reinlichkeit und Pflege des Körpers nicht einhalten 
können, entstehen Störungen im ganzen Nahrungscanal, 
als Gastricismen\ Diarrhöen, Brechdurchfälle, schliesslich 
die specifische Erkrankung des Darmdrüsen- Apparates und 
Fieber (Typhus) mit seiner zersetzenden und destructiven 
Wirkung auf die Flüssigkeiten und Weichtheile des Kör- 
pers. Die Ausleerungen des Typhuskranken sind die 
Träger des Giftes, deren weitere Zersetzung und Fäulniss 
das Gift noch mehr aufschliessen und dessen Verbreitung 
begünstigen. Die Keimfähigkeit des Giftes hat eine lange 
Dauer. Durch massenhafte Beobachtung wird man zu 
der Annahme gezwungen, dass der Träger des Giftes ein 
Staub (organischer Natur) sei, welcher, einmal entstanden, 
bei langer Lebensdauer die Fähigkeit besitzt, unter ihm 
günstigen Verhältnissen sich weiter fortzuentwickeln. Fäul- 
niss begünstigt sein Leben und Gedeihen ; in geschlossenen 



— 29 — 

dunkeln Räumen lebt dieser Giftträger lange fort , wäh- 
rend er bei fortwährendem Luftwechsel und Sonnenstrahlen 
nicht bestehen und gedeihen kann. Dieser Giftträger hat 
sich noch nicht fixiren lassen, weil er — wie jeder andere 
Staub — durch seine Form das Gift nicht erkennen lässt. 
Seine Verbreitung geschieht wie bei der Dysenterie und 
der giftigen Cholera. Er kann zufolge seiner Beschaffen- 
heit überall hingetragen werden und haften bleiben. Man 
weiss, dass durch Wasser und Milch — in welche Giff 
gerathen ist — Typhus-Infectionen bewirkt werden, und 
so geschieht es wohl auch durch Speisen. Das Gift muss 
verschluckt und eingeathmet werden, wenn eine Infection 
zu Stande kommen soll. Die allergrösste Zahl der Infec- 
tionen geschieht in den Schlafräumen, die geringere Zahl 
durch Getränke und Speisen^) und bei selbst nur vor- 
übergehendem Aufenthalt an Typhusherden. 

Das Verweilen an einem Typhusherde braucht näm- 
lich nicht lange zu sein, um eine Infection hervorzurufen. 
Ich habe viele Fälle aufgezeichnet , welche nach Arbeit 
von kurzer Zeit an einem Typhusherd oder nach einem 
einmaligen Uebei'nachten in einem Gast- oder Privathause 
von Typhus befallen wurden. Wo Ausleerungsstoffe hin- 
kommen, können Infectionen geschehen. . Der reingehaltene 
Leib des Typhuskranken und dessen Leiche stecken 
nicht an. 

Der Typhus wird durch Typhuskranke , vorzüglich 
durch jene die starke Diarrhöe haben und noch herum- 
gehen und reisen können, sowie durch verschiedene Gegen- 
stände, als facalbeschmutzte Wäsche und Kleider, Betten 
und Lumpen, verschleppt. Die Fälle von vermeintlicher 
Verschleppung; des Typhus durch Reconvalescenten und 
schon langst vom Typhus Genesene gehören auch dahin, 
indem nicht durch ihre Leiber, sondern durch ihre Kleider 
und Wäsche das Gift eingeschleppt wird. Das Gift be- 
sitzt offenbar Intensitätsgrade. Dasselbe erreicht in seiner 
Wirkung nicht immer die specifische Veränderung des 
Darmschleimhaut- und Gekrösdrüsen-Apparats , sondern 
bleibt häufig bei niedern Affectionen stehen, als: Gastri- 
cismen, fieberlose und fieberhafte Diarrhöen und Cholera- 



l) In einer starkbevölkerten Strasse, aus der zerstreut immer Typbus- 
falle kommen, ist ein Wirthshaus mit einer Küche neben zwei Aborten^ 
aus welchem Wirthshaus viele unbemittelte Leute ihr Mittagessen holen. 
Dabei 4cann man sich des Gedankens nicht entschlagcn : ob nicht auf die- 
sem Wege der Tjphus Verbreitung findet. 



- 30 — 

Anfalle des ausgebildet sten Grades.*) Das gewöhnliche 
Vorkommniss ist, dass in einem Hause die Inwohner 
innerhalb weniger Tage Gastricismen, fieberlose und fieber- 
hafte Diarrhöen und nur einer oder zwei ausgeprägten 
Typhus bekommen. Immer fallt die grössere Zahl auf die 
geringeren Affectionen. Diese Intensitätsgrade geben sich 
auch bei ausgesprochenem Typhus kund, indem viele mit 
s»^hr leichten Erscheinungen durchkommen, während an- 
dere in zwei Tagen zu Grunde gehen, oft schon der Ein- 
tritt der Krankheit beginnender Tod ist, und wieder an- 
dere bei der sorgfaltigsten Pflege in der kürzesten Zeit 
den ausgedehntesten brandigen Zerstörungen verfallen. 
Der Typhus scheint das übertragene Gift erst zu erzeugen, 
wenn er die specifische Erkrankung des Schleimhaut- 
Drüsenapparats erreicht hat. Typhuskranke mit starken 
Diarröhen und brandigen Zerstörungen vermitteln zunächst 
die Infectionen ihrer Nebenkranken, wie man in Spitälern 
immer zu beobachten Gelegenheit hat. 

Bei den tausendfachen Berührungen der Menschen in 
den Städten und den Hunderten von Wegen, aufweichen 
das Gift in diesen verschleppt wird, ist es unmöglich, die 
einzelnen Infectionen aufzufinden, während sie auf dem 
Lande gewöhnlich von Fall zu Fall zu verfolgen sind. 
Daher kommt es, dass die Aerzte in den Städten die An- 
steckungsfähigkeit des Typhus läugnen, die Aerzte auf 
dem Lande aber sie anerkennen. 

Das Typhusgift führt, wie bei Dysenterie und Cho- 
lera, wenn es den Körper verlassen hat, ein selbständiges 
Leben, das aber wieder in seiner Existenz und seinem 
Fortleben von vielen Localverhältnissen abhängig ist — 
dadurch zieht sich über die Ansteckungsfahigkeit und Ver- 
breitung des Typhus ein Dunkel, welches nun die Quelle 
der verschiedensten Anschauungen und Hypothesen ist. 

Der enterische Typhus gibt seine Verwandtschaft und 
Geschwisterschaft mit dem Flecktyphus , ausser seinem 
fast gleichen Verlaufe, auch noch durch das häufige Vor- 
kommen von Roseola-Flecken kund; des letztern An- 
steckungsfähigkeit und Verbreitung ist aber eine offene 
und deutliche, wie bei Scharlach und Blattern. 

2} Vorn Januar bis zum April 1872, in welchem Jahr Europa keine 
Cholera hatte, war das Krankenhaus mit Fieberkranken überfüllt, unter 
welchen 17 Cholerafalle der ausgeprägtesten Art vorkamen, wovon 2 letal 
endeten. Sie unterschieden sich in den Lebenden und Todten in nichts 
von der asiatischen Cholera, nur dass ihnen die giftige Natur und die 
Eigenschaft der Fortpflanzungr fehlten. 



— 31 — 

Der einmal typhusdurchseuchte Körper verliert die 
Empfänglichkeit für Wiederholung der Krankheit. Die 
genauesten Nachforschungen haben nur äusserst wenige 
Fälle auffinden können, dass Personen zuni zweitenmale 
vom wahren enterischen Typhu3 befallen wurden, und 
selbst über diese schwebt einiger Zweifel. Die einfachen 
putriden Infectionen, die aus Typhusherden kommen, wieder- 
holen sich öfters. Die Schwierigkeit der positiven Ent- 
scheidung dieser Frage liegt in der Unmöglichheit des 
Auffindens und Verfolgens der Linie zwischen Typhus- 
fiebern und den ihnen ähnlichen und fast gleichen Fieber- 
formen aus ganz andern Ursachen. 

Die Witterungsverhältnisse üben keinen directen Ein- 
fluss auf die Erzeugung des Typhus, aber einen indirecten, 
insoweit sie die Fäulniss befördern. Mehrmals ereignete 
es sich, dass der Typhus im Juli und August in gleicher 
Zahl wie im März und April vorkam, ja im Jahr 1856 
hatte der August sogar die meisten Fälle. Doch begün- 
stigen feuchte Luft und Thauwetter die Verbreitung des 
Typhus oder das Aufschliessen von dessen Gift. Im De- 
cember 1855 waren mehrere laue Tage, dann trat im 
Januar 18oC strenge Kälte — 18" R. ein. In diesen kalten 
Tagen kamen noch immer Typhen vor ; nun trat mit einem- 
mal Thauwetter ein, womit in grosser Zahl Diarrhöen, 
Cholerinen, ein ausgeprägter Cholerafall und heftige Typhen 
in das Krankenhaus kamen. Mit eintretender Kälte — 
10® R. — hörten Diarrhöen und Cholerinen auf, aber 
Typhen gingen noch immer zu. 

Der Boden hat nur in sofern Einfluss, als seine Be- 
schaffenheit die Fäulniss befördert. Gewiss ist aber an- 
zunehmen, dass feuchte Luft und feuchter Boden, welche 
die Fäulniss unterstützen, auch dem Typhus günstig seien. 

Durch mehr als zwanzig Jahre mache ich ohne Unter- 
brechung Aufzeichnungen der Häuser, Wohnungen, Ar- 
beits- und Werkstätten der auf meine Abtheilung kom- 
menden Typhuskranken, mit besonderer Rücksichtnahme 
auf die Schlafräume und Fäulnissstätten (als Aborte, Seuk- 
und Kehrichtgruben , Düngerstätten und unterirdische 
Canäle\ dann auf das Trinkwasser. Diese Untersuchungen 
führten zu dem wichtigsten Moment in der Geschichte der 
putriden und typhösen Infectionen — zu den Häusern, zu 
den Wohnungen. *) Die Zusammenstellungen der Häuser 



1) Die Ursachen des enterischen Tjplius in München etc. S. 98 a s. f. 



— 32 — 

und Wohnungen der Typhuskranken ergaben 66—70 Proc. 
von notorisch schlechter Beschaifenheit, und zwar : schlecht 
angelegte und nicht cementirte Senkgruben, welche oft 
nicht einmal jährlich geleert werden, zumal wenn dieselben 
in kleinen eingeschlossenen Hofräumen oder selbst in 
Kellern angebracht sind ; die kleinen kaminartigen Höfe, 
welche allen Schmutz der Häuser aufnehmen, sind ein 
bedeutender Factor zur Schaffung eines Typhusherdes; 
dann kleine dunkle Schlafzimmer mit Fenstern in enge 
Höfe oder schmale Gänge, oder auch ohne Fenster, Holz- 
lagen als Schlafstätten ; UeberfüUung kleiner Schlafzimmer. 
In einer Charcuterie haben 10—12 Bursche ein niederes 
Schlafzimmer, in welchem ein Abtritt mit einem Verschlag 
angebracht ist, und gleich ausser der Thür ist ein zweiter 
Abort: das Fenster dieses Schlafzimmers geht in einen 
engen Gang, und das Fenster dieses Ganges in den Hof, 
in dem täglich viele Schweine geschlachtet werden; von 
diesem Hause kommen auch immer putride und typhöse 
Infectionen ins Spital. 

Ein derartig angelegtes Hans, mit Fäulnissstätten ver- 
sehen, kann auf jedem beliebigen Boden, in Niederungen, 
auf hohen Bergen, auf Felsen typhöse Infectionen veran- 
lassen. In der Typhus-Epidemie zu Berchtesgaden im 
Sommer und Herbst 1856 beobachtete ich Gruppen von 
Typhusfallen auf einer Höhe bis zu 3500 Pariser Fuss. 

Die Trinkwasser veranlassen Typhus, wenn Fäcalstoffe 
in sie gerathen ; wenn sie sonst schlecht sind und organische 
Bestandtheile enthalten, bewirken sie putride Gastricismen 
und Diarrhöen, aber nicht Typhus mit seiner specifischen 
Erkrankung des Darmes. Wie in allen grossen Städten, 
so gibt es auch in München Brunnen mit schlechtem Trink- 
wasser, ich habe aber daraus nie Typhen entstehen sehen. 
Wie in Wasser und Milch Typhusgift gerathen kann, so 
wird es wohl auch mit den Speisen ergehen ; aber ich habe 
nie Fälle aus dieser Quelle sicher constatiren können. Auf 
den Genuss verdorbener und in Fäulniss begriffener Fleische, 
besonders von Eingeweiden, dann von Charcuterie- Artikeln 
habe ich Cholera-Anfälle und heftige Fieber eitstehen 
sehen, welche aber nie die Specifität des Typhus — die 
Erkrankung des Darmdrüsen-Apparates — erreichten. 



üebcr die Aetiologie des Typhus. Vortrago, gelialten in den Sitzangcn des 
ärztlichen Vereins in Münclien etc. München 1872. Sechster Vortrag, geh. 
von Prof V. Qietl, S. 85 u. s. f. 



— 33 - 

Aus allem diesem geht hervor, dass der Typhus ganz 
vorzugsweise eine Krankheit der Häuser und der Fäulniss- 
stätten von Menschenabfallen ist. Dass darin die grossen 
Städte vor den Dorfern, wo grössere Sorglosigkeit herrscht, 
den Vorzug haben, liegt nicht bloss in der grösseren Menge 
der Menschen und deren engerem Zusammenwohnen, sondern 
auch in dem Eingeschlossensein dier Fäulnissstätten und 
dem Mangel ergiebigen Luftwechsels und Luftzutrittes zu 
denselben. In den Städten hört desswegen der Typhus 
nie ganz auf, weil er als eine Localkrankheit an vielen 
Punkten seine nie versiegenden Quellen hat. Daher liegt 
auch dem Typhus keine allgemeine Ursache — als Luft, 
Boden, Wasser — ausschliesslich zu Grunde, wie sie die 
Verkältungs-, Grippe- oder Influenza-Fieber haben. 

Der Typhus bewegt sich in grossen Städten in fort- 
währendem Ab- und Zunehmen; das Anschwellen zu einer 
Epidemie hängt immer von einem Zusammenfluss von Ur- 
sachen ab, welche die Fäulnissstätten in grössere Thätig- 
keit versetzen; dahin gehören: rascher Wechsel der Tem- 
peratur und Feuchtigkeit, feuchte Wärme, Thauwetter, 
Ueberschwemmungen. Das constante Zunehmen des Typhus 
im Herbst und Winter liegt zum grössten Theil in dem 
Zuwandern von Arbeitern und ärmeren Leuten in die 
Städte, einem engeren Zusammenwohnen derselben in be- 
schränkten, nicht ventilirten Räumen bei Mangel an Rein- 
lichkeit und wenig nahrhafter Kost — Verhältnisse, welche 
nun das Ausbrüten eines intensiveren Giftes und das Ver- 
schleppen desselben begünstigen. Aus dem allem ist er- 
sichtlich, dass diese Krankheit auf der ärmeren Bevölkerung 
lastet, und nur zu den Wohlhabenden und Begüterten 
hinaufreicht, wenn sie zufallig an Typhusherde gerathen. 
Der Wohnungswechsel liefert hierzu ein reiches Beob- 
achtungsmaterial : Eingeborne, sowie Eingewanderte, können 
bei noch so langem Verweilen in grossen Städten in ihrer 
Gesundheit und Behaglichkeit unberührt bleiben, bis ein 
Wohnungswechsel das eine oder andere Glied der Familie 
ins Grab legt. Noch mehr tritt dieses Ereigniss bei Rei- 
senden hervor ; es ist wohl keine grosse Stadt in Europa, 
aus welcher von Reisenden nicht tödtliche typhöse In- 
fectionen geholt werden. In einer italienischen Seestadt 
hat eine deutsche ärztliche Familie — zur Erholung dahin 
gereist — fast ihre Auflösung durch Typhus gefunden. 
So wurden in einer andern im Süden gelegenen Stadt 
Italiens sämmtliche Glieder einer angesehenen deutschen 

3 



— 34 — 

Familie nach einem Aufenthalt von wehigen Tageh vom 
Typhus befallen. 

Doch am bedauerlichsten gibt sich dieser Vorg-ang bei 
den Jüngern der Hochschulen grosser Städte kund. Mangel 
an Vorsicht bei der Wahl der Wohnungen, häufiger 
Wechsel derselben, das Aufsuchen wohlfeiler Miethzimmer 
und der abendliche, bis in die tiefe Nacht sich hinziehende, 
Aufenthalt in sehr frequentirten Wirthshäusem , welche 
sehr häufig Typhusherde beherbergen, sind die Quellen 
typhöser Infectionen bei den Studierenden Komisch ist 
es, zu hören, dass in München Pfälzer und Franken vor- 
zugsweise dem Typhus verfallen sollen, als ob dessen Gift 
vor einem Holsteiner oder Böhmen mehr Respect habe. 

Die Erkenntniss des Typhus mit seinem specifisch 
ulcerösen Process in dem Darmdrüsen-Apparat stösst sehr 
häufig auf Schwierigkeiten, und in manchen Fällen bleibt 
selbst dem geübtesten Arzt durch den ganzen Verlauf des 
Fiebers Zweifel, bis schliesslich die Section ihn löst. Denn 
es gibt eine grosse Zahl von Fiebern, aus den verschiedensten 
Ursachen entstanden, welche dem Typhus sehr ähnlich 
sind und ihn aufs täuschendste imitiren. Vorzüglich sind 
es die Resorptions-Fieber, welche entstehen, wenn. in irgend 
einem Gewebe, Schlauch oder einer Höhle des Körpers, 
eingeschlossener, geßiulter Schleim, Eiter, Urin, zersetzte 
Flüssigkeiten, Jauche, zerfallene Gewebstheile liegen ; und 
wenn diese in den Säftestrom gerathen, geben sie zu den 
heftigsten Fiebern Veranlassung. *) Deutlich und bildlich 
ist dieser Vorgang im G^sichtsrothlauf zu sehen, welcher 
so häufig und verderblich den Typhus begleitet. Zahl- 
reiche anatomische Untersuchungen, wozu diese fatale 
Typhusbeigabe reiche Gelegenheit gab, führten mich in 
den Jahren 1850 bis 1852 zu dem wichtigen Resultat: dass 
dieser Rothlauf, nicht bloss wenn er in Verbindung mit 
T3rphus, sondern wenn er auch selbständig auftritt, Folge 
einer Entzündung der Schleimhaut, der Höhlen des Ge- 
sichtes und der Stirne mit zurückgehaltenem, zersetztem 
und verjauchtem Schleim ist, welcher durch Resorption 
die Quelle des hohen Fiebers und durch Reflex die Ursache 
des Rothlaufes im Gesicht wird. Die . aus diesem Fund 
gezogene Behandlung ^ auf fortwährende Entfernung des 
zersetzten und jauchigen Schleimes gierichtet — hat die 

_ _ t _ 

1) Stadion ül>er die Bedingungen des Fiebers, nach Beobachtungen 
ans der v. GietPschen Klinik nnd Abtheilang von Dr. med. Joseph Ha ab er, 
Assistenzarzt. Mfikichen, Ofarist. Kaiser, 1^0.-' 



* k *ij I 



> 



— 35 — 

hochprocentigfe Mortalität des Rothlaufes auf ein nicht 
ganzes Procent herabgesetzt. ^) 

Auf gleiche Weise veranlasst der um und in dem 
Kehlkopf angehäufte faulende Schleim, den die schwachen 
Typhüskranken nicht auszuwerfen vermögen, Brand dieses 
Organes mit gewöhnlich letalem Ausg'ange und Erhöhung 
der Typbusmortalität. Nachdem ich die Ursache gefunden 
hatte, lasse ich bei jedem Typhuskranken auf das sorg- 
faltigste mehrmals des Tages und nach Bedürfniss auch 
in der Nacht den Schlund mit einem Charpiepinsel von 
Schleim reinigen, woraufhin diese furchtbare Todesart bei 
Typhuskranken eine Seltenheit geworden ist. 

Weil nun die Typhusherde neben dem Typhus (der 
specifisch putriden Infection) auch noch gleichzeitig in 
grösserer Zahl putride Gastricismen und Diarrhöen mit 
und ohne Fieber erzeugen , so kommt dadurch ein neuer 
Zuschuss zu den oben aufgezählten Fiebern. 

Wenn zwei Aerzte in einem Spital bei gleichheitlicher 
Vertheilung der Fieberkranken die zwei diagnostischen 
Wege einschlagen: dass der eine ein jedes hohe Fieber 
mit Eingenommenheit des Kopfes und gastrischen Er- 
scheinungen zum Typhus rechnet, der andere aber bemüht 
ist Typhus und typhusähnliche Fieber möglichst zu schei- 
den, so wird der erste um ein Drittheil bis nahezu um 
die Hälfte mehr Typhusfieber zählen als der zweite. Auf 
diesem Weg ist München zu einem Ruf gekommen den 
die Stadt unverschuldet trägt, welcher aber noch durch 
die Gewohnheit der Bevölkerung, in jedem hohen Fieber 
Thyphus zu ahnen und zu sehen, unterhalten wird. 
Münchens endemische, durch Lage und Klima bedingte 
Krankheit ist der acute Rheumatismus mit seinen Con- 
sequenzen, aber nicht der Typhus, der aus Quellen kommt 
wie sie jede Stadt hat. Denn in Europa, auch in Deutsch- 
land, gibt es Städte genug , welche das Jahr durch mehr 
Typhen zählen als München. 

Weil nun der Typhus eine fieberhafte Fäulnisskrank- 
heit ist, so sollte man auch diesem Fieber, statt der sinn- 



1) lieber den Gesichtsrothlauf im Typhus. Inanguralabhandlung von 
Dr. Zuccarini, Assistenzarzt im allgem. Krankenhaus zu München, 1852. 

Beobachtungen aus der med. Klinik und Abtheilune des Prof. v. Gietl 
im allgem. Krankenhaus zu München, zusammengestellt von Dr. Albert 
Haug, früher Assistenzarzt. München, 1860. S. 178. 

Ueber £rysipelas. Inauguralabhandiung Yon Dr. Ign.Lehrnbecher, 
Assistenzarzt. München, 1872. S. 28 a. s. f. 

3* 



— 36 — 

losen Bezeichnung Typhus *), seinen natürlichen Namen 
geben, und zu dem alten mundgerechten Ausdruck, „Faul- 
fieber" zurückkehren, womit die Leute fortwährend er- 
innert würden, sich gegen die Brutstätten der fauligen 
Gifte zu wehren. Es wäre daher eine Wohlthat für die 
Bevölkerung der Städte, wenn die Aerzte sich entschliessen 
könnten von dem Ausdruck „Typhus" abzulassen. 

In den vorstehenden Aufzählungen der Thatsachen 
über die Verbreitung des Typhus liegen die zu ergrei- 
fenden Massregeln und einzuschlagenden Wege wie die 
fauligen Krankheiten fern gehalten weiden können, offen 
und klar zu Tage. Es ist dargethan, dass Typhushäuser ganz 
frei gemacht werden können, und so wird es auch gelingen 
den Typhus in Städten auf ein Minimum herabzubringen. 
Auf diesen Erfahrungssatz gestützt, hat sich in der öffent- 
lichen Gesundheitspflege eine Thätigkeit entwickelt, welche 
jetzt schon von den wohlthätigsten Folgen ist, und dar- 
auf hin auch in München der Typhus in Abnahme be- 
griffen ist; und wenn die Bevölkerung den Gemeinde- 
behörden, welche mit Energie den nun betretenen Weg 
verfolgen, willig und mit Ausdauer entgegenkommt, wird 
das Ziel erreicht werden. Während die öffentliche Ge- 
sundheitspflege im Grossen aufzuräumen bestrebt ist, hat 
doch noch der Einzelne für sich viele Vorsicht einzuhalten, 
um dem immer noch furchtbaren und tückischen Feind 
ausweichen zu können. Die Haus-, Gasthof- und Wirths- 
hausbesitzer mögen nicht säumen ihre Häuser in einem 
salubren Stand herzustellen, denn bei den sich mehr und 
mehr verbreitenden Kenntnissen in der Gesundheitspflege 
werden schlecht besorgte Häuser immer mehr gemieden 
werden. Wenn in einem Hause Typhuskranke lagen, sie 
mögen nun genesen oder gestorben sein, so reichen zur 
Vertilgung des an den Wänden haftenden Gifts ergiebige 
Ventilation und der Gebrauch von Chlor und Schwefel 
nicht aus, sondern die Wände der Krankenzimmer sollen 
abgekratzt und getüncht werden. Familien und Arbeit- 
geber mögen ihren Dienstboten und Gesellen, wrlche sich 
Wohnungen und Schlafstätten nicht wählen können, ge- 
sunde Schlafräume zuwenden, indem erwiesenermassen in 
kleinen Lokalitäten, die keine Ventilation und wenig Licht 
haben und schliesslich noch fauligen Emanationen aus- 
gesetzt sind, das Typhusgift so sehr gedeiht und da die 

1) Tv^og — Gefühllosigkeit — Sinnlosigkeit — Schneiders gr. 
W., II. B., S. t)37. 



- 37 — 

häufigsten Infectionen vor sich gehen ; daher auch die 
Zahl der Typhuskranken unter Gesellen nnd Mägden so 
gross ist. Zusammenstellungen ergeben auch das Resultat, 
dass 70 — 80 Proc. der Typhuskranken jenen Classen der 
Bevolaerung angehören, die zufolge ihrer Lebensverhält- 
nisse und Arbeiten den Infectionsherden zunächst stehen. 
In der Wahl der Wohnungen meide man Häuser deren 
Aborte schlecht gehalten und neben Wohn- und Schlaf- 
räumen angebracht sind, und enge, geschlossene, kamin- 
artig*e Hofe — als Aufbewahrungsorte aller Abfälle und 
des Schmutzes des Hauses — haben. Häuser in welchen 
Gastricismen und Diarrhöen häufig vorkommen, sind eines 
Typhusherdes verdächtig, und sollen nicht bezogen werden, 
noch viel weniger solche, in welchen Typhuskranke lagen 
und starben. Bei dem Bezug der Milch versichere man 
sich von der Reinlichkeit der Milchläden und Milchhäuser, 
und ob nicht die gefüllten Milchgefässe in Lokalitäten 
aufbewahrt sind, welche zugleich als Schlaf- und Kranken- 
zimmer dienen, wie ich schon beobachtet habe. Man be- 
ziehe das Trinkwasser nicht aus Pumpbrunnen. Man meide 
Wirths- und Kaffeehäuser, deren Küchen zunächst den 
Aborten gelegen sind. 

Alle hier gegebenen Regulative möge namentlich der 
Reisende aufs Strengste beachten. Ehe er sich in einem 
Gasthof niederlässt, richte er sein Augenmerk auf dessen 
Reinlichkeit, insbesondere die der Küche und Aborte, und 
achte schliesslich auf sehr reine Bettwäsche, weil der Ver- 
dacht, dass von den Betten Infectionen geholt werden, 
sehr gross ist. In Schwangau machte ein Taglöhner einen 
Typhus leichten Verlaufs durch. Genesen und gekräftigt 
g^ng er in Arbeit zu dem Postwirth in Rosshaupten, und 
schlief bei dem ganz gesunden Hausknecht. Nach acht 
Tagen erkrankte dieser und die Magd , welche das Auf- 
betten besorgte. Der Hausknecht ging in seinen Heimaths- 
ort, der aus drei Häusern besteht, starb daselbst und ver- 
anlasste in den drei Häusern eine Epidemie von acht 
Fällen. Nicht sein Leib, sondern die schmutzige Wäsche 
und die Kleider waren die Träger des Giftes. 

Von Waschanstalten kommen sehr häufig schwere 
Typhen ins Krankenhaus, indem sie mehr oder minder 
Herde putrider Infectionen sind. Ob von da durch die 
vielleicht nicht gründlich gereinigte Wäsche weitere Ver- 
breitung des Typhus veranlasst wird, habe ich nicht be- 
obachtet, aber eine Wahrscheinlichkeit besteht dafür, und 



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soll hier erwähnt sein. Während die prophylaktischen 
Massregeln Ergiebiges zu leisten vermögen , ist auch der 
einzelne vom Typhusgift Befallene, nachdem die Behand- 
lung des Typhus mehr Bestand gewonnen hat, weniger 
gefährdet , obwohl der Typhus noch immer viele Opfer 
verlangt. In der Mitte der vierziger Jahre habe ich die 
vergessenen kalten Bäder wieder herbeigezogen, und damit 
das Chinin, das schon von manchen Aerzten gegen Schleim* 
und Nervenfieber gebraucht wurde, in höheren Dosen gegen 
den Typhus in Anwendung gebracht, und so die kalten 
Bäder und das Chinin in einer methodischen Behandlung 
zusammengefasst *) , womit ich dann noch den Gebrauch 
des schwarzen Kaffees und eine kräftige Ernährung — 
so viel nur immer die Digestion des Kranken leisten 
kann — verband. Letztere wird seit einigen Jahren durch 
den von Professor Voit angegebenen frisch ausgepressten 
Fleischsaft (succus carnis) in vortrefflicher Weise unter- 
stützt. Diese Behandlungsweise hat das Mortalitätsver- 
hältniss von 24 und 20 auf 13, 10 und 7 Proc. herabgesetzt, 
und ist nun allgemein verbreitet. 

Wer in grossen Städten, die doch nie ohne Typhus- 
herd sind, von gastrischen Erscheinungen und Diarrhoen 
befallen wird, soll verbleiben, die Wohnung nicht ver- 
lassen und den Verlauf unter entsprechendem Verhalten 
ruhig abwarten. Denn ist ein typhöses Fieber im Anzug, 
so treibt eine Reise mit den damit verbundenen Versäum- 
nissen in der Pflege den Typhus auf die abschüssigste 
Bahn mit gewöhnlich letalem Ausgang, und gibt häufig 
genug Veranlassung zur Verschleppung und weiteren Ver- 
breitung dieser infectiösen Krankheit. Dann soll selbst 
der Besuch dieses nun Erkrankten von seiner Verwandt- 
schaft mit Auswahl geschehen, indem die Aengstlichen 
und von Schrecken Gepeinigten zu Hause bleiben sollen ; 
denn ich habe mehrmals beobachtet , dass diese inficirt 
wurden und starben, während jener — der zuerst Erkrankte 
— durchkam. 

So bewährt kalte Bäder und Chinin sich bewiesen 
haben , so kann deren Anwendung doch nur von einem 
Arzt unter gehöriger Individualisirung geleitet werden. 
Denn beide Mittel können gegenüber der Gehirn- und 



1) Ueber die Anwendung der kalten Hader und Begiessungen im 

Typhus : Inauguralabhandlung von Dr. Julius Stein, Assistenzarzt im 

allgemeinen Krankenbaus in München. München 1849. Gedruckt bei 
Georg Franz, 



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Herzschwäche der Typhuskranken auch grossen Schaden 
anrichten. Die Bäder und Begiessungen zu kalt und zu 
rasch auf einander angewandt, können tödtliche Brustent- 
zündungen veranlassen ; sowie das Chinin , in so unmäs- 
sigen Gaben zu mehreren Grammen auf einmal oder auch 
in kurzen Zwischenzeiten genommen, wie es jetzt vielseitig 
angewendet wird, bei sehr hirnschwachen Typhuskranken 
den Tod herbeiführen kann. Denn auch in zulässigen 
Gaben leistet es bei Typhuskranken, deren Gehirnfunction 
tief herabgedrückt ist, wenig oder nichts *). 

Fortwährend erneuerte Luft, frisches Wasser, kühle, 
laue und warme Bäder, Kaffee (ohne Milch und Zucker), 
Wein und kräftige Ernährung, häufiger Wechsel des 
Lagfers^und die fleissigste Pflege können ohne Chinin und 
jede Medication die schwersten Typhen glücklich durch- 
bringen. 



1) Im Jahr 1840 gab ich einem Sludirenden der Medicin gegen epi- 
leptische Zufälle, die ihn alle Frühjahr befielen, das Chinin zu einem Scrapel 
auf einmal in gleichen Zwischenzeiten — typisch. Nach jeder solchen Gabe 
bekam er eine Wüstigkeit nnd Stumpfheit des Kopfes, Zittern der Glieder, 
Unvermögen zu gehen und eine anendliche Mattigkeit, die ihn zwang, sich 
XQ legen. Seit vielen Jahren lasse ich methodisch nach jedem pjämischen 
Fieberanfall zehn Gran Chinin mit gntem Erfolg reichen ; wenn nun dnrch 
mehrere in kurzen Zwischenzeiten eintretende Anfälle die Gaben des Chinins 
sich steigerten, so sah ich eine Eingenommenheit des Kopfes und Taubheit 
in einer Höhe eintreten, welche nicht mehr leicht hinzunehmen waren. In 
TaB Hasselts Giftlehre I. Bd. S. 436 und Hermanns Lehrbuch der experi- 
mentellen Toxikologie S. 365 sind letale Fälle nach zu grossen Gaben von 
Chinin constatirt. 



Von demselben Verfasser sind erschienen: 

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Heobaehtnngren und Krnnkeiigreschiciiteii Aber die «siatisclie CMMl 

aus Berlin in den Monaten October und November des Jabres 1891« 
Erstes Heft von Dr. Kr. X. Gietl. MQnchen. Literariscb-artistifebe 
Anstalt der J. G. Cotta'schen Bnchliandlon^. 1832. 



Die Cholera nach Beobachtnogen auf der I. medicinischeu Klinik 

Abthoilang im städtischen Hospital zu München von Franz X. TM 
Gietl. München. Christian Kaiser. 1855. 

(Neschichtlfcbes znr Cholera-Epidemie in Mfinchen im Jahre 1854 tob 
Franz X v. Gietl München. Christian Kaiser. 1855. 

Beobaehtniigen ans der mediclnisehen Klinik nad Abtheilung de« Frt- 

fessors von Gietl im allgemeinen Krankenhanse zn München mit einer 
statistischen Uebersicht des Jahres 1856. 57, zusammengestellt YOii! Dr* 
Albert Haug, früher Assistenzart. München. Christian Kaiser 1860. 
(Enthält Gictrs Lehren über die Ursachen, Pathologie und Tberapia 
des Typhus.) 

Die Ursachen des enterischen Typhus in MUiiehen Ton Franz X tob 

Gietl etc. Leipzig. Wilh Englmann. 1865. 

Stadien Aber die Bedingungen des Fiebers naeh Beobachtangen am 

der von Gietrschen Klinik und Abtheilung von med. Dr. Joseph Hauber, 
Assistenzarzt der I. roedicinischon Abtheilung des städtischen Kranken- 
hauses 1. d. J. München. Christian Kaiser. 1670. (Enthält die Gruod- 
Eüge der Fieberlehre des Dr. v. Gietl.) 

Ueber die Aetiologie des Typlins. Yorträge, gebalten in den Sitzungen 

des ärztlichen Vereines in München etc. Sechster Vortrag, gehalten 
von Piof V. Gietl pag. 84. München Jos Ant Finsterlin. 1872- 

Gedrängte Uebersicht meiner Beobachtungen Ober die Cholera Tom 

Jahre 1831—1873 von Franz X. von Gietl etc München. Christian 
Kaiser 1873. 

Die Ergebnisse meiner Beobachtungen über die Cholera vom Jahre 

1831—1874 in ätiologischer und praktischer Beziehung von Franz X. 
von Gietl etc. München. Christian Kaiser 1874. 



Obige Schriften sind vorräthig bei Jos. Ant. Finsterlin in 

München^ Salvatontrasse Nr. 21. 





"NE MEDiCAL UERAKY | 




[-186 Gletl, Franz X. von 
S46 Die GrundzUge meiner 
L875 Lehren über Cholera und 








































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