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Theological Seminary,
PRINCETON, N.
Case, 42 S4 8 7 6 1 Divison- hd 7°
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ai Shelf, BD 84. Section.
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dogmatiſche Auslegung
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Neuen Teſtamentes.
Nach ihren
Prinzipien, Quellen und Huͤlfsmitteln
dargeſtellt
von
Karl Gottlieb Bretſchneider,
Baccalaureus der Theologie
N und Adjunkt der philoſephiſchen Fakultat auf der Unis
verſitaͤt Wittenberg.
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wuͤrdigen und verehrten Lehrer,
«
dem
Herren Doctor Keil,
ordentlichem Profeſſor der Theologie auf der Univerſitat
Leſpzig, Kanonikus des Stifts Zeitz und Aſſeſſor des
Conſiſtoriums zu Leipzig ze.
*
widmet
dieſe Schrift
aus
innigſter Hochachtung und Dankbarkeit
der
Verfaſſer.
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Vorrede.
en
Juden ich dem theologiſchen Publikum dies
ſe Schrift uͤbergebe, fuͤrchte ich nicht, daß
ſie eine Materie behandle, die ſchon hin—
laͤnglich durchgefuͤhrt ſeyß. Denn obgleich
durch die Bemühungen mehrer Gelehrten für .
die hiſtoriſche Auslegung des N. T. Vieles
geleiſtet, manche ſchaͤtzbare Bemerkung ge—
legentlich vorgetragen, und mancher gelun—
gene Verſuch dieſer Erklaͤrungsart bekannt
gemacht worden iſt; ſo wird doch Niemand,
der den Zuſtand der Exegeſe genau kennt,
laͤugnen, daß alle jene Bemerkungen und
einzelne Erklaͤrungsverſuche die hiſtoriſche
Auslegung als Wiſſenſchaft noch nicht be—
gründen konnten. Denn dieſe Wiſſenſchaft
iſt als ſolche noch gar nicht vorhanden, ins
dem bisher weder ihre Prinzipien begruͤndet,
noch ihre Quellen und Huͤlfsmittel verzeich—
net, noch die Regeln eines kritiſchen Ge—
brauchs derſelben beim N. T. aufgeſtellt wa—
ren. ie bisher erſchienenen Lehrbuͤcher der
Hermeneutik des N. T. uͤbergingen dieſen
Theil der Auslegung entweder ganz, oder
4
ez .
i Pe Vorrede. W
beruͤhrten ihn nur kurz und unvollſtaͤndig.
Doch haben wir eine vorzügliche Dearbeis
tung deſſelben theils im 2ten Theile der
Mouogr. herm. des Hrn. Prof. Beck, theils
im zien Theile der hermegeutiſchen Vorle—
ſungen des ſel. Morus vom Hrn. Hofrath
Eichſtaͤdt zu hoffen, der uns hier wahr⸗
ſcheinlich eine eigene gruͤndliche Abhandlung
liefern wird, da Morus in Erneſti's Inter—
pres wohl wenig Veranlaſſung fand, ſich
darüber zu verbreiten.
In dieſer Rückſicht ſchien mir eine be—
ede Bearbeitung des Theils der hiſtori—
ſchen Auslegung, den ich den hiſtoriſch—
dogmatiſchen nenne, und eine wiſſen⸗
ſchaftliche Darſtellung der Grundſfaͤtze, Quel—
len und Hülfsmittel deſſelben nicht uͤberfluͤ—
ßig, ſondern nuͤtzlich zu ſeyn ; befonders weil
die hiſtoriſche Auslegung immer noch nicht
ſo viele Freunde unter den Theologen findet,
als ſie verdient, unſer Zeitalter immer noch
nicht von dem Mißbrauche einer philoſo—
phirenden und moraliſtrenden Exegeſe zuruͤck—
kommt, und die wahre Auslegung durch den
Unfug des erwachenden Myſticismus gefahr.
det zu werden jcheint,
23 war bin ich mir wohl bewußt für
den gelehrten und wahren Interpreten we—
nig Neues geſagt zu haben, was er nicht
ſchon ſelbſt bemerkt, oder zerſtreut bei An⸗
dern gefunden haͤtte. Es konnte auch zu—
nächfi meine Abſicht nicht ſeyn, etwas Neues
8 Kam
ſchen Witz, indem er, wie ein zweiter Phi⸗
22 Vorrede. 0 vır
in der Hauptſache vortragen zu wollen; wohl
aber hoffe ich, daß auch der ſeines Faches
vollkommen kundige Interpret einige nuͤtzli⸗
che Bemerkungen finden, und dieſe Schrift
als den erſten Verſuch einer wiſſenſchaftli—
chen Darftellung des Ganzen, an den er
ſeine eigenen Ideen anſchließen kann, mit
Wohlwollen aufnehmen werde. Dem wes
niger unterrichteten und angehenden Inter⸗
preten hingegen, ſollte ſie ein Handbuch ſeyn,
das ihn mit den allgemeinen Grundſaͤtzen, mit
den Quellen und Huͤlfsmitteln der hiſtoriſch⸗
dogmatiſchen Auslegung bekannt machen,
und vor den exegetiſchen Fehltritten des Zeit—
alters warnen koͤnnte. Daß dieſe Warnung
nicht uͤberflußig ſey, bedarf wohl keines Be—
weiſes, und ergiebt ſich hinlaͤnglich aus den
im 11. $. gemachten Bemerkungen. Denn
ein nicht geringer Theil der angehenden Theo«
logen hat einen ſehr unvollſtaͤndigen oder
ganz falſchen Begriff von Auslegung des
N. T., und duͤnkt ſich gewöhnlich in alle
Weisheit der Schriftforſchung eingeweiht zu
ſeyn, wenn er entweder griechiſch verſteht,
und die Worte des N. T., die doch nur
die Schale find, mit einer Fluth von nichts⸗
ſagenden philologiſchen Anmerkungen oder
Parallelen aus den griechiſchen Klaſſikern
uͤberſchuͤttet, durch welche der individuelle
Geiſt des N. T. ohnmoͤglich entwickelt wer«
den kann; oder wenn er feinen philoſophi—
lo,
vi Vorrede.
lo, philoſophiſch oder moraliſch allegoriſirt,
zur Schau ſtellt; oder endlich ſeinen gram—
matiſchen und logiſchen Scharfſinn in
geſuchten und paradoxen Erklaͤrungen, die
nur blenden, nie überzeugen konnen, glaͤn—
zen läßt." Die beiden letztern Fälle find die
haufigſten, und wen wird es befremden, daß
ſie es ſind? Der ganze Geiſt des Zeitalters
fuͤhrte dahin, und dieſer Geiſt wird zum
Theil immer noch von bedeutender Maͤnnern
genaͤhrt und fortgepflanzt, deren eregetifche
Schriften bei einem großen Theile des Pu—
blikums nicht geringes Gewicht haben; ſo
haͤufig ſich auch einzelne Stimmen gegen ſie
erheben, ſo ſehr man, bei dem uͤbrigen Gu—
ten das ſie enthalten, feſte und richtige
hermeneutiſche Prinzipien in ihnen vermißt.
Verdienten es daher nicht die richtigern
Grundſaͤtze der Auslegung, daß man end»
lich einen Verſuch machte, ſie als ein wiſ—
ſenſchaftliches Ganze aufzuſtellen? Laͤßt ſich
nicht hoffen, daß auf dieſem Wege der Miß⸗
brauch des philoſophiſchen und grammati—
ſchen Scharffinns in der Auslegung weit
eher verhuͤtet werden koͤnne, als durch Be—
ſtreitung einzelner Erklaͤrungsverſuche, bei
denen man ſich doch immer auf die Grund—
ſaͤtze der hiſtoriſchen e ſelbſt bezie⸗
hen muß?
Jae weniger aber für eine ausführliche
wiſſenſchaftliche Behandlung derſelben bis jetzt
geſchehen iſt, je weniger ich alſo durch die
| Vor⸗
Borrede ae”
Vorarbeiten Anderer meine Einſichten erwei—
tern und berichtigen konnte; deſto mehr hof:
fe ich auf billige Nachſicht bei Beurtheilung
dieſes Verſuchs. Denn nur als einen Ver—
ſuch betrachte ich dieſe Arbeit, und konnte
fie nicht anders betrachten, weil es uns,
theils noch an einer vollſtaͤndigen und ge—
nauen Kritik der Quellen dieſer Auslegung,
namentlich der Kabbaliſten, der Rabbinen
und der Apokryphen mangekt, theils die ver—
ſchiedenen Formen, zu denen ſich die juͤdi—
ſche Theologie geſtaltete, noch nicht gehoͤrig
geſchieden, die Reſultate für eine vollſtaͤn—
dige und kritiſche Geſchichte der jüdischen
Religionslehre bei weitem noch nicht aufge—
ſtellt und endlich die Vorarbeiten zur Spe⸗
cialhermeneutik des N. T. nur erſt angefan⸗
gen ſind.
Was die Literatur betrifft, ſo bes
ſtrebte ich mich, fie, fo weit fie zur die
ſtoriſch-dogmatiſchen Auslegung ge
hoͤrt, ſo vollſtaͤndig anzugeben, daß wes
nigſtens keine bedeutende Schrift unbemerkt
bleiben ſollte. Denn ich bin von der Un⸗
entbehrlichkeit der Literatur bei dieſem Stu⸗
dium, da es ganz hiſtoriſch iſt, vollfommen
uͤberzeugt, und hoffe, daß es auch der Ken—
ner der Literatur bequem und nüglich finden
werde, die literaͤriſchen Notizen dieſer Wifs
ſenſchaft, die bis jetzt noch nicht geſammelt
waren, in Verbindung mit einander zu er⸗
blicken. 1
15 Ye
** 8 Vorrede.
Uebrigens fuͤrchte ich nicht, daruͤber ge-
tadelt zu werden, daß ich die hier aufge⸗
ſtellten Grundſaͤtze nicht auf das Detail ein—
zelner hermeneutiſcher Unterſuchungen (z. B.
uber die tropiſchen Ausdruͤcke, die Allego—
rien, Parabeln, Beſtimmung des Subjekts
und Praͤdikats, die Citationen altteſtament—
licher Stellen u. ſ. w.) ausgedehnt hahe, da
ſich dieſe Anwendung von felbft ergiebt,
und dieſe Schrift zu ſehr e haben
wurde.
Was endlich die Frage betrifft: ob die
hiſtoriſch⸗dogmatiſche Auslegung das dog—
maͤtiſche Syſtem der Kirche vorzuͤglich bee
gunſtige, und zeige, daß daſſelbe dem Geiſte
des N. T. am meiſten entſpreche; ſo iſt die—
ſes allerdines zu bejahen. Denn fie vins
dicirt dem N. T. ohne Widerrede die Leh—
ren z. B. vom Verſoͤhnungstode Jeſu, von
Jeſu goͤttlicher Natur, von den Engeln, der
Auferſtehung ꝛc. als bibliſche Dogmen. Als
lein dieſe Unterſuchungen weiter und bis
zu dem Punkt zu verfolgen, wo dieſe Dog⸗
men durch das goͤttliche Anſehen der Schrift
zu Offenbarungslehren erhoben werden, ge—
buͤhrt nicht dem Hermeneutiker, ſondern iſt
das Geſchaͤft der theologiſchen Kritik. — —
Wittenberg, am 29. 5 8
Ein
§. 1.
Inhaltsanzeige.
Kap. 1
Von der hiſtoriſchen Interpretation
uͤberhaupt. RR S. 1826.
Verhaͤltniß der Schrift zu den Vorſtellun⸗
gen. 5 S. 1.
Dollmetſchung und Erklärung. 8
Doppelte Art der Auslegung.“ 5.
Entſtehung der grammat. und hiſtor.
Auslegung. g D de
Hiſtoriſche Ausſeg. „ 12.
Unterſchied der grammat. und hiſtoriſchen
Aus leg. tits,
Umfang des hiſtor. Ausleg. 9 24.
Kha p.
X11 Inhaltsanzeige.
Naß ıit
Von der hiſtoriſch⸗dogmatlſchen
Auslegung des N. T. insbeſon⸗
dere. -9 s ©. 27-66,
6. 8. Weſen derſelben. D S. 27.
— 9. Nothwendigkeit derſelben. D 29.
— 10. Zweifel dagegen von der allegor. Aus⸗
leg. und der eſoteriſchen Lehrart entlehnt. 34.
— 11. Nachtheile der Vernachlaͤßigung der hiſt.
dog. Ausleg. z 41. ö
— 12. . derſelb. 49.
— 13. Unterſchied zwiſchen . und
. „ s 52,
— 14 u. 18. Unmittelbare Folgerungen hieraus. 57.
(Negative Prinelpien.)
Kap. III.
Von den Quellen und Hülfsmit⸗ .
teln der hiſt. dogm. Aus leg. 66-206,
§. 16. Einleitung. s . a 66.
— 17. Giebt es eine orientalische Religionsphi⸗ 8
loſophie? D z 69.
— 18. Umfang derſelben, 4 FU;
— 19. Quellen derſelben das A. T., .
— 20. Die Apokryph. des A. T. 5 79.
— 21. Joſephus. Nr , 89.
— 22. Philo. D) D 96,
N
1
Inhaltsanzeige. K 111
. 23. Die EKR. ’ S. 103,
24. Das N. T. 1% O. 10s.
25. Die Targumim. ö „ 110.
26. Die Pſeudepigrapha des A. T. 119.
27. Die Kabbaliſten. 5 8 128.
28. Der Talmud. ' N .
29. Die Sabaͤer. 8 , 146.
30, Der Zend: Aveftas u, 148,
3. Indiſche Religionsbuͤcher. N N36.
32. Die Apokryphen des N. T. ' 163.
33. Aelteſte Kirchenvater und Ketzer. 171.
34. Regeln fuͤr den Gebrauch dieſer Quel⸗
len. D ’ 179.
35. Literatur der juͤdiſch. Theologie. 184.
Kap. IV.
Allgemeine Grundſaͤtze der his
ſtoriſch, dogm. Auslegung. 206-251.
36. Feſtſtellung eines allgem. Kanons. 206.
(enthaͤlt keinen Zirkel.)
37. Naͤhere Anwendung deſſelben 1) in
Ruͤckſicht der Quellen. ⸗ 216.
38. 2) in Ruͤckſicht des N. T. 220.
39. Beſondere Anwendung deſſelben in ein⸗
zelnen Faͤllen. z 223,
Apho⸗
xv Inhaltsanzeige.
Aphorismen zu einer hiſtoriſch⸗
dogm. Special hermeneutik des
Kap. J.
N. T. s S. 251-304.
Einleitung. 3 +. 251,
Die drei erften Evang, P 253.
Lukas. : . 259.
Binden ra et 99 262.
Johannes. 3 a 267.
Paulus. y W C 276.
Brief an die Hebraͤer. . 293.
Jacobus, Petrus und Judas. N 298.
Apokalypſe. 5 f 5 300.
e
N ‚
SEELE
Begriff der hiſtoriſchen Interpretation
überhaupt,
H. 1.
Verhältniß der Schrift zu den Vorſtellun⸗
ur Yeah
Nachdem der Menſch ſeine Empfindungen und
Gedanken mit Lauten hatte bezeichnen lernenz
nachdem ſich dieſe Naturlaute in artikulirte Toͤ⸗
ne verwandelt, und bei einzelnen Familien, Voͤl⸗
kerſtammen und Nationen zu einem beſtimmten
ſymboliſchen Gebrauch für die Bezeichnung des
Gefuͤhles und der Vorſtellungen fixirt hatten;
nachdem durch fortgeſetzten Gebrauch jener Toͤ⸗
ne und die nach feſten Geſetzen wirkende Ver⸗
nunft die erſte Sprache ausgebildet worden
war: ſo waͤhrte es nicht lange, als auch
der Menſch, bei erhoͤhter Kultur und Kunſt⸗
fertigkeit, ſeine Empfindungen und Gedanken
dem Auge durch ein materielles Bild zu ver⸗
ſinnlichen, und beſonders auf dieſe Weiſe merk⸗
A wuͤrdige
a Interpretation und Erklärung,
wuͤrdige Begebenheiten der Nachwelt zu uͤberlie⸗
fern verſuchte. — Die Tempel der Götter und
die oͤffentlichen Denkmaͤler, das heilige und
unverletzliche Gemeingut der Nationen der Ur:
welt, wurden mit Hieroglyphen bedeckt, die
Anfangs wohl weniger Symbole von Vorſtel⸗
lungen und Wahrheiten, als vielmehr Dar⸗
ſtellung ſinnlicher SEA und ee
ten ſelbſt enthielten.
Lange mag ſich wohl die Urwelt an die⸗
ſer hiſtoriſchen Mahlerei begnuͤgt, und lange
mag es gedauert haben, ehe man die einzel⸗
nen Laute der Woͤrter mit Buchſtaben ſchrieb.
Denn nicht eher konnte Buchſtabenſchrift entſte⸗
ben, als bis man anfleng die einzelnen Laute,
welche zu einem Worte verbunden unmerklich in
einander fließen, aufzufaſſen, und die Worte
ſelbſt in ihre Theile zu zerlegen. Dieſe Analyſe,
welche zunaͤchſt auf Buchſtabenſtchrift führen muß⸗
te, konnte aber wohl nicht eher vorgenommen
werden, als bis man auf den Bau ſeiner eige⸗
nen und fremder Sprachen aufmerkſam wurde;
wozu hoͤchſt wahrſcheinlich der Handel, dem
wir ſo manche treffliche und wichtige Erfindung
verdanken, die naͤchſte Veranlaſſung war, weil
er es unumgaͤnglich noͤthig machte, Sprachen
zu lernen und zu lehren. Die Tradition
ſchreibt daher auch den, als Handelsleuten bes
ruͤhmteſten, Nationen der alten Welt die Er⸗
Findung der Buchſtabenſchrift zu.
5 Da
Dollmetſchung und Erklaͤrung. 3
Da Buchſtabenſchrift nichts anders iſt als
ſinnliche Bezeichnung der einzelnen Laute, deren
Verbindung Worte geben; da dieſe gleichfalls
blos ſinnliche Zeichen von Gefuͤhlen, Vorſtels
lungen und Gedanken ſind: ſo folgt, daß Worte
nicht nur an und für ſich an Inhalt ganz
leer ſind, und nur erſt durch das, was fie
bezeichnen, eine Bedeutung bekommen; ſondern
daß ſich auch ihr Gebrauch nicht nach eigenen
Regeln, ſondern nach den Geſetzen, nach de⸗
nen geſprochene Laute gebildet werden, und ihre
Verbindung untereinander theils nach der Ge⸗
wohnheit, thels nach den Geſetzen, wie Vor⸗
ſtellungen und Gefuͤhle überhaupt PORN ge⸗
W werden, richtet. 5
.
Eine Schrift enthaͤlt alſo nichts anders, ö
als eine Reihe Woͤrter, oder ſymboliſcher Zei⸗
chen, und eine Reihe Gefuͤhle und Vorſtellun⸗
gen, welche durch ſie bezeichnet werden. Jene
ſind der Koͤrper, dieſe der Geiſt; jene die
Form, dieſe die Materie der Schrift.
g. 2.
Dollmetſchung und Erklärung.
Eine Schrift verſtehen, heißt folglich:
dieſelbe Reihe von Gefühlen „Vorſtellungen und
Gedanken bei ſich erwecken, welche ein Schrift-
ſteller bei den ſymboliſchen Zeichen der Worte
on und durch dieſelben bei andern erwecken
22 wollte.
4 Dollmetſchung und Erklärung,
wollte. — Daß auch andere, die ohne Un⸗
terricht und Huͤlfe ein Buch nicht verſtehen wuͤr⸗
den dieſelbe Reihe von Vorſtellungen bei ſich er⸗
wecken, welche der Verfaſſer hatte, geſchieht durch
Interpretation.
Die Interpretation iſt eine doppelte: theils
Dollmetſchung oder Interpretation im ei⸗
gentlichen Sinne, theils Erklaͤrung. Die erſte⸗
re (Leh eic) findet nur dann ſtatt, wenn ein
Schriſtſteller in einer fremden Sprache geſchrie⸗
ben hat, und geſchieht durch Ueberſetzen.
Sie thut nichts, als daß ſie die ſymboliſchen
Zeichen (Sprache, — Worte) einer fremden
Gegend, eines fremden Volks, mit ſolchen
ſymboliſchen Zeichen der Vorſtellungen, Gedan⸗
ken und Gefuͤhle vertauſcht, welche unter der
Nation, oder unter dem Volke, wo der Doll⸗
metſcher lebt, üblich ſind. Dieſes iſt die aͤlteſte
Art der Aefrebeen
Da nun aber Begriffe und Ideen bei je⸗
der Nation unendlich verſchieden ſind; da jeder
Schriftſteller mehr oder weniger Dunkelheit in
ſeiner Sprache und in ſeinen Vorſtellungen hat;
da er oft manches nur mit halben Worten ſagt,
manches der Ergaͤnzung ſeiner Leſer uͤberlaͤßt;
da er Nuͤckſicht nimmt auf Ereigniſſe, Sitten,
Gebraͤuche, Einrichtungen und Denkungsart ſeines
Volkes: ſo iſt es nicht ſtets genug, ihn in ei⸗
ne andere Sprache uͤberzutragen, oder zu doll⸗
metſchen,
4
Doppelte Art der Auslegung. 5
metſchen, um ihn zu verſtehen; ſondern es
muß auch noch Erklaͤrung dazu kommen.
Dieſes iſt Auslegung im eigentlichen Sinne,
und mußte dann eintreten, wenn die bloße Ue⸗
berſetzung oder Dollmetſchung einer Schrift zu
ihrem Verſtehen nicht hinreichend war.
Zu den Schriften dieſer Gattung gehoͤrt
auch das neue Teſtament, bei welchem zu der
Dollmetſchung auch die Erklaͤrung noͤthig iſt,
um es zu verſtehen. Ja die Erklaͤrung iſt nament⸗
lich bei dieſen Schriften die Hauptſache, und
wird daher auch einzig unter dem Ausdruck
Interpretation des N. T. verſtanden.
K 2.
Doppelte Art der Auslegung.
Da jede Auslegung nichts anders iſt, als
Entwickelung der Vorſtellungen, welche der
Verfaſſer einer Schrift mit ſeinen Worten ver⸗
band, und verbunden wiſſen wollte; ſo beſchaͤf⸗
tigt ſie ſich mit der Geltung der Worte.
Dieſe iſt eine doppelte: eine allgemeine und ei⸗
ne beſondere. Jede Sprache naͤmlich iſt auf
der einen Seite als ein Gemeingut einer oder
mehrerer Nationen anzuſehen; als eine ſymboli⸗
ſche Bezeichnungsart, über deren feſten Gebrauch
Hund Sinn man ſich nach und nach vereiniget
hat. Daher giebt es einen allgemeinen Sprach⸗
gebrauch, eine allgemeine Geltung (oder Ver⸗
f ſtand)
6 Doppelte Art er Auslegung.
ſtand) der Worte. Die Sprachen ſind aber auch
auf der andern Seite das Eigenthum jedes ein⸗
zelnen, der ſich ihrer bedient, um ſeine indivi⸗
duellen Anſichten, Begriffe und Ideen durch ſie
zu bezeichnen. Es giebt daher auch einen be⸗
ſondern Sprachgebrauch, eine beſondere Gel⸗
tung (Verſtand) der Worte. Dieſe letztere iſt
eben fo verſchieden modiſicirt, als die Indivi⸗
duen, die Provinzen, die Zeitalter, die herr⸗
ſchenden Meinungen und die Kulturſtufe einzel⸗
ner Schriftsteller.
Die Wiſſenſchaft, welche den allgemeinen
Sprachgebrauch, die gewohnliche Verbindung der
Worte, und die allgemeinen recipirten Bedeu⸗
tungen derſelben bei einer Nation lehrt, iſt die
Philologie, und ſie iſt der Inhalt der gram⸗
matiſchen Auslegung. Beim N. T. alſo
iſt es der griechiſche Sprachgebrauch, der unter
den Juden herrſchte, oder die hebraiſirende
Schreibart. —
Die Auslegung hingegen, welche ſich mit
der beſondern Geltung der Worte, in Rückfiche
einzelner Individuen, ihrer Meinungen ih⸗
res Zeitalters ꝛc. beſchaͤftigt, iſt die hiſto riſche
Auslegung, welche ihren Namen daher hat,
daß ſie ihre Erklaͤrungsgruͤnde nicht aus dem
Sprachgebrauch, ſondern aus der Geſchichte
nimmt. — Beide Arten der Auslegung finden
auch beim neuen Teſtamente ſtatt; ſind aber
nicht immer angewendet worden.
| j Der
Entſteh. d. grammatlſchen u. hiſtor. Auslegung ꝛc. 7
Der Herr Stiftspfarrer C. F. Böhme theilt
in einem Aufſatz: Neue Theorie der Aus⸗
legungskunſt, mit beſonderer Ruͤckſicht
auf neuteſtamentiſche Schriftforſchung.
In Scherers Schriftforſcher 2 B. 1 St.
S. 112 ff. die Auslegung, in Ruͤckſicht ihrer Gruͤn⸗
de, in objektive und ſubjektive. Eine Einthei⸗
lung, die neu ſcheinen kann, es aber nicht iſt.
Denn unter der objektiven verſteht er die gram⸗
matiſche und hiſtoriſche; unter der ſubjſektiven
aber das, was man laͤngſt exegetiſchen Sinn
nannte, der von der Indlividualltaͤt des Inter⸗
preten, in wie fern dieſe mit der Indlividua⸗
litaͤt des Schriftſtellers uͤbereinſtimmt oder nicht,
abhaͤngt, und ſich auf die Aehnlichkeit der Ge⸗
fuͤhle uͤberhaupt, der Ideenfolge und Ideenverknuͤ⸗
pfung, auf Gleichheit der Empfindungen fuͤr
das Schoͤne und Wahre, mit einem Worte,
auf eine beſondere Harmonie des intellektuellen
und moraliſchen Charakters zwiſchen Schrift⸗
ſteller und Ausleger gruͤndet. Dieſes findet man
in der Abhandlung von Böhme mit Klarheit
und Beſtimmtheit entwickelt, ſo wie ſie auch
beherzigenswerthe, wenn auch nicht ganz neue
Gedanken uͤber den Unterſchied des Hermeneuti⸗
kers und des Kritikers enthaͤlt.
N K. 4.
KEntfehung der grammatiſchen u. hiſtort⸗
ſchen Auslegung des N. T.
So lange ein Schriftſteller noch von ſei⸗
nem Zeitalter geleſen wird, bedarf es, wenn
er nicht ganz neue Dinge vortraͤgt, keiner Erklaͤ⸗
rung ſeiner Schriften; die aber dann noͤthig
wird, wenn ſeine Sprache, Ideen und die
5 Befchichte
8 Ueſprung der grammatischen
Geſchichte ſeiner Zeit veralten, und den ſpaͤtern
Generationen unverſtaͤndlich werden. So trat bei
den Griechen das Zeitalter ein, in dem Homer
erklaͤrt werden mußte; und bei den Juden das
Zeitalter, in dem ihre heiligen Schriften einer
Auslegung bedurften. So lange noch die erſte
chriſtliche Kirche mit der Sprache, den Sitten
und den Meinungen des apoſtoliſchen Zeitalters
bekannt war, bedurfte man keiner Erflärung
der Apoſtoliſchen Schriften; hoͤchſtens nur ei⸗
ner Erlaͤuterung der Lehre ſelbſt fuͤr Unwiſſende
und Neubekehrte. Nur das alte Teſtament be⸗
durfte, ohnerachtet der griechiſchen Ueberſetzung,
einer Erklaͤrung. Spaͤterhin aber, da ſich
der Geiſt der chriſtlichem Kirche aͤnderte, fuͤhlte
man auch in eben dem Maaße, in welchem
man ſich von dem Zeitalter der Apoſtel, ihrem
Sprachgebrauch und den Begriffen deſſelben ent⸗
fernte, das Beduͤrfniß einer Erklaͤrung ihrer
Schriften immer dringender. Die Kirche be⸗
nahm ſich aber dabei hoͤchſt ungeſchickt, und ganz, wie
ein Anfaͤnger, der weder einen richtigen Begriff von
feinem Gefchäfte noch einige Uebung in demſelben hat.
Die allegoriſche Erklaͤrungsart der Schriften des alt.
Teſtaments, welche von den Juden auch zu den Chriſten
übergegangen war, und, ohnerachtet einige Kirchen⸗
lehrer auf die Nothwendigkeitleiner grammatiſchen
Interpretation aufmerkſam gemacht hatten ),
nicht
. J 10. en Dathe di. 15 ag N,
Erneſti)
und hiſtoriſchen Auslegung. | 9
nicht nur bei dem alten ſondern auch ſpaͤterhin
beim neuen Teſtamente angewendet wurde, ver⸗
rückte den Interpreten den richtigen Standpunkt
durchaus, und die dogmatiſchen Streitigkeiten,
das Eindringen barbariſcher Voͤlker und dann der
Afterwitz der ſcholaſtiſchen Theologie, nebſt der
groben Unwiſſenheit der Laien und Prieſter waren
nicht dazu geeignet, eine beſſere Erklaͤrungsart
vorzubereiten. Doch die Wiederherſtellung der
griechiſchen und orientaliſchen Sprachkenntniſſe,
die Bemühungen mehrerer gelehrter und ſcharf⸗
ſinniger Maͤnner brachen einer gereinigtern Aus⸗
legung die Bahn, auf welcher die Reformato⸗
ren, als Evangeliſche, oder ſolche, die
ihre Lehren blos aus der Bibel ſchoͤpfen wollten,
eifrigſt fortgehen mußten. Das Studium der
heiligen Schriſt in den Grundſprachen, das
bisher ganz geſchlafen hatte, erwachte zu neuem
Leben; und ohnerachtet es durch heftige dogma⸗
tiſche Streitigkeiten aufgehalten wurde, ſo fehlte
es doch nicht an Männern, welche die Ausle⸗
gungskunſt wiſſenſchaftlich behandelten. Was
die herrſchende Philoſophie, wie die Wolfiſche,
oder der ſchwaͤrmeriſche Geiſt der Pietiſten in
der Hermeneutik verdorben und verdunkelt hat⸗
Sr te,
Erneſti) de Origene interpretationis libro-
rum 88. grammaticae auctore, Lipf. 1786.
4. — Mori acroafes ſuper Herm. N. T.
Vol N der Vorrede von Eichſtädt.
10 Urſprung der grammatiſchen
te, das ward in der Mitte des vorigen Jahrhun⸗
derts durch Semler und Erneſti und deren
Schuͤler reichlich verbeſſert. Beſonders ward
der letztere durch ſeine geſchmackvolle Philologie,
und ſeine richtigen Auslegungsprincipien in gram⸗
matiſcher Hinſicht der Vater der richtigen gram⸗
matiſchen Interpretation, deren Grundſaͤtze er
in feinem klaſſiſchen Interpres niederlegte.
Doch um auch hiſtoriſcher Exeget des
N. T. zu werden, dazu fehlte es ihm an tiefe⸗
rer Kenntniß der Dogmengeſchichte, und an
einer das Gute wie das Schlechte, das Wich⸗
tige wie das Geringe gleich frei umfaſſender
Wiſſenſchaft der Religionsmeinungen der orien⸗
taliſchen Voͤlker um Jeſu Zeit. Dieſe fand ſich
Haber bei Semler, einem Manne, der mit eis
ner großen Freimuͤthigkeit zugleich ein ausgebrei⸗
tetes Studium der Religions- und Dogmenge⸗
ſchichte, und ein richtiges Urtheil verband.
Er interpretirte das N. T. zuerſt hiſtoriſch, d. h.
im Geiſte des apoſtoliſchen, nicht unſers Zeit⸗
alters, ob er gleich dieſe Auslegungsart nicht
auf beſtimmte Grundſaͤtze zuruͤckfuͤhrte, noch
dieſe ſcientiſiſch ordnete, ſondern nur fragmen⸗
tariſche Bemerkungen und Regeln lieferte, die
theils in ſeinem apparatus ad liberal. N. T.
interpretationem (Halae, 1767. 8.) theils
in ſeiner Vorbereitung zur theologiſchen
Hermeneutik (Halle 1760 — 69. 4 Stuͤcke
in g. 95 in einigen andern ſeiner Schnifte zerſtreuet
und
und hiſtoriſchen Auslegung. 11
und in ſeinen ſpaͤtern Paraphraſen des N. T.
angewendet ſind. Er war aber zu ſehr mit andern
Gegenſtaͤnden, mit zu vielen Streitigkeiten be⸗
ſchaͤftigt, und auch zu wenig Syſtematiker,
als daß er ein gerundetes Syſtem der hiſto—
riſchen Exegeſe haͤtte liefern koͤnnen.
Je mehr man aber anfing die Dogmenge⸗
ſchichte und die juͤdiſche Theologie zu ſtudiren,
je haufiger machte man von ihr Anwendung bei
der Erklaͤrung des N. T, und die hiſtoriſch⸗
dogmatiſche Exegeſe gewann immer mehr an
Umfang und Anwendung, ohngeachtet ſie immer
noch auf keine feſten Regeln zuruͤckgefuͤhrt war.
Hieher gehoͤren die Schriften eines Eichhorn,
beſonders in ſeiner Bibliothek, Keil in den
Abhandlungen uͤber den Platonismus der Kirchen⸗
vaͤter, Corrodi beſonders in den Beitraͤgen zur
Befoͤrd. des vernuͤnft. Denkens in der Relig., J.
E. Chr. Schmidt in ſeiner Bibliothek fuͤr Kritik
und Exegeſe ꝛc. und mehrere andere Gelehrte.
In einem allgemeinen Umriſſe zeichnete den Um⸗
fang dieſer Auslegung Keil in einem ſchaͤtzbaren
Programm: Car. Aug. Gottlieb Keil com-
mentat io de hiftorica librorum fa-
erorum interpretatione eiusque ne-
ceffitate Lipf. 1788. 16 S. 4. (auch von
Hempel ins deutſche uͤberſetzt und herausgegeben
Leipz. 1793. 8. — dagegen vergl. Beweis,
daß die von Koppe, Keil u. a. verthei⸗
digte hiſtoriſche Interpretation der
f | Reden
12 Hiſtoriſche Auslegung.
Neden Jeſu nicht ſtatt finden konne.
In Auguſti theol. Monatsſchrift 5 Hſt.
Jahrg. 1801. N 7
155 . 5.
Hiſtoriſche Auslegung. f
Daß zu einer vollſtaͤndigen Erklaͤrung ei⸗
nes Schriftſtellers, die hiſtoriſche Erklaͤrungs⸗
4 art vorzuͤglich nothwendig ſey, iſt ſo evident,
daß es beinahe keines Beweiſes zu beduͤrfen
ſcheint. Denn es iſt nicht binlaͤnglich, den all⸗
gemeinen Sprachgebrauch uͤberhaupt zu kennen,
zu wiſſen, was dieſes oder jenes Wort übers
haupt, oder in einem einzelnen Dialekte beſon⸗
ders bezeichne, welche Bedeutungen es in die⸗
ſer oder jener Verbindung habe; es iſt nament⸗
lich beim neuen Teſtamente nicht hinlaͤnglich, den
hebraiſirenden Sprachgebrauch mit ſeinen Eigen⸗
heiten erforſcht zu haben: — ſondern man muß
nun auch unterſuchen: in welchem Sinne Wor⸗
te und Redensarten namentlich zu der Zeit, uns.
ter dem Volke, in dem Lande, wo der Schrift⸗
ſteller lebte, uͤblich waren; welche Vorſtellun⸗
gen damals uͤberhaupt herrſchten; welche Leſer
der Verfaſſer vor Augen hatte; welche Gegner
er beſtritt; welchen Grad der intellektuellen
Kultur er erreicht hatte; welchen politiſchen,
philoſophiſchen und religioͤſen Ideen er folgte;
zu welcher Parthei oder Sekte er gehoͤrte; wel⸗
che eigenthuͤmlichen Vorſtellungen er wohl nach
ſeiner
Hiſtoriſche Auslegung. 13
feiner Lage mit den Worten verbunden haben
mag; u. ſ. w. Denn da einen Schriftſteller
verſtehen nichts anders heißt, als: genau dass
ſelbe bei ſeinen Worten denken, was er dabei
dachte und gedacht wiſſen wollte; ſo muß man
auch genau wiſſen, wie viel oder wie wenig,
und welche Vorſtellungen und Ideen Er dar⸗
ſtellen wollte. Folglich muß der Ausleger, be⸗
ſonders eines ſehr alten Buchs, ſeine Verhaͤlt⸗
niſſe, Anſichten der Welt und Ideen gaͤnzlich
vergeſſen, und ſich ganz in die Lage und Um⸗
gebungen des Verfaſſers, den er erklären will,
verſetzen, und deſſen Zweck, Meinungen und
Begriffe, ſo wie die ganze Eigenthuͤmlichkeit
des Zeitalters, wo er lebte, im Auge behal⸗
ten. - BR .
Doppelt noͤthig werden dieſe Ruͤckſichten
bei Religionsſchriften, weil ſich dieſe auf Mei:
nungen, Glaubensſaͤtze und Ideen beziehen,
die bei jedem Volke und in jedem Zeitalter, oft
auch bei jedem einzelnen Schriftſteller individuel
modificise find.
Weil alle dieſe Unterſuchungen hiſtoriſch
ſind; ſo hat man die Auslegung, welche ſich
auf dieſe Unterſuchungen als ihre Prämiſſ en
ſtuͤtzt, und aus ihnen die Erklaͤrungsgruͤnde
ableitet, die hiſtoriſche genannt. +
In treffender Kürze beſchreibt fie e Keil in
dem angeführten Programm S. 8 f:
In
14 Hiſtoriſche Auslegung.
In fingulorum, ſagt er, ver borum for-
mularumque loquendi ſignificationibus
explorandis non ſufficit ſeire,; quid verbum
quodque hac illaue lingua omnino ſignifi-
cauerit; ſed quaerendum etiam eſt, quo ſen-
ſu illo nominatim tempore, quo liber is, quem
explicandum nobis ſumſimus, ſeriptus eſt, in-
que ea, qua vixit auctor eius, gente et re-
gione fuerit vſurpatum. Tum vero quaeri
etiam debet, quinam cuiusque verbi fenfus
in hoc potiſſimum, quem interpretamur, lo-
co obitineat et quemnam quafi ambitum nune
complectatur. Conſtat enim, laepe verbis
quibusdam non modo ampliorem anguſtio-
remue, quam qui ipſorum fignifieatione de-
ſcriptus eſt, ambitum tribui, ſed loco fignifi-
cationis iplorum alium etiam ſenſum iis eſſe
ſubjiciendum. In vtroque igitur quaerendo
non pro lubitu verfandum eſt interpreti, ſed
omnia potius ad ipfius ſeriptoris ſententiam
et mentem ſunt reuocanda, atque cum ad
poſterius quidem genus verborum, quorum
ſignificationi alius ſenſus eſt ſubſtituendus,
tropica potiſſimum vocabula et loquendi for-
mulae pertineant, in his omnium maxime
eauendum eſt interpreti, ne ab hiſtorica in-
ter pretandi ratione recedat. — — — In plu-
rium autem vocabulorum fententia-
rumque inuicem iunctarum nexu indagan-
do non minus necefle eſt, vt id potiſſimum
quaeratur, quaenam ſeriptor verba inuicem
nexa eſſe voluerit, et quemnam nexum ſibi
cogitauerit, neque, hoc neglecto ea inter fe
iungantur, quae interpreti videantur hoc il-
loue modo inuicem necti poſſe. In rebus
denique, quae apud quemlibet ſeriptorem tra-
ditae reperiuntur, ſedulo ſpectandum eſt hoc,
vt earum omnium, quantum fieri poteſt, eas-
dem plane formet fibi interpres notiones, quae
foeriptoris
’
7
Hiſtoriſche Auslegung. 15
ſeriptoris lectorumque eius menti fuerunt ob-
verlatae; alioquin nullo modo poterit eorum,
quae dieuntur, fenlum illum adlequi, qui
in ipiius feriptoris, dum, cum feriberet, ani-
mo inſedit. In rebus igitur iis, quae ſenſi-
bus fubiacent, quarumque in libris ſ. mentio
aliqua injieitur, quales ſunt v. c. hominum,
quorum res geſtae narrantur, mores et ritus,
regionumque, in quibus illi vixerunt, ſitus
et indoles, hoc curandum erit interpreti, vt
earum omnium eam conditionem cognitam
ſibi reddat, quam feriptor quisque eiusque
lectores illo ipſo tempore oculis ſuis vſurpa-
runt, quo liber eius eſt exarstus. Multo ma-
gis vero in iis rebus, quae animo tantum
comprehenduntur, in eo ipfi erit elaboran-
dum, vt omnium, quas ipſi ſibi formauit,
aut ab aliis accepit, harum rerum notionum
penitus obliuiſeatur, et in eius potius, qui
librum quemque ſeripſit, eorumque quibus
deſtinatus eſt, notiones his de rebus concep-
tas inquirat. Quod vbi factum fuerit, tum
has iſtorum hominum notiones ita animo de-
bet amplecti, vt omnem quali eorum perfo-
nam induat, et quaenam ipfis haec fcriben-
tibus aut legentibus idese neceflario debue-
rint obuerfari, diligenter cogitet.
f \
Vergl. auch Eichhorns Vorſchlaͤge zur Her⸗
meneutik. In der allgem. Bibl. d. bibl. Lit.
4 B. 2 St. S. 330 — 343. Poͤlitz Ber
trag zur Kritik der Religionsphiloſoph. und
Exegeſe unſers Zeitalters, S. 390 f. I. G.
A. Hacker de defcenfu Chr. ad infe-
ros. Diſſ. (Dresd. 1802) S. 2 ff.
Ne.
16 Unterſchied der grammatiſchen
ö N
Unterſchied der grammatiſchen und h iſto⸗
riſchen Auslegung.
Gegen dieſe richtige Anſicht einer gedoppel⸗
ten Erklaͤrung des N T. ſind die Gruͤnde, mit
denen man hat beweiſen wollen, daß es uͤber⸗
haupt nur Eine Erklaͤrung, naͤmlich die gram⸗
matiſche gebe, von keiner Bedeutung. Man
erinnerte naͤmlich, daß jede Erklaͤrung eines
Schriftſtellers uͤberhaupt hiſtoriſch ſey, indem
ſich die Auslegung mit Auffuchung der Vorſtel⸗
lungen und Ideen, die man mit den Worten
einer Sprache bezeichnet habe, beſchaͤftige, alſo
mit einer hiſtoriſchen That ſache. So wahr
dieſes nun auch iſt, ſo wenig reicht es zum
Beweiſe hin, daß grammatiſche und hiſtoriſche
Auslegung identiſch ſeyen. Denn es iſt doch
ohnſtreitig zu viel in den Begriff des Hiſtori⸗
ſchen gezogen, wenn man ihm auch die Wiſſen⸗
ſchaft alter Sprachen beimiſchen will; da ſich
die Geſchichte nicht mit Worten und deren Be⸗
deutungen, ſondern mit Sachen, Ideen und
Perſonen beſchaͤftigt. Mit gleichem Rechte würde
ſich die Kunſt, alte Diplome und Hieroglyphen
zu entziffern, zur Geſchichte rechnen laſſen, da
doch dieſe nur auf den Inhalt jener Diplome
und Hieroglyphen Ruͤckſicht nehmen kann. Doch
man hat nicht noͤthig uͤber den Gebrauch und
Umfang des Portes „hiſtoriſch“ zu ſtreiten, weil
es keinem Zweifel unterworfen ſeyn kann, daß
f es
1
und hiſtoriſchen Auslegung. 17
es ein ſehr verſchiedener Proceß ſey, einen
Schriftſteller aus dem Sprachgebrauch, oder
aus der Geſchichte (Geographie, Kirchen: Dog»
men⸗Religions⸗Politiſche Geſchichte 20 zu erklaͤ⸗
ren. Denn die Ideen und Begriffe ſind nicht
ſo feſtſtehend wie die Sprache ſelbſt, ſondern
mobifteiren ſich nach Ort, Zeitalter und Umge⸗
bungen zu unendlich mannigfaltigen Geſtalten.
Die Sprache, die fuͤr dieſe neuen oder indi⸗
viduellen Begriffe und Vorſtellungen noch nicht
geſchmeidiget iſt, und immer nur, auch wenn
ſie ſehr gebildet iſt, noch ein unvollkommenes
Mittel zur Bezeichnung darbietet“), wird daher
veraͤndert, die Bedeutung der ſymboliſchen Zeichen
der Begriffe (der Worte) wird, da man neue
weder ſchaffen kann noch will, modificirt, und
ſo entſteht die Nothwendigkeit, die Geſchichte
und deren Quellen zu Huͤlfe zu rufen, um, be⸗
ſonders alte, Schriften zu verſtehen; welches
doppelt nothwendig wird, wenn ſie die Reli⸗
gion betreffen. Man erinnere ſich nur an die in
Mu verſchiedenen
1 Man e ſich an das Beispiel ke
Zeit, wo die philoſophiſche Sprache durch Kants
originelle Ideen eine ſo bedeutende Veraͤnderung
litt, und fo viele Mißverſtaͤndniſſe dieſer Philos
ſophie daher entſtanden, daß man die Worte,
deren ſich Kant bediente, immer im Sinn der
alten Metaphyſik nahm, und uͤberhaupt Kanten
aus dem Standpunkt derſelben erklaͤrte und beur⸗
theilte.
18 luterſchied der b Kammotſſhen i
verſchiedenen Zeitaltern und bei .
Voͤlkern ſo mannigfaltig modificirten Begriffe
Geiſt, Himmel, Gott, ſchaffen u. ſ. w.
Iſtges hier genug zu zeigen, daß mveuax uns
ter mehrern Bedeutungen, auch Geiſt heiße;
daß ovecvos den Himmel bezeichne u. ſ. w.
Iſt es Sache des Sprachgebrauchs, zu unterſu⸗
chen, wie dieſe Begriffe modificirt wurden, oder
nicht vielmehr der Geſchichte? — Muß uns
dieſe nicht lehren, was man ſich für Vorſtellun⸗
gen von Geiſt, Himmel ꝛc. zu verſchiedenen
Zeiten, und bei dem Volke, zu dem ein Schrift⸗
ſteller gehoͤrt, mache? — Und wie koͤnnte
es Sache der grammatiſchen Erklarung ſeyn,
alle die Umſtaͤnde anzugeben und aufzuſuchen,
durch deren Kenntniß, Worte und de erſt
ihr volles Licht erhalten?
Wer wird es nicht zugeſtehen, daß die Saty⸗
ren eines Perſius und Juvenals ſowohl einer
grammatiſchen als hiſtoriſchen Erklaͤrung beduͤr⸗
fen? Wer wird es laͤugnen, daß man dieſe
Schriften nach den Regeln der lateiniſchen Sprach⸗
kunde vollkommen erklaͤren, und ſie demohn⸗
geachtet nicht verſtehen koͤnne, wenn man nicht
weiß, auf welche Sitten, Laſter, Meinun⸗
gen, Vorurtheile, oder Begebenheiten ſie die
Spitze ihrer Satyre richten? Wer wird ſich
ruͤhmen koͤnnen, die Briefe eines Cicero zu ver⸗
ſtehen, wenn er nicht mit der Zeitgeſchichte
jenes Mannes und deſſen bee Verhaltniſſen
| bekannt
N
*
und hiſtoriſchen Auslegung. 19
bekannt iſt? — Wer kann behaupten, die philoſo⸗
phiſchen Schriften dieſes roͤmiſchen Weiſen zu faſſen,
wenn er nicht mit den aͤltern philoſophiſchen
Syſtemen, auf welche er ſtete Ruͤckſicht nimmt,
vertraut iſt? — Der bloße grammatiſche Er⸗
klaͤrer aller dieſer Schriften wird zwar die Wor⸗
te haben, und auch Begriffe mit ihnen verbin⸗
den, einen Sinn in den Saͤtzen finden; aber
gewiß nicht die Begriffe, nicht den Sinn,
den jene Schriſtſteller ſelbſt darſtellen woll⸗
ten; — er hat blos das Zeichen aber nicht
den Sinn, nicht den SAN des ſinnlichen Zei⸗
chens gefaßt.
Diaſſelbe gilt auch bei der Erklaͤrung der
Bücher des neuen Teſtaments. Denn da) fie
auf eben die Weiſe wie jedes andere menſchliche
Buch erklaͤrt werden muͤſſen, und folglich ihr
i B 2 Sinn
U N —
*) Er neſti in ſ. inſtit. interpretis N. T. pag. 11.
(der zten Ausg.): „elus (vfus loquendi) ob-
feruatio propris eſt Grammaticorum, quo-
rum artis maxima et praecipua pars in eo
verlatur, vt quid verbum quodque, tempore
quoque, apud ſeriptorem quemque, in dil-
eiplina et forma denique loquendi
quaque (?) fonuerit, diligenter exquirant.
Vnde ſenſus literalis idem grammaticus dici-
tur, nec minus recte hiſtoricus voca-
tur, quod, vt caetera, quae ſunt in facto,
teſtimoniis et auctoritatibus continetur. Ita-
que nullus alius verborum ſenſus eft, nifi
grammaticus.“ Vergl. mit Mon ‚acröalı,
luper hermeneut. N. T. P. I. p. 66 14
—
20 Unterſchied der grammatiſchen
Sinn nur Einer, und nur Einer der wahre
ſeyn kann!); da dieſe Schriften ein ganz eigenthuͤm⸗
liches Gepraͤge der Zeit, des Ortes und der Nation,
unter der die Verfaſſer lebten, an ſich tragen: ſo
muß auch ihr einziger und wahrer Sinn durch
Anwendung der grammatiſchen und hiſtoriſchen
Auslegung gefunden werden. Wie verſchie⸗
den aber hierbei das Geſchaͤft des gramma⸗
tiſchen und hiſtoriſchen Auslegers ſey, iſt aus
dem, was bisher geſagt worden iſt, ſehr deut⸗
lich, und kann an einigen Beiſpielen ganz evident
erwieſen werden. f
Alo bedeutet bekanntlich in der hebraiſi⸗
renden Schreibart: Zeit, Lebenszeit, En
keit, Welt (Hiob. 13, 6. 10. Weish. 13, 9.
K. 4, 2. Ki 3, 14.) Dieſe Bedeutungen zu
verificiren und ihre Ableitungen zu zeigen, iſt
das
6 S. Ernefi interbres pag. II. 12. Morus
acroafes P. I. p. 69. Gelbricht commen-
tatio qua docetur, interpretationem librorum
diuinorum ab interpretatione librr. humano-
rum nihil differre. Zeitz 1274. 4, I. As-
both comment. de interpretstione codicis fa-
eri ad communia omues libros interpretandi
principia reuocata. Goett, 1791. 4. Guil.
Nic. Freudentheil commentatio de codice
facro, more in reliquis antiquitatis libris ſo-
lemni ingenue interpretando; adiectis difficul-
tatibus Nouo T. propriis. Goett. 1791. 8.
Herders Briefe, das Studium der Theologie
betreffend, 1. Th. S. uff.
und hiſtoriſchen Auslegung. 21
das Geſchaͤft der grammatiſchen Interpretation.
(Vorſtius de hebraism. N. T. ed. Fichh. p.
38 faq.) Doch eben dieſes Wort hatte auch
bei den Juden in der Ver bindung ce O
rum de]], und csc o Eh N DO,
einen beſtimmten hiſtoriſchen Sinn. Das erſtere
naͤmlich bezeichnete die jetzige Weltperiode vor
der Erſcheinung des Meſſias; das letztere die
Weltperiode, wenn der Meſſias erſcheinen und
fein Reich errichten wuͤrde.“ Denn ſie theilten
die Zeit in zwei Perioden, in die vor, und in
die waͤhrend der Regierung des Meſſias. (Light-
foot horae hebr. ad Matth. XII, 35.) Diefen
Sinn der Worte, wobei die Bedeutung des
Wortes cio als Zeit ungekraͤnkt bleibt, giebt
nicht die Philologie an die Hand, ſondern die
juͤdiſche Dogmengeſchichte; daher der Beweis
derſelben zur hiſtoriſchen Exegeſe gehoͤrt. Finden
wir daher im N. T. Stellen, wo entweder
Juden ſprechen (wie Matth. 19, 16.), oder wo
Jeſus mit Juden ſpricht, bei denen er voraus⸗
ferren mußte, daß fie dieſe Worte in der ihnen
bekannten und gewoͤhnlichen Bedeutung nehmen
wuͤrden; ſo verfahren wir wahrſcheinlich am
richtigſten, wenn wir ſie nach dieſen Vorſtellun⸗
gen, und alſo hiſtoriſch erklaren; z. B. Matth.
12, 32. Daher heißt auch Cam ceich os nicht
nur das zukuͤnftige Leben nach dem Tode, in
welchem Sinne es nicht nur im N. T. ſondern
auch im 4 Buch der Makkab. (das aber freilich
ein ſpaͤtes e Produkt, und frei
I, von
—
22 Unterſchied der grammatiſchen.
von der hebraiſirenden Schreibart iD K. 15, 3
K. 17, 18. vorkommt; ſondern es bedeutet
im hiſtoriſchen Sinne bisweilen auch die Gluͤckſe⸗
ligkeit des Meſſiasreichs, wie z. B. Mark 10, 30.
Ein anders Beiſpiel ſey das ſchwere Wort
0 Ab % Joh. 1, 1. Die grammatiſchen Inter⸗
preten haben es auf verſchiedene Weiſe erklaͤrt,
indem einige es durch o Ne eEEρ), der Ver⸗
fprochene “) d. w. EmanyyeNhowsvos, erklaͤrten;
andere ) nahmen es fuͤr 8 Ne, der Spre⸗
cher, interpres, und Doͤderlein *) erklaͤrte es
nach derſelben grammatiſchen Form durch auctor
doctrinae, und nahm alſo Ne in der ge⸗
woͤhnlichen Bedeutung, doctrina chriſtiana. Die⸗
ſe Erklaͤrung laͤßt ſich vollkommen grammatiſch
rechtfertigen, da Johannes ſehr haͤufig das Ab⸗
ſtraktum fuͤr den Urheber deſſen, was das
Wort bezeichnet, ſetzt, z. B. wenn er Jeſum
den Weg, d. i. den Führer auf dem Wege,
die Wahrheit, d. i. den Lehrer der Wahrheit,
Auferſtehung, Leben u. ſ. w. nennt. Endlich
nahm ein Theil der Interpreten Ao’yos, in
der Bedeutung Weisheit, und erklaͤrte die
ganze Stelle für Perſoniſikation der Weisheit
Gottes
*) Deyling obſſ. ſ. T. I. pag. 7217 Titt-
99135 de Veſtigiis Gnoſt. in N. T. fr. au.
550 4 in den Memorab. 8. St. S. 94
ff. welche Erklärung er in feinem Commentar
über den Johannes mit Recht zuruͤcknahm.
elt) inftit, theol. Chr. T. I. p. 364.
1
7
und hiſtoriſchen Auslegung. 23
Gottes als Eigenſchaft“). Alle dieſe Erklaͤrungen
beruhen auf grammatifchen Grunde, und laſſen
ſich nach den Regeln der grammatiſchen Exegeſe
vertheidigen. — Hingegen der hiſtoriſche Exeget
unterſucht, ob nicht Nes bei den Juden zu
jenen Zeiten einen beſondern, beſtimmten Sinn
gehabt habe, und wenn er nun findet, daß
fie allerdings oft von einem göttlichen und ſub⸗
ſtanziellen Weſen, dem Aoryos, ſprechen, der
vor Urbeginn (2v cen) der Welt aus Gott
hervorgegangen ſey, die Welt erſchaffen habe,
und in Ruͤckſicht ſeiner Natur der Abglanz, das
Ebenbild der goͤttlichen Majeſtaͤt und Vollkom⸗
menheit ſey, und Gott genennt werden duͤrfe
(ace Oeog nv ò Noos); fo wird er das Wort
Aoyos als einen Kunſtausdruck betrachten, und
nun nach der Geſchichte beſtimmen, welche Vor⸗
ſtellungen man ſich von dieſem Weſen zu machen
habe, und wie ihm das, was Joh. 1. geſagt
wird, beigeleget werden koͤnne. — Wie ſich
die grammatiſche und hiſtoriſche Erklaͤrung in
der berühmten Stelle 1 Petr. 3, 19. 20. gegen
einander verhalten, iſt treffend gezeigt worden
von Hacker (diſſ. de defcenfu Chrift. ad inf.
p. 18 ff.) Endlich iſt, — um noch ein geo⸗
a N graphiſches
) Löffler uͤber den Platanism. d. Kirchen v.
S. 394. Jeruſalem nachgelaſſ. Schriften
I. Th. S. 565 ff. Eckermann theol. Bel⸗
traͤge, I. B. S. 5 ff.
24 Umfang der hiſtoriſchen Auslegung.
graphiſches Beiſpiel aus andern Buͤchern zu waͤh⸗
len, — die Bedeutung von- UHER iſt bekannt⸗
lich Leiter. Es wird aber 1 Makk. 11, 59.
eine Aνεt Tec erwaͤhnet, welcher Aus⸗
druck aus der Geographie zu erlaͤutern iſt. Naͤm⸗
lich aus Joſephus (juͤd. Krieg. 2 B. 10 Kap.
S. 169. der Haverk. Ausg.) lernen wir, daß
KN. T. ein hoher und aͤußerſt ſteiler Berg
zwiſchen den Staͤdten Tyrus und Ptolemais war,
der wegen ſeiner Steilheit (vielleicht auch weil
Stufen in ihm eingehauen waren) dieſen Namen
erhalten hatte. — Diefe. Erörterung iſt aber
ganz hiſtoriſch.
§. 7.
Umfang der hiſtoriſchen Auslegung.
Die hiſtoriſche Interpretation iſt von weitem
Umfange, und umſchließt alles das, was aus.
fer. der Kenntniß des allgemeinen und beſondern
Sprachgebrauchs noch außerdem zur Erklarung
eines Schriftſtellers aus der Geſchichte aufzu⸗
ſuchen und anzuwenden iſt. Es gehoͤrt alſo in
das Gebieth derſelben erſtlich Kenntniß der Alter⸗
thuͤmer, der Sitten, Gebraͤuche und Einrich⸗
tungen des Volkes und des Zeitalters, in dem
die Verfaſſer ſchrieben; ferner der Geographie ih⸗
rer Zeit und ihrer naturhiſtoriſchen Kenntniſſe
und Meinungen; ferner Kenntniß der Geſchichte
des ganzen Zeitraums, in dem ein oder mehrere
Verfaſſer ſchrieben, und beim neuen Teſt. nament⸗
lich
0
Umfang. der hiſtoriſchen Auslegung. 25
lich der juͤdiſchen und roͤmiſchen Geſchichte, und
deren Chronologie; ferner die Kenneni der hi⸗
ſtoriſchen Umſtaͤnde der Verfaſſer und ihrer "Bir
cher, folglich Geſchichte ihres Lebens, ihrer
Geſchaͤfte, ihrer Kultur, der Schickſale ihrer
Buͤcher bis auf unſre Zeiten; vorzuͤglich aber
der Perſonen, fuͤr welche ſie ſchrieben; des Zwecks,
den ſie durch ihre Schrift erreichen wollten;
des Zuſtandes und Verhaͤltniſſes derer, an wel⸗
che ſie ſchrieben; der Veranlaſſungen, wegen
welcher, der Zeit und des Ortes wo, und
der individuellen Gemuͤthsſtimmung, in welcher
ſie die Feder ergriffen.
Beim neuen Teſtamente kommt aber vorzuͤg⸗
lich die Geſchichte der religioͤſen Meinungen, nicht
nur der Juden, ſondern des ganzen Orients
in damaligen, fruͤhern und ſpaͤtern Zeiten, der
Streitigkeiten der juͤdiſchen Sekten, der Art,
nach welcher juͤdiſche Lehrer bewieſen, erklaͤrten
und disputirten in beſondere Betrachtung, weil
das N. T. lauter ſolche Schriften enthält, die
ſich auf eine neue, unter den Juden entſtandene,
Religion beziehen. Dieſen Theil der hiſtoriſchen
Auslegung nenne ich die hiſtoriſch-dogmatiſche,
und ſie iſt es, die mir noch einer beſondern
Bearbeitung zu beduͤrfen ſchien, ſo reichlich auch
die Vorarbeiten fuͤr dieſelbe ſind.
Denn was die Alterthümer, die Geogra⸗
phie, Naturgeſchichte Palaͤſtinas, die politiſche
8 Geſchichte
26 Umfang der hiſtoriſchen Auslegung.
Geſchichte jenes Zeitraums und die Chronologie
deſſelben anbetrifft; fo iſt dafür in Schriften,
die allgemein bekannt, und in allen hermeneu⸗
tiſchen Lehrbuͤchern angefuͤhrt ſind, ſehr viel
geleiſtet worden. Was aber die Kenntniß der hi⸗
ſtoriſchen Umſtaͤnde der Verſaſſer des N. T., ihrer
Bücher, deren Schickſale, Zeit der Abfaſſung ꝛc.
anlangt; To iſt dieſe in den Einleitungen in das
N. T. (das Verzeichniß derſelben f. in meinem
Verſuch einer ſyſtematiſchen Ent wickelung aller
in der Dogmatik vorkommenden Begriffe, nebſt
der Literatur der Dogm. S. 78 — 80) und
zum Theil in den Schriften uber den Kanon
(S. ebendaſ. S. 102 — 104) und über die
Aechtheit und Integritaͤt des N. T. lebendaſ.
S. 83 ff.) zu ſuchen. Doch die einzelnen Ab⸗
handlungen uͤber dieſe Materien ſollen, weil ſie
bedeutenden Einfluß auf die hiſtoriſch dogmati⸗
ſche Exegeſe haben koͤnnen, zu Ende dieſer Un⸗
terſuchungen angegeben werden.
85 Pr Kap.
27
— . . — — —
Es
N
K a p. II.
Bon der hiſtoriſch⸗ dogmatiſchen Auslegung a
des N. T. insbeſondere.
4 ” 3
4 Kn inn
8 £. 8.
weten der hicsriſch dogmatischen Aus-
legung. N
Um die hiſtoriſch⸗ dogmatiſche Auslegung beim
N. T. anwenden zu koͤnnen, muß man ſich das
ganze Syſtem der religioͤſen Meinungen des
Orients, die vor, waͤhrend und nach den
Zeiten der Apoſtel in jenen Ländern herrſchten,
genau bekannt machen, die Anfaͤnge und Fort⸗
bildung jener philoſophiſch⸗ religioͤſen Ideen aufs
Iſuchen, ihre Modiſicationen bei verſchiedenen
Nationen und unter dem Einfluß früberer reli⸗
gioͤſer Grundſaͤtze verfolgen, die einzelnen Data
pragmatiſch verbinden, und zu einer belehren:
den und umſchließenden juͤdiſchen Theologie (oder,
wenn man lieber will, Theologie des Orients)
verarbeiten; eine Geſchichte, die das Ganze
eben
| 1
28 Weſen der hiſtoriſch⸗ dogmat. Ausleg.
eben fo gut mit umfaſſendem und pragmatiſchem
Blicke uͤberſchaut, als ſie das Einzelne kritiſch
erörtert, und in Verbindung mit dem Ganzen
fest. Denn die hiſtoriſch⸗dogmatiſche Interpre⸗
tation ſelbſt beſteht darin, daß man nicht nur
einzelne Worte in dem Sinne nehme, in wel⸗
chem ſie in jener Theologie gebraucht wurden;
ſondern daß man auch den Sinn ganzer Saͤtze
und Stellen, wenn ſie aus derſelben erlaͤutert
werden koͤnnen, in Gemaͤßheit dieter theologi⸗
ſchen Meinungen beſtimme; vorzuͤglich dann,
wenn die Verfaſſer ſelbſt ſolche Meinungen zu
berückfichtigen ſcheinen. So wird der hiſtoriſch⸗
dogmatiſche Interpret z. B. den Worten Logos,
Satan, Damon, Höfer. ihre Geltung nach
der juͤdiſchen Theologie beſtimmenz er wird
ſich die undankbare Muͤhe erſparen, den Satan
mit ſeinen Wirkungen aus dem N. T. hinweg
zu erklaͤren, die Wunder Jeſu durch philologi⸗
ſche Kuͤnſteleien oder pſychologiſche Erklärungen
als natuͤrliche Begebenheiten darzuſtellen, oder
ſie als einfache Fakta, welche durch Tradition
zu Wundern ausgeſchmuͤckt worden ſeyen, zu be⸗
handeln, da er weiß, daß Jeſus, als Meſſias,
Wunder thun mußte, weil die Juden in dem
Meſſias einen großen Wunderthaͤter erwarteten,
und beide Begriffe bei ihnen beinahe identiſch
waren; er wird es fuͤr Ungerechtigkeit gegen
die Rechtſchaffenheit und den religioͤſen Eifer
der Apoſtel, beſonders eines Paulus halten,
unter der Auferſtehung der Todten eine morali⸗
ſche
1
Nothwendigkelt derſelben. 29
*
1 18 öl 5
ſche Erweckung aus dem Tode der Suͤnden zu
verſtehen, da er weiß, daß die Juden allge⸗
mein eine Auferweckung der Koͤrper glaubten,
und folglich unter der dvasacıs nichts anders
verſtehen konnten. So wird er uͤberall das neue
Teſt. ſo verſtehen, wie es nach hiſtoriſchen
Gründen wahrſcheinlich iſt, daß es die damali—
gen Leſer deſſelben verſtehen konnten
und mußten. 8
Vortrefflich ſagt Mosheim in f. izyſtit. biſt.
chriſt. mai. Sec. I. p. 134. : „ fi quae ſtudio-
rum rationes inter populos Orientis, prae-
ſertim in Afia et Aegypto floruerint, cum
ed nos deſcenderet filius Dei, monumen-
tis explöratum hodie eſſet minime dubiis,
magna vteremur luce adlibrosdiui-
nos melius intelligendos, ad vim
veterum formularum et dogmatum Chriſtia-
norum rationes reddendss, ad leita denique
eorum explicanda, qui rei Chriftianae initia
ſoedis erroribus contaminarunt.“
9. 9.
Nothwendigkeit derfelben,
5 Denn wenn man, was man doch muß,
vorausſetzt, daß die Schriftſteller des N. T.
ſchrieben, um von ihren Leſern verſtanden zu
werden; wenn ſie folglich dieſelben Begriffe,
Vorſtellungen und Ideen mit ihren Worten ver⸗
binden mußten, welche ihre Leſer damit zu
verbinden pflegten; ſo muͤſſen auch wir, wenn
wir dieſe Schriften richtig verſtehen wollen, die
N Vor⸗
380 Nothwendigkeit derſelben.
Vorſtellungen der Leſer kennen und bei der Er⸗
klaͤrung zu Grunde legen. Denn hatten die neu⸗
teſtamentlichen Schriftſteller mit ihren Worten
einen neuen, ungewoͤhnlichen, oder wenigſtens
bedeutend modificirten Sinn verbinden wollen;
ſo mußten ſie ſich ſo ausdruͤcken, daß ihre
Leſer dieſe Modifikationen bemerken, dieſen Sinn
verſtehen konnten. Außerdem hatten ſie volles
Recht, die Briefe und Schriften ſo zu verſtehen,
wie es der allgemeine dogmatiſche Sprachgebrauch
heiſchte. Denn die neut. Schriſtſteller ſchrieben
doch wahrhaftig nicht zur Taͤndelei, und um
zu ſchreiben, ſondern um bei ihren Leſern wich⸗
tige Abſichten zu erreichen. Mußte ihnen nicht
daran liegen, verſtanden zu werden? Konnten ſie
von dem recipirten dogmatiſchen Sprachgebrauch
abgehen, ohne es deutlich zu ſagen? Wenn
fie alſo z. B. mit vios Jeop nicht den Meſſias
oder die goͤttliche Natur des Logos, die ſich,
mit Jeſu vereinigt hatte, ſondern den morali⸗
ſchen Sohn Gottes bezeichnen wollten; ſo muß⸗
ten ſie, da ihre Leſer von dieſer Kantiſchen
Begriffsverwandlung keine Kenntniß haben konn⸗
ten, dieſes ausdruͤcklich ſagen. Wollten fie,
daß ſich ihre Leſer bei venue c νν blos einen
geiſtigen Sinn, oder eine heilig wirkende
Geiſteskraft denken ſollten; ſo mußten ſie
dieſes ausdruͤcklich bemerken, da außerdem die
Leſer an den heiligen Geiſt, ein ſubſtanzieles
Weſen, gedacht Bohr würden. PER |
Und
*
*
1
1
Nothwendigkett derſelben. es
BR
=
und in der That würde ſich nicht begrei⸗
ſen laſſen, wie und warum die Apoſtel und
die andern Verfaſſer des N. T., die ihre Ueber⸗
zeugung ſo frei und offen an den Tag legen,
und Alles fuͤr dieſelbe zu thun und zu leiden be⸗
reit ſind, die Zweideutigkeit Einiger unter uns
haͤtten nachahmen ſollen, die ſich der Worte
des N. T. ſcheinbar im bibliſchen Sinne bedienen,
eigentlich aber etwas ganz Anderes, was nur
den Eingeweihten deutlich iſt, ſagen wollen. Die⸗
ſes Temporiſiren war dem feurigen und ehrlichen
Charakter der Apoſtel durchaus zuwider, bei
denen Alles, was ihren großen Meiſter und
deſſen Lehre betraf, Sache des Herzens, der
Pflicht, und der lebendigſten Ueberzeugung war,
und die es fuͤr das ſchwerſte Verbrechen ange⸗
ſehen haben würden, feine Lehre aus Menſchen⸗
gefaͤlligkeit zu veraͤndern und zu verfaͤlſchen.
Greifen ſie doch ſo manche juͤdiſche Vorurtheile,
ja die ganze moſaiſche Verfaſſung mit ernſter
Strenge an; wie konnten fie bei andern Lehren
temporiſiren? Bahnten ihnen nicht ſogar die
Sadducaͤer einen Weg, um ſo manches aus
der juͤdiſchen Theologie zu verwerfen? — Wie
leicht konnte doch Paulus, da man an der
Wiederkunft Chriſti zum Weltgericht, weil ſie
ſich immer verzog, zweifelte, wie leicht konn⸗
te er die s Ohe xveiov als geſchehen
betrachten, wenn er erklaͤrt hätte, daß er ſich
blos nach den Vorurtheilen ſeiner Leſer akkom⸗
modirt, oder die Gruͤndung der chriſtlichen
9 2 12
1 3 0,17% Kir⸗
a ‚
N
U
32 Nothwendigkeit derſelben.
Kirche, oder die moraliſche Herrſchaft Jeſu
durch ſeine Lehre, oder die Ausgießung des hei⸗
ligen Geiſtes, der ein νονοο magarAnros ſeyn
und Chriſti Stelle vertreten ſollte, darunter
verſtanden habe! Wie leicht war dieſe Wen⸗
dung zu nehmen, da ſie ganz der damals all⸗
gemein herrſchenden allegoriſchen Auslegungsart
entſprach! Aber er war fern von ſolchen kuͤnſt⸗
lichen Wendungen der Lehre, und mußte es
auch ſeyn, da ihm ſonſt ſeine Leſer den Vor⸗
wurf machen konnten, daß er dieſe Erklarung
ſogleich haͤtte darlegen ſollen, als er eine Wie⸗
derkunft Jeſu, des Meſſtas, lehrte. Da
Johannes bekannte moraliſche Begriffe in ſeinem
erſten Briefe erklaͤrt, wie haͤtte er es nicht
angeben ſollen, wenn er das Wort Ao-
%s in einem andern, als dem gewöhnlichen
Sinn, nahm? — Wie deutlich ſpricht doch
Paulus mit den Athenern (Apoſtelg. 17.), er⸗
klaͤrt ihnen den Begriff von Gott, und um:
ſchreibt ihnen v. 30. und 31. den Begriff
vom Meſſias. Er wußte ja wohl, daß feine
Zuhoͤrer keine Juden waren; er wußte wohl,
daß ſich dieſe Zuhoͤrer unter den Worten geos
und xeısos nicht das denken würden, was er
ſich dabei dachte, und was ſich juͤdiſche Zuhoͤ.
rer gedacht haben wuͤrden. Wie deutlich ſucht
er es dem Prokonſul Felix zu machen (Apoſtelg.
24), was ſein Geſchaͤft als Religionslehrer ſey!
Sollte er gegen die Leſer ſeiner Schriften nicht
gleiche Sorgfalt gebraucht, uud es ihnen aus⸗
druͤck⸗
Nothwendigkeit derſelben 32
druͤcklich geſagt haben, wenn er mit dogmati⸗
ſchen Worten und Saͤtzen andere Begriffe vers
bunden wiſſen wollte, als er wußte, daß feis
ne Leſer damit verbinden wuͤrden? Oder ſollte
er, da er ſo ſorgfaͤltig Mißverſtaͤndniſſe zu ver⸗
meiden ſucht ſ. z. B. Roͤm. 3, 31. 4, 1 ff.
6, 1 ff.) nicht dieſelbe Sorgfalt uͤberall, wo
es noͤthig war, beobachtet haben? Und iſt
es nicht offenbar, daß er da, wo er ein
Wort in einem andern Sinne nimmt, dieſes
durch die ganzen Umgebungen und den Zuſam⸗
menhang den Lefern fuͤhlbar macht? (z. B. Roͤm.
2, 28. 29. Galat. 4, 26. Eph. 4, 22 — 24.
Coloſſ. 3, 2 — ) — Sorgen nicht auch
die Evangeliſten durch eingeſtreute Bemerkungen
dafuͤr, daß die Leſer ſie recht verſtehen? (z. B.
Joh, 4, 2. 6, 65. 64. 11, 181, 38. 45.)
Wuͤrden ſie nicht bei Jeſu Wunderthaten, wenn
ſie dieſelben als ganz natuͤrliche Begebenheiten
haͤtten darſtellen wollen, ein Gleiches gethan
haben? — N |
Hieraus folgt alſo der Kanon für den
Hermeneutiker: daß er bei Erklarung des
N. T. nie von dem hiſtoriſch-dogmatiſchen Sin⸗
ne abweichen duͤrfe, wenn ihm nicht die neutes⸗
tamentlichen Schriftſteller ſelbſt dazu hinreichende
Veranlaſſung geben. Folglich iſt die hiſtoriſch⸗
dogmatiſche Auslegung durchaus nothwendig, und
dieſes um ſo viel mehr, da die Schriften des
N. T. von ihren Verfaſſern fuͤr ihr Zeitalter
f C und
34 Zweifel dagegen.
und ihre Leſer zunaͤchſt geſchrieben wurden, und
folglich lokale und temporelle Entſtehung und
Beſtimmung haben. Wir muͤſſen ſie daher
ganz mit den Vorſtellungen, Ideen
und Meinungen leſen und erklären,
mit welchen ſie erweislich von den da⸗
maligen Leſern geleſen und verſtanden
wurden, und alſo bei Stellen, die
ſich auf die damalige Theologie bezie⸗
hen, die Vorſtellungen mit den Worten
verbinden, welche jenes Zeitalter, er⸗
e damit verbunden hat. .
§. 10. . Hi
Zweifel dagegen, von der allegoriſchen
Auplegung und der eſoteriſchen Lehrart
entl ehnt. d n
Doch es iſt moͤglich, daß man vielleicht
hier die Frage aufwirft: ob auch wirklich die
neuteſtamentlichen Schriftffeller nur Einen, und
zwar den naͤchſten hiſtoriſch-dogmatiſchen Sinn
mit ihren Worten verbunden haben wollten, und
ob nicht ihre Leſer einen andern, reinern und
hoͤhern Sinn damit verbinden konnten? — Ließ
ſich dieſes darthun; ſo wuͤrde zwar die hiſtori⸗
ſche Auslegung nicht uͤberfluͤſſig ſeyn, da
man doch immer zuerſt den naͤchſten Sinn auf
ſuchen muͤßte; aber ſie wuͤrde doch nicht die
hermeneutiſche Wahrheit beſtimmen koͤnnen, wel⸗
5 a alsdann der Akähß, e bliebe.
Die
= Zweifel dagegen, . 35
Die Juden zu Ehriſti und der Apoftel
Zeiten hatten eine allegoriſche Erklaͤrungsart an⸗
genommen, nach welcher ſie die Schriften des
alten Bundes nicht nach ihrem wahren, ſon⸗
dern nach einem geheimen hoͤhern Sinn erklaͤr⸗
ten“) Diefen geheimen Sinn behielten die Einge—
weihten verborgen, und trugen ihn dem Volke
nicht vor. Philo namentlich erinnert die Ge⸗
weiheten oͤſters, die geheimen Lehren den Un⸗
geweiheten nicht bekannt zu machen“); und auch
die Kabbaliſten hatten eine geheime Auslegungs⸗
art der Bibel, und einen geheimen Verſtand
C 2 der⸗
ö 9 Ueber die "alleobe, Ausleg. unter den Juden
ſ. Eichhorns Briefe, die bibliſche Exegeſe des
treffend; in der allgem. Biblioth. der bibl.
Lit. „ B. 2 St. S. 203 — 298. Poelitz⸗
Beitrag zur Kritik der Religionsphiloſophie und
Exegeſe unſers Zeitalters S. 363 fl. Horn
uͤber die bibliſche Gnoſis S. 362 ff. Die ge⸗
n Lehre der Orientaler und Juden ꝛe. S.
5 9 51 cherubim p. 116. edit Mang. rare, W
vs nenaJüpmevor 7 G ws bega Ovrws K
21% duxass 7 s ERUrWV rape de, c c under
ry amunrwv In ινe De lacrif, Abr p. 139.
5 Lexi ru relawy MUusıs Yeyvomsım, Myder ro-
xapus Era ra Ida eus NG > recfete uten 9 a-
r Ee AN ονοννν Ev og gn S —
Als ein Beiſpiel ſ. man Philos Commentar
über die moſaiſche Erzählung von den Rie⸗
fen vor der Suͤndfluth, in den Bei⸗
traͤgen zur Beiden, d. v. Denk 5 Hſt S.
106 ff.
36 Zweifel dagegen.
derſelben. Denn ſie behaupteten, daß die Kab⸗
bala allein den rechten Sinn des Geſetzes ent⸗
halte, und daß der, welcher die heil. Schrift
nach den Worten, erkläre, dem Volke Unwahr⸗
heiten aufbuͤrde ). Wie allgemein dieſe. Ausle⸗
gungsart geweſen ſey, zeigt ſelbſt die chriſtli⸗
che Kirche, in welche ſie zugleich mit dem Ju⸗
denthum übergieng**), und überhaupt unter
ſchieden ſelbſt ein Theil der griechiſchen Philoſo⸗
phen eine eſoteriſche und exoteriſche Weisheit“).
f Auch
— — — . — — i'
S. Die geheime Lehre der Orientaler ꝛe. S. 22.
wo die Stelle aus Cod. Kiddufchin, fol. 49. col.
1. angeführt wird: qui explicat paragraphum
ſecundum formom ſuam, ecce is eſt mendax.
Es ſcheint mir aber, als ob da nicht ſowohl
von der Schrift, als vielmehr von den Buͤchern
und geheimen Chlffern der Kabbaliſten, die
Rede ſey. S. auch Eiſenmengers entdecktes
Judenthum 1 Thl. S. 453 fl.
**) Ueber die alleg. Ausleg. unter den Chriſten
ſ. Roſenmuͤller hiſtoria interpretat. librorr.
fl. in ecceſ. Chriſt. inde ab Apoſtolorum acta.
te vsque ad Origenem. Hildburgh. 2 Thei⸗
le 1795 und 98. 8. Io. Gottf. Koerner
de allegorica interpretandi ratione. 2 Pros
gramm. Leipz. 1782. 4. G. J. Plank
Einleit. in die theol. Wiſſenſchaften 2 Tol. S.
127 ff.
*) S. Ueber die exoteriſche und eſoteriſche Lehr⸗
art der griech. Philoſophen, mit Anwendung
auf die chriſtlich⸗tbeologiſche Lehrart; in den
Beitraͤgen zur Beförd. des vernünft, Denk. ꝛc.
Heft S. 36 — 44.
7
Zweifel dagegen. 37
Auch im neuen Teſtamente finden ſich Spu⸗
ren dieſer allegoriſchen Erklaͤrungsart. So
macht Paulus Roͤm. 28, 29. eine Anwendung
der juͤdiſchen Beſchneidung auf die innere Geſin⸗
nung des Herzens, ſtellt 1 Kor. 5, 5. 8.
die ungeſaͤuerten Brode als Bild eines gereinig⸗
ten Herzens auf“), und giebt noch andere allego⸗
riſchen Anwendungen und Erklaͤrungen; ſ. 1
Kor. 10, 1 — 4. Galat. 4, 22 ff. Außer⸗
dem gehoͤrt auch beinahe der ganze Brief an
die Hebraͤer hieher. Nicht nur aber die allego⸗
riſche Erklaͤrungsart findet ſich im N. T., ſon⸗
dern man hat auch Spuren einer eſoteriſchen
Lehrart, einer geheimen Gnoſis in ihm zu fin⸗
den geglaubt, auf welche Jeſus Mark 4,
21 — 23. anſpiele, und von welcher vorzuͤg⸗
lich Paulus 1 Cor. 2, 6. 12. 13. 14. 2 Kor.
3, 6. 15. 18. ſpreche, der zwiſchen Milch⸗
ſpeiſe fuͤr Kinder und ſtarken Speiſen fuͤr Er⸗
wachſene unterſchieden, dem Timotheus zu Ly⸗
ſtra die Beſchneidung erlaubt, den Chriſten
in Galatien aber verbothen, die Korinther,
daß Goͤtzenopfer an ſich nicht verunreinigten,
und daß jedem frei ſtehe zu eſſen, was auf
vor
denn Markte feil ſey, gelehrt, und doch auch
) Philo de ſeptenar. T. II. p. 292. ed. Mang.
macht dieſelbe Anwendung: ois de v gira ge ·
e wpos. αν ,p eg, YPuxus AνHννονν
e rer. dau H.
38 Zweifel dagegen.
vor dem Eſſen vor Goͤtzenopfern gewarnt habe) Man
iſt daher auch ſo weit gegangen, zu behaupten,
daß die chriſtliche Religion nichts anders ſey,
als eine Bekanntmachung der eſoteriſchen Philos
ſophie, oder der religioͤſen Myſterien der Grie⸗
chen *). r \
Aber man wuͤrde ſehr unrecht folgern,
wenn man aus dieſen Vorderſaͤtzen, die weder
gehoͤrig zuſammenhaͤngen, noch gradezu vom N. T.
gelten, folgern wollte, daß es nicht Einen
hiſtoriſch⸗dogmatiſchen Sinn des N. T. gebe,
ſondern daß die Verfaſſer deſſelben einen doppel⸗
ten, einen gewoͤhnlichen und einen geheimen, mos
raliſchen, welcher eigentlich der rechte ſey, mit
ihren Worten verbunden haͤtten. Denn was
erſtlich die allegoriſche Auslegungsart anbetrifft;
fo bedient ſich zwar Paulus ihrer öfters, aber
nicht als Auslegung, ſondern als Er laͤu⸗
terung und Ausſchmuͤckung des Vortrags,
wie die Stellen Galat. 4, 22 — 25. und
x | Ephef.
2
*) ©. Beiträge zur Befoͤrd. des vernunft. Denk.
1 Hft S. 42. und: De vſu interpretationis
allegoricae in Noui Foed. tabulis, auct. Ad.
loh. Onymus. Bamb. et Wurceb. (1803.
8.) p. 35 — 47. Horn uͤber die bibl. Gnoſis,
©. 84 — 96.
) Namentlich Schelling. Dagegen ſ. I. A. L.
Wegfcheider de graecorum Myfteriis Re-
ligioni non obtrudendis diſſ. Goetting. 1805.
78 S. 8.
Zweifel dagegen. 39
Et 5, 31, 32. hinlaͤnglich zeigen; und wenn
er ſich in Ruͤckſicht der verſchiedenen Subjekte,
die er zu belehren hat, nach dem Maaße ihrer
Einſichten, und nach ihren Vorurtheilen rich⸗
tet, ſo iſt dieſes gewiß nicht ein Zeichen einer
eſoteriſchen oder exoteriſchen Lehrart, ſondern
einer Lehrweisheit, die in manchen Faͤllen der
Schwaͤche der Lehrlinge nachgiebt. Wenn aber
endlich Paulus von einer got mVeunarıny,
einer Kenntniß und Geſinnung xuT% TVevuo
und v vun redet; fo weiß man ja, daß
dieſe Ausdrücke ſich theils auf die neuen Beleh⸗
rungen des Chriſtenthums, beſonders vom Meſ⸗
ſias und ſeiner veraͤnderten Beſtimmung, theils
auf das Wunderbare der Schickſale Chriſti und
der Rathſchluͤſſe Gottes (1 Tim. 3, 16), theils
auch auf die moraliſche Geſinnung der gebeſſer⸗
ten Chriſten beziehen. Nirgends findet ſich im
N. T. eine ſichere Spur einer geheimen, nur Einge⸗
weiheten bekannten Lehre; und ſollte ja eine
ſolche da ſeyn, fo würde es die juͤdiſche Theo⸗
logie ſelbſt ſeyn muͤſſen. Wenn Philo Myſterien,
die den Ungeweihten verborgen bleiben ſollen,
kennt; ſo gilt davon gar keine Anwendung auf
das N. T.; denn Philo lebte in Alexandrien
und war griechiſch⸗juͤdiſcher Philoſoph, von
der Sekte der Therapeuten, deren geheime Leh⸗
re nichts anders war, als ein Gemiſch der ſpaͤ⸗
tern platoniſchen und pythagoriſchen Philoſophie,
und welche in das A. T. hineinzutragen, und
dieſes zu einem dieſer Philoſophie entſprechenden
5 Sinn
40 Zweifel dagegen.
Sinn zu deuten, das Geſchaͤft ihrer allegori⸗
ſchen Auslegung war. Wo zeigen aber die
Schriftſteller des N. T., daß ſie jene Philoſophie
hatten, daß ſie dieſelbe verborgen hielten, und
ſie durch allegoriſche Erklaͤrung dem A. T. auf⸗
drangen? Wo zeigen ſich uͤberhaupt Spuren,
daß dieſe geheimnißvolle Philoſophie in Palaͤſtina
eindrang und Volksglaube wurde; da viel⸗
mehr die Sekte der Phariſaͤer und deren Mei⸗
nungen daſelbſt allgemein herrſchten, die Sad⸗
ducaͤer weit von jener Philoſophie entfernt waren,
und die Eſſaer, die ſich vielleicht am meiſten
zu ihr hinneigten, nur ſparſam und kuͤmmer⸗
lich exiſtirten. Wie koͤnnte man namentlich
Paulus als jenen Myſterien geneigt, oder in
ſie eingeweiht, darſtellen, da er ein Phariſaͤer
war? — Vielmehr war die Theologie der Pha⸗
riſaͤer allgemein bekannt, und zugleich die Theo⸗
logie der großen Menge der Juden (S. Horn
uͤber die bibl. Gnoſis, S. 332 ff.). Eine
Anwendung endlich der Myſterien der Kabbala
auf einen geheimen Sinn des N. T. zu machen,
wuͤrde fehr unſicher ſeyn, da es zwar gewiß
iſt, daß die Grundlinien zur Kabbala bereits
zu Jeſu Zeiten gezogen waren, ſie ſelbſt aber
in der Form, im welcher fie fpaterhin erſcheint,
noch nicht vorhanden war. Ueberdieſes aber
hielten die Kabbaliſten ihre Lehren nicht geheim,
ſondern hatten ſich nur eine geheime Bezeich⸗
nung derſelben entworfen durch welche ſie das,
was ſie in ihren Schriften vortrugen, den Au⸗
gen
der hiſtor. dogm. Auslegung. 41
gen der Ungeweihten, das iſt der Heiden
oder Nichtjuden, und den Augen ihrer Ver⸗
folger verbargen “). Ihre Geheimniſſe waren
weniger in den Lehrſaͤtzen ſelbſt als in den ges
heimen Chiffern, mit welchen ſie dieſelben bes
zeichneten, und in der Kunſt in einzelnen Wor⸗
hen des A. T. und in einzelnen Einrichtungen
des Cerimonialgottesdienſtes myſtiſche Beziehun⸗
gen zu entdecken. Ueberdieſes iſt auch die Lehre
der Kabbaliſten nichts anders als ein weiter
und feiner ausgeſponnener Phariſaͤismus, und
ſchon deswegen, wenigſtens in feinen Haupt⸗
ſaͤtzen, die auch in den Schulen vorgetragen
wurden, allen Juden hinlaͤnglich bekannt.
Es kann alſo daraus kein Einwand gegen
den Grundſatz hergenommen werden (ſ. §. 8 zu
Ende), daß wir das N. T. in eben dem Sinne
leſen und erklaͤren muͤſſen, in welchem es erweis⸗
liiUch von den erſten Leſern deſſelben verſtanden
0 werden konnte und mußte.
1 §. 11.
Nachtheile der Vernachlaſſigung der his
f ſtoriſch dogmatiſchen Auslegung.
a Die Vernachlaͤſſigung dieſes Grundſatzes hat
ſich durch unendlich verſchiedene, falſche, ges
7 . zwun⸗
*) Man erinnere ſich hier an das kabbaliſtiſche
Alphabeth Atbaſch. S. die geheime Lehre
der alten Orientaler ze. S. 25 ff. und
die Nachricht, die Hieronymus in f. Commenrar,
in lerem. lib. V. c. XXV. davon giebt.
n * 1
42 Nachtheile der Vernachlaſſigung
zrungene, philoſophirende, dogmatiſirende und
myſtiſche Erklaͤrungen geraͤcht und der Schrift
der Religion ſelbſt, und der theologiſchen Ge
lehrſamkeit den empfindlichſten Schaden zugefügt:
Denn haͤtte man ſich uͤberzeugt, daß nur Ein
Sinn und zwar der grammatiſch-hiſtoriſche der
wahre Sinn der Schrift ſeyn koͤnne; ſo
wuͤrden wir nicht ſo viele nach der Dogma⸗
tik des Erklaͤrers geformte Auslegungen, keine
allegori chen Interpretationen, keine fromme pie⸗
tiſtiſch⸗moraliſche Hermeneutik“), und nicht einen
ſo unendlichen Schwall unnuͤtzer Kommentarien
uͤber das N. T. und einzelne Stellen erhalten
haben. Der Grundſatz des Koͤnigsberger Wei⸗
fen, der als moraliſche Deutung einer Offen⸗
barung nach der Harmonie mit dem Sittengeſetz
der Hermeneutik durchaus fremd iſt, wuͤrde
nicht ſo unverſtaͤndig, als es geſchehen iſt, und
nat Nachtheil aller Gelehrſamkeit angewendet
worden
) Herm. Aug. Franke lieferte ſie nach den Grund⸗
ſaͤtzen der Erbaulichkeit. Franke praelectio-
nes hermeneuticae ad viam dextrae indagan-
di et exponendi ſenſum ſeripturae facrae,
‚Hal. 1722: 8. Vergl. Dau. Mehner di;
(ſub praef. Chr. A. Crußi) de vi atque
efficacia interpretstionum Seripturae ſ. ſatis
. piarum ſed minus accuratarum, Eipf, 1756,
4. S. Planks Einleit. in die Theol. 2 B. S.
138 ff. Schuͤler Geſchichte der populaͤren
Schriſterklarung 2 B. S. 94 ff.
1
' ſterei ſeyn? Oder vielmehr, welchen Schaden
der hiſtor. dogm. Auslegung. 43
worden ſeyn!), wenn man beſſer uͤberlegt hätte,
was das heiße, einen Schriftſteller erklaͤren.
Was ſoll man denken, wenn z. B. Penzenkuffer ““)
die Worte Joh. 4, 24. uͤberſetzt: „Gott iſt ein morali⸗
ſches Weſen und ſeine Verehrer muͤſſen ihn daher durch
die Ausuͤbung des Moralgeſetzes ehren,“ und meint,
dieſe Erklärung fey weder gezwungen, noch
dem Zuſammenhange, noch den Denkfaͤhigkeiten
der Samariterin entgegen? — Wenn er (S.
383) das „Wehe“ über die ausruft, welche
die Ausſpruͤche Jeſu nicht auf gleiche Weiſe er⸗
klaͤren; wenn er nach dem Sprachgebrauchl?)
mveua@ Hes durch „moraliſchen Vernunftgeiſt“
(S. 384 f.) und Basıklaw rο Jeov nach
eben dieſem Sprachgebrauch „die Herrſchaft des
moraliſchen Vernunftgeiſtes“ (S. 386), eins
gehen in das Himmelreich „die Prinzipien
der geſetzgebenden Vernunft in die Maxime des
Willens aufnehmen“, das Himmelreich iſt
nahe, durch „der ethiſche Staat Gottes faͤngt
an ſich zu bilden“ erklaͤrt? — Was kann
aber endlich der Nutzen ſolcher unnützer Sophi⸗
muß
) Dle Schriften uͤber die Moraliſche Auslegung
des M. T. habe ich in meinem „Verſuch einer
ſyſtemat. EN aller in der Dogmat.
vorkomm. Begriffe sc. S. 1777 angegeben.
**) über einige Stellen im N. T. nach Kantiſcher
S Ne in Henke's Magaz. 3 B.
S. 379 fl.) a
4 Nachthelle der, Vervachläßigung
muß fie haben, wenn man, fie, wie dieſer Ges
lehrte, ernſtlich auf das N. T. überträgt, und
uͤber andere Interpreten, denen philoſophiſches
Geſchwaͤtz dieſer Art anekelt, das Wehe aus⸗
ruft, und fie als, — ich weiß nicht was! —
wenigſtens als Unphiloſophen und Blindglaͤubige
darſtellt? —
Was wollte endlich aus unſrer Exegeſe wer⸗
den, wenn wir fie nicht auf feſte Grundfage
zuruͤckfuͤhren wollten? Würden fie nicht die
Erklaͤrungen und Streitigkeiten noch weit mehr,
als bisher geſchehen iſt, haͤufen, da allemahl
die Willkuͤhr alsdann eintritt, wo die hiſtori⸗
ſchen Erklaͤrungsgruͤnde verworfen werden. „Fuͤr⸗
wahr, ſagt Horn“) mit Recht, es iſt in
keinem andern Mittel hier Heil zu finden, als
allein nur in einer feſten und ſichern Herme⸗
neutik der Bibel, die ſich auf eine juͤdiſche
Dogmengeſchichte ſtuͤtzet.“ — Empfindlich iſt
der Schaden geweſen, den die hermeneutiſche
Willkuͤhr fuͤr Gelehrſamkeit uud Religion gehabt
hat. Jede chriſtliche Religionsparthei erklaͤrte
die Schrift nach ihrer eigenthuͤmlichen Dogmatik,
und fand dann ganz natuͤrlich, was ſie darin
ſuchte und hineintrug. Selbſt die Theologen
einer und derſelben kirchlichen Parthei erklärten die
| | Schrift
*) bibl. Gnoſis S. 2. Vergl. mit Elchhorns
Bibl. 4 B. 2 St. S. 330. ö
*
der hiſtor. dogm. Auslegung. 45
Schrift auf die verſchiedenſte Weiſe, gaben
jeder ſeine eigene Erklaͤrung fuͤr die richtige aus,
verfolgten und verketzerten ſich, oder behandelten ein⸗
ander wenigſtens ſtuͤrmiſch und unglimpflich genug,
indem die ſe über gewaltſame und unnatuͤrliche Erklaͤ⸗
rung der Schrift, durch welche das Ganze, was dem
Chriſtenthum eigenthuͤmlich iſt, hinweggeraͤumt,
die Geſchichte der Evangeliſten entſtellt, und
Philoſophie in das N. T. hineingetragen werde,
klagten, jene aber den Vorwurf zuruͤckgaben,
und ihren Gegnern Geſchmackloſigkeit, einen
befangenen Verſtand, ſteife Orthodoxie Schuld
gaben, und behaupteten, daß durch ihre, der
Vernunft (Philoſophie) unannehmlichen Auslegun⸗
gen das Anſehen der Schrift herabgeſetzt wer⸗
de. Koͤnnen wir es denn der katholiſchen Kir⸗
che uͤbel auslegen, wenn ſie, mit Ruͤckſicht
auf dieſe Streitigkeiten, alle verſchiedene Ausle⸗
gung der Schrift verbiethet, und die allgemei⸗
ne Lehre der Kirche oder den Papſt zum Richter
des Sinnes der Schrift macht?
Ja, dieſer Inkonſequenz der Hermeneutik
iſt es groͤßtentheils zuzuſchreiben, daß ſich der
elende Grundſatz bei Halbgelehrten und Laien
ſixirt hat: man koͤnne Alles aus der Schrift
beweiſen, was man nur wolle; was
man durch das unedle, aber oft gebrauch⸗
te, Gleichniß ausdruͤckte: die Schrift ſei eine
10 waͤchſerne Naſe, die jede Form annehmen koͤn⸗
ne. Und in dieſer Ruͤchſi cht konnte ein neuerer
Schrift⸗
45° Nactheile der Vernachlaͤſſgung
Schrifſteller gar ſo weit gehen, zu behaupten:
daß es beſſer geweſen ſey, wenn wir gar keine
ſchriſtlichen Urkunden des Chriſtenthums haͤtten ).
— Die Folgen jenes Grundſatzes waren eben ſo
nachtheilig fuͤr die wahre Gelehrſamkeit
als fuͤr die Religion ſelbſt.
Denn der junge Theolog, der mit ſo
verſchiedenen, oft gezwungenen, und nicht ſel⸗
ten mit vieler Gelehrſamkeit prunkenden Erklaͤ⸗
rungen des N. T. uͤberladen wurde, und bei
der Sinnplieitaͤt des neuteſtamentlichen Ausdrucks
keine Moͤglichkeit ſah, Einen Sinn, als den
allein wahren, auszumitteln, bekam an dem
ganzen Geſchaͤfte des Auslegens einen Ekel, gab
die Exegeſe, indem er ſie entweder fuͤr unnuͤtz,
oder fuͤr zu ſchwer für feines Kraͤfte hielt, auf,
5 („ un 1 und
*) Dieſes wurde in einer Abhandlung behauptet: f
Waͤre es nicht beſſer, wenn wir gar
keine ſchriftlichen Nachrichten von
Jeſus Chriſtus hatten? In Auguſti's
theolog. Monatsſchrift, Jahrg. 1801. 9 Hft.
no. IV. dagegen: Noch einige Bemerkk.
über den Aufſatz waͤreſes nicht beſſerꝛe.
von G. C. Horſt; ebendaſ. Jahrg⸗ 1802. 5
Hft no. III. Noch einige Bemerkk. uͤber
den Aufſfatz: wäre es nicht beſſerꝛc.
In Beziehung auf das 4 Kap. (Th. 1) der
Hänleinſchen Einleitung des N. T.
nach der zten Ausg. Ebend. Jahrg. 2. Hft.
7. no. 3. — und: Nachtrag zum Aufſatz:
"wäre es nicht beſſere. 9 Ebend.
8 Hſt. no. IV.
der hiſtor. dogm. Auslegung. 47.
und warf ſich um ſo williger einer oberflaͤchli⸗
chen philoſophirenden Auslegungsart in die Arme,
je mehr dieſe auf der einen Seite ſeiner Ei⸗
genliebe ſchmeichelte, und mit ſeinen philoſophi⸗
ſchen Ideen harmonirte, und je weniger ſie
auf der andern Seite Gelehrſamkeit und Anſtren⸗
gung erforderte. Wie ſehr aber dadurch die rich⸗
tige Exegeſe und grammatiſche und hiſtor iſche
Gelehrſamkeit in ihrem Werthe ſinken und
vernachlaͤßiget werden mußte, leuchtet von ſelbſt
ein; weil nichts bequemer und leichter war, als
einen philoſophiſchen Guß über die antiken For:
men des N. T. zu werfen, und dazu weder
Anſtrengung noch Gelehrſamkeit, ſondern blos
ein philoſophirender Sinn gehoͤrte.
Da aber der Zuſtand der Theologie im⸗
mer auch auf die Religion ſelbſt Einftuß hat;
fo blieben auch dieſe traurigen exegetiſchen Strei⸗
tigkeiten nicht ohne Nachtheil fuͤr dieſelbe. Die
naͤchſte Wirkung der modernen philoſophirenden
1 Auslegung war wohl dieſe, daß der Glaube
der Kirche als ein Syſtem willküͤhrlicher Satze,
die keinen Grund in der Schrift hatten, dargeſtellt,
und nun um ſo viel kuͤhner dem Spotte der
philoſophiſchen Syſteme, oder wenigſtens der
Willkuͤhr derſelben Preis gegeben wurde. Ein
Verfahren, das den Religionsglauben, wie
er bisher geweſen war, nicht nur bei Halbge⸗
lehrten und Anfaͤngern in der Theologie, ſon⸗
dern auch beim Volke, das man an dem neuen
Lichte Theil en ließ (man eringehe ſich nur
* an
433 Nachtheile der Vernachlaͤſſtgung
an C. F. Babrdt), — verdächtig, und als
vernunft und ſchriftwidrig veraͤchtlich machte. Es
konnte aber nicht befremden, daß das Volk mit
dem Kirchenglauben zugleich auch das Chriſten⸗
thum mit ſeinen eigenthuͤmlichen Lehren verdaͤch⸗
tig fand, weil ihm fein richtiges und unverdor⸗
benes Gefuͤhl ſagte, daß der kirchliche Glaube,
die kirchliche Anſicht der Schrift und der evan⸗
geliſchen Geſchichte die richtigere ſey. Noch groͤ⸗
fer und bemerkbarer war dieſe Wirkung jener
exegetiſchen Streitigkeiten bei gebildeten Laien,
und den Wahn mancher gutmuͤthigen Theologen,
daß das Anſehen der Schrift durch Erklaͤrun⸗
gen nach dem Geiſte des Zeitalters gerettet und
hergeſtellet werden koͤnnte, widerlegte der Er⸗
folg. Denn der gebildete Laie ſah theils den
Ungrund dieſer Auslegungen ein, theils wußte
er wohl, warum man den Stellen der Schrift
einen andern Sinn unterlege, theils vernahm
er auch die Stimme der andern Parthei, wel—
che der Schrift die aͤltere Erklaͤrung vindicirte.
Selbſt unfaͤhig ſolche Streitigkeiten zu entſcheiden,
füxirte ſich bei ihm die Meinung, daß die
Schrift ein dunkles, verworrenes Buch ſey, aus
dem man beweiſen koͤnne, was man wolle. Und
ſo war auch auf dieſer Seite der Lauigkeit in
der Religion und dem Indifferentikmus vorgear-
beitet; und, ob es gleich gewiß iſt, daß hier
viele andere Urſachen mitwirkten, ſo iſt doch
auch nicht zu leugnen, daß der Gebrauch, den
man von der Schrift machte, und die exegeti⸗
| ſchen
Hinderniſſe derſelben. 49
ſchen Streitigkeiten der Theologen viel dazu bei⸗
trugen.
17
e hilte der Fitage wgre
Auslegung.
Es iſt aber eine eigne Erſcheinung, daß
die hiſtoriſch dogmatiſche Interpretation des Neuen
Teſtamentes noch lange nicht ſo viele Freunde,
und Verehrer gefunden hat, als fie hatte fin⸗
den ſollen; da man es bei jedem andern Bu⸗
che zugeſteht, daß es hiſtoriſch, und, wenn
es ſich auf Religion bezieht, wie z. B. die Schrif⸗
ten der Kirchenvater, hiſtoriſch⸗dogmatiſch ers
klaͤrt werden muͤſſe, und daß nur in der Ver⸗
bindung dieſer Erklaͤrung mit der grammatiſchen
eine vollkommene und richtige Auslegung beſtehe.
Der Grund dieſer Erſcheinung, der zugleich
der Grund der vielen widerſtreitenden Erktarun⸗
gen des N. T. iſt, lag in der Verwechſelung
der hermeneutiſchen Wahl heit mit der logiſchen,
und 1 mit der Kritik der chriſtli⸗
chen Lehre. Man gieng namlich von dem Grund⸗
ſatz aus, 15 der Sinn der heiligen Schrift
jederzeit logiſche Wahrheit enthalten muͤſſe, weil
ſie der Codex einer goͤttlichen Offenbarung ſey.
Da nun die Meinungen über das, was logiſch
wahr ſey, unendlich verſchieden waren, und
jede Parthei, oft jeder Exeget im Beſis ders
ſelben zu ſeyn glaubte; fo mußte wohl die Er
D laͤ⸗
so Hinderniſſe derſelben.
klaͤrung ſelbſt ſehr bunte Nefultate geben. Die
hiſtoriſch⸗dogmatiſche Auslegung namentlich fand
bei den Lehrern der Kirche nicht den Beifall,
den ſie verdiente, weil durch ſie ein großer Theil
der geoffenbarten Lehre zu menſchlichen Meinun⸗
gen oder wohl gar zu Irrthuͤmern herabzuſinken
ſchien, da es doch der hiſtoriſchen Auslegung
gleichguͤltig iſt, ob jener dogmatiſche Sprachge⸗
brauch des Orients, ob jene Lehren der juͤdi⸗
ſchen Theologie aus der Offenbarung des alten
Teſtamentes, oder aus menſchlichen Quellen
gefloſſen find, und die Entſcheidung dieſer Als
ternative keinen, oder wenigſtens unbedeutenden
Einfluß auf die Auslegung ſelbſt hat. Es iſt
hier genug zu wiſſen: dieſe oder jene religioͤſen Ideen
herrſchten zu Jeſu Zeit, und nachher, und
wurden mit dieſen Worten bezeichnet; folglich
mußten die Leſer des N. T. und die Zuhoͤrer
Jeſu dieſe Worte in dem ihnen ekanpeen Sinne
nehmen, und die Verfaſſer des N. T. muͤſſen
ſie auch zunaͤchſt in dem Sinne haben BALL
wiffen wollen. Hierdurch wird aber nicht ges
laͤugnet, daß nicht Jeſus und die Apoſtel die
religioͤſen Ideen ihrer Zeitgenoſſen haͤtten modi⸗
ficiren und berichtigen konnen. Vielmehr muß
der Ausleger ſorgfaͤltig darauf ſehen, ob, und
wo dieſes geſchehen ſey. Nur muß Er ſich da>
bei blos hermeneutiſcher, nicht aber kritiſcher
und theologiſcher Gruͤnde bedienen.
Die philoſophirenden Ausleger hingegen
(es iſt hier nicht von der kantiſch⸗moraliſchen
Aus⸗
*
Hinderniſſe derſelben. 51
Auslegung allein die Rede) waren aus eben dem
Grunde der hiſtoriſch-dogmatiſchen Interpretation
abgeneigt, weil ſie das N. T. als Codex einer
Offenbarung auslegten. Denn da ihnen nur
das einer goͤttlichen Offenbarung wuͤrdig ſchien,
was ihre Philoſophie fuͤr richtig erklaͤrte, von
dieſer aber Wunder, Weißagungen, und ein
großer Theil der chriſtlichen Lehre (von den En⸗
geln, Auferſtehung, Gericht, vom Sohne
Gottes und Heil. Geiſt ꝛc) theils wegen ſeiner
Unbegreiflichkeit, theils als der Philoſophie wi⸗
derſtreitend, verworfen wurde; ſo bemuͤhten ſie
ſich zu seigen, > daß dieſe Lehren entweder gar
nicht im N. T. vorgetragen, oder doch in ei⸗
nem hoͤhern philoſophiſchern Sinne gelehrt worden
ſeyen, und daß die Wunder und Weißagungen bei
einer richtigen Interpretation verſchwaͤnden. Hierbei
war ihnen nun die hiſtoriſch-dogmatiſche Auslegung
am meiſten hinderlich, und ſie verwarfen ſie daher,
weil man, wie ſie meinten, ſonſt in Gefahr
ſtehe, alle Irrthuͤmer und allen Aberglauben
der juͤdiſchen Nation (z. B. den Teufel und Teu⸗
felsbeſitzungen) im N. T. zu finden; womit
5 aber die Goͤttlichkeit der Lehre Jeſu eben fo tes
nig als das goͤttliche Anſehen des N. T. beſte⸗
hen koͤnne.
Allein das Gewicht, das die hiſtoriſchen
Interpreten ihrer Auslegung zu geben wußten,
war doch zu groß, als daß man nicht auf ſie
hätte hoͤren ſollen; und man gab ihr endlich
D 2 um
—
52 unterſchied zwiſchen
um ſo viel lieber Gehör, je leichter man fie
durch einen gefundenen Ausweg mit feinen anders
weitigen Grundſaͤtzen vereinigen zu koͤnnen glaub⸗
te. Man ließ naͤmlich die hiſtoriſch-dogmatiſche
Exegeſe in ihrer vollen Kraft, und behauptete,
Jeſus und die Apoſtel haͤtten ſich in den Punkten,
die man aus der chriſtlichen Lehre entfernen zu
muͤſſen glaubte, nach den Meinungen und dem
Sprachgebrauch ihrer Zeitgenoſſen akkommo⸗
dirt“). Dieſe Unterſuchung aber, ob und wenn
Akkamodation zu geſtatten ſey, gehoͤrt durchaus
nicht in das Gebiet der Hermeneutik, ſondern in
das der Kritik uͤber die chriſtliche Theologie.
§. 13.
Unterſchied zwiſchen Hermeneutik und
Kritik.
| Denn will man ſich nicht in einem Zirkel
herumdrehen; ſo muß man das Geſchaͤfte des
Hermeneutikers durchaus von dem des kritischen
Dogmatikers ſcheiden, und darf den einen wah⸗
ren Sinn der Schrift (denn daß nur einer der
wahre ſey, haben die beſten Hermeneutiker, Er⸗
neſti, Morus ꝛc ſtreng behauptet) nicht nach der
Kritik einer Dffenbarung beſtimmen. Denn iſt
der
*) Die Stieitſchriſten über die Aktommodation ge⸗
hoͤren nicht hieher. Man findet ſie in meinem
Ver ſuch einer ſyſtemat. Entwickelung
der dogmat. Begriffe ꝛe. S. 70 — 72.
Hermeneutik und Kritik. 53
der Satz richtig, den alle Interpreten zugeben,
daß die heil. Schrift, wie jedes andere menſchliche
Buch, ausgelegt werden muͤſſe; ſo ſind hiermit
dem Ausleger ſeine Grenzen gezogen; und er
unterſucht blos, welches der Sinn des N. T.
ſey: hingegen der Kritiker; ob dieſer gefunde⸗
ne Sinn logiſche Wahrheit und Brauchbarkeit
habe. Wird uns namlich eine Sammlung Buͤ—
cher als Codex einer goͤttlichen Offenbarung vor⸗
gelegt; ſo muͤſſen wir zuvor, und ehe wir
ihn als goͤttliche Offenbarung annehmen koͤnnen,
unterſuchen, was ſein Inhalt ſey, und dann:
von welcher Beſchaffenheit dieſer Inhalt,
und ob er einer goͤttlichen Offenbarung
würdig fey*). Das erſte iſt eine hermeneutiſche,
das zweite eine kritiſche Unter ſuchung. Denn
wenn man Etwas fuͤr goͤttlich halten ſoll, muß
man vorher wiſſen, was es ſey; da man
außerdem gar kein Subjekt haben wuͤrde, dem
man das Praͤdikat beilegen koͤnnte. Nun ſind
aber offenbar nicht die Worte (denn dieſe find
an ſich leere Töne) das Subjekt, ſondern der
Inhalt der Worte, die Vorſtellungen ſelbſt,
- für. welche die Worte als ſymboliſche Zeichen
ſtehen (ſ. $. 1.). Unterſucht man alſo, ob der
Codex des N. T. goͤttlich ſey; ſo unterſucht man
8 f ei⸗
) Ueber dieſe Rechte der Vernunft, in Hinſicht
70 e ſ. Reinhards Dogmatik,
80 ff.
50 Unterſchled zwiſchen
eigentlich: ob die Vorſtellungen, welche durch die
Porte gegeben ſind, goͤttlich ſeyen. Hieraus folgt
aber nothwendig, daß man dieſes nicht eher bejahen
koͤnne, als bis man ſchon wiſſe, welches dieſe Vorſtel⸗
lungen ſeyen. Folglich muͤſſen die Worte zuvor
erklaͤrt werden, um ihren Inhalt, die Vor⸗
ſtellungen, zu finden; und die Hermeneutik
mittelt alſo erſt das Subjekt aus, deſſen logiſche
oder goͤttliche Wahrheit man unterſuchen will.
Die letztere Unterſuchung koͤnnte man die dog—
matiſche Kritik uͤber den Inhalt des N. Teſtam.
oder vielleicht beſſer; kritiſche Exegeſe, und
in wie fern man bei ihrer Anwendung Prinzipien
zu Grunde legt: kritiſche Exegetik des N.
T. nennen, in welcher auch die Prinzipien der
Beurtheilung der Akkommodation liegen“). Dieſe
alſo gruͤndet ſich auf die Hermeneutik, und kann
| nicht
) S. Hebenſtreit obferuationes ad moralem
f. practicam libror. facır, interpretationem per-
tinentes (Lipl. 1796. 8.) p. 7 faq. Polis;
Beitrag zur Kritik der Religionsphiloſ. und
Exegeſe unſers Zeitalters (Leipz. 1795. 8.) S.
392 ff. Eichhorn: Vorſchlaͤge zur Herme⸗
neutik; in der allg. Bibl. der bibl. Lit. 4. Bd.
S. 331 ff. Letzterer ſagt: „den Sinn einer
„alten philoſophiſchen Schrift erörtert man nach
„Philologie, und logiſchen Zuſammenhang, nach
„Kritik und Geſchichte, unbekuͤmmert, ob auch
„das Reſultat einer ſolchen Behandlung die
„Laͤuterung der Vernunft aushalte, weil man nie
„vorausſetzt, daß ein Philoſoph in allen Stuͤcken
„wahr, richtig und eonſequent gelehrt habe. Beim
6108
Fi
Hermeneutik und Keltik. . 55
nicht eher angewendet werden, als bis die Hermeneu⸗
tik ihr Amt verwaltet, und den Stoff der Exege⸗
tik ausgemittelt hat. Wollte man aber das N.
T. im Voraus fuͤr Offenbarung annehmen, es
als ſolche erklaͤren, und dem zufolge nur den⸗
jenigen Sinn für den hermeneutiſch-wahren hal⸗
ten, der einer Offenbarung wuͤrdig zu ſeyn
ſcheinet; ſo wuͤrde man einen Zirkel machen,
indem man den Beweis der Goͤttlichkeit des In⸗
halts des N. T. aus einer Erklaͤrungsregel fuͤhrt,
die dieſen Beweis, als ſchon gehoͤrig durchge⸗
fuhrt, vorausſetzt, und ſich auf ihn gruͤn⸗
det. Mit gleichem Rechte wuͤrde man alsdann
jede andere angebliche Offenbarungsurkunde, wie
den Koran oder die Zendbuͤcher, auf dieſelbe
Weiſe auslegen, und dadurch ihren Inhalt lo⸗
giſch richtig und wahr finden koͤnnen.
Der Interpret muß alſo die Erinnerung,
daß er hier Urkunden einer goͤttlichen Offenba⸗
rung vor ſich habe, ganz von der Hand wei⸗
0 8 f fen,
„N. T. hingegen nimmt man als ausgemacht
pan, daß in demſelben die Lehren eines un⸗
„ truͤglichen Lehrers treu, aͤcht und unverſtellt
„ dargeſtellt, und der Nachwelt uͤberliefert wors
„den; daß man weniaſtens in ſolchen Stel—⸗
„len, die Lehren enthalten, keine Spur von
„Irrthum, Aberglauben, Schwaͤrmerei ſin⸗
„den duͤrfe; kurz daß der ganze Inhalt fo bes
„ſchaffen ſeyn muͤſſe, daß er einer richtigen und
„beſcheidenen Vernunft acceptabel ſey.“
56 Hermeneutik und Kritik.
ſen, und die weitere Unterſuchung uͤber den
Werth, die Wahrheit und Brauchbarkeit des
nach hermeneutiſchen Gruͤnden gefundenen
Sinnes ganz dem Theologen und der theologi⸗
ſchen Kritik uͤberlaſſen, ob er gleich auf den
Geiſt und Charakter des Schriftſtellers aller:
dings Nuͤckſicht zu nehmen hat; eine Sache,
die mit zur hiſtoriſchen Auslegung (ſ. §. 5.) ge⸗
hoͤrt.
Ganz richtig urtheilt hieruͤber Erneſti, wenn
er in ſ. inſtitutio interpr. N. T. p. 12 (der
zten Ausg.) ſagt: — — .„pätet non alio mo-
do vel quaeri vel reperiri ſenſum verborum
in libris facris, quam quo in hu-
manis, vel folet vel debet. — — Per-
niciofi ſunt ii, qui in interpretando re bus
potius quam verbis nituntur. Efheitur enim
interpretatio incerta, et ad judieium hu-
manum reuocatur veritas, cum pri-
mum a verbis difceditur, et alfunde fen-
ſus iudicium; quem a verbis ducitur: nec
es ratio valet vllo modo ad coarguendos a d-
verfarios doctrinae, qui et ipfi e re-
bus fe interpretari iactant, hoc eft vel e
luis :decretis et opinionibus ante
fufceptis, vel e fententiis philofo-
pbicis —— — „Non poteſt,“ fährt er
p. 13 fort, „leripturs intelligi rheolo-
gice“ verifimum Melanthonis dictum eff,
„nifi ante intelleetg fit grammatice.“
Vergl. „Ueber den Einfluß der kantiſchen Unter⸗
ſcheidung der Geſchaͤfte des hiſtoriſchen und des
moraliſchen Auslegers auf die hiſtoriſche Schrift⸗
a er⸗
Folgerungen. 8 57
erklaͤrung. Ein Fragment von Joh. E. Chr.
Schmidt.“ In deſſen Bibliothek für Kris
tik und Exegeſe des N. T. ꝛc. 1. B. 4, St.
©. 588 — 601. n
§. 14.
Einige unmittelbare Folgerungen aus
ö dem Vorigen.
Aus dem, was bisher geſagt worden iſt,
ergeben ſich einige unmittelbare Folgerungen fuͤr
die hiſtoriſch-dogmatiſche Auslegung uͤberhaupt,
welche hier am ſchicklichſten ihren Ort zu finden
ſcheinen.
Die naͤchſte Folgerung iſt die: daß we⸗
der der Theologie noch der Philoſophie
eine Stimme. über das Geſchaͤfte des
Hermeneutikers einzuraͤumen iſt. Denn
die Hermeneutik iſt, wie wir ſahen, von beiden
ganz unabhangig, und verhalt ſich zu beiden
beinah wie die Lehre von dem Mechaniſchen in
den bildenden Kuͤnſten zu den allgemeinen Grund⸗
ſaͤtzen der Aeſthetik der bildenden Kuͤnſte. Sie
geht aller theologiſchen Kritik, oder kritiſchen
Exegetik voraus, und beſtimmt ihre Wahrheit
(die hermeneutiſche) nicht nach der logiſchen. — Die
Theologie hat es ſich aber angemaßt, uͤber das
Geſchaͤft des Hermeneutikers und uͤber die Aus⸗
legung zu entſcheiden, indem ſie den Stellen
der Schrift einen ſolchen Sinn beilegte, der mit
der kirchlichen Dogmatik uͤbereinſtimmte, und Wor⸗
N te
58 Folgerungen.
te und Formeln in der Bedeutung nahm, wel⸗
che fie im Syſteme haben; ohne Ruͤckſicht zu
nehmen, ob auch die Leſer, fuͤr welche die
einzelnen Buͤcher des R. T. geſchrieben wurden,
daſſelbe dabei denken konnten, und ob die
Verfaſſer das dabei gedacht wiſſen wollten.
Dahin gehört z. B. daß lie die im Johannes
oft wiederkehrende Formel: daß Jeſus und der
Vater Eins ſeyen (Ev eiva) von der Einheit bei⸗
der, als Perſonen, in Einem goͤttlichen Weſen
erklaͤrten; oder L nogeve ren Joh. 16, 29. in
demſelben Sinne nahmen, in welchem die Kir⸗
che ein Ausgehen des Geiſtes vom Vater und
Sohne lehrt; oder msıs, das ſo verſchiedene
Bedeutungen hat, immer von dem ſeligmachen⸗
den Glauben, im Gegenſatz der Werke, ver⸗
ſtanden.
Eine beſondere Anwendung der Theologie
auf Hermeneutik, war die Analogie des Glau⸗
bens, in wie fern man dieſe als Auslegungs⸗
regel betrachtete. Unter Analogie des Glaubens
verſteht man die Hauptſumme der chriſtlichen Leh⸗
re, welche ſich aus ganz deutlichen und eviden⸗
ten Stellen erkennen läßt. Nach dieſer ſeyen nun
die weniger deutlichen Stellen zu erklaͤren So
richtig auch dieſer Grundſatz an ſich iſt, indem
man vorausſetzen kann, ein Schriftſteller wolle
ſich nicht wiſſentlich widerſprechen; fo behutſam
muß man doch bei ſeiner Anwendung verfahren,
um die Mißbraͤuche zu vermeiden, zu denen
er
Folgerungen, 59
er Veranlaſſung gegeben hat, und geben kann.
Denn erſtlich beruht ſelbſt die Erklärung ganz
deutlicher Stellen auf den Grundſaͤtzen der gram⸗
matiſch⸗hiſtoriſchen Auslegung, und dieſe kann
folglich keine Geſetze von der Analogie des Glau⸗
bens annehmen. Zweitens erklaͤrte jede Kirche
und Parthei auch die deutlichen Schriftſtellen in
ihrem Sinne, d. h. nach ihrem theologiſchen
Syſteme, und bewieß eben dadurch, daß auch
deutliche Stellen nach einer richtigen hermeneu⸗
tiſchen Behandlung erklaͤrt werden muͤſſen, und
daß man in dem, was man fuͤr ausgemachte
Lehre des N. T. haͤlt, noch gar nicht einig
ſey. Drittens wird bei der Analogie des Glau—
bens oft vorausgeſetzt, daß ſich die Schrift-
ſteller des N. T. nicht widerſprechen, ihre Leh⸗
ren nicht hier und da anders modiſiciren, und
an andern Orten etwas anders ſagen könnten,
als was fie ſchon geſagt haben. Voxausſetzun—
gen, von denen ſich der Hermeneutiker, der
das N. T. nicht als Codex einer göttlichen Of—
fenbarung, ſondern als ein meuſchliches Buch
auslegt (ſ. den vorigen §.), nicht leiten laſfen
darf; da dieſe Unterſuchung fuͤr den Theologen,
Der den ie Exegeten gehoͤrt.
So wenig aber die Theologie eine Stimme
über das Geſchaͤft des Hermeneutikers hat; eben
fo wenig kann fie der Phi loſophie eingeraͤumt
werden. Denn auch dieſe kann die hermeneuti⸗
ſche Wahrheit, den Zweck aller Auslegung, in
154 kei⸗
60 Folgerungen. 4
keinem Falle beſtimmen, ſondern (. H. 13.) bes
ſchaͤftigt ſich bloß mit der Kritik uͤber den be⸗
reits gefundenen Sinn der Worte. Die Herme⸗
neutik wuͤrde nie eine ſelbſtſtaͤndige Wiſſenſchaft
werden, wenn man ſie in der Verwaltung ihrer
Funktionen von der Philoſophie abhaͤngig machen
wollte, da man ſich uͤber das Logiſchwahre nie
vereiniget hat, und nie vereinigen wird, und
folglich die Erklaͤrung, der das Prinzip des Lo⸗
giſchwahren zu Grunde gelegt wird, eben ſo bunt
und widerſprechend ausfallen wird, als die menſch⸗
lichen Behauptungen uͤber objektive Wahrheit und
moraliſche Moͤglichkeit ſind. Und koͤnnte hier noch
ein Zweifel ſeyn, ſo erinnere man ſich nur an
den herineneutifchen Unfug, der mit der morali⸗
ſchen Auslegung Kants, die, nach dieſes Weiſen
Willen mit der eigentlichen Hermeneutik gar nichts
zu thun haben ſollte, von mehrern Interpreten
getrieben worden iſt, und an alle die Aftererklaͤ⸗
rungen, welche uns die philoſophirenden Ausleger
gegeben haben, indem ſie bald den Teufel, bald
die Wunder, bald den heiligen Geiſt, bald die
Gottheit Jeſu ꝛc. aus dem N. T. wegerklaͤrten.
In dieſer Ruͤckſicht hat wohl Eichhorn
der Philoſophie zu viele Rechte über die Hermes
neutik eingeraumt, wenn er in der H. 13. An⸗
merk. 2. ang zogenen Gielle fo fortfaͤhrt (S. 332):
„dieſem zufolge“ (naͤmlich daß man annimmt, 0
der ganze Inhalt des N. T. muͤſſe ſo beſchaffen
ſeyn, daß er einer richtigen und beſcheidenen Ver⸗
“ nunft
Folgerungen, | 61
nunſt acceptaven ſey) „müßte die Auslegung des
„N. T. einen eigenen Pruͤfſtein, der bei keinem
„Schriftſteller des roͤmiſchen und griechiſchen Al⸗
„terthums angewendet wird, voraus haben:
„Harmonie mit einer gelaäͤuterten und
„beſcheidenen Philoſophie. Wenn Bibel⸗
„ ſinn und Philoſophie im Widerſpruch ſtehen; ſo
„muß in einem von beiden der Fehler liegen.
„Billig unterwirft man zuerſt die Philoſophie der
attrengſten Pröfunge und haͤlt ſie dieſelbe aus,
„und muß ſie als richtig von der richtenden Ver⸗
—
„nunft anerkannt werden; fo iſt man wegen der
„Vorausſeszung von der Natur der Lehren des
„N. T. gezwungen, auf ein Vereinigungsmittel zu
ſinnen. Unter andern iſt das Hineintreten in
„die Zeitideen ein vortreffliches und weit reichen⸗
„des Mittel, die gewuͤnſchte Harmonie herzuſtel—
„len.“ — Eichhorn meint hiermit das Akkom⸗
modationsſyſtem, das aber gewiß nicht in die
Hermeneutik gehoͤrt, noch weniger, ſo wie die
Harmonie der Vernunft und Schrift ein Prinzip.
der Auslegung ſeyn kann, da dieſe Harmonie
nicht zwiſchen dem noch zu findenden, ſondern
zwiſchen dem hermeneutiſch ſchon gefundenen Sinn
der Schrift und der Vernunft bewirkt werden
ſoll. Doch er nimmt das, was er hier ſagte,
im folgenden beinahe zuruͤck. Nachdem er nam:
lich (S. 339 ff.), um jene Harmonie herzuſtel⸗
len, vorgeſchlagen hat: alle die Stellen und
Lehreu des N. T., welche die Vernunft in An⸗
ſpruch nimmt, in Klaſſen zu bringen, um be;
X ſtimmt
*
62 Folgerungen.
ſtimmt angeben zu koͤnnen, worin juͤdiſche Volks⸗
meinungen und die Condeſcendenz Jeſu und ſeiner
Apoſtel zu denſelben beſtehe, und um (S. 341)
die Regeln abſtrahiren zu koͤnnen, die man der
Vernunft in ihren Entſcheidungen bei der Inter⸗
pretation vorſchreiben muͤſſe, damit ſie ſich be⸗
ſcheiden in ihren Schranken halte; nachdem er
noch (S. 342) geaͤußert hat, daß man zuletzt
erſt an das Ideal eines Volkslehrers werde den,
ken duͤrfen, um die gemachten Erfahrungen von
Jeſu und ſeinen Apoſteln zu vergleichen, und zu
erforſchen, ob ſie das Nationelle, Temporelle,
Lokale und Individuelle fo ſchonen durften, wie
ſie es gethan haben; ob dabei ihre Wahrhaf⸗
tigkeit und Ehrlichkeit beſtehen koͤnne, oder ob
ſie limitirt werden muͤſſe; ſo ſetzt er hinzu: „es
iſt gar nicht zu beſorgen, daß die forſchende Kri⸗
tik (dieſe koͤnnte es allerdings!) in Gefahr kom⸗
men ſollte, ſich zum letztern (zu dieſer Limita⸗
tion der Wahrhaftigkeit Jeſu und der Apoſtel)
gezwungen zu fuͤhlen. Aber mit dieſer Eroͤrte⸗
rung anzufangen, wuͤrde eine Aengſtlichkeit in
die Unterſuchung bringen, die ihr ſelbſt nach⸗
theilig ſeyn muͤßte; fie würde ihr Grenzen a
priori ſtecken, die nur zu Einlenkungen, oͤko⸗
nomiſchen Mitteln und Winkelzuͤgen verleiten koͤnn⸗
ten.“ Mit dieſen letzten Worten legt der treffe
liche Verfaſſer offenbar das Geſtaͤndniß ab, daß
jene Unterſuchungen und deren Principien nie die
Principien der Hermeneutik ſelbſt werden duͤrfen,
weil dieſe nicht nach Gruͤnden a e entſchei⸗
den
Folgerungen. 0 63
den kann, welches der Sinn ſey, ſondern bloß
und einzig, nach Gründen a polleriori.
9. 15.
Fortſetzung.
Wir koͤnnen alſo aus dem bisher Geſagten
den zweiten Hauptſatz der hiſtoriſch⸗ dogmatiſchen
Auslegung ableiten, naͤmlich dieſen: man ſehe
nie auf die logiſche Richtigkeit des Re⸗
ſultates, das die hiſtoriſch⸗dogmati—
ſche Auslegung giebt. Denn wenn auch
das Reſultat, auf das man gefuͤhrt wird, eine
irrig ſcheinende Vorſtellung oder einen Satz ent⸗
halten ſollte, der mit dem Begriff einer wahren
goͤttlichen Offenbarung nicht vereinbar ſcheinen
koͤnnte; ſo darf ſich der Interpret in der Erui⸗
rung des hiſtoriſch⸗ dogmatiſchen Sinnes nicht
irren laſſen, und muß das Weitere der theolo⸗
giſchen Kritik uͤberlaſſen, die nun entweder die
Richtigkeit des Satzes zu beweiſen, oder zu zei⸗
gen hat, daß dieſer Satz nicht zur geoffenbar⸗
ten Lehre gehoͤre, oder daß, obgleich der Satz
in den Worten liege, man dennoch berechtigt
ſey, nach dem ganzen Geiſt des Schriftſtellers
oder des Sprechenden zu ſchließen, daß er die
ſen Satz entweder in einem andern und beſſern
Sinne behauptet, oder ſelbſt nicht gebilligt, ſon⸗
dern als irrig betrachtet habe.
Als dritte Folgerung ergiebt ſich aus Obi
gem dieſer Hauptſatz: man gehe nicht we⸗
GEN
64 Folgerungen.
gen Inkonſequenz der Vorſtellungen und
wegen Widerſßrüchen von dem hiſto⸗
riſch⸗dogmatiſchen Sinne einer Stelle
ab, wenn er nach hinreichenden herme—
neutiſchen Gruͤnden in ihr zu liegen
ſcheint. Denn ſo wahr es auch iſt, daß ſich
ein Schriftſteller, dem es um die Wahrheit deſ—⸗
ſen, was er vortraͤgt, zu thun iſt, nicht wiſſent⸗
lich widerſprechen, ſondern Inkonſequenzen, wenn
er ſie bemerkt, vermeiden wird; ſo darf doch
der Interpret deswegen, weil er das N. T. wie
jedes andre menſchliche Buch auslegen muß cf.
oben S. 19f.), nicht ſchon im Voraus annehmen,
daß ſich keine Widerſpruͤche und Inkonſequenzen
im N. T. finden würden, und nach dieſem Grund⸗
ſatz bei der Erklarung verfahren. Zwar liegt es
ihm ob, auf Widerſpruͤche Ruͤckſicht zu nehmen,
und auch eine Vereinigung widerſprechender Saͤtze
und Vorſtellungen zu verſuchen; allein er hat
hier eine beſtimmte Grenze, die er nicht
uͤberſchreiten darf. Er unterſucht erſtlich: ob
nicht in der Sache ſelbſt ein Grund liege, der
eine Inkonſequenz oder einen Widerſpruch leicht
verurſachen konnte; zweitens: ob nicht viel⸗
leicht jener Widerſpruch oder jene Inkonſequenz
nicht nur dem vorliegenden Schriftſteller, ſon⸗
dern dem ganzen Zeitalter und deſſen Reli-⸗
gionsmeinungen gemein war; oder ob nicht
drittens ſich der Widerſpruch ohne Zwang
heben, und eine inkonſequente Stelle ohne
Zwang anders erklaͤren laſſe; wo er dann ei⸗
ne
—
Folgerungen. 65
ne Vereinigung zu verſuchen hat. Weiter darf er
aber nicht gehen, wenn er nicht ſein Gebiet
uͤberſchreiten und in das der kritiſchen Exegetik
eintreten, wenn er nicht ſeine Prinzipien mit
den Prinzipien der letztern verwechſeln will.
Denn wenn der erſte und zweite Fall ſtatt fin
det, oder der dritte nicht in Anwendung ge⸗
bracht werden kann; fo hat er in feiner Wiſ⸗
ſenſchaft gar keinen Entſchulbigungsgrund mehr,
und muß den Sinn, den ſeine Auslegung giebt,
der kritiſchen Theologie zu weiterer Beurtheilung
uͤbergeben.
Diäieſes find die drei Hauptſaͤtze für die his
ſtoriſch⸗dogmatiſche Auslegung, die ihr Gebiet
begraͤnzen und gegen alle Eingriffe der Theolo—
gie und Philoſophie ſichern. Sie muß, in Ver⸗
bindung mit der grammatiſchen Auslegung, eine
eigene abgerundete Wiſſenſchaft ſeyn, die nach
ihren, aus der Natur der Sprache und der
Schriften ſelbſt hervorgehenden Datis urtheilt,
und ſich in ihren Funktionen eben ſo wenig ſtoͤh⸗
ren laͤßt, als die Mathematik durch Prinzipien
der Metaphyſik, oder die Optik durch die Lehre
von Raum und Zeit, oder die Astronomie AB
teleologiſche Grundſaͤtze.
Bevor aber die Regeln der Anwendung der
hiſtoriſch⸗dogmatiſchen Auslegung bei Erklärung
des N. T. aufgeſtellt werden, muß zuerſt unter⸗
ſucht werden, aus welchen Quellen, und was
E ſie
Pi
66 Quellen der hiſt. dogm. Auslegung.
fie aus dieſen Quellen ſchoͤpfen koͤnne, und wel⸗ |
che Huͤlfsmittel wir zum Gebrauch jener Quellen
und für die Kenntnuß der bike Theologie
überhaupt haben.
4
— . NIE . IN IT
Ka p. III.
Von den Quellen und Huͤlfsmitteln der
hiſtoriſch⸗dogmatiſchen Auslegung.
$. 16.
Einleitung.
Fern von den Ländern, in den es jetzt am ſchöͤn—
ſten bluͤbt, entſtand das Chriſtenthum in dem
ſchmalen Strich Landes der zwiſchen Arabien,
dem Mittellaͤndiſchen Meer, dem Libanon und
Aegypten liegt. Fremd ſind unſerm Geiſte die
Sitten jener Gegend, fremd uns der Geiſt ſei⸗
ner Bewohner, ihr Denken, Wollen und Ahnen;
doppelt fremd derer, die vor beinahe zweitauſend
Jahren jenen Landſttich bewohnten. 5
Durch die Moſaiſche Geſetzgebung war den
Juden ein origineller Nationalcharakter angebil⸗
det worden, deſſen Form ſie ſich nicht ohne Wi⸗
der⸗
Quellen der hiſt. dogm. Auslegung. 67
derſtreben aufpraͤgen ließen. Dieſe Nation be:
kam eine eigene Individualitaͤt, nicht nur des
Zeitalters und Ortes, ſondern auch des Natio⸗
nalcharakters. Raſch und gewaltig war der An⸗
drang fremder Nationalindividualitaͤt, den die⸗
ſes Volk, da es durch Nebukadnezar aus den
Fugen ſeines gewöhnlichen Lebens herausgeriſſen,
nach Cbaldaͤa verſetzt, und in den großen Strom
der Voͤlker, die ſich bei dem Umſturz des per⸗
ſiſchen Reichs bekaͤmpften und miſchten, hinein⸗
geworfen wurde, erleiden mußte. Die rauhen
Ecken ſeiner Individualitaͤt wurden in dieſem Ge⸗
draͤnge etwas abgeſchliffen, und ſie wuͤrde ganz
verwiſcht worden ſeyn, waͤre es ihm nicht ge⸗
gluͤckt, ſich, wenn auch unterjocht, nach dem
Exil in feinem Vaterlande als Nation zu erhal⸗
ten, und einen Theil ſeiner nationellen Eigen⸗
thuͤmlichkeit zu bewahren. Es eignete ſich zwar
manches Fremde an; verband es aber mit ſei⸗
nen altern Meinungen und Sitten, und indis
vidualiſirte und nationaliſirte es dadurch. — Dies
fe Individualitaͤt ſpricht uns aus allen Schriften
dieſes Volkes, aus dem Zeitraume von 300 Jah⸗
ren vor Chriſtus, an, und iſt beſonders in
Hinſicht ſeiner intellektuellen und moraliſchen,
oder mit einem Worte, feiner religioͤſen Bi
dung ſehr r 8
Die PR Pehrer des Chriffentfund + wa⸗
ren alle gebohrne Juden; auch die Schriftſtel⸗
ler des N. T. waren dieſes, bis auf wenige; ih⸗
E 2 re
1
68 Quellen der hiſt. dogm. Auslegung.
re Schriften ſind in der unter Judeu damals
uͤblichen Schreibart und Lehrart geſchrieben; ſie
ſchrieben ſaͤmmtlich, wenn auch nicht allein,
doch vorzuͤglich, fuͤr Chriſten aus dem Judenthume,
oder nehmen wenigſtens auf dieſe uͤberall bedeus
tende Ruͤckſicht. Wollen wir alſo dieſe Schrif—
ten richtig verſtehen; fo muͤſſen wir die reli⸗
gioͤſe Individualitaͤt der Juden damaliger Zeit
kennen lernen, deren Reſultate eine juͤdiſche
Theologie enthalt. Da aber die Juden mit ans
dern orientaliſchen Voͤlkern in näherer und ent—
fernterer Beruͤhrung und ſich derſelben oder ganz
verwande religioͤſe philoſophiſche Meinungen bei
andern Voͤlkern finden; ſo muß der hiſtoriſch⸗
dogmatiſche Interpret eine genaue, voll ſtaͤn di⸗
ge und pragmatiſche Kenntniß der religiöfen
und philoſophiſchen Meinungen des Orients uͤber⸗
haupt, und der Juden insbeſondere beſitzen.
Es kann nun hier meine Abſicht nicht ſeyn,
dieſe Meinungen und Lehrſaͤtze ſelbſt darzuſtellen,
und eine juͤdiſche Theologie zu ſchreiben; ſon—
dern die Quellen und Huͤlfsmittel derſelben anzu⸗
geben, und den Gebrauch, den man von ih—
nen bei Erklaͤrung des N. T. machen kann, zu
beſtimmen: — dieſes allein kaun in eine Ent⸗
wickelung der Prinzipien der hiſtoriſchen-dogma⸗
tiſchen Auslegung des N. T. gehoren.
Orientaliſche Religlonsphiloſophle. 69
$. 17.
Giebt es eine orientaliſche Mae ee
loſophie?
Es iſt hier nicht meine Abſicht, den ehe⸗
mals gefuͤhrten Streit: ob es eine orienta—
liſche Philoſophie gegeben habe, oder nicht?
zu erzaͤhlen, vielweniger zu entſcheiden. Man
findet eine genaue Erzaͤhlung dieſes Streits, zus
gleich mit einer kritiſchen Beurtheilung bei Horn
in der bibliſchen Gnoſis S. 25 ff. Doch gleich⸗
guͤltig iſt uns jene Streitfrage hier nicht, weil,
wenn es keine orientalifche Religionsphiloſophie
gaͤbe, und die juͤdiſche kein Theil davon waͤre,
eine nicht unbedeutende Anzahl von Quellen, des
ren wir erwaͤhnen muͤſſen, nicht hieher gehoͤrte.
Ob es aber gleich gewiß iſt, daß man unter
orientaliſcher Philoſophie nicht ein abgeſchloſſenes
Syſtem einer Schule oder einer philoſophiſchen
Parthei zu verſtehen hat; ſo glaube ich doch
hier ſo viel als allgemein zugeſtanden annehmen
zu koͤnnen, daß es zu Jeſu Zeiten im Orient
eine weit verbreitete Religionsphiloſophie gab,
und daß ſich dieſe bei den Parſen, bei den
Aegyptern, bei den Juden und ihren Sekten,
und ſpaͤterhin bei den Rabbinen finde, die aber
nach der Individualitaͤt der verſchiedenen Natio⸗
nen, welche fie in ihre religioͤſen Ideen auf-
nahmen, verſchieden modiſteirt wurde. Dieſes
hat Horn in der angefuͤhrten Schrift nach ſo
vielen
20 Otientaliſche Relſglonsphiloſophle.
vielen Gruͤnden dargethan, daß wohl weiter
kein Zweifel uͤbrig bleiben kann; ob man gleich feis
nen anderweitigen Behauptungen, daß dieſe Philos
ſophie ſich ganz allein auf den Parſismus gruͤn⸗
de, die Emanationslehre zur Grundlage habe,
und von den Parſen zu den Juden, Aegyptern
und andern Voͤlkern gedrungen ſey, nicht allge:
mein und unbedingt beiſtimmen duͤrfte. Gewiß
iſt es uͤbrigens, daß ſich bei allen dieſen Voͤl⸗
kern, wie der Zend-Aveſta, die indiſchen Nes
ligionsbuͤcher, die Apokryphen des A. und N.
T., die Schriften Philos, des Joſephus und
der Rabbinen unwiderſprechlich lehren, durch⸗
aus verwandte und oft ganz gleiche Religions-
ideen finden; gewiß iſt es, daß dieſe Ideen ih⸗
re beſtimmte Bezeichnung durch Worte hatten,
oder daß es eine im Orient verbreitete Sprache
der Religionsphiloſophie gab. Dieſes iſt dem
hiſtoriſch -dogmatiſchen Exegeten genug; er
findet darin, daß dieſe Religionsphiloſophie
und ihr Sprachgebrauch da war, einen hin⸗
laͤnglichen Grund, fie in ihren Modiſicationen
bei den Juden und bei andern Völkern zu ver⸗
gleichen, und die Reſultate zur Erklaͤrung des
N. T. anzuwenden. Es kann ihm aber von
weniger Wichtigkeit ſeyn, zu unterſuchen, ob
dieſe Vorſtellungen und Lehrſaͤtze von den Juden
zu andern Voͤlkern, oder von dieſen zu den
Juden übergiengen. Denn haͤtte auch das erſte⸗
re ſtatt gefunden; fo wuͤrde ſich doch daraus
auf die Grundſaͤtze der Juden ſelbſt zuruͤckſchlie⸗
ne ben
Deren Umfang. 71
ßen laſſen. Was kann z. B. dem hiſtoriſch⸗dog⸗
matiſchen Ausleger daran liegen, zu unterſuchen,
ob die Lehre von dem Satan und den Daͤmonen
von den Juden zu den Perſern kam, oder von
dieſen zu jenen uͤbergieng? Es iſt ihm genug,
zu wiſſen, was Juden und Perſer uͤber jenen
Punkt in dem Zeitalter lehrten, in welchem die
Schriſten des N. T. abgefaßt ſind; weil ſich
daraus ergiebt, was er unter Teerrceyees und
dzimovioy im N. T. zu verſtehen habe. Oder
welchen Einfluß auf die Erklaͤrung des N. T.
koͤnnte die langgefuͤhrte Streitfrage haben: ob
die Lehre von der Auferſtehung im A. T. ſchon
vorkomme; oder ob ſie die Juden aus Chal⸗
daͤa zurückgebracht haben? — Fuͤr ihn und
ſein Geſchaͤft iſt ſchon der hiſtoriſch erweisliche
Satz genug, daß die Juden zu Jeſu Zeit eine
avasasır eben ſo gut als die Perſer geglaubt,
und darunter eine Wiederauferweckung der Koͤrper
verſtanden haben. Dieſes iſt fuͤr ihn hinreichen⸗
der Grund in den Stellen des N. T., wo von
einem Zoravas die Rede iſt, der Jeſum ver⸗
ſuchte, an keine aufſteigende innere Begierde,
oder einen juͤdiſchen Prieſter (Ver fuͤhrer), und
bei avasacıs nicht an eine moraliſche Auferſte⸗
hung vom un der Sünde zu denken.
*
8
Umfang der tenen Religlensphi⸗
loſophie.
Sey daher auch der urſprung jener philo⸗
ſophiſchen⸗ religioͤſen Meinungen, welcher er wolle
72 Deren Umfang,
fo fragt der hiſtoriſche Interpret vorzüglich dar⸗
nach: wie weit, bis zu welchen Voͤlkern wa:
ren dieſe Ideen verbreitet; welches iſt folglich
der Umfang der Quellen, aus denen ſie zu ſchoͤpfen
und zu lernen iſt? Die Denkmaͤler des Alter⸗
thums, die wir theils ſchon laͤngſt beſaßen, theils
auch neuerlich erſt kennen lernten, wie den Zend»
Aveſta und die indiſchen Neligionsbucher, laſſen
uns den Umfang beurtheilen, in dem jene religioͤſen
Ideen im Orient, und ſpaͤterhin in den Abend»
laͤndern verbreitet wurden. Das meiſte trug
zu deren Verbreitung die Macht und Ausdeh⸗
nung des perſiſchen Reichs unter Cyrus und
ſpaͤterhin bei, durch welche die Lehre Zoroaſters
nach Indien, Syrien, Kleinaſien und Aegyp⸗
ten drang. Nach dem Sturz des perſiſchen Reichs
waren vorzuͤglich die Juden die Nation, welche
jene religioͤſen Ideen in ihren Schriften aufbe⸗
wahrte, in ihren Schulen lehrte, und endlich
zu dem zwar ſpitzfuͤndigen, aber immer ſcharfſinni⸗
gen Syſtem des Kabbalismus ausbildeten. Auch
in die chriſtliche Kirche giengen jene Ideen zu⸗
gleich mit der Sprache dieſer Religionsphiloſophie
theils durch Juden ſelbſt, die ihre aͤltern Meinun⸗
gen in der neuen Kirche beibehielten, theils durch
aͤgyptiſche und kleinaſiatiſche Griechen über, und
entartete ſpaͤterhin zu den Syſtemen der Gnoſti—
ker. — Der hiſtoriſch⸗dogmatiſche Exeget hat
alſo die Vorſtellungen und Lehrſaͤtze aller dieſer
Voͤlker und Partheien zu unterſuchen, und muß
dabei auf die drei Hauptfamilien, bei denen
j fich,
Quellen; das A. T. 73
ſich, vermoͤge der Nationaleigenthuͤmlichkeit, jene
Religionsphiloſophie zu beſondern und abweichen⸗
den Formen bildete, vorzuͤglich ſehen; naͤm⸗
lich auf die Juden, die Perſer und die Griechen.
Sonach zerfallen auch die Quellen jener Philoſo⸗
phie in drei Hauptklaſſen: in juͤdiſche, perſi⸗
ſche und griechiſche. 5
§. 19.
) Juͤdiſche; a) das A. T.
Die aͤlteſte und Hauptquelle der juͤdiſchen
Religion ſind die heiligen Schriften dieſer Nation,
welche die ganze Grundlage der buͤrgerlichen und
religiöfen Verfaſſung dieſes Volkes, die Geſchich⸗
te ſeines Staates und feiner Religion, und meh:
rere Schriften juͤdiſcher Weiſen und Religions:
lehrer aus ſehr verſchiedenen Zeitaltern enthal⸗
ten. — Hier iſt alſo die Geſchichte der erſten
charakteriſliſchen Bildung der juͤdiſchen Nation
zu ſuchen, die Kenntuiß ſeiner religioͤſen Vorſtel⸗
lungen in aͤltern Zeiten, und der Berichtigung
und Vermehrung derſelben durch ſpaͤtere Prophe—
ten und andere Weiſe; die Kenntniß feines kirch—⸗
lichen, politiſchen und ſittlichen Zuſtandes, und
des Einfluſſes deſſelben auf Denkart, Sitten
und Meinungen. — Ohne dieſe Unterſuchung
würde uns der religiöfe Zuſtand der Juden zu
Jeſu Zeit unerklaͤrlich, und das Verhal tniß ih ⸗
rer Theologie zu der Religionsphiloſophie ande⸗
rer benachbarter Nationen unverſtandlich ſeyn.
\ Bel
7
74 Quellen; das A. T.
Bei dem Studium des alten Teſtaments iu reli⸗
gioͤſer Ruͤckſicht hat man aber darauf vorzuͤg⸗
lich zu ſehen: erſtlich, daß man ſich mit dem
Geiſt der moſaiſchen Religionseinrichtung bekannt
mache, um die Wirkungen, die fie für die Kul⸗
tur der Nation haben mußte, beurtheilen zu koͤn⸗
nen; daß man die einzelnen Buͤcher des A. T.
nach ihrer hiſtoriſchen Aufeinanderfolge, in ſo
weit diefe auszumachen iſt, ſtudiere, und auf die
Veranderungen und Erweiterungen des Religions⸗
ſyſtems ſorgfaͤltig achte. Vorzuͤglich genau muß
man die Schriften unterſuchen, die den Zuſtand
der Juden kurz vor, waͤhrend und nach dem
Exil beſchreiben, oder religioͤſe und moraliſche
Abhandlungen aus dieſem Zeitraum enthalten;
alſo die Bücher der Chronik, Esdra, Nehemia,
Eſther, die ſpaͤter lebenden Propheten (Jere⸗
mias, Ezechiel, Malachias 1c.), den Prediger Gas
lamo's, einen Theil der Palmen u. ſ. w. ö
Unter den Huͤlfsmitteln fuͤr dieſes Stu⸗
dium wuͤrde eine pragmatiſche Geſchichte der juͤ⸗
diſchen Religion bis auf Jeſum, den erſten
Platz einnehmen, wenn wir eine hatten Sie
fehlt uns aber noch ganz, und nur Beitraͤge, die
aber ſehr febasbar find, haben wir von verſchie⸗
denen Gelehrten erhalten. Denn was ſich in den
Buͤchern findet, welche die politiſche Geſchichte der
Juden beſchreiben, ite ganz ſparſam und duͤrftig *).
Mit
— — . — — ũ —Eꝓ2—äͤ RE
) Auch eine pragmatiſch geſchriebene politiſche Ges
ſchichte
Mit
Quellen; das A. T. x 7
” i
vorzuͤglicher Ruͤckſicht auf Religion und reli⸗
wir
gisſe Kultur der Juden ſind folgende Abhandlun⸗
gen,
ben:
die ſich uͤber das Ganze erſtrecken, geſchrie⸗
Herders Ideen zur Philoſophie der Ge⸗
NN ſchichte
—
7
ſchichte dieſer Nation fehlt uns noch. Indeſſen
vergl. man: Ludw. Holberas jüdifhe Ges
ſchichte von Erſchaffung der Welt bis auf ges
genwaͤrt. Zeiten. Altona 1747. 2 Thl. 4. Ant.
Fr. Buͤſching Geſchichte der juͤd. Religion,
oder des Geſetzes. Berl. 1779. 8. I. Fr. Bu d-
deus hiſtoria eccleſ. V. T. Hal. 1726 29. ed.
3. 2 Voll. 4. (Kundl) Geſchichte des juͤd.
Volks von Abraham an bis auf Jeruſalems Zer—
ſtör, für denkende Leſer der Bibel. Lpzg. 1791.
8. G. Lor. Bauer Handbuch der Geſchichte
der hebr. Nation, von ihrer Entſtehung bis zur
Zerſtoͤrung ihres Staats, 2 Bände, Nuͤrnberg
1800 u. 1804. gr. 8. — Ueber den Zeitraum
vom Exil an: Joh. Remond Verſuch einer
Geſchichte der Ausbreitung des Judenthums v.
Cyrus bis auf den gaͤnzlichen Untergang des
jüd. Staats. Lpzg. 1789. kl. 2. Joh. Imm.
—
Fried. Schmid Geſchichte des juͤdiſch. Volks,
von ſeiner Wegfuͤhrung nach Babel bis auf Je⸗
ruſalems Zerſtör. durch die Roͤmer. Tuͤb. 1792.
8. — Hiermit iſt zu vergleichen: C. G. En⸗
kelmann: uͤber die kanoniſchen Buͤcher des A.
T. als Quellen der juͤdiſchen Geſchichte betrachs
tet. In Henkers neuen Magaz. zter Band
S. 1— 86. — Ueber die moſ. Verfaſſung ſ.
J. D. Michaelis moſ. Recht. Frankf. am
M. 6 Theile 8. wovon eine 2te Ausg. des 1.
Theils 1775. des zten und zten 1776. des an
1778. und des sten 1780, der ſechſte aber
1785. erſchien.
/
HER ir Quellen; das A. T.
ſchichte der Menſchheit zr Th. S. 104 - 121.
Pölitz, pragmatiſche Ueberſicht der Theologie der
ſpaͤtern Juden (Leipzig 1795.) S. 53 — 128.
Horn, über die bibl. Gnoſis, S. 327 — 404.
— Abriß der hebr. Kultur bis auf das Zeital⸗
ter Jeſu, beſonders mit Hinſicht auf die
Fortſchritte ihrer Moral. In Henke's Ma⸗
gaz. zr B S. 506 - 506. Hiermit vergleiche
die hiſtoriſche Einleitung ꝛc. die ich meiner Dog⸗
matik der Apokryphen des A. T. S. 1— 45.
vorgeſetzt habe. Johann Diet. Hartmann,
vom polit. veligiöf, und wiſſenſchaftlichen Zuſtande
des juͤdiſch. Staats bei Entſtehung des Chriſten⸗
thums. In ſ. Beiträgen zur chriſtlichen Kir⸗
chen⸗ und Religions-Geſchichte ter Bd. S. 33.
Poͤlitz, hiſtoriſche Einleitung in das Zeitalter
Jeſu; in ſeiner populären Moral des Chriſten⸗
thums, 8. 23 — 138.
Auch gehoͤren noch folgende 215 Ab⸗
handlungen hieher: Etwas über die [Vervoll⸗
kommnung der! iſraelitiſchen Religion; in den
Beitraͤgen zur Befoͤrderung des vernuͤnftigen
Denkens ꝛc. 1 3tes Heft Seite 82 — 114. —
Frank progr. cur philofophia apud He-
brasos non floruerit, au alia in eruditionis
laue eminutrint. Erf. i. 4. — Ver-
Wey di. (fub praef. Verschuir) de
origine et canfis infani idololatriae amoris
el fudi, maxime in gente Lſrablitica. Fra-
neg. 17% — G. F. Seiler progr. Deus
an,
Quellen; das A. T. 77
an, quod multi contendunt, Domini pot iſſi.
mum forma et nomine fe ſub oeconomia mof.
deferibi curauerit? Unde fenfus ſeruilis Ifrai-
litarum fit derinandus? inquiritur. Erlang.
1796, J. — J. C. C. Nachtigal, über die
Weiſen⸗Verſammlungen der Ifſraeliten. In
Eichh. Bibl. 9. B. 3. St. S. 379 — 451.
— Warum die ſchriftlichen Orakel der hebr.
Propheten erſt um das J. 1800 vor Chriſto
anfangen. Ebendaſ. 10. B. 6. St. S. 1077
— 1117.
Außerdem muß man ſich in dogmatiſcher
Hinſicht an einzelne Abhandlungen, die unten an⸗
geführt werden ſollen, und an die bibliſchen
Theologien halten, deren wir vorzüglich drei
von Hufnagel, Ammon und Bauer haben.
Die von Hufnagel und Ammon erſtrecken ſich
uͤber das alte und N. T. zugleich, und ſind,
weil ſie mehr den Kapiteln der Dogmatik fol—
gen, weniger brauchbar als die von Bauer.
\ W. Friedr. Hufnagel, Handbuch der
bibliſchen Theologie. Erlangen 1785 — 1791.
zwei Theile, gr. 8. — C. Fr. Ammon,
Entwurf einer reinen bibliſchen Theologie, drei
Theile, neue Auflage. Erlangen, 1891 — 802.
gr. 8. Sie enthaͤlt, außer vielen vorzuͤglichen
Bemerkungen, eine ſchoͤn ausgearbeitete und nach
der Zeitfolge der altteſtamentiſchen Buͤcher durch⸗
geführte Chriſtologie kim 2. B. S. 1240). —
| G. Lor.
78 Quellen; das A. T.
G. Lor. Bauer, Theologie des A. T., oder Ab⸗
riß der religioͤſen Begriffe der alten Hebräer.
Von den aͤlteſten Zeiten bis auf den Anfang
der chriſtlichen Epoche. Zum Gebrauch akade⸗
miſcher Vorleſungen. Leipzig 1796. 430 Sei⸗
ten gr. 8. N
Endlich kommen noch die Schriften in Bes
trachtung, welche die Moral der Hebraͤer be—
handeln; worunter zuerſt Imman. Berger's
praktiſche Einleitung ins A. T. (iſter Theilf
Lpzg. 1799. 416 Seiten 8. die fuͤnf Buͤcher
Moſis. Zweiter Theil die hiſtoriſchen Buͤcher
des A. T. ebendaſ. 1800. 538 ©. 8.) genannt
zu werden verdient, da ſie die Bekanntſchaft mit
den religioͤſen und moraliſchen Ideen des A. T.
einleiten, und deren praktiſche Anwendung theils
vorbereiten, theils zeigen ſoll. — Naher. aber
gehoͤrt Ge. Lor. Bauers bibliſche Moral des
A. T. (Reipjig, zwei Theile 1903. gr. 8.)
fuͤr den hiſtoriſchen Exegeten, beſonders, da ſie
auch die apokryphiſchen Buͤcher des A. T. mit
umfaßt. Hiermit vergl. Joh. Dan. Schul⸗
ze, uͤber die Bewegungsgruͤnde zur Tugend im
A. T. und in den apokryphiſchen Buͤchern
deſſelben. In Henke's neuem Magazin, Gter
Band. Seite 40 — 86. — Zur Geſchichte der
Moral der Hebraͤer vor Chriſtus uͤberhaupt
verdient vorzuͤglich bemerkt zu werden: Carl
Friedrich Staͤudlin, Geſchichte der Sit—
tenlehre Jeſu, der erſte Band (Goͤttingen
| 1799.
Die Apokryphen des A. T. 79
1799. 833 Seiten und XXXIV. 8.) wo
man eine ausfuhrliche Darſtellung der Sitten⸗
lehre der Hebraer vor Jeſu und ihrer Ges
ſchichte findet. Vorher hatte er ein Programm:
theologiae Moralis Ebraeorum ante Chrifzum
Hifioria. Goett. 1794. 4. darüber geſchrieben.
·— Vergl Verſuch den Urſprung der Sittenlehre
Jeſu hiſtoriſch zu erklaͤren; in Henke's Magaz.
5. B. S. 363 — 437. 0
§. 20. |
b) Die Apokryphen des A. T.
Die Schriften, die unter dem Namen der
Apokryphen des A. T. vorhanden ſind, füllen die
Lücke der juͤdiſchen Schriften in dem Zeitraum |
vom Exil bis auf die Zeiten Jeſu nur mangels
haft aus, beſonders in Nuͤckſicht der Geſchichte
der religioͤſen Ideen unter den Juden; weil ein
Theil von ihnen bloß hiſtoriſch, ein anderer
Theil, wie das Buch der Weisheit und das drit⸗
te und vierte Buch der Makkabäer in Aegypten
geſchrieben ſind, und uns folglich keine Rechen⸗
ſchaft von den religiöfen Ideen der Palaͤſtinenſer
geben, und endlich ein Theil von ihnen ſelbſt
von zu jungem Alter zu ſeyn ſcheint, um den
Gang, den die Religions philoſophie während und
bald nach dem Exil bei den Juden in Palaͤſtina
nahm, zu beſtimmen. Demohnerachtet aber ſind
ſie uns, da wir außer Joſephus und Philo fein,
weitern Urkunden uͤber jenen Zeitraum haben, vo
23 groß
go Die Apokryphen des A. T.
großer Wichtigkeit, und lange Zeit, mehr als
fie verdienten, vernachlaͤſſigt worden. Nur in
neuern Zeiten hat man ſie der gehorigen Auf⸗
merkſamkeit gewuͤrdiget, und zur hiſteriſchen Aus⸗
legung benutzt. ö
Bei ihrem Gebrauch fuͤr die Kenntniß der
Religionsphiloſophie des Orients und für die his
ſtoriſche-dogmatiſche Auslegung hat man aber
die doppelte Ruͤckſicht zu beobachten, daß man
ſie nach Unterſchied des Ortes wo, und der
Zeit, da ſie geſchrieben wurden, benutze und
verarbeite. Denn anders erſcheint der Jude in
Chaldaͤg, anders in Palaͤſtina und anders in
Aegypten und Kleinaſien. Ich habe in dieſer
Ruͤckſicht in meiner Dogmatik der Apokryphen des
A. T. S. 5 1 ff. dieſe Bücher in drei Claſſen
geordnet: in chaldaͤiſch⸗palaͤſtinenſiſche, in rein-
palaͤſtinenſiſche, und in alexandriniſch⸗ juͤdiſche;
eine Klaſſiſikation, die ſich auf den verſchiedenen
Geiſt ihrer Dogmatik gruͤndet, und daher in
hiſtoriſch⸗dogmatiſcher Ruͤckſicht wichtig iſt. „Die
chaldaͤiſch⸗paloͤſtinenſiſchen zeichnen ſich (ſagte
ich a. a. O. S. 52 ff.) aus durch Abſcheu vor
dem Goͤtzendienſt; durch außerordentliche Erhe—
bung des Werthes der Almoſen und anderer Wer—
ke der Mildthaͤtigkeit; durch eine weit ausgeſpon⸗
nene Lehre von den Engeln und beſonders von
den Daͤmonen; durch Wunderglauben; durch
beſtimmtere Begriffe von der Fortdauer der From⸗
men nach dem Tode, und durch die Erwartung
5 einer
Die Apokryphen des A. T. 81
einer Auferſtehung. Dahin gehoͤren das Buch
Tobias und das zweite Buch von den Makkabaͤern
ohnſtreitig; vielleicht auch das Buch Baruch
und die apokryphiſchen Stuͤcke aus Daniel.“
„Die rein palaͤſtinenſiſchen Buͤcher zeich⸗
nen ſich aus durch beſondere Ehrfurcht gegen das
Geſetz, die heilige Stadt, den Tempel und
den moſaiſchen Gottesdienft, und den hohen
Werth, den ſie dieſen Gegenſtaͤnden beilegen;
durch Bigotterie fuͤr ihre Religion, indem ſie
ſich als das heilige Volk und alle andere Voͤlker
als unreine betrachten; durch rohe Begriffe
von der goͤttlichen Strafgerechtigkeit, durch
duͤrftige Vorſtellungen uͤber Unſterblichfeit, ſel⸗
tene Erwaͤhnung der Engel, noch ſeltener der
Daͤmonen; durch gaͤnzliches Stillſchweigen uͤber
die Auferſtehung, und endlich durch eine geringere
Geneigtheit zu Wunder- und Aberglauben. Dahin
gehoͤrt das erſte Buch von den Makkabaͤern, das
Buch Sirach, und vielleicht auch das Buch
Judith.“
„Den ale xandriniſch-juͤdiſchen Bis
chern iſt ein gewiſſer philoſophiſcher Anſtrich ei⸗
gen; — — fie weben gern moraliſche Betrach⸗
tungen ein; auch ihnen iſt der Judaismus theuer;
aber ſie ſehen hierbei weniger auf das Aeußere
des Moſaismus, und ſetzen die Heiligkeit der
juͤdiſchen Nation mehr in die Verehrung des
wahren Gottes und in ein heiliges Leben; ſie
dringen Nane auf Enthaltſamkeit und Be⸗
f 5 zaͤh⸗
82 Die Apokryphen des A. T. 5
zaͤhmung der Leidenſchaften; ſie kennen gute En⸗
gel, aber keine Daͤmonen; ſie haben reinere
Begriffe von Unſterblichkeit, platoniſche Ideen
von der menſchlichen Seele, und von der goͤtt⸗
lichen Sophia, erwaͤhnen aber der Auferſtehung
mit keinem Worte.“ Dahin gehoͤrt das Buch der
Weisheit, das vorzuͤglich mit Philo viel Aehn⸗
liches hat, das dritte Buch von den Makkabaern;
die Fragmente des Buchs Eſther, und das ſo⸗
genannte 4. Buch von den Makkabaͤern, das in
einigen Ausgaben der LXX, e e
l |
In Nuͤckſicht des Gebrauchs dieſer Buͤcher
für die hiſtoriſch dogmatiſche Erklärung des N.
T. hat man die chaldaͤiſch-palaͤſtinenſiſchen und
rein⸗palaͤſtinenſiſchen deßwegen vorzüglich zu bes
ruͤckſichtigen, weil fie den religioͤſen Geiſt der
palaͤſtinenſiſchen Juden vorzuͤglich bezeichnen. Doch
find auch die alexandriniſch⸗ judifchen forafältig
zu vergleichen, weil dieſe wieder den Zeiten
der Apoſtel naͤher ſind, und durch Handel und
religioͤſe Verbindungen die Grundſaͤtze der Alexan⸗
driner auch in Palaͤſtina bekanut wurden. So
finden wir z. B. im Sirach noch bloße Perſo⸗
nifikation der göttlichen Sophia, und vom goͤtt⸗
lichen Logos noch gar nichts; hingegen das Buch
der Weisbeit, ob es gleich das Wort Aoryos noch
nicht braucht, beſchreibt die Sophia ſchon als
ſubſtanzielles Weſen, und ſtimmt in der Be⸗
ſchreibung deſſelben ſchon ſehr mit Johannes und
Pau⸗
Die Apokryphen des A. T. 83
Paulus uͤberein. Es wuͤrde daher ein falſcher
Gebrauch des Sirach ſeyn, wenn man aus ihm
beweiſen wollte, daß Aoyos beim Johannes
nichts anders ſey, als die perſonificirte Weis⸗
heit Gottes. \ \
Meberbaupt muß man beim Gebrauch die⸗
ſer Schriften zur hiſtoriſch⸗ dogmatiſchen Aus⸗
legung, das was dem ganzen Oriente gemein—
ſchaftlich war, und beſonders bei den Juden
allgemein gefunden wird, von dem, was durch
den Einfluß der pythagoreiſch platoniſchen Phi—
loſophie in Aegypten dem orientaliſchen Reli⸗
giousſyſteme Hinzugefügt ward, abſondern, und
das Letztere nur, mit großer Vorſicht, und alle⸗
mal nur mit gehoͤriger Unterſuchung der Wahr⸗
ſcheinlichkeit und Wirklichkeit des Uebergangs die⸗
ſer Ideen in die Theologie der Juden brauchen.
So iſt es z. B. bekannt, daß Philo und ande⸗
re aͤgyptiſche Juden an keine Daͤmonen glaub⸗
ten, weil ſie außerhalb der irrdiſchen Sphaͤre
kein boͤſes Weſen annahmen. So kennt das Buch
der Weisheit und das 4. B. der Makkabaͤer
keine Auferſtehung; vielmehr (wie dieſes das
4. B. der Makkabaͤer zeigt, wo die Reden der
ſieben Bruder, die wir 2 Makkabaͤer 7 leſen,
gleichfalls angefuͤhrt, aber der Auferſtehung
durchaus keiner Er waͤhnung, geſchieht) mußten
fie dieſe Lehre verwerfen, da fie den Körper
fuͤr einen Kerker, fuͤr ein Strafbehaͤltniß der See⸗
le erklaͤrten. Weisheit 9, 15. Und wie ver⸗
J 2 ſchie⸗
84 Apokryphen des A, T.
ſchieden ſind nicht die Erwartungen der Alexan⸗
deiner von dem Meſſias von denen der Palaͤſti⸗
nenſer, beſonders zu Jeſu Zeiten? — Als Pros
be der Erlaͤuterung des N. T. moͤgen folgende
Beyſpiele hier ſtehen;
Weish. 2, 23 f. Erı ö eos ex rige Tov cc.
Sea E Megan PIovo ds M νναð e Ia-
vg eigne eis Tov Xormov. Sirach 25, 24.
MO g ce Kexn dmagrırg nos ÖL ce.
an dmodynsnonev navres. Vergl. Joh. 8, 44.
der HD — vdgwmorrovos Av am dexus.
Roͤm. 5, 12. 3 Evos AvKwmou N duagrın eis
roy xoomov eic e, xc dia ns dumagrıns o
Yavaros, c ohr eis mavras avdewmeus d
Savaros dind ey, EP & re Äuagrov.
Weish. 7, 26. (die Weisheit iſt) &rau-
ec ,ỹ Daros ανοE e (1 Tim. 6, 16. Jess —
Dws oinον amgoaırov), . Ecomtgov armÄ-
doro ng Tov Yeov sveg Vece xc ein vn
oc yo. Non ονο ον Vergl. Hebr. 1, 3. 05
(vios geov) d enavyaonarıs de Ens, x Ne-
nr Y d os, aurou. Coloſſ. 1, 15.
os ss eino r Heoο Tov H οάνο.
Weish. 7, 27. Hie de obe (die Weiß
heit) mayra dvvarıı — — K. 8, 1. ee.
de cio MegnTos EIS vegas EUQWSWE, cel doi et
Ta mavra Xensws. Vergl. Hebr. 1, 3. Pegwv
(vos Yeov) r Mayı® T@ inmarı Tag Öuve-
tue So Coloſſ. 1, 17. x cus Esı arg
MAVTW), xc. T a Ev eur hL.
Matth
Die Apokryphen des A. T. 85
Matth. 28, 18. 2doIn fel , EC ov Eu
ougavm Ms ET vn ns.
Weish. 9, 9. 10. x fer co u Mo.
Dia j eiò iwer Ta k α vou ns Magouoa ore
EMSIEIS TOV KOTMOV, MOM Ls] , TI eig
ev ODIaAnoıs aov, au TI sudes W Evroν
co E£umoseAov air e M orgavov,
wo mo Deovov dens sev meuov aürny, Ive
TUUTagoVeR Wo nomaon, ve % TI EURLE-
sov ssi Teige Tor. Olde e ven mayra Kos
avvier. Vergl. Joh. 1, 1. Ey dexy iv © No-
Jes, 4 © Nodes iv meos Tov Deov. v. 3. May
7a M aurov Eryevero. v. 9. W To Os To
arndwov, © Darıda Ravyra avydewmov. V. 18.
geoy odd eis dcενε TOomoTE' © HoOοον,¹]σ vios
5 c eig rey r Tov MArTgos, Enesvog s En-
nr. K. 3, 13. N Trou OUEAVoU KAT-
Bas, 6 vios Tov audgomou, & dy Ev r o.
Die Apokryphen des A. T. ſind gewoͤhn⸗
lich zugleich mit den LXX herausgegeben wor⸗
den. Die neueſte Handausgabe derſelben, bei
der der roͤmiſche Text mit Lesarten des alexan⸗
driniſchen Kodex zu Grunde liegt, iſt: Libri
H. T. apocryphi. Textum graecum veco-
gnouit et variarum lectionum delectum adiecit
lo. Chriſt. Guil. Auguſti. Lipf. 1804.
gr. 8. — Ueber ihren Geiſt, Inhalt, Schick⸗
ſale, Verfaſſer u. ſ. w. vergl. J. G. Eich⸗
horn, Einleitung in die apokryphiſch. Schrif⸗
ö ten
—
85 Die Apokryphen des A. T.
ten des A. T. Leipz. 1795. gr. 8. (Auch
unter dem Titel: Eich h. kritiſche Schriften,
ter Bd.) — Ueber ihre Dogmatik und Mor
ral ſ. K. G. Bretſchneider ſyſtematiſche Dar⸗
ſtellung der Dogmatik und Moral der apokry⸗
phiſchen Schriften des A. T. fter Band, die
Dogmatik enthaltend Leipz. 1805. 8. (der zwei⸗
te wird die Moral enthalten und naͤchſtens er⸗
ſcheinen.) — Erläuterungen und Ueberſetzungen ein:
zelner Bücher, die in hiſtoriſch⸗dogmatiſcher Ruͤck⸗
ſicht wichtig ſind:
Buch der Weisheit: To. Melch.
Faber, prolufiones IV ſuper libro Sapientiae.
Onoldi 1776. 77. u. 1786 87. 4. — J. Fr.
Kleuker, Salamoniſche Denkwuͤrdigkeiten. Als
Anhang d. Buch d. Weisheit uͤberſ. und durch
Anmerkk. erlaͤutert. Riga 1785. 8. — Joh.
Gottfr. Haſſe, Salomo's Weisheit neu uͤberſ.
mit re und Unterſuchungen. Jena 1785.
fl. J C. C. Nachtigal, das Buch
der Di heit Halle, 1799. gr. 8. (In den
Vorerinnerungen findet man S. 46 ff. viele gute
Bemerkungen uͤber den Gebrauch des Buchs der
Weisheit, zur Erklaͤrung des N. T. und Seite
195 — 232. eine „Zuſammenſtellung einiger
Sprach- und Sinnverwandten Stellen im B. d.
Weisheit und im N. T.“ Dieſe Abhandlung
war vorher ſchon in Henke's neuen Magaz. zter
Bd. ıfled St. S. 136. eingeruͤckt. — C. G.
e dif I. II. III. de libri
Sap.
&
Die Apokryphen des A. T. 87
Sap. parte priore cap. I — XI. e duobus li.
bellis, diuerfis conflata. Hiteb. iso. 4. —
Hierzu vergleiche zwei Abhandlungen von Jak.
Brucker: uͤber die Spuren der alexandrin. Phi⸗
loſophie im Buche der Weisheit. In den Mif-
cell Beroliu. J. VA. p. ı50. und Grim m:
Etwas von der Alexandriniſch. Philoſophie und
deren Spuren im Buche der Weisheit. (Ein
Schulprogramm) Annaberg 1773. 4. (behan⸗
delt bloß die Stelle Weish. 1, 7. und ſucht zu
beweiſen, daß der Verfaſſer hier an die platoni⸗
ſche Weltſeele gedacht habe) — Iſt Logos und
Sophia im Buch der Weisheit und im Sirach
ein fuͤr ſich beſtehendes Subjekt? Im neuen
theolog. Journ. Hr Bd. S. 218 ff.
Sirach: J. W. Linde, Glaubens- und
Sittenlehre Jeſu des Sohnes Sirach. Neu uͤber⸗
fest und mit erlaͤut Anmerkk. 2te Aufl. Leipzig
1795. kl. 8. — Sententiae Iefu Siracidae.
Groece. Textum ad fidem codd. et verj].
emendauit et illuſtr. I. G. Linde. Gedani
1795. 8. min. Eine kritiſche Ausgabe des Si—
rachs mit einer annotatione perpetua wird
Oſtern 1806, von mir gearbeitet, erſcheinen. —
Vergl. Heß Geſchichte des Reichs Juda nach
dem Exil, 2. Bd. S. 134 ff. wo man einen
Abriß der Dogmatik und Moral des Sirachs
findet.
Tobias. C. Dav. Ilgen, die Ge
ſchichte des Tobias nach drei verſchiedenen Ori⸗
| EL gina⸗
c
* ro a
*
88 Die Apokryphen des A. T.
ginalien, dem griechiſchen, dem lateiniſchen des
Hieronymus und einem ſpriſchen uͤberſ. und mit
Anmerkungen erlautert. Jena, 1800. gr. 8. —
Io. Chr, Grünberg, 'exereitatio de libro
Baruchi apocrypho- Goett. 1797. 8. — J. ©.
Haſſe, das andere Buch der Makkabaͤer, neu
uͤberſetzt, mit Anmerkk. und Unterſuchungen. Jena
1786. 8. N
HR
2
Außerdem vergl. die zu Ende des 79. $.
angefuͤhrte Abhandlung von J. Dan. Schulze.
— und die Abhandlung von Friſch: Verglei⸗
chung zwiſchen den Ideen, welche in den Apokr.
des A. T. und den Schriften des N. T. über
Unſterblichkeit, Auferſtehung, Gericht und Ver⸗
geltung herrſchen. In Eichhorns Bibl. 4. B.
S. 653 — 718. — lo. God. Ienichen, .
diſſ. (praef. F. V. Reinhard) de petenda
rerum quas libri N. T. continent, e libris
77, T. apoeryphis illuſtratione. Viteber gat,
7787. 409). —
§. 21.
*) Kuͤndls obſſ. ed N. T. e librr. apocr. V.
T. (Lipſ. 1794. 8.) beziehen ſich blos auf
grammatiſche Auslegung. — Die Abhandlung
von Henr. Chr. Millies (diſſ. philologico-
hermeneutica de viu librorum V. T. apocry-
phorum in N. T. interpretatione, die zu Hals
le, wahrſcheinlich 1800 erſchien) kenne ich nicht
genauer. te
2
Joſephus -/ 80
2
c) Joſephus.
An die Apokryphen des A. T. ſchließt ſich
der Zeit und der Wichtigkeit nach Joſephus
an, ein juͤdiſcher Gelehrter, aus Hoheprieſterli⸗
chem Geſchlecht, und von der Sekte der Pha⸗
riſaͤer. Er bluͤhte kurz nach Jeſus, zur Zeit der
Zerſtoͤrung des juͤdiſchen Staates durch die Roͤ⸗
mer. Seine Schriften, die wir noch beſitzen,
charakteriſiren ihn als einen ſehr gelehrten und
ſelbſt durch Lektuͤre der griechiſchen Schriftſteller
ausgebildeten Mann. Demohnerachtet aber zeigt
fib in ſein en Schriften uͤberall der Jude, und
nur uͤber die Erwartungen ſeiner Nation vom
Meſſias ſcheint er aus politiſchen Gruͤnden einen
Schleier geworfen zu haben. Er beſchrieb in
19 Büchern, denen er den Titel: dexmmoAoryın
gab, die Geſchichte ſeines Volks nach der Grund:
lage der Buͤcher des A. T., und die politiſchen
und religioͤſen Einrichtungen deſſelben, und in ſie⸗
ben Buͤchern erzählte er den juͤdiſchen Krieg und
den Untergang des Staates. Außerdem haben
wir noch von ihm ſeine eigene Lebensbeſchreibung;
und einen Aufſatz gegen den Apion, in welchem
er die Glaubwuͤrdigkeik ſeiner Archaͤologie und
des A. T. vertheidigt.
Joſephus iſt zwar eigentlich Geſchichtſchrei⸗
ber, und feine Werke haben daher vorzüglich
für die politifche Geſchichte feiner Zeit, und für
die
90 Joſephus.
die Erklaͤrung der hiſtoriſchen Data des N. T.
bedeutenden Nutzen; allein ſie gewaͤhren auch
fuͤr die Erklaͤrung der Stellen des N. T. in de⸗
nen Sitten und Gebraͤuche der Zeitgenoſſen er⸗
waͤhnt werden ), fo wie fuͤr die hiſtoriſch dog⸗
matiſche Auslegung des N. T. uͤberhaupt, vie⸗
le Belehrung. Denn ob gleich Joſephus nicht
in der hebraiſirenden Schreibart ſchrieb, ob er
gleich feine Grundſaͤtze uͤber Religion und jüdis
ſche Theologie nur gelegentlich darlegt; ſo gab
ihm doch die Geſchichte haͤufig Veranlaſſung, dog⸗
matiſche Exkurſionen einzuſchalten; und da er
Phariſaͤ er war, ſo finden wir auch bei ihm
die Meinungen dieſer Parthei, deren Religions
glaube auch der Glaube der großen Maſſe der
Nation war. Fuͤr die hiſtoriſch dogmatiſche Aus⸗
legung des N. T. iſt er noch wenig oder gar
nicht benutzt worden, und er verdiente ſchon
in der Ruͤckſicht, wie er das A. T. und deſſen
dogmatiſche Parthien behandelt, eine Verglei—
chung. Wir finden uͤbrigens bei ihm alle die
religioͤſen Meinungen des Volks, die auch im
N. T. als Glaube des Volks erſcheinen, und
er iſt nicht frei von dem Aberglauben deſſelben. So
erzaͤhlt er z. B.) von einem Ort, Barras
ge
„) f, Mori seroaſes ſuper Hermeneut. N. CT.
p. 195 ff. 5
*) im jaͤd. Krieg, 7. Bd. 6. Kap. S. 1077 5
der Oberth. Ausg. g
Joſephus. 91
genannt, wo eine Wurzel gleiches Namens wach⸗
fe. Es fen ſehr ſchwer ſich ihrer zu bemaͤchti⸗
gen; denn die Pflanze ziehe ſich zuruͤck (UmoQev'yri)
und halte nicht eher Stand (saraı), als bis
man weiblichen Urin oder Etwas von der monat⸗
lichen Reinigung auf ſie gieße. Aber auch da
noch drohe dem ein gewiſſer Tod, der ſie be⸗
ruͤbren wuͤrde, wenn er nicht gluͤcklicher Wei⸗
ſe ein Stuͤckchen dieſer Wurzel an der Hand tra⸗
ge. Man bemaͤchtige ſich aber auch ihrer auf
eine leichtere Art, indem man rings um ſie
das Land aufgruͤbe, daß die Wurzel nur leicht
bedeckt bleibe. Darauf binde man einen Hund
an fie lan die Pflanze] an, der, indem er
ſeinem Herrn folgen wolle, ſie ausriß, aber
gleich ſterbe, gleichſam an deſſen Sie, der
eigentlich die Wurzel haben wollte. Nachher
bringe ſie aber weiter keine Gefahr. Ihre Tu⸗
gend ſey, daß ſie, ſo bald ſie nur den Kran⸗
ken nahe gebracht werde, die Daͤmonen —
welches die Seelen boͤſer Menſchen ſeyen, die
in die Lebenden eingiengen, und die umbrach⸗
ten, denen keine Huͤlfe geſchehe — vertreibe.
Aus dieſer Stelle ſieht man aber auch, daß
Joſephus unter Daͤmonen die Seelen verſtorbe—
ner boͤſer Menſchen verſtanden habe; denn er
ſagt: x urcvumern daxıpevia, das iſt: was das
Volk Daͤmonen nennt, und ſetzt zur Er⸗
klaͤrung hinzu: Tvre de ron esu cy.
r perl. — Eine andere weitlaͤuftige
Nachricht von den e Kranken finden
wir
[4
92 Joſephus.
wir bei ihm in den juͤdiſchen Alterlhuͤmern 8. B.
2 Kapitel S. 859., wo er von Salomo ruͤhmt,
daß er die Kunſt verſtanden habe, die Daͤmo⸗
nen aus dem Kranken zu treiben, und Zauber:
formeln hinterlaſſen habe, durch welche man ſie
verbannen koͤnne. Er habe ſeloſt das Beiſpiel
einer ſolchen Kur geſehn, die ein gewiſſer Elea⸗
zar in Gegenwart des Kaiſers Veſpaſian und
der Heerfuͤhrer verrichtet habe. „Nachdem er,“
ſagt Joſephus, „an die Naſe des Kranken einen
Ring, deſſen Kaſten ein Stuͤckchen jener Wur⸗
zel, die Salomo kennen gelehrt hatte, enthielt,
gebracht hatte; fo zog er hernach dem Kran:
ken, der daran gerochen hatte, den Daͤmon
zur Naſe heraus. Als hierauf der Menſch fox
gleich (wie leblos] hinfiel; ſo beſchwor er den
Daͤmon, indem er den Namen Salomo's und
deſſen Zauberformeln gebrauchte, daß er nie
wieder in dieſen Menſchen zuruͤckkehren ſolle. Da
aber Eleazar die Zuſchauer uͤberzeugen wollte,
daß er dieſe Gewalt uͤber die Daͤmonen beſaͤße;
ſo ſetzte er nicht weit davon einen Becher oder
ein Gefaͤß mit Waffer hin, und befahl dem
Damon, der aus dem Menſchen ausging, dies
ſes umzuſtuͤrzen, damit die Zuſchauer ſelbſt fe
hen moͤchten, daß er den Menſchen verlaſſen
habe. Dieſes geſchah auch wirklich, und be-
ſlaͤtigte die Weisheit und Kenntniß Salomo 's
Ne
Man
*) Man ſieht daraus, wie die Gergeſener (Matth.
g, 88
Joſephus. 93
Man kann hieraus einen Schluß auf die
Meinungen des Volks uͤber die Daͤmonen machen,
und es zur Erlaͤuterung deſſen, was im N. T.
von den Daͤmoniſchen geſagt wird, ſehr gut
brauchen. Aber nicht uͤber alle Punkte des Volks⸗
glaubens erklaͤrt ſich Joſephus ſo weitlaͤuftig, und
namentlich findet man dei ihm wenig oder gar
nichts vom Meſſias. Denn er mochte es bedenk⸗
lich finden, von den fanatiſchen Hoffnungen des
Volkes auf einen Weltbezwinger in ſeiner Lage zu
ſprechen, und die Roͤmer zu härtern Maasregeln
zu veranlaſſen.
So wenig treuer Referent Joſephus in die⸗
ſem Punkte geweſen zu ſeyn ſcheint; ſo wenig
iſt es uͤberhaupt zu verkennen, daß er ſich be⸗
ſtrebte, die Parthei der Phariſaͤer, zu welcher
er gehoͤrte, hervorzuheben, ihre ſchlechten Sei—
ten zuverdecken, und ihr Gutes in einem ſchoͤ⸗
nern Lichte zu zeigen; die andern juͤdiſchen Sek—
ten aber, vorzuͤglich die der Sadducaͤer in Schat⸗
ten zu ſtellen. Ueberhaupt ging er wohl nicht
immer mit der Sprache ſo frei heraus, und
mochte ſich ſcheuen, vor den Roͤmern, unter
deren Augen er ſchrieb, ſeine Nation ganz in ihrer
| Sonbertarti und Individualitaͤt erſcheinen zu
a laſſen.
8, 28 ff.) und die Zuſchauer jener Begebenheit
das Schickſal der Schweine für Wirkung der
ausgefahrnen Dämonen. halten konnten.
94 Joſephus.
laſſen. Hierauf muß man beim Gebrauche ſei⸗
ner Schriften immer Ruͤckſicht nehmen, und
es nie vergeſſen, daß man einen vorſichtigen
Geſchichtſchreiber der Maͤngel ſeiner Nation und
einen kobredner der vaterlichen Religion, und
insbeſondere der Sekte, der er zugehoͤrte, vor
ſich habe; beſonders aber aus feinem Stillſchwei⸗
gen uͤber Glaubenspunkte und hiſtoriſche Data
keine voreiligen Schluͤſſe ziehen “).
Die vorzuͤglichſten Ausgaben ſeiner Werke
ſind die von Joh. Hudſon, Oxonii 1720.
II Voll.
„) Er hat in ſeiner Darſtellung des Judaismus N
viel Aehnliches mit einem Boſſuet und deſ—
fen milderer Darſtellung des Katholtetsmus,
der giſichfalls, obne Im Weſentlichen dem Glzu⸗
ben feiner Kirche etwas zu vergeben, durch fei⸗
ne Wendungen und eine gefaͤllige Darſtellung
dieſen Glauben den Proteſtanten in einem min⸗
der anſtoͤßigen Lichte zu zeigen ſuchte. „Als
Patriot,“ ſagt Oberthuͤr in der Vorrede ur
Ueberſ. d. Joſ. v. Frieſe, „wollte Joſephus
feine Nation in den Augen der Völker, für die
er ſchrieb, in einem lichten Glanze zeigen; und
*
als ein kluger feiner Welt- und Menſchenkenner
ſtellte er alles Wundervolle der Theokratie in
— eine milde Daͤmmerung; in der allein glaubte
er, daß Profane es faſſen und ertragen moͤch⸗
7 en N
ten: ſprach daher von den groͤßten Vorzuͤgen
ſeiner Nation mit einer ſolchen Beſcheidenheit,
mit der er als Jude, Prieſter und Phariſaͤer,
ſonſt nicht hätte ſprechen dürfen.“ —
Joſephüs. 95
II Voll. — Flau. Iofephi opera omnia, ed.
a Hauercamp. Amſtel. 1726. II
15 fol. und Fl. loſephi opp. omnia, grae-
ce et latine excuſa ad editionem Lug . Bat,
Havercampii cum Oxonienſi Jo. Hudfoni
collatam, curauit Franc. Oberthür. Lipf.
1782. 83. und 85. 3 Tom. gr. 8. (die letztere
Ausgabe iſt zwar in fo fern vollendet, daß die
ſaͤmmtlichen Werke des Joſeph. nebſt einer la⸗
teiniſchen Ueberſetzung in ihnen enthalten ſind; es
fehlt abe. noch der verſprochene apparatus Fla-
vianus.) — Flavius Joſephus vom jüdifchen
Kriege. Ueberſetzt von J. B. Frieſe, und mit
einer Vorrede verſehen von Oberthuͤr, 1—3.
Buch. Er ſter Theil. Altona 1804. LXIV. u.
424 ©. gr. 8. — Chrellomathia Flauiane ſ.
loci iiluſtres ex Flauio loſepho collecti et
animaduerff. illuſtrati a Io. Gerh. Trende-
lenburg. Lipf. 1789. 8 5).
Um einige Beiſpiele zu geben, wie Joſephus
die Geſchichte des A. T., in wie fern ſie hier
in Betrachtung kommt, behandelt, ſey es mir
erlaubt, hier noch folgendes herzuſetzen:
„Gott bildete den M enſchen aus Erde, x
% e vnney ccονοο He.. PV nv.“ Ar-
wart, 1. B. 1. K. p. 10. ed. Oberth.
Sen
5 Die obſſ. in N. T. e Flau. 1 von
Krebs (Lipl, 1755.) find blos philologiſchen
Inhalts.
96 Joſephus.
„Da aber zu jener Zeit“ (vor dem Falle)
„alle Thiere ſprechen konnten; ſo uͤberredete die
Schlange, die freundſchaftlich mit Adam und
Eva lebte, ihnen ihre Gluͤckſeligkeit beneidete,
und hoffte, daß ſie, wenn ſie das Gebot uͤber⸗
traͤten, ungluͤcklich werden wuͤrden, das Weib
von dem Baum des Erkenntniſſes zu eſſen.“
Ebend. p. 15.
Daß die erſten Menſchen unſterblich ge⸗
ſchaffen worden wären, ſcheint Joſephus nicht
gemeint zu haben, denn er läßt Gott, da ſie dies
ſerwegen des Eſſens von dem verbotenen Bau⸗
me zur Rede ſtellt, ſagen: „ich hatte befchlofs
ſen, daß ihr ein gluͤckliches und von allen Ue⸗
beln freies Leben fuͤhren ſolltet, ohne Arbeit und
Sorge und Muͤhe, wodurch das Alter fruͤ—
her herbeigeführt, und euer Lben ver
kuͤrzt wurde.” Ebend. p. 15.
Die Kinder Gottes, Geneſ. 6, 2. erkläre
mit den Alexandrinern durch aryıyeAos Saov, u-
vagı gumpryevres, Ebend. p. 24. — Von
Henoch ſagt er p. 27: Avexmgoe meos W
Deiov, 6Iev obde TeAeurny aUrTev eg Oo
(namlich in die Geſchlechtsregiſter).
§. 22.
d) P h i lo.
Philo, ums Jahr 20 oder 25 vor Chriſti
Geburt, zu Alexandrien aus prieſterlichem Ge⸗
' ſchlechte
Philo. N 97
ſchlechte geboren, wurde der berühmteſte Phi⸗
loſopb der jüdifchen Nation in altern und ſpaͤ⸗
tern Zeiten. Das Schickſal gab ihm reiche und
angeſehene Aeltern, und ließ ihn an einem Orte
geboren werden, der damals der Sitz der
Philoſophie und der Literatur uͤberhaupt war;
einem Orte, wo die Juden in ſehr gluͤcklichen
Verhaͤltniſſen lebten, und an den griechiſchen
Wiſſenſchaften eifrig theilnahmen.
Schon in fruͤhern Zeiten war griechiſche
Religion und Philoſophie in Aegypten eingedrun⸗
gen, die aber durch den Parſismus, den Camby⸗
ſes zugleich mit ſeinen Waffen nach Aegypten trug,
vermiſcht wurde ). Als aber ſpaͤterhin unter
der milden Herrſchaft der Lagiden griechiſche Sit⸗
ten, griechiſche Kuͤnſte und Literatur in Aegyp⸗
ten, und beſonders in Alexandrien empor bluͤ⸗
beten; ſo bekam griechiſche Religionsphiloſophie
bei weitem die Oberhand uͤber die aͤltere aͤgyp⸗
tiſch⸗perſiſche Lehre. Beſonders waren es Py⸗
thagoras und Plato, die, jener durch ſeine
Strenge, dieſer durch ſeine phantaſieenreiche
Contemplation dem Geiſte der Aegypter am mei⸗
ſten zuſagten, und deren Lehrſaͤtze von ihnen vor⸗
zuͤglich ausgebildet, oder vielmehr nach und
nach verbildet wurden. Die Juden, welche auf
dieſen Boden verpflanzt wurden, nahmen fruͤh⸗
zei⸗
*) S. Horn in der bibl. Gnoſis, S. 236-316,
N 6
08 Pyhilo.
zeitig Theil an der griechiſch⸗ aͤgyptiſchen Kultur;
ihr Geiſt ſchmiegte ſich dem neuen Lande, den
neuen Sitten und Meinungen an, und ſie neigten
ſich endlich hin zu einer gemafigten Aſceſe und
ſtiller Contemplation. Die Geſchichte und die
Einrichtungen, die in ihren heiligen Schriften
gelehrt wurden, ſuchten fie dem Zeitgeiſt und
der Philoſophie anzupaſſen, und legten daher
durch die allegoriſche Auslegung und Erklaͤrung
der Geſchichte und den Einrichtungen des A. T.
einen andern, philoſophiſchern Sinn unter. Es
bildeten ſich unter den alexandriniſchen Juden
zwei -Claſſen, von denen eine das Judenthum
und die moſaiſche Verfaſſung ganz vernachlaͤßig⸗
te; die andere aber aͤußerlich ſtrenger an ihren
alten religioͤſen Einrichtungen feſthielt, und ihre
philoſophiſchen Einſichten vor dem großen Hau⸗
fen verbarg. Zu dieſen gehoͤrte auch Philo; ein
eifriger Verehrer der platoniſchen Philo ſophie und
einer gemaͤßigten Aſceſe und Contemplation. Er
hat viele Schriften hinterlaſſen, von denen nur
zwei hiſtoriſchen die übrigen aber philoſophiſch⸗
religioͤſen Inhalts ſind, und entweder morali⸗
ſche Themata abhandeln (z. B. uͤber de wahre
Freiheit des Tugendhaften, uͤber das contempla⸗
tive Leben ꝛc.), oder ſich uͤber die Geſchichte des
A. T. und dogmatiſche Materien verbreiten, z. B.
das Leben Moſis, Abrahms ꝛc. über die Weltſchoͤ s
pfung ꝛc. Dieſe Schriften ſchrieb er nicht fuͤr
den großen Haufen, ſondern fuͤr die Gebildeten
und Eingeweihten. . 4
Bei
4 Philo. 99
Bei dem Gebrauch dieſes Schriftſtellers
zur hiſtoriſch⸗dogmatiſchen Auslegung des .
hat man daher nie zu vergeſſen, daß er Philo⸗
ſoph war, und daß in ſeinem Syſtem die py⸗
thagoraͤiſch⸗platoniſche Philoſophie vorherrſcht; daß
aber dieſe mit der juͤdiſchen Religionsphiloſo⸗
phie und dem Parſismus tingirt iſt. Man muß
ihn daher mit Vorſicht gebrauchen, und kann
ſich nicht unbedingt auf ihn berufen, um die
Theologie der Palaͤſtinenſiſchen Juden zu belegen,
da dieſe ſich weſentlich von ihm unterſcheiden.
Man darf nur ſeine dogmatiſchen Satze z. B.
uͤber den Meſſias und uͤber die Daͤmonen mit denen
der Palsſtinenſer vergleichen. Er laͤugnet das Da⸗
ſein boͤſer Geiſter und Daͤmonen und ſcteint ſelbſt
die Engel nur da zu erwähnen, wo ſie in der
heil. Schrift des A T. genannt werden. We⸗
nigſtens behauptet dieſes Stahl Seite 8 57.
Die Auferſtehung kennt er gar nicht, und
mußte ſie verwerfen, da er den Leib fuͤr die
Quelle der Suͤnde, und fuͤr den Kerker der
Seele erklärte; und das Meſſias reich beſchreibt
er als eine ploͤtzliche allgemeine moraliſche Beſſe⸗
rung der Juden, verbunden mit einer Ruͤckkehr
nach Palaͤſtina, und einer Herrſchaft dieſes Volks
über andre Nationen vermoͤge ihrer Ueberlegen⸗
heit in ſittlicher Vollkommenheit. Wie ganz an⸗
ders erklaͤren ſich die Palaͤſtinenſer uͤber dieſe
Punkte? — Ferner traͤgt er haͤufig in das
A. T. einen philoſophiſchen Sinn hinein, und
verſteht z. B. unter der Schlange welche die er⸗
G 2 ſten
100 Philo.
ſten Menſchen zur Suͤnde verleitete, die Wol⸗
luſt, unter dem Manne den Verſtand, und
unter dem Weibe die Sinne, bei denen ſich die
Wolluſt einſchmeichelt, und dadurch den Ver⸗
ſtand betruͤgt und zum Boͤſen verleitet“). Dieſe
philoſophirende Auslegungzart **) darf man nun
nicht unbeſtimmt auf alle Juden und namentlich
auf die Palaͤſtinenſer übertragen, und meinen,
daß auch die Verfaſſer des N. T. wenn ſie die⸗
ſe oder aͤhnliche Begebenheiten erwaͤhnen, ſich
gleiche Erklaͤrungen dabei gedacht haͤtten. Denn
ob es gleich gewiß iſt, daß auch die Palaͤſti⸗
nenſer allegoriſch erklaͤrten; ſo weichen ſie doch
darin weſentlich vom Philo ab, daß ſie nicht
ſowohl über die Geſchichte, als vielmehr über
das Ceremonialgeſetz und die gottesdienſtlichen
Einrichtungen allegoriſiren, und in dieſen einen
geheimen Sinn, geheime Bezeichnung verborge⸗
ner dogmatiſcher Saͤtze, nicht aber philoſophi⸗
ſcher Ideen ſuchen. Dieſes zeigt die Art und
Weiſe, wie Joſephus, der Phariſaͤer, die
Geſchichte des A. T. behandelt. Er laͤßt naͤm⸗
lich
99 S. das Buch de allegor, II. p. 1100, ed.
. Mang. a | i
3 7
**) Als Beiſpiel vergl. man den Aufſatz: Phi⸗
lo des jübiſchen Weltweiſen Commentar uber
die moſ. Erzaͤhling von den Rieſen vor der
Suͤndfluth; in den Beiträgen zur Beford, d.
‚vorm Denk. stes Heft. S. 106 ff. a
|
Philo. 107
lich die Fakta ganz ſo ſtehen, wie ſie im A. T.
ſind, und erlaubt ſich nur bisweilen einiges zur Er⸗
laͤuterung hinzuzuſetzen und zu pragmatiſiren. Hin⸗
gegen allegoriſirt er uͤber die gottesdienſtlichen Ein⸗
richtungen und legt dieſen oͤfters eine beſondere Be⸗
deutung bei; wie er z. B. Archaͤologie 3. B. 8. K.)
den Schmuck des Hohenprieſters eben ſo deutet, wie
der Verfaſſer des Buchs der Weisheit K. 18,
24. der Verfaſſer des 4. Buchs der Makkabäer
7, 11. und Philo ).
Vorzuͤglich wichtig iſt in neuern Zeiten
Philo zur Erklaͤrung der Johanneiſchen Schriſten,
beſonders des Evangeliums geworden, da man
den Johanneiſchen Logos nicht nur aus ihm vor⸗
zuͤglich erlaͤuterte, ſondern auch noch mehrere
Spuren feines Syſtems im Johannes finden wolß
n
i Die
*) „Des Oberprieſters Gewand bedeutet die Ers
de, ſagt Joſeph. in der angef. Stelle, in ſo
fern es von Flachs (einem Erdgewaͤchs) bereitet
iſt; die hyacinthne Farbe bedeutet den Himmel,
die Granataͤpfel die Blitze, das Schellengeläute
den Donner.“
) Vergl. Heinr. Chriſtian Ballenſtedt,
Philo und Johannes, oder neue philoſophiſch⸗
kritiſche Unterſuchung, des Logos beim Johannes
G nach dem Philo, nebſt einer Erklaͤrung und
Ueberſetzung des erſten Briefs Johannes aus
der geweihten Sprache der Hierophanten. Braun⸗
ſchweig 1802, 8.
102 Philo.
Die Hauptausgabe feiner Werke iſt: Phi-
lonis opera, quae reperiri potuerunt, omnia
cum notis et obferuat. edidit Thom. Man-
gey. 1742. II. Vol. Fol. Eine Handausgabe
iſt die von Aug. Fr. Pfeifer, Erlang. 1785
ff. 4 B. 8. (noch nicht vollendet.) Außerdem
Vergl. I. Chr. Guil. Dahl, chreſtoma-
thia Philoniana ſ. loci illuſtres ex Philone
Alex. decerpti. Hamb. 1800. 2. B. 8. der
2. B. vorzuͤglich enthaͤlt meiſtens Stellen theo⸗
logiſchen Inhalts. Eine ſehr brauchbare Dar.
ſtellung des Lehrbegriffs Philo's hat geliefert C.
H. Stahl: Verſuch eines ſyſtematiſchen Ent⸗
wurfs des Lehrbegriffs Philo's von Alexandrien;
in Eichhorns Bibl. 4. B. 5. St. S. 771 - 890.
womit eine aͤltere Disp. von Car. Frider.
Lohdius, (diſſ. de modo, ſummam religio-
nis chriſtianae ante Chriſtum tradendi, eius-
que vefligiis in Philone Iudaeo, Lipſ. 1774.
4.) zu vergleichen iſt. — Ueber Philo und fein
Stan |. Io. Alb. Fabricius, diſſ. de Pla-
tonismo Philonis, Lipf. 1693. 4. und wieder
abgedr. in ſ. Sylloge diſſertatt. p. 150. Cud-
worth, ſyſtema intellectuale, ed. Mos heim,
Vol. I. p. 826. Tiedemann Geiſt der fpe>
kulat. Philoſophie, 3. Thl. S. 128. Beitraͤge
zur Befoͤrd. des vernuͤnft. Denk. 16. Heft. S.
168 ff. Brucke r hifl philof. Tr pag.
684 ſqq. Ballenſtedt a. a. O. Horn uͤber
d. bibl Gnoſis S. 363 ff *). 9 23.
*) Die obfl. ad N. T. e Philone Alex. v. Lö s-
ner
ö
Die alexandr. Ueberſ. des A. T. 103
§. 23.
| e) Die . Ueberſetzung des
a A. T.
—
Ferner verdient hier auch die griechiſche
Ueberſetzung, des A. T., die zu Alexandrien ge—
macht wurde, einer Erwaͤhnung, da die Ueber—
ſetzer es ſich bisweilen erlaubten, in den Hebraͤi⸗
ſchen Text ihre ſpaͤtern Meinungen, entweder aus
Unwiſſenheit, oder um ſie durch das Anſehen des
A. T. zu ſtuͤtzen, hineinzutragen. Man kann
dieſe Stellen dazu benutzen, um zu zeigen, wie
frühe ſich ſchon gewiſſe Meinungen, die den In-
halt der ſpaͤtern juͤdiſchen Tradition aus machten,
bei den Juden bildeten, da es gewiß iſt, daß
dieſe Ueberſetzung wenigſtens der größte Theil der>
ſelben zweihundert Jahre vor Chriſto gemacht
worden iſt . Denn das A. T. wurde nicht
auf einmal, ſondern nur nach und nach, und
von verſchiedenen Verfaſſern uͤberſetzt; die wich⸗
tigſten Stücke zuerſt; die ſogenannten c
aber gewiß zuletzt **).
Stellen dieſer Art, die ſie nach der juͤdi⸗
ſchen Tradition erklaͤrten, find z. B. 5 Mof.
33, 2. wo fie die Worte: JOH MIUN WW
„zu ſeiner Rechten war die Feuerſaͤule zu ihrem
Schutz“
ner (Leipz. 1777. 8.) ſind bloß philologiſchen
Inhalts.
) S. Eichhorns Einleit, ins A. T. ıfter Theil,
164.
H. 1
* S. Eichhorn a, a. O. e. 319 f.
8 \
104 Die alexandr. Ueberſ. des A. T.
Schutz“ uͤberſetzen: Fu dec cure N
per’ aurov, weil nach der ſpaͤtern juͤdiſchen
Lehre das Geſetz durch Engel gegeben worden
war. Siehe Hebr. 2, 2. wo der Verfaſſer die⸗
ſelbe Lehre bei ſeinen Leſern vorausſetzt. Vergl.
Apoſtelg. 7, 38. Galat. 3, 19. — 5 Mof.
32, g., wo geſagt wird, Gott habe die Graͤn⸗
zen der Voͤlker feſtgeſetzt N fen dn,
nach der Zahl der iſraelitiſchen Staͤmme, uͤber⸗
ſetzen fie xara N aryyeruy You; denn
ſpaͤterhin glaubten die Juden, daß jedes Volk feinen
Schutzengel habe, und daß Gott die Anzahl der
Voͤlker nach der Anzahl der Engel beſtimmt habe *).
— Geneſ. 6, 2. wo fie e, welche ſich
mit menſchlichen Weibern vermiſcht hatten, & e
Heov uͤberſetzen, weil nach der fpatern Tradition eben
darin der Fall der guten Engel beſtanden habe.
Vergl. Tob. 6, 14. Daß aber dieſes die rechte
Lesart ſey, und nicht vios Tov Jeov, hat Keil
a. a. O. Comm. V. p. 12. hinlaͤnglich erwie⸗
fen, und auch Joſephus (Archaͤolog. 3. Bd.
3. Kap.) nennt hier dryyerous Deo, — Da⸗
hin gehoͤrt auch Jeſ. 9, 6. der Name des Meſ⸗
8 ſias, e, BovAns ayyedos, und daß ſie
die hebraͤiſchen Worte DVS und dy durch
! 7 | Seal ac li |
) S. Lightfoot. hor. hebr. et talmud, be!
Luk. 3, 39. und Keil de doctoribus vet. ec-
clef. culpa corruptae per platon. ſent. theol.
liberandis Comment: I. p. 43 ſpꝗ ·
Das neue Teſtament. 105
done uͤberſetzen, weil fie glaubten, die Daͤmo⸗
nen hielten ſich vorzuͤglich an wuͤſten und ver⸗
fallenen Orten auf.
Auf aͤhnliche Spuren einer ſpaͤtern Reli⸗
gionsphiloſophie in den LXX machte ſchon J.
D. Michaelis aufmerkſam in einer Abhandl.
dit. de indiciis philoſophiae gnoſticae tem-
pore LXX. In dem Syntagma Commentatt.
Goetting. 1767. Pars II. No. 13. pag. 249.
Beiſpiele aus dieſer Abhandl hat Horn, uͤber
die bibl. Gnoſis S. 68 ff. angefuͤhrt. Dagegen
ſ. Erneſti's exeget. Bibl. 8. Bd.
9. 328: N
f) Das neue Teſtament.
Auch das N. T. liefert uns einen nicht
unbedeutenden Beitrag zur juͤdiſchen Theologie
und orientaliſchen Religionsphiloſophie uͤberhaupt.
Denn nicht nur wird auf die Religionsſaͤtze der
damaligen Juden haͤufig Ruͤckſicht genommen,
und dieſe oͤfters berichtiget und verbeſſert; ſon⸗
dern es werden die Juden auch oͤfters redend
eingeführt, oder ihre Meinungen ausdruͤcklich an⸗
gegeben. Man wuͤrde aber willkuͤhrlich und falſch
verfahren, wenn man das N. T. uͤberhaupt, be⸗
ſonders aber die Ausſpruͤche Jeſu und der Apo⸗
ſtel, in eben dieſe Klaſſe von Stellen werfen, und
als Erkenntnißquelle der juͤdiſchen Theologie über:
haupt brauchen wollte; da auf der einen Seite
* Jeſus
106 Das neue Teſtament.
Jeſus und die Apoſtel haͤufig von den Meinun⸗
gen der Juden abgehen, auf der andern Seite
aber eben das N. T. aus der juͤdiſchen Theolo⸗
gie erſt erklärt werden ſoll. So berichtiget z.
B. Jeſus Matth 5, 20. die Meinung der Su:
den, daß ſie ſchon als Juden und Nachkommen
Abrahams Antheil an der Seligkeit des Meſſias⸗
reichs haben muͤßten, und verſichert ſeinen Juͤn⸗
gern, daß ſie nur durch ein beſſeres morali⸗
ſches Verhalten, als das der Phariſaͤer ſey,
dieſe Gluͤckſeligkeit erlangen wuͤrden. — Eben
ſo benimmt er feinen Juͤngern Matth. 171 10.
die Meinung, daß der Prophet Elias vor der
Erſcheinung des Meſſias, wieder kommen wer—
de, und deutet dieſe Erwartung der Juden auf
den Taͤufer Johannes; und widerſpricht Joh.
9, 2. 3. der juͤdiſchen Meinung, daß koͤrper⸗
liche Gebrechen beſondere Strafen Gottes ſeyen,
die entweder der Leidende ſelbſt, oder feine Ael—
tern verſchuldet haͤtten.
Der Gebrauch des N. T, als Erkennt⸗
; nißquelle der juͤdiſchen Theologie, iſt alſo einzuſchraͤn,
ken, und zwar vorzüglich auf folgende Punkte:
daß man erſtlich diejenigen Stellen gebrauche,
wo Juden ſelbſt redend eingefuͤhrt, und ihre
Meinungen erwaͤhnt werden. Dieſes iſt beſonders
in den vier Evangelien haͤufig der Fall. So
werden z. B. ihre Aeußerungen uber den Meſſias
und deſſen Reich Matth. 11, 14. K. 2, 5.
K. VE, 13% ff. K. EZ 10, , K.
20,
Das neue Teſtament. 107
20, 21. K. 22, 42. Joh. 1,21. 50. K. 4, 25.
K. 7, 26 f. 41 f. u. ſ. w., die Meinungen der
Phariſaer und Sadducaͤer Matth. 22, 23. Apſt.
23, 6 ff. ꝛc., die Aeußerungen der Juden uͤber
die Daͤmonen, z. B. Matth. 10, 34. K. 12,
43 ff. (denn in der letztern Stelle ſpricht Jeſus
im Sinne der Juden) angefuͤhrt.
Zweitens ſind die Stellen zur Erkennt⸗
niß der juͤdiſchen Theologie zu brauchen, wo Je⸗
ſus mit Individuen aus dem gemeinen Volke re⸗
det, und auf ihre Meinungen Ruͤckſicht nimmt. —
Dahin gehoͤrt z. B. wenn er Matth. 8, 11. 12.
ſagt: „viele werden vom Aufgang und Unter⸗
gang kommen, und mit Abraham, Iſaak und
Jakob zur Tafel ſeyn (avandrdnrovrai) im
Meſſiasreich; die aber, denen das Reich beſtimmt
iſt, werden hinausgeſtoßen werden in die tiefſte
Finſterniß, wo Heulen und Zahnklappen herrſcht.“
Die ganze Stelle gehört zu denen, wo Jeſus im
Geiſte der Juden ſpricht; daher er hier das
große Gaſtmahl im Reiche des Meſſias erwahnt,
und das bei Tiſche liegen mit Abraham Iſaak
und Jakob, als das Symbol der hoͤchſten Ehre
und Gluͤckſeligkeit. Was er aber eigentlich mit
dieſen Worten gemeint habe, ſieht man leicht
ein; nämlich, daß nicht die Juden ſondern
andre Voͤlker der Wohlthaten, die durch ihn ge⸗
geben werden ſollten, heilpaft werden würden,
Dahin gehoͤrt auch, daß Jeſus Matth. 9,
2 — 5. den Ausdruck: dir find deine Suͤn⸗
e den
108 Das neue Teſtament.
den vergeben“ ſo braucht, daß er heißt: „du
ſollſt geheilt werden,“ und dadurch auf die be⸗
kannte Meinung der Juden Ruͤckſicht nimmt,
nach der fir jedes koͤrperliche Gebrechen als Strafe
betrachteten. Denn er ſpricht hier vor dem gro⸗
ßen Haufen, und nach deſſen Sprachgebrauche.
Drittens ſind auch die Stellen zu brau⸗
chen, wo die Apoſtel vor ihrer voͤlligen Beleh⸗
rung, beſonders vor der Ausgießung des hei⸗
ligen Geiſtes (Joh. 14, 16. 16, 7. 13.) ſprechen,
weil es ihnen ſehr ſchwer wurde, ſich von
ihren alten Meinungen zu trennen, und Jeſus
ihrer Schwaͤche ſchonte (Joh. 16, 12.). Da⸗
her auch die Stellen zu brauchen ſind, wo
Jeſus ſeine Juͤnger, beſonders im Anfange, lehrt,
und ihre juͤdiſchen Meinungen noch ſchont, und
nur mit Vorſicht berichtiget. — So aͤußern
auch die Schuͤler Jeſu Joh. 9, 2. die Meinung,
daß Gebrechliche ſelbſt, oder deren Aeltern ges
ſuͤndiget haben müßten; daß (Matth. 17, 10.)
Elias vor der Ankunft des Meſſias erſcheinen
ſolle; und daß ſie Luk. 24, 21.) einen weltli⸗
chen Retter Iſraels erwartet hätten. — So
nimmt Jeſus beſonders zu Anfange ſeines Lehr⸗
amts haͤufig auf die Meinungen feiner Schüler
Ruͤckſicht, und ſpricht gleichſam aus ihrer See⸗
le; wie z. B. wenn er Matth. 15, 24. ſagt;
„er ſey nur für die Israeliten als Meſſias er⸗
ſchienen?“ dieſe Meinung aber (v. „27. 28)
durch die That widerlegt; wenn er Matth. 13,
50.
| 3, 19.
Das neue Teſtament. 109
50. von einem feurigen Ofen als Strafort ſpricht;
wenn er Matth. 19, 27 f. auf die Frage der
Juͤnger: welche Belohnungen er ihnen, fuͤr
ihre Aufopferungen, als Meſſias ertbeilen wuͤr⸗
de, antwortet, daß ſie dereinſt, wenn er in
feinem Reiche berrſchen würde, auf zwölf Thronen
figen, und die zwölf Stämme Iſraels beherr⸗
ſchen (denn fo iſt ee hier zu überfegen) folls‘ -
ten; womit er blos ſo viel ſagen will: ihr
ſollt reichlich belohnt werden. Dieſes ſieht man
aus v. 30. K. 20, 26 - 29. und K. 21, 31.
wo er ihnen alle Hoffnung aͤußerlicher Vorzuͤge
in ſeinem Reiche benimmt. ö
Endlich kommen hier auch die Stellen
der apoſtoliſchen Briefe in Betrachtung, wo fie
mit Juden, oder Chriſten, die aus dem Juden⸗
thum übergetreten find, ſprechen, und deren
Meinungen zu Grunde legen, um irgend eine
ihrer Lehren daran anzuknuͤpfen, oder daraus
zu erlaͤutern. Dahin gehöre vorzüglich der Brief
an die Hebraͤer und mehrere Stellen der Pau⸗
liniſchen Briefe. z. B. Hebr. 2, 2. Galat.
Was die Apokalypſe anlangt; ſo habe
ich dieſe hier mit Fleiß noch nicht genannt, weil
die Streitigkeiten uͤber ihre Aechtheit ſo wohl
als uͤber ihre Auslegung, namentlich ob ſie
blos als Dichtergemaͤhlde oder im chiliaſtiſchen
Sinne auszulegen fen, noch nicht beigelegt find. —
Wer
110, Die Targumim.
Wer das letztere annimmt, kann Pe ganz als
eine vorzügliche Quelle der im zweiten Jahrhun⸗
dert vorhandenen meſſianiſchen Erwartungen ge⸗
brauchen. 198 ö
H. 25. |
g) Die chaldäiſchen Paräphrafen des A. T.
Auch die chaldaͤiſchen Paraphraſen des A.
T. oder die Targumim (DIN, interpretatio
paraphrafis) find für die Kenntniß der juͤdiſchen
Theologie, beſonders der ſpaͤtern Tradition von
Nußen, ohnerachtet fie meiſtens jung, und
mit ſpaͤteren Zuſaͤzen interpolirt ſind.
Alle chaldaͤiſche Ueberſetzungen und Para⸗
phrafen des A. T. führen bei den Juden den ge:
meinſchaftlichen Namen: Targum. Es erſtreckt
ſich aber keine derſelben uͤber das ganze A. T.,
ſondern nur uͤber einige Buͤcher derſelben. Die
beiden aͤlteſten, von Onkelos und Jonathan, er⸗
ſtrecken ſich nur uͤber den Pentateuch und die
Propheten; die uͤbrigen altteſtamentlichen Schrif⸗
ten aber find nach und nach und fpaterhin uͤber⸗
ſetzt worden. Sie ſind von ungleichem Werthe
für den hiſtoriſchdogmatiſchen Exegeten, und
dieſer hat die altern Targumim jederzeit den juͤn⸗
gern, die weniger durch rabbiniſche Maͤhrchen
entſtellten, den fabelhaftern vorzuziehen. Zu
jenen gehoͤren vorzuͤglich der Targum des Onkelos
und des Jonathans; zu dieſen die uͤbrigen, naͤm⸗
lich
Die Targumim. | 111
lich der Targum des Pſeudo Jonathon über den
Pentateuch, der erſt nach dem 6. Jahrh. ge⸗
ſammelt iſt, und voll rabbiniſcher Maͤhrchen
wimmelt *); der Targum von Jeruſalem über
den Pentateuch, von gleichem Gehalte und noch
tieferer Jugend **); die Targumim über die Ha⸗
giographa, die Joſeph zugeſchrieben werden,
aber von mehrern Verfaſſern geſammelt, und
von ungleichem Werthe und Brauchbarkeit find (die
ſchlechteſten find die über die fünf Megilloth) ) z.
Targumim uͤber das Buch Eſther (in der Antwerp.
und Londner Polygl.), uͤber die Buͤcher der
Chronik, die ſehr jung iſt **), und endlich ein
Targum uͤher die apokryphiſthen Stuͤcke in Eſther,
der in der roͤmiſchen Ausgabe der LXX Doll⸗
1 vom Daniel ſteht ee),
Der
*) Kam heraus mit Onkelos. Venedig 1591. 4.
Hannov, 1614. 8. Amſterd. 1640. 4. Prag
1646. 8. und ſteht auch in der Londner Pos
lyglotte. 8
*) Herausgegeb. in den biblieis 1 18 Ve-
net. 1518. und in den bibl. rabb. R. Iacob.
Ben. Chajim Venet. 1526. und in d. Lond⸗
ner Polygl.
da) Herausgeg. zu Vened. 1518.
en) paraphraſis chald. libri Chronicorum cura
Matth. Frid. Beckii T. I. Aug. Vindel.
1680. T. II. 1683. 4. vol ſtändiger in der Am⸗
ſterdamer Ausgabe: paraphraſis chald. in li-
brum priorem et pofterior, Chronic. ed, Dau.
Wilkius. Amſtel. 1715. 4.
Waere Daniel lecundum LXX, ex tetrsplis Ori-
ginis nune Fiat editus, . Rom. 1772. ‚fol,
112 Die Targumim.
Der Targum des Onkelos uͤber den Pen⸗
tateuch, und der des Jonathans uͤber die Pro⸗
phbeten muͤſſen alſo in vorzuͤgliche Betrachtung
gezogen werden. 8
Onkelos, uͤber deſſen Zeitalter die Juden
ſehr widerſprechende Nachrichten haben *), und
den Wolf *) für einen Zeitgenoſſen Jeſu, Eich⸗
horn aber ***) für betraͤchtlich jünger halt, war
ein babyloniſcher Jude, deſſen chaldaͤiſche Ueber⸗
ſetzung des A. T. dem hebraiſchen Texte am ge⸗
naueſten folgt, die wenigſten Fabeln einmiſcht,
und nur hie und da aus ſpaͤtern Targumim in⸗
terpolirt iſt. Seine Paraphraſe iſt oͤfters ge⸗
druckt worden und ſteht in der komplutenſiſchen,
Antwerpner und Londner Polyglotte, ſo wie in
den bibliis rabbinicis, Venet. 1518.
Jonathan, uͤber deſſen Leben die Rabbinen
viele Fabeln haben, bluͤhte nach Wolf *) wahr⸗
ſcheinlich zu Chriſti Zeit, nach Eichhorn *
aber geraume Zeit nach Chriſto. „Denn,“ ſagt
der letztere, „ſeine Ueberſetzung iſt das Werk
eines Palaͤſtinenſiſchen Juden: wie konnte ſie
den Kirchenvaͤtern unbekannt bleiben, wenn fie
5 i i alter
2 ſ. Wolfii 19 5 ar Vol. II. p. 1148.
**) d. d. O. S.
uk) In der Einl. 15 A. T. 1. Th. §. 221 ff.
»***) bibl. hebr. T. II. p. 1160.
re Einl., ins A. T. 1. Th. 227, b
Die Targumim. 5 0 113
älter als Chriſti Geburt war? Sodann iſt
ſie auch voll ſolcher Fabeln, die erſt ſpaͤterhin
in Palaſtina in Umlauf kamen. Endlich ſucht
fie den Meſſias aus den Stellen weg zu übers
ſetzen, welche die Chriſten von ihm auslegten
(als Jeſ. LIII LAIII. 19, ein offendarer Bes
weis, daß der Ueberſetzer zu einer Zeit lebte,
da die Polemik der Chriſten mit den Juden ſchon
im Gange war“. Der Targum über den Pen,
tateuch, der erſt nach dem 6. Jahrg. zuſam⸗
mengeſchrieben if}, und über die Hagiographa,
die dieſem Jonathan beigelegt werden, ſind nicht
von ihm. Sein Targum ſteht in den genann⸗
ten Polpglotten und in der bibl. rabb. (Vened.
1 51 8). |
Außer den Spuren der ſpaͤtern juͤdiſchen
Traditionen, die man in dieſen Schriften, be⸗
ſonders in den ſpaͤtern Targumim findet, ſind
dieſe Paraphraſen dadurch vorzuͤglich merkwuͤrdig
geworden, daß fie finnliche Ausdruͤcke von Gott,
die haufig im A. T. vorkommen, mit unfiguͤrlichen
vertauſchen das Subjekt umſchreiben, und oͤſters
die Form Name, Wort, eines Dinges
(Nd für das Subjekt ſelbſt ſetzen. Bes
ſonders umſchreiben fie den Namen Gottes MM.
haufig durch n Nod. Wort Jehovas,
Onkelos auch durch WI Nepp Pracht, Ma⸗
jeſtaͤt Gottes, und IM ND. Majeſtaͤt
(Schechina) Gottes. Ob es nun gleich ſcheint,
als wenn dieſes eine bloße grammatiſche Figur
ſey/
i14 Die Targumim.
1
ſey, indem auch ein dW Davids, der Ruth ır.
erwaͤhnt wird; ſo hat man doch hier die Lehre
vom Nelſes, oder dem ſubſtanziellen Worte Got:
tes zu finden gemeint, und die Paraphbraſen bei
Erlaͤuterung jener Lehre genutzt. Und es ſcheint
auch allerdings, daß fie jenen Ausdruck nicht
blos als Redefigur gebraucht haben *).
Bei dem Gebrauch derſelben zur hiſtoriſch-dog⸗
matiſchen Auslegung hat man vorzüglich darauf zu
ſehen, daß man die ſpaͤtern Targumim mit Vorſicht
brauche, ihr Alter erſt unterſuche, und bei ihnen,
ſo wie bei den aͤltern Targumim ſich hüte, die ſpaͤ⸗
ten Interpolationen der Rabbinen, und deren
oft laͤppiſche und kindiſche Traditionen nicht ſo⸗
fort als Meinungen der altern Zeit zu betrach⸗
ten. Onkelos und Jonathan find zwar vorzüglich
wichtig, aber auch die ſpaͤtern Targumim, wie
den des Pſeudojonathan und den Jeruſalemita⸗
niſchen und andere kann man benutzen, weil fie
aus aͤltern und juͤngern Arbeiten zufammende>
ſchrieben ſind, und alſo auch fuͤr die Tradition
fruͤherer Zeiten gebraucht werden konnen.
27
Als
*) Ueber den darüber geführten Streit verglei be
Wolfs biblioth. hebr. Vol. II. p. 1186 ff.
7 Joh. Buxterf Lex. Chold. Kah-
bin. p. 128 Georg Frid. Richter dill,
de p N, Cipf. 1770. 4. lob. He hr.
Michaelis Gift. de Fargumim . verſionum
ge paraphtafium V. I. cheldaic. lu. Hal. v
1720. 4. —
}
Die Targumim, 115
Als Probe will ich hier die Zuſaͤtze in den
erſten zwei Kapiteln der Geniſis anfuͤhren, die
ſich in den Targum Peudojonathand (wie er in
der kondner Polyglotte 4. Be ſteht, finden.
J. 16 ff „und Gott machte zwei große Lich⸗
ter, und ſie waren einander ein und zwanzig
Jahre lang on Yichte gleich; — — aber nach⸗
per verlaumdete der Mond die Sonne, und
ward an ſeinem lichte geſchwacht und er, (Gott)
machte die Sonne zum groͤßern Lichte und Her⸗
ren des Tages, den Mond aber zum kleinern,
daß er Herr der Nacht und der Sterne ſey.“ —
Bekanntlich waren die Nele Jahre Monden⸗
jahre (. PM. 104, 19.0, und dieſe Fabel ſoll
wohl erklaren, wie der tond um ſeine Herr⸗
fibaft gekommen ſey. Es liegt dabei die unter
den ſpaͤtern Juden nicht ungewöhnliche Vorſtellung
zu Grunde, daß die Geſtirne Seelen. haben
und Au ſeyen.
a 1 d Gott chuf große
Wallſiſche, den Levigthan und ſein Weibchen,
\anan) D19 e die bereitet ſind
auf den Tag (die Zeit des Troſtes“ (d. i. des
Glucks im Reiche des Meſſias. Denn die Ju⸗
den bofften in Meſſtasreich den Leviathan als ei⸗
nen Leckerbiſſen zu ſpeiſen. Eine ſehr 1 Fa⸗
bel der Rabbinen. Er
% 36: „Und Gott ſprach zu den Engeln, die
ihm dienten, und die am zweiten Schoͤpfungs⸗
5 ee e tage
116 Die Targumim.
tage“) geſchaffen worden waren: laſſet uns
ee bilden“ ꝛc.
V. 27. und er ſchuf ſie ein sräfnfein und
Fräulein: dieſes überſetzt Jonathan: 24
pam dp paz dap „Mann und Weis
ſchuf er in feinem (bes Adams) Koͤrper,“ Dies
ſes bezieht ſich auf den Adam Kadmon der Kab⸗
baliſten, und den Kaimorts Zoroaſters, die
gleichfalls als Urmenſchen und Prototypen des
Menſchengeſchlechts beide Geſchlechter in l ver⸗
8 ri
| Kap. 2, 7. und Elohim Jehova fehuf
den Menſchen in zwei Schoͤpfungen, und nahm
Staub von dem Platze des Tempels und von
den vier Himmelsgegenden der Welt, und miſch⸗
te ihn mit Waſſer aus allen vier Himmelsge⸗
genden, und ſchuf ihn braun, ſchwarz und
weis ꝛc.“ V. 8.,, Und das Wort des Herrn
755) pflanzte aus Eden einen Garten
fuͤr die Gerechten, vor der Schoͤpfung der
Welt. “ — Denn das Paradies, der Tempel
und mehrere Heiligthuͤmer waren, nach der Tra⸗
dition, ſchon vor der Schoͤpfung in einem Urbil⸗
de vorhanden. Vergl. Buch d. Weish. 9, 8
) Nach der Gene ſis parua, einem Pſeudepi⸗
graphen des A. T., wurden die Engel am er⸗
Einige
ſten Tage erſchaffen. S. Fabrice. Cod. Pfeu- Wi
dep. V. T. Tom. I. p. 851.
/ a
4 ] x 1
Die Targumim. 886112
Einige Beiſpiele, die zur Erlaͤuterung des
N. T. angewendet werden koͤnnen, moͤgen hier noch
ihren Platz finden. — Paulus (2 Tim. 3, 8.)
erwähnt die juͤdiſche Tradition, daß Jannes und
Jambres dem Moſes, als er vor Pharao Wun⸗
der that, widerſtanden haͤtten; daſſelbe erzaͤhlt
auch Pſeudojonathan bei 2 Moſ. 1, 15. K. 7,
11. — Der Verfaſſer der Apokalypſe ſpricht
K. 20, 6. 14. von einem zweiten Tode, deſſen
auch Pſeudojonathan bei 5 Moſ. 33, 6. erwahnt;
und ſo wie Apok. 5, 10. die Verehrer des Meſ⸗
ſias Koͤnige und Prieſter genannt werden, ſo
geſchieht dieſes auch bei Jonathan 2 Moſ. 19,
6. — Die Paraphraſe uͤber die Hagiographa
erklaͤrt den Pf. 45. wie der Verfaſſer des Briefs
an die Hebr. K. 1, 8. vom Meſſias. Jonathan
erklart Jeſ. 9, 6. und auch die wichtige Stelle
Sei: 52, 13. ff. vom Meſſias, eben fo wie das
N. T. Jonathan ſagt, die Wunder wuͤrden nicht
zu zahlen ſeyn, die der Meſſias verrichten wuͤr⸗
de; und im N. T. laͤßt Jeſus dem Johannes,
auf ſeine Anfrage: ob er der Meſſias ſey? ant⸗
worten: die Blinden ſehen, die Lahmen gehen ꝛc.
Nach im Jeruſalemiſchen Saen ſchuf die
Nd Geneſ. 1, 27. den Menſchen, und
daſſelbe Wort wird Geneſ. 3, 22. der einge⸗
bohrne genannt: „et dixit verbum domini:
ecce Adam quem creaui, vnigenitus eſt in
mundo ſicut ego vnigenitus fm in coelis
excelfis.“ — 5 Moſ. 32, 39. uͤberſetzt Jona⸗
than:
118 Die Targumim.
than: quando manifeſtabitur verbum Domini,
vt redimat Fonte (vum? — und Gene,
19, 24. demiſſa ſunt ſuper ipſo fulphur et
115 a Verbo Domini de coelo. — Geneſ.
ſtatt: „im Anfang“ hat der Jeruſ. Targ.
800, durch ſeine Weisheit. — Der
Ausspruch Luk. 6, 38. findet ſich auch im Je⸗
ruf. Targ. bei Geneſ. 38, 28. und der Anfang
des „Vater unſer“ ebendaſ. bei 5 Moſ. 32, 6
— Der Targum Idnathans uͤberſetzt Jerem. 37,
‚ zecer dies veniunt, et ſuſcitabo 4200
op WD, Davidi Met am iuflorum ‚et
48 wabit rex et profperabitur etc.“ Der
Targum uͤber die Hagiographa erwaͤhnt bei Hiob
3, 3, die Engel, welche über die Empfaͤngniß,
jedes Menſchen geſetzt ſind. — Mehreres hier⸗
über f bei Barthol. Mayer in philolog. ſa-
cia, F. II. p. 184 ff. bei I. G. Cerpzov in
der eritica Es V. T. p. 5 ff. Br. Wal
ton in den Prolegomenen zur Londner Polyglot⸗
te S. 382 f.
Ueber die Targumim uͤberhaupt finder man
die Schriftſteller angegeben bei e in
der cri ca (acta p. 430. und Wolf in der
bibl. hebr. T. II. p. 1189. womit nach Wal⸗
ton in den Prolegomenen zur Londner Polyglotte
p. 377 ff. Eichborn in der Einleit. ins A. T.
1. Th. §. 213 ff. und Bauer in der Critica
facra p. 288. zu vergleichen ſind. Letzterer lie⸗
ferte eine Chreſtomathie; Chiellomathia e pa-
far 4
=:
Pfeudepigrapha des A. T. 119
raphralibus chaldaicis et Talmude delecta,
notis breuibus et indice verborum difhsilio.
rum illuſtrata. Ed. G. L. Bauer. Norimb.
1792. 360 S. 8.
. 26. 0
59/Die Pſeudepigrapha des A. T.
Ich fuͤhre hier auch die Pſeudepigrapha des
A. T., dei ſolche Schriften, die den Patriarchen
und andern beruͤhmten Vorfahren der juͤdiſchen
Nation untergeſchoben wurden, mit an, ob ſie
gleich nicht alle juͤdiſchen Urſprungs, ſondern zum
Theil auch von Juden Chriſten zuſammengeſchrie⸗
bee worden find. Denn im Ganzen waren ihre
Verfaſſer doch fühle treue Anhaͤnger der jüdis
ſchen Dogmatik nicht nur, ſondern auch der jüs
diſchen Fabeln, und ein Theil von ihnen mag
wohl von Juden Chriſten erdichtet oder wenig⸗
ſtens ſtark interpolirt worden ſeyn, um das Chri⸗
ſtenthum den Juden zu empfehlen. Denn beinas
he uͤberall, wo man die Hand eines Chriſten er⸗
kennen mußte, iſt von dem großen Theiha die
Rede: daß der Meſſias bereits erſchienen, und
daß Jeſus, der Gekreuzigte, der Meſſias gewe⸗
‚fen ſey. Ein Thema, in dem Juden und Chri-
ſten vorzuͤglich von einander abwichen, und in
dem ſich auch in den Pſeudepigraphen der Chriſt
nur von den Juden unterfcheicet. Denn im Ue⸗
brigen wird man wenig finden, was nicht mit den
Grundſaͤtzen der fpatern Juden e uͤber⸗
5 ein⸗
120 Pſeudepigrapha des A. T.
einſtimmte, und ſie beſtaͤtigte. Denn auch in
den Schriften, die man chriſtlichen Verfaſſern
beizulegen geneigt ſeyn moͤchte, wie dem Teſta⸗
mente der zwoͤlf Patriarchen, dem Buch He⸗
noch de. finden ſich is elendeſten acht : jͤdiſchen
Fabeln vorgetragen. Dieſe Schriſten ſind nicht
aus einem Zeitalter und Jahrhundert, ſondern
von verſchiedenen Verfaſſern, an verſchiedenen Or⸗
ten und zu verſchiedenen Zeiten, vorzuͤglich kurz
vor, und in den naͤchſten Jahrhunderten nach
Chriſti Geburt, geſchrieben; alle aber in der Ab⸗
ſicht, um entweder das Judenthum uͤberhaupt zu 1
ſtuͤtzen; oder von der hohen Weisheit der Urva-
ter ein Hauptthema Beweiſe zu geben; oder
die ſpatern juͤdiſchen Dogmen, fo wie die ſpaͤ
tern Traditionen der Juden dadurch, daß man
fie als Lehren der Urvater darſtellte, zu heiligen
und zu bekraͤftigen; oder die Erwartungen des
Meſſiasreichs aufrecht zu erhalten, und die juͤdi⸗
. — EZ te
ſche Nation in ihren Leiden zu troͤſten; oder end⸗
lich (in wie fern Chriſten daran Antheil hatten)
zu zeigen, daß ſchon die Patriarchen und andere
heilige Maͤnner des A. T Jeſu Leiden und Tod
ganz beſtimmt vorhergeſagt hatten, und daß folga⸗
lich Jeſus der Meſſias geweſen ſey.
Ein Theil dieſer Buͤcher iſt offenbar von ö
ziemlich hohem Alter, da nicht nur Joſephus
auf ſie Ruͤckſicht genommen bat, ſondern auch
das N. T. ) wo namentlich (Jud. v. 14.) das
Buch
*) ©. Beitraͤge zur Beſörd. des vern. Denk. 20%
5. Heſt.
Pſeudepigrapha des A. S. ꝛ2
Buch Henoch citirt wird, und es ſich außerdem
nicht erklaͤren lleß, wie die aͤlteſten Kirchenvaͤ⸗
ter, ein Origenes, Tertullian, Clemens ꝛc. fie
fo genau gekannt, und wie einige, namentlich das
Buch Enoch in andern Pſeudepigraphen !) ſchon
angefuͤhrt werden koͤnnte. Dahin gehoͤrt, nach
meiner Auſicht, das ‚Plalterium. Salomonis ge⸗
wiß, ob es gleich Corrdi ““) unter Jeſu
Geburt herabſetzen will. Es ſcheint urſpruͤnglich
nicht griechiſch, ſondern chaldaͤiſch oder aramaͤ⸗
iſch, und bald nach der Nuͤckkehr aus Babel
geſchrieben, aber nach der Zerſtoͤrung Jeruſalems
griechiſch uͤberſetzt worden zu ſeyn . Denn waͤ⸗
re es nach Jeſu Geburt geſchrieben; ſo wuͤrde es
weit mehr ſpecielle Hinweiſungen auf die Zeitge⸗
ſthichte haben, da es vielmehr uͤberall auf den
Zuſtand der Juden, während und nach dem Exil,
Ruͤckſicht nimmt. Ferner gehört das Buch He
noch unter die aͤlteſten, A vieles darin
a 7 i vor⸗
5. Heft. S. 61, Fobtiest Cod. Pfeudep. I.
pag. 160.
*) z. B. im Teſtam. der 12 Patr. ſ. Fabricius I.
e. 160.
) Beitrage zur Beford. des v. Denk. 4. Heft.
S 200 ff.
a Dadurch erklaͤrt es fh, wie Pf, 2, 1. geſagt
5 werden kann, die Feinde hätten ſtarke Mauern
eu: g per arietem durchbrochen. Denn der ſpaͤ⸗
tere Ueberſetzer wählte, mit Hinſicht anf die Zeitz
geſchichte, xpeos, wo er vielleicht bloß ue,
uͤberſetzen N 8
a
122 Mfendepigrapha des A. T.
vorkommt, was die nachhelſende und uͤberarbei⸗
tende Hand eines Juden-Chriſten verraͤth *).
Eben ſo auch das Teſtament der zwoͤlf Patriar⸗
chen, das aber gleichfalls von Chriſten interpo⸗
lirt iſtn). Der größere Theil derſelben aber
iſt gewiß erſt aus dem Anfange des zweiten
Jahrhunderts, und groͤßtentheils von Judenchri⸗
ſten geſchrieben.
In Ruͤckſicht der Sprache und Grundſaͤtze
weichen ſie zwar nicht ſehr von einander ab;
aber man ſieht doch in einigen (wie in den Pſal⸗
men
*) Z. B. wenn es heißt: —-—— weil ihr den Mann,
der das Geſetz erneuert (evaxaıvoramuvra), durch
die Kraft des Höchſten, einen Betruͤger nennet,
und endlich ihn toͤdtet, nicht achtend (ob side-
rss.) feine Auferſtehung (avasmaa) und fein uns
ſchuldiges Blut boshaft auf euer Haupt ludet.
Deswegen wird euer Heiligthum bis auf den
Grund verwuͤſtet werden, — — ihr werdet
unter den Völkern ein Fluch ſeyn, bis er
euch wieder aufhilft, ſich euerer erbarmt, und
euch aufnimmt im Glauben und Waſſer (ev re-
Se A Warı), S. Fabric. I. p. 162 f. Die
Tendenz dieſer Stelle iſt nicht zu verkennen,
nämlich. die Juden zur Annahme des Chriſten-
thums zu bewegen.
**) Nich Grabe's Meinung tft der Verf. deſ⸗
ſelben ein Jude (ſ. Fabricius I p. 503.) und
eben fo urthellte Semler (theolog. Briefe ir
Th.), aber Corrodi hält es für die Arbeit eis
1 Chriſten (. he zur . sr Bd.
©. 81.)
Pſeudepigrapha des A. T. 123
men Saloms's) mehr das Zoroaſtriſche Syſtem,
in andern mehr die rabbiniſchen Fabeln, in an⸗
ern mehr den gemeinen palaͤſtinenſiſchen Juden,
und in einigen den alsrandrinifchen Juden oder
Judenchriſten durchſchimmern Das Thema al⸗
ler laͤßt ſich auf folg nde Hauptſaͤtze zuruͤckbrin⸗
gen: 1) auf die angebliche Weisheit der Urvaͤ⸗
ter und Patriarchen, 2) weitlaͤuftige Traditionen
von den Engeln und Daͤmonen, und 3) Dar⸗
ſtellung des Weſſias und deſſen Reiches. Ueber
das letztere iſt vorzuͤglich das vierte Buch Esdra
(das auch in derkondner Polpglotte 4. B. S. 29.
ff. ſteht) ſehr reich.
Bei dieſer Verſchiedenheit derſelben kann
man wohl der Meinung Semlers “) nicht bei⸗
ſtimmen, daß dieſe Schriften ſaͤmmtlich zu einer
Zeit von einer Geſellſchaft alexandriniſcher Juden
zu Alexandrien ſeyen geſchmiedet worden; eine
Neinung, gegen welche Corrodi 0 | Fiete En f
gruͤndete erinnert hat,
In welcher Ruͤckſicht dieſe Schriften zur Er⸗
klaͤrung des N. T. zu brauchen ſeyen, ergiebt
ſich aus dem bisher Geſagten von ſelbſt. Sie
g ſind
— —
„Yin feinen theolog. Briefen ir Th. S. 183.
*) Etwas über Hrn. D. Semlers Briefe, über
den Lrfpr ung der ſogenannten Piendepigrapha
des A. T. In den Beiträgen zur Beförd. des
vernuͤuft. Denk. je. 5. Heft. S. 68 — 90.)
124 Pſeudepigrapha des A. T.
ſind von vieler Wichtigkeit, nicht nur in Ruͤck⸗
ſicht des dogmatiſchen Sprachgebrauches jener
Zeit, ſondern auch der Dogmatik der Juden
ſelbſt, und bis jetzt noch zu wenig verglichen wor⸗
den. Nur muß man bei ihrem Gebrauche foß
gende Regeln beobachten: erſtlich, daß man unter⸗
ſucht, wenn, wo und von wem eine Schrift, de⸗
ren Stellen man benutzen will, geſchrieben wor⸗
den ſey; zweitens, ob die Stelle nicht von einem
Cbriſten aus irgend einer Abſicht interpolirt ſey;
drittens, muß man die altern dieſer Schriften
den juͤngern und die pal iſtinenſiſchen und chal⸗
daͤiſchen den alexandriniſchen, jederzeit vorziehen,
weil die aͤltern und palaͤſtinenſiſchen dem apoſto⸗
liſchen Zeitalter und Sprachgebrauch naͤher wa⸗
ren; und endlich darf man die ſpaͤtern juͤdiſchen
Fabeln und Traditionen nicht geradezu auf aͤhn⸗
liche oder verwandtſcheinende Stellen des N. T.
uͤbertragen, und hat diejenigen Stellen zu bemer⸗
ken, wo aus dem N. T. ſelbſt etwas in dieſe Bir
cher gefloſſen iſt.
Einige Beiſpiele, wie dieſe Schriften, die
noch einen reichen Ertrag fuͤr grammatiſche und
hiſtoriſche Exegeſe verſprechen, das N. T. erlaͤu⸗
tern, werden auf ihre Wichtigkeit aufmerkſam
machen koͤnnen. — Paulus braucht Galat. 4,
4. den Ausdruck νο⁰νNÜxe xgovov von der
Zeit, da der Meſſias, nach Gottes Nathſchluß, er⸗
ſcheinen ſollte; eine aͤhnliche Redensart, die in
demſelben Sinne gebraucht wird, findet ſich im
Teſta⸗
——
—
ee
8
Pſeudepigrapha des A. T. 125
Teſtamente der 12 Patriarchen, bei Fabtie. T
J. p. 531. Asus Geese Ne eig Eννν ro 0
ic ÜMEO r logauı, lte. re Nee
1 nr Xasov.
1 Petr. 3, 19, heißt es, Jeſus fen zur
Hole gefahren. Daſſelbe findet ſich im Buche
Henoch, wo die Begebenheiten Jeſu in dieſer Zeit⸗
folge aufgefuͤhrt werden: „der Herr (der Meſſias)
wird Gewalt leiden und am Kreutze erhoͤhet wer⸗
den (En ZN vbosnserm I. Joh. 3, 14).
Und der Vorhang im Tempel wird zerreißen, und der
Geiſt Gottes herabkommen auf die Voͤlker (881),
wie ausgeſchuͤttetes Feuer. Und nachdem er (der
Herr — der Meſſias) aus dem Hades wieder
heraufgekommen (vs oe dr TY edv), wird
er von der Erde gen Himmel ſteigen (Seel c-
Berau 'dmwo n eis odeavov), Zu der Stelle
2 Petr. 2, 4. 5. finden ſich viele Erlaͤuterun⸗
gen. Petrus ſcheint die Suͤnde der Engel vor der
Suͤndſluth zu ſetzen, und dieſe mit jener in Ver⸗
bindung zu bringen. Es iſt fchon aus Joſe⸗
phus und den LX die juͤdiſche Sage uͤber den
Fall der Engel beigebracht worden; eine Sage
die ſich in den Pſeudepigraphen haͤufig findet,
und mit mancherlei Wendungen. S. Fabricius
Cod. Pfeud. T. I. p. 167-199.
Coloſſ. 1, 16. braucht Paulis die Yu:
druͤcke: Oeevel, auge rnreg, c. und kCov.
ice wahrſcheinlich von den Klaſſen der Engel.
We⸗
126 | Ofrueisraoie d des A. T.
Wenigſteus kommen dieſe Worte fo vor in 5 Be⸗
ſchreibung des ſiebenfachen Himmels im Teſtam. der
zwoͤlf Patriarchen (bei Fabrie. 1. B. Seite 546
ff.): „im zweiten Himmel find marra Ta mveuun-
1 T S yayan eis E ,HÜù u Twv dvemmı, EN
To rer eig c S eig T meg,
ol ra eures eis nuegav αννE,̊e —— —
In dem folgenden ſind die Engel, ol Depovres
Tas Kmoxgireis Tas 4 U eN,ł ee
swmov wugiov. EY Le zo (nämlich ouga-
vo), Her alrov eg 99% l, e Coo,
e ch cle d νẽ⁰p Seb 1gοα D οοοννα
1 Timoth. 3, 16. fast Paulus: Seos SO.
vego dn Ev g. Im Teſtamente Simeons
(Fabrice. 1. B. S. 541 f.) heißt es in Bezie⸗
hung auf meſſianiſche Zeiten: xueles s Hees
Keyas Deivouevos. (Vergl. Tit. 2, 13. dm
Oxvax vn Gens rey Ge 9255 Koh
oh ry 2 lng. xg.) n 68 4g.
og, Acer goge % UTW Toy "Adap. “Tore
Jen . TA ente rns ınAavng \
EG Neri, no organ Gacidev-
c Dνοονα Tuv Movngwv Mvevaarov. Tete &
Goyre Ev eulooavm, Ku Eidorynew Tev -
go E reis Yaumamias alrou, orm dees
sauna N, (Philipp 2, 6. 7. E Re DN
Seo b nατεα,ð v — AU n dev raßar)
0 Gvveodiev SAvdE@mas, Erwsev aurovg. —
— Haus Levi und Juda , ee Uu“ (Hebr.
7, 14.) „ Gπντν,j Tov Secu (Luk. 2, 3
| Apo⸗
Pfeudeplgrapha des A. T. 127
Apoſtelg. 28, 28). Avasıca e Kugies S
re Ae ον ν⏑ ν,Es̃α, mis in ro Joe
ws Oc NE YE a1 οο οο —
Im Teſtamente Benjamins (bei Fabricius 1. B.
p. 745.) — — zur Zeit des Meſſias würden
die Patriarchen auferſtehen mgoazuvouvres rer
Bac T onen (den Meſſias), roy em
n Paver Ev pogOn M ονο r.
ce — — — — %% MOVIES clp Nov c
e ue eis dokav oi de eis Gruul, (I Cor.
15, 42, 43). Kar Ae, xugos. s ngurei
roy Ioε r. ges ene fiene, Jeoy Ev 1
(Joh. 1, 14. 6 Aoyos vage Eryevero) ée e-
eco rn ob emisevsay. — Wenn man auch lan⸗
nehmen will, daß dieſe Stellen aus den verwand⸗
ten des N. T. gefloſſen ſeyen; ſo bleiben ſie im⸗
mer ein merkwuͤrdiger Beweis, wie man dieſe
Stellen des N. T. damals verſtand. — Aus
dem Ausbaticus des Jeſaias fuͤhrt Epiphanius
ee haereſ. LXVII. c. 3. bei Fabricius
B. p. 1091 folgende Stelle an: dess Ne.
5 "Aryyehss regt TayTay ling: 20 Mau, No
EHE Hol; Mo ele DIE esw O € dec die? Feu
Heu; ns eln cb oldes xvgie; N45 1 ob-
ros SS & . Janes. Ku rig SS 0K.
Ng G cmoi0s Kür eg Agi 61 eU. n; ces
el m, on M neig. Tour 851 To 4 7
n r νπẽůõỹ- , xa Ev TuS -
Drug, i
Herausgegeben ſind die Pſe ubepigrap ha, oder
vielmehr die Fragmente derſelben, die ſich in
f ö den
18 Die Kabbaliſten.
den Kirchenvaͤtern und anderwaͤrts finden, nebſt
den Traditionen der Juden, die Joſephus, Phi⸗
lo, der Talmud, die Nabbinen und die Kirchen
vater über merkwuͤrdige Männer des A T. auf
behalten haben, von Joh. Alb. Fabricius
in dem Codex Fſeudepigraphus Vet. Pell. ed.
2. Hamb. 1722. 8 zu welcher 2ten Aufl. noch
ein Supplementband als ꝛtes Voſutn. Hamb.
1233. 8. hinzugekommen iſt. Hiermit iſt zu ver⸗
gleichen Spicilegium >. S. Patrum vt et haere-
ticorum leculi poſt Chr nat. 1, 2 et 3. no-
tis illulir 70. Fru. Grabiu Tom . ed. 3.
Oxon. 1700. T. II. ibid 1700 8. —
Von den Apokryphis und Pſeudepigraphis der
Juden; in d. „ . EN d. vernünft.
Denkens in d. Relig. . Hft. S. 193-2165.
(enthaͤlt eine kurze, dr etwas oberflaͤchliche
Charakteriſtrung derſelben). Erklärende Um
ſchreibung des Briefs Juda, nebſt einem Anhan⸗
ge enthaltend die Fragmente des apokr. Buchs
Henoch; in d. Beiträgen ꝛc. 2. Heft. S. 132,
ff. (nach Grabe's Spicileg) 125
F. 27.
ER Kabbaliſten.
Von den Zeiten des babyloniſhen Exils an
kamen die Juden in ſo mannigfaltige Beruͤhrun⸗
gen mit auslaͤndiſcher, beſonders perſiſcher, Reli⸗
gionsphiloſophie, daß die denkenden und ſpekuli⸗
renden Koͤpfe unter ihnen nothwendig auf ſie auf⸗
merk⸗
*
1
die Kabbaliſten. 129
merkſam, und ihr auch geneigt werden mußten,
da ſich dieſelbe an ihre fruͤhern moſaiſchen Grund⸗
füge fo leicht anſchloß. Mehrere ihrer Gelehr⸗
ten waren ſelbſt in dem Orden der perſiſchen
Weiſen oder Magier. Der groͤßte Theil der Ju⸗
den blieb, da Cyrus ihnen die Nuͤclkehr nach
Judaͤg erlaubte, in Perſien, und legte in jenem
Lande beruͤhmte Schulen *) an, welche nach und
nach fruchtbare Muͤtter einer juͤngern Religionsphi⸗
loſophie wurden, deren Grundlage wahrſcheinlich
das philoſophiſche Reljgionsſyſtem Zoroaſters war,
da beide einen Hauptcharakter haben, naͤmſich
die Emanationdlehre “). Dieſe Religionsphilo⸗
ſophie blieb aber nicht auf Perſien und die da⸗
ſelbſt befindlichen Juden eingeſchraͤnkt, ſondern
theilte ſich auch den Palaͤſtinenſiſchen, wegen der
genauen Verbindung zwiſchen beiden, mit. Nur
nach Aegypten iſt fie fpater eingedrungen, und
vermochte nicht in dieſem Lande die pythagoriſch⸗
platoniſche Philoſophie zu verdraͤngen, oder um⸗
| zuge⸗
*) Zu Nahardea, Sora, Pumbeditha — ſ. Jo⸗
ſephus juͤd. Alterth. 3. B. 12. Kap.
4 So wie Zoroaſter feine Weisheit in einem
Buch, dem Wort Zoroaſters, oder dem Licht⸗
geſetz, erhalten zu haben lehrte, ſo machten auch
die Juden den Abraham, oder gar ſchon den
Adam zu Vaͤtern der Kabbala, die ſie in einem,
ihnen von Engeln uͤbergebenen, Buche gelernt,
und ihren Nachkommen überliefert haͤtten.
3
\
130 die Kabbaliſten.
zugeſtalten. Alles was ſie bewuͤrkte, war eine
leichte Schattirung des herrſchenden Syſtems.
Mit dieſer Philoſophie zugleich entſtanden
Anſichten und Erklaͤrungen des Alt. Teſt., der
Geſchichte deſſelben, der gottesdienſtlichen Gebraͤu⸗
che und Einrichtungen, die nach den Grundzuͤ⸗
gen dieſer Philoſophie gebildet waren, und wel⸗
che man, um ihnen deſto groͤßeres Anſehen zu ge⸗
ben, theils durch kuͤnſtliche und allegoriſche Deu⸗
tungen in das A. T. hineintrug, theils von Adam
und den Patriarchen, die ſie von Gott und den
Engeln bekommen haͤtten, als geheime muͤndliche
fortgepflanzte Lehre erhalten zu haben ruͤhmte.
Alles was dieſe Religionsphiloſophie um⸗
faßte, und auf muͤndlicher Lehre beruhte, oder aus
dieſer in das A. T. hineingetragen wurde, führte
den vielumfaſſenden Namen MIIP, wagudorıs,
mündliche Ueberlieferung (von p, accepit au-
ſcultauit); ein Name, der ſelbſt von den Juden
nicht immer auf ein beſtimmtes Syſtem bezogen
wurde ). N
Wenn
) Ipfi Iudsei, (ſagt Wolf in ſ. Biblioth. hebr. T.
II. p. 1193.) in fignificatu eidem (vocabulo
Kabbalse) ſubiiciendo varii ſunt Hine nunc
de lege non ſeripta, quam Miſchnam vel Tal-
mud alias appellant; nune de ſeriptis prophe-
ticis, nunc de fcientia diuinitus accepts et arcas
niore, nunc de arcanis Legis quibuscunque,
nunc de inuertis ſuis Medicis, Mag iae proxi-
mis, accipiunt. ;
*
die Kabbalſſten. 131
Wenn man daher fragt: wenn die Kabbala
entſtanden fey; fo muß man unterſcheiden, ob
man die muͤndlichen Ueberlieferungen, oder ritua⸗
len, dogmatiſchen und hiſtoriſchen Traditionen der
Juden uͤberhaupt, oder das ausgebildete juͤdiſche
Emanationsſyſtem, wie es ſich z. B. im Buche
Sohar und Jerira findet, darunter verſtehe. In
jenem weikern Sinne war die Kabbala ſchon früs
he, und bald nach dem babyloniſchen Exil vor.
handen; denn es finden ſich Spuren derſelben in
den Apokryphen des. A. T. won im Joſephus ),
SING wenn
— 2 * A * 5 2 PEN
—
5 So kennt z. B. Joſephus (S. §. 21.) und
die alexandriniſche lleberſetzung (ſ. 5. 23.) die
Tradition, vom Fall der Engel (Genſ. 6, 2.)
Auch Joſephus legt den Urvaͤtern vor Abraham
und dieſem ſelbſt eine beſondere tiefe Kenntniß
goͤttlicher Dinge bei; auch er kennt allegoriſche
Deutungen des Cerimonialgeſetze es. — Das Buch
Tobias nennt (K. 3, 8.) einen Daͤmon Asmodaͤus,
wahrſcheinlich ein chaldaͤlſcher Nawe, der nach dem
chald. 100d, apoſtata, von 0 defecit a re-
ligione, gebildet iſt, und einen Abgefallenen
bezeichnet; und dleſer hat ſich gleichfalls (K. 6,
14, vergl. K. 3, 8.) in die Sarah verliebt. Ja
Rees ſcheint ſich ſchon in den LXX eine Spur von
dem geheimen Alphabeth der Kabbaliſten zu fin⸗
den. „Was (ſagt der Verf. der geheimen Leh⸗
re der alten Orient. und Juden ꝛe. S. 24. ff.)
die LXX für Anleitung gehabt haben), die hebr.
Worte Opa, Jerem. 51, 1, durch xar-
Jabs zu uͤberſetzen, ſcheint vollkommen unbegreif⸗
lich zu ſeyn. Die Erklärung hierüber iſt, 105
132 Die Kabbaliſten.
wenn auch noch nicht unter dem Namen und in
der ſyſtematiſchen ſcharfſinnigen Form, die fie
fpäterhin erhielt. Daß das Wort im N. T.,
namentlich 1 Tim. 1, 15. und K. 4, 19. vor⸗
komme, und unter dem Worte Kro n zu vers
ſtehen ſey, wie außer mehrern aͤltern Auslegern
(ſ. Wolfii biblioth. hebr. T. II. p. 1194.)
auch Horn (bibl. Gnoſis, S. 353.) behauptet
hat, iſt wohl ohne Grund, da m νZhier in
ſeiner gewoͤhnlichen Bedeutung den beſten Sinn
giebt, und als Kabbala (traditio) gezwungen er⸗
klaͤrt werden muß.
Die Kabbala im engern Sinne, oder das
Emanationsſyſtem der Kräfte aus Gott, bildete
ſich erſt fpater um Jeſu Zeit und nachher aus;
bekam aber ſpaͤterhin manche Zuſaͤtze aus der ale⸗
xandriniſchen Religionsphiloſophie, fo wie aus der
Magie und Theurgie, und aus Rabbiniſchen Le⸗
N gen⸗
kabbaliſtiſchen Regeln, dieſe: wenn die Haͤlfte des
hebr. Alphabeths von der Rechten zur Linken
und die andere Hälfte zuruͤck, von der Linken
zur Rechten geſchrieben wird: ſo kommt der letz⸗
te Buchſtab gerade unter den erſten, der vors
letzte kommt unter den zweiten und ſ. f. Dieſe
geheime Schreibart, welche die Kabbaliſten
Achbafch nennen, wird auf die Art angewandt,
daß anſtatt der rechten Buchſtaben die genom⸗
men werden, welche gerade unter oder über dens
ſelben ſtehen, und ſo entſteht W .
anſtatt pn. “u
Die Kabbaliſten. 133
genden). — Man muß ſich alſo huͤten, die ſpaͤ⸗
tern kabbaliſtiſchen Schriften mit den aͤlteſten in
eine Klaſſe zu werfen, und aus ihnen das ganze
Syſtem des Kabbalismus ableiten wollen. Die⸗
ſen Fehler begiengen Mirandola, Reuchlin,
Paulus Riccius, Knorr von Roſenroth
und ſelbſt Corrodi in feiner kritiſchen Geſchich⸗
te des Chiliasmus. Die Schriften, welche die⸗
ſe Maͤnner uͤber die Kabbala geſchrieben haben,
ſind daher mit Vorſicht zu brauchen, und es iſt
immer zu unterſuchen, was aͤlteſte Kabbala war,
und was ſpaͤtere rabbiniſche Ideen ſind. Be⸗
lehrend und nuͤßlich wuͤrde es ſeyn, wenn man
die Spuren der Kabbala in den Schriften der
Juden vom Exil an bis herab ins dritte Jahr⸗
hundert nach Chriſto verfolgte, und dann auch
die kabbaliſtiſchen Schriften der Rabbinen nach
der Chronologie claffificirte und behandelte. Bis
jetzt iſt noch wenig dafuͤr geſchehen, da die ge⸗
nannten Gelehrten dieſes nicht beobachtet, und in
neuern Zeiten (außer von Horn, und einigen an⸗
dern die angefuͤhrt werden ſollen) wenig fuͤr das
kabbaliſtiſche Syſtem iſt gethan worden.
Die vorzuͤglichſten und aͤlteſten kabbaliſti⸗
ſchen Schriften ſi ſind erſtlich das Buch Jetzira,
deſſen
9 S. Horn über die bibl. Gnoſis S. 407. Wol-
fii bibl. hebr. T. II. p. 1207 ſqq. und 1213 ſqq.
Buddei introd. ad hin, Philoſ. Ebraeor. ed.
nou, (Hal. 1720. . ) p. 511. fgg.
1 *
134 Die Kabbaliſten.
deſſen Verfaſſer wahrſcheinlich der Rabbi Akib ha,
der kurz nach der Zerſtoͤrung Jeruſalems lebte,
iſt. Sein Buch iſt aber, wie wir es jetzt be⸗
ſitzen, mit fremden Zuſaͤtzen vermehrt ). Es kam
heraus in einer lateiniſchen Ueberſetzung von Joh.
Steph. Rittangel, Amſterd. 1642. 4. % Das
andere wichtige kabbaliſtiſche Buch, das Buch So⸗
har, ſoll der Schuͤler Akibha's, Rabbi Simeon
Ben Jochai, geſchrieben haben, und es enthaͤlt,
wie das erſtere, verarbeitete Aufſaͤtze aͤlterer Kab⸗
baliſten und muͤndliche Ueberlieferungen, und iſt
gleichfalls mit ſpaͤtern Zuſaͤtzen bereichert ““).
Die
) Vergl. Brucker hiſt. crit. philof. T. II. p.
834. .
770 Ueber die Ausgaben deſſelben f „Wolf bibl.
hebr. T. I. p. 23. ff. Burtorf bibliotl, rabbi-
nica p. 353. und Petr. Lambecius ! in pro-
drom, hift, liter p. 52.
K) S. Brucker a. a. O. Jul. Bartoloceius
bibl. rabbin, magn. T. IV. — Wolfi bibl.
hebr. 1.1, Knorr a Rolenroth Kabbala denuda-
ta Tom. II. Buxton, bibl. rabbin. p. 319 ff.
Ihrer Merkwuͤrdigkeit wegen ſey es mir erlaubt,
N zel Stellen des Buchs Sohar anzufuͤhren, die
Schmidt in ſ. Biblioth. f. Kritik und Exe⸗
geſe ꝛc. 1. B. 1. St. ausgehoben hat. — S.
40. „Sohar. Th. I. fol. 88.“ Das Buch Ra⸗
ja Mehimna ſagt: von dir [dem Meffias]
wird geſagt: kuͤſſet den Sohn; du biſt der Herr
von Iſrael, der Herr des 1 der Herr
det Engel des Dienstes um N * PD
Die Kabbaliften 135
Die ſpatern kabblaiſtiſchen Schriften, die man bei
Wolf und Buddeus *) angeführt findet, find
weit weniger brauchbar, und enthalten ſchon eine
unreine, durch rabbiniſche Traͤume und Maͤhrchen
entſtellte Kabbala.
Das Syſtem der Kabbaliſten hier aufzu⸗
fuͤhren, wuͤrde theils zu weitlaͤuftig ſeyn, da es
ein gerundetes Ganze iſt, theils hier nicht an ſei⸗
nem Orte ſtehen. Darſtellungen deſſelben findet
man bei Buddeus a. a. O. Brucker hilt. crit.
phil. T. II. und Tom. VI. bei Eiſenmen⸗
ger,
der Sohn des Höchſten (Ny ), der Sohn
des Heiligen, Hochgelobten, und die Wohnung
der Gnade (TOT NM). — S. 48.
f. „Sohar Th. II. Fol. 35. „Im Garten
Eden iſt ein Tempel, welcher der Tempel der
Kranken genannt wird. Der Meſſias gieng in
dieſen Tempel und rief allen Lelden, allen
Schmerzen, allen Zuͤchtigungen Iſtaels, welche
kommen ſollen. Und ſie kamen alle uͤber ihn.
Und waͤre er es nicht geweſen, der Iſrael von
ihnen erleichtert, und ſie auf ſich genommen
haͤtte, ſo waͤre kein Menſchenſohn (39 2)
geweſen, der es vermocht haͤtte, die Zuͤchtigungen
Iſraels zu ertragen 55 Dh,
die ſie wegen der Strafen des Geſetzes haͤtten
ertragen muͤſſen. Dies iſts, was geſchrieben
ſteht: er trug unſre Krankheit ꝛc.
9 introd. ad philoſ. Ebraeor. p. 143. ff.
136 Die Kabbaliſten.
ger, in ſ. entdecktem Judenthum (Koͤnigsb. 1711.
2 Thle 4), wiewohl dieſe Schrift nur zerſtreute
Bemerkungen daruͤber enthaͤlt. De la Nauze
über das Alter und die Entſtehung der Kabbals;
in Hißmans Magazin fuͤr die Philoſophie und
ihre Geſchichte ı Thl. S. 245 ff. Tiedemanns
Geiſt der fperulativen Philoſoph. 8. B. S. 137.
— in mehrern Abhandlungen in den Beitraͤgen
zur Beförderung des vernunft. Denkens ꝛt. die
bei den Huͤlfsmitteln zur juͤbiſchen Theologie uͤber⸗
haupt angefuͤhrt werden ſollen; beſonders im 16.
Heft S. 152 ff. Kleuker, uͤber den Urſprung
der Emanationslehre bei den Kabbaliſten. Riga
1786. 8. — Horn über die bibl. Gnoſis S.
348 ff. und S. 404 ff. Hallenberg in dem
Buche: „Die geheime Lehre der alten Orientaler
und Juden zur innern und hoͤhern Bibelerklaͤrung
(Roſt. und Leipz. 1805) S. 85 ff. wiewohl dies
ſer Verf. in den Fehler der aͤltern Bearbeiter
des kabbaliſtiſchen Syſtems gefallen iſt, daß er
namlich die reinere und unreinere Kabbala nicht
gehoͤrig ſcheidet. Dieſes gilt auch von der weit⸗
Aauftigeren Darſtellung des Kabbalismus, die bes
ſonders Knorr von Roſenroth in der Cab-
bala denudata, Solisbaci 1667. 2 Tomm. 4.
gegeben hat, (von welchem Werke man eine weit⸗
laͤuftige Nachricht bei Buddeus intr. ad phi-
J0ſ. hebr. p. 280 ff. findet,) und auch von
Corrodi in ſeiner kritiſchen Geſchichte des Chi⸗
ltasmus 1. B. S. 2 ff. und S. 40 ff. und an
andern Orten.
Die
Die Kabbaliſten. 137
Die aͤltern Schriften über die Kabbala fin⸗
det man bei Wolf in der bibl. hebr. Tom.
II. p. 1243 ff. und uͤber die Sephiroth na⸗
mentlich p. 1228 angegeben. — Außerdem ge⸗
hoͤren noch hieher folgende zwei Abhandlungen:
Joel Loͤwe, einige Bemerkungen über die Se
phiroth; in Eichhorns Biblioth. 5. B. 3. St.
377-398. und Eichhorn, über die Perſoni⸗
fikationen der Eigenſchaften Gottes unter den ſpaͤ⸗
tern Juden; in der ee 3 B. 2 St. S.
nz \
Was den Gebrauch der kabbaliſtiſchen Schrif⸗
ten fuͤr das N. T. anlangt; ſo iſt derſelbe von
mehrern aͤltern Exegeten getadelt, von mehrern
aber ſehr empfohlen worden ). So gewiß es
iſt, daß die Traͤumereien der ſpaͤtern Kabbaliſten
für die hiſtoriſch⸗ dogmatiſche Exegeſe von keinem
Werthe ſind; ſo wenig kann man dieſes von der
der aͤltern und reinern Kabbala ſagen; beſonders
wenn man das Wort in weiterm Sinne nimmt,
und
5 Buddeus introd. sd hift. philoſ. Ebr. p. 510.
„fieri potuit, vt ad certas ludaieorum ile
phorum hypotheſes aut loquendi formulas, in
quantum iftae veritati coelefti non repugna-
bant, ſubinde fcriptores ſacri N. T. alluderent.“
Ueber den vierfachen Nutzen den hermeneutiſchen,
dogmatiſchen, elenchtiſchen und hiſtoriſchen der
Kabbala bei Erklärung des N. T. ſ. Wolfi
bibl. hebr. T. II. p. 1238-1242.
138 Die Kabbaliſten⸗
und die ganze eſoteriſche Religtonsphiloſophie der
Juden, wie ſich dieſelbe ſeit dem Einfluß der
perſiſchen in Paläſtina und Perſten bildete, dar⸗
unter verſteht. Vielmehr muß uns dieſe von
vieler und gloͤßerer Wichtigkeit als die alexan⸗
driniſche ſeyn, da ſie in Palaͤſtina einheimiſch war,
und ihre Lehren und religioͤſe Sprache den Zeit⸗
genoſſen der Apoſtel nicht unbekannt ſeyn konnte.
Namentlich ſetzt der Verfaſſer des Briefs an
die Hebraͤer, wenn er die altteſtamentlichen Einrich⸗
tungen auf Jeſum und deſſen Schickſale anwen⸗
det, eine Tradition uͤber die Auslegung derſelben
voraus, und die Apokalypſe duͤrſte wohl noch meh⸗
reres enthalten, was aus der Kabbala erlaͤutert
werden kann. Siehe Eichhorns Erklärung der
Apokalypſe ).
e 0 Als
*) Wolf in der bibl. hebr. T. II. p. 1201. ur⸗
theilt ſehr richtig: Chriſtus et fcriptores facri
interpretationes tum typorum, tum obſcurio-
rum V. T. locorum, quae quoad externas voces
aliud quid innuere videbantur, vel non cum
tanta fidueia Iudaeis ſuae aetatis obuertere vo-
luiſſent, vel fruetum exſpectare non amplum
potuiſſent, niſi ſeiuiſſent, le ex conceſſis et cogmi.
ric vtringue principiis diſputare. Huc retero
argumentationem pro reſurrectione mortuorum >_
ex Matth. XXII, 32. etc. pe 1202. „Omit-
to commemorare res varias, quse a Chrifto et
Apoſtolis eius Iudaeis de rebus maiorum fuo-
rum ita narrantur, vt, quamuis earum in ſeri-
Pturis
Die Kabbaliſten. 139
Als Beiſpiel der Erläuterung des N. T.
aus der Kabbala vergleiche man die Erklaͤrung
des Vater unſer, die man bei Bud deus in der
introd. ad hift. philoſ. Ebr. p. 285 ff. fitt-
det. Vorzuͤglich hat man ſich bemüht), zu zei⸗
gen, daß die Kabbala eine Dreiheit in Gott leh⸗
re, die mit der chriſtlichen Lehre von der Drei⸗
einigkeit ſehr verwandt ſey. Zur Vergleichung
mag hier Einiges aus Hallenbergs geheimer
Lehre der alten Orientaler ꝛc. ſtehen, für deſſen
Richtigkeit ich aber nicht buͤrgen kann.
„In den Schriften der Juden, (ſagt der
Verf. S. 93), kommen uͤberall die Einheit und
Dreieinigkeit Gottes, fo wie die Heiligkeit der
Siebenzahl und Dreizahl vor. Gott wird eigent⸗
lich unter dem Namen Einer oder Einheit
beſchrieben, welches auch als dem Namen Vater
unfer, der da iſt in den Himmeln, entſpre⸗
chend betrachtet wird.“ — — „Wenn Gott (S.
94) in Anſehung der Art ſeines Daſeyns betrach⸗
tet wird, wird er mit der dreifachen Zeit, der
vergangenen, gegenwaͤrtigen und zukuͤuftigen ver⸗
glichen, er wird in dieſer Hinſicht als dretei⸗
nig betrachtet, welches durch die Buchſtaben
Ih v h (lehouah) angedeutet wird, mit welchen
man das Weſen and das war, das iſt
und
—
pturis mentio non extet, illae tamen fine exce-
ptione admiflae fuerint. Matth. XXIII, 35. 2
Tim. IV, 8. Iud. v. .“
140 Die Kabbaliſten.
und das ſeyn wird. Wenn Gott in Anſe⸗
hung ſeiner Wirkungen in der Welt betrachtet
wird, wird er unter einer Siebenzahl vorgeſtellt,
und als ſiebeneinig angeſehen. Wenn er ſo⸗
wohl ſeinem Weſen als ſeinen Wuͤrkungen nach
betrachtet wird, wird er als zehneinig ange⸗
ſehen, und mit der Zehnzahl, mit dem Namen
der zehen Sephiroth bezeichnet.“ — — — S.
164. Nach der Gematria, oder der Berech⸗
nungskabbala verſichert der Verf., daß die Ju⸗
den dieſen Sinn im Namen Jehova enthalten
glaubten: Vater, Sohn und heiliger Geiſt.
„Bold wird, fahrt er S. 165. fort, der Name
Jehova ſo ausgerechnet, daß er einen aus zwei
und vierzig Buchſtaben beſtehenden Satz ausmacht,
und nach der Meinung eines der angeſehenſten
juͤdiſchen Lehrer“) dieſe Worte enthalt: Gott der
Vater, Gott der Sohn, Gott der heil. Geiſt;
drei in Einem, und Einer in dreien.“
§. 28.
*) Rabbi Hakkadofch, ap. Kirch. Oedip. Aegypt.
T. II. p. 246. „Ex nomine duodecim litera-
„rum emanat nomen 42 literarum, quod eſt
„o pn min Dinbn 12 DINON DIN
„ an MIND MUNG, pater Deus,
„flius Deus, Spiritus ſauctus Deus, trinus in
„uno, duus in trino, quae in Hebraico 42 li-
„terae. Notare autem debes, haec nomina eſſe
„ex diuinis arcanis, quae a quocunque occul-
„tari debent, quousque veniat Meſſias iuſtus
„nolter, 5155
Der Talmud. 141
§. 28. ö
k) Der Talmud.
Die Lage der Juden um Jeſu Zeit, die ſo
ſehr verſchieden war von der, unter welcher ſie
das moſaiſche Geſetz bekamen; die ganz veraͤn⸗
derten Umſtaͤnde und die Lange der Zeit hatten
den Juden fuͤhlbar gemacht, daß das moſaiſche
Geſetz, als Codex der buͤrgerlichen Geſetze, nicht
mehr ausreichend, daß manches in ihm nicht bes
ſtimmt ſey, uͤber welches das aͤngſtliche Gewiſſen
des Juden Entſcheidung wuͤnſchte, und daß eine
ganz neue und veraͤnderte Lage auch Veraͤnde⸗
rung und Ergaͤnzung der Geſetze erfordere. —
Die Nabbinen, oder die Ausleger des moſaiſchen
Geſetzes und juͤdiſche Rechtsgelehrte, halfen ſich
hierbei theils dadurch, daß ſie das Geſetz will⸗
kuͤhrlich auslegten, und oft ſehr heterogene neue
Geſetze aus aͤltern ableiteten; theils dadurch, daß
fie ſelbſt Ver haltungsregeln und En ſcheidungen ga⸗
ben, die bei dem großen Anſchen, in dem fie ſtan⸗
den, geſetzliche Kraft hatten, und fuͤr eben fo
guͤltig und heilig gehalten wurden, als das mo⸗
ſaiſche Geſetz ſelbſt. Und geſchah es auch bis⸗
weilen, daß ſich die Rabbinen in Entſcheidung
der Geſetzfragen widerſprachen, wie die Schule
Hillels und Schammai's; ſo that dieſes doch ih⸗
rem Anſehen keinen Eintrag.
Auch dieſes, die Entſcheidungen neuer Ver⸗ ü
bältmiffe aus alten Gefegen, ihre Ausſpruͤche über
recht⸗
142 Der Talmud.
rechtliche Streitfragen, und alle ihre Zuſaͤtze und |
Lehren, die ſich auf die bürgerliche Verfaſſung
und den Cerimonialgottesdienſt bezogen, machte
einen Theil der muͤndlichen Tradition aus, und
im zweiten Jahrhundert beſchaͤftigten ſich die Ju⸗
den ſehr ernſtlich, dieſe Ausſpruͤche der Rabbinen
zu ſammeln und aufzuſchreiben. Beſonders war
dieſes das Geſchaͤft des Rabbi Juda, mit dem
Beinamen der Heilige (ums Jahr 150 nach
Chr. Geb.), der dieſe Traditionen von den aͤlte⸗
ten Zeiten an ſammelte und aufſchrieb. Daraus
entſtand das Buch end NED, deuregaris,
das zweite Geſetz, oder die Tradition, ge⸗
woͤhnlich die Miſchna genannt; ein Buch, das
mit lautem Beifall von den Juden aufgenommen, und
von den Rabbinen haͤufig commentirt wurde. Den
beruͤhmteſten Commentar ſchrieb der Rabbi Jo⸗
chanan, das Haupt der paͤlaͤſtinenſiſchen Syna⸗
goge (er lebte wahrſcheinlich im Jahr 230 nach
Chr. Geb. nach andern noch ſpaͤter), deſſen Com⸗
mentar den Namen Gemara, (Na, Vol⸗
lendung, nach andern: Lehre) erhielt, und mi tder
Miſchna den Jeruſalemitaniſchen Talmud
ausmacht.)
Als
„) Ueber die Erklärung des Wortes Won ſind
zwar ſelbſt die Rabbinen nicht ganz einig; aber
es heißt wahrſcheinlich Lehre, von . S.
Wolfii bibl. hebr. T. II. p. 658. — Auch die
Miſchna allein hieß oͤfters im engern Sinne
Talmud; ſ. Wolf. a. a. O. p. 660.
| Der Talmud. 143
Als nun die Juden im Jahr 230 und ſpaͤ⸗
terhin meiſtens nach Babylonien zogen, und die pa⸗
laſtinenſiſchen Schulen eingiengen, ſo machten die
babyloniſchen Rabbinen, bei denen die Jeruſalemi⸗
taniſche Gemara nicht ſo viel Anſehen hatte, ei⸗
nen neuen Commentar über die Miſchna, der end⸗
lich von verſchiedenen Verfaſſern ohngefaͤhr im
Jahre 500 nach Chr. vollendet wurde; und dar⸗
aus entſtand der babyloniſche Talmud.
Der Jubalt dieſer Schriſten betrifft, wie
ſchon erinnert worden, vorzuͤglich das buͤrgerliche
und Cerimonialgeſetz der Juden, und die Ausſpru⸗
che der Rabbinen uͤber dieſelben. Außerdem aber
enthalten ſie auch noch viele rabbiniſche Maͤhr⸗
chen, und einen Theil der dogmatiſchen und bis
ſtoriſchen Tradition; daher fie fir die ju diſche
Theologie und den Sprachgebrauch derſelben nicht
zu vernachlaͤſſigen find. Welche Bücher des Tal:
muds vorzüglich verglichen werden muͤſſen, naͤm⸗
lich die Miſchna und Gemara, leuchtet aus Obi⸗
gem von ſelbſt ein. Denn dieſe Buͤcher ſind die
aͤlteſten, und folglich dem apoſtoliſchen Zeitalter
und dem N. T. die nächſten. dan findet auch
in ihnen einen Theil der moraliſchen Ausſpruͤche
des N. T., und ſie verdienen alſo auch in dieſer
Ruͤckſicht eine e *). — Die ſpaͤtern
Rab⸗
— nn —
*) Ueber die Sittenſehre der Rabbinen Vergl.
1 88 Scharbau difl. hiftorico- moralis de
fäatis
—
144 Dier Talmud. f
Rabbinen aber kommen bei der Erklaͤrung des N.
T. weiter nicht in Betrachtung, da ſie zu jung
ſind, zu viele laͤppiſche Fabeln und Maͤhrchen ha⸗
ben, und auch von dem Einfluſſe platoniſcher und
ariſtoteliſcher Philoſophie nicht frei blieben. In
dieſer Ruͤckſicht muͤſſen vorzuͤglich Joh. Andr.
Eiſenmengers entdecktes Judenthum, Koͤnigsb.
1711. 2 Theile, 4. und Heinr. Corrodi's
(anonym herausgegeben.) kritiſche Geſchichte des
Chiliasmus, Zuͤrch 1781, 83. 3 Theile 8. nicht
ohne Vorſicht gebraucht werden; denn der letzte⸗
re mußte nach feinem Plane die fpatern Rabbi⸗
nen mit aufnehmen, ohnerachtet er fie haͤufiger
mit den aͤltern vermiſcht hat, als noͤthig und
nuͤtzlich war, und der erſtere hat ſich noch weit
weniger an die Chronologie gebunden, und die
Ausſpruͤche alter und jüngerer Rabbinen durch
einander geworfen.
Da wir von Wetſtein in feiner Ausgabe
des N. T., von Lightfoot, Schoͤttgen, Meu⸗
ſchen u. a. m. viele Erlaͤuterungen des N. T. aus
dem Talmud und den Rabbinen erhalten haben;
fo verweiſe ich hier, in Ruͤckſicht der Beiſpiele, auf
jene Schriften. Ueber den Talmud und die Rab⸗
binen
— Tu —
fatis ſtudii moralis inter Hebraeos Lipſ. 1712.
36 S. 4. — Vergleichung einiger Sittenkehren
Jeſu und der Phartſaͤer [Rabbinen]; in d. Bei⸗
traͤgen zur Deford, des Nenänit Denk. ꝛc. 5.
St. S. 90-105,
Der Talmud. 145
binen f. Wolfs bibl. hebr. namentlich T. II. p.
658-882. Buddeus, introd. ad hiſt. phi-
lof. Ebr. namentlich p. 118. ff. Herm. Koͤ⸗
chers noua bibl. hebr. T. II. (Gen. 1783. 84.
II. PP. 3.) Fabricius bibliogr. antiquar. cap.
1, 10. Die Ausgaben des Talmuds ſ. bei Wolf,
bibl. hebr. T. II. p. 882-913. — Miſchna-
cum clariſſimorum Rabbinorum Maimonidis
et Bartenorae commentatiis integris, quibus ac-
cedunt variorum auctorum notae ao verſiones
in eos, quos ediderunt, codices, ‚latinitare do-
nauit ae notis illuflrauit Guil. Surethuſius.
Amiſt. 1698 - 1703. 6 Theile Fol. — Miſch⸗
nah, oder der Text des Talmuds — aus dem
Hebr. uͤberſetzt, umſchrieben und mit Anmerkk.
erläutert von Joh. Jak. Rabe. Onolzbach
1760-63. 6 Theile gr. 4.
Erlaͤuterungen aus den Rabbinen und dem
Talmud findet man in den Commentaren von
Grotius und Wetſtein. Vorzuͤglich in Jo.
Drufii adnotationibus in totum Ieſ. Chr. Te.
ſtamentum, ſ. Praeteritorum libri X. Franequ.
1612. 4. — lo. Lightfoot horae hebraicae
et talmudicae, cura lo. Ben. Carpzouii,
Lipf. 1679. 4. und in dem 2. Thl. von Light.
foots opp. (edit. 2. VItraj. 1699. 2 B. Fol.)
— Chr. Schoettgen horae hebraicae et
talmudicae in vniuerſum N. T. Dresd. 1733.
4. T. II. horae ebr. et talm. in theologiam
Iudaeorum dogmaticam antiguam et ortho-
K do-
146 Die Sabäͤer.
doxam de Meſſia impenſae. Dresd. 1742. 4.
— Eine Sammlung einzelner Abhandlungen von
Danz, Witſius, Scheid und Rhenferd,
die Erläuterungen des N. T. aus den Rabb.
und den Talmud enthalten, iſt: To. Gerh. Meu-
ſchen, N. T. ex Talmude et antiquitatt. he-
braeorum illuſtratum. Lipf. 1736. 4.
Von der Uebereinſtimmung der irrigen und
elenden Vorſtellungen der Chriſten mit den alber>
nen und fanatiſchen Ideen der Juden; in den
Beiträg. z. Befoͤrd. ꝛc. 1. Heft S. 44-75. —
Beſchreibung des Weltgerichts nach dem Talmud;
in Schmidts Biblioth. für Kritik und e 20.
2. B. 1. St. S. 72 82. a
g. 29.
I) Die Sabaͤer.
Ein mit dem Chriſtenthum parallel laufen⸗
fender Abkoͤmmling des Judenthums iſt die Sek⸗
te der ſogenannten Sabaͤer, welche aus der
Schule Johannis des Taͤufers entſtanden iſt, und
dieſen als ihren Lehrer, als einen goͤttlichen
Geſandten, und vielleicht auch als ihren Meſſias
verehrt. Sie wuͤrde hier gar keiner Erwaͤhnung
verdienen, faͤnden ſich nicht im N. T. Spuren
derſelben (z. B. Apoſtelg. 19, 1-7. K. 18, 24
ff.) haͤtten nicht beruͤhmte Exegeten behauptet,
Johannes habe namentlich gegen ſie geſchrieben,
haͤuſige Ruͤckſicht auf ſie genommen, und ſich deß⸗
we⸗
Die Sabaͤer. 147
wegen auch der Ausdruͤcke Oos, Aoyos u. ſ. w.
bedient, und waren fle endlich nicht ein ziemlich
reiner Stamm der zoroaſtriſchen Religionsphilo⸗
ſophie. Denn dieſe iſt die Grundlage ihres gan⸗
zen Syſtems, ſo weit wir dieſes kennen. Ueber
fie, ihre Schriften und Lehren ſ. Walch. de
Sabaeis, in den Commentatt. Soc. Reg. Goett.
T. IV. part. philol. — Norberg de reli.
Ede et Lingua Sabaeorum; Ebendaſ⸗ T. III.
p. 26 ff. — Tychſen uͤber die Religionsſchrif⸗
ten der Sabier oder Johannischriſten. In Stauds
lins Beitraͤgen zur Philoſ. und Geſchichte der
Religion und Sittenl. ꝛc. 2. B. S. 289 ff. 3.
B. S. 208 ff. 226 ff. — Bruns in dem
Repertor. für bibl. und morgenlaͤnd. Literat. 12
Thl. — J. E. Chr. Schmidt, über die Jo⸗
hannisjuͤnger, die Sabiſchen Religionsbuͤcher und
den Zweck des Evangel. Johannes; im fein. 5
blioth. für Kritik und Exegeſe des N. T ꝛc.
B. 2. St. S. 266 — 293. und Beilagen bal
zu, ebendaſ. 1. B. 3. St. S. 420 — 430. —
Overbeck, neuer Verſuch uͤber das Evangel.
Johannis. Gera, 1784. 8. — G. C. Storr,
uͤber den Zweck der evangeliſchen Geſchichte und
der Briefe Johannes. Tuͤbing. 1786. 8. —
Ueber die Johannisjuͤnger von Lindemann.
In Eichhorns Biblioth. 10. B. S. 879—
88. — Ignatius a leſu narratio originis,
rituum et errorum Chriſtianorum S. Iohan-
ee a — Jak. Bioͤrnſtahls
Ra Brie⸗
148 Zend s Avefta,
Briefe über feine anslaͤndiſchen Reiſen; 6. Band
2. Heft (1783. 8.)
L. 30.
2) Perſiſche Quellen der orientaliſchen
Religionsphiloſophie.
HOhngefaͤhr 600 Jahr vor Chriſti Geburt
lebte Zoroafter , von den Perſern Zerduſcht ge⸗
nannt, in Medien, und verbeſſerte die alte magi⸗
ſche Religion. Der Hauptſitz ſeiner Lehre ward
Bactra und das mediſch⸗ bactriſche Reich, und er
uͤbergab ſein Geſetz den Magiern, einer mediſchen
Kaſte, zur Aufſicht und Aufbewahrung. Die
Perſer, ein wildes, den Mediern unterworfenes
Bergvolk warfen unter Anfuͤhrung des Cyrus das
mediſch⸗ bactrifche Reich in der Schlacht bei Pas
ſargada (ohngefaͤhr 560 vor Chr. Geb.), und
breiteten die Religion Zoroaſters in allen Laͤn⸗
dern des Orients aus, ſo weit ihr Schwert
reich⸗
n Ich folge bei dieſer Angabe den Unterſuchun⸗
gen von Heeren, (Ideen uͤber die Politik,
den Verkehr und den Handel der alten Welt.
2. Thl. S. 399 f.) Foucher (memoires de
Y Acad. des Inſeript. tom. 31.), Buhle
(Lehrb. der Geſch. der Philof, 1. B. S. 73.)
und Horn (über die bibl. Gnoſts S. 115 f.).
Nach Hyde (de relig. vet. Perſ. p. 312 ff.)
Kleuker Gend- Aveſta 1. Th. S. 41.) und
Anquetil lebte er unter Darius Hyſtaspis,
alſo in der Mitte des sten Jahrh. vor Chr.
—
Zend » Avefta. 149
‘reichte. Der Sturz des Perſiſchen Reichs durch
Alexander, war auch das Ende ihrer Bluͤthe.
Sie erlitt, waͤhrend der Unruhen unter ihm und
ſeinen Nachfolgern manche Veraͤnderungen, und
ward theils vergeſſen, theis mit Zufagen entſtellt.
eit der wiederkehrenden Freiheit Perſiens, und
dem neuen Flore des Reichs unter den Arfacis
den und den Saſſaniden bluͤhete auch ſie wieder
auf, und ward nach den Zendbuͤchern verbeſſert,
endlich aber im 7. Jahrh. durch die Araber ge⸗
ſtuͤrzt; ſo daß ſie ſich jetzt nur noch bei den
Fluͤchtlingen des geſtuͤrzten Reichs, bei den Khe⸗
bern findet, von denen wir auch durch Anquetil
den Zend⸗Aveſta erhalten haben.
Ob aber gleich mehrere Gelehrte die Aecht⸗
heit der Zoroaſtriſchen Schriften theils heftig,
theils gelehrt und 1 8 unig *) angegriffen ha⸗
ben;
) Lettre à Mf. Anquetil du Perron dans la quel-
le eſt compris I examen de fa traduction des
livres attribués à Zoroaftre. Londres, 1771.
und edit. 2. 1777. 8. (von Jones). Deutſch
iſt dieſer Brief befindlich in Hiß manns Mas
gaz. für die Philoſophie 3. St. — Richard-
fon difertat. on the literaturae, languages and
manners of eaftern nations; fie ſteht vor feis
nem Perſiſchen Lexikon, und iſt deutſch von Fr.
Federeau, Leipz. 1779. uͤberſetzt worden. Leſſ⸗
über die Religion ꝛc. 1 Thl. (zte Aufl. Goͤtt.
1786.) S. 404. der in ſeinem Urtheile dem
N Driefe
150 Zend » Avefta,
ben; fo iſt es doch gewiß, daß wenigſtens ein
Theil der Zindbücher, namentlich der Vendi—
dad und das Buch Izeſchne, die beiden Haupt:
ſchriften, von ſehr hohem Alter und achte Schrif⸗
ten Zoroaſters find *).
Der Zend - Aveſta naͤmlich beſteht —
aus folgenden Buͤchern; 1) „Das Buch Ize⸗
ſchne, ** das 2 Theile, oder 72 kleinere Ab»
ſchnitte enthaͤlt. Es iſt nicht ſyſtematiſch, ſon⸗
dern liturgiſch, d. h. ſo abgefaßt, daß es zu Vor⸗
leſungen beim oͤffentlichen Gottesdienſt gebraucht
werden kaun. Nimmt man alles Zufallige, was
von neuerer Hand ſeyn koͤnnte, hinweg, ſo koͤnnte
es eine Sammlung einzelner Betrachtungen ſeyn,
deren
Briefe von Jones folgt. Vorzuͤglich Meiners
in einigen Abhandlungen in den Commentatt.
Societ. Reg, Goetting” Vol. VII-IX,
9) S. Kleukers Anhang zum Zend» Avefta e.
B. 1. Thl. S. 157 ff. Tychfen de religio.
num Zoroaftricarum apud exteras gentes veſti-
giis; in den Comment. Soc. Reg. Goett. Vol,
XI. und XII. Buhle, Lehrbuch der Geſchichte
der Philoſophie 1. Thl. S. 64 1 Vergl.
Horn, ber die bibliſche Gnoſis, S. 122. ff.
n) Ich folge hier der Angabe vou Kleuker (in
einen großen Zend Aveſta 2. B. 1. Thl. S.
115 ff.) die ich, da ich bloß den Zend» 907
im Kleinen beſitze, der Freundſchaft des Hrn. M
Schott in Leipzig verdanke.
1.) Izeſchne heißt; Erhebung der Seele, Ans
dacht.
*
Zend Aveſta. 3 15 7
deren Gegenſtand Erhebung der reinen und wohl⸗
thaͤtigen Natur iſt, vom Oberhaupt derſelben bis
auf ihre einzelnen Diener herab. Alle chronolo⸗
giſche, hiſtoriſch und geographiſche Angaben ſpre⸗
chen dafuͤr, daß es ein achtes Werk Zoroaſters
iſt, in dem bluͤhendſten Zuſtande der perſiſchen
Monarchie, aber ſpaͤter als der Vendidad ge⸗
ſchrieben. — 2) Das Buch Viſpered ). Es
beſteht theils in Erhebungen und Lobpreiſungen
aller Oberhaͤupter der obern und untern Welt,
theils in beſondern Liturgien bei dem Feuerdienſt.
Dieſes Buch iſt unter allen vorhandenen Zend⸗
buͤchern am letzten geſchrieben, entweder von
Zoroaſter, oder einem feiner erſten Nachfolger.
— ) der Vendidad ). Er enthält keine
Lobpreißungen und liturgiſchen Formulare, ſondern
Offenbarungen des Ormuzd an Zoroaſter, deren
Inhalt hiſtoriſch iſt, Regeln der Sittlichkeit, ein⸗
zelne Verordnungen fuͤr Ornuzddiener, und im
18-22. Abſchnitt Entwickelung gewiſſer theolo⸗
giſcher Grundlehren, auf welche ſich alles Ande⸗
re bezieht. Dieſes Buch iſt vorzuͤglich wichtig,
und after als alle übrige Zendbuͤcher. J) Jeſchts
Sades, enthaͤlt, was der Name ſagt, Lobprei⸗
ßungen der vornehmſten himmliſchen Genien, naͤm⸗
lich des Ormuzd, der 7 Amſchaspands ꝛc. 5
i
— — —
*) Bifpered heißt: Oberhaͤupter der Weſen.
**) Vendidad heißt: gegen den Dew gegeben.
| 152 Zend . Aveſta.
iſt in 18 Abſchnitte getheilt und enthaͤlt vor⸗
zuͤglich eigene Ideen vom Geiſterreich und die
Loca claſſica fuͤr den Naturdienſt der Perſer.
Dieſe Jeſchts gehören in das Zoroaſtriſche Zeit⸗
alter, und ſind von mehrern ſpaͤtern Buͤchern
gleiches Namens zu unterſcheiden. — 5) Sir u⸗
ze Y. Es iſt ein liturgiſcher Kalender, nach den
30 Tagen des Monats abgetheilt, wovon jeder
den Namen ſeines Schutzgenius fuͤhrt. Ueber ſein
Alterthum laͤßt ſich nur dieß beſtimmen, daß es
im Zend geſchrieben iſt, und eine Zeit voraus⸗
ſetzt, in der dieſer Kalender galt.
Außer den eigentlichen Zendbuͤchern iſt noch
das Buch Bun⸗Deheſch zu bemerken. Es
macht keinen Theil *) des Zend-Aveſta aus, iſt
aber zum Verſtande der Zendbuͤcher, in wie fern
es ein Kommentar der Magier uͤber dieſelben
iſt, ſehr dienlich. Es beſteht aus 34 Ab⸗
ſchnitten und enthaͤlt theils Theologie und Kos⸗
mogonie, theils Geſchichte der Natur und der po⸗
litiſchen Begebenheiten. Es iſt nach den Zend⸗
buͤchern geſchrieben, und, da es der Dynaſtie
der Saſſaniden gedenkt, mit welcher das Perſi⸗
ſche Reich im 7ten Jahrh. untergieng, wahrſchein⸗
lich von tiefer Jugend.
So
— — äEmn äR—.
4) Siruze heißt: 40 Tage.
) S. Kleukers gend, Aeg im Ae S.
106. not.
Zend ⸗Aveſta. 153
So wichtig auch dieſe Schriften fuͤr die
Kenntniß der orientaliſchen Religionsphiloſophie
uͤberhaupt ſind; ſo wenig dürfte ſich ein unkriti⸗
ſcher Gebrauch derſelben fuͤr die Darſtellung der
juͤdiſchen Theologie und die hifforifch- dogmatifche
Interpretation vertheidigen laſſen. Denn es iſt
nicht zu laͤugnen, daß der Geiſt, der in den aͤch⸗
ten Schriften Zoroaſters weht, von dem Geiſte
des Judenthums, bei der Zerfförung ihres Staa⸗
tes durch Titus, ſehr verſchieden iſt, und daß
der Philoſoph zu Bactra anders dachte und phi⸗
ſophirte, als ein Pharifaͤer in Palaͤſtina. Hier
zu kommt noch, daß die Zendbuͤcher, wie Kleu⸗
ker) bemerkt, nach ihrer jetzigen Form und
Einrichtung nicht wohl von Zoroaſter ſelbſt kom⸗
men, ob ſie gleich groͤßere und kleinere Theile
enthalten, die ſich, ſelbſt ihrer Form nach von
Zoroaſter herſchreiben moͤgen, aber erſt nach ihm
auf die Art zuſammengeſetzt ſind, wie wir ſie
jetzt haben — Alles dieſes muß dem Ausleger
des N T. große Vorſicht bei dem Gebrauche die⸗
fer Bücher empfehlen, und er hat, nach meiner
Ueberzeugung die Erklaͤrung, die ſich auf eine
andere Quelle ſtuͤtzt, allemal der vorzuziehen, die
aus den Zendbüchern abgeleitet e koͤnnte.
We⸗
—
*) Zends Av. im Kleinen S. 34 f. vergl. mit dem
2. B. im Anhang S. 147 f. des großen Zend⸗
A, von Kleuk. Pes
154 Send ; Aveſta.
Wenigſtens koͤnnnen dieſe Schriften nicht eher in
weiterem Umfange zur Erklärung des N. T.
benutzt werden, als bis man den hiſtoriſchen
Satz als ganz ausgemacht anſieht, daß die Ju⸗
den waͤhrend des Exils die Hauptſaͤtze der Zoroa⸗
ſtriſchen Religion angenommen haben, und daß
ihnen dieſe Saͤtze vorher unbekannt geweſen ſeyen.
Indeſſen bleibt ſo viel immer gewiß, daß ſich im
Zoroaſtriſchen Syſteme ſehr Vieles findet, was
auch im N. T. vorkommt, (wie z. B. Engel,
Daͤmonen, Auferſtehung) und daß man folglich
dieſe Grundſaͤtzze und Lehren als allgemein im
Oriente verbreitet betrachten, und ſchließen kann,
daß auch im N. T. mit den Worten, welche
ſich auf jeue Lehren beziehen, daſſelbe bezeichnet
werde. Dabei bleibt aber immer noch der Fall
zu unterſuchen uͤbrig, ob nicht dieſe Lehren bei
den Juden eine beſondere Modiſikation erlitten
hatten. So iſt z. B. ein weſentlicher Unterſchied
zwiſchen den Daͤmonen der Juden und den Dew's
Zoroaſters. S. §. 36, f
Ueber das Religionsſyſtem Zoroaſters ſind,
außer den ſchon angefuͤhrten Schriften, noch fol⸗
gende zu bemerken: das unvollſtaͤndige und man⸗
che Unrichtigkeiten enhaltende Werk von: Thomas
Hyde, hiſtoria religionis veterum Perſarum,
/eorumque Magorum. Oxon. 1700. 4. (und
nachher mit einigen Zuſaͤtzen unter dem etwas
veränderien Titel; veterum Perſarum et Parthe-
rum et Medorum religionis hiſtoria. Lond.
1760.
Zend⸗Aveſta. 155
1760. 4. — Zend - Aueſta, ouvrage de Zo-
roaſtre, contenant les idees theologiques, phy-
ſiques et morales du culte relig eus, qu'il a
etabli etc. Traduit en francois fur l' Original
Zend, avec des remarques et accompagne de
plufieurs traitds propres à eclaircir les matie-
res, qui en font l’obiet. Par M. Anquetil
du Perron. à Paris 1771. II Tom. 4. Hier⸗
mit vergl.: von der parfifchen Relig. und Geſetz⸗
gebung nach dem von Anquetil herausgeg. Werke,
das Zend Av. betitelt wird; in den Beiträgen
zur Befoͤrd. d. vernuͤnft. Denk. ꝛc. 13. Heft S.
136-161. — Vorzuͤglich brauchbar wegen
ſehr belehrenden Abhandlungen iſt die Ueberſe⸗
kung des franzoͤſiſchen Werks: Zend, Aveſta, oder
Zoroaſters lebendiges Wort ꝛc. von J. F. Kleu⸗
ker. Riga, 1776. 77. 3 Theile gr. J. (vom
erſten Theile eine neue Aufl. ebendaſelbſt 1786.)
Zu dieſem Werke gehoͤret: Anhang zum Zendave⸗
ſta, von J. F. Kleuker. Leipz. und Riga 1
Band in 2 Theilen 1782, 2 B. in 3 Theis
len 1783. gr. 4. — Einen ſehr brauchbaren
Auszug aus ſeinem großen Werke lieferte Kleu⸗
ker: Zend-⸗Aveſta im Kleinen — — nebſt ganz
neuen Abhandll. und vollſtaͤndigen Erläuterungen
aller hier vorkommenden Sachen und Begriffe
Riga 1789. 8. — Einen andern brauchbaren
Auszug, der manches enthaͤlt, was in dem klei⸗
nen Kleukeriſchen Werke fehlt, gab: Fried. Sim.
Eckardt: Ormuzd's lebendiges Wort an Zoroa⸗
ſter, oder Zend⸗Aveſta. In einem Auszuge
f nebſt
7
156 AJndiſche Religionsbuͤcher.
| nebſt einer Darſtellung des Religionsſyſtems der
Parſen. Greifswalde. 1789. 8. — Eine lichtvolle,
getreue und ziemlich vollſtaͤndige Darſtellung des
Zoroaſtriſchen Syſtems nach den Zendbuͤchern fin⸗
det man außer bei Kleuker a. a. O., bei Horn,
über die bibl. Gnoſis, S. 127 ff. — Einen
Verſuch, das N. T. aus dieſen Schriften und der
Zoroaſtriſchen Philoſophie zu erlaͤutern, machte
Herder: J. G. Herder, Erlaͤuterungen zum
N. T. aus einer neu eroͤffneten morgenlaͤndiſchen
Quelle. Niga, 1775. 4.
1 §. 31.
Indiſche Religiousphiloſophie; ein
Zweig der perſiſchen. a
In einer Recenſion der Hauptquellen der
orientaliſchen Religionsphiloſophie ſcheinen die In⸗
dier nicht uͤbergangen werden zu koͤnnen; beſon⸗
ders da wir in neuern Zeiten weitlaͤuftige und
glaubwuͤrdige Nachrichten vou ihren Religions⸗
meinungen, und ſelbſt einige ihrer wichtigſten Re⸗
ligionsurkunden erhalten haben. Doch laͤßt es
ſich nicht laͤugnen, daß fie nicht als Duelle der
Erforſchung der juͤdiſchen Theologie, ſondern nur
als lehrreiche Vergleichung betrachtet werden
kann. |
So weit wir die indiſche Religinsphiloſo⸗
phie bis jetzt kennen, ſcheint ſie allerdings aus
dem Syſteme Zoroaſters entſprungen zu ſeyn, we⸗
nigſtens ihre Grundzuͤge aus ihm entlehnt zu ha⸗
ben.
Indiſche Neligtensbücer. 157
ben. Denn auch fie lehrt eine Emanation der
Welt aus dem Urweſen, ein gutes und boͤſes
Prinzip, gute und boͤſe Geiſter (die letztern gleich:
falls Dews, wie bei Zoroaſter, genanut,) und
ein Reich des Lichts und der Finſterniß. — Je
deutlicher uns dieſes auf einen Zoroaſtriſchen Ur⸗
ſprung hinweißt, um fo viel glaubwuͤrdiger wer;
den die hiſtoriſchen Gruͤnde fuͤr die fruͤhe Ver⸗
bindung Zoroaſters mit Indien, und den Ueber⸗
gang ſeiner Lehre in dieſes Land, die Horn
über die bl. Gnoſis S. 193 ff.) aufgeſtellt hat.
Es laͤßt ſich aber für jetzt noch kein gewiſſes Ur.
theil uͤber das Verhaͤltniß der indiſchen Reli⸗
gionsphiloſophie zu der orientaliſchen und nament⸗
lich der juͤdiſchen fallen, da es noch unentſchie⸗
den iſt, theils wie alt die indiſchen Religions-
schriften, die bekannt gemacht worden find, theils
wie treu die Nachrichten, die uns mehrere Schrift⸗
ſteller von dieſer Religion gegeben haben, ſeyn
mogen. Gewiß iſt es uͤbrigens daß nicht nur
durch die Kriegszuͤge Alexanders im dritten Jahr⸗
hund. vor Chriſti Geb., ſondern auch durch das
ſpaͤtere Eindringen des Islams in Oſtindien *),
die Religion dieſes Landes manche Veraͤnderung ers
fahren hat, und beſonders mit vielen Zuſaͤtzen und
Traditionen bereichert worden iſt. Bis jetzt ha⸗
ben wir nur erſt noch halbes Licht uͤber dieſe
Reli⸗
55 Vielleicht ſelbſt durch die Bemuͤhungen if
cher Miſſionaͤrs.
158 Indiſche Neligtonsfchriften,
Religion, und daß Verhaͤltuiß derſelben zu der
orientaliſchen Religionsphiloſophie kann nicht eher
mit einiger Gewißheit ausgemittelt werden, als
bis die Kritik ihr Amt an derſelben verwaltet, und
uͤber ihr Alter, ihr e e und ihr
Angeeignetes entſchieden hat.
Fur die hiſtoriſch⸗dogmatiſche Auslegung
des neuen Teeſtaments find folglich dieſe Schrif:
ten wenig oder gar nicht zu brauchen, und Al⸗
les was der Interpret her thun kann, duͤrfte
ſich bloß darauf beſchraͤnken, daß er die Saͤtze
jener Religion als merkwuͤrdige Parallelen be⸗
trachtet, ohne aber ſich zu erlauben, Erklaͤrungs⸗
gruͤnde aus ihnen abzuleiten.
Schriften uͤber die Religion der Indier )
ſind folgende: Abraham Roger, offene Thuͤr
zu dem verborgenen Heidenthum: aus dem holz
laͤndiſchen, deutſch durch Chr. Arnold. Nuͤrnb.
1663. 8. (der Verf., hollaͤndiſcher Prediger in
Indien, ſammlete ſeine Nachrichten aus dem Mun⸗
de der Braminen. Nach Leſſ verdienen fie Glau⸗
ben.) Mit Rogers Nachrichten harmoniren die⸗
jenigen, welche La Croze im 6ten Buch feiner
hiſtoi-
4
) Eine ziemlich genaue Angabe dieſer Schriften
findet man bei Leſſ, uͤber die Religion, 1. Thl.
S. 407 ff. in der Note, dem ich e 275 die
aͤltern Schriften anlangt, folge. 8
*
Indiſche Religionsſchrifern. 159
hiftoire du Chriſtianisme des Indes ( la Haye,
1724. 8.) p. 424 ff. giebt, und die er haupt⸗
farblich aus handſchriftlichen Nachrichten des Miſ⸗
ſtonaͤrs Ziegenbalg, genommen hat, genau;
obgleich der Verf. Rogers Beſchreibung nicht kann⸗
te, (S. Leſſ a. a. O.) — Erthuſtaſtiſch für
die Religion der Braminen eingenommen, und da⸗
her wohl nicht ganz unpartheiiſch ſchrieb Hol-
well, der ſich dreißig Jahre in Bengalen aufge⸗
halten hatte, ſeine Intereſting Hiſtorical Events
relative to the Provinces of Bengal, and
the empire of Indoſtan: by Iohn Zach.
Holwell, Lond. 17651777. 3 Voll. 8
— Jns deutſche uͤberſetzt von Kleuker; Leipz.
1778. (Horn urtheilt“) guͤnſtiger über ihn.) “).
— Den Codex eines Braminiſchen Geſetzbuchs
gab Halhed heraus: Code of Gentoo-Laws,
or Ordinations of the Pundits from a Perſian
translation, made from the Original written
in the -Schanscrit language. Lond. 1777. 8.
— Eine andere wichtige Religionsurkunde iſt der
creme! Vedam; L’Ezour- Vedam, ou an-
i cien
— — —
) ueber die bibl. Gnoſ. S. 199.
*) Ihm widerſprach in vielen Stuͤcken der aller⸗
dings weniger eingenommene, aber nicht fo gruͤnd⸗
lich unterrichtete Alexander Dow, der ſich
gleichfalls lange in Indien aufgehalten hatte,
in feiner hiſtory of Hindoftan,, Lond. 1769.
3 Voll. 4. —
160 Indiſche Religionsſchriftrn.
eien commentaire du Vedam contenant l“ ex-
poſition des opinions religieuſes et philofo.
phiques des Indiens. Traduit du Samscretan
par un Brame. Revu et publi€ avec des ob-
fervations preliminaires, des notes et des eclair-
ciſſements. Yverdon, 1778. 2 Tom in 12. ).
(Kam auch deutſch heraus: Ezour⸗Vedam von
einem Braminen aus d. Samſkretaniſchen ins
Franzoͤſiſche, und aus dieſem ins Deutſche uͤberſ.
und mit einer Einleit. und Anmerkk., nebſt ei⸗
nem ungedruckten Fragmente des Bagavadam;
von Joh. Jeh. Bern, 1779. 2 Bande, gr. 8.)
Zur Erläuterung des N. T. benutzte ihn Schmidt:
Stellen aus dem Ezur-Vedam verglichen mit
Stellen aus dem alten und N. T. von Joh. E.
Ch. Schmidt; in ſein. Repertor. fuͤr die Lite⸗
ratur d. Bibel. 1. St. no. 2. — Bagavadam,
ou doctrine divine, ousrage indien canoni-
que, ſur PEtre ſuprème, les Dieux, les Geans,
les Hommes ete. a Paris, 1788. gr 8. — Bag-
vat - Geeta, or dialogues of Kreeſchna and Ar.
joon in eighteen lectures, With notes transla-
ted
*
*
e
—
*) „Die obferustions prelimin. (ſagt Leſſ a. a.
O. S. 412) des ungenannten Herausgebers ents
halten einen leſenswürdigen Auszug deſſen, was
Roger, La Croze, De Guignes, von den heill⸗
gen Buͤchern der Indier, auch einige hands
ſchriftl. Nachrichten in der koͤnigl. Biblioth. zu
Paris daruͤber haben. 5
>
Indiſche Religionsſchriften. 161
ted by Charl. Wilkins. Lond. 1785. gr.
4. (Auch Franzoͤſ. Le Bhaguat- Geeta, oll Dia-
logues etc. trad de “ Angl. en Frang. par Mr.
Parraud à Londr. et Par. 1787. 8.) Aus⸗
zug aus dem helligen Buche der Hindus Bhagat
Gita; in den Beitraͤg. zur Befoͤrder des ver,
nuͤnft. Denk. ꝛc. 1 2. Hft. S 35-77. — Vor⸗
zuͤglich aber haben Jones, Paullinus und Anque⸗
til ſich bedeutende Verdienſte um die Darſtellung
des indiſchen Religionsſyſtems erworben: Diflerta-
tions aud milcellanevus pieces, relating to
the hiſtory and antiquities, the arts; fciences
and literature of Aſia. By William Io-
nes. Lond. 1791. 92. deutſch uͤberſ. von J.
C. Fick und mit Zuſaͤtzen verſehen von J. F.
Kleuker. Riga, 1795. 8. — Ein Hauptwerk
iſt das von Fr. Paullinus (Miſfionaͤr in Oſt⸗
indien, und Kenner der ſamſkritiſchen Sprache)
ſyſtema Brahmanicum liturgicum; mytholo-
gicum, ciuile. Ex monumentis Indicis Mu-
fei Borgiani Velitris, diflertationibus liſtorico-
erit. Hluftrauit. Romae 1794. — Oupne-
k’hat (i.e. ſecretum tegendum), opus in ipfa
India rarifimum, continens antiquam et ar-
canam, ſeu theologicam et philofophicam
doctrinam e quatuor Indorum libris, Rak⸗
Beid, Djedir-Beid, Sam- Beid, Athrhan- Beid,
excerptam, ad verbum e perfico idiomate
ſamſcreticis vocabulis intermixto, in latinum
conuerfum, diſſertationibus et annot. illuſtra-
tum, opera et ſtud. Anquetil du Perfon.
| 8 At.
—
162 Indiſche Religionsſchriften.
Argentorati, II Voll. 18011 4. Dieſes Buch
iſt in der Ueberſetzung aͤußerſt dunkel, und ſelbſt ge⸗
gen die Aechtheit der Darſtellung hat man Zweifel
erhoben *). „ b bee >
Darſtellungen der indiſchen Religion findet
man außerdem in: „Beobachtung uͤber die Ueber⸗
einſtimmung der Goͤttergeſchichte der Braminen
mit der aͤltern bibl. Geſchichte aus einer Nach⸗
richt der Lettres ediſiantes gezogen; in den Bei⸗
traͤg. zur Beſoͤrd. d. vernuͤnft. Denk. ꝛc. 1. Heft,
S. 76-85. (Vergl. mit dem Aufſatz: ob in
der Bibel ſich Mythen finden; ebendaſ. 18. Hft.
S. 1-73.) bei Horn, über die bibl. Gaoſis
S. 206 ff. und Kleuker: das Brachmaniſche
Religionsſpſtem im Zuſammenhange dargeſtellt und
aus feinen Grundbegriffen erklärt (1798. 8.),
welches als 4ter Theil zu den angeführten dif-
ſertat. von Jones gehört *). §. 32.
*) S. die Anzeigen in der Eunomia, Jahrg 1803.
December. S. 415 ff. Schlegels Europa 2.
Hit S. 115 ff. und die Leipziger Literaturzei⸗
tung 1803. Vergl. mit Staͤudlins Magaz. für
Religions ⸗Moral- und Kirchengeſchichte, 3
B. 2. St. S. 293-298. f
*) Außerdem verdienen noch verglichen zu werden:
De Guignes recherches fur les Philofophes
apelles Saman&ens; in der hift. de P’Acad. des
Inſeriptions T. XXVI. (à Par. 1759. 4,) und
Deſſ. recherches hiſt. fur la relig, Indienne
‚et für les livres fondamenteaux de cette relig.
etc. ebend. T. XL. (1780.) Mignot Meémoi-
res fur les anciens Philofophes de Inde; ebend.
T. XXXI. (1768). — Sinner Eſſai fur les
5 ö dog-
*
Apokryphen des N. T. 163
58.32.
3) Grſechiſche Quellen.
a) Apokryphen des N. T.
Unter griechiſchen Quellen wollte ich die
Schriften der Chriſten aus dem erſten und
zweiten Jahrhundert begreifen, in wie fern bei
ihnen die griechiſche Philoſophie, wie fie in Ale—
xandrien und Kleinaſten bluͤhete, vorherrſchte.
(Ich geſtehe aber gern zu, daß dieſe Eintheilung,
zu welcher mich die Sammlungen der Apokry⸗
phen verleitete, nicht genau und nicht dogmatiſch
iſt, indem dieſe Apokryphen bald zu der alexan⸗
driniſchen bald zu der palaͤſtinenſiſchen Theologie
gehören, Haͤtte ich aber der ſchicklichern Eins
theilung der Bücher nach ihren Grundſaͤtzen fol
gen wollen; ſo wuͤrde dieſes eine Angabe der
einzelnen apokryphiſchen Buͤcher nothwendig ge⸗
macht haben, die nothwendig zu vielen Unbequem⸗
lichkeiten und Weitlaͤuftigkeiten geführt haben wuͤr⸗
L 2 de.
dogmes de la Metempfycofe etc. à Bern. 1771.
8. (Verſuch uber die Seelenwandr. ıc, Lelpge
1775. 8.) Skerches of the hiftory, religion
etc. of the Hindous, by Q. Crawforth, Lond.
1792. Voll. 2 gr. 8. zte Ausg. und Indian Ans
tiquities by Thom. Maurice, Lond. 1792
94. 5 B, gr. 8. Hiermit iſt noch die kleine
Abhandl. zu vergleichen t Ueber Indien, als Quel⸗
le der Mythologie: in Eichhorns Bibl. 8. B.
S. 608-628, (aus einer vom Hrn. Prof. Lich⸗
tenſtein zu Hamb. 1797. gehaltenen latein, Rede,
164 Apoktyphen des N. T.
de.) Zu ihnen gehoͤren zuerſt die Apokryphen
des N. T., oder diejenigen Schriften, die man
Jeſu, den Apoſteln, Evangeliſten und andern
merkwuͤrdigen Maͤnnern, die im N. T. erwaͤhnt
werden, untergeſchoben, oder uͤber die Geſchichte
Jeſu und der Apoſtel erdichtet hat. Es iſt ih⸗
rer eine große Anzahl; die meiſten aber kennen
wir entweder nur dem Namen nach, oder in duͤrf⸗
tigen Fragmenten, welche uns die Kirchenvaͤter
aufbehalten haben (wie z. B. das Evangel. der
Hebraͤer), und nur die wenigſten beſitzen wir
ganz. Denn man ſuchte ſie, vornehmlich ſeit
dem vierten Jahrhunderte, ihres ketzeriſchen In⸗
halts wegen zu unterdruͤcken. Die Urſachen und
Veranlaſſungen ihrer Entſtehung waren verſchie⸗
den, indem einige aus Begierde von Jeſu Schicke
ſalen genauere Nachrichten zu wiſſen und zu ge⸗
ben, einzelne hiſtoriſche Andeutungen der neute⸗
ſtamentlichen Schriftſteller weiter auszufuͤhren,
hiſtoriſche Luͤcken aus der Tradition zu ergaͤnzen,
andere aber deßwegen verfertigt und den Apo⸗
ſteln zugeſchrieben wurden, um gewiſſen Meinun⸗
gen und Lehrſaͤtzen ein apoſtoliſches Anſehen zu
verſchaffen; was vorzuͤglich von den Apokryphen
gilt, welche die zahlreichen haͤretiſchen e 8
zum Vorſcheine brachten *
Der
25 Mosheim de cauſis ſuppoſ. brerr, in 1
Differtatt, ad hift, eccleſ. Tom. I. p. 217 fg.
*
Apokryphen des N. T. 165
Der kleinſte Theil dieſer Schriften iſt von
hohem Alter und kommt dem Zeitalter der Apo⸗
ſtel nahe, wie z. B. das Ev. de natiuitate Ma-
riae (nach dem griechiſchen Text bei Birch, nicht
nach dem Latein. bei Fabric.); das Evangel.
Petri und andere; der groͤßte Theil hingegen ent⸗
ſtand im zweiten Jahrhundert und iſt alſo immer
noch ſo alt, um unſre Aufmerkſamkeit zu ver⸗
dienen. Nur der kleinſte Theil dieſer Schriften
iſt aus noch juͤngeren Zeiten; wohin beſonders
einige mit ſpaͤtern Zuſaͤtzen bereicherte Recenſio⸗
nen älterer Apokryphen gehören. — In Ruͤck⸗
ſicht ihres Inhaltes ſind ſie theils hiſtoriſch,
und liefern Traditionen oder hiſtoriſche Fiktio⸗
nen von den Schickſalen Jeſu, der Apoſtel, der
Maria u. ſ. w.; theils hiſtoriſch⸗ dogmatiſch, in
wiefern fle die Geſchichte als Beweis für gewiſ⸗
ſe Dogmen behandeln; theils dogmatiſch, und
tragen vorgebliche geheime Lehren der Gnoſis und
Theoſophie, oder dogmatiſche Traditionen vor, die
durch das Anſehen apoſtoliſcher Namen zu Glau-
bensſaͤtzen erhoben werden ſollen; theils apoka⸗
lyptiſch, und enhalten Prophezeihungen von den
nahe bevorſtehenden Schickſalen der Kirche und
ihrer Verfolger, und chiliaſtiſche Hoffnungen und
Schwaͤrmereien. Ein Theil von ihnen iſt offen⸗
bar von Judenchriſten, voll roher juͤdiſcher Na⸗
tionalbegriffe; ein anderer aber von Heidenchri⸗
ſten, beſonders Alexandrinern, oder alexandrini⸗
ſchen Judenchriſten geſchrieben, in denen ſich deut⸗
liche Spuren der in Alexandrien bluͤhenden Re⸗
gl
\
166 Apokryphen des N. T. f
ligionsphiloſophie entdecken laſſen. Sie enthalten
theils Evangelien, (wie das Euang. de Natiu.
Mariae, Euang. Nicodemi, Euangelia infan-
tiae Ieſu,) theils find es Acta Apoſtolorum (z.
B. Acta Petri, Pauli etc.), theils Briefe, die
den Apoſteln zugeſchrieben werden (4. B. Brief
Pauli an die Laodicaer, ein dritter Br. Pauli an
die Korinth.), theils Apokalypſen (z. B. die Of⸗
fenbarung Petri, Off. Pauli), theils andere Auf;
ſaͤtze religioͤſen Inhalts (z. B. die conttitutt.
apoſtol.).
Ueber den Gebrauch dieſer in Ruͤckſicht ih⸗
res Zeitalters, ihrer Verfaſſer, und ihres In⸗
haltes ſo verſchiedenen Buͤcher fuͤr die Religions⸗
geſchichte des Orients laßt ſich im Ganzen mehr
ſagen, als über den Nutzen, den fie dem hiſto⸗
riſch dogmatiſchen Ausleger des N. T. gewaͤh⸗
ren koͤnnen. Es bedarf kaum einer Erinnerung,
daß ſie mit großer Vor ſicht und mit gehoͤriger
Ruͤckſicht auf ihre Beſchaffenheit benutzt werden
muͤſſen. Denn ſo wenig es erlaubt ſeyn wuͤr⸗
de, aus dieſen Buͤchern die evangeliſche Geſchich⸗
te des N. T. zu ergänzen, da ſie voll der laͤp⸗
piſchten Fabeln ſind; ſo wenig iſt es erlaubt,
ihre religioͤſen Meinungen ohne naͤhere Unterſu⸗
chung zur Erklaͤrung des N. T. anzuwenden, da
fie fo verſchiedene, fremdartige, und durch mans
cherlei Umſtaͤnde verunreinigte gnoſtiſche Grund⸗
ſaͤtze enthalten, und bisweilen ganz einfache Lehren
der juͤd. Theologie durch eins Menge von Zuſä⸗
Ä ©. gen
—
Apoktyphen des N. T. 167
tzen verunſtalten, welche man nicht mit der ein⸗
fachen Lehre zugleich auf das N. T. uͤbertragen
darf. Doch ſind ſie nicht etwa ganz zu verwer⸗
fen, da ſie uns vielmehr, mit gehoͤriger Kris
tik gebraucht, manche Vorſtellungen der erſten
Chriſten deutlich machen, und oͤfters durch ihre
Erklaͤrungen zeigen, wie man Stellen des N. T.
erklart und verſtanden habe. Man hat aber die
aͤltern jederzeit den juͤngern, die, welche bloß
hiſtoriſch find, und Dogmen nur gelegentlich be⸗
ruͤhren, den eigentlich degmatiſchen vorzuziehen,
weil dieſe gewoͤhnlich die Dogmen einer Par⸗
thei enthalten. Unter dieſen ſind aber wieder die
Schriften, welche juͤdiſch⸗ chriſtlichen Partheien
ihren Urſprung verdanken, denen der heidniſch⸗
chriſtlichen Sekten vorzuziehen; weil ſich vor⸗
ausſetzen laͤßt, daß die erſtern mit den Vor⸗
ſtellungen der Juden zu der Apoſtel Zeiten ge⸗
nauer bekannt waren, und feſter an denſelben
EN ne hierüber ſ. im folgenden h.
Hier einige Beiſpiele der Erlaͤuterung:
Das Wort oaceec ue wird im N. T. haͤufig
von der Suͤndenvergebung gebraucht, und der
Menſch in ſo fern gerechtfertiget genannt,
in wie fern er von Gott als ſchuldlos behandelt
wird, und keine Strafe weiter zu erwarten hat.
Hierzu finden ſich zwei trefffiche Parallelſtellen im
Protevangelio Jakobi, wo (Tom. I. p. 78. bei
Fabricius) Joakim nach einem vollbrachten Opfer
im a die gewiſſe Hoffnung erhalt, daß er
Kin⸗
ee
168 Apokryphen des N. T.
Kinder bekommen werde, deren Mangel er als
goͤttliche Strafe betrachtet hatte, und ſagt: y
„%*, ori & avaos N ma, wur d Oed
RATE Te. Orte ou. Kos A
er reu vn vu dedızmiwmenos. Und,
S. 113. ebendaſ. heißt die Salome, da ſie von
einer Krankheit, die ihr als Strafe auferlegt
worden war, befreit wurde, gehe ẽům. —
Joh. 20, 38. ſpricht Thomas zu Jeſus: 6 wu
eiog n d Oeos mov. Vielleicht hatte der Verf.
der apokryphiſchen Apokalypſe Johannis dieſe
Stelle in Gedanken, wenn er (bei Birch p.
245.) den Johannes Jeſum ſo anreden laͤßt:
beis 4 Sees mov, © ner ne. douAov
cο eε,ν,, ü te. — Apoſtelg. 20, 28. su.
anno r de, I geg ẽNeπο de vo
do ceHẽrog. Auf ahnliche Art heißt es im Evang.
Joſephs von Arimath. (bei Birch S. 183.) rey
geo Esavewaoa..—— So wie bei Johannes
Jeſus & Noos heißt, fo wurde er auch im Evan:
gel. Petri fo genannt: ey T Tlergov xn
1 cg dv Nowov nm Aoyov xugion meoc-
aryogevonzvov. Clemens Strom. I. bei Grabe
T. I. Spic. p. 63-63.) — Daß auch vos
Deo wie Rom. 1, 3. 4. und Joh. 1, 18.
(nicht nur den Meſſias, ſondern auch) den Sohn
Gottes, in Rückſicht feiner Natur, nach dem Sprach⸗
gebrauche jener Zeit bezeichnet habe, zeigt das
Euang. Nicodemi (bei Birch 11 5.0, wo Satan
in der Unterwelt ſagt: Ex roy eve r lov-
dci 718 Insous Neyo, bg Eaurov
vloy
Apokryphen des N. N 169
vloy Oeov, obres de y A ] -s
ya erg oldes, r. !, ssi. Eben fo
ſprachen die Juden Joh. 5, 18. — 1. Joh.
5, 20. &v Ta: bi cον,õẽñ n Xasw‘ ou ros
Sg 6 GN Hees Nc I dam eiwuos. Ganz
parallel iſt die Stelle in den Refer. Tiberii
(bei Birch, S. 175.): e. de misevowreg
Xe e Yeov Tov e nx ů gwrnga ).
Herausgegeben find die apokryphiſchen Bir
cher des N. T. und deren Fragmente von Gras
be in dem S. 128. angeführten Spicileg. SS.
Patrum; I. A. Fabricius, codex Apocry-
phus N. T. collectus, caſtigatus, teſſimoniis-
que, cenſuris et anidmaduerſſ. illuſtratus
Hamb. 1703 und 1719. 3 Tomi in 2 Baͤn⸗
den kl. 8. — Auctatium Codicis Apocryphi
N. T. Fabriciani, continens plura inedita, alia
ad fidem codd. mfl. emendatius expreſſa. Ed.
Andreas Birch. Fafcicul. prim. Hauniae
1804. 8. — Die beſten Nachrichten über die⸗
fe Schriften haben, außer Grabe, Fabricius und
Birch, vorzuͤglich Beaufobre. in ſ. discours
fur les livres apocryphes, im erſt. Bande ſei⸗
ner hiftoire des Manicheens, (ſteben auch in
Cra⸗
9 Doch kommen bald darauf die Worte vor:
cc TU Gαοννναεαπ aUroy (naͤmlich ev er g
ueν,E t, die dieſer Schrift einen ſpaͤtern Ute
ſprung anzuweiſen ſcheinen.
—
170 Apokryphen des N. T.
Cramers Beitraͤg. zur Befoͤrd. theolog. Er⸗
kenntniß, 1. B. S. 25 1 ff) und Kleuker
gegeben. Ueber die Apokryphen des N. T. von
J. F. Kleuker. Hamb. 1798. 8. (auch unter
dem Titel: ausfuͤhrl. Unterſuchung der Gründe
fuͤr die Aechtheit und ee, der 1
rn des Chriſtenth. 31e Zum:
user elfgeie diefer Apokryphen: Disquiſitio hi-
ſtorico - eritica de indole, aetate et vſu libri
opoer., vulgo inſeripti: Euangelium Nicodemi,
‘suctore Guil. Lud. Bruns. Berol. 1794. 8.
Ein Progr. de Euangelio infantiae leſu fi-
eto et vero. Lipſ. 1285. 4. — Ueber die Evans
gelien d. Kindheit Jeſu; in Schmidts Bi⸗
blioth. f. Kritik und Exeg. e B. 4. St. S.
4812-503, — Von den apokryphiſchen Evans
gelien der älteften Zeit. in den Beitraͤg. z. Be⸗
find, des vernunft. Denk. 16. Hft. S. 3 ff.
J. E. Ch. Schmidt, Entwurf einer ber
flimmtern. Unterſcheidung verſchiedener verloren
8 Evangelien; in Henke's Magaz. .
a 3. St. S. 576 595. — Ulrſprung des
Mannen Evangelium der 12 Apoſtel. (Ein
Nachtrag zu Schmidts Verf, ein beſt. Unterſch.);
in 8 Biblloth. f. Krit. und Exegeſe des
IT, St. S. 459 ff. — Obſerva⸗
tionen au E des N. T. aus dem Prot⸗
evangel. Jakobi von J. E. Ch. Schmidt;
in ſ. Biblioth f. Kritik ꝛe. 1. B. 1. St. S.
130-138, Van Dale de actis Pilati in ſ.
Buche de orseulis vet, gentil, p. 608. Oel-
richs collectio opuſcul. hiſt. philol. theolog.
T. I. p. 303. und Henke Progr. de Pilati
actis Fa len. 1784. 4.
6 1
3 8
—
.
§. 33.
Aelteſte Kirchenvaͤter und Haͤretiker 171
F. 33. |
Kirchenväter und Ketzer des erſten und
zweiten Jahrh. |
So wie die Apokryphen, als Denkmäler
der aͤlteſten Chriſten, eben fo verdienen die Altes
ſten Kirchenvaͤter und Ketzer uͤberhaupt die Be⸗
ruͤckſichtigung des hiſtoriſch⸗ dogmatiſchen Ausle⸗
gers, da die Vaͤter, beſonders die apoſtoliſchen,
mit den Vorſtellungen und dem dogmatiſchen
Sprachgebrauche der Apoſtel genauer bekannt ſeyn
mußten, die Ketzer aber, beſonders die juͤdiſch⸗
chriſtlichen Partheien, den Geiſt eines Theils der
Cy iſten charakteriſiren und uns mit ihren Vor⸗
ſtellungen bekannt machen. Ueberdieſes iſt es ges
wiß, daß Paulus ſchon gegen gewiſſe Irrlehrer,
ſowohl aus dem Juden als aus dem Heiden⸗
thume, kaͤmpft, und wahrſcheinlich, daß auch Jo⸗
hannes in ſeinen Schriften auf gnoſtiſche Lehrſaͤ⸗
tze Ruͤckſicht nahm. Alſo doppelte Gruͤnde fuͤr
den Ausleger, ſich mit den Grundſaͤtzen der al
ten Kirche vorzuͤglich im erſten und zweiten
Jahrhundert bekannt zu machen. Denn ſie
iſt ja das naͤchſte Glied an der Kette der Leh
ren, welche durch die Apoſtel ausgebreitet wur⸗
den — Doch je weiter in den Jahrhun⸗
derten herab, je mehr Kampf und Streit in
der Lehre, je bemerkbarer der Einfluß fremnm⸗
der Philoſophie und Spekulationen, je bedeu⸗
tender die Abweichungen einzelner Vaͤter von der
Einfachheit des apoſtoliſchen Lehrbegriffs; je uns
ſiche⸗
172 Aelteſte Kirchenvaͤter und Haͤretlker.
ſicherer folglich ihr Gebrauch für die Beſtim⸗
mung der alten Theologie zu der Apoſtel Zeiten.
Was nun den Gebrauch der Schriften
ber aͤlteſten Kirchenvaͤter und Ketzer fuͤr die
Kenntniß der juͤdiſchen Theologie uͤberhaupt und
fuͤr die Erklaͤrung des N. T. ins beſondere be⸗
trifft; ſo iſt im Allgemeinen hieruͤber dieſes zu
zu bemerken; daß es eben fo wenig erlaubt ſeyn
wuͤrde, die beſondern Meinungen der haͤretiſchen
Partheien als Theile der juͤdiſchen Theologie uͤber⸗
haupt, folglich als allgemeine Quelle der hi⸗
ſtoriſch ⸗dogmatiſchen Auslegung zu betrachten,
als es fehlerhaft ſeyn würde, die aͤlteſten Kirchen⸗
väter, ohne Ruͤckſicht auf ihre Individualität, auf
gleiche Weiſe zu gebrauchen. Denn ſowohl jene
als dieſe haben ihr Eigenthuͤmliches, und modifi⸗
cirten die Summe der von den Apoſteln und des
ren Schuͤlern empfangenen Lehrſaͤtze, nach Maaß⸗
gabe ihrer anderweitigen Meinungen und ihrer
Philoſophie. Beſonders gilt dieſes von den phi⸗
loſophiſchen Kirchenvaͤtern, die, wie die Phi⸗
loſophen aller Zeiten, nicht ihre Philoſophie nach
der Religion, ſondern dieſe nach jener modelten.
Man muß daher bei ihrem hermeneutiſchen Ge⸗
brauche vielfache Ruͤckſichten nehmen, und es
ſcheint allerdings, als ob man in neuern Zeiten
hierin zu raſch verfahren ſey. So hat man,
um eines der wichtigſten Beiſpiele anzufuͤhren,
neuerlich behauptet, die aͤlteſten Kirchenvaͤter,
namentlich Juſtinus Martyr, haͤtten keinen we⸗
ſent⸗
Keitefte Kirchenvater und Haͤretiker. 173
fentlichen Unterſchied zwiſchen Noos und mvev-
px eryıov gekannt, und den letztern nur als er-
p% gien angeführt, weil er in der Tauf⸗
formel und im A. T. beſonders genannt werde.
Dieſes behaupteten unter andern Lange *), Muͤn⸗
fiber *) und J E Ch. Schmidt *); und
letzterer und Horſt * meinten, daß auch Jo⸗
hannes zwiſchen No yes und v eν,e &. nicht uns
terſchieden hahe. Ohne zu unter ſuchen, was die
Vaͤter und namentlich Juſtin hieruͤber eigentlich
gelehrt haben moͤgen, indem ich mich hier auf
Keils gründliche Unterſuchungen ier) berufen
kann, nach denen fie glaubten, daß der Aoyos
durch
) Sam. Gott. Lange diſſ. in qua Iuſtini Mor-
tyris apologia prima ſub examen vocatur, len.
P. I. II. 1795. 8. und in ſein. Dogmengeſchich⸗
te 1. B. — Eine ſcharſe wiͤderlegende Kritik
der Langiſchen Abhandl. gab Paulus in der
Recenſ. im neuen theol. Journ. 6. B.
609 ff.
**) in fein. Dogmengeſch.
**) in den chriſtolog. Fragmenten; in ſ. Biblioth.
fl. Kritik und Exeg. 1. B. 3. St. S. 357.
) in einigen Abhandll. Über das Evang. Jo⸗
hann. in Henke's Muſeum 1. B. 1. St. S.
34. und anderwaͤrts.
44569 Keil, ob die aͤlteſten chriſtl. Lehrer einen
Unterſchied zwiſchen dem Sohne und dem heil,
Geiſt gekannt, und welche Vorſtellungen ſie ſich
davon gemacht haben? Eine patriſtiſche Unter⸗
—ſuchung; in Flatts Magazin f. chriſtl. Mor.
und Dogm. 4. Thl.
—
174 Aelteſte Kirchenvaͤter und Hͤretiker.
durch oder vermittelſt des en aus Gott her⸗
vorgegangen ſey; ſo ſey es mir nur erlaubt, ei⸗
nige Zweifel dagegen anzuführen, daß auch Jos
hannes dieſelbe Meinung gehabt habe. Erſtlich
kann dieſe Vermuthung nur dann zugelaſſen wer⸗
den, wenn man Nees in der Bedeutung Vers
nunft nimmt; denn die ſelbſtſtaͤndige göttliche
Vernunft mußte als aus Gottes Geiſt her⸗
vorgegangen gedacht werden, und leicht war da
der Schritt, beide zu identiſiciren. Allein Nee
hat weder im N. T. noch in der hebraifivenden
Schreibart überhaupt dieſe Bedeutung *). Fer⸗
ner verbindet ſich nach Joh. 1, 14. der Nee
gleich bei der Geburt Jeſu mit ihm; hingegen
das veuπ⁰,ez kommt erſt (Joh. 1, 32 f.) bei
der Taufe auf Jeſum herab. Ferner wird das
E Insov dem vereinigten Menſchen und Lo.
gos entgegengeſetzt Joh. 14, 16. und ein .
Ass cr genannt. Endlich ertheilt Je—
ſus nach ſeiner Auferſtehung den Apoſteln den
heil. Geiſt (Joh. 20, 22. vergl. K. 7, 39)
Hieraus folgt wohl unſtreitig, daß Johannes ei⸗
nen Unterſchied zwiſchen Wort und Geiſt gemacht
habe, da von dem erſtern das, was von dem
letztern geſagt wird, nicht gelten kann.
Ueber den fpeciellen Gebrauch hingegen
der Schriften der aͤlteſten Kirche für jüdiſche Theo⸗
logie und Exegeſe des N. T. laͤßt ſich eine be⸗
ſtimm⸗
105 Siehe meine Daene und Moral der Apo⸗
kryphen des A. T. 1. B. S. 253 fl.
Aelteſte Kirchenvaͤter und Haͤretiker. 175
ſtimmtere Regel geben, welche dieſe iſt: daß man
unt erſuche, zu welchen individuellen Formen ſich
das Chriſtenthum in den drei Hauptklaſſen ſeiner
erſten Bekenner, von denen ſich die Spuren be⸗
reits im N. T. finden, ausgebildet habe; nam
lich bei den palaͤſtinenſiſch rabbiniſchen Juden.
chriſten, bei den alexandriniſch⸗gnoſtiſchen Chris
ſten, und bei den Chriſten aus dem Heidenthu⸗
me. Denn ohnerachtet dieſe Partheien in vielen
Punkten uͤbereinſtimmten, ohnerachtet ſich die dog⸗
matiſche Grenzlinie zwiſchen ihnen nicht immer
im Einzelnen ziehen laͤßt; ſo unterſcheiden ſie ſich
doch im Ganzen deutlich genug von einander,
ſowohl durch Sprache, als auch durch die uͤber⸗
all durchſchimmernden ene ihres vorchriſt⸗
lichen einheimiſchen Syſtems. Die erſtern wa⸗
ren der Theil der Chriſten, der ſich aus dem
großen Haufen der palaͤf kinenſiſchen Juden bil:
dete, mit dem Untergange des juͤdiſchen Staats
zerſtreut und beinahe vergeſſen wurde, und ſpaͤ⸗
terhin, da er wieder hervortrat, ſo merklich von
der uͤbrigen chriſtlichen Kirche abſtach, daß man
ihn unter dem Namen der Nazaraͤer oder
Ebioniten begriff. Sie hiengen dem Moſais⸗
mus an, fo wie den rabbiniſchen und phariſaͤi⸗
ſchen Traditionen, und zeichneten ſich vorzuͤglich
durch grobſinuliche Ideen vom Meſſias (den ſie
uͤbrigens, dem Glauben des gemeinen Volks in
Palaͤſtina gemaͤß, für einen bloß n Menſchen bil
ten) und deſſen Reiche, und durch chiliaſtiſche
Schwaͤrmereien aus. Sie hielten ſich vorzuͤg⸗
! lich
176 Aelteſte Kirchenvater und Häretlker,
lich an die Schriften Petrus, Judas und
Jakobus der Vaͤter der patäffinenf iſchen Ges
meinden.
Die zweite Parthei begriff diejenigen Ju⸗
den⸗ und Heidenchriſten, die Verehrer der ale⸗
xandriniſchen und perſiſchen Religionsphiloſophie,
die fie mit dem Namen Die belegten (S.
unten $. 38.), waren. Sie folgten vorzuͤglich dem
Apoſtel Johannes, deſſen Schriften ihrem
Geiſte am meiften zuſagten, und ſich am: beiten
mit ihren Meinungen von dem Werthe der Con⸗
templationen und der Aſceſe, von dem ewigen
Worte Gottes u. ſ. w. vereinigen ließen. Sie
zeichneten ſich aus durch die Grundzuͤge der per⸗
ſiſchen und alexandriniſchen Religionsphiloſophie,
durch beſondere Meinungen uͤber den Urſprung
der Welt und der Geiſter, durch einen morali⸗
ſchen Pragmatismus und Myſticismus, eine Ver⸗
einigung mit Gott durch ſtrenge Aſceſe, durch
Verachtung der Ehe, Vorſtellungen von einem
moraliſchen Reiche Jeſu und von der goͤttlichen
Natur des Sohnes Gottes, und endlich durch
Abneigung gegen chiliaſtiſche Erwartungen und
alles, was damit naͤher oder entfernter zuſam⸗
menhing, namentlich auch die Auferweckung des
Koͤrpers. Auch der Brief an die Hebraͤer
gehoͤrte wahrſcheinlich zu ihren eee
(S. die Specialhermeneutik.)
Die dritte Parthei endlich, oder die Chri⸗
ſten aus dem a folgten vorzüglich ih⸗
rem
Aelteſte Kirderbätn und Shit, 177
rem eehte Paulus, hatten wohl anfangs, in
wiefern fie namlich nicht Philoſophen aus der
alexandriniſchen Schule waren, keinen feſtbeſtimm⸗
ten urjprünglichen Charakter außer dem, den
ihnen Paulus aufgedruͤckt hatte, und bildeten end⸗ 8
lich, indem ſie ſich der zweiten Parthei naͤherten,
mit dieſer vereint die ſogenannte ecclefia catho-
lica aus. Auch in dieſer war eine Zeitlang die
Verſchiedenheit des Grundcharakters ihrer Theile
ſichtbar, und es blieben immer noch einzelne Par⸗
theien, welche, indem ſie die Hauptzuͤge der er⸗
ſten und zweiten Parthei in grellen Farben zeig⸗
ten, und durch Zuſaͤtze von eigenen Traͤumereien
verunreinigten, ſich immer weiter von der eccle-
ſia catholica entfernten, und die erſtern als chi⸗
liaſtiſche Schwaͤrmer, die zweiten aber als
gnoſtiſche oder philoſophiſche Schwärmer
und Ketzer erſchienen, die entweder in the ore⸗
tiſcher oder in moraliſcher Ruͤckſicht von
der Lehre der eccleſia catholica immer weiter
abwichen. — Spuren dieſer drei Familien fin⸗
den ſich bereits im 1. Br. an die Korinther (f.
die Specialhermeneutik). Was aber hieraus fuͤr
den Ausleger des N. T. folge, ſpringt ſo klar
in die Augen, daß jede e daruͤber
überſüzig ſeyn würde.
„Doch es wuͤrde die Bränen dieſer Schrift
weit uͤberſchreiten, wenn ich hier eine Angabe
und Charakteriſirung der aͤlteſten Kirchenvater
und Ketzer verſuchen wollte, da dieſes ganz ei⸗
M gent⸗
2
178 Zelteſte Kirchenväter und Haͤretiker.
gentlich in die Kirchengeſchichte gehoͤrt, und von Ge⸗
lehrten, wie Schroͤckh, Henke u. a. mit eben
ſo vieler Gruͤndlichkeit als Unpartheilichkeit ge⸗
ſchehen iſt, die Lehrmeinungen jener Vaͤter und
Ketzer aber in den Lehrbuͤchern der Dogmenge⸗
ſchichte eines Muͤnſcher, Lange und anderer
noch beſonders dargeſtellt ſind. Nur folgende
einzelne Abhandlungen *) neuerer Schriftſteller
uͤber jene Zeitperiode ſcheinen hier nicht ungenannt
bleiben zu koͤnnen.
Ueber die Theologie der erſten Jahrhunderte; in
d. Beitraͤg. z. Beſoͤrd. des vern. Denk. ꝛc. 12.
Heft S. 121 139. (die Theolog. Juſtin. Mart.)
— Lange’s angeführte Abhandl. über Juſt.
Apol. — H. Eb. G. Paulus, commentatio-
nes theologicae potiſſimum hiftoriam Cerinthi
Audaeo- Chriſtiani ac Iudaeo · Gnoſtici atque
finem Iohannaeorum in N. T. libellorum illu-
ſtraturae. Ienae 1795. XXXII. und 231 S. gr.
3. (Vorher als 2 Disp. unter dem Titel: hi-
ftoria Cerinthi) J. E. Ch. Schmidt, Ce⸗
rinth ein judaiſirender Chriſt; in ſ. Bibl. f.
Kritik und Exeg. des N. T. ꝛc. 1. B. 2. St.
S. 181-226. (iſt auch auf Philo und die Kab⸗
baliſten viele Ruͤckſicht genommen.) Derfels
be, über die gedoppelte Recenſion der Briefe
des Ignatius. In Henke's Magaz. 3. B. 1.
St. — Fr. Muͤnter, Verſuch uͤber die Al⸗
terthuͤmer der Gnoſtiker, Anſpach 1790. 8. C.
F. Rößler, Lehrbegriff der chriſtl. Kirche dun
; den
9: Die ältere Literatur ſ. b. Nöſſelt in der An⸗
leit. zur theol. Buͤcherkenntniß S. 554-559.
und über die patr. 2915 S. 497 f.
Gebrauch dieſer Quellen. 179
den erſten drei Jahrhunderten, aus d. ſicherſten
Reſten des chriſtl. Alterthums in feinem Zufams
menhange vorgetragen. Frankf. 1775. 8. — Defs
ſen Bibliothek der Kirchenvaͤter. Leipz. 1776
86. 10, BB. 8. — (J. Fr. Saab), Abs
handlungen zur Dogmengeſchichte der aͤlteſten
griech. Kirche, bis auf die Zeiten Clemens von
Alexandrien. Jena 1790. 8. — Vorzuͤglich
Keils S. 104. angeführte Commentationes.
Münfcher diſſ. an dialogus cum Tryphone
luſtino M. recte adſeribstur? Marb. 1799. 4.
— Derſelbe: einige Vermuthungen uͤber die
Nikolaiten; in Gablers Journal f. theol. Lit.
5. B. 1. St. (1803.) S. 17-29, — H. I.
Heubner, hiſtoria antiquior dogmatis de
modo falutis tenendae et Iuftificationis ſeu ve-
niae peecatorr. a Deo impetrandae inſtrumen-
tis. Viteb. 1808. 4. (Die apoſtol. Vaͤter bis
auf Origenes.) b
§. 34.
Allgemeine Erinnerungen Über den Bes
brauch dieſer Quellen fuͤr die Kenntniß
der Religionsphiloſophie des Orients.
Aus dieſer gegebenen Ueberſicht der Quellen
der orieutaliſchen Religions philoſophie leuchtet ohne
mein Erinnern ein, daß ſie ſehr mannigfaltig, von
verſchiedenem Werthe, Geiſte und Inhalte ſind, von
verſchiedenen Verfaſſern, in verſchiedenen Zeitaltern
und an verſchiedenen Orten gefertiget wurden, und
daher auch die Farbe ihres Ortes und Zeitalters
an ſich tragen. Will man fie alſo brauchen, um
eine vollſtaͤndige und pragmatiſche Darſtellung ih⸗
rer Religionsphiloſophie, und der juͤdiſchen Theologie
M 2
ins
u
3
—
180 ö Gebrauch dieſer Quellen.
insbeſondere aus ihnen zu ſchoͤpfen; ſo muß man
fie mit kritiſcher Beurtheilung ſtudieren, und auf
die beſondere Beſchaffenheit derſelben, die ich nach
ihren Hauptreſultaten (nach meiner Kenntniß und
individuellen Anſicht) jedesmal anzugeben geſucht
habe, naͤmlich auf Zeitalter, Ort, Verfaſſer, das
vorherrſchende Syſtem und die kritiſche Reinheit
ihres Inhalts, ſorgfältige Ruͤckſicht nehmen.
Denn außerdem wuͤrde die Darſtellung voll von
Unrichtigkeiten, Inkonſe quenzen und Widerſpruͤ⸗
chen, zum Gebrauch der Auslegung des N. T.
unbrauchbar werden, und den Exegeten zu bedeu⸗
tenden Mißgriffen verleiten. — Vielleicht iſt es
nuͤtzlich, wenn ich hier ein Verfahren vorzeichne,
das wenigſtens zu richtigen Reſultaten fuͤhren
kann, ohnerachtet ich mir nicht anmaaße, es fuͤr
das ee zu halten.
Um ſich des Inhalts jener Quellen zu be⸗
maͤchtizen, und ihn zu einer pragmatiſchen Dar⸗
ſtellung der Religionsphiloſophie des Orients zu
verarbeiten, ordne man erſtlich die Quellen
nach dem Orte ihrer Abfaſſung in Klaſſen; denn
durch dieſe Klaſſifikation wird man zugleich er⸗
kennen, welches Spſtem der Religionsphiloſophie
an einem Orte, und bei deſſen einheimiſchen
Schriftſtellern das herrſchende war, und was
aus andern in daſſelbe aufgenommen wurde. Ich
habe ſchon oben S. 73. erinnert, daß ſich vor⸗
zuͤglich drei Klaſſen unterſcheiden laſſen; naͤmlich
die e jädiſche, oder das Syſtem des
Pha⸗
Gebrauch diefer Abele N | 181
Phariſätsnus und Rabbinismus; die perfifche
und die griechiſche Religionsphiloſophie, welche
letztere man vielleicht wieder in die alexandrini⸗
ſche und kleinaſiatiſche eintheilen kann und deren
Grundlage die platoniſch- pythagoreiſche Philoſo⸗
phie, wie ſie in Alexandrien bluͤhete, war. Ich
geſtehe aber gern, daß ich in der Abhandlung
der Quellen nach dieſer Eintheilung nicht ganz
genau geweſen bin, und auch nicht ſeyn konnte,
da mehrere Quellenſammlungen (wie die Apokr.
Pſeudepigr. des A. T. und die Apokr. des N.
T.) zuſammengenommen werden mußten, ob fie -
gleich ziemlich verſchiedene Produkte enthalten.
Bei einem aufmerkſamen Studium wird man aber
leicht bemerken, wohin die einzelnen Buͤcher dies
ſer Sammlungen gehoͤren moͤgen, und ob nicht
in einigen die Grundfage fo gemiſcht find, daß
fie unter mehr als eine Klaſſe gebracht Bean
koͤnnen. ö
Iſt dieſes geſchehen; fo zeichne man ſich
zweitens die Syſteme dieſer Ouellen einzeln
auf, und zwar ganz vollſtaͤndig, und ordne fie
hernach chronologiſch in jene drei Hauptklaſ⸗
ſen, um ſich theils des ganzen Ertrags der Duel-
len zu bemaͤchtigen, theils um die Aufaͤnge, Fort⸗
bildung und Veraͤnderungen der religioͤſen Ideen
zu erforſchen; ohne welches die Kenntniß j jener
religioſen Lehren nie Pragmatiſch werden und
auch zum Theil unverſtaͤndlich bleiben wuͤrde.
Dann
* 1
182 Gebtauch dieſer Quellen.
Dann ſtelle man, um eine Ueberſicht des
Ganzen zu erlangen, drittens die Hauptſyſte⸗
me der Quellen nach ihrer Klaſſenordnung auf,
und ſtelle nun eine allgemeine ſowohl hiſtoriſche
als dogmatiſche Vergleichung dieſer Syſteme an,
bei der man vorzuͤglich folgende Punkte zu bes
ruͤckſichtigen bat: 1) wenn und wo dieſe Syſte⸗
me entſtanden, welches das fruͤhere, welches das
ſpaͤtere ſeyyj 2) welchen Einfluf, vermoͤge der
politiſchen und religioͤſen Verbindungen einzelner
Voͤlker, das fruͤhere Syſtem auf das ſpaͤtere
geaͤußert haben mag, und welche Modifikationen
durch die Individualitaͤt eines Volkes oder einzel⸗
ner Maͤnner dabei eintreten konnten; 3) in wel⸗
chen Punkten die Quellen abweichen, und wel⸗
ches die Urſachen dieſer Abweichungen ſeyen; 4)
in welchen Punkten ſie uͤbereinſtimmen; 5)
wenn und wo ſich einzelne beſondere Meinungen
bildeten, und 6) welches die allgemeinen Grund⸗
zuͤge der geſammten Religionsphiloſophie des
Orients, gleichſam das Hane aller dieſer
Quellen, ſeyen.
Iſt dieſes geſchehen, fo laͤßt ſich nun
leicht uͤberſehen, was zur juͤdiſchen Theologie
insbeſondere gehoͤre, und was ihr fremd ſey;
was alſo zur hiſtoriſch dogmatiſchen Interpre⸗
tation vorzuͤglich wichtig, und was weniger
brauchbar ſey; und endlich, welche Quellen in
der Specialhermeneutik für jeden Schriftſteller die
wichtigſten fepen.
ö Bei
Gebrauch dieſer Quellen. 183
Bei dieſem Studium aber bediene man ſich,
wo möglich, des Textes der Quellen ſelbſt, und
ſtudiere ſie in der Grundſprache. Denn außer⸗
dem ſteht man nicht nur in Gefahr, manches Fal⸗
ſche mit in die Darſtellung aufzunehmen; ſondern
man wird auch nicht leicht vollſtaͤndig ſeyn, und
manche interereſſante Bemerkung nicht machen.
Denn die Ueberſetzungen (z. B. der chaldaͤiſchen
Paraphraſen, der Rabbinen ꝛc.), wenn ſie auch
fehlerfrei ſind, geben den Geiſt des Originals
doch nicht ſo treu zuruͤck, daß man dieſes dabei
entbehren koͤnnte, und verwiſchen nur gar zu leicht
die Beſonderheit des Ausdrucks im Original,
durch den bisweilen eine Stelle intereſſant wird.
Die Darſtellungen Anderer aber von dem Sy⸗
ſteme dieſer oder jener Quelle find haufig mangel⸗
haft, oft ganz falſch, (beſonders gilt dieſes von
den Rabbinen und dem Talmud,) gwöhnlich aber
in einer beſondern Ruͤckſicht gemacht, und enthal⸗
ten alſo ſelten Alles, was aus ihr benutzt wer⸗
den kann, und was ſich oft erſt erkennen laͤßt,
wenn man die ſaͤmmtlichen Quellen genau ſtu⸗
diert, und dadurch auf einzelne Ausdruͤcke und
Vorſtellungen aufmerkſam geworden iſt. Daher
iſt es auch faſt unumgaͤnglich noͤthig, nach Vol⸗
lendung der Arbeit die ſaͤmmtlichen Quellen noch
ein Mal ſorgfaͤltig zu du chleſen, wo man ge⸗
wiß noch eine bedeutende Nachleſe zum Ganzen
machen wird. f
In eben dieſer Ruͤckſicht werden auch die
Vorarbeiten für die Kenntniß dieſer Quellen und
fuͤr
184 Literaͤriſche Huͤlfsmittel.
fuͤr die orientaliſche Religionsphloſophie und juͤ⸗
diſche Theologie uͤberhaupt dankbar verglichen und
benutzt worden muͤſſen; weil man in ihnen man⸗
ch Zweifel, manchen Wider pruch gelöfer finden,
oder auf einzelne Schwierigkeiten aufmerkſam ge⸗
macht werden wird. Da die Schriften über die
Quellen ſelbſt an ihrem Dite angegeben worden
find; fo iſt nur noch übrig, die literariſchen Huͤlfs⸗
mittel anzuzeigen, in denen die Religionsphiloſo⸗
phie des Orients im Ganzen oder in einzelnen
Theilen bearbeitet worden iſt⸗ |
§. 35.
Literäriſche Huͤlfs mittel.
Eine vellſtaͤndige und pragmatiſche Darſtel⸗
lune, ſowohl der orientaliſchen Religionsphiloſo⸗
phie, überbaupt als der juͤdiſchen Theologie ins⸗
beſondere, ſehlt uns noch ganz, und wir beſitzen
entweder nur Darſtellungen der Theologie e nzel⸗
ner Quellen, die an ihrem Orte angegeben ſind,
oder nur ER über das Ganze, die ſich
in den Werken über die Geſchichte der Phileſo⸗
poie zerſtreut finden, oder Bearbeitungen einzel.
ner Theile der juͤdiſchen Theologie. Doch hat
Horn (Joh. Horn, uͤber die bibliſche Gnoſis.
Pragmatiſche Darſtellung der Religionsphiloſophie
des Orients zur Erklarung der heil. Schriſt.
Hannover 1805. 441 S. kl. 8.) den erſten
wohlgerathenenen Verſuch einer Darſtellung des
Ganzen geliefert, und ſein Werk wird, wenn
es
Literaͤriſche Huͤlfsmittel. 185
es vollendet iſt, ein wichtiges Huͤlfsmittel für
dieſe Unterſuchungen ſeyn. Der Verf. unterſucht
in dieſem Bande, der aber auch als ein Ganzes
fuͤr ſich betrachtet werden ſoll, den Mrfprung,
die Ausbreitung und Schickſale der orientaliſchen
Religionsphiloſophie, und ſtellt die Syſteme Zo⸗
roaſters, der Indier, Aegyptier, Phoͤnicier, der
Kabvaliften und des Philo, theils aus den Quel⸗
len theils nach den beſten Huͤlfsmitteln, in Haupt⸗
umriſſen auf, mit Nuͤckſicht auf ihren U ſprung
und ihre Verwandtſchaft. In einem zweiten
und dritten Theile will der Verf. von den Spu⸗
ren der Gnoſis in unſern heiligen und apokry⸗
phiſchen Religionsſchriften, und von der ſpaͤbenn
Ausartung der Gnoſt 8 handeln. 0
Weit weniger ſyſtematiſch und umfaſſend
iſt ein andres neues Werk: „die geheime Lehre
der alten Orientaler und Juden zur innern und
hoͤhern Bibelerklaͤrung aus Rabbinen und der
ganzen alten Literatur, von einem großen Philo⸗
logen des Auslandes“ (aus dem Schwediſchen
uͤberſetztj. Roſtock und Leipz. 1905. 292 S. 8.
Das Buch iſt beinahe ohne Plan gearbeitet, und
der Verf. (Hallenberg, Prof. zu Lund) hat die
verſchiedenen Quellen, den Philo, Joſephus, die
Platoniker, die Targumim, Kabbaliſten und Tal⸗
mudiſten viel zu ſehr durch einander geworfen.
Die Zendbuͤcher ſind gar nicht benutzt. Am weit⸗
laͤuftigſten iſt die Darſtellung des Kabbalismus;
allein er hat hier die Huͤlfsmittel nicht kritiſch
gewuͤr⸗
186 Elteraͤrlſche Hälfsmittel,
gewürdigt, und ſich oft auf unlautere Quellen,
wie z. B. des Jeſuiten Kircher Oedipus Ae-
gyptiacus (S. oben S. 140.) bezogen, auch
altere und juͤngere Rabbinen nicht gehoͤrig ge⸗
ſchieden Doch als Repertorium mannigfaltiger
intereſſanter Unterſuchungen iſt das Werk ſchaͤtz⸗
bar, ohnerachtet man dem Verf. nicht immer in
feiner Exegeſe des N. T. beitreten wird. |
Was die juͤdiſche Theologie insbeſon⸗
dere betrifft, ſo haben wir auch hier noch nichts
vollſtaͤndiges; denn von K. H. L. Poͤlitz „prag⸗
matiſcher Ueberſicht der Theologie der ſpaͤtern Ju⸗
den“, iſt nur der erſte Thl., (Lpz. 1795. 228
S. gr. 8.) erſchienen, der bloß allgemeine Be⸗
trachtungen uͤber den Gang jener Theologie ent⸗
halt. Eine kurze Ueberſicht der hieher gehoͤri⸗
gen Lehren, nebſt reichen literaͤriſchen Hinweiſun⸗
gen gab der Verf. vorher in f. diſl. de grauiſ-
ſimis theologiae ſeriorum Iudaeorum decretis,
quorum veſtigia in libris inde ab exilii aeta-
te vsque ad ſec. IV. poſt Chr. n. initia depre-
hnenduntur. Lipſ. 1794. 55 S. 4. Die Schrift:
de ortu theologiae Veterum Hebraeorum eius-
que cum diuerſo diuerforum feculorum, qui-
bus incrementa ſua cepit, ingenio atque indo-
le congruentia, Pars I. (Erlang. 1803. 147
S. 8.) 5) beſchaͤftigt ſich vorzüglich mit den Zeis
ten
) Es find eigentlich zwei vorher unter demſelben
Titel erſchienene akademiſche Disputationen.
Literaͤriſche Huͤlfsmittel. 187 |
ten des A. T., und nur erſt der ate Band wird
den Zeitraum vom Exil bis Chriſtus umfaſſen.
— Hiermit vergl. die S. 76. angefuͤhrte Ab⸗
handlungen. 9903
Außer dieſen allgemeinen Schriften verdient
vorzuͤglich das, was Buhle uͤber die Philoſo⸗
phie der Juden im Zeitalter Jeſu in ſ. Lehrbuch
der Geſchichte der Philoſophie und einer kritiſchen
Literur derſelben ater Thl. S. 69 ff. ) geſagt
hat, naͤhere Aufmerkſamkeit, ſo wie die einzelnen
Abhandlungen, die ſich entweder uͤber das Ganze
oder einzelne Theile erſtrecken. Unter ihnen ver⸗
dienen vor allen andern C. A. Th. Keil, com-
mentationes de doctoribus veteris eccleſiae culpa
corruptae per platonicas ſententias theologiae
liberandis. Comm. I- XIV. Lipf. 1293-1804.
4. genannt zu werden. Die Abſicht des Verf.
iſt, zu zeigen, daß die Theile der Theologie der
aͤlteſten Kirchenvaͤter, die ſie nach der Meinung
mehrerer Gelehrten aus der platoniſchen Philoſo⸗
phie geſchoͤpft haben ſollen, aus juͤdiſchen Quel⸗
len abgeleitet werden koͤnnen. Dieſe Abhandlun⸗
gen
— — nn
) Auch in den Werken über die Geſchichte der
Philoſophie find die Juden mit behandelt. Vergl.
Buddeus introductio ad Philof. hebraeorum.
Halae. 1720. Walther Geſchichte der Welt⸗
weisheit der Hebraͤer. 2. Abtheil. Goͤtt. 1750,
31. 4. iſt kurz und kann ganz entbehrt werden.
188 Literaͤriſche Huͤlfsmittel.
gen ſind daher für die Kenntniß der Theologie
nicht nur der Juden, ſondern auch der aͤlteſten
Kirchenvaͤter, von vieler Wichtigkeit. —
Haſſe, Vergleichung der hebraͤiſch⸗ juͤdi⸗
ſchen und griechiſch⸗ roͤmiſchen Dogmatik, kurz vor
Anfang des Chriſtenthums. In ſ. bibliſch⸗ orien⸗
taliſchen Aufſaͤtzen (Koͤnigsb. 1793. 8.) ©. 91—
je, 104. enthaͤlt kurze, aber intereſſante Parallelen
uͤber die Artikel: Gott, Schöpfung, Inſpjra⸗
tion, E bſuͤnde, goldnes Zeitalter, Tod, Gericht ꝛc.
ueber das N. T. insbeſondere, und deſſen
Religionslehren find, außer den S. 76 und 77.
angegebenen Schriften, noch folgende zu bemerken:
(G. L. Bauer) Bibliſche Theologie des N. T.
4 Binde Leipz. 1800-1804. 8. Leun weiter
unten angefuͤhrte Chriſtologie. Die uͤber den Lehr⸗
begriff Pauli in der Specialhermeneutik angefuͤhr⸗
ten Schriften. „Das Urchriffengbum nach dem
Geiſte re. ſ. Specialhermeneutik zu Anfang. —
—
Ant. Theod. Hartmann Blicke in den Geiſt des
Urchriſtenthums. Duͤſſeld. 1802. XLII. und 276
S. 8. (Meſſias; Weltgericht; Wunder; Verſoͤh⸗
nung ꝛc.) und: (Thurn) abweichende Vorſtellun⸗
gen der neuteſtamentl. Schriftſteller über einen
und denſelben Gegenſtand. Nebſt einer Abhandl.
uͤber Emanation und Pantheismus der neuteſt.
Schriftſteller. zter Thl. Lpz. 1803. 8. Die letz⸗
tere Abhandlung enthaͤlt die Darſtellung dieſer
Lehre bei den Griechen, Orientahern und Iſrae⸗
liten,
Literäliſche Hülfsmüttel. 4 189
lite); ih auch im N. T. wil We der ah gt
tunen haben. -
Endlich ir man nicht nur einzelne Abe -
handlungen über die juͤd ſche Theologie, ſondern
auch viele zerſtreute Bemerkungen daruͤber in fol⸗
genden Zeitſchriften: 1) Beitraͤge zur Befoͤrderung
des ‚vernünftigen Denkens. in der Religion (von
Heinr. Corrodi herausgegeben); Winterthur
1780-1793. 18 Hefte 8. in denen vorzuͤglich
folgende allgemeine Abhandlungen zu bemerken
ſind: Von der Uebereinſtimmung der irrigen und
elenden Vorſtellungen der Chriſteng mit dem al⸗
bernen und fanatiſchen Ideen der Juden; 1 Hft.
S. 44-75: (beſonders die Lehren: Meſſias, Daͤ⸗
monen.) Ueber die juͤdiſche Theologie; 5. Heft
S. 23-54. (eine kurze und ee Dar⸗
ſtellung der Hauptlehren.) Vom Zuſammenhang
der juͤdiſchen und chriſtl. Religion, und Reli⸗
gionsgeſellſchaft in, der aͤlteſten Zeit, und 85
Sekten der. „Jubdeüchriſten; im Iten Hft.
ee an zund endlich: Etwas uͤber Ne
gnoſtiſchen Lehrſaͤtze; im 16. Hft. S. 141-206.
unter dem Titel: neues Magazin für ꝛc. 2 Bde,
Helmſt. 1797.98. 8. Wovon als eine Fort
ſetzung jetzt Deſſelben Muſeum fuͤr Religions⸗
wiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange. Magdeb.
vor 15 1. B.
=
2) H. Phil. Cour. Henke. Magazin für j
Refintonsphllofophie, Exegeſe und Kirchengeſchich.
te; 6 Baͤnde, Helunſt. 170 1796. 8. Dann
190 Literaͤriſche Huͤlfsmittel.
1. B. 1-4. St. 1803. 1804. 2 B. 1 und 2!
St. 1804. gr. 8. erſcheint. — 3) Joh.
Gottf. Eichhorn, allgemeine Bibliothek der
bibl. Literatur; 10 Bande: Leipz. 1787-1801.
8. — vorzuͤglich aber 4) Joh. Ernſt Chr.
Schmidt, Bibliothek fuͤr Kritik und Exegeſe
des N. T. und aͤlteſte Chriſtengeſchichte. 2 Baͤn⸗
de und 3 B. 1. und 2. St. Hadamar 1796
1805, 8.04
Abhandlungen über einzelne Kapitel der
juͤdiſchen Theologie: 5
H. Eb. Gortl. Paulus: meditatio exegerica: an ſe-
cundum Acta Apoſtol. primitiui Chriftiani inſpi-
rationem, quam vocant, atque infallibilitatem gro
nonimis habere ſoliti fine? Ien. 1802. (ſteht
auch in Port ſylloge comment, theol. V. III. die
Frage wird verneint.) — I. A. Millies diſſ. de
variis generibus JcoBavauy arque Earıymvomy Jawyz
quae in libris vtriusque foederis et Philonis Iu-
daei commemorantur. Hal. 1802. 63 S. 3. —
Vorzuͤglich ſ. Herder, vom Geiſt des Chriftens
thums. Nebſt einigen Abhandlungen, verwandten
RR Leipz. 1798, (Auch unter dem Titel:
Chriſtl. Schriften Jte Samml.) N
I. Ph. Leisner diſſ. (Sub praeſid. F. V. Reinhard)
de notione Dei, quae in prioribus Geneſ. XI. ca-
pitibus zribuitur hominibus primis. Viteb. 1792.
4 ©. Sam. Ritter, Sfraelitifher Monotheis⸗
mus und ſein Urſprung; in Scherers Schriftfors
ſcher 4 St. (1803.) S. 637-671. — Georg
Alex. Ruperti, Einige Bemerkungen uͤber die
Erforſchung und die Zeichen der göttlichen Gunſt
0 i 8 und
Literaͤriſche Huͤlfsmittel. 191
und Huͤlfe nach der Vorſtellungsart der alten Welt.
In Henke's Magaz. 6. B. S. 186-194. Der⸗
ſelbe Bemerkk. über die Entführung der Mens
ſchen durch Götter, und über ihren ploͤtzlichen und
fruͤhzeitigen Tod, nach den Begriffen des Alter—
thums; ebendaſ. S. 194-210, Derſelbe:
uͤber die Gegenwart, die Wohnungen und Vereh—
rungsplaͤtze Gottes nach der Deukaͤrt des hoͤchſten
Alterthums; ebendaſ. S. 210-220. Derſelbe:
Deitraͤge zur bibliſchen Theologie; in der Sötting.
Biblioth. herausg. von Schleusner und Staͤud⸗
lin 2. B. 1. St. S. 134. 5, St. S. 682
217. 6. St. S. 791-809. und fortgefeßt in Hen⸗
ke's Magaz. 5. B. 1. St. (enthält die Vorſtel⸗
lungen von Gott im A. T.) Derſelbe: Ue⸗
ber die Entſtehung und Entwickelung eines Bes
griffs von einer Gottheit und von einem einzigen
Gott und Weltſchöpfer; in Velthuſens Brem.
und Verd. theol. Magaz. 2. B. 1. St. — G.
L. Bauer, Beilagen zur Theologie des A. T.,
enthaltend die Begriffe von Gott und Vorſehung
nach den verſchiedenen Büchern und Zeitperioden
entwickelt. Leipz. 1801. 255 S. 8. — C. W.
Thurn, uͤber die theoretiſche Vorſtellung von der
Lichtnatur Gottes und die Emanation des Gan⸗
zen aus derſelben, in ſofern ſie in den Urkunden
des iſraelitiſchen Volks gegruͤndet find; in Sches
‚vers Schriftforſcher 2. B. 1. St. S. 23-42, —
Verhaͤltniß Jehova's zu den Heiden [nad den eins
zelnen bibl. Buͤchern durchgefuͤhrt; In Eich⸗
horns Bibl. 8. B. S. 222236. — Verſuch
einer Entwickelung der Meinung Moſis uͤber die
Gottheiten der Nichtiſraeliten; von Steger; in
Henkes Magaz. 4. B. 1. St. S. 191. ff. —
Stahl, über die Erſcheinung Jehova's und feis
ner Engel im A. T. In Eichhorns Bibl. 7. B.
S. 156-180. — I. G. A. Oelrichs comm. de
doctrina Platonis de Deo chinſtianis et recentiori-
bus Plasonicis varie explicata, er corrupta. Marh.
1788.
192 Literäriſche Huͤlfsmittel.
1788. 142 S. 8. Vergl. mit Lud. Härſtel, Plato-
nis doctrina de Deo e dialogis eius — — excerpta
et in oranem redacta. Lipl. 1804. 48. u. 192 ©. 8.
Eichhorn, uͤber die Perſonifikationen der Eigen⸗
ſchaften Gottes unter den ſpaͤtern Juden. In d.
Biblloth. 3. B. 2. St. S. 1912225. — Ue⸗
ber die Zahl „Sieben“ ſ. zwei Aufſaͤtze im Vers
kuͤndiger 78. Stuͤck vom Jahr 1804, und im 34.
Stuͤck vom Jahr 1805. wo auch einige alte
Schriften über die Zahl 7 angeführt werden; wo⸗
mit das zu vergleichen iſt, was der Verf. der ge—
heimen Lehre der alten Orientaler und Juden ıc,
S. 80 ff. hieruͤber, und tiber die Entfichung dies
fer Zahl aus der (alten) Anzahl der (7) Planes ©
ten, und S. 203 über die ſieben vollziehenden Ei⸗
genschaften Gottes nach der Lehre der Kabbala
ſagt. Ueber die Sephiroth ſ. oben S. 137.
4
Chr: Dan. Beck, comment. de fontibus, 9295 1
tentiae et coniecturae de creatione et prima Fa-
cie orbis terrarum ducumtur. Lipſ. 1782. 23 S.
Ph. Howard Geſchichte der Erde und
er Menſchengeſchlechts nach der Bibek, verglichen
mit den Kosmogenien, Chronologien und Volksſa⸗
gen älterer Zeiten. A. d. Engl. uͤberf von J. F.
Lehzen. Hannov. 1799. gr. 3. — Beobachtun⸗
gen über die Uedereinſtimmung. der Goͤttergeſchichte
der Braminen mit der aͤlteſten Bibelgeſchichte; in
d. Beitraͤg. z. Befoͤrd. ꝛe. 1. Hft. S. 78 ff. —
J. G. Eichhorn, Urgeſchichte herausgeg, von |
Gabler. Altorf und Nürnb. 2 Thle in 3 Baͤn⸗
den. 1790. 92. 8. — Herder, aͤlteſte Urkun⸗
de des Menſchengeſchlechte. Riga 1774 und 76.
2 Theile gr. 4. — J. G. Haſſe, Entdeckan⸗ a
gen
— n
Literärifhe Huͤlfsmittl. 193
gen der Ältefien Erd- und Menſchengeſchſchte, aus
näherer Beleuchtung ihrer Quellen. Halle u. Lpz.
2 Theile 1801, und 1805. gr. 8.
Ueber die Ideen der Alten vom Schickſal; in den
Horen, Jahrg. 1795. 7. St. — C. P. Conz,
Etwas uͤber die aͤltern Vorſtellungen vom Schick⸗
ſal, Nothwendigkeit und Strafgerechtigkeit, mit
Beziehung auf einen Aufſ. in den Horen; in
Staͤudlins Beltraͤg. zur Philoſ. und Geſch. der
Relig. ꝛc. 3. B. S. 351-82. — De ſſen: weis
tere Bemerkungen uͤber die aͤltern Vorſtellungen
vom Schickſal ze. in Staͤudlins Mien für
Relig. Morals und Kircheng. 1. B. St. —
Hug. Grotius, Sententiae rere de faro:
Par. 1648. 12.
Jo. Lami, de recta Chriftianorum in eo, quod my-
fterium diuinae trinitatis attinet, ſententia, libri
VI. Florent. 1733. 4. — Ju. Mast. Glaefener
dle Trinitate in ſcriptis Cabbaliſtarum et Rabbino-
vum non Chiriſtiana, ſed mene Platonica. Helmſt.
1741. 4. — (Sawversin) Le platon isme devoile,
à Cologne 1700. 8. Deutſch: Verſuch über den
Platonismus der Kirchenvaͤter, oder Unterſuchung
über den Einfluß der platoniſchen Philoſophie auf
die Dreieinigkeitslehre in den erften Jahrhunder⸗
ten; A. d. Franz, ‚überf, u. mit Vorr. u. Anmerkk.
begleitet von J. F. Ch. Löffler, ate Aufl Zuͤl⸗
lichau und Fleiſt. 1792, 522 S. gr. 3. (Dage⸗
gen vergl, Keils comment. de doctoribus etc,
comm. I u. II.) — J. A. Cramer, von den
Widerſachern der Gottheit Jeſu Chr. und der Dreis
einigkeit im 2. u. zten Jahrh. in der Forrſetzung
von Boſſuets Weltgeſchichte 2 B. — J. E
N | Chr.
194 eiteraͤriſche Huͤlfsmittel
Chr. Schmidt, einige Bemerkk. zur aͤlteſten Ges
ſchichte des Dogma von der Trinitaͤt.; inf. Bis
blioth. für Kritik ꝛe. 2. B. 2. St. S. 207-217.
Ueber gen und %s, in den Apokryphen des A.
T. ſ. Bretſchneider Dogmatik und Moral d.
Apokr. des A. T. 1. B S. 194 ff. Die S. 86
beim Buche der MWeish. angeführten Abhandlun—
gen. — G. E. Schulz diff. de ideis Plaronis,
Viteb. 1787. G. Fh ſe diſſ. de ideis Plaronis,
Lipſ. 1795. 4. Tiedemanns Geiſt der fpef.
Poitof 2. B. S. 89 ff. 3. B. S. 132. G.
Th. Tennemann, uͤber den goͤttl. Verſtand in
der platon. Philoſophie; in Paulus Memorab.
1. Thl. S. 34 ff. und die Interpreten zu Joh. 1,
1. die weiter unten angefuͤhrt werden ſollen. —
— E. F. C. Oertel, Chriſtologie, oder die Re—
ſultate der neueſten exegetiſchen Aufklaͤrungen uͤber
den Artikel von der Gotth. Chriſti. 2 Thle. 1792.
gr. 8. (Chriſtus ſey der maͤchtigſte Geiſt nach Gott.)
Vergl. (Stark) Verſuch einer Geſchichte des
Arianismus 2 Baͤnde Berl. 1783. 85. 8. (vor⸗
zuͤglich 1. B. S. 21 ff.) und (Roth) Beitrag
zur Beantwortung der Frage: ob der Glaube an
Chriſtum, als den hoͤchſten Geiſt nach Gott, ſchrift—
mäßig ſey? Ansb. 1793, (vorzuͤgl. S. 38 ff.) —
I. I. Griesbach de mundo a Deo patre condiro
per flium, progr, Iende 1781. 18 S. 4. — Des
merkungen uͤber den Glaubenspunkt: Chriſtus iſt
empfangen vom heil. Geiſt, und geboren von eis
ner Jungfrau; in Henke's neu. Magaz. 3. B.
3. St. S. 321 ff. — Stiagraphie der Geſchich⸗
te des Dogma von Jeſu ubernatuͤrlicher Geburt;
in Schmidts Biblioth. für Kritik und Exegeſ.
1. B. 3. St. 400 - 410. — G. Conr. Horſt,
über die beiden erſten Kapitel im Evangel. Lukas, in
hiſtoriſch⸗ Eric, und exegetiſch-dogmat. Hinſicht; in
Henke's Muſeum 1. B. 3. St. S. 446-538.
(Dieſe Kapp. ſeyen ſpaͤterhin zugeſetzt worden, um
das
\
- =
— —
— er
Literaͤriſche Huͤlfsmittel. 1095
das Dogma von Jeſu uͤbernatuͤrl. Geb. zu beftäs
tigen.) — Die Nachricht, daß Jeſus durch den
heil. Geiſt und von einer Jungfrau geboren wor—
den ſey, aus Zeitbegriffen erlaͤutert; in Schmidts
Biblioth. f. Krit. c. 1. B. 1. St. S. 101
110, (es werden aͤhnliche Meinungen anderer Voͤl—
ker über die Entſtehung der Nelinionsftifter bei—
gebracht.) — — S. I. Plan, obff. quaedam in
primam doctrinae de maturis Chr. hıfloriam.
Goett. 1787. 89. wiedergedr. in den commentart.
theol. Vol. I. p. 141. — Cramer, uͤber die
Schickſale der Lehre von der Perſon Chrifti, In
„der Fortſetz. von Boſſuets Weltgeſch. 4 S.
233 fl. — C. A. G. Keil, ob bie ſeſten
chriſtl. Lehrer einen Unterſchied zwiſchen dem Soh⸗
ne und dem heil. Geiſt gekannt, und welche Vor—
ſtellungen fie ſich davon gemacht haben? Eine pas
triſt. Unterſuchung; in Flatts Magazin 4. St.
— Ueber Jeſus und deſſen Perſon und Amt, nach
der Meinung der alten Kirchenvaͤter; in Henke's
Magaz. 3. B. no. V, XI. u. XII. — I. G A. Oel.
richs comm. de vera et certa eorum, qui medio
Secundo atque ineunte tertio ec. Noruerunt parrum,
de rarione fine relarione flii ſ. verbi cum parre
ſententia. Goett. 1786. 4. — C. D. A. Mer
tini Verſuch einer pragmatiſchen Geſchichte des
Dogma von der Gottheit Chriſti in den erſten 4.
Jahrhunderten, 1. B. Roſtock 1800, 8.
W. C. L. Ziegler, Geſchichtsentwickelung des Dog⸗
ma vom heil. Geiſt. In fein. theologg. Abhandll.
1. B. (Götting. 1791.) — Koppe, ster Exkurs
zu dem Br. an die Galat. S. 101 ff. — J.
G. Herder vom Geiſt des Chriſtenthums. Leipz.
1798. 8. (der chriſthichen Schriften gte Samml.)
— Fr. Theod. Rink, de zveuumrı &yın ex mente
Chriſti Diff. Regiom. 1799. 30 S. 3. — Ent
N 2
wurf
196 Elteraͤriſche Huͤlfsmittel.
wurf einer Darſtellung der Beariffe, die mit dem
Namen Geiſt Gottes im N. T. verbunden wers
den; in Schmidts Biblioth. für Kritik und
Ex. ze. 1. B. 2. St. S. 226266. — Vergl.
Beitraͤge zur Beförd. des vernünft, Denk. ꝛc. 7.
Hft. S. 170 ff. 1
|
j
1
\
Iac. Ode, tracratus de angelis. Traj. 1739. 8. —
I. F. Major diſſ. de natura er cultu angelorum
Facta collatione Pagunorum, Iudaeorum, Mula-
nn et Chriftianorum. len. 1653. 4. —
Al commentatt. de doctoribus etc. comm. IV.
ſqq. — Herder, vom Geiſt d. hebr. Poeſie. S.
48 ff. — Stahl, Ueber die Erſcheinung Jeho⸗
vas und feiner Engel im A. T. in Eich h. Bibl.
7. B. 1. St. S. 156-180. — Beiträge zur
Befbrd. des vernuͤnft. Denk. ꝛc. 1. Heft S. 54
ff. — Ueber den Einfluß ber Geiſterwelt auf uns
Menſchen nach d. pauliniſchen Lehrbegriff Epheſ.
6, 12. in den Beiträgen z. Beförd. ꝛc. 17. Heft.
S. 1-12. — Kritik über die Lehre von den En⸗
geln in der Dogmatik; In Henkes Magaz. 3. B.
S. 300-355. und 6. B. S. 152-170. — J.
Chr, Henrici comm. I. II. de genio natalium prae-
ide Viteb. 1782. 83. 4.
G. Wernsdorf' exercitatio de commercio angelorum
cum feliabuis hominum, ab Iudaeis et parribus plaro-
nizantibus credito. Viteb. 1742. 4. C. F. Schmid,
enarratio doctrinae librorum ſacrorum de lapſia
dlarmonum. Viteb. 1775. 4. — Pſellus tract.
dle operationibus deemonum; ſteht im Auszug in
den Beitrag. z. Beförd. ze. 1. Heft S. 875 ff.
Vergl. mit dem 4. Heft S. 23 f. — Fragmen⸗
te über die neuteſtamentl. Daämonologie; von J.
E. C. Schmidt; in ſein. Bibliothek fuͤr Kritik
und Exegeſe ze. 1. B. 4. St. S. 525 559. —
Erklarung der Stelle des Sendſchreibens an die
hebr.
J
1
— *
\ 1
Literärifche Huͤlfsmittel. 197
hebr. Chriſten Kap. 2, 45 in den Beſtraͤg. zur
Beford. des vern. Denk, ze. 18. Heft S. 189 —
191. — Doctrinae de diabolo, in libris Iaaunis
apoſtoli propoſitae, breuis deſcriptio. Progr. Ienae
1800. 12 S. 4. — Stolz: wider den Satan;
in d. chriſtl. Magaz. 2. B: 2. St. (1799.) und 4.
B. 1. St. (1800). — Gottfr. Menken, Beitrag
zur Daͤmonologte. 1793. — Ueber den Antichriſt.
Ein exegetiſcher Einfall, nebſt einer philoſophiſchen
Zugabe, von L. F. B.; in Horns göttingiſchem
Muſeum 1. St. S. 129144.
I. G. Mayer, Hiſtoria diaboli fi commentatio
de Diaboli malorumque Spirituum exiftentia, ffa-
tibus, iudliciis, conſiliis et poteſtate. Ed. 2. Tu-
bing. 1780. 8. — J. F. Cotta, diſſ. II. Hhiſtoriam
ſucciuctam dogmatis de angelis exhibenres. Tubing.
1765. 4. — I. Ben. Carpzou, varia hift. ange-
lorum ex Exiphanio et aliorum vert. MOnumentis
eruta. Helmſt. 1772. 4 —
Ven der Hoffnung befferer Zeiten bei den alten Ju⸗
den; in d. Beitraͤg. z. Beförd. d. vern. Denk. ꝛc.
13. Hit. ©. 30. ff. Noch etwas von der Hoffn.
beſſ. Zeiten ꝛc. ebendaſ. 14. H. S. 30-63, —
Heinr. Stephani, Meine Gedanken uͤber die
Entſtehung und Ausbildung der Idee von einem
Meſſias, Nuͤrnb. 1787. 8. vergl. Eichhorns Bi⸗
blioth. 1. B. 5. St. — Ueber bas Verhaͤltniß
Jehova's zu den Heiden; in Eichhorns Bibl. 8.
B. S. 222-236. — Ziegler, über den Ur
ſprung der Ideen vom Meſſtas; in Heuke's Mas
gaz. 1. B. S. 61 ff. — Stahl von den meſ⸗
ſianiſchen Zeiten; in Eichhorns Bibl. 6. B. 4.
St. S. 597-699, (die Meſſtasbegriffe von Mo⸗
ſes bis Joſephus). — Hartmann, uͤber die
Schilderungen des goldenen Zeitalters bei den He—
braͤern;
198 diteraͤriſche Huͤlfsmittel.
braͤern; der 4te Exc. in feiner Ueberſ. des Pro⸗
pheten Micha (Lemgo, 1800. 8.) — I. F. Win-
zer diſſ. de aureae detatis [pe Iudaeorum. P. I.
‚ Lipf. 1800. 4. — Gottl. Sam. Ritter, die
Bec griffe vom Meſſias in ihrer ſucceſſiven Entwi⸗
ckeiung. Ein Beitrag zur bibl. Archaͤologie und
Mythologie; in Scherers Schriftforſcher 2. B. 1.
St. S. 10-22.
J. W. Rullmann, in welchem Sinne nennt ſich
Jeſus des Meuſchen Sohn? Rinteln 1785. 4.
— C. D. Ligen, de notione tituli filii Dei Mef-
fiae, hoc eſt vncto Iouae, in libris facris tributi.
len. 1795. 86 S. 8. — Uoeberſetz. und Erklaͤr.
aller Stellen des N. T. (und der meiſten des A.
T.) die ſich auf die Begriffe Sohn Gottes, Men⸗
ſchenſohn, Meſſias beziehen; in Henke's 8 2c.
1. B. 2. St. S. 129-208. — K. Ch. Lud.
Schmidt, über den Ausdruck 0 vios rev U-
e im N. T.; Ain Henke's neu. Magaz. 2. B.
©. 507-576. J. G. Herder, e Schrif⸗
ten, zte u, zte Samml.
br E. Chr Schmidt, fehr wichtige] chriſtologi⸗
ſche Fragmente; in f. Bidlioth. für Kritik und
Creg. ꝛc. 1. B. 1. u. 3. St. Vergl. mit Dep 7
fen Bemerkk. uͤber Geſchichte der juͤd Chriftelos \
gie; in ſ. Magaz. für Reltgions- und Sittenlehre
1. B. 5. Hft. — J. F. Flatt, Etwas uͤber
die Beziehung der Lehre Jeſu von ſeiner Perſon
auf die Denkart der palaͤſtinenſ. Juden; in ſein.
vermiſchten Verſuchen S. 223. ff. Suͤs kind
Ueber die juͤdiſchen Begriffe vom Meſſias als
Weltrichter und Todtenerwecker, und feinem Rei⸗
che am Ende der Welt. Zur Beurtheilung der
Hypotheſe daß die Lehre Jeſu uͤber dieſen Gegen⸗
dan Accommodation fey, In Flatts Magaz.
10. St. no. 2. (zeigt durch viele Stellen juͤis
ſcher Schriften, daß die Juden verſchiedene Vor⸗
a ſtellun⸗
eiteräriſche Hülfemittel.. 109
- ftelfungen über dieſe Gegenſtaͤnde gehabt haben, u.
daß ihre Aeußerungen nicht ganz mit denen von
Jeſu in den Evangelien uͤbereinſtimmen. — F.
Munter, de notione Meſſiae apud Judaeos, pro-
greſſu er ſublimiori expofitione in doctrina Apo-
ſtolorum. Hann. 1794. 4. — J. F. Kleuker,
Johannes Chriſtus und Paulus als Chriſtologen
betrachtet. Riga 1785. 8. — Jo. Ge. Fried.
Leun, Grundriß einer neuteſtamentl. Chriſtologie.
Oder das Urcheiſtenthum nach den Ausſpruͤchen
feiner erſten Lehrer im N. T, Leipz. 1804. 430
S. 3. — — Ph. F. Pöſchel, über den ges
nauen Zuſammenhang der meſſ. Zeitbegriffe mit
den Wundergeſchichten und poſitiven Lehren des
N. T.; in Auguſti's theol. Monatsſchrift Jahrg.
1802, 7. Heft. —
Chr. Schoͤttgen, Jeſus der wahre Meſſias aus
der alten und reinen juͤdiſchen Theologie. Leipz.
1748. 8. — Ueber die Stammtafeln unſers Herrn
Matth. 1, 1-17. Luk. 3, 23-28. in den Bei⸗
trag. z. Beförd, d. v. Denk. 7. Hft. S. 125. —
Ueber den Meſſtas nach rabbiniſchen Lehrbegriffen.
Beiträge zur Befoͤrd. der vern. Denk. 1. Hft. S.
so ff 5. Hſt. S. 35 ff. und Schmidts angeführte
chriſtologiſche Fragmente. — Fr. Im. Schwarz
diſſ. nexus doctrinae de ſacriſicio leuitico et Cliri-
ſti. Lipf. 1778. 4. Deſſ. Meletemata I. II: le-
ſus Targumicus. Torgauiae 1758. u. Lipſ. 1759.
4. (zwei ſehr ſchaͤtzbare Programme.) — Gries-
bach comm. I. II. de imaginibus iudaicis quibus au-
ctor epiſt ad Hebraeos in deferibenda Meſſiae pro-
vincia vfus eſt. Ten. 1791. 92. 4. ſteht auch in den
Commentatt. theoll. Vol. II. — Grundzüge zur
hiſtor. Beurtheilung der Vergleichung juͤdiſcher
Opferarten mit dem gewaltſamen Tode des Meſſias;
in dem neu. theol. Journ. Jahrgg. 1796. Hein-
richs Exeurf. IV. zum Brief an die Hebr. —
C. A. Tistmann, de notione facerdotis in epiſt. ad
Hebr.
200 Elteraͤriſche Huͤlfsmittel.
Hebr. in ſ. opufe. th. S. 213 ff. — Ueber
Jeſus, und deſſen Perſon und Amt nach der Meis
nung der alten Kirchenvater; in Henke's Magaz.
3. B. S. 109-352.
Chr. Schöttgen dliſſ. de regno coelorum; in f, Horis
hebr. T. I. p. 1147. — lac. Rhenferd diſſ. de
ſeculo futuro; in Meufchen N. F. ex Talmude
illuſtr. p. 1116 ſꝗqq. Vergl. mit Hermann Witſius,
diſſ. de feculo hoc et futuro. Ebendaſ. S. 1171
ff. — I. B. Koppe, progt. de regno Mefliae,
Goett. 1780. 4. und deſſen erſter Excurs zum 1.
Br. an die Theſſal. fo wie der erſte Excurs zum
— *
—
D
Br. an die Ephefer, (dagegen vergl. Eckermann,
vom Reiche des Meſſias; in ſ. theol. Beitraͤg. 2.
B.) — Vorzuͤglich C. A, Th, Keil, hiſtoria dog-
matis de regno Meſſiae Ieſu et Apoſtolorum ae-
tate. Lipf, 178m. 4. Vergl. mit (Hebenſtreit)
Verſuch einer hiſtoriſch Eritifchen Abhandl. über
die Aeußerungen Jeſu vom Reiche des Meſſia
zu Matth. 29, 27-30. in Henke's Magaz. 2.
B. S. 359-422. — Hiſtoriſch-exegetiſcher Ske⸗
pticismus in Ruͤckſicht auf die Ausſpruͤche Jeſu
uͤber das von den Juden erwartete Meſſiasreich;
in Henkes Magaz. 3. B. S. 320-356. und die
Abhandlungen von einem Ungenannten unter dem
Namen Ottmar des Zweiten: Beitraͤge zur
hiſtoriſchen Interpretation des N, T. aus den das
mals herrſchenden Zeitbegriffen; in Henke's Mas
gaz. 3. B. S. 201 ff. und S. 123 ff. 3. B. S.
492. und in Henkes neu. Magaz. 4. B. S. 123
ff. und 492 ff — Pd litz, über Roͤm. 8, 19—
23. in Paulus Memorabtl. 7. St. S. 97-115.
— Paulus uͤber den Gebr. des Wortes awiwvss
Hebr. 11, 3. K. 1, 2. und den Zuſammenhang
der letztern Stelle; ebend. 7. St. S. 198-204,
— Beiträge z. Beſoͤrd. des vernuͤnft. Denk. 1.
Heft S. 64 ff. 7. Heft S. 136 ff. 9. Heſt S.
97 ff. — Ein neues Jeruſalem (Eine Weiſſa⸗
gung
*
Literaͤriſche Huͤlfsmittel. A 201
gung im Jeſaias K. 66.) von J. Fr. Telge;
in Henke's neu. Magaz. 3. B. ©. 87-1356,
Ueber die Unterſcheidung einer doppelten Wiederkunft
Sof; in Henke's Magaz. 4. B. S. 175179. —
Eckermann, uͤber die Begriffe vom Reiche und
der Wiederkunft Chriſti; in ſ. theolog. Beiträgen
2. B. 1. St. 215 ff. — Koppe Exc. II. epiſt.
ad T hei, — Einige Ideen zur Erkiaͤrung der
Welſſagung Chriſtl von der Zerſtoͤrung Jeruſalems.
In Eichh. Bibl. 3. B. 4. St. S. 669-693,
— 1. G. Süskind, de muEnUgLx Chrifti quid ſta-
tuerit Paulus? Tub. 1795. 4. J. Chr. Koken de
reditu Meſſiae ad iudicium gentium commenta-
tio. Goetting. 1800. 72 S. 4. — Hartmann
uͤber die Wiederkunft zum Weltgericht, und die
aus dieſer Lehre entſtandenen Erſcheinungen und
Traͤumereien; in ſ. Blicken ins Urchriſtenthum.
(Duͤſſeld. 1802, 8.) S. 86-13. — W. Müns
ſcher, Entwickelung der Lehre vom tauſendjaͤhri⸗
gen Reiche in den erſten Jahrhunderten; in Hen⸗
ke's Magaz. 6. B. S. 233-253. — (Corro⸗
di) keitiſche Geſchichte des Chiliasmus. Zuͤrch. 4
Theile 1794. 8. 2. Aufl. — Ueber eine bevorſte⸗
hende Veraͤnderung der Erde nach 2. Petr. 35 in
Henke's neu. Mag. 3. B. S. 315-364.
Iac. Thomafıus de exuſtione mundi ftoica diſſ. XXI.
Lipf. 1676. 4. — Beſchreibung des Weltgerichts
nach dem Talmud; in Schmidts Biblioth. fuͤr
Kritik und Exegeſ. 2. B. 1. St. S. 72-82
Vergl. mit Tychſens Abh. in den Comm. So-
eiet. Reg. Goett. Vol. XII. Pocock Speeim.
hift. arab. p. 276 ff. und Muradgea d’ Oh ſſon
Schilderung des ottoman. Reichs, 1. B. S.
85. ff.
Chriſtologise Koranicae Ren Diſſ. auet.
Jo. Chr. Gull. Auguſt. Ienae 1799. 32 S. 8. 1
len
202 Literaͤriſche Huͤlfsmittel.
len des Korans die von Chriſto handeln). Vergl.
mit: Sagen von Jeſu aus morgenlaͤndiſchen Schrifs
ten geſammelt von J. E. Ch. Schmidt; in
fein. Biblioth. für Kritik u. Exegeſ. ꝛe. 1. B. 1.
St. S. 110-130. und 3, S. 395-400,
—
Chr. Wilh. Fluͤgge, Geſchichte des Glaubens an
Unſterblichkeit, Auferſtehung, Gericht und Vergel⸗
tung. 3 Theile 1794 1800. Leſpz. 8. — J. E.
Chr. Schmidt, Entwurf einer Geſchichte des
Glaubens an Vergeltung und Uuſterblichkeit bei
den Juden; erſte Haͤlfte. Marb. 1797 8. — W. |
K. L. Ziegler, kurze Geſchichtsentwickelung der
Vorſtellungen der Hebräer von Fortdauer, Leben
‚und Vergeltungszuſtand nach dem Tode, bis auf
Chriſtus, in ſ. theol. Abhandlungen 2. B. 167-
256. (Umarbeitung deſſelben Aufſatzes in Hen⸗
kes Magaz. 5. B. S. 1-48.) — Ueber dass
Nationale, Lokale und Klimatiſche in dem Volks⸗ J
glauben an Fortdauer; in 1 s Beitraͤgen
zur e d. Relig. 1. Thl. S. 97 ff. 2
Y
1 Hiobs Hoffnungen; in Eichhorn Bibl. 1. B.
3. St. S. 567-390. Haͤnlein, über die Spu⸗ ö
ren d. Glaub. an Unſterblichk. u. Bergeltungszu⸗ N
ſtand im Koheleth; im neu. theol. Journ. 4. B.
4. St. S. 277 ff. J. E. Ch. Schmidt, ob
der Verf. des Koheleth ein Leben nach dem Tode
kannte und glaubte? Exeurs zu Deſſ. Ueberſ. von
Salomo's Prediger S. 221. — Nachtigall,
Darſtellung d. Lehre von d. Leben nach d. Tode in
d. Verſamml. iſraelkt. Weiſen nach dein babyl. Exil,
und Beurtheil, der im Kohel. vorkommenden Pas
radoxen; in Deſſen Koheleth (Halle 1798.) —
Thym, Verſuch einer hiſtoriſch » kritiſchen Dar⸗
ſtell. der juͤd. Lehre von einer Fortdauer nach d.
Tode, ſo weit ſich Spuren davon im A. T. fin⸗
den.
elteraͤriſche Huͤlfsmittel. 203
den. Berl. 1795. 221 S. 3. — Carl Phll.
Conz, war die Unſterblichkeitslehre d. alten Hebr.
bekannt, und wie? in Paulus Memorab. 3. St.
S. 141-174. — J. Chr. Baͤhrens freimuͤ⸗
thige Unterſuchung uͤber den Orkus der alten Hebr.
Halle 1786. 8. Ziegler, vom Todtenreiche der
Hebr., erſt. Exkurs zu ſein. Ueberſetz. der Spruͤ⸗
che Salomo's. (1791. 8.) Herder, vom Geiſt
der hebr. Poeſie 1. Thl. S. 215 ff. 2. Thl. S.
22. Chr. F. Ammon, über das Todtenreich
der Hebraͤer von den fruͤheſten Zeiten an bis auf
David. Erl. 1792. 4. und dann in Paulus Me⸗
morabil. eingeruͤckt 3. St. S. 188 ff. B. G. Meyer
comm. de notione orci apud Hebr. Lub. 1793.
8. . G. Zobel, etwas Über das Schatten⸗
reich Der alten Hebr., und einer doppelten, fich
ſcheinbar widerſprechenden Deutung deſſelben. Wit⸗
tenb. 1797. 29 S. 8. (weiter ausgefuͤhrt hat der
Verf. ſeine Idee in einer ſehr ſchaͤtzbaren Abhand—
lung: Ueber das Schattenreich der fruͤhern us
den, und uͤber eine doppelte, ſich ſcheinbar wider⸗
ſprechende Vorſtellung von demſelben. In ſ. Ma⸗
gazin für bibl. Interpretat. 1. B. 1. Sti. (Epz.
1805. gr. 3.) S. 1148.
G. S. Friſch S. 38. angefuͤhrte Abhandl.
K. F. Lohdius diſſ. I. II. delinestur imago do-
etrinae de conditione animi poſt mortem eo, quo
Chriftus et App. vixerunt feculo Fridericoſt.
1790. u. 91, 4. Trium feriptorum illuſtrium
de tribus Iudaeorum fectis fyntagma, in quo Ni-
colai Serrarii, Io. Drulii et Iof. Scaligeri opuſeu
la exhibentur, 1703. 4. (Schulze) coniecturae
hiftorico- erit. Sadducaeorum 11 65 Iudaeos fes
etse nouam lucem accendentes. Halae, 1779.
gr. 3. K. C. Lud. Schmidt, über Sadducais⸗
mus und Phariſaͤismus, oder über den Glaub. an
Vergelt., Auferſt. u. Unſterbl. bei den Juden; in
Schmidts Bibl. fuͤr Kritik und Exeg. ꝛc. 2. B.
’ 4: St.
204 | Literaͤriſche Huͤlfsmittel.
4. St. S. 512-535. Flatt, Etwas über die
Lehre d. Phartſaͤer von d. Zuſtande nach d. Tode;
in Pauius Memorabl. 2. St. S. 157 ff. Pau.
lus progr., Pharifaeorum de reſurrectione mor-
tuor. ſententis ex tribus loſephi, Archseologi,
loeis explicatur. lenge 1796. 4. ). C. F. Sräud-
lin pr. doctrinae, de futura corporum exanimstor.
inſtauratione ante Chriſtum hiſtoria. Goett. 1792.
4. und wiedergedr. in d. commentatt. theoll. T.
I. Edu. Sneedorf Hammer, mortuorum in vitam
reuocatio fermonibus Chriſti hiſtorieae interpre-
tationis ope vindicata. Lip. 1794. 4.
J. S. Semler veftigia doctrinae de reſurreetio-
ne mortuorum in remotiori Aſia vetuſtiſſima; in
ſ. progrr. acadd. ſeleetis. Hal. 1779. Fenel,
über die Lehre der Alten, beſonders der Magier,
von der Auſerſteh.; in Hißmans Magaz. f. die
Pyiloſophie, 2. B. S. 351 ff. J. G. Herder,
von der Auferſtehung als Glauben, e b.
ehre.
*) Bardili, vom Urſprung der Begriffe von
Unſterblichk., in der Berlin. Monatsſchr. Febr.
1792. G. C. Knapp, comm. ſuper origine
opinionis de immortalitate animor. apud na-
tiones barbaras atque a cultu veri Dei alienas.
Hal. 1790. und wiedergedr. in ſ. fcripus varii
ergum. T. I. Heeren Entwickelung des Bes
griffs von Vergeltung bei d. Griechen; in d.
Berlin. Monatsſchr. May 1785. Myttenbach
diſſ. quae fuerit vett. philofoph., inde a Tha-
lete et Pythag. vsque ad Senecam fententia
de vita et ſtatu anlınarr. poſt mortem corporis.
Amſt. 1786. 8. Linde dill. de ſolatiis aduerſus
mortis harrores in N. T. et Platone obuiis.
Lipl. 1792. 4 4
r
Literaͤriſche Huͤlfsmittel. 205
Lehre. Riga 1794. 8. Beitrage zur Befoͤrd. d.
vernünft. Denk. ꝛc. 1. Heft S. 60 ff. — Einen
Auszug aus Fr. Sim. Loeſfler diſſ. de iis, qui in.
ter gentes in vitam redliſſe perhibentur. Lipf-
1694. findet man in Paulus 1 uͤber
das Evang. Johann. S. 568 ff. W. A.
Teller, fides doctrinae de e carnis per
quatuor priora fecula enarratio hiſt. critica.
Helmſt. 1766.
\
Ueber die Emigkelt der Hoͤllenſtrafen; in den Bei⸗
trägen z. Beförd. d. ven. Denk. ıc. 7. Heft S.
41-72, 11. Hft. S. 113 ff. 1. AM S. 63.
(uber das Paradies |. ebendaſ. 1. Hit. S. 58 f.)
Ueber 1. Petr. 3, 19, 20; in Schmidts Bir
blioth. f. Kritik und Exeg. ꝛe. 1. B. S. 301—
307. J. G. A. Hacker, diſſ. de deſeenſu Chriſti
ad inferos, Viteb. 1802. 4. Beiträge zur Bes
foͤrd. d. vernuͤnſt. Denk. ꝛc. 11. Heft S. 133 ff.
Pott dritt. Excurs in fein epp. catholic. perpet.
a illuſtr. Vol. II. p. 289 ff. (Vogel) Ueber
. Petr. 3, 18. 195 in Gablers theol. Journ.
. B. 3. St. S. 309-326. Dagegen: Ga b⸗
ler: über 1. Petr. 3., an Hrn. D. Vogel; eben⸗
daſ. s. St. S. 417-466. und: Gabler, über
1. Se ze. ein Nachtrag; ebendaſ. (1802. 2.
B.) Vergl. mit einer fruͤhern Abh. Gablers im
4 u. 5. St. des 10. Bandes.
{
Verſuch den Urſprung der Sittenlehre Jeſu hiſtoriſch
zu erklaͤren; in Henke's Magaz. 5. B. S. 362
ff. Joh. Balth. Lüderwald, über den ans
geblichen Urſprung des Chriſtenth. aus on,
ekte
206 elteröriſche Hälfsmittel.
Sekte der Eſſaͤer; in Henke's Magaz. 4. B. S.
371-429. (man findet da auch eine ſehr vollſtaͤn⸗
dige Nachricht uͤber die Eſſaͤer uͤberhaupt.) Vergl.
mit Staudlins Geſchichte der Sittenlehre Je⸗
fu 1. B. S. 420. Beiträge zur Befoͤrd. d. vers.
nuͤnft. Denk. ꝛc. 7. Seit. S. 147 ff. Rein⸗
hard, Verſuch eines Planes, den d. Stifter ꝛc.
S. 170 ff. und Bengel, Bemerkungen uͤber
[gegen] den Verſuch, das Chriſtenth. aus dem
Eſſaismus abzuleiten; in Flatts Magaz. 7. St.
— Im. Berger, Verſuch einer moraliſchen Ein⸗
ieitung ins (Einleitung in die Moral des) N. T.
fiir Religionslehrer und denkende Chriſten. 4 Thei⸗
le, Lemgo 1797-1800, 8. Weit mehr gehoͤrt
aber hieher G. L. Bauer, bibliſche Moral des
N. T. 1. THE Sittenlehre nach den Evangelis
ſten, Leipz. 1804. 8. 2. Theil, Sittenlehre Pauli,
Petri, Judaͤ, Jakobi und des Br. an die Hebr.
ebend. 1805. (Der erſte Theil beginnt mit „ein.
kurzen Indegriff der hebr. Moral vor Chriſtus.“)
Wilh. Muͤnſcher, uͤber d. Zuſtand der chriſtl.
Sittenlehre in dem erſten Zeitalter nach d. Tode
der Apoſtel; in Veen neu. Magaz 1. B. S.
337 375.
Kap. IV.
Allgemeine Grundfäge der hiſtoriſch-dog⸗
matiſchen Auslegung des N. T.
§. 36.
n eines allgemeinen Kanone
Die Guͤltigkeit der hiſtoriſch- dogmatiſchen Aus⸗
legung beruht auf dem Grundſatze, der bei je⸗ 0
5 dem 4
kur
Allgemeiner exeget. Kanon. 207
dem ernſthaften Schriftſteller gilt: jeder Schrift⸗
ſteller will von feinen Leſern, für die
er ſchreibt, verſtanden werden. — Der
Zuſatz „für die er ſchreibt“ iſt nicht muͤßig, und
erinnert uns beim N T. namentlich daran, daß
dieſe Schriften von den Verff. ſelbſt für ihr Zeitz
alter geſchrieben wurden; ein Satz, den ich hier
fuͤglich als Emma aus den Einleitungen ins N.
T. betrachten, und unbewieſen laſſen kann. Das
Prinzip ſelbſt bedarf keines Beweiſes, da es aus
der Natur der Sache unwiderſprechlich folgt.
Denn die Abſicht jedes Aufſatzes, der für Andre
beſtimmt iſt, kann keine andere ſeyn, als denen,
für die wir ſchreiben, unſere Vorſtellungen, Ge
fühle und Gedanken durch Hülfe der Worte deut⸗
lich zu machen. Will der Schriſtſteller dieſes;
ſo will er auch, daß ihn ſeine Leſer verſtehen
ſollen *). Deng eine Schriſt verſtehen, heißt ja
die Vorſtellungen, Gefuͤhle und Gedanken mit
den Worten verbinden, welche der Verf. damit
verband, und verbunden wiſſen wollte. S. §. 2.
— Dieſer allgemeine Grundſatz gilt aber auch
. von
„) Der beſondere Fall, daß ein Verf. abſichtlich
fo ſchreibt, um nicht verftanden zu werden, oder
zweideutig ſpricht, um ſich durch die Moͤglich⸗
keit einer doppelten Erklaͤrung eine Ausflucht
offen zu laſſen, gehort nicht hieher, und kann
jenen Satz eben fo wenig aufheben, als die Col⸗
lifion der Pflichten die Gultigkeit des eines Tu⸗
gendgebotes an ſich vernichten kann.
\ 3
208 Allgemeiner exeget! Kanon.
von den Schriften des N. T. ohne Einſchraͤn⸗
kung, da den Pf. derſelben, weit mehr als andern
Schriftſtellern, daran liegen mußte, verſtanden
zu werden, indem ſich ihre Schriſten ſaͤmmtlich
auf Religion beziehen, und alle zur Belehrung
oder Beruhigung der Leſer aufgeſetzt wurden.
Aus dieſem Hauptgrundſatze ergiebt ſich ein
zweiter: daß die hermeneutiſche Wahrs
heit einer Schrift einzig und allein dar-
nach beurtheilt werden koͤnne, wie der
Verf. derſelben vorausſetzen mußte,
daß feine Leſer feine Worte verfieben
wuͤrden. Denn die hermeneutiſche Wahrheit
beſteht darin: daß man genau daſſelbe, was der
Verf. dachte, bei ſeinen Worten denkt S. h.
13.). Dieſer aber mußte, wenn er verſtanden
werden wollte, eben die Vorſtellungen mit ſeinen
Worten verknuͤpfen, von denen er vorausſet en
konnte, daß fie feine Leſer damit verbinden würs
den. Vergl. S. 30 ff.
Iſt nun aber dieſes; ſo muͤſſen wir, wenn
wir das N. T. der hermeneutiſchen Wahrheit
gemäß erklaͤren wollen, vor allen Dingen unters
ſuchen, wie die neuteſtamentlichen Schriften von
den Leſern, fur welche fie beſtimmt waren, ers
weislich verſtanden worden ſind, und ſie dem ge⸗
maͤß interpretiren.
Hieraus ſolgt der allgemeine hermeneuti⸗
ſche Kanon:
„Das
i *
Allgemeiner exeget. Kanon. % 209
% „Das N. T. iſt uͤberall fo zu erklaͤ⸗
ren, wie es nach hiſtoriſchen Gruͤn⸗
den erweislich ist, daß es die da ma⸗
ligen Leſer verſtehen konnten und
mußten.“ Vergl. S. 29 f. und S. 34.
' Diefer 5 iſt das hoͤch ſte Geſetz nicht
nur für die Auslegung des N. T. uͤberhaupt,
ſondern auch für die hiſtoriſch⸗dogmatiſche; denn
er folgt unmittelbar aus jenem Prinzip, daß je⸗
der Schriftſteller von ſeinen Leſern verſtanden
werden will. — Er iſt aber auch das einzi⸗
ge Geſetz der Auslegung, weil er den voliſtaͤn⸗
digen Grund fir die Ausmitlelung der hermeneu⸗
tiſchen Wahrheit enthalt. Ohnerachtet ſchon
oben §. 13 ff. der Un erſchied zwiſchen Herme⸗
neutik und Kritik genauer entwickelt, und gezeigt
wurde (S. 57 ff.), daß weder der Theologie
noch der Philoſophie erlaubt; ſey, andere Geſetze
der Auslegung vorzuſchreiben, oder die Anwen,
dung dieſes Kanons zu beſtimmen und eir zuſchraͤn⸗
ken; ſo muß hier doch noch Einiges uͤber die
Zureichenheit dieſes Kanons erinnert werden.
Naͤmlich man verlangt gewoͤhnlich von dem Aus⸗
leger des N. Ti, daß er nicht nur grammatiſch
und hiſtor iſch interpretire, ſondern „daß er auch
„ſeine Meinung über den Juhalt einer Schrift
„ſage, damit man wiſſe, was er davon halte,
welchen Werth er darauf lege, und was für
einen Gebrauch er davon mache und gemacht
„willen, wolle. Wenn er z. B. die Nachrichten
1 * „von
216 Allgemeiner exeget. Kanon.
„von dem Tode, der Auferſtehung und Himmels
„fahrt Jeſu als Exeget zu bearbeiten hat, ſo
„iſt es nicht genug, daß er grammatiſch den
„Sinn der Evangeliſten unparıpeiifch erſt ſetze,
„und hiſtoriſch die Vorſtellungen der damaligen
„Juden von den Kennzeichen des erwarteten Meſ⸗
„Nas nachweiſe; man erwartet auch von ihm,
„daß er ſage, was er von dieſen Nachrichten
„halte, was er als wirkliche Thatſache dabei an⸗
„nehme, wie er dieſe fine Anſicht durch die von
„ihm erklaͤrten Nachrichten rechtfertige, wie viel
„mithin die Nachrichten der Evangeliſten bei ihm
„gelten, und was für eine Beweiskraft zur Bes
„gruͤndung gewiſſer Dogmen er ihnen zuſch reibe
„oder nicht zuſchreibe.“ Dieſes ſind die Forde⸗
rungen eines Recenſenten in der Jenaiſchen All.
Lit. Zeit. no . 183. 1805. und dieſelben machten
auch mehrere Hermeneutiker an ſich, wie z. B.
Seiler und Bauer in ihren Lehrbuͤchern, vorzüge
lich der erſtere.
Allein ich glaube, daß hierdurch offenbar
zwei ſehr verſchiedene Geſchaͤfte vermiſcht wer⸗
den, und die Hermeneutik weit uͤber die Gebuͤhr
ausgedehnt wird. Denn wenn die Hermeneutik
die Wiſſenſchaft iſt, die uns das hiſtoriſche Fak⸗
tum entſcheiden lehrt: welchen Sinn ein Schrift:
ſteller mit ſeinen Worten verbunden habe, oder
was er ſagen wollte; ſo erhellt aus dieſer De⸗
finition, daß die Unterſuchung uͤber den kritiſchen
Werth des gefundenen Sinnes gar nicht in dieſe
Wiſ⸗
Allgemeiner exeget. Kanon. 211
Wiſſenſchaft gehöre. (Vergl. die Bemerkungen
Eichſtaͤdts zu Moti aeroaſ. Vol. I. p. 7.) Denn
das letztere iſt hiſtoriſche Kritik, und daß
man beide Wiſſenſchaften mit Recht trenne, ers
giebt ſich daraus, weil beide durchaus verſchiede⸗
ne Prinzipien haben, auf einem durchaus ver⸗
ſchiedenen Grunde beruhen. Denn die Hermes
neutik gruͤndet ſich auf Sprachgebrauch und Ge⸗
ſchichte, die Kritik hingegen muß uͤberall die Phi⸗
loſophie zu Grunde legen, und folgt in Ruͤckſicht
der Lehren den Grundſaͤtzen der Vernunft über
das logiſch Wahre, oder der Religionsphiloſo⸗
phie, in Ruͤckſicht der Thatſachen aber den all⸗
gemeinen Regeln der hiſtoriſchen Kritik uͤber das
empiriſch Wahre, denſelben Grundſätzen, nach
denen der Werh der Nachrichten eines Livius,
Dio Caſſius und jedes Schriftſtellers ausgemittelt
wird. Das N. T. hat viel Aehnlichkeit mit den
ſymboliſchen Buͤchern, die gleichfalls aus den
damaligen Streitigkeiten, folglich hiſt ortſch zu
erklaͤren ſind. Allein wer wuͤrde es fuͤr Herme⸗
neutik dieſer Buͤcher halten, wenn man die in
ihnen feſtgeſetzten Dogmen nach Schriſt und Ver⸗
nunft einer Pruͤfung unterwerfen wollte? —
Was endlich den meiſten Schein hat, naͤmlich
die Ableitung der Dogmen aus dem N. T.; fo
kann dieſe nur auf folgende Weiſe geſchehen: daß
man entweder das Dogma nimmt wie es die
grammatiſch⸗ hiſtoriſche Auslegung liefert, oder
daß man das Dogma oder die Stelle in einem
andern Sinne nimmt. Im letzten Falle iſt man
O 2 aber
212 dilgepeiner exeget. Kanon.
aber nicht mehr Hermeneutiker, ſondern .
falls Kritiker; denn man unterſucht nicht mehr,
was der Verf. mit feinen Worten geſegt habe,
ſondern in welchem Sinne das von ihm Ge⸗
ſagte in das Syſtem der Religtonslehre aufge⸗
nommen werden koͤnne. — Es wuͤrde gewiß
ſuͤr die Hermeneutik, Dogmatik und die ganze
Exegeſe des N. T. ſehr nuͤtziich ſeyn, wenn man
die Kritik des N. T. nach dem philoſophiſchen
und hiſtoriſchen Theil beſonders behandelte, und
dieſe Wiſſenſchaft cht mit der Haenel ver⸗
menten ö
Als hoͤchſtes und einziges Geſetz endlich ft
jener el von allgemeiner Guͤltigkeit, und folg⸗
lich uͤberall anzuwenden, wo die hermencutis
ſche Wahrheit durch hiſtoriſch⸗dogmatiſche Gruͤn⸗
de ausgemittelt werden kann. Denn man muß
annehmen, daß die Verfaſſer des N. T. überall
von ihren Leſern verſtanden ſeyn, und alſo auch
überall das wirklich ſagen wollten, was fie vor⸗
herſehen mußten, das ihre Leſer bei den Worten
denken wuͤrden. — Daß hierbei die Falle, wenn
das Reſultat der Erklaͤrung einer Offenbarung
nicht wuͤrdig ſcheint, und wenn die Erklaͤrung
e und ke 9 giebt, keine
Aus⸗
9 Als Beiſpiele ſolcher Widersprüche berweiſk ich
auf das, was 4 (in ſ. Bibl. f. Kri⸗
tik und Exeg. 2. 5 239.) uͤber die Erzaͤh⸗
lung
Allgemeiner exeget. Kanon. 213
Ausnahme machen, iſt oben H. 15. bewieſen wor.
den.
Allein man macht vielleicht gegen dieſen Ka⸗
non und gegen die ganze hiſtoriſch⸗ dogmatiſche
Auslegung die Einwendung, daß ſie eigentlich ei⸗
nen Zirkel enthalte, in wiefern naͤmlich diejeni⸗
gen Schriften, aus denen, als Quellen (S. das
zte Kap.), die Erklärungsgıunde herzunehmen
ſind, ſelbſt erſt. der hiſtoriſch⸗dogmatiſchen Aus⸗
legung beduͤrfen. Woher ſoll aber dieſer ge⸗
ſchoͤpft werden? Aus ihnen ſelbſt? — Aber
warum will man dann nicht auch die Erklaͤrung
des N. T. in ſich ſelbſt begründen! — Aus
andern Quellen? — Aber wo ſind dieſe vor⸗
handen! Man muß alſo dieſe Quellen aus ſich
ſelbſt erklaͤren, und kann folglich dabei, in
wiefern man ihren Inhalt nicht im Voraus be⸗
ſtimmen darf, bloß Einer Erklaͤrung folgen, naͤm⸗
lich der bemmetsſch e 5 Dieſe iſt e die
einzige und wahre: 2
Dieſer Einwurf enthält zwar viel Wahres:
aber er kann nicht beweiſen, was er beweiſen
ſoll. Wahr iſt es, daß auch die Quellen ſelbſt
erſt hiſtoriſch erklärt werten muͤſſen, und zwar
F nach
Pc N
lung von den Mantern, und von den letzten
Schickſalen Judas Iſchar, erinnert hat. Auch
vergl. 1 Petr. 5, 8. mit 2 Petr. 2, 4. Jud.
v. 6. ‘
5
214 Allgemeiner exeget. Kanon.
nach Sprachgebrauch, Zuſammenhang und Ver⸗
gleichung unter einander; wahr iſt es, daß
man folglich auch eine Quelle aus ſich ſelbſt er⸗
klaͤren kann, namlich die dunkeln Stellen aus den
deutlichen; wahr endlich, daß bieſe Erklaͤrung
auf der grammatiſchen Interpretation beruht.
Allein daraus folgt gar nicht, daß die letztere
die einzige ſey, oder daß man in der hiſtoriſch⸗
dogmatiſchen Auslegung einen Zirkel begehe. Viel⸗
mehr nehmen wir dieſe Grundſaͤtze gleichfalls in
das Syſtem 2 biſtorſſchen Auslegung auf.
A Jeder Scbriftteller naͤmlich, jede einzelne
Stelle iſt zuerſt grammatiſch zu interpretiren,
dann aber hiſtoriſch. Die Gruͤnde fuͤr die letzte⸗
re Auslegung werden entweder aus dem Schrift⸗
ſteller ſelbſt, d. i. aus den Stellen entlehnt,
wo er ſeine Meinung Ausführlich, und um fie
andern verſtaͤndlich zu machen, angiebt , oder
He werden aus andern Schriftſtellern genommen,
bei denen ſich gleiche Grundſaͤtze vorausſetzen laf⸗
ſen. Daß man aber hier gleichfalls nur die
deutlichen, eigentlich didaktiſchen Stellen auswaͤh⸗
len muͤſſe, verſteht ſich von ſelbſt. (So z. B.
das S. 24. angegebene Ke Tugov, das
Joſephus ausführlich erklaͤrt.) Nur dann wuͤr⸗
de
0 Wie z. B. Paulus uͤber die Auferſtehung 1.
Kor. 15.
N
Allgemeiner exeget. Kanon. 215
de man einen Zirkel machen, wenn man eine
dunkle Stelle aus einer andern dunkeln erklaͤren,
unnd den Inhalt der letztern als ſchon aus⸗
gemacht vorausſetzen wollte. Allein man
erklärt hier die kurzen, unvollendeten und dunkeln
Stellen und Worte aus anderwaͤrts hinlaͤnglich
bekannten religioͤſen Grundſaͤtzen, die in weitlaͤuſti⸗
gen und deutlichen Stellen klar vorliegen; man er⸗
klaͤrt nicht aus einer einzigen Stelle, ſondern aus
einer großen Anzahl Quellen und Stellen, durch
deren Vergleichung ſich die hermeneutiſche Wahr⸗
heit mit Sicherheit ausmachen laͤßt. Man will
einen Schriftſteller nicht einzig aus andern er⸗
laͤutern, ſondern braucht auch die Erklaͤrungen,
die er ſelbſt in ausfuͤhrlichen und deutlichen
Stellen an die Hand giebt, und haͤlt es fuͤr ſehr
noͤthig, ſolche loca claſſica zu bemerken und bei
der Exegeſe zu Grunde zu legen. — Die Nich⸗
tigkeit j nes Einwurfes aber erhellt nicht nur aus
dem, was F. 6. geſagt worden iſt; ſondern auch
daraus, daß er offenbar, als Beweis, zu viel
beweiſet. Denn es waͤre ſonach auch ein Zirkel,
einen Schriftſteller aus ſich und andern nach
Parallelſtellen zu erklären; die ganze grammati⸗
ſche Auslegung waͤre gleichfalls ein Zirkel, in
wiefern Stellen und Schriften, aus denen der
grammatiſche Sprachgebrauch erkannt und belegt
werden ſoll, ſelbſt erſt der grammatiſchen Er⸗
klaͤrung beduͤrfen. Somit wäre die ganze Her⸗
meneutik ohne Fundament.
9. 37.
en
216 Naͤhere Anwendung diefes Kanons.
§. 37. n
Nähere Anwendung diefes Kanons ) in
’ Ruckſlcht der Quellen der Rellgions⸗
5 lehren des Orients. 0
& richtig auch dieſer Kanon im Allge⸗
meinen, und ſo leicht es iſt, ihn zu beweiſen;
ſo iſt doch eine naͤhere Erörterung ſeiner Anwen⸗
dung noͤthig, um das Geſchaͤft des hiſtoriſch⸗
dogmatiſchen Auslegers in einzelnen Faͤllen zu
leiten. Denn es laßt ſich nicht nur von ſelbſt
erwarten, ſondern zeigt ſich auch in der That,
daß jenes Geſetz eine mannigfaltige Anwendung
leide. Die Gruͤnde dafuͤr liegen theils in den
Quellen ſeleſt, theils in dem N. Ta. %
Was die Quellen der orientaliſchen und juͤ⸗
diſchen Religions lehren anlangt; ſo ſind ſie, in
Ruͤckſicht des Ortes, der Zeit, der Verfaſſer,
und baher auch in Ruͤckſicht der religioͤſen Spra⸗
che und Grundſaͤtze, ſehr verſchieden. Folglich
kann ſie der Exeget nicht ohne kritische Ruͤckſicht
auf dieſe Verſchiedenheit zur Erklaͤrung des N.
T. anwenden. Mas uͤber jede jener Quellen
einzeln zu ſagen war, habe ich bei der Recen⸗
ſton derſelben erwaͤhnt; hier muß nun noch das
folgen, Ra im Allgemeinen daruͤber zu bemer⸗
ken iſt. — F lgende Regeln ſcheint namlich i
der Sntsrpret beobachten zu muͤſſen; |
erſtlich, daß er die Erklaͤrungen die
aus palaͤflinenſiſchen Quellen geſchoͤpft werden
kaoͤn⸗
N 1) in Ruͤckſicht der Quellen. m 217
koͤnnen, jederzeit den Erlaͤuterungen aus perſi⸗
ſchen und griechiſchen Quellen *) vorziehe; oder
mit andern Worten: daß er jederzeit eher aus der
gemeinen juͤdiſchen Theologie, als aus perfifcher
und griechifcher Religionsphiloſophie erkläre. Denn
die Off. des N. T. waren meiſtens Palaͤſtinenſer,
oder lebten in Nalaͤſtina, oder hatten palaͤſtinenſt⸗
ſche Lehrer und Quellen, denen fie folgten. Fer⸗
ner ſchrieben die meiſten von ihnen fuͤr palaͤſtinen⸗
ſiſche Juden, oder doch, wie Paulus in den mei⸗
ſten feiner Briefe, fuͤr ſolche Leſer, die von Pa⸗
latina ausgegangen waren und mit dieſem Lan:
de in Verbindung ſtanden. Denn die Juden in
Kleinaſien, Griechenland und Italien, darf man
nicht, wie die aͤgyptiſchen, als Philoſophen, ſon⸗
dern als Handelsleute betrachten, die von der
Philoſophie und Religion der Laͤnder, in denen
fie lebten, wenig Kenntniß nahmen, ſondern ih⸗
rem väterlichen Glauben treu Flieben. Bei ih⸗
nen iſt alſo palaſtinenſiſche Theologie vorzüglich
vorauszuſetzen, und folglich ſind auch die fuͤr ſie
und von ihren Landesleuten geſchriebenen Schrif⸗
ten nach derſelben verzuͤglich zu ertlaͤren. Und
dieſes um ſo vielmehr, da die palaſtinenſiſche Re⸗
ligionslehre von der perſſiſchen und griechiſchen
abweicht. So ſind z. B. die boͤſen Engel, nach
A ne e Zo⸗
) Hierbei macht Johannes und der Brief an die
HBebräer eine Ausname; doch davon in der
Speelalhermeneutkk. 1 Bf
218 Naͤhere Anwendung biefes Kanons
Zoroaſters Lehre, nicht von Gott geſchaffen, ſon⸗
dern von dem oberſten boͤſen Grundweſen als ur⸗
ſprüͤnglich boͤſe Geiſter hervorgebracht. Hinge⸗
gen in Paläſtina hielt man, wie wir aus Joſe⸗
phus und den Pſeudepigraphen ſehen, die boͤſen
Engel fuͤr gefallene gute, folglich fuͤr Gottes
Geſchoͤpfe, und urſpruͤnglich gute Geiſter. Und
dieſes ſtimmt auch ganz mit dem uͤberein, was
wir Joh 8, 44. 2 Petr. 2, 4. Jud. v. 6.
leſen. So waren ferner die aͤgyptiſchen Juden,
als Platoniker, der Auferftehung abgeneigt; da
Hingegen die Palaͤſtinenſer dieſe Lehre allgemein
(mit Ausnahme der Sadducaͤer) glaubten. —
Wo hingegen die palaͤſtinenſiſchen Quellen nicht
ausreichen, ſind zunaͤchſt die perſiſchen zur Er⸗
laͤuterung zu gebrauchen, da die Juden früher
und laͤnger mit Perſern in Verbindung waren,
als mit Griechen, und viel lieber von jenen et⸗
was annahmen, als ſpaͤterhin von dieſen.
Zweitens, ſind, in Rückſcht des Zeital⸗
ters, die Quellen, die dem apoſtoliſchen Zeitalter
am naͤchſten waren, außerdem aber immer die
aͤltern, vorzüglich zu gebrauchen. Denn es be⸗
darf keines Beweiſes, daß die dem N. T gleich⸗
zeitigen Quellen, in Ruͤckſicht der Sprache und
Grundſaͤtze, mit ihm am meiſten uͤbereinkommen
werden, wie z. B. Joſephus, der groͤßte Theil
der Pfeudepigraphen und der Apokryphen des N.
FT. — Außerdem aber iſt herabwaͤrts nach
Chriſti Geburt die ältere Quelle immer der juͤn⸗
gern,
1) in Ruͤckſicht der Quellen. 219
gern, folglich die Kabbaliſten dem Talmund, Jo⸗
ſephus den Kabbaliſten ꝛc. hingegen hinaufwaͤrts
vor Chriſti Geburt immer die jüngere, der ältern
vorzuziehen, z. B. die Apokryphen des A. T. dem
A. T. ſelbſt u. ſ. w. Denn es liegt in der
Natur der Sache, daß ſpaͤtere Quellen als das
N. auch ſpaͤter entſtandene Meinungen, oder we⸗
nigſtens ſpaͤter entſtandene Modifikationen derſel⸗
ben, enthalten, in den aͤltern hingegen noch Man⸗
che Lehre entweder ganz fehlt, oder nur beruͤhrt
wird. Doch muß man hierbei die Schriften
der aͤlteſten Bekenner des Chriſtenthums, wenig⸗
ſtens in wie weit ſie nicht durch ſpecielle Saͤtze
haͤretiſcher Partheien, oder philoſophiſcher Sy⸗
ſteme verunreinigt ſind, in vorzuͤgliche Betrach⸗
tung ziehen, weil dieſe den apoſtoliſchen Beleh⸗
rungen am naͤchſten waren, und ſich von ihnen
erwarten laßt, daß fie, als Schüler der Apoſtel,
die Veranderungen, welche dieſe mit der juͤdi⸗
ſchen Theologie vorgenommen haben, am erſten
darſtellen weiden. Allein unter ihnen find die
von Juden⸗ Chriſten geſchriebenen wieder denen
aus den Heiden⸗Chriſten vorzuziehen; weil jene
es vorzuͤglich waren, fuͤr welche die meiſten
Schriften des N. T. geſchrieben ſind.
Drittens, ſind die Quellen, welche von
ungelehrten und unphiloſophiſchen Verfaſſern her⸗
ruͤhren, denen, welche wir gelehrten und philo⸗
ſophiſchen Schriftſtellern verdanken, vorzuziehen;
folglich die alten Targumim den Kabbaliſten,
Jes
230 Nähere Anwendung dieſes Kanons
Joſephus dem Philo, die Pfeudepigraphen des
alten und die Apokryphen des N. T. den philoſo⸗
phiſchen Kirchenvaͤtern (3. B. einem Juſtinus Mar⸗
tur, Clemens Alex. u. ſ. w.) Denn theils ver⸗
änderten die philoſophiſchen Schriftſteller vieles
nach ih em Syſtem, theils war das N. T fuͤr
Ungelehrte geſchrieben, theils waren die Schrift⸗
ſtellr des N T ſelbſt (den einzigen Paulus und
den Verf. des Briefes an die Hebräer in gewiſ⸗
fer Ruͤckſicht ausgenommen weder Gelehrte noch
. iloſophen.
Endlich viertens, iſt jeder neuteſtament⸗
liche Schriftſteller, nach ſeiner beſondern Eigen⸗
thuͤmlichkeit, d. h. nach ſeinem Zweck, fuͤr den,
nach dem Orte wo, nach den Leſern, fuͤr wel⸗
che er ſchreb, und nach feinem Geiſte und ſei⸗
ner vorherigen Lage, ehe er Chriſt wurde, zu bes
trachten, und vorzuͤglich aus den Quellen zu ers
läutern, welche fur ihn tie naͤchſten und wich⸗
tigſten ſind. Doch dieſe ganze Unterſuchung ge⸗
hoͤrt in die hiſtoriſch dogmatiſche Specialherme⸗
neutik des N. T., und iſt nach den S. 175 ff.
angeſtellten Bemerkungen zu beurtheilen. N
,
2) in Ruͤckſicht des N. T. ei.
Da die Erklaͤrungsgruͤnde der bitch
dogmatiſchen Auslegung des N. T. von den Vor⸗
5 4 der Leſer e ſind; ſo iſt zwar
iener
2) in Rückſicht des N. T. 221
jener im 35. H. aufgeſtellte Kanon allerdings
uͤberall ohne Ausnahme anzuwenden; allein
es fragt ſich nun: haͤtten auch die Leſer diejeni⸗
gen Vorſtellungen, die man in den angeführten
Quellen, vorzuͤglich in der juͤdiſchen Theologie
findet, ganz unveraͤndert, oder nicht? —
Dieſe Frage kann nicht von der Hand ge⸗
wieſen werden, weil man vorausſetzen kan, daß
die Schriftſteller des N. T. als ehrer einer neu:
entſtandenen Religiou (wenn man auch, was
man hier muß (ſ. H. 13), ganz davon abſtra⸗
hirt, daß dieſe Religion eine goͤttliche Offenba⸗
rung iſt,) die religioͤſen Grundſaͤtze und Me nun⸗
gen ihres Zeitalters werden veraͤndert, und nach
dem Maaßſtabe ihres neuen Glaubens umgebil⸗
det haben. Wie weit ſich dief: Veraͤnderungen
erſtreckt haben mögen, laͤßt ſich zwar nicht im
Voraus und a priori beſtimmen, aber doch er:
warten, daß wenigſtens Einiges einer Verandes
rung unterworfen worden ſey. Hierauf werden
wir auch ausdruͤcklich im N T. hingewieſen, ins
dem die Apoſtel und namentlich Paulus verſt—
chern, daß fie vieles durch eine gͤͤttliche & o.
0. erhalten hatten, was vorher nicht bes
kannt geweſen ſey ); Jeſus aber ſelbſt Matth.
| . 0 15,
*) Galat. 1, 15 12. Eph. 3, 3. Röm. 16, 25.
Apoſtelg. 15, 28 ff. Joh. 14, 16. Kap. 16, 13 ff.
. f
%
222 Nähere Anwendung diefes Kanons
15, 2. 3. 6. die magmdocıv verwirft. Ohner⸗
achtet aber hier von den Cerimonien, welche die
magndocıs enthielt, zunaͤchſt die Rede iſt; fo
ſcheint doch Jeſus uͤberhaupt (v. 6.) nicht guͤn⸗
ſtig von ihr zu urtheilen.
Vorzuͤglich aber iſt es Paulus, der uns
darauf aufmerkſam macht, daß er gewiſſe da⸗
mals gangbare religioͤſe Ideen, welche auch in die
von ihm geftifteten Gemeinden eindrangen, nicht
billige, ſondern verwerfe. Er warnt z. B. die
Koloſſer (K. 2, 8.) vor menſchlichen Meinungen,
org, die er Sorxeı® Tou normov, ON.
G αα,ν und xevm Krarnv nennt; er warnt
feinen Titus (K. 1, 14.) namentlich vor uu Nen
lovdaixcis, und ermahnt ihn (K. 3, 9.) l
enriceis n "yEevenAoyıans, ou EgEIS E
paxas vopinas zu fliehen. Was er darunter
verſtanden habe, iſt zwar nicht ſo ganz klar;
allein man ſieht doch ſo viel, daß es religioͤſe
Meinungen waren, durch welche die Chriſten von
der wahren Lehre abgeleitet werden konnten. Daß
es namentlich bloße Meinungen der Juden uͤber
das moſaiſche Geſetz und deſſen einzelne Gebote,
beſonders des Ritualgeſetzes geweſen ſeyen, laͤßt
ſich zwar nicht beweiſen; allein es iſt nach dem,
was Paulus anderwarts aͤußert, wo er gegen
ſolche Meinungen kaͤmpft, wahrſcheinlich. Be⸗
ſonders aber ſcheint Paulus die alexandriniſch⸗
juͤdiſche Religionsphiloſophie gemeint zu haben,
die zu Epheſus unter den Chriſten Eingang fand,
wenn
2) in Ruͤckſicht des N. T. 233
wenn er den Timotheus ermahnt, (1 Tim. 17
3. 4. ), zu Epheſus zu verweilen, damit er gewiſſe
Leute erinnere, Ans Meocexew Ab Sols za e-
vece N ierig e nE, wirwes Cnrnceig oe
geyovas, und ihn (K. 6, 20.) bittet Ts Oe.
Aovs h ενοοοονẽ,;̃ ac cee T1 Werdo.
vαεE.lnh Yywaeos zu fliehen. Avrıd. 7. Weuß,
Peg. d. i. die dem Chriſtenthum wider ſtreiten⸗
den Lehren der faͤlſchlich ſogenannten ie. —
Tyocis iſt aber ein Ausdruck, mt dem die ale⸗
randriniſchen Juden ihre Philoſophie ſo gern be⸗
zeichneten *), wie man nicht nur aus Philo, ſon⸗
dern vorzuͤglich aus dem Buche der Weisheit
ſieht, deſſen Verf. nicht nur im Eingange a ſei⸗
ner platoniſch⸗ kabbaliſtiſchen Abhandlung von
der göttlichen c Ot, verſpricht, feinen Zeſern
die geheime Mu zu lehren, oder vielmehr zu
offenbaren ), ſondern ſich auch (Kap. 7, 175
einer yıwcsı Twv dvrwv, womit man die Leh⸗
ren der Philoſophie bezeichnete **), ruͤhmt, und
von
) ©, Horn, über die bibl. Gnoſis, S. 38 ff.
,. . bea Ners go ν,o v. 22, r. de ige ob-
Oi, xo mws u ανEscôs, e νονν, #0 00x UronpU-
J U eu (ein Lieblingsausdruck Philo's
von der Weisheit der Eingeweihten), & dr cg -
us yer,ο,He s Efıyvıarw, zus Iyowelsro -
Sr Yymdıy αν.
) So definirt Pythagoras die ſpekulative Philo⸗
ſophie durch ages rar orrwr, Plate durch 7e
.
224 Naͤhere Anwendung dieſes Kanons
von Jakob (K. 10, 10), dem auch die Kabba⸗
liſten und Rabbinen eine genaue Kenntniß der
philoſophiſchen Myſterien beilegen, ſagt, Gott ha⸗
be ihm u dον gegeben. — Nimmt man
alles diefes zuſammen, und erinnert ſich, daß
Apollo, ein Alexandriner, nach Epheſus kam,
Chriſt ward, und ſpaͤterhin in Korinth Spal⸗
tungen veranlaſſete, die Paulus vekaͤmpfte; fo
wird man es gar nicht unwahrſcheinlich finden,
daß die evò ee yvarıs. nichts anders ſey,
als alexandriniſche Philoſophie, und daß nament⸗
lich der Streit die Auferſtehungslehre betroffen
babe, welche bekanntlich die Alexandriner, als
achte Platoniker, verwarfen. Vergl. 2. Timoth.
2, 17. Auch zu Corinth, wo Apollo einen An⸗
hang hatte, gab es nach 1 Kor. 15, 12. Laͤug⸗
ner der Auferſtehungslehre. — Dieſes muß den
Interpreten des N. T. auf die Veränderungen,
welche die juͤdiſche Theologie in der Lehre der
Apoſtel erfuhr, auſmerkſam machen, und es iſt
für ihn wichtig, zu beſtimmen, worin dieſe Ver⸗
änderungen beſtanden haben mögen. Denn we⸗
nigſtens ein Theil der neuteſtamentlichen Schrif⸗
ten iſt an ſolche Leſer geſchrieben, die ſchon im
Chriſtenthume unterrichtet waren, wie nament⸗
lich die Leſer der meiſten pauliniſchen Briefe.
; Folg⸗
g
gie zur d h D Abe dvrws dr, Ariſtoteles durch
yyaoıs Fwy ovrwv; N) ore Est. ©, Horn, über
d. bibl. Gnoſ. S. 85. f ?
65
2) in Ruͤckſicht des N. Ne 225
Folglich hatten ſie auch durch den muͤndlichen
Unterricht der Apoſtel ſchon Kenntniß von die⸗
ſen Modifikationen, und die Schriftſteller des N.
T. konnten alfo vorausſetzen, daß fie ihre Schrif⸗
ten dieſer Belehrung gemaͤß verſtehen wuͤrden.
— Iſt nun aber dieſes; fo muß der I terpret
auf dieſe vorausgegangene Belehrung Ruͤckſicht
nehmen, weil er ſonſt dem Kanon: das N. T.
ſo zu erklaͤren, wie es die Leſer, fuͤr welche es
geſchrieben wurde, erweislich verſtanden haben,
untreu werden wuͤrde. Hieraus ergiebt ſich iR
folgende hermeneutiſche Regel:
Der hiſtoriſch-dogmatiſche Ausle⸗
ger muß ſich mit den Modifikationen,
welche die juͤdiſche Theologie durch Je—
ſum und die Apoſtel erhielt, bekannt
machen, und ſie bei der Erklärung ſelbſt
beruͤckſichtigen. — Doch gilt dieſe Regel
vorzüglich von den Briefen der Apoſtel, weil
dieſe an unterrichtete Leſer geſchrieben wurden;
nicht aber von den Evangelien und der Offenba—
rung, und eben ſo wenig von den dogmatiſchen
Theilen der Apoſtelgeſchichte.
Bei Erforſchung dieſer Modifikationen darf
aber der Interpret ſeine Grenzen durchaus nicht
uͤberſchreiten, und ſich folglich weder theolo⸗
giſcher noch philoſophiſcher Gruͤude bedie⸗
nen, und alſo weder a priori, noch nach dem
7 einer göttlichen Offenbarung beſtimmen
P wol⸗
226 Naͤhere Anwendung dieſes Kanons
wollen, welches jene Modifikationen geweſen
ſeyen. Denn er würde ſonſt fein Feld, die Ges
ſchichte, ganz verlaſſen, und Principien befol⸗
gen, die feiner Wiſſenſchaft durchaus fremd find.
S. F. 13. 14. Er kann hieruͤber nur nach
hermeneutiſchen Gründen urtheilen, und hat vors
zuͤglich auf folgendes zu ſehen:
1) ob die neuteſtamentlichen Schrift
ſteller ſelbſt ausdruͤcklich eine Meinung
der juͤdiſchen Theologie verwerfen, oder
eine Modifikation ausdruͤcklich anges
ben, oder wenigſtens einen Satz be—
haupten, der andern Lehren der juͤdi—
ſchen Theologie geradezu entgegenges
fest iſt. In dieſem Falle iſt er dann gend»
thigt, in allen Siellen, wo dieſe Meinung vors
kommt, jene Modifikation gehörig zu beruͤckſichtigen.
So verbeſſert Jeſus die Meinung der Juden, daß
der Prophet Elias vor der Ankunft des Meſſias
erſcheinen werde, ausdruͤcklich, und belehrt die
die Apoſtel, daß Elias ſchon gekommen, und daß
Johannes, der Taͤufer, zur Vorbereitung auf
das Reich des Meſſias geſendet worden ſey.
Matth. 17, 10-12. — So glaubten die Ju⸗
den, daß ſie, als Juden, Anthell haben muͤß⸗
ten an der Gluͤckſeligkeit des Meſſiasreichs, weil
ſle das Lieblingsvolk Gottes, die Heiden aber von
Gott verworfen ſeyen. Allein Jeſus verlangte
als erſtes Erforderniß, um in ſein Reich zu ge⸗
langen, nv mermvoav, - eine Sinnes aͤnderung
5 ( Matth.
2) in Ruͤckſicht des N. T. 227
(Matth. 4, 17. K. 5, 20. K. 7, 2133.)
erklart, daß die Juden, der Saame Abrahams,
nicht das Lieblingsvolk Gottes ſeyen (ob. 4,
21. Matth. 3, 9. Joh. 8, 39.) und daß auch die
Nichtjuden an der Seligkeit ſeines Reiches An⸗
theil haben ſollten. Joh. 10, 16. — Die Ju⸗
den erwarteten in dem Meſſias einen irdiſchen
König, der fie an ihren Feinden rächen und zur
herrſchenden Nation der Welt erheben wuͤrde.
Allein Jeſus erklaͤrt vor Pilatus, daß ſein Reich
kein irdiſches ſeyn ſolle, ſondern daß er deswe⸗
gen in die Welt gekommen ſev, um die Wahr⸗
heit zu lehren. Joh. 18, 36. 37. ).
P 2 Die
) Dieſe Stelle ſcheint mir immer eine der wich⸗
tigſten für den Beweiß zu ſeyn, daß Jeſus die
Idee von einem, bei ſeinem Leben auf der Erde
zu errichtenden irdiſchen Reiche, verworfen habe.
Koclies können nicht die Juden ſeyn, denn er
ſagt: wäre mein Reich de rer zosmov rovreu, ſo
wuͤrden meine Anhaͤnger nicht zugeben, daß ich
den Juden übergeben würde, Koc iſt viel⸗
mehr die Welt im Gegenſatz gegen den Him⸗
mel d. Ji. Gott. „Mein Reich“ ſagt er, „gruͤn—
det ſich nicht auf Menſchenauetoritaͤt, ſondern
auf des Vaters Auftrag“ Worin aber fein Ges
ſchaͤft eigentlich beſtanden habe, zeigt der 37 V.
wo ihm Pilatus ſagt: daß er doch alſo immer
ein König ſey. „Du ſaaſt es, antwortet Jeſus,
denn es Terre YEyevynMmai, nu es our E
NO eg ren noomar, ly Aue gr νẽỹjGU i wrytag.!
Dieſes magrvp. 77 . darauf zu beziehen, daß
er hier vor Fo die Wahrheit fage, verſtat⸗
ten
228 Nähere Anwendung dieſes Kanons
Die gemeinen Juden zu Jeſu Zeit erwar⸗
teten in dem Meſſias einen bloßen Menſchen, ei⸗
nen menſchlichen Helden und Herrſcher (vergl.
oben S. 175.); allein nach Johannes und Paulus
gehoͤrt es zur Meſſianitaͤt Jeſu, daß er nicht blo⸗
ßer Menſch, ſondern zugleich der Sohn Gottes
im weſentlichen Sinne, das ewige Wort war,
das die Welt geſchaffen hat, erhaͤlt und regiert.
— So wie Jeſus die Beſſerung des Herzens
als Bedingung der Gelangung in die Pacılaav
r 9 ovgavov aufftellt, eben fo ſagt auch Pau⸗
lus haͤufig, daß nicht die Beobachtung des mo⸗
ſaiſchen Geſetzes, oder das Judenthum, ſondern
der Glaube an Jeſum, nicht die ſorgfaͤltige Beob⸗
achtung der im Geſetz gebotenen Abſtinenz von
gewiſſen Speiſen und Getraͤnken (Roͤm. 14, 17.),
ſondern die durcelec un, eigmn und die g
&v TVevnarı c die Bedingungen der Gluͤck⸗
ſeligkeit des Reiches Gottes ſeyen. Wo aber kei⸗—
ne ausdruͤcklichen Erklaͤrungen der neuteſtament⸗
lichen Schriftſteller ſelbſt vorhanden ſind, da 7
muß der Ausleger
2) darauf ſehen, ob nicht die Natur
der neuen Lehre ſelbſt eine Modifika—
tion
R Li I äꝓwt —
ten die Worte: dazu bin ich geboren und in die
Welt gekommen“ nicht. Denn offenbar deutet
Jeſus hiermit auf ſeine ganze irdiſche Beſtim⸗
mung hin. f
2) in Ruͤckſicht des N. T. 229
tion des juͤdiſchen Nationalsglaubens
wahrſcheinlich mache. Dieſes gilt beſonders
in der Lehre vom Nes, d. i. vom Meſſias.
Nach der gemeinen juͤdiſchen Vorſtellungsart
mußte der Meſſias, der Sohn Davids, ein welt
licher maͤchtiger Koͤnig ſeyn, der die Nation aus
ihrer bedraͤngten Lage herausreißen und zur Be⸗
herrſcherin der Unglaͤubigen erheben wuͤrde. Da⸗
her ließ ſich der große Haufe noch nach der Zerſtoͤ⸗
rung Jeruſalems von Schwaͤrmern oder Betruͤ⸗
gern fo leicht bethoͤren, die Waffen gegen die Rö-
mer zu ergreifen. Daß ſchon zu Jeſu und der
Apoſtel Zeiten der aufgeklaͤrtere Theil der Ju—
den ſich andere Vorſtellungen vom Meſſias ge⸗
macht, und unter ihm einen Befreier von Suͤnden,
einen Verbeſſerer der Welt gedacht habe, laͤßt
ſich wohl ſchwerlich hinlaͤnglich beweiſen, und die
Belege, die Schmidt *) dafür ausgeſtellt hat,
ſind groͤßtenheils aus zu ſpaͤten Buͤchern genom⸗
men **). Daß ſich aber dieſe Vorſtellung bei
den Apoſteln finden werde, laͤßt ſich aus der Na⸗
tur der 8 (ganz davon abgeſehen, daß ſie eine
beſon⸗
7 ? \
) In den Chriſtolog. Fragmenten; in ſ. Bibl.
fuͤr Kritik und Exeg. des N. T. 1. Thl. S.
14 ff. vergl. Hartmanns Blicke in d. Geiſt
des Urchriſtenthums S. 21. 27 f.
% S. oben S. 134 f. si Gablers Sours
nal für theol. Literat. 5. B. (1803) S. 116
ff. und 129 f.
— ä —
230 Nähere Anwendung dieſes Kanons |
ſondere göttliche Belehrung daruͤber hatten) ers
warten *). Jeſus war der Meſſias; — dieſes
war ihr erſter Lehrſatz, durch den ſie ſich von
den Juden unte ſchieden. Jeſus aber war kein
irdiſcher Meſſias, ſondern ein Lehrer geweſen,
der endlich den ſchmachvollen Tod am Kreutze
fand. Dieſes konnte nicht als Strafe fuͤr ihn,
der ohne Suͤnde war, ſondern mußte als ein
Theil ſeiner Beſtimmung angeſehen werden; alſo
als Strafe, die er für Andere erdultete. Der
Meſſias der Apoſtel mußte daher leiden und ſter⸗
ben, und fein L ben für ein Verſoͤhnungs opfer
für die Suͤnden feiner Verehrer dahingeben. War
dieſes, ſo konnte der Verehrer Jeſu nur durch
den Glauben an Jeſus als Meſſias die Verge—
bung der Suͤnde erlangen; nicht aber durch mo⸗
ſaiſche Opfer, welche keinem Chriſten, als ſol⸗
chem, etwas helfen konnten. Die moſaiſche
Opferverfaſſung war daher unnoͤthig, und jeder,
der an Jeſus, den Meſſias, glaubte, mußte der
Wohlthaten feines Todes theilhaft werden! Folg⸗
lich konnten ſich dieſe auch nicht einzig auf die
Juden erſtrecken; folglich war Jeſus nicht blo⸗
ßer Meſſias für die juͤdiſche Nation, fondern für
alle, die an ihn glauben würden. Die mısis
eie
) A. Th. Hartmann, wie bildeten die App.
die Lebte von d. Berfohnungstode Jeſu aus. fin
ſein. Blicken in den Geiſt des Urchriſtenthums.
(1802, gt. 8.) S. 221 - 242.
2) in Rüͤckſicht /s N. T. 231
eis Ineovv Xasor war alſo die einzige Bedin⸗
gung der Erlangung derjenigen Wohlthaten, die
Chriſtus als Meſſias ſeinen Verehrern erworben
hatte *). 1
So ſohngefaͤhr konnte die Ideenreihe eines
Paulus ſeyn; ſo konnte er auf mannigfaltige Mo⸗
dififationen des gemeinen juͤdiſchen Glaubens ges
fuͤhrt werden. Wenigſtens wird der Interpret
dieſe Saͤtze bei Paulus finden, und auch bemer⸗
ken, daß er ſie einen aus den andern ableitet.
Hierauf hat nun der Ausleger feine beſondere Auf:
merkſamkeit zu richten, und theils die Spuren
dieſer Veraͤnderungen, in wie weit ſie von den
Schriftſtellern ſelbſt ausdruͤcklich angegeben wer⸗
den, aufzuſuchen, theils zu überlegen, welche Theis
le der juͤdiſchen Theologie in der Lehre der Apo⸗
ſtel wegen der Perſon und Schickſale Jeſu ſchwer⸗
lich unveraͤndert bleiben konnten, und welche
Wendungen ſie nach Maaßgabe jener Schickſale
und der Lage der erſten Chriſten erhalten konn⸗
ten. Doch, um alle Willkuͤhrlichkeiten zu ver⸗
meiden, wird er am ſicherſten verfahren, wenn
er nur dann ſolche Veraͤnderungen zulaͤßt, wenn
ihm die neuteſtamentlichen Schriftſteller ſelbſt
mehr oder weniger Veranlaſſung geben, ſie zu
vermuthen; nicht aber, wenn ihm die Lehre ſelbſt
f einer
**) Vergl. Henkes e e 1 B. .
70-735. (der 4ten Aufl.)
—
232 Naͤhere Anpoeddung dieſes Kanons ꝛc.
einer Offenbarung nicht wuͤrdig, oder nach ſei⸗
ner ſubjektiven Ueberzeugung der Vernunft nicht
annehmlich ſcheint. Aber auch dann hat er kei⸗
ne vermuthliche Veraͤnderung, wenn ſie gleich
durch die Natur der neuen Lehre wahrſcheinlich
wird, anzunehmen, wenn die Verſaſſer des N. T.
und namentlich die Apoſtel in ihren Briefen
(denn von dieſen iſt hier hauptſaͤchlich die Rede)
oͤfters auf eine Lehre der juͤdiſchen Theologie zu⸗
ruͤckkommen, den Kunſtausdruck derſelben ohne
weitere Erklaͤrung brauchen, und ſonſt durch nichts
zu erkennen geben, daß ſie hier von der gewoͤhn⸗
lichen en abweichen.
In allen andern Fallen aber, wo weder
eine ausdruͤckliche Erklaͤrung der neuteſtamentlichen
Schriftſteller ſtatt findet, noch die Natur ihrer
Religion eine Veraͤnderung des religioͤſen Glaubens
der Juden nothwendig machte, hat der Ausleger feſt
auf der hiſtoriſch-dogmatiſchen Interpretation zu
beharren. Denn da er uͤberall den Begriffen der
bdeſer folgen, und dieſen gemaͤß das N. T. aus⸗
legen muß; ſo muß er auch den allgemeinen
Vorſtellungen der juͤdiſchen Theologie folgen, wenn
ihn keine beſondern hiſtoriſchen Gruͤnde abhal⸗
ten. Vorzüglich findet dieſ 8 in allen den Stellen
ſtatt, die ſich auf ‚religiöfe Grundſaͤtze beziehen.
Doch es wird nuͤtlich ſeyn, dieſe Fälle nahmhaft
zu machen, und uͤber ihre Auslegung Einiges zu
erinnern.
. 39.
N
Anwendung deſſelben in einzelnen Faͤllen. 233
g $. 39.
Beſondere Anwendung diefes Kanons in
einzelnen Faͤllen.
Dahin gehoͤren zuerſt alle die Stellen, in
denen Kunſtausdruͤcke der juͤdiſchen Theologie vor⸗
kommen; beſonders wenn dieſe Ausdrucke oͤfters
wiederholt und ohne weitere Erklaͤrung und ge⸗
nauere Beſtimmung gelaſſen werden. Denn alds
dann iſt vorauszuſetzen, daß die n. t, Schrift⸗
ſteller dieſe Ausdruͤcke in der bekannten und
gewoͤhnlichen Bedeutung nahmen, welche aber
einzig und allein aus der juͤdiſchen Theologie und
deren Sprachgebrauch, erkannt werden kann.
So z. B. die Kunſtausdruͤcke s N yes (beim
Johannes), | raravas, cp roi vexgwv,
Dmumoviov, Bee hg Ho, ayarı i ucgœ, viog
geo, Bacıhaz Feov. oder Toy cvgavuv, TVEUr
PR .
Zweitens, wenn dunkle Stellen vorkom⸗
men, die nur erſt durch Anwendung der hiſto⸗
riſch⸗ dogmatiſchen Exegeſe ihr volles Licht bekom⸗
men und deutlich werden. Denn alsdann iſß es
ein offenbares Zeichen, daß der Verfaſſer vor⸗
ausſetzte, feine Leſer müßten ſchon, worauf feine
Worte hindeuteten, und daß er nicht noͤthig fand,
eine Bezi hung, die feine keſer ſogleich verſtanden,
mit ausdruͤcklichen Worten anzugeben. Eines der
wichtigſten Beiſpiele iſt die Stelle 1 Petr. 3,
19. 20., an der die Suterpieten ihren Scharf⸗
ſinn fo oft geübt, und fo mancherlei Erklaͤrun⸗
gen
234 Anwendung deſſelben
—
gen gegeben haben *).) Die vorzuͤglichſte Schwie⸗
rigkeit liegt in der Simplicitat der Worte: Sche⸗
momdeis de r webe, Ev @ aus Trois EN
7 OUαννν mievasaı Eungugv. Was iſt hier
e GO, und xvnguoceiy. Die bloße
grammatiſche Erklaͤrung dieſer Worte laͤßt die
Stelle immer noch dunkel, und ſehr verſchiedene
Deutungen zu. Allein durch die hiſtoriſche Aus⸗
legung wird alles klar, feſt und beſtimmt. Denn
das apoſtoliſche Zeitalter glaubte, Jeſus ſey nach
ſeinem Tode in den Hades hinabgeſtiegen, habe
den Vorfahren der Juden die Erloͤſung angekuͤn⸗
digt, und ſie aus dem Hades in das Paradies
verfegt. Hieruͤber S. Hackers difl. de deſcen-
fu Chr. ad inferos (Dresd. 1802.) p. 28. Gab⸗
ler im Journ. f. theol. Lit. 5. B. (1803.) ©.
445 ff. “).
Der
*) Die neueſte ſehr ſcharfſinnige grammatiſche Er⸗
klaͤrung dieſer Stelle enthaͤlt ein Progr. des Hrn.
D. Weber, de defcenfu ad inferos e loco 1
Petr. 3, 19. tollendo, inque adſcenſum ad ſu-
peros mutando. Viteb. 1805. 4. desgl. Stans
ge theologiſche Symmmikta zter Thl. no. 3.
(Halle, 1805. 8.0
„%) Die von Hacker angeführte Stelle aus dem
Evangel. Nikodemi nach Fabricius, will ich übers
gehen. Veelleicht ſehen es aber mehrere Leſer
nicht ungern, wenn ich das, was im Evangel.
Nicod., wie es Birch herausgegeben hat, hier⸗
uͤber ſteht, anfuͤhre. Der Verf. des Evang.
ſagt bei Birch p. 104. „Domine Iefu, permit-
f te
in einzelnen Fällen. 235
; Der Verfaſſer der Apokalypſe K. 20, 14.
ſcheint einen Unterſchi d zwiſchen ans und Svcz-
ros zu machen (vergl. 1 Kor. 15, 55. Offenb.
: 6,8.),
te nobis loqui myfteria tua, quae poft mor-
"tem crukis tuae vidimus. Nos autem (va,
enim) cum effemus cum patribus noftris,
poſiti in profundo inferni, in caligine tenebra-
zum, ſubito factus eſt aureus folis color, pur-
pureaque realis lux illuftrans, ſtatim omnis ge-
neris humani pater Adam cum omnibus pa-
triarchis et prophetis exultarunt, dicentes: lux
ifta auctor Iuminis ſempiterni eſt, quae nobis
promiſit transmittere lumen aeternum. — — p.
127. nat aonAdev o HαναEsęs Ans Jo ęnc, woreg c-
Iewros, HM META TE OHoTav® Tod Klov $Qwrıc)y-
gu. BUND once d ads‘ Zvınydnmev, o e
N ne A 0 Ixwv roraurqv b gονν,⁶ Ae No] ;ᷓ
ums ; — — % re S 4 u ”oewonAuw-
D, nm dv ro rn N, nu dprı
EyEvov ü NE eg, nm nursAucas macay rıV
duyamır uu; — — (p 133.) ode vergos (es
ſpricht der & e) 27 e αον’ nareAnDIn — c
(fragt der Hades den Satan p. 135.) raovroy
pre (Insow) A rw axzorw roury (fuͤr
ms To o.) zarayaysıy dmekeryras, di 0 U
KRVTaS vous um odwvns Favsuras essonYnsz
. Ovrw ro «dev daAsyousvov rw ourava, NrAwdE
© BaoıAeus aus qu vn defiav ̃ xaa, ND
IugνEꝝꝗͥ N nyegt Tov mpomaATWgL Adapı. Eira
p De mas mpos vous Aoımous . devpo mer Zuou-
mavres 0004 die vou ZuAov ou Hılara olres (Sa⸗
tan) e , N Y umas dia ZuAov rou
Savpov mayras iya HoU avısW. — — A4 mare
vos e οννd une o Ayıos men! NH ouα
236 Anwendung beffelben
6, 8), den auch Plato (Phaed. p. 256. ed. Bi-
pont. Tom. I.) gekannt zu haben ſcheint, wor⸗
über Birch (in den prolegom. zu f. auctar.
Cod Ap. p. LIV. faq.) lehrreiche Bemerkungen
macht, und dieſen Unterſchied zur Erklaͤrung der
Stelle von der Hoͤllenfahrt anwendet ). Eis
ne
00: Kgıse, durnp rov nosmov', orı avnyayss du rue
D@Fogas vu duwyv Nur. Kai G ge — — ro-
20 Außuv 2x rov adov avedope, IIogeveααͤͤ de
aurov S, ο ol ayını marzges unoAoufovvrss -
FW, — — FODEVUOMEVOS (p. 141.) o A To he-
deco erg ed rov Adam rw KoxayyeAo M-
Kan, ns Mars Fous dinauovus. Hiermit vergl.
die S. 125. angeführte Stelle aus dem Bu⸗
che Henoch.
5) „Quis non viderit, ſagt er p. LV, Apoſtolum
verbis nh v0 R. z Qui. aliud indicare vel ·
le, quam dictione suzyysAıc9n ve (cap. IV,
6.) et duplicem actum fignificare? Quid? fi
hune nodum ope Euangelii Nieodemi foluere
conabimur? Ex narratione auctoris noftri patet,
eum ſtatuiſſe, regnum inferorum in duas pro-
vincias diuiſum, imperio duorum {prineipum
10 varayı et rov dor ſubiectum. Ditione rov
den patrisrchae, prophetae vt et probi et iufti
homines tenebantur; reliquis mortuis domi-
nio z caraya (der in der Apok. a. a. O. J-
varos heißt vergl. Hebr. 2, 14.) fubditis. Chri-
ſtus ad inferorum regnum deſcendens primum
offendit Satanam, qui introitum eius impedi-
re tentat, ſed fruſtra: interea habitatores row
cos aduentum victoris pereipientes exſultant,
atque liberatorem ſumma laetitia excipiunt, qui
omnes feeum in Paradiſum dueit, tradito Sa-
tana
in einzelnen Fällen, ö 237
ne aͤhnliche dunkle Stelle iſt Brief Jud. v. 8.,
wo von der Beſtrafung ſolcher Engel die Rede
iſt, die ihre urſpruͤngliche Würde (rw Laura
ex) nicht bewahrt, ſondern o dd xn.
. Tnesov verlaſſen haͤtten. Verl. 2 Petr. 2, 4.
Was iſt nun aber dieſes für eine c n und wel;
ches iſt das de olnrngiey? Auf welches Fat
tum beziehen ſich dieſe Ausdruͤcke? Denn daß
ſie auf eine Thatſache hinweiſen, bedarf keiner
Erinnerung. Wir kennen fie aber nicht, da fie.
Petrus nicht angegeben hat, ſondern vorausſetzte,
ſie
——— Vʒ¾lxů—ñ—ñññññ᷑ —— —
0
tana in cuftodiam principis 20 Hen, qua aſſer-
vandus eſſet ad tempus rue devrepns mapovCLes
rob A Hanc auctori noftri expofitionem
de duplici mortuorum ſtatu, cum alii, ragre-·
g inclufi, fuppliciis affieerentur, alii, luce mo-
do priuati, carceribus 2% S elauderentur;
quidque Chriſtus hac apparitione egerit, ad
explicationem Petri opportune adhiberi poſſe,
certa mihi eſt perſuaſio. Chriſtus nempe (c.
III, 18 fag.) — — anima, quae vita priuari
nequiret, animabus impiis, refractariis, ragra-
eg» ineluſis, praedicauit et ad refipifcentiam
perduxit, vt et ipſi aliquando beneficiorum eius
compotes fieri poſſent: yerooıs gutem (cap. IV,
6.), animabus probis 2% din ſeruatis, sunyys-
%:c9y, laetum nuntium de liberatione, iam
diu ab ipfis expectata, tulit. Duplici igitur
officio, ex Apoftoli ſententia, funetus eſt Chri-
ſtus, cum in mortuis triduo et ad raprages et
ad «dv defcenderit in rer pre αο Enyavfe reis dv O.
y. in æ piis et iuftis Ui
238 Anwendung deſſelben
ſie ſey ſeinen Leſern bekannt. Da wir nun aus
der juͤtiſchen Theologie lernen, welches dieſes
Faktum war (namlich der Fall der Engel, der
in ihrer Vermiſchung mit menſchlichen Weibern
(Geneſ. 6, 3. 9) beſtaßden habe; (ſ. oben S.
96. und S. 104.); fo müͤſſen wir nun auch
die Stelle ſo erklaͤren, wie ſie die Leſer dieſer
allgemein bekannten Lehre zufolge verſtehen muß⸗
ten. Daſſelbe gilt auch 3
drittens, wenn Stellen religiöfen Sn:
halts vorkommen, die nach der bloß grammati⸗
ſchen Erklaͤrung inkonſ quent ſind, und ſich mit
andern Behauptungen der Verfaſſer nicht vereis
nigen laſſen, hingegen durch Anwendung der hi—
ſtoriſch⸗dogmatiſchen Auslegung konſequent und
harmoniſch werden. Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel
dieſer Art ſcheint mir die Stelle Hebr. 1, 3-14.
5 Me zu
„) „Wer waren die Kinder Gottes, welche bei
den Kindern der Menſchen ſchliefen, und ſie zu
Weibern nahmen? und wer waren die aus eis
ner ſolchen Ehe erzeugten Tyrannen? Eine hi⸗
ſtoriſch-kritiſche Unterſuchung über 1 Moſ. 6,
2. 4. von Gottl. Sam, Ritter;“ in Henke's
Muſeum 2. B. 3. St. S. 450-461. der Vf.
unterſucht das Faktum ſelbſt und meint, es
habe in der Verheiraſhung Freier mit Sklavin⸗
nen beſtanden, deren Soͤhne, ausgeſchloſſen vom
väterlichen Erbe, Jaͤger, Krieger und Räuber ges
worden waͤren. N
in einzelnen Fällen, 239
zu ſeyn. Das Thema giebt der Verfaſſer ſelbſt
v 3. und 4. an, naͤulich: daß Jeſus der Ab⸗
glanz (wravyarue),. das Ebenbild Gottes ſey,
der alles Erhaltende *), der zur Rechten Gottes
Thronende und Herrſchende; daß folglich ſeine
Majeſtaͤt (v. 4.) weit, unendlich weit über die
Majeſtaͤt der Engel erhaben ſey. — Dieſen
Satz beweißt der Verf. v. 5-14. vorzüglich aus
altieſtamentlichen Stellen, in denen die goͤttliche,
uͤber alle Engel weit erhabene, Natur des Mef;
ſias beſchrieben wird. Naͤmlich: 1) Jeſus iſt der
Sohn Gottes (v. 5.) und Gott iſt fein Va⸗
ter, was von keinem Engel geſagt werden kann.
Piog Oeov iſt aber hier nicht bloß Meſſias,
denn er wird v. 6. TewWToToxos genannt und ges
ſagt, er ſey Gott eis viov und Gott ſey ihm eis
or re, v. 5. Wenigſtens wird der Beweis
des Verfaſſers ſtringenter, wenn wir vios $.
hier in der, in der hoͤhern juͤdiſchen Theologie
üblichen, Bedeutung nehmen, nach welcher es ein
Verhaͤltniß des Weſens bezeichnet *). 2) Jeſu in
ſollen,
) Gleiche Praͤdikate hat der Aoyos bei Philo, und
die coc im Buche der Weish. f. oben S. 84.
) So braucht das Wort Philo, fo findet es ſich
bei den Rabbinen, und in den Apokryphen des
N. T. ſ. oben S. 134 u. 168 f. Hiermit vergl.
was in der Speeialhermeneutik uͤber die Ueberein⸗
ſtimmung dieſes Briefes mit alerandr, Vorſtel⸗
lungen geſagt worden iſt. 5
1
249 Anwendung deſſelben
ſollen, wenn er zu ſeinem Reiche kommt, alle En⸗
gel Gottes anderen, v. 6. 3) Dieſe, die Engel
find dienſtbare Geiſter, Acsrougya, die ſich
muͤſſen ſenden laſſen, wohin Gott will, v 7., hin⸗
gegen 4) zu dem Meſſias ſagt Gott: 5 Oeovos
oo (v. 8.) 6 Seeg, eig rey cονον etc. 9 70
Thron, der du Gott biſt, ſteht in Ewigkeit,
i. du herrſcheſt in Ewigkeit, waͤhrend die a
gel dienen. Zwar koͤnnte man fagen, und die
ſes iſt auch die gewöhnliche Meinung, die Worte
des 8. Verſ. bezoͤgen ſich auf Gott ſelbſt, und
nur erſt im 9. Vers werde der Vorzug des Meſ—
ſias, daß ihn Gott mehr als Andere mit Gas
ben geſalbt habe, angegeben. Allein erſtlich waͤ⸗
re das kein Gegenſatz gegen die dienenden
Engel, welche im Gegenſatz den Begriff des
Herrſchens (2e Ioovov) fordern; zweitens
muͤſſen die Worte o Sey. c, 0 Desg etc.
eben fo von Jeſu geſagt ſeyn, wie v. 7. 6
ar etc. von den Engeln, weil im 8. Vers
die Formel ages de roy viov, der im 7ten ges
ue Tou G²ν., genau entſpricht. Daffelbe gilt
von dem 5) ſolgenden Grunde: der Meſſias hat
Himmel und Erde gegruͤndet (v. 10.), was die
Engel, erſchaffene Geiſter, nicht gethan haben.
Dieſe Worte av zur’ Ness, ugs, rn ny
S gehe p etc. muͤſſen auf den Meſſias bezo⸗
gen werden, weil fie ſonſt ganz muͤßig und uͤber⸗
fluͤßig ſtehen wuͤrden. Endlich 6) der Meſſias
herrſcht mit Gott v. 13. aber die Engel dienen
dieſem Reiche, dieſer Herrſchaft v. 14.
0 Folgt
ze
in einzelnen Fällen. 241
Folgt man hier der gewöhnlichen Ausle.
ſo iſt kein rechter Zuſammeuhang im gan⸗
11 Kapitel; dieſer wird aber auf das ſchoͤnſte
hergeſtellt, wenn man bemerkt, daß in der hoͤ⸗
bern juͤd ſchen Theologie Chriſtus, als No,
Schoͤpfer, Erhalter und Regierer der Welt, ein⸗
geborner Sohn Gottes vor Urbeginn iſt, und
ſelbſt Gott genennt wird. Die Beiſpiele hierzu
ſ. g. 26. S. 26 f. §. 37. S. 136. und 1401
H. 32. S. 168. f. Nun ſteht jeder Beweis an ſeiner
rechten Stelle. Das Ganze iſt eine ſehr richtige
und beredte Demonſtration, und belegt die Ei:
be die der Verfaſſer dem Sohne Gottes
m 3. Vers beigelegt batte. Naͤmlich der Meſ⸗
s iſt *, vis denο ict vaganrng
ng oro αε Feov), weil er v. 5. vlog $eov
und v. 6. g rerotes rov arge iſt; daher
ihn die Engel anderen. — Der Meſſias iſt
Oegan TA er, 70 ener. rns Jvyce ee
aurov, und Lx Nef Ev de ler rng leer.
ob ev d, weil er v. 8. als Gott ewig
herrſcht, v. ro ff. der Schöpfer und Erhal⸗
ter der Welt iſt, und weil (v. 13.) Sat Bott
zur Mitregentſchaft erhoben hat.
Die Beweiſe fuͤr dieſe Regel ließen ſich
leicht vermehren; allein ich will, um nicht weit⸗
laͤuftig zu werden, nur noch eins anfuͤhren; nam: .
3 lich 1 Cor. 15, 26. Nachdem Paulus geſagt
hat, daß die Todien auferſtehen, dann das En⸗
de der Welt erfolgen, jede andere e e und
| DNA ‚ Ge
242 Anwendung deſſelben
Gewalt aufhoͤren, und alles dem Meſſias Feind⸗
ſelige bezwungen ſeyn wuͤrde; ſo ſetzt er hinzu:
EOXATos ExXIgos πνðmſg eic & Ocevc reg, der
letzte Feind, der bezwungen werden wird, iſt der
Tod. Verſteht man unter Iavaros die Noth ⸗
wendigkeit zu Sterben, oder den Tod als Zu⸗
fand, wie man nach der naͤchſten Bedeutung
muß; ſo iſt nicht einzuſehen, wie Paulus ſagen
koͤnne, daß er zuletzt bezwungen werde, da er
fogleich dei der Auſerſtehung aufhoͤren muß. Al⸗
lein erinnert man ſich, daß Iavaros nach dama⸗
ligem Sprachgebrauch auch den Teufel bezeich⸗
net, und daß deſſen Wirkſamkeit als Herrn des
Verderbens nach der Auferſtehung ganz aufhoͤ⸗
ren wird; ſo bekommt die Stelle Zuſammenhang
und Conſequenz. Daß aber Iavaros dieſe Be:
deutung habe, lehrt nicht nur Hebr. 2, 14. ſon⸗
dern auch die Stelle des Evangel. Joſephs von
Arimathia (bei Birch p. 189.), in der der
Schaͤcher am Kreuze Jeſum um Vergebung der
Suͤnde bittet: „n, ſagt er, s Javaros OH-
vet flo — — bfi e rns Doßegas cob
vice, un dos f Cob ,ẽxsv G L XIe@ nure-
Tore LE — — id Yap (ſetzt der Verf. zur
Erfauterung hinzu) mus s d ονο raw ᷣ
Vu iron ei, mus cel cergreg νονντ ονο αοο
vers Eryevovro. Hiermit iſt die vorhin angeführte
Stelle aus dem Evangel. Nikodeui zu vergleichen,
S. 235 f. — Hieher gehoͤren auch
viertens, ſolche Stellen, in denen Vor⸗
ſtellungsarten entholten ſind, die ſich auf damals
unter
in einzelnen Fallen. | 243
unter den Juden allgemein angenommene Anſich⸗
ten und Erklaͤrungen altteſtamentlicher Stellen
gruͤnden. Denn da muͤſſen wir annehmen, daß
die n. t. Schriftſteller auf dieſe Vorſtellungen Ruͤck⸗
ſicht nahmen, und fie bei ihren keſern voraus-
festen. — Ein Beiſpiel iſt Roͤm. 5, 12. „durch
einen Menſchen kam die Suͤnde in die Welt,
und durch die Suͤnde der Tod.“ v. 15. „Durch
Eines Verbrechen wurden alle en Daß
dieſer Eine Adam war, zeigt der 14. V; daß
aber Paulus hier die Geſchichte vom ee
falle im Sinne habe, durch den die Menſchen
dem Tode und der Suͤnde unterworfen worden
ſeyen, iſt ohne Zweifel; denn wir finden dieſes
als Lehre der jübifchen Theologie uͤberhaupt.
Vergl. die S. 84. angefuͤhrten Stellen, Weish.
2, 23. und Sirach, 25, 24. ). — Daß der
Verfuͤhrer der Eva der Teufel in Geſtalt einer
Schlange geweſen ſey, ſagt nicht nur der Verf.
des Buchs der Weisheit, ſondern wir finden die⸗
fe Lehre auch an andern Orten, z. B in der
apoſt. hiflor. de S. Matthaeo *). Daraus
2 2 erklärt
—
——— ——— —
) S. meine ſyſtemat. Darſtel. der Dogmatik
der Apokr. des A. T. S. 285 f. und S. 228,
%) Bei Fabric. im Cod. Apoer. N. T. Vol. I.
Pp. 647. Hine angelus (der Satan) qui ex fe
concepit inuidiam (990,9 u ον,ν, Weih. 2,
23.), per potentiam »ngelicam ſerpentem in-
eee fuafit vzori Adae, vt de pomo arboris
man-
244 "Anwendung deffelben
erklaͤrt es ſich, wenn Jeſus Joh. 8, 44. den
Satan einen Menſchenmoͤrder vom Anfang
(an deu) und der Verf. der Offenb. den Teu⸗
fel (Offenb. 20, 2.) den Drachen, und die alte
Schlange nennt. Beides bezieht ſich ganz of⸗
fenbar auf die Geſchichte vom Fall, und auf die
Vorſtellungen, welche ſich die Zeitgenoſſen Jeſu
von dieſer Begebenheit machten.
Fuͤnftens gehoͤren alle die Stellen des
N. T. dahin, in denen Juden ſelbſt redend eins
gefuͤhrt werden, wie vorzuͤglich in den Evange⸗
lien, und in der Apoſtelgeſchichte; denn da iſt
auch jederzeit vorauszuſetzen, daß ſie ihre Mei⸗
nungen und Vorſtellungen ausdruͤcken. Dahin
ſind auch die Stellen zu rechnen, wo die Apo⸗
ſtel vor ihrer vollkommnern Belehrung durch den
Geiſt ſprechen, oder wo Jeſus in den Evange⸗
lien mit Juden ſpricht, und ſich der Sprache ih⸗
rer Theologie bedient. Denn da dieſes noch un⸗
belehrte Zuhoͤrer waren; ſo mußten ſie mit den
ihnen bekannten Worten auch dis gewöhnlichen
und uͤblichen Begriffe verbinden. Hieruͤber vergl.
den 24. H., wo auch Beiſpiele angefuͤhrt ſind.
Seech⸗
mm — — — — — — — SERENERESERETERTEEE
5
manducaret. Und ebendaſ. p. 621. „nos quip-
pe omnes homines de vno patre et de vna ma-
tre nati ſumus. Qui cum facti [creati] eſſent
et pofii in regione yiuorum, ſusdente ange-
lo inuidiae, praeuaricati ſuut in lege, quam
a ſuo conditore ſuſceperant. ete.“
I
Eu FE
in einzelnen Fällen, 5 245
Sechſtens gilt dieſes auch überall, wo
Jeſus und die Apoſtel ex conceſſis, d. h. aus
den Meinungen und dem Lehrbegriff ihrer juͤdiſchen
Zuhörer oder Leſer disputiren, oder beweiſen. Denn
da ſie zunächſt für ibre Leſer ſchrieben und lehr⸗
ten, und bei dieſen Ueberzeugung bewirken woll⸗
ten; ſo bezogen ſie ſich haͤufig auf den ſchon be⸗
kannten Religionsglauben, und entlehnten Beweiſe
aus demſelben. Mo dieſes geſchehen ſey, iſt
nicht ſchwer zu erkennen, da uns entweder die
Religionslehre der Juden ſelbſt, oder die Leſer,
mit denen ſie ſprechen, oder endlich ihre ausdruͤck⸗
liche Angabe darauf hinweiſet. Z. B. Matth. 12,
28. Nachdem Jeſus im Vorhergehenden ‚bewies
ſen hatte, daß er die Teufel nicht durch Hilfe
des Beelzebul, des Fuͤrſten der Daͤmonen, aus⸗
treibe, ſondern durch das veνE¶,ñ-b ν ſo fol:
gert er nun: wenn ich alſo die Dämonen durch
die Kraft des heiligen Geiſtes austreibe, ſo iſt
ja das Meſſiasreich vorhanden, der Meſſias euch
erſchienen. Dieſes ſetzt voraus, 1) daß die
Juden dem Meſſias das webu aryıov zuſchrie⸗
ben; wie dieſes auch Hebr. 1, 9. und die Ge⸗
ſchichte der Taufe Jeſu zeigt, wo Johannes dar⸗
an, daß ſich der heilige Geiſt mit Jeſn verei⸗
nigte, ein Kriterium der Meſſianitaͤt Jeſu fand;
2) daß fie erwarteten, der Meſſias werde durch
das mVeuux , die Daͤmonen bekaͤmpfen und
Wunder thun, worauf auch Jeſus (Matth. 11,
3-5.) den zweifelnden Johannes, als ein ſiche⸗
res dee daß er der egoſleroc fen, ver⸗
weiſet
N
246 Anwendung deſſelben
meilet. Baoıneıs Ieov iſt alſo hier das Reich
des Meſſias im Sinne der Juden, und die ganze
Stelle iſt nach den Meinungen der Juden, die
Jeſus in feinem Beweiſe vorausſetzt, zu erklaͤ⸗
ren. — RR
Hebr. 2, 2. Hier will der Verf. zeigen,
daß die chriſtliche Religion weit vorzuͤglicher ſey
als die juͤdiſche; und beweißt dieſes daher,
daß die chriſtliche d ro Aveo (v. 3. vergl.
K. 1, 19, die moſaiſche aber bei der Geſetzge⸗
bung & c vorgetragen worden ſey; wor⸗
aus er folgert, daß alſo die chriſtliche, welche
der Herr ſelbſt vorgetragen habe, weit vortreff⸗
licher ſeyn muͤſſe, als die moſaiſche. Er ſetzt
nun hier bei ſeinen Leſern die unter den Juden
ganz bekannte (ſ. §. 23. S. 103 f.) Mei⸗
nung voraus, daß die Engel das moſaiſche Ge⸗
ſetz auf Sinai ausgeſprochen hätten, und legt
dieſelbe bei ſeinem Beweiſe zu Grunde. Auf
ähnliche Art bedient ſich Paulus Galat. 3, 19.
dieſer Meinung. — Joh. 5, 27. Hier beſchreibt
ſich Jeſus als Meſſias, und ſagt, Gott habe ihm
die Gewalt gegeben zen ,,; weil er des
eyIewmov d i. der Meſſias ſey. Die letztern
Worte enthalten den Grund der erſtern; denn
der Meſſias war der, der das Gericht hal⸗
ten und die Todten auferwecken ſollte. Daher
er auch ſagt, daß er (v. 25.) ſchon jetzt Todte
auferwecke, was er auch Matth. 11, 5. Johan⸗
nes, dem Faͤufer, als ein Zeichen, daß er der
wahre
in einzelnen Fällen, 247
wahre Meſſias fen, ſagen laͤßt, und daß er einſt
(v. 28.) alle Todten erwecken und Gericht hal⸗
ten werde. Dieſe Stelle von einer Erweckung
moraliſch Todter zum geiſtigen oder moraliſchen
Leben zu verſtehen, wie ſie nur noch neuͤerlich
Paulus *) erklärt hat, wuͤrde ganz falſch ſeyn,
weil dann die ganze Erklarung Chriſti den Ju⸗
den durchaus unverſtaͤndlich ſeyn mußte, und Je⸗
ſus, dem die Belehrung doch ſo ſehr Ernſt war,
nur feinen Scherz mit zweideutigen Ausdrucken
getrieben haben wuͤrde, indem er vorher ſehen
mußte, daß ihn ſeine Zuhörer ganz anders ver⸗
ſtehen wuͤrden. N ö
Matth. 18, 10. Jeſus will hier ſeine
Jünger und übrigen Zuhoͤrer belehren, daß auch
die cue nicht zu verachten und gering zu
ſchaͤtzen ſeyen; und als Grund führt er v. 10.
an: ri ol eh AU Ev ougavais i mov.
wog: BAemovss To meoCWmen ob rr MoU,
Es koͤnnte in diefen Worten kein Grund für ſei⸗
ne Warnung liegen, wenn wir nicht wußten, daß
die Juden jedem Menſchen einen Schutzgeiſt bei⸗
gaben **), und daß fie unter „Engeln, die das
Angeſicht Gottes ſehen“ ganz vorzuͤgliche, die
. hoͤch⸗ an
) in ſ. Commentar über den Johann. S. 269 ff.
**) S. meine Dogmat, der Apokryph. des A. T.
©. 179 f. |
*
—
*
—
*
1
—
—
248 | Anwendung deſſelden
hoͤchſten and erhabenſten Engel verſtanden .
Nun iſt der Sinn: denn ſie haben die hoͤchſten
und der Gottheit am naͤchſten ſtehenden Engel
zu ihren Schutzgeiſtern, und ſind alſo in Gottes
Augen nicht veraͤchtlich. Dieſer Grund war fuͤr
die Zuhoͤrer Jeſu von vieler Staͤrke, und bei
dieſer Erklaͤrung, zu der uns die Grundſaͤtze des
rer, die belehrt werden, berechtigen, bekommt
* Beweis Jeſu hinlangliche Klarheit . Stärke,
Endlich kam man auch doch die Stellen
hieher rechnen, wo die m. t. Schriftſteller auf
Behauptungen ihrer Gegner Ruͤckſicht nehmen und
dieſe beſtreiten. Kennt man nun die Meinungen
der Gegner; ſo wird dieſe Keuntniß ein wichtiges
Huͤlfsmittel ſeyn, die Stellen des N. T zu ver⸗
ſtehen, in denen ſie beſtritten werden. Doch hier
kommen vorzuͤglich nur die Stellen in Betrach⸗
tung, in denen allgemein verbreitete Religions-
meinungen jener Zeiten, beſonders juͤdiſche Vor⸗
urtheile angegriffen werden. Denn was einzel⸗
ne Gegner anbelangt, ſo gehoͤrt die Unterſuchung
Ihrer Meinungen mehr in die Specialhermeneu⸗
tik des N. T., und es bleibt immer ein delika⸗
ter Punkt, zu beſtimmen, ob ein Verf. Gegner
beſtritten habe, und welche? wenn er es nicht
ſeloſt (wie . B. Paulus 1 Kor. 15, 12. Ga⸗
lat.
—
* S. Tos. 12, 15. vergl das angef. Buch S.
178. -
8
in einzelnen Fallen. 249
kat. 1, 6. K. % e Joh. 2, 3, K. 4,
3.) angiebt. |
Hingegen allgemeiner verbreitete Irrthuͤmer,
beſonders der Juden, koͤnnen uͤberhaupt den hi⸗
ſtoriſch⸗dogmatiſchen Sinn des N. T. aufklaͤren
und beſtimmen, z. B. Koloſſ. 2, 18. Den Cha⸗
rakter der Gegner, vor denen er warnt, beſtimmt
Paulus nach folgenden Merkmalen: fie find Oe
Noyreg ev Tamenvoßgscvuy, fie gefallen ſich
in einer affektirten Demuth und Froͤmmigkeit,
und in Verehrung der Engel, indem fie fich ſol⸗
cher Dinge ruͤhmen, die, fie nie geſehen (Ewgaxev)
haben, und ſich thoͤricht aufblaſen (Gyoio ee).
Die Ionen. o iſt aber nicht: vorzuͤgliche
Froͤmmigkeit, eine der Froͤmmigkeit der Engel
gleichkommende. Denn erſtlich bezeichnet Ien-
ei wohl nie die Froͤmmmigkeit als Geſinnung,
ſondern immer den Cultus ſelbſt, Aurgesav; fer⸗
ner, und dieſes iſt das Wichtigſte, lehrt uns die
juͤdiſche Dogmengeſchichte, daß man die Engel
verehrte. Denn man betrachtete ſie als Mittels⸗
perſonen zwiſchen Gott und Menſchen *), an die
man ſich, wie Philo ſagt, mit feinen Bitten weu⸗
den muͤßte, denn ſie braͤchten das Gebet der
Frommen vor Gott, der viel zu erhaben ſey,
als daß man ſich unmittelbar an ihn ſelbſt wenden
* N 1 koͤnn⸗
) Philo de fomniis 1. p. 586. de dig. p. 286.
ed. Mang. f
1
250 Anwendung beſſeiben ꝛc.
koͤnnte. Diele ſagt auch die Stelle Tob. 3,
16. 9
Nicht nur einzelne Stellen, ſondern auch
ganze Briefe und Abſchnitte bekommen ihr Licht
dadurch, daß man weis, gegen wen ſie gerichtet
ſind. Z. B. der Brief an die Galater iſt ge⸗
gen ſolche gerichtet, die die neuen Chriſten wie⸗
der zum Judenthum zuruͤckfuͤhren, oder wenig⸗
ſtens ihnen die Verbindlichkeit, das moſaiſche Ge⸗
ſetz zu beobachten, auflegen wollten. Dagegen
ſtreitet Paulus und behauptet, die June wo vyn
werde nicht durch die seen vorov ſondern durch
die misis Insov xXgisov oder eis Ino. Xe. er⸗
worben. Mit dieſen Ausdruͤcken will er alſo ſa⸗
gen: nicht die Beobachtung (E %) des moſai⸗
ſchen Geſetzes, ſondern die Annahme der Religion
Jeſu, der Glaube an Jeſus als den erſchienenen
Meſſias, gibt uns Anſpruch auf die durch den
Meſſias erworbene ee und Gluͤck⸗
Wige ö
Angewendet ſind die Grundſaͤtze der hiſtoriſch⸗ 80
matiſchen Auslegung in der Ausgabe des N. T.
cum annotatione perpetua von Koppe, und defs
ſen Fortſetzern und Nachfolgern. Pott, Heins
richs, Am Ende, Ammon ꝛc. Desgleichen
in einzelnen Abhandlungen: Nachtigal S
8 86.
„) fi meine Dogmat. der Apokr. des A. T. S.
179. * 0
Specialhermeneutik. Er 251
S. 36. (Pſeudo ) Ottmar, Beitraͤge zur
hiſt. ſ. ©1200. Vergleichung einiger Sittenlehren ꝛc.
ſ. S. 144. in d. Note. Geſchichtsmaͤßige Bes
leuchtung einiger dunkeln Stellen des N. T.; in
d. Beitraͤg. z. Beford, des vern. Denk. 11. Hft.
S. 118-137. (Matth. 24. Jud. 7. 1 Kor. 11,
3-15, Luk. 16, 9. Matth. 5, 29 f. 1 Petr. 4,
6. 3, 19.) — Herder, Erlaͤuterung des N.
T. ꝛc. ſ. S. 156. — Außerdem gehören auch die
S. 189 f. angefuͤhrten Zeitſchriften von Schmidt,
Henke ze. hieher. i
Aphorismen
zu einer hiſtoriſch-dogmatiſchen Special⸗
hermeneutik des N. T
Eine ausführliche Specialhermeneutik des N.
T., wie wir ſie noch gar nicht beſitzen, zu ſchrei⸗
ben, iſt ein ſo vielumfaſſendes Geſchaͤfte, daß
es, wenn anders die Reſultate der beſondern
Schriftforſchung nicht ohne Beweis bleiben ſollen,
ein eigenes Buch erfordern wuͤrde, fie in ihrem
ganzen Umfange darzuſtellen. Nicht nur aus die⸗
ſem Grunde, kann ich mich hier bloß auf Aphoris.
men einſchraͤnken, welche die hiſtoriſch⸗dog⸗
matiſche Specialhermeneutik betreffen; ſondern
auch deßwegen, weil ich weder die vielumfaſſenden
Kenntniſſe, die dieſes Geſchaft erfordert, zu beſitzen,
noch ein ſo vertrautes, lang fortgeſetztes, und auf die⸗
fe Beziehung gerichtetes Studium des N T., als erfors:
dert wird, angeſtellt zu haben glaube. Auch ſind theils
noch
..
252 Specialhermeneutik.
noch viele Punkte, die bei dieſem Studium von
hoher Wichtigkeit ſind, zu wenig unter den Ge⸗
lehrten entſchie den, theils die Vorarbeiten noch
zu unvollſtändig, als daß es jest ſchon zu einer
vollſtaͤndigen Speciglhermeneutik Zeit ſeyn koͤnnte.
Die Grundlinien derſelben in hiſtoriſch⸗dogma⸗
tiſcher Ruͤckſicht liegen in den oben $. 33. ©.
175 ff. gegebenen Bemerkungen. |
Unter Specialhermeneutik des N. verſteht
man die hermen utiſchen Grundſaͤtze, die bei ein⸗
zelnen Schriſtſtellern und Schriften des N. T.
in Anwendung kommen. Sie gruͤndet ſich auf
die Individualitaͤt eines jeden Schriftſtellers *),
auf die Veranlaſſung, den Zweck und die Leſer
ſeiner Schrift, ſo wie auf die Kenutniß des Zu⸗
ſtandes der Leſer *). Hierin Ba " ihre Er⸗
f Ela»
’
- mans m nme een men
77
>) Hieruͤber iſt 7 Herm. e Cha⸗
rakeriſtik der Bibel, 5 Theile (der erſte und
zweite in der aten Aufl. Halle 1781, der zie
in aten, der te in der dritten, und der ste
in d. zweiten Aufl. 1795. gr. 8.) ein klaſſiſches
Werk findet.
. Dieſe Kenntniſſe muß man in den Einleitun⸗
gen ins N. T. und in deſſen einzelne Buͤcher,
in den Schriften über den Kanon (die man In
meinem Verſuch einer Entwickelung aller in der
Dogmat. vorkommend. Begriffe ıc. S. toe
104. angegeben findet) und in dem Werke von
Kleuker: ausführt. Unterſuchung der Gründe für
dle
Die drei erſten Evangelien. 253
.
klaͤrungsregeln, und ihr Hauptkanon iſt, jeden
Schriftſteller nach ſeiner Individualitaͤt und nach
ſeinem ſubjektiven Zweck zu erklaͤren. Vergl. oben
oben S. 220 ff. Einen uuͤtzlichen Beitrag zu einer
Specialhermeneutik hat der ungenannte Verf. der
Schrift; „das Urchriſtenthum nach dem Geiſte
der ſaͤmmtlichen neuteſtamentl. Schriften entwickelt;
8 Verſuch in der Specialbermeneutik des N.
T. 1 Thl, die Evo. des Matth. Mark. Luk. und
die Apoſtelg.“ (Danzig 1804. 8.) gegeben, wo
er die Saͤtze der behandelten bibliſchen Buͤcher
unter gewiſſe Rubriken zuſammenſtellt, um die
Dogmatik und Moral jedes Schriftſtsllers iſolirt
aufzuſtellen, und St Schriftſteller aus ſich ſelbſt
zu erklaͤren.
7
Die drei erſten Evangelien haben, ob
fie gleich von verſchi dnen Verfaſſern find, Ei:
nen Geiſt und Eine Tendenz mit einander gemein,
x
und ſelbſt Lukas iſt von Matthäus und Markus
vom fuͤnften Vers des erſten Kapitels an, in Ruͤck⸗
ſicht des Vortrags und Zwecks ſeiner Schriſt, we⸗
nig verſchieden. Die Erklaͤrung dieſes Phaͤno⸗
mens hat die . zu mehrern Vermuthun⸗ f
5 a r 95
—
*
die Aechtheijt und Glaubwürdig d der ſchriftl.
Urkunden des Chriſtenthums. Leipz . 793. 0
burg 1798, 5 Bände.
254 Die drei erſten Evangelien.
gen veranlaßt ), unter welchen ſich vorzuͤglich die
Eichhorniſche empfahl *) nach welcher ihnen al⸗
len ein Urevangelium, oder ein kurzer aramaifch
geſchriebener alter Aufſatz user Jeſu Leben und
Thaten zu Grunde lag. Sie ward nicht nur
gelegentlich von Storr und andern beſtritten,
ſon⸗
*) I. B. Koppe, diſſ. Marcus non epitomator
Matthaei. Goett. 1782. 4. I. I. Griesbach
Comm. I. II, Marci Euang. totum e Matthaei
et Lucae commentariis decerptum efle. Ienae
1789. und 90. (ſtehen auch in den Commentt,
-theoll. Vol. I.) Die entgegengeſetzte Meinung,
daß bei Matth. und Lukas das Ev. Markus
zu Grunde gelegen habe, behauptet G. Chr.
Storr, difl. de fonte Euangeliorum Mattbaei
et Lucae, Tub. 1794. 4. (ſteht auch in den
Commentt. theoll. Vol. III.) Hierzu kommt
die neueſte Hypotheſe Ch. Fr. Ammon progr.
de Luca, emendatore Matthaei. Erlang. 1805.
4.
**) Er trug fie zuerſt vor in einer Abhandl.: Les
ber die drei erſten Evangelien; in ſ. allg. Bis
blioth. d. bibl. Lit. 5. B. 5. St. S. 761—
995. — Ihm folgten im Ganzen: Henr.
77 Halfeld, commentatio de origine quat.
uangelior. et de eorum canonica auctoritate,
Goett. 1794. 80 S. 4. Joh. With. Barth.
Rußwurm, Unterſuchungen uͤber den Urſprung
der Evv. des Matth. Mark. Luk. und Johannes,
und ihre kanoniſche Auctoritaͤt Ratzeb. 1797.
8. Derſelbe, Urevangelium; ein Verſuch
aus d. hoͤhern Kritik in Auguſti's theol. Mo⸗
nats⸗
4
*
Die drei erſten Evangelien. 255
ſondern vorzüglich von Vogel ); und ob fie
gleich von Eichhorn in ſeiner Einleitung ins N.
T. 1 Band, umſtaͤndlicher und etwas veraͤndert
dargeſtellt ward, ſo iſt ſie doch zu ſehr verkuͤn⸗
ſtelt, um wahrſcheinlich gefunden zu werden *).
3 Mat⸗
5 vr vu;
natsſchr Jahrg. 1802. 5. Hft. — J E. Chr.
Schmidt, exegetiſch-kritiſche und hiſtorlſche
Unterſuchungen über die drei erſten Evv.; in ſei⸗
nem Repertor. für Literat. 1 St. S. 48 = 200.
— Einige Worte uͤber Herders Hypotheſe, den
Urſprung der Evv. betreffend; in Schmidts
Biblioth. fuͤr Krit. und Exeg. ꝛc. 2. B. S.
5 361-364. Georg Sam, Rit ter, Unterſuchun⸗
gen einiger Fragen und Urtheile den Urſprung
der Evv. betreffend; in Auguſti's theol. Mo⸗
natsſchr. 1802. 9. Heſt. — Ueber die Chri⸗
ſtologie dieſer Evo. vergl. J. G. Herder vom
Erloͤſer ze. ſ. S. 198. Außer den F. 35. ange⸗
fuͤhrten Schriften find hier noch zu bemerken:
„Beitraͤge zur Aufklaͤr. über die beiden erſten
Kapp. im Matth. und Luk. in Henke's Magaz.
5. B. 1. St. S. 146-131, Votſchlag einer
neuen Erklaͤrung der Taufformel Matth. 28,
19. in Schmidts Biblioth. f. Krit. und
Exeg. ꝛc. 1. B. 1. St. S. 141-144.
) Vogel, Ueber die Entſtehung der drei erſten
Evangelien; in Gablers Journal f. auserleſ.
theol. Literatur 1. B. 1. St. 1801. womit die
wichtige Recenſ. in der Leipzig. Literaturzeitung
17 u. 18. St. (1305.) verglichen werden muß.
) Die wichtigſten Gegenerinnerungen findet man
in der Recenſ. der Eichh. Einleit, in den Tuͤ⸗
binger gelehrten Anzeigen 18-20. St. (1805. ),
vor⸗
255 Die drei erſten Evangelien.
Matthaͤus, Markus und Lukas ſtimmen ſo
genau mit einander in Inhalt, Darſtellung und
Zweck uͤberein, daß folgende Bemerkungen von
ihnen insgeſammt, oder, wenn man will, von
ihren Quellen, aus denen ſie ſchoͤpften, gelten.
Sie ſchrieben als Ungelehrte, bedienten ſich des
unter dem Volke gewöhnlichen Sprachgebrauchs,
und erzaͤhlten nach den Anſichten und Erklaͤrungs⸗
weiſe deſſelben. Haͤufig ſpiegelt ſich die Perſoͤn⸗
llichkeit des Schriſtſtellers in Form und Materie
der Evangelien, in Urtheilen und Darſtellungen );
und bisweilen bemeift man auch, daß durch den
Sprachgebrauch und die Erzaͤhlungsweiſe des
gemeinen Lebens eine Begebenheit ein etwas ver⸗
aͤndertes Anſehen bekam, indem die Evangeli⸗
ſten in ihrer kunſtloſen Erzaͤhlungsform vielleicht
das Urtheil mit dem Faktum unmittelbar verban⸗
den. Vielleicht war dieſes der Fall mit Luk. 8,
46. ann Kap. 8, 30 ff. vergl. oben S. 92 f.
Sie
*
—
vorzüglich 15 in der Hai der J Jenaiſch en
— allgem. Literaturz. no. 127 13 2. (1805.) wo
fie in ihrem ganzen Umſange mit wichtigen
Gruͤnden beſtritten ward.
) Ein vorzüͤgliches neueres Werk hierͤͤber iſt:
Fried Ad. Krummacher, Ueber den Geiſt
und die Form der Evangeliſchen Geſchichte in
hiſtoriſcher und aͤſthetiſcher Hinſicht. Leiozig,
1805. 8. „Der Grundirrthum (ſagt der Verf.
S. 34.) der aͤlteſten Exegeten des N. T. be⸗
ſteht darin, daß ſie den neuteſtam. Schriftſteller
aller
Die drei erſten Evangelien. 257
Sie ſchrieben, wenigſtens Matthaͤus und
Markus, fuͤr angehende Cbriſten aus dem Juden⸗
thum, nicht nur um ihnen eine kurze hiſtoriſche
Nachricht von Jeſu zu geben, ſondern auch zus
gleich aus Weiſſagungen, Wundern, Lebre und
Schickſalen deſſelben zu beweiſen, daß er der laͤngſt
erwartete Meſſias wirklich geweſen ſey ). Da⸗
—
ber
aller Perſönlichkeit berauben, ihn bloß als das
Organ der goͤttlichen Inſpiration, deren ſich der
göttliche Geiſt, wie der Tonfünftler des Inſtru⸗
ments, bediene, betrachten, und alſo bei ihrer
Interpretation einen Grundſatz vor ausſetzen, der
doch natürlich erſt ein Folgeſatz der Interpre⸗
tation ſeyn kann.“ Hiermit vergl. oben $. 13.
) Das Eoangel. des Matthaͤus (ſagt Krummacher
a. a. O. S. 210.) könnte man das hebraͤiſche
oder das meſſtaniſche nennen. Es iſt im edlen
hebraͤiſchen Geiſte geſchrieben; dem Vf. ſchweb⸗
te Jeſus der Meſſias und die nun durch ihn
und in ihm erfuͤllten Hoffnungen Iſtaels vor der
Seele, obwohl man ihm deßhalb nicht den
beſtimmten Vorſatz zuſchreiben darf, daß er
durch daſſelbe einen dogmatiſchen Beweis
für die Meſſiaswuͤrde Jeſu habe aufſtellen wol⸗
len. Er konnte ſich Jeſum nur in dieſer Haupt⸗
beziehung denken, und dieſes hat auch auf die
Oekonomie feines Buches den Einfluß, daß er
ihn bald als den lehrenden Propheten, bald“.
als den Wunderthaͤter, bald als ſtrafenden
Reformatoc abgeſondert darſtellt, und Des
gebenheſten, Reden und Parabeln aus verſchie—
denen Zeitperioden, ohne die Veranlaſſung ders
ſelben anzugeben, zuſammenordnet.“
+ R
258 Die drei erſten Evangelten.
ber belegen fie die meiſten merkwuͤrdigen Schick⸗
ſale Jeſu mit Stellen des A T., um ihren juͤ⸗
diſchen Leſern zu zeigen, daß er nach den Weil
ſagungen der wahre Meſſias ſey *); daher ers
zaͤhlen ſie ſo viele Wunder Jeſu, und beſonders
ſo viele Heilungen Daͤmoniſcher, weil nach den
Grundſaͤtzen ihrer Leſer der Meſſias *) die Herr⸗
ſchaft der Daͤmonen zerſtoͤren würde, und Matthaͤus
uͤberging den Verſuch, den Satan machte, Je⸗
ſum gleich bei dem Antritt ſeines Meſſiasgeſchaͤfts
zu verjühren, nicht mit Stillſchweigen (K. 40.
Daber die umſtaͤndliche Erzaͤhlung von der Tau⸗
fe Jeſu, der Vereinigung des heiligen Geiſtes
mit ihm, durch deſſen Macht er die Daͤmonen
austrieb (Matth. 12, 28.), und die feierliche
Erklärung vom Himmel (Matth. 3, 170, daß
er der Meſſias ſey. Das Thema, mit dem Je⸗
ſus als Lehrer auftrat, war (K. 4, 17) gleich»
falls die Ankuͤndigung: „der Meſſias iſt erſchienen;
fein Reich iſt n. he!“ und mit demſelben Thema
begannen auch die Schuͤler Jeſu ibren erſten
Lehrverſuch (Matth. 10, 7.). Das Verhaͤltniß
zwiſchen dem Taͤufer und Jeſus wird aus dein:
ſelben Grunde ſorgfaͤltig bemerkt (Matth. 1 1,
79 8 u
) Dahin gehört auch das Geſchlechtsregiſter Matth.
1, 1 7., das den Beweiß gab, daß Jeſus der
Sohn er ſey. K. 1, 27 f vergl. 25.
K. 2, 5. 16. 23. u. ſ. w.
Ir Matth. 3, 29. K. 12, 28. A. oben S.
x 245.
Lukas. 259 \
1-30.), der Beweiß, daß Jeſus der Meſſias
ſey, kurz angegeben (v 5.) und ausdrücklich ers
wähnt, daß auch der Täufer (K. 3, 1 ff.) Je⸗
ſum fuͤr ſeinen Meiſter erkannt habe. N
5 Man ſieht, es iſt alles darauf eee
die Wahrheit des Schluſſes des Evangeliums
(Natth. 28, 18. 20% n hol mac e C Ev
o nos Em rn yns) zu beweiſen, und zwar
fuͤr Zeitgenoſſen und Landesleute; und in der
That enthaͤlt das Evangelium des Matthaͤus Al⸗
les, was nur immer ein Jude bei dem Beweiſe,
daß Jeſus von Nazareth der Meſſias geweſen
ſey, verlangen, und wodurch er uͤberzeugt wer⸗
den konnte; da der Beweiß uͤberall aus feinen
Grundſaͤtzen geführt wird.
Genug fuͤr den hiſtoriſch⸗ dogmatiſchen Aus⸗
leger, um einzuſehen, daß bei Matthäus und
Markus der religioͤſe Sprachgebrauch und die Leh⸗
ren der Palaͤſtinenſer vorzüglich zu beachten ſeyen,
und daß dieſe Schriften, ob ſte gleich bloß
Denkwuͤrdigkeiten des Lebens Jeſu enthal⸗
ten, nach ihrer individuellen dogmatiſchen Ten⸗
denz gefaßt, und die einzelnen Data (Wunder,
Weiſſagungen ꝛc.) dieſem gemäß betrachtet wer⸗
den muͤſſen.
Daſſelbe gilt im Ganzen auch von Lu⸗
kas ). Er Kg ſpaͤter als Matthaͤus, und
AR kann⸗
*) Ueber ſein Evangel, und feinen Charakter als
Schriftſteller findet man feine und neue Anſich⸗
ten
—
260 Lukas.
kannte (Luk. 1, 1 f.) ſchon mehrere ſchriftliche
Nachrichten, die er, wie auch ſein Evangelium
zeigt, fleißig benutzte ). Er ſchrieb fuͤr einen
Freund, Theophilus, dem er nicht zunaͤchſt be⸗
weiſen wollte, daß Jeſus der Meſſias ſey; denn
davon war Theophilus ſchon überzeugt; ſondern:
die Nachrichten, die ſein Freund, und wahrſchein⸗
lich auch Andere, von Jeſu hatten, aus glaub⸗
wuͤrdigen Quellen zu verificiren (ba S R
pi n, N ray arDarsıav, Luk.
1, 3.), und einen ſolchen Abriß des Lebens Je⸗
fu zu geben, wie ihn ein Freund Jeſu und ein
ſpaͤteres Zeitalter, das Jeſum nicht perſoͤnlich
gekannt hatte, wuͤnſchen mochte Daher iſt bei
ihm ein Streben nach Vollſtaͤndigkeit; daher
ſammelte er die kleinern Zuͤge aus Jeſu Leben,
die ihn charakteriſiren und durch die Zeitferne
0 n RS mehr
N
— ee —
ten bei Krummacher a. a. O., von denen
mir aber mein Zweck nur wenlg zu benützen ers
laubt. ein ee e
) Ben. Lud. Koenigsmenn, de fontibus
commentariorum faerr., qui Lucae nomen prae-
ferunt. Alton. 1798. Kritiſche Bemerkk. über
das Eo. Luk. nach der Marcionitiſchen und Ka—
tholiſchen Recenſion; in Schmidts Bibl. f. Kri⸗
tik und Exeg. ze. 2. B. 3. St. S. 365-380,
und S. 563 573. leber das äcte Evang.
des Luk.; eine Vermuthung von J. E. C.
Schmidt; in ſ. Bibl. f. Kr. ꝛc. 3. B. S.
463-520, Ammon progr, ſ. oben S. 255.
Lukas. 26¹
mehr Wichert und Werth erbielten, und nahm
vorzuͤglich mehrere Nachrichten aus der Jugend⸗
geſchichte Jeſu auf, entweder wie er ſie in ſei⸗
nen Quellen fand, oder wie fie ihm die Tradi⸗
tion überlieferte a
Doch ward er durch ſeine Quellen, und
durch die von dem Zeitbeduͤ fniß ſelbſt erzeugte
Anſicht des Lebens Jeſu unvermerkt auch auf den
Geſichtspunkt gefuͤhrt, die Geſchichte Jeſu als
Beweis ſeiner Meſſiaswuͤrde zu behandeln; wel⸗
cher Veranlaſſung er vielleicht um ſo williger
folgte, je weniger er ſeinen Theophilus allein
beim Schreiben vor Augen hatte. Daher hat
ſein Evangelium im Ganzen dieſelbe Tendenz: Je⸗
ſum, als den durch Taufe, Lehren, Wunder, Tod,
Auferſtehung und Himmelfahrt beglaubigten Meſ⸗
ſias darzuſtellen. Nur iſt er noch ſorgfaͤltiger,
als Matthaͤus und Markus, Zeugniſſe und Be⸗
gebenheiten fuͤr ſeinen Satz beizudringen. Daher
erkennt ſchon Eliſabeth (K. 1, 42 f.) die Ma⸗
ria fuͤr die Mutter des Meſſias; die Engel, die
Diener deſſelben, erklaͤren ihn feierlich fuͤr den
(K. 2, 11.) Verheißenen; Simeon, ein Greis,
voll des heil gen Geiſtes, (K. 2, 29 f.) erklaͤrt
Jeſum, als Kind, für den Retter Iſraels; ſchon
als zwoͤlfjaͤhriger Knabe, (K. 2, 49.) macht Je⸗
ſus einen Verſuch in ſeinem zukuͤnftigen Berufe,
deſſen er ſich bewußt it u ſ. w. Alle dieſe Zuͤ⸗
ge ſind dem Lukas eigentlich, und haben eine
unver⸗
262 Wunder |
unerkeiinhane Tendenz auf das Hauptth ma ſei⸗
nes und der beiden erſtern Evangelien.
Was nun namentlich die in dieſen Evau⸗
gelien erzählen Wunderbegebenheiten bes
trifft; ſo zeigt der Zweck dieſer Schriften und
das Beduͤrfniß der Leſer hinlaͤnglich, aus wel⸗
chem Geſichtspunkte ſie zu faſſen ſeyen, und daß
es ganz vergeblich iſt, durch philologiſche Kuͤn⸗
ſteleien oder pſychologiſche Erklaͤrungen jene Bes
gebenheiten in natuͤrliche umzugeſtalten; daß es
aber gleichfalls vergeblich iſt, ſie aus einem my⸗
ö thologiſchen Geſichtspunkt zu faſſen, naͤmlich
als ſolche Begebenheiten, die, als urſpruͤnglich
einfache und natürliche Fakta, nach und nach
durch die Tradition zu Wundern ausgeſchmuͤckt
worden ſeyen ). Denn ohnerachtet die mytholo⸗
giſche
*
—
— A
*) Ein Be Verſuch dieſer Erklaͤrungsart
iſt: L. Bauer, hebraͤiſche Mythologie des
Salt; Re neuen Teſtaments, mit Parallelen aus
d. Mythologie andrer Voͤlker, vornehmlich der
Griechen und Römer. Lpz. 1802. 2 Baͤnde 3.
Auch Gabler („Über die verſchledene mythiſche
Behandlungsart der chriſtl. Urgeſchichte;“ in f.
neueſt. theol. Journal, 1800.) erklaͤrt ſich ihr
geneigt, und meint, ſie fuͤhre zu minder ſchwie⸗
rigen Auflofungen, als die pſychologiſche. Eine
deutliche Darſtellung der Grundſaͤtze derſelben
gab
Wunder, 263
giſche Erklarungzart auf den Theil br Wunderer⸗
zaͤhlungen, der Jeſu Geburt und Schickſale betrifft,
angewendet werden kann; ſo iſt dieſes doch durch⸗
aus bei dem allergroͤßten Theil der neuteſtament⸗
lichen Wunder unmöglich, weil ſie ſchon ganz
einfache Fakta enthalten, und die mythologiſche
Tradition das ganze Faktum erdichtet haben
2 RR muͤß⸗
5 * | |
gab W. Tr. Krug: Verſuch über die genetl⸗
ſche oder formelle Erklaͤrungsart der Wunder; in
Henke's Muſeum 1. B. 3. St. 395-413. In
weiterm Umfange wendete ſie Horſt auf die wun⸗
dervollen Schickſale Jeſu an G. C. Horſt:
Ideen über. die Religion, Mythologie und Chris
ſtenthum in Beziehung auf den Zeitgeiſt; in
Henke's neu. Magoz. 6. B. 3. St. Derſel⸗
be: Iſt die Religion mehr aus dem Geſichts⸗
punkt einer Scienz und des Syſtems, oder
mehr als Dichtung und Mythologie zu betrach⸗
ten? in Scherers Schriftforſcher 1803. 1. und
2. St. — Hiermit vergl. die ältere Abhandl.
Ob in der Bibel ſich Mythen finden? in den
Beitraͤg. z. Befoͤrd. ꝛe. 18. Hft. S. 1 ff. J.
G. P. Seidenſtuͤcker, uͤber die Mythen der
Hebraͤer; im Schleßwig. Journ. (Altona 1792.)
6. St. S. 156. — „Der Jungfrau Maria
wird durch den Engel Gabriel verkuͤndiget, daß
ſie einen himmliſchen Sohn durch goͤttl. Kraft
gezeugt, gebaͤren würde. Eine heilige Dichs
tung;“ in Scherers Schriftforſcher 2. St. no.
3. Vergl. oben S. 194 f. C. F. Ammon,
aſcenſus leſu Chriſti in coelum, hiſtoria bibli-
ca. Progr. Goett. 1800. 4. (ſteht auch in ſ.
opuſc. theoll. 1803. 8.
264 Wunder.
muͤßte. Doch es iſt unnoͤthig, hier Mehreres zu
Huͤlfe zu nehmen, da Eines vollkommen hinreicht,
um die Wunder in ihren Wuͤrden zu erhalten.
Und dieſes Eine iſt der Zweck der Verfaſſer, und
die Grundſaͤß der keſer; alſo die Geſchich te.
Der Zweck der Verfaſſer war, zu bewe ſen: Je⸗
ſus ſey der Chriſt. Der Chriſtus aber muß⸗
te, nach den Grundſaͤtzen der a on thun,
und ſich als ſolcher legitimiren, ie nicht nur
mehrere Stellen des N. T. (z B. Matth. ır,
2 ff K. 12, 23-28.) ſondern auch anderer
juͤdiſcher Schriftſteller beweiſen. (vergl. oben S.
117.) . Folglich find die Wundererzaͤhlungen in
den Evangelien nicht wie Anectoda zu betrach⸗
ten, die man nur ihrer Menge wegen, oder um
den Leſer durch das Wunderbare zu feſſeln und
zu vergnügen, eder wegen ihrer Merkwuͤrdigkeit
der Erzaͤhlung einwebte; ſondern als ein weſent⸗
licher, ein Haupttheil der Abhandlung als ein
wichtiger Beweis fuͤr den Satz des Ganzen an⸗
zuſezen.“ Die Wunder, fo wie ſie erzaͤhlt
werden, waren durchaus noͤthig, und durften
in den Evangelien nicht fehlen, wenn die Verfaſ⸗
ſer derſelben ihre Zeitgenoſſen, für welche ſie doch
ſchrieben, fuͤr das Chriſtenthum gewinnen woll⸗
ten. Sie erzaͤhlen fie daher auch fo, daß jeder
unbefangene beſer ihre Abſicht, ein Wunder zu
erzaͤhlen, ohnmoͤglich verkennen kann, und daß
jede natuͤrliche Erklaͤrung derſelben nothwendig
verungluͤcken muß Die Unterſuchung der ob>
jektiven Wahrheit der Wunder hingegen, gehort
ö (S.
Johannes. 8 265
S. 211.) in das Gebiet der hiſtoriſchen Kri⸗
tik. RR RN
Seelbſt einem wenig feinen exegetiſchen Ge⸗
fuͤhl iſt die Eigenthuͤmlichkeit der Johannei⸗
ſchen Schriften ) bemerkbar. Ein Ton und
Gift, eine Sprache, wie fie nicht weiter im N.
T gefunden wird, feſſelt die Aufmerkſamkeit Br),
Milde des Geiſtes, eine fanfte Schwaͤrmerei im
edlen Sinne des Worts, ein ausge ildeter Ver,
ſtand, und die innigſte Liebe gegen Jeſus, der
hier in einem hoͤhern Sinne als Lehrer und als
| Sohn
* \
— — — —
| *) Lange (die Schriften Johannis, des vertrau-
ten Schuͤlers Jeſu, uͤberſ. und erklaͤrt von S.
G. Lange. Neuſtrel. 4 Theile 1795-97. gr.
8.) hätte dieſe Eigenthuͤmlichkeiten wohl ſorg⸗
fältiger zum Gebrauche der Specialhermeneutik
ſammeln konnen, Auch Paulus in ſ. Commen⸗
tar über d. Ev. Joh. Ciſte Hälfte, Lubeck 1804.
gr. 8.) hat dieſes zum Theil vernachlaͤßigt, wenn
man es nicht noch in den Prolegomenen zu er⸗
warten hat. Deſto dankbarer iſt die Arbeit von
Joh. Dany. Schulze, der ſchriftſtelleriſche Cha⸗
rakter und Werih des Johannes, zum Behuf
einer Specialhermeneutik unterſucht u. beſtimmt.
Weißenf. u. Lpz. 1803. gr. 8. 195
**) Gedanken über die Vorliebe zum Ev, des Jo⸗
hannes; in Gablers Journ, f. theol, Literat,
4. B. 1 St. S. 133.
266 Johannes.
Sohn Gottes erſcheint, find. die Grundzüge des
E arakters von Jeſu Liebling, und ſprechen über:
all aus feinen Schriften ). Sein Stil iſt ein⸗
fach und reiner als in andern neuteſtamentlichen
Schriften, und laͤßt uns vermuthen, daß er mit
Griechen Umgang hatte; eine Vermuthung, die
dadurch Gewißheit wird, daß Johannes nach den
unverwerflichen Nachrichten der Alten *), zu
Epheſus lebte, und daſelbſt ſchrieb. Dieſes, und
daß er unter allen Apoſteln am laͤngſten lebte,
und vielleicht am ſpaͤteſten ſchrieb, ſind Umſtaͤn⸗
de, auf welche der Interpret ſeiner Schriften
(von der Apokalypſe iſt hier nicht die Rede) bes
ſondere Ruͤckſicht zu nehmen hat; da fie es im
Voraus wahrſcheinlich machen, daß bei Johan⸗
nes der alexandriniſch⸗ griechifche religioͤſe Sprach»
gebrauch zu finden ſeyn wird, und daß vorzuͤg⸗
lich alexandriniſche Quellen, ſo wie der S. 176.
angeführte Theil der aͤlteſten chriſtlichen Schrif⸗
ten, (die Apokr. des N. T. die Pſeudep. des A.
*
* „Die Alten, ſagt Krummacher (a. a. O. S.
209.), nannten das Ev. Joh. das geiſtige (mvev-
tar leg und legten dadurch demſelben eine be⸗
ſondre Tendenz und eine eigene Manier bei, die
es von den andern merkbar unterſcheide. — Der
Zweck ſeiner Darſtellung iſt, zu zeigen: daß und
wie das ewige Wort zur Erde herniederkam
und ſich mit der Menſchheit We igte.“
0 S. Schmidts Einleit. ins N. T. S. 134.
140. ‚amd 1875
Johannes. f 267
T. zum Theil) bei feiner Auslegung in Anwen⸗
dung kommen. Und dieſes bewahrt ſich auch
durch die That. Denn Johannes iſt es eigen⸗
thuͤmlich, Jeſum als Nes darzustellen, oder
vielmehr die Vereinigung des Menſchen Jeſus und
des göttlichen ewigen Wortes in einer Perſon zu
zeigen. Eine Lehre, die wir in den Apokryphen
des N. T. und in dem Theile der Pfeudepigra⸗
phen des A. T. der von alexandriniſchen Juden⸗
chriſten herruͤhrt wiederfinden. S. §. 20. S.
84 f. §. 26. S 126 f. F. 32. S. 168 f.)
Ueberhaupt verraͤth ſich bei Johannes der palds
ſtinenſiſche Scheiftſteller wenig, und eben fo leicht
iſt es zu erkennen, daß er nicht fuͤr Palaͤſtinen⸗
ſer, ſondern fuͤr Griechen ſchrieb; daher er
auch nicht eine einzige Heilung eines Daͤmoni⸗
ſchen erwaͤhnt; daher auch in den Reden Jeſu,
wie Er ſie giebt, ein anderer, als in den erſten
Evangelien, ein Johanneiſcher Geiſt herrſcht Y),
und es unverkennbar iſt, daß er bei denſelben
vorzuͤglich auf griechiſche Leſer Ruͤckſicht nahm.
A We⸗
*) Ueber das Unterſcheidende der Reden Jeſu bei
J.ohannes ſ. Lange, die Schriften Joh. ꝛc.
2. B. S. 14 ff. Schmidt, Einleit. ins N.
T. S. 155. H. Ph. K. Henke, Progr. Ioan-
nes Ap. nonnullorum leſu apophthegmatum
in euangelio ſuo et ipſe interpres. Helmſt.
1798. 8. — und uͤber die hiſtoriſche Differenz
feines Evang. von den 3 erſten, Schmidt a. a.
O. S. 144 f. a
268 Johannes.
Wenigſtens iſt es daraus erklaͤrlich, warum Jo⸗
hannes überhaupt wenig Weiſſagungen des A. T.,
anfuͤhrt, und vorzuͤglich die Ausſpruͤche Jeſu
uͤber folgende Punkte geſammelt hat: uͤber ſeine
vorweltliche Exiſtenz als Ns; feine Verſiche⸗
rung, daß er von Gott ausgegangen; daß er
das Richt der Welt ſey, und daß er ſeine Lehre
unmittelbar von Gott empfangen habe.
Denn die Tendenz ſeines Evangeliums iſt,
wie er K. 20, 31. ſagt, zu DERDENIEN: ori In-
cob ssi ô xasos, 6. vios ro Heov; Jeſus
ſey Meſſias, und zwar als ſelcher Sohn Got⸗
tes. Ihm war naͤmlich ) der Meſſias mehr
als bloß der groͤßte Wunderthaͤter; ihm war er
zugleich das ewige Wort. Sein Zweck, fuͤr
ben er das Evangelium ſchrieb, war daher zu be⸗
weiſen: Jeſus iſt der erwartete Meſſias; und mit
ihm hatte ſich das ewige Wort vereiniget. Sei⸗
ne Lehre iſt folglich goͤttliche Lehre Dieſes The⸗
ma giebt er gleich in der merkwuͤrdigen Stelle
K. 1, 1-14. an, und die Worte v. 9. Av To
Os To de, und v. 14., ô Aoyos cg
S /e ero, zeigen, in welcher Verbindung der No-
Jos und der Meſſias bei Johannes ſtehen ).
ö Auf
*
Me. Schmitts Einleit. ins N. T. S. 183.
*) Ueber den Aoyos in dieſer Stelle ſind die In⸗
terpreten verſchiedener Meinung. Vergl. S. 22 f.
h Eis
Johannes. ü 259
Auf dieſen Zweck iſt beinahe Alles, was er
von Jeſu in ſeinem Evangelium ſagt, berechnet;
Alles hat eine feſte Beziehung; nichts iſt iuͤ⸗
ßig.
Einige glauben, Johannes habe hier auf die
Juͤnger des Taͤufers Ruͤckſicht genommen, und
fie in feinem Evangel. beftritten, ſ. F. 29. An⸗
dere glauben, er kämpfe hier gegen Gnoſtiker.
Am richtigſten betrachtet man dieſes Wort als
Kunſtausdruck der hoͤhern juͤniſchen, beſonders
der alerandrinifchen Theologie. Die wichtigſten
Erläuterungen findet man theils in den §. 22.
u. 5. 3 5. S. 194. u. S. 198.) angeführten Schrif⸗
ten, theils in den angeführten Commentar, von
Paulus, Lange, Storr über d. Zweck sc ſ. S.
147. Kleuker, über die Emanationsl. (f. S.
136.) p. 9 ff. Schmidt, chriſtologiſche Frag⸗
mente; in d. Bibl. f. Krit. und Exeg. 1. B.
S. 356 ff. vergl. mit 1. B S. Foo. und den
S. 193. angefuͤhrten Schriften von Lange,
Keil ꝛc. Zlegler, Bemerkk. uͤber das Ev. Jo⸗
hannes und Erklaͤrungen einzelner ſchwieriger
Stellen deſſelben; In Gablers Joukn. f. theol.
Lit. Jahrg. 1802. 1. St. S. 15269. Suͤs⸗
kind, Etwas uͤber die neuern Anſichten der
Stelle Joh. 1, 1-14; in Flatts Magaz. fort⸗
geſ. v. Suͤskind 10. St. Ammon Progr. de
prolog. Iohannis Euang, fontibus et ſenſu.“
Goett. 1800. 4. vergl. mit der Recenſ. in der
Jenaiſch. Liter. (1804: no. 131.) — Neu. theo⸗
log. Journal, von Ammon, Haͤnl. und Paul.
1793. 2. B. S. 463 ff. — Ueber die Theo⸗
logie des Johannes uͤberhaupt: C. Chr. E.
Schmid, diff, de theologia Ioannis Apoftoli.
Ienae, 1800. 4,
*
270 Johannes.
ßig ). Nachdem er im Anfang fein Thema im
Allgemeinen (K. 1, 1-14.) angegeben hat, fo ſucht
er zuerſt zu belegen, daß nicht Johannes der T u:
fer der Meſſias ſey (1, 6 ff. 20. 27. K. 3,
27 ff.), ſondern daß auch Johannes Jeſum für
den Meſſias und zugleich fuͤr den hoͤhern vorwelt⸗
lichen Logos erklärt habe, (1, 27. 30. K. 3, 30
ff.) Als Beweiſe fuͤr die Meſſias wuͤrde Je⸗
ſu fuͤhrt er außer einigen wenigen, an ihm er⸗
fuͤllten, Weißagungen) Folgendes an: Jeſus wird
durch das ve u,iT A bei der Taufe (1, 33.)
als Meſſias legitimirt; Nathanael (1, 50.),
Martha (11, 27.), das Volk zu Jeruſalem 13,
13.), die Samariter (4, 42.) erkennen ihn al
ſolchen; eine Stimme vom Himmel (12, 18.
30. o d S avın O yeryovav EAN d
oͤuas) und ſelbſt Pilatus (19, 19.), indem er
die Aufſchrift am Kreutze nicht aͤndern will, er⸗
klaren ihn dafür. Als angeblicher Meſſias wird
er auch von den Juden (18, 33.) verklagt,
und von ihnen (19, 3. 7. 14. 19.) verſpottet.
Er ſegitimirt ſich als Meſſias duch Weißagun⸗
gen (2, 19. 21 f. 6, 70. 7. 8 10, 17. 16,
4. 18, 32), durch Wunder, die er deßwegen
ver⸗
— — — — ——— nr
9 Hebe vergl. die trefflichen Abhandlungen:
Tittmann, meletemata facra in
he Ioh. vermehrt in ſ. opuscul, theol. Lipf.
1803. 8.
Johannes. 271
verrichtet, damit man ihm glauben ſoll, (2, 23.
5, 36. 10, 24 ff. 10, 38. 11, 42. 45. 14,
11. 16, 24. 20, 31.) und damit er zugleich
feine dokn: als Meſſias und Logos (2, 11.
vergl. 1, 14. 17, 4. 11, 4. 40.) offenbare;
durch das Zeugniß Gottes (5, 31 ff. 8, 18.
54.) und durch die Weiſſagungen des A T. (s,
39. 45 f.), auf welche er ſich beruft. Er verſi⸗
chert öfters feierlich, daß er der Meſſias (3, 15
21. 5, 19 ff. 7. 27 ff.) und das Licht der
Welt ſey (8, 12 ff. 24. K. 9, 5. 12, 35 f.
46.) und die Juden erkennen theils aus ſeinen
Wundern (6, 14. 7, 31. 9, 16 f. 10, 4 f.
12; 18.) theils aus der Erhabenheit feinr Leh⸗
re (7, 40 ff. 46. K. 8, 30.) die Wahrheit
dieſer Behauptung. — Zum Beweiſe der goͤtt⸗
lichen Wuͤrde Jeſu als ewiger Logos wird
theils das Zeugniß des Taͤufers (1, 27. 30. 3,
30 ff.) und des Apoſtel Thomas, (20, 28. »),
theils die ausdruͤcklichen Erklaͤrungen Jeſu (3,
13. 6, 38. 42. 46. 62. 8, 58. 16, 28. 17,
5. „theils der Unwille der Juden über dieſe Bes
dannn (5, 18. 10, 30-33. **) angeführt,
8 f Elli
—
—
*) Bloßer Ausruf der Verwunderung Eden die
Worte nicht ſeyn. Denn erſtlich war es ganz
ungewöhnlich, auf dieſe Art feine Verwun⸗
derung auszudruͤcken; und zweitens muͤſſen dle
Worte eine Anerkennung Jeſu enthalten.
%) Eigentlich ſieht man nicht ein, wle palaͤſtinen⸗
ſiſche Juden, bei denen der Ausdruck vic 90e
\ ſo
272 Johannes.
theils Jeſus uberhaupt als ein hohes, uͤbermenſch⸗
liches Weſen, dem Nichts, weder die Zukunft
noch die Tiefen der menſchlichen Gedanken unbe⸗
kannt find (1, 48. 2, 25. 4, 17 ff. 7, 33.
Im, 1282,13 0.38 30.),
und der mit einem Worte die Kriegsſchaaren, die
ihn greifen wollen, niederſtuͤrzt (18, 6. ), darge⸗
ſtellt. Die naͤchſte Folgerung aus dem Satze,
daß er der Nos ſey, iſt dieſe, daß er ſeine Leh⸗
re unmittelbar von Gott empfangen, nicht aber
aus dem Geſetz geſchoͤpft, oder von Menſchen er⸗
halten habe n f 32 ff. 8, 1
38. 13, 490 ff. vorzüglich 9, 28 f. 9. 55
Die⸗
ſo gewshelſch war, und den Meſſias bezeichnete,
dieſes ſo hoch aufzunehmen, und uber konn⸗
ten, Jeſus mache ſich dadurch 7 sw de. —
Eine Bemerkung, die wohl auf einige interefs
fante Veimurhungen führen könnte, für welche
aber hier kein Raum iſt.
) Storts S. 147. angeführte Schrift; und:
Rußwurm, über die erſten Leſer und den Zweck
des Evang. Johannis; in Anguſtſ's nen. theol.
Blatt. 3. B. 3. St. — Ueber die Chriſtolo⸗
gie des Johannes ſ. J. G. Herder, von Got⸗
tes Sohn der Welt Heiland. Nach Johann.
Evang. Riga 1797. 8. auch unter dem Titel:
chriſtl. Schriften, zte Samml. C ) -Progr.
doctringe de di bolo, in libris Ioannis Ap. pro-
Be, breuis deferiptio. Ienae, 1800. 4. —
K. C. Lud. Schmidt, Ueber das Evangel.
Johannes; in Schmidts Bidlioth. f Krit. und
Exeg. e. 2. B. 3. St. S. 386449. (enth aͤlt die
Stel⸗
Sopannes, 273
Diefe Bemerkungen zeigen dem hiſtoriſch,
dogmatiſchen Interpreten hinlaͤnglich den Stand:
punkt, aus weichen er das Evangel. Joh. zu
erklären hat, und warnen ihn auch hier vor miß⸗
lichen Verſuchen das Eigenthuͤmliche des Johan⸗
nes, beſonders deſſen Ausſpruͤche über Jeſu hoͤ⸗
here Natur wegzuerklaͤren, und die Wunder als
natuͤrliche Begebenheiten zu betrachten. Die letz⸗
tern beſonders haben, nach Johannes ganzer Dar⸗
ſtellungsart, die Abſicht, Jeſum als ein übers
menſchliches Weſen anzukuͤndigen *).
Stellen K. 3, 121. K. 6, 26-63.) In his
ftorifch » dogmatiſcher Ruͤckſicht iſt vorzuͤglich zu
vergleichen: Das Evangelſum, oder Nachrichten
vom Leben und Tode Jeſu nach der Predigt
des Johannes. Mit Anmerkk.; in den Beitraͤg.
z. Beförd. d. vernunft. Denk. ꝛc. s, Bft, S.
167 204, und 6. Hft. S. 22-53, (enthalten
die 9 erſten Kapitel.)
) Beſonders iſt diefes bei der Auferweckung La⸗
zarus recht bemerkbar. Die Tendenz dieſes Wun⸗
ders giebt Jeſus ſelbſt K. 11. v. 4. an: I Jo-
Ses i 0 vios ro Feu d aUrys. Deßwegen zoͤ⸗
gert Jeſus, nachdem er von der Krankheit ſei⸗
nes Freundes benachrichtigt worden war, mit
Fleiß zwei ganze Tage (v. 6), damit Lazarus
erſt ſtarb, ehe er hinkam. Dunkel kuͤndigt er
den Juͤngern das Wunder vorher an: Lazarus
(v. 11) ſchlaͤft; aber ich will ihn auferwecken,
und der Evangeliſt bemerkt (v. 13.) ausdrüͤck⸗
lich, Jeſus habe hiermit ſeinen Tod gemeint,
und auch hernach den Apoſteln geradezu erklaͤrt
J N S (v.
'274 Johannes.
Einige neuere Zweifel gegen die Aechtheit
des Johanneiſchen Evangeliums ), fo wie die
ö Mei⸗
— — 4 w—— —
(v. 14.) Augapıs dr Martha erklaͤrt (v.
21.) daß ihr Bruder nicht geſtorben ſeyn wuͤr⸗
de, wenn Jeſus zugegen geweſen waͤre; aber
(v. 22.) ſie wiſſe, daß er ihn auch jetzt noch
Ces v) wiederherſtellen könne, da ihm Gott
keine Bitte verweigere. Eben ſo Maria v. 32.
Lazarus riecht ſchon, weil er vier Tage im Graz
be gelegen hat (v. 39.). Jeſus bittet Gott,
ein Wunder durch ihn zu thun, damit das ums.
ſtehende Volk glaube, er ſey ſein Geſandter (v.
42.), und darauf ruft er: Lazarus, gehe her⸗
aus! (v. 43.) auf welchen Zuruf der Todte
lebend hervorgeht. Viele Juden glauben deß⸗
wegen an Jeſus (v. 45.) und das Synedrium
fürchtet, das ganze Volk werde ihm zufallen
(v. 47.). Wie laſſen ſich die Anſtalten, die
Voraͤußerungen Jeſu gegen ſeine Juͤnger, das
Gebet Jeſu zu Gott, und der Erfolg des Nur
fes Jeſu, der hier als Urſache der Wiederer—
weckung Lazarus dargeſtellt wird, mit der Hys
potheſe des Hrn. Prof. Paulus, daß Lazarus ein
bloßer Scheintodter geweſen ſey, vereinigen?
) Schon Schmidt erregte dagegen Zweifel in
ſ. Biblioth. für Krit. und Exeg. ꝛc. 2. B. 1.
St. Vergl. mit Deſſ. allgem. Biblioth. der
neneſt. theol. u. paͤdagog. Literat. 5. B. 2. St.
Vorzuͤglich aber (Oertel): Der Evangeliſt
Johannes und ſeine Ausleger vor dem juͤngſten
Gerichte 1. Thl. 1801. 2. Thl. 1804. gr. 8.
Dagegen vergl. C. Schlecker, Widerlegung
einiger der wichtigſten Einwendungen gegen d.
Aechtheit d. Ev. Joh. Mir einer e
- leg⸗
P,
Johannes. 275
Meinung Horſts, daß es aus Bruchſtuͤcken ver⸗
ſchiedener Verfaſſer aus verſchiedenen Zeiten und
von verſchiedener Tendenz, im 2ten Jahrhunderte
zum Vortheil der katholiſchen Kirche zuſammen⸗
geieät worden ſey »), wuͤrden zwar den Ge:
ſichtspunkt aus dem das Evanglium zu betrach⸗
ten iſt, betraͤchtlich verandern; allein dieſe Mei⸗
nungen find bis jetzt noch viel zu wenig bewie⸗
fen worden, als daß man Ruͤckſicht auf fie neh⸗
men koͤnnte, und es iſt zu klar, daß das Evan⸗
gel. Joh. keine Bruchſtuͤcke enthalte, ſondern ein
Ganzes ſey. Ueberdieſes wird der gleichfoͤrmige
Geiſt und die eigene gehaltene Sprache dieſer Ans
ſicht erde vorzuͤglich widerſtreiten. Gleiche
8 7 Ten⸗
=
— ¼H-t — —
Ziegler. Roſt. 1802. gr. 8. 96 S. und F. G.
Suͤskind, Beitrag z. Vertheidſgung der Aecht—
heit des Ev. Joh. in Beziehung auf die Schrift:
d. Cvaugeliſt Joh. 2c. in Flatts Magaz. 9. St.
(1803. und Zieglers Vorhin S. 272. ange⸗
fuͤhrte Abh. in Gablers Journ.
) Georg Konr. Horſt, uͤber einige Ahtchels
nende Widerſprüche in dem Ev. des Joh. in
Abſicht auf den Logos, oder das G öbne in Chri⸗
flo; in Henke's Muſeum 1. B. 1 Si. S.
20-46. Derſelbe, läßt fich die Aechtheit
des Johann. Ev. aus binlänglichen Gruͤnden
bezweifeln, und welches iſt der wahrſcheinliche
Urſprung dieſer Schrift? Ebend. S. 47113.
Dagegen vergl. Flatt, in ſ. Magaz. 11. St.
©. 57-119. und Schmidts Einleit. ins N.
T. S. 135 ff.
276 Johannes.
Tendenz, wie fein Evangel. haben auch die Brie⸗
fe des Apoſtels, namlich die Leſer in der Wahr⸗
heit zu befeſtigen, daß Jeſus Meſſias und Lo⸗
gos ſey ).
1
Paulus, ein Jude aus dem Stamme
Benjamin, ward als römiſcher Buͤrger zu Tar⸗
ſus geboren, und ſtudierte dann zu Jeruſalem
in der Schule des beruͤhmten Rabbi Gamaliel
die ganze Weisheit eines juͤdiſchen Geſetzlehrers
und die gelehrte Theologie der Rabbinen, wie fie
damals war. Sein Eifer für den Moſaismus,
ſein feuriger raſtloſer Geiſt und ſein durchdrin⸗
gender Verſtand wuͤrden uns ſchon vermuthen laſ⸗
ſen,
*
1
) W. K. L. Ziegler, der erſte Brief des Jo⸗
hannes, ein Sendſchreiben an eine deſtimmte
Gemeinde, und keine allgemeine Aöhandi, oder
Buch; in Henke's Magaz. 6. B. 3. St. S.
254 276. (gegen Michaelis, der ihn als all⸗
gem. Abhandl., und gegen Storr, der ihn als
den aten Theil des Evang. betrachtet wiſſen
wollte.) Verſuch einer Einleit. in den erſten
Brief Joh. von M.; in Schmidts Biblioth. f.
Krit. und Ex. 1 B. S. 69-86. (Johannes
habe docetiſche Meinungen beſtritten.) J. F. Chr.
Loeffler diſſ. Ioannis ep. 1. Gnoflicos in-
primis impugnari negans. In d. Commen-
tatt. theoll. Vol. I. no. 5. — H. E. G. Pau-
Ius commentt. theoll. potiſſimum hiſtoriam
Cerinthi ete. S. S. 178. 5
=" 24 4 r
Paulus. | 277
fen, daß er die Theologie feines Meiſters mit
Fleiß, Liebe und Gluͤck ſtudiert habe, wenn es
auch nicht ſeine Schriften unwiderſprechlich zeig⸗
ten. Denn in dieſen finden ſich zahlreiche Spu⸗
ren der Gelehrſamkeit und Theologie der Rabbi⸗
nen, ſo wie der Methode derſelben im Diſputi⸗
ren und Beweiſen. Doch auch ohne dieſe Spu⸗
ren wuͤrde er ſchon als Schuͤler Gamaliels fuͤr
die hiſtoriſch ⸗dogmatiſche Specialhermeneutik bins
laͤnglich charakteriſirt ſeyn ). Seine Schriften
enthalten mehr als andere des N. T. die Grund⸗
füge der gelehrten juͤdiſchen Theologie, und koͤn⸗
nen daher aus denſelben, in wie weit wir ſie aus
andern Quellen kennen, nuͤtzliche Erlaͤuterungen
erhalten. Paulus gehoͤrte zu der Sekte der Pha⸗
riſaͤer; folglich find es auch vorzüglich die Schrif⸗
ten dieſer Parthei, beſonders eines Joſephus und
der aͤlteſten Rabbinen, die bei feiner Erklaͤrung
in Betrachtung kommen. Zwar find die Rabbi⸗
niſchen Schriften, die wir noch beſitzen groͤß ten⸗
theils weit jünger als Paulus, und folglich koͤnnte
es ſcheinen, als ob von ihnen kein Schluß auf
die Theologie der Rabbinen zu Paulus Zeiten
gelte. Allein theils blieben ſich die Rabbinen in
ihren Lehrſaͤtzen in ſofern gleich, daß ſie nichts
was ſie ſchon vorfanden, aufgaben, ſondern nur
) Thalemann, de eruditione Pauli indaica
non graeca. Lipſ. 1769. 4. und Paleys horae
paulinae uͤberſ. von Henke, S. 448.
mit
278 Panlus.
mit neuen Zuſaͤtzen, die ſich leicht erkennen laf⸗
ſen, bereicherten; theils enthalten die Schriften
der juͤngern Rabbinen theils die muͤndlichen Ue⸗
berlieferungen der aͤltern, theils Erterpte aus des -
ren Schriften *).
Zwar litten, da Paulus zum Chriſtenthume
uͤbergieng, feine religioͤſen Grundſatze eine bedeu⸗
tende Veraͤnderung, und er ſelbſt erklaͤrt an meh⸗
rern Orten *), er habe beſondere Belehrungen
durch goͤttliche Offenbarung erhalten. Doch je⸗
ne Veraͤnderungen betrafen wohl vorzuͤglich die
Lehre von der veraͤnderten Beſtimmung des Meſ—
ſias und dem Werthe des Judenthums. Denn
der engherzige juͤdiſche Partikularismus, den er
in ſeiner Jugend eingeſogen hatte, und der ihn
zum Zeloten machte, verſchwand bei ihm; die
/ 5 Meis
) Ein Beiſpiel der Erläuterungen der Schriften
Pauli aus Rabbinen enthaͤlt C. F. Ammons
progr. de veſtigiis theologiae, iudaicae in Epiſt.
Pauli ad Romanos. In f, nouis opuſc. theol.
Goett. 1803. 8. Das Buch: Apoſtoliſche Bries
fe erklärt aus den Religionsmeinungen der ers
ſten Jahrhunderte, Leipz. 1787. 8. führe ich hier
bloß deßwegen an, um zu bemerken, daß es durch⸗
aus nicht, wie er Titel zu ſagen ſcheint, zur
hiſtoriſch-dogmat. Auslagung gehöre,
) 3. B. 2. Kor. 12, 1 f. 1 Kor. 1½ 25. 7,
12. Salat. 1, 11 ff. Eph. 3, 2. 1 Theſſ. 2,
13. *
Paulus. 270
Meinung von dem hohen Werthe des Judenthums,
das allein Gott wohlgefaͤllig mache, von der
Gottgefalligkeit und Heiligkeit der Nation, als
der, welcher Gott allein die Wohlthaten des Meſ⸗
ſias beſtimmt habe, loͤſete ſich herrlich auf in die
Grundſaͤtze von der chriſtlichen Freiheit, einer
Univerfalreligion und Erloͤſung der Menſchheit.
Er war es hauptſaͤchlich der das Chriſtenthum
mit raſtloſer Thaͤtigkeit nicht nur unter den Grie⸗
chen verbreitete, ſondern der ſich auch der Beibe⸗
haltung der Beſchneidung, und der Verbindlich⸗
keit des moſaiſchen G ſetzes in der neuen Reli:
gionsgeſellſchaft mit großem Muthe, vieler Ge—
fahr und unerſchuͤtterlicher Standhaftigkeit wider⸗
ſetzte, das Chriſtenthum aus dem Judenthum her⸗
auszog, und es durchſetzte, daß ſich die Chriſten
auf ewig von demſelben losſagten. Die Grund⸗
ſaͤtze, die ihn dabei leiteten, und deren Beweis
und Vertheidigung ſind ein Lieblingsthema ſeiner
Schriften. „Jeſus war der Meſſias; er war
es nicht bloß fuͤr Juden, ſondern fuͤr alle Men⸗
ſchen; nicht durch den Judaismus, (durch die
Beobachtung des moſ. Geſetzes), ſondern durch
den Chriſtianismus (den Glauben an Jeſus als
Meſſias) erlangt jeder Menſch, ſey er Jude oder
Heide, Anſpruch auf die Can ceiwyoy; dieſe Leh⸗
iſt ein pusngiov, (Eph. 3, 4-6) bisher unbekannt
und unerhoͤrt geweſen, und von der juͤdiſchen
Theologie abweichend.“ — Dieſes fi d die Haupt⸗
ſaͤtze uͤber dieſen Punkt
Eben
Pr
280 | Paulus.
Eben ſo bedeutend waren die Veraͤnderun⸗
gen, die er den juͤdiſchen Begriffen von der Be⸗
ſtimmung und den Geſchaͤften des Meſſias gab;
den er er nicht als Meſſias der Juden, ſondern
als Erloͤſer und Verſoͤhner der Welt ie
S. oben S. 228 ff. ).
Dieſes duͤrſten die Hauptpunkte ſeyn, in
denen ſich Paulus ganz von dem Religionsglau⸗
ben ſeiner Landesleute enſernte. Dadurch aber
ward feine vertraute Bekanntſchaft mit den reli⸗
gioͤſen Ideen derſelben nicht aufgehoben, vielwe⸗
niger verwarf er fie uͤberhaupt; ſondern nur in
ſofern, in wie weit ſie den Grundlehren des Chri⸗
ſtent ums geradezu entgegen waren. Und er
konnte den Religionsglauben ſeiner Landsleute auch
nicht verwerfen, da ſich der groͤßte Theil deſ⸗
ſelben auf die Jem Seomveusov und altere
Offenbarungen gruͤndete. Uebrigens ſuchte er
auch, wie er ſelbſt ſagt, allen Alles zu werden,
und ſchloß daher ſeine Ideen an die vorhande⸗
nen Lehrſaͤtze an, die er haͤuſig zu Beweiſen oder
Erlaͤuterungen braucht und in allen ſeinen Schrif⸗
ten mehr oder weniger erwaͤhnt.
Die
) Vergl. H. Ch. Zietz, quomodo notio de
Meſſia in animis Apoſlolorum ſenſim fenfim-
que clariorem äcceperit lucem, disquifitio
theol. Lubec. P. I. II. 1793. gr. 6. 112 ©.
Paulus. 281
Die beträchtliche Zahl feiner Briefe *), der
Umſtand, daß fie alle ganz oder groͤßtentbeils
dogmatiſchen Inhalts find, die Vollſtärigkeit
und Beſtimmtheit ſeines dogmatiſchen Syſtems,
wegen welcher er die Hauptg elle fir die kirchli⸗
che Dogmatik iſt, machen dem Theologen und
Exegeten ſeine Schriften beſonders wichtig, und
fordern ihn auf, dem fpecichen Studium derſel⸗
ben nach der Chronologie, in ſo weit dieſe aus⸗
zumachen iſt 5), eine beſondere Aufmerkſamkeit
ö | it
S ͤ ——
— —
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*
05 Ueber ſeinen Charakter als Schriftſteller und
Lehrer vergl. H. Theoph. Tzfchirner
‚dit, obſeruationes Pauli, Apoſtoli, Epiſtola-
rum Scriptoris ingenium concernentes. Parti-
culae III. Viteb. 1800. 4. und Ant. Theod.
Hartmann, (ſehr freimuͤthigen) Verſuch einer
Charakteriſtik des Ap. Paulus; in Scherers
Schriftfoeſcher 1. St.
8 Die in unſern Ausgaben des N. T. gewöhn⸗
liche Ordnung Fit nicht chronologiſch, ſondern
gruͤndet ſich auf das großere Auſehen der Staͤd⸗
te, Gemeinden und Perſonen, an die ſie ge⸗
ſchrieben wurden; daher der Brief an die Rö⸗
mer an der Spitze ſteht. In Marcions
Sammlung (ſ. Epiphanius adu. haer. XIII, 9.)
folgten fie in dieſer Ordnung: Galater, die beis
den an die Korinth, Römer, Theſſalonſcher,
Epheſer, Koloſſer, Philemon, Phgilipper.
Schmidt (in ſ. Einl. ins N. T. S. 266.)
ordnet fie for Galat. 1 Theſſ. > Theſf Ts
tus, 1 Kor. 1 Timoth. 2 Kor. Röm. 2 Ste
moth. Philipp. — Epheſ. Koloſſ. und Phi⸗
lem. gleichzeitig.
282 Paulliniſche Briefe,
zu widmen ). Dabei bat man vorzüglich dar⸗
auf zu ſehen: ob er an Juden ⸗ oder Heidenchri⸗
ſten ſchrieb; ob er die Gemeinde ſelbſt unter:
richtet hatte; in welchem Zuſtande dieſe war;
was den Brief veranlaßte, und was ſein Zweck
ſey. Was nun die einzelnen pauliniſchen Briefe
anbetrifft, ſo wuͤrde eine weitlaͤuftige Skizze
ihres Inhalts, Zwecks, ihrer Veranlaſſung,
des Zuſtandes der Gemeinden ꝛc. hier zu weit
fuͤhren, und ein eigenes Buch erfordern. Nur
einige Bemerkungen will ich mir erlauben.
In Rom waren die Juden zahlreich; dis
chriſtliche Gemeinde, die ſich daſelbſt bildete,
beſtand (Roͤm. 1, 5. 6.) aus Juden und Sei
den schriften; Paulus hatte die Römer noch
nicht perfönlich belehrt, da er an fie
ſchrieb; der Brief iſt aus den ſpaͤtern Lebens⸗
jah⸗
2) Ueber ſeinen Lehrbegriff verdient vorzuͤglich
Meyer verglichen zu werden: Entwickelung des
pauliniſchen Lehrbegriffs; ein Beitrag zur Kris
tik des chriſtlichen Religionsſyſtems von Gottl.
Wilh. Meyer. Altona, 1801. 3. — Rit⸗
ter, Entwutf der Grundſaͤtze des theolog. Sys
ſtems und der Lehrmethode des Ap. Paulus;
in Auguſtl's theol. Monatsſchr. 1801. 10. Hft.
Reine Auffaſſung des Urchriſtenthums in den
Pauliniſchen Briefen. (von Bauer) Ein Seis
tenſtück zur bibl. Theologle des N. T. Epzg.
1803. gr. 8. C. Chr. Flott diſſ. de Pauli
Ap. cum leſu Chriſto eonſenſu. Tub. 1804. 4.
Pauliniſche Briefe, 283
jahren des Apoſtels ). Der Hauptzweck deſ⸗
ſelben iſt, wie er an dieſe gemiſchten Leſer
in der Hauptſtadt des Heidenthums, die Pau⸗
lus noch nicht belehrt hatte, am ſchicklichſten
war, ein allgemeiner; namlich das Verhaͤltniß
des Judenthums und Heidenthums zum Chriſten⸗
thum. Er ſucht zu zeigen, daß nur durch
die miss, durch Annahme des Chriſtents ums
und Befolgung der Lehre deſſelben, der Menſch
Gott mohlgefällig und der Gluͤckſeligkeit durch
Jeſum theilbaft werde. Leicht war es, dieſes
von den Heiden zu beweiſen, da dieſe theils noch
N ganz
Pr —————— ren
—
*) Ueber dieſen Brief vergl. Semler, de tem-
pore, quo fcripta fuerit ep, Pauli ad Rom. Ha-
lae, 1767. Chr. Fr. Franke diſſ. (ſub prae-
fid. Fr. V. Reinhardi), notae hiftoricae
conditioni cognofcendae primorum chtiſtiano-
rum in primis Romanorum cum Paulus ad eog
ſeriberet, ſeruientes. Viteb, 1791. 4. Flatt
de tempore, quo Pauli ad Rom. ep. feripta fit
(Tub. 1789. 4.) in Potts Sylloge commen-
tatt. theoll. Vol. II. no. 3. (Griesbach?) Progr.
de originibus Epiſtolae Paulinae ad Romanos
paralipomena. Tenae 1801. 4. — In hiſto⸗
riſch⸗ dogmat. Ruͤckſicht verdient außer der ans
gefuͤhrten Abhandl. Ammons, noch folgender Auf⸗
ſatz genannt zu werden: Ueber die merkwuͤrdigſten
Stellen im erſten Haupttheil des paulin. Send⸗
ſchreibens an die Chriſten zu Rom; in d. Bei⸗
trag. z. Beſörd. d. vernuͤnft. Denk. ꝛc. 13. Hſt.
S. 36-82. S. auch oben S. 200.
7
Pr
1%
284 Pauliuſſche Brleſe. e
ganz von der Kenntniß des wahren Gottes und
dem Begriff eines Meſſias entfernt waren, theils,
wie Paulus verſichert, wegen ihrer allgemeinen
Immoralität unmöglich Gott wohlgefaͤllig ſeyn
koͤnnten. Schwerer hingegen war der Beweis in
Ruͤckſicht der Juden, und hier verbreitet ſich Pau⸗
lus weitlaͤuftig uͤber den Werth des Judenthums,
und ſucht, ob er es gleich nicht verkennt, daß
dieſe Nation durch die Kenntniß des wahren Got⸗
tes, durch die erhaltenen Offenbarungen, Verheiſ⸗
ſungen und Weißagungen auf den Meſſias einen
Vorzug vor den Heiden habe, zu zeigen, daß fie
demohnerachtet weder durch Beobachtung ihres
Geſetzes gottgefaͤllig würden, noch durch den Mo⸗
ſaismus die Seligkeit, die der Meſſias bereitete,
erlangen koͤnnten, wenn ſie nicht Verehrer des
Meſſias würden Dieſe Hauptſaͤtze unter ſtuͤtzt er
mit verſchiedenen Beweiſen und Erlaͤuterungen,
meiſtens im Geſchmacke der Juden, und aͤußert
alle die Grundſaͤtze, die oben S. 7005 angege⸗
ben wur den. a
Die Gemeinde zu Korinth war durch
Paulus ſelbſt geſtiftet und belehrt, und er
ſpricht daher auch im ſtaͤrkern und ſchaͤrfern To⸗
ne zu ihr, und beruft ſich oͤfters auf feine ihr
ertheilten Belehrungen. Die Veranlaſſung zu
dem erſten Briefe (denn der zweite enthalt eine
Rechtfertigung des erſten Briefs und Paulus uͤber⸗
haupt) waren vorzuͤglich verſchiedene Spaltungen,
die in der Gemeinde entſtanden waren, indem ſich
eine
Daufaifhe Briefe. 285
eine judaiſirende (hier petriniſche genannt) und
eine alexandriniſche Parthei durch Apollo gebil⸗
det hatte, welche die Auferſtehung (1 Kor. 15,
12. 35.) und die Ehe (K. 7 f.) verwarf, ganz
den platoniſch⸗ pythagoreiſchen Brundfagen der
alexandriniſchen Juden, zu denen Apolſo gehoͤr⸗
te, gemäß. (S oben §. 33. S. 176 f. vergl.
S. 2240. Dieſe Ruͤckſicht if wicheig, und giebt
uns Auſſchluß über das Verhaͤltniß der Lehrſätze
Pauli zu der alexandriniſch⸗griechiſchen Reli⸗
gionsphiloſophie, der er wenig geneigt ſeyn konn⸗
te (S. 224.) Auch laͤßt ſich daraus vermu⸗
then was man uͤberhaupt in Palaͤſtina, und was
namentlich die herrſchende Parthei der Phariſäͤer
von den Lehren ihrer aͤgyptiſchen Brüder geur⸗
theilt haben mag *). N
In dem Briefe an die chriſtlichen Gemein⸗
den in Gallograͤcien, die Paulus (Galat. r,
8. 9. 10.) felbft unterrichtet hatte, kaͤmpft er
für fein großes Lieblingsthema, für die gaͤnzliche
Freiheit der Ehriiien vom Judaismus, und be⸗
weiſet, daß der Chriſt unmoglich durch Beobach⸗
| | tung
——— — —— —i — — —ê
) Storr diſſ. notitiae hiſtoricae epiſtolarum Pau-
li ad Cor. interpretationem adiuuantes. In ſ.
‚ opp..acad. ad interpr. N. T. Vol. II. C. W.
L. Ziegler (klaſſiſche) Einleitung in die Bries
fe an die Korinth.; in ſ. theologiſchen Abhaud⸗
lungen 2. B. S. 1131. a
286 Pauliniſche Briefe.
tung des Geſetzes die Seligkeit, die uns Gott
durch den Meſſias ſchenke, erlangen koͤnne. Bald
naͤmlich, nachdem Paulus Galatien verlaſſen hat⸗
te, waren juͤdiſch chriſtliche Lehrer in dieſe Ge⸗
genden gekommen, und hatten mit Herabſetzung
des apoſtoliſchen Anſehens Pauli, das dem An⸗
feben der uͤbrigen Apoſtel weit nachſtehe, und mit
Verkleinerung ſeines Charakters, als ob er bloß
das moſaiſche Geſetz verwerfe um ſich unter den
Heiden Eingang zu verſchaffen, die Nothwendig⸗
keit der Beobachtung des moſaiſchen Geſetzes, der
Beſchneidung und den hohen Werth des Juden⸗
thums gelehrt. Aus dieſem Geſichtspunkt iſt der
Brief Pauli in apologetiſcher, polemiſcher und
dogmatiſcher Ruͤckſicht zu faſſen 9.
Der Brief an die Gemeinde zu Epheſus,
iſt vielleicht ein Cirkularſchreiben, und ſcheint we;
e f nig⸗
5 \
*) Einleitungsbetrachtung in den Br. Pauli an
d. Galater; in d. Beitrag. z. Beförd. des vern.
Denk. ꝛc. 6. Hſt. S. 1822. Erklaͤrende Um⸗
ſchreibung des Briefs P. an d. Galat.; eben⸗
dal, 5. Hft. S. 125-157, — In hiſtoriſcher
Ruͤckſicht vergl. Keil progr. de definiendo tem-
pore itineris Pauli Hierofolymitani Galat. II,
- I. 2. commemorati. Lipf, 1798. 4. und: Vo⸗
gel Verſuch über chronologiſche Standpunkte
in der Lebensgeſchichte Pauli; in Gablers
Journal fuͤr auserleſene theol. Lit. 1. B. 2.
St. S. 229-264,
Pauliniſche Briefe . 287
nigſtens (ſ. K. 1, 15.) an ſolche Leſer geſchrie⸗
ben zu ſeyn, die Paulus nicht ſelbſt unter⸗
richtet hatte. In Epheſus aber hatte Paulus
(Apoſtelg. 18, 19. 19, 1-40.) gelehrt. Er
ſchrieb ihn von Rom aus als Gefangener, und
zwar an Chriſten aus dem Heidenthume 2, 2.
3. und v. 11. 2.), die er wegen ihrer Treue
im Chriſtenthum lobt, zu fernerer Beſtaͤndigkeit,
zu wahrer chriſtlicher Tugend, und zur Bermei:
dung von Spaltungen ermahnt. Uebrigens hat
dieſer Brief ) nicht, wie man nach dem, was
S. 223 f. erinnert wurde, erwarten konnte, et⸗
was Auszeichnendes, und auch dieſes kann man
als Beweis betrachten, daß Paulus nicht zunaͤchſt
für die Epheſer, ſondern für mehrere Gemein⸗
5 den,
rr
) C. W. L. Ziegler, Beitrag zu einer vollſtaͤn⸗
digen Einleit. in den Brief an die Epheſer; in
Henke's Magaz. 4. B. 2. St. S. 225-276.
(der Brief ſey kein Cirkularſchreiben, was auch
Koppe in den Prolegom. zu dieſem Briefe,
und Michaelis in d. Einleit. ins N. T. behau⸗
ptet hatten. Das Gegentheil vertheldigte) N.
Car. Alex, Haenlein progr. de doctori-
bus, quibus ep. Pauli Ap. quae ad Epheſios
miſſs traditur, vere fcripta fuiſſe videatur, Er-
lang. 1797. 4. — Ganz gehört zur hiſtor.
dogm. Ausleg. dieſes Brieſs: Geſchichtsmaͤßige
Beleuchtung einig. Stellen der Brieſe des Pau⸗
lus an die Epheſer und Coloſſer; in d. Bei⸗
rag. z. Deford, d. vern. Denk. ꝛc. 12, Hft.
S. 1-34. ie
288 Pauliniſche Briefe
den, oder für eine ganz andere ſchrieb. —
Ganz daſſelbe gilt auch von dem Briefe an die
Koloſſer, der in Ruͤckſicht ſeines Inhalts ganz
nahe mit dem an die Epheſer verwandt, und
an ſolche Leſer geſchrieben iſt, die Paulus nicht
ſelbſt unterrichtet hatte. Er zeichnet ſich aber
dadurch von jenem aus, daß ſich Paulus uͤber
die goͤttliche Natur Jeſu (K. 1, 15-17.) ge⸗
nauer erklart, und feine Leſer beſ immt vor juͤ⸗
diſchen und alexandriniſchen Irrlehrern warnt
(S. oben S. 222).
Der Brief, den Paulus von Rom aus an
die Chriſten zu Philippi *), eine Gemeinde, die
er ſelbſt geſtiftet hatte, ſchrieb, iſt eigent⸗
lich ein Dankſagungsſchreiben. Die Leſer waren
wahrſcheinlich Heidenchriſten, da nichts im gan⸗
zen Briefe vorkommt, was das Gegentheil ver⸗
muthen ließe. Außer der Warnung, (K. 3.)
ſich nicht überreden zu laſſen, daß die Beſchnei⸗
dung und der Judaismus einen Werth habe, und
im Chriſtenthum in Betrachtung komme, findet
ſich nur noch die merkwuͤrdige Stelle Kap. 2.
über die Natur des Meſſias, uber welche er ſei⸗
ne
x
*
——
*) Comment. de tempore feriptse prioris ad Ti-
moth. atque Philippenſes epiſtolae Paulinae, le- „7
nae, 1799. 4. | .
Pauliniſche Belefe. 289
ne Leſer wahrſcheinlich ſchon vorher meitlauftis
ger belehrt hatte *).
Oonerachtet zu Theffalenich eine ſtarke
juͤdiſche Gemeinde war Apoſtelg. 17, 1 ff.), ſo
zeigt doch der erſte Brief an die Theſſalonicher,
daß die chriſtliche Gemeinde daſelbſt, deren Stif—
ter Paulus ſelbſt war, aus Heidenchriſten beſtand
(1 Theſſ. 1, 0 3, 1. im zweiten Brief hin,
gegen findet ſich davon keine beſtimmte Angabe.
— Im erſten Brief vertheidigt ſich Paulus ge⸗
gen mehrere Beſchuldigungen K. 2., die feinen
Charakter und ſeine Lehrweiſe betrafen, und wahr:
ſcheinlich von der daſigen juͤdiſchen Gemeinde ges
gen ibn erregt ſeyn mochten. Er beruhigt aber
zugleich die Theſſalonicher wegen des Schickſals
der Verſtorbenen (K. 4, 13 ff.), denen, wie es
ſcheint, von einigen der Antheil an der Gluͤckſe⸗
ligkeit des Reiches Jeſu abgeſprochen, und be⸗
hauptet wurde, die bei der Zukunft Jeſu Leben⸗
den würden deßwegen einen Vorzug vor den Ver-
ſtorbenen haben. Dieſes laͤugnet Paulus (ou
OIacwwev Tous naunderras), ſetzt die Leh⸗
re von der Zukunft Jeu und feiner Auferſtehung
weiter auseinander, und äußert, daß dieſe Zukunft
nahe bevorſtehe.
| Da
— — —tHi —— m
„) Ueber dieſe Stelle vergl. die klaſſiſche Abhandl.
von C. A. G. Keil, commentat. I. II. in locum
Epiſt. ad Philipp. II, 5-11. Lipſ. 1803. und
— 4. in 4.
T
290 Pauliniſche Briefe.
Da wegen dieſer letztern Erwartung die
Theſſalonicher aͤngſtlich (2 Theſſ. 2, 2.) und un⸗
ruhig wurden; fo benimmt er ihnen im 2ten
Brief dieſe Angſt dadurch, daß er verſichert, ehe
Jeſus erſcheine, muͤſſe erſt der Antichriſtus in
der Welt auftreten, der auch ſchon im Werden
ſey (K. 2, 7.). Genauer genommen ſagt Pau⸗
lus K. 2, 3. die Theſſalonicher ſollten ſich we⸗
gen der Zukunft Jeſu nicht fo leicht in Ver:
wirrung und Angſt ſetzen laſſen, unse dec mVev-
pares,. unse dice Aoryov une ei! EmısoAng
os di’ mov, ds em S ve SEN n e
Tov Avgiov. Und doch hatte er ſelbſt im erſten
Briefe geſagt, die Zukunft Jeſu ſtehe nahe be⸗
vor. Schmidt *) will dieſen Widerſpruch fo
loͤſen, daß er nach mehrern Gruͤnden vermuthet,
die Stelle Kap. 2, 1-12. ſey ſpaͤterhin zuge⸗
ſetzt worden. Doch ware es ſchon hinlaͤnglich,
wenn man die Worte d. Emisodns os & Huey
für unaͤcht erklärte, wofuͤr man aber freilich
keine hinreichenden Gründe haben wuͤrde. In
der Lehre ſelbſt iſt kein Widerſpruch; denn in
beiden Briefen lehrt er, daß die Zukunft Jeſu
ſo nahe ſey, daß Er und andere ſie noch erle⸗
ben koͤnnten. Im 1 Br. K. 4, 15. ſagt er
gar nicht, daß Jeſu Erſcheinung ganz nahe be⸗
5 vor⸗
na rn UVV
) Vermuthungen über die beiden Briefe an die
Theſſalontcher; in ſ. Bibl. fir Kritik und Exeg.
des N. T. 2. B. 3. St. S. 380-386.
Pauliniſche Briefe, 291
vorſtehe, ſondern bloß, daß noch mehrere damals
Lebende ſie erleben koͤnnten. Denn es heißt nicht
njaeis ot greg neu "mepiNcımoueva, ſondern
o ge, el reg., wer von und dann noch
leben, noch da ſeyn wird. Vergl. v. 17. Die
Theſſalonicher aber ſcheinen die Erſch inung Jeſu
als ganz nahe, und taͤglich bevorſtehend (Evesn-
xev 2 Theſſ. 2, 2.) erwartet, und ſich deßwe⸗
gen geaͤngſtiget zu haben. Und diefe Augſt ſucht
er durch genauere Darſtellung feine Meinung
ihnen zu benehmen. So gar nahe ſtehe ſie nicht
bevor; allein der Vorlaͤufer derſelben, der Sohn
der Bosheit, zeige ſich, wirke bereits (K 2, 7.)
Auffallend bleiben aber immer die Worte K. 2, 2.
unte d & mige ds d. iu, wenn man fie
nicht uͤberſetzen will; „ſelbſt nicht durch den Brief,
den ich euch ſchrieb“ naͤmlich, in wiefern ihr ihn
mißverſtandet. Qs wenigſtens kann entweder durch
nempe, ſeilicet, wie 2 Cor. 5, 19. oder durch
vere, oder durch quanquam uͤberſetzt werden.
Die zwei Briefe, die Paulus von Rom aus an
ſeinen vertrauten Timotheus ſchrieb, lehren uns
Pauli ganz unumwundene Erklaͤrung uͤber einige
Punkte kennen. Thimotheus war (1 Tim K r,
3.) in Epheſus, und ebendaſelbſt ſcheint er auch den
2. Brief erhalten zu haben. In dieſer uͤppigen
Stadt, wo ein Zuſammenfluß von Menſchen aus
benachbarten Landern und auch eine zahlreiche
Judenſchaft war, hatten ſich mehrere J rlehrer
gezeigt, die von dem wahren Bekenntniß der Re
ligion Jeſu abſielen, oder wenigſtens abwichen
T 2 1
292 Pauliniſche Briefe.
(1 Tim. 1, 19. 20. 4, 1.). Allem Anſcheine
nach waren ſie aͤgyptiſche Juden, und vielleicht
auch einige von der Sekte der Eſſener. Denn ſie
laͤugneten wahrſcheinlich (1 Tim 1, 15.) daß der
Meſſias als Verſoͤhner der Suͤnden erſchie⸗
ſchienen ſey, oder erſcheinen werde ein Punkt an wel⸗
chem die alerandrinifche Moral allerdings Anſtoß
nehmen konnte. Ferner beſtritten ſie wahrſcheinlich
das, was 1 Tim. 3, 16. geſagt wird, weil Pau⸗
lus bieje Lehre als pusegiov enoAoycunens merya
aufſtellt“); doch wohl nicht wegen Timotheus
ſelbſt, der das laͤngſt wiſſen mußte, ſondern we⸗
gen anderer. Auch die Ehe verwarfen fie, und
lehrten Enthaltſamkeit in Speiſen und Getraͤnken
(1 Tim. 4, 3 ff. vergl. K. 6, 20. und oben
S. 223 f.), laͤugneten die Auferſtehung (welche
ſchon geſchehen ſey) und daß wir einſt nach der
Auferſtehung bei Jeſu ſeyn, und mit ihm bereichen
wur⸗
*) In beiden Stellen braucht er den Ausdruck i-
es 0 Aoyos, der anzeigt, man dürfe von der
Lehre, die dann genannt wird, nicht abgehen;
“fie ſey richtig und glaubwürdig. Das zeigt 2
Tim. 2, 1116. wo dieſe Worte gleichfalls an
der Spitze bezweifelter Lehren ſtehen. Die Wor—
te K. 3, 16. ſind alſo gewiß kein altes Kir⸗
chenlied. — K. H. L. Schmidt über 1 Tim.
3, 1416. In d. Bibl. für Krit. und Exeg.
des N. T. ꝛc. 2. B. 5. St. S. 615635. und
Ziegler in Henkes neu. Magaz. 1. B. D.
491-502,
Brief an die Hebräer. 293
würden, ſ. 3 Timoth. 2, 11-18. Alles dieſes
weißt uns auf aͤgyptiſche Juden hin; denn daß
es Juden waren, zeigt 1 Tim. 1, 3-7.” Das
her ermahnt er den Timotheus, feſt bei der Leh⸗
re zu beharren (2 Tim. 2, 8.), daß Jeſus der
Meſſias, und von den Todten auferſtanden ſey.
Uebrigens enthalten dieſe Briefe manche Welch:
rungen uͤber Kirchenzucht, und Anweiſungen fuͤr
das Betragen des Timotheus. N
Daſſelbe gilt auch von dem Briefe an den
Titus, den er gleichfalls ermahnt, ſich judai⸗
ſirenden Lehrern zu widerſetzen, K. 1, 10-14.
3, 9. IT.
Ob der Brief an die Hebräer von Pau⸗
lus geſchrieben ſey oder nicht, kann hier nicht
unterſucht werden *); nur fo viel iſt hier zu be⸗
mer⸗
„) Das Wichtigſte was ſich fr feinen pauliniſchen
Urſorung ſagen laſſen duͤrfte, findet man in:
Pauli Brief an die Hebraͤer, erlaͤutert von
SGottl. Ehr. Storr. Tuͤbing. 1789. (704 S.
und oe S. Einleit.) 8. vergl. mit der Recenſ.
in Eichhorns Biblioth. d. bibl. Lit. 3. B. S.
486 ff. — Vollſtaͤndige Einſeitung in den Brief
an die Hebr., worin alte und neue Meinungen
über die Aechtheit, Ranonicität und Grundſpra⸗
che none aufs neue krltiſch geprüft find, und
f der
294 Brief an die Hebtäer,
merken: daß dieſer Brief an eine Gemeinde ges
ſchrieben iſt, die ſchon von dem Verfaſſer unters
richtet worden war; daß die Leſer Juden waren;
daß der Brief von Alexandrien aus bekannt, und
feine Aechtheit, von der alexandreniſchen Kirche
vorzüglich vertheidigt wurde ). Eine Bemer⸗
kung die fuͤr den Interpreten ſehr wichtig iſt,
und es noch mehr wird, wenn man die Aehnlich⸗
keit und Gleichheit der Sprache, Ideen und Dar⸗
ſtellung in dieſem Briefe und in den Schriften
der alexandriniſchen Juden bemerkt. Dieſe Aehn⸗
lichkeit koͤnnte man weitlaͤuftig zeigen; doch
der Raum verſtattet mir nur einige Bemerkun⸗
gen. Erſtlich findet ſich hier ganz das alexan⸗
driniſche Pragmatiſiren uber die heilige Geſchich⸗
te; ſo wie im Buch der Weiheit K. 10. durch
die Geſchichte von Adam bis Moſes belegt wird,
daß Alles durch die Weisheit gluͤcklich werde, ſo
wird hier an derſelben Geſchichte gezeigt, daß
dieſes K. 11.) der Glaube bewuͤrle. Auch die
Stellen Kap. 2, 10. 17. 18. ſind ganz in prag⸗
matiſirenden Geiſte geſchrieben, vergl. Buch der
Weish. Tu, 5. 16. 21.2 15% 3. u; w. So
wie die Alexandriner einen myſtiſchen Sinn im
A. T. und deſſen Einrichtungen ſuchten, ſo
Kr 1 wird
der Werth des ganzen Briefs näher beſtimmt
wird, von W. C. L. Ziegler. Goͤtt. 791.0294
1
Kb . Scripts Einleit. ins N. T. S. 277 fi.
Brief an die Hebraͤer. 295
wird hier Melchiſedek mit Chriſtus (K. 7.), der
Sabbath mit dem Ruhetag nach dem Tode (K.
4, 9.), die ganze Opferverfaſſung mit Jeſu
verſoͤhnendem Wirken, und die Seligkeit jener Welt
mit der Ruhe (zaramavaıs K. 4, 1. wofuͤr
Weish. 4, 7. avaraucıs ſteht), welche die
Iſraeliten nach dem Eintritt in Palaſtina genie⸗
ßen würden, verglichen. So wie codız im Bus
che der Weish. in vielfachem Sinne genommen
und als einzige Bedingung des Gluͤcks und der
Gottgefaͤlligkeit aufgeſtellt wird (V. der Weish.
K. 10.), ſo hier (Hebr. 11.) der Glaube. Wie
Philo den griechiſchen Worten der LXX inhärirt,
und ohne alle Ruͤckſicht auf den hebr. Text aus
ihnen beweiſet, ſo auch der Verf. dieſes Briefs
5. 9, ij eff, 2, 2 Die Ideen
vom goͤttlichen Logos, ſo wie ſie ſich bei Philo
und im Buche der Weisheit finden, trifft man
auch hier, und in einer noch hoͤhern Beziehung. S.
oben S. 84.) Alles dieſes weiſet den Interpeten
an,
) Außerdem vergleiche man Hebr. 4, 12, 13.
mit folgenden Stellen im B. d. Weisg. 7, 22 ff.
* 2 2 > 1 5
Se Dec yt U — 080, GιõMuννοννν EVEOYERLEOV,
a c Sr Ohh nos dın TOENTWY NL
eovv mVEvMaTwy, YVOEEWY , nutaguv AETTWTATWYV.
Auer din mayray — uva Et. — So wie
das Buch d. Weish, prächtige neue und ausge—
ſuchte Worte liebt, fo auch der Br. an d. Hebr.
Ferner vergleiche: Hebr. 12, 28. mit Weish.
5, 15.
u
296 Nef an die Hebraͤer.
an, hier die Alexandriner bei der Erklaͤrung u
Grunde zu legen.
Der Inhalt iſt dieſer “): Kap. 1 und 2:
Jeſus der göttliche uber alle Engel erhabne Sohn
Gottes, der auch in den Weiſſag engen ſelbſt
Gott genannt wird (ſ. oben S. 126 f.) ward
Menſch (2, 14 — 18) um fuͤr die Menſchen
ſterben und fie mit Gott verſoͤhnen zu koͤnnen.
Kap. 3: er iſt weit groͤßer als Moſes; denn
5 die⸗
— —-—̃—̃— —
— ——
5 3 8 0
$, 15. Dan best erg Toy XEwye Sue 2c Andoyras
>
Fo Hartge! enge na Fo died ic 70
xanAovs dr Neos aus. — Mehr. 7, 19. mit
Weis). 6, 18. 19. u — 2 Ng e. 87%
eivan 10% Neon. — Hebr. 8, 2. mit Weish. 9,
8, dv oi oB ohe vero, 1 — — Fursasmpon
Mina Fans 04 557 Fpoyromaras dm g
vns. — H br 13, 4. mit Weish. 3, 13. Hebr.
9, 18. mit Weish. 3, 13. 5, 5 — Auch die
Beſchreibung des neuen Bundes K. 8, 10. 11.
hat mit der Ehriftologie Philos viel ähnlicher,
S. Stahl in Eichhorns Bibl. 4. B. S.
849 ff. — Ueber die Auferſtehung ſ. zu Ende.
Io. Ben. Carpzov,; exereitationes in Ep.
Pauli ad Hebraeos ex Philong Alex. Helmſt.
1750. 8.
*) Eine ganz in hiſtoriſch⸗ bohlen ce Hinſicht
angeſtellte Angabe des Inhalts iſt die Abhand—
lung: Anmerkk. über einige der merkwuͤrdigſten
Stellen des Briefes an die Hebr.; in den Bei-
trag. z. Beford. des vern, Denk. 1c. 10. Hft.
S. 82 128.—
—
—
Brief an die Hebraͤer. 2097
dieſer war Sega. Jeſus aber iſt vos (v. 5. 6.)
daher muͤſſen wir Jeſu folgen, denn (Kap. 4.) er
fuͤhrt zu einer ganz andern (raramava) Glück
ſel gkeit als Moſes. Er namlich (v. 14. ff.)
iſt der vom Himmel gekommene und Menſch ge⸗
wordene Hoheprieſter, der durch feinen Tod die
Verſoͤhnung bewirkt hat. Kap. 5: Als ſolcher
iſt er von Gott ſelbſt verordnet, daher K. 6.
man in der Treue an ihm feſt verharren muß.
Kap. 7. Er iſt ein ewiger Hoheprieſter, ſtammt
nicht von Levi ab, und iſt in einem weit hoͤ⸗
bern Sinn als Melchiſedek, deſſen Aeltern und
Genealogie man nicht kennt, uͤbermenſchlichen Ur⸗
ſprungs. Eben deßwegen Kap. 8. uͤbertrifft er
den juüͤdiſchen Hohenprieſter, fo wie K. 9. fein
Opfer weit wirkſamer, feine Heiligthuͤmer weit
erhabener find, als die moſaiſchen ). Die moſ.
Opferverfaffung K. 10.) konnte die Menſchen nicht
gluͤcklich machen, aber durch Jeſum werden ſie,
wenn ſie treu bleiben, gluͤcklich Denn dieſe
Treue beim Bekenntniß des Chriſtenthums, der
Glaube (K. 11.) macht allein gluͤcklich. Daher
Kap. 12. und 13. ermahnt der Verf. die Leſer
zu dieſer Treue mit Hinweiſung auf die Belohnun⸗
zun im himmliſchen Jeruſalem. Beſonders iſt
Er AR | es,
135 *
— mn ann ı —
*) I. G. Griesbach commentat, de imagini.
bus iudaieis, quibustauetor ep. ad Hebr, in de.
ſeribenda Meiliae prouincia vfus eſt. In d.
commentt. theoll. Vol. II. no. 8 N
268 Jakobus, Petrus und Judas.
es, daß hier die Hoffnung der Auſerſtehung des
Koͤrpers nicht benutzt, ſondern gaͤnzlich mit Still⸗
ſchweigen uͤbergangen wird. Ueberhaupt wird der
Auferſtehung des Korpers im ganzen Briefe nicht
gedacht, und nur Kap. 6, 2. im Vorbeigehen eine
OVASaTıS ον Vergmv erwähnt. Ueberdieſes laͤßt
die Stelle K. 9, 27. manche Vermuthungen zu.
*
Der Brief Jakobi, der erſte unter den
ſogenannten katholiſchen Briefen ) an die unter
den Heiden zerſtreuten jüdifch- chriftlichen Ges
meinden geſchrieben, enthalt in dogmatiſcher Hin⸗
ſicht nichts Auszeſchnendes, ſondern eine Menge
vortrefflicher moraliſcher Saͤtze ). Denn der
f | 55 angeb⸗
*) Die neueſte Bearbeitung derfelben iſt: die ka⸗
thol. Briefe, neu uͤberſetzt und erklart, und mit
Excurſen und erlaͤuternden Abhandlungen her-
ausgegeben von J. Ch. W. Auguſti. Lemgo,
1801. i: CHE 8, F Wergl C. F. Stäudlin de fon-
tibus epp. catholicarum, inprimis de ällegatio-
nibus, au in ſis deprehenduntur , progr. I.
Goett. 1790. 4. und C. G. Storr difl. de
epp - catholicarum ocesfione, et confilio; in ſ.
opp. acad, ad interpret, S. S. Vol, II.
*) De lacobo epiftolae eidem adſeriptae auctore,
diſl. 118 Jo. Ph. Gabler. Altorf, 1787.
4. — J. D., Schulze, der ſchriftſtelleriſche
Charakter wg Werth des Petrus und Jakobus,
zum Behuf der Sperl lalhermeneutik ihrer Schrif⸗
ten. Weißenf. und Leipz. 1302, 8. vergl. mit
den
J
IR Jakobus, Petrus und Judas. 299
angebliche Widerſtreit zwiſchen Jakobus und Pau⸗
lus verdient hier keiner Erwähnung.
| Auch der erſte Brief Petri, indem bie
rauhe ungeordnete Schreibart den ungelehrten
Palaſtinenſer verraͤth, enthält Ermahnungen, Er⸗
menterung mit dogmatiſchen Saͤ een vermiſcht, ohne
beſtimmte Ordnung. Er hat dieſelben Leſer, wie
der Br. Jakobi, und beide ſind folglich nach dem reli—
gioͤſen Sprachgebrauche des gemeinen Lebens, und
fo zu erklaͤren, wie ſie von Juden palaͤſtinenſi⸗
ſcher Bidung verſtanden werden mußten 1905
Der zweite Brief Petri, wenn anders
dieſer Apoſtel Verfaſſer iſt, und der Brief Ju⸗
da find ſich an Juhalt und dogmatiſcher Ten
denz gleich. Beide ermahnen zur Beſtaͤndigkeit
im Chriſtenthum, warnen vor falſchen Prophe⸗
ten und Laſterhaftigkeit, die in den letzten Zei⸗
ten vor der Erſcheinung des Meſſias uͤberhand
nehmen wuͤrden, ſtellen dieſe Erſcheinung als na.
he bevorſtehend dar, und der zweite Brief Petri
namentlich vertheidigt dieſe Lehre gegen Einwen⸗
a f dun⸗
TJ ̃ q
den Bemerkungen über dieſe Schrift in Gas
blers neueſt. theol. Journ. 12. B. 4. St. S.
358 - 368. — G. Chr. Storr diſſ. de epifto-
la S. Iacobi. Tub. 1785, 4. (enthalt vorzuͤglich
Erläuterungen dieſes Br. aus dem Buch Sirach.
\
) Die beruͤhmteſte Stelle diefes Briefes iſt K.
3, 19. 20. ſ. oben S. 234.
300 Apokaſypſe,
dungen und Zweifel. An der Aechtbeit des ꝛten
B efes Petri und des Briefes Jak iſt bekannt⸗
lich gezweifelt worden. Doch ohne hierüber zu
en ſcheiden, find ſie dadurch, daß ſie ſich uͤberall
auf die Vorſtellungen palaͤſtinenſiſcher Juden, von
Engeln und deren Fall, vom Reiche des Meſſias
u. ſ. w. bez ehen, für die hiſtoriſch-dogmatiſche
Auslegung binlaͤnglich charakterifirt ). Uebri⸗
gens iſt der Widerſpruch dieſer beiden Briefe
(2 Petr 2, 4. Jud. 6.) mit dem 1 Br. Petri
(K 5, 8) noch zu bemerken, indem jene die boͤ⸗
fen Engel als im Tartarus gebunden und bis
auf den Tag des Gerichts aufbehalten darſtellen,
dieſer aber dem Teufel eine fortdauernde Wirk⸗
ſamkeit und Feindſchaſt gegen die Chriſten beilegt.
Was endlich die Apokalyſe betrifft, ſo
muß ſie der Ausleger, bis ihr Johanneiſcher
Urſprung noch genauer dargethan iſt, als eine
Schrift fuͤr ſich betrachten, auf welche er das,
was von Johannes galt, nicht uͤberzutragen hat.
f „Son⸗
*) Der Brief Judaͤ, uͤberſ. und erlaͤutert aus eis
ner morgenlaͤndiſchen Quelle von F. Jo. Haſ—
fe. Jena, 1786. 92 S. 8. — Erklaͤrende Um⸗
ſchreib. des Briefs ꝛc. ſ. oben S. 128. Epi-
ftola ludae graece, commentario critico-et an-
not, perpet illuſtr. a H. C. A. Haenlein.
Erlang. 1799. 8
71
Apokalypfe, 301
„Sonderbar genug iſt es,“ ſagt Henke (in ſei⸗
ner Kirchengeſchſchte 1 Thl. S. 98. f.) „daß Jo⸗
„hannes unter den Schriftſtellern des N. T. ge⸗
„rade der einzige iſt, der in feinen aͤchten Bi:
„chern die Erwartung einer ſichtbaren Wieder—
„kunft ſeines Herrn gar nicht aͤußert, und nun
„in dieſer Offenbarung, mit fo ausd uͤcklicher
„Nennung ſeines Namens und ſo kenntlicher Be⸗
„zeichnung feiner Perſon, als man in feinen aͤch⸗
„ten Schriften vermiſſet, jene Wiederkunft auf
„eine fo ſinnlich praͤchtige Art geſchildert haben
„ſoll, als von keinem andern Schriftsteller geſche⸗
„hen iſt, und vielleicht nur von einem Cer inth
„geſchehen konnte.“ Auch das kabbaliſtiſche o av,
5 „ nee. & koxomevos- (ſ. oben S. 139 f.) de
Vorſtellungen von der Wirkſamkeit des Sataus
(vergl. mit 1 Joh. 3, .), von dem was Chri⸗
ſtus in Zukunft noch thun wird, der ganze Stil
und vieles Andere ſticht fo ſehr gegen das ab,
was man in den achten Schrift en Johannes fin⸗
det, daß die ſtaͤrkſten Gruͤnde vorhanden ſind,
bei der Auslegung dieſes Buchs anders zu ver⸗
fahren als bei Johannes Schriften Denn ohn⸗
erachtet die Ausleger bei Erklaͤrung der Apoka⸗
lypſe von verſchiedenen Geſichtspunkten auszuge⸗
hen pflegen, deren Eroͤrterung bieher nicht ge⸗
hört; fo iſt doch fo viel gewiß, daß das Haupt⸗
thema des Verf. dieſes iſt: den endlichen Sieg
Jeſu des Meſſias uͤber ſeine Feinde, vorzüglich
uͤber Juden und Heiden, fein Reich, und den nach
der Auferſtehung zu erwartenden Zuſtand feiner
; x ö a Der:
*
302 Au uqekalppſe. \
Verehrer zu ſchildern. Nur fragt es ſich, ob
dieſe Schilderung uͤberall eigentlich oder uͤberall
bildlich zu verſtehen ſey? — oder ob die Apo⸗
kalypſe eine dramatiſche Darſtellung zukuͤnftiger
Hoffnungen, oder eine ni Beſchreibung
derſelben gebe?
Doch der hiſtoriſch⸗dogmatiſche Interpret
kann nach ſeinem Kanon, das N. T. und alſo
auch dieſes Buch, fo zu erklären, wie es e weis⸗
lich die Leſer damaliger Zeit verſtehen mußten,
nur Einen Geſichtspunkt haben, nach welchem
dieſes prophetiſche Buch eigentlich zu erklaͤren
iſt, indem es überall die bekannten Vorſtellungen
und Erwartungen vom Meſſias und deſſen Reiche,
wie wir ſie bei palaͤſtinenſiſchen Juden und Ju⸗
denchriſten finden, vorausſetzt ). Wenigſtens
5 muß
) Viele Aehnlichkeit hat die Apokal. in Einklei⸗
dung und Darſtellung mit dem sten Buch Ess
dra. So wie Apek. 11. zwei Zeugen der Wahr⸗
heit vor Chriſti Erſcheinung aufſtehen werden,
fo heißt es 4 Esdr. 2, 7. (nach der Londner
Polyglotte) „noli timere mater filiorum (JIeru⸗
ſalem); mittam tibi adiutorium pueros meos
Ilaiam et leremiem ete. — Mit der Beſchrei⸗
bung der ſieben Plagen Apok. 16. und anderer
Strafen vor Chriſti Erſcheinung vergl. 4 Esdr.
5, 1 12. „de ſignis autem: ecce dies venient,
in quibus apprehendentur qui inhabitant terram
ineenlu multo: et abicondetur veritstis via, et
fterilis, erit a fide regio: et multiplicabitur in-
iuſti⸗
.
EN
r en Ha ce nz
> A * *
e
2 nn U
eu Apokalypſe. 303
muß auch bei einer bildlichen Erklaͤrung von die⸗
ſen Vorſtellungen ausgegangen werden. Daß aber
demohnerachtet nicht Alles was in dieſer Schrift
vorkommt eigentlich zu nehmen ſey, verſteht ſich
von
.
— — —— — — —— — —
juſtitia — — — Si autem tibi dederit Altif-
ſimus viuere, videbis poſt tertiam tubam, et
relucefcet ſubito Sol noctu, et luna ter in die,
et de ligno ſanguis ſtillabit, et lapis dabit vo-
cem ſuam, et populi commouebuntur. Et re-
gnabit, quem non ſperant qui habitant ſuper
terram, et volatilia commigrationem facient: et
mare fodomiticum pilces reliciet, et dabit vo-
cem nactu — — omnes autem audient voc-m
eius. Et chaos fiet per loca mult:, et ignis
frequenter remittetur. ete. Apofaiypfe 7, 3 ff.
und 13 f. mit Esdr. 2, 39-41. „ ſurgite et
ſtate, et videte numerum ſignatorum in conui-
uio Gn, Apok. 19, 9.) Domini, qui ſe de
vmbra ſeculi transtulerunt, ſplendidas tunicas
a Deo acceperunt. Recipe Sion numerum
tuum, et conciude candidatos tuos qui legem
domini compleuerunt. — Ego Esdras vidi in
monte Sion turbam magnam, et omnes canti-
cis collaudabant dominum. Hi ſunt qui mor-
talem tunicam depofuerunt et immortalem ſum-
lerunt et confeſſi ſunt nomen Dei. Esdr. 6,
5. antequam confignati eſſent, qui fidem the-
faurizauerunt. — Apok. 14, 2. mit Esdr. 8,
17. et ecce vox loquens et ſonus eius ſicut ſo-
nus aquarum multarum. — Apok. 22, 5. mit
Esdf. 2, 34. parati eſtote ad praemis regni,
quia lux perpetua lucebit vobis per aeternita-
tem temporis. — Dieſe Parallelen ließen ſich
noch leicht vermehren.
304 Apokalypſe.
von ſelbſt, und die hiſtoriſch⸗ dogmatiſche Ausle⸗
gung verlangt bei dieſem Buche nur zweierlei:
erſtlich daß man in demſelben nicht poetiſche Dar⸗
ſtellung von Begriffen und Ideen, ſondern
von zukuͤnftigen Begebenheiten ſuche, und
zweitens, daß alles das in ihm eigentlich genom⸗
men werde, was man damals erweislich eigent⸗
lich dachte und nahm. Allein es iſt nicht zu
laͤugnen, daß hierbei bedeutende Schwierigkeiten
eintreten, und daß dieſes Buch auch in herme—
neutiſcher Ruͤckſicht zu den ſchwierigſten gehöre *).
S282/ͤ ¾] ᷣ ᷣœ „Eil ̃⁊ð ᷣ RER
*) Briefe uͤber Danſel 1 die Offenb. Johan⸗
nis; in d. Beitrag. z. Beford. 9. Hft. S. 76 —
110. Die Offendar. Johannis; oder der Sieg
des Ra N das Juden⸗ und Heiden⸗
thum. Flensb. 1788. 8. Ueber die innern Gruͤn⸗
de gegen die Aechtheit der Apokalypſe; in Eich⸗
horns Biblioth. 3. B. 3. St. S. 571-645,
Commentarius in Apocal. Ioannis, . Seripfit Io.
God, Eichhorn. Goett. Vol. I. IL 1791.
8. Muͤnſcher, einige Vermuthungen uͤber die
Nikolaiten; in Gablers Journ. f. theol. Literat.
5. B. S. 17229.
Lite⸗
ö
N
Literäriſche Nachtraͤge.
Grulich, Was es heiße einen bibliſchen Schriſt⸗
Schriftſteller aus ſich ſelbſt oder aus dem Syſte⸗
me erklaren; über Kol. 1, 15 19. in Auguſti's
neu. theol. Blättern z. B. 1. St. — Albr.
Kochen, Ueber die Anwendung der Pincolos
gie in den Erklaͤrungen bibliſcher Schriftſtellen.
Ebenda.
Zu S 78. Staͤudlins Geſchichte der philoſo⸗
phiſchen, hebraiſchen und chriſtlichen Moral im
Grundriſſe. Hannover 1805. 8.
Zu S. 128, A. I. Silveſtre de Sacy Nachricht
das Buch Henoch [wovon Jam. Bruce drei
vollſtaͤndige Exemplare mit aus Habeſſinien brach
te] betreffend. Nach dem Franz. bearbeitet
und mit Anmerkk. verfehen von Fried. Theod,
Rink. Koenigsb. 1801. 64 S. 8.
— C. C Lud. Schmidt corpus omnium veter. .
apocryphorum extra biblia, pars I. Hadamar.
1805. 122 S. 8.
Zu S. 139. Möller über das Vater unſer; in Au⸗
guſtt's theol. Monatsſchrift zter Jahrg. 1. Heft
S. 23 ff. und: Fr. Wil. Gruke, einige Bes
merkungen uͤber das Vater unſer; in Henke's
Muſeum 2. B. 3. St. S. 396-412, (Bei⸗
de Auffäße enthalten Erläuterungen dieſes Ges
bets aus Rabbinen.)
Zu ©. 146. Die Theologie der Rabbinen iſt in
vielen Schriften meiſtens aber ohne gehörige
Kritik erläutert worden. Dahin gehört außer
Eiſenmengers entdecktem Judenthum, Ioh. Ben.
Carpzov introductio in Theologiam iudaicam,
die vor feiner Ausgabe von Raim. Martini pu-
gio fidei etc, (Lipf. 1687. fol.) und in ſeinen
- u difpp.
N
305 Literaͤriſche Nachträge.
7
diſpp. academ, (Lipf. 1640. 4.) ſteht — loh.
a Lent moderna theologia ind. delineata, Her-
born 1693. 4. — I. H. Majus ſynopfia
theologiae Iudaicae veteris et nouse. Giefl,
1698. 4. (ohne Kritik und mit dem Streben
dle chriſtl. Dogmatik in den Rabblinen zu fin⸗
den.) Endlich gehören hieher die Streitſchriften
zwiſchen Juden und Chriſten, die man bei Noefs
ſelt (Anweif. z. theol. Buͤcherkenntniß §. 301.
und 6. 323 f.) angegeben findet.
Zu S. 170. Das Progr. de euang. infant. Chr.
f. et vero iſt von F. Imm. Schwarz. — Um
terſuchung, ob die in den verloren gegangenen
Evangelien angefuhrten Ausſpruͤche Jeſu wohl
von Jeſu ſeyn können; von H. H. Cludius.
In Henkes Muſeum 2. B. 3. St. ©. 352 —
395 \, a j
Zu ©, 133. Beiträge zur Erläuterung der biblis
ſchen Denk- und Sprechart, aus den homeriſchen
Geſaͤngen. In Auguſtl's neu. theol. Blaͤtt. 3.
B. 2. St.
Zu S. 189. Henke's neu. Magaz, beſteht aus 6
Bänden, 1798-1803, 5
Zu S. 201. Ueber eine bevorſtehende Veraͤnde⸗
rung der Erde nach 2 Petr. 3; in Henke's neu.
Magaz. 3. B. S. 315 ff.
—
307
Regiſter der gelegentlich erlaͤu—
terten Sachen.
S. S.
Am „ „ 235f. Alphabeth der Kabbali⸗
Aw 3 . 20 f.] ſten. „ 41. 131f.
Aluvuos gun 5 21,1 Athbasch D ebend,
Apxas . 125.1 Analogie des Glaubens 58.
Tris 2 176. 223. Apokalypſe 5% 109.
Ales o „ 167 f. Asmodi f 431.
‚E£ousıns D 125. Auferſtehung 83. 99. 127.
Erıpavaz D 31,| 218. im Brief an die
Zn ci. 5 21.1 Hebr. 298. Litera⸗
Owarıs „ 235 f. 242.] tur 202 ff.
Oęgo vos D 125.] Auslegung, moraliſche
KA Tooov = 24.] 42 ff. allegoriſche 35 ff.
im N. T. 37. des Jo⸗
ſephus 101.
Briefe der App. 22 uff.
Chriſtus ſ. Meſſias
Chriſten, aͤlteſte, zerfal⸗
len in drei Fami⸗
Kvsornres 2 125,
Aoyos ſ. Logos.
II. Is „58. 231. 250.
Iangouſuct x. X 124,
Ilveuuo f, Geiſt.
Do Ole mveumar. 39.
Tara gos 4 236. lien 5 175 ff.
Ties 9 30. 168. 239.] Daͤmonen 83. 9 ff. 99.
Nr, o, x 0 1 „ 301. 196. 217 f.
Ebioniten > 175.
Elias 6 106. 226.
Adam, d. Vater d. Rabs Engel; Zeit ihrer Ers
bala ‘ 129 f.] ſchaff. 115 f. ihre Klaſ⸗
fen 125 f. bei Philo
99. ihr Fall 96. 125.
u 2 104.
Adam Kadmon IIS.
Akkommodation - 52.
—y— — — — —„—᷑d. — — Ten ae
308 Regifter
S.
104. 237. 196. ihre
Verehrung 249. bei
der moſ. Geſetzgeb.
103 f. Eng. des An⸗
geſichts 247 f. d. Ems
pfaͤngniß 118. 196.
Lit. 196 f.
Eſſaͤismus. . 205.
Evangelien, ihre Quel⸗
.
Leviathan 5 115.
Logos. 22. 32. 82 f. 101.
168. 174. 194. 147.
268 f. in den chald.
Paraphr. 113. 117f.
im Br. an die Hebr.“
239 ff. iſt vom Geiſte
verſchieden - 172 ff.
Meſſtas 104. 106 f.
len 254 ff.
Galater, Br. „ 250.
Geiſt, heil. 43. 30. 127.
108 f. 118. 122 f.
nach d. Lehre d. App.
22. f. feine Wunder
iſt vom Logos vers 345 ff. 264. f, Gott⸗
ſchieden 172. d. Bas heit ſ. Jeſus. irrdi⸗
ter o 169. Li⸗ ſcher 228 f. im A. T.
terat. 195. 197. ns 134.
Geſtirne hab. Seelen. 115. 4.197 ff.
Gnoſis „ 176. 223. Meſſiasreich 5 200.
Gnoſtiker 5 177.] moraliſches „226.
Gott im A. T. 190. [Mond, verl. die Herr⸗
ſeine Eigenſch. 192. ſchaft . 115.
Hebraͤer, Br. 138. 175.| Moral d. Hebraͤer. 78. f.
Höllenfahrt Chriſti 125.] des N. T. „ 205.
233 f. 205. Mytholog. Anſicht des
Jacobus s 176. Chriſtenth. „26a ff.
Jeſu Gottheit 126. 168. Nazaraͤer 3 175.
194. 239 ff Paulus Lehrbegr. 230 f.
Inſplration + 190.1 278 f. 282. was er
Johannes Evang. 147. über die Alexandriner
*
N 5 176. 274 ff.] urtheilt 221 f. 285.
Judas D 176.1 Paradies N) 116.
Juden, aͤgypt. 97. 218,1 Petrus. . 176.
beſtreitet Paulus 285. Pharifäer f 4%.
Kabbaliſten, ihre Ausl. Philoſophie in d. Her⸗
35 f. ſ. Alphab. meneutlkk » 57.
Kritik, ihr Unterſchied Nabbinen, jüngere, ihr
von d. Hermeneut. 52 Gebrauch ⸗ 277.
ff. 209 ff. N Sad⸗
Regiſter. 306
©. S.
Sadducder 5 40. — 6,2, 96. 104 238.
Satan. . 9236. 7/19, 24. „113.
Schöpfung des Men: s Moſ 32, 2. 3. 103.
ſchen 95. 115. 192. Jeſ. 9, 6. 104.
Schutzengel + 247.] — 52. 13 ff. 3 117.
Sekten zu Korinth 176. Jerm. 51, 1. „ 131.
224.285. juͤdiſche 203 ff. Pf. 104, 19. „115.
Sinn des N. T. iſt Ei- B. d. Weish. 2, 23. 243.
ner ; 20 f. 38. <— 6, 9. 22. 18f.
Suͤndenfall ⸗ 243. .
Teſtam. neu. iſt wie ein — 7, 12. 223.
menſchl. Buch zu er — 10, 10. 224.
klaͤren - 19f. 53. — 138, 24. 101.
Teufel beim Suͤnden⸗ Sirach 25, 24. 243.
fall : 243.1 Tobias 3, 8. 131.
Theologie, juͤd., ihre Ver: — 6, 14. 131. 104.
aͤnderung im Chriſten⸗ — 15, 5, 28.
thum 221 ff. Theol. [1 Makk. 11, 89. 24.
in der Hermeneut. 57. Matth. 2, . „ 92,
Theologien bibl. 77. 5, 20. „ 106.
Tod zweiter 117 I, 107.
Trinitaͤt. 193. der Kab⸗ 8, 28 fl. 92 f.
bala. 5 139. 193. 9, 2-5. 107.
Unſterblichkeit 202. der 11, 2 fl. 245. 264.
erſten Menſchen 96. — 5. 246. 259.
Urevangelium - 255. 12, 23 f. 264.
Widerſpruͤche im N. T. 63f. — 28. 245. 247.
Wiederkunft Jeſu 31 ff. — 32. 35. 21.
b 201. 289 f. 13,50%,» 108f.
Wunder „117. 273. 15, 24.27% 188.
f 17, 10 fl. 108. 226.
Erläuterte Stellen 18, 10, 2 247.
der heil. Schrift. 19, „% #.02%
* 25 27. 3 109.
1 Moſ. 1, 16. 21. 27. N 28, 18. 35. 259.
115 . Mark. 4, 21-23. 37.
d AR:
Luk.
CCC
*
310 Regiſter.
©. S.
Luk. r, 1 f. 3. 259 f. Rom. 14, 17. 228.
W e 126. 1 Kor. 2, 6. 12 fl. 37.
6, 31 lig — 5, 5. 8. 37
— 8, 30 ff. 46. 256.1 — 7 = 285.
Nas 24, 21, 3 108. — 10, 1-4. 37
Joh. 1, 1. 22.889141 15, 12. 224,285.
— 1, 1-14 174.268. — — 26. 241.
n s 85] — — 42f. 127.
m 14. 127. 271.] — — 55. 2238.
— — 18, 85. 168.2 Kor. 3, 6, 15. 18. 37.
i e . ar 19 104. 246.
ET eee, N HP RER.
2, 10% BR C-1 25 00 BETA 22 fl. 37.
! ; Philipp. 2, 6. 7. 126.
— J, 13. 85. 271.
r 125. Koloſſ. 1, 15-17. 84
— 4, 24. 43. 288 fi.
== 5, 18. 169. 2714 h Zen 1, 16. 6 125.
— — 27 ff. . 246. — st 5 ec
7, ö. % %%% e n
0 % % . 244. 1 Theſſ. > 230ff.
— 9, 2. 3. 106. 108. — 4, 13 ff. 280 ff.
— — 28 f. 3 272. 2 Theſſ. 2, 1-12, 290.
le, 30% 3. 271. Tim. 1, 3, 4. 222.
— 11, . 2731 — 1, 15. 32. 292.
— 11, 4. 271.1 — 3, 16. 126. 292.
— 14, 6. 1941 — 4, 3ff. 292 ff.
17, 4. 271. — 4, 19. 132.
9, 164 | 227. — 6, 16. 9 84.
— 20, 22. 174. — — 20. 222, 292.
= 20, 28. 163. 271.2 Tim. 2, 17. 3 224
20, BR D 261. — 3, 8. 117.
Apoſtelg. 7, 38. „104. Tit. 1, 14. 222.
— 20% 28. 168.1 — 2, 13. 126,
— 289, ar, 127. — 3, 9. 5 22%
Röm. 1, 3 f. „ 168. Hebr. u 3. 5 84.
— 5, 12. 84. 243.1 — 1, 5-14 238 fl.
Hebr.
S. f S.
Hebr. — 7. „ 240. 1 Petr. 4, 6 237.
„„. 5, s. 300.
, Petr. 2, 4. 5. 125.
2, 104. 246. 237. 300.
Hebr. 2, 10. 17 ff. 294. . v e.. 237.
fans 242, . v. 14. 120.
24, I. 9. 12 f. 295.1 Joh. 5, 20. 169.
„ 298.1 Apokal. 5, 10. # 117,
. ⸗ 126. — 6, 8. 2235.
7, 19. 296. — 7, 3 fl. 13 f. 303.
eigen 10f, 296, II. 302.
d s „296. — 14 2. „1303.
n i — 16. 9 302.
n 5 294 f. — 19/9. „ 303.
6% 12, 295. — 20, 2. „ 2244.
13 296. — 20, 6. 14. 117.
1 Petr. 3, 19. 125. 233. f 235.
h 236. — 2, 5. 303.
*
Druck⸗
18
|
EA TI FI ELENA
3 7
Sr ck fehler.
37. Z. 3, ſt Röm. 28 l. Röm. 2, 28
65. — 6. ſt. Entſchuldigungsgrund l. Entſchei⸗
dungssrund.
68. — 12. 13. iſt zu leſen: Berührung ſtand, und
fich dieſelben oder ganz verwandte.
5. ſt. i l. find.
84. — 7. ſt. & , l. 1 Ya ö
96. — 12. fi. dieſerwegen l. dieſer wegen.
— — 19. nach „erklart“ fehlt „er“.
102. — 9. fl. 1800. l. 1800 u. 1802.
113 — 10. ſt. Jahrg. l. Jahrh.
115. — 2 ſt. Genſſis l. Geneſis. Re
121. — 8. fi. Corrdi l. Corrodi.
126. — 20. 65 Gg l. e
151. — F. v. unt. ſt olchtig l. wichtig.
161. — I. V. unt. ff. Ve ſitris l. Velitris,
190. — 2. uach 1804. ſetze a 3. Uu. 4. St. 1805.
223. — 6. fi. devdo l. eu.
224. — 10. fi. deudouumos I. Ceudννοαο.
229. 5. v. unt. ft. ausgeſtellt I. aufgeſtellt.
239. — I. v. unt. ſt. Jeſu in l. Jeſum.
267. — 2. ft bewahrt l. bewaͤhrt.
270. — a: U., 4. ſt. T He l. Täufer.
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In USA
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HIGHSMITH #45230
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BS476 .B84
Die historisch-dogmatische Auslegung des
Princeton Theological Seminar
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