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Full text of "Die hohen Schulen zu Bern in ihrer geschichtlichen Entwicklung von 1528 bis 1834"

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DIE HOHEN SCHULEN ZU BERN 



IN IHRER OESCHICHTUCHEN ENTWICKLUNO VON 1528 BIS 1834 




^ 



DftB FnunUameridotter. 



sie doch unter der strengen Disziplin eines Or- 
dens standen. Für ihre Niederlassung bedurfte 
es femer geringerer Oeldmittel als bei andern 
Orden, denn sie sorgten fitr ihren Lebensunter- 
halt selbst durch Almosensammeln. 

Wann und woher die Barf&sser, wie der 
populäre deutsche Name lautete, nach Bern 
kamen, wissen wir nicht genaue So viel ist 
sicher, dass sie von der Bürgerschaft inständig 
gebeten wurden zu kommen (instanter vocati) 
und im März 1255 ihr Konvent in Bern schon 
organisiert war; denn damals stellte der Bruder 
Härtung, Guardian der Minderbrüder in Bern, 
eine Urkunde aus und besiegelte dieselbe. Es 
ist daher nicht unmöglich, dass die Nachricht 
von Tsdiamser in der Klosterchronik von 
Thann, die Brüder seien 1251 nach Bern ge- 
kommen und hätten innerhalb vier Jahren ihr 
Ktoster vollendet, richtig ist^ Doch darf man 
nicht darauf bauen. Die Chronica de Bemo 
meldet kurz: aimo 1255 fratres minores intra- 
verunt Bemam.^ Eine Uiicunde über die Auf- 
nahme durch die Stadt ist nicht vorhanden, wie 
denn überhaupt nur höchst spärliches Material 
sowohl über das innere als das äussere Leben 
des Klosters erhalten ist Wir schliessen da- 
raus, dass die Stellung des Bemer Konventes 
weder im Orden noch in der Stadt eine her- 
vorragende war. 

Die allgemeine Ersdieinung, dass die Fran- 
ziskaner von der Pfarrgeistlichkeit als Eindring- 
linge betrachtet und bekämpft wurden, zeigte 
sich auch in Bern. Der Deutschorden madite 
als Inhaber der Parochialredite der Stadt hef- 
tige Opposition gegen seine Konkurrenten; er 
konnte aber ihre Aufnahme nicht verhindern, 
weil offenbar die Stadt selbst den nötigen Platz 
für die Gründung des Kk>sters einräumte und 
die päpstlichen Privilegien dem Orden sdion 
grosse Selbständigkeit verliehen hatten. Im In- 
teresse des friedlichen Wirkens der Minder- 
brüder musste jedoch eine Aussöhnung der 
Parteien herbeigeführt werden, wofür sich die 
Stadt eifrig bemühte. Sie gelangte am 6. Ja- 



51 



nuar 1257^ zu ihrem Ziele, indem an diesem 
Tage die Deutschherren vor dem Bisdiof von 
Lausanne den Bitten der Rite und der Ge- 
meinde von Bern willfahrten und «der fried- 
lichen und ruhigen Niederlassung der Mino- 
riten in freundlidier Weise und freiwillig ihre 
Zustimmung erteilten, aber dabei die Beding- 
ung stellten, dass ihren Parodiialrediten nidit 
auf betrügerische Weise Eintrag getan werde ». 
Der Fall wurde auch votgesehen, dass die 
Minderbrüder wieder von Bern fortziehen soll- 
ten, in weldiem Falle niemand ohne Einwilli- 
gung der Deutschherren in ihre Kirche einge- 
setzt werden dürfe. Zum Danke für dieses Ent- 
gegenkommen nahm die Stadt die DeutBch- 
herren mit allen Besitzungen in der Pfarrei Kö- 
niz in ihren Sdiirm und Verband auf und ver- 
pfliditete sich, die Rechte derselben zu wahren. 

Eine Reihe von Jahren wurde der Friede 
nicht getrübt, auch nicht als 1268 der zweite 
Mendikantenorden, die Dominikaner, sidi in 
Bern niedeiüessen. Später aber bradi Streit 
aus zwisdien den Dominikanern und den Fran- 
ziskanern einerseits und den Deutschherren 
anderseits, so dass der SdiuHheiss Ritter Jakob 
von Kienberg und der Ratsherr Konrad Vischer 
1293^ als Vermittler auftreten und den Streit 
beilegen mussten. Offenbar hatten die Deutsrfi- 
herren die Rechte der Bettehnönche beschnei- 
den wollen; derm es wurde bestimmt, dass 
diese bei den Rechten, Freiheiten und guten 
Gewohnheiten verbleiben sollten, deren sie 
während 30, 20 oder 15 oder 10 Jahren ge- 
nossen hätten, da sie in Liebe und in Frieden 
und ohne Streit mit den damaligen Leutprie- 
Stern des Deutschordens gelebt hätten. Um die 
Aufhebung der in Bern verkündeten Kirchen- 
bänne sollten sidi beide Parteien bemühen, 
über weldie Personen sie audi verhängt sein 
mochten. 

Damit war noch kein dauerndes Einverneh- 
men mit den Deutschherren hergesteUt; es 
brachen viebnehr bald wieder Zerwürfhisse 
schlimmster Art aus, wobei die Deutsdiherren 




n^ 



Das Franzislauieildoster. 



mit den schärfsten Waffen kämpften. Der Streit 
drelite sich um die sog. Br&der und Schwes- 
tern von der Busse. 

Um seinem Orden eine breitere Grundlage 
zu geben, gründete nämlich der heilige Franzis- 
kus neben dem Männerorden und dem Frauen- 
orden der Klarissen noch einen Orden für Welt- 
licfae beiderlei Geschlechts, den sogenannten 
dritten Orden oder de penitentia. Die Glieder 
dieses letztem, auch Tertiarier genannt muss- 
ten zwar eine gewisse Ordensregel befolgen, 
die ihnen Pfliditen auferlegte, aber sie brauch- 
ten den weltlichen Stand nicht aufeugeben, so 
dass sie eine treue Gemeinde im Volk draussen 
bildeten. Oft wählten sie sich allerdings auch 
eine gemeinsame Wohnung und führten ein 
klosterähnliches Leben, so besonders die Frauen 
in den Regelhäusem. In Bern bestand wenig- 
stens um 1288 schon ein solches Haus der 
Schwestern an der Brugg vor dem untern Tore, 
das bei der Belagerung der Stadt durch König 
Rudolf un genannten Jahre zerstört vnmie. 
Gegen diese Tertiarier, die den Einfluss der 
Barfüsser beim gemeinen Volke verbreiteten, 
richteten sich die Angriffe der Deutschherren. 

Aus dem vom Papste Bonifazius VIII. am 
15. Juli 1297 an den Abt von St Gallen gerich- 
teten Befehle,^ zwischen den streitenden Par- 
teien ein Urteil zu fällen, erfahren wir die Kla- 
gen der Barfüsser. Der Leutpriester von Bern, 
Bruder Trutmann vom Deutschorden, hatte sich 
nicht gescheut, den Franziskanerorden nuf frevle 
Weise zu verfolgen und die Brüder zu schmä- 
hen. Er hatte es gewagt sie in ihrer Kirche 
in schändlicher Weise vor einer Menge Volkes 
zu beschuldigen, sie seien seit 30 Jahren Be- 
trüger und Fälscher gewesen. Die Pfange- 
nossen, die die Barfüsserkirche ohne Beein- 
trächtigung der Pfarrkirdie der Andacht wegen 
zu besuchen pflegten, zwang er durch Entzug 
der Kommunion und durch Erpressung von 
Eidschwüren, nicht mehr in diese IQrdie zu 
gehen zur Anhörung des Gottesdienstes. Und 
was nodi sdilimmer war, sowohl der Leut- 




^ 



priester als auch der Landkomtiiur und ihre 
IMitbrüder hatten die Barfüsser oft mit dem 
Tode bedroht, so dass diese aus Furdit- 
nicht mehr die öffentlichen Strassen zu wan- 
deln wagten. Der Leutpriester hatte femer 
mehreren Brüdern und Schwestern von der 
Busse und andern seiner Pfarrkinder, die 
ausserhalb der österlichen Zeit von den Bar- 
füssem ohne Beeinträchtigung der Pfarrkirche 
die heilige Kommunion empfangen hatten, 
durch den Diözesanbischof verbieten lassen, 
noch weiter von einem andern als dem Leut- 
priester die Sakramente zu empfangen, und 
femer sollten diese innerhalb einer bestimmten 
Frist wegen der empfangenen Sakramente dem 
Leu^riester Genugtuung leisten. Da inzwischen 
der Leutpriester wegen seiner Sünden durdi 
den Bmder Rudolf vom Predigerorden, der 
vom Papst als Ketzerrichter für jene Gegenden 
bestellt war, kraft seines Amtes exkommuni- 
ziert und die Kirdie von Bern mit dem Inter- 
dikt belegt worden war, mieden ihn viele Per- 
sonen von der Busse. Er aber liess die Güter 
von 130 derselben durch die weltliche Gewalt 
konfiszieren und sie selbst zur Stadt hinaus- 
werfen. Weil das Vorgehen des Bischofs die 
Barfüsser und die Brüder und Schwestem von 
der Busse schwer sdiädigte und sie von ihm 
weitere Verfolgungen befürchten mussten, ap- 
pellierten sie rechtzeitig und aus rechtmässigen 
Gründen an den apostolischen Stuhl. Der Bi- 
schof verachtete diese Appellation und exkom- 
munizierte die Brüder und Schwestern von der 
Busse und dazu einige Pfarrgenossen von Bern 
wegen Verweigerung des Gehorsams gegen 
seinen Befehl, den sie doch nicht zu befolgen 
schuldig waren. 

Indem der Leu^riester jenes Vorgehen 
verschwieg und lügnerischer Weise vorgab, 
die genannten Pfangenossen hatten die Kirdie 
von Bem verlassen und von einer andem Kirche 
die Sakramente zu empfangen gewagt, und der 
Bischof hätte deswegen die Exkommunikation 
ausgesprochen, erlangte er vom Papste einen 



^ 



Dm Pfindtkanerkloster. 



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Auftrag «n den Ardiidiakon von Lausanne und 
andere Richter, jenes UrteO des Bischofs zur 
Ausführung zu bringen. Der Provinzial der Bar- 
fusser und die Brüder und Schwestern von der 
Busse baten nun den Papst um Aufhebung des 
Exkommunikationsurteils und um eine neue 
Untersuchung der Sache, was denn auch t>eides 
dem Abte von St Oallen aufgetragen wurde. 
Gegen sein Urteil sollte keine Appellation mehr 
statthaben. 

Wir kennen den Ausgang der Sache nicht 
Gewiss werden die Barfiisser wieder zu ihren 
Rechten gekommen sein ; denn erst unter dem 
nachfolgenden Papste begannen Verfolgungen 
dieser sog. Beginen und Begharden. Interessen* 
koOisionen zwischen den beiden Parteien blie- 
ben aber stetsfort möglidi, namentlidi bot das 
BegrS>nisrech^ das dem Franaskanerorden von 
den Päpsten verliehen worden war, Anlass da- 
zu. Da die Glaubigen sich für die Wahl ihrer 
letzten Ruhestitte oft an die Franziskaner wand- 
ten, und in diesem Falle der Pfarrer der ge- 
wohnten Opfer und Gefälle veriustig ging, 
musste die Eifersucht des Leutpriesters oft ge- 
nug entfacht worden sein. Doch kam der Pfarr- 
kirche gemäss päpstlichen Bullen die Quarta 
canottica, ein Viertel von den Funeralien oder 
den Opfern und Gefällen bei Begräbnissen in 
andern Kirchen zu. Im Dezember 1339 ^ erregte 
ein soldi^ Streit über die Bestattung einer 
Greda von Toffen peinliches Aufsehen. Die 
Stadfbehörden mussten sich ins Mittel legen, 
und durdi den Vizedekan wurde gestützt auf 
Zeugenaussagen der Ansprudi des Leutprie- 
sters abgewiesen, und der Leichnam wurde den 
Barffissem zur Bestattung in ihrer Kirche über- 
geben. 1342^ musste ein Streit über das Testa- 
ment des Johann von Habstetten entschieden 
werden, wobei sidi die Barfüsser zu Injurien 
gegenüber den Deutschherren hinreissen Hes- 
sen. Die erstem mussten sich zur Revokation 
im Gottesdienst in ihrer Kirche bequemen, 
schoben aber die Revokation selbst stets hinaus 
und hielten die darüber gemachte Urkunde, 



die sie neu besiegehi sollten, in doloser Weise 
zurück und ebenso die Urkunde, die sie zur 
Entrichtung der Quart an die Pfankirdie ver- 
pflichtete. VieUeicht war schon damals zwi- 
sdien den Barfüssem und den Deutschherren 
für die Quart die Entrichtung emer Aversal- 
summe vereinbart worden, die 1355^ für die 
Dominikaner auf 3 Pfund oder auf vier zu 
den vier Fronfasten fälligen Raten von 15 Seh. 
festgesetzt wurde. 

Das 1481 an Stelle der Deutschherren einge- 
setzte weltliche Choriierrenstift trat ganz in 
die Rechte der Voigänger und sudite diese 
Rechte noch zu erweitem, im folgenden Falle 
ireiUch veigeblich. Der Kustos des Stiftes be- 
klagte sich über die Prediger und die Bar^ 
fifisser, sie predigten zum Naditeil der Pfarr- 
kniche zu unerlaubten Stunden, während diese 
erklärten, sich stets an die alte Sitte gdiaUen 
zu haben. Der Bisdiof von Lausanne entsdiied 
den Streit am 29. November 1491,^ indem er 
die bisherige Uebung sanktionierte. Damadi 
durften die Mönche des Vormittags die ganze 
Advent- und Fastenzeit durch und an den Fest- 
tagen ihrer Ordens- und Kuchenpatrone, auch 
wenn diese auf einen vorbehaltenen Sonn- oder 
Festtag fielen, und femer an allen Heiligen- 
tagen predigen, mit Ausnahme von Weihnach- 
ten, Ostern, Pfingsten, AUeriieiligen, Mariae 
Lichtmess und Geburt, Dreikönigentag, Auf- 
fahrt, der Aposteltage und der Festtage der 
Kirchenpatrone der Stiftskirche. An diesen vor- 
behaltenen Tagen durften die Möndie nicht 
des Morgens vor Beendigung des Hodumites 
in der Pfarrkirche, sondern erst nachmittags 
nach Schluss des Pfarrgottesdienstes predigen. 
— Von andern Streitigkeiten haben wir keine 
Kunde. 




Als die Franziskaner nach Bern kamen, 
rddite die Stadt erst bis zum Zeitglocken- 
turme. Für die mit offenen Armen empfange- 
nen Mönche musste daher noch innerhalb der 



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Dis FfMirislaineridotter. 



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eisten Staditimwalltiiig Platz gefunden werden. 
Er bot sich für Kloster, Kirdie und Kirchhof 
in schönster nadi Süden gerichteter Lage in 
der südwestlichen Ecke der Stadt an der Ring- 
mauer. Zum guten Teile dürften die Qebäude 
aus Holz konstruiert worden sein, wie es uns 
von der Kirche ausdrücklich bezeugt ist Erst 
70 Jahre später (also 1325) wurde der Chor 
der Kirdie (in Stern) zu bauen angefangen und 
nach jahrelangem Unteibruche zu Ende ge- 
führt Erbauer war, wie uns Justinger in seiner 
Chronik meldet,^ der Weiicmeister von Bern, 
der auch den Chor in Königsfelden und den- 
jenigen zu Sadüngen schuf. Die Barfüsser tru- 
gen sich zu Ende des 14. Jahrhunderts mit 
dem Oedanken eines Neubaues von Kirdie und 
Kloster und suchten dafür einen Baufonds zu 
gründen. Die Summe von 400 Qulden, womit 
die Witwe des Ratsherrn OQian Spilmann im 
Jahre 1400* eine tag^che auf dem Fronaltar 
der Barffisserkirche zu celebrierende IVlesse 
stiftete, wurde dazu bestimmt Quardian und 
Konvent verpflichteten sidi dazu, dass das Geld 
«in unser nüwen kildien und gotzhuses ane- 
vange und buwe ze Beme bekert und nach 
dem allemutzlichosten angeleit und gewert 
solle werden». Früher als beabsichtigt war, 
musste der Neubau unternommen werden; 
denn im grossen Stadtbrande vom 14. Mai 
1405 verzehrte das Feuer auch das Barfüsser- 
kloster.^ Die allgemeine Noflage der Stadt ver- 
hinderte auch jetzt wieder einen soliden Neu- 
bau, namentlidi die Errichtung der Kirche aus 
Stein, und erlaubte nur eine notdürftige Her- 
stellung, 80 dass mit der Zeit durchgreifende 
Neubauten zur Notwendigkeit wurden. In den 
Jahren 1479—1483 wurde dieses Werk, das die 
Kräfte des kk>sters bedeutend überstieg, mit 
Hülfe der Stadt und der Qläubigen des ganzen 
Landes ausgeführt Diebold Schilling^ meldet, 
dass nadi mehr als vierjähriger Aibeit am 
30. November 1483 Kirche, Kreuzgang, «Tor- 
ment», d h. dormitorium oder der Hauptteil 
des lOosteigebäudes und alle andern Qebäude 






inwendig und auswendig ausgebaut dastanden. 
Die Stadt unterstützte den Bau durch beson- 
dere Beiträge und förderte ihn nodi wesent- 
lich dadurch, dass sie die Untertanen, die an- 
dern Gotteshäuser und die Geistlichen zur Dar- 
bringung von Gaben aufforderte. Zu diesem 
Zwecke stellte der Rat am 29. Juni 1479 und 
am 9. Oktober 1481 den Barfüssem sogenannte 
Bettelbriefe aus, worin sie für müdtätige Bei- 
steuern empfohlen wurden. Der Abt von Frie- 
nisberg musste auf Weisung des Rates 10 bis 
12 Mütt Korn als Bausteuer schicken, der Abt 
von St Urban 20 Mütt und ebensoviel der Abt 
von Trüb. Die Stadt Thun hatte 100 Mütt Kalk 
zu liefern. Dekan und Kapitel von Münsingen 
wurden auch zu einer Liebessteuer angehalten. 
Die Leute von Diesbadi ersuchte man, Bau- 
hölzer von Röthenbach nach Kiesen an die 
Aare zu führen. Noch am 27. September 1483 
wurden die Barfüsser den Simmentalem für 
Beisteuern an den Bau empfohlen. 

Die rasche und glückliche Durchführung des 
Baues war dem Baumeister Ludwig HtU>schi 
von Bern m verdanken, der denn auch in An- 
erkennung dieses Verdienstes zum Stadtwerk- 
meister bestellt wurde. Durdi Hübschi wurde 
die bis dahin nur aus Holz konstruierte Kirdie 
aus Stein aufgeführt^ 

Am 23. August 1520^ empfahl der Rat die 
Franziskaner wiederum den Untertanen zur 
Hilfeleistung, weil «in kurtz verluffnen tagen 
durch ungewitter des hageis, so über unser statt 
eigangen, das gotzhus sant Frandscusordens 
also geschädiget und sunst ouch an etlidien 
andern orten desselben gotzhus ein buw vor- 
handen zu bessern und zu machen notwendig», 
dass fremde Hülfe angerufen werden müsse. 
Der «Predikant» des Kk>sters, Herr Johannes 
Tämpfli, wurde zum Aufnehmen der Almosen 
ausgesandt und zu diesem Zwecke vom Rate 
dringend empfohlen. 

Als der Franziskaner Konvent in Bern ge- 
gründet wurde, war das ursprüngliche Verbot 




^ 



Dts ftanztslametldotter. 




^ 



der vollkommenen Armut längst aufgegeben; 
denn sobald feste Niederlassungen entstanden, 
war zu ihrer Erhaltung Qeld und Out nötig. 
Das strömte aus den Kreisen der Olaubigen 
zusammen, die sich der Gnaden und Tröstun- 
gen der Kirche teilhaftig machen wollten. So 
erhielt das Kloster reiche Veiigabungen durch 
die Stiftungen von Jahrzeiten und Messen und 
indem sich seine Anhänger das Recht erwar- 
ben, beim Kloster oder in der Kirche selbst 
begraben zu werden. Andere Oaben flössen für 
die Aussdunfidcung der Kirdie und für die 
Anschaffung von Kiichenzieraten. Auf diese 
Weise mehrte sich der Besitz des Klosters ste- 
tig und breitete sich in verschiedenen Landes- 
gegenden aus. Freilich haben wü- nur von den 
wenigsten Vergabungen Kunde, weil nur we- 
nige Urkunden als Besitztitel für ehemalige 
Kk>stergüter noch nach der Reformation er- 
halten blieben. 

Schon vor dem Jahre 1308 bestand in Thun 
eine Herberge und ein Schaffner der Barfflsser 
von Bern. Die Herberge Mrurde 1308 ^ an den 
Vikar Rudolf in Steffisburg veräussert; doch 
besassen vielleicht die Bemer Barfusser später 
nodi ein Hospitium in Thun, das zeitweise 
von Brüdern besetzt war. Wenigstens wurde 
1346' offenbar BarfQssem in Thun ein Zins 
veigabt, aber 1385 wird ein BarfQsserbruder, 
Arnold Pfister von Hasle nur als Erbe eines 
Weinbergs in Thun genannt' Aus Irrtum wurde 
aus diesen Stellen auf eine besondere Nieder- 
lassung der Franziskaner in Thun geschlossen.* 

Junker Wilhekn von Burgistein stiftete sidi 
1360 bei den Barf&ssem eine Jahrzei^ Junker 
Hemrich von Resti tat dies ffinf Tage nachher.^ 
Anna Seiler, die Gründerin des Seilerinspitals, 
schenkte 1360 ihre Öflter zu Lohnstorf, Ubich 
von Buch 1382 Einkünfte zu Wentschatzwil bei 
StetÜen, der Kirchherr Wemher Stettier eine 
halbe Schuppose zu Trimstein 1388, Verena von 
Seedorf Güter zu Ersigen 1393, und von Johann 
Lisser von Biel vaude eüie Komrente in Lyss 
1395 vergabt* In mehreren Generationen bis 



zum Aussterben des Geschlechts war die Fa- 
milie von Seftigen Guttäterin der Minoriten. 
Für die Jahrzeit des letzten Sprossen des Jun- 
kers Anton von Seftigen schenkte dessen Erbe 
Franz von Schamachtal 1420^ dem Kk>ster 
einen Teil der Herrschaftsrechte auf dem Belp- 
berg und femer einen Vierteil von Twing und 
Bann zu Stodcen, von welchen Rechten jedoch 
das erste schon 1425, das andere 1472 wieder 
veräussert wurde. Die verschiedenen übrigen 
Vergabungen der Familienglieder, die auf dem 
Sässhaus in Bem lasteten, wies Agnes von Sef- 
tigen 1421 9 auf Güter in Amsoldingen, Pohlem 
und Uebeschi an, wo das Kloster sdion aus 
Schenkungen von Schwestern von Lindnadi be- 
gütert war. Dazu kauften die Barfusser im 
gleichen Jahre aus der reichen Vergabung des 
Geryo Adibermann, die 350 rheinische Gul- 
den betrug, die Hälfte der Herrschaftsrechte 
von Uebeschi und viele Güter daselbst Dazu 
stand eben damals auch der Anfall von Gutem 
in Uebesdii von der Witwe des Peter Rubin 
bevor, so dass der dortige Besitz des Klosters, 
zu dem auch die Bachalp und die Aelpitalalp 
(Elbental^) am Stockhom gehörten, wertvoll 
und abgerundet war. In Uebeschi war ein be- 
sonderer Schafher eingesetzt zum Bezug der 
Einkünfte. 

1520 erwarben sich Guardian und Konvent 
einen grossen Besitz an Weinbergen und Wein- 
renten bei Neuenstadt durch Kauf von Junker 
Christoffel von Diesbach. Die Weinberge 
stammten aus dem Erbe der Ringoltinger her, 
waren aber so mit Schulden überladen, dass 
die Barfusser durch Uebemahme derselben 
(2000 Gulden) Eigentümer vmrden.^^' 

Der Seckehneister Peter von Wabem stiftete 
in der Franziskaneridrche eine ewige Messe 
und ein ewiges Licht, die der Enkel Ritter 
Peter von Wabem 1400 noch mit einer Rente 
von 30 Gulden dotierte. Offenbar hatten die 
Wabem eine besondere Kapelle in der Kirche ; 
denn der genannte Peter, Schultiieiss der Stadt, 
liess durch den Maler Diebold Hett eine Ka- 




Ifl 



Dia Frmzbkaiieridoster. 



» 



pelle zu den Barfussern bemalen und bekam 
vftg^n der Bezahlung mit ihm Differenzen. Er 
musste jedoch laut Urteil die restierenden 50 
Pfund der mit den Kosten auf 120 Pfund ge* 
schätzten Arbeit noch in zwei Raten entrichten.^ 

Fernere Quttater waren Henmann Thiiring 
1426, Peter Matter, Frau Barbara von Eriach 
geb. vom Stein, 1467, die bei sich zu Hause 
«den Barfuss Herrn Hans Bene» als Kaplan 
hielt, Mafgret Brfiggler 1520 etc.^ Rudolf von 
Lindnach sorgte 1344 durch die Vergabung 
einer Rente daffir, dass die Minderbrüder an 
den Fronfasten genügend Wein und Fische auf 
ihren Tisch bekamen. Ebenso bestimmte Jo- 
hannes von Seedorf 1349 eine Rente von vier 
Mütt Dinkel dafür, dass die Brüder «gut wm, 
fleisch und fisch» auf ihren Tisch eiiiielten.^ 
Bernhard Süriand, dessen Vorfahren bei den 
Barfussern ruhten, verordnete diesen 1499 eine 
Rente von 6 Säumen Wein.^ 4 Saume hatte 
Jakob vom Stein vergabt, die der Sohn Kaspar 
und der Enkel Jakob jähriich entrichteten.^ 

In und bei der Kirche wurden im Laufe der 
Zeit versdiiedene AHare und Kapellen gestiftet, 
wovon wir noch folgende zu konstatieren im- 
stande sind Frau Aima Seiler errichtete nach 
der Verordnung ihres Vaters Peter ab Berg 
1348 eine Kapelle von 20 Fuss Lange und 14 
Fuss Breite neben dem Chor und weihte sie 
den Heiligen Katharina und Ursula und den 
andern 11000 Jungfrauen. Auf dem Altar der 
Alma Seiler sollte täglich eine Messe gelesen 
werden; aber vor diesem Altar befand sich 
noch ein zweiter, der dem Kloster gehörte. 
Oegen die Aufhebung oder Veränderung von 
Altar und K^)elle schützte sich Anna Seiler 
durch das Versprechen der Barfüsser, in die- 
sem Falle mit Enthaltung vom Weine zu büssen, 
absque vino et vini potu zu bleiben.^ 

Wahrscheinlich wurde infolge des grossen 
Brandes von 1405 eine Veränderung an diesen 
zwei vorgenannten Altaren vorgenommen ; we- 
nigstens lesen vnr in einer Urkunde von 1413, 
dass die Messe der Anna Seiler auf dem Al- 




tar des heiligen Franziskus gestiftet sei, und 
ebendamals verpflichteten sich die Barfüsser, 
eine von Nikiaus Käsli nach dem Willen seiner 
verstorbenen Frau Agnes Eyer gestiftete Messe 
auf eben diesem Altare taglich und zwar vor 
der Messe der Seilerin zu halten.'^ 

Von einem Altare, der auf der Schwelle am 
Eingange in den Chor und zwar auf der rech- 
ten Seite stand, meldet uns eine Urkunde von 
1411. Er war Johaimes dem Täufer, dem heili- 
gen Laurenz und allen Märtyrern geweiht, und 
auf ihm erklärten die Barfüsser die von Peter 
Rubi, Bürger zu Thun, gestiftete tägliche Messe 
lesen zu wollen.^ 

Wahrscheinlich besass auch die Familie von 
Sdiamachtal einen AUar in der Kirche. Meh- 
rere ihrer Glieder fanden dort ihre letzte Ruhe- 
stätte. So wählte sich Kaspar von Schamachtal, 
Herr zu Brandis, mit seiner Qemahlin Perre- 
neta von Villarsel 1472 ihr Grab bei den Bar- 
fussern, um «bi andern unsem vordem ze ra- 
wen ».^ Audi Frau Barbara von Eriach geb. von 
Schamachtal wollte dort bei ihren Kindem und 
andem Verwandten liegen und bestimmte, dass 
die Barfüsser nach ihrem Tode bis zum Dreis- 
sigsten täglich zwei Messen «uf unserm altar» 
halten soUten.^^ Die Beisetzung des Ritters 
Hans Rudolf von Scharaachtal, Schultheissen 
der Stadt, am 6. Juni 1513 meldet uns die 
Chronik des Valerius Anshelm. Schamachtal 
war auf einer Gesandtschaft zum Herzog von 
Savoien in Genf plötzlidi gestorben. Sein Leich- 
nam wurde mit grossem savoyiscfaen Ehrenge- 
leite nach Bem gebradit und vom Stadttor an 
in Prozession in die Barfüsserkirche geleitet 
und daselbst in der Familiengmft bestattet^^ 
Dem Beispiele der Vorfahren folgend hatte 
Schamachtel in seinem Testament dem Kloster 
100 Gulden vergabt und femer bestimmt, dass 
zwei sdiwarze Leviteru-öcke und ein Messrock 
mit dem Schilde des Donators und demjenigen 
seiner Gemahlin gemacht werden sollten.^' Wir 
führen noch an, dass der Venner Peter Simon 
drei Gräber bei den Barfüssem hatte,^^ und der 



^ 



Du Franzislcanerldotter. 



51 



Venner Kaspar Wyler 1517 in der Jahreszeitstif- 
tting auch sein Qrab bei den Franziskanern zn 
schmücken befahl^ 

Nicht dem frommen Sinne der Qlaubigen, 
sondern eher dem Eifer des Konventes selbst 
scheint die Kapelle des heiligen Bemhardinus» 
eines Franziskaners von der strengem Rich- 
tung des Ordens, der 1444 starb, ihren Ur- 
sprung verdankt zu haben. Die Kapelle wurde 
kurz nach diesem genannt, obschon sie in erster 
Linie der IMaria, in zweiter den Heiligen Bem- 
hardinus, Hilarius und Küryn = Quirinus ge- 
weiht war. Auf dem Altare dieser Kapelle stif- 
teten im Jahre 1464^ Glieder der Oesellschaft 
zu Schuhmachern, nämlich der Qrossweibel 
Imer Qrafhans und Qilian Aeschler und ihre 
Frauen und' mit ihnen die Witwe Heminy 
Hüninger eine täglich durch die BarfQsser zu 
celebrierende Messe. Die Stifter befolgten da- 
mit das Beispiel, das ihnen eben damals in den 
zahlreichen Altar- und Messestiftungen in der 
St Vincenzenkirche gegeben wurde. Nur hat- 
ten sie es hier etwas bequemer, da kein be- 
sonderer Kaplan zu besolden war. Die Bar- 
fQsser verpflichteten sich, gegen Empfang der 
Stiftungssumme von 400 Pfund die Messe re- 
gelmässig zu lesen und den Altar mit Altar- 
tüchem, Messgewand, Kelch und MessbQchem 
zu versehen. Die Aufsicht über die Stiftung 
wurde in der Folge der Handwerksgesellschaft 
der Schuhmacher übergeben, so dass diese 
gleidi alle ihre Stubengenossen der aus dem 
Oottesdienste erwachsenden Gnaden teilhaftig 
machte, sie in eine Bruderschaft organisierte 
und den Altar den Patronen des Handwerks, 
den Heiligen Crispin und Crispinian widmete. 
An der Stiftungssumme der 400 Pfund waren 
bis 1494 erst 300 bezahlt, aber auch für die 
stiftungsgemässe Verwendung dieser 300 Pfund 
wollten die Schuhmacher Sicherheit haben und 
Hessen sich dieselbe auf den Gütern des Klo- 
sters in Uebeschi leisten.^ Den Altar be- 
dachte 1483 Margret Eyers mit einer Rente von 
einem Pfund und mit der Dotierung eines 



ewigen Nachflidites vor demselben,^ und 1402 
sorgte Eis Schilt dadurdi für ihr Seelenheil, 
dass sie zwei neue wöchentliche Messen auf 
dem Altare zu lesen verordnete.^ Nikbuis 
Meyenberg sidierte sich 1486 die Begehung 
seiner Jahrzeit in besonders soletmer Weise 
am Tage der HeUigen Crispin und Crispuiian.^ 

Viel langer dauerte esj bis die Gesellsdiaft 
der Weber eine regehnässige dauernde Messe 
gestiftet und ihre Genossen in eine Bruder- 
schaft vereinigt hatte. Am Festtage ihres Hand- 
werkspatrons liess die Gesellschaft in der Leut- 
Idrche einen Gottesdienst abhalten, dem eine 
Mahlzeit folgte, aber zu weiteren Leistungen 
waren die Geldmittel vorderhand nicht aubu- 
bringen. Bei Anlass eines solchen Festgottes- 
dienstes eridärte sich der Zunftgenosse Nikiaus 
Bütschbach bereit, an die Errichtung eines Al- 
tars oder einer Messe 100 Pfund zu schenken 
und Rudi Jucher und seine Frau gaben gleich 
zu diesem Zwecke einen silbernen Becher her, 
damit er zu einem Kelche umgewandelt würde. 
Da die Ausführung des Vorhabens unterblieb, 
verfügte Bütschbach in semer letzten Willens- 
verordnung zu andern frommen Zwecken ; aber 
auf Klage der Gesellschaft der Weber hielt der 
Rat durch Urteil das Sdienkungsversprechen 
des Verstorbenen aufrecht, so dass die 100 
Pfund der Grundstock für Messe und AHar 
der Weber wurden.^ Waim diese wirklidi er- 
richtet wurden, ist uns nicht überliefert; nur 
zufallig wird uns eiiunal, 1522, die Bruder- 
schaft der Weber bei den Barfüssem genannt^ 

Das fahrende Volk der Spielleute hatte be- 
sondere Ursache, sich zu einer Bruderschaft zu- 
sammenzusdiUessen und an einem bestimmten 
Orte für das Seelenheil seiner Genossen zu 
sorgen. Wir wissen aber nicht, warm die Spiel- 
leute des bemisdien Gebietes unter einem be- 
sondem Pfeiferkönig und in einer Bruderschaft 
organisiert wurden, noch wissen wir, ob diese 
Bruderschaft gleich von Anfang an ihren Gottes- 
dienst in der Franziskanerkirdie abhalten liess. 
1498 beklagten sich König und Statthalter der 




m&^m^B^m^^^^^^ 



S%1> 




m^m^^mämm.' 






DECKENFRIESE 
AUS DEM ERDGESCMOSS-GANG DES ALTEN KLOSTERS 




Das Franziskanerkloster. 





Brudersdiaft beim Rate von Bern über einige 
Spielleute der berniscfaen Lande, die in die 
Bruderschaft gehörten, aber weder Aufnahme- 
noch Bruderschaftsgeld noch Jahropfer entrich- 
teten, so dass die Anfertigung der beschlosse- 
nen Altartafel in der Barffisserkirche und an- 
derer notwendigen « Oezierden » verzögert wür- 
den. Die hierauf den bemischen Amtleuten er- 
teilte Weisung, beim Einsammeln des Geldes 
wenn nötig ihre Hülfe zu bieten, dürfte den er- 
wünschten Erfolg gehabt haben.^ Innere Ver- 
hältnisse regelte die im Jahre 1507 vom Rat 
erteilte Ordnung, worin die Stadtpfeifer ver- 
pflichtet wurden, der Bruderschaft beizutreten 
und das Wachsopfer und die Oeldauflagen zu 
entrichten. Femer wurden darin einige Miss- 
bräuche abgestellt, die. Wahl eines Pfeiferkö- 
nigs aus den Stadtpfeifem und zweier Schaffher 
unter Aufsicht des Orossweibels genehmigt und 
die päpstlichen und kaiserlichen Privilegien der 
^ielleute im übrigen bestätigt^ 

Eine viel bedeutendere Gründung als diese 
kleineren Bmderschaften war diejenige der 
Bruderschaft zu Ehren «des Himmelsfürsten 
und Zwölfboten St. Jakob» im Jahre 1501. Sie 
verdankte ihre Entstehung der privaten Initia- 
tive von Bürgern von Bern, denen auch der 
Rat seine Mithülfe insofem angedeihen liess, 
als er am 20. März 1501 beim Bischof von 
Lausanne um die Bewilligung nachsuchte^ und 
dann am 24. August 1501 dem zum Werben von 
Mitgliedern Ausgesandten ein Attest mitgab.* 
Vom Bischöfe war offenbar der Bmderschaft 
ein Ablass gewährt worden ; aber « eine päpst- 
liche vollkommene Indulgenz» wurde für nö- 
tig' erachtet, um die Bmderschaft gross und 
kräftig werden zu lassen. Da der Altar in der 
Barfüsserkirdie errichtet war, suchte man die 
Unterstützung des Barfüsserordens in Rom zu 
erlangen. Auch hiebei bemühte sich der Rat, 
indem er nach einem ersten Schreiben am 
24. April 1504 wieder beim Barfüsser-Provinzial 
zu Händen des Provinzialkapitels intervenierte.^ 
Der Zweck wurde jedoch erst im Jahre 1512 



erreicht Am 15. April 1506^ kam zwischen 
der Bmderschaft und den Barfüssem in Gegen- 
wart des Provinzials der oberdeutschen Lande 
ein Vertrag zu stände, worin erstere verspra- 
chen, dem Kloster 800 Pfund in acht Jahres- 
raten zu bezahlen, letztere sich verpflichteten, 
dafür täglich auf dem Altar der Bmderschaft 
eine Messe zu halten und alle Mitglieder der 
Bmderschaft als Brüder und Schwestern des 
St Franziskusordens anzunehmen und sie aller 
Guttaten des Ordens der oberdeutschen Pro- 
vinz teilhaftig zu machen. Genaue Bestimmun- 
gen regelten den Anteil des Klosters an den 
Geldopfem und Kerzen, die auf den Altar fie- 
len, femer die Abhaltung der Totenmessen für 
die Verstorbenen und der allgemeinen Jahrzeit 
Wie ein erhaltener Rodel ausweist, zählte die 
Bmderschaft bald über 400 Mitglieder^ und er- 
starkte so, dass sie um 1521 eine neue Kapelle 
für ihren Altar bauen liess. 

1522 versetzte die Gesellschaft der Rebleute 
ihren Altar, der dem heiligen Urban, dem Be- 
schützer der Rebe, gewidmet war, infolge von 
Zwistigkeiten mit den Antoniera aus der An- 
tonierkapelle an der Postgasse in die Franzis- 
kanerkirche. Sie erhielten vier Gräber vor dem 
Altar ohne Entgelt, hatten jährlich 7 Pfund an 
das Kloster zu entrichten, wofür dieses wöch- 
entlich eine Messe auf dem Altar zu lesen und 
am StUrbanstage ein Seelenamt abzuhalten 
hatte.8 

Nirgends ist uns mit direkten V(^orten über- 
liefert, wem der Hauptaltar der Kirche geweiht 
war; doch müssen wir es indirekt dem Be- 
schlüsse entnehmen, den der Rat am 27. Juni 
1468 während des Kriegszuges in den Sundgau 
fasste. Er befahl nämlich, «al fritag mit der 
procession in der lütkilchen zu singen de sancto 
Vincenzio, zun barfüssen de sancta trinitate, 
zu den predigera de beata virgine, zu dem 
obern spital de sancto spiritu». Da nun die 
Leutkirche dem heiligten Vincenz und die Pre- 
digerkirche der Maria geweiht war und der 
Titel der Spitalkirche zum Heiligen Geist lau- 




ü^ 



Das Fratiziskaneridoster. 



tete, so wurde also zur Prozession ein Qesang 
vom Kirdienpatron oder vom Titel der betref- 
fenden Kirche anbefohlen. Mit grösster Wahr- 
scheinlichkeit dürfen wir darauf schliessen, dass 
auch in der Barfüsserkirche ein Gesang vom 
Titulus dieser Kirche vorgeschrieben war, und 
also der Hauptaltar bei den Barfüssem und 
damit die Kirche der Dreifaltigkeit geweiht 
waren.^ 

Ueber den Friedhof des Klosters, der sich 
auf der nördlichen Seite des Gebäudes befand 
und bis 1789 als Begräbnisplatz erhalten blieb, 
haben wir nur zwei Nachrichten, und doch wird 
die Pietät der Bemer gewiss auch ihn mit 
Kreuzen, Bildstöcken, Kapellen etc. geschmückt 
haben. Wir wissen, dass 1352 Peter von Krat- 
tingen ein ewiges Nachtlicht auf dem Kirchhofe 
und vor dem Lichte ein Gemälde stiftete, das 
mit einem Dache versehen war, also einen gros- 
sem beleuchteten Bildstock.^ Aus dem Jahre 
1521 hören wir von einer neuen Kapelle des 
Venners Baumgartner im Beinhause der Bar- 
füsser. Eben in dieser Kapelle und in der da- 
mals im Bau begriffenen neuen Kapelle der 
St Jakobs-Bruderschaft stiftete im genannten 
Jahre Nikiaus Isenbach zwei wöchentliche Mes- 
sen.3 Nicht auf dem Friedhofe, sondern bei 
seinen Gräbern in der Kirche verordnete 1502 
der Ratsherr Peter Heriswand ein ewiges Licht 
und femer eine ewige Messe.^ 

Es bleibt uns nur noch zu erwähnen übrig, 
dass 147Q Galterius de Villario sein Grab bei 
den Barfüssem wählte und dafür die Erstel- 
lung eines Glasfensters im Chore der Kirche 
befahl. Damnter ist doch wohl ein gemaltes 
Fenster zu verstehen.^ 

Aus all diesen Stiftungen ersehen wir, dass 
die Kirche wohl ausgerüstet war, sich in stei- 
gendem Masse der Gunst der Bemer erfreute 
und eine nicht unbedeutende Stellung im reli- 
giösen Leben der Stadt einnahm. 

Ueber das innere Leben im Bemer Kon- 
vente sind wir wie über seine äussem Verhält- 



51 



nisse nur sehr mangelhaft unterrichtet Wir 
wissen nicht, inwieweit auch die Bemer Mino- 
riten Anteil an der mystischen Bewegung des 
14. Jahrhunderts hatten und in welchem Masse 
die Bestrebungen, eine strengere Observanz 
der Ordensregel einzuführen, auch sie beschäf- 
tigt und beunruhigt hat Die Vorgänge im 
nahen Basel, wo die Anhänger der Observanz 
über die sogenannten Konventualen siegten 
(1440), eine Reformation des Klosters durch- 
führten und dem Gebote der Armut grössere 
Nachachtung verschaffend die Klostergüter dem 
Rate der Stadt übergaben,^ mussten die Frage 
der Reformierung auch in Bem aufrollen, und 
dies um so eher, als hier offenbar eine freiere 
Auffassung der Ordensregel herrschte, spe- 
ziell das Gebot der Armut nicht strikte auf 
den Einzelnen angewandt wurde. Im Jahre 
1450 nahm Uelli Paternoster, der eine auf der 
Stadt Freibuig i. B. lastende Rente von 10 
rheinischen Gulden vergabte, auf den Fall Be- 
dacht, dass das Bemer Ktoster auch reformiert 
würde, « also dass si den orden halten und alle 
ding gemein syen, daz ir deheiner nützit eigens 
hätt)». In diesem Falle sollte die Rente dem 
ganzen Konvente für die Verbessemng der 
Mahlzeiten und anderes zukommen ; im andem 
Falle waren für den Konvent nur 5 Gulden 
bestimmt, und die übrigen 5 waren unter die 
die Jahrzeit des Testators feiemden Priester, 
Novizen und Schüler zu gleichen Teilen zu ver- 
teilen.'^ Wenn auch der Bemer Konvent den 
sogenannten Konventualen erhalten blieb und 
nicht zu den Observanten übertrat, so beschäf- 
tigte sich der Rat doch mit einer Reformierung 
des Klosters. Am 5. April 1466 erhielt eine 
Ratskommission von 6 Mitgliedem den Auf- 
trag, «darüber ze sitzen und sich ze underreden 
von der Barfüssen wegen ein reformation ze 
tunde».^ Das Resultat dieser Verhandlungen 
kennen wir nicht; der Rat beschränkte sich 
wohl darauf, ein Aufsichtsrecht über die Ver- 
waltung des Klosters zu beanspmchen und 
über dasselbe ein Ratsglied als Vogt zu setzen. 




« 



Das Franzisicanerkloster. 



» 



1471—1474 tritt Ritter Nikiaus von Scharnach- 
tal, alt-Schultheiss, in Verträgen des Klosters 
über Vermögensverhandlungen als dessen Vogt 
auf; 1479, 81 und 92 ist Bendicht Tschachtlan 
als Vogt genannt, 1486 Dietrich Hüpschi, 1502 
Schultheiss Rudolf von Erlach, 1517—1522 Jun- 
ker Hans von Erlach, 1527 Junker Barthlome 
May.^ Der Rat liess sich auch oft die Rech- 
nung durch den Ouardian oder den Sdiaffher 
vorlegen, so 1490, wo 1672 Pfd. und 4 Pf . an 
Einnahmen und 1786 Pfd., 7 Seh. und 8 Pf . an 
Ausgaben und ein Guthaben des Quardians 
Joh. Küng gegenüber dem Kloster im Betrage 
von 109 Pfd., 3 Seh. und 4 Pf. konstatiert wur- 
den.^ Die Rechnung voirde gelobt 1495, 1505 
und 1507,3 und zwar teilte der Rat dem Pro- 
vinzial 1505 mit, «dass wir als schirmer und 
ufseher des gotzhuses daran gut benügen ha- 
ben und uns ouch wil bedunken, desselben 
Sachen in gutem stand und wäsen sin». 1507 
bezeugte der Rat über die Amtsverwaltung des 
Schaffners, «dass wir des gotzhuses nutz da- 
mit gefürdert sin gespürt», aber der Ouardian 
Joh. Hassler hatte eine Einnahme von 12 Pfd. 
verheimlicht und konnte nachher die Verwen- 
dung des Geldes nicht mehr nachweisen. 1513 
wurde Ersetzung des Guardians verlangt, weil 
der Rat aus der Rechnung nicht fand, «dass 
wol und nützlich husgehalten worden; dann 
es stat eine erbare geltschuld zu bezalen vor- 
handen und erzeigt sich sonst allerlei mangel 
und abgang».^ 

Der Rat dehnte seine Aufsicht auch auf das 
kirchliche Leben im Konvente aus, auf die Auf- 
führung und die Leistungen der einzelnen Kon- 
venti>rüder und verwendete sich öfter beim 
Provinzial für die Versetzung oder die Nicht- 
versetzung einzelner. Im Franziskanerorden be- 
stand nämlich keine stabilitas loci, kein Ge- 
bundensein der Brüder an ein bestimmtes Klo- 
ster, sondern es fand ein steter Wechsel der 
Konventglieder innerhalb der Provinz gemäss 
den Entscheidungen des Provinzialkapitels statt. 

Am meisten hielt der Rat darauf, dass die 



Stelle des Lesemeisters oder Lektors, wofür 
auch die Bezeichnungen Predikant und Pre- 
diger vorkommen, gut besetzt war, nämlich so, 
«dass es dem orden und dem kloster löblich 
und uns nutzlich und tröstlich sin möchte».^ 
Oft war daher die Lektorstelle der Gegenstand 
der bernischen Schreiben an den Provinzial. 
1467 bedauerte der Rat, dass ein gelehrter Prä- 
dikant, der lange Zeit in Bern gewesen war, 
durch ebien andern ersetzt wurde und letzterer 
auch wieder abberufen wurde. Der Provinzial 
wurde daher ernstlich gebeten, einen «gelerten 
und wisen und 1er mittönigen und nachvölgigen 
lässmeister und predikanten» zu schicken.* 
1478 lautete das Lob des Predikanten also: «er 
hat truwlich zugewachet und hat keine miss- 
helligkeit noch andere untougliche gebrüche 
ufkommen lassen », weshalb man diesen Lektor 
gerne behalte.*^ Von t>esonderem Eifer war 
Bruder Jakob Damp, von dem der Chronist 
Diebold Schilling meldet, dass er, « gar ein wol- 
gelerter junger Mann», 1481 bei der Veikündi- 
gung des grossen Ablasses der Johanniter vom 
31. März bis zum 29. April im Münster dem ge- 
meinen Volke, Weltlichen und Geisflichen zu 
grossem Wohlgefallen gepredigt habe. Auch 
zur Förderung des Kirchenbaues seines Klo* 
sters trugen Damps Predigten nicht wenig bei.^ 
Auch der Rat spendete ihm Lob in einem Schrei- 
ben an das Provinzialkapitel in Schlettstadt : 
das Kloster in Bern sei mit einem Lesemeister, 
dem wolgelehrten Bruder Jakob Tammen, gut 
versehen, so dass «sin 1er uns und unser gan- 
tzen gemeind empfenklich heilsam und tröst- 
lich ist». Seine Versetzung könnte man nicht 
(( erdulden ». Auch Bruder Rudolf Kartenmacher 
sei wegen seiner Kenntnis der welschen Spra- 
che jetzt in Bern sehr nötig, weil eben viele 
«Walchen» in der Stadt seien, die in der Krank- 
heit und sonst der geistlichen Tröstung bedürf- 
tig seien.d Vielleicht betraf es trotz dieser In- 
terzession einen andern Lesemeister, als sich 
1485 der Rat für das Verbleiben eines solchen 
mit den Worten verwendete: «wir haben be- 




Hl 



Das Fnnziskanerkloster. 



» 



sundere Neigung, bi uns sölich verrümpt lüt zu 
wüsseni die das götlich wort mit Vernunft und 
guter gründung mögen usrüffen»; der gegen- 
wärtige Lesmeister sei aber fruchtbar und gut, 
man möge ihn daher hier lassen und ihm be- 
fehlen, «wie bisher ernstliche üebung in be- 
leitung göttlichen wortes anzukeren».^ Die 
Klagen über den Lesemeister des Jahres 1493 
sollte der Bote dem Provinzial mündlich mit- 
teilen; im Schreiben war nur über das «un- 
ordentliche wesen» desselben geklagt, er sei 
«fast (= sehr) zu unruwen geneigt» und solle 
durch einen ersetzt werden, «der dann mit 
kunst und gottesvorcht für (== vor) ander 
begäbet ist».^ Oanz schlimm trieb es jedoch 
ein Lesemeister im Jahre 1495; sein unordent- 
liches Wesen, schrieb der Rat, sei nicht nur 
dem Orden, sondern auch aller Erbarkeit un- 
gemäss und widerwertig.^ Gewiss wurde die 
sofortige Ersetzung ohne weiteres gewährt 
Ein neuer Lesemeister wurde verlangt 1504, 
ebenso 1513; dagegen wurde der Lesemeister 
gelobt 1506, 1507, 1518 und 1523> 

Die Wichtigkeit des Lesemeisteramtes zeigt 
sich auch in der Fürsorge, die ihm Frau Ur- 
sula Zurkinden, Witwe des Lienhard Schaller, 
noch 1525 zu teil werden liess. Sie schenkte 
nämlich dem Kloster 600 Pfd. und bestimmte 
die Zinsen, 12 Pfd., für den Predikanten zu 
seinem Lohne der Predikatur.^ 

Ueber «das unordentliche wäsen» eines 
Quardians und eines Bruders Jörg musste 1490 
geklagt werden, «besunders das sie in vier 
oder dry jaren ungeverlichen ungebicht be- 
liben und also der Ordnung der heiigen chri- 
stenlichen kirchen, die zum minsten järige bicht 
ervordert, widerwertig gewesen, was uns billig 
zu herzen gat». Die Nichtversetzung müsste 
dem Kloster and dem Orden zum Schaden ge- 
reichen.^ Mit dem Guardian und dem Lese- 
meister war 1513 auch der Vizeguardian zu 
ersetzen, weil man bei ihm «allerlei liecht- 
vertigkeit» begegne. 1511 bedauerte der Rat 
sehr, dass der neugeordnete Guardian, der als 






Stadtkind und wegen seines guten «Wesens 
und Wandels» geachtet und wohlgelitten war, 
wegen eines Missverständnisses mit dem Schaff- 
ner plötzlich ohne Urlaub wegging.^ Mehrmals 
drang der Rat darauf, dass bemische Landes- 
kinder in das Kfoster nach Bern versetzt wür- 
den. So wünschte er 1493, dass die Brüder 
Heinrich Sibentakr, Heinrich Schürisen, Lien- 
hard von Mülhusen und Jakob Spangler in 
Bern blieben.® Als Bruder Lienhard doch ver- 
setzt war, wurde er 1500 zuerst durch den alt- 
Schultheissen Rudolf von Erlach, dann durdi 
den Rat wieder hergebeten.^ 1504 sollte er als 
Quaestk>nierer oder Almosensammler wieder 
herkommen, da «er den unsem uf dem land 
bekannt und angenäm ist».^^ 1505 wurde wie- 
der dem Provmzial empfohlen, «fürer unsers 
landes inerbome dann die frömden usslendigen» 
hieher zu verordnen.^^ 

Die ordenfliche Zahl der Priester ergibt sich 
aus dem Steuerbudie der Stadt von 1448, wo 
6 Priester, 5 Schüler, ein weltlicher Schaffner 
und zwei Diener als Insassen und Bewohner 
des Klosters verzeichnet sind. Diese Zahl der 
Priester blieb offenbar bis zu Ende des 15. 
Jahrhunderts unverändert; denn bei der Rech- 
nunsgablage des Quardians Küng am 28. Ok- 
tober 1490, wo Küng mit fünf andern Prie- 
stern vor dem Rate erschien, war offenbar der 
ganze Konvent anwesend.^^ Dieselbe Zahl er- 
gibt sich aus der Testamentsbestimmung des 
Glasmalers Urs Werder von 1491, die aus 
einer Rente von 5 Pfd. jedem Priester 13 Seh., 
also 6 Priestern 78 Sdi. und je 7 Seh. den Schü- 
lern oder 3 Schülern 21 Seh., zusammen 99 Seh. 
zuwies.^^ Die Vermehrung des Gottesdienstes 
infolge der Messe- und Altarstiftungen machte 
jedoch auch eine Vermehrung der Priester not- 
wendig. 1511 rügte der Rat, dass Guardian, 
Lesemeister und einige Priester fehlten und 
deren nur noch sechs vorhanden seien; aber 
wahrscheinlich war dieser Mangel am 16. April 
1512 noch nicht ganz gedeckt, als der Rat dem 
Provinzial schrieb, dass mit Einschluss des 




tl^ 



Dm Fniudslouieridotter. 




Herrn Schärisen zehn Priester und femer ein 
Epistier und ein Evangelier (d. h. ein Subdiaoon 
und ein Diaoon) und vier Knaben (oder Scho- 
laren) im Kloster zu halten seien.^ 

Von den Minoriten, die in Bern gewirkt 
haben und deren Namen wir kennen, bean- 
spruchen nur drei ein besonderes Interesse, 
nämlich Johannes Pauli, Dr. Thomas Mumer 
und Dr. Sebastian Meyer. Der erste, der Ver- 
fasser des beliebten Volksbuches « Schimpf und 
Ernst» und Herausgeber der Predigten des 
Geiler vom Kaiserberg, war vor 1504 Guardian 
in Bern gewesen und hatte sich als solcher so 
«erberlich und wohl gehalten», dass der Rat 
ihn am 11. Juli 1504 vom Provinzial nach Bern 
zuräckerbat^ Dr. Thomas Mumer, der fmdit- 
bare Pamphletist im Interesse der kattiolischen 
Sache und heftige Gegners Luthers und Zwing- 
lis, weilte von 1508 auf 1509 als Lesemeister im 
Beraer Barffisserkloster, also gerade zur Zeit 
des Jetzerprozesses, den er denn auch in einer 
lateinischen Schrift und in deutschen Reimen 
darstellte. Bei der Gegnerschaft der Franzis- 
kaner und Dominikaner dürfen wir uns nicht 
darüber verwundem, dass Mumers Darstel- 
lung ganz gegen die vier verarteilten Domini- 
kaner geriditet war.^ 

Sebastian Meyer war einer der ersten Geist- 
lichen in Bem, die sich der evangelischen Be- 
wegung anschlössen. Wir finden ihn von 1521 
bis 1524 als Lesemeister der Barfüsser in Bem 
und zu gleicher Zeit mit dem Amt eines Kustos 
der Basler Kustodie bekleidet^ Hodigelehrt 
und Doktor der heiligen Schrift, ein gef lissener, 
tapferer, evangelischer Wahrheit Zuständer und 
Schirmer, wie ihn Anshelm nennt, benutzte er 
die Kanzel seiner Kirche, um die neue Lehre 
zu predigen. Er gehörte der Kommission von 
Weltlichen und Geistiichen an, die am 29. Au- 
gust 1522 un Barfüsserkloster öffenflich die An- 
klage gegen den Pfarrer Georg Bmnner von 
Kleinhöchstetten und die Verteidigung seiner 
reformatorischen Predigten anhörte und in 
ihren Antragen an den Rat den eifrigen Pfarrer 



schützte. Am 20. Dezember musste Meyer die 
Hülfe des Rates gegen Wilhehn Zieli, den Be- 
arbeiter französischer Romane, in Anspmch 
nehmen, weil ihn dieser Ketzer gescholten 
hatte. Laut Meyers an Zwingli gerichteten Brie- 
fes vom 11. November 1522 war er der Autor 
des Kommentars zur «christlichen Ermahnung» 
des Bischofs von Konstanz. 

Im Frühjahr 1523 befürchtete der Rat, das 
Provinzialkapitel, das auf Quasimodo nach 
Schlettstadt zusammenbemfen war und wohin 
auch Sebastian Meyer geladen war, möchte 
diesen von Bem wegnehmen und versetzen — 
vielleicht strafweise. In einem Schreiben vom 
T.April wurde daher Meyer dem Provinzial 
sehr empfohlen, da durch die Versetzung «uns 
nit kleiner mangel und abgang der götüichen 
und evangelischen 1er zustan wurde, ^weliche 
wir geneigts willens zu hören; und die nach 
unserem vermögen zufürdem, ouch in und 
ander, die uns dero underrichten, zu handhaben 
und zu schirmen», sollte Meyer wieder herge- 
schickt werden, um wie bisher zu predigen. 
Das Kapitel willfahrte und beliess den Lese- 
meister in Bem. 

Eine Anklage der Alte^ubigen gegen Dr. 
Thomas Wyttenbach, Dr. Sebastian Meyer und 
Berchtokl Haller wegen eines von Haller am 
29. September 1523 im Inselkloster mit einer 
Nonne geführten Gesprächs konnte von den 
evangelischen Parteigängem im Grossen Rate 
zurückgewiesen werden, indem sie den Be- 
schluss durchsetzten, die Predikanten sollten 
ihrer Kanzel warten und des Kk>sters müssig 
gehen. Aber im folgenden Jahre war die Stel- 
lung der reformfreundlichen Partei so schwie- 
rig geworden, dass sie den Barfüsser Lese- 
meister nicht euimal in einer Sache zu schüt- 
zen vermochte, in die er nur mittelbar hinein- 
gezogen worden war. Bei einem Angriffe, den 
nach vielen andern der I>ominikaner Lese- 
meister Hans Heim auf der Kanzel gegen die 
Evangelischen führte, war er von zwei Bürgern, 





Das Fnmzislaineiidoster. 



Lienhard Tremp und Thomas von Höfen, Lag- 
ner genannt worden. Als hierauf am 26. Ok- 
tober 1524 vor dem Grossen Rate und den hie- 
zu berufenen Propst, Dekan und Predikant der 
Stiftskirche und Dr. Sebastian Meyer zwischen 
den zwei gefangen gesetzten Bürgern und dem 
Dominikaner ein heftiger Wortstreit entstand, 
suchte man, um beiden Parteien zu dienen, die 
Sache dadurch kurzerhand zu erledigen, dass 
man beiden Lesemeistem, Heim und Meyer, in- 
nert drei Tagen Stadt und Land zu verlassen 
befahl und bis auf weiteres das Predigen in 
den Klöstern untersagte. Damit hatte Meyers 
Tätigkeit in Bern ein Ende erreicht; er trat 
aus dem Orden, verheiratete sich und predigte 
dann in Schaffhausen, Strassbui^ und Augs- 
burg. Von 1536 — 1540 wirkte er wieder als 
Prediger in Bern, kehrte dann aber nach Strass- 
burg zurück. 

Nach Meyers Wegzug sehen wir keinen Bar- 
ffisser von Bern mehr einen hervorragenden 
Anteil an der Reformation nehmen. Die ka- 
tholischgesinnte Mehrheit des Rates hielt re- 
formfreundliche Priester fem, wie das Schrei- 
ben an den Kustos Heinrich Sinner, Ouardian 
zu Königsfelden, vom 17. März 1525 beweist^ 
Darin bat der Rat den Kustos, zur Ergänzung 
von Lücken «zwen fromm dapfer priester, so 
da erbers wandeis und mit der Luterschen sect 
nit bemasget noch dero anhängig syent, haruf 
in unser gotzhus zum fürderlichsten zu ver- 
schaffen». Doch wurde der Rat durch die Macht 
der Verhältnisse gedrängt immer noch zu ein- 
zelnen Reformen gedrängt So hatte er — um 
nur zu erwähnen, was unser Kloster angeht — 
schon am 19. November 1524 das Almosen- 
sammeln für Klöster und Kirchen verboten und 
dabei den Verkauf des Ablasses verurteilt Nur 
für die Barfüsser, Prediger, das Heiliggeist- 
spital und das Inselkloster in der Stadt, so- 
wie für das Kloster auf dem St Bernhard und 
in Ruffach wurde eine Ausnahme gestattet^ 
Am 29. Juni 1526 wurde den Barfüssem und 
den Predigern verboten «Oastung und Wirt- 



j» 



Schaft» mehr zu halten; «wo si aber etlich 
laden, sollen sie das in iren costen thun».^ 
Nachdem zu Ostern 1527 die Evangelisch- 
gesinnten in den Räten die Mehrheit erlangt 
hatten, kam die Saat der neuen Lehre zur 
Reife. Am 4. August 1527 wurden den Klö- 
stern Vögte als Verwalter vorgesetzt ; den Bar- 
füssem wurde Oilian Sibold als Vogt gegeben, 
und am 30. November wurde alles im Kloster 
zu inventarisieren befohlen.^ Als beim Mangel 
an Priestern in der Stiftskirche Barfüsser und 
Prediger dort Messe lasen, wurde ihnen dies 
am 24. November 1527 untersagt^ Vom 6. bis 
zum 26. Januar endlich fand in der mit Biihnen 
und Bänken dazu eingerichteten Barfüsserkirche 
die Disputation statt, die mit dem Siege der 
neuen Lehre endete.^ So wurde die Barfüsser- 
kirche die Geburtsstätte der bemischen Refor- 
mation. Der Guardian Johannes Hug unter- 
schrieb selbst mit zwei seiner Priester, Georg 
Zumüss und Johann Michel, die Schlussreden 
der Disputation und ebenso der frühere Schaff- 
ner Nikiaus Willenecker.'' Andere wurden mit 
je 100 Pfd. ausgesteuert und zogen weg. 



Wir tragen noch nach, dass schon im Jahre 
1294 die Franziskanerkirche der Schauplatz 
wichtiger Veränderungen in der Verfassung der 
Stadt war. Am 18. Februar 1294 (oder 1295?) 
leistete die neu eingesetzte Behörde der Sechs- 
zehner in der Kirche der Minoriten ihren Amts- 
eid und ebenso der Rat der 200.^ Noch oft 
mögen dort die Bürgerschaft und die Behörden 
versammelt gewesen sein, ohne dass uns da- 
von Kunde erhalten ist Am 18. September 
1334 beurteilten im Refektorium (Ref ender) 
der Barfüsser der Grosse und Kleine Rat unter 
dem Vorsitz des Freiherm Johann von Kram- 
burg eine Klage der Aebtissin von Fraubrunnen 
gegen zwei Bürger.^ Eine zufällige Notiz mel- 
det uns, dass am hohen Donnerstag 1470 «zu 
den Barfussen nach der predye» der Schult- 




K^ 



Das Franaskancridostcr. 



heiss von Scharnachtal, die alt-Schultheissen 
von Diesbach und von Ringoltingen und die 
Ratsherren Hetzel, von Mulern, Tschachtlan 
und andere ein nach Mülhausen abzufertigen- 
deä Schreiben genehmigten.^ Die Predigten 
der Barfüsser besuchten also auch die hohen 
Magistratspersonen. Am 6. November 1465 wur- 
den einige Ratsherren auf dem Barfüsser Kirch- 
hof zu einer kurzen Ratssitzung versammelt, 
wo die Mehrzahl wohl zufällig bei einem Got- 
tesdienst anwesend war.^ Auf Kosten der Stadt 
wurde alljährlich die Jahrzeit des Stad^grun- 
ders, des Herzogs Berchtold von Zähringen, 
in der Barfüsserkirche b^angen. 

Provinzialkapitel fanden im Barfüsserkloster 
in Bern nur selten statt, nämlich in den Jahren 
1308 zu Pfingsten, 1337 um Mariae Geburt 
(8. September) und 1443, wo die Anhänger des 
Gegenpapstes Felix V. den Provinzial für Sach- 
sen, Dr. Mathias Döring, zum Ordensgeneral 
erwählten.^ In der Bemer Stadtrechnung des 
ersten Halbjahres 1443 hat sich als einzige 
Spur dieser Versammlung die Verzeichnung 
von 9 «(Schenkinen» an Wein erhalten, die 
unter vier verschiedenen malen von der Stadt 
den Barfüssem kredenzt wurden. 




» 



Unsere Darstellung wäre unvollständig, wenn 
wir nicht noch über die Regelschwestem oder 
die Schwestern des dritten Ordens des heiligen 
Franziskus einige Mitteilungen machten. In 
dem oben angeführten grossen Streite mit den 
Deutschherren über die Tertiarier vom Jahre 
12Q7 wird das einzige Mal von Brüdern de 
penitentia in Bern gesprochen, dagegen kehren 
die Schwestern de penitentia oft wieder. Wir 
haben die Schwestern an der Brügg, die 1288 
bei der Belagerung der Stadt ihr Haus vor 
der untern Brücke verloren, schon erwähnt; 
sie bewohnten in der Folge ein Haus der 
Herrengasse (Nr. 9) und hiessen von ihrer Klei- 
dung her gewöhnlich die grauen Schwestern.^ 



Die Schwestern in Isenhutshaus wohnten zuerst 
in einem von Frau Ita Isenhut 1340 als Pfrün- 
derhaus für 13 arme Frauen bestimmten Hause 
an der Kramgasse; aber schon 1389 waren sie 
in das Haus umgezogen, das der obem Hälfte 
der heutigen Nr. 37 an der Junkemgasse ent- 
spricht Es ist unbekannt, aus welcher Zeit die 
Gründung des Hauses der willigen Armen vor 
den Predigern datierte (es war vermutlich Nr. 25 
an der Zeughausgasse). Die Vereinigung exi- 
stierte schon, als 1360 Agnes von Rotwyl den 
Schwestern jährlich zwei graue grobwollene 
Röcke zu geben verordnete. Die vierte Beginen- 
vereinigung bildeten die sechs Schwestern, die 
nach der Bestimmung des Peter von Krattingen 
von 1356 in seinem Hause an der Herrengasse 
(im untern Teil von Nr. 6) wohnten. Nach 
einem Testamente von ca. 1482 erhielten die 
Schwestern, «die da sind in Krattingers hus 
gesin», eine Vergabung. Wohin sie gezogen 
waren, wissen wir nicht 1389 finden wir im 
obem Teile von Nr. 21 an der Marktgasse (cdie 
Schwestern in meister Dietrichs huse». Sie 
sollen sich 1434 mit den Schwestern zu den 
willigen Armen vereüiigt haben. Laut einer 
Urkunde vom 27. Januar 1358^ befand sich in 
der Nähe des deutschen Hauses (Stift) «cein 
samnung» Barfüsserordens, welchem die Kom- 
thurei Münchenbuchsee jährlich 8 Mütt Roggen 
zu entrichten hatte. Als die Vereinigung mit 
Einwilligung der Stadtbehörden aufgelöst wor- 
den war, verweigerte der Komtfiur den zwei 
letzten Schwestern die Bezahlung. Er wurde 
aber gerichtlich dazu angehalten, da seine Ver- 
pflichtung ausdrücklich so lange dauerte, als 
die Schwestern oder eine von ihnen noch am 
Leben sei. Den Tellbüchem von 1389 und 
1448 zufolge gab es noch eine Anzahl einzeln 
wohnender Beginen in der Stadt; ein Klaris- 
senkloster gab es dagegen nie in Bern. 

Die Schwestern der dritten Regel des hei- 
ligen Franziskus in Bern erlangten am 30. Au- 
gust 1357^ vom Papste Innocenz VI. das Pri- 
vilegium, in der von Anna Seiler bei den Bar- 




^ 



Das Fraazitlauieiidotter. 



ffissern gestifteten KapeUe der heiligen Ursula 
und der 11000 Jungfrauen die heilige Kommu- 
nion zu empfangen ohne besondere Erlaubnis 
des Rektors der Pfarrkirche, wann sie wollten, 
mit Ausnahme der drei höchsten christlichen 
Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Da- 
rin lag eine wertvolle Anerkennung der Regel- 
schwestem, deren Unterdrückung eine Reihe 
von Erlassen von Clemens V. bis Bonifaz IX. 
anbefohlen hatten. Das Leben und Treiben 
der Beginen gab aber immerfort Anlass zu 
Klagen ; namentlich erschien es ungehörig, dass 
dieselben, die doch als Laien galten, vom Bet- 
tel leben sollten. Der grosse Beginenstreit in 
Basel, der im Jahre 1400 unter Anführung des 
Dominikaner-Lesemeisters Johannes Mulbeig 
seinen Anfang nahm und zur Unterdrückung 
der Beginen führte, entfachte auch in Bern 
eine Bewegung gegen die Beginen, über die 
uns Konrad Justinger in seiner Chronik eine 
kurze Darstellung zum Jahre 1404 gegeben 
hat^ Der Beginen nahmen sich billigerweise 
die Barfüsser an, indem sie sich auf päpstliche 
Bullen beriefen. Der von der Stadt herbeige- 
rufene Offizial von Lausanne und «die ge- 
lehrte Pfaffheit» verhörten diese Bullen, aber 
gaben trotzdem das Gutachten ab, dass die- 
jenigen Beginen, die sich ohne Almosen er- 
halten könnten, ihren Stand au^ben sollten. 
Gestützt hierauf befahl der Rat diesen Be- 
ginen, ihre Kopfbedeckung, «die Kabisköpfe», 
weg zu tun und Tüchlein « haruszuhenken » 
oder zu tragen. Aber bald war das Verbot ver- 
gessen. 

Dass die Barfüsser ihr Aufsichtsrecht über 
diese Schwesternhäuser wirklich ausübten, be- 
weist die ihnen am 29. März 1501 vom Rate 
erteilte Ermächtigung, das Schwesternhaus vor 
den Predigern zu reformieren.^ Die Schwestern 
hatten einige Zeit lang die Regel (nämlich die 
dritte Regel des Franziskanerordens) nicht 
pflichtgemäss gehalten ; deshalb sollten die Bar- 
füsser das Haus « in ir zimlich gewaltsami ne- 
men und die sdiwestem in geistlichen stand 




51 



und wäsen und under der regel iis ordens 
halten» dürfen; doch ohne das Vermögen des 
Hauses zu vermindern. Da sich aber die Schwe- 
stern renitent zeigten, erlaubte der Rat am 
3. Oktol>er 1502,^ dass bei fernerer Weigerung 
die Barfüsser das Vermögen des Hauses in Be- 
sitz nehmen dürften. Die gewünschte Wirinuig 
wird damit gewiss erzielt worden sein. 

Nach der Reformation wurden offenbar die 
grauen Schwestern, ebenso wie die weissen 
Schwestern, die stets dem Leutpriester unter- 
worfen waren, auf den Aussterbeetat gesetzt, 
während die andern Schwesternhäuser wohl 
sofort aufgehoben wurden.^ 



Als am 27. Januar 1528 der Bildersturm in 
der St. Vincenzenkirche fesbrach,^ wurden wahr- 
scheinlich zu gleicher Zeit audi die Altäre aus 
der Franziskaneiicirche entfernt, und damit hatte 
wenigstens der regelmässige Gottesdienst in 
der Kirche sein Ende erreicht Sie diente wohl 
nodi für die Predigtübungen der Mönche und 
alten Priester, die im Predigen unterrichtet 
wurden. Im Jahre 1529 wurden Lettner und 
Kreuzgang durch den Maler Eliseus Walther 
geweisst, ein Beweis dafür, dass sie mit Wand- 
gemälden geschmückt waren.^ Die Kirdie wurde 
gar den Bürgern als Aufbewahrungsort für die 
leeren Fässer angewiesen, doch ist es fraglich, 
ob der Beschluss wirklich ausgeführt wurde.^ 
Nachdem der Rat am 18. Mai 1530 beschlossen 
hatte, die Kirche geschlossen zu halten, wurde 
sie am I.August 1532 für den Konfirmanden- 
unterricht und für die Anstellung der neuen 
Pfarrer bestimmt Aber wiederum wurde ihre 
Schliessung verfügt (am 25. April 1533), und 
da man keine Verwendung mehr für sie hatte, 
sich aber für die Benutzung des Materials 
eine gute Gelegenheit bot, wurde der Ab- 
bruch am 23. April 1535 beschlossen.^ Mit dem 
Material wurden 24 vier Tage vorher durch 
eine Feuersbrunst eingeäscherte Häuser an der 





DECKENFRIESE 
AUS DE« ERDGESCHOSS-GANQ DES ALTEN KLOSTERS 



l 



I 



Ift_ 



Das Fnuizisbmerklosier. 



Spitalgasse wieder aufgebaut^ Die Fenster der 
Kirche erwarb offenbar der Glasmaler Hans 
Funk ; denn das Choif^eridit sprach d^n Junker 
Hans Beat von Schamacfatal gegenüber Funk 
die gemalten Wappenscheiben der Vorfahren 
in der Barfusserkirche zu.^ Der Platz der 
Kirche wurde zum Steinwerkhof gemacht, bis 
das Scfaulgebäude die Stelle einnahm. 

Das Klostei^ebäude nahm in den Tagen nach 
der Reformation die Mönche der andern Klö- 
ster und die Priester auf, die zur Reformation 
fibertraten und noch keine Verwendung als 
Pfarrer fanden. Sie wurden zum Besuche der 
Predigt und der Lektionen angehalten beim 
Verlust ihrer Pfründen. Zuletzt bedrohte man 
diejenigen, die nicht studieren wollten, damit, 
dass sie Holz spalten mfissten.' Die Zahl dieser 
« zun Barfussen » verpfrfindeten Oeistiichen ver- 
minderte sich übrigens sehr rasch.^ Dafür 
brachte neues Leben in die ehemaligen Klo- 
sterräume die am 16. und 20. November 1528 



^ 



beschlossene und gleich nadiher eingeführte 
Anstalt des Musshafens, einer Suppenanstalt, 
die für die Unterstützung der Hausannen der 
Stadt errichtet wurde. In einem aus dem Schlosse 
Neuenburg erkauften ehernen Kessel wurde das 
Muss gekocht, und morgens um 9 Uhr wurde 
nach einem Glockenzeichen den eingeschrie- 
benen Armen und bald auch Schülern eine 
Kelle Muss und ein Brot gereicht^ Infolge von 
entstandenen Missbräudien und der grossen 
Kosten wurde aber am 16. April 1535 der Muss- 
hafen in der bisherigen Form der Naturalver- 
pflegung aufgehoben, und das Gebäude erhielt 
kurz darauf eine neue Bestimmung, indem es 
die Theologieschule aufnahm. Die Güter und 
Einkünfte des Barfüsserklosters verblieben dem 
Musshafen-Fundus, die Weinberge in Neuen- 
stadt und der Weinbei^ hinter dem Kloster 
bis zur Aare hinunter wurden dem Stiftamte 
übergeben.^ 

H.TORLER 




^ü^ 




Die Gründung der Obern Schule 
und ihre Schicksale bis 1548. 




« 



Die hohen Schulen zu Bern verdanken ihre 
Entstehung der Reformation, sie sind ein Kind 
der Reformation, zu weldier in Bern durch das 
Religionsgespräch vom 7. bis zum 26. Januar 
1528 der Qrund gelegt wurde.^ Bald nachher, 
den 12. Februar, beschloss der Tägliche Rat, 
eine Bildungsanstalt für evangelische Qeist- 
Uche zu errichten und einige sprachen- und 
schriftkundige Männer kommen zu lassen, wel- 
che derselben vorstehen sollten. Bereitwillig 
traten die Zürcher ihren Miteidgenossen drei 
ihrer Gelehrten ab, den Megander^ (Kaspar 
Orossmann), den Dr. B a s t i a n (Sebastian Hof- 
meister) und den R h e 1 1 i k a n (Johann Müller), 
die sofort nach Bern zogen und ihre «Lätz- 
gen», die lectiones publicas, eröffneten. Hof- 
meister verliess freilich schon im Mai die Stadt 
Bern, um in Zofingen als Prädikant zu wirken. 
Seine beiden Kollegen hielten ihre Vorlesungen 
erst an verschiedenen Orten, so im Chorhaus 
an der Herrengasse, im sog. Chorstfibli, oder 
im Chor des Münsters,' bis ihnen durch Rats- 
beschluss vom 16. Juni 1535 das Barfüsser- 
kloster zu einem eignen Heim übergeben wtu*- 
de ; von jetzt an hiess die hohe Schule zu Bern 
das CoUegium zun Barfüssen. 

Aus dem Anhang zu Meganders Kommentar 
zum Oalaterbrief^ erfahren wir, worin und nach 
welcher Methode die beiden Zürcher unterrich- 
teten. Das Alte Testament interpretierten beide, 
Rhellikan allein das Neue ; dieser führte sodann 
seine Schüler in die Dialektik und Rhetorik ein 
und zwar auf Grund von Sallusts Schriften und 
des Erasmus Büchlein «de utraque copia».^ 

Interessant ist die Methode, nach welcher 
das Alte Testament behandelt wurde. Zuerst 
wurde ein gewisser Abschnitt in der lateini- 



V 



sehen Uebersetzung, der Vulgata, vorgelesen, 
darauf in der griechischen Uebersetzung, der 
Septuaginta, und jetzt erst wurde der hebrä- 
ische Text selber zur Hand genommen und 
wörtlich nach den Regeln der Granmiatik inter- 
pretiert unter beständiger Vergleichung mit der 
Vulgata und Septuaginta. Schliesslich wurde 
die deutsche Uebersetzung der auf besagte 
Weise behandelten Stelle vorgetragen, dann 
das Ziel und der Hauptinhalt derselben vorge- 
wiesen und gelehrt, wie das einzelne für die 
Kanzel zu verwerten sei. 

In derselben Weise wurde auch mit der In- 
terpretation des Neuen Testamentes die Homi- 
letik, die Kunst des Predigens, beständig ver- 
bunden. 

Unsem beiden Professoren lag auch noch 
die Leitung der Dienstags-CoUoquien 
ob, in welchen den evangelischen Priestern auf 
dem Lande, welche am Markttage in die Stadt 
pilgerten, Gelegenheit gegeben war, sich im 
neuen Glauben zu festigen und weiter auszu- 
bilden. Da stiegen, wie uns Rhellikan mitteilt, 
die Professoren in die «Arena» hinab und be- 
handelten die ihnen von den Landpfarrem 
vorgelegten schwierigen Stellen der Heiligen 
Schrift und rüsteten sie zur Ueberwindung der 
Päpstler und der Wiedertäufer gehörig aus. 
So hatte es die Synode der bernischen Geist- 
lichen vom Januar 1532 beschlossen und zwar 
auf Anregung des Strassburger Reformators 
Wolf gang Capito, welcher der Synode bei- 
gewohnt hatte.^ 

Als hn Sommer 1535 die Lätzgen in das Fran- 
ziskanerkloster verlegt wurden, wirkte mit den 
beiden Zürcher Gelehrten an der Auferziehung 
der jungen Geistiichen bereits ein dritter Ge- 




IR. 



Die Gründung der Obern Schule und ihre Schicksale bis 1548. 



» 



lehrter, der Bemer Simon Sulzer, der mit 
Unterstützung der Regierung in Strassburg und 
Basel studiert und an diesem Ort schon Vor- 
lesungen gehalten hatte.^ Die Studierenden 
standen unter seiner besondem Aufsicht, er 
kann also als der erste Vorsteher, der erste 
«Schulmeister» des CoUegiums zun Barfus- 
sen betrachtet werden, behielt jedoch dieses 
Amt nur ein Jahr, da er, wie der ungltickselige 
Sakramentstreit ausbrach, mit seinen besten 
Schülern, 6 an Zahl, von der Regierung nach 
Basel geschickt wurde, damit dieselben unter 
seiner Führung in dorten in guten Künsten und 
Sitten weiter kämen, als dies in Bern möglich 
wäre!^ An Sulzers Stelle im Barfüsserkloster 
kam auf seinen Wunsch Thomas Orynaeus 
aus Basel, der Vetter des dortigen Professors 
Simon Orynaeus ; als aber ein Jahr nachher in- 
folge des Sakramentstreites Megander entlas- 
sen wurde, Ende 1537, und bald darauf auch 
Rhellikan der Stadt Bern den Rücken kehrte, 
da trat Sulzer, in seine Vaterstadt zurückberu- 
fen, an die Stelle der Zürcher Professoren und 
wirkte mit Orynaeus zusammen bis zum Som- 
mer 1541, da er zum Kirchendienst überging.^ 
Seinen Lehrstuhl erhielt wieder ein Bemer, 
Bernhard Tillmann (Telamonius) , der 
Sohn des Alt-Seckelmeisters Tillmann, der in 
Paris studiert hatte. 

Noch wütete der Sakramentstreit weiter und 
forderte neue Opfer. Selbstverständlich nah- 
men auch die Studenten im Barfüsserkloster 
lebhaften Anteil daran und waren in zwei feind- 
liche Lager getrennt, bis im Jahr 1546 ihren 
Schwärmereien ein jähes Ende bereitet wurde 
durch den sog. Zellerhandel, der für den 
Oeist jener Zeit in jeder Beziehung bezeich- 
nend ist und uns vor allem zeigt, wie man da- 
mals im Kloster die Disziplin handhabte.^ 

Der Studiosus Peter Zeller, der dem 
Handel den Namen gab, verfasste ein Oedicht 
zu Ounsten der Lutherischen Abendmahlslehre, 
in welchem er auf die Oegner derselben ver- 
schiedene satirische Ausfälle machte; darauf 



dichtete sein Kommilitone Ismael Buchser 
ein SpotÜied auf die Lutheraner, unter die er 
auch den Thomaeus Orynaeus zählte, und ent- 
blödete sich nicht den Zeller beim Rat zu ver- 
klagen : so hoch gingen auch unter den jungen 
Leuten die Wogen der Leidenschaft Der Rat 
liess dem Schulmeister zu Barfüssen den Be- 
fehl zukommen den Zeller zu züchtigen; Ory- 
naeus führte denselben aus, war aber so un- 
vorsichtig auch dem Buchser eine gehörige 
Tracht aufzumessen, so dass dieser Klage führ- 
te, er habe noch mehr Streiche erhalten, denn 
sein geliebter Mitschüler. Orynaeus und Zeller 
wurden nun vor den Rat entboten. Jener hatte 
sich wegen der unbefugten Bestrafung Buch- 
sers und wider die Anklage, er sei lutherisch, 
vor Ihr Onaden zu verteidigen. Er sagte aus, 
er richte sich nicht nach des Luthers Opinion, 
sondern nach dem, was Jesus Christus gelehrt 
habe und was den Buchser anbetreffe, so habe 
er ihn geschlagen, weil er « ein ungschickt lied 
gmacht» und dasselbe hinter seinem Rücken 
verbreitet habe. Zeller stand zu seuiem «Schwär- 
merlied» und behauptete es allein verfasst zu 
haben. 

Nun wurden alle Schüler — es waren da- 
mals ihrer 19 — vor den Rat citiert und wegen 
allfälliger Teilnahme an der Entstehung des 
« schantiichen Liedes » einvernommen. Alle 
stellten in Abrede dem Zeller bei seinem Opus, 
das leider nicht auf uns gekommen ist, gehol- 
fen zu haben, sagten aber zum höchsten Miss- 
fallen der gnädigen Herren, die zu ihrer Sitz- 
ung auch die Prädikanten der Stadt Bern zu- 
gezogen hatten, aus, das Zeller-Ued gefalle 
ihnen, ausgenommen die in demselben sich be- 
findenden Schmähworte. Ausser dem Buchser 
fanden sich nur noch zwei, die es missbilligten. 
Deshalb kam die Sache vor den grossen Rat; 
den 22. November hatten alle Studierenden vor 
den Zweihundert zu erscheinen. Man kann sich 
denken, welche Aufregung an diesem Tage 
zu Barfüssen herrschte. Wie sie vor die hohe 
Versammlung getreten waren, wurde ihnen das 



« 



Die Orfindung der Obern Sdiule und ihre Schidcsale bis 154a 



» 



Lied, 80 Peter Zeller gemacht, vorgelesen und 
darauf die Frage an sie gestellt, ob «sie das 
handhaben und schirmen wellen». Einer nach 
dem andern gab seine Antwort 16 approbier- 
ten das Lied mit Ausnahme der Schmähworte ; 
ein Teil derselben bekannte sich zu der Ansicht, 
dass im Nachtmahl das Fleisch und Blut Christi 
wesentlich gegeben und empfangen werde, dass 
es aber nicht durch Verwandlung des Brotes 
und Weines, wie die PäpsÜer nach ihrer Trans- 
sidistantiationslehre glaubten, sondern sonst 
auf eine wunderbare Weise gegenwärtig sei; 
ein andrer Teil begnügte sich zu erklären, dass 
das Nachtmahl communicatio corporis et san- 
guinis Christi sei u.s.w. Buchser aber und 
seine Partner Schnewli und Kissling gaben 
ihre Meinung über das Sakrament in ganz ent- 
gegengesetztem, in zwinglischem Sinne ab. 

Nachdem die künftigen Diener Gottes vor 
dem hohen Rate lange gesprochen hatten, hiess 
man sie abtreten. Fast einstimmig beschlossen 
die Zweihundert den Zeller zu verweisen, eben- 
so den Schulmeister Thomas Orynaeus «und 
hab er etwas guter hie, das er die verkouffen 
möge und hinzuchen und min herm rüwig las- 
sen». Die Studenten, die das «Schmachlied» 
approbiert hatten, sollten für einen Tag ins 
Gefängnis geworfen werden; dann sollte der 
neue Schulmeister, des Grynaeus Nachfolger, 
sie insbesondere in der 4. Schlussrede der Dis- 
putation unterrichten, die da lautet: «Das der 
lyb und das blut Christi, wäsentiich und üb- 
lich in dem brot der Dancksagung empfangen 
weide, mag mit Biblischer gesdirifft nit by- 
bracht werden.» Welche sodann innerthalb 
Monatsfrist bekennen würden, dass sie ge- 
fehlt und sich geirrt hätten und den Rat um 
Begnadigung anfleheten, denen sollte verziehen 
und ihr Stipendium nicht entzogen werden; 
welche von ihnen aber sich nicht dazu ver- 
stehen würden, die sollten das Schicksal Zel- 
lers teilen. 

Zum neuen Schulmeister zun Barfüssen wur- 
de Nikiaus Pfister^ (Artopoeus, wie er sich 




mit griechischer Uebersetzung seines lateini- 
schen Namens nannte) aus Brugg herbenifen; 
er hatte fürderiich in die Hauptstadt zu reisen 
und beschwor zu Ende des Jahres 1546 mit 
dem Vorsteher der Lateinschule, Eberhard 
von Rflmlang,' vor dem versammelten Rat 
den neuen Schulmeistereid,^ der ihm unter an- 
derem folgendes anbefahl: 

«zu den schulen und aller und jeder sdiu- 
lem, riehen, armen, frombden und heimbschen 
und insonders deren, so min g[nädig] herren in 
irem kosten erhalten und verlegen, mit gantzen 
trüwen flyss und ernst ze achten und soig ze 
haben und jeden nach siner gesdiiddidikett; 
gelägenheit und nach dem eins jeden Ingenium 
vassen und ertragen mag, ze leren und under- 
wysen, ouch in gutten sitten, gepärden, zudit 
und erUchen Übungen uf ze erzüdien». 

«Item dieselbigen schulen wäder in offnen, 
gemeinen, noch sonderbaren lectionibus nfitzit 
underwysen, leren, noch inen vorläsen, fur- 
tragen, noch fürschryben, das heiliger biblischer 
Schrift nüws und alts testaments und der än- 
lichkeit des waren alten christenlichen glou- 
bens zu wider ist» 

«Sonders die zechen schlussreden loblicher 
disputation und das jenig, damit dieselbigen 
uf miner g. Herren von Bern predicanten siten 
erhalten ist, trüwlich und flissig ze leren und 
den schulem inzbilden, damit sy des, so man 
sy examinieren und ervordem, b'sdieid wfis- 
sind ze geben.» 

« Item kein nüwe dogmata, ceremonien, kil- 
chenbuch, dann die so bishar geprucht und in 
Übung gsin sind, inzefüren, noch ze leren. Ouch 
für sich selbs kheins wegs wider ol^emelte 
disputation und zehen schlussreden ze striten, 
vechten, arguiren, disputieren, noch ze sduy- 
ben; desgUchen söUichs den schulem ouch nit 
ze gestatten.» 

Im IGoster sollte es also nicht gestattet sein, 
von den in der Disputation aufgestellten Schluss- 
reden abzuweichen; Professoren wie Studen- 
ten sollten an den einmal gewonnenen Er- 



^ 



Die Orfindung der Obern Schule und ihre Schicksale bis 154a 



rungenschaflen fesflialten; für alle Zukunft 
sollten die 10 Thesen der Bemer Disputation 
der heilige, unverrückbare Fels des Glaubens 
sein, der dem Denken und Reden der Lehrer 
und Schüler den einen und unverinderiichen 
Kurs zu geben hätte, den der Staat und seine 
Kirche verlangte. 

So sehr uns moderne Menschen in dieser Be- 
ziehung «der Schulmeystem in der Alten Schul 
und zum Barfüssem Eyd» stösst, obwohl wir 
den Standpunkt der Regierung, die damals auf 
Einigkeit dringen musste, wenn sie das Ge- 
wonnene nicht preisgeben wollte, begreifen, 
so sehr freut uns der zuerst dtierte Punkt des- 
selben, welcher den Professoren ans Herz legt, 
die ihrer Unterweisung anvertrauten Schüler 
nach eines jeden Ingenium individuell zu be- 
handeln und über dem Unterricht die Erziehung 
nicht zu vergessen. 

Wir faid>en oben, pag. 19, erwähnt, dass der 
gelehrte Simon Sulzer, der erste Schubneister 
zun Barffissen, beim Ausbruch des Sakrament- 
streites mit sechs seiner Schüler nadi Basel 
zog. Wie er zu Pfingsten 1538 sich wieder nach 
Bern zurückzubegeben hatte, schickte der Rat 
vier derselben nach Strassbuig, wo sie unter 
der Leitung des berühmten Schulmannes Jo- 
hannes Sturm ihre Studien fortsetzen soll« 
ten.i 

Diese vier Studenten sind die ersten, welche 
auf Kosten des Staates auf fremde Universitä- 
ten, ad academias, oder, wie der deutsche 1 1 
heisst; wyter geschickt wurden, eine Einrich- 
tung, über welche alle Schulordnungen, wie 
wir sehen werden, nähere Bestimmungen ent- 
halten; den Nutzen derselben wohl einsehend 
hielt man zu allen Zeiten im Schosse der Be- 
hörde mit Zähigkeit daran fest und scheute die 
Kosten nie, um talentvollen jungen Leuten auf 
diese Weise den Horizont zu erweitem. In- 
folge des Sakramentstreites wurde freilich den 
Studenten der Besuch der fremden Universi- 
täten verboten, die zu Strassburg wurden heim- 
berufen und eine Zeit lang wurden diejenigen, 




^ 



welche man weiter ausbilden wollte, nach Zü- 
rich geschickt, damit sie ja das Gift der Luthe- 
rischen Abendmahlslehre nicht einsaugen könn- 
ten. Uebrigehs ist es rührend zu sehen, mit 
weldier Liebe der bemische Rat sich dieser 
jungen Leute annahm und wie ihm deren leib- 
liches und geistiges Wohl am Herzen lag. Zum 
Beweise sei hier das Schreiben von Schultheiss 
und Rat der Stadt Bern an den Antistes H. Bul- 
linger in Zürich wiedergegeben, mit welchem 
zwei Bemer Studenten diesem empfohlen wer- 
den^ (dieselben sind tms schon bekannt, näm- 
lich Ismael Buchser und Samuel Schnewli) : 

«Damit wir für und für versatz habind der 
dieneren gottes worts, sind wir in willen kom- 
men, diss zwen knaben Samuelem Schneuwli 
und Ismahelem Budiser zu üch ze vertigen, da- 
selbst ze studieren und der heUigen schrift ob- 
zeligen, üch zum fründlichesten pittende, sy in 
günstigem bevelch ze halten, acht und ufsechen 
uf sy ze haben und w^ann sy sich lämens, lä- 
bens, sytten, gepärden und anderer stucken 
halb nit gepürlich hieltind, sy darob ze strafen. » 

Der neue Schulmeister zu Barfüssen, Nik- 
iaus Pfister,^ musste sich, obwohl insbesonders 
für das Hebräische angestellt, mit seinem Kol- 
legen Tillmann in alle die Aufgaben teilen, wel- 
che die Heranbildung der jungen Geistlichen 
erforderte, dodi bald sollte die hohe Schule im 
Kloster neu geordnet werden und das Lehrer- 
kollegium einen kleinen Zuwachs erhalten. 

Den 5. Juni 1548 beschloss nämlich der Rat 
die Schulen auf dem Land und in der Stadt 
zu reformieren und es wurde den Prädikanten 
und Schulmeistem die Aufgabe zu teil eine be- 
stimmte Ordnung für dieselben zu verfassen, 
nach welcher in Zukunft gelehrt und gelemt 
werden sollte. Die Gestaltung dieser ersten 
bernischen Schulordnung verdanken wir 
vor allem dem jungen Johannes Haller, 
der kurze Zeit vorher als Nachfolger Simon Sul- 
zers in das Kollegium der bemischen Prädikan- 
ten eingetreten war.^ Er scheint von den Prä- 
iten und Sdiuhneistem mit der Anferti- 




21 



« 



Die OrQndung der Obern Schule und ihre Schicksale bis 1548. 



gung des ersten Entwurfes beauftragt worden 
zu sein, wie man seinem Brief an Bullinger in 
Zürich vom 24. Juni 1548^ entnehmen kann, in 
welchem er mit einem wohl allzu harten Urteil 
über die bisherigen Leistungen der Schule zu 
Barfüssen sagt: 

« mir liegt jetzt besonders die Fürsorge dafür 
ob, dass die Schulen auf dem Land und in der 
Stadt reformiert werden. Unsere Herren wen- 
den wahrlich grosse Kosten auf, aber ohne alle 
Ordnung und daher auch ohne Gewinn und 
Frucht» 

Und in dem Brief an eben denselben vom 
16. Juli zählt er dem Freunde in Zürich auf, 
was er und seine Kollegen für die Reform der 
Schule verlangten. Den 16. August 1548 
wurde die Ordnung von der Obrigkeit sank- 
tioniert Bevor wir aber zu der Besprechung 
derselben übergehen, haben wir noch einiger 
Einrichtungen zu gedenken, welche schon vor 
dem Jahre 1548 getroffen worden waren. 

Was zunächst die Aufsicht über die im 
Jahr 1528 gegründete theologische Schule an- 
betrifft, so kam dieselbe zuerst dem Chor- 
gericht zu, d. h. dem Ehe- oder Sittengericht, 
welches aus zwei Geistlichen und 6 Mi^liedem 
des Rates bestand; die finanziellen Angelegen- 
heiten besorgte die Vennerkammer.^ An Stelle 
des Chorgerichts trat vom November 1539 an 
ein besonderer Schulrat, bestehend aus drei 
Mi^liedem des Rates und den sogenannten 
Gelehrten (Pfarrer und Schulmeister) ; das wa- 
ren die Schulherren.^ 

Schon das Chorgericht hatte vom Venner- 
kollegium (den 2. Juni 1531) den Auftrag er- 
halten ein Pädagogium « anzesechen » ; d. h. für 
die Studiosi theologiae ein Alumnat zu errich- 
ten, eine Anstalt, in der dieselben vom Staat 
beköstigt und nötigenfalls auch bekleidet wür- 
den, wodurch man der Kirche mehr und wür- 
digere Diener zuzuführen hoffte. Die Sache 
kam aber erst zur Ausführung, als das Bar- 
f üsserkloster der Schule übergeben wurde ; ^ da 
gab es Platz und der «Stüblinen» genug für 



J» 



die der Theologie beflissenen jungen Leute, 
iM-auchte man doch der Auditorien nur zwei, 
eins für den Sommer und eins für den Winter ; 
und Platz genug war auch für den Aufseher 
der Studenten, den «Schulmeister», vorhanden. 
Der «Stipendiaten» waren freilich in den er- 
sten Dezennien nicht viele: im Jahr 1539^ sas- 
sen am Tisch des Schulmeisters Thomas Gry- 
naeus deren nur 12. Verwöhnt werden sie da 
nicht gerade geworden sein, denn ihr «Herr» 
eriiielt für einen jeden jährlich nur 10 Gulden 
und 6 Mütt Dinkel, wofür er ihnen aber immer- 
hin eine gesunde Hausmannskost zu geben im 
stände war, an der sie sich ersättigen konnten ; 
in einem Privathaus kam der Tisch freilich be- 
deutend höher zu stehen.^ Gewiss dürfen wir 
auch annehmen, dass für die Stipendiaten von 
Anfang an besondere Gesetze, die leges do- 
mesticae, aufgestellt wurden, welche ihr «Leb- 
wesen» und ihre Studien genau regelten und 
sie von allen weltlichen Freuden und Genüssen 
ferne hielten. Es geht dies unter anderm auch 
daraus hervor, dass die Externen zur Strafe 
für Unfleiss und schlechtes Betragen unter die 
Alumnen aufgenommen wurden. So wurde in 
demselben Jahr der Studiosus Bernhard Funst, 
der die Censur eriiielt: «loufft in der statt 
umbher; wil hoffertig sin und by liederlicher 
gselschafft», den Alumnen beigesellt um ihm 
sein Vagieren abzustecken.^ 

Die Stipendiaten rekrutierten sich aus Kna- 
ben aus der Stadt Bern und aus Schülern, wel- 
che von Thun, Zofingen und Brugg kamen. 
Schon im Jahr 1531 waren an diesen Orten auf 
Befehl der Obrigkeit die Schulen nach dem 
Muster der Lateinschule zu Bern eingerichtet 
worden, damit sie Knaben unterrichteten, die 
zu Prädikanten herangebildet werden könnten ; 
mit grosser Genugtuung vernahmen auf der 
Konferenz zu Zürich vom 5. März 1531 die Ab- 
geordneten von Zürich, Basel und Schaffhausen 
aus dem Munde ihrer Miteidgenossen von Bern, 
wie man in dieser Stadt für die Aeufnung der 
Kirche besorgt seL 




22 



« 



Die Orfindung der Obern Schule und ihre Schicksale bis 1548. 



51 



Noch älter als das Alumnat ist in unserer 
Stadt die Stiftung des Musshafens, die er- 
ste Stiftung, zu der Klostergut verwendet Mrur- 
de. Schon den 16. November 1528, kurze Zeit 
nach der Gründung der Schule, wurde dieses 
«tägliche Almosen an Mus und Brot» f&r dürf- 
tige Schüler und Studenten eingerichtet Es 
scheinen anfänglich nur 12 Schüler den Mus- 
hafen gehabt zu haben,^ aber da auch Private 
bald zu dieser frommen Stiftung reichlich bei- 
steuerten, so nahm die Unterstützung durch 
den Mushafen, wie wir im Verlauf unserer Dar- 
stellung sehen werden, mit der Zeit einen gros- 
sen Umfang an. Von Anfang an gab es einen 
einfachen und doppelten Mushafen.^ Denjeni- 
gen, die nicht im Kloster wohnten, konnte ne- 
ben dem Mushafen noch ein Beitrag an die 
Kosten für die Wohnung verabreicht werden; 
das war der sog. Wochenschilling, wödi- 
entlich einen Schilling betragend. 

Mit der Einsetzung der Schulherren hängt 
das Institut des sog. Schulseckels zusam- 
men, der, für Schulzwecke eingerichtet, aus 
jährlichen Zuschüssen von je 100 Pfund aus 
den 4 Klöstern Interlaken, Frienisberg, Zofin- 
gen und Königsfelden fundiert wurde. 

Zum Schluss dieser unserer Bemerkungen 
wollen wir noch anführen, dass die Besoldung 
der Professoren in dieser ersten Periode 160 
Phmd, 20 Mütt Dmkel, 5 Mütt Haber und 6 
Saum Wein betrug,^ eine Besoldung, aus der 
man damals gar nicht übel leben konnte. 

Die Schulordnung von 1548.^ 

Der 13. Abschnitt der Schulordnung beschäf- 
tigt sich mit dem Kollegium zun Barfüssen. Die 
Ordnung setzt vor allem, und das interessiert 
uns am meisten, die Vorlesungen und die Zahl 
der Professoren fest. Während bis anhin ge- 
wöhnlich zwei Docenten in die ganze Lehrauf- 
gabe sich hatten teilen müssen, sollten von jetzt 
an gesetzlich deren drei sein und zwar der er- 
ste, der Theologus, die eigentliche Oottes- 



gelehrsamkeit, der zweite die Sprachen, d. h. 
Hebräisch und Griechisch, der dritte die Dia- 
lektik und Rhetorik, sowie die Mathematik und 
Physik profitieren. Von selber versteht es sich, 
dass der Professor der Sprachen das Alte und 
Neue Testament im Urtext zu interpretieren 
hatte und der dritte Professor die Logik und 
Rhetorik im Anschluss an die Lektüre lateini- 
scher Klassiker lehrte. Wir gehen wohl auch 
nicht irre, wenn wir annehmen, dass der Pro- 
fessor graecus et hebraicus in einer Person 
seine Schüler nicht erst in die beiden Öibel- 
sprachen einzuführen hatte, sondern dass 
dieselben schon an den beiden obersten Klas- 
sen^ der Lateinschule, oder der «Undem Schul;», 
wie sie in der Ordnung heisst, in die Elemente 
des Hebräischen und des Griechischen einge- 
führt wurden, wenn dies freilidi auch erst in 
der Confirmatio scholarum trivialium vom Jahr 
1600 mit aller Deutiichkeit gefordert wird. Qanz 
bestimmt aber wissen wir, dass die dedamatio, 
in der die rhetorisch-logische Wissenschaft je- 
ner Zeit gipfelte, ihre eifrige und regeh^chte 
Pflege fand, wenn sie auch in unserer Ordnung 
noch nicht erwähnt wird; denn wenn J. Haller 
in seinem Brief an Bullinger vom 27. Juni 1549^ 
diesem schreibt, dass jeden Dienstag deutsche 
und jeden Samstag lateinische Deklamationen 
in Gegenwart der Professoren und Prädikanten 
stattfänden, so sind dies wohl durch bestimmte 
Verordnung und Abmachung für ein- und alle- 
mal festgesetzte Uebungen gewesen, setzen 
doch die Ordnungen des folgenden Jahrhun- 
derts die Deklamationen und Disputationen für 
dieselben Tage an. Aus demselben Brief und 
demjenigen vom 16. Juli des vorbeigehenden 
Jahres an Bullinger erfahren wir, dass jeder 
Deklamator aus einer vom Rate jährlich ausge- 
richteten Summe von I2V2 Gulden eine Prämie 
von 3 Batzen erhielt, nach dem heutigen Geld- 
wert ungefähr 4 Franken. Schon anno 1539 
hatte die Regierung auf Sulzers Antrag be- 
schlossen, dass die Studenten für eine Dekla- 
mation je einen halben Batzen erhalten soll- 





Die Orfindung der Obern Sdnile und ihre 



bis 1548. 




ten, die Institution war aber bald wieder ein- 
gegangen ; die Studierenden werden eben durdi 
solch minime Qabe nicht sehr «aufgemuntert» 
worden sein. 

In ihren Vorlesungen waren die Professoren 
vollständig frei und ungebunden; ausser dem 
Fach schrieb ihnen die Ordnung nichts vor. 
Im Reformationsjahrhundert gingen die Behör- 
den von der richtigen Ansicht aus, dass sie den 
Lehrer, dem sie ihr Zutrauen geschenkt hatten, 
in der seinem Ingenium entspringenden Me- 
thode gewähren lassen und ihm nicht sagen 
sollten, nach was fiir einem Handbüchelchen 
er in seiner Wissenschaft vorgehen und wel- 
che Autoren er seinem Unterricht zu Orunde 
legen sollte. Das sollte leider im folgenden 
Jahrhundert anders konunen! So bewegten 
sich denn die Gelehrten, die um die Zeit un- 
serer Schulordnung wirkten, in ihren Vorie- 
sungen vollständig frei und pflegten mit Vor- 
liebe auch die profane Litteratur: damals wurde 
im Griechischen Lukian und Isocrates gelesen,^ 
Schriftsteller, welche die pedantische Schablone 
der folgenden Zeiten ins Reich der Vergessen- 
heit versenkte. 

Der zweite Punkt, welchen die Ordnung von 
1548 regelte, war das Stipendienwesen. Die 
Zahl der Alumnen wurde nun auf 16 fixiert, 
mit der Bestimmung, dass dieselbe im Inter- 
esse der Kirche nicht gemindert werden dürfe ; 
zehn Platze waren denjenigen, welche die Un- 
tere Schule zu Bern absolviert hatten, vorbehal- 
ten, die übrigen sechs wurden von Schülern 
aus Thun, Zofingen und Brugg besetzt, von je 
zweien aus diesen 3 Städten. Zehn der Stipen- 
diaten wurden aus dem Stiftsgut, «der Stift», 
erhalten, die 6 vom Lande aus dem Schulherren- 
seckel. Wenn ein Platz frei wurde, so sollten, 
wie die Ordnung ausdrücklich vorschreibt, nur 
die tüchtigsten an Kenntnissen und Moralität 
und die im Alter am weitesten vorgerüdcten 
aufgenommen werden, «damit man sy bald 
bruchen und anstellen könde». Die Aufnahme 
sollte nur zu Frohnfasten geschehen. So schrieb 



die Ordnung auch für den Eintritt in das Col- 
legium überiiaupt eine strenge Prüfung vor 
und die «Gelehrten» allein hatten darüber zu 
entscheiden. Man hatte es offenbar bis dahin 
mit alleriiand zweifelhaften Elementen zu tun 
gehabt, wie man aus folgendem Satz der Ord- 
nung deutiich genug herauslesen kann: 

«Die knaben, so in der undem schul nodi 
sind, sollend nit ad publicas lectiones gan, sy 
werdend dann darzu geschickt erfunden und 
verordnet, sunder flissig in die under schul gan, 
bis man sy darus nimpt, darmit sy sich nit us 
der undem schul verschleickend und mit der 
obem versprechen und aber in dewederer* 
gsin syend.» 

Besonders eindringlich aber wird die Schule 
zun Barfüssen davor gewarnt von Thun, Zo- 
fingen und Brugg, wo meine gnädigen Herren 
je vier Stipendiaten erhielten, Knaben aufzu- 
nehmen, die noch nicht im stände wären «pub- 
licas lectiones zu hören und mit Nutz fürzu- 
fahren ». Offenbar schob man von diesen Orten 
die Stipendiaten gern nach Bern ab, um neuen 
Platz zu machen und setzte alle möglichen Mit- 
tel in Bewegung, um auch talentiosen oder 
nichtsnutzigen Knaben eine Unterkunft im Klo- 
ster zu Bern zu verschaffen und derselben los 
zu werden. Die Stipendiaten vom Lande soll- 
ten von jetzt ab nur noch aufgenommen wer- 
den «mit vorwüssen und rechtgeschaffnem ur- 
theyl der schulherm, darin ein jedes gesdiick- 
lickheit, flyss, Ingenium, gestalt des lybs, per- 
son und gemüts etc. so vil müglich bedacht 
und ermessen soll werden, sy zum kilchendienst 
nach gottes eer und der kilchen nutz ze fürdem 
und uffzebringen ». 

Die Stipendiaten verpflichtete die Schulord- 
nung jeden Tag zur Predigt zu gehen, «da- 
durch sy sich dest bas zum predig ampt in- 
schicken und von anderen leren mögend». Die 
Strafe für eine versäumte Predigt war eine sehr 
empfindliche : die Entziehung des Weins an 
demselbigen Tag! Die Gabe des gütigen Got- 
tes wussten die Alumnen zu Barfüssen jeder 




€ 



Die Orundung der Obern Sditile und ihre Sdiicksale bis 1548. 



^ 



Zeit zu schätzen, wie wir noch genugsam sehen 
werden. 

Zur Kontrolle ihres Fleisses und ihrer Fort- 
sdiritte setzt die Ordnung f&r die Studierenden 
Examina an, welche alle Frohnfasten für und 
für ohne alles Unterlassen stattfinden sollten 
und mit diesen Examina verband man die Cen- 
sur, aber nicht bloss der Schäler, sondern auch 
ihrer Lehrer über Lehr und Leben : da wurden 
nach der Forderung der Schulordnung einem 
jeden seine Fehler und Mängel angezeigt mit 
dem der Sadie angemessenen Ernst in der Er- 
wartung baldiger Besserung und mit der An- 
drohung der Strafe, wo die erwartete Besse- 
rung sich nicht einstelle, sei es durch Entlas- 
sung, oder was immer nur Meine gnädigen 
Herren, als oberste und letzte Instanz in Schul- 
sachen, oder die Schulherren über die Unver- 
besserlichen verhängen würden. 

Qanz besondere Aufmerksamkeit schenkt die 
Schulordnung von 1548 denen «die man witer 
sdiickt», d. h. denjenigen Stipendiaten, die man 
zur weitem Ausbildung auf fremde Schulen 
schickte, talentvollen jungen Leuten» welche 
man vorzüglich zu Lehrern heranziehen wollte. 
Man hatte bis anhin mit denselben nicht immer 
gute Erfahrungen gemacht und doch hatte der 
Staat so viel Geld für sie ausgegeben, dass er 
es kaum verantworten konnte ;i deshalb be- 
stimmte man jetzt für einen jeden die Summe, 
die ihm während seines Aufenthalts auf den 
fremden hohen Schulen für je ein Jahr aus- 
bezahlt werden sollte und die nicht überschrit- 
ten werden dürfte; sie betrug 40 Oulden,^ die 
ausreichen mochten, wenn der Stipendiat be- 
scheiden lebte und keinerlei Luxus sich er- 
laubte. Und um sich zu vergewissem, ob sie 
das halbjährlich oder zu Frohnfasten ihnen 
überschickte Geld richtig verwendeten und 
nicht etwa «unnütz und üppig» verschwende- 
ten, bestimmte man, dass sie der Behörde von 
ihren Ausgaben genaue Rechnung stellen und 
überschicken sollten. 

Einige Jahre nach der Einführung der Schul- 






Ordnung machten sich auch wieder freiere An- 
sichten geltend in Bezug auf die Auswahl der 
hohen Schulen, auf die man die Stipendiaten 
schidrte; vom Jahre 1557 an treffen wir sie be- 
reits wieder auf deutschen Universitäten, so 
in Marburg und Heidelberg.^ 

Nachdem die Ordnung erwähnt hat, dass 
den Stipendiaten, welche die Predigt versäum- 
ten, an demselbigen Tag der Wein entzogen 
werden sollte, sagt sie folgendes: 

«Item sy band ouch andere leges im Col- 
legio, denen sollend sy nachleben, sich frünt- 
lich, ghorsam und erberlich tragen, wie züdi- 
tigen Jünglingen anstat Wer es übersidit, soO 
nach den l^bus oder sunst durch den Schul- 
meister gestraft werden, nach gstalt der sach 
und grosse siner uberträttung. Es möchte sich 
ouch einer in mas verschulden, er wurde gar 
verwysen ; das muss aber durdi die schulherren 
oder mit vorwüssen m. g. herren beschechen. » 

Leider teilt uns unsere Schulordnung diese 
« andem » Gesetze nicht mit, welche für die Stu- 
dierenden anno 1548 aufgestellt wurden oder 
bereits schon vorher au^estellt worden waren. 
Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, 
dass es die leges domesticae sind, welche die 
Alumnen insbesondere zu beobachten hatten, 
inbegriffen die Bestimmungen über den Se- 
nat der Studenten, die leges communes der 
Schulordnung von 1591. Die Disziplinarord- 
nung, welche uns in dieser und der folgenden 
Ordnung von 1616 gegeben ist, war mehr oder 
weniger schon im Jahre 1548 gültig^ und das 
Leben der Studenten, namentlich der Alum- 
nen, war sdion jetzt ebenso geregelt, wie zu 
Ende des 16. Jahrhunderts und iii den darauf 
folgenden Zeiten. 

Mit dem Gesagten haben wir den Inhalt der 
Ordnung von 1548 bereits vollständig mitge- 
teilt Dieselbe ist, wie man sieht, keine grosse 
Schöpfung, welche der bemischen Schule neue 
Bahnen eröffnet und höhere Gesichtspunkte 
aufgestellt, ihren Horizont erweitert und ihr 
neues Leben eingehaucht hätte; sie hat sozu- 




Il( 



Die Or&ndung der Obern Schule und ihre Sdriduale bis 1548. 



sagen konservativen und prohibitiven Charak- 
ter: sie will, was bereits eingeführt worden, er- 
halten und gesetzlich festlegen und fixieren 
und alles fernhalten, was dem Eingeführten be- 
reits hinderlich gewesen war und in immer 
grösserm Umfang hätte sdiaden können. 
Bestätiget wurde die Ordnung, wie wir schon 



^ 



dien, pag. 22, bemerkt haben, den 16. August 
1548 und zwar mit dem Anhang, dass jeder Sti- 
pendiat, der ohne Vorwissen und Erlaubnis der 
Gnädigen Herren ein Weib ndune, ohne Ver- 
zug aus dem Kkister Verstössen werden solle 
und alle Kosten, die der Staat an ihn gewen- 
det, zurückzuerstatten habe. 





I^Die Entwicklung der Obern Schule in der 
^ zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts. 




Lehre und Lehrer. 

Die Ordnung forderte drei Lectores für das 
Kollegium zu Barfussen ; als sie verf asst wurde, 
lehrten aber nur zwei an demselben,^ die sich 
hl alle Au^ben, welche der Anstalt zufielen, 
teilen mussten. Deshalb wurde den 16. August 
1548, damit der Ordnung Oenfige getan werde, 
der Schulmeister von der Lateinschule, Eber- 
hard von Rfimlang, für eine unbestimmte 
Zeit mit Vorlesungen im Kloster betraut und 
die Disziplinen also verteilt, dass er die eigent- 
liehe Theologie, Nikiaus Pfister die Sprachen 
und Tillmann Dialektik und Rhetorik samt den 
mathematischen Wissenschaften vertreten soll« 
te. Und nun verging nur kurze Zeit, bis zwei 
glänzende Lehrkräfte und zwar vorzüglich auf 
Betreiben Hallers für unsere Schule gewonnen 
wurden: Wolfgang Musculus, der um die 
Zeit der Entstehung unserer Schulordnung sein 
geliebtes Augsburg hatte veriassen müssen, und 
der Bemer Stipendiat Bendicht Marti,^ der 
bereits Professor an der Maiburger Hochschule 
geworden war, wurden im Februar 1549 nadi 
Bern berufen, jener für die theologische Pro- 
fessur, dieser zunächst für das Schulmeister- 
amt an der Untern Schule. Zu Ostern 1549 
wiricten die beiden bereits an den ihnen an- 
vertrauten Stellen. 

Da zu dieser Zeit Eberhard von Rümlang 
ebenfalls noch angestellt war, lasen also vier 
Professoren. Ein Brief Hallers an Bullinger 
vom 27. Juni 1549^ besagt uns, wie sich die 
viere in ihre Aufgabe teilten. Musculus las im 
Psalterio «mit einem solchen methodo, das un- 
möglich, das einer nit bald überkomme com- 
modissimam tractandarum scripturarum ratio- 



nem». Eberhard erklärte daneben die Theolo- 
gie aus dem Neuen Testament und interpre- 
tierte den Hebräerbrief. Aber in einer andern 
Vorlesung behandelte er einen profanen Auto- 
ren, «sive Oraecum sive Latinum», setzt Haller 
hinzu, woraus ersehen werden kann, dass da- 
mals noch die Pensa der einzelnen Professoren 
nicht genau gegen einander abgegrenzt wa- 
ren und der eine oft in das Gebiet des andern 
hinübergriff. Der Professor linguarum, Nik- 
iaus Artopoeus, las zu der Zeit, da Haller un- 
sem Brief schrieb, un Griechischen einen Pro- 
fanschriftsteller, den Ludan und zwar den Ti- 
mon desselben, um nach der Beendigung dieser 
Lektüre zu den Reden des Isocrates überzu- 
gehen. Da er auch noch das Hebräische zu 
vertreten hatte, behandelte er die Grammatik 
dieser Sprache und daneben den Jesaias. Auch 
ihm erteilt Haller für seinen f^eiss und seine 
Geschicklichkeit ein Lob: «in qua professione 
ut est diligentissimus ita exerdtatissimus, ut 
non sine magno fructu audiri possit» 

Interessant ist die Tatsache, dass der «Läs- 
meister» der Sprachen im Griechischen sich 
nicht auf die Lektüre des Neuen Testamentes 
beschränkte, sondern in seinen Vorlesungen 
der profanen Litteratur des Hellenenvolkes den 
für die Geistesbildung ihr zukommenden Raum 
in vollem Masse gewährte. Den Isocrates wird 
der gelehrte Artopoeus namentiich aus rheto- 
rischen Gründen mit seinen Schülern traktiert 
haben, um dem Professor artium, der die Ju- 
gend vorzüglich auf Grund der lateinischen 
Klassiker in die Kunst der Beredsamkeit einzu- 
führen hatte, hülfreiche Hand zu bieten, und 
zum Lukian, aus dem er zweifelsohne verschie- 
dene Stücke^ mit seinen Schülern gelesen hat. 




^ 



Die Entwicklung der Obern Schule in der zweiten HUfte des Refomiationsjalirinmdertt. 



fljfarte ihn das ethische Moment, und dem Theo- 
logen der Reformationszeity der gegen die Fin- 
sternis ebenso ankämpfte, wie der Samosaten- 
ser gegen den Aberglauben und die Heuchelei 
und die Dunkehnänner seiner Zeit, werden die 
Schriften des Lukianos mit ihrer feinen Satire 
auf die Verkehrtheiten der Menschen besonders 
sympathisch gewesen sein; so werden denn 
des Artopoeus Schäler namentlich aus seinen 
Vorlesungen über Lukian den grossen Nutzen 
gezogen haben, von dem Haller spricht 

Der Professor artium endlich, Bernhard Till- 
mann, behandelte die Dialektik nach Melanch- 
thons erotemata dialectices, die in vier Büchern 
die Kunst der Dialektik vollständig darlegt 
Daneben trieb er mit den Studenten Mathema- 
tik, von den Anfangsgründen an, da das ganze 
Jahrhundert an der Untern Schule dieses Fach 
noch nicht berücksichtigt wurde, und las die 
Sphaera des Johannes Sacrobustanus.^ 

Bald nachdem Haller seinen Brief, der uns 
in dieser Weise über die Vorlesungen am Bar- 
füsserkoUegium orientiert, an Bullinger abge- 
schickt hatte, verliess Eberhard von Rümlang 
das Kloster und nun war Wolfgang Musculus 
der einzige Professor für die eigenfliche theo- 
logische Wissenschaft; er vertrat sie mit stei- 
gendem Ruhm bis zu seinem Tode im Jahr 
1563. Auf dem Lehrstuhl für die Sprachen folgte 
den 8. Juni 1553 seinem Kollegen Artopoeus, 
der in diesem Jahr starb, der bisherige Schul- 
meister an der Lateinschule, Benedictus 
Aretius,^ der dann seinerseits nach dem 
Tode Müslins, den 26. November 1563, zum 
Theologus vorrückte; an seiner Stelle erhielt 
der Pfarrer Valentin Rebmann (Ampel- 
ander) den 3. Dezember das Lasmeisteramt für 
Griechisch und Hebräisch, dem den 30. Sep- 
tember 1573 der Schulmeister Christian 
A m p o r t nachfolgte. Bernhard Tillmann lehrte 
«die Künste» bis 1558 und nach ihm Peter 
Schneeberger vom 10. März dieses Jahres 
bis zum Jahr 1574. 

Die Zahl der Vorlesungen, welche im Kol- 




^ 




legium 'zu Barfüssen gehalten wurden, war nach 
dem Gesagten nidit gross, so dass auch neben 
der Zeit, welche die Dienstagsdeklamationen 
in deutscher und die Samstagsdeklamationen in 
lateinischer Spradie beanspruchten,' den Stu- 
denten nicht wenig Müsse übrig blieb für ihre 
Privatiektüre. Dass sie diese in weitem Um- 
fange zu treiben hatten, wissen wir ausser aus 
andern Andeutungen namentiich aus einem 
Pergamentblatt, welches unser Artopoeus, von 
seiner Hand beschrieben, seinem lateinisdien 
Ludan^ auf dem Schlussdeckel aufklebt hatte. 
Dasselbe enthält — jede andere Deutung ist 
ausgeschlossen — die Anweisungen an die 
Studenten für ihre Privatiektüre. Artopoeus 
war von 1547 bis zum Jahr 1553, seinem Todes- 
jahr, Schulmeister im Kollegium und hatte in 
dieser Eigenschaft natürlich die Privatiektüre 
der ihm untergebenen Alumnen zu leiten und 
zu beaufsichtigen. Seine Anweisungen dafür 
sind nun höchst interessant Sie zeigen uns 
vor allem, dass man im Reformationsjahrhun- 
dert im Barfüsserkfoster zu Bern bei der Aus- 
wahl der Lektüre nicht bloss die sprachliche 
Seite der Autoren berücksichtigte, sondern auch 
von ethischen Gründen sich leiten liess. Es 
sollten solche Autoren gelesen werden, wekAe 
auf die Bildung des Charakters einwirkten und 
dem Menschen zu einem glücklichen Dasein 
verhelfen könnten. Deshalb sollen die Studen- 
ten ausser dem Cicero auch die Schriften des 
Seneca und die Biographien und moralischen 
Abhandlungen des Plutarch, sowie eine An- 
zahl Dialoge des Plato lesen, und von diesen 
in erster Linie diejenigen, welche sich auf die 
Staatsverwaltung beziehen; des fernem die 
Briefe des Hieronymus, dies und jenes von 
Augustin, von Erasmus die Institutio prindpis 
Christiani, das Enchiridion miiitis Christian! 
und seine Paraphrasen zu den neutestament- 
lichen Schriften, von Thomas Monis die Uto- 
pia sive de optimo genere reipublicae. Das 
Studium der alten Geschichte hat mit dem 
Justin, Florus und Valerius Maximus zu be- 



« 



Die Entwicklung der Obern Schule in der zweiten Hälfte des Refomutionsjahriiundefls. 



ginnen. Von den christlichen Dichtem werden 
Prudentius, Sidonius, Paulinus, Arator, Pros- 
per und Juvencus anempfohlen, die an vielen 
Stellen den Vergleich mit jedem altidassischen 
Autoren aushalten könnten, soviel die Eleganz 
der Dichtung anbetreffe. 

Artopoeus sieht also in seinem Programme 
fär die Privatlekture nicht auf die Klassizität 
der zu lesenden Autoren; dieselben gehören 
allen möglichen Zeiten an bis zu den Neu- 
lateinem hinauf; nicht die Form, sondern der 
Inhalt gab dem Schulmeister zu Barffissen den 
Ausschlag. Nicht als ob er nicht gewünscht 
hätte, dass auch die Form von seinen Alum- 
nen berücksichtigt würde. Es sollte auch die 
Privatlektüre dazu dienen, denselben das Ver- 
ständnis für die Eleganzen der lateinischen 
Sprache zu vertiefen und ihre Fähigkeit, sich in 
gutem Latein gewandt auszudrücken, zu er- 
höhen und dies sollte gerade durch das Stu- 
dium des Spradigebrauches der Schriftsteller 
verschiedener Zeiten und durch die Vergleich- 
ung des Sprachgebrauches mit den Regeln der 
Grammatik erreicht werden. Es sollten die Stu- 
denten zu diesem Zwecke auch Collectanea an- 
legen und in denselben alle elegantiae linguae 
latinae, auf die sie in ihrer Lektüre stiessen, 
gewissenhaft verzeichnen, neben den histori- 
schen Charakterzügen von Männern, die für 
ihr Leben ein Vorbild werden müssten. 

Auch aus diesen Mitteilungen geht hervor, 
dass um die Mitte des 16. Jahrhunderts an 
der bemischen Obern Schule ein reges wissen- 
schaftliches Leben herrschte und dass die gros- 
sen Qelehrten, die an ihr doderten, auf die Bil- 
dung und Erziehung der Jugend vortrefflich 
einzuwirken verstanden. 

Im Qeist des Artopoeus fuhr Aretius fort, 
der nach dessen Tode Schulmeister im Kloster 
wurde und mit seinem umfangreichen philolo- 
gischen Wissen die Studien seiner Alumnen 
ebenso gewissenhaft und mit demselben pä- 
dagogischen Takt leitete, wie sein Vorgänger.^ 



51 




Sdton ein Jahr, nachdem er ins Barfüsser- 
kloster eingezogen war, 1554, führten seine 
Studenten den Plutus des Aristopha- 
nes^ auf; ob im Urtext oder in der lateini- 
schen Uebersetzung, erfahren wir leider nicht 
Meine gnädigen Herren schenkten ihnen an die 
Kosten der Aufführung 20 Kronen; was übrig 
bliebe, sollte dem Meister Bendichten, also dem 
Professor Aretius, für seine Mühe und Arbeit 
zukommen.^ Natürlich leitete Aretius nicht bloss 
die Auffühmng, sondern er las auch den Plutus 
mit seinen Schülem und interpretierte ihnen die 
Komödie und wir dürfen wohl annehmen, dass 
auch noch andere Stücke des Aristophanes im 
Kloster gelesen und erklärt wurden, und es 
mag wohl schon Nikiaus Pfisters Vorgänger, 
Thomas Orynaeus, im Barfüsserkloster zu Bem 
den griechischen Komödiendichter interpretiert 
haben nach dem Vorgang seines berühmten 
Vetters, des Simon Orynaeus, der in der Basler 
Aristophanesausgabe vom Jahre 1532 (apud 
Cratandmm et Joa. Bebelium) auseinander- 
setzt, wie der Lehrer seine Knaben über den 
schlüpfrigen Boden der im Aristophanes ge- 
schilderten Laster hinwegführen tmd auch diese 
Lektüre in den Dienst der Ethik stellen soll: 
in vitiis non vitia, sed virtutem interpretabitur 
et illustriorem reddet, quod praecipuum esse 
in omni puerili institutione consilium debet. 

Uebrigens war schon unter Thomas Qry- 
naeus und Simon Sulzer im Januar 1540 ein 
«Spil» aufgeführt worden, dessen Titel uns 
aber nidit überliefert wird,^ und neun Jahre 
nachher ein anderes, in welchem die katho- 
lische Kirche verspottet wurde; eine Messe, in 
welcher Teufel den Altar bedienten, kam darin 
zur Darstellung.^ Diese Aufführung erregte An- 
stoss ausserhalb des Kantons und nach Bem 
wurde berichtet, die katholischen Orte wer- 
den sich die Verspottung dessen, was ihnen 
heilig sei, nicht gefallen lassen und sie werden 
sich zu rächen wissen. In Bem wollte man 
dieses Spiels wegen mit den Katholiken keine 
Fehde beginnen und gab deshalb den 23. Ja- 



^ 



Die Entwiddung der Obern Schule in der zweiten HJElfte des ReformationsjahrfnindertB. 



nuar 1550 den Boten nach Baden die Instruk- 
tion, sie sollten den Stand Bern bei allfalliger 
Interpellation entschuldigen und sagen, das 
Stück wäre nicht aufgeführt worden, wenn man 
hätte voraussetzen müssen, dass die Katholiken 
Verdruss darob empfangen wurden ; es sei auch 
nichts neues, sondern schon früher zu Strass- 
burg gedruckt und bei beschlossenen Türen 
aufgeführt worden.^ Die Interpellation blieb 
aus und so fiihrte denn dieses Spiel zu keinen 
weitem diplomatischen Auseinandersetzungen. 
Wir werden aber annehmen dürfen und müs- 
sen, dass von nun an in Bern von den Studen- 
ten keine katholikenfeindlichen Spiele mehr auf- 
geführt wurden, und vielleicht auch nur bei 
ganz besondem Gelegenheiten, wie den 31. De- 
zember 1561 ^ zum Empfang des Herzogs von 
Longueville und den 10. Oktober 1593 bei Oe- 
l^enheit der Hochzeit des Hans Willading, das 
Schuldrama gepflegt wurde. 

Im Jahr 1574 wurde die Aufgabe des Sprach- 
lehrers erleichtert, indem jetzt für die hebrä- 
ische Sprache eine besondere Professur errich- 
tet wurde, so dass von nun an zu Barfüssen 
regelrecht vier Professoren wirkten: der 
Theologus, der Professor graecus, der Pro- 
fessor hebraicus und der Professor artium oder, 
wie er jetzt schon hiess, der Professor philo- 
sophiae. 

Der erste Professor hebraicus war Joan- 
nes Hortinus, der zu Heidelberg studiert 
hatte, und den 17. Mai 1574 provisorisch an- 
gestellt wurde. Den 7. Juli 1575 wurde er in 
seinem Amt bestätigt ftir so lange, als «es 
minen Herren gefallt und er sich wol haltet». 
In demselben Jahr, da er seine Vorlesungen 
begann, wurde der Professor artium Peter 
Schneebeiiger als Schulmeister an die Untere 
Schule versetzt und zum Nachfolger auf seinem 
Lehrstuhl der junge Qabriel Blauner ge- 
wählt, den 12. Februar 1574, mit dem Qeding, 
dass er sich neben der Professur zum Predig- 
amt übe und brauchen lasse; es war dies we- 
nige Tage vor dem Tode Bendicht Martis, an 



» 



dessen Stelle Thfiring Rust, der Pfarrer zu 
Teufelen, trat, so dass zu Ende des Jahres 
1574 folgende vier Professoren im KoU^um 
zu Barfüssen wirkten: 



1. Thüring Rust für die eigenüiche Theologie, 

2. Christian Amport als Professor graecus, 

3. Johann Hortin als Professor hebraicus, 

4. Gabriel Blauner als Professor artium. 

Hortin behielt seinen Lehrstuhl bis zum 
Jahr 1597 ; da wurde er wegen ärgerlichen 
Lebenswandels seines Dienstes entlassen und 
vom Rathausammann sein Studierstüblin ver- 
schlossen. Nachdem sein Nachfolger, der Zo- 
finger Balthasar Seelmatter, nur 3 Mo- 
nate lang gewirkt hatte, wurde Peter Schnee- 
berger, der vom Jahre 1587 an wieder an der 
Obern Schule als Professor graecus tätig ge- 
wesen war, auf den hebräischen Lehrstuhl be- 
rufen (den 30. März 1598), den er bis zu seinem 
Tod inne hielt Ihm folgte den 25. Juni 1612 
Emanuel Zeender, der Schulmeister zu 
Bern, der 1600 ab academiis gekommen und 
erst Präceptor an der Lateinschule geworden 
war, und nun wurde vom Täglichen Rat die 
Einrichtung getroffen, dass der Hebräische Pro- 
fessor in allen Stücken dem Theologus gleich 
gestellt, «beide einsteils glyche Arbeit und 
Dienst^ vertretten, anders vils aber ouch in 
glychem Ansechen, Wurde und Owalt syn söl- 
lindt ». 

Die beiden hatten von nun an miteinander 
die Theologiam zu profitieren, wie das betref- 
fende Ratsdekret besagt, der eine aus dem 
Alten und der andere aus dem Neuen Testa- 
ment, und auch im übrigen dieselben Funk- 
tionen; immerhin blieb dem Theologus veteris 
testamenti nach wie vor die Aufgabe, die gram- 
matikalischen Kenntnisse, die die Studenten an 
der obersten Klasse der Untern Schule bereits 
sich erworben hatten,^ zu erweitem und zu 
vertiefen, « dass er zuglych us dem hebräischen 
Text die Fundament derselbigen Sprach nach 
Anwysung der Orammatik dergstalt der Jugend 




^ 



Die Entwicklung der Obern Schule in der zweiten Haute des Reformationsjahrhunderts. 



fOrtrage» nach dem es ihnen nützlich und erbuw- 
lichy damit also der hebräischen Sprach hiemit 
nüt benommen, sonder dieselbe mit höchstem 
Flyss den Studenten fürtragen werde». 

Beide hatten abwechslungsweise die Dis- 
putationen zu leiten, welche jeden Donners- 
tag Nachmittag stattfanden ; da hatten sich von 
2 — 4 Uhr zuerst die Studenten in der Kunst des 
Disputierens zu tU>en, worauf dann die Herren 
Qeistlichen und andere gelehrte Leute, wenn 
solche anwesend waren, freundlich angespro- 
chen und invitiert wurden, an der Disputation 
teilzunehmen. War es ihnen gefällig etwas 
c ffirzubringen », so wurden sie angehört und 
ihnen in aller Bescheidenheit die übrige Zeit 
bis um 5 Uhr gewidmet und Antwort gegeben. 

Ebenso wechselten sie jeden Samstag in 
der Verhörung der Predigten ab, welche die 
Studenten auf diesen Tag zu komponieren hat- 
ten und unterwiesen sie in der Kunst der Kom- 
position derselben. Zusammen stellten sie end- 
lich die theologischen Examina an. 

Zeenders Kollege, mit dem er sich in diese 
Verrichtungen zu teilen hatte, war der den 
8. August 1598 aus Qenf berufene Theologus 
Hermann Dürrholz (Lignaridus),^ der an 
die Stelle Jakob Haberreuters getreten 
war. Haberreuter, vorher Prädikant zu Nidau, 
hatte den theologischen Lehrstuhl vom 17. No- 
vember 1595 an versehen und war selber der 
Nachfolger des Theologus Huldreich von 
Bergen, der anno 1590 aus seinem Diakonat 
zu Bern in das Kloster zu Barfüssen berufen 
worden war (31. März). Vor ihm hatte Chri- 
stian Amport die Theologie doziert, nachdem 
ihn die Regierung den 17. März 1578 von 
der griechischen Professur zur theologischen 
promoviert hatte. Thüring Rust, den wir 
im Jahr 1574 die theologische Professur haben 
bekleiden sehen, lehrte ganz kurze Zeit; man 
warf ihm alleriei Mängel vor, und es folgte ihm 
den 29. Dezember 1575 Blasius Markward, 
früher Professor in Lausanne, der aber auch 
nur drei Jahre, bis 1578, im Kloster tätig war. 



^ 



Noch rascher war der Lehrerwedisel auf 
dem griechischen Katheder. Christian Amport 
wurde den 17. März 1578 durch Valentin Reb- 
mann ersetzt, der bereits früher schon einmal 
als Sprachlehrer gewirkt hatte und ihm in die- 
sem Amt vorausgegangen war.^ Schon nach 
zwei Jahren wurde Rebmann zum Prädikanten 
in Bremgarten gewählt (1580); auf ihn folgte 
den 8. Juni 1580 der Schulmeister zu Buigdorf 
Peter Hibner,» 1586 durch Peter Schnee- 
berger ersetzt, nachdem dieser 12 Jahre lang, 
von 1574 an, das Schulmeisteramt im Pädago- 
gium versehen hatte. Fünf Jahre später, vom 
6. August 1591 an, sehen wir den Peter Hib- 
ner, der inzwischen Schulmeister gewesen war, 
wieder auf dem griechischen Lehrstuhl und 
unser Peter Schneeberger wandert wieder auf 
die Schul, um hier aufs neue die Rute zu 
V schwingen und die bösen Buben in Zucht und 
Ordnung zu halten. Fünf Jahre sass nun Hib- 
ner noch einmal auf dem griechischen Kathe- 
der; ihm folgte den 15. März 1596 Balthasar 
Seelmatter, den wir als Professor hebraicus be- 
reits kennen gelernt haben, und wieder nach 
zwei Jahren, den 2. Februar 1598, Huldreich 
H e r 1 i n , der volle acht Tage in seinem Amte 
tätig war, um hernach den philosophischen 
Lehrstuhl zu besteigen. Wie ungünstig dieser 
rasche Lehrerwechsel auf die ganze Anstalt ein- 
wirkte, braucht nicht weiter ausgeführt zu wer- 
den. Ende März 1598 wurde Nikiaus Henzi, 
der Schulmeister zu Aarau, auf den Lehrstuhl 
der griechischen Sprache erhoben; er beklei- 
dete ihn bis zu seinem Tode volle 37 Jahre. 
1574 war, wie wir gesehen haben, Gabriel 
Blauner der Professor artium ; ihm folgte den 
17. März 1578 Samuel Bläpp, der Schul- 
meister zu Zofingen, 1583, den 8. November, 
Johannes Hasler, 1590, den 4. September, 
der Pfarrer in Köniz Huldreich Trog und 
den 30. März 1598, wie wir bereits wissen. 
Huldreich Herlin. Herlins Nachfolger war, vom 
17. Mai 1611 an, Emanuel Zeender, nach zwei 
Jahren wiederum zum Professor hebraicus in 




Die Entwiddiing der Obern Schule in der zweiten Hälfte des Reffonnationsjahrhunderts. 





gleidiem Rang mit dem Theologus berufen, 
worauf den 26. Januar 1613 Marcus Rfitimeier^ 
als Professor der Philosophie in das Kloster 
einzog. 



Die Lehrerbesoldungen 
und das Alumnat auf der SchuL 

Der rasche Lehrerwechsel hatte seinen 
Hauptgrund in der geringen Besoldung der 
Professoren. Vielmalen wurde der hohen Re- 
gierung geklagt, «wie gring und schlecht der 
hiesigen Professoren Bsoldungen syend, und 
dass deswegen niemands gern sich darin bru- 
chen lasse». Schliesslich gingen solche Klagen 
den Gnädigen Herren doch zu Herzen, und als 
den 30. März 1598 drei Professuren auf einmal 
besetzt werden mussten, beschlossen sie schon 
einige Tage nachher die sehnlichst erhoffte 
Aufbesserui^ der Pensionen. Es war freilich 
seit der Einführung der Schulordnung vom 
Jahr 1548 das Einkommen des Professoren^ 
bereits etwas gestiegen und zwar um 26 Pfund 
in Geld und um ein weniges in Naturalien, so 
dass nach dem Befunde der Venneren, die jetzt 
die Ertragenheit der Corpora zu «erduren» hat- 
ten, ein jeder der vier Professoren von «der 
Stift» für seine Dienste für das Kollegium zu 
Barfüssen bezog: 
an Geld 186 Pfd., 13 Seh., 4 Pfenn., 

Dinkel 26 Mütt, 8 Mass, 

Haber 6 Mütt, 8 Mass, 

Wein 7 Saum, 33 Mass. 
Die Teuerungsverhältnisse waren aber an- 
dere geworden, so dass diese Corpora in der 
Tat sogar von den Finanzfaerren als zu leicht er- 
funden wurden, und nadi ihrem «Bedenken» 
wurde den 4. April 1598 dekretiert, jedes Cor- 
pus um 33 Pfund, 6 Seh. und 8 Pfennige, 9 
Mütt und 4 Mass Dinkel und 3 Mütt und 4 
Mass Haber und sogar um 67 Mass Wein zu 
vermehren und zu erbesseren,^ so dass jetzt 
eines jeden Professors Besoldung betrug: 



an Geld 220 Pfund, 
Dinkel 36 Mütt, 
Haber 10 Mütt, 
Wem 8 Saum. 

Die Aufbesserung kam aber nur denjenigen 
zu statten, welche neben dem Schuldienst nicht 
noch andere mit einer Besoldung verbundene 
Dienste versahen, also nicht denjenigen, wel- 
che noch einen bestimmten Kilchendienst ver- 
sahen, wie denn zur Zeit dieses Ratsbeschlus- 
ses der philosophische Professor Herlin zu- 
gleich als Prädikant fungierte und vom letzten 
Tag des Jahres 1605 an regehecht zwei Pro- 
fessoren die Kanzeln zu Bremgarten und in 
der Kirche zum Heil. Geist in der Stadt be- 
dienten. Erst den 9. März 1632 wurden diese 
beiden Dienste den Herren Professoren ab- 
genommen — es waren damals der Professor 
graecus N. Henzi und der Professor linguae 
hebraicae David Maser — und nun wurden 
allen vier Professoren dieselben Pensionen aus- 
gerichtet* 

Der Tägliche Rat liess seine Gnade noch 
weiter walten und schüttete neuen Segen auch 
über die Alumnen des Klosters aus. Nachdem 
dessen « Herr » bis anhin für einen jeden seiner 
Untergebenen an Geld 12 Kronen erhalten 
hatte, wurden ihm vom 6. Mai 1598 an^ deren 
15 ausgerichtet, zur Hälfte aus dem Stift, zur 
Hälfte aus dem Schulherrenseckel. 

Bereits im Jahr 1549 waren dem Vorsteher 
des Kollegiums zu Barfüssen, dem Nikiaus 
Pfister, für jeden Alumnen an Geld 20 Gulden 
= 12 IOt>nen ausbezahlt worden,^ aber seit je- 
nem Jahr waren die Ausgaben des Staates für 
die Beköstigung der künftigen Theologen ge- 
waltig angewachsen, indem zwei Dezennien 
nachher die Zahl der Alumnen von 16, wie sie 
die Ordnung von 1548 bestimmt hatte,^ auf 36 
erhöht wurde. Im Jahr 1577 wurde nämlich 
der Bau einer neuen Behausung für die Un- 
tere Schule auf dem Platz der ehemaligen 
Franziskanerkirche zu oberst an der Herren- 
gasse begonnen, damit Kloster und Sdiul auch 




DAS PAEDAGOGlUn 



IR^ 



Die Eniwiddung der Obern Schule (n der zweiten Hilfte des Retormaiionsjahriiunderte. 




^ 



räumlich mit einander in Verbindung kämen 
und ein grosses Ganze bildeten; es ist die 
jetzige « Hochschulbibliothek »y die bis zum 
Jahr 1884 die auf die Akademie vorbereitende 
Unterrichtsanstalt beherbeigte. Durch diesen 
Bau wollte man zugleich für die notwendig er- 
achtete Erweiterung des Alumnates den er- 
forderlichen Raum gewinnen. Die Behörden 
mussten zu ihrer Betrübnis ersehen, wie die 
Sitten der Studenten, die ausser dem Kloster 
wohnten, immer mehr sich lockerten, und ent- 
schlossen sich deshalb, «die erwachsenen 
Studenten sammethaft inzusperren)», 
damit es ihnen wieder ermöglicht würde, sie 
unter guter Disziplin und Zucht zu halten.^ 
Deshalb wurden die Klassenzimmer der La- 
teinschule alle im untern Stockwerk eingerich- 
tet, das obere wurde zum Bau von neuen Stüb- 
linen verwendet und im mittlem eine bequeme 
Wohnung für den Praepositus der Alumnen, 
welcher der Sdiulmeister der Lateinschule war, 
helgestellt Im Kloster waren bis jetzt 16 Alum- 
nen' beherbeigt worden; diese Zahl übertrug 
man jetzt auf die neue Schule und baute hier 
vier Stüblinen für je vier Studenten, im Kloster 
aber erhöhte man die Zahl der Losamente und 
unterhielt von jetzt an daselbst 20 Alumnen. 
Bei dieser Gelegenheit gab man den drei 
Städten Thun, Zofingen und Brugg das Recht 
auf je zwei neue Stipendien. Im Jahre 15823 
unterrichteten die Provisoren bereits in der 
« Nüwen Schul )», nachdem dieselbe durch einen 
feierlichen Akt eingeweiht worden war, und der 
neue Präpositus waltete mit Ernst und Würde 
seines mühevollen Amtes. 

Mit Unrecht wendet sich Schärer in seiner 
Schulgeschichte gegen den Verfasser der De- 
lidae unserer Stadt,^ der den Beginn des Baues 
ins Jahr 1577, die Einweihung auf den 8. Juni 
1581 ansetzt, indem er aus der an dem Schul- 
hause angebrachten Inschrift den Schluss zieht, 
dasselbe sei schon den neunten Tag vor den 
Kaienden des Mai 1577 eingeweiht worden. 
Nadi dem Ratsmanual^ fertigte der Tägliche Rat 



den 3. Juni 1581 an den Bauherrn den Zettel aus : 
«söUendt die gemach zu dem Paedagogio uff 
der nüwen schul fürderlich ussmachenn, und 
vor wynther zytfi volenden lassen ». Im Sommer 
1581 war demnach das dritte Stockwerk mit den 
Stüblinen für die Alumnen noch nicht vollendet, 
weshalb wir anzunehmen haben, die « Pädago- 
gianer» seien erst im Winter nach der Einweih- 
ung in ihr neues Heim eingezogen.^ Unsere 
Annahme wird bestätigt durch das Schreiben 
des Rates an die Schulregenten und Venner 
vom 1. Dezember 1581, in welchem diesen 
befohlen wird, dem Schulmeister Schneebei^r 
die Besoldung zu erhöhen « diewyl er die Kna- 
ben, so min G. H. in dem nüw gebuwenn Pe- 
di^gio erhaltenn lassen, zunn hut und pfläg 
haltenn und ouch inen ir spyss und trandc be- 
reichen lassen soll, und aber vonn wägen söl- 
licher siner muey und arbeit ime kein sonder- 
bare belonung verordnet». Die Inschrift vom 
Jahr 1577 bezieht sich also offenbar auf die 
Grundsteinlegung, die auch mit einer gewissen 
Feierlichkeit wird begangen worden sein. Bei 
derselben waren nach der erwähnten Inschrift 
die drei Schulherren (Scholarchen) Nikiaus von 
Diesbach, Nikiaus von Graffenried und Hie- 
ronymus Manuel anwesend. Im Jahr 1580 aber 
wird das Kollegium der Sdiulherren um ein 
Mitglied vermehrt und besteht von jetzt an 
aus vier Mitgliedern, unter denen vom Jahr 
1585 an^ regelrecht der Schultheiss erscheint 
Ebenso wurde es Usus, auch die beiden Seckel- 
meister zu Schulherren zu erwählen. 1602 wurde 
dann bestimmt, dass wegen der Arbeitsüber- 
häufung des im Amte stehenden Schultheissen 
das Schulherrenamt vom alten Schultheissen, 
der nidit im Amte steht, versehen werden solle.® 
Dass die Sitzungen der Schulherren von 1585 an 
vom Sdiultheissen präsidiert wurden, ist selbst- 
verständlich, aber gerade der Umstand, dass 
der oberste Beamte der Republik im Schulrat, 
wenn wir diese Bezeichnung schon gebrauchen 
dürfen, den Vorsitz führte, zeigt uns, welche 
Bedeutung der Stand Bern im Reformations- 




33 



^ 



Die Entwicklung der Obern Schule in der zweiten Hälfte des Reformationtjahrhttnderls. 



Jahrhundert den hohem Schulen beimass. — 
Noch soll hier erwähnt werden, dass das De- 
kret des Täglichen Rates wegen des allzufrühen 
Heiratens der Studenten, welches auch vom 
3. Juni 1581 datiert ist, mit den Worten be- 
gmnt: «Wir thund khund hiemitt, dem- 
nach wir hievor und langezytt har by ettiüdien 
Stipendiaten und SchuUerenn, die in unserm Co- 
legio zu den Barhissenn, und von dem Almusen 
genampt zum musshafenn, allhie zu unseren 
kilchen- und Schul-Dienstenn erhaltenn, und 

ufferzogenn werden » Es ist also hier nur 

von dem einen Alumnat im Kloster die Rede; 
un Sommer 1581 bestand eben das «Pädago- 
gium » auf der Schul noch nicht. 

DltdpllnarbMtimmungen. 

In demselben Jahr sah sich die Regie- 
rung genötigt gegen die überhand nehmende 
Verwilderung der Studierenden ein scharfes 
Dekret zu erlassen (den 3. Juni 1581).^ Statt 
die Vorlesungen zu besuchen und zu Hause 
den Studien obzuliegen, führten manche, wel- 
che die Stipendien des Staates genossen, ein 
müssiges und ausschweifendes Leben, zogen 
in den Strassen der Stadt als « Qassentretter » 
hin und her und ärgerten die ehrsamen Burger 
durch ihr stolzes Gebaren und ihr herausfor- 
derndes Auftreten. Wundere man sich aber 
nicht über den anstössigen Lebenswandel, den 
damals viele unter den künftigen Dienern Got- 
tes führten; es stand nicht viel besser unter 
denjenigen, weldie bereits als Hirten der Herde 
vorstanden. Es ist bezeichnend in dieser Hin- 
sicht, dass in demselben Jahr 1581 (den 11. Sep- 
tember) der Schultheiss Beat Ludwig von Mü- 
linen im Ratfiaus den versammelten Prädikan- 
ten des ganzen deutsdien Kantonsteils vor- 
hielt, dass «viele unter ihnen seien, die in 
offnen Sünden li^en, als fümemlich in Hurey, 
Ehebruch, Gotteslästerung, Trunkenheit, Geiz, 
Wucher» und dass die Reformation der Sitten 
zunächst beim geistlichen Stand anzuheben 
habe.' 



» 



Ganz besondere Aergemts erregten diejeni- 
gen, welche sich während ihrer Stndienieit 
heimlidi und ohne Erlaubnis veriieirateten. Die 
Ordnung von 1548 hatte zwar in ihrem An- 
hang bestimmt,' dass solche unwürdige Stipen- 
diaten ohne weiters Verstössen wünlen, aber 
diese Bestimmung wurde nidit durchgeführt, 
oder, wenn audi die Schulherren es taten, so 
wurden die von ihnen Verstossenen vom Täg- 
lichen Rat wieder begnadigt, und es gelang 
einem jeden, audi wenn er nachher wieder 
die Studien vemadilässigte, durch unablässiges 
Nachhinlaufen in den Kirchendienst sich ein- 
zuflidcen.^ Deshalb beschloss nun die Regie- 
rung im Jahr 1581 zunächst, dass flberiuuipt 
kein Studiosus mehr, bevor er einen Kirdien- 
dienst erhalten hätte und in demselben be- 
stätigt worden, die Eriaubnis erhalten sollte, 
sich mit einer Tochter oder Witwen zu ver- 
ehelichen. Die Zuwiderhandelnden, mit was 
Gedingen und Fürworten oder Casualitäten 
das immer geschehen möchte, sollten ihrer Sti- 
pendien und Benefizien beraubt werden, aber 
auf Wohlverhalten hin die Erlaubnis eriuHen, 
ihre Studien ausserhalb des Klosters tortzu- 
setzen und nur dann zum Kirchendienst zu- 
gelassen werden, wenn sie in der Zeit ihrer 
Privation alle Pflichten der Studenten erfüllt 
und von jedem Professor das Zeugnis offen- 
barer Bekehrung und Besserung erhalten hät- 
ten. « Im fhal aber — so heisst es in dem De- 
kret weiter — solliche ungehorsame und pri- 
vierten inn irem muttwyllen eriierrtten und in 
der dissolution sich dermassen erzeigen wur- 
den, das khein besserung von innen zehoffen, 
dieselben werden wir handhafften, und gefenk- 
lich zu wasser, muss, und brott, so lang ent- 
halten lassen, untzitt sy denn kostenn so wir 
mit Inen erlitten, üi parem gelt wider bekhert, 
oder jeden tag, unnd nacht ein halben guldin 
abverdient habind, hienäben ouch sy zu khei- 
nen kilchen, noch Schul Dienstenn nimmermeer 
annemmen, noch bruchen lassen.» 

Dieselbe Strafe bestimmte dann der Tag- 




« 



Die Entwkkluiig der Obern Schule in der zweiten Hälfte des Refömiationsjahrhunderts. 



» 



Hche Rat auch fOr diejenigen, welche durch 
andere Mittel, denn durch unzeitiges Weihen, 
gegen die Disziplin sich Verstössen und durch 
einen ärgerlichen Lebenswandel die Ungnade 
der Obern sidi zuziehen sollten, für alle Aus- 
schweifigen, Qassentretter und Mfissiggänger, 
die in ihren Lastern hartnäckig verharrten und 
<Üe dutiaren Oemfiter der andern korrumpier- 
ten. Und um solchem Unrat zuvorzukommen, 
beschloss er einen ehrbaren Pedellen und « Uf - 
achteren» anzustellen, welcher den Alumnen 
ihre notwendigen Qeschafte in der Stadt ver- 
riditen sollte, so dass ihnen aller Qrund, sich 
des Klosters zu entäussem, benommen würde. 
Welche dies deiuioch ohne Erlaubnis täten, 
tags oder nachts, die sollte der Pedell dem 
Praepositus angeben und verzeigen, damit sie 
nadi Gestalt der Sache gestraft werden könn- 
ten. Den Urlaub selber sollte nur der Praepo- 
situs geben können und die Beurlaubten waren 
gehalten, sich bei ihm unverzüglich zu stellen, 
sobald sie wieder «anheimsch» geworden waren. 

Das ganze Dekret wurde in eine Tafel ge- 
sdvieben und auf Befehl der Obrigkeit im 
Kk>ster aufgehängt 

Da der Pedell in keiner Ordnung und in 
keinem weitem Erlass mehr erwähnt wird, 
müssen wir annehmen, dass diese letzte Be- 
stimmung des Dekrets von 1581 gar nicht aus- 
geführt wurde und der angedrohte Ufaditer, 
wohl zur Freude der Studenten, seinen Einzug 
ins Ktoster noch nicht hielt 

Die Schulordnung des Jahres 1501. 

Die Kenntnis der Ordnung von 1591 ver- 
danken wir dem unermüdlictaen Forsdiereifer 
des Herrn Fluri;^ bis vor kurzem wusste man 
nichts von ihrer Existenz. Leider ist sie nicht 
ganz vollständig, doch führt uns die Ver- 
gleidmng mit der folgenden Ordnung zur Ver- 
mutung, dass nicht viel verioren gegangen 
ist' Leider auch fehlt jede Jahrzahl ; der 
Titel heisst einfach «Ordnung der Schul 



zu Bern»; die Zeit der Abfassung oder der 
Corroboration durch die Obrigkeit wird am 
Ende gestanden haben. Sie zerfällt in fünf Ab- 
schnitte oder Kapitel; das erste hat den Titel 
«Die erste Abtheilung der Schul» und be- 
spricht in Kürze — um nur über das zu refe- 
rieren, was sich auf die Obere Schule bezieht 
— den Zweck der Lehranstalt im Barfüsser- 
kloster, die Aufgaben und Vorlesungen der 
Professoren und die Examina. Das zweite Ka- 
pitel « Die andere Abtfieilung der Schul » spricht 
vom Zweck der Alumnate auf Kloster und 
Schul, das dritte von der «Regierung der 
Schul», das vierte von «Der Studenten Senat» 
und das letzte endlich macht uns mit den 
«Gemeinen Satzungen der Studenten im Klo- 
ster und uf dem Paedagogio» bekannt Zwi- 
schen dem zweiten und dritten Kapitel sind 
unter dem Titel «Verbesserung etlicher artick- 
len in der Schul Ordnung» eine Anzahl Kor- 
rekturen von Bestimmungen, die sich in den 
einzelnen der genannten Kapitel finden, ein- 
geschaltet; sie sagen uns, dass und in welcher 
Weise der ursprünglich festgesetzte Text der 
Ordnung in einer Reihe von Paragraphen nach- 
träglich geändert worden ist^ Der ursprüng- 
liche Text muss nach dem Einzug der 16 
Alumnen in das Pädagogium und vor dem 
September 1590 verfasst worden sein.^ Da nun 
im Juni und September des Jahres 1591 vom 
Täglichen Rat aus die Weisung zur Reform 
der Schulordnung erging,^ so gehen wir wohl 
nicht irre, wenn wir nach dem Voigang von 
Fluri annehmen, dass die nachträglichen Aen- 
derungen aus diesem Jahr 1591 stammen und 
wenn wir deshalb die zu besprechende Schul- 
ordnung diejenige des Jahres 1591 nennen.^ 

Die Bedeutung dieser Schulordnung liegt 
darin, dass wir aus ihr die leges domesticae 
der Alumnen auf Schul und Kloster erfahren, 
die Gesetze, nach denen ihr Leben genau ge- 
regelt war, die Strafen, welche die Uebertreter 
derselben trafen, sowie die Organisation des 
Studentensenates. 




in 



Die Entwiddinii^ ilcr ^)eni Schule in der zwetten Hälfte des Reforauitfcmtlilnlmuderti* 



29. Wan die Studenten hinuss glassen wer« 
den 80 man ubeis blut richieti so sollend sy 
um die IZ stund all wider anheimsch werden, 
wo einer darüber etüich stund ussblibe der 
soll exdudiert werden. Welcher aber uss dem 
ein anlass näme den gantzen tag oder oudi 
die nacht fiber da ussen zeblyben, der soll dar- 
fur gfaalten werden, als wan er ohne erloubt- 
nuss sich geiisseret hätte. 

30. Die Studenten und Schuler sollend an 
khein Hochzyt weder in der Statt noch ussetfa 
der Statt glassen werden, es sy denn sach, das 
einem der Brätgam oder brutt noch geschwe- 
gerdt oder bhitverwandt sye. Nach ludt der 
hohen Oberckeyt Satzung anno 1557 uff den 
21. Jan. darüber gmachet 

31. Dennen in der Statt an ein Hodizyt ze« 
gan vergöndt wir^ die sollen sich nach ver* 
richtetem mal wider an ir gwarsamy machen, 
welcher das fibertrittet, der soll exdudiert wer- 
den« 

32 Welcher aber Tantzen oder zu Tantz 
machen wurde, der soll uss dem Kloster oder 
Paedagogio Verstössen werden, uff gnad der 
hohen Oberckeyt 

33. Welche usserth der Statt an Hochzytten 
oder sunst zu iren fründen reisen, und uff dem 
bestimpten tag nit wider erschinen, die sol- 
lend, wo sie nit wichtige ursach haben, glych- 
lig gstraft werden. 

34. Von dem Moigenbrott an btss um 11 
uren, und vom Nachtmal biss um 7 uren, ist 
den Studenten» 

Mit diesen Worten, zu Ende eines Blattes 
stehend, bricht die Schulordnung ab. 

Das vierte Kapitel derselben enthält die Be* 
Stimmungen über den Studentensenat, der 
(nach § 1) schon bald nach der Gründung der 
Schule eingeführt worden war nach dem Vor- 
bilde Trotzendorfs in seiner berühmten Sdiule 
zu Qoldbei^. In Bern bildeten alle Alumnen 
den Senat, der die Aufgabe hatte, die Vergeh- 
ungen derselben gegen die Gesetze selber zu 



^ 



beurteilen, die geringem an den Sündern nadi 
den gegebenen Straf bestimmungen, wie wir sie 
aus den leges communes ersehen können, zu 
bestrafen, die schwerem aber an den Praepo- 
Situs und die Sdmiherren zu weisen. Auch in 
Bern sollten die Schüler sich selber 
regieren lernen, denn diesem Prinzip ver- 
dankte die Einrichtung des Studentensenati 
ihre Entstehung. Aeusseriich äffte er die Em- 
richtung des römischen Staatswesens nadi, wie 
später der Aeussere Stand den bemisdien Staat; 
natürlich führte er seine Verhandlungen auch 
in der ^)rache des Volkes, das ihm als Vor- 
bild diente. Der Präsidierende war der Kon- 
sul; zu seinem Stabe gehörte der Aedilis, der 
über die Ordnung im Hause zu wachen hatte, 
der Quaestor, der die Bussen einziehen musste 
und die Censoren, denen die undankbare Pflidit 
oblag, die beobachteten Uebertretungen beim 
Senat anhängig zu machen. Die Diener dieses 
Beamtenstabes waren die Apparitores. 

Die Bestimmungen über den Senat lauten 
in der Schulordnung 1591: 

«1. Wytter so ist von den frommen alten, 
hoch und wolgelerten Herren, so zum ersten 
nadi der Reformation das CoUegium und Sdiul 
in Ordnung bracht, angsen und geordnet, ouch 
mermalen widerum bestetiget, das die Studen« 
ten im Closter iren eignen Senat aU wuchen 
drye mal halten sollend, darinnen sy yer be- 
velch und amptslüt habind, die sy all monat 
einest abwechslind. 

2. Die sollend ouch verbunden syn ob allen 
Satzungen vlyssig ze halten, und die minderen 
Sachen an einanderen ze straffen, wo sy aber 
hierin seumig sin wurdind, sollend sy der ge- 
bür nach gestraft werden. 

3. Was aber wichtig ist an Herren ze ap- 
pellieren, und imme dasselbig für zebringen. 
Glycher gstalt soll es im Paedagogio ouch 
gfaalten werdenn. 

4. In disem Senat sol kheiner wider sin 
Oberckeyt oder Praeoeptor ützit statuieren, 
noch understan Conspiration und anhang zma- 




« 



Die EntwkUniig der Obern Schule in der zweiten Hilfte des ReformatiotttlfthfliundertB. 



dien, wdchtf darin betretten wurd, der sol an- 
gentz I1S8 dem Kloster oder Paedagt^o ver^ 
werfen werden. 

Hiemitt wirt aber den Studenten nidit be- 
nommen die freihei^ sidi bei den H. praedi- 
kanten und dem theologo zu beklagen, wo ent- 
weder in der lehr oder ihrer tractation mangell 
befanden wurde, wetehe den verpfliditet sein 
sollen, Adit zu haben, dass beides in lectioni- 
bus und oudi in speiss und dranck den Stu- 
denten fOrgedragen werde, so ihnen gezlmbt 
und gebäret^ 

5. Ittem so ieniger uss kyb nit urtheilen 
weite, der soll exdudiert sin und geben 5 Pfen. 

6. Weldier oudi nadi gunst urtheilte, soll 
glydier straff underworfen sin.» — 

Die Sdiulordnung von 1616 fügt diesen Be- 
stimmungen nodi weitere fünf hinzu, weldie 
wir zur Vervollständigung des Bildes gleidi 
hier ansdiliessen wollen, da sie offenbar audi 
sdion fOr die Zeit galten, von der wir hier 
spredien. 

«a. Wann der Consul dn Senat ohne Ver- 
willigung dess Praepositi suspendieren wurde, 
so sol er ein Monat apparitor seyn. 

b. Der Aedilis im Ctoster, auf der Sdiul der 
CttrtoSySon verbunden seyn, zum gantzen Hauss 
gut Aditung zu geben, damit, wo etwas zer- 
brodien wurde, er es anzeige. Sie sollen audi 
das Tbor und Hauathür alle Abend zu ge- 
wohnlicher Stund bey ihren guten Trewen zu- 
sdiliessen. Und wo sie daran sefimig erfunden 
wurden, aollen sie, anstatt der Rutten, verbun- 
den aeyn, etwas so ihnen von ihren Praepositis 
aoferl^ wirt, ausswendig zu lehmen, und zur 
Buss offentUdi vor den Studiosis redtieren. 
Und wo aokhes zum oftermahlen besdiehe, 
sollen sie erstlidi für den Underen, und her- 
nach für den Oberen Schulraht gestelt werden. 

c. Der Quaesior sol verbunden seyn, seinem 
Praeposito all Monat Rechnung zu geben, und 
das Qett ihme hinderlegen. Welches dann nicht 
an Fressereyen sonder an gdiürUdie Sadien 



Ä 



— auss des Praepositj Raht und Verwilligung — 
als an Büdier und Kertzen u. s. w. sol gewendt 
werden. Wo einer daran seumig seyn wurde, 
sol er so lang exdudiert bleiben, biss dass er 
diser Ordnung statt getfaan. 

d. Die Censores und Scribae sollen fleissig 
die Ubertretter der Ordnungen Notieren, und 
damit sie gestraft werden, an gebühriichen Or- 
then, dahin die Leges die Straf bestimbt, näm- 
lichen dem Praeposito, oder Rectorj, oder 
Sdiolarchen, anzeigen; Wo sie fahrlessig 
oder untrew erfunden wurden, sollen sie über 
ihr ordenflidie Straf bey dem Rectorj verklagt, 
und in MonaÜichen Censuren gestraft, oder 
dem Obersten SdiulRaht angeben werden. 

e. Es mag auch zugelassen werden, am 
Newen Jahr und in der Herbstnadit aich zu- 
eigetzen, mit einem besdieidenlichen Mahl, 
und weyter nichts zedien.»^ 

Wir fügen hier noch bei, was aus den übri- 
gen Kapiteln unserer Schulordnung für die Ent- 
wicklung der Anstatt und die innere und ius- 
sere Gestattung derselben, soweit wir sie noch 
nidit kennen gdemt haben, eruiert werden 
kann. 

Unter den Zwanzigen im Kloster mussten 
je sechs oder sieben Examinaten sein, also 
solche, welche die Promotio ad ministerium 
berdts hinter sich hatten und «zum Predig- 
amt abgerichtet waren». Sie hatten, wenn es 
nötig war, auf dem Lande zu predigen.^ 

Wie vor Zdten fanden die Examina und 
Censuren alle Frohnfasten statt, aber die Stu- 
denten kümmerten sidi nicht vid um dieselben 
und bereiteten sich gar nicht mehr gewissen- 
haft auf diese Tage vor, da de von ihrem 
Wissen und ihren Fortschritten Rechensdurft 
geben sollten, deshalb sagt ihnen die neue Ord- 
nung, «de sollend in dem Examen ire Ant- 
wort nit uss den Bücheren lisen und dch nit 
aOem uff euie oder zwo Lectiones gebst 
machen, sonder nff aOe die, so sy ghört von 
einer Fronfasten biss zur anderen ». Nach den 
Resultaten des Examens fanden dam die Be- 




tfl 



Die Entwiddung der Obern Schule in der zweiten Hälfte des Refönnationtjalirhunderts. 



förderungen statt, denn die Fleissigen — so 
will es das Gesetz — sollten ihres Fleisses 
billig gemessen, einem Unfleissigen und Unge- 
lemigen vorgesetzt werden mid in der BefQr- 
denmg zmn Predigeramt einem anderen billig 
vorgehen, ein Unfleissiger und Ungehorsamer 
aber seines Unfleisses entgelten, bass abhin- 
gesetzt und desto länger unbefördert bleiben. 

Von den vier Professoren, die jetzt an der 
Obern Schule wirkten,^ hatte der Theologus 
als der erste und vornehmste unter ihnen wö- 
chenflicfa nur drei Vorlesungen zu halten und 
daneben am Samstag die Predigten der Stu- 
denten zu verhören. Der Hebraicus hingegen 
hatte alle Tage eine Stunde im Hebräischen 
zu lesen, der Professor artium ausser dem Sam- 
stag, da die Deklamationen und Disputationen 
gehalten wurden, jeden Tag ein der Philoso- 
phia oder fryen Künsten», ebenso der vierte, 
der Professor graecus, tagtäglich eine Stunde 
in griechischer Sprache mit Ausnahme des Dien- 
stags, da er die Themata examinierte, d. h. 
die Exerdtia stili sowol in griechischer, als in 
lateinischer Sprache, in Prosa und ligata ora- 
tione.* 

Die Studenten waren also mit Vorlesungen 
nicht sehr überladen ; wenn sie auch alles hät- 
ten hören müssen, was die Professoren lasen, 
hätten sie täglich nur drei Stunden im Audito- 
rium zubringen müssen. Das wird aber nicht 
der Fall gewesen sein; es wird schon damals 
bestimmte Abteilungen der Studierenden ge- 
geben haben, wenn uns auch nichts darüber 
überliefert worden ist Man wollte damals den 
Studenten für ihre privaten Studien und na- 
mentlich auch für die Vorbereitungen für die 
Samstagspredigten, die Deklamationen und Dis- 
putationen die nötige Müsse verschaffen.^ 

Die Inspedores und Superintendentes der 
Schule blieben die Prädikanten der Stadt In 
allen wichtigen Fällen und Angelegenheiten 
und namentlich in den Dingen, die vor den 
Täglichen Rat zu bringen waren, hatte man 
sich zuerst an sie zu wenden und sie anzu- 



51 



spredien und erst dann, wenn sie nidit von 
sich aus entsdieiden wollten («wo sy sieb die 
sach abzeschaffen, beschwären wurdend»), hat- 
ten die Petenten von ihnen, als den inneren 
Schulherren an die usseren Schulher- 
ren sich zu wenden, deren nun, wie wir be- 
reits gesehen haben, vier waren,* von einem 
Ehrsamen Rat dazu verordnet In weniger 
wichtigen («schiächten») und täglich vorfallen- 
den Dingen hatten die Studenten einzig an 
ihre Präceptoren und Präpositi sidi zu wenden 
und nur diese konnten den Urlaub von den 
Lektionen und den beiden Häusern erteilen. 

Ganz besonders erschwerte man jetzt die 
Erlaubnis, die Stadt verlassen zu dürfen « notfa- 
wendigen Geschäften halb ». Da hatte sich der 
Student zuerst an seinen Praepositus zu wen- 
den und dieser das Gesuch genau zu prüfen; 
bewilligte er den Urlaub, so hatte er es auf 
einen Zettel zu schreiben mit Angabe des Ta- 
ges der Wiederkunft Den Zettel hatte der 
Studiosus sodann zu allen andern Professoren 
zu tragen und von diesen zu dem Primarius 
der Prädikanten, d. h. dem Dekan und bei 
allen diesen Herren auch um Urlaub zu wer- 
ben ; unterschrieben sie den Zettel , den er 
schliesslich dem Praepositus zurückzubringen 
hatte, so durfte er seinen Urlaub antreten; 
weigerte sich einer dessen, so war ihm die 
Reise versperrt 

Durch diese pedantische Massregel hoffte 
man «vil unnützes vagieren und umschweiffen 
zu vermiden und abzestellen ». 

Auch mit den Stipendiaten, die man auf die 
hohen Schulen schickte, beschäftigt sidi die 
Schulordnung von 1591. Damit nur würdige 
und fähige Elemente dazu auserwählt würden, 
was bis anhin eben nicht immer der Fall ge- 
wesen war, bestimmte sie, dass «allein die 
ussgsendt werden, von denen man hoffet, dass 
sy etwas fümehms studieren werdend» und 
welche von ihrem Praepositus ein heiteres und 
beständiges Zeugniss ihres Fleisses, ihrer Got- 
tesfurcht und ihres Gehorsams erhalten. 




« 



Die EnMddiMf der Olieni Sdittk in der cweüen Hüfte des RefforMalioBtjaliriitiiideHt. 



^ 



Aiifi aeue wird bes tbiinity dass sie nur da- 
Us gdKo dürfen, wo die ReUgion retii ist und 
dass sie an dem Orte zu verlsieiben haben, 
wohin sie gesandt worden sind. Wer ohne der 
Geistlichen Herren Ounst, Wüssen und Willen 
an einen andern Ort sich begibt, wird seines 
Slipen<fiuais beraubt 

Bevor die Stq)endiaten ihre Vaterstadt ver- 
lassen, mfissea sie «ier Gonfession in Qsdbrifft 
steHen und hinder inen lassen, und wan sy 
wider anfaeimsch weiden, widerum iie Con- 
fesnott stellen und exinhieren, ouch einem Exa- 
men sich underwerfen». So gross war immer 
noch die Furcht, dass die jungen Herzen mit 
gottlosen Irdehren befleckt werden könnten, 
wenn sie nicht mdir unter der Zudit derSchule 
zun Barfässen standen. 

Mit dcflienigen, wekhe wahrend ihrer Stu- 
dienzeit in Bern gegen die Gesetze, welchen 
ein jeder zu gehorsamen duidi ein Handge- 
Ittbde sich verpflkhien musste, sich vergehen 
wärden und auf die warnende Stimme der Vor- 
gesetzten nicht acUeten, aoUie von nun an 
kurzer Prozess gemacht werden, indem die 
Onlnuag bestimmte: 

«Die Unghorsamen und Halsstarrigen und 
an denen nfilzit zeverbesseren noch zehoffen 
ist, sMlend ohne Verzug, und unangesahen, 
win Sf angfaorend, anderen zum Exempel ge- 
nrbubt weiden, und uss der Schul oder Gol- 
legio on alle Qnad Verstössen: in Ansahen, das 
von semlichen uutzit zeverhoffen, sonder sy 
a aUen kddidien Dingen ungschikt und un- 
tugenfich aind, niit destminder anderen, von 
denen vil guls zehoffen, den Platz verschla- 
heodt Und wo sy mit groben Lasteren sökhe 
VccsiDssnng verdient heiten, söQen sy unseren 
Qnad igen Henren allen angewenten Unkosten 
wider ecstatten.» 

Damit die Einspenuqg der Koüegianlen und 
Pidagogianer vollständig durdbgeführt winde 
und nidit etwa der sBndhafte Wunsch nach 
griSsscner Ereifaeit unter ihnen entstehen und 
WM aussen genährt werden könnte, solUe es 



w>n nun an den «Ausseren», die in den Vci^ 
dacht kämen, die Alumnen heimlich aufzuwei- 
sen und zu verfuhren und die Disziplin in den 
Häusern zu verwirren, veiboten sein, ohne be- 
sondere £ri»ibnis des Praepositus ausser der 
Zeit der Lektionen das Kloster zu betreieiL 
Merkw&rdigerweise dehnt die Ordnung dieses 
Verbot auch auf die Provisoren ansl 

Das Kapitel von der Regierung der Schule 
schliesst sie ab mit der Weisung an den 
«Herrn», aus der ZjM der Studiosen zu meh- 
rerer Erhaltung guter Disziplin, Zucht und Ehr- 
barkeit zwei oder drei auszuwählen, die in- 
sonderheit verpflichtet und verbunden sein soll- 
ten, grobe unzüchtige Sachen und FeUer in 
allen Treuen zur Anaeige zu bringen. 



Das lUrtsdekret des Jahres MIO. 

Neben den Alumnen unterscheidet die Schul- 
ordnung von 1591 die usseren Studenten, 
die Nahrung und Kleidung zum Teil von der 
Oberkeit, nämlich durch das Mittel des Muss- 
hafens und des Schubeckek, zum Teil von ihren 
Ettem und Anverwandten erhielten und «us- 
sert dem Collegk> und Paedagogio wohnten». 
Aus ihrer Zahl wurden die vakant gewordenen 
Plätze im Kloster und dem Pädagogium wieder 
besetzt, soweit sie nidit den Thunem, Z(h 
fingern und Bruggem gehörten. Es war kein 
grosses Veignugen fiir sie, die Freiheit, die 
sie bis anhin genossen, mit dem einsamen und 
freudenleeren IGosteileben zu vertauschen, und 
immer mdir kam es vor, dass die dahin Be- 
nifenen sich weigerten, dem Befehl der Pro- 
fessoren Folge zu geben und ausserhalb Schul 
und Ktoster ihres Oefallens daher lebten, weil 
sie es da vid besser hatten und ihren irden 
Zug unverpeinigt behalten wcrftten, trotzdem 
aber und wohl audi noch früher als die Oe- 
horsamen, promoviert und auf Pfriinden be- 
fördert wurden durch die Ounst der Pradikan- 
ten und Räte, die sie durch aUerhand Intriguen 




« 



Die Entwiddung der Obern Schule in der zweiten HUfte des Reformationt jahrinmdertt. 



^ 



hinter dem Rücken der Professoren sich zu er- 
werben wussten. 

Um dieser Unordnung ein Ende zu machen, 
beschloss der Tägliche Rat den 27. September 
1610,^ dass den Musshafengenössigen, welche 
sich weigerten, gebührender Ordnung nach auf 
die Schul oder ins Kloster sich zu begeben, 
alle und jede Benefizien, die sie bis anhin ge- 
nossen, gänzlich abgestricket und benommen 
sein sollten und dass die auf diese Weise Pri- 
vierten ihre Klägden und Besdiwerden nur 
noch bei den Venneren, als den verordneten 
Kassenvögten des Musshafens, anbringen dürf- 
ten, welchen die Praepositi nach besonderen 
Oelfibden alljährlich genaue Verzeichnisse über 
Handel und Wandel der Musshafenstipendia- 
ten von nun an einzugeben hatten. 

Dasselbe Ratsdekret suchte nodi gegen einen 
andern Unfug einzuschreiten, der nachgerade 
zu einem unerträglichen «Brästen» geworden 
war. 

Schon nach der Ordnung von 1548 sollten 
die Städte Thun, Brugg und Zof ingen nur dann 
Stipendiaten nach Bern schicken, wenn einer 
ihrer Plätze im Kloster oder Pädagogium frei 
geworden war. Zu Anfang des 17. Jahrhun- 
derts kümmerten sie sich gar nicht mehr um 
diese Bestimmung, wozu wohl auch der Um- 
stand beigetragen haben mag, dass sie in der 
Schulordnung von 1591 nicht wiederholt und 
aufgefrischt wurde. Zu Ende des Schuljahres 
schoben sie aus ihrer Lateinschule alle armen 
Knaben ab in die Hauptstadt, gleidiviel, ob sie 
das Ingenium zum Studieren hatten oder nidit, 
um andern ihrer Knaben die ihren Schulen zu- 
gewiesenen Stipendien zuwenden zu können 
und jener los zu werden, wobei sich die « Stett 
im Eigöuw» besonders auszeichneten. «Mit 
gantzer schwalU zogen die Knaben in Bern 
ein und warteten hier auf die Vacation der 
Plätze beim Musshafen, denselben beschwe- 
rend und einer Burgerschaft entziehend. An- 
statt dass die erwachsenen Studenten, wie man 
durch den Bau des Pädagogiums beabsichtigt 




hatte, sammethaft eingesperrt waren und guter 
Zucht sich befleissigten, geschah es nun infolge 
des genannten unordentlichen Zulaufs, dass 
sich deren Zahl anstatt der 36 oft auf 60 oder 
70 erstreckte, also dass davon viele, wie unser 
Ratsdekret besagt, in Stüblinen ausserhalb des 
Paedagogü wohnen mussten und sich dann 
vielmehr aufs Zechen, Umbschweifen und der- 
gleichen Liederlichkeiten, denn auf gute Zudit 
und die Studia verlegten und endlich also ver- 
wilderten, dass sie nachher, wenn sie ihre 
Plätze auf der Schul oder im Kloster erhielten, 
nur «schwärlich und mit grosser Müe zu rech- 
ter Ohorsame» gebracht werden konnten, so 
dass nicht allein das Studieren, sondern auch 
der Küchendienst in Veraditung zu geraten 
drohte. 

Deshalb wandte sich der Täglidie Rat m 
unserm Dekret von 1610, nachdem er die alten 
Ordnungen für sich genommen und «erduret» 
hatte, auch an die Scholarchen und Amtsleute 
der betreffenden Städte, und schärfte ihnen mit 
allem Ernste ein, nadi altem Braudie keinen 
Knaben nach Bern zu scfaidcen, bevor er dahin 
beschrieben würde, und sodann nicht einen 
jeden beliebigen, sondern nur tugendliche Per- 
sonen und ehrlicher Leuten Kinder. 

Zu guter Letzt bringt das Ratsdekret noch 
eine Bestimmung gegen diejenigen Studenten, 
welche als « Halsstarrige »^ ihrer Benefizien und 
Stipendien priviert worden waren. Von diesen 
klagt es gar jämmerlich «dass sie sich allhie 
in der Statt unverpenigett aller Oeystlichen und 
buigerlichen bschwärden quitt enthaltendt, kei- 
nen Exerdtiis noch Uebungen obliegendt, die 
Lectiones — biss etwan, da sy bald b^[nadett 
zu werdent veriioffendt — keinswegs besudi- 
endt, sonder dess müssiggangs und der lieder- 
lichkeit sidi beflyssend undt, was noch eiger, 
offt noch andere zu deiglydiem üppigem Wäsen 
veranlassendt, ihre Praeceptores hin und wider 
verleident, grosse Unordnungen anriditendt und 
die sach dahin bringendt, dass bemelte ihre 
Praeceptores sy in die Refoimation dess Muss- 



f 



^ 



Die Entwiddimg der Obern Schule in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrfaunderts. 



haffens nit vermelden (wyl sy doch nachmalen 
zum Predigampt qualificiert, und ihnen hie- 
durch zu ewigen fyenden uffgetrochen werden 
möchtendt), noch die Untugenden haifiir zie- 
chen dörffendt» 

Diesem Uebelstand hoffte der Rat dadurch 
zuvorzukommen, dass er bestimmte, die Prae- 
positi sollten in Zukunft solcher untugenlicher 
und liederlkher Personen Namen schriftlich 
verzeichnen und dem Schultfaeissen oder älte- 
sten Venner zustellen, sowie der Kanzlei, wo 
sie zum ewigen Gedächtnis einregistriert wer- 
den mussten. 

Die Schultfaeissen oder Venner aber hatten 
sie für den Rat zu tragen und diejenigen, die 
in der Stadt Bern erboren oder Buigerssöhne 
wären, zur Erlernung eines ehrlichen Hand- 
werks zu vermahnen, die übrigen aber und mit 
Ihnen alle andern Fremdlinge aus ihr Gnaden 
Stadt wegzuweisen, damit Ihr Gnaden der- 
gleichen unnützen Leute entladen, grosse Aer- 
gemuss vermieden und der Küchendienst mit 
tugenlichen Personen zu Fortpflanzung der 
Ehre Gottes jeder Zeit versehen werde. 



JSH 



Schon drei Jahre vorher hatte sich der Täg- 
liche Rat auch wieder mit den zu frühe wei- 
benden Studenten zu beschäftigen gehabt Es 
lag ihm ein Antrag der Scholarchen und Ge- 
lehrten vor in Sachen «der jungen Schülern, 
welche sich vor ordenlich zyt in die Ehe ver- 
stricken wurdent», welcher dahin ging, dass 
dieselben vor den Konvent zu weisen seien 
und dieser über das fernere Verbleiben der 
Uebertreter der Schuldisziplin an der Schule 
oder deren Ausstossung aus der Zahl der Stu- 
dierenden beschliessen solle auf Grund der 
Zeugnisse über ihr bisheriges Lebwesen. Der 
Tägliche Rat hatte nichts dagegen, dass der 
Konvent über solche «fählbare Gsellen» ab- 
spreche, verlangte aber, dass alle Beschlüsse 
des Konvents über Annahme und Ausstossung 
derselben ihm zur Ratifikation vorgetragen 
würden.^ 

In der betreffenden Sitzung des Täglichen 
Rates hatte der «Herr Christoffel», d. i. der 
Pfarrer am Münster Christof Lüthard, 
über diese Angelegenheit referiert 





43 





Die Schulordnung des Jahres 1616. 

zahl aus dem TigUdien Rat und das» vier Mit- 
glieder des Orossen Ratea zn bestinmieii, weldie 
ab Scbalrat fimgieren tind zitnadist eine neue 
und den Erfordernissett der Zeit entsprediende 
Schulordnung aufgtellen aoUteni durch wdcbe 
die Schulen von Bern und Lausanne io die 
richtige Uebereinstinnnung kamen and nicht 
nur der Kirche und ihren Bedfirfnisseni sondern 
auch der Auferziehung und wissenscbaftlichen 
Bildung der Laien und besonders der IdtarfU- 
gen Regenten voUe Reduiui^ getragen würde. 
Es soltten die Schiden, wie mm ansdrücUicli 
betont wurde, nicht mehr bloss die Pflanzstttie 
für die künftigen Diener der Kürdie sein, soo* 
dem auch dem Regiment rnid dem aUgemeinen 
Stand dienen und durch dieselben cdie eia- 
gerissene Barbaries, allgemeine Unwissenheit 
und Unkönnenheit mit Hilf und Qnade Gottes 
abgesdiaffet werden». 

Diese Absicht gab der Rat der Zweihundert 
auch in seinem Befehl iiber die Zusammen- 
setzung des neuen Schulrates deutlidi kund : 
auf der weltlichen Bank sollten zehen, auf der 
geistlichen Bank nur sechs Mitglieder sitzen 
und zwar wählten nun die Venner aus der 
Zahl der Gelehrten die vier im Amte stehen- 
den Professoren, an erster Stelle den Profes- 
Sorem theologiae novi testamenti Hermann 
Lignaridus, dann seinen Kollegen, den Pro- 
fessor theok^[iae veteris testamenti Emanuel 
Zeender, der offenbar auch bei den nun fol- 
genden Beratungen die Hauptrolle spielte, fer- 
ner Niclaus Henzi, den Lehrer der Grie- 
chischen Sprache, und Max Rfitimeier, den 
Professor der Philosophie; sodann den Schul- 
meister auf der Lateinschule, David Maseru 
und aus der Zahl der Prädikanten Stephan 



Die Schulordnung des Jalves 1616 hat ihrt 
Süssere Veranlassung in der Visitation der Aka- 
demie und der Schulen zn Lausanne, mit wel- 
cher schon im Jahr 1615 der Teutsch Seckel- 
meister Antoni von Graffenried und der 
Professor helMaicns Emanuel Zeender be- 
traut worden waren, um den Mängeln und De- 
fekten der genannten Anstalten nachzuforschen, 
ZBgfeidi mit dem Auftrag, fiber die Mittel, wie 
densdben abzuhelfen wäre, an die Behörde zu 
racnercn« 

Den 4. Januar 1616^ wurde in der Sitmng 
des Grossen Rats iiber diese Angelegenheit 
vüOi Täglichen Rat Bericht erstattet Bei dieser 
Gelegenheit mussten sich aber die Zweihundert 
sagen, dase auch in Bern nnd an den Latein- 
schulen auf dem Lande der Unordnungen viele 
seien und äberaU Ihr Gnaden Schulen von Tag 
zu Tag je länger je mehr in Abgang und Ver- 
minderung geraten und dass ihre Anordnun- 
gen und Dekrete früherer und erst kurzlich 
vergangener Jahre^ nicht so viel «erschossen», 
dass einige Verbesserungen gespürt worden 
und erfolget seien. Desludb beschloss die ge- 
setzgebende Behörde, nachdem sie den beiden 
Vtsitatoren aufs wärmste ihre Arbeit und Mühe 
verdankt hatte, zu einer ausserordentlichen 
Massregel zu greifen und mit dem System, 
nac;h welchem bis dahin die Schulen geleitet 
und beaufsichtigt worden waren und das zu 
so schlechten Resultaten geführt hatte, mit der 
Einrichtung der Schulherren, zu brechen und 
an deren Stelle einen Schulrat mit fester 
Gliederung und ausgedehnten Kompetenzen zu 
erwählen. 

Der Grosse Rat gab den Vennem den Be- 
fehl, sechs von den Gelehrten, eine gleiche An- 




^ 



Die Sdratadnang de» Jilire» 161(L 



» 



Seh m id. Aaf die welilidie Bank beriefen die 
Venner die beiden Seckebneisler Anton i von 
Orafienried nnd Abraftam Stfirter mit 
den beiden Vemern Rndolf Hnber und 
Peter von Werdt, und von weitem Mil- 
giedem des Tag^idien f^ats Franz Lodwigf 
von Erlach nnd David Ammann; a« 
der Zahl der Zweihundert den Oroesweibel 
Burckhard Fischer mit dem Oeriditsehrei- 
her Hans Weiss und den Stiftschaffner Pe- 
ter Bücher, ab vierten Samuel Zehnder. 

Der so zusammengesetzte Schukat bekam 
aber vom Orossen Rat nicht bk)ss den Auf- 
trag die Schuk>rdnung auszuarbeiten, sondern 
auch durchzufuhren und ins Leben zu setzen 
und <dme weitere Anfrage und Anbringen bei 
den Raten, wenn es ihm wegen ffirfaUender 
Dinge nidit notwendig erschiene, «ins Werk 
zu richten». Und da man bei diesen ausser- 
oidentÜdien Vorgehen auf Opposition, nament- 
Udi von Seiten der Geistlichkeit, zu stossen 
voraosaehen musste, so verpflichteten sich die 
Zweihundert, die gewählten «Schulräte und 
ihr Oud>efinden in Anstellung und Instauration 
der Sduilen wider jedermenniglich, so sich dar- 
wider setzen, sie anfechten, molestieren und 
beleidigen wurde, mit Wort oder Thaten, in 
einicben Weg, zu handhaben, schützen und 
schirmen». Dagegen wurde aber auch dem 
neuen Schulrat eingebunden, die Fehler und 
Verschulden derjenigen, welche die gegenwär- 
tigen Unordnungen veranlasset, zu verschwei- 
gen und ihre Namen nicht auszubringen, « Un- 
willen, Unfründischaft und Bitterkeit zu ver- 
meiden ».^ 

Schon den 11. Januar traten die neuen Schul- 
rife zusammen nnd «nadiher nodi efiiche male, 
nahmen zu der ihnen anbefohlenen Schulin- 
stanratioo das Wort Ooties, allerlei von den 
gdekrtesicn Theotogeo und Philosophen aus* 
gegangenes S duilten , die alten nnd neuen 
Sdmfoidnungen Ihr Gnaden des Täglichen Ra* 
tes, sowie auch etlkdier anderer Schulen Brauch 
uad Oewohshetten vor die Hand, erdanerten 



dieseK>es vnd beratsddagten, ordneten, sdi^' 
ten ond bestätigten nut Hilf, Qnad nnd Ble»- 
stand Gottes» die Ordnung, die wir nun des 
nähern zn bespredien haben.* 

Die Schulordnung des Jahres 1616 bringt 
vor allem eine feste Organisation in die Lei- 
tung und Beaufsiditigung der hohem Schal» 
anstalten mit genauer Abgrenzung der Kom- 
petenzen der einzelnen Instanzen ; an die Stelle 
der paar vagen Aeusserungen der atten Ord- 
nnngcs über die Handhabung der Disziplin 
treten jetzt ausfiihrlidie und nidit misszuver- 
slehende Bestnnraungen &bcr die Rechte und 
PSiditen der einzelnen Organe, aus denen die 
Schulregierung zusammengesetzt ist, weldie die 
An^be hat «die Schulen zu conservieren und 
zn erhalten». 

Die Schttlbehörden. 

An der Spitze des neuen Schulstandes ste- 
hen die 

SdMareken, 



d, h. die wdtlidien, aus dem Tagtichen und 
dem Orossen Rate gewählten Mitglieder des 
Schnlrates. Gott hat den Stand der Obrigkeit 
dazn verordnet — heisst es — seine Gebote 
zu hancHuiben und Schulen aufzurichten; an 
seiner Stdle regieren nnd erhalten dieselben, 
da ihm dies wichtigerer Qesdiafte hatt)er nidit 
möglich ist, die ans seiner Mitte erwählten 
Sdiobuchen, weshalb diese ffir die Hänpter 
der Sdttden gehalten werden sollen, denen 
nächst Gott und dem «Hödisten Oewalt»^ 
anch das höchste Ansehen zukommt 

Die Sdiolardien haben neben der ober- 
sten Aufsicht aber aSe und jede Schulen 
ihr Gnaden Gebiets das SchiedsricMeramt in 
Streitigkeiten zwischen den SchnhUenem; sie 
sind die obersten Richter, wenn unter 
denselben Gezänk und Zwietracht skh zutra- 
gen wfirde; dieseUrigen sollen sie «zerleggen»^ 
darüber absprechen, die Parteien vereinbaren 




Hl 



Die Scfauloidnung des Jahres 1616. 



^ 



und die Gezänk aufheben. Um ihres Amtes 
willen sollten die Professoren und Präoepto- 
ren nur bei den Herren Scholarchen verklagt 
werden dürfen, die dann verpflichtet wäreui 
als Maecenaten die Unschuldigen treu zu hand- 
haben und bei den Schuldigen zu versdiaffen» 
dass sie ihr Amt gebührlicher massen und mit 
guten Treuen ausrichteten. 

Sie verwalten den Sdiulseckel und die zu 
Aeufnung und Erhaltung der Schulen vergab- 
ten Legate, sorgen für präzise Ausrichtung der 
Besoldungen an alle Lehrer und Erhaltung der 
Häuser, die denselben zugewiesen waren, in 
gutem Wesen und Bau. Sie visitieren end- 
lich jährlich zwei mal zu Mitterfasten auf Lae- 
tare und in der Wochen vor Verenae die Schu- 
len und wohnen den Examina und Censuren 
bei, die der Visitation nadifolgen. 

Mit den Professoren zusammen bilden die 
Scholarchen den 

Obern Sdiulrat; 

demselben gehört auch der Oymnasiarcha, der 
Leiter der Untern Schule, an. 

Der Obere Sdiub^t wählt alljährlich ab- 
wechselnd aus den Professoren den Rektor, 
dessen Wahl aber der Bestätigung durch den 
Täglichen Rat unterliegt Den 1. IVlai wird er 
jeweilen auf folgende Weise inauguriert: 

Im Auditorio theologioo resigniert der alte 
Rektor im Beisein der Scholarchen und ande- 
rer zu dieser Feierlichkeit eingeladenen Spek- 
tatoren und übergibt dann nach Verlesung der 
leges scholasticae dem neuen Rektor sein Amt 
und seinen Qewali Hierauf hält dieser in la- 
teinischer Sprache eine orationem panegyri- 
cam, worauf er von den Herren Scholarchen, 
Professoren und geladenen Ehrengästen in 
feierlichem Zuge zu einem bereit gehaltenen 
Gastmahl geführt wird. 

Der obere Schulrat nominiert bei vorkom- 
menden Vakanzen die Professoren und Pro* 
visoren und schlägt sie dem Täglichen Rat 
zur Wahl vor.^ 



Vor ihn gelangen die schwereren Veigehen 
der Studenten zur Aburteilung und Bestrafung. 
Vor sein Forum gehören die Halsstarrigen 
und die Vaganten mit ähnlichen Strafl>estim- 
mungen, zum TeO in denselben Ausdrüdcen, 
wie wir sie aus den Ratsdekreten von 1591 
und 1610 kennen gelernt haben: 

« Die Ungehorsamen und Halsstarrigen und 
an denen nichts zu verbesseren, sollen ohne 
Verzug, unangesehen wen sie angehörind, vor 
den Oberen Schulrath dtiert, und anderen zum 
exempel gentzlich aussgemustert und zu einer 
ehrlichen und redlichen Handtierung gewiesen : 
und wofehr sie äussert der Statt, hie oder zu 
Losanna gebürtig, angentz, damit sie andre nit 
verführind, widerumb heimgeschickt: Ihre Na- 
men einem Schuldthessen angeben und in der 
Kantzley auferzeichnet werden, damit sie we- 
der für Raht, noch die Herren Scholarchen mehr 
gelassen, und ihr Gnaden dei^leichen unnützen 
Leuthen entladen, auch Ergemuss und Vermin- 
derung dess Kirchendiensts vermitten werde. 

Und wo fehr sie umb grober Lasteren willen 
solche Verstossung verdient hetten, oder sonst 
mutwilliger weyss ihr Studia verliessen, und 
dess Vermögens weren, dass sie den angewen- 
ten Kosten ihr Gnaden ersetzen möchten, sollen 
sie schuldig seyn, denselben wider zu erstatten. 

Die so ohne erlaubtnuss ihrer Fürgesetzten 
auss dem Kloster, oder Paedagogio, oder ohne 
Zulassung dess Rectoris und Professoren, auss 
der Statt vagieren wurden, die sollen dem 
Scholarchae^ verzeigt, und nach gestaltsamme 
der Sach gestrafft, oder für den Schukaht dtiert 
und gerechtfertiget werden.» 

Ueber die übrigen grossen Sünder sdireibt 
die Ordnung vor: 

«Wo aber emer sidi mit groben Lasteren, 
als Hurey, Diebstahl, Besdiiss, Betrug, erger- 
lidien FüUerey, grossen Geltschulden, und der- 
gleichen vertieffen wurde, der sol für den Obe- 
ren Schul Raht gestelt und je nach gestalt- 
same der Sachen mit ihme gehandlet werden. 




n^ 



Die Schidordnimg des Jthre» 161<^ 



$ 



Die so sich ihren Praeceptoribus bosshafftig 
widersetzen, sie iesiereni verachten, hinder- 
reden, und sonst anderer gestalt beleidigen 
wurden, sollen für den Obersten Schulraht ge- 
forderet, und gerechtfertiget werden. 

So einer liurch den Rectoren für den Unteren 
Sdiulraht dtiert wurde, er aber auss Halss- 
starrigkeit nit erscheinen weite, so soll er als 
ein Widerspenstiger von dem Obern Schulraht 
gestraft werden.» 

Vor den obem Sdiulrat gehören auch all- 
fallige Veigehungen des Lehrpersonals: 

« Es sollen gleicher gestalt alle Praeceptores, 
so entweders üi ihr^n Ampt und Dienst un- 
fleissig, oder in ihrem Leben ergerlich sich 
erzeigen, das sie privation oder andere Leybs- 
oder Outsstraffen verschuldet, vor disen Schul- 
raht dtiert, und dem verdienen nach gestrafft 
oder der hochen Oberkeit verzeigt werden.» 

Ihm liegt die Promotion der Disdpeln der 
Undem Schul von der fünften Klasse an ob.^ 

Die Promotion von Klasse zu Klasse, in die 
Obere Schule und daselbst von Orad zu Grad 
gesdiieht auf Qrund eines Examens, zu wel- 
diem keiner zugelassen werden darf, er habe 
denn ein wahrhaftes Zeugnis von seinen Prä* 
ceptoren der wahren Gottesfurcht und bestän- 
digen Fleisses in seinem Studieren, als der 
alles, so er bisher studieren sollen, getan habe. 
Nach seiner Könnenheit im Examen wird so- 
dann ein jeder, ohne Ansehen der Person, be- 
fördert und gesetzt, also dass der erste, andere, 
dritte U.S.W. an Gottesfurcht und Gelehrte 
den ersten, andern, dritten Platz u.s.w. in 
semer Ordnung einnehmen soll. 

Nach angestellter Collocation werden die 
Promovierten «als in ebiem Triumph» öffent- 
lieh in die grosse Leutkirchen geffihrt und all- 
da wird ein jeder nach seiner Gelehrte und dem 
erhaltenen Platz . proklamiert, um die Jugend 
zu grösserem Eifer, Lust und Arbeit im Stu- 
dium anzureizen, wobei nach Gefallen der 
Scholarchen Prämien ausgeteilt werden. Als- 
dann hat einer der Professoren eine zierliche 



51 



und sdiöne Rede von der Unterweisung der 
Jugend, der Nutzbarkeit der Sdiulen u.s.w. 
in deutscher Sprache an die versammelte Menge 
zu halten, um die Leute zu bewegen ihre Khi- 
der zu den Schulen zu befördern. Nachdem 
er gesprodien, tritt einer der promovierten Dis- 
dplen auf und sagt in einer lateinischen 
Oration oder einem schönem Carmen semen 
Promotoribus den gebührenden Dank. Zum 
Schluss werden die Vergabungen verlesen, wel- 
che gottselige Leute dem Schulsedcel zur För- 
derung der Schulen testierten. 

Dies die Feier der Solennität im gros- 
sen Münster.' 

Der obere Schulrat hat auch die Promo- 
tionen ad ministerium, ad academias und auf 
die Pfründe zu verrichten. 

Die Promotio ad ministerium ge- 
schieht auf Grund eines Examens, welches die 
Professoren in der Philosophie, den Spradien 
und der Theologie im Beisein der Scholarchen 
und «der gemeinen Kirchendiener» abzuneh- 
men haben, worauf dann durch diese letztem 
die Handauflegung, die Impositio manu- 
um, mit gebührlicher Solennität und Gebet zu 
Gott vofgenommen wird. 

Die Promotion aus dem Kloster auf 
fremde Universitäten geht genau in der 
Weise vor sich, wie sie durch die Schulord- 
nung von 1591 bestimmt wurde. Nur kommt 
hinzu, dass die Stipendiaten von den Univer- 
sitäten, wo sie ihre Studien weiter geführt 
hatten, Zeugnisse über ihr Leben und ihren 
Fleiss mitzubringen hatten und, anheimbsdi ge- 
worden, auf Verlangen des Sdiulrates auch 
einer Disputation sich zu unterwerfen hatten. 
Auch verspricht jetzt die Schulordnung zur An- 
spomung der Stipendiaten denjenigen, welche 
auswärts einen Gradum doctoratus in philo- 
sophia oder theologia erlangt, oder sonst mit 
Lob publice disputiert hätten, besondere Geld- 
prämien aus dem SchulseckeL 

Unter dem Titel «Die Promotion auf 
die Pfründ» besagt unsere Ordnung: 





Die Sdniiordmuig des JaIucs 1614^ 



^ 



« Es 9ol keiiier ans der zahl der Stedeolen 
auff etnicbe Pfrund promovieit, uad geffinkrt 
werden ohne vorwäseen, iniistinuiittiig, nod 
aciigmtas der Proiessoren und des Schulrahts.» 

Natärlicfa spielen auch die frühe weibenden 
Stadeatefl in unserer Ordnung eine RoSk. Es 
soH in folgender Weise mit ihnen verfahren 
werden:^ 

«So femants auss den Examinalis auss be- 
weglichen Ursadien sich mit Ehrlichen Per- 
sonen in die Ehe zu begelien bedadit weie, 
der sol vor allem sich fiir die Scholarchen stel- 
len, seine Ursachen trewlich fiirhringen. Da 
sollen alsdann seine Praeceptores seines wol- 
oder id>e]haltens zeuginuss geben, und hernach 
nach sestaltsame der sacken md gelegenint 
ihme sein begeren nachgelassen oder abge- 
schlagen werden. Wofehr aber jemand ohne 
edaubäiuss sich eheBch verpflichten wuide, wol 
er nicht desto minder citiert, und gleicher ge- 
stalt mit ihme gdiandlet werden. Und wo als- 
dann dem einen, oder dem anderen vergün- 
stiget oder zugelassen wurde, dass ersieh ehe- 
lich einlassen möchte, so soll ein solcher äussert 
dem Cdllegio in seinm Kosten leben,' und 
in visitandis lectionibns, exeicitijs etc. alles das 
thun, was anderen aufferlegt, so da promo- 
viert werden sollen. Es sol auch weder er, 
nodi seine Kinder einer Buigerschalft «ber- 
ingen seyn.» 

Neben dem Obern Schulrat fungiert der 

Untat Schalmi, 

ans den Professoren und dem Oymnasiarcha 
zusammengesetzt und vom Rector prisidieit. 
Er wickelt die weniger wichtigen und täglidi 
lürfallenden Geschäfte ab. Seine Disziplinar'- 
gewalt nmschieibt die Ordnung also (wobei 
wir als die nennenswerteste Neuerung die Ab- 
schaffungder Rntenstrafe im Kloster 
hervorheben wollen; die Rute solHe von jetzt 
an nur noch der Schufaneister auf der Schul 
schwingen dfirfen, freilich auch auf den ihm 
unteisebenen Stndiosis pfailosophiael): 



€ welcher ein Zanck anhebt, and von anderen 
darvon abzustahn vermahnt wird, er aber nat 
folget, sonder f&rfahrt, oder von worten sieh 
zun streichen bq^ebe: Hem, wo jemandts mit 
Wein sich ubememmen wurde, dass er Eiger- 
nnss gebe. Item so der Gonsnl zuliesse, und 
sem praqx>situm nit vermahnete, denn dass die 
Studiosi ohne erlaubtnnss ingemein Wein be- 
schicken liessen und jemants aitss den Studen- 
ten solchen zutrfige ; Item wer unfleissig ober 
gethane Wahmnu^ der Professoren m den lec- 
tionibus und repetiticMi&us seyn wurde. Oder 
sidi in offne Wirtsheuser, Qsellschaf^ Sddupff- 
wincfcel zu dem Zechen begeben wurde; heua- 
Uch oder offenhch tantza oder zm tantzen 
machen: Auff t>estimpte zeit gegebnen uriaubs* 
sich nicht stellen wurde, der sol bejr dem Rec- 
torj angeben, nnd nach erfcandhmss dess Un- 
deren Schulrahts, mit Oefangenschafft oder an- 
deren dem Feienden nutzlichen straffen geifich- 
tiget werden; Jedoch wejrl obgedachte Feier 
die Rutenstratf bissher anff sich getragen, so 
mögen dieselbigen an den Stediosis phibso- 
phiae, wo es einen Underen Schulraht mitzlidi 
und rahtsam seyn bednnckt, nodnnahlen er- 
stattet werden. Die Studiosi aber Theologiae 
sollen gentzlich von der Rntan erlediget seyn. 

« Wer etwas in ihr Gnaden Hauas mutwillig 
zerbrich^ dass der Obetheit ist, der sol dem 
Rectori angdien, den Schaden ersetzen, nnd 
nach verdienen gcstmfft werden« 

«Wo einer in ubertrettung der Satzungen 
trug und gferd biaudien, oder auss mntwillen 
die Sach ubertreyben, und etwan die geringen 
Straffen verachten wurde, d^ sol ffir den Un- 
deren Schulraht dtiert, nnd nach gestattsamme 
der Sach g e s t rafft werden. 

«Es sol em jeder Student, sonssertdem Gol- 
kgio wohnet, bey nnverifimbdeten, ehrbaren 
Leuten wohnen, und dem Redorj seyn Woh- 
nung anmelden, wer darüber thete, sol fikr 
den Schukaht gestelt werden. 

«Die so nachtiicher weil nnifa6chweJfien,Oa8- 
satum gafand, oder sonst in Winokkn agchenri, 




Ift 



Die Schulordnung des Jahres 1616. 



iH 



sollen von einer hohen Oberkeit Dieneren ge- 
fencklidi angenommen, und ihr Namen mor- 
gends dem Rectorj angeben werden, damit dem 
Oassentretten, und vagieren gewehrt, und den 
Rechtschuldigen ihr verdienter Lohn werde)). 

Der Untere Schulrat besetzt die 36 Stipendia 
auf Kloster und Schul, d. h. er besorgt die Pro- 
motionen in das Pädagogium, das Alumnat auf 
der Schul, und von diesem in das Kloster. Da- 
bei hat er nach den althergebraditen Satzun- 
gen darauf zu sehen, dass jeweilen zwölf Plätze 
den Thunem, Zofingem und Bruggem reser- 
viert werden, die andern 24 den Stadtbemem, 
Aarauem, Lenzbuigem und Burgdorfem heim- 
dienen und dass zu Vermeidung der früher 
vorgefaUenen Uebelstände^ aus den drei erst- 
genannten Städten nur taugliche und wohl- 
empfohlene Subjekte und «von ehrlichen Leu- 
ten her erboren» in den Qenuss der Stipen- 
dien eintreten. Die Regierung will aber diesen 
drei Städten von jetzt an noch weiter entgegen- 
kommen, als bis anhin, indem sie zugibt, dass 
an die Plätze der ad academias ausgeschickten 
Thuner, Zofinger und Brugger andere succe- 
dieren könnten. 

Aufs neue schärft die Ordnung die Bestim- 
mung ein, dass diejenigen Bemer, welche im 
Qenuss des Musshafens, des Wochenschillings 
und noch anderer Stipendien seien und sich 
bei ereignender Vakanz weigerten, die Pro- 
motion in das Pädagogium anzunehmen, aller 
Stipendien verlustig gehen sollten.^ 

Der Rektor 

endlich hat darüber zu wachen, dass der auf- 
gestellten Schulordnung nachgelebt werde, und 
ein jeder tue, was ihm dieselbe vorschreibt; 
die Saumseligen hat er zu vermahnen und, wo 
Strafe am Platz ist, die Sache vor den Untern 
oder Obern Schulrat zu bringen. 

Er hat auch die Pflicht, den vorgeschriebenen 
Disputationen beizuwohnen, vor allem den zu 
druckenden.^ Die Professoren hatten sich näm- 
lich anerboten, jährlich wenigstens 12 Disputa- 



tionen drucken zu lassen und die Regierung 
setzte in der Schulordnung fest, dass die Druck- 
kosten aus dem Schulseckel bestritten und von 
eben da sowohl dem Praesidi, als dem Res- 
pondenti ein bestimmtes Praemium ausgeridi- 
tet werde. 

In Bern hatten demnach die Professoren seit 
dem Jahr 1616 Oelegenheit, ihre Ansichten und 
Forschungen ihren Fachgenossen kund zu ge- 
ben, ohne einen Respondenten suchen zu müs- 
sen, der das Geld für die Druckkosten hergab, 
oder selber in die Tasche greifen zu müssen. 
Aber die Regierung wollte nicht bloss den Pro- 
fessoren Gelegenheit geben, schriftstellerisch 
auftreten zu können — Hallers Wort: «eruditi 
viri, quos alii labores aut vitae genus aut im- 
pedimenta quaecunque a majoribus operibus 
deterrent, ingenii sui monimenta non alia saepe 
relinquunt praeter disputationes »^ gilt nament- 
lich auch von seinen eignen Landsleuten — 
auch die Studiosi, von denen ja ein Teil dem 
hohem Lehramt sich zu widmen bestimmt war, 
sollten schriftsteilem lemen. Die Ordnung be- 
stimmte nämlich des weitem, dass «einem je- 
den, der sich in disem fürtreffenlichen Exer- 
citio begehrt zu üben», die Disputation auf 
Kosten des Schulseckels gedmckt werden solle, 
«so offt es von ihnen, es seye, welchem es 
welle, begert wirt und die Materia, von deren 
man disputieren sol, vom Praeside ist bewilli- 
get worden, zu disputieren ». Es ist mit diesen 
Worten freilich nicht ausdrücklich gesagt, dass 
der Staat den Dmck von Studentendissertatio- 
nen fibemommen habe, aber ohne Zweifel 
denkt die Ordnung dabei in erster Linie an die 
Examinanden und Examinaten. 

Die Abteilungen der Obern Schule» 

Was die Oi^ganisation der Obern Schule 
selber betrifft, so schuf die neue Schulordnung 
im Sinn des Fortschrittes eine wichtige und 
tief einschneidende Veränderung: Die Schule 
wurde in zwei grosse Abteilungen getrennt, 



49 



tu 



bie Sdiulordnung des jähret 1616. 



Philosophie und die Theologie, jene 
für die jungem, diese ffir die altern Studenten ; 
für den philosophisdien Cursus wurde das 
Triennium angesetzt, die Professoren der Theo- 
logie aber hatten ihr Pensum in zwei Jahren 
zu Ende zu lesen. Alle diejenigen, die ad s. mi- 
nisterium aspirierten, hatten erst die Philoso- 
phie zu absolvieren, bevor sie in das theolo- 
gische Auditorium eintreten durften, und die 
Promotion in dasselbe geschah auf Orund eines 
strengen Examens über den ganzen Unterrichts- 
stoff in der philosophischen Abteilung, sowohl 
in artibus als in Unguis. 

Der Abteilung der Philosophie dienten zwei 
Katheder, die professio graeca und die profes- 
sio philosophica, der Theologie die professio 
theologica novi testamenti und die professio 
tfaeologica veteris testamenti. Alle Studiosi aber 
wurden verbunden, sowohl die philosophischen 
als auch die theologischen Disputationen, wie 
auch die Samstagpredigten und Deklamationen 
anzuhören und sich in denselben zu üben. 

Die Zahl der Studiosi theologiae grenzt die 
Ordnung von 1616 auf zwanzig ein;^ nur 
diese haben alle Tage in der Ordnung in die 
grosse Leutkirdien zu gehen und die Predigten 
zu besuchen, während die Phiiosophanten al- 
lein an Sonn- und Betiagen den Gottesdienst 
besuchen mfissen. 

Die vier Lehrstfihle. 

Den Inhabern derselben wird genau vot^e- 
schrieben, was sie mit ihren Schülern zu trak- 
tieren haben: der Lehrfreiheit des 16. Jahr- 
hunderts macht die neue Schulordnung ein 
Ende. 

1) Die Professio graeca. 

Die Lektüre des Professoris graed be- 
schränkt sich in der Prosa auf das Neue Testa- 
ment und die vornehmsten Orationes patrum 
Oraecorum, in der Poesie auf des Nonnus 
metaphrasis evangelii secundum Joannem (ver- 
sibus heroids) und des ApoUinarius in- 
terpretatio psalmorum (in demselben Metrum). 



m 



Die profane Litteratur der alten HeUenen, 
die nach der Reformation auch in Bern die 
liebevollste Pflege gefunden hatte, wurde so- 
mit aus den Vorlesungen im Barffisseridosta' 
ausgeschlossen! An die Erklärung der ge- 
nannten Texte, die Analysis, sollte sidi dann 
die Genesis anschliessen, d. h. die Aneignung 
des Gelernten durch die Nachahmung. Des- 
halb schreibt die Ordnung dem Professor grae^ 
cus in zweiter Linie vor: «dise auttiores soll 
er Grammatice, Rhetorice, Logice, doch kurtz 
und ohne weitläufige commentaria resolvieren 
Die schönsten phrases, gnomas, sententias, 
adagia, und was zur Zierlichkeit der Griedii- 
schen Sprach dienen mag, fleissig anzeigen 
und dictieren». Dazu hatte er alle 14 Tage 
ein Exerdtium stili, das eine Mal in griedit- 
scher, das andere Mal in lateinischer Sprache, 
sowohl in prosa, wie ligata oratione anzu- 
stellen. 

2) Die Professio philosophica. 

Statt des einen Lehrstuhls, <ler für die Phi* 
losophie bis jetzt bestanden hatte, sieht die 
Schulordnung wenigstens drei voraus, damit 
diese Abteilung der Schule auch dem Regi- 
ment und dem allgemeinen Stande diene und 
die wissenschaftlidie Bildung der Laien beför^ 
dere.* 

Der erste Philosophus sollte nach der Me- 
thode des Ramus — dem Ramismus huldigte 
man jetzt in Bern durchweg — von den prak- 
tischen Disziplinen der Philosophie die Ethi- 
cam, Politicam, Oeconomicam, Scholasticam 
und Ecdesiasticam in drei Jahren absolvieren 
und nacheinander durch Lesen und fleissiges 
Repetieren also traktieren, <cdass die studiosi 
dieselbigen ausswendig lehmen, und verstahn 
könnind ». 

Der zweite hat denselben aus den ttieore- 
tischen Teilen der Philosophie, methodo Ra- 
maea beschrieben, die Metaphysik und Physik, 
den praktischen die Logik und Rhetorik inner* 




50 



m 



Die Schulordnung des Jahres 1616. 




halb derselben Frist zu lesen und mit ihnen zu 
fiben und zu repetieren und zwar so, dass er 
zuerst des Ramus Dialectica und Aisteds Ora- 
tor absolvieren sollte, nachher dann Martinii 
Physica «oder sonst andere gute authores me- 
thodo Ramaea conformiert». 

Der dritte hat innerhalb drei Jahren die 
Arithmeticam und Qeometriam Rami, sowie 
die Astronomiam zu absolvieren. 

Wie im Reformationsjahrhundert der Unter- 
richt im docere und disputare bestand, so legte 
man audi jetzt wieder den Schwerpunkt des 
Studiums in das Disputieren, der Exer- 
dtatio, durch welche das in den Vorlesungen 
Gehörte erst redit befestigt wurde und aus der 
man die wissenschaftlichen Fortschritte der Stu- 
diosen konstatieren konnte. Deshalb schreibt 
die Ordnung den Vertretern der Philosophie 
vor, eine Woche um die andere eine Dispu- 
tation zu halten über ein Thema aus den ihnen 
zugewiesenen artibus. Daneben sollte auch die 
declamatio gepflegt werden und alle Studiosi 
philosophiae verbunden sein, dieselbe Dekla- 
mation zu komponieren, wenn sie auch nur 
von einem aus ihrer Zahl pronuntiert wurde. 
Für die Disputationen wurde die Zeit von drei 
Stunden angesetzt 

Den dritten Philosophen nahm die Schul- 
ordnung in bestimmteste Aussicht und der 
Schulrat scheint sich der Hoffnung hingegeben 
zu haben, dass die Wahl desselben in kurzer 
Zeit erfolgen werde, aber — die Professio 
matheseos wurde erst im folgenden Jahrhun- 
dert erriditet Der Professor graecus N i k 1 a u s 
Henzt übernahm, «so lang biss dass Qott 
bessere glegenheit schicken wirt», die dem 
ersten Philosophus zugewiesenen Disziplinen 
und versprach dieselben neben seiner ordent- 
lichen Profession zu dozieren; aber Qott liess 
das Kloster gar lange mit seiner Oabe warten, 
und es blieb bei dem einen Philosophus bis 
zur nächsten Reform der Obern Schule und 
noch lange Zeit darüber hinaus. Auch wissen 



wir nicht, wie und wie lange « der Herr Nikiaus 
umb der Ehr Gottes willen und seiner Ober- 
keit zu ehren und gefallen » die oben genannten 
disciplinas practicas der Phik>sophie lehrte. 

Die Mathematik und Astronomie wird wahr- 
scheinlich der bereits angestellte Philosophus 
Marcus Rütimeier übernommen haben 
(wie ja diese Disziplinen schon das vorbeige- 
hende Jahrhundert vom Professor artium ge- 
pflegt worden waren), wenigstens besagt un- 
sere Schulordnung, dass sich ausser Henzi auch 
noch andere Professores anerboten hätten, «bei 
dem Mangel an Hilf und in der Underweisung » 
weitere Arbeit auf sich zu nehmen. Auf keinen 
Fall aber brachte die neue Ordnung der Dinge 
der politischen Jugend den ihr notwendigen 
Unterricht 

Die Schulordnung von 1616 belehrt uns auch 
über die Unterrichtszeit der einzelnen Profes- 
soren ; darnach ist der Stundenplan für die Stu- 
diosos philosophiae auf Seite 52 konstruiert 

3) Die beiden professbnes äieob^gicae 

blieben so geordnet, wie sie im Jahr 1613 an- 
geordnet worden waren ; die Inhaber derselben 
waren dessen offenbar zufrieden. 

Dem Professor novi testamenti war aufge- 
tn^en «den Text in einem gwüssen Buch 
Novi Testamenti, den Studiosis auff das aller- 
kürtzest zu resolvieren, und wo etwan sonder- 
bare difßculteten einfallen, zu enodieren. Unnd 
neben dissem die Armillam auream Periünsi,^ 
oder sonst einen anderen nützlichen orthodo- 
xum oompendii Theologici autorem, explideren, 
damit die discipuli dieselbigen verstahn, und 
ausswendig könnind. Doch dass innerttialb 2 
Jahren gedachte Authores einmal absolviert 
werden ». 

In die Lektüre sollten die « nohtwendigsten 
Religionsstreit zugleich inseriert», der Autor 
aber, der etwa an Stelle des Peikins treten 
würde, vom Schulrat erst approbiert werden. 




Hl 



Die Schulordnung des Jähret 1616. 



^ 



Stundenplan 

der 

STUDIOSI PHILOSOPH 



Im Winiit 

sind die VormiäagS' 

stunden 

von 7—9 Uhr 

angeseizL 









a. 1616 










Montag 


Dienstag 


Mittwoch 


Donnerstag 


Freitag 


Samstag 


6-7 


Prof* 




Prof. 
philosopliiie 




Prof« 
phOosopIdae 




7-8 


Prof« fpwbCBB 




Prof« gnecns 




Prof. gnecns 


Predigten der 
Examtnaten mit 
den sind. theoL 


1 


12-1 


Praf* 
phfloiaphitc 




Prof. 
phüosophiae 




Prof. 
pldlosopUae 




1-2 


Prof« gnecns 




Prof. gnecns 




Prof. gmcns 




2-5 




Die situ Woche 

ezerdtfaun stili 

dieoAdkrvditpn- 

tatio beim Pr. 

gnecns 




Theologisehg 

mit den ttud. theol. 
zusammen 




aUe 14 Tage 
dlspntatio nnd 

oiedamatfo 
bdffl Pr. pidlos. 



Der Professor veteris testamenti hat in zwei 
Jahren «ein gwüssen theil» des Alten Testa- 
ments analysi logica, rhetorica, grammatica zu 
durchlaufen und wenn von nöten, die hebrä- 
ische Grammatik Martini] oder Buxtorfij zu 
repetieren und den Studenten zu proponieren.i 

Beide Professoren der Theologie haben ab- 
wechselnd jede Woche eine theologische Dis- 
putation zu leiten und zwar in der Weise, dass 
durch dieselben die «fümemsten» Controver- 
siae und Religionsstreite jährlich durchdispu- 
tiert werden ; sie finden jeden Donnerstag Nach- 
mittag statt, und sie sind natürlich die Haupt- 
sache des ganzen Unterrichts, in ihnen gipfelt 
der ganze wissenschaftiiche Betrieb im Bar- 
fOssericIoster. Wie anno 1613, so wird auch 



jetzt wieder vor^reschrieben «dass umb die 
zwey nach Mittag der Anfang gemacht, die 
Studenten zwo Stund einanderen nach sich 
übind, und dann umb viere, so etliche von 
anderen verbanden, sollen dieselben auch 
freünlich angesprochen und invitiert, auch, wo 
ihnen gef ellig, etwas fürzubringen, angehört 
und in aller bescheidenheit ihnen die übrige 
zeit biss umb fünf Uhr antwort geben werden ». 

Des weitem haben die beiden Theologen 
jeden Samstag Morgen die Predigten der Exa- 
minaten anzuhören und sie in der Kunst zu 
predigen zu unterrichten. 

Der Stundenplan der theologischen Abtei- 
lung ist folgender: 



tu 



Die Schulordnung des Jahres 1616. 



^ 



Stundenplan 

der 

DIOSI THBOLO 

a. 1616 



Im Winter 

sind die Vormittags' 

stunden 

von 7^10 Uhr 

angesetxt. 





Montag 


Dienstag 


Mittwoch 


Donnerstag 


Freitag 


Samstag 


« 7 






/ 






die eine Woche 

betau Pr.tfaeol.n.t 

die andere befan 

Pr. tfaeol. ▼. t 


7-« 


Prof . flieolosiae 




Prof. theoL 

I10¥a tCtt. 




Prof» tlieoL 
nov* tett* 


VertaAren 
der Predigten der 

abwectodnd bd 
beiden Profciiorc n 


»-• 


Prof. theologlae 




Prof* flieoL 
TCL tctt* 




Prof« flieola 
vet* teit« 




1 


2-5 




aUe 14 Tage 

uisiiiitatio 
mit doi itad. phU. 

Biminmcii 




/mtaüon 
abwechselnd beim 
Prcrfi tlicol. nov. nnd 

vet* teit« 




alle 14 Tage 

dinmtatio und 

dedamatio 

mit den ttnd. phü. 



An letzter Stelle bringt uns die Schulordnung 
von 1616 die disdplina domestica im Kloster 
und auf der Schul, über welche zunächst die 
beiden Praepositi zu wachen hatten. Dieselbe 
heisst:! 

«1) So soll keinem Studioso zugelassen seyn, 
ohne Urlaub seines fOrgesetzten, es sye Tags 
oder Nachts, hinauss zugehn. Welcher solches 
ubertrittet, sol nach gestaltsamme der Sach 
gestrafft werden. 

2) Welche miteinanderen aussgehn, sollen 
auff bestimbte Zeit mit einanderen wider an- 
heimbsch werden. Der Uebertretter soll umb 
4 pf. gestrafft werden. 






3) Welcher sich in- oder ausserthalb dem 
Hauss ungebfirllch halten wurde, Ehrwürdigen 
und alten Leuten nicht ihr gebürliche Ehr an- 




thun, der sol 8. Tag exdudiert seyn, und dem 
praeposito verzeigt werden. 

Nota. Es sol die exdusion gehalten werden, 
wie von altem her, also dass die Exdudierten 
ausserthalb dem Tisch, und den Stüblinen, von 
den anderen Studenten sollen abgesünderet 
seyn, auch in der zeyt kein Urlaub nicht nem- 
men, und wo ingemein Urlaub vergönt wird, 
dessen ihrer Person halb beraubet seyn. 

4) Wo einer mit unfletigkeit das Hauss ver- 
wüsten wurde, sol er seinem Praeposito ver- 
zeigt werden, sein unradt selbs hinweg thun, 
und 8. krfitzer Straaff geben. 

5) Welcher anderen ihre Kleider, Bücher etc 
verwüsten und zerbrechen wurde, sol zwen' 
Senat exdudiert werden, und den Schaden er- 
setzen. Wer den anderen verlachet, oder ihm 
ubemamen auflegt, der sol 10. pf. geben. 



« 



Die Sdndofdnmig des Jahres 1616. 




6) Welcher in emer L4ig ergriffen wirt, sol 
Z batzen verfallen seyn. 

7) Welcher aber seynem Praeceptori die Un- 
wahrheit fOigibt, der sol anstatt der Ruten 4. 
Wochen» oder nach gestalt der Sachen, exdu- 
diert werden. 

8) Wan einer Weyn in das Collegium oder 
Paedagogium ohne erlaubtnuss tragen, oder 
ein anderen einzutragen bestellen wurde, so 
sol das Qeschier dem Herren verfallen sein, 
und diejenigen ihre verdiente Straff empfachen. 

9) Es sol keiner vor dem Closter oder newen 
Schul stotEcn, welcher das thut, sol ein Senat 
exdudiert seyn. 

10) Auf den Professoren, der lesen wil, sol 
man in dem Auditorio, und nicht darvor auf 
der Oassen warten. Welcher darwider thete, 
sol 4 pf. verfallen seyn. 

11) Welcher in der Kirchen nit in sein orden- 
lichen Stand und Platz staht, der sol die über- 
trättung bfissen mit fünf Haller. 

12) Welcher mit seinen consorten oder prae- 
ceptoribus teutsch reden wurde, der sol umb 
vier Hauer gestrafft werden, welcher aber den 
asinum beherbergen wurde, sol acht Haller 
geben. 

13) Welcher ein Predig, Lection, Qsang etc 
ohne Urlaub seines Praeceptoris versäumt, der 
ist ein Creutzer verfallen. 

14) Es sollen die Studios] in CoUegüs Mor- 
gen und Abendts zu gewohnter zeit ein gantzes 
Capitul auss der Bibel Piscatoris lesen, sampt 
den Ausslegungen und den Lehren, und her- 
nadi ihr gewohnlich Bett verrichten. Der söl- 
lidies versäumte, sol denselbigen tag exdu- 
diert, und vom Tisch abgsOnderet seyn, und 
mit Muss hinder der Thfir gespeisst werden.i 

15) Welcher ein Exerdtium disputationis, 
dedamattonis, styli, condonis Sabbat: versäu- 
men wurd, der sol für das erst 2 kr. für das 
ander 3. für das 3. vier verfallen sein. Wo- 
fehr aber er weiters fahrlessig erfunden wurde, 
soll er dem Rectorj verzeigt werden. 



16) Welcher am Abend predigen sol, und 
nIt gerfist ist, soll sich bey dem Herren endt- 
schuldigen, hat er nicht gute ursadi, sol er 
gestrafft werden. 

17) Die Studenten sollen nicht gewalt haben 
einidie lection abzustellen, ohne vorwfissen dess 
Herren im Closter. Wan sie das theten, so 
sol ihr OratcMT anstatt der Ruten 4. Wudien ex- 
dudiert seyn. 

18) Wann die Studenten hinaussgelassen 
werden, in der Zeit so ubers Blut gerichtet 
wul,' so sollen sie nit auss dem Kloster und 
paedagogio gehn, biss dass man leutet; und 
umb die zwey all vrider anheimsdi werden. 
Welcher aber solches ubertretten wurd, sol 
nach gestaltsame dess aussbleibens exdudiert 
werden. 

19) Die Studenten unnd Schuler sollen an 
kein Hochzeit gelassen werden, es seye dann 
w^gen nadier Verwandtschafft, Also dass der 
Hochzeiter, oder Hochzeiterin einessin Vatter, 
Muter, Bruder, Schwester etc seye, oder ihre 
condisdpulj, und in dem Fahl über sedis nicht 

20) Denen in der Statt an ein Hochzeit zu 
gähn vergönnt wirt, die sollen sidi nadi der 
Oluckwfinschung angentz wider in das Closter 
begeben, ire Lectiones zu visitieren, und her- 
nach sich nach verrichter 1^4ahlzeit angentz wi- 
derumb an ihre Qwarsame machen. Der uber- 
tretter sol exdudiert werden, nach gstaltsamme 
der ubertrettung. 

21) Welche aus der Statt an Hochzeit reisen 
wurden, sollen auf bestimmten tag wider an- 
heimsdi werden, oder ihrem verdienen nach 
ein straff aussstahn. 

22) So jemandts ohne Oheiss oder Erlaubt- 
nuss in die Qärten oder Closterhatden gehn 
wurde, der sol zween senat exdudiert werden. 

23) So jemandts auf der Aren ohne Uriaub 
fahren thäte, der sol acht Tag exdudiert seyn. 

24) Es sol ein jeder exammat verbunden 
seyn, sein Kragenrock in die lectiones, dispu- 



< 




« 



Die Schulofdnitng des Jähret 1616. 



^ 



hitioneSy Predig, Senat, und wo er auss dem 
Ooster anderswo hingahn wil, alss ein Kir- 
chendiener anzutragen. Der solches übersieht, 
aol alle mahl zween Senat exdudiert seyn.» 

Die Bestimmungen über den Senat im Klo- 
ster und auf der Schul haben wir bereits oben, 
p. 38 und 39, kennen gelernt 

Schliesslich erwähnt unsere Schulordnung 
noch der «sonderbaren Satzungen», 
welche die Studenten in ihrem Senat zu halten 
haben und die, in lateinischer Sprache beschrie- 
ben, seit der Reformation unverändert geblie- 
ben seien, leider ohne sie uns mitzuteilen. 

Kampf der Geistlichkeit 
g^gen die Schulordnung von 1616. 

Die Sdiulordnung von 1616 schloss die Prä- 
dikanten von der Inspektion der Schulen, die 
sie bis anhin gehabt, aus und verlangte ihre 
Mitwirkung einzig und allein bei der Promotio 
ad ministerium. Man kann sich denken, welche 
Aufregung dieser Staatsstreich nicht bloss unter 
der Geistlichkeit der Stadt, sondern auch des 
ganzen Landes hervorrief. Schon der Umstand, 
dass in den Schulrat, den vielköpfigen, ein ein- 
ziger Prädikant und dieser mit Uebergehung 
des Dekans berufen worden war, wird genug 
Unzufriedenheit hervorgerufen haben, aber man 
mochte sich in den beteiligten Kreisen mit der 
Hoffnung getröstet haben, dass die Professoren 
ihre geistlichen Bräder nicht desavouieren und 
dafür sofgen würden, dass ihnen die durch die 
Ordnung von 1548 gegebene Stellung bliebe. 
Gross war die Enttäuschung, wie die neue 
Ordnung bekannt Mrurde, und die Prädikanten 
beschuMigten die Professoren des Verrates an 
der gemeinsamen Sache der Kirchendiener; ihr 
Mass warf sich namentlich auf den Professor 
Zeender, den man als den Urheber der neuen 
Ordnung ansah,^ und nun verfolgten sich die 
beklen Parteien eine Zeit lang in Wort und 
Sduift Der Ausschluss der Prädikanten «von 
der Aufskrht, Sorg und Regierung der Schulen» 




machte audi aussertialb des Standes Bern Auf- 
sehen und namentlich in dem befreundeten 
Zürich fOrchtete man, die neue Schufordnung 
werde zum Samen der Spaltung und Zwie- 
tracht werden. Nachdem die Bemer Prädi- 
kanten ihren Amtsbriidem in dorten die ge- 
druckte Ordnung überschickt hatten, sandten 
ihnen diede den 26. März 1617 als Antwort ein 
ausführliches Gutachten über die ganze An- 
gelegenheit, offenbar an die Adresse des Täg- 
lichen Rates und des neu gewählten Schulrats. 
Es ist im Namen der Prediger und Professoren 
der Kirche und Sdiul zu Zürich von dem Prä- 
dikanten Johann Jakob Breitinger und dem 
Scholarchen J. J. Huldricus unterschrieben und 
in deutscher und lateinischer Sprache abge- 
fasst,^ ein wahres diplomatisches Meisterstück, 
das entschieden zur Versöhnung der Gemüter 
und friedlichen Ausgleidiung der Sache vieles 
beigetragen hat, interessant auch wegen der 
damaligen Ansdiauungen von dem Verhältnis 
zwischen Kirche und Schule. Alle Parteien wer- 
den darin durch das ihnen gespendete Lob 
von vorneherein günstig gestimmt und der 
ausgesprochene Tadel ist in euie so liebens- 
würdige Form gehüllt, dass er denjenigen, den 
er traf, unmöglidi verletzen konnte. Da wird 
denn in gelehrter Auseinandersetzung aus der 
Bibel und der Kirdiengesdiidite zu erweisen 
gesucht, dass die Prediger gleichsam die von 
Gott eingesetzten Hirten nicht bloss der Ge- 
meinde, sondern auch der Sdiule seien, in 
einer Gemeinschaft mit den Lehrern zu glei- 
cher Obsoig und Beratschlagung, wie denn 
auch zu Basel, Sdiaffhausen, Genf und Zürich 
in der Verwaltung und Regierung der Schulen 
die Kirchendiener und die Professoren mit- 
einander vereinigt seien, und namentlich zu 
Züridi als die fümemste Ursache der durdi 
ein ganze» Saeculum genossenen Ruhe, Einig- 
keit und Wohlfahrt nächst Gott die einträch- 
tige Aufsicht und Regierung der Kirchen und 
Sdiulen durch die Prädikanten und Professoren 
angesehen werden müsse. 



€ 



Die Schuloninuiig des Jahres 1616. 





Das Recht und die Pflicht der Prädikanten 
zur Aufsicht über die hohen Schulen folgern die 
Züricher auch |ius dem Akt der Handauflegung, 
der ihren Brüdern zu Bern auch nach der 
neuen Schulordnung noch verblieb, da es ihnen 
unmöglich sein müsste, einzig aus dem Exa- 
men pro ministerio die Kandidaten zu beur- 
teilen, und wenn ihnen keine Gelegenheit ge- 
geben wäre, Zeugen ihrer Erziehung und In- 
formierung von Anfang an zu sein und sich zu 
überzeugen, ob sie nicht Irrtümer ein- 
gesogen hätten; denn es wäre dann zu 
spät, dieselben ausrotten zu wollen, wenn sie 
viele Jahre im Oemüt der Jugend sich einge- 
wurzelt hätten. Aber noch immer müsse man 
der Irrlehren wegen auf der Hut sein; in der 
Beziehung könne Zürich als leuchtendes Vor- 
bild dienen. «Es hatte vor etwas Zeits der 
Schul zu Zürich nit geringen Dienst geleistet 
der sehr fromme und hochgelehrte Theodorus 
Bibliander; weil er aber auch ein Mensch wäre, 
hatte er seine menschliche Schwachheit nit we- 
nig sehen lassen in der Lehre von der Gnaden 
Wahl Darüber ihne Gualtherus seeliger Oe- 
dächtnuss, dazumalen Prediger zu St Peter, 
weil er in den Examinibus und Lectionibus oft 
zugegen wäre, offentiich bestrafft; Alsobald da«» 
rauff auss einhäligem rath der Kirchen-Diener 
und Professoren ward Bibliander unter dem 
Vorwand Hochen Alters seines Diensts er- 
lassen ; wordurch dan nit nur das ansehen eines 
so wolverdienten Mans beschützet, sonder auch 
die wahre Lehr der Helvetischen Glaubens- 
Bekantnuss unverletzt erhalten wurde. » 

Den Professoren zu Bern wird zu verstehen 
gegeben, dass es ihre Pflicht gewesen wäre, 
wenn die Regierung die Administration der 
Schulen ihnen allein übergeben wollte, bei der- 
selben anzuhalten und zu begehren, dass ihnen 
die Kirchendiener zugegeben würden. Denn 
die Trennung der beiden Stände müsse des 
weitem auch auf die Studierenden den ver- 
derblichsten Einfluss ausüben und sie dazu 
führen, namentlich «wenn der Lehrenden Fiend- 



schafft und Hass sich emüyet», zuerst die Pre- 
diger, dann die Wahrheit Gottes selbst gering 
zu schätzen und zu verachten. Bezeuge doch 
auch Erasmus, von dem verschiedene Sprüche 
der Schulordnung vorgesetzt waren, herrlich 
und weitläuftig, es seie kein König, der an 
Würdigkeit nicht einmal einem Dor^rediger 
gleichkomme. «Wir können unss fürwar nit 
erinneren — heisst es weiter — wo, nach dem 
Urtheil Erasmi, die Kirchen den Schulen, die 
Kirchendiener den Schuldieneren solten wei- 
chen, und im ansehen geringer seyn. Vil- 
mehr, weil die Schulen sind um der Kirchen 
willen, die Kirchen nit um der Schulen willen, 
so erforderet die natur der Subordination und 
die Verwaltung der Kirche, dass gleich wie die 
Soi^g und Aufsicht des Paedagogij und underen 
Schulen zustaht den Professoren, dass gleicher- 
massen den Kirchendieneren gebührt die Auf- 
sicht der of entlichen Lectionen.» 

«Gönnet den Jesuiten audi nicht den ge- 
ringsten schatten einiger sönderung, denen 
unsere biterkeit ist die siisseste wollust, da- 
rin sie sich belustigen. Glaubets, dass sehr vQ 
fromme und gelehrte Männer, die euch lieben, 
durch eure Vereinigung hertzlich werden er- 
quickt und getröstet werden. So ihr eine sol- 
che freud so vilen getreuen Dieneren Christi 
nit gönnen woltet, wurdet Ihr eine solche Sund 
begehen, darüber ihr zu seiner Zeit Buss thun 
müesstet » 

So die' Zürcher den Bemem ! 

Schliesslich stellten sich beide Parteien vor 
dem Täglichen Rat ein; es geschah im Sep- 
tember 1617. Die Herren Prädikanten mit samt 
den Helfern beschwerten sich « träff enlich » , 
dass sie von Schulen und Schulsachen aus- 
geschlossen sein sollten, dagegen die Profes- 
soren, von den Scholarchen vom weltlichen 
Stand unterstützt, ihre Verfechtung aller Länge 
nach auch dartaten, wobei die einen gegen die 
andern «zimlich scharpf usgebrochen », der- 
massen, dass die Gnädigen Herren des Täg- 




56 



^ 



Schulordnung des Jähret 1616, 



Ib 



lidien Rats zunächst in ihrer Session eine fried- 
liche Pazifikation unter den Streitenden trafen 
und den feierlichen Spruch fäUten,^ «das uss 
oberkeitlichem wolbefuegtem gwalt und an- 
sachen, undt vons besten wägen« alle wort undt 
wärcky schrifft- undt mundtliches, so zwüschen 
allersyts partien diss orts verlüffen, ufgehept, 
zerschlagen, hin, todt, ab, und vergraben, der- 
selben gantze gedechtnuss vertilget syn, undt 
weder dem einen, anderen, noch dritten teil 
an ihren ehren, guten namen, wirde, stand und 
reputation schädlich, noch verwysslich syn, 
sonders sy derseB>en irer ehren und Eeren- 
ständen gantz wol yngesetzt, verwahrt, Einer 
dem anderen das veigangene mit Hertzen und 
Mundt vertzychen, veigäben; sy desselbigen 
einanderen zu ungutem noch unglimpff nim- 
mermeer gedencken, unndt inskünfftig, wie 
Christen undt solchen Standtspersoonen ge- 
btirt, sich lieben; insonderheit die schrifften, 
so sy diser Sachen halb gägen einanderen ge- 
stelt haben mögendt, Dominis consulibus über- 
gäbenn söllindt, sy nach gepür undt nootdurfft 
abzeschaff en ». 

Ob dem Verlangen der Prädikanten ent- 
sprochen werden sollte, wagten die Räte von 
sich aus nicht zu entscheiden, sondern sie be- 
schlossen, dass der «weit aussehende Handel }» 
zu ftiglicher Gelegenheit vor den Rat der Zwei- 
hundert gebracht werden solle. Zwei volle 
Tage, den 27. und 28. November, verhandelten 
sodann diese die Angelegenheit, der beste Be- 
weis für die gegenseitige Aufregung, sowie 
auch andrerseits für die Wichtigkeit, die man 
der Sache beimass. Weitaus die Mehrzahl der 
zahlreich versammelten Burger war der Mei- 
nung, dass man die Prädikanten nicht mit Recht 
« so rauh » ausgeschlossen habe und so erfolgte 
der Beschluss, sie seien nach dem Inhalt der 
Schulordnung von 1548 in die Inspektion 
der Schulen und Schulsachen wieder 
einzusetzen und sollten auch bei der Aus- 
teilung der Legate und bei den Censuren an- 
wesend sein; des fernem, dass es bei der ge- 






ordneten Zahl der SchuhAte aus dem Kleinen 
und Grossen Rate sein Verbleiben haben toUei 
der Kleine Rat aber die Gewalt habe, die be- 
reits gewählten zu bestätigen oder an ihre 
SteUe andere zu ordnen. 

Als die weltiichen Scholarchen daraufhin 
ihre Demission eingaben, wurden sie den 4. De- 
zember 1617 vom Rat aufs neue bestätigt und 
gebeten, die Exekution der Schulordnung ins 
Werk zu setzen.^ Es blieb aber immer noch 
ein Stachel zurück, und es bedurfte auf die 
Klagen der Professoren hin, dass man mit der 
Beratung verschiedener dringender Schulange- 
legenheiten immer noch zuwarte und sie nicht 
wüssten, an wen sie sich wenden sollten, einer 
neuen Mahnung an den Seckehneister v. Oraf- 
fenried, den Präsidenten des Obern Schulrats, 
sein Kollegium zu versammeln und die not- 
wendigen Geschäfte abzuwandeln und auch in 
Zukunft zu tun, was seines Amtes sei' 

Bald nachher wurden die drei Prädikanten 
zum erstenmal wieder in den Obern Schulrat 
berufen, doch dessen waren sie noch nicht zu- 
frieden : sie wollten auch zu den Sitzungen des 
Untern Schulrats zugezogen sein. 

In der Konventssitzung vom 4. März 1619,^ 
der die drei Prädikanten sowie die Professoren 
und der Gymnasiarcha beiwohnten, beklagte 
sich der Dekan Lüthard in der Prädikanten 
Namen, dass er und seine Amtsgenossen wohl 
in den Obern, aber noch nie in den Untern 
Schulrat berufen worden seien, deshalb wolle 
er wissen, «ob man si ouch welle laut der er- 
kantnuss auss anno 1548 by Verwaltung aller- 
ley Schulsachen bywonen lassen, oder nit Dan 
im faal ihnen solches abgeschlagen, wurdent 
sy verursachet by der Obrigkeit dessenthalben 
hilf zu suchen: das si doch nit gern tetindt, 
sonder möchtindt wünschen, dass solches sonst 
freündtiich verwilliget wurde: welches dann 
widerumb zu guter alter einigkeit ein mittel 
sein wurde». 

Das Begehren kam den Professoren offen- 
bar etwas stark vor, und sie nahmen für einige 




« 



t)ic Sdiulordoiuig des Jahres 1616. 



Stunden einen « Verdanck ». Nachdem derselbe 
geschehen war, willigten sie in die Forderung 
der Prädikanten ein und wie sie nun noch zu 
wissen begehrten, ob es die Prädikanten bei 
der Ordnung des Recioris halb bleiben lassen 
wollten, und dieselben baten «den Schulrat 



JÜl 



mit mehreren Personen nit zu beladen >, er- 
hielten sie die bezeichnende Antwort: est las- 
sind es des übrigen halb bliben, wie es von Ihr 
Gnaden des einen und andern halb geoidnet 
wäre: denen es auch allein zustünde hier in 
etwas enderung fürzenemmen ». 





58 



Die Obere Schule von 1616-1674. 




Die Vorlesungen. 

Während dieser ganzen Zeit scheinen sich 
die Vorlesungen nach der Ordnung von 1616 
gestaltet zu haben, sofern es die beiden theo- 
logischen und den griechischen Lehrstuhl be- 
trifft; bald genug aber werden sich die philo- 
sophischen Vorlesungen auf Physik, Metaphy- 
sik, Logik und Rhetorik und vielleicht auch 
noch auf etwas Mathematik beschränkt haben, 
was wir schon aus dem Umstand schliessen 
können, dass die Schulordnung von 1676, die 
nur noch eine philosophische Professur kennt, 
vom Professor philosophiae einzig den Unter- 
richt in den genannten vier theoretischen Dis- 
ziplinen verlangt und von allen andern Zweigen 
dieser Wissenschaft, welche die Ordnung vcn 
1616 aufzählt, kein Wort mehr sagt Die Ord- 
nung von 1676, zufrieden mit dem, was man 
vor dem Jahr 1616 gehabt hatte, bestätigte den 
Status quo, der aber offenbar schon längere 
Zeit geherrscht hatte. Sie änderte auch an den 
Pensen der übrigen drei Stühle, wie sie die 
Ordnung von 1616 vorschreibt, nichts Wesent- 
liches, so dass wir auch für diese, wie bereits 
bemerkt, keine Erweiterungen, keinen Fort- 
schritt anzunehmen haben. 

Nur vorübergehend treffen wir in unserer 
Periode einen fünften Professor, den der Zu- 
fall nach Bern brachte. Im Februar 162Q kam 
der kurpfälzische Professor der Eloquenz in 
Heidelbeig, Dominus Conradus Schoppius, 
um seines Glaubens willen aus seiner Heimat 
vertrieben, in unsere Stadt und erhielt von der 
Regierung, die sich der verfolgten Protestan- 
ten jederzeit liebend annahm, die Stelle des 
Lehrers der Musik und Arithmetik an der Un- 



tern Schule mit dem Auftrag zugleich an der 
Obern Schule wöchentlich eine Stunde Ora- 
toriam zu lesen und am gesetzten Tag die 
Exercitia stili abzulesen und zu corrigieren 
und die dedamantes abzuhören.^ 

Im folgenden Jahr schickte er ein weh- und 
demütiges Schreiben an den Täglichen Rat 
(das uns die « Unnützen Papiere » ^ aufbewahrt 
haben) mit der Bitte um Vermehrung seines 
Einkommens, worauf er für seine Oratori- 
sehe Profession ein ordentliches Honorar er- 
hielt, nämlich an Dinkel 40 Mütt, an Hafer 
8 Mütt, 220 Pfd. in Geld und 6 Saum Wein, 
und nun wurden, damit der Staat nicht um- 
sonst solche Gnadenakte walten lassen müsse, 
im Oktober 1630 die Herren Studiosi vermahnt, 
die Exercitia stili zu komponieren, zu dekla- 
mieren und die Lectiones oratorias fleissig an- 
zuhören und niederzuschreiben.^ Seine Auf- 
gabe war also in der Hauptsache dieselbe, wie 
des Professors eloquentiae gegen Ende des 
Jahrhunderts, d. h. der Latinität der Studiosen 
aufzuhelfen, und wir dürfen wohl annehmen, 
dass mit der Aufbesserung seiner Besoldung 
auch die Zahl seiner Vorlesungen vermehrt 
wurde. 

Zu Anfang des Jahres 1635 ist Schoppius 
bereits nicht mehr in Bern; dass seine Tätig- 
keit nicht ohne Erfolg war, kann aus dem 
Umstand erschlossen werden, dass die mei- 
sten seiner Funktionen dem Professor graecus 
N. Henzi und dem Professor philosophiae 
übergeben wurden,^ jenem die Exercitia stili, 
diesem die Deklamationsübungen.^ Und nun 
erhoben nicht weniger als fünf Lehrer An- 
spruch auf Vermehrung ihres Gehaltes aus 
dem von dem Stift ausbezahlten Stipendium des 




«^ 



Die Obere Sdiule von 1616—1674. 



gewesenen Professoris eloquentiae, drei Pro- 
visoren und die beiden Professoren Henzi und 
Haberreuter «nit unbülidi vermeinend, dass, 
wie inen die mehrste beschwerd H. Schoppii 
profession uferlegt und zu theil worden, sie 
nun auch in der theilung synes gehabten sti- 
pendii zu Vermehrung irer sonst nit gar star- 
ken besoMung nit ussgesdilossen werden söl- 
lint». Der Tägliche Rat befahl der Venner- 
kammer, ihr Ober dieses Begehren ein Out- 
achten abzugeben (den 8. Januar 1635) ; nach 
demselben wurden die beiden Professoren mit 
leerer Hand abgewiesen. 

Dass die Regierung nidit gewillt war, dem 
Herrn «Nikiaus» die Besoldung zu erhöhen, 
begreifen wir vollkommen, da er schon wah- 
rend emer Reihe von Jahren nicht einmal 
seinen übrigen Amtspflichten genfigt hatte.^ 
Er starb audi kurz nadiher. Seinem Kollegen 
Haberreuter aber wurde die gevdinschte Oe- 
haltsaufbesserung nach einigen Jahren zu teil. 



Die OehUter der Professoren 
und der Praepositi« 

Während des dreissigjährigen Krieges waren 
bekanntlich die Lebensmittel derartig in ihrem 
Preise gestiegen, dass die Fixbesoldeten in 
die grösste Not kamen, weshalb sich der Staat 
gezwungen sah, ihnen zu Hülfe zu kommen. 
Dies geschah den Professoren gegenüber im 
Jahr 1640 ; durch den Ratsbeschluss vom 
10. Marz^ wurde deren Besoldung so normiert, 
dass sie nun fast das Doppelte der Besoldung 
von 1598 betrug,^ nämlich für die drei Profes- 
soren der hebräischen und griechischen Sprache 
sowie der Philosophie 



an Oeld 
an Dinkel 
an Haber 



400 Pfttnd, 
56Mütt, 
16 



>i 



für den Theologus aber, d. h. den Professor 
der Theologie des Neuen Testaments^ 



51 



an Oeld 
an Dinkel 
an Haber 



500 Pfund, 
60Mfit^ 
20 



»f 



und den 14. März desselben Jahres wurden den 
erstem dreien je zwei Saum Wein vermeh- 
rungsweise hinzugetan, sowie dem Theologo 
«ein Ryffass mit wyn us dem welschen Kel- 
ler.» 

Durch dasselbe Dekret vom 10. März 1640 
wurde auch der Oehalt der beiden Praepositi 
wieder normiert; es besagt uns darüber: 

«Dem Herrn Fürgesetzten im Kloster über 
die alte bestallung ist (in bestätigung des raht- 
sdilags vom 2. Dezember 1629) hinzugethan 
und geordnet 

an Oelt 50 L 

„ Dinkel 8 Mütt 

Dem Herrn uff der Schul soll fürtfain (in be- 
stetigung der Vermehrung vom 12. Januar 1637) 
zu seinem vorigen Stipendio bestendig ussge- 
richt werden 



an Oelt 
Dinkel 



>» 



100 L 
4 Mütt» 




Unter diesem Stipendium ist die Summe 
zu verstehen, welche die Praepositi zur Unter- 
haltung ihrer Alumnen aus dem Stift und dem 
Schulseckel erhielten. Im Jahr 1629 war in 
der Tat dem Herrn im Kloster die besagte 
Aufbesserung zugesprochen worden und zu- 
gleich auch dem Herrn auf der Schul eine 
solche, bestehend in 60 Pfund, 6 Mütt Dinkel 
und 2 Mütt Haber. Beide hatten dem Kleinen 
Rat ihre Not dargestellt und geschildert, wie 
es ihnen bei der gegenwärtigen herben und 
teuem Zeit nicht mehr möglich sei, sidi und 
die Studenten zu ernähren, worauf die Onä- 
digen Herren dem Stiftschaffner den Befehl 
erteilten, obige Erhöhung jährlich auszurich- 
ten;^ aber volle sieben Jahre lang 
wurde, wie uns eine Aufzeichnung in den 
«Unnützen Papieren» (XVIII, Nr. 35) besagt. 



ü^ 



Die Obere Scliiile vcm 1616—1674. 



dieser Befehl nicht ausgeführt und 
weder das Geld, noch das Korn ab dem Stift 
dem Herrn im Kloster entrichtet» und offen- 
bar auch dem Herrn auf der Schul nichts Das 
Stift steuerte damals an das Kostgeld der Kol- 
kgianer jahrlidi 



an Oelt 
an Dinkel 

und der Sdiulseckel 
an Oett 



660 Pfund, 
152 Mfitt 



390 Pfund. 



Dazu kamen zum Kochen und Badcen und 
für die Heizung der grossen Oefen in den Au- 
ditorüs «12 buchin Stuck oder Stammtrom, 
denn die grotzen und est behäng in dem Brem- 
garten». 

In das Rechnungsbuch und die irdisdien 
Sorgen der geistlichen Herren auf der Schul 
gestattet uns eine erhaltene Eingabe des Schul- 
meisters Christoffel Müller (Molitor) einen 
EmbUck;> Müller war von 1628—1635 Schul- 
meister und Paedagogiardia und schreibt an 
die Gnädigen Herren über seinen Haushalt 
also: 

« Uff erzeichnuss des järlichen ynkcmimens 
der 16 Studenten uff der Schul. 

Ersflicfa US dem Schulseckel järlich an 



Pfen. 



159 Kronen. 



Demnach us dem St Johansen Hus järlich 
15 Kronen. 

bringt sammentfaaft 174 Kronen. 

Disers ihn 16 tfaeil abgetheilt, zücht jedem 
Studenten järiich 10 Kronen, 22 Bz., 3 Crüzer, 
4 Haller. Us disem mus man die Studenten 
mit nachtracht spysen; sonderlich wuchenflidi 
zweymal Fleisch gäben, jedem allemal 1 Pfund. 

Naben disem mus man auch ein Jungfrouw, 
ouch underwylen werckwyber zum bestrychen* 
und waschen mit spys und lohn erhalten: 
bringt järlich auch über die 40 krönen. 



^ 



So brucht man auch järlich zu bryen: item 
zweymal der Studenten betigwandt zu bestiy- 
chen, auch brott zu milchbrochen,^ völlig 6. 
müt kom. Und 2 mütt haber zu habermäl. 
Ich will geschwygen der anderen spysen, wel- 
che alle man jetziger Zyt mit zwyfachem galt 
ynkauffen mus, us^on, was man us dem 
garten hat, welcher aber mit kosten muss ge- 
buwet werden. 

Es wirdt zwar von Ihr Qnd. den Studenten 
zwyfach mus und brott gäben;^ es weis aber 
hieiby ohn zwyffel Ihr Ond., das andre kna- 
ben, die auch zwyfach muss und brott haben, 
noch jerlich 15 oder 16 krönen, ja auch jetzi- 
ger zyt mehr dischgält gäben müssen : mit wel- 
chen man doch nit so vil unmuss und un- 
glägenheit han mus, wie man tag und nadit 
mit den Studenten haben muss. 

Zu disem allem wirdt auch zwar von Un- 
Sern Ond. H. holtz gäben, wyl aber die buchen 
von jar zu jar kleiner geführt werden, auch 
jetziger Zyt zwen grosse offen mehr als vor 
ettlich Jahren geheitzt werden, so mag man nit 
gnug haben; es sye dann, das man die kna- 
ben im winter übel muss erfrieren lassen.» 

Den 14. Januar 1637 wurde sodann des 
Schulmeisters Corpus über seine vorige Be- 
stallung verbessert^ und zwar 

an Holz um 4 wärschafte Fuder (2 von 

Tannenholz und 2 von Buchenholz), 
an Wein 2 Saum, 
an Oeld fronfastlich 25 Pfund, 
an Kom „ 1 Mütt Dmkel 

und diese Vermehrung wurde im März 1640, 
wie wir bereits sahen,^ bestätigt 

Der Schulseckel, der für die Studenten auf 
der Schul namentlich in Anspruch genommen 
wurde, war durch eine lange Reihe von Ver- 
mächtnissen bereits zu einem stattlichen Ka- 
pital angewachsen. Die Vergabungen betrugen 
bis zum Jahr 1630 die Summe von 27530 
Pfund.^ In dieser Summe sind aber nidit in* 
Fen (al^esehen von den 400 Pfund, die 




tfl 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



» 



ihm jährlich von den Klöstern Königsfelden, 
Zofingen, Interlaken und Frienisberg durch die 
Amtsleute zuzuwenden waren) :^ 

1. das Fädmingersche Legat im Be- 
trag von 5000 Pfund, dessen Zinsen laut Te- 
stament des im Jahr 1586 verstorbenen De- 
kans Fädminger^ nach dem Tode seiner Gattin 
jährlich den HH. Prädikanten, Helfern, Pro- 
fessoren und Schulmeistern zugestellt werden 
sollten, damit diese daraus 12 in guten Treuen 
erkieseten Schülern von guter Art und einem 
zuchtigen Wandel und die sich zu Kilchen- 
und Schuldiensten verpflichten wollten, an ihre 
Unterhaltung 240 Pfund ausrichteten und zwar 
den ersten sechs je 25 Pfund, den andern je 15 
Pfund. Die übrig bleibenden 10 Pfund sollten 
den obengenannten Herren für ihre Mühe und 
Arbeit zustehen, um sie ihrer Gelegenheit 
freundlich mit einander zu verzehren ; ^ 

2. das Tillier-Stipendium, d. h. das 
Stipendium des Ratsherrn Hans Anton Tillier 
«zu Uffererzüchung frommer Jünglingen» im 
Betrage von 1200 Goldkronen; 

3. das Legat des Seckelmeisters Vincenz 
Dachselhofer von 2000 Kronen «zu Uff- 
erzüchung tugendliebender Jünglingen». 1627 
wurde durch den jungen Dachselhofer diese 
Stiftamg um 400 Kronen vermehrt, so dass nun 
zwei Stipendien von je 60 Kronen ausgerich- 
tet werden konnten. Die Erben Dachselhofers 
hatten cfie Stipendiaten zu bezeichnen. 



Die Musshafenordnung des Jahres 1643. 

Aus der mitgeteilten Eingabe des Schul- 
meisters Molitor ist ersichtiich, dass die Stu- 
denten auf der Schul den Musshafen genossen ; 
infolgedessen waren die Geldbeiträge für die 
16 auf der Schul verhältnismässig viel kleiner 
als diejenigen für die 20 Kollegianer, welche 
vom Musshafen nichts bezogen. Die Herren 
Studiosi auf der Schul waren also auch der 
Musshafenmusterung unterworfen, was 



ihnen wohl nicht gerade behagt haben mag. 
Dieselbe fand alljährlich einmal im Juni oder 
Juli an einem Donnerstag alsobald nach der 
Predigt in der Vennerkammer statt und zwar 
nach folgendem Ceremoniale : ^ 

Nachdem sich das Vennerkollegium, dem 
der Musshafen unterstellt war, mit den Herren 
Geistlidien, sämtiichen Professoren und dem 
Prinzipalen der Untern Schule versammelt 
hatte, eröffnete der Seckelmeister die Feierlich- 
keit mit einer kurzen Anrede, worin er aus- 
einandersetzte, warum es zu tun sei. Dann 
überreicht der Rektor im Namen seiner Kol- 
legen dem Seckelschreiber das Verzeichnis der 
Musshafengenössigen samt ihren Testimoniis 
und dieser ruft nach demselben einen Studio- 
sus nach dem andern in die Kammer hinein; 
jeder Eintretende hat mit adsum zu antworten. 
Sind alle in der Kammer versammelt, so pero- 
riert der Seckelmeister auf eine der Feierlich- 
keit angemessene Form und nach der Oration 
lobt er die Fleissigen und schilt die Unfleis- 
sigen, diese zu mehrerem Eifer anmahnend. 
Die zur Besserung keine Hoffnung mehr lassen, 
priviert er des Musshafenbeneficii und ver- 
weist sie ad aliud vitae genus. Nach dieser 
Remonstranz fragt er die Professoren und 
Geistiichen an, ob sie noch etwas anzubringen 
haben, worauf die Studiosi entiassen werden. 

Hierauf kommt die Reihe an die Knaben 
der Untern Schule, mit denen in ähnlicher 
Weise voi^egangen wird. Nachdem auch diese 
entiassen sind, werden jedem der Professoren 
ein Gulden, dem Teutsch-Sedcelmeister, den 
Vennem und deren Sekretarius je 10 Pfd. aus- 
gerichtet^ 

Nicht jedem Seckelmeister mag diese Ora- 
tion und Censur angenehm gewesen sein, und 
gerade in unserer Periode drohte die Muss- 
hafenmusterung ausser Gebrauch zu kommen. 

Die Herren Geistiichen mahnten deshalb 
zum Aufsehen, und so erging den 10. Jenner 
1640^ folgender Ratszettel an das Vennerkol- 
legium: 




« 



Die Obere Sdiule von 1616—1674. 



«Nachdem meine gnädig Herren uff der 
Herren der Oeistlichen uff hütt gethanen an- 
zug in obachtung genommen, was vill unfleis- 
sige unnd untugenüiche Schuler biss dahar den 
Musshaffen unwürdig genossen, und derowe- 
gen hoch von nöthen seye, dass demselben 
gebärender massen vorgebuwen, die inertes 
scholastid darvon Verstössen, und die tugent- 
lichen in das benefidum uff- und angenom- 
men werdind: habend Ihr Ond. nit Umbgang 
nemmen wollen, Euch mhE. Herren den Ven- 
neren ze bevelchen, altem, nun ein oder zwei 
Jahr underlassnem Bruch nach, die jehrlichen 
musterungen an gewohntem ortt ernstlich an- 
zestelleUy die praeceptores umb eines jeden 
Schulers Verhaltens, Fleiss oder Unfleisses halb 
grundtUdi ze vememmen, zun dem end und das 
hernach nach gegebner zugsame dem ein und 
anderen der Musshaffen gegeben oder abge- 
strickt werde. Massen Ir das ein unndt andere 
in wfirdclichen effect stellen, und alle untugent- 
lichen Schuler dess benefidi oUae abschaffen 
und durchwQsdien werdind, Ir Qn. Euch woU 
vertruwend. » 

In den Musshafen, der ebenfalls, wie der 
Schulseckel, durch manche Legate gottseliger 
und guttatiger Leute «bis auf ein feines jähr- 
liches Einkommen » vermehrt worden war, war 
aber auch noch in anderer Beziehung in der 
Zeit, von der wir handeln, grosse Unordnung 
gekommen: nicht bloss unwürdige, sondern 
auch viel zu viele Schüler drängten sich an den- 
selben heran und genossen das begehrenswerte 
Benefidum, ja es gelang sogar Subjekten, die 
nach dem Wortlaut der Stiftungen gar kein An- 
recht an den Musshafen hatten, in die Küche 
im Dominikanerkloster, wo in einem grossen 
Kessel vom geschäftigen Musshafenkoch das 
wohlschmeckende Essen angerichtet wurde, 
sich einzuschleichen, und an gewissen Tagen, 
wenn Fleisch gekocht und ausgeteilt wurde, 
lagerten ganze Bettlerscharen im Hof vor der 
Küche und wussten sich Fleisch, Muss und 
Brot zu erobern. Es war zu Anfang der Vier- 




» 



zigerjahre des 17. Jahrhunderts so weit ge- 
kommen, dass die Qeldausgaben die Einnah- 
men überstiegen und aus dem Stadtgut ein 
erhebliches Quantum Getreide zu demjenigen, 
was dem Musshafen einging, dargestreckt wer- 
den musste. Deshalb schritt die Regierung im 
Frühjahr 1643 zu einer vollständigen Reform 
des Musshafens und ernannte eine Kommis- 
sion, bestehend aus je vier Mitgliedern des 
Kleinen und Grossen Rates, welche mit Ab- 
schaffung aller eingeschlichenen Missbräuche 
eine feste Ordnung einführen und vor allem 
die Zahl der Musshafengenössigen normieren 
sollte, damit das Ausgeben das Einnehmen 
nicht mehr überschritte und das gewünschte 
finanzielle Gleichgewicht wieder hergestellt 
werden könnte. 

Nach dieser Musshafenordnung^ erhielten 
die Sechszehn auf der Schul täglich ein jeder 
an Brot «ein gross Mütschen» von zwei Pfund 
Gewicht und «eine Kellen mit Muss, ein Mas 
haltend ». 

Neben den Pädagogianem erhielten 15 Stu- 
denten aus der Zahl der Exteri das Recht, den 
Musshafen zu geniessen und zwar den doppel- 
ten, d. h. täglich zwei Kellen mit Muss und 
ein Vi Pfund schweres Brot* 

Unter 17 malen des Jahrs bekamen alle 
Musshafengenössige, sei es dass sie einfachen 
oder doppelten Musshafen hatten, dritthalb 
Pfund Fleisch; an diesen Tagen hatte ein 
« Kärlismann » für 15 Kronen Fleisch aus der 
Schal zu dem Musshafen zu führen, allwo 
es gekocht und verteilt wurde. Daneben wurde 
unsem Pädagogianem zweimal im Jahr, zu 
Weihnachten und Ostern, ein ganz besonderer 
Leckerbissen zu teil, den der unverdorbene 
Alamannenmagen heutzutage noch nicht zu 
verschmähen pflegt, nämlich jedesmal 10 Pfund 
Kutteln von den zwei auf diese hohen Fest- 
tage geschlachteten Rindern.^ 

Während der Austeilung aller dieser Gaben 
Gottes und der Gnädigen Herren wurde im 
Dominikanerkloster militärisch strenge Diszi- 





Dk Obere Sehnte von 1616-1674. 




51 



plin gehalten und der Musshafenkoch, der im 
Staate Bern nicht der letzte war, wurde durch 
die Ordnung ematiich vermahnt, «niemand in 
die Kudie zu lassen, sondern das Mus einem 
jeden nach der Ordnung des Catalogi, wie er 
abgelesen wird, anzerichten ». Der Herr auf 
der Schul hatte wöchentlich einmal «eine Vi- 
sitation zum Mushafen zu tun» und sich zu 
fiberzeugen, ob alles in der vorgeschriebenen 
Ordnung vor sich gehe; dafür eriiielt er am 
Samstag ein Paar einfadie Mutschen! Sechs 
Offidarii, der 7. Klasse entnommen, unter- 
stutzten den Koch in seinem schweren Amt; 
jeder derselben hatte seine ganz bestimmte 
Aulgabe, und die Braven erhielten, wenn sie 
ihre «Aemtlenen» nach der Meinung ihres 
Chefs untadelig verrichteten, wödientlich zu 
ihrem Ordinari-Musshafen drei einfach Mut- 
schen samt dreien Kellen mit Muss. Fürsttidi 
aber wurde ihr Chef selber, der Koch, hono- 
riert Alle Tage erhielt er vier zweifach Mat- 
schen und sechs Kellen mit Muss und an je- 
dem geordneten Fleischtag 10 Pfund ReisdL 
Von manchem Burger wurde er beneidet! 

Wer unter den Exteri der Studenten den 
Musshafen bekommen sollte, lag in der Hand 
und Gewalt der Venner und der Herren Geist- 
lichen. Sie hatten alle halbe Jahre nach der 
Vornahme der Promotionen diese Stipendia 
nach der Würde, dem Fleiss und der Dürftig- 
keit eines jeden zu besetzen und wenn in der 
Zwischenzeit ein Platz verlediget wurde, sei 
es durch « Abstossen » der zum Studieren Un- 
tauglichen oder auf andere Weise, denselben 
sofort einem andern zu übergeben. 

Bei der Besetzung des Musshafenstipendi- 
ums hatten die Schüler und Studenten von 
Thun, Zofiugen und Brugg dasselbe Anredit, 
wie alle übrigen Bemer; sie sollten hierin 
«dessen, dass von einem jeden Ort eine ge- 
wüsse Anzahl Studenten auf der Schul und im 
Kbster erhalten werden, nfltzit zu entgelten 
haben». 



Die Schttlrefemuitloii des Jahres 1643. 

Zugleich mit der Musshafenreformation 
wurde auch eine Schulreformation vorgenom- 
men,^ nach dem Consultum der Professoren 
und Geistlichen vom Täglichen Rat den 16. No- 
vember 1643 gutgeheissen und bestätigt 

Diese sogenannte Schulreformation bezieht 
sich nur auf die beiden Alumnate auf Kloster 
und Schul, wo es um die genannte Zeit etwas 
kunteii>unt her- und zuging. Schon im Jahre 
1639 hatte der Tägliche Rat gegen die Aus- 
schreitungen der Pädagogianer einschreiten 
und in einem Konflikt, den diese mit ihrem 
Praepositus, dem Herrn Adunüller hatten, sich 
ins Mittel legen müssen. Gegen diesen waren 
die Studenten wegen mangelhafter Traktation 
und Excessen in der Castigation klaghaft ge- 
worden und bei der Untersudiung hatte es 
sich herausgestellt, dass die Pädagogianer, die 
sich über schlechte Beköstigung beklagten, ihre 
grossen Musshafenmütschen um Geld verkauf- 
ten und den Gewinn in den «Kellerhälsen» 
vertranken, auch geheime, ihrer Hausordnung 
widersprechende Gesetze hatten, in wekhen 
die Geldpressuren die Hauptrolle spielten, und 
überhaupt ein zäum- und zügelloses Leben 
führten. Nach dem Abschluss der Untersuch- 
ung hatten die Herren Geistiichen den Auf- 
trag erhalten, die Schuldigen züchtigen zu las- 
sen, ihnen die geheimen Gesetze abzufordern 
und alle «zur schuldigen Gehorsamme, Gotts- 
forcht und Observation Ihr Gnaden Ordnung 
und mehreren Respeds-Erzeigung gegen il 



Der Herren Geistiichen Anmahnung zeitigte 
nicht viele Frucht, nach vier Jahren ging's im 
Kloster und auf der Schul wieder drunter und 
drüber. Schuld war aber auch teilweise die 
Nachlässigkeit der Herren Fürgesetzten, weldie 
die Aufsicht gar zu gemütiidi führten. Im 
Kloster lag dieselbe jetzt dem Professor he* 
braicus David Maser ob, der im Jahre 1632 





Die Obere Schule von 1616—1674. 




^ 



an die Stelle des altersblöden Herrn Nikiaus 
getreten war, nachdem die KoUegianer gegen 
ihn eine förmliche Rebellion in Szene gesetzt 
hatten^i aber auch Maser wurde in der Er- 
füllung seiner Pflichten bald nachlässig. Das 
ganze Lebwesen der Studierenden war an- 
stössig; sie schweiften in der Stadt herum, wie 
uns unsere Schulreformation mitteilt, jagten 
die ganze Zeit dem Wein nach und in ihren 
Stfiblinen tranken sie des öftem bis um Mitter- 
nacht Das Qeld zu diesen Excessen brachten 
sie durch die sogenannten Pressuren auf, die 
namentlich an den «Untersten», den armen 
Füchsen, vorgenommen wurden. Diese muss- 
ten für die altem die Lektionen und Predigten 
besuchen und wenn sie's nicht taten, für eine 
jede 6 Kreuzer bezahlen. Wer Exlex, von 
allen Strafen, die die Hausordnung bestimmte, 
frei sein wollte, bezahlte je nach seinem Platz 
zu 60 Batzen in die geheime Kasse. Wer in 
das Kloster eintrat, musste 3 Kronen in die- 
selbe erlegen, dasselbe geschah beim Austritt 
In einem «sonderbaren Rodel» wurde über 
alle diese Gelder Buch geführt 

Auch an die Kleiderordnung kehrten sich die 
gottk)sen Studenten nicht mehr: sie trugen 
gar zu breite, oder sogar Sammet-Krägen auf 
ihren Mänteln, hatten lange Hosen und Schuh- 
bendel, item grosse Halskrägen und derglei- 
chen mehr. Wider das ausdrückliche Verbot 
der Schulordnung « stotzten » sie vor dem Klo- 
ster, der Schul und andern nächst gelegenen 
Orten und im Kloster selber schrieen, pfiffen 
und randalierten sie und führten andere der- 
gleichen «grobianische Stuck» auf, kurz ihre 
Sitten und Qebärden waren je länger je 
schlediter geworden. Damit ging Hand in 
Hand, dass sie in ihrem Studieren insgemein 
hin- und fahrlässig waren und die Predigten 
und gemeinen Qebete schlechtlich besuchten 
und nicht die kleinste Klage war die, dass sich 
bei ihnen in der lateinischen Sprache grosser 
Mangel zeigte; das sah man genugsam aus 
ihren Reden und « Qschriften ». 



Um all diesem Unheil und all den Miss- 
bräuchen abzuhelfen, beschloss der Kleine Rat 

1. in Bezug auf die Mängel im Studieren der 
KoUegianer: 

dass sie unter sich und mit ihrem Herrn 
nach altem Brauch nur Latein reden dürften 
und zu diesem Zwecke vom Präpositus ge- 
heime Aufseher zu halten seien, welche die 
Fehlbaren anzeigten, damit diese ernstlich ab- 
gestraft und nötigenfalls beim Konvent verzeigt 
werden könnten; 

dass zu dem Kapitel der Heiligen Schrift, 
welches jeden Abend nach der Schulordnung 
gelesen werden musste, an den Tagen, da 
keine Predigten gehalten wurden, eine Ana- 
lysis logica in lateinischer Sprache von den 
Studenten hinzugetan und angewendet, so ein 
Kapitel aber weitläufig, nur ein Teil auf diese 
Weise traktiert werde; 

dass die KoUegianer in monatlichen Exa- 
mina über ihre Kenntnisse und Fortschritte 
Rechenschaft zu geben und jeden Monat der 
Reihenfolge nach unter der Anleitung des Pro- 
fessors der Philosophie eine Oration aus dem 
Katechismus zu halten verpflichtet werden und 

dass ihr Präpositus so oft als möglich im 
Klosterhof sich einfinde, wenn seine Unterge- 
benen zum Zug in die grosse Leutkirche sich 
formieren und der Catalogus verlesen wird, 
damit er sich selber überzeuge, ob alle die 
Predigten und Oebete besuchen oder ob je- 
mand fehle. 

2. in Beziehung auf das Lebwesen der Alum- 

nen im Kloster, 

dass sie in ihrem Senat dem Herrn zu ge- 
k)ben haben, weder von den Eintretenden, noch 
von den Austretenden Oeld zu erheben, so- 
wie aUe Pressuren und geheimen Rodel ab- 
zuschaffen und die gesetzlich eingezogenen 
Strafgelder monatUch dem Präpositus abzuUe- 
fem bei Strafe der Remotion; 

dass diejenigen, so ohne des Herrn Vor- 
wüssen den Untersten Wein ins Kk>ster zu 
tragen befehlen oder selber solchen herein- 




tf^ 



Die Obere Schule von 1616--1674. 



» 



Recht ab, von ihren Kommilitonen, namentlich 
den jungem, für ihr eignes Interesse so viel 
Oeld als möglidi herauszupressen. Deutlich 
ersehen wir auch aus diesem Aktenstück, wie 
die durch das Gesetz eingeführten Qeldbussen 
zur Immoralität fährten und um so mehr dazu 
fuhren mussten, als die Quästur von den ver- 
fallenen und nicht einbezahlten Geldern auch 
die Zinsen zu berechnen und zu erheben hatte. 
Das waren die Exdusionen. «Sollen wir dann 
— sagen die Exteri — mit unserer höchsten 
unglegenfaeit, erst so viel gelt zu wegen brin- 
gen, umb dasselbig ihnen einzuliferen, da sie 
es doch nur zum Unnutz anwenden? Wurden 
nicht hierdurch nur unsere Eiteren, zu dieser be- 
schwerlichen Zeit fumemlich, da kein gelt zu 
bekommen, gestrafft? Insonderheit weil durch 
die übertriebnen Exclusiones die schulden also 
gehäuffet worden, dass die Exclusiones bald 
über die quästur, d. i. der Zins über die Haupt- 
schuld auffgest^en waren; da doch geordnet 
sol worden sein, es solle zu Monaten nur 3 
mal, und zwar erst nach verfliessung eines 
Monats, exdudiert werden ».^ 

Mit dem Versprechen, dem Studieren in Zu- 
kunft eifrig obzuliegen, da die Kriegszeiten 
vorüber und es wieder Studierenszeit geworden 
sei, erwarten die Studenten die gnädige Ant- 
wort ihrer Obem.^ 

In demselben Jahr richteten die Alumnen 
im Kloster eine Eingabe an den Täglichen Rat 
mit der flehentlichen Bitte, des mühevollen und 
dem Studieren hinderlichen Klosterlebens er- 
lassen zu werden.^ Wir bringen dieselbe an 
dieser Stelle zum Abdruck,^ weil sie uns von 
allen Dokumenten aus jener Zeit den besten 
Einblick in das Leben der damaligen Studenten 
gewährt; zudem mag es unsere Leser inter- 
essieren, wie das Deutsch lautete, das die 
jungen Leute schrieben, welche in den Vor- 
lesungen nur Latein hörten und in ihrem Hause 
nur Latein reden durften und die deutsche 
Schriftsprache nur aus ihrer Piscatorbibel, den 
religiösen Uebungen in der grossen Leutkirche 




und den Predigtübungen im Kloster kannten 
oder vielmehr kennen lernen sollten. Wenn 
man das bedenkt, wird man sich billig über 
den lesbaren Stil, in dem unser Gutachten ab- 
gefasst ist, wundem, aber — naturam expellas 
furca, tamen usque recurret 

« Hochgeachte, Gnedige Herren und 

Oberen. 

Obglich wol ein Hoche Gnedige Obrigkeit 
Sehr grosse sorg tregt, damit die Lehr des 
H. Evangelij, wie auch die rechte wahre er- 
kandtnus Gottes und sines Heil. Worts in 
Ihren Landen und gebieten erhalten werde, 
welches dan gnugsam us dem ersdiint, das 
sy by zitten die studierende Jugendt als pfläntz- 
ling in den zu den studijs bequemlichen ohrten 
lasset pflantzen und ufferzüchen, damit sy zu 
der von Gott bestimbten Zeitt der Herd Christi 
wol vorstehint, und durch die Evangelische 
Lehr beides, andere und sich selbst, selig ma- 
chen könnint; so geschieht dennoch leider vil 
mahlen, das ein Hoche Gnädige Obrigkeit 
dises Ihres Zwäcks beraubet wirt, nit zwar, 
das dessen Ihr Gnad einiche schuld tragint, 
sondern wil solches herfliest von anderen dem 
studieren sehr verhinderlichen imkomlichkeiten 
und ungelegenheiten, welche disem Zwädc 
hefftig zuwider sindt : Wie dan solche eben 
alhier in unserem Kloster, welches sonsten 
ein eriialterin und emehrerin des studierens 
sin sölte, sich vilfaltig ereugen und spüren 
lasset 

Ist derowegen von Ihr Gnaden alumnis in 
dem Kloster offtmalen gewünscht worden, das 
doch bequemliche gelegenheiten sich wurden 
zutragen, das unser arbeitseliges Klosterleben 
Ihr Gnaden in recht wahren Dreuwen ohne 
einichen betrug könte angezeigt und eröffnet 
werden; Wilen wir dan nun solchen den Stu- 
dijs veriiinderlichen und sehr schädlichen un- 
geiegenheitten, um etwas fleysiger nachgefor- 
schet und selbige erduret, als verhoffen wir 
es werde Ihr Gnaden keinen misfallen noch 



iR 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



^ 



Unwillen dafx>b fassen, so wir supplicantes die- 
selbigen sampt der gantzen beschaffenheit des 
Klosters Ihr Gnaden fürbringen werdint, wie 
dan hiermit in aller underthänigkeit geschehen 
soll, bittende Ihr Gnaden gantz hoch und flä- 
hentlich uns giinstige, gnedige Ohren darzu- 
reichen. 

Damit nun Hochgeacht Ihr Gnaden einen 
grundtlichen bericht fassen möge, wohar so- 
wol die dem studieren verhinderiichen unge- 
legenheitten, als auch das hierus entstehende 
liederiiche und ihren vorgeschribnen Ordnun- 
gen zuwiderlaufende läbwesen ihren eigent- 
lichen Ursprung gewinnint, kan solches Ihr 
Gnaden nit besser fürgebracht und beschriben 
werden, als wan wir Ihr Gnaden berichten 

Erstlichen unserer Tractation, wie wir 
mit speis und tranck versechen siyind ? zum 

Anderen, unserer Habitation oder Woh- 
nung, wie die Studier- unnd Schlaffstuben wie 
auch anders mehr beschaffen seie? zum 

Tritten unser Conversation, oder was sich 
bi unser bisamen Wohnung unvermidenlich zu- 
trage? 

Betreffent nuhn die Tractation der Studen- 
ten im Kloster bestehet dieselbige in Ordinari 
und Extraordinari speisen. 

Die Ordinari speysen so uns durch das 
gantze Jahr von tag zu tag uffgestelt werden, 
sindt nachfolgende: 

Am Sontag morgens wirt uns dargestelt 
suppen und fleisch, uns aber ist unbewüsst wie 
viel pfund von Ihr Gnaden uns verordnet seien. 
Abendts aber stelt man uns uff ein gewermbte 
fleischsuppen, darzu Winters Zeits ein Hirs, 
Sommers Zeit ein salat oder zun Zeiten kabis 
oder kraut 

Montags am Morgen ein gärstenmuss, zur 
Nachtracht milch, Sommer Zeits kalt, Winters 
Zeit warm; Abendts widerum gärstenmuss, 
hierzu köli, oder schnitz oder kraut 

Dinstags, für das Morgenbrott ein ärbs- 
muss, hierzu aber Winter Zeits ein haberbrey 
oder kürbis. Sommers Zeits ein Weissenbrey 



oder krautstilen. Abendts suppen und fleisch. 
Mitwochen, Morgendts ein gewermbte 
fleischsuppen, darzu meistentheils kirssuppen 
oder Kürbs, Abendts ein erbsmus, darzu weis 
Rüeben oder Schnitz. 

Donnerstag, Morgendts ein Erbsmus sampt 
einer kalten oder warmen milch. Abendts 
suppen und fleisch. 

Freitag, Morgens ein gewermbte fleisch- 
suppen und dameben ein wiser brey. Abendts 
ein Dinckelkemenmuss, darzu gälbi rübli oder 
kraut 

Samstag Morgens ein Dinckelkemen Mus, 
übrigs im Winter ein haberbrey oder kürbs, 
Sommers Zeit ein pfäffer oder krautstilen. 
Abents ein Mälsuppen, darzu kraut oder Weis- 
rüben. 

Zu Mittag aber empfachet ein Jeder durch 
das Jahr alletag nichts als ein trocken studc 
brot 

Und sind der tischen, uff welche dise speis- 
sen dargestelt, zwen, auff dero ein Jedem alle 
morgen und abendt ein Zechen-crützer werti- 
ges brott für 10 persohnen dargelegt wirt 

Zu disen Obenerzehlten speysen werden 
alle abendt durch das gantze Jahr, wie auch 
Sontag Morgendts 3 mas Wein us Ihr Gnaden 
Tütschem Keller, durch einen der sechs under- 
sten im Kloster abgeholt und under zwäntzig 
usgetfaeilt 

Die Extraordinari speyssen belangent, wirt 
uns von unserem Herren praeposito eines Jahrs 
5. oder uff das höchste 6. mal späck, denne 
auch an gewüssen festlagen entweders ge- 
brattens fleisch oder Pasteten uffgestelt, für 
welche Ihme durch unseren verordneten Ora- 
torem gebürlich gedancket, auch unsere ver- 
mügenliche Dienst anert)otten, auch zun Zeit- 
ten, so wir darzu von ihme vermant, geleistet 
werden. 

Obermelte Ordinari speisen aber, werden 
uns Sommers Zeit um 9. Winterszeit um 10. 
Uhren Morgents, Abendts aber durch das 




<1 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



f^ 



gantze Jahr um 5. Uhren fürgestelt, welche 
wir zwar keines Wegs verachten, sonder als 
heylige gaben Gottes mit höchster Danck- 
sagung beides gegen Gott, und gegen Ihr 
Gnaden annemmen. Wylen sy aber mehrtheils^ 
den Studierenden, insonderheit aber den Exa- 
minaten, so teglich hin und wider zu predigen 
gerüst und bereit sein sollen, unbequemlich 
fuigestelt werden, entspringen darus dem stu- 
dieren hoch schädliche nachfo^nde ungele- 
genheiten und veriiindemussen, als 

Erstlich, wyl bi solcher Tradation offt keiner 
nach Notiiurfft sich kan ersettigen, pflegen die 
mehrer theil vilmehr nach allerley dem 
studieren gewonlich verhinderlichen mittlen zu 
trachten, wie sy Ihnen selbs notwendige speyss 
und tranck könnint zuwegenbringen, als aber 
dem studieren nachzusinnen. 

Zum Anderen, das etliche die dise mittel nit 
haben, gezwungen werden gelt uffzubrechen, 
sich in schulden zu stecken, oder andere mittel 
für zu nemmen, darunter auch dis eins ist, 
das schädliche allzufrühe weihen, dardurch nit 
allein die eiteren hefftig bekümmeret werden, 
auch solches an Ihrem zeitlichen gutt beduriich 
empfinden, sonder auch etliche nach Ihrer 
von Gott und einer Gnäd. Obrigkeit erlangten 
Condition offt lange Jahre an ihren zuvor uff- 
gefoffenen geltschukien zu bezahlen haben. 

Zum Tritten, das Ihrer etliche zu Ihren El- 
theren, fründ und anderen bekandten sich ver- 
fügen, daselbst eine bessere underhaltung zu 
suchen, ab welchem dan Eiteren und verwandte 
offtmahlen einen grossen Unwillen fassen, ver- 
meinende sy solten nunmehr des über das 
studieren Ihrer Kinderen ergehenden Kostens 
erlediget seyn. 

Viertens, das so der eint und andere mit 
einer leybskranckheit von Gott heimgesucht 
wirt, er entweders Ihme selbs raht zu schaffen 
und sich mit anderen siner gesundtiieit mehr 
befüiderlichen speyssen ze versechen; oder 
aber sich us dem Kloster änderst wohin in kost 
zu begeben, genötiget wirt 



Endtlich, das wegen solchem unoidenli- 
chem essen und trincken, auch usgestande- 
ner kelte vilen Seel und Lybsgaben sindt ge- 
schwecht worden, wie es die Erfahrenheit by 
vil Jahren daher mehr dan gnugsam bezüget, 
inmassen Ihrer vil beides, noch allhier im 
Kloster, als auch hernach vil Schwere krandc- 
heitten erlitten und usgestanden. 

Betreffendt jetz für das Ander die Habitation 
oder Wohnung, ist selbige zwar unlengst ver- 
besseret worden, indem Ihr Gnaden 4 nüwe 
Studierstuben und 2 Öfen darinnen, sampt bi- 
gefügten schlaffkammeren bauwen lassen, wor- 
für Ihr Gnaden deroselben alumni höchsten 
Danck zu erwisen wüssen: Jedoch sindt noch 
übrig 3. alte stüblin, darinnen schon efliche 
Jahr sehr schlechte und gäntzlich verschlissene 
offen, zerbrochene fenster und wend gewesen 
sindt, also das kein oder gar wenig werme 
darinnen verbliben mag: die übrigen drü kön- 
nen US mangel der Öfen gar nit gewermt wer- 
den, und sindt noch überdis schlechtlich inge- 
macht, mit zieglen beschossen, inmasen die 6. 
understen Winters Zeits grosse kelte darinnen 
usstehen müssen. 

Im übrigen sindt ins gemein alle Stüblin 
gantz schlechtlich bestelt, in ansehen der gli- 
geren, dann 

Erstlich, so sindt die Underbeht in das Klo- 
ster gehörig, sampt den Hauptküssenen alters 
halber nunmehr so schwär und verderbt, dass 
selbige alzumal widerum zu verbesseren nit 
müglich. 

Zum Anderen sindt der mehrertheil dersel- 
ben gantz bloss, mit wenig federen erfült, und 
wo noch Ziechen sind, gantz blöd und fast 
zerbrochen. 

Zum tritten sindt die strauwseck c rever. 
darvon zu reden theils mit 20jehrigem strauw 
usgefüllt und theyls aber gentzlich verfuhlet, 
wie dan verschinenen tagen die Wol Edle frauw 
Seckelmeysterin, sampt anderen Ehrbahren frau- 
wen dis beduriich angesechen und gnugsamen 
bericht werden geben können. 




« 



Die Obere Schule von 1616-1674. 



Hieraus nun erwachsen abermahlen nach- 
folgende dem Studieren hoch schädliche ver- 
hindemussen 

Erstlich, das diejenigen, die zwar us Ihr 
Gnaden vätterlicher fürsorg feine mit Öfen ver- 
sehene stüblin haben, dennoch durch den gan- 
tzen Winter, us eigenem kosten Holtz kauffen 
müssen, welcher sich dan eines jeden Winters 
uff eine zimliche Summ ufflaufft 

Zum Anderen, das diejenigen, so in den 
übrigen treyen uralten stüblinen jeder Zeit 
haben wohnen müssen, nit in geringer gefahr 
des feuers halben gewesen, sintemal alles nur 
höltzine, und gantz verdorrete wendt darby 
sind! 

Zum tritten, das die 6. understen den gan- 
tzen Winter in kalten stuben sich uffhalten, die 
nacht hindurch bi solchen elenden geliger übel 
erfrieren, und morgens in die kalten, offt halb 
gefrome kleider schlieffen müssen. 

Darus dan erfolget, dass etliche zu gewonter 
predigstundt nit auffstehen, auch Ihr ordenlich 
studieren entweders gar underlassen, oder aber 
in der algemeinen Convent-Stuben (alda dan 
teglich zweymal die Lection, morgendt und 
abendt gebett, predigen und andere Exerd- 
tia gehalten, bineben auch das morgen- und 
nachtmal genossen werden) mit grösster un- 
komlichkeit und ungelegenheit verrichten müs- 
sen. 

Viertens, dass etliche die Deckbett und Lein- 
lachen, etliche aber noch hierzu die ziechen 
an die Undert>ett und küsse, ja auch etliche die 
küsse selbst, sampt früschem strow nit ohne 
beschwemus Ihrer Eiteren, fründen und pfleg- 
vögten (besonders denen so nit allhier, sonder 
fehme von hinnen gebürtig) nit ohne grossen 
umkosten ins Kloster schaffen müssen. 
Unsere Conversation für das 

Tritte belangent ist bekandt, das die Stu- 
denten in dem Kloster alzeit zu zween und 
zween in einem studier und schlaaffstübli by 
einanderen offt wider Ihren willen und gele- 
genheit wohnen müssen. 




^ 




Aus welchem abermahlen vil unkomlich- 
keiten und hindemussen entstehen. 

Erstlich, glichwie die Naturen underschiden- 
lich, und wie in allen Conversationen nit alle 
gleicher humor und Conversation sindt: also 
in warheit sindt die ingenia im Kloster einan- 
deren vilmahlen zuwider, also das anstatt einer 
dem anderen in lehr und gottseligkeit voriüch- 
ten sollte, [es] vilmehr das widerspill geschieht, 
idass Verführungen und anmahnungen zu sched- 
lichen Sachen erwachsen. 

Zum Anderen, das, so einer, der gern sin 
bestes thäte, bald kan von seinem guetten vor- 
haben abgehalten werden, inmasen offt der 
einte die Studia tractiert, der ander aber sel- 
bige negligirt und den anderen auch sine hind- 
anzusetzen veranlasset: wie es dan leider die 
Erfahrenheit bezüget, das vil gutte fleysige 
Knaben, offter an disem ohrt sindt nachlesiger 
worden. Ja wo sich mancher nit mit gewalt 
der geselschafft entzogen, er fillicht gentzlich 
sich des Studierens entwohnt hette. 

Disem allem wirt noch hinzugesetzt etiüche 
beschwerden und hindemussen des Studierens, 
die theils alle im Kloster obligen, theils ins 
besonders die 6. Understen betreffen. 

Belangent die algemeinen hindemussen, sindt 
selbige 

Erstlichen, das die Studenten im IQoster 
alle Jahr in dem Meyen die 12 buchen, wel- 
che, unsere Ordinari speys damit zu kochen, 
alhar geführt werden, selbs spalten sollen. 

Zum Anderen, das sy alle morgen von dem 
ersten Zeichen an bis zu gewohnter predig- 
stund, auch abendts von 5 bis um 9 Uhren 
Winters Zeitts 2 liechter by dem Nachtessen 
oder den predigen und anderen Exercitiis bru- 
chen, auch den Examinaten wöchentlich gwüsse 
verordnete kertzen geben müssen, welches sich 
alles mit einanderen Winters Zeit hoch ufflaufft 

Zum tritten, das sy Ihnen selbs betten, ihre 
stüblin selbs uskehren, und anders deigleichen 
verrichten müssen. 



#^ 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



^ 



Ins besonder aber die 6. andersten betref* 
fendt, ist ihnen ufferlegt, die Ordenlichen hus- 
gescfaefft zu verrichten, alsda ist das gantze 
Kloster, den Hoff, Crfitzgang, Dorment, Con- 
ventstuben und Auditoria zu butzen, zu be- 
stimbten Zeitten wasser unndt Ordinari wein 
holen, und einem jeden sein bescheidnen theil 
ausschencken, die geschir schwencken. Item 
alle ohrt sauber und rein zu behalten, als da 
sindt tisch und bände, Handbecke und giess- 
fass, und anderes allhier nit zu namsen, den 
brunnen zu sQberen, und das gantze huss in 
ehren zu halten ; den tisch decken und uffheben, 
einbrocken und einschneiden, alle versäum- 
nussen ordenlich uffzuschreyben und anzu- 
zeygen. 

Aus welchem allem abermahlen nachfol- 
gende unvermidenliche hindemussen des Stu- 
dierens und beschwemussen entstehen. 

Erstlich wyl wir dises jährliche holzspalten 
unserem studieren sehr nachtheylig erachtet, 
haben wir selbiges durch gewüsse darzu ge- 
dingete taglöhner bishero jederzeit in unserem 
eygnen kosten schiten lassen, welches nit we- 
nig kostet 

Zum anderen, wyl nit alles von den Studen- 
ten kan verrichtet werden, als gemelte ohrt 
wüschen und waschen, betten und anders, so 
ist US sonderbahrer bewilligung unsers Hoch- 
ehrenden Herren praepositi ein gwüsse alte 
magt im Closter, welche das, so den Studenten 
unanstendig, in Ihrem namen verrichtet Dise 
aber wirt wegen Ihres Diensts ins besonder 
von den 6. understen monatlich mit etwas gelts 
veisökiet: In gemein aber müssen järlich alle 
Studenten im Kk>ster sy für betten, wüschen, 
und weschen, und heitzen, und deiglichen be- 
fridigen, welches sich, wie wol zu erachten, 
abeimahlen hoch uff laufft 

Zum tritten, ist es ein grosse verhindemus 
des Studierens der 6. understen, da insonder- 
heit ehe einer von derselben Zahl kan erlöst 
werden, ein gantzes Jahr, auch offtermahlen 
mehr als 2 Jahr verlaufft; in welcher Zeitt sy 



binachem alle Ihre studia quittieren und hindan 
setzen müssen. 

Viertens, so das einte oder ander von den 
6 understen versaumbt wirt, ist eine gwüsse 
straaff daruff, welche dann, wylen ohne diesel- 
bige sonsten alles wurde underlassen werden, 
notwendig ist zu bezächen. Daruss dann vol- 
get das gelt uffbrechen unnd schulden machen, 
wyl die versaumnus diser geschefften und auch 
die darüber gesetzte straaff monatlich hoch 
uffsteygen kan. Endtlich, und 

zum fünften, das so gar unanstendige, wüste 
und allen Studenten verwisliche, doch by sol- 
cher beschaffenheit unvermidenliche, gantz 
besuche weinreichen, wie dan gemeinlich zu 
geschehen pflegt, das us einem Defect offt ein 
Excess erfolget 

Bis hiehar ist Ihr Gnaden die beschwerden 
des Closterlebens, und andere hindemussen 
des Studierens, so kurtz als müglich gewesen, 
erzehlet worden: Es möchten aber, so es vil- 
licht Ihr Gnaden belieben wurde, das Qoster- 
Leben, zu vermidung offt gesagter Unkomlig- 
keiten abzuschaffen (worinnen wir doch Ihr 
Gnaden gantz nützit vorgeschriben, sonder Ihr 
Gnaden aller wisesten discretion und vitter- 
lichem guten Willen zu erduren heimgestelt 
haben wollen) etliche andere unkomlichkeiten, 
die darus entspringen könten, füigeworffen 
werden. Als 

Erstlich wurdint hierdurch vil guette, wol- 
anstendige auch notwendige gebrüch und Ord- 
nung underlassen werden; als die 3 wuchent- 
liche Senatstagen, an welchen die, alle Monat 
uff ein nüwes erweite Officiarij, Consules, Cen- 
sores, Scribae und deiglichen, so wol sich 
Selbsten im Closter, als Ussere Studenten 
im Zaum, und in ordenlichen schrancken 
Ihrer von Ihr Gnaden vorgeschobnen gesatzen 
zu halten, alle versaumnussen in ein rodeil 
zu schreyben, monatlich zu computieren, und 
alles den Herrn Maecenates zu erzeygen ver- 
ordnet sind. 




72 




Die Obere Schule von 1616-1674. 



^ 



Zum Anderen, wurdint auch von Ihnen den 
Studenten im Closter die Ordnung in die pre- 
digen und gemeinen gebett, in Cantzelröcken 
zu gehen, underlassen werden. 

Trittens wurdint die Morgen und Abendt 
gebett im Closter, auch die Ordentlich Abendt- 
predigen und andere Exerdtia die man durch 
das gantze Jahr haltet, verabsumpt werden. 

Viertens, möchte auch ingeworffen werden, 
als wurdint ermälte Studenten, so sy us dem 
Closter gelassen und Ihnen hin und wider in 
der statt zu wohnen vergünstiget wurde, offt 
Nachts uff der gassen umeinanderen schweyf- 
fen, und also der burgerschafft grosse ungleg- 
heit machen, wo si nit mehr in solcher Ihrer 
Herren fürgesetzten gwalt und uffsicht weren. 

Disere erzelte unglegenheiten, scheinen zwar 
für sich selbs, als sölten sy us angedüteter ab- 
schaffung des beschwerlichen Closterlebcns 
notwendig entspringen: Aber disen allen und 
derglichen so noch möchten fürgeworffen wer- 
den, zu begegnen, sindt theils Ihr Qnaden vil- 
faltige und krefftige mittel in banden, theyls 
dann auch sindt disere in ansechen deren, oder 
derjenigen, so us dem einzigen Closterlebens 
unvermidenlich herfliessen, wenig zu rech- 
nen. In massen es Gott und siner H. Kirchen 
mehr gedienet, wan der gantze pflantzgarten 
der studierenden Jugendt von allem, sinem 
Wachstum verhinderlichem unraht und unkrut 
gesüberet und gereiniget wurde, als das man 
selbig, wegen etlicher usserlichen Zierden (ver- 
stehen etliche nunmehr eingeführte gebrüch) 
in dem innem solte lassen wüst ligen und 
verhüllen. 

Wiewol wir doch Lobliche, anstendige und 
der Ehrbarkeit befürderliche, auch allen Stu- 
dierenden Jünglingen wol gezimende gebrüch 
und Ordnungen, so wol Ihr leben als lehr be- 
treffendt nit wollen gemeint noch verstanden 
haben: Warum wir dann auff oberzehlte ein- 
wfirff zu antworten noch hierby nit übergehen 
können. 



Erstlich könten nach Ihr Gnaden wilkur 
und belieben die Ordinari Senatstag, die bis- 
her gehalten, die Officiarij, sowol sich als an- 
dere in den schrancken und gesatzen zu halten, 
gesetzt, die versaumnussen eingeschriben, und 
änderst, nach altem gebrüch, verrichtet werden. 

Zum Anderen, könte, das in Cantzeköcken 
zu predig gehen (welches doch nur ein tisser- 
licher und der Ehrbarkeit weder befürderlicher 
noch auch verhinderlicher gebrüch) weiters 
nach Ihr Gnaden belieben, als us dero vetter- 
licher und Gnädigen Mittheilung wir solche 
empfachen, gehalten und in Obacht genommen 
werden. 

Trittens, belangendt die Morgent und Abendt 
gebett könten zwar selbige, nit wie sonst, da 
stetig all by einanderen, verrichtet werden : Je- 
doch wurde ussert allem Zweyffel keiner sein, 
der nit seine ordenliche gebett Morgendt und 
Abendts, besonders vmrde verrichten. 

Die Predigen aber und andere Exerdtia so 
abendts zwüschen 7. und 8. Uhren bisher sindt 
gehalten worden, könten Sommers Zeits, wie 
vorhin beschechen, ohne hindemuss verrichtet 
werden, inmassen beides die usseren Studiosi 
Theologiae ihre Abendtpredigen in dem Closter 
nach Ordnung gehalten, als auch denzumal 
übrige Studiosi philosophiae selbige zu besu- 
chen, darzu sindt gehalten worden. Winters 
Zeits aber, so nur eine frühere stund bestimbt 
wurde, möchten selbig auch wie zuvor empsig 
fortgesetzt werden. 

Viertens, belangend das nechtlicfae um ein- 
anderen schweyffen der Studenten, sindt aber- 
mahlen krefftige mittel in banden, dardurch sel- 
bige sowol, als andere in der statt wonhaffte 
Studenten (welche offt der burgerschafft necht- 
licher Zeit überlegen) hiervon ab und zu Ihrem 
Studieren in ihren gewarsammen ohrten mögen 
angemant werden. 

Aus betrachtung nun solcher vorermelten, 
unertreglichen beschwerden und hindemussen 
des Studierens, haben Ihr Gnaden alumni us 
guttem yfer nit underiassen können, [den] Ihre 




IK 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



^ 



der alumnonim getreuwe Vetter und Schutz- 
htrren hödist demütig und underthänigst ze 
bitten, disere unsere dem Studieren gifftige be- 
schwerden, mit günstigen äugen anzuschau- 
wen, selbige, so es Ihr Onaden belieben wurde, 
uffzuheben unnd abzuschaffen ; Einem jeden mit 
ertheilung sines von Ihr Gnaden verordneten 
Siipendij (So jeder Zeit dem Herren Oeconomo 
in dem Kloster durch Ihr Gnaden verordnete 
für einen jeden ist usgerichtet worden) hin 
und wider in der statt an gebührenden ohrten 
zu wohnen und sich an tisch zu verdingen ver- 
günstigen ; In verhoff nung nun einer gnedigen 
wilfahrung versprechen Ihr Gnaden alumni nit 
allein mit bistandt Gottes und seines H. Geysts 
einen gröseren fleys und mehrere zunemmung 
'm den studijs wie auch ein ingezognes stilles 
leben zu erzeygen; Sonder auch in allen be- 
gdienden oocasionen sich gegen hochgeadit 
Ihr Gnaden dienst- und bereitwUlig inzustellen, 
auch den Gnedigen Almechtigen Gott für wol 
Ermeldt Ihr Gnaden langes leben, Edle Ge- 
sundtheit, glücklichen Wolstand und fridfertige 
regierung jederzeit anzurueffen und zu bitten. 

Der Studenten in dem Closter 
IDemütiger 

Fürtrag » 

Die gnädigen Herren erfasste ein menschlich 
Rühren, wie ihnen in ihrer Sitzung vom 26. No- 
vember 1653 dieser demütige Fürtrag vorgele- 
sen wurde: sie beschlossen zwar nach einem 
ihnen bereits vorliegenden Gutachten der Geist- 
lichkeit in dieser Angelegenheit, dass es bei der 
alten wohleingeführten Ordnung sein Verblei- 
ben haben solle und die Studenten des Klosters 
nicht eriassen werden dürfen, dass aber «die 
klagenden mengel der tractation und schlechten 
k)6amenten halb repariert unnd verbesseret wer- 
dint». So gaben sie der Vennerkammer den Auf- 
trag, «sich aller Mänglen zu erkundigen und wie 
dieselben, sonderlich der Speissen, gmachen 
unnd gligeren halb zu verbesseren, ihr gutach- 
ten uffzusetzen unnd Ihnen widerzubringen». 



Zweimal sassen der Teutsch-Seckebnelster 
und die Herren Venner des mächtigen Standes 
Bern in dieser hochwichtigen Angel^enheit; 
und zweimal erwogen sie der Studenten Klag- 
ten Punkt für Punkt und erdauerten, welche 
Aufbesserung in der Traktation bei den schwe- 
ren Zeiten ertrag- und erschwenglich seie. Dann 
schlugen sie dem Täglichen Rat vor, dass den 
KoUegianern dreimal in der Woche, am Mon- 
tag, Mittwoch und Freitag des Abends zu den 
oben genannten Speisen jedem ein Stück Speck 
verabreicht werde und dass zur bessern Zu- 
bereitung der Speisen dem Herrn im Kloster 
alljährlich aus dem Kloster in Interlaken zwei 
Zentner Anken und ein vierjähriges gemäste- 
tes Rind, ab den Klöstern Frienisberg, Frau- 
brunnen und Thorberg aber von jedem jährlich 
zwei zweijährige gemästete Schweine «einzu- 
metzgen » überschickt werden sollen. Aber noch 
mehr! Auch die Gabe des gütigen Gottes sollte 
von nun an im Barfüsserkloster reichlicher flies- 
sen! Der Wein war ja jetzt ganz wohlfeil ge- 
worden und so lange er nicht «aufschlagt», 
sollten statt der drei Mass täglich volle 5 Mass 
aus dem Tütschen Weinkeller den Zwanzigen 
verabreicht werden, «so jedem ein Vierteil 
zeucht», aber unter der Bedingung, dass sie 
sich in ihrem Leben und ihren Studien gut 
einstellten, ansonst auf das alte Quantum wie- 
der zurückgegangen würde. Auch wegen des 
irdischen Brotes stellte das Vennerkollegium 
genaue Berechnungen an, fand aber, dass die 
dem Kk>ster bereits verordneten 160 Mütt 
Dinkel dem Bedürfnis vollständig genügten. 
110 Mütt sollten den Studenten heimdienen und 
zu Mütschen veii)acken werden (aus jedem Mütt 
66 Mütschen), die übrigen 50 ihrem Herrn, «da- 
raus er den Studenten Moigens unnd Abendts 
in die Suppen, Milch und Mus nach Nohtdurfft 
ynschneiden und ynbrochen vnude». 

Den Wunsch der KoUegianer, zur Beheizung 
ihrer Stüblinen vom Staat etwas Holz geliefert 
zu erhalten, glaubten die Finanzherren rund- 
weg abschlagen zu müssen; «sy mögen — so 




74 



^ 



Die Obere Sdrale von 1616—1674. 



» 



lautete Sir Besdieid — ihre Straffgelter, so sy 
under einanderen bezeuchend, by einanderen 
behalten iinnd daraus Holtz ynkauffen». Hin- 
gegen wollten sie zugeben, dass die Alumnen 
inskünftig nicht mehr zum Holzscheiten, zum 
Qärtnem und dei^ichen ihrem Beruf nicht an- 
ständigen Arbeiten und Werken gebraucht wür- 
den.i 

Den T.März 1654 korrobierte der Tägliche 
Rat die Anträge der Vennerkammer und liess 
im Dezember desselben Jahres auch den Alum- 
nen auf der Schul noch einen Qnadenakt zu- 
kommen, indem diese wie am Sonntag und 
Donnerstag, nun auch noch am Dienstag Abend 
ein jeder ein Pfund Fleisch und ein Vierteil 
Wein eriialten sollten. 

Damit er aber, nadidem er das Füllhorn 
seiner Qaben in so reichlicher Weise auf die 
Studenten ausgeschüttet hatte, in Zukunft von 
Seiten derselben Ruhe hätte und mit keinen 
Klagen mehr belästigt würde, gab er den 
25. Juni 1655^ eine verschärfte Ordnung für 
das Kloster heraus, die dessen Insassen mit 
besonderer Feierlichkeit mitgeteilt und insinu- 
iert wurde und also lautet: 

«1) Soll keinem Studioso zugelassen sein, 
ab der Tractation wider Seinen fürgesetzten 
zu klagen, es seye, wo es wolle, es geschehe 
dan mit verwilligung des gantzen Consortii, 
durch die Mehreren Stimm. 

2) Es soll hinfüro des ohrts durch zween dar- 
zu verordnete Geistliche Herren alle Monat ein- 
mal uff das wenigest unversechens visitirt, unnd 
alle halb Jahr Mghh. Seckelmeister unnd Ven- 
neren das befinden fürgebracht werden. 

3) Wo die Klag ung^[ründet unnd uss Raach- 
gierigkeit, Meisterlosigkeit, uss hass guter dis- 
dplin harkombt, soll alsdan eine Realische 
Straff, anderen zum exempel, an solche ungute 
unnd undanckbare verleider angelegt werden. 

4) Es mögend an den bestimbten tagen in 
der Wuchen die einen unnd anderen zur be- 
scheidenen recreation, auch Verrichtung ihrer 
Nohtwendigen geschefften, an den geordneten 




Stunden, ohne Urlaub nemmen, uss: unnd yn- 
gähn. Darüber uss aber <^ne sonderbare Be- 
willigung des H. fürgesetzten nit ussbleiben, 
weniger sich ohnbefragt usserthalb finden las- 
sen; Bey poen des ersten mahls einer guten 
Censur; des anderen mahls der gfangensdiafft, 
auch anderwerths mit anderwertiger straff jehe 
nach beschaffenheit der Sach, so Ihr Onäden 
uff beharrende ungehorsamme Ihnen vorbe- 
haltend. 

5) Dass keine, so geweybet, unnd sidi ver- 
tenkt, wan die Sach gnugsamm bekandt unnd 
offenbar ist, inn das Collegium sollen promo- 
viert, oder auch inn das künfftig darin geduldet 
werden; der Meinung, dass steiff darob ge- 
halten werden solle. 

6) Diejenigen betreffend, so morgens dem 
gebätt ohne gnugsamme ursach nit beiwoh- 
nend, denselbigen soll für das erst mahl der 
wyn benommen, das ander mahl aber gegen 
denselben die excommunicierung vom Tisch 
angewendt werden, und uff nit erfolgende Bes- 
serung mehrere Straff vorbehalten sein. 

7) Dass die Examinaten von den predbus 
matutinis unnd vespertinis, von Exercitijs Ana- 
lyticis et condonatoriis nit sollen eximiert sein. 

8) Dass die Teütschredenden jedesmahls mit 
erlag eines Kreutzers gestrafft werden söllind. 

9) Dass der von Ihr Gnaden verwilligte fa- 
famulus usserth dem ordinär] wyn den Stu- 
diosis ohne verwilligung dess Herrn praepo- 
sitj nit schuldig sein solle, wyn oder anders 
inn das Kloster zetragen. 

10) Den Studiosis ist nachgelassen, den von 
Ihr Gnaden geordneten wyn, als dess tags fOnff 
Maas zu nacht oder am moi^n abgetiieilt oder 
samenthafft zu nemmen unnd abholen ze las- 
sen. Alles so lang es Ihr Gnaden gnedig be- 
lieben unnd gefallen vriri» — 

So waren denn wieder einmal für das Klo- 
ster und seine Insassen schöne Vorschriften zu 
Papier gebracht und es war dafür gesorgt, dass 



« 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



» 



— alles beim alten bleibe, ein bisschen Speck 
und Wein ausgenommen! 

Wie es aber um das Lebwesen unserer ber- 
nisdien Studenten in der Mitte des 17. Jahr- 
hunderts in Wahrheit stand, zeigt eindringlich 
das bekannte Abenteuer des Theobaldus Wein- 
zapfli, über welches wir im Konventsarchiv fol- 
gendes eingetragen finden: 

«den 23. Mai 1654 fiel Theobaldus Wein- 
zapfli, Stud. colleg. morgens zwiischen 3 und 
4 uhren Ober die Kyrchhofmaur hinab, ein we- 
nig änet dem absatz ohngefahr in der mitte, 
gegen der Quggerenhaus ; brach den lincken 
Schendcel zwey mal entzwey, die lincke achsel, 
auf welche er gefallen, entsetzt; fiel aber nit 
zu todt, war wol bezieht, hatte sich gsetzt auf 
ein Säfimerross, und auf den Kyrchhof grennt, 
endlich vom ross über die maur geworffen, weil 
etliche Politid, so mit ihm die nacht durch zum 
Sternen gesoffen, es gesprengt»^ 

Die Eingabe seiner Alumnen an den Täg- 
lichen Rat vom Jahr 1653 machte dem dama- 
ligen Herrn im Kloster, dem H. David, keine 
grosse Freude; er gab seine Entlassung ein 
und erhielt sie auch. 

Die Lehrer. 

David Maser hatte, wie wir bereits be- 
merkt haben,^ den Lehrstuhl des Mannes inne, 
welchem namentlich die Ordnung von 1616 zu 
verdanken ist Als Zeender dem Mass gegen 
ihn hatte weichen müssen, wurde zunächst der 
Provisor der 6. Klasse, Daniel Berner, an 
seine Stelle gewählt (den 14. Januar 1619); er 
hatte zu gleicher Zeit die von seinem Kollegen 
Nikiaus Henzi bis jetzt versehene Kanzel zu 
Bremgarten zu bedienen.^ Nach seinem Tod 
wurde David Maser, nachdem er schon eine 
Reihe von Jahren als Schuhneister die Untere 
Schule zu Bern geleitet hatte, den 13. Oktober 
1628 Professor hebraicus. Wie die Behörde im 
Jahr 1654 eingesehen hatte, dass er mit der 
Jugend nicht mehr auskomme und sie nicht 



mehr im Zaum zu halten vermöge, schuf sie 
zu seiner Entlastung ein Stipendium pro extra- 
ordinario catecheseos professore et paedagogii 
inspedore, welches bis zum Tod Masers dau- 
ern sollte und in 326 Pfd. an Geld, 48 Mütt 
Dinkel, 10 Mütt Hafer und 10 Saum Land- 
wein bestand.* Zum Professor extraordinarius 
wurde nun der Prädikant zu Belp, Nikiaus 
Müller, gewählt (4. Juli 1654) und wie er 
Helfer zu Bern geworden war, den 29. März 
1658 der gelehrte Thuner Pfarrer Rudolf 
Hibner, der aber auch nur ein Jahr an dieser 
Stelle wirkte, um zunächst als Diakon in Bern 
eine ruhmvolle Carriere zu beginnen. An seine 
Stelle im Kloster trat den 29. April 1659 Jo- 
hann Ruef, der Prädikant zu Brugg, wel- 
cher zwei Jahre nachher, nach dem Tode Ma- 
sers, ordentlicher Professor wurde und nun 
dessen volle Stelle und die Präpositur im Klo- 
ster bekleidete, doch nur ein Jahr, bis er Hel- 
fer am Münster wurde. Sein Nachfolger war 
vom 5. Mai 1662 an Johannes Nicolaus, 
der ebenfalls zum Helfer am Munster vorrückte 
(1668) und im Kloster durch den Professor phi- 
losophiae David Wyss den 12. Jenner 1669 
ersetzt wurde. 

Weniger Wechsel erlitt der Lehrstuhl des 
Professors novi testamenti, des Theologus 

Nadidem Lignaridus nach langer und frucht- 
barer Wirksamkeit den 2. September 1628 
plötzlich gestorben war, wurde der Philoso- 
phus Christof Lüthard den 13. Oktober 
desselben Jahres an seine Stelle gewählt ; 
er war eine Zierde der bemischen Akademie 
und veröffentlichte eine lange Reihe von Schrif- 
ten, unter denen seine Ethica Christiana be- 
sondere Beachtung fand. Erfolgreich wirkte er 
35 Jahre lang in dieser seiner Stellung; sein 
Nachfolger wurde der oben genannte Rudolf 
Hibner, den 16. Februar 1663, der aber schon 
nach acht Jahren das Kloster verliess und Pfar- 
rer am Münster und bald nachher Dekan wurde. 
Seine Stelle versah vom 30. Oktober 1671 an 




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Die Obere Sdiule von 1616—1674. 




der bisherige Professor hebraicus Johann 
Nicolaus. 

Bereits haben wir gesagt, dass Christof Lüt- 
hard von seiner philosophischen Profession 
weg auf den theologischen Katheder berufen 
wurde; er hatte dieselbe als Nachfolger des 
Marcus Rütimeier zu Ende des Jahres 1618 an- 
getreten. Seine Nachfolger auf dem philoso- 
phischen Lehrstuhl waren die beiden Pfarr- 
herren David Herlin (vom 18. Oktober 1628 
an) und Samuel Haberreuter (vom 19.JuU 
1633 an), die beide vom Kloster weg der Kan- 
zel sich wieder zuwandten. Im Jahr 1645, den 
11. Dezember, rückte dann der Oymnasiarch 
Samuel Rohr von der Schul aufs Kk>ster; 
nach seinem Tod im Jahr 1658 kam vom Pro- 
visorat der . 7. Klasse der uns schon bekannte 
Johannes Nicolaus auf den philosophi- 
schen Lehrstuhl (den 23. April) und nach ihm, 
wie er hebräischer Professor geworden war, 
den 5. Mai 1662 der Academicus David Wyss^ 
und wie dieser den hebräischen Lehrstuhl be- 
stiegen hatte, der Academicus David Bour- 
geois. 

Auf dem griediischen Lehrstuhl folgten dem 
anno 1635 selig entschlafenen Nikiaus Henzi 
der Provisor der 7. Klasse, Berchtold Hal- 
ler (vom 13. Juli an), und nach dessen Tod 
im Jahr 1659 der Academicus Emanuel 
Lutz (vom 24. Oktober an), der schon nach 
vier Jahren dem Kirchendienst sich wieder zu- 
wandte und durch den Belper Pfarrer Samuel 
Henzi ersetzt wurde. Henzi wurde zugleich 
Präpositus im Kloster und unter ihm wurde 
dieses Gebäude restauriert^ 

Der Schttlseckel. 

Die Besoldung der Professoren blieb so, 
wie sie im Jahr 1640 normiert worden war. 
Im Jahr 1674 wurde aber die Verteilung der 
Ausgaben für die ganze Lehranstalt auf Stift 
und Schulseckel geändert Es war so gekom- 
men, dass das Ordinari-Einkommen des Stifts 



an Qeldzinsen für die dem Hause obliegen- 
den Ordinari-Besoldungen nicht mehr genfigen 
konnte und der Stiftsschaffner das mangelnde 
Qeld vorschiessen oder aber die Komfruchte, 
so das Haus über die Ordinaria hatte, zur Un- 
zeit und mit Schaden vericaufen musste. Des- 
halb besdiloss der Rat den 2. Juni 1674^ auf 
den Antrag der Vennerkammer und das in- 
ständige Anhalten des damaligen Stiftschaff- 
ners Tribolet, der dem Staat bereits eine nam- 
hafte Summe vorgeschossen hatte, die Ausga- 
ben des Stifts für den Oeoonomus im Kloster 
an Geld, inklusive dessen Besoldung ffir das 
Professorat, dem Schulseckel zu iibeibinden. 
Dieselben betrugen 1164 Pfd., nämlich: 

für die Kollegianer: 

das alte Betreffnis von 660 

dazu der Zuschlag von 50 
für Holz, so dem Praepositus 

weniger geliefert wurde 4 

Aufbesserung zu Pfingsten 50 

= 764 
Für die Versehung des Katfieders = 400 



zusammen 11 64 Pfd. 
Der Schulseckel vermochte es wohl, diese 
Ausgabe dem Stift abzunehmen, nahm er doch 
bereits von seinem Kapital über 4000 Pfund 
Zinsen ein, da ihm schon lange Zeit jähriich 
über das Ausgeben «ein feines» übrig blieb. 
So konnte er im Jahr 1684^ aus dem an 
196 Orten angelegten Kapital — der Stifts- 
schaffner hatte für sein Einkommen von 300 
Pfund keine kleine Art>eit zu leisten — fol- 
gende auf Kloster und Schule verwendete Or- 
dinari-Ausgaben bestreiten: 
Dem Herrn Vorgesetzten im Klo- 
ster jedes Vierteljahr je 363 Pfd. 
10 Seh. und auf Pfingsten Besse- 
rung 50 Pfd. und im Herbst für 
Holz auch 50 Pfd. Macht jährlich 
zusammen 

(d. i. 1164 Pfd., v^lche das 
Stift friiher bezahlte und 390 Pfd., 



1554 Pfd. 



« 



Die Obere Sdmle von 1616—1674. 



weldie der Sdiulseckel immer bei- 

tfUg.) 

Dem Vollbesetzten auf der Schul fron- 
fastlich 166 Pfd. und auf Pfingsten 
Besserung 30 Pfd.. Macht zusam- 
men jährlich 

(d. i. 15Q Kronen, die Krone 
ungefähr zu 3V> Pfd. berechnet^ 
und die 1640 zugesetzten 100 Pfd. 
Vermehrung samt den erwähnten 
30 Pfd.) 

Den 12 Stipendiaten, so H. Fed- 
mingers seL Stipendium genies- 
sen, fronf. 60 Pfd. Macht jährlich 

Den 4 Academids auf Weihnacht und 
Pfingsten, jedesmal 12 Dukaten^ 

Den Studenten im Kloster der Frl. 
NoUin Veigabung jährL auf Pfing- 
sten 71/2 Kronen 

Denselben die von Hm. Wymann sei. 
jährlich verordneten 15 Kronen f&r 
Holz auf Martini 

Den Studenten auf der Schul Frl. 
Oerigenen Vergabung fiir Ziger 
jährlich auf Martini 

Auf die Promotion fiir Büdier den 
armen Knaben 

Den Studenten im Kloster fitr vier 
Riss Papier und 15 Batzen für 
Kerzen, jährlich zusammen 

Den Examinaten der Frl. Lantzenen 
Vergabung auf Martini 3 Kronen 

Den fleissigen Knaben in der Schul, 
auf Weihnacht und Pfingsten je- 
desmal 16 Kronen praemia auszu- 
theilen 

Für Kerzen auf die Schul den Stu- 
denten jährlich 15 b. 

H. Rinders sei. Legat, den Studen- 
ten auf der Schul jährlich auf Ja- 
kobi 



694 Pfd. 



240 Pfd. 



192 Pfd. 



25 Pfd. 



50 Pfd. 



5 Pfd. 



100 Pfd. 



20 Pfd. 



10 Pfd. 



106 Pfd. 



2 Pfd. 



5 Pfd. 



Neben andern Qrdinari-Ausgaben zu kirch- 
lichen Zwecken zusammen 3784 Pfd. 



^ 



So hat denn das Stift an Qeld für Kloster 
und Schul im Jahre 1684 nur noch folgendes 
zu entrichten: 



Dem Theologus 

Dem IHiilosophus 

Dem Professor hebraicus 

Dem Professor juris 

Dem Phik>sophus aus der Haber- 
reuterschen Vergabung 

Den Studiosis im Kloster für die ge- 
haltenen Predigten, Oratorien und 
Disputationen 

Die Wochenschilling an die Muss- 
hafen Schuleren 



500 Pfd. 
400 Pfd. 
400 PM. 
400 Pfd. 

10 Pfd. 



38 Pfd. 



261 Pfd. 



In zweiter Linie wurde im Jahre 1674 be- 
schlossen, die vier Stipendien, welche das Stift 
bis anhin den Academici im Wert von 1280 
Pfd. (= 160 Dukaten) jährUch ausbezahlt hatte, 
dem Seckelmeister Teutschen Landes zu uber- 
binden, und drittens übernahm jetzt der Staat 
auch die bis anhin den Provisoren, Studenten 
und Schuleren jährlich gelieferten Kanzelröcke, 
Mäntlen, Kleider und Schuhe, wofür er nach 
dem bisherigen Bedarf eine Summe von 3700 
Pfd. einsteUte.^ 

Mit diesen finanziellen Auseinandersetzun- 
gen verbinden wir noch die Mitteilung, dass 
im Jahr 1655 Herr Dekan Haberreuter 
zwei Stipendien stiftete, eines zu Gunsten des 
philosophischen Katheders in Bern im Betrag 
von 200 Pfd., und ein zweites für die Stu- 
dierenden der Philosophie im Betrage von 
600 Pfd. 

1682 testierte der Schultheiss Samuel Fri- 
sch ing 1000 Pfd. dem Schulherrenseckel zu 
beliebiger Verwendung. 



Die Auirflhrung von Schuldramen 
durch die Studenten« 

Aus dem 17. Jahrhundert sind uns zwei 
Sdiuldramen erhalten,^ von denen das eine, 




« 



Die Obere Sdiule von 1616—1674. 



» 



« Einfältiges Gespräch zwischen Eugenitim, Lu- 
danum, Martialem und seinem Jungen », den 
7. Mai 1663 nach der Promotion im Münster 
aulgeführt wurde. Sein Verfasser ist der Oym- 
nasiarch J.A. Vulpius,^ der auch das andere 
uns erhaltene Stück gedichtet haben muss mit 
dem Titel «Zweyer Vätter ungleich gereiste 
Kinder» und welches die Fortsetzung des erst 
genannten bildet Beide schildern in der Per- 
son des Eugenius den braven, wohlgeratenen 
Studenten, der nach seinen Studien in Bern 
ad academias reist und in Leyden mit Ruhm 
disputiert und doktoriert, und in der Person 
des Martialis, des leibhaftigen Pyrgopolinices 
in Plautus' miles gloriosus, den missratenen, 
renommierenden und leichtiebigen Musensohn, 
der nach Paris zieht, dort in die « Kef i » kommt 
und nach Bern zurückgekehrt von seinem Vater 
für immer Verstössen wird. 

Beide Stücke sind ein genaues Abbild der 
studentischen Gebräuche und Sitten und der 
Sdraleinrichtungen unserer Stadt in damaliger 
Zeit und unser Martialis ist nicht besser und 
nicht schlechter als der Studiosus Theobal- 
dus Weinzäpfli, der neun Jahre vor der 
Auffiihning des Vulpius'schen Spiels sich un- 
sterbikh gemacht hatte.^ Vulpi selber ist aber 
hoffentiidi ein besserer Lehrer als Poet ge- 
wesen; seine beiden Dramen sind erbärmlich 
fade, witz- und phantasiearme Machwerke, 
schulmeisterliche Prosa in schlechten Ver- 
sen, was die Schlussworte genügend zeigen: 
«Sacht da ihr Knaben ms gemein, 
Diss soll euch eine wamung sein. 
Secht, wie es gehet solchen gsellen. 
Die niemand mehr gehorchen wollen. 
Nicht also ihr, ihr liebe kind: 
Den eiteren gehorsam sind. 
Und leget an die edle Zyt 
Nicht liederlich in Üppigkeit, 
In Müssiggang und andren sachen. 
So eüem eitern kummer machen; 
Vil mehr den büchem lieget ob 
Und habt all euer Freud darob. 



Geht gern in d'sdiul und fördit den 

Herren 
So Wirt er euch syn segen bscberen. 
Er wird eudi segnen und bewaren 
Vor allem schaden und gefahren. 
Und geben allen mit der Zyt 
Die Ewig freud und säligkeit.» 
Grosses Aufsehen, um gleich an dieser Stelle 
die Geschichte der bemischen Schul- und Stu- 
dentenkomödie, soweit sie uns bekannt ge- 
worden, weiter zu führen, erregte die Auf- 
führung vom Jahr 1692, über welche uns Daniel 
Müslin in seiner Selbsti>iographie als Mitspie- 
lender also belehrt:^ 

« 1692 hat er (Müslin als Stud. philosophiae) 
an der Komödie über den Grossen Krieg in 
Europa nach König Jakobi II. Dethronisation 
teilgenommen, die von dem berühmten Herrn 
Kunstmaler Joseph Werner, Vater, angegeben 
und wol dirigirt worden. An dieser Komödie 
repräsentierte er den Frieden, mit Versen, Klei- 
dung und Stellung, die zu seiner Person sich 
aufs beste haben schicken sollen. Da aber 
solche von dem französischen Ambassadoren 
sehr übel aufgenommen und eine insolence 
outrde genannt worden, ist er sammt übrigen 
24 Mitagenten und Studiosis pro forma auf 
die Kefi gangen und in derselben, gleichwie 
von Grossweibel Nikiaus May selber, also auch 
von anderen Herren Fründen und Partikularen 
mit allerlei Niedlichem gegen 24 Stunden lang 
vergnüglichst und reputirlichst traktirt und ge- 
halten worden.» 

An der Aufführung hatte also männiglich 
seine Freude gehabt, aber die Behörden sahen 
sich nun doch veranlasst, solchen «Komedenen» 
ein Ziel zu stecken, wie denn der Schulrat 
den 16. April 1696 also beschloss:^ 

«...im übrigen (es ist voilier von der So- 
lennität die Rede gewesen) sind die bisher 
geübten Comedene und extra vaganten tfaea- 
tralisdi representationen gäntzlich abgestelt, 
und hingegen erlaubt redende knaben einzu- 
führen, es seyend dialogi oder anderes, so da 



^ 



Die Obere Schule von 1616—1674. 



A 



entweder zum Ijob Gottes, einer hohen Obrig- 
keit, kirchen und schulen oder einig und an- 
derer tugend eingerichtet etc Dennoch das 
die Materi bevorderst iederzeit Mnhh. zur ap- 
probation communicirt werde und befohlen 
diess zu könfftiger nachricht hier einzuver- 
leiben. » 

So war denn über das Schuldrama die Cen- 
sur verhängt und als im Jahr 1700 die Studen- 
ten eine «Komödi» über den Risswickischen 
Frieden zur Aufführung an der Solennität kom- 
poniert hatten, erinnerten sich Meine Herren 
des Schulrates oben genannter Einverleibung 
in ihrem Manual und interdicierten die Auf- 
führung in der Kirche.^ 

Im Jahr 1719 versuchten es die Knaben und 
Studenten wieder eine Komödie aufeuführen, 
wurden aber vom Schulrat mit folgendem Hof- 
bescheid beehrt: 2 «Auff anbringen Msh. Rec- 
toris wassmassen eint und andere knaben eine 
Comoedy zu spiehlen bey haltender soUenitet 
gesinnet seyen, wo Ihnen Mehwh. die Schul- 
räthe die hohe favor erweissen und den ge- 
sezten Sollenitetstag umm etwass Zeith zuruk- 
sezen möchten, habendt Mnhgh. ess bey der 
gewohnten Zeith bewenden, und solche abzu- 
enderen nicht gut befunden ; Ihnen gleich wohl 
freystellende, obbemelte Comoedy hernach zu 
spihlen, wo sie deren Thema bevor Mmh. 
Rectorj und beiden Mnhh. Corredoren Ober- 
keitl. bücheren vorweissindt, und die Haltung 
derselben nicht etwann in die heilige Zeith 
falle. » 

Zehn Jahre nachher (1729) versuchten es die 
Studenten zuerst mit dem Täglichen Rat und 



baten diesen um die Eriaubnis, an der Solenni- 
tät eine anständige Komödie spielen zu dür- 
fen. Der Tägliche Rat wies aber die Angele- 
genheit an den Schulrat und nachdem dieser 
die Herren Studiosos in seine Versammlung 
berufen und ihr Begehren und Projekt ange- 
hört hatte, fand er dasselbe bedenklich und 
verlangte, dass ihm etwelche Actus der Co- 
moedi vorgewiesen werden, bevor er die Ent- 
scheidung treffe und dem Rate über die An- 
gelegenheit referiere. Da weder im Rats- noch 
im Schulratsmanual weiteres darüber steht, so 
schliessen wir, dass die Studenten von ihrem 
Vorhaben abstanden. 

Eine weitere Notiz im Schulratsmanual vom 
4. April 1740^ belehrt uns, dass man zu dieser 
Zeit auch die Aufführung unschuldiger lehr- 
hafter Stücke an der Solennität im Chor der 
grossen Kirche für unanständig zu halten an- 
fing. Es hatte der damalige Prinzipal Samuel 
Schmidt, welcher mehr als 30 Jahre lang 
(1735—1766) die Schule leitete, eine ganz artige 
Komödie von der Auferzeuchung der 
J u g e n d zu Papier gebracht und sdion freute 
sich die Jungmannschaft darauf, an der kom- 
menden Solennität dieselbe aufführen zu dür- 
fen. Vergeblich, denn der Schulrat beschloss 
nach weitläufigen Ratiociniis pro et contra, 
die Darstellung in der Kirche nicht zu gestat- 
ten, wohl aber zu dulden, dass die Schüler 
in deigleichen Representationen an andern 
Orten sich übten. 

Damit war der Aufftüirung von Schuldramen 
vor einem grossem Publikum und am Ehren- 
tag der bemischen Jugend ein unwillkommenes 
Ende gemacht 




80 



Die Schulordnung von 1676. 





In der ganzen Zeit seit dem Kampf der 
Geistlichkeit um die Herrschaft iiber die Schule, 
wie wir ihn oben beschrieben haben, herrsch- 
ten die Geistlichen der Stadt Bern in Verbin- 
dung mit den Professoren sozusagen allein im 
Kloster, die Scholarchen, d. h. die weltlichen 
Mitglieder des Obern Schulrates standen nur 
auf dem Papier. In ihrer Totalität hatten sie 
sich wohl gar nie versammelt, da sie alle mit 
Geschäften überhäuft waren, und wenn ein- 
zelne derselben sich in einer Sitzung des Obern 
Schulrates einfanden, so spielten sie auf ihrer 
weltlichen Bank der geschlossenen Mehrheit 
der Geistlichen g^enüber eine gar bescheidene 
Rolle. Sassen doch auf der geistlichen Bank 
seit dem Jahr 1630 nicht bloss die drei Prädi- 
kanten, sondern sogar auch noch die drei 
Helfer der Stadt Bem.^ 

Erschienen also hin und wieder einzelne 
Scholarchen in der Sitzung, so mussten sie sich 
jedesmal voricommen wie ein fünftes Rad am 
Wagen. Infolgedessen ging natürlich auch im 
Täglichen Rat das Interesse an der Institution 
der Scholarchen verloren und wenn Vakanzen 
eintraten, so nahm man gewöhnlich die Er- 
gänzungswahlen gar nicht vor. 

Der beste Beweis, dass man sich in den po- 
litischen Behörden um die organisatorischen 
Bestimmungen der Schulordnung von 1616 gar 
nicht mehr kümmerte und die Verwaltung der 
Schulen eben einfach der Geistlichkeit überliess, 
ist der Umstand, dass bald nach der Einfüh- 
rung der Schulordnung sogar die Rektorats- 
stelle einging. Erst im Jahr 1643, als im Klo- 
ster alles drunter und drüber ging, wurde be- 
schlossen, im Interesse der Ordnung den Rek- 
torat wieder einzuführen. Es war die Zeit, 



:, da I der 

81 



an Professor Masers Stelle Professor Haller 
Herr im Kloster wurde. Im Schosse des Rates 
konsultierte man jetzt sogar darüber, ob nicht 
auch die Prädikanten in ihrem Kehr die Stelle 
des Rektors verwalten sollten. Doch diese stan- 
den freiwillig davon ab. Zum Rektor wurde 
der Theologus Lüthard gewählt^ 

Nur einige Male erinnerte man sich im täg- 
lichen Rat oder wurde daran erinnert, dass in 
der Schulordnung das Institut der Scholarchen 
voigesehen sei. So im NisA 1631, als der Theo- 
logus Lüthard und Markus Rütimeyer 
um Erneuerung des weltlichen Schulrates ein- 
kamen und baten, solche Mitglieder zu wäh- 
len, welche dem Schulrat ernstlich beiwohnten.^ 

Der Bitte wurde damals willfahren und aus 
einer Notiz im fünften Bande des Konvents- 
archives^ erfahren wir, dass im November des- 
selben Jahres eine vom Statthalter Weyermann 
präsidierte Schulratssitzung stattfand, in wel- 
cher auf der weltlichen Bank noch die beiden 
Seckelmeister und ein Venner Platz genom- 
men hatten. 

Als im Jahr 1643 der Rektorat wieder einge- 
führt wurde, gab der Tägliche Rat den Ven- 
nem den Befehl, den Schulrat zu erneuern. 
Ob es geschah, wissen wir nicht, wahrscheinlich 
aber haben die vielbeschäftigten Venner den 
Befehl gar nicht ausgeführt 

Im Jahr 1659 forderte der Tägliche Rat^ von 
der Geistlichkeit ein Gutachten, ob nicht der 
schon längere Zeit «discontinuirte» Schulrat 
wieder einzuführen sei ; die Herren Geistlichen 
scheinen sich mit der Antwort nicht sehr be- 
eilt zu haben; Tatsache ist, dass zehn Jahre 
nachher noch immer kein Schulrat im Sinne 
Ordnung von 1616 bestand. 



^ 



Die Sdnilordnung von 1676. 



Im März 1669 veraahm der Tägliche Rat zu 
seinem Entsetzen, dass der anderswo verwor- 
fene Philosophus Cartesius im Kloster in- 
troduziert worden war; er traf deshalb seine 
Massregeln und erinnerte sich bei der Gele- 
genheit wieder, dass es eigentlich Sache des 
Schubates sei, solchen Unzukömmlichkeiten zu- 
vonukommen. Deshalb trug er dem Teutsch- 
Seckelmeister und den Vennera auf, die Frage 
zu diskutieren, ob es jetzt nicht am Platze sei, 
den Schulrat endlich wieder aufzurichten.^ Das 
Vennericollegium riet von der Einführung ab, 
da die Mitglieder des Kleinen und Grossen 
Rates, mit Geschäften überladen, doch keine 
Zeit fänden, den Sitzungen beizuwohnen und 
es bald wieder so gehen wtirde wie nach dem 
Jahr 1616. Man solle, sagten sie in ihrer Ant- 
wort, die (Regierung der Schule der Geistlidi- 
keit überlassen, die in wichtigen Fällen schon 
wissen werde, an wen sie sich zu wenden 
habe; der Tägliche Rat soll einfach der Geist- 
lichkeit die Weisung erteilen, dahin zu wirken, 
dass auf der Beobachtung der Schulordnung 
strenge gehalten werde. Mehr sei nicht von 
Nöten. 

Erst zu Anfang des Jahres 1674 beschloss 
der Tägliche Rat, den Schulrat wieder einzu- 
führen, und gab deshalb der Vennerkammer 
nach altheigebrachter Sitte den Auftrag, ein Be- 
finden über diese Angelegenheit abzufassen 
und ihm einzugeben. Nachdem dies geschehen 
war, bestimmte er in der Sitzung vom 30. März 
1674,2 dass gewisse Staatsämter mit der Zu- 
gehörigkeit zum Schulrat unzertrennlich ver- 
bunden seien und dass in Zukunft auf der 
weltlichen Bank desselben die jewesenden 
Herren Seckehneister Teutschen und Welschen 
Lands, die zwei jüngsten Venner, beide Herren 
Heimlidier von Buigem und der jewesende 
Stiftsschaffner und Grossweibel sitzen sollten. 
Durch diese Bestimmung war der Eventualität 
voigebeugt, dass, wie es eben geschehen war, 
wegen eingetretener Vakanzen und Unterias- 
sung von Ergänzungswahlen der Schulrat «in 




^ 



Abgang kommen » könnte, und in der Tat funk- 
tionierte von jetzt an derselbe ohne Unter- 
brechung und gestaltete sich bald zu einer 
kompetenzenreichen und vielbeschäftigten Kör- 
perschaft^ deren notwendige Existenz allge- 
mein anerkannt wurde und die deshalb in der 
fest gegliederten Kette der bemischen Behör- 
den verblieb und ihre Bedeutung beibehielt 
auch ab die Art der Zusammensetzung wieder 
geändert wurde. Auf der geistiicfaen Bank 
sollten nd>en dem jewesenden Herrn Dekan 
(damals H. Hühner) die Herren Professoren 
(damals vier an der Zahl : Nioolaus, Wyss, 
Samuel Henzi und Bourgeois) und der Prin- 
zipal (also der uns schon bekannte Vulpi) 
tagen; das Präsidium hatte selbstverständlich 
der Teutsch-Seckelmeister als der oberste Be- 
amte des Kollegiums zu führen. 

Der so bestellte neue Schulrat erhielt von 
der Regierung die Weisung, den ihm überge- 
benen Schulstand nach den in der Ordnung 
von 1616 begriffenen Gesetzen in gutem Gang 
und Wesen zu erhalten und sich «in allen vor- 
fallenden Sachen zu dem Ende zu versammeln ». 
Dieser Weisung kam er getreulich nach ; wie er 
gewillt war, den pedantischen Forderungen der 
alten Ordnungen Geltung zu verschaffen, zei- 
gen am besten zwei Eintragungen in dem 
Manual, das er führte und das uns glücklicher- 
weise mit denjenigen seiner Nachfolger bis 
zum Jahr 1798 erhalten ist; sie lauten:^ 

« Dieweil die Studenten noch allezeit tag und 
Nacht auff den gassen sich sehen lassen. Mit 
breiten hüten, Wehren an der selten. Stecken in 
Händen, ja auch mit prüglen, Frembden habit 
und sonderlich mit grauwen Mänteln, damü 
sie nicht erkennet werdind ; Und neben demme 
auch die Töchteren in und äussert der Statt 
an henden führen. Und alleriey anderes üppiges 
und Unanstendiges wesen führen, hat man 
Ihnen sokhes mit allem Ernst vorgehalten, 
Und bey straff der privation, sie darvon abzu- 
stehen angemant» 




82 



« 



Die Sdittloidnung von 1676. 




Und: 

« Under anderen Unreimlidikeiten^ ist eflich 
Jahr dahar under den Studenten auch einge- 
rissen, dass viel under denselbigen, anstat den 
baselhüten, die breite hüt auffsezen, Und also 
sich der gesatzen und Ordnung entziehen, Und 
die libertet suchen. Dieweil aber diesses Ihrem 
Studieren höchst schädlich ist, und hierauss 
grosse Confusionen entstehen, ist erkent wor- 
den, dass von nun an alle Studiosi, welche ad 
ministerium asphieren, sie seyen, wer sie wol- 
lind, ftmemm oder sdilecht, burger oder un- 
buiffer, den baselhut wider auffsezen. Und allen 
Legibus Scholastids, gleich wie anderen sich 
underwerffen soUind; da sie das auch nicht 
sdiinnen soll, wan sie schon zuvor zu Lo- 
sannen oder Oenff und anderen Orten gewesen 
sind; Und ist hierbey heiter gesezet worden, 
dass weldie sich hierin ungehorsam erzeigen 
soHen, nicht mehr für Studenten soUind gehal- 
ten, Und Keiner zu Einichem Examen sive ad 
Theologiam oder Ministerium zugelassen wer- 
den.» 

Die Qeisflidikeit war es nicht zufrieden, 
dass von den Prädikanten der Stadt Bern nur 
einer, der Dekan, dem Schuhat angehören 
sollte, nachdem diese sich ein halbes Jahr- 
hundert vorher das Recht erkämpft hatten, voll- 
zahlig darin vertreten zu sein. Sie wandten sich 
an den Täglichen Rat und verlangten von ihm 
das alte Recht zurück, wurden aber abgewie- 
sen,^ aber schon im folgenden Jahr wurde 
ihnen die Konzession gemacht, dass ausser 
dem Dekan von den übrigen zwei Prädikanten 
je einer nach dem andern altematim ein Jahr 
lang dem Scfaulrat angehören sollte.^ 

Im Februar 1676 erteilte die Regierung dem 
Schulrat den Auftrag, die Schulordnung von 
1616, von der keine gedruckten Exemplare 
mehr vorhanden waren, wieder aufzulegen mit 
Auslassung dessen «so sich nit mehr in ge- 
genwärtige Zeit schicket »> JMit lobenswertem 
Eifer machte sich der Schulrat an die ihm ge- 



wordene Aufgabe und arbeitete eine neue Ord- 
nung aus, die bereits den 17. März 1676 von 
den Räten gu^geheissen und dem Druck über- 
geben wurde. 

Wer diese neue Ordnung mit derjenigen 
von 1616 vetgleicht, begreift es, dass sie in so 
kurzer Zeit entstehen konnte. Die Herren, 
welche vom Schulrat mit dem Entwurf beauf- 
tragt worden waren, nämlich der Prädikant 
Rossele^ der Professor Bouigeois und der 
Prinzipal Vulpi,^ hatten in der alten Ordnung 
einfach gestrichen, was seit ihrem Inkrafttre- 
ten wieder ausser Qebrauch gekommen oder 
überhaupt nie ins Leben getreten war, das 
Zusammengehörige besser zusammengestellt, 
von neuem aber kaum Nennenswertes hinzu- 
getan und der Schulrat hatte den Entwurf ge- 
nehmigt, weil ja der Tägliche Rat auch nichts 
anderes verlangt hatte. 

Weggelassen ist in der neuen Ordnung alles, 
was die alte für die Bildung des weltlichen 
Standes vorgesehen hatte: es sollte bei 
den vier Professoren verbleiben, 
welche einzig und allein die Bildung 
der künftigen Geistlichen zu Vermit- 
teln hatten ; der theologische Cursus selber 
wurde um ein Jahr erweitert, so dass nun auf 
dieselbe wenigstens sechs Jahre verwendet 
wurden. Gesetzlich wurde jetzt festgelegt, dass 
an der philosophischen Abteilung ein einziger 
Dozent die Philosophie lehren sollte und zwar 
die Oratoriam, die Logicam (diese nach Ra- 
mus) und die Physicam und Metaphysicam 
nach eigens erkieseten und vom Obern Schul- 
rat gutgeheissenen Autoren mit fleissiger Be- 
obachtung der Orthodoxia. 

Von der Mathematik und Astronomie ist in 
der neuen Ordnung keine Rede mehr, ja in 
der Untern Schule wird die Mathematik auf 
die oberste Klasse beschränkt und in dersel- 
ben die Spedes zu lehren befohlen, das Latein 
aber schon mit der untersten Klasse begonnen 
und den Provisoren euigeschärft «durch stä- 



tige Uebung die 



dahin zu bringen, 




^ 



Die Sdiulordnung von 1676. 



m 



dass sie auf der Qassen auf Latin sich mit 
einander besprechind ». Wären diese nicht durch 
die bereits schon vorher eingeführte Janua 
linguarum reserata des Comenius ein bisschen 
mit der modernen Zeit bekannt gemacht wor- 
den,^ so hätten sie von allem, was in der Welt 
seit dem Untei^ang des römischen Reiches 
voigingy nichts erfahren. 

Nach dem Oesagten bedeutet die Schtdord- 
nung von 1676 einen grossen Rückschritt gegen 
diejenige von 1'616. Bezeichnend ist es auch 
für den Geist, aus dem heraus jene entstand, 
dass der Artikel der alten Ordnung über die 
Aufnahme der Schüler: «es sollen von den 



Praeceptoribus ohne Ansehen der Person aOer« 
ley Jugend, niemand ausgeschlossen, zu dis- 
dplen angenommen und zu dem Studieren ver- 
anlasset werden» weggelassen wurde; die be- 
dauernswerten Folgen werden wir im Veriauf 
unserer Darstellung zu schildern haben. 

Als bereits veraltet wurde die Bestimmung 
über die obem Zwanzig, die allein Studiosi 
theologiae sein sollten, gestrichen und wenn 
wir in den Disziplinarbestimmungen, die sonst 
aUe stehen blieben, die Rutenstrafe, welche 
die Ordnung von 1616 für die philosophiebe- 
flissenen Studenten noch vorsah, nicht mehr 
erwähnt finden, so dürfen wir wohl annehmen, 



Stundenplan 

der 

STUDIOSI PHILOSOPH 

a. 1676 



!m WbUer 

sM die VarmäißgS' 

stundoi 

von 8^10 Uhr 

iUUPßtfZt* 





Montag 


Dienstag 


Mittwoch 


Donnerstag 


Freiti« 


Samstag 


7-8 


Prof« £raecQs 




Prof. graecns 




Prof« graecns 




ft-4» 


Prof, 
phiioBopliiae 


Disptttationen 

eic beim 
Prof. graecof 


Prof. 
phUoaopUae 




Prof. 
phflosopiiiae 




9-10 














12—1 


Prof. graecns 




Prof. graecns 




Prof. graecns 


Dinutalionen 
etc. beim 

tTOI. 

phflosophiae 


1-2 


Prof. 
pliflosophiae 




Prof. 
phflosopiiiae 




Prof. 
philosophiae 


H 

Um 3 Uhr die hebr. und katecfaetischen CoUegU, wie D. Mflaliii als stod. phil. in sciBer Biognpliie mitteilt B. T. 18S7, p. U. H 




«n 



Die Scfaulordnung von 1676. 



^ 



Stundenplan 

der 

DIOSI THEOLO 

a. 1676 





Montag 


Dienstag 


Mittwoch 


Donnerstag 


Freitag 


Samstag 


8-9 


Prof* 
UMOlogiae 


DisiNttelioiMn 
ete. bdm 

mit den lind* 
philotopbite 


Prof. 
theotogbic 


dispatatUmcs 
theologicAe 


Prof. 
ttieologiae 


Prof. 
theologlae 


9^10 












12-1 


^ 










Dinnititionen 

de bdm 

Prof. 

* pUloeopUae 

mit den ttnd. 

phllosopiüae 

ztmumoctt 


1-2 












*-4 


Prof« 
hcbnkiM 


Prof* 
hebralcns 


Prof. 
hebralcns 




Prof. 
hebraiaif 





dass sie schon längere Zeit nicht mehr zur 
Anwendui^ gekommen war. 

Die neue Ordnung nennt, wie es ja schon 
Braudi geworden war, den frühem Professor 
novi testamenti den Professor theologiae (d. i. 
der Theologus) und den frühem Professor ve- 
teris testamenti den Professor lii^nuae hebraicae 
et catedieseos. Jener hat den Studlosis theo- 
logiae das Neue Testament durchzuerUären, 
die locos communes zu traktieren, die Memo- 
riam praeceptorum des compendii Wollebij den 
Studiosis abzufordem und jeden Samstag Mor- 
gen m der Kunst zu predigen, zu unterrichten ;i 
dieser applizierte das Alte Testament und re- 
solvierte die Kapitel in ihren fümehmsten Tei- 
len und hatte daneben zwei hebräische, sowie 




zwei katechetische Lektionen zu erteilen. Der 
Professor graecus durfte nun — das ist der 
einzige Fortschritt, den wir in der neuen Ord- 
nung zu verzeichnen haben — neben den grie- 
chischen Kirchenvätem auch noch andere gute 
Autoren nach Gutfinden traktieren sowohl in 
prosa wie in ligata oratione. Daneben hatte 
er die Ethik zu behandeln nach Lüthards Hand- 
buch oder einem andem orthodoxen Autoren, 
wenn es der Obere Schuhat gestattete. Im 
übrigen war des Ramus Methode immer noch 
die massgebende und um sein Andenken wach 
zu halten, wurde sogar angeordnet, dass ein 
Studiosus philosophiae alljährlich einmal in 
laudem Petri Rami eine orationem halten solle. 
Bereits war es auch schon Brauch gewor- 



«t 



Die Schitlordiiiiiig von 1676. 



den, dass die LehrstQhle auf Orund vorange- 
gangener Proben neu besetzt wurden, des- 
halb finden wir in der neuen Ordnung die Be- 
stimmung: «keiner soll zu einicher Profession, 
weder hier noch zu Lausannen ohne vorher- 
gehende Prob beffirdert werden ; es wäre dann, 
das einer wegen wichtigen Considerationen 



m 



von dem Obern Schubaht derselben möchte 
fiberhebt werden». 

Als einzig wichtige Neuerung haben wir 
hervorzuheben, dass die Dauer des Rektorats 
auf drei Jahre ausgedehnt wurde. 

Die Stundenpläne sind auf den voifaeigehen- 
den zwei Seiten zusammengestellt 




^ü^ 




Die Untenichtsanstalten für die politische 



Jugend. 



« 



L Die ProfeMio juris. 

Schon vor der Revision der Sdiulordnung 
von 1616 regte sich unter den bemiscfaen Staats- 
männern der Wunsch, die Obere Schule zu Nutz 
und Frommen der politischen Jugend zu er- 
weitem und den ktinftigen Regenten Qelegen- 
heii zu geben, in ihrer Vaterstadt in der Rechts- 
gelfhrsamkeit und der Geschichte sich aus- 
bilden zu können. So wurde in der Sitzung 
des Täglichen Rates vom 28. November 1671 ^ 
die Anfrage gestellt, ob es nicht möglich wäre, 
ffir das Jus und die Historie «tugenliche» Pro- 
fessores anzustellen und zu Unterhaltung der- 
selben den reichen Schulseckel anzugreifen. 
Die Anfrage hatte den Auftrag an die Venner- 
kammer zur Fcdge, sie wolle untersuchen, was 
in Sachen zu gutem Nutzen der Jugend vorzu- 
nehmen sei, und ihr Befinden sodann Ihro Gna- 
den eingeben. Die Vennericammer aber hatte 
anderes und — ihrer Ansicht nach — wich- 
tigeres zu tun und kam dem ihr gewordenen 
Auftrag gar nicht nach. Nun kam nach einigen 
Jahren die Reviston der alten Schulordnung; 
da hätte man erwarten sollen, dass jener 
Wunsch verwirklicht worden wäre. Es ge- 
sduüi nicht, die Obere Schule wurde aufs neue 
zu einer puren Theologenschule zugestutzt^ 
Wh- dürfen aber gewiss nicht annehmen, dass 
es bei den Verhandlungen in den Räten über 
den ihnen voigelegten Entwurf an Stimmen ge- 
fehlt habe, welche die Kreierung besonderer 
Lehrstühle für die Ausbildui^ der künftigen 
Staatsmänner verlangten, aber es wird densel- 
ben entgegnet worden sein, dass es schwer 
halten werde, einheimische tüchtige Kräfte für 
solche Stühle zu finden, und daneben werden 






^ 



b 



audi finanzielle Bedenken sich geltend ge- 
madit haben, war doch in dem neu bestellten 
Schulrat die Finanzwelt im Vordergrund. 

Dass ich mit dieser meiner Vennutung wohl 
nicht Unrecht habe, zeigten schon die folgen- 
den Jahre. 1679 kehrte der Zofinger Caspar 
Seelmatter, der von 1663 an in Bern Theo- 
logie studiert, daneben aber mit aUem Eifer auf 
das Studium der Jurisprudenz sich verlegt und 
die letzten drei Jahre in Leyden als Honorar- 
professor das Jus naturae, gentium et publi- 
cum öffentlich gelehrt hatte, in seine Vater- 
stadt zurück und anerbot sich der Regierung 
in Bern als Professor der Rechte zu wirken « nit 
zweifflend, dan dass seine arbeit dem gemei- 
nen Stand und Vatterland zum besten gerei- 
chen wurde ».3 IMit Freuden ging die Regierung 
auf den Vorschlag ein in Betraditung, «dass die 
durch den Segen Gottes allhiessige grosse Jur 
gend zu deigkichen Juridisch-politiachen Stu- 
dien biss dahar wenig oder gar keine gel^fen- 
beit gehabt, und hiemit solche entweders under- 
lassen, oder doch mit grossen Costen und 
beschwerd ihrer Eltern ussert lands, in der 
Frembde erlernen müssen, da doch solches all- 
hie ebensowol, mit ersparung eines grossen 
gelts und under der Inspection der Eiteren und 
Verwanten geschehen könte». Im Prinzip be- 
schloss sie bereits die Kreierung eines juridi- 
schen Katheders und sprach dem Schulrat ge- 
genüber die Geneigtheit aus, dem Petenten die 
Professur zu übertragen, wenn sie seiner dazu 
erforderlichen Kapazität versichert sein könne. 
Der Sdiulrat sollte zuvor dieselbe eruieren. 
In einer von dieser Behörde angeordneten Prä- 
lektion und einer Disputation wies sidi sodann 
Seehnatter über seine juridisdien Kenntnisse 




Die Unterridiisanstalten ffir die politisdie Jugend. 





aus und die Herren Scfaulräte mussten aner« 
kennen, dass er dem Katiieder gewachsen sei, 
obwoM sie es gerne gesehen hätten, «dass die 
disputation bei gelerteren und geübteren Op- 
ponenten angehebt hätte, damit man seine 
wfissenschaft desto besser hätte sehen kön- 
nen ».^ Auf ihren Antrag wurde Seehnatter pro- 
visorisch für ein Jahr zum Professor juris ge- 
wählt und ihm als Besoldung an Qeld 400 Pfd., 
an Dinkel 20 Mütt und an Wein ein Landfass 
zuerkannt In drei wöchentlichen Stunden hatte 
er über die Fundamente der Rechten, nämlich 
das Jus naturae, Jus gentium und Jus publi- 
cum sowie über die Politik zu lesen und alle 
14 Tage eine Disputation zu halten. 

Seelmatters Vorlesungen zogen Jung und 
Alt an, so dass den I.April 1680 seine defi- 
nitive Wahl erfolgte, doch wurde er schon 1686 
auf die Pfarre zu Mett befördert und sein Lehr- 
stuhl blieb nun längere Zeit verwaist Die po- 
litische Jugend zog sich von der Schule wieder 
zurück und die Behörden mussten sehen, wie 
die jungen Leute, die sich dem Staatsdienst zu 
widmen beabsichtigten, sobald sie ad lectiones 
publicas promoviert worden waren, den Degen 
sich umschnallten, ein müssiges Leben führten, 
in aller Freiheit und ungescheut zur grossen 
Betrübnis ihrer Eltern die schlimmsten Aus- 
schreitungen sich erlaubten^ und dadurch na- 
türlich auch auf diejenigen, welche den stren- 
gen akademischen Gesetzen unterworfen wa- 
ren, einen schlechten Einfluss ausübten. Als 
daher im Februar 1705 der Tägliche Rat den 
Schulrat aufforderte, sich darüber auszuspre- 
chen, wie der politischen Jugend mehr Gele- 
genheit zu ihrer Ausbildung gegeben werden 
könnte, setzte dieser der Behörde in einem 
längern Gutachten auseinander, dass zu diesem 
Behuf neben der Professio humanitatum, die 
an die Stelle der frühem Eloquenz zu treten 
habe, und der neu einzurichtenden Professio 
matheseos auch die Professio juris wieder auf- 
zurichten sei. Es dauerte mehr als fünf Jahre, 
bis Rät und Burger beschlossen, den 20. Sep- 






tember 1709, vorerst die Professio humanita- 
tum und die Professio juris einzurichten und 
dass alle Studenten zwei Jahre lang die Hu- 
manitäten hören mussten, bevor sie zu den 
eigentlichen Fachstudien zugelassen würden. 
Durch folgenden in jeder Beziehung interessan- 
ten Zeddel des Grossen Rates an den Schul- 
rat wurden die Erfordernisse und Pflichten des 
juridischen Professors festgestellt^ und der 
Schulrat selber eingeladen, nach einer tüchti- 
gen Lehrkraft sich umzusehen: 

«Weilen Megh. und Obere bereits die Auf- 
richtung einer juridischen Profession erkent, 
und aus Euerm Mrhwh. Gutachten ersehen, 
wie die Persohn eines solchen Professoris zu 
Erhaltung des suchenden Zwecks beschaffen 
seyn, auch worin dessen Pflicht bestehen solle, 
Als haben Ihr Gnaden in gutheissung Euers 
Mrhwh. bedenkens, gefunden, dass derselbe 
mit folgenden qualiteten versehen sein sollte: 

1. Dass er seye ein Mann von exemplari- 
scher Gottesforcht und Lebwesens, guter Lefim- 
den und Reputation, lehrhaft, freundlich, von 
aprobierter Gelehrtheit und Erudition, ein 
Doctor juris oder graduierte Persohn und ap- 
plaudierter Mann, der bereits die Profession 
mit Lob versehen, der nicht nur in jure dvili 
erfahren, Rabulas und Legulejos aufzustellen, 
deren es sich hier nicht bedarf, sondern der 
das Jus publicum, naturae et gentium wohl 
verstehe, und dahero auch Ihr Gnaden Juris- 
diction, Munidpal- Grentz- und andere Redite, 
um solche gegen andere Stände zu defendieren, 
wie nicht weniger, der da über allerhand recht- 
liche Casus, was Natur sie seyen, gute, satte 
und wohl gegründete Consulta zu geben, anbey 
aber auch allhiesige Jugend insonderheit ha- 
rinn wohlverständig zu machen den Nahmen 
und die Dexterität habe. 

2. Dessen Pflichten dann belangend, soll 
Ihme obliegen, vor allem das Jus naturae und 
gentium und, neben der Politic und davon un- 
separirlichen Historie, methodice, das ist all- 
wegen vom leichteren zum schwereren das 




88 




Die Unterrichtsanstalten fiir die politische Jugend 



Jus publicum zu tractiren, mit solchen Anno- 
tationen begleitet, die nach dem Zustand un- 
serer Respublic eingerichtet, dero ersprieslidi 
und dem Captu der Disdplen und Auditoren 
angemessen, so seiner Prudenz und Dexteritet 
zu überlassen: 

Weiters soll Ihme obliegen von Zeit zu 
Zeit öffentliche Disputationen zu verrichten und 
wodientlich vier Lectiones, auch alle vierzehen 
Tag eine Conferenz aber allerhand nutzliche 
Materien, item CoUegia privata zu halten, und 
zwar aus dem privat Seckel. Wollen dem- 
nach etc. » 

Volle neun Jahre verflossen, bis die Pro- 
fessur besetzt wurde. Nachdem inzwischen der 
Schubat darauf aufmericsam gemacht hatte,^ 
dass in oben miigeteilter Ordnung vom Pro- 
fessor juris zu viel verfangt werde und dass 
von den ihm aufzutragenden Pensen ein jedes 
einen eignen Mann erfordern wurde, es also 
viel besser wäre, wenn man dem zu wählenden 
die Pensa selbst zu erkiesen und einzuteilen 
fiberlassen wfirde, beschloss die Regierung, vor 
allzugrossen Ausgaben zurfickschreckend, es 
der Prudenz des Professors zu überlassen «die 
Sadien also einzurichten, dass ein Cursus im 
Rechten sobald immer möglich publice absol- 
viert, und die Studiosi juris zu erforderlicher 
Wissensduft gebradit werden mögen».' 

Den 9. Juni 1718 wurde Dr. Johann Ru- 
dolf Waldkirch von Basel, der sich durch 
verschiedene juridische Werke bereits vorteil- 
haft bekannt gemacht hatte, gewählt und ihm 
der Rang zugewiesen, dass er bis an die Herren 
Theologos rucken solle. Seine Besoldung wurde 
auf 1500 Pfd. fes^esetzt, in Geld, Korn und 
Wein auszurichten. 

WakUüitfa blieb nur bis Neujahr 1722 in 
Bern; er ging nach Basel zurfick, wo er die 
Professio institutionum imperialium et juris 
poblid antrat und bald darauf zum Rektor der 
Universität erwählt wurde. Sein Erfolg auf dem 
juridischen Katheder in Bern war nicht gross 





gewesen: die Zahl seiner Zuhörer hatte be- 
ständig abgenommen und schliesslidi hatte sich 
oft niemand zu seiner Vorlesung eingefunden.' 
In demselben Schreiben, da der Schukat fiber 
die Tätigkeit Waldkirdis Bericht erstattete, 
setzte er der Behörde ausffihrlich auseinander, 
wie die juridische Profession einzurichten wäre, 
damit das Auditorium genugsam Zuhörer er- 
halte und der unverantwortlichen Nachlässig- 
keit vieler Eltern gesteuert werden könne. Zu 
diesem Zwecke sollten nach seiner Meinung 
alle diejenigen juridische Vorlesungen zu be- 
suchen verpflichtet sein, immatrikuliert und 
strengen Examina unterworfen werden, welche 
Notare, Advokaten und Prokuratoren werden 
wollten, des fernem alle, welche im Kommis- 
sariat, der Kanzlei, der Seckelschreiberei und 
in den Laridschreibereien Stellen zu erhalten 
trachteten, die juridische Kenntnisse erforder- 
ten. Und alle diese jungen Leute sollten vor 
der Zulassung zum juridischen Auditorium von 
den über dasselbe eingesetzten Inspektoren 
examiniert werden, «ob ihr Judicium genug- 
sam formiert und ob sie ihre Vorwissenschaf- 
ten, insonderheit die Latinität und die Logik 
wol besitzen». 

Sowohl für diese immatrikulierten Studen- 
ten, wie für die freiwilligen Zuhörer, d. h. die 
künftigen Regenten, wünscht der Schulrat einen 
zweijährigen Kursus. Das erste Jahr soll nach 
seiner Ansicht der Professor juris ein Kom- 
pendium des Naturrechts lesen und daneben 
die institutiones Justiniani erklären, wobei er 
zwischen diesen und der bemischen Stadtsatz- 
ung beständig die nötigen Vei^leiche zieht 
und zu diesem Zweck die Institutionen in la- 
teinischer, die Stadtsatzung aber in deutscher 
Sprache ablesen lässt und bei den Abweichun- 
gen beider die Gründe und Ursachen aus- 
einandersetzt Das zweite Jahr sodann soll 
mit der Behandlung der Institutiones auf die- 
selbe Weise fortgefahren, anstatt des Juris 
naturae aber die Historia patria vom ersten 
Sdiweizerbund an bis auf die Gegenwart be- 




« 



Die Unterriditsantfahen für die politisdie Jugend 



handett werden mit Hinzufflgung dessen, was 
zum Jus publicum Helveticum dient 

Auf dieses Outachten des Schulrates hin 
wurde das juridisdie Auditorium so eingerich- 
tet, dass zwar für die Behandlung der Institu- 
tiones und Puffendorfs de officio hominis et d- 
vis ein einjähriger Kurs vorgeschrieben wurde ; 
aber das vaterländische Recht und die vater- 
ländische Oeschichte, die in einem zweiten 
Jahreskurs hätten traktiert werden sollen, nahm 
die Regierung noch nicht unter die Pensa des 
zu wählenden Professors auf und bestimmte 
leider auch nichts über die Zuhörer.^ Ganz un- 
b^freiflich aber ist es, dass sie des weitem 
bestimmte, dass der Professor juris auf höch- 
stens sechs Jahre zu wählen und nicht mehr 
Mitglied des Schulrates sei, wie seine geist- 
lichen Kollegen an der Obern Schule, wodurch 
natürlich dem Vertreter der Jurisprudenz eine 
ganz inferiore SteUung angewiesen war. Und 
doch zog jetzt ein Mann in das juridische Audi- 
torium, auf den die Bemer stote sein durften, 
Nikiaus Bernoulli, der Sohn des grossen 
Mathematikers Johannes Bernoulli, der schon 
mit 16 Jahren Magister der Philosophie und 
nachher Licentiat in der Jurisprudenz gewor- 
den war; auf grossen Reisen hatte er sodann 
seine Kenntnisse erweitert und wie nach seiner 
Rückkehr in Basel eine juridische Professur 
ledig geworden war, war er unter den drei 
Bewerbern, welche für die tüchtigsten erachtet 
wurden. Als ihn das Los nicht begünstigte, 
meldete er sich nach Bern und legte mit sechs 
andern Subjekten* die voigesdiriebenen öffent- 
lichen Proben ab. Der Schuhat schlug ihn in 
erster Linie vor, worauf er den 29. Jenner 1723 
von der R^erung gewählt wurde. 

Sein Wirken in unserer Stadt dauerte nur 
zwei Jahre; von Peter dem Grossen als Mit- 
g^ed und Professor an der neugegründeten 
Akademie der Wissenschaften nadi Petersburg 
berufen, verliess er 1725 die Schweiz und zog 
mit seinem Bruder Daniel nach der nordischen 
Metropole. 




^ 



Auf die Frage der Regierung, ob in den 
Pensen des abgegangenen Professors etwas 
zu ändern sei, übermittelte ihr der Schulrat 
den Wunsch, es möchten von nun an zwei 
Dozenten für die Jurisprudenz gewählt werden, 
einer für das Jus naturae, der andere für das 
Jus dvile. Die Obrigkeit trat auch auf diesen 
Wunsdi nicht ein und beschloss, dass es vor- 
läufig bei einem Dozenten verbleiben solle, 
welcher in Zukunft das eine Jahr das Jus na- 
turae, das andere Jahr das Jus dvile zu lesen 
habe ; damit es aber dennoch möglich sei, dass 
ein Student in e i n e m Jahr seinen cursum juris 
absolvieren könne, so habe der Vertreter dieses 
Faches, wenn er das eine der beiden Rechte 
publice lese, das andere gleichzeitig auf Ver- 
langen privatim zu traktieren; auch habe er 
bei der Behandlung des Jus dvile vergleichs- 
wdse die bemische Stadtsatzung zu behandeln 
(27. März 1726). 

BemouUis Nachfolger wurde den 24. Mai 
1726 Oottlieb Jenner, der 1721 Kandidat 
der Theologie geworden war, sodann unter 
der Leitung der ersten Rechtslehrer in Halle 
und Leyden Jurisprudenz studiert und 1725 in 
Leyden den Qrad eines Doktors beider Rechte 
sich erwoit>en hatte. Mit sieben Konkurrenten, 
die aOe vom Schulrat zur Wahl vorgeschlagen 
wurden, bestand er die öffentlichen Proben; 
das Judicium über ihn lautete : ' 

«O. Jenner, beyder Rechten Doctor, ist ein 
wol meritierter und capadtierter Mann und 
nicht allein in der rechtsgelehrtheit, sondern 
auch in andern wüssenschaften wohl erfahren, 
wie er denn schon vor etwas mehr als 6 Jahren 
für die griechische und moralische profession 
mit gutem Lob disputiert In der Juris prudentz 
hat er sich sehr geübet und selbiger seyt ver- 
schiedenen Jahren fleissig obgelegen auf unter- 
schiedenlidien Universitäten und den gradum 
Doctoris mit sonderbarem lob erlanget; hat 
mit einer anständigen proposition zu jeder- 
manns Vemügen seine specimina verrichtet, 
bey dem allem eine solide wüssenschaf^ grosse 




90 



n^ 



Unierricfateanstalten für die pollttsdie Jugend. 



fectur und träfHicfaen talent zu dodren ge- 
zeigt» 

Bald nach seiner Wahl wurde Jenner auch 
Mitglied des Schulrates und dadurdi seinen 
Kollegen an der Obern Schule gleichgestellt; 
er bekleidete die Professio juris bis zum Jahr 
1748» da er als Landvogt nach Erlach ging. 

1733 wurde noch einmal die Klage laut, dass 
das Studium juris nicht recht gedeihe, und eine 
Kommission ernannt um Abhälfe zu schaffen, 
über deren Tätigkeit wir aber nichts erfahren. 
Jedoch ist den Schukatsmanualen zu entneh- 
men, dass Professor Jenners Tätigkeit mit der 
Zeit sich erweiterte und Schüler und Lehrer 
seine Vorlesungen immer mehr schätzten. 

Nachdem Professor Jenner als Landvogt 
nach Erlach gewählt worden war, wurden zu 
den ausgeschriebenen Proben vom Schulrat 10 
und vom Kleinen Rat noch drei weitere Per- 
sonen eingeladen, aber nur drei Kandidaten 
fanden sich zu denselben ein: Sigmund Lud- 
wig Lerber, der von seinen Studien auf ver- 
schiedenen Universitäten^ zurückgekehrt war, 
der Fürsprecher Rosselet, J. U. Doktor, und 
Vicat, der Professor juris zu Lausanne. Wie 
zu erwarten, wurde S.L. Lerber gewählt den 
3. Juni 1748, obwohl er noch nichts veröffent- 
licht hatte. Doch zeigte seine Praelectio de 
fontibus juris patrii, die bald hernach im Druck 
erschien, dass er ein Gelehrter von ausseige- 
wöhnlicher Begabung war; in der Tat war 
Lerber, wie seine späteren Ari)eiten genug be- 
wiesen, seiner berühmten Voij^änger nicht un- 
würdig,' und er hat nicht bk)ss der Schule, 
sondern auch dem Staate grosse Dienste ge- 
leistet Und das Geschick wollte es, dass er 
einen ebenbürtigen Nachfolger erhielt, wie er 
im Jahr 1763 Landvogt von Trachselwald wurde. 
Derselbe war der Appellationsschreiber Da- 
niel Fellenberg, der schon drei Jahre vor- 
her durch ein grösseres rechtshistorisches Werk, 
die jurisprudentia antiqua, sich in den wei- 
testen Kreisen bekannt gemacht hatte und auch 
ab praktisdier Jurist in seiner Vaterstadt eines 




51 



solchen Rufes genoss, dass der Sdiulrat in 
seiner Mehrheit dem Täglichen Rat beantragte, 
diesmal von Proben ganz abzusehen und dem 
gelehrten Appellationsschreiber das vakante Ka- 
theder ohne weiteres zu übeiigeben. Es ge- 
schah dies den 25. April 1763. 

Bis zum Jahr 1763 waren im juridischen Au- 
ditorium keine Veränderungen mehr vorgenom- 
men worden und als Fellenbeiig gewählt wor- 
den war, verordnete der Schulrat, er habe sich 
an die den 27. März 1726 für den juridischen 
Lehrstuhl bestimmten Pensa zu halten. Auch 
die Schulordnung von 1770 nahm dieselben un- 
verändert wieder auf, indem sie einzig noch 
hinzufügte, dass der juridische Professor alle 
Monate einmal durch gutfindende Exerdtia 
oder Kompositionen seine Disdpel prüfen solle. 

Als Fellenbeis^ anno 1777 demissionierte, 
musste man wieder zu den Proben greifen; 
sechs Kandidaten bestanden dieselben, da- 
runter der 23jährige Patrizier Karl Ludwig 
Tscharner,^ der sich durch seltene Bekannt- 
schaft mit den griechischen und römischen 
Schriftstellern und fertigen Gebrauch der la- 
teinischen Sprache auszeichnete, weshalb er 
vom Schulrat in erster Linie zur Wahl vorge- 
schlagen wurde. Der Tägliche Rat säumte 
nkht, den 26. Juni dem jungen Mann das Ka- 
theder zu übeigeben. Es war in dem Jahr, da 
Nikiaus Emanuel Tsdiamer die Revision der 
Schulordnung von 1770 an die Hand nahm; 
dass diese sich auch auf die Revision des ju- 
ridischen Katheders beziehen müsse, war ihm 
klar und so erhielten nach der Wahl Tschamers 
dieser und sein Vorgänger den Auftrag, der 
Schulkommission ein jeder darüber Bericht zu 
erstatten, wie das juridische Auditorium an- 
ders einzurichten sei, damit es zur Heranbil- 
dung der bemischen Staatsmänner besser diene, 
als bis jetzt ^ Weder der eine, noch der 
andere der Beauftragten scheint seinem Auf- 
trag nachgekommen zu sein; vielleicht liegt 
der Grund darin, dass zu derselben Zeit Gott- 
lieb Walther zum ausserordenüichen Professor 



« 



Die Unierrichteaiisiilten für die politiadie Jugend 



fOr das bernische Recht berufen wurde und 
dass infolgedessen Fellenberg und Tsdiamer 
glaubten, es sei damit für die Erweiterung des 
Auditoriums vorläufig genug getan. Und nun 
kam ja auch bald die Zeit, da man das Poli- 
tische Institut ins Leben rief, durch welches 
an die SteHe der einen Professio juris eine 
förmliche Rechlsschule treten sollte. 

Die Berufung Walthers wurde veranlasst 
durdi einen Anzug, den der alt-Venner Hans 
Rudolf Manuel in der Sitzung des Täglichen 
Rates vom 3. Juni 1777 tat, ob nicht die be« 
sondern Talente und die umfangreichen Kennt- 
nisse des Fürsprechs Oottlieb Walther 
entweder dem hohen Stand oder der jungen 
Buigerschaft allhier nützlich zu machen seien 
und allfallig wie ? In der Tat waren Walttiers 
Kenntnisse sowohl im Gebiet der Geschichte, 
als der Jurisprudenz ungewöhnlich umfang- 
reich und tiefgehend und sein kritischer Blick 
von seltener Schärfe, wie er namentlich durch 
seinen Versuch zur Erläuterung der Ge- 
schichte des vaterländischen Rechts 
schon 12 Jahre vorher gezeigt hatte, und mit 
Recht bedauerte es Manuel, dass ihm keine Ge- 
legenheit gegeben worden war, seine Talente 
zum Nutzen der politischen Jugend zu verwen- 
den.^ Nachdem der Grosse Rat, an den die 
Angelegenheit weiterging, dieselbe der Venner- 
kammer zur Beratung übeigeben hatte, über- 
schickte diese den 10. September 1777 dem 
Täglichen Rat das Resultat ihrer eingehenden 
Besprechungen in einem hochinteressanten Gut- 
aditen' und riet der Behörde, dem Herrn Wal- 
lher öffentliche und unentgeltliche Vorlesungen 
in deutscher Sprache über die vaterländische 
Historie und das vaterländische Recht zu Gun- 
sten der politischen Jugend aufzutragen und 
dieselben nadiwärts drucken zu lassen, damit 
männiglich darvon profitieren könne. 

Im Januar 1778 beschloss sodann der Grosse 
Rat, der diesem Traktandum grosse Wichtig- 
keit beimass,^ die seltenen und schönen Ta- 
lente des Herrn Walthers in den bürgerlichen 



» 




Rediten und der vaterländisdien Oeschidiie 
gemeimiützig zu machen und ihm mit dem 
Titel eines Prof essoris honorarii histo- 
riae patriae eine jährlidie Pension von 400 
Kronen zu geben; diese Station solle aber 
einzig und allein auf seine Person gerichtet 
und zugleich auch nur auf eine Probe von 10 
Jahren ericannt sein. 

Der Vennerkammer wurde zugleich der Auf- 
trag gegeben, mit Zuzug beliebiger Personen 
zu begutachten, welches die off ida und prae- 
standa des neuen Honorarprofessors sein sollen 
und ob ihm Sitz und Stimme im Obern Scfaul- 
rat zuzuerkennen sei. Die Vennerkammer liess 
es sich angelegen sein, die wägsten und besten 
Bürger, die in Sachen ein kompetentes Urteil 
hatten, ins Vertrauen zu ziehen und zog zu 
ihren Verhandlungen herbei neben dem alt- 
Venner IManud, der die ganze Angelegenheit 
in Fluss gebracht hatte, den bekannten Histo- 
riker Alexander Ludwig von Watten- 
wyl,^ die beiden Rechtsprofessoren S.L.Ler- 
ber und seinen Nachfolger Karl Ludwig Tsduu*- 
ner, sowie den alt-Landvogt von Aubonne, Vin- 
cenz Bernhard Tschamer.^ 

Auf Grund des ausführlichen Gutachtens der 
Vennerkammer^ beschloss der Grosse Rat den 
26. März 1778 in endgültiger Erledigung der 
Berufung Walthers, dass derselbe über die 
vaterländische Historie, das bemische bürger- 
liche Recht und die beraischen Lehen-Rechte 
arbeiten und zu dem Ende von Martini bis zu 
Anfang der Emteferien wödientlich vier Stun- 
den an einem öffentlichen Ort und ohne Ent- 
gelt des Publid Voriesungen halten, seine Kol- 
legien aber so einrichten solle, dass selbige 
nachher zum Druck befördert werden könnten. 
Des fernem erkannte der Grosse Rat, dass 
eine besondere Kommission aus der welflidien 
Bank des Schulrates von dieser Behörde zu er- 
wählen sei, welcher die Au^g[abe zukomme, 
die Pensa für Herm Wallfaer im Detail zu be- 
stimmen und die Werke, die er für den Dmck 
ausgearbeitet habe, zu censurieren und dann 



« 



Die Unteniditsanstalten fflr die politische Jugend. 



^ 



auf Kosien des Staates imprimieren zu lassen. 
Er selber solle weder Sitz noch Stimme im 
Sdnihrat haben. 

Der Schub-at wählte in die sog. Walther- 
kommission den Ratsherrn Franz Lud- 
wig Lerber, den Landvogt v. Watten- 
wyl von Nidau und Professor Tschar- 
ne r. Diese liess die Waltherschen Bücher^ in 
Auflagen von 1000 Exemplaren drucken. 300 
Exemplare mussten zu Händen der Obrigkeit 
zur Verteilung an Rät und Burger abgegeben 
werden, die übrigen 700 dienten Waltiiem zu 
freier Verfügung anheim.' 

Walther wusste der Regierung und dem 
Grossen Rat für alle diese Opfer wenig Dank ; 
er hielt seine Vorlesungen mit grosser Nadi- 
lässigkeit, ohne alle Vorbereitung und mit 
vielen willkürlichen Unterbrechungen und nie 
brachte er einen Kursus zu Ende, so dass er 
schliesslich auch die treuesten seiner Schüler 
abstiess und abschreckte. Er eigab sich dem 
Trunk und von der Mitte der achtziger Jahre 
an fing er überhaupt gar nicht mehr zu lesen 
an und kam von da an ünmer mehr herunter. 
Im Juni 1785 schrieb Viktor von Bonstetten 
seinem Freunde Johannes Müller nach Schaff- 
hausen, er solle nach Bern kommen, denn er 
hoffe zuversichtlich, dass er den kommenden 
Winter an Stelle Waltiiers, der die auf ihn ge- 
setzten Hoffnungen getäuscht habe, zum Oe- 
sdiichtsprofessor gewählt werde.^ 



li der Errichtung des Politischen Instituts 
wollte man auch Walther zum Unterricht her- 
anziehen; er erklärte, er habe mit dieser An- 
stalt nichts zu tun und gab seine Demission ein, 
welche von der Behörde den 21. Mai 1788 an- 
genommen wurde. In Würdigung der Ver- 
dienste aber, die er sich friiher um den Staat 
erworben, beliess ihm der Rat die Hälfte seines 
bisherigen Einkommens und den Titel eines 
Professoris honorarii und Historiographi rei- 
pttblicae mit dem Wunsch, dass er seine an- 
gefangenen Werke zu Ende führe. 






Die Vorlesungen, die man Waltfaer am Po- 
litischen Institut zugedacht hatte, wurden dem 
spätem ersten helvetischen Präsidenten Bern- 
hard Friedrich Kuhn übertragen.^ 

2. Die Profestlo matheseos. 

Bereits haben wir gesehen, dass im Jahr 
1705 der Schulrat der Regierung auf deren An- 
frage, wie der politischen Jugend mehr und 
bessere Gelegenheit zu ihrer Ausbildung, als 
sie bis dahin erhalten hatte, gegeben werden 
könnte, den Wunsch ausdrückte, dass neben 
einer Professio humanitatum und juris auch ein 
Lehrstuhl der Mathematik eingerichtet werden 
sollte, dass aber im Jahr 1709 Rät und Burger 
beschlossen, dass man sich vorläufig auf die 
Errichtung der Professio humanitatum und der 
Professio iuris beschränken wolle. 

Die Verhandlungen wegen des mathemati- 
schen Katheders wurden erst im Jahr 1736 
wieder aufgenommen und fanden zwei Jahre 
darauf ihren vorläufigen Abschluss darin, dass 
der Professor extraordinarius Samuel Kö- 
nig*^ verpflichtet wunie, tiber Arithmetik und 
Geometrie Vorlesungen zu halten, nachdem er 
der Professur für die orientalischen Sprachen 
entbunden worden war. Er las wöchentlich 
sechs Stunden, aber niemand wurde zu seinen 
Vorlesungen verpflichtet, jedoch wurde be- 
stimmt, dass auf seinen jährlichen Bericht hin 
seinen Schülern ein Praemium gegeben werden 
könne. Derselben waren natüriich nicht viele, 
aber sie leisteten etwas und wiesen sich in 
dem neuen Fadie zur Zufriedenheit der Be- 
hörde aus. 

Professor König stari> zu Anfang des Jahres 
1750. Schon zwei Jahre vorher, im Januar 1748, 
war in Sachen der mathematischen Profession 
ein wichtiger Schritt getan worden. Den 20. De- 
zember 1747 nämlich hatte der alt-Landvogt 
von Signau, Bernhard von Oraffenried, 
in der Sitzung des Orossen Rates den Anzug 
getan, wie nötig es wäre, eine mathematische 




« 



Die Unterrichisanstalten für die politisdie Jugend. 




Profession aufniriditen, damit die politische 
Jugend und namentlich audi die künftigen Of- 
fiziere in der Geometrie, der Architectura civilis 
und militaris, sowie auch in der Hydraulik 
unterwiesen werden könnten. In der Sitzung 
der Zweihundert vom 2. Januar 1748^ sodann 
brachte der Schultheiss den Anzug zur Behand- 
lung, nachdem demselben noch beigefügt wor- 
den war, dass mit der Mathematik auch die Ex- 
perimentalphysik doziert werden solle. Bei der 
Umfrage wurde der Anzug Oraffenrieds für 
würdig erachtet, in Konsultation genommen zu 
werden, und infolgedessen der Schulrat beauf- 
tragt, dem Grossen Rat ein ausführliches Gut- 
achten einzugeben, wie die gewünschte Pro- 
fession eingerichtet werden könnte. Eine aus 
zwei weltiidien und zwei geistiichen Gliedern 
des Schulrates bestehende Kommission ver- 
fasste dasselbe und kam darin zu dem Schluss, 
es solle dem Obersten Gewalt angeraten wer- 
den, statt eines eigentlichen Professors nur 
einen Lektor anzustellen, welcher die elementa 
et rudimenta matheseos der Jugend beibrächte.' 
Es waren die alten kleinlichen Gründe, welche 
immer ins Feld geführt wurden, wenn es sich 
um die Erweiterung der Obern Schule handelte, 
die auch jetzt wieder von der Schulratskommis- 
sion geltend gemacht wurden : niemand werde 
sich in den bemischen Landen finden, der im- 
stande sem möchte, den grossen Anforderun- 
gen, die man an eine solche Professur stellte, 
zu genügen; wollte man aber von auswärts 
einen tüchtigen Gelehrten berufen, so müsste 
man ihm eine Besoldung von wenigstens 1000 
Pfd. bieten, dazu für die nötigen Instrumente 
namhafte Summen auswerfen, was alles über 
die Kräfte des Staates hinausgehe. Für die bei- 
den Herren Geistiichen aber war natürlich der 
Gedanke schrecklich, dass der zu wählende 
Professor Sitz und Stimme im Schulrat ver- 
langen könnte und die weltiiche Bank schon 
wieder um ein Glied vermehrt würde. So ver- 
einigte sich die Furcht vor Mehrausgaben mit 
dem ängstlichen Kampf um den alten Besitz- 



stand und beide Momente führten zu dem er- 
wähnten Antrage, der nun zur Einsicht den 
Zweihundert auf den Kanzleitisch gelegt wurde. 
Offenbar erregte er hier nicht kleinen Unwillen 
und es wurde in der denkwiirdigen Grossrats- 
sitzung vom 22. Januar 1749 gerade das Ge- 
genteil beschlossen von dem, was der Schulrat 
beantragt hatte, gerade das, was er verhüten 
zu müssen glaubte, dass nämlich eine or- 
dentliche mathematische Profession 
mit Sitz und Stimme ihres Inhabers 
im Schul rat und einer Besoldung von 
1000 Pfd. in barem Geld ohne Säumen 
zu errichten sei. Um dem Sdiulrat zu zei- 
gen, wie wichtig dieser neu kreierte Katheder 
sei und dass er dem höchsten Gewalt nicht 
weniger am Herzen liege, als die bereits be- 
stehenden, beschloss der Grosse Rat des wei- 
tem, dass er, und nicht der Tägliche Rat, dem 
die Professorenwahlen sonst zukamen, dies- 
mahlen und in aller Zukunft den Professor ma- 
theseos wählen werde. Das war für den Schul- 
rat, vor allem aber für die geistiiche Bank des- 
selben, eine deutiiche und nicht misszuverste- 
hende Sprache ; schade, dass wir in die Diskus- 
sion, die in dieser Sitzung waltete, keinen Ein- 
blick tun können! 

Die ausserordentiiche Wahlart des Profes- 
sors der Mathematik, welche die Zweihundert 
in ihrer Begeisterung für die Sache votiert 
hatten, musste freilich den Täglichen Rat ver- 
letzen; bald fanden in dieser Angelegenheit 
weitere Verhandlungen statt und den 2. Mai 
nahm der Grosse Rat seinen Beschluss zurück 
und übertrug auch die Wahl des Professors 
der Mathematik, gleich derjenigen aller übrigen 
Professoren den Gnädigen Herren des Täg- 
lichen Rats. 

Schon in der Sitzung vom 22. Januar hatte 
der Grosse Rat dem Schulrat aufgetragen, von 
sich aus die Praestanda und täglichen Lektio- 
nen des neuen Professors zu reglieren, nach 
tauglichen Subjectis sich umzusehen und das 
Nachdenken zu haben, «was für Spedmina, in 




« 



Die Unterrichtsansttlien für die politische Jugend. 



» 



ihrer Cäpadtät sie zu fecken, ihnen vorzulegen 
sein wollen». 

Nun durften die Herren Schulräte nicht säu- 
men; sie hatten offenbar den Wink von oben 
verstanden. Bereits den 7. Februar stellten sie 
ffir das mathematische Auditorium folgendes 
Programm fest^ in Uebereinstimmung mit dem- 
jenigen anderer Akademien: 

Von den sechs wöchentlichen Stunden, wel- 
che der Professor matheseos zu lesen hat, sind 
die ersten zwei dem Pensum arithmeticum zu 
widmen, «da sonderlich die arithmetica geo- 
metrica, in der arithmetica decimali, progres- 
sionibus et proportionibus, geometrids et arith- 
meticis, extractione radicis quadratae et cu- 
bicae, in den logaritiimis simplidum ect. sinuum 
bestehend, soll dodert werden». 

Die folgenden zwei sind für das Pensum 
geometricum, sowohl theoreticum als practi- 
cum, zu verwenden. Die letzten zwei Stunden 
sind ffir das Pensum geographicum bestimmt, 
da sowohl die geographia physica de affectio- 
nibus telluris generalioribus, übrigen Weltkör- 
pem und systematibus mundi, als die geogra- 
phia sphaerica oder astronomia kann abgewan- 
delt werden. 

In zwei Jahren sollen diese Disziplinen ab- 
solviert werden, so dass dann ein neuer Kurs 
wieder anheben kann, und damit die Behörde 
sich immer überzeugen kann, in wie weit die 
Auditoren in den zu erlernenden Wissenschaf- 
ten zunehmen, soll der Professor, wie sdne 
Kollegen alle, jährlich zweimal Examina hal- 
ten. Nach einigen Jahren, wenn die jungen 
Leute hinlängliche Fortschritte zeigen, sollen 
dann von den der Mathematik eingeräumten 
sechs Stunden zwei für die Mechanik, sowie für 
die Architectura dvilis et militaris verwendet 
werden. 

Den Kandidaten für das neue KaÜieder be- 
stimmt der Schulrat die bisher bei Besetzung 
vakanter Stühle üblichen Proben, eine öffent- 
liche Praeledion über eine mathematische Ma- 
terie und eine Disputation über Theses und 



Problemata aus allen Teilen der Mathematik 
zusammengestellt 

Wohl mit Recht sagt Wolf in seiner Bio- 
graphie Blauners,^ dass es den Bemem nicht 
schwer hätte fallen dürfen, einen tüchtigen 
Mathematiker für den neuen Lehrstuhl zu ge- 
winnen, da gerade damals an hervorragen- 
den Gelehrten in dieser Wissenschaft kein 
Mangel war; zur Ehre des Schuhates muss 
auch gesagt werden, dass er sich gehörig um- 
sah und der Behörde für die Proben eine ganze 
Reihe von Leuten vorschlug, unter denen einige 
von bedeutendem Ruf waren.' Aber der Täg- 
liche Rat bedeutete ihm durch einen Zeddel 
vom 3. März, dass die ausser Lands wohnen- 
den Kandidaten und diejenigen, weldie die 
deutsche Sprache nicht beherrschten, nicht auf 
die Kandidatenliste genommen werden dürf- 
ten.^ Schliesslich unterzogen sich nur drei Kan- 
didaten den ausgeschriebenen Proben, der ber- 
nische Theologe Nikiaus Blauner und die 
beiden Waadtländer Jean Philippe Loysde 
Cheseaux und Jean Castillion, zwei be- 
rühmte Mathematiker, die schon damals in der 
ganzen wissenschaftlichen Welt bekannt waren. 
Diese beiden aber — so lesen wir im Schul- 
ratsmanual und wir diirfen wohl an der Rich- 
tigkeit der Angabe nicht zweifeln — liessen 
von vorneherein den Schulrat wissen, dass sie 
auf die bemische Professur nicht reflektierten, 
wie ja in der Tat viele Gelehrte die TeUnahme 
an solchen Disputationen für Lehrstühle als 
Sport betrieben, und so blieb denn freilidi der 
Regierung nichts mehr übrig — worüber aber 
weder sie, noch der Schulrat getrauert ha- 
ben wird — y als den Nikiaus Blauner zu wäh- 
len, welchen der Schulrat ihr als Schüler Ber- 
noullis für den Lehrstuhl ganz besonders em- 
pfahl. Er wurde gewählt den 6. Mai 1749 zum 
Schaden der Schule und der lieben Jugend, 
denn bald genug stellte es sich heraus, dass er 
seiner Stelle nicht im mindesten gewachsen 
war; bald genug wurde er der Spott der Stu- 
dierenden. Uebrigens sagte sich Blauner selber, 




95 



^ 



Unterrichtsaiitfalten für die politisdie Jugend. 



19b 



dass er sich erst noch weiter ausbilden müsse, 
bevor er den an ihn gestellten Anforderungen 
geniigen könne, und in dieser seiner Selbster- 
kenntnis kam er um einen zweijährigen Uriaub 
ein, um sich an äussern Orten in seinem Fach, 
besonders in der Mechanik und der Architek- 
tur, zu vervollkommnen und um auch m der 
Experimentalphysik die nötige Wissenschaft zu 
erlangen, damit er auch in hoc genere in seiner 
Vaterstadt etwas prästieren könnte. 

Der Urlaub wurde ihm gewährt mit Oenies- 
sung seines Oehalts. 

Im Jenner 1750 schickte Blauner von Paris 
aus einen Brief an den Präsidenten des Schul- 
rats, worin er ihm über seine Reisen und 
Studien zu Turin und Paris Bericht erstattete; 
zu gleicher Zeit anerbot sich der Abh6 NoUet, 
der in Paris Experimentalphysik dozierte und 
damals einer der Ersten seines Faches war,^ 
in einem Sdhreiben an ebendenselben, Herrn 
Blauner in sein Fach vollständig einzufuhren, 
wenn die bemische Behörde im Sinne habe, 
ihn nach seiner Rückkehr die Experimental- 
physik öffentlich dozieren zu lassen; die dazu 
nötigen Instrumente wollte Nollet bei bewähr- 
ten Meistern unter seiner Direktion anfertigen 
lassen. Eine Liste samt Devis und Preiscourant 
folgten nach; darnach belief sich die Summe 
der Kosten fär die vorgeschlagenen Instru- 
mente auf 1200 Thaler Bemer Valuta. 

Bereitwilligst und mit warmem Dank an den 
zuvorkommenden Pariser Gelehrten ging man 
in Bern auf dessen Anerbieten ein und der 
Grosse Rat bewilligte den 11. März 1750 die 
besagte Summe ohne Anstand. Noch in dem- 
selben Jahr kamen die für jene Zeit vortreff- 
lichen Apparate an und bildeten, im grossen 
Sommerauditorium aufgestellt, den Grundstock 
für die bemische Sammlung physikalischer In- 
strumente. 

Nach seiner Rückkehr wurde Blauner ver- 
pflichtet, wöchentlich eine Stunde Experimental- 
physik zu lesen und alle 14 Tage einmal vor 
dem gesamten Publikum mit den neuen Instm- 



menten die ffimehmsten und nfltzlidisten Ex- 
perimente anzustellen. 

Wohl satisf äderte er das Publikum' mit 
seinen Versudien, aber in seinen matfiemati- 
schen Voriesungen fehlten die Studenten. Des- 
halb verpflichtete der Schulrat durch sein Edikt 
vom 26. Mai 1757, um dem Auditorium aufzu- 
helfen, die Eloquenzer zum Besuch der zwei 
Arithmetikstunden, die Philosophen aber zum 
Besuch der zwei Geometriestunden, der Oeo- 
graphiestunde und der Physikstunde, die Blau- 
ner zu lesen hatte.^ Von nun an hatte sidi in 
seinen Lektionen ein Censor einzufinden, wie 
bei allen für die Theologen obligatorischenVor- 
lesungen, den Catak>gum abzulesen und die 
Unfleissigen aubuzeichnen und zur Bezahlung 
der Mulkten anzuhalten. Die übrigen Studiosi 
wurden eingeladen, freiwillig an den Voriesun- 
gen teilzunehmen, und es hoffte der Schulrat, 
— freilich ganz vergeblich — es werde sich der 
Herr Professor angelegen sein lassen, die junge 
Burgerschaft in seine Lektionen anzuziehen und 
durch die Menge freiwilliger Zuhörer einen 
Ruhm zu erwert>en trachten. 

Nach der Vorschrift des Schulrates hatte sidi 
Blauner von nun an für die Arithmetik und 
Geometrie nach Wolfens Auszug aus den An- 
fangsgründen der mathematischen Wissensdiaf- 
ten zu richten, für die Geographie nach Nerenij 
geographia universalis oder Hockers Himmel 
und Erdkugel ; in den physikalischen Lektionen 
nach Abb^ NoUets le^ons de physique exp^ri- 
mentale. 

Die Schulordnung von 1770, von der ynr 
unten zu reden haben werden, brachte dem ma- 
thematischen Auditorium keine Aenderung; 
Blauner unterrichtete in seiner Weise weiter 
bis zu Ende des Jahres 1784, da er seine De- 
mission eingab und seiner Stelle enti>unden 
wurde. Aber die Zeiten und die Anschauungen 
hatten sich inzwischen geändert tüchtige und 
aulgeklärte Manner waren in den Schulrat ge- 
kommen, denen der alte Schlendrian verhasst 
war und die die Bedürfnisse der Zeit mit hellem 




DIE BIBLI0THEK5-GALLERIE 

(ERBAUT 1775) 




Die Unicrriditsanstftlteii für die pc^ftlsdie Jugend. 




Blick erkannten ; da wirkte nun vor allem Viktor 
von Bonstetten, der, wie man schon aus seinem 
Buch Ober die Erziehung der bemischen Patri- 
zier weiss^i bestrebt war, die bemische Aka- 
demie zu einer würdigen Stitte der Wissen- 
schaft umzuwandeln und die ersten und be- 
lühmtesten Gelehrten m seine Vaterstadt zu 
zidien. 

Nadidem durch die Anstrengungen NikL E. 
Tsdumers die Verbesserungen der Untern 
Sdnde durchgeführt worden wareui hatte zu 
derselben Zeit, da Blauner demissionierte, der 
Sdiulrat beschlossen, die Revision der Akade- 
mie an die Hand zu nehmen, und nach seinem 
Antrag bestimmte dann die Regierung (den 
3. Fd>ruar 1785), es solle mit der Besetzung des 
mathematischen Katheders zugewartet werden, 
bis die geplante Revision der Akademie zu 
Ende beraten seL Anfang Juni beriet sich die 
Revisk>nskommission namentlich darüber, ob 
für Mathematik, Physik, Naturwissenschaften 
und Chemie nicht zwei Stühle zu kreieren seien. 
Unserm Bonstetten schritten diese Beratungen 
und Veriiandhuigen zu langsam vorwärts; er 
liess durch den Historiker Johannes Müller, 
der auf seine Veranlassung hin nach Bern ge- 
kommen war,' an den Anatomen Sömmering ui 
Mainz schreiben, ob er nicht um Blauners Stelle 
sich beweiben wolle; Sömmering schlug aus 
und empfahl den jungen Joh. Oeorg Tral- 
les aus Hambuig, der von 1782 an in Oöt- 
tingen studiert, und in dorten durch seme aus- 
seiordentlichen Talente die Auimeiksamkeit der 
Qelehrtenwett auf sich gezogen hatte. Sofort 
teilte Bonstetten seinen Kollegen vom SdmI- 
rat mit, was für «ein seltenes und ausgesuchtes 
Subjekt zu Bekfeidung der Stelle eines Lehrers 
in den mathematischen Wissenschaften, der Ex- 
perimentalphysik, Chimiae und Naturhistorie 
entdeckt worden sei», und legte in der Sitzung 
vom 13. September die Testimonia des Hof rats 
Kistner und des Professors Lichtenberg in Oöt- 
tugen über Tralles vor,^ welche ihn bereits zu 
den besten Köpfen ihrer Zeit zählten. 



Auf diese Nachricht ersuchte der Sdmhat 
den Täglichen Rat, er möge in Aufhebung des 
Beschlusses vom 3. Februar ihm gestetten, mit 
TraUes wegen Uebemahme der mathematischen 
Professur in Verbindung zu treten. Auch der 
Tagliche Rat war erfreut über die Nadiricbt; 
dass die Gelegenheit gekommen sei, an Bhiu- 
ners Stelle einen berühmten Mann gewinnen 
zu können und begwältigte den Schulrat auf 
obrigkeitliche Kosten den Tralles nach Bern 
kommen zu lassen und sich mit ihm über die 
Anstellungsbedingungen mündlich zu unter- 
reden. 

TraUes kam ui^esaumt nach Bern; bald 
wurde man mit ihm in aOen Punkten einig und 
nachdem er stett der üblidien Proben vor einem 
grossem PuUikum über eme in seine Fädier 
einschlagende Materie einige Vorlesungen mit 
Experimenten verbunden gehalten hatte, virurde 
er den 14. Dezember 1785 von dem Rat ge- 
wählt mit der Besoldung von 640 Kronen und 
Sitz und Stimme im Schulrat gegen die Ver- 
pflichtung von sechs wödientlichen Vorlesun- 
gen, deren Einrichtung der Schulrat noch näher 
bestimmen sollte. Zu gleicher 2^it beschliesst 
die Regierung, das physikalische Kabinett mit 
den von dem neuen Professor geforderten Ap- 
paraten zu vermehren. Auch nach der Wahl 
kamen die Behörden den Wünschen des jungen 
Qelehrten in der liberalsten Weise entgegen 
und schreckten vor keinen Opfern zurüde, wenn 
es galt das mathematisch^hysikalische Audi- 
torium mit dem auszustatten, was die Fort- 
schritte der Wissenschaft erforderten. Es war 
freilich hohe Zeit, dass in dier Richtung Er- 
kleckliches geschah: seit dem Jahre 1750 war 
kein einager Apparat mehr angeschafft worden 
und die Pariser Instrumente selber^ waren tefls 
veraltet, teils durch die ungeschidcte Hand Kau- 
ners unbrauchbar geworden. Tralles drängte zu 
grossem Anschaffungen; sdion im Februar 
1786 gab deshalb der Schulrat dem Täglichen 
Rat einen langem Vortrag ein über die Not- 
wendigkeit der Anschaffung neuer Apparate 




« 



Die Uotoik liimitliltCB rar die poiitifciie Jii^cbiL 



im Betrag voo 500 Lonisd'or und es ver- 
ging nidit mclir ak eioe Woche, so bewillig- 
ten Ritimd Bmger bedingangslos und freudig 
die ganze Foffdening. Die Instrumente wurden 
aOe in Fngtand bestellt und dort in der renom- 
mierten Fabrik des Sdiaffhausers Hurter in 
untMldiger Weise verfertigt; man war in Bern 
nicht wenig stoh darauL Aber damit war die 
Opferfreudigkeit der Behörden noch nicht er- 
schöpft Als Tralles fiir diese Apparate einen 
windigen AufeteDungsraum und fiir seine Vor- 
lesungen und Experimente ein grosses und 
lichtes Auditorium verlangte,^ wurde sofort eine 
Kommission ernannt, welche die Sache ener- 
gisch an die Hand nahm und in kürzester Zeit 
zum Ziel gdangte. Schon seit mehreren Jahren 
hatte man sich mit dem Plan der Veri^;ung 
der Bibliothek aus dem Kloster beschäftigt; 
war aber zu keinem Resultat gekommen;' nun 
schlug die Aen erwähnte Kommission vor, 
das Komhaus auf der Ankenwaag zur Biblio- 
thdc umzubauen und die dadurdi freigewor- 
denen Räumlichkeiten im Kloster fiir das ma- 
thematische Auditorium und das physikalische 
Kabinett zu verwenden. Der Vorsdilag fand 
iiberall Anklang, Devise und Plane wurden an- 
gefertigt und bereits den 4. Juni 1787 be- 
schlossen Rät und Burger den Neubau der 
Bibliothek für 7884 Kronen und den Umbau 
des alten Bibliotheksaales zum mathematischen 
Auditorium und physikalischen Kabinett für 
2566 Kronen« So verdanken wir denn unser 
sdiönes Bibliottiekgebäude indirekt wenigstens 
dem Professor matheseos Tralles. 

Wie der neue berfihmte Mathematiklehrer 
nach Bern kam, schmeichelte man sich mit der 
Hoffnung, dass es nun nicht mehr nötig sei, 
die Ek>quenzer und Philosophanten durch Ge- 
setz und Censor zum Besuch seiner Voriesun- 
gen zu verpflichten, dass dieselben freiwillig 
vom Born der Wissenschaft schöpfen würden, 
und befreite sie deshalb von dem bisherigen 
Zwang. Aber die Herren Schuhäte täuschten 
sidi: die künftigen Diener Oottes kümmerten 




» 



sich um den im atten Kloster neu ausgegange- 
nen Stern nicht vid und erschienen im maflie- 
matisdien Auditorium nur selten. Freilich lag 
die Schuld auch mit an Tralles selber, da er bei 
seinen Hörern zu viel voraussetzte und infcdge- 
dessen ihnen unverständlich ward, überhaupt 
anfänglich etwas vornehm sich über alles hin- 
wegsetzte und manche vor den Kopf stiess.' 
Sdion den 30. November 1786 beschloss der 
Schulrat, den status quo ante wieder beizustel- 
len,^ und beauftragte Tralles, mit den Studenten 
der Eloquenz und Philosophie bei den Ele- 
menten der Madiematik zu beginnen. Leider 
erfahren wir nicht, wie dann in den folgenden 
Jahren der Unterridit mit den angehenden 
Theologen eingerichtet wurde, dodi ist es 
wahrscheinUch, dass Tralles denselben an Hand 
seines mathematisdien Lehrlwches, welches er 
un Auftrag der R^erung zu dieser Zeit ver- 
fasste,^ gegd)en hat, wenigstens wurde das- 
selbe ün Jahr 1788 allen Shidiosen der Ek>- 
quenz und Philosophie gratis ausgeteilt 

3. Die Professio eloqnentlac 

Für die politisdie, wie für die geistUche Ju- 
gend wurde im Jahr 1684 der Lehrstuhl der 
Eloquenz errichtet zu dem Zweck, dieselbe 
auf Grund der Lektüre lateinisdier Autoren in 
die Kunst der Beredsamkeit einzuführen. Nach- 
dem der Tägliche Rat den 25. August auf An- 
sudien des Schulrates denselben kreiert hatte,^ 
wurden die Proben festgestellt, bestehend in 
einer Lektion und einer Oration aus der Ma- 
terie der Lektion und der Disputation aus dem 
Gebiet der Logik, Grammatik, Rhetorik, Geo- 
graphie etc. Nach Abhaltung derselben wurde 
den 21. November 1684 der Professor der Phäo- 
sophie zu Lausanne, Emanuel Bondeli, der 
w^en «sonderbarer Eloquenz und wegen der 
Poesey » grosses Lob sich erworben, zum Pro- 
fessor eloquentiae erwählt Bondeli war der 
erste weifliche Professor, der ins Kloster ein- 
zog, von 1691 ab zugleich Mitglied des Grossen 
Rates. 




Ift 



Die Unterriditsanstalten fQr die politisdie Jugend. 



» 



Die Errichtung dieser Professur mochte den 
Gnädigen Herren nicht schwer gefallen sein, da 
sie kein Geld kostete. Man hob nämlich die 
unterste Klasse der Untern Schule auf und gab 
die Besoldung des supprimierten Provisorats 
dem neu erwählten Professor eloquentiae mit 
dem Bedeuten, «dass er sich ohne suchende 
weitere Vermehrung damit vemügen solle», 
bis Professor Seelmatter auf eine Pfründe be- 
fördert werde; alsdann werde seine Pension 
um das Salarium Seelmatters vermehrt werden. 

Zu Anfang des Jahres 1697 erhielt Bondeli 
von der Regierung Urlaub für längere Zeit, 
um auf Ansuchen des Kurfürsten von Branden- 
buig die Erziehung des Kurprinzen zu leiten, 
und nun wurde bis zu seiner Rückkehr sein 
Lehramt von « tugentlichen Vicariis » versehen.^ 
1701 kam Bondeli zurück, aber nicht um seine 
Professur fortzuführen, sondern die Landvogtei 
von Aubonne zu übernehmen. Vom Täglichen 
Rat um seine Ansicht über die Wiederbesetzung 
der vakanten Stelle befragt, beantragte der 
Schulrat, die Professur auf demselben Fuss 
wieder einzurichten, wie sie bis anhin bestan- 
den hatte, da seit etlichen und 20 Jahren die 
Studentenzahl bis auf die Hälfte angewachsen 
sei, Mutwillen und Licenz aber bei den Stu- 
diosen mehr zu- als abgenommen habe.^ Oeko- 
nomische Rücksichten bestimmten den Täg- 
lichen Rat, diesem Antrag keine Folge zu 
geben, und so verband denn der Schulrat die 
Eloquenz mit der Professur der Philosophie 
und übeigab sie dem um eben diese Zeit 
(Juni 1701) gewählten Professor Benoit, der 
bei den Proben für den philosophischen Lehr- 
stuhl die Anwesenden durch «Gravität, An- 
ständigkeit und Lieblichkeit im Reden» ent- 
zückt hatte. 

Was Bondeli mit seinen Schülern alles ge- 
trieben hatte, erfahren wir aus den Manualen 
des Schulrates nicht, doch besagt uns eine Notiz 
in der Selbstbiographie Daniel Müslins,' dass 
er seinen Vorlesungen einen viel weitem Rah- 
men gab, als nachher offiziell bestimmt wurde. 



dass er nicht bloss einzelne Autoren traktierte, 
sondern über lateinische Litteratur zusammen- 
hangende Vorträge hielt und auch die Ge- 
schichte und die Geographie behandelte. Aber 
bald nach seinem Weggang nach Berlin, im 
Jahr 1797, wurde dieser Rahmen verengt und 
der Unterricht auf die Latinität zi^espitzt Es 
war in diesem Jahr, wie so oft, über den Rück- 
gang der Latinität bei den Studenten bittere 
Klage geführt worden und die Abhülfe er- 
hoffte man vom Professor der Eloquenz.* In- 
folgedessen setzte der Schulrat für diesen fol- 
gendes fest:^ 

«1. Das man hauptsädilich Pensa enderen 
und mit Namen brauchen solle des Virgüij Hb. 
Aeneidos, den Curtium, Salustium, item die of- 
ficia Ciceronis. 

Z Das man beim Salustio anfangen und 
grosse Pensa vorschreiben solle, von 2. 3. Blät- 
tern. 

3. Das man Sie (d. h. die studiosos eloquen- 
tiae) daraus fragen solle, in so weit die Ve- 
higkeit solcher knaben es zulasst, namenflich 
grammatice und Rhetorice, nit aber Critice und 
Mythologioe. 

4. Das man sie Exerdre im vertiren, Com- 
poniren, Notas machen, in gegenwart sein des 
Herrn Professoris selbs, demme jeder Studio- 
sus sein sach schriftlich übergeben und ad In- 
terim Ihme obligen solle custodj zu halten. 

5. Das zu allen Zeiten, Er gegen Ihnen im 
Methodo Instituendi vorsichtig gehe und zu 
dem end im ersten Jahr sie Chrias und Epistlen 
und im andern Jahr Dedamationen componi- 
ren machen solle, under seines Custodj, wie 
gesagt, welche Exerdtia sie hernach in den 
Examinibus vorweisen sollen. 

6. und entlich, das man Sie durch viel fra- 
gen zu antworten so gewehnen soll, das die 
Latinitet je länger je besser einwachsen mög. » 

Aus diesen Bestimmungen ersehen wir auch, 
dass schon damals der Unterricht in der Elo- 
quenz auf zwei Jahre berechnet war. 



« 



Die Unterridifstiistalteii für die pditisdie Jugend. 



^ 



In derOesdiidite des juridischen Lehrstuhles 
haben wir erwähnt,^ dass im September 1709 
Rit und Buiger beschlossen, neben der Pro- 
fessk) juris auch eine Professiohumanita- 
tum einzurichten. Diese letztere war dasselbe, 
was die ahe Prof essio eloquentiae ; ihr 21iel, die 
Sdiüler zum sprachrichtigen und logisch durdi- 
sichtigen Vortrag in lateinischer Sprache zu be- 
fähigen, zu der Kunst, ohne welche man sich 
immer noch mit dem Praeceptor Oermaniae 
die wahre Humanität nicht denken konnte, wie 
denn auch der Schulrat hoffte, dass durch die 
einzuführenden Uebungen die Moralität der Ju- 
gend gewinne und wachse. Dem neuen Pro- 
fessor humanitatum sollte es nach dem obrig- 
keitlich bestätigten Reglement obliegen,* cden 
Knaben mit aller Sanffanuth und Lehrhaftigkeit, 
Einfalt und Klarheit durch Pensa und Exerdtia 
den Stilum und eigentlichen Verstand der latei- 
nischen Autoren neben daraus ziehender mo- 
rale beizubringen, und die zwey Jahre durch, 
sie dennassen capadtirt zu machen zu suchen, 
damit sie in denen obem Auditoriis desto unge- 
hinderter fordcommen können»; und femer 
«soll Er sich voraus angelegen seyn lassen, 
dass, durch hoch Stilisirte Lectionen, er nicht 
sich selbst, sondern lediglich den profect seiner 
Disdplen in Litteris et Moribus suche, und audi 
allwegen einen Autorem nicht nur anfange, son- 
dern in so kurzer Zeit als möglich absolvire 
und sich darin nicht ohne Noht lang aufhalte ». 

Ein Fortschritt gegen früher geschah da- 
durch, dass nun offiziell die Geschichte und die 
Geographie in die Obere Schule eingeführt 
wurde,^ und wenn diese Fächer freilich auch 
nur mit je einer Stunde wöchentlich bedacht 
waren, so war doch damit zur Modernisierung 
der Schule der Grundstein gelegt, auf den mit 
der Zeit, wenn auch langsam, weitere Bau- 
steine gefügt wurden. Indem zugleich die Lo- 
gik dem Professor der Philosophie abgenom- 
men und mit der Eloquenz verbunden wurde, 
riditete man das Auditorium humanitatum — 
es sollte auch ein neuer Hörsaal hergestellt 



werden — abo ein, dass der Professor des- 
selben in neun wöchentiidien Stunden die Col- 
loquia des Erasmus, den Terenz und den Vergü 
traktierte (4 Stunden), des fernem die Logik 
(1 Stunde), die Geographie nach einem kurzen 
Kompendium und ebenso die Historiam uni- 
versalem (beides je 1 Stunde), alles in latei- 
nischer Sprache. Eine Stunde wurde zur Kate- 
diisation nach dem Heidelberger und zu exer- 
dtatkmibus piis verwendet In der neunten 
Stunde sollten mit der obera Promotion die 
Chriae, oratumculae und epistulae besprodien 
werden, weldie die Studenten die Woche durdi 
komponiert hätten mit der Weisung «allwegen 
em paar Vers beizusetzen», während die untere 
Promotion aus dem Deutschen ins Lateinisdie 
translatieren sollte, aber audi umgekehrt aus 
dem Lateinischen ins Deutsche, «damit ihnen 
der Genuis der TeutBchen Sprach audi ein- 
wadise». 



Alle Studiosi, sowohl des weltlichen wie des 
geistlichen Standes, wurden verpflichtet, zwei 
Jahre lang die Humanitäten anzuhören, jene, 
bevor sie in das juridische, diese, bevor sie in 
das philosophische Auditorium gelangten, so 
dass also von jetzt an die Obere Schule in drei 
Abteilungen zerfiel: die Eloquenz, die Phi- 
losophie und die Theologie. Die künfti- 
gen Theologen hatten natüriich, so lang sie in 
der Eloquenz studierten, ihr Griechisch und He- 
bräisch fortzusetzen und auch die Uebungen 
und Vorlesungen des Professors der griechi- 
schen und der hebräischen Sprache zu besu- 
chen. Punkto Disziplin und Habit wurden die 
Eloquenzer gleich gehalten, wie die Studiosen 
der übrigen Auditorien ; sie erhielten Censoren 
und hatten auf den Gassen, in den IQrchen und 
Lektionen mit den « Mäntlen » zu erscheinen. 

Die Besoldung des Professors im neuen Au- 
ditorium wurde auf 300 Kronen fixiert und man 
erwartete von ihm, dass er auf Ansuchen auch 
ooll^a privata halte, aber unter moderierter 
Belohnung und in 




« 



Die Unterriditsansiahen iflr die politisdie Jugend. 



m 



Zum Professor der Humanitäten wurde den 
2. Dezember 1709 Samuel Scheurer erwählt; 
er war noch Studiosus, aber mit solch seltenen 
Talenten b^abt, dass ihn die Schulräte nach 
glänzenden Proben^ ohne Bedenken zur Wahl 
vorsdihigen. Er wurde eine der ersten Zierden 
der Akademie und waltete seines Amtes in 
80 vofzüglicher Weise, dass der Schulrat im 
Sommer 1716, vrie er bereits Rektor geworden 
war, ihm ein ganz ausserordentliches Zeichen 
seiner Dankbarkeit zukommen lassen m müssen 
glaubte« Da gerade zwei Stipendien ledig wa- 
ren, schickte er ihn mit dem Ertrag derselben,^ 
wozu der Tägliche Rat noch ein Viaticum von 
100 Thalem hinzulegte, für 14 Monate auf 
Reisen, damit er sidi mit den gelehrtesten 
ItAämiem des Auslandes bekannt mache, die 
beriifamtesten Bibliotheken besehe und «gute 
Corrcspondenzen aufrichte ». Das geschah denn 
auch ; Scheurer wurde MHglied der königlichen 
Sodetäten von London und Berlin und durch 
seine wissenschaftliche Tätigkeit überall be- 
kannt 

Nach seiner Rückkehr (1718) wurde ihm die 
Professio hebraica übertragen und auch in die- 
sem Amt wirkte er so, dass die Z^ seiner 
Schüler von Jahr zu Jahr sich mehrte. 

Scheurers Nachfolger in der Eloquenz war 
vom 4. Juli 1718 an der allbekannte bemische 
Historiker Johann Jakob Lauf fer, der bis 
zu seinem plötzlich erfolgten Tode 1734 der 
CX)eni Schule angehörte. Auch Lauffer hatte 
einen würdigen Nachfolger, Johann Georg 
Altmann, gewählt den 7. Juni, der durch 
seine wissenschaftliche Tätigkeit sich ebenso 
bekannt machte, wie Samuel Scheurer, und in- 
folgedessen von der Akademie der Wissen- 
sdiaften zu Berlin zu ihrem Mitglied ernannt 
wurde. Altmann war zum Professor eloquen- 
tiae ganz besonders qualifiziert nicht bloss 
wegen seiner philosophischen, sondern auch 
wegen seiner archäologischen Kenntnisse, na- 
mentlich im Gebiet der römischen Altertums- 
wissenschaft, war er doch schon im Jahr 1723 



von der Regierung abgeordnet worden, um 
im welßchen Land von den noch vorhandenen 
Antiquitäten und Medaillen zum Behuf des An- 
kaufes von Seiten des Staates ein Verzeichnis 
anzulegen.^ Insofern ist es eigentlich zu be- 
dauern, dass er schon ein Jahr nach seiner 
Wahl die Professur der Eloquenz mit derjeni- 
gen der griechischen Sprache, d. h. der Inter- 
pretation des Neuen Testamentes, vertauschte. 
Mit ihm erlöschen auch auf dem Lehrstuhl der 
Humanitäten die glänzenden Sterne, die nach- 
einander der bemischen Akademie besondem 
Ruhm verliehen. 

Mit Altmann hatte ün Jahr 1734 für den Lehr- 
stuhl der Eloquenz « Herr Haller», d. i. Albredit 
HaQer disputiert; 12 Kandidaten waren deno- 
mmiert worden und die Proben sollten den 
10. Mai beginnen. Am 3. Mai konnten die Kan- 
didaten «die Materie» abholen> Bei dieser Ge- 
legenheit wollen wir die Thesen mitteilen, wel- 
che Herrn Haller aufgegeben wurden, damit 
unsere Leser von den Disputationen, welche bei 
Oelegenheit der Professorenwahlen mit den 
Kandidaten jeweikn veranstaltet wurden, ein 
kleines Bild erhalten.^ Ende Mai sprach Haller, 
als die Reihe an ihn gekommen war, im Audi- 
torio theologico majore des Morgens über das 
Thema: «veteres industria et eruditione ante- 
oellere modemos», des Mittags dann dispu- 
tierte er über folgende Fragen : 

«cl. Quid tenendum de libris Hermetis Tris- 
megisti, an ejus, quam prae se ferunt, antiqui- 
tatis, an vero a quodam recentiore Semichri- 
stiano conficti aut interpolati fuerint? 

2. Quot sint characteres et quam certi sint, 
quibus vulgo nummi antiqui genuini a sup- 
posititiis distingui solent? 

3. An Satumus a satar, absoonditus, ideo 
dictais fuerit, quod prisci Italiae coloni hunc 
suum parentem ignoraverint, ita, ut Satumus 
idem sit ac si diceres, incognitus ille deus 
noster. 

4. Undenam Helvetiorum origo et deno- 
minatio? 




« 



Die Unterrichtsanstahen ffir die politische Jugend. 



5. An Zigeuni sint populus aliquis particu- 
laris, an vero ex variis coUuvies et undenam 
eomm origo arcessenda? 

6. Quis ad oomparandum nitidissimum sti- 
lum imitandus ex veteribus in soluta, quis in 
ligata oratione? 

7. An eadem regnl Thebanorum a Cadmo 
ex Phoenida, quae Aflieniensium a Cecrope 
ex Aegypto erecti epocha statuenda? 

8. An annus Romuli 10 an vero 12 menses 
habuerit? 

9. Quinam dies apud Romanos fasti et ne- 
fasti^ oomitiales et comperendini, atri et inno- 
minales dicti fuerint? 

10. Quodnam per Astarten idolum Phoenices 
inteDexerint? et unde idolo hoc nomen hae- 
serit? 

11. Utrum ars critica plus damni attukrit 
quam commodi? 

12. An quae veteres mythologi de Satumo, 
JanOy item et Baccho, quin et Priapo tradunt, 
in Noachum quadrent? 

13. Quid Sit 16 sublime in oratione? 

14. An antiquissimi Italiae coloni dialectum 
habuerint hebraizantem ? 

15. An Syllogismus recte dicatur ratiocinii 
distincta expressio? 

16. An definitio nominalis sit quae nomen 
ceu terminum, realis vero quae rem ipsam 
explicat? 

17. An apostoli Christi omnes fuerint Cate- 
chistae, in spede Philippus act VIII. catechi- 
zaverit cubicularium reginae Candaces? 

18.^ An non nisi ex revelatione sdamus 
deum creasse coelos et terram?» 

Diese in jeder Beziehung interessanten und 
für die Studien jener Zeit so l>ezeichnenden 
Fragen zeigen uns, wie in diesen Disputationen 
alles Mögliche und Unmögliche von den Kan- 
didaten verlangt wurde. Leider ist das Urteil, 
das der Schulrat über die Proben des Jahres 



^ 



1734 abgab, in seinem Manual nicht emge- 
schrieben. 

Altmanns Nachfolger, Johann Rodolf 
Brunner, gewählt den 13. Juni 1735, wurde 
sdion nadi einem Jahr Professor der Philo- 
sophie; vom 4. April 1737 an amtete Fried- 
rich Kirchberger, der im Jahr 1758 als 
Pfarrer nach Ins ging, worauf Ludovicus 
Rudolf, den 15. Juni 1758 erwählt, fast 
50 Jahre den Lehrstuhl der Eloquenz inne 
hielt, sanft und ernsthaft seinem Amt sich hin- 
gab und seiner Schüler mit Liel>e und Auf- 
opferung sich annahm. Im hohen Alter von 
79 Jahren gab er seine Demission, wie die 
Akademie unter dem Kanzler Mutach neu ein- 
geriditet wurde. 

Sofort nachdem Rudolf seine Professur an- 
getreten hatte, wurden die Pensa des eloquen- 
zischen Lehrstuhls neu geordnet Schon im 
Jahr 1740 war nach der Anregung Professor 
Kirchbergers die Logik in die philosophische 
Abteilung herübergenommen worden ; man 
hatte im Lauf der Jahre einsehen gelernt, dass 
14- und 15jährige Knaben noch nicht befähigt 
seien, einem in lateinischer Sprache gehaltenen 
Kurs iiber Logik zu folgen.' An die Stelle der 
Logik war theoretische und praktische Rhe- 
torik getreten. Diese Aenderung wurde bei der 
Reform des Jahres 1758 beibehalten und der 
Professor eloquentiae zudem verpflichtet, die 
Studiosos der zwei ersten Jahre in der Abtei- 
lung der Philosophie in einer zweiten Stunde 
in der Rhetorik weiterzuführen und sie in der 
Redtation kleinerer Reden zu üben. Auch die 
Schriftsteller änderte man jetzt :^ die colloquia 
des Erasmus liess man ganz fallen und an die 
Stelle des Terenz trat der Livius, bei dessen 
Lektüre die Zierlichkeiten der Lateinischen 
Sprache und die Altertümer ausgelegt werden 
sollten, die Mythologey und Prosodey in Ver- 
bindung mit dem Virgil. Dem Lehrer wurde 
ans Herz gelegt, sich in allen seinen Lektionen 
des Lateinredens zu befleissen und seine Schü- 
ler anzuhalten, ihre Oedanken in lateinischer 




102 



^ 



Die Unterriditsanstalten für die politische Jugend. 



Sprache nach den besten Vorbildern des Alter- 
tums ausdrücken zu lernen. Ferner wurde ihm 
befohlen, die Eloquenzer zur Privatlektüre an- 
zuleiten und ihnen vorzuschreiben, was ein 
jeder nach seinem Bedürfnis bei Hause trak- 
tieren solle und ihn darüber von Zeit zu Zeit 
ernstlich zu examinieren; endlich lag es nach 



j» 



diesem neuen Reglement dem Professor elo- 
quentiae ob, die Studiosen dieser Abteilung 
jeden Winter in drei wöchenflichen Stunden 
zum Tisch des Herrn vorzubereiten. 

An diesem Programm für die Eloquenz 
wurde in der Ordnung vom Jahr 1770 nichts 
geändert 





Die theologische Lehranstalt in der Zeit 

von 1676— 1770, 





Carteslua. Die Pietistenbewegung. 
Der zweite theologische Lehrstuhl. 

In die Zeit zwischen der Wiedereinsetzung 
des Schulrates und der Promulgation der neuen 
Schulordnung fällt die Annahme der Formula 
consensus, welche mit der Lehre von der Gött- 
lichkeit jedes Buchstabens, auch der Vokale 
des alttestamenüichen Bibeltextes, festsetzte, 
Christus sei nur für die durch den ewigen Rat- 
schluss Gottes zur Seligkeit Auserwählten ge- 
storben und Gott habe nicht den Vorsatz ge- 
habt sich aller zu erbarmen, sondern nur eines 
Teiles der IMenschheit^ Noch während der Er- 
eignisse, welche der Abfassung der Formel 
vorangingen, währenddem man sich in der 
Schweiz sammelte, um die Kirche gegen die 
von Saumur ausgehenden Irrlehren zu schützen 
und die reine reformierte Lehre zu erhalten, 
ging man in Bern gegen die cartesianische 
Philosophie vor, mit welcher der Professor 
philosophiae David Wyss die studierende 
Jugend bekannt madite, zum Aergemis der 
oräiodoxen Geistiichkeit, an deren Spitze der 
Dekan Hummel stand. Ein Gutachten des 
Konvents veranlasste den Ratsbeschluss vom 
21. April 1669,^ welcher die Lehre des Carte- 
sius für gefährlich und schädlich er- 
klärte, da sie verschiedene Irrtümer gegen die 
Heilige Schrift und die bisher geübte reine 
Lehre enthalte, und die Behandlung derselben 
auf dem Katheder, in den Disputationen, sowie 
in den Privatkollegien verbot Dessen wurde 
David Wyss berichtet und ebenso die auf den 
fremden Universitäten studierenden Akademi- 
ker, damit sie das in dem abgeschafften Autor 
begriffene schädliche «Gesäme» nicht weiter 
in sich wurzeln Hessen. 



Das Verbot des Rats nützte nichts; Ihr 
Gnaden mussten zu ihrem nicht geringen Miss- 
fallen vernehmen, was massen der verworfene 
Autor von vielen gelesen und daraus ungute 
und höchst bedenkliche Reden geführt wurden, 
und dass es bei dem bekannten Sprüchlem ver- 
blieb: nitimur in vetitum semper cupimusque 
negata. Aus Furcht, dass mfolgedessen « leicht- 
lich von diesem Unkraut bei der lieben Poste- 
rität etwas aufwachsen und dadurch der bis- 
hero rühmlich fortgepflanzeten orthodoxischen 
Lehr widriges entspringen möchte, wan sel- 
biges nicht radidtus abgeschafft würde», ge- 
bot der Rat den 2L Mäiz 1671 ^ aufs neue, dass 
der Cartesius weder heimlich noch öffentiich 
gelehrt werde und dass die Studiosen ihn gar 
nicht lesen dürften und die Exemplaria, die sie 
in Händen hätten, abliefern müssten. Dasselbe 
Dekret trug den Geistlichen auf, für das Klo- 
ster geheime Aufseher zu bestellen, und 
bestimmte, dass der Professor, der von den- 
selben im Ungehorsam gegen dieses Verbot 
betroffen würde, in seinem Amte eingestellt 
werde und dass diejenigen Studenten, welche 
sich noch weiters mit dem Cartesius beschäf- 
tigten, ihrer Stipendien priviert werden soll- 
ten. Zugleich wurde an die Buchhändler der 
Befehl gegeben, keine Exemplare des Carte- 
sius in die Stadt zu schaffen. 

Solche Blüten trieb bereits schon der reli- 
giöse Fanatismus und nun kam denn 1675 die 
Einführung der Formula oonsensus, welche für 
lange Zeit die Freiheit den Denkens in Fesseln 
legte; fast 50 Jahre lang musste dieselbe von 
den bemischen Geistiichen an Eidesstatt unter- 
schrieben werden. Aengstiidi bewachte man in 
der ersten 2^t alles, was im Ktoster gmg, und 




104 




Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



Ib 



man traute wohl auch dem Nachfolger des 
Professors Wyss« der im Jahr 166Q Professor 
hebraicus geworden war, dem Professor Da- 
vid Bourgeois, nicht recht Im Frühjahr 
1680 wurde in den Bemer und Langenthaler 
Kapiteln angezogen, dass «unter den Studiosen 
in Bern opiniones im schwang gehen, die nach 
dem Arminianismus, ja sogar nadi dem Sod- 
nianismus schmecken thiten^». Sofort wurde 
von dem Rat eine Kommission ernannt, wel- 
che dem bösen Qerficht nachforschen sollte. 
Die Studenten, die man im Verdacht der He- 
terodoxie hatte, wurden verhört und die Pro- 
fessoren eingezogen und vernommen, alles, 
wie wir aus dem Schreiben des Täglichen Rates 
an den Schulrat in Sachen schliessen mässen,i 
mit grosser Rücksichtslosigkeit und Lieblosig- 
keit Die Re^erung besorgte, es werde durch 
sokhe Dinge die Schule in Verachtung geraten 
und der bemische Kirchenstand an benach- 
barten und äussern Orten m Verdacht kommen, 
«ob wäre allhier der Religion und Orthodoxey 
halb alles zweifelhaftig und wfisste man nicht, 
was in Qlaubenssachen man statuieren solle». 
Deshalb verordnete sie durch ihr Dekret vom 
17. März 1680 die drei Prädikanten der 
Stadt zu Aufsehern im Kloster mit der 
Kompetenz, jederzeit nach Outfinden den Stu- 
denten ihre Schriften abfordern und examinie- 
ren zu können und je nadi ihrem Befinden die 
nötigen Schritte zu tun. 

Den Aerger der Professoren wegen dieser 
unwürdigen Behandlung kann man sidi den- 
ken, aber sie mussten ihn als Ihr Onaden ge- 
treue Diener geduldig herunterschlucken, denn 
diese statuierten, «dass alles, so dieses Oe- 
sdiäfts wegen vorgegangen, von Oberkeits- 
wegen teiminirt, ausgemacht und erörtert sein, 
Auch dessen nichts mehr gedenkt werden solle ». 

Zu gleicher Zeit wurde das Edilct vom Jahr 
1671 gegen die Lehre des Cartesius in seiner 
ganzen Sdiärfe aufgefrischt und den Studiosen 
und Kandidaten im Kloster eingeschärft, über 
die Sachen, welche die Orthodoxiam berühren, 



nidit ohne Bedacht zu reden und imr an ge- 
bührenden Orten, und femer « in dem Predigen 
sich eines solchen Stili und redensart zu be- 
fleissen, die heiliger Biblischer Schrift und der 
materi, die sie tractiren, gemäss seye; und 
hingegen der affectierten ungewohnten neuen 
Teutsch sich zu müssigen, als welche die ver- 
ständigen nur ärgert, und das gemeine Volck zu 
ihrem Cfaristenthumb nichts underweisen thut ». 
Endlich beschlossen die Räte in derselben 
Sitzung, alle drei Prädikanten der Stadt dem 
Schulrat wiederum beizuordnen; des wird die 
Geistlichkeit zufrieden gewesen sein und der 
liebe Gott wird, wie die Behörde zu Ende ihrer 
Weisung an den Schulrat wünschte, zu allem 
seinen heiligen Segen gegeben haben.^ 

Schon stehen wir am Vorabend der Pie- 
tistenbewegung in Bera,^ die gegen Ende des 
Jahriiunderts stattfand und in die auch das 
IQoster und der Schukat verwickelt wurde. 

Den 31. Mai 1693 wurde der Schulrat neu 
bestellt Die Wahlart desselben, wie sie durch 
die Schulordnung von 1676 festgestellt worden 
war, hatte zu mancherlei Unzukömmlichkeiten 
geführt; vor allem waren seine Mitglieder der- 
art mit Geschäften überhäuft gewesen, dass sie 
der Schule nur wenig Aufmerksamkeit hatten 
schenken können und diesem Umstand schrieb 
man es zu, dass an ihr manches nicht war, wie 
es sein sollte, vor allem, dass bei den Promo- 
tionen allerhand untaugliche Subjecta durch- 
schlüpften, die nun den Musshafen und andere 
Largitionen genossen ; man klagte laut darüber, 
dass man deigleichen «Stock in den Obern 
Schulen behalten musste, nur damit sie und die 
Ihrigen zu essen hatten». So fassten denn Rät 
und Burger den Beschluss, die Wahl zum 
weltlichen Scholarchen von jeder Charge un- 
abhängig zu machen und die Neuwahl der Be- 
hörde anzuordnen ; die Gewählten sollten stän- 
dige Mitglieder des Schukates bleiben und die 
Zahl der weltiichen Mitglieder sollte, vom Vor- 
sitzenden abgesehen, derjenigen der geistiichen 




^ 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



Mitglieder, resp. der Professoren und Pradi- 
kanten gleichkommen. Da die Zahl der letz- 
tem bereits auf neun angewachsen war, so 
waren also mit dem Vorsitzenden 10 weltliche 
Schulräte zu wählen ; die Nomination kam den 
Vennem zu.^ 

Zu einem «Haupt oder Praesidi» wurde 
dann der Teutsch-Seckelmeister J. Bernhard 
von Muralt gewählt und zu Assessoren drei 
Ratsherren und sechs von den Bürgern, tüch- 
tige und gebildete Männer, welche in der bald 
folgenden pietistischen Bewegung dem Kon- 
vent gegenüber freiere Ansichten vertraten und 
gewillt waren, ihre Rechte zu behaupten und 
der Oeistiichkeit keine Konzessionen zu ma- 
chen. Das kam schon im Jahr 1606 zum deut- 
lichen Ausdruck.^ Stellte da in der Sitzung des 
Schub-ates vom Z Juli der Konvent durch den 
Dekan das Begehren, es solle inskünftig die 
Promotio ad ministerium einzig und allein von 
den Geistlichen besorgt werden gegen den 
klaren Wortlaut der Schulordnungen von 1616 
und 1676, welche die Mitwirkung der weltlichen 
Scholarchen bei besagter Promotion und deren 
Anwesenheit beim Examen promovendorum ad 
ministerium verlangten und feststellten. Mit 
Unwillen nahmen die weltlidien Schulräte diese 
Rechtsprätention auf und meinten, dass durch 
ihre Präsenz das Examen der Theologen nicht 
profaniert werde und dass es ihrerseits eine 
Pflichtverletzung wäre, wenn sie dem Buch- 
staben des Gesetzes nicht nachkämen.^ Die An- 
gelegenheit kam vor die Regierung, welche die 
weiflichen Schulräte gegen die Anmassung des 
Konvents in Schutz nahm und entschied, dass 
es beim Inhalt der Schulordnung zu verbleiben 
habe.« 

Schon nach zwei Jahren änderte sich das 
Verhältnis zwischen Regierung und Schulrat 
und es kam zwischen beiden zum offenen 
Konflikt 

Nachdem es eine Zeit lang geschienen hatte, 
als ob in der bemischen Kirche die pietistische 




» 



Richtung die Oberhand gewinne und der pie- 
tistisdie Pfarrer Güldin sogar Mitg^ed des 
Konvents geworden war und dem Dekan Bach- 
maim, der bis dahin als bester Prediger der 
Stadt gegolten hatte, den Rang streitig madite, 
gelang es im Jahr 1698 der Geistiichkeit, die 
den alten kirchlichen Standpunkt vertrat, der 
Regierung die Pietisten als eine renitente Par- 
tei darzustellen, gegen die man mit Gewalt 
vorgehen müsse. Im August dieses Jahres soll- 
ten in einer Grossratssitzung die Massregeln 
zur Sprache kommen, welche gegen die «Sec- 
tierer» zu ergreifen waren. Unter den Verdäch- 
tigen fanden sidi auch drei Studiosi, Nikiaus 
Tscher, Nikiaus Mass£ und Samuel 
Lutz, welche den 22. August nebst ihren Kom- 
militonen nach der Anordnung des Schulrates 
das Examen ad ministerium bestehen und acht 
Tage nachher, falls sie das Examen bestanden 
hätten, die Impositio manuum erhalten sollterL 
Da gebot der Tägliche Rat mit Zettel vom 
20. August dem Schulrat «um eingefallener 
wichtiger Ursachen willen », aber ohne nähere 
Angabe der Gründe, das Examen ad ministe- 
rium um eine Woche hinauszuschieben. Der 
Schulrat wusste wohl, worum es sich handelte 
und dass gerade in dieser Woche die ent- 
scheidende Sitzung der Zweihundert stattfin- 
den sollte. Besorgt um das Schicksal der drei 
genannten Studenten, von denen verlautete, 
«dass sie etwas haben von sich verspühren 
lassen, so da Ihre Lehr und übriges Lebwesen, 
uff eint oder andere weis solle verdächtig ma- 
chen»,^ gab er den beiden Professoren der 
Theologie, dem uns schon bekannten David 
Wyss und Johann Rudolf Rodolff ^ den 
Auftrag, dieselben zu examinieren und auf die 
gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu prü- 
fen. Es war der 22. August; die Untersuchung 
sollte von den zwei Beauftragten sofort an die 
Hand genommen und so durchgeführt werden, 
dass der Schulrat auf Grund derselben sdion 
den 25. August die gebührenden Mensuren in 
Sachen ergreifen könnte. 




K^ 



Die theologische Lehransialt in der Zeit von 1676—1770. 



^ 



Die beiden Examinatoren, die keineswegs 
unparteiische Richter waren, statteten ihren 
Bericht dahin ab, « dass sie nit durchaus satis- 
fadrt worden » seien ; infolgedessen beschieden 
die Schulräte in der Sitzung vom 25. August 
die drei Angeschuldigten vor sich, um sie über 
die Punkte, da sie den zwei Professoren nicht 
lauter schienen, selber zu quästionieren. Dabei 
wurden sie völliglich contentiert und es ver- 
blieb ihnen wegen der Orthodoxei der Drei 
gar kein Scrupel mehr, um so weniger, als sich 
dieselben freiwillig anerboten hatten, vor der 
Konsekration eine authentische Glaubenskon- 
fession sdiriftlich von sich zu geben. Der Prä- 
sident J. B. von Muralt wurde darnach beauf- 
tragt, das alles den folgenden Tag Räten und 
Buigem in deren Sitzung vorzutragen und zu 
verlangen, dass nun mit dem Examen pro mi- 
nisterio der Anfang gemacht werde, weil auch 
von den übrigen Examinanden nichts zu ge- 
fährden sei, immerhin mit dem Vort>ehalt, dass, 
wo über kurz oder lang am eint und andern 
etwas Verdächtiges in Lehr und Leben herfür 
komme, alsdann dem Täglichen Rat gebührend 
ferneres Einsehen vorbehalten sein und bleiben 
solle.^ 

Zahlreich versammelten sich den 26. August 
Rät und Bürger zu der wichtigen Sitzung, auf 
deren Resultat man allgemein gespannt war. 
Schon vorher hatte der Tägliche Rat eine Kom- 
mission ernannt zur Untersuchung «der ver- 
däditigen Ingeister und Sectierer», welche ihre 
Tätigkeit bereits begonnen hatte. Sie bestand 
aus dem Venner Abraham Tillier, einem Manne 
von konservativen Anschauungen und unbeug- 
samer Strenge, als ihrem Präsidenten, dem 
Venner Willading, ^alt-Venner Jenner, den Heim- 
lichem von Oraffenried und Wurstemberger, 
femer den Professoren Wyss und Rudolf, dem 
Dekan Bachmann und Pfarrer Eyen. Diese so- 
genannte Religionskommission Moirde, 
nachdem sie des ganzen Pietistengeschäfts hal- 
ber eine vollständige Relation abgestattet hatte, 
von den Zweihundert bestätigt, begwältigt und 



befelchnet, in der begonnenen Untersuchung 
fortzufahren und ohne Unterschied der Per- 
sonen nach der Instmktion und Wegweisung 
zu verfahren, die ihr vom Rat bereits erteilt 
worden, oder noch erteilt werden möchte. Ver- 
geblich hatte Muralt im Namen des Schulrates 
auseinandergesetzt, dass die Examination der 
drei verdäditigen Studenten nach der Schul- 
ordnung nur dieser Behörde zustehen könne; 
man antwortete ihm, dass die Religionssadien, 
also audi die Untersuchung der wider die Re- 
ligion gerichteten irrigen Meinungen der Obrig- 
keit und in dero Namen denen zuständig sei, 
welche sie nach Belieben dazu verordnen wolle. 

Die Religionskommission fuhr mit allem 
Emst und Eifer, wie ihr vom Grossen Rat auf- 
getragen worden war,^ in der Untersudiung 
der verdächtigen Personen, namentiich der jun- 
gen Geistlichen fort und verhörte audi unsere 
Studenten. Es wurde ihnen zwar gestattet, dem 
Examen pro ministerio, das nun begirmen 
sollte, sich zu unterziehen, aber mit der Hand- 
auflegung sollte bis nach Schluss der ganzen 
Untersuchung zugewartet werden.^ Tsdier und 
Mass£ wurden zur Imposition zugelassen ; nidit 
so gut ging es dem Samuel Lutz. Die Reli- 
gionskommission stellte fest, dass er mit Pie- 
tisten Umgang gehabt und junge Knaben an 
sich gezogen und übemachtet habe. E>eshalb 
wurde besdilossen, dass er bei der Handauf- 
legung übergangen werde, bis man seiner Per- 
son vollständig versichert sein könne; inzwi- 
schen habe er in Bem seine Studien fortiu- 
setzen.^ 

Der Sdiulrat hatte diese Weisung dem Stu- 
diosus Lutz zu eröffnen. In ihrem gerechten 
Zorn über das fanatische Voigehen der Reli- 
gionskommission und das ungerechtfertigte Ur- 
teil über den talentvollen Samuel Lutz, gaben 
die weltlichen Mitglieder des Schulrates ihre 
Demission ein ; sie verdienen dämm einen 
Ehrenplatz in der beraischen Schulgeschidite ! 
Erst nach einem Interstitium von mehreren 
Monaten nalmien sie den 8. Dezember ihre 



n^ 



Die tiieologlsdie Lehnuistalt in der Zeit von 1676^1770. 



51 



Sitzungen wieder auf, nachdem der Tagliche 
Rat sie dringend gebeten hatte, ihren Ent- 
schluss zurückzunehmen «neben Bezeugung 
eines gnädigen und satten Vergnügens ab ihren 
bisherigen Verrichtungen». 

Der Pietistenhandel erreichte seinen Höhe- 
punkt mit der Festsetzung des Associa- 
tionseides und der Durchführung desselben 
bei der ganzen Oeistiidikeit im September 
1699. 

Als im Frühling 1700 wieder eine Kandida- 
tenpromotion stattfinden sollte, wurde Samuel 
Lutz von der Religionskommission befragt, ob 
er dem Pietismus abzusagen und bei der wah- 
ren reformierten Religion zu veibleiben ent- 
schk)ssen sei und den Assodationseid beschwö- 
ren könne. Als er sich dazu bereit erklärte, er- 
hielt er die Handauflegung und tat den Eid.^ 
Zwei Jahre nachher wurde er vom Schulrat zu 
den Proben für das erledigte hebräische Ka- 
theder in Lausanne vorgeschlagen und bestand 
dieselben in so glänzender Weise, dass er dem 
Täglichen Rat in erster Linie zur Wahl empfoh- 
len wurde ; ^ bei derselben wurde ihm aber ein 
Waadfländer voigezogen. 

Ein anderes Opfer der Pietistenbewegung 
war der Spitalprediger Samuel König, der 
schon während seiner Studienzeit tiefgehende 
Studien auf dem Gebiet der orientalischen Spra- 
dien und der Mathematik getrieben hatte. Im 
Juni 1699 wurde er auf Grund der Untersuch- 
ungen der Religionskommission seines geist- 
lidien Charakters priviert und des Landes ver- 
wiesen und erhielt nach einem langen Wander- 
leben 1711 die französische Hofpredigerstelle 
zu Büdingen, wo er 18 Jahre blieb und seine 
Kenntnisse namentlich der orientalischen Spra- 
dien noch mehr vertiefte. Nachdem in Bern 
im zweiten Dezenniiun des 18. Jahrhunderts 
der Fanatismus der letzten Jahre des vorher- 
gdienden Säkulums liberaleren Ansichten und 
einem mildem Geist gewichen war, durfte auch 
König an die Rückkehr ins Vaterland denken. 
Er kam bei der Regierung um Begnadigung ein 




mit der Versidierung, sich der Kirdienordnung 
in allen Stücken unterwerfen zu wollen. 
ZweSiundert wiesen sein Gesuch erst an 
Religionskommission ^ (Mai 1730) und diese 
stattete ihnen den Bericht ab, daiss der Petent 
zwar «particularer Meinung sei wegen des tau- 
sendjährigen Reichs, der Gnadenwahl, Wieder- 
bringung aller Dingen und Notwendigkeit der 
Wiedeigdnirt eines Predigers», dass er sidi 
aber eidlich verpflicfaten wolle, selbige weder 
heimlich noch öffentUcfa zu lehren.^ Daraufhin 
hob der Grosse Rat die Bannisation auf und 
erkannte den 13. September 1730, dass der 
Herr König, da er in den orientalisdien Spra« 
dien sonderbare Wüssenschaft habe, zu einem 
Professore honorario in denselben zu ernennen 
sei. Nach dem Antrag des Sdiulrates wurden 
ihm mit einer BesoMung von 1200 Pfd. fünf 
wöchentliche Unterrichtsstunden zugewiesen 
und zwar zwei mit den untern Studiosis für 
die Grammaticalia in der hebräischen Sprache 
und eine mit den obem für den Talmud. In 
zwei weitem Stunden sollte er sowohl geisfliche 
als weltliche Disdpulos in mathesi cals einem 
sehr nützlichen studio» instruieren.^ 

Lehrerfolge scheint König in seiner neuen 
Stellung keine gehabt zu haben. Schon im zwei- 
ten Jahr seiner Wirksamkeit hatte er sich vor 
dem Rat zu verantworten, warum er ohne Ur- 
laub im Land herumlaufe und warum seine 
ehemaligen Disdpebi (»eine Lektionen nicht 
mehr besuchten.^ Dabei darf man freilich nicht 
ausser Acht lassen, dass in der Obem Schule 
die Stellung des Extraordinarius eine ausser- 
ordentlich schwierige war; wo derCensor sein 
Handwerk nidit ausüben musste, war böse 
Disziplin und niemals waren die Studenten 
roher, als gerade in den ersten Dezennien des 
18. Jahrhunderts. Ueberdies war man immer 
noch mtsstrauisch gegen König seiner religio* 
sen Ansichten wegen, und so wird wohl der 
Schulrat anno 1738 sehr zufrieden gewesen 
sein, dass er ihn der hebräischen Professur 
entheben konnte. 



« 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



^ 



Bereits schon wihrend der Pietistenbewe- 
gung war im Frfihjahr 1698 ein zweiter theo- 
logisdier Lehrstuhl gegründet worden. 

Als Orund für die Notwendigkeit desselben 
machte der Schulrat in seiner Eingabe an den 
Taglidien Rat^ in erster Linie geltend, dass 
jetzt in Bern mehr Theologen studierten, als in 
Basel, Genf, Zärich, Herbom und noch andern 
Akademien, und dodi in Ztirich und Herbom 
zwei, in Basel und Qenf sogtar drei Theologi 
dozierten ; dass infolgedessen die Studiosi theo- 
logiae in Bern nicht genug Occupationen hätten 
und dass es einem einzigen Lehrer nicht mög- 
lich wäre, locos oommunes und controversias zu- 
gleidi zu traktieren ; dass auch die Stipendiaten, 
wenn der anbegehrte Stuhl errichtet würde, 
nidit mehr ins Ausland gehen mfissten, son- 
dern in Bern fänden, was sie bis dahin ander- 
wärts gesucht hätten. 

Die Regierung billigte die Gründe des Sdiul- 
rates und beschloss den 24. März 1696, dass 
inskünftig zwei Professores theologiae an der 
Obern Schule wiiicen sollten, von denen der 
eine die locos communes, der andere die contro- 
versias zu traktieren habe. Dem bisherigen 
Theologus, dem Professor David Wyss, 
wurde es überlassen, nach Belieben die eine 
oder die andere Lehrtätigkeit für sich zu er- 
wählen ; er sollte von nun an den Namen eines 
Theologi primarii fiUiren mit derselben Besol- 
dung, die er bis anhin genossen hatte. Der 
zweite Theologus war nach dem Ratsbeschluss 
an Dignität dem ersten gleich und genoss die- 
selben Privilegien ; er hatte wie jener wödient- 
lich drei Lektionen zu halten, Montag, Mitt- 
woch und Freitag um oder nach Mittag,* auch 
altematkn in den Disputationen zu präsidieren 
und die Anhörung und Korrektion der Pre- 
digten aller Studiosi theologiae in ihrer Ord- 
nung alle Dienstage, Donnerstage und Sam- 
stage des Morgens auf sich zu nehmen. Der 
Sdnilrat hatte ihn aus der Zahl der übrigen 
Professoren zu erwählen und ihm zu seiner bis- 
herigen Ordinaripensfon aus dem Schulseckel 



eine Zulage von 50 Talern zu entrichten; zu- 
dem sollte der Gewählte statt 12 Saum Land- 
wein, wie bis anhin, deren zehn und dazu 4 
Saum Ryffwein erhalten. 

Zum zweiten Theologus rückte der bishe- 
rige Professor hebraicus Johann Rudolf 
Rodolf f vor (in diesem Amt den 5. April 1698 
bestätigt). Vom Sdiulrat wurde ihm noch be- 
sonders aufgetragen, die controversias so zu 
traktieren, dass er accidentaliter, wo es sich tun 
lasse, auch die Kirchengeschidite behandle.' 
An Rudolfs Stelle hatte Leemann, der bis- 
herige Professor philosophiae. Hebräisch zu 
dozieren; offenbar vertrat er nebenbei audi 
noch die Philosophie.^ 

Nachdem im Jahr 1700 Professor David 
Wyss gestorl>en war, wurden die Katheder (mit 
Ausnahme des griechisdien) wieder neu be- 
setzt, so dass im Anfang des 18. Jahrtiunderts 
folgende Dozenten für die Theologiestudieren- 
den wirkten: 

als Theologus primarius J. R. Rodolf f (ge- 
wählt den 15. November 1700); 

als zweiter Theologus S. Leemann (ge- 
wählt den 18. November) ; 

als Professor hebraicus der frühere Helfer 
Samuel Haller* (gew. den 21. November); 

als Professor graecus E. Malacrida (seit 

1686); 

als Professor philosophiae Friedrich Be- 
noit (gew. den 14. Juni 1701 als ganz junger 
Candidatus). 

Das Leben der Studenten In und ausser 

dem Kloster. 

Bevor wir zur Sdiiklerung der Entwickhmg 
der Obern Schule im neuen Jahrhundert schrei- 
ten, haben wir noch verschiedener Massnah- 
men des im Jahr 1693 neu gewählten Schul- 
rates zu gedenken, denn derselbe war bestrebt, 
auch das innere Leben der Anstalt zu heben, 
die bestehenden Schäden auszubessern und der 
studierenden Jugend, wo es nötig war, ein bes- 




<i( 



Die theologische Lehranstalt in der Zelt von 1676^1770. 



» 



seres Ijos zu bereiten. In dieser Beziehung hal- 
ten wir sein Einschreiten gegen 

die Paedagogeyen auf dem Lande 

für weitaus das wichtigste. Es war nämlich 
schon längere Zeit die Unsitte eingerissen^ dass 
nicht bloss ältere Studenten, wie das überall 
mi In- und Ausland Brauch war, als Hauslehrer 
aufs Land gingen, um die Kinder der dort le- 
benden Beamten und anderer Vornehmen zu 
unterrichten, sondern auch Studiosi philoso- 
phiae, ja nun sogar Studiosi eloquentiae, also 
unreife Bürschchen, die kaum auf die Obere 
Sdiule promoviert worden waren und eben erst 
ihren Comenius zu Ende memoriert hatten, 
eine Unsitte, die auf die Ansiditen der betref- 
fenden Eltern fiber die Erziehung der Jugend 
ein bedenkliches Licht wirft Infolgedessen ver- 
einsamten die Auditorien und wenn sich audi 
die Bemer in jener Zeit rühmen konnten, dass 
sie mehr Studenten hätten, als die übrigen theo- 
logischen Lehranstalten der Schweiz, so kam 
es mitunter vor, dass die Professoren fast 
leeren Bänken zu predigen hatten. Diejenigen, 
die auf dem Lande «oonditionierten», hatten 
sich jeweikn zu den Examina zu stellen, wenn 
sie mit ihrer Promotion weiter rücken wollten ; 
waren es ältere tüchtige Studenten, die schon 
mehrere Jahre in der tiieologischen Abteilung 
zugebracht hatten, so hatte man auch Oewähr, 
dass sie sich in richtiger Weise weiter bildeten 
und weiter zu bilden wussten und die Schule 
lief ihrer Absenz wegen keine Gefahr, aber 
schlimm war es natürlich in jeder Beziehung, 
wenn unreife und noch dazu untüchtige Leute 
dem Kloster entliefen, um nun neben dem 
Unterricht, den sie zu erteilen hatten, auf eigene 
Faust zu studieren und doch durch die Examina 
zu schlüpfen. Mit Freuden wird man es deshalb 
in allen Kreisen, die ein Interesse am Gedei- 
hen der Schule und der Kirche hatten, begrüsst 
haben, als der Schulrat im Jahr 1695 beschloss, 
dass von jetzt an nur noch Studiosi theologiae, 
die bereits schon zwei Jahre ad tfieologiam 



promoviert worden, als Hauslehrer in Kon- 
dition gehen dürften und dies auch nur, wenn 
sie wegen ihrer Tüchtigkeit die Eriaubnis dazu 
eiiiielten, ansonst sie aus der Zahl der Stu- 
denten ausgestrichen würden.^ 

Der gehoffte Erfolg dieses Beschlusses blieb 
aus. Schon im Jahr 1697 gab der Schulrat in 
einem Zettel an die Professoren zu, dass er 
mit dem Gesetz, welches die Pädagogeyen auf 
dem Lande hemmen sollte, nicht zu schlag 
gekommen sei, und ermahnte dieselben, an die 
«äussern Paedagogos» in den Examina schär- 
fer als an die andern Studenten anzusetzen, 
um zu erforschen, ob dero Absenz von den 
Lektionen Veränderung in ihrem Fleiss und 
ihren Studien bewirice oder nicht' 

Die Schwierigkeit bestand eben darin, dass 
diejenigen Studenten, die ohne Erlaubnis ihrer 
Voigesetzten eine Kondition angenommen hat- 
ten, durch eben die hochgestellten Personen, 
von denen sie zur Instruktion ihrer Kinder an- 
gestellt worden waren, beim Sdiulrat die so- 
genannte Nachwert>ung tun Hessen, d. h. nadi- 
träglich um den Uriaub einkamen, in der ridi- 
tigen Berechnung, dass dann kein Abschlag er- 
fo^en werde. Der Schuh-at hatte es wohl einige 
male versucht, den Urlaub auch in diesem Falle 
zu versagen, aber es war dann jedesmal eine 
drohende Missstimmung und böse Erbitterung 
in den massgebenden Kreisen entstanden und 
man legte die Massnahmen des Schulrates so 
aus, als ob er überhaupt «die Institution ehr- 
licher Burgerskinder auf dem Land zu hemmen 
suche ». ' 

Um nicht weiter der Spielball solcher Intri- 
guen zu sein, versuchte es der Schulrat darauf 
im Jahr 1699, seine Beschlüsse vom Jahr 1695 
durch den Täglichen Rat corroborieren zu las- 
sen; er machte denselben namentlich auf die 
Gefahren aufmerksam, die der ganzen Kütdie 
und dem orthodoxen Glauben aus dem Un- 
fug der Pädagogeyen, wie er sich entwickelt 
hatte, erwachsen müssen, und hoffte, dass zu 
der Zeit, da die Regierung mit äusserster Strenge 





ül 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676-^t770. 




gegen die eingedrungenen Irrlehren vorging, 
seine warnende Stimme nicht ungehört ver- 
halle. Mit welchem Ernst und welchem Frei- 
mut er der Behörde den Krebsschaden, den 
er ausschneiden wollte, aufdeckte, wolle der 
Leser aus folgender Stelle des Memorials an 
den Täglichen Rat ersehen : ^ 

« Alsdann von Zeit zu Zeit verspührt worden, 
wie sehr schädlich und nachteilig die Condi- 
tionen uffem Land je und allwegen für die 
Studierende Jugend usgefallen, indem gemein- 
lich neben denen besten ingeniis nun und dann 
sich auch deren gefunden, so nit nur jung, un- 
erfahren, ungelehrt, sondern gar bisweilen hin- 
demicks Ihrer Praeceptoren dergleichen Päda- 
gogien uffem Land angenommen, vermitlest 
weicheren Sie selbst hernach nit nur zu ver- 
neren Studien unnütz, sonderen an den Kin- 
deren jeniger Eiteren, welche solche Ihnen zu 
genugsammen Praeceptoren vermeint erwehlt 
zu haben, bisweilen gar zu deceptoren worden 
sind, wie zu exemplieren were. Da dan durch 
die erfahrung sich erwiesen, das durch solche 
frühzeitige beseitsetzung der Studien, der Dis- 
dplin, der Frequentation der Letzgen und an- 
derer Exerdtien, so Ihnen sonst obligen, solche 
Knaben nit nur in Vergess dessen, so Sie er- 
lehmt, in ein Dissolut leben, item in allerhand 
Sensualitäten, sonder gar bisweilen uss mangel 
genugsammer Conduite durch lesung nach ei- 
genem Hirn erwählender Authoren in Irrig und 
der Ortiiodoxey zuwiderlauffende Meinungen 
verfallen — Mehrerer Solcher traurigen frücht 
solchen nachhängenden Ubertinismi von früh- 
zeitig annemmenden pedagogien herrüerend 
zu geschwdgen — so erhält audi vemers 
durch die tägliche erfahrung, das zu merk- 
licher Pflanzung Solchen übelss und das zu 
entblössung und Schwächung der Auditorien 
nit wenig hilft, das anfangen neben den Herren 
Ambfleuten auch die wohl bepfründte Pfarr- 
herren, hievoriger Pratic zuwider, eigene Pae- 
dagogos anzunemmen sich nicht scheuwen, bey 
weldien [sie], obwohl Sie zwar sich nit in so 



vil Eitelkeit und Weltgesinnetiheit vertiefen, 
dennoch an Lehr und Leben in so weit abnem- 
men, das Sie endtlidi gar den Studien valedi- 
dren, oder aber und wo Sie uss mangel an- 
derer Commodität, um Ihr Leben durdizubrin- 
gen durch Recomendation Soldierer, denen Sie 
durch Institutionen Ihrer Kinder und mandi- 
mahl dabey durch vil andere Schnöde Dienst 
ufgewartet, zum geistlichen Stand gelassen wer- 
den müessen, nachwehrts meistentheils zu an- 
stössigen Kirchendienern, und also bisweilen 
zu gar schlechten Vorbilderen der Herd uss- 
fallen, welches dan änderst nit dan denen, so 
es angeht, zu hödister betrüebnuss, wo nit gar 
zur deprecation tiber die. So Sie in der Jugend 
besser Invigiliren sollen, gereichen kan etc. 
welches dan eben das Jenige ist, so Mehwhh. 
die Schulräht bewogen, dieses als ein gewfis- 
senssadi, als die die Ehr Qottes und die Er- 
Erbauwung der Kkdien in bester Form an- 
sieht, alsobald anzusehen...» 

Dieses düstere Bild vermochte noch nicht, 
den Täglichen Rat zu einem energischen Be- 
schluss in Sachen zu führen; mit Zettel vom 
18. Dezember 1699 teilte er dem Sdiulrat mit,^ 
dass er die ihm vorgetragene Ordnung, wie 
die Bedienung der Pädagogien auf dem Lande 
eingeschränkt werden solle, weder bestätigt 
noch verworfen habe, es vielmehr den Schul- 
räten überlasse, durch die richtigen Mittel sich 
der Aeufnung der Schule also anzunehmen, 
dass auch die Burgeridnder zu Stadt und zu 
Land die ihnen nötige Unterweisung erlangen 
könnten, woran dem Stand auch ein namhaftes 
gelegen sd. Die Bestätigung erfolgte erst den 
9. Januar 1702;^ in derselben finden wir noch 
folgende neue Bestimmung, die von der Jung- 
mannschaft im Kloster freudig begrfisst worden 
sein wird: 

« Habend Ihr Gnaden auch ussbedinget, das 
die Jenigen Studiosi, so nach obiger Ordnung 
Paedagogien bedienen, sidi ordinarie nit zu 
Komhaus- oder anderen Haus Geschafften ge- 
brauchen lassen sollen.»^ 





«l 



Die iMOtogischc Lehranstalt in der Zeit von 1676^1770. 



» 



Als anno 1720 Ober die allzu vielen Kondi- 
tionen auf dem Land wieder geklagt wurde, 
restituierte der Schulrat in ihrem ganzen Vigor 
die Bestimmung, dass keiner konditionieren 
dürfe, wenn er nicht bereits schon zwei Jahre 
m der Theologie studiert habe.^ 

Während die 20 Studenten im Kloster in 10 
Stüblinen wohnten, wie unsere Leser wissen, 
hatten die 16 auf der Schul, die Pädagogia- 
n e r , immer noch ihre vier Studierzimmerchen, 
wo sie zu je vieren eingepfercht waren. Die 
neue Zusammensetzung des Schulrates liess die 
Pädagogianer hoffen, dass auch für sie eine 
bessere Zeit angebrochen sei; sie setzten 1695 
eine Bittschrift an denselben auf und baten fle- 
hentlich um weitlauftigere und vorteilhaftere 
Losamente imd besseres Tractament DerSdiul- 
rat schenkte ihnen gnädiges Gehör und zeigte 
sich bereit, alles zu tun, was in seiner Kompe- 
tenz lag, um die Lage der Studenten auf der 
Schul zu verbessern, aber sein guter Wille 
scheiterte an den konservativen Ansichten des 
Rates, der schliesslich mit seinem Machtwort 
die ganze Angelegenheit niederschlug und ver- 
ordnete, es habe auf der Schul beim Alten zu 
bleiben. Die daherigen Diskussionen im Sdiul- 
rat, der in seiner Mehrheit der Ansicht war, 
man solle das Alumnat auf der Schul aufheben 
und zu Nutz und Frommen der Schule und der 
Stadt die Studenten in Familien unterbringen, 
sind auch für die Gegenwart noch von hohem 
Interesse, insofern wir daraus ersehen, wie 
schon vor 200 Jahren für und wider den Nutzen 
der Alumnate dieselben Gründe ins Feld ge- 
führt wurden, wie heutzutage. Diejenigen Mit- 
glieder des Schulrats, welche das Alumnat auf 
der Schule beibehalten wissen wollten — und 
sie werden ohne Zweifel auf der geistlichen 
Bank gesessen haben — machten für ihre An- 
sicht folgende Gründe geltend:^ 

«1. Dass die beide Collegia, da Alumni er- 
halten werden, dem stand eine ehre seyen. 



2. Dass die Studk>8i auf den CoUegiis besser 
disdplinirt und zu allerley exercttijs pietatis ge- 
halten werden, alss wan sie absonderlich woh- 
nen soHen. 

3. Dass ehe hierin etwas geschlossen oder 
geenderet wurde, Thun, 2tofingen, und Bnigg 
zu red gestossen werden müssen. 

4. Dass die einten Zeiten wohlfeiler, die an- 
deren theuer seyen, und hiemit die Stipendia 
allezeit geendert werden müssen. 

5. Dass die Studiosi auff der schull nirgend 
kumlicher alss auff der sdiull wegen der nähe 
des Auditorij logiert werden könten. 

6. Dass änderst dass schöne grosse gebaü 
der schull veigebens wäre. 

7. Dass man nicht leiditiich neuerung an* 
sehen solle; nun seye keine grosse nohtwen- 
digkeit, diese novitet einzuführen und die stu- 
diosos ab der schull zu thun. 

8. Dass so die Studiosi auff der schull blei- 
ben, in der statt herumb weniger tumult zu 
befürchten seye.» 

Diejenigen Schulräte, die der andern Mei- 
nung waren, dass nämlich die Studiosi die 
Schul quittieren sollten, aber, wenn sie sich 
auch in der Stadt aufhielten, das Aequivalent 
ihres genossenen Benefidj geniessen könnten, 
wandten nachfolgende Gründe ein: 

« 1. Dass wo so viel Studiosi ungleidien al- 
ters unter und miteinander sint^ in ihrem stu- 
dieren heftig verhinderet und ihre Sitten leicht- 
lich verderbet werden. 

2. Dass desswegen die Herren Professores 
über keine Studiosos mehr alss über die auff 
der schull theils wegen ihres unfleisses in ihren 
studijs und audi wegen ihres unmässigen le- 
ben und wandeis zu klagen haben. 

3. Dass Einem Praeposito bisshar vhe auch 
in vorigen Zeiten unmöglich gewesen, alle dise 
ungleiche studiosos im Zaum zu halten, und 
hiemit sei in den studüs und moribus zu be- 
förderen. 

4. Dass die Tractament auff der Schull also 




^ 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 167^\7}0. 



J> 



bestellt sinty dass die stadiosi sich damit nit 
vemfigen, sonder zu ihrer nahning noch jahr- 
tidi viel gelt verzehren, und unterschiedlich 
desswegen sich mit tieffen sdiulden verknüpfen. 

5. Dass umb angeregter ursach willen wi^ 
audi wegen Enge dess losaments sehr viel son- 
derlich von Bürgeren, diss beneficium versäu- 
men, ja vemichtigen und ein gespött darauss 
madien. 

6. Dass so den studiosis frey stehen solte, 
sidi äussert der schult aufzuhalten und in einen 
weg dass benefidum zu geniessen, die Burger 
leiditlidier praeceptores für ihre Kinder finden 
wurden. 

7. Dass diejenige nohtdürftige Studenten, die 
etwan bey ihren Eiteren, oder aber in Condi- 
tionen in der statt sich auffhielten, ihr benefi- 
dum fürspahren und zu einicher Bibliothek 
verwenden könten. 

8. Dass auff dise Weis ein Praepositus auff 
der Schull desto mehr logament hette und den 
Landvogts- oder Burgerskindem, sei an tisch 
zu nehmen, und sei flyssig zu unterweisen 
auffwarten könte.» 

Den Gründen, welche ihre Gegner beibrach- 
ten, hielten sie folgendes entgegen: 

cl. Dass die Studenten besser bei guten 
bürgern und wo sei nicht so hafiffig beisamen 
sint, disdpliniert und moralisiert werden kön- 
nen alss auff der sdiull. 

2. Dass auff dise Weis den dreyen statten 
Thun etc. nichts abgeht, weil in einen weg, 
wie in anderen, 12. von den ihren werden er- 
halten werden. 

3. Dass die Exercttia Condonatoria und 
Analytica in einen Weg auff der sdiull ge- 
halten werden können. 

4. Dass kein grösserer Tumult werde nur 
von 16. Studenten zu befürchten sein. 

5. Dass auch den nohtdurftigen nichts ab- 
gehen wir^ weil die es ve rm ö ge n , den IMuss- 
Bafen und wess dazu kommen soll, nicht an- 
ndimen und jährlich desswegen in der Mus- 



bafen Musterung eme C e n s u r aussstehen wer- 
den wollen.» 

Der Tägliche Rat, vor den die Angelegenheit 
gebracht wurde, entschied sich für die Beibe- 
haltung des Alumnates (13. August 16Q5), trug 
aber dem Bauherren auf, den Augenschein 
einzunehmen, wie den Studenten mehr Platz 
zu verschaffen sei, und seine Befindnuss dem 
Schulrat vorzutragen, und diesem zu über- 
legen, ob vielleicht nicht so zu helfen sei, dass 
zu Verbesserung des Tisches die Zahl der in 
der Stadt Verbui^erten vermindert oder den- 
selben anheimgestellt werde, das Benefidum 
auf der Schul oder ausserhalb derselben zu ge- 
messen. 

Ein Jahr verging, bis der Schulrat die ihm 
vorgelegte Frage erdauert hatte; sdiliesslich 
gab er seiner Oberbehörde ein doppeltes Pro- 
jekt ein; nach dem einen sollten nur 10 Stu- 
diosi auf der Schul bleiben und die übrigen 
6 das doppelte Benefidum ollae gemessen, nach 
dem andern aber sollten, wie bis anhin, 16 
Studierende auf der Schul sein, aber ihnen 
noch vier Stüblin gebaut werden und Meine 
Gnädigen Herren noch etwas mehr an Wein, 
die drei Städte Thun, Zofingen und Brugg we- 
gen Verbesserung des Tradaments jegliche 
jährlich um 15 Kronen Zins sich verschreiben.^ 
Dem Täglichen Rat gefiel weder der eine, noch 
der andere Vorschlag ; er beschloss den 3. Mai 
1697, beim alten Herkommen ohne einige Aen- 
derung es bewenden zu lassen. 

Eine abermalige Supplikation der Pädago- 
gianer in demselben Jahr 1697 um cMuhipli- 
kation ihrer Musaea»' hatte nicht mehr Er- 
folg, trotzdem der Schulrat der jungen Leute 
sich wieder mit allem Eifer annahm. 

Wir schliessen gleidi hier noch die Gesetze 
an, welche die Pädagogianer in ihrem Haus zu 
beobachten hatten. Dieselben stammen aller- 
dings aus dem Jahr 1707, doch dürfen wir an- 
nehmen, dass sie ihrer Hauptsache nach schon 
viel früher aufgestellt worden waren. 





#1 



Dit üitfologische Lehiansüüt in der Zdi von 1676—1770. 



cLeges 

betr^end die Collegianos Collegij Minoris 

ab amplissimo Magistratu 

renoviert anno 1707.^ 

1. Ein Jeglicher, der inss CoUegium befur- 

deret wirdt, soll einem Herrn Praeposito treuw, 

gehorsamme und Undergebenheit durch ein 

handgelübt versprechen. 

Z Welcher den zu gewüssen stunden ange- 
stellten Morgen- und Abendgebätt und dem 
verordneten lesen eines Capitels aus der H. 
Bibel nit beiwohnt, soll zahlen zur straff ein 
fierer. 

3. Ein Jeglicher, der da die letzgen im Au- 
ditorio Theologico, item die Predigen, nit im 
ordinari Habit besucht, soll gestrafft werden 
durch entzückung Brodts und Weins, so mann 
carieren namset 

4. Keinem soll erlaubt seyn nachts ohne Vor- 
wussen des Herrn Praepositi aus dem CoUegio 
zu gehen, viel weniger draussen ohne Special 
Begrtessung dessen fiber nadit zu bleiben, 
widrigen fahls ein solcher von dem Hh. Prae- 
posito vor der Censur verleidet werden soll 

5. Er soll viel weniger zur beschwerdt Me- 
niglichens und Ergemuss sonderlich der Nach- 
barschafft mit Klopfen nach beschlossener por- 
ten kommen, sonst nach Befinden gestrafft 
werden. 

6. Ein Jeg^cher soll auch sowohl innert als 
äussert dem Haus sich ehrlich betragen, den 
Obern mit gebfihr begegnen, widrigenfahls 
dem H. Praeposito verleidet werden. 

7. Ein Jeder, so das Haus verunreinigen 
wuid, wie es immer seye, dem soll nit nur ob- 
ligen den Unraht selbst abzuschaffen, sonder 
anbey zwei batzen zur straff zu erlegen. 

8. Welcher da seinem Hh. Praeposito eine 
offene (s. v.) Lugen vorbringen dörfft, dem soll 
zwar mit der gefangenschafft verschonet, aber 
dennoch beschaffenen Dingen nach eine nam- 
haffte geldbuss aufgelegt werden. 

9. Ein Jeder so da vor dem handwäschen 




51 



und gesprochenem gebätt zum tisch gehet, hie- 



mit vor oder nach dem tisch einer UngebQhr 
oder Unzucht fiberwisen werden kann, ein sol- 
cher soli* nadi dem gewicht seines Verbrechens 
gebüsset und angelegt werden. 

10. Die gemeine Ordinari Hausarbeit soll 
von den drei understen verrichtet werden, wel- 
cher aber, obschon mit erlaubnuss eines H. 
Praepositi, abwesend, der soll einen Vicarium 
bestellen, widrigen fahls vom Senat nach Bil- 
ligkeit gestrafft werden, wo aber sein Officium 
gar versäumt oder saumsälig verrichtet wirdt, 
soll er beschaffenen Dingen nach 1, 2 oder 
mehrmalen von der Tafel ausgeschlossen seyn. 

11. Zu mehrerer Observanz aller dieser Ord- 
nungen so soll im Collegio der ordinari Senat 
wöchentlich 3 mahl versamlet werden, in dem- 
selben die Officia je und allwegen bestellt und 
monatlich abgeändert, die gemeine und das 
Hauswesen ansehende Sachen in diesem Senat 
abgehandlet werden, darinn dan auch wider- 
umb alles gebührlich beschehen, voraus die 
brüderliche Correction statt haben, und die 
straffen dann so eingeriditet werden sollen, 
dass es zu verantworten seye. 

12. Femer und über das soll in diesem Se- 
nat nichts decretiert werden, so da wider die 
Hoche Obrigkeit, wider die Vorgesetzten, und 
insbesonder wider den H. Praepositum des 
CoUegü lüffe. 

13. In träffen Sachen sollen sie auch einen 
Hh. Praepositum berichten. 

14. Desselben gleichen, wo eines Senats 
urtheil einem zu schwer vorfiele, mag er auch 
für den H. Praepositum appellieren. 

15. Im übrigen sollen sie nit wider, sonder 
nach den gesatzen urtheilen, kein ansehen der 
persohn haben, widrigen fahls und wo es sich 
änderst befunden, die schuldigen von zwei Se- 
naten zur straff ausgeschlossen bleiben. 

16. Wer aber einem guten Urtheil zu under- 
werffen sich weigern wolte, soll ein solcher 
auch vom Senat ausgeschlossen seyn, so lang 
er einem gsatzmässigen urtheil nit statt thut 




€ 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



^ 



17. Wer ferners die.I>ecrete des Senats aus- 
breitet und entdeckt, soll auch beschaffenen 

m 

Dingen nach abgestrafft werden. 

18. Wer auch den Senat gar nit oder zu spat, 
nachdem einem Consul bereits das Scepter 
fiberreicht worden, besucht, soll ein fierer 
zahlen. 

19. Es kan auch kein Consul ohne beson- 
dere Concession eines Herrn Praepositi den 
Senat suspendieren bei straff zwei batzen. 

20. Es soll über das alle Monat ein Consul 
abgeanderet werden, welcher dan einem H. 
Praeposito globen soll diese gesatz genauw 
zu observieren. Item die Censores und Quaes- 
tores zu ihrer pflicht zu vermögen, und wo sie 
die underlassen, verleiden. 

21. Ein Quaestor soll monatlich aller straff- 
gelteren halb getreuwe rechnung ablegen und 
auszahlen, widrigen fahls darum straff leiden 
und vom Senat ausgeschlossen seyn. 

22. Belangend die Censores, so sollen sie 
insgemein obiger gesatzen übertretter fleissig 
verzeichnen Und dem Quaestori übeigeben, oder 
an der unfleissigen statt die gebühren erlegen, 
die Absenzen aufzeichnen ; soll er zu dem end 
allen Exerdtien beiwohnen, sich zu dem end 
bei Zeiten einfinden, oder seine stell fleissig 
durch einen andern versehen lassen, widrigen 
fahls straff erlegen nach beschaffenen Dingen. 

23. Ein Aedilis, dem die sorg des Hauses 
ob ligt, soll auf das gantze gebaüw ein fleissig 
und wachsames aug haben, und was er um 
und dann mangelbahr befindt, bei zeiten einem 
Herrn Praeposito hinderbringen; wan unfleiss 
und ungehorsamm verspüret wirdt, der Herr 
Praepositus auf ihn vigilieren soll, und soll 
dann seinen Befelch exequieren, zu erhaltung 
Hauses und Hausgeräths, widrigen fahls die 
auferlegte straff ausstehen. 

24. Wan in abwesenheit des Censoris mi- 
noris man das buffet aufbrechen muss, soll er 
neben ersetzung des Schadens 2 kreuzer straff 
zahlen und wan er zu späht kommt, 1 krz. 




25. Des Apparitoris pflidit soll seyn das Re- 
fectorium, item die Auditoria sauber und rein- 
lich zu behalten bei straff 1 batzen. 

26. Sie sollen die drei ordinari Senat zu ge- 
wohnten stunden halten, und sollen darinn im 
Mantel erscheinen, Latein reden und sonst kein 
andere sprach. 



Im übrigen lasst man es bei den übrigen 
gesatzen verbleiben, betreffend ihre Reglement 
und Ordnungen, so sie under einander haben, 
versteht sich von denen, so in dem Haus woh- 
nen, und die auch schon Hoch Qbrigkeitlidi 
bestätiget sind.» 



In derselt>en Zeit, da die Behörde die Wün- 
sche der Pädagogianer abwies, wurde der stu- 
dierenden Jugend in anderer Weise grosse 
Freude zu teil. Man forschte im Schulrat über 
die Ursachen nach, warum so viele Standes- 
personen ihre Söhne den Studien entzogen, 
manche andere, wenn sie ad publicas lectiones 
promoviert worden waren, dem Kloster bald 
wieder den Rücken kehrten und die übrigen, 
so noch zu «pariren» schienen, ausser den Lek- 
tionen und Predigten, nicht im Ordinari-Habit 
getroffen wurden, also mehr aus Zwang, als 
aus freiem, gutem Willen sich den Gesetzen 
fügten. Da fand man denn, was man auch 
schon früher sidi hatte sagen müssen, dass gar 
nichts anderes daran schuld sei, als der Zwang 
des Baselhutes und des Kragens, die sich doch 
einzig für diejenigen schickten, die einst die 
Kanzel betreten müssten. Daher der Besdiluss, 
dass «die Studiosi samtlich biss an die CoUe- 
giani im Kloster in schwartzer Meldung, ge- 
meinen und breiten hüeten ohne litz, kleinen 
rabätlinnen, langen mäntien, kurtzen hären, 
lang aber nit modischen Ermlen und unbe- 
manchetet und in Summa in einer dergleichen 
feinen, ordenlichen, Ehrbahren, anstandigen 
kleidung sich einstellen mögind.»^ 



115 



€ 



Die tiieologisclie Lehranttelt in der Zdi von 1676— 177a 



^ 



Zufrieden wird es namentlich der « Herr im 
Kloster» gewesen sein, dass im Frühjahr 1695 
die Nachtpredigten abgeschafft winden.^ 
Sie waren bisher des Abends von 7 — 8 im Klo- 
ster gehalten worden zur grossen « Unkwnlich- 
keit» des Praepositus und aller der Familien 
in der Stadt, bei welchen die Exteri wohnten^ 
und des Winters trieben die Herren Studiosi 
hinter ihren Lichtem «allerlei Unwesen», so 
dass |)ei diesen geistlichen Uebungen gar wenig 
herauskam. Von nun an fanden sie je am Dien- 
stag und Samstag wahrend der Morgenpredigt 
und am Donnerstag nach derselben statt Da- 
mit aber der Lettner in der grossen Kirche 
während der Moiigenpredigt nicht leer stehen 
würde, wurde bestimmt, dass die Eloquenzer, 
also die Schüler des Herrn Bundeli, an diesen 
Tagen die Moigenpredigt zu besudien hatten 
und dass sie überhaupt von den Predigtübun- 
gen im Kloster dispensiert werden sollten. 

Zu diesen wurden ausser den Studiosis phi- 
k)copliiae und theok)giae namentlich auch die 
von den fremden Hochschulen zurückgekehrten 
Academtd verbunden, die sich zu vornehm 
dfinkten, um die geisdichen Uebungen noch 
mitzumachen und «in aller Libertat in der Stadt 
herumgiengen », obwohl sie auf äussern Aka- 
demien noch kaum ein exerdtium oondonato- 
rium gehalten hatten ; die Erfahrung hatte aber 
gelehrt, dass verschiedene unter ihnen, nach- 
dem sie Ministri geworden und die potesta- 
iem condonandi erlanget, die Kanzel gar 
schlecht versorgten oder sonsten mit grosser 
Schwierigkdt predigten. Es wurde jetzt auch 
noch angeordnet, dass sie aufs längste drei 
Monate nach ihier Heimkehr eine öffenfliche 
Disputatfon halten sollten und dass vorher 
keinem von ihnen die Handauflegung ertdlt 
werden dürfte. 

Im Homung 1696 gab dann der Schulrat zur 
wdtem Regelung der Stipendienangelegenhdt 
und um zu verhindern, dass untauglidie Sub- 
jeda auf äussere Universitäten gesdiickt wür- 
den, dort ihre Zeit mehr zu Eitelkdten, als 



zum Studieren anwendeten, Sdudden maditen 
und nicht nur ungelehrter, aondem an Sitten 
und Qemüt verkehrler heimkehrtea, eine neue 
Ordnung für die zu erteilenden Stipendia aca- 
demica heraus. Nach dersdben idUe man die 
künftigen Academid in zwei Klassen, in Qrdi- 
nari-Ingenia und Extraordinari-Ingenia ; unter 
den letztem verstand man diejenigen «die einen 
bekanntlich berühmten habitum pietatis und 
diligentiae habend und in einem schnellen 
Strohm eines solchen habitus sind und von 
denen augensdieinlich zu hoffen, dass sie mit 
der zeit mit lob das Katheder und Kantzel be- 
tretten werden könnind», unter den erstem 
jene zahlreichem, aber mehr mittelmassig be- 
gabten Talente, von denen freilidi «wegen er- 
zeigenden gaben und fleisses in Idrdien und 
sdiulen gute dienst zu hoffen» sind. In erster 
Linie sollten nun die Stipendien denen Extra- 
ordinari-Ingeniis dienen und nur diese ad ex- 
teras academias versdiidct werden und zwar 
für drd Jahre; den IMittelfosen gedadite man 
auf ihr Verlangen zwei Stipendia zusammen- 
zulegen und ihnen abo jährlich 160 Taler aiis- 
zuriditen — die 48 Taler, die man vorhin aus 
dem Sdiuiseckd zu allen vier Stipendien hin- 
zugelegt hatte, wurden jetzt wiederam dem 
Sdnilseckel zuerkannt «zu anderm, auch höchst 
nöhtigem Behtiff der Schul»' — in der Erwä- 
gung, dass ein Student auf fremden Sdmlea 
mit weniger Geld sein Leben nicht fristen 
könnte. Immerhin wollte man, dass ein sol- 
dies Ingenium extraordinarium vom Sdiubat 
selber emamset, erkannt, berufen und eilcieset 
würde und dass niemand sidi selber als ein 
solches angeben dürfte! war man dodi auch 
überzeugt, dass «man dergidchen Subjeda nit 
alzeit hat wegen ihrer Raritet». Die Ordinari- 
ingenia, für die also die akademischen Sti- 
pendia erst in zweiter Linie bestimmt waren, 
soUten dieselben nur auf zwei Jahre tmd im 
Lande seU)er gd>rauchen, entweder zu Lau« 
sänne oder Genf, damit sie in dorten neben 
Fortsetzung ihrer Studien die französische Spra- 




Ift 



Die flieologisdie Lehnwstalt in der Zeit von 1676—17701 



^ 



die erieraten, iiem zu Basel oder zu Zflridi, 
nach eines jeden Belieben, damit ein solcher 
Stq>endiat cmit so benadibahrt gdehrien Man- 
neren aokher ohrt in kundsamme und be- 
kandlsdiafft komme, so zu allen zelten audi 
seinen outzea haben kan». 



Sdiliesslidi bestimmte die in Rede stehende 
Ordnung, dass einem jeden Academicus, der 
eine Zeit lang in den drei obersten Klassen der 
Untern Sdiule als Vicarius oder Provisor unter- 
riditet habe, das Redit zukomme, zu Profes- 
suren in Bern und Lausanne nominiert zu 
werden und dafQr zu disputieren, und dass er 
bd gleidien Leistungen mit andern Nominier- 
ten in erster Linie beim Wahlvorsdilag an den 
Rat zu berfldcsiditigen sd.^ 

Im Juni (den 26.) 1700 besdiloss die R^e- 
rungy «zu Pflanzung beider Spradien kundiger 
Studenten» ein 

Losannisches Stipendium 

zu erriditen. Zwei Studiosen sollten von jetzt 
an beständig in Lausanne studieren, um der- 
einst als Prediger in beiden Spradien fun- 
gieren zu können; der eine sollte eines der 
vier obrigkeitlidien Reisestipendien erhalten, 
der andere aus der Staatskasse unterstützt wer- 
den.* 

Nadi dem Beridit des Sduilrates an den 
Tag^idien Rat^ studierte bis zum Jahre 1740 
immer nur ein Theologe in Lausanne, so 
dass die vier akademisdien Reisestipendia nie 
zu diesem Zwedc in Ansprudi genommen wer- 
den mussten; dabd blieb es audi in Zukunft 

In der iMitte des 18. Jahrhunderts betrug das 
Losamiisdie Stipendium 100 Kronen und wurde 
je für vier Jahre aushingegeben. Der Stipendiat 
nniaste skfa zwd Jahre zu Lausanne aufhalten 
und sidi der französisdien Spradie also be- 
fleiBsen, dass er im stände war, nadi seiner 
Ruddouift in derselben Kranken und Malefi- 
kanten Trost zu geben und in der weisdien 
IGrdie zu predigen.^ 



MaMnahmen 
wider die Verwilderung der studierenden 

Jugend 
Im 18. Jahrhundert» 

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts häuften sidi 
die Klagen über die Verwilderung der studie- 
renden Jugend und deren rohe Sitten und Oe- 
bräudie ; eine Reihe von Jahren hindurdi bildet 
dieses Thema den gewöhnlidien Gegenstand 
der Besprediungen in den Sitzungen des Sdiul- 
rats. Aus den in dessen Manualen verzeidine- 
ten Censuren und den daselbst niedeigekgten 
Untersudiungen sdiwererer DisziplinarfäUe 
geht in der Tat hervor, dass die Lebweise man- 
dier Studenten hödist anstössig war, wobd 
diejenigen keine Ausnahme maditen, die sidi 
ad sandum ministerium voii>ereiteten und in 
Bälde Diener Oottes sein sollten. 

Nadi mandien Beratungen, wie dem um 
sidi grdf enden Uebel abzuhelfen sd, stellte der 
Sdmlrat sowohl für die Studenten insgemein, 
wie für die Koll^[ianten insbesondere eine 
neue verschärfte Disziplinarord- 
nung auf, worin die Hauptsadie dessen, was 
in den frühem Sdiuk>rdnungen zerstreut ge- 
standen hatte und was seither erlassen worden 
war, kun zusammengefasst und am riditigen 
Ort eingereiht und eine grosse Zahl neuer ri- 
goroser Bestimmungen dem Alien hinzugefügt 
wurde. Charakteristisdi für diese neue Dis- 
ziplinarordnung, die wir hier in extenso fol- 
gen lassen,^ ist es, dass für eine Reihe von 
Vetgehungen die GeMstrafe wieder dngeführt 
wurde. Der Täglidie Rat sanktionierte den 
3. Januar 1707 die ihm vofgekgte Ordnung und 
nadKlem sie vom Rektor ins Lateinisdie über- 
tragen worden war, wurde sie bd Gelegen- 
heit der Frühlingsoensur der Studentensdiaft 
voigelesen und ihr iMeiner Gnädigen Herren 
WiOen über die Observierang derselben mit 
Nadidnidc eröffnet^ 



« 



Die ttieologisdie Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



» 



«Ordnung der Studenten halb insge- 
mein und der Collegianten insbeson- 

ders. 

Leges Qenerales betreffend alle Studiosos 

insgemein. 

Es sollen alle und jede, so in die Zahl der 
Studenten auf- und angenommen weiden wol- 
len, dem Catalogo einverleibet und angehal- 
ten werden, dem Herrn Praeposito Collegij 
anzugeloben, dass Sie wollen Oott und ihren 
Oberen TreQ und gehorsam leisten, auch allen 
fohlenden Oesätzen unterworffen seyn. 

1. Alle und jede aus den Studiosis, so ad 
Catfaedram Ecdesiasticam aspiriren, und denen 
ihre promotion ad Ministerium angelegen, Sie 
tragen gleich den Baselhut oder nicht,^ sollen 
demnach im Catalogo angezeichnet bleiben, 
abgelesen und observirt werden; hiemit soll 
ein soldier die Pflicht eines Studiosi prästi- 
ren, audiendo, respondendo, opponendo und 
niemand davon eximirt seyn, als die, so zwey 
Jahr lang sich auf äusseren Schulen aufgehal- 
ten, und von dar mit guten Testimoniis ver- 
sdien, zurück kommen, hiermit die Exemtion 
von einem Schul Raht erhalten haben. 

2. Alle und jede Studiosi sollen zu taglich 
und fleissiger Besuchung der offenflichen Pre- 
digen und Oebetten von Zeit zu Zeit sdiarf ex- 
hortirt werden ; die aber, so an Sonn- und Don- 
stagen abwesend sind, fleissig von darzu be- 
stellten Censoren mulctirt werden. 

3. Ein jeder Studiosus soll sidi eines mo- 
desten und ehrbaren schwarzen habits bedie- 
nen, auch der wüsten langen Haaren sich ent- 
schlagen, die darwieder fehlende von den Cen- 
soribus verzeichnet und der Censur eingegeben 
werden; im fibrigen soll Er sidi der Kleider- 
refiormation gemäs conformiren, sowohl in an- 
sehen der Form, als der Materie. 

4. Ein jeglicher, so seine Vices, es seye im 
predigen, Respondiren und opponiren, über- 
geht, soll 2 bz. quaestur bezahlen, dennoch 



hemadi funktioniren und dieselbe zu anderer 
Zeit verrichten. 

5. Alle Absenzen von den Lektionen, item 
der Predigen und dero Correctionen im Kloster 
sollen mit 2 x., die Serovenienzen id)er, so 
da nach VerfUessung einer Viertelstund an- 
langen, mit 1 x. bezahlt werden. 

6. Welche aus den Studiosis aus dem Col- 
legio und sonsten aus Muhtwillen etwas ver- 
derben, brechen, item, welcher dem anderen 
an dem seinen, es seye an Kleideren oder 
Büdieren und was deigleichen, etwas verlieren 
oder zu Grund richten wurde, soll den Schaden 
ersetzen und nach beschaffenen Dingen ab- 
gestrafft werden. 

7. Welcher ob einer Lfigen S. V. erwitsdit 
wird, soll 2 bz. mulct bezahlen. 

8. Alle und jede aus den Studiosis sollen 
alle halb Jahr einem je wesenden Herrn Rec- 
tori ihre hospitia schriftlich eingeben und de- 
nuntieren; Alles zu dem End, damit man sie 
von Zeit zu Zeit, nach gutfinden und belieben, 
Visitiren und wissen möge, was Sie für Bücher 
in ihren Musds haben und lesen. 

9. Alle und jede aus den Studiosis, denen 
von sonderen pressirlidien Oeschäfften wegen 
obgelegen, sich für eine Zeit lang zu absen- 
tiren, die sollen, und zwar vor der Absenz, 
die Ursachen ihren Herren Praeceptoren sdirift- 
lidi vortragen und erwarten, wie lang Sie je- 
dem sein Urlaub fixiren wollen. Wiedrigen 
fahls, wo einer zu Unterschreibung des Ze- 
dels nach der Absenz sidi anmelden thäte, soll 
derselbe nicht angenommen, sondern angehal- 
ten werden die Absenz zu bezahlen ; Belangend 
die Kranknen, sollen Sie je und allwegen sich 
durch andere, bey Lesung des Catalogi, anmd- 
den und entschuldigen lassen. 

10. Alle und jede, so da in dem Lebwesen 
ärgerlich, und namentlich alle die, so sich ge- 
gen ihre Obere und Voigesezte halsstarrig, stör- 
risch, mürrisch, köppisch, wiederspanstig er- 
zeigen in Worten, Werken und Oeberden : Alle 
Schlager, alle Haderer, Zanker und Balger, alle 




« 



Die theologisdie Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



» 



unzflchtige in Worten und Oebehrden : alle 
Prasser, Fresser, Saiiffer und die sich mit Wein 
fibememmen : Alle Flucher, Spieler, Seh wehrer: 
item leichtfertige Kilter, Frevler, Tänzer, oder 
die zum Tanzen aufspielen, alle nachfliche Va- 
ganten, Oassetierer, und was dergleiche üppige 
und muhtwillige Qesellen mehr, die da sonst 
nächtlicher Weil auf den Qassen herumsturmen 
und Unglück anheben; alle die, so offt und 
viel in Weinhäüseren sich einfinden, Schlupf- 
winkel besuchen : alle Besdieisser, Trieger, Die- 
ben: item die, so sich in Schulden stecken: 
alle Veräditer, Verträger, Ohrenbläser, Ver- 
leumder, und mit einem Wort alle ander der- 
gleichen ärgerliche und lasterhafte Persohnen, 
sollen, beschaffenen Dingen nach, entweder für 
Censur oder den Oberen Schul Raht bescheiden, 
und allda abgestrafft werden; Es seye durch 
Eincaroerirung, Qeldstraff en oder gänzliche Ver- 
stossung und Privation ; darbey bleibt dennoch 
jedem der Recurs vor OberSchulRaht vorbe- 
halten. 

11. Und weilen es anständig und einem Stu- 
dioso, sonderlich der ad Cathedram Ecdesiasti- 
cam aspirirt, erforderlich, dass Er bey Zeiten 
die Welt lerne verleugnen, und hiemit sich der 
Eingezogenheit und eines tugendsamen Lebens 
befleisse, des viel Rönnens und Lauffens aber 
meistentheils hin und her auf den Gassen und 
zwar in einem indecenten habit und ohne 
Mantel, hiemit in politisdier Tracht mit Gra- 
vaten und Stecken, dessen alles eine ganz wie- 
drige Anzeigung sind, nemlich dass Sie sich 
meistens durch den Wel^eist zimlich regieren 
lassen [sich entiialte] ; Als ist gesetzt, dass füro- 
hin Sie sich des vielen rönnens und lauffens 
zu ganzen Truppen, wie bekantlich geschieht, 
nicht nur müssigen, sondern auch im publico 
gar anders mehr nicht erscheinen, als in den 
Mäntlen, alles bey Straff 2 x. fürs erste, fürs 
andere mahl 1. bz., fürs dritte mahl 2 bz., was 
dann darüber, sollen die Delinquenten für die 
Censur dtirt und, beschaffenen Dingen nach, 
mit Ihnen als ungehorsamen procedirt wer- 




den; zu dem End gewisse Censoren zu be- 
stellen, so auf aller und jeder Handel und 
Wandel achtung'jgeben, die hierwieder fehlende 
verzeiduien und seines Orts eingeben sollen. 

12. In allen Exerdtien im CoUegio, als Pre- 
digen, Disputationen, Lectionen und derglei- 
chen, soll das so viele klopfen und hinaus- 
forderen eines Studiosi durch den andern ver- 
botten und abgestellt seyn ; — zu dem End der 
Censor bey der Thür sitzen, und allwegen ver- 
nemmen soll, wer der appellant seye, dem 
appellaten solches auch nicht notifidren, es 
seye dann ein casus necessitatis vorhanden; 
Wiedrigen fahls solcher muhtwilliger Ausfor- 
derer und Aushinläüffer eine Absenz oder die 
Straff eines Immodesti bezahlen solL 

13. Es möchte aber der einte oder andere 
durch allzu grosse Inobedienz und Inobservanz 
obiger Gesezen sich in soweit vergreiffen, dass 
von demselben, obwohl Er etliche Mahl von 
der Censur oorrigirt und zur Besserung ange- 
halten worden, gar keine Hoffnung mehr übrig 
wäre, alsdann ein solcher unverzüglich vor dem 
SchuIRaht verieidet, und damit femers Uebel 
verhütet werde, anderen zum Exempel alsobald 
entweders durch privation oder mit anderen 
Straffen ai^[esehen werden soll, nach gestalt- 
same der Sadi. 

L^es Spedales betreffend die Collegianos 

insbesonders. 

1. Ein jeglicher der ins CoUegium befür- 
deret wird, verspricht einem Herrn Praeposito 
Treu, Gehorsam und Unteigebenheit, durch ein 
Handgelübdt 

Z Welcher den zu gewissen Stunden ange- 
steQten Morgen- und Abendgebätt und dem 
verordneten Lesen eines Capitels aus der Hei- 
ligen Bibel nicht beywohnt, zaUt zur Straff 
einen fierer. 

3. Ein jeglicher der da die Le^^en im audi- 
torio theotogico, item die Predigen nicht im 
ordinari habit besucht, wird gestrafft durch 



« 



Die flieologiscbe Lehranstalt in der Zeit von 1676^1770. 



^ 



Eirtzficknng Brot und Weins, so sie cariren 
namsen. 

4. Keinem soll erlaubt seyn Nadits, ohne 
Vorwissen des Herrn Praepositi, aus dem Col- 
l^io zu gehen, viel weniger, ohne dessen Spe- 
cial Begriissen, draussen fibemacht zu bleiben, 
wiedrigen fahis ein solcher von dem Herrn 
Praeposito vor der Censur verleidet werden 
soll; Er soll vielweniger zur Beschwärd man« 
niglichens und Aergemus sonderlich der Nadi- 
barschaft mit klopfen nadi beschlossener Por- 
ten kommen, sonst soll Er nach befinden ge- 
strafft werden; ein jeglicher soll auch sowohl 
imiert als äussert dem Haus sich ehiüdi be- 
tragen, den Oberen mit gebühr begegnen, wie- 
drigenfahb dem Herrn Praeposito verleidet 
werden. 

5. Ein jeder, so das Haus verunreinigen 
wurde, wie es immer seye, dem soll nicht nur 
obliegen, den Unraht selbst abzuschaffen, son- 
dern anbei 2 bz. Straff zu erlegen. 

6. Welcher da seinem Praeposito eine offene 
S. V. Lügen vorbringen dörfft, dem soll zwar 
mit der Oefangensdiaft verschonet, aber den- 
nodi, beschaffener Dingen nach, eine nahm- 
hafte Oekibuss auferlegt werden. 

7. Ein jeder, so da vor dem HandwSschen 
und gesprochenen Oebätt zum Tisch stürme^ 
hiemit vor oder nach dem Tisch einer Unge- 
bühr geziegen werden kan, ein solcher soll 
nach dem Gewicht seines Verbrechens gebüsst 
und angelegt werden. 

8. Die gemeine ordinari Hausarbeit soll von 
den Sechs untersten verriditet werden, wel- 
dier aber, obschon mit Erlaubnuss eines Hr. 
Praepositi, abwesend wäre, der soll einen Vi- 
carium bestellen, widrigenfahls vom Senat nach 
Billichkeit gestrafft werden ; Wo aber sein Offi- 
cium gar versäumt oder saumseelig verrichtet 
wird, soll Er beschaffenen Dingen nach 1. 2. 
oder mehrmahlen von der Tafel ausgeschlossen 
seyn. 

9. Zu mehrerer Observanz aller dieser Ord- 
nungen, soll im CoUegio der ordinari-Senat 



wöchentlich 3 mahl versamlet werden, in denn 
selben die offida je und aOwegen bestellt und 
monadkh abgeenderet, die gemeine und das 
Haus ansehende Sadien in diesem Senat ab* 
gehandlet werden, voraus die Brüderllcfaen oor- 
rectfonen statt haben, und die Straffen dann so 
eingeriditet werden sollen, dass es zu verant- 
worten; femer und über das soO in diesem 
Senat nichts decretirt werden, so da wieder die 
Hohe Oberkeit, wieder die Vorgesetzten, und 
insbesonders wieder den Herrn Praeposihira 
des Collegii Iflffe. In träfen Sachen aber 
sollen Sie auch einem Herrn Praepositum be- 
richten, dessetbengleichen, wo eines Senats Ur« 
theil einem zu schwer vorfiel, ms^ er auch für 
den Herrn Praepositum provodren. Im fibri- 
gen sollen ^ nidit wieder, sondern nadi den 
Gesetzen Urtheilen, kein ansehen der Persohn 
haben, wiedrigenfahls und, wo es sich anders 
befunde, die schuldige zur Straf von zwey Se- 
naten ausgesdibssen bldben ; wer aber einem 
guten Urtheil zu unterwerffen sidi weigeren 
wurde, soll em solcher auch vom Senat ausge- 
schlossen seyn, so lang er seinem gesatzmässi- 
gen Urtheil nicht statt thut — Wer femers die 
Decreta des Senats ausbreitet und entdeck^ 
soU auch beschaffenen Dingen nach abgestrafft 
werden ; femers wer auch den Senat gar nidit 
oder zu spat, nachdem dnem Consul das Scep- 
ter bereits überreicht worden, besucht, sdl 
einen fierer zahlen; auch kein Consul, ohne 
besondere concessk>n eines Heim Praepositi, 
kan den Senat suspendiren, bey Straf 2 bz. 
Es soll über das alle 3 Monat ein Consul abge- 
ändert werden, welcher dann emem Herrn 
Praeposito geloben soll, diese Gesatz genau 
zu observiren, item die Censores und quaesto- 
res zu ihrer Pflicfat zu vermögen, und, wo sie die 
unterlassen, gebührender massen verleiden. 

10. Ein Quaestor soll alle Monat aller Straf- 
Gelteren halb getreue Rechnung atrfegen, und 
auszahlen, wiedrigenfahls darum Straf leiden, 
und vom Senat ausgeschlossen seyn. 

11. Belangend die Censores so sollen sie 





tut iheologisdie Lehranstalt in der 2eit von 1676— l'/YÖ. 





in^emein die Uebertretter obiger Oesätzen 
fletssig verzeichnen und dem Quaestori fiber- 
geben, oder an der unfleissigen Statt die Oe- 
bähr erlegen. Die Absenzen aufzuzeichnen soll 
Er zu dem End allen Exerdtien beywohnen» 
sich zu dem End beyzeiten einfinden, oder seine 
Stell fleissig durch einen anderen versehen 
lassen, wiedrigenfahls Straf erlegen, nadi be- 
schaffenen Dingen. 

12. Ein Aedilis, dem die Sorg des Hauses 
obBeget, soll auf das ganze Oebäfi ein fleissig 
und achtsammes Äug haben, und, was Er nun 
und dann mangelbahr befindt, beyzeiten einem 
Herrn Praeposito hinteibringen ; wann Unfleiss 
und Ungehorsam verspfihrt wird, der Herr Prae- 
positus auf Ihn vigiliren soll, und soll dann 
seinen Befehl exequiren, zu Erhaltung des 
Hauses und Haus Oerähts; im wiedrigen fahl 
die auferlegende Straf ausstehen. 

13. Wann in abwesenheit des Censoris mi- 
noris man das Buffert aufbrechen mus, soll Er, 
neben Ersetzung des Schadens, 2 x. Straf zah- 
len, und, wann er zu spat komt, 1. x. 

14. Des Apparitoris Pflicht soll seyn, das 
Refectorium, item die Auditoria sauber und 
reinlich zu halten, bey Straf eines Bazens. 

15. Sie sollen die drey ordinari Senat zu ge- 
wohnten Stunden halten, und sollen darin im 
Mantel erscheinen, latein reden und sonst keine 
andere Sprach. 

Im übrigen lasst man es bey den übrigen 
Oesätzen verbleiben, betreffend Ihre Reglement 
und Ordnungen, so Sie unter einander haben, 
versteht sich von denen, so in den Häüseren 
wohnen, und die auch schon Oberkeitlich be- 
stätiget sind. 

Actum den 3. Januarij 1707.» 



mitgeteilte Disziplinarordnung gestattet 
uns einen tiefen Blick in die Moral der da- 
maligen Studenten und zeigt uns mit lebhaf- 
ten Farben, welch üppiges und mutwilliges, 
halsstarriges und widerhaariges Volk in den 



der Wissenschaft geweihten Räumen des lCk>< 
sters sich tummelte, und dieses ausgelassene 
Volk glaubte der Kleine Rat durch so klein- 
liche und pedantische Massregeln und Kreuzer- 
und Batzenstrafen und das verwerfliche Dela- 
torensystem, dessen Immoralität der Schukat 
immer noch nicht einsah, an Zucht und Ord- 
nung gewöhnen und hinter den beengenden 
Schranken des Gesetzes zurückhalten zu kön- 
nen! Da half natürlich auch der bedauerliche 
Beschluss nichts, den er schon im Mai 1701 
gefasst hatte, entgegen der ausdrücklichen Be- 
stimmung der Schulordnung von 1616, es sollte 
vom Zutritt zu den Schulen niemand ausge- 
schlossen sein, dass nämlich in Zukunft 
von der Untern und Obern Schule die 
Habitanten- und Bauernsöhne aus- 
geschlossen sein sollten. 

Der betreffende Ratszettel an den Schulrat 
heisst: «Bey diesem Anlass habend Meghh. die 
erinnerung empfangen, dass allhiesige Habi- 
tanten Ihre Kind auch in die Schul und zu den 
Studien ziehen thüind, welches aber Meghh. 
alss eine nachtheilig und unzulässliche Sach 
angesehen, darzu in der Zeit gethan werden 

solle worüber Megh. Euch hiemit ansinnen 

wollen, diesen Dingen bey Zeiten den faden 
abzuschneiden und die Jenigen, so dergleichen 
Vorhaben hetten, dessen weisen abzestehen.» 

Der Schulrat beschloss darauf, die Ausfüh- 
rung dieser Weisung in folgender Weise durch 
den Rektor vornehmen zu lassen : ^ 

«1. Das ins Könfftig von den Herren Pro- 
visoren keinem in diese Kategorie gehörenden 
Schuler einiges Attestat pro benefido oUae er- 
theilt werde, anerwogen diess einig den Buis^em 
und fleissigen Landtskindem gehöre. — 2. Das 
obwohl den Bauren Söhnen und anderen von 
der Religion wegen zu uns Refugirten nach 
Oestaltsamme der Sach der Progress in den 
Studien nit gehemmet werden könne, so seye 
dennoch derenthalb ein Delectus Ingeniorum 
also zemachen, das keiner ad Lectiones publi- 
cas, viel weniger ad ministerium zu lassen, von 




^ 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676-*1770. 



demme nit etwas Sonders zu hoffen, darüber 
aber sidi Mhwh. allwegen bei den Promotionen 
in Sptdt zu erkennen woUind reservirt haben. 
— 3. Das allwegen denen Jenigen Eiteren SoU 
eher Kinder, die in die erste Categori, das ist 
landsfrembder Habitanten gehören, beim Ein- 
tritt in die Schul gesagt Mhwh. Intention von 
dem Herrn Principal mit nachtruck dahin zu 
eröffnen, damit Sie bey Zeiten sich derselben 
zu conförmiren und nachzuleben wüssind, mit 
freundlichen gesinnen an den Herrn, die Sachen 
so wohl zu veranstalten das Mrghh. Intention 
hierin erreicht, und ins Könfftig dieser Instruc- 
tion genau nachgelebt werden mög. » 

Im Jahr 1716 mussten sich die Herren des 
Schuh-ates wiederum gestehen, dass die Stu- 
diosi in eine soldi grosse Licenz und Unge- 
bundenheit geraten seien, dass nunmehr alle 
gute Disziplin bei ihnen versdiwinden und 
gänzlich zu Grunde gehen wolle. Dem Uebel 
hofften sie nun durch eine verschärfte Quä- 
stur-Ordnung abhelfen zu können.^ Nach 
derselben durfte der Studiosus monatlich Ne- 
glecta bis zur Summe von fünf Batzen sich zu 
Schulden kommen lassen, ohne einer weitem 
Strafe gewärtig zu sein ; wer solchen Numerum 
in einem Monat überschritt, wurde das erste- 
und zweitemal scharf censuriert, bei nicht er- 
folgter Besserung aber jedesmal «um einen» 
removiert 

Nach den Monatsrödeki der Censoren und 
Quästoren (welche Aemter nach wie vor von 
Alumnen auf Kloster und Schul versehen wur- 
den), in denen die Neglecta in der Kirdien und 
die in den Exercitiis im Kloster absonderlich 
gesetzt und wohl distinguiert werden mussten, 
war jeden Monat Computation ; innert Monats- 
frist nach derselben musste der Student alle 
seine Strafen bezahlt haben, widrigenfalls er 
bei der Censur eingegeben und removiert 
wurde. 

Die Censoren hatten nach jedem Exerdtium 
publicum, wenn sie nach Haus kamen, alle 



^ 



Neglecta in ihren Monatsrodel einzuschreiben 
und dieselben monatlidi in die Censur einzu- 
geben. Wer glaubte, dass «ihm in dem no- 
tieren überschehen wäre», konnte allerdings 
beim Praepositus und dem Senat rekurrieren. 

Zweimal jährlich in der letzten Censur vor 
dem Examen hatten die beiden Praepositi über 
die eingegangenen Gelder vor dem Untern 
Schulrat Rechnung abzulegen; dieselben wur- 
den zu «Beholzung» der beiden Häuser, zur 
Ansdiaffung der Kerzen in den Auditorien und 
zur Besoldung der Quästoren und Censoren in 
jeglichem CoUegio verwendet; das, was noch 
übrig blieb, sollte von den Praepositi zur Auf- 
riditung einer Studenten-Bibliothek oder zu 
einem andern Zweck verwendet werden. 

Das Amt der Klostercensoren war, wie man 
aus diesem Quästurreglement wieder ersehen 
kann, kein beneidenswertes: von ihren Kame- 
raden wurden sie natürlich gehasst, wenn sie 
ihrer Pflicht nachkamen ; taten sie dies aber 
nicht, so hatten sie's mit ihren Voigesetzten 
zu tun. So kamen denn beide Parteien, die 
Censoren und die Studenten, zur Erleichterung 
ihrer Lage, auf den Ausweg der sogenannten 
Mulktenverpachtüng, eines gegenseiti- 
gen Versicherungspaktes, nach welchem die 
Studenten den Censoren jährlich eine gewisse 
Summe entrichteten, wogegen sidi diese ver- 
pflichteten, die Neglecta der Einzelnen nicht 
aufzuzeichnen und den Obern anzugeben. Das 
war die natürliche Folge des Polizeisystems, 
das unter den Studenten eingerichtet worden 
war. Wir wissen freilich nicht, wann die Mulk- 
tenverpachtüng aufkam und welcher erfinderi- 
sche Kopf die erste Anleitung dazu gab, da 
aber in dem Erlass des Schulrates vom 21. Sep- 
tember 1764,^ in welchem derselbe den Unfug 
mit Androhung «kräftigerer Vorkehren» ver- 
bot, gesagt ist, dass dieses Verbot schon zu 
wiederholten Malen ausgesprodien worden sei, 
dürfen wir wohl annehmen, dass die Mulkten- 
verpachtüng die Frucht des Quästurreglements 
vom Jahr 1716 gewesen sei. 




122 



r—^ 



^ 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



» 



In dieser selben Zeit machte auch das allzu 
frühe Heiraten der Studenten dem Schulrat viel 
zu schaffen ; es war gar nichts Ungewöhnliches 
mehr, dass sogar Studiosi philosophiae in die 
Ehe traten, resp. treten mussten. Auf Grund 
der Schulordnung von 1676 konnte man dem 
eingerissenen Uebel nicht wirksam genug steu- 
ern, aber im Schoss des Schubates gingen die 
IMeinungen iiber Abänderung des betreffenden 
Artikels weit auseinander, wie wir seinem Me- 
morial an den Täglichen Rat vom 20. Januar 
1716 1 entnehmen. 

Die einen wollten einen « verständigen » Un- 
terschied gemacht wissen zwischen denjenigen, 
die vor der Zeit des Ministerii eine ehrliche 
Heirat in dem Herren zu treffen gesinnt sind 
und denjenigen, so furtivos amores treiben 
und zur Ehe gezwungen werden, also zur Aer- 
gemis der Kirchen im Fleisch heiraten. Nur 
diese wollten sie als scandala ecdesiae Verstös- 
sen und darüber noch dem Obern Chorgericht 
zu fernerer Bestrafung überweisen, nachdem 
sie vorher in öffenflicher Censur vor der ge- 
samten Studentenschaft eine scharfe Remon- 
stranz erhalten hätten ; gegen die andern aber 
wollten sie Gnade walten lassen und ihnen die 
Ehe erlauben, wenn sie beim Schulrat um die 
Erlaubnis eingekommen wären, falls ihre Ver- 
mögensumstände es erlaubten und sie sich vor- 
her eines guten Leumunds erfreut hätten. 

Andere wollten keinem der Schuldigen ge- 
genüber von Schonung etwas wissen, das Uebel 
mit Stumpf und Stil ausrotten und jeden, der 
sich vor empfangener Handauflegung in die 
Ehe begäbe, aus dem Catalogo der Studenten 
expungieren und des geistlichen Charakters 
gänzlich berauben. 

Ein mildes Herz zeigten dritte, die es bei 
den Bestimmungen der alten Schulordnung be- 
wendet sein lassen wollten, mit der einzigen 
Hinzufügung, dass die fehlbaren Studiosi philo- 
sophiae Verstössen werden möditen, während 
nach vierter Meinung diese Entehrung allen 




zukommen sollte, die nicht sdion vier Jahre 
lang im Auditorio theologico gestanden. 

Eine vermittelnde Stellung nahmen endlidi 
diejenigen ein, welche zwar auch zwischen ehr- 
lichen und unehrlichen Heiraten unterschei- 
den, denjenigen aber, welche auf skandalöse 
Weise zur Hochzeit schreiten, noch ein Ona- 
dentürlein offen lassen wollten. 

Auf dieses Memorial mit seinen verschiede- 
nen Meinungen konnte natürlich der Rat nicht 
eintreten und ersuchte den Schulrat den 13. Sep- 
tember 1717, ihm einen Spezialartikel über das 
Heiraten der Studenten in Abänderung der 
betreffenden Bestimmungen der Schulordnung 
von 1676 vorzulegend Dieser schritt zu einer 
nochmaligen Beratung der dringenden Ange- 
legenheit — eben hatten wieder vier Studenten, 
darunter einer «in skandalöser Weise», sich 
verheiratet — und nun einigten sich alle seine 
Mitglieder, offenbar unter dem Eindruck der 
jüngsten Fälle, auf die schärfsten Massregeln. 
Die Vorschläge wurden vom Rat unverändert 
angenommen und mit Zettel vom 1. Februar 
1718 dem Schulrat zur Ausführung übeigeben.^ 
Derselbe lautet: 

«Nachdem Ihr Gnaden eine geraume Zeit 
daher wahmemmen müssen, wie die Licenz 
etwelcher Studiosorum, w^en ihren frühzei- 
tigen und auch anstössigen Heürahten, zunem- 
me; Haben dieselben zur Ehr Gottes, Ver- 
hindrun^ aller Aergemuss in seiner Kirchen, 
und For^flanzui^ guten Lebwesens unter den 
Studiosis, welche dermahlen einst unsträfliche 
Exempel der Herde Christi seyn sollen, nach- 
folgendes einsehen zu tfaun sich unumgäng- 
lich bemüssiget gesehen : 
Als 

1. Wann ein Studiosus, Er seye gleidi Exa- 
minat oder nicht, zur Ehe schreiten wurde auf 
eine ärgerlidie und dem heiligen Ministerio zur 
Unehr gereichende weise, da die Schwanger- 
schafft der Ehe Versprechung oder derselben 
Einsegnung voigehen wurde, ein solcher ohne 
Hoffnung fernerer Gnade, aus der Zahl der 



123 



# 



Die theologische Lehransialt in der Zeit von 1676—1770. 



^ 



Studiosorum Verstössen seyn und bleiben 
solle. 

2. Sollen diejenigen Studiosi, so unterm 24. 
Jahr ihres Alters zur Ehe schreiten wurden, als 
untüchtig zu Verführung einer Haushaltung 
und Auferziehung der Kinder ipso facto Verstös- 
sen und ad aliud vitae genus verwiesen seyn. 

3. Bleibt Ihnen in obverdeütetem Alter zu- 
gelassen in eine ehrliche Ehe zu tretten, dafem 
Sie sich bevorderst bey Euch Mnhwhh. um Er- 
laubnuss angeben um nach besdiaffenen Din- 
gen und der sachen Umständen, als guter oder 
minderer Gaben, Fleisses und vorhero geführ- 
ten Lebwesens als auch Vermögens halb Re- 
flectiren zu können ; Unter dem Oeding jedodi 
um eine Promotion ad Ministerium removirt 
zu werden. 

4. Da aber ein solcher, so in die Ehe zu 
tretten Vorhabens wäre, saumselig seyn und 
unterlassen wurde Euch Mnhwh. nadizutretten, 
als soll derselbe alsdann, wegen Verachtung 
seiner Herren Maecenaten um zwei Promotio- 
nen ad Ministerium removirt seyn. 

5. Und da einer sothane Permission sich 
zu verheürahten von Euch Mnhwh. erhalten 
hätte, hemadi aber die Schwangerschafft un- 
ehrlich ausbrechen thäte, ein solcher, wann er 
schon Examinat wäre, expungirt und Verstös- 
sen sein soU.» 

Noch in derselben Woche wurden in ausser- 
ordentlicher Censur, zu der alle Studenten per 
programma invitiert wurden, das neue Heirat- 
Reglement verlesen und die Studiosi anbei 
kräftiglichst vermahnt, dass Ihr Gnaden emst- 
meinenden Willens, dass sie ihr Lebwesen än- 
derten. 

Aber auch nach dem Jahr 1718 heirateten 
die Studenten wieder mit und unter dem vier- 
undzwanzigsten Lebensjahr und diejenigen, die 
dem strengen Gesetz zum Opfer gefallen wären 
und ihrer Liebe wegen ad aliud vitae genus 
hätten gewiesen werden sollen, wurden jedes- 
mal auf ihre Bitten hin von dem Täglichen Rat 
selber begnadigt, so dass die frühzeitigen und 



anstössigen «Heuräfli» hiesiger Studiosorum 
eher zu- als abnahmen. Deshalb sah sich der 
Schulrat schon im Jahr 1724 wieder genötigt, 
in Sachen mit einem Schreiben an den Rat zu 
gelangen^ und denselben anzufragen, ob die 
Ordnung von 1718 als zu hart nicht einiger- 
massen temperiert werden solle, oder ob sie, 
wie verschiedene seiner Mitglieder meinten, in 
ihrem ganzen Vigor beizubehalten sei. Den 
Entscheid bat er dem Grossen Rat vorzulegen, 
damit er zu einem wider alle Exception unum- 
stösslichen Gesetz gemacht werde. 

Räth und Burger beschlossen den 3. Mai 
1724, dass das Reglement von 1718 in keinem 
Punkte zu mildem, vielmehr ohne Schonen und 
Ansehen der Person in Zukunft in aller seiner 
Schärfe zu handhaben 




In diesen Zeiten, da die Ausgelassenheit der 
Studenten dem Schulrat so viel zu tun gab, 
war dieser froh, dass mit dem Beginn des 
neuen Jahrhunderts für die Bestrafung der Sün- 
der im Estrich des Klosters die Studenten- 
kefi gebaut worden war. Schon anno 1695 
war auf sein Ansuchen an den Täglidien Rat 
deren Errichtung grundsätzlidi beschossen 
worden, allein der Bauherr von Wattenwyl 
hatte es nicht eilig, den Bau auszuführen. 1697 
schrieb er diesem, dass die unumgängliche Not 
es erfordere, dass eine Kefi veranstaltet werde, 
weil die Studiosi nicht mehr in derObedienz zu 
behalten seien, und im März und dann wieder 
im November 1699 wiederholte er seine Bitte 
an den hartherzigen Bauherrn mit flehentlichen 
Worten. Nun endlich erstand das Werk als Neu- 
jahrsgesdienk an die studierende Jugend zu 
Beginn des neuen Jahrhunderts. Den 13. Sep- 
tember 1700 nahm es die ersten Insassen auf, 
die Noctambulones und Gassatumgänger Hflr- 
ner, junior und senior, und Schär, die wegen 
begangenen nächtlichen Unwesens jeder zu 
24stündiger Gefangenschaft verurteilt wurden 
und zwar sollte «der Kefi ein weichung durdi 
den Jüngeren Hümer beschechen ».' 






#"* 



i 



GRUNDRISSE DER ALTEN HOCHSCHULE lA JAHRE 1903 



«L 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



» 



Von Zeit zu Zeit musste die Kefi auf Kosten 
der Studenten repariert werden ; den KoUegia- 
nem namentlich machte es Spass, ihre Kraft 
an derselben zu erproben. 1758 wurde sie, 
nachdem sie schon längere Zeit «schwach und 
unhaltbar» gewesen, vom Schulrat für völlig 
verderbt und unbrauchbar erklärt infolge der 
«gewaltsamen Losbrechung des Studiosi Wert- 
mfillers» und nun musste sich die hohe Be- 
hörde aufs neue an den Bauherrn wenden mit 
der Bitte, das Werk wiederum aufeuffihren. 

Mit der Abführung der Delinquenten in das- 
selbe war einer der 20 Theologanten im Klo- 
ster betraut ; man brauchte eben diese zu allen 
möglichen Diensten : sie waren die Büttel und 
die Spitzel eines hohen Obern Schulrates und 
mussten sogar nach dessen Weisung vom 
16. Mai 1726^ auf die Kleidung und Tracht 
ihrer Kommilitonen invigilieren und wurden 
damals vor versammeltem Schuhat verpflichtet, 
diejenigen zur gebührenden Bestrafung ihm 
anzuzeigen, welche « zu Jedermanns missfahlen 
und eigemuss allenthalben in gfarbeten Klei- 
deren, steklin, Cadenettes und Haarsekel her- 
umstrichen». Man erwartete eben von ihnen, 
dass sie in allen Stücken den Andern mit gutem 
Exempel vorangehen sollten. Das geschah aber 
gar nicht immer: in den folgenden Dezennien 
musste der Schuhrat zu seinem Schrecken wahr- 
nehmen, dass auch die KoUegianer sidi öfter 
in gefa]i>eten Kleidern sehen liessen, ja sogar 
in den Auditorien in weissen Strümpfen er- 
schienen. Das war denn doch zu stark! Er 
beschloss kurzer Hand, dass künftighin jeder 
Weissstrümpfler alsobald ohne einiges Schonen 
4US dem Kk>ster eliminiert werden solle.' 
• Von diesem und jenem unwürdigen Dienst, 
namentlich audi von der Verpflichtung, die 
Kommilitonen in die Studentenkefi zu führen, 
wurden die Theologanten im Kloster im Jahr 
1732 durch die Errichtung des Pedellats 
befreit^ Dieses wichtige Amt wurde von nun 
an durdi den Rektor mit Zutun des Dekans 
unter Approbation des Schulrats besetzt und 



ein ehrbarer, der Natur nach ansehnlicher welt- 
licher Burger dazu ausersehen, dessen höchste 
Funktion darin bestand, den Präsidenten eines 
Obern Schulrats, den Herrn Dekan und den 
Rektoren bei den Schulratssitzungen, um der 
Akademey einiges Ansehen zu geben, zu Haus 
abzuholen und «binden nach» zu begleiten, 
mit Rabatt und schwarzem Mantel bekleidet 
und mit dem Degen an der Seiten. Ehr- 
furchtsvoll wichen die Studenten zur Seite, 
wenn sie die hohen Herren mit dieser Beglei- 
tung gravitätisch durch die Strasse schreiten 
sahen, und rasch drückte sich, wer nicht nach 
dem Kleidergebot angetan war. Er hatte des 
fernem zu den Schulrats- und Konventssitzun- 
gen zu bieten und in denselben die Rolle des 
Kammerherm zu versehen, wie der Ratshaus- 
ammann im Rathaus bei den Ratssitamgen. 

In seiner ehrwürdigen Amtstracht hatte er 
desgleichen bei den Solennitäten, Disputatio- 
nen und allen akademischen Akten in der 
Nähe der Vorsitzenden gegenwärtig zu sein. 
Er bezog eine Besoldung von 30 Kronen in bar, 
daneben kamen ihm eine ganze Reihe von 
Sportein zu : 1 Pfd. von den zur Theologie und 
2 von den zum heiligen Ministerium Promo- 
vierten; von jedem, der publice disputierte, 
eine Dupk>ne und wenigstens 1 Pfd. von je- 
dem, der auf die Schul oder ins Kloster oder 
auf einen Schuldienst promoviert wurde, oder 
ein Stipendium academicum erhielt Jeder also, 
der im Ku-chen- und Schuldienst vorrückte, 
musste dem « Unvermeidlichen » sein Opfer 
bringen. Femer erhielt er von einem jeden, 
den er vor den Obern oder Untern Schulrat 
oder vor den Rectorem zu dtieren hatte, so- 
fern derselbe ak fehlbar erfunden wurde, einen 
Batzen und für eine schriftliche Notifikation 
denen Studiosis auf dem Land sogar deren 
zehn, und fünf von jedem, den er in den Car- 
cerem academicum zu geleiten hatte, dieselbe 
Summe bei der «Auslassung» aus der Studen- 
tenkefi. Am liebsten werden dem Pedellen 
ihien Obolus — 1 Pfd. — die Glücklichen ent- 




n^ 



Die ifaeologisdie Lehnuistalt In der Zeit von 1676^1770. 



^ 



richtet haben, die ad lecttones ptiblicas promo- 
viert worden waren, die grünen Eloquenzer! 



Bei dieser Oelegenheit mögen die Bestim* 
mongen fOr die Promotio ad lectiones publicas, 
die heutige Maturitätsprüfung, wie sie zu An- 
fang des 18. Jahrhunderte (1708) vom Schulrat 
festgesetzt wurden, hier mitgeteilt werden.^ 

Nachdem durch ein mündliches Examen, 
welches im Uebersetzen aus beliebigen autori- 
bus classids, dem psalterio hebraeo und testa- 
mento novo bestand, festgesetzt worden war, 
wer zur Promotion zugelassen werden sollte, 
schritt man zu dem wichtigen, ausschlaggeben- 
den Akt der Anfertigung des Thema explo- 
ratorium, über wekhe uns das Dekret vom 
Jahr 1708 folgendes besagt: 

«wan also die Promotion Erkent, SoU vol- 
gends in der Zeit, da dass Thema Dictirt wer- 
den soll, der Schulraht sich versammlen, ad 
aperturam emes uss der Bibliothec nemmenden 
Budis die materi dess Thematis erwehlen und 
Stante pede abschreiben lassen, volgendts be- 
schaffnen Dingen nadi der Fehler Zahl fixi- 
ren — d, h. der Fehler, die pecdert werden 
durften — dabey es hernach auch sein Ver- 
bleibnuss haben und davon ohne besondere 
Noht nit geschritten werden [soll.] 

Diess also ussgeschribene Thema soll volg- 
lieh alsobald vom Herrn Rectore den knaben 
m die feder dictirt, nach der Dictatur der 
tefitsche uffsatz dessen an ein offenes ohrt ge- 
than, die Custodi von Mnhwh. verrichtet, und 
durdi Sie in allweg verhüetet werden, das kein 
Qefehrd underlauffe, zu dem end Sollend die 
Latinischen Blättli, deren So das Thema oom- 
ponirt, willkührlich numerosirt, darnach über 
diese Numeri ein Clavis, dabey eines Jedessen 
namen, so dass Blättli geschriben, expedirt 
werden, um zu wüssen, welchen Namen Jedes 
Numero bedefite und Entlidi wo die Compo- 
sition zum end, und menigUch fertig, Soll Bei- 
des, der Clavis und Blättli zusamen, von Je- 
mand der Versamlung verpitschirt, und so offt 



man von der Corredion hinv^^ geht, wieder- 
um von neuem versiglet und dem Herrn Reo- 
tori übeigeben werden, welchen Clavis all- 
wi^en ein Jewesender Herr Präsident in der 
Stund der promotion und nit Ebender, zur 
Hand nemmen, eröffaien, nach der fixirten 
fdiler Zahl um 2. fehler dass Thema bsatzen, 
die aber, so über die fixierte Zahl uss fehler 
im Thema habend, gäntzlich exdudirt sem.» 

Zu diesem Thema expferatorium soUte keiner 
zugelassen werden, der das 14. Altersjahr nidit 
angetreten hätte; ausgenommen wurden aber 
die «Latiner», d h. die Politid, und diejeni- 
gen, so etwas extraordinari zu prästieren ver- 
möchten. 

Unsem Lesern dürfen wir aus den Manualen 
des Schulrates sdion verraten, dass auch die 
schlechten Latemer unter den Knaben bald ge- 
nug Mittel und Wege fanden, um die Custodi 
zu hintergehen und bei der Promotion die ge- 
setzte Fehlerzahl nicht zu überschreiten, aber 
lange ging es, bis man es öffentlich wagte, 
gegen diese verkehrte Methode, die geistige 
Reife festzustellen, wobei natürlich der Zufall 
die grösste Rolle spielte, aufzutreteil und sie 
zu kritisieren.' 



Nener Schulnt Mutikreglemente. 
Die hungarlachen Studenten und die 

Ausburger. 

J. Bernhard von Muralt hatte bis zum Jahr 
1711 seines Amtes gewaltet; ihm waren in kur- 
zen Zwisdienräumen der Teutsdiseckefaneister 
Bucher und die Venner Leri>er und Tillier ge- 
folgt Unter des letztem Regierung fand im 
Jahr 1722 wieder eine Aenderung in der Zu- 
sammensetzung des Schuhates statt Die Zahl 
der weltlichen Mitglieder wurde um eins ver- 
mehrt, offenbar weil durch die Einführung eines 
zweiten Theologen auf der geistlichen Bank 
mehr Stimmende sassen, ak im abgelaufenen 
Jahrhundert; da aber der Tägliche Rat fand, 




« 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676— 1770L 




dass nun überhaupt der Schulrat zu viele Asses- 
soren habe und es besser sei, deren Zahl zu 
vermindern, beschloss er (den 29. April),^ dass 
die zwei Plätze der Herren Pradikanten, wenn 
sie durch « Absterbung » oder Beförderung ledig 
sein würden, nidit mehr ergänzt werden dürf- 
ten, den Herren Professoren also nur nodi ein 
jewesender Herr Dekan beisitzen sollte, dass 
aber auch zwei Plätze von denen Politids, eines 
alt-Landv<^[ts und eines Nonhabuisten, nach 
«eräugender apertur» ausbleiben und nicht er* 
werden sollten. 



Der Ausschluss der Prädikanten aus dem 
Schulrat dauerte natürlich nicht lange; schon 
1734 wurde der Beschluss von 1722 wieder ab- 
erkannt und angeordnet,^ die beiden Herren 
Prädikanten, sowie ein alter Herr Amtsmann 
und ein Ehrenglied, so noch kein Amt bedient, 
sollten dem Schulrat wieder zugeordnet sein. 
So bestand denn eine Zeit lang der Schulrat 
aus 10 Professoren und Prädikanten und mit 
Ausschluss des Vorsitzenden aus 10 Mitglie- 
dern der Räte, 3 Ratsherren, 4 alt-Landvögten 
und 3 Nonhabuisten, später aber wurden regel- 
recht nur 3 alt-Landvögte gewählt.^ 

Die Schule ging nun in aller Ruhe ihren 
Gang weiter und die Bemühungen des Schul- 
rates waren auf die Erweiterung des Unter- 
richts für den politischen Stand gerichtet; was 
in der Beziehung im Laufe der Dezennien alles 
geschah, haben wir in einem besondem Ab- 
schnitt zusammengestellt, in welchem die Qe- 
schiüite der weltlichen Katheder im einzelnen 
verfolgt wird. Bevor wir der Tätigkeit des 
Schulrates gedenken, die sich auf alle Studie- 
renden bezieht oder auch nur auf die Einrich- 
tung der geistlichen Katheder, soweit sie im 
Vorhergehenden nicht schon berührt worden 
ist, wollen wir noch den Kompetenzstreit er- 
wähnen, der im Jahr 1739 zwischen dem Schul- 
rat und dem Qerichtsschreiber von Bern aus- 
brach. 

In diesem Jahr war ein Studiosus flieologiae 



im Kk>ster, David Sdiieber, vom Täglidien Rat 
auf Antrag des Schulrates aus dem Album der 
Studenten ausgestrichen und ad aliud vitae 
genus gewiesen worden «als der durch seinen 
höchst gefährlichen, turbulenten, unwahrhaften 
und Ehr angreiflichen Caracter und aufführung, 
keines wegs die unentbähriichen Qualitäten 
eines zum Heiligen Ministerio gewidmeten 
Subjedi besitzet».^ Nadi seiner Verstossung 
war er von einigen Studenten geschlagen wor- 
den und nun dtierte diese gegen alle Ueb- 
ung und Tradition der Qerichtsschreiber Thor- 
mann zur Abstraf ung vor sein Forum, wogegen 
der Rektor Altmann sofort einsduitt Qerichts- 
schreiber und Schulrat wandten sich zugleich 
in dieser Angelegenheit an den Täglichen Ra^ 
worauf dieser Herrn Thormann befiM, mit fer- 
nem Citationen vorläufig inne zu halten. Nun 
Hess der Schulrat durch eine Kommission aus 
seiner Mitte ein Qutachten abfassen, in wd- 
diem auf Qrund der alten Sdiulordnung und 
der bisher immer geübten Praxis bewiesen 
wurde, dass ihm allein die Jurisdiction über die 
Studenten zustehe, auch in Streitsachen zwi- 
schen Büi^em und Studenten. Es ging etwas 
lange, bis dieses Qutachten zu stände kam und 
die eii^[esetzte Kommission alle Akten, deren 
sie gebrauchte, studiert hatte. Erst den 4. April 
1740 kam es im Schosse des Schulrates zur Ver- 
lesung und wurde ohne Aenderung gendunigt 
und dem Täglichen Rat eingeschickt, in der Er- 
wartung einer grundsätzlichen Entscheidung. 
Das höchst interessante^ Aktenstück, im Schul- 
ratsmanual eingeschrieben, interessant auch 
wegen der vielen daselbst aufgeführten Straf- 
fälle von Studierenden, die aufs neue bestäti- 
gen, wie roh deren Lebweise in den ersten 
Dezennien des 18. Jahrhunderts war, das auch 
durch seine Sprache von anderen Qutachten 
und Aktenstücken jener Zeit vornehm absticht, 
verrät von vorneherein einen gewiegten Juri- 
sten als seinen eigentlichen Verfasser; da der 
Professor juris Jenner in der betreffenden 
Kommission sass, so gehen wir demnach wohl 




127 



«1 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676— 1T70. 



^ 



nidit irre, wenn wir ihn als denjenigen be- 
zeichnen, dem wir dieses Memorial verdanken. 

Es scheint, dass der Tägliche Rat in dieser 
Sadie gar keine Entscheidung traf, dass mit 
andern Worten auch er der Meinung war, dem 
Schulrat allein komme die Jurisdiction zu in 
allen Vergehungen der Studenten und ^ be- 
dürfe deshalb keines besondem Dekretes. Ab- 
gesehen davon, dass dieser Angelegenheit im 
Schulratsmanual keine Erwähnung mehr ge- 
schieht, auch im Polizeibuch nichts zu finden 
ist, beweist wohl die Richtigkeit dieser An- 
nahme folgendes Faktum.^ 

Im Mai 1742^ wurde der k)se Studiosus Ma- 
tfays «wegen einem überrittet und gelähmten 
Pferd» vom Pferdeausleiher um Entschädnuss 
belangt und vom Grossweibel deshalb vor sein 
Forum dtiert Der Schulrat trug sodann seinem 
Sekretarius auf, den Herrn Grossweibel zu er- 
suchen, er solle infolge der Schulordnung und 
alter Uebung gemäss den Austrag der Sache 
ihm überlassen. 

Wäre in Sachen des Jurisdictionsstreites von 
Seiten des Täglichen Rates ein prinzipieller Be- 
schluss gefasst worden, so hätte es natürlich 
des genannten Auftrages an den Sekretär des 
Schtdrates nicht bedurft und der Schukat hätte 
sich auf einen solchen berufen, resp. darnach 
gehandelt, wie die Citation an den Sonntags- 
reiter erfolgte. 

Der Schulrat liess es sich jederzeit angelegen 
sein, für die Ausbildung der Schüler und Stu- 
denten im Gesang und der Instrumentalmusik 
zu soigen, damit der Gesang und die Musik in 
den Kirchen stets «geäufhet» werde.^ Dem 
ersten ausführlicheren Musikreglement begeg- 
nen wir im Jahr 1663, 11 Jahre bevor der 
Schulrat wieder eingesetzt wurde. Der Kon- 
vent hatte dasselbe im Auftrag des Täglichen 
Rates entworfen, da die Gesang- und Musik- 
übungen nicht mehr ordentlich betrieben wor- 
den waren, und nadi dem Wunsdi des Kon- 
vents war die neue Ordnung durdi den Venner 



Bucher im Beisein aller Studenten publice intro- 
dudert worden, nadidem sie die Räte in allen 
Stüdcen bestätigt hatten. 

Nach derselben wurde dem Cantor, der 
bis dahin die Uebungen allein geleitet hatte, 
wegen der «Viele der Studenten und Schuler- 
knaben» der Zinkenist zugegeben. DieUeb- 
bungsstunden fanden nadi wie vor von 11 — 12 
Uhr am Dienstag und Samstag statt; da soll- 
ten die Studenten fleissig und unverdrossenlich 
sowohl in Psalmen, als in Musikstücken exer- 
ziert werden und zwar in zwei AbteOungen. 
Der Cantor hatte, damit die Studiosi in der 
Forcht und zur Gebühr desto besser angehal- 
ten würden, jedesmal den Catalogum Selbsten 
abzulesen und die Absentes zur Strafe zu zie- 
hen. Die Strafgelder wurden in eine gewisse 
dazu gemachten Büchsen gelegt und aus der- 
selben die fleissigen Schüler belohnt Die « Ur- 
laub» wurden gänzlich abgeschafft und die 
Uebungen nur ausgesetzt, wann über das Blut 
geurteilt wurde* und wann Martis und Loidae 
Märit auf Zienst- und Samstag fielen, ebenso 
eine Woche vor den Examina. 

Ueber die Ordnung war zu einem besondem 
Inspektoren der Rektor gesetzt und geordnet, 
der bei eingerissenen Missbräuchen die Sache 
vor einen Ehrwürdigen Convent und, wenn es 
die Wichtigkeit erforderte, vor die gnädigen 
Herrn und Obern zu bringen hatte. 

Diese Ordnung von 1663^ nahm auch ein 
besonderes Musikkollegium in Aussicht, 
eine Vereinigung von Studenten und musik- 
liebenden Bürgern, welche jeden Donnerstag 
von 4—6 Uhr nadunittags vom Cantor und Zin- 
kenisten in der Musik weitergeführt werden 
sollten und zwar in der « teutschen Lehr ». 
Man hatte freilich, wie man diese Erlaubnis 
gab, das Gefühl, es könnten in diesem Musik- 
kollegium allerlei Unordnungen und schädliche 
Missbräuchejeinreissen und deshalb wurde dem 
Rektor eingeschärft, auf seine Exerdtia und 
Zusammenkünfte fleissig Achtung zu geben. 
Dass dieses Gefühl nicht unberechtigt war, 




Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 




zeigte die Folgezeit So wurde im Jahr 1701 
vom Schulrat eine Untersudiung gefuhrt wegen 
der Oeigerbande des Musikkollegiums» weil 
es sich bis in die späte Nacht hinein in der 
Untern Lehr mit Weibsbildern vergnügt, Tänze 
ausgespielt habe u. s. w. , worauf dann die 
strenge Weisung erging, dass die Kollegiums- 
stunde nie mehr über 6 Uhr ausgedehnt werden 
dürfe, da die Lehr kein Komödienhaus sei.^ 

Als im zweiten Dezennium des 18. Jahrhun- 
derts die Gesangs- und Musikübungen wieder 
nachlässig betrieben wurden, wurde im Jahr 
1721 die eben besprochene Ordnung wieder 
aufgefrischt Neben dem Cantor fungierte jetzt 
ein Praeceptor musices; jener war der Vor- 
singer in Schule und Kirchen, dieser hatte die 
figurierte Vokal- und Instrumentalmusik und 
den Oeneralbass, als das Fundament aller Mu- 
sik, den Studiosis eloquentiae und philosophiae 
beizubringen und zwar Montag und Mittwochen 
von J2-^ Uhr in der Untern Lehr. Femer musste 
er aJQe Samstage um 3 Uhr am gleichen Ort 
ein Kollegium halten, um seine besten Dis- 
cipeln weiter zu bilden. Alle halbe Jahre wurde 
nun ein Musikexamen angestellt, an dem auch 
der Schulrat teilnehmen sollte. 

1726 wurde das Kollegium der Musiklehrer 
um ein drittes Mitglied vermehrt, dem der An- 
fangsunterricht anvertraut wurde^ und das fol- 
gende Jahr wurde ein neues obrigkeitlich ge- 
nehmigtes Musikreglement eingeführt und eine 
besondere Musikkommission eingesetzt, wel- 
che über die gewissenhafte Beobachtung des- 
selben invigilieren sollte. 

Nach diesem neuen Reglement wurde 
mit allen Studenten und Sdiuleren zusammen 
am Samstag und Dienstag um 12 Uhr in der 
untern Knabenlehr eine Oesangslektion im Sol- 
misieren und den Fundamenten der Psalmen- 
musik gehalten, nach «gutfindender)» Abteilung 
zu vier Stimmen. Diese Aufgabe fiel dem 
zweiten Cantor zu. Die Praestanda des Prae- 
oeptoris musices waren also umschrieben : 

«1. Soll derselbe alle Studiosos philosophiae 



und eloquentiae auff dem fuss, wie selbige 
Ihme von den Herren Cantoren an die band 
gestellt werden, und unter denen Studiosis 
theologiae diejenigen, so lust zu der figural 
Music haben möchten, sowohl in der vocal- 
als Instrumental Music, wie audi in dem Ge- 
neral Bass in der unteren Knaben Lehr am 
Montag und Freydag allwegen von 2 biss 4 
uhr gedreülich unterrichten, auch die Schwäch- 
sten unter Ihnen ein Zeith lang a parte an- 
führen. 

2. er soll alle 14 Ds^g oder 3 Wochen mit 
denen geübtesten auss seinen disciplen an ei- 
nem Samstag abends umb 3 uhr ein Collegium 
musicum halten, und die verordnete Music- 
Commission von Zeith zu Zeith dazu invitieren. 

3. Er soll sich lassen angelegen seyn, dann 
und wann das CoUegium Musicum auf dem 
Music Sahl zu frequentieren und seine disdpel 
aufzumunter.en, dass Sie dasselbe auch be- 
sudiind. » ^ 

Alle halbe Jahre wurde, wie früher, vor der 
verordneten Musikkommission ein Examen ab- 
gehalten. Neben dieser wurden noch zwei be- 
sondere Unterinspektoren bestellt, welche wa- 
chen sollten, ob die Praeceptores musices ihren 
Pflichten ein Oenüge leisteten. 

Doch, wie es noch heutzutage sein soll, so 
waren auch damals die hohem Sing- und Mu- 
siklehrer keine grossen Pädagogen und in den 
Schulratssitzungen nahmen die Klagen über 
«die ärgerlichen Dissonanzen» in den Musik- 
stunden, den Unfleiss und die Inobedienz der 
Studenten — nach Noten wurde mehr ge- 
schwänzt als gesungen — kein Ende und «das 
Kirchengesang» wollte sich trotz aller Anstreng- 
ungen, die man in der Schule zu seiner He- 
bung machte, nicht äufnen. Deshalb wurde anno 
1747, um dasselbe in Ordnung und Takt zu be- 
halten, ein Selectus von Studenten der Eloquenz 
und Philosophie, wie auch von Octavanem und 
Septimanern, ungefähr 20 an Zahl, welche die 
besten Stimmen hatten, gebildet ; derselbe wurde 
vom Cantor besonders unterrichtet und musste 




n^ 



Die tiieologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



alle Sonntage, Donnerstage und Festtage auf 
dem Orgellettner die Orgel mit seiner Vokal- 
musik sekundieren; ein besonders bestellter 
Censor hatte jedesmal den Catalogus zu ver- 
lesen und die Fehlenden am gebührenden Ort 
zu verzeigen. 

Uebrigens war schon ein Jahr vorher (1746) 
unter den Studenten allein ein freiwilliges 
Musikkollegium gegründet worden, das 
unter der Direktion und Aufsicht der Musik- 
kommission stand. Seine leges wurden von 
dieser endgültig festgestellt und bestätigt und 
die Bedmgung hinzugefügt, dass die Glieder 
dieser Gesellschaft « weder zu Serenades, Nacht- 
Tänzen, noch anderen unanstendigen Sachen 
sich niemahls gebrauchen lassen, noch mit wein 
trinken einleben Excess begehind, auch kein 
Frauwenvolk in Ihre Versamlung einlassind ».^ 

Man befürchtete also auch von dieser neuen 
Vereinigung allerhand Excesse, wie sie eben 
im alten Musikkollegium vorgekommen waren. 

Vom Jahr 1723 an spielen die sogenannten 
Hungarischen Studenten in den Rats- 
und Schulratsmanualen keine kleine Rolle. 

Es ist bekannt, dass sich die evangelischen 
Orte den 30. Juli 1720 dahin einigten, nach- 
dem schon zu Anfang des Jahrhunderts wal- 
densische und hungarische Studiosi in Zürich, 
Basel und Lausanne von ihnen unterstützt wor- 
den waren, künftighin acht feste Stipendien ein- 
zurichten und zwar fünf piemontesische und 
drei hungarische,^ an welche Bern nach der 
gewohnten Reparation bis zum Zusammen- 
bruch der alten Eidgenossenschaft in runder 
Summe 30,000 Gulden beigesteuert hat. 

Aber damit begnügten sidi die alten Bemer, 
denen das Wohl und Wehe der reformierten 
Kirche vor allem am Herzen lag, nicht; sie 
gründeten im vorletzten Jahrhundert weitere 
Stipendia für hungarische Studenten, die an 
den Gymnasien von Patak und Debrezin ihre 
vorbereitenden Studien absolviert hatten, zu 
welchen die übrigen evangelischen Stände 




m 



nichts beitrugen, die sie ganz allein aus ihren 
eignen Mitteln bestritten. 

Zuerst wurden, wie es bei den gemeineidge- 
nössischen Stipendien der Fall gewesen war, 
nur einzelne Subjecta, die ihrer theologischen 
Studien wegen nach Bern kamen, vom Staate 
unterstützt, so in den Jahren 1717, 1723, 1724 
und 1726. Vom Jahr 1733 an bUdete sich aber 
eine feststehende Sitte aus, nach welcher re- 
gelredit vier hungarische Stipendien ausgerich- 
tet wurden. Man verabreichte den Ankommen- 
den eine Kleidung, dann vioirden sie ge» 
wohnlich zwei Jahre lang vertisdigeldet und 
bei ihrer Abreise erhielten sie pro pallio et 
viatico noch 30 Taler. Es kam natüriich audi 
vor, dass nicht alle vier Stipendien zusammen 
ausgesetzt und genossen vmrden ; wenn es sich 
aber einmal traf, dass mehr als vier von diesen 
fremden Studenten in der Stadt zusammenka- 
men, so war man nicht pedantisch und verstiess 
niemanden, wie z.B. aus den Verhandlungen 
des Schuh^tes vom 15. Oktober 1742 hervor- 
geht:^ 

« Nach (Verlesung der Sup. von zweyen hung. 
Stud. aus Patak, und eines von Clausenbuisr 
auss Sibenbürgen vnirdt Erkennt: Weilen nadi 
Mrghh. Ord. zwey von Patak, einer von De- 
brezin und einer von Sibenbürgen erhalten wer- 
den sollen, gegenwärtig aber zwey von De- 
brezin hier sind, so müsste der erstere und 
schon lang sich hier aufhaltende N. Wasvarj 
wieder zurukkehren, und dem letsteren Platz 
machen; da aber derselbe von elender leibs 
Constitution und der Reiss-fatigues nit vehig, 
so solle derselbe Mngfa. zu Continuation seines 
stipendij noch femers anrecommandirt wer- 
den ; Benebens die drey neüw angekommenen 
Ihr Gnd. zum Antritt des stipendij vorgeschla- 
gen werden. 

Damit aber niemahlen über die bestimmte 
anzahl von besagten Stud. sich allhero bege- 
ben, wurde Mmh. Rector auffgetragen, an die 
Curatores von Patak und Debrezin, wie anno 
1733 auch geschehen, zu sdireiben, dass Sie 




«. 



Die theologische Lehranstalt In der Zeit von 1676^1770. 



» 



einen nefiwen Stud. allhero schiken 
sollind» biss dass der alte wieder zuruk seyn 
werde. » 

Bis zum Jahr 1786 gab der Staat Bern für 
diese hungarischen Studenten 87 138 Pfd. aus. 

Im Jahr 1787^ wandte sich der Tägliche Rat 
an den Schulrat mit der Anfrage, ob bei nun- 
mehriger Toleranz in den österreichischen Lan- 
den und Verbot an die hungarischen Studenten 
ihre Studien auswärts zu betreiben, nicht rat- 
sam wäre, die hungarischen Stipendia des Stan- 
des Bern aufzuheben und deren Betrag not- 
wendigem Ausgaben zu widmen. Die Schul- 
räte trugen ihre unmassgeblichen Gedanken in 
geteilten Meinungen vor. Nach der ersten hät- 
ten die hungarischen Stipendien keinen Zweck 
mehr, da auf den betreffenden Gymnasien die 
zur Bildung tüchtiger Geistlichen nötigen Dis- 
ziplinen hinlänglich doziert würden und der 
Gegenstand der Reisen der hungarischen Theo- 
logtn seie, nicht so sehr Religion, als andere 
und Weltkenntnisse zu erwerben. 

Die zweite Meinung verfocht die Notwen- 
digkeit der hungarischen Stipendien auch für 
die Zukunft, da die Gymnasien in Hungam 
immer noch in einem äusserst mangelbaren 
und unvollständigen Zustand seien. 

Die dritte Meinung riet dem Täglichen Rate 
an, mit einem Entschluss über diesen Gegen- 
stand noch einige Jahre innezuhalten, bis man 
in der Gewissheit sein werde, ob die k. k. 
Verordnungen zu Gunsten der Protestanten in 
den Erblanden Bestand hätten. 

Der Tägliche Rat legte das Schreiben des 
Schulrates beiseite, indem er offenbar der drit- 
ten Meinung beipflichtete; die Antwort blieb 
dann ganz aus, indem man die Sache einfach 
veigass, und so blieb es bis zur Revolution 
beim alten, d. h. die vier Stipendien wurden 
bis zum Jahr 1798 immer wieder ausgeriditet. 

Zu Anfang des Jahres 1804 (4. Februar) ver- 
langte ein Ungar wieder ein Stipendium. Das 
Kirchen- und Schuldepartement gab darauf dem 
Rektor Studer > die Weisung, den Petenten ab- 



schlägig zu bescheiden, da die Ungarische 
Kirche diese Unterstützung nicht mehr bedürfe 
und der bemische Stand die Mittel nidit mehr 
habe, wie früher. 

Schade, dass mit dem Grossmut der Regie- 
rung nach aussen Engherzigkeit nach innen 
Hand in Hand ging und die Bauern- und Habi- 
tantensöhne in der Stadt Bern selber nicht der- 
selben Aufmerksamkeit von Seiten der Obrig- 
keit sich erfreuten, wie die Studenten aus Un- 
garn und Siebenbürgen. Nadidem dieselbe 
schon anno 1701, wie wir gesehen,^ darüber, 
dass die bemischen Habitantenkinder den Stu- 
dien sich widmeten, ihr Missfallen ausgedrückt 
und den Schuhat aufgefordert hatte, der Sache 
Einhalt zu tun, schärfte sie den 2. Februar 1741 ^ 
dieser Behörde aufs neue ein, dass die Aus- 
buiger nidit immatrikuliert werden könnten, 
wenn ihnen audi gestattet sei, die öffentlichen 
Vorlesungen zu besuchen. Ein spezieller Fall, 
da eines Refugierten Sohn, der in die Theolo- 
gie promoviert worden war, unter die Zahl der 
Examinaten aufgenommen werden sollte, gab 
dem Täglichen Rat Veranlassung, die warnende 
Stimme von neuem zu erheben und durch den 
Schuhrat dem Rektor die Weisung zukommen 
zu lassen, dass er alle mögliche Sorgfalt an- 
wende, «dass dergleichen Inoonvenienzen sidi 
nidit mehr eräügnen, sondem bey VorfaDen- 
heiten mit allen genügsamen praecautionen 
idem voigebogen, und keine fremde in die 
Zahl der Studiosomm angenommen werden». 

In seinem Eifer, der Obem Wunsch zu er- 
füllen, ging der Schulrat noch weiter als diese 
geboten hatten. Er ordnete die Ausmusterung 
der Ausbuiger- und Bauerasöhne aus den un- 
tem Klassen der Untem Schule an und deren 
Versetzung m die deutsdie Knabenlehre,^ all- 
wo sie in der Religion, im Schreiben und Rech- 
nen genugsam ihrem Herkommen gemäss un- 
terrichtet würden. Den Knaben von gleicher 
Extraktion, die bereits in den obera Klassen 
sich befanden, sollte zugleich verdeutet wei^ 



« 



Die tfaeologisdie Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



m 



den, dass sie sich ja nicht mit dem Qedanken 
schmeicheln sollten, jemals ad lectiones publi- 
cas promoviert zu werden, es wäre denn Sach, 
dass sie sonderbare Proben einer grossen Fer- 
tigkeit des Geistes und extraordinari Fleisses 
abzulegen im stand sein würden. 

Es scheint, dass von dem Prinzipalen der 
Untern Schule, dem obiger Befehl in letzter 
Linie übermittelt wurde, die Purifikation seiner 
Anstalt von allen unburgerlichen Elementen 
etwas lässig betrieben wurde; beim Examen 
vemale des Jahres 1744 nahm der Schulrat 
wahr, dass allerhand Schüler, die in keiner 
Stadt verburgert waren, in denen untern Klas- 
sen Sassen und dass die Blaser, Wild, Si- 
mon, Schütz U.S.W. noch nicht verschwun- 
den waren. Deshalb wiederholte er den Be- 
fehl der Ausmusterung an den Rektor und den 
Prinzipalen mit der Weisung, die betreffenden 
Knaben in die deutsche Knabenlehre, oder in 
die Schulen auf dem Stalden und bei dem Boll- 
werk zu spedieren.^ 

Die Lehrer. 

Nadidem zu Ende der Vierziger Jahre die 
Professio matheseos eingerichtet worden war, 
wurden im folgenden Dezennium auch die 
Pensa in der Philosophie und Theologie neu 
angeordnet 

Schon öfter war darüber geklagt worden, 
dass die Studiosi philosophiae das Studium der 
lateinischen Sprache neglegierten, sobald sie 
das eloquenzische Auditorium verlassen hat- 
ten, und desgleichen die Studiosi theologiae 
das Studium der Philosophie und der griechi- 
schen Sprache, sobald sie in ihr neues Audito- 
rium eingezogen waren. Um diesem Uebel zu- 
vorzukommen, beschloss der Schulrat im Juni 
1752,^ es sollten fürohin alle Philosophanten 
wöchentlich eine Stunde durch den Professor 
der Eloquenz in dem studio linguae latinae, 
wie auch in historicis und rhetoricis unterwie- 
sen werden, die Theologanten aber eine Stunde 
in der Phik>sophie und desgleichen eine im 



Griechischen durch den Philosophus und den 
Oraecus und dies bis zu ihrer Promotion ad 
ministerium. 

In dieser Zeit war eben nach dem Ableben 
des Professors Brunner der philosophische Ka- 
theder ledig, und bei der Gelegenheit eikannte 
der Schuhat den 6. Juli 1752,' es solle der künf- 
tige Professor philosophiae seinen Cursum so 
einteilen, dass er die Physik und IVletaphysik 
— von dieser letztem nur die drei erstem Teile, 
da die natürliche Gottesgelehrtfaeit erst in der 
Theologie zu traktieren war — innert 2 oder 
längstens 2Vs Jahren, die Logik aber alle Zeit 
im Verlauf eines Jahres absolvieren soUe und 
zwar die Phik>soirfiie nadi des Thummigij Kom- 
pendium oder einem «kurzen Begriff» dieser 
Wissenschaft Des weitem wünschte der Sdiul- 
rat, dass der Vertreter der Philosophie sich 
bemühe, denen Studiosis die Philoso- 
phie mehr durch Räsonieren, als 
aber durch vielfältig auswendig ge- 
lernete Terminis technicis und De- 
finitionen beizubringen. 

Dieser Wunsch wirft auf die Mettiode des 
verstorbenen Professors Brunner kein günsti- 
ges Licht 

In dem Zeitraum von 1674 — 1770 sassen auf 
dem Lehrstuhl für Philosophie: 

1) David Bourgeois, gewählt den 27. 
März 1669 als Academicus; den 2. Juni 1684 
auf die Pfarre in Ins promoviert 

2) Samuel Leemann, gew. 11. Juni 1684 
ak Pfarrer zu Ligerz; ein fleissiger Gelehrter, 
der schon zu Leyden 1675 zwei theologische 
Schriften herausgegeben hatte. 

3) Joh. Friedrich Benoit,gew. 14. Juni 
1701 ; Verfasser einiger philosophisdier Schrif- 
ten. 

4) Johannes Egger, gew. 9. Nov. 1728 
als Cand. min. ; ein klarer Kopf, von unermüd- 
lichem IHeiss für sein Lehramt Gestort>en 1736. 

5) Joh. Rudolf Brunner, gew. 13. Nov. 
1736, nachdem er U/a J^re lang auf dem elo- 




132 



^ 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676— 177a 



quenziscfaen Katheder doziert hatte (vgl. oben 
p. 102). Gestorben 1752. 

6) Abraham Walthard, Prediger zu 
Spiez, gew. 7. Juli 1752. 1781 nach Madiswil. 

Ihm folgte, um die Reihe der Philosophen 
hier bis zur Zeit der Akademie weiterzuführen : 

7) Johannes Ith, der gewesene Ober- 
bibllothekarius, gew. den 21. Mai 1781, mit 
dem wir uns noch vielfach beschäftigen wer« 
den. Den 11. August 1796 wurde er zum Pfar- 
rer von Siselen erwählt, verpflichtete sich aber 
nach dem Wunsch des Täglichen Rates noch 
ein Jahr lang in Bern zu bleiben, bis die neue 
Einrichtung der Akademie, zu der er den be- 
reits angenommenen Plan entworfen hatte, ein- 
geführt worden wäre.^ An seine Stelle trat 
den 24. Mai 1797 

8) Joh. David Kocher, der Cand. min., 
der seine Gelehrsamkeit sdion in verschiedenein 
Disputationen gezeigt hatte. Er wirkte bis zum 
Jahr 1805, da er pensioniert wurde. 

1757 wurden die Pensa des Professors der 
griechischen Sprache und der EÜiik wiederum 
geordnet^ Als neu ist hervorzuheben, dass 
von jetzt an eine besondere Stunde für die 
Lektüre von Profanschriftstellem eingerichtet 
wurde; im ganzen und grossen blieb es frei- 
lich bei der Vorschrift vom Jahr 1676. Der 
Besdiluss des Schulrates lautet i^ 

«1. Der Herr Professor der Griechischen 
Sprach und Sittenleihr, soll wöchentlich zwey 
Stund über die Ethic und vier Stund über die 
Oriechische Sprach Lection halten, und dar- 
neben eine Exerdtation, wie unten gemeldet 
wird. 

2. Die Ethic wud Er nach Baumesteri Ele- 
mentis philosophiae dodren und sich darbey 
angelegen seyn lassen seinen Zuhöreren die 
Uebereinkunfft der Chrisflichen Sittenlehr mit 
der Natürlichen zu zeigen. 

3. Die vier Stund im Griechischen, soll Er 
so emtheilen, dass drey davon auf die gramma- 
tische, critische und phitologisdie Behandlung 





und Auslegung des Neuen Testamentes ange- 
wendt werden, wobey Ihme besonders Recom- 
mendirt wird, die Interpretation und die Prin- 
dpia der Granunatic wie auch die Construction 
fleissig zu treiben. Die vierte Stund wird dann 
angewendt werden auf gleidimässige Behand- 
lung des Gessneri Chrestomathia oder Brei- 
tingeri Edogae ex optimis graeds Scriptoribus. 

4. Endlich soll der Herr Professor, wie vor 
diesem mit gutem Nuzen geübt worden, alle 
Wochen einmahl entweder ein Exerdtium stili 
in griechischer Sprach halten, oder aber eine 
Argumentation, oder eine Disputation ex phi- 
lologia und Ethica.» 

Die Vertreter des griechischen Lehrstuhls 
sind in unserer Periode: 

Nach Samuel Henzi, dem gewesenen 
Pfarrer zu Belp, gewählt 1664, den 20. Dez.: 

1) Elisaeus Malacrida, gewählt den 
30. Dezember 1686. 

2) Daniel Gerwer, Pfarrer zu Hindel- 
bank, gew. 14. Oktober 1709. 

3) Henricus Ringier, Pfarrer in See- 
bcrg, gew. 2. April 1715. 

4) Johann Rudolf Salchli, cand. min., 
gew. 4. März 1720. 

5) Joh. Georg Altmann, prof. eloquen- 
tiae (siehe <d>en p. 101), gew. 24. März 1735. 

6) Albertus Frisching, gew. 23. Mai 
1757. 

7) Samuel Wilhelmi, Pfarrer auf Ny- 
deck, gew. 5. Oktober 1758. 

8) Gottlieb Risold, gew. 21. Februar 
1791. 

Unter diesen Männern zeidmeten sidi — 
von Altmann abgesehen — zwei durdi ihre 
Gelehrsamkeit, die sie in einer Reihe von Dis- 
sertationen und Untersuchungen kund gaben, 
besondersaus: Heinrich Ringier und Joh. 
Rudolf Salchli, beide Schüler des Theolo- 
gen und Phik>sophen Rollius, jener zu Fran- 
eker, dieser zu Utrecht Auf ihren Reisen und 
in ihrer Eigenschaft als Feldprediger hatten sich 
beide umfassende Kenntnisse erworben, so dass 




133 



« 



Die flieologische Lehnuistalt in der Zeit von 1676—1770. 



51 



sie bei den Proben f&r den griediisdien Ka- 
Hieder die Zuhörer in Staunen setzten; Ringiers 
Praelection war «verwundemusswfirdig und 
eine rare und meisterliche Pieoe von ausbCui- 
diger Oelehrtiieit», und Salchli, der in Utrecht 
namentiich auch nodi den Semitisten Carl 
Schaaf gehört hatte, glänzte da durch seine 
Kenntnisse in arabids und hebraids und fer- 
tigte seine Opponenten mit besonderer Qe- 
sdiiddichkeit ab. 

Der aus dem BQndnerland stammende Eli- 
saeus Malacrida vrar als Prediger mit Ber- 
ner Kolonisten nach Potsdam gezogen^ und 
wurde von da aus auf die besondere Empfeh- 
lung des Kurfilrsten von Brandenburg an die 
Zweihundert auf den griediisdien Lehrstuhl 
berufen. Des Pietismus angeklagt, erfuhr auch 
Malacrida den Sdiutz des Schulrats unter der 
Leitung Muralts. 

Nicht kleine Aufregung entstand unter der 
Qeisflidikeit, wie der Weifliche Albertus Fri- 
sching zu den Proben fiir den griediisdien 
Kaflieder zugelassen wurde. Das war doch un- 
erhört, dass ein Laie der Jugend im Kloster das 
Neue Testament interpretieren sollte! Jeden- 
falls bedurfte es von selten des Kandidaten 
kemes kleinen Mutes, um sich Qberiiaupt zu 
den Proben einzufinden. Aber der Schukat 
musste ihm zugeben, dass er von Jugend auf 
eine sonderi}are Liebe zu den Wissenschaften 
gehabt habe und in der griechischen Litteratur 
**-^i Philosophie wohl versiert sei, aber — so 
meinten die einen, naturlidi die Herren auf der 
geistlichen Bank — es sei denn dodi wegen 
tiieologisdier Explikation des Neuen Testa- 
mentes und wegen Vindikation verschiedener 
Stellen desselben eint und anderes an ihm zu 
desiderieren , ^ und es sei bedenklich, einem 
Laien die Stelle anzuvertrauen, der Pflichten 
anhangen, die notwendig einen Qeisflidien er- 
forderten ; werde er gewählt, so müsse er noch 
Theologie studieren und die Imposition an- 
nehmen. Die andern, offenbar die wdtiidien 
Mitglieder, die auf ihren gdehrten Standes- 



genossen wohl nicht wenig stolz waren, er- 
sahen in der Wahl dessdben gar keine bösen 
Konsequenzen und führten aus, wie es die 
Aemulation gewaltig erwecken müsse, wenn 
man auch den Welflidien gestatte, zum griedii- 
sdien Katheder zu konkurrieren; audi möge 
dem Gewählten freigestellt werden, die Impo- 
sition anzunehmen oder nicht 

Der Täglidie Rat wählte nun Friscfaing unter 
der Bedingung, dass er einen Eid schwöre zur 
helvetisdien Konfession, zur Formuia oonsen- 
sus und zu den symbolisdien Büchern. Der 
Konvent verfasste denselben und nachdem der 
Rat eme Ueme Aenderung an dem voigd^;ten 
Projekt vorgenommen, beschwor ihn der pa- 
trizisdie Professor graecus vor dem versammd- 
ten Schulrat 

Im April des folgenden Jahres nahm Fri- 
sdiing Urlaub für zwei Jahre,' demissionierte 
aber bald darauf. Sein Nadifolger Samuel 
Wilhelmi dozierte volle 33 Jahre auf dem- 
selben Katheder, bis er nach dem idyllischen 
Siselen als Pfarrer abging. Er war ein littera- 
risch fein gebildeter Mann, der in den gesell- 
sdiaftiidien Kreisen Berns keine kleine Rolle 
spielte, sdnen Schülern aber ferne stand.* 

Wie man in der Mitte des 18. Jahrfiunderts 
über die Vernachlässigung des Studiums der 
lateinischen und griechischen Sprache Klage 
führte, so besdiwerte man sich auch darüber, 
dass die Studiosi unter allerhand Vorwänden 
die Erlernung des Hebräischen versäumten; 
deshalb bestimmte der Sdiulrat den 4. Sep- 
tember 1755,^ was die Studenten, die m die 
Philosophie, Theologie und zum Ministerium 
promovieren v^roUten, gelesen haben müssten, 
nämlich: 

«1. Ein Studiosus, so ad philosophiam will 
promoviert werden, soU 40 Psabnen gründlich 
analysieren und 20 davon, ohne eine lateini- 
sdie Version vor sich zu haben, auch über- 
setzen, folglich die Bedeutung der Wörter aus 
dem Oedäditniss hersagen können. 




« 



Die tiieok^sdie Lehranstalt in der Zeit von 1676*-177a 



^ 



2. Wer in das Auditorium theologicum will 
beförderet werden, muss 75 Psalmen und eines 
der Bfidieren Mosis, welches er will, grundlich 
analysieren und vertieren können. 

3. Wer ad sanctum ministerium gelangen 
will, soll das ganze Buch der Psalmen und über 
das annodi 100 Kapitel des Alten Testaments, 
welche er will, zu verstehen und zu erklaren 
im Stande sein.» 

Die Professoren des hebräischen Katheders 
sind in unserm Zeitraum : 

1) David Wyss, prof. phil., gewählt den 
12. Januar 1669. 

2) Johann Rudolf Rodolff, Pfarrer zu 
Seon, gew. den 29. April 1676. 

3) Samuel Leemann, prof. phil., vom 
5. April 1698 an. 

4) Samuel Haller, Helfer zu Bern, gew. 
21. Nov. 1700. 

5) Daniel Qerwer, prof. graecus, gew. 
30. März 1715. 

6) Samuel Scheurer, prof. eloq., gew. 
17. Mai 1718. 

7) Joh. Rudolf Salchli, prof. graecus, 
gew. 19. März 1735. 

8) Jakob Kocher, gew. den 6. September 
1745. 

9) David Kocher, gew. den 4. Mai 1761. 

10) Rudolf Ch. Schärer, Provisor an 
der Litterarschule, gew. den 23. Mai 1793. 

Professor Rodolff, dem wir als Mitglied 
der Religionskommission bereits begegnet sind,^ 
galt schon als Alumnus im Kloster als tüch- 
tiger Lateiner und Hebräer und kandidierte be- 
reits 1671 für den philosophischen Lehrstuhl in 
Lausanne; als Academicus vertiefte er seine 
Kenntnisse in Frankreich, Deutschland und 
England. Alsdann wirkte er in Bern, nachdem 
er nur kurze Zeit Pfarrer in Seon gewesen war, 
höchst segensreich in dem ihm fibertragenen 
Amt und in engem Verkehr mit den Studenten, 
denen er nach allen Seiten Belehrung und Rat- 
sdilige zu teil werden liess.^ Als fleissiger 



Sduiftsteller machte er sich namentlich durch 
seinen Philaretes bekannt (1696). 

Jakob Kocher war wegen seiner Gelehr- 
samkeit bereits als Professor nach Qröningen 
ernannt, wie er für den hebräischen Katheder 
glänzend disputierte; er blieb seiner Heimat 
treu bis zu seinem Tod 1761, da ihm sein 
Bruder David Kocher folgte, ein bekannter 
Meister in den orientalischen Sprachen, der 
Verfasser der rudimenta grammaticae hebraeae. 
Er hatte sich für das hebräische Katheder kei- 
nen Proben unterziehen müssen, da er schon 
vorher des öftem für versdiiedene Lehrstühle 
disputiert und seine gediegenen Kenntnisse an 
den Tag gelegt hatte. Auch sein Nachfolger 
R. C Schärer hatte vor seiner Wahl zu ver- 
schiedenen Malen an Proben sich beteiligt; ein 
wie fetner Kenner des Hebräischen er war, 
zeigte er später durch seine im Litterariscben 
Archiv veröffentlichten Uebersetzungen hebrä- 
ischer Texte, die jetzt noch Wert haben. 

Trotzdem um die Mitte des 18. Jahrhunderts 
tüchtige Lehrkräfte an der Obern Schule v^rk- 
ten, herrschte dennoch namentlich unter den 
Studiosis theologiae grosse Nachlässigkeit Die 
alte Unsitte des Konditionierens, gegen die zu 
Ende des 17. und in den ersten Dezennien des 
18. Jahrhunderts mit aller Strenge eingeschrit- 
ten worden war,' war wieder so eingerissen, 
dass nach einem Bericht der Schulkommission 
an den Schulrat vom 7. September 1756* bald 
keine Professoren mehr nötig waren. Es fan- 
den sich in diesem Sommer nur noch 15 Stu- 
denten im theologischen Auditorium ein; die 
übrigen brachten fast die ganze Zeit ihres theo- 
logischen Studiums ausserhalb der Akademie 
zu und blieben auch von den Examina weg, 
ohne sidi um die Erlaubnis darum bewoiben 
zu haben. Trotz alledem gelangten alle diese 
Leute doch zum Ministerium, vermöge der 
Gunst, deren sie sich bei den Obern erfreuten, 
und bei der Qektion zur Promotio ad ministe- 
rium schlüpften Elemente durch, die die er- 




Il( 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676^1770. 



^ 



forderliche Kapazität gar nidit besassen. Des- 
halb beschloss der Schulrat den 20. September 
1756^ in Befolgimg seiner Ericenntniss vom Jahr 
1720,^ die eben gar nicht beachtet wurde, dass 
in Zukunft kein Studiosus theologiae, der nicht 
zwei Jahre ununterbrochen und fleissig die 
Vorlesungen besucht habe, zu dem Examen pro 
ministerio zugelassen werden solle, wobei es 
jedoch freigestellt war, die ersten oder die letz- 
ten zwei Jahre des theologischen Kursus im 
Kloster zuzubringen. Gerne hatten es die Pro- 
fessoren gesehen, wenn die Konditionierenden 
in den Ordinari-Examinibus schärfer als ihre 
Kommilitonen hätten geprüft werden müssen 
und wenn überhaupt gegen diejenigen, welche 
zu den Examina sich nicht stellten, strenge 
Strafbestimmungen aufgestellt worden wären, 
aber der Schuh-at schreckte davor zurück; er 
wusste, dass das nach allen Erfahrungen doch 
ein eifles Beginnen gewesen wäre. 

Wir nennen hier noch die Professoren des 
theologischen Auditoriums von der. Zeit der 
Wiedereinsetzung des Schulrates an. 

1) Johannes Nicolaus, prof. hebr., ge- 
wählt den 30. Oktober 1671. 

2) David Wyss, prof. philos., gew. den 
8. April 1676. 

Nach dem Regierungsbeschluss vom 24. März 
1698^ dozieren von diesem Datum an zwei Pro- 
fessores theologiae und zwar: 

I. Für die didaktische Theologie : 

1) David Wyss, der bisherige Theologus. 

2) Elisaeus Malacrida, II. Theologus, 
gewählt den 14. November 1718. 

3) Jakob Hortin, II. theoL, gew. 12. De- 
zember 1719. 

4) J. H. Ringier, II. theol., gew. 27. No- 
vember 1734. 

5) Samuel Scheurer, II. dieol., gew. 31. 
Mai 1745. 

6) Johann Jakob Salchli, gew. 20. No- 
vember 1747. 



7) Johannes Stapfer, II. tiieoL, gew. 
24. Mai 1774. 

8) Philipp Alb. Stapf er, gew. 25. Aug. 
1796. 

II. Für die elenktische Theologie: 

1) Johann Rudolf Rodolf f , prof. bebr., 
gew. 5. April 1698. 

2) Samuel Leemann, prof. hebr., gew. 
18. November 1700. 

3) Elisaeus Malacrida, prof. graecus, 
gew. 26. August 1709. 

4) Jakobus Hortin, Pfarrer zu Kirdi- 
lindach, gew. 19. Dezember 1718. 

5) J. H. Ringier, prof. graecus, gew. 26. 
Januar 1720. 

6) Samuel Scheurer, prof. hebr., gew. 
31. Januar 1735. 

7) Joh. Rud. Salchli, prof. hebr., gew. 
31. Mai 1745. 

8) Daniel Wyttenbach, Helfer an der 
HeiL Qeistkirche, gew. 29. August 1746. 

9) Johannes Stapfer, Pfarrer zu Aar- 
burg, gew. 19. Juli 1756. 

10) Daniel Ludwig Studer, Pfarrer zu 
Lyss, gew. 1. September 1774. 

Johann Jakob Salchli, der Bruder Joh. 
Rudolfe, ein Schüler von Professor Lederlin in 
Strassburg, war 1726 als Professor theologiae 
nach Lausanne geschickt worden; von seiner 
Gelehrsamkeit zeugen verschiedene Abhand- 
lungen in französischer und lateinischer Spra- 
che, auch Predigten und Reden wurden von 
ihm gedruckt Er behielt freilich in seinem ho- 
hem Alter, da er immer noch Primarius war, 
seine frühere Oeistesfrische nicht mehr bei, so 
dass die Studenten sein Auditorium so viel 
wie möglich mieden.^ 

Philipp Albrecht Stapfer, der spa- 
tere Minister der Künste und Wissenschaften 
zur Zeit der Helvetik, erhielt seinen Katheder 
ohne vortier eine andere Professur bekleidet 




«. 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 




^ 



zu haben. Von 1791 an war er Sprachlehrer am 
Politischen Institut gewesen ; man hatte da 
hinlänglich Oeiegenheit, seine ausgezeichneten 
Kenntnisse kennen zu lernen, so dass er unter 
den Kandidaten für den durch seines Onkels 
Rücktritt vakant gewordenen Lehrstuhl von 
vorneherein in die erste Linie gestellt wurde.^ 

Daniel Wyttenbach, Helfer an der Hei- 
liggeistidrche, hatte sich, bevor er für seinen 
Ldirstuhl disputierte, durch sein gelehrtes Werk 
systema theologiae didacticae aufs vorteilhaf- 
teste in der theologischen Wissenschaft einge- 
führt Leider folgte er 1756 einem Ruf nach 
Maibuiig als Professor der Theologie. 

Johannes Stapfer disputierte als Pfarrer 
zu Aaiburg für den elenktisdien Lehrstuhl in 
glänzender Weise; D. L. Studer wurde von 
den Proben für denselben dispensiert, weil er 
schon vorher öfter mit Erfolg disputiert hatte. 
Beide, sowie D. Wyttenbach, bestiegen also den 
tiieologjschen Katheder, ohne den gewohnten 
Turnus in der Reihenfolge der Lehrstühle durch- 
gemacht zu haben. 

Es kam eben, wie aus den mitgeteilten Profes- 
sorenverzeichnissen zu ersehen ist, nicht bloss 
einmal vor, dass bei Vakanzen der obligate 
« Professorenschub », wie man sich heute aus- 
drücken würde, der freilich keineswegs im In- 
teresse der Anstalt lag, nicht stattfand. So 
wurde nach dem Tode des hebräischen Pro- 
fessors Daniel Oerwer im Jahr 1718 beschlos- 
sen, dass nidit disputiert werden solle, da die 
einzigen Aspiranten, Ringier und Scheurer, 
schon genugsam Proben ihrer semitistischen 
Gelehrsamkeit abgelegt hatten ; nach ihrem ge- 
genseitigen Wunsche behielt dann Ringier die 
griediisdie Professur bei, Scheurer aber, der 
bisherige Vertreter der Eloquenz, rückte zum 
hebräischen Professor vor, doch so, dass Rin- 
gier die Besoldung des Verstorbenen von jetzt 
ab genoss, Scheurer aber die bisherige Pension 
Ringiers. Im Jahr 1746 erfolgte in diesem Sinn 
ein förmlicher Ratsbeschluss, der für alle Zei- 
ten anordnete, dass, wenn jemand von den 



Herren Professoren bei seiner Profession ver- 
bleiben wolle, er dennoch bei zutragenden Va- 
canzen in den Rang und Genuss der hohem 
und besseren Besoldung zu steigen befugt sein 
solle; mit Ausnahme jedoch des ersteren Pro- 
fessoris theologiae, indem dessen Profession 
von der Zirkulation ausgenommen und ein 
Jeglicher Theologus Primarius hinfüro alle Zeit 
der Erste im Rang und Einkommen sein und 
allen andern Professoren vorgehen solle. 

Das Semlnarium philologicum. 

In das Jahr 1754 fälH die Gründung des phi- 
lologischen Seminars an der Obern Sdiule zu 
Bern. Die Anregung dazu gab Alb recht 
H a 1 1 e r , . der nach seiner Rückkehr von Göt- 
tingen den 3. Juni 1754 zu einem Assessoren 
des Schulrates erwählt worden war. Hauers 
Tätigkeit im Schulrat^ war namentlich auf die 
Verbesserung des Lateinunterrichtes geriditet 
und dieses Ziel hoffte er durch die Gründung 
eines Seminars zu erreichen, in dem die künf- 
tigen Lehrer der Lateinschule für ihr Lehramt 
herangezogen würden. Dabei hatte er natür- 
lich das philologisch-pädagogische Seminar im 
Auge, das sein früherer Kollege Mathias Gess- 
ner, der verdiente Pädagoge, in Göttingen er- 
richtet hatte und mit grossem Erfolge weiter 
leitete; eine ähnliche Anstalt sollte nun in 
seiner Vaterstadt entstehen. Sofort nach seinem 
Eintritt in den Schulrat nahm er die Sache an 
die Hand und arbeitete einen Entwurf für eine 
Seminar-Ordnung aus, der bereits den 22. Au- 
gust genehmigt wurde.^ Nach demselben soll- 
ten von einem Professor der Obern Schule eine 
Anzahl Studenten aus dem philosophischen Au- 
ditorium oder auch aus den ersten zwei Jahres- 
kursen der theologisdien Abteilung alltäglich 
eine Stunde oder wenigstens viermal wöchent- 
lich besondem Unterricht im Lateinischen und 
Griechischen, als dem vornehmsten Teil der 
Schularbeit, erhalten; mit diesen sprachlichen 
Uebungen sollte der Lehrer methodische An- 




^ 



bie theologisdhe Lehranstalt b der idi von 1676— 17?A. 



Weisungen verbinden und die Seminaristen mit 
der Art und Weise bekannt machen, « mit wel- 
dier man diese nützlichen Sprachen der Jugend 
am fQgiidisten beibringen kann)», und was sie in 
diesem phitologisch-pädagogischen Unterricht 
gelernt hätten, sollten sie in der Lateinschule 
als Vikare der Provisoren zu verwerten und 
anzuwenden suchen und beständig die Praxis 
mit der Theorie verbinden: die Lateinschule 
sollte zu ihrem Seminar die Uebungsschule 
sein, wie wir uns heute ausdrücken. 

Das Projekt sah sechs Seminaristen vor und 
bestimmte zu deren Ermutigung und Beloh- 
nung, dass sie im Alumnat auf der Schul be- 
herbergt und beköstigt würden und den dop- 
pelten Musshafen genössen. Damit nur tüch- 
t^ Studenten Mitglieder des Seminars wür- 
den, sollten diese nach dem Vorschlag seines 
Direktors von dem Schulrat gewählt werden 
und wenn sie zu dessen Zufriedenheit alle Ueb- 
ungen mitgemacht hätten, bei den Vakanzen 
im Lehrerkollegium der Untern Schule von 
selber in der Wahl sein. 

Mit einer Oeldforderung wollte sich Haller 
wohlweislidi in seinem Kollegium und bei Ihr 
Gnaden nicht einführen, deshalb beschloss er 
sein Projekt mit folgendem Punkt: 

«Den Herrn Director des Seminarii zu be- 
lohnen, weis man fürs erste keinen Ausweg, 
als die Hofnung Er werde mit Vergnügen eine 
so nuzliche und Gottgefällige Anstalt unter- 
stüzen, dameben werden Ihn Mefah. die Schul 
Räht Meinen Gnädigen Herrn den Rähten re- 
oomnlendiren, Ihne mit einigen in dero Belie- 
ben hinzustellenden Geschenken zu Belohnen. » 

Zum Direktor des Seminars wählte der 
Schulrat den Professor hebraicus Jakob Ko- 
cher, ^ welcher dasselbe mit 10 Schülern er- 
öffnete und seinen Unterricht so einriditete, 
dass er wöchentlich zwei Stunden Sueton las 
und in zweien weitem Gessners Institutiones 
rei sdiolasticae erklärte ; letzteres offenbar nach 
Hallers Wunsch. Nach 21/9 Jahren stattete der 
Schulrat der Finanzbehörde über den glück- 



m 



liehen Fortgang der neuen Institution Bericht 
ab und beantragte derselben, dem Direktor und 
den drei fleissigsten Seminaristen eine ange- 
messene Gratifikation zukommen zu lassen; 
darauf richtete die Teutsch-Seckelschreiberel 
dem Erstempfohlenen der Seminaristen zwei 
und den beiden andern je eine Dublone aus» 
dem Direktor aber volle 100 Kronen! 

Professor Kocher stand dem Seminar bis zu 
seinem Tod (Anfang des Jahres 1761) vor» 
ohne für seine Arbelt des weitem belohnt wor^ 
den zu sein, und als seine Erben die Bdoh-* 
nung reklamierten, wuiden sie von der Ven* 
nerkammer trotz der Empfehlung des Schul- 
rates mit kurzem Bescheid abgewiesen.' Nun 
übemahm Professor WOhelmi die Leitung des 
Semmars ; er legte dem Schulrat ein neues Pro* 
jekt für dessen Uebungen vor, nach welchem 
drei Stunden für die Lektüre von Ciceros orator 
und der ars poetica von Horaz und die vierte 
für die Behandlung eines griechischen Autors 
verwendet werden sollten. Neben diesen Ueber- 
Setzungsübungen wollte Wilhelmi in beson- 
dere Stunden seine Schüler in der Komposition 
exerzieren und ihnen «nach Sulzers Grundriss 
einen Begriff der vomehmsten Wissenschaften 
beibringen». Das Projekt wurde genehmigt^ 
und im weitem noch bestimmt, dass der Direk- 
tor des Seminars seinen Schülem auch über 
das sittliche Verhalten eines Informators Lek- 
tionen zu geben habe und dass der Seminarist, 
welcher ohne Urlaub 14 Tage von den Seminar* 
Übungen fem bliebe, seiner Station verlustig 
gehe. Zur Prüfung der Progressen, welche im 
Seminar gemacht würden, sollte halbjähriicfa 
ein Examen abgehalten werden. 

Schon im Jahr 1766 trat Wilhebni von der 
Leitung des Seminars zurück; es scheint in 
demselben nicht alles nach Wunsch gegangen 
zu sein, was wir dem Beschluss des Sdiulrates 
zu Ende des genannten Jahres entnehmen,^ 
dass nämlich die Schulkommission untersuchen 
solle, ob das Seminar überhaupt von Nutzen 
sei. Die Angelegenheit wurde aber aufgescho* 




138 



€ 



Die theologische Lehransialt in der Zeit von 1676—1770. 



^ 



ben, bis die Vefbesserung der Obern Schule 
durcfagcffihrt worden wäre, und da diese bei 
der grossen Reform zu Ende des Dezenniums 
unteiblieb, so dauerte das Interregntun bis 
zum Sommer 1779. Den Bestrebungen Niki. 
Emanuel Tschamers ist es zu verdanken, dass 
in diesem Jahr die Frage wieder in Fluss kam 
und den 4. Juni vom Schulrat beschlossen 
wurde, das Seminar wieder einzuführen und 
darin vier Studiosos theologiae als zwei be- 
stellte Seminaristen und zwei Exspektanten in 
der Pidagogie zu unterrichten und durch Be« 
sucfaung der verschiedenen Klassen der Untern 
Sdiule zum Lehrfach heranzubilden.^ 

Die Leitung der neugegrfindeten Anstalt 
wurde dem Direktor der Kunstschule, Daniel 
Mass£, übergeben; es war dies ein überaus 
glücklicher Griff, da Daniel Mass£ sich als 
tüchtigen Pädagogen hinlänglich erwiesen hat- 
te.* Seine Leistungen für die Jahre 1779 und 
1780 belohnte darauf der Staat mit einem Qe- 
schenk von 100 Talern, leider aber war sein 
Wuken am Seminar nicht von langer Dauer; 
schon im März 1784 erhielt der Untere Schul- 
rat den Auftrag, nachzudenken, wie dem Se- 
minar wieder Leben gegeben werden könnte. 
Da in derselben Zeit die Revision der Obern 
Schuk wieder an die Hand genommen wurde, 
besddoss der Schuhrat den 9. Dezember 1784, 
das Gutachten des Untern Schulrates in dieser 
Frage solle bei den Beratungen über die Re- 
form der Akademie behandelt werden.^ Leider 
kam dieselbe, wie wir noch sehen werden, wie- 
derum nicht zu Stande und so blieb das Se- 
minar geschlossen, bis in der zweiten Hälfte 
des zweiten Dezenniums des neuen Jahrhun- 
derts Professor Döderlein seine Pforten wie- 
der öffnete. 

Die Professorencensur. 

Die letzten zwei Jahre vor der grossen Schul- 
reform des Jahres 1766 brachten unsem Pro- 
fessoren noch manchen Aerger und nicht we- 



nig Aufregung. Den 17. November 1764 erhielt 
der Schulrat folgenden Ratszettel, der wie ein 
Blitz aus heiterm Himmel wirkte : ^ 

«Bei heute vorgefallenem Anlass ist vor 
Mngh. geahndet worden: Welcher Gestalten 
verschiedene Negligenzen in hiesiger Akade- 
mie vorgehen, sonderheitlich dann, dass die 
voigeschriebenen Pensa nicht in der bestim- 
ten Zeit absolvirt, auch allzu öftere Vacanzen 
ertheilt werden Wann nun Ihr Onaden bil- 
ligster massen sich angelegen seyn lassen, die- 
sen Unordnungen des nähern nachzuforschen, 
Als haben hochgedacht Meghh. mit Zusendung 
dieses Anzuges Euch Meine Hoch und Wohlge- 
ehrte Herren freundlich ersuchen wollen, durch 
eine von Euch aus niedersetzende Commission 
des nähern alles untersuchen und die behö- 
rigen Informationen aufnemmen zu lassen. Zu 
welchem End dann solche aus Euerem Mrhwhh. 
Ehren Mittel etablierende Commission alle be- 
hörigen Informationen aufzunemmen und die 
Herren Professoren in Ihren Verantwortungen 
zu verhören befelchnet werden soll, mit dem 
ferneren Anfügen, dass Sie fürderiich zu Werk 
schreiten und die remeduren abgerahten wer- 
den, welche Ihr Mehwhh. mit mehrerem er- 
dauren und mit Euerem Outachten Ihr Onaden 
fürderiich referieren werdet» 

Die Kommission wurde sofort ernannt und 
verhörte die Professoren einen nach dem an- 
dern. AUe erklärten, sie hätten ihre Pflicht und 
noch darüber hinaus getan, nur in Krankheits- 
fällen ausgesetzt und keine Ferien genossen, als 
die, welche nach altem und unter ihren Vor- 
fahren gewohntem Brauch zu Erleichterung 
ihrer Arbeit üblich gewesen, dass sie sogar eint 
und andere kleine Uriaube abgestellt welche 
ihre Vorfahren ungestört genossen hätten. Den 
Schulrat aber baten sie, es möge in Zukunft 
nicht auf ähnliche Weise das ganze Corpus der 
Professoren beschuldigt und blossgesteOt, son- 
dern derjenige, dem man etwas vorzuwerfen 
habe, zur Verantwortung gezogen werden. 



Hl 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676^1770. 



m 



Der Schulrat ericiärte sich durch die Aeusse- 
rungen der Professoren vollkommen befriedigt 
und bat den Täglichen Rat in seiner Rückäusse- 
rung, seine Empfindung zu teilen;^ immerhin 
glaubte er, dass irgend etwas geschehen sollte, 
damit die ihm anvertraute Anstalt ähnlichen 
Vorwürfen, wie sie gegen dieselbe erhoben 
worden waren, entgehe. Er wünschte zu dem 
Zwecke im Einverständnis mit den Professoren, 
dass alljährlich nach Abhaltung der österlichen 
Examina sein Kollegium sich versammle, je- 
dem der Professoren ein genaues Verzeichnis 
der das vei^angene Jahr hindurch behandelten 
Pensa abgefordert werde und darauf, nachdem 
jene den Austritt genommen, über jeden Um- 
frage gehalten und das Urteil gefällt werden 
solle, ob er im vergangenen Jahr seinen Pflich- 
ten ein Genüge geleistet habe. 

Den 22. Dezember 1764 erklärte der Täg- 
liche Rat, dass er wegen des Vergangenen die 
Herren Professoren nicht weiter behelligen, 
für die Zukunft jedoch die von dem Schuh-at 
anempfohlene österliche Censur über dieselben 
ausgeführt wissen wolle, wobei das Resultat 
der Censur in einem schrifüidien Vortrag seiner 
Behörde zu allfälligen Massnahmen jeweilen 
mitzuteilen sei. 

Mit dieser Einrichtung war aber die Regie- 
rung noch nicht zufrieden ; damit die Professo- 
ren in ihren Funktionen «angefrischt» würden, 
befahl sie, dass der Schulrat aus seiner Mitte 
über die einzelnen Auditorien spezielle O b e r - 
aufseher ernenne, welche bei der obgenann- 
ten Censur alljährlich über ihre Beobaditungen 
Bericht erstatteten. 

Wie der betreffende Ratszettel verlesen wur- 
de, protestierten die anwesenden Professoren 
(Blauner, Walthard, Stapfer, Wilhelm! und Ko- 
cher) sofort gegen die Demütigung, die ihnen 
durch die Einsetzung von solchen Inspektoren 
zugedacht worden war. Wir begreifen ihre Ent- 
rüstung: diese Oberaufseher mögen ihnen vor- 
gekommen sein, wie uns heute die « Anstands- 
dame» in den hohem Töchterschulen vorkommt 



Auch die weHUchen Schulräte sdiüttelten den 
Kopf zu der ihnen befohlenen Einrichtung und 
keiner verspürte Lust, sich zu solcher Rolle 
herzugeben und den Spitzel zu spielen. Nodi 
in derselben Sitzung (den 24. Dezember 1764) 
wurde ein Vortrag an die Regierung aufgesetzt, 
worin der Schuhat gegen die unwürdige Zu- 
mutung derselben mit republikanischer Offen- 
heit auftrat und um Zurücknahme der Anord- 
nung in Betreff der Inspektoren bat 

« Eine solche Ober-Aufsidit^ — heisst es in 
dieser Eingabe unter anderm — wurde das 
Ansehen haben, als wenn eine Gnädige Ober- 
keit zu ihrer Akademey so wenig 2Uitrauen 
hätte, dass sie glaubte es wäre die Eriemung 
der Künsten und Wüssensdiafften daseB>sten 
änderst nicht als durch die Forcht vor einem 
Inspectoren zu unterhalten ; WeU aber die Stu- 
diosi würklich ihre Censores haben, beständig 
unter der Aufsicht üuer Professoren stehen, 
alle Monat einmahl von dem Corpore Profes- 
sorum und jährlich zweymal von dem gesam- 
ten Schul Raht syndidrt werden: So wurden 
diese Inspectores nicht um der Studiosorum, 
sondern lediglich um der Professoren willen 
eingesezt scheinen. Dieses dann wurde ganz 
gewiss einerseits die Professores in den Augen 
der Studiosorum dekreditiren und den erfor- 
derlichen Respect und das nöhtige Zutrauen 
auf das nachteiligst schwächen : Und anderseits 
denen Herren Professoren selbst allen Mutfa 
und alle Lust zu ihren Verrichtungen benem- 
men, wenn sie sich mit einer Nota bezeichnet 
sehen müssten, von der das ganze Publicum 
zu glauben Ursach hätte, sie seye Ihnen zur 
Strafe und als ein Zwangs Mittel auferlegt wor- 
den.» 

Den 5. Januar 1765 antworteten die Räte 
ganz kurz, dass es bei ihrem Beschluss wegen 
der Bestellung der Oberaufseher verbleibe, wo- 
rauf der Schuh-at den 14. Januar ein neues Out- 
aditen eingab und ausführlich schilderte, wie 
der Beschluss nicht bloss für die Professoren, 
sondern auch für den Scfaufa-at selber ganz und 




140 



^ 



Die tfieologische Lehranstalt in der Zeit von 1676--1770. 



gar erniedrigend sei, indem die weiflichen Mit- 
glieder desselben die gelehrten Vorträge der 
Dozenten dodi nicht beurteilen könnten, ihre 
Inspektion also lediglich darauf hinausliefe, die 
Professoren zu kontrollieren, ob sie zu rechter 
Zeit ins Kloster gehen, ihren Studiosis Lek- 
tionen halten und von dannen nicht wegziehen, 
bis die gesetzte Zeit verflossen.^ 

Die Obrigkeit sah es jetzt ein, dass sie Un- 
möglidies verlangt hatte und nahm den un- 
seligen Befehl zurück.^ 

Ende April 1765 gaben die Professoren zum 
erstenmal schrifüich ihre Pensa ein und der 
Schulrat äbermittelte dieselben dem Täglichen 
Rat mit dem Schlusswort, die Herren Professo- 
ren hätten alle insgesamt ihren Pflichten ein 
Genüge geleistet und für ihren Fleiss, Eifer 
und Bemühungen alles Lob verdient 

Die Reformbestrebungen des Jahres 1766. 

Die Reformbestrebungen in der Mitte des 
18. Jahrhunderts haben für uns ganz besonde- 
res Interesse, da sie mit Albrecht von Hallers 
Namen eng verknüpft sind, ja den Stempel des 
grossen bemischen Gelehrten tragen. 

Bald nachdem Haller in den Obern Schukat 
eingetreten war,^ wurden im Schosse desselben 
verschiedene Anregungen zur Verbesserung der 
Schulen gemacht; wir erfahren freilich aus sei- 
nem Manual nicht, von wem dieselben aus- 
gingen, dürfen aber nach dem Verlauf, den die 
ganze Reform nahm, des bestimmtesten an- 
nehmen, dass es Albrecht von Haller war, der 
auf eine gründliche Reform der Akademie und 
des Gymnasiums drang und jede Gelegenheit 
benutzte, um für dieselbe mit warmen Worten 
einzutreten. In der Sitzung vom 16. Juni 1755^ 
wurde sodann die Schulkommission ersucht, 
das Nachdenken zu haben, was ratione der 
Pensorum und der Studienzeit an der Obern 
Schule für Verbesserungen vorzunehmen seien 
und auf welche Weise auch der Untern Schule 
au^holfen werden könne. Der Schulkommis- 
sion scheint dieser Auftrag nicht willkommen 





gewesen zu sein ; sie verschleppte die Behand- 
lung desselben und musste nach 2V2 Jahren 
vom Schulrat gemahnt werden, ihn nun end- 
lich einmal auszuführen.^ Darauf Momlen den 
12. Januar 1758 nach dem Wunsche der Schul- 
kommission Albrecht von Hallerund Pro- 
fessor Kocher beauftragt, die begonnene Ar- 
beit zu Ende zu führen, mit den Professoren 
die Pensa der Obern Schule zu fixieren, in 
allen übrigen Punkten die alten Reglemente 
mit den neuem Erkenntnissen zu veigleichen 
und daraus das seit langem erwünschte Weiic 
zusammenzutragen.^ Haller MOirde freilich 
schon den 3. Mai dieses Jahres im Schulrat 
durch den alt-Grossweibel von Muralt ersetzt, 
liess sich aber erbitten, noch den Sommer über 
in der Schulkommission zu verbleiben und mit 
seinem Kollegen Kocher das Reformprojekt 
vollständig auszuarbeiten. Nach seiner Vollen- 
dung wurde es dem Schulrat eingegeben und 
«c fürgetragen», erhielt aber dessen Billigung 
nicht; offenbar wird es ihm zu weit gegangen 
sein und Mehrausgaben verlangt haben, zu de- 
nen die sparsamen Herren nicht stehen woll- 
ten. Wir müssen dies aus dem Umstand schlies- 
sen, dass der Schulrat den 12. Dezember 1759 
eine neue Kommission emannte,^ welche die 
Arbeit Hallers und Kochers von neuem be- 
ginnen und prüfen sollte, ob das in deren Pro- 
jekt enthaltene allen Anordnungen und bis- 
herigen Uebungen gemäss sei. Die Kommis- 
sion bestand aus den Herren Friedrich Sinner, 
alt-Landvogt von Interlaken, als Präsidenten, 
dem Grossweibel von Muralt, dem Prädikan- 
ten Siegfried und dem Professor Stapfer. 

Auch diese Kommission hatte es nicht eilig; 
im November 1760 wurde sie vom Schulrat er- 
sucht,^ ihr Gutachten über die revidierte Schul- 
ordnung zu befördern, aber bis zum Jahr 1764 
geschah in dieser Angelegenheit nichts mehr: 
sie war selig eingeschlafen. 

1763 tauchte der Gedanke auf, dass es nütz- 
lich wäre, an der Obern Schule ein Kollegium 
über die prudentia ecdesiastica einzurichten; 




« 



Die theologische Lehfinsüdt fai der ZitSk von 1676—1770. 




^ 



der Tagfidie Rat beauftragte den Konvent, ein 
Qutaditen darüber auszufertigen und dassel- 
Uge den Sdiulräten zur Erdauerung einzuge- 
ben. Das geschah und der Schulrat ernannte 
eine besondere Kommission, welche auf Onind 
des Gutachtens des Konvents an die Oberbe- 
hörde Anträge stellen solHe; in dieselbe wur- 
den gewählt der Landvogt von Wattenwyl von 
Nidau, Dekan Zehender, der Theologus Saldili 
und der Orossweibel Daxelhofer; die im Jahr 
1759 zur Feststellung der Pensa der Obern 
Schule eingesetzte Kommission war also be- 
reits vergessen ! Den 16. Januar 1764 wurde die 
Kommission in Sadien der prudentia ecdesias^ 
tica beauftragt, des weitem noch zu bedenken, 
was fiberiiaupt ffir Aenderungen zum Nutzen 
der Akademie vorgekehrt werden sollten, und 
das Herauskommende zu seiner Zeit dem Schul- 
rat mitzuteilen.^ So war also die Schub^form 
aufs neue in Fluss gekommen und die Kommis- 
sion fasste ihre Aufgabe so auf, dass sie die 
ganze, immer nodi in Kraft stehende Schulord- 
nung von 1676 revidieren und mit den annehm- 
baren Forderungen der Zeit in Uebereinstim- 
mung bringen sollte. Sie erhielt aber vom 
Schulrat die Weisung, sich auf die Reform der 
Obern Schulen zu beschränken und für die 
Untere die Einrichtung beizubehalten, welche 
anno 1753 von Professor Kocher abgefasst und 
gutgeheissen worden war.* Für die Obern 
Schulen zog sie« wie redit und billig, auch das 
Reformprojekt von Haller herbei. 

Den 14. Januar 1765 lag die ganze neue 
Schufordnung dem Schulrat zur Diskussion vor 
und vrurde vom Anfang bis zum Ende mit einer 
in dieser Behörde sonst unbekannten Sdmellig- 
keit den 25. Februar gutgeheissen und geneh- 
migt; verworfen wurde ein einziger Paragraph, 
der den Professorenekl enfliielt^ Der Schulrat 
sagte sidi, dass derselbe allerdings in der Sdiul- 
ordnung von 1616 vorgesehen, in derjenigen 
von 1676 aber nicht mehr enthalten und seiner 
seither nicht mehr Meldung geschehen sei mit 
Ausnahme jenes Jahres, da ein Weltlicher (Pro- 



fessor Frisdüng) zum Lehrer der Oriediisdien 
Spradie erwählt worden war.^ 

Baki nachdem der Schuhet sein Projekt der 
Regierung eingegeben hatte, erschien in Bern 
eine anonyme Schrift «Essay sur Piduca- 
tion publique», welche die Schulzustande 
Berns einer hert>en Kritik unterzog und eme 
Reihe positiver Vorschlige zur Veibesserung 
derselben machte. Das Bfidielchen war dazu 
angetan, in den beteiligten Kreisen und einem 
weitem Publikum Aufsehen zu erregen und 
wurde offenbar vielfach gelesen und allgemein 
gebilligt In milder Form geschrieben, ohne 
ugend jemanden zu verietzen, aber in der 
Sadie sdiarf und den Nagel auf den Kopf tref- 
fend, gab es aller Welt emen Spiegel der ver- 
rosteten Einrichtung der Untern und Obern 
Sdiulen in Bern, wie er in soldier Offenheit 
und Eindringlichkeit den regierenden Herren 
noch nie vorgehalten worden war. Trefflicher, 
als der Verfasser dieser anonymen Sdirift das 
Schulwesen unserer Stadt in damaliger Zeit ge- 
schildert hat, kann es nicht geschehen. Trefflich 
vrird da auseinandergesetzt, vrie der ganze Un- 
terricht, nachdem die Kirche den Oeist ihres 
Standes und ihrer Studien in die Anstalt hinein- 
getragen, im Studium der toten Sprachen, der 
theologischen Bücher und der spekulativen Phi- 
losophie sich konzentriert, als ob jedermann 
einmal ein Lehrer oder Priester werden sollte, 
wie aber selbst fOr den Theologen und Lehrer 
die Bildung, die er bis anhin erhatten, voU- 
stimdtg ungenügend und unzeitgemäss sei und 
was für verkehrte Wege die Methode einsdilage, 
welche im Unterricht selbst, namenflidi der 
alten Sprachen, innegehalten werde, so dass die 
Schule nicht einmal die wenigen Ziele, die sie 
sich gesteckt, erreiche. 

Für die Obere Schule wird deshalb folgende 
Einrichtung vorgeschlagen: 

Die Akademie zerfallt m drei Abteflungen, 
eine für die Theologen und Weiflichen zusam- 
men, eine zweite für die politische Jugend und 
eine dritte für die Theologen allein. 




Ift 



Die tiieologisdie Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



Die erstere umfasst drei Jahreskurse; in 
ihr steht das Studium der allgemeinen und 
Sdiweizergescfaichte, der praktischen Mathe- 
matik und Experimentalphysik, sowie der Na-* 
turwissensduiften im Vordeignmd; diese er- 
reichen ihren Absdiluss in der Chemie, Physio- 
logie und Anatomie. Die Uebungen der alten 
Eloquenz machen Vortragen in deutscher Spra- 
die namentiidi Ober Themata aus der Schwel- 
Zeigeschichte Platz. 

Die zweite Abteilung ist die Rechtsschule 
unter der Leitung des Professor juris ; hier soll 
zugleich die ästhetische Bildung der politischen 
Jugend durch Vorlesungen iiber die Geschichte 
der Kflnste vervollkommnet und dieselbe zu 
weitem Studien auf diesem Oebiet angeregt 
werden, zu welchem Behuf der Staat fOr die 
Akademie einen Kunstler als Professor extra- 
ordinarius zu gewinnen hat 

Parallel mit dieser Abteilung geht die dritte, 
welche der eigentlichen Qottesgelehrsamkeit 
gewidmet ist, in welche die künftigen Theolo- 
gen aber erst eingeführt werden können, nach- 
dem sie in der ersten Abteilung auch für das 
praktiscfae Leben richtig vorbereitet worden 
sind. 

Ebenso trefflich und zeitgemäss, wie die Re- 
förmvorsdilage für die Obere Schule, sind in 
dem Essay sur F^ducation publique diejenigen 
für die Untere Schule ; sie atmen durdiaus den 
Oeist Rousseaus, wie denn überhaupt der Au- 
tor des Essays vollständige Vertrautheit mit der 
pädagogischen Litteratur seiner Zeit zeigt und 
deren Lehren der bemischen Jugend zu gute 
kommen lassen wilL^ 

Nadidem der Essay sur T^ducation publique 
erschienen war, mochten die ehrsamen Schul- 
räte wohl einsehen, dass ihr Projekt im Ver- 
gleich zu den Vorschlägen des Anonymus ganz 
und gar unzureichend sei und die von dem- 
selben so scharf kritisierten Zustände nicht viel 
bessere. Ihrem eignem Einsehen folgend und 
gewiss auch dem Drack von aussen nachge- 
beod» zogen sie den 22. August ihr Projekt 



^ 



aus der Kanzlei zurück und besdilossen, eine 
Kommission mit der nodunaligen Revision der 
ganzen Schulordnung zu beauftragen ; dieselbe 
bestand aus dem alt-Landvogt v. Wattenwyl 
von Nidau und den Professoren Wilhelmi und 
Fellenbeig mit Zuzug des BibliotfiekaiB Sin- 
ner.* 

Der Zettel des Schulrates an diese Revisions- 
kommission ist die reinste Selbstanklage : ^ 

«Da heute die wohlgemeinte Ahndung ge- 
schehen, dass in der Mngh. zur Sanction vor- 
gelegten, und würidich in der Kanzley zur 
Communication ligenden neuen Schul Ordnung 
verschiedene Haubtfehler nicht berührt seyen, 
auch solche in Absicht der politischen Aufer- 
ziehung sehr mangelhaft seye, es also nöhtig 
wäre, solche noch in mehrerem auszuarbeiten, 
zu welchem End dann ein neulich herausge- 
kommener Tradat, Essay sur l'Education pu- 
blique, sonderheiflich dienlich wäre. So haben 
Mehgh. die Schul-Räht in der Absicht der öf- 
fentlichen Auferziehung bestmöglichst Recfaen- 
schafft zu tragen. Euch freundlich ersuchen 
wollen, mit Zuziehung beliebiger Personen so- 
wol den obgedachten Tradat als die bisher 
zum Vorschein gekommene, auf Verbesserung 
der offenflichen Schulen abzwekende Projekte 
einzuschauen, soldie soigfältig zu fiberlegen, 
die neue Schul-Ordnung zu revidieren und 
seiner Zeit Mnhghh. Euer disörtiges Gutachten 
zu referieren.» 

Die Kommission vermehrte sidi durch Zu- 
ziehung Albrecht von Hallers, der bereits wie- 
der von Roche nach Bern zurückgekehrt war.^ 
Ihre Arbeit ging rasdi von statten; schon zu 
Anfang des Jahres 1766 erschien ihr höchst 
lesenswerter « Vorschlag zu einer besseren Ein- 
richtung unserer Schulen insonderheit m Ab- 
sidit auf die politische Auf endehung der jungen 
Buigerschaft» im Druck und wurde vom Schul- 
rat der Oberbehörde eingegeben. 

Ueber die SteUungnahme der Kommission 
und also audi des Schulrates in pleno zu den 



143 



Hl 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



m 



Ausffihrungien und Anregungen des Essays be- 
sagt uns dieses Dokiunent folgendes: 

«Und hier wünschen wir: dass man das 
Essay d'^ducation publique nachlesen mödite, 
in allem demjenigen, was unsere Instituta und 
Qewohnheiten der Schule berührt, obschon wir 
in dem einen und anderen, was die Pensa der 
Classen und die Einrichtung derselben betritt, 
von demselben in etwas abweichen, so sind 
wir dennoch mit dem gelehrten Verfasser des- 
selben einmüthig und er ist es mit uns. » 

In der Tat sind die Reformvorschläge des 
Schulrates im ganzen und grossen und in den 
Hauptpunkten dieselben, wie diejenigen im 
Essay. Auch der Schulrat verlangt für die Aka- 
demie vor allem die Kreierung von zwei neuen 
Kathedern, für Qesdiichte, speziell die Schwei- 
zeigeschichte^ und für die Naturgeschichte. 

Mit eindringenden Worten wird die Not- 
wendigkeit des Studiums der Naturgeschichte 
dargetan. Es ist natürlich der grosse Natur- 
forscher Haller, der im «Vorschlag» seinen 
Landsleuten zuruft: «Diese Wissenschaft, die 
uns allein das Reich der Natur öffnet, und uns 
mit dem Erdboden, den wir bewohnen, bekannt 
macht, wird gegenwärtig von allen Völkern 
von Europa mit dem allerstrengsten Fleiss be- 
trieben... Ein Staat ist allemahl reicher und 
mächtiger, der die Gewächse und Producten 
seines eigenen Landes kennt, als der, dem sie 
verborgen sind, und der sie also nicht nuzen 
kann. Die wahre Unabhängigkeit eines Staates 
bestehet eben in der Kenntniss der Oüter seines 
Landes, die den Fleiss seiner Einwohner äuf- 
nen, und allein seinen wahren Reichthum ver- 
mehren können. Wir sind vielleicht von allen 
Staaten in Europa, in welche die Wissenschaf- 
ten einigermassen eingedrungen, diejenigen, 
die in diesem Stucke am weitesten zurück ge- 
blieben sind. Wenn aber eine Wissenschaft zu 
dem besten des Lands nuzlich seyn soll, so 
muss sie allgemein werden und eben deswegen 
muss sie ein Theil der Unterweisung der Ju- 
gend seyn.» 



Damit der Unterricht in der Natuigesdiidite 
auf die Anschauung gegründet werden könne, 
verlangt der Schubat, dass mit Hülfe der Pfarr- 
herren und Amtleute des ganzen Kantons ein 
grosses naturhistorisdies Museum angelegt 
werde, welches alle Naturprodukte des Stan- 
des Bern und der angrenzenden Lander in sich 
vereinigen und unter d^ Leitung und Auf- 
sidit des Professoris historiae naturalis sich 
beständig vervollkommnen sollte; in seinen 
Räumen sollte der Lehrer der Natuif^eschidite 
die Jugend unterrichten und durch Experimente 
«seinen Zuhörern rechte Begriffe beibringen, 
welche die Theorie und die Lesung der Bü- 
cher nur unvollständig gibt». 

Neben dem Lehrstuhl für die Naturwissen- 
schaft verlangt der Schukat — natürlidi wieder 
auf die Initiative Hallers hin — em CoUegium 
anatomicum und physiologicum : für angehende 
Chirurgen, Media u.s.w., insbesondere aber 
für die Studierenden der Theologie 
sollen Vorlesungen über die Anatomie von 
einem Stadt-Physikus gehalten werden. «Man 
betrachte nur — sagt er — wie viel Outes die 
Herren Pfarrtierren auf dem Land, weldie eine 
mittelmässige Kenntniss von der Physiologie, 
und der fümehmsten Zufällen, welchen die Oe- 
sundheit und der Leib des Menschen bloss ge- 
sezet ist, besizen würden, bey ihren Oemeinds- 
Angehörigen, mit Ertheilung guter Räthe und 
Anzeigen einfältiger Mittlen, ja oft nur einer 
vernünftigen Vorsorg in Krankheiten, schaffen 
könnten. » 

Ueberiuiupt sind die Fächer, weldie der 
Schulrat für die politische Jugend gegeben 
wissen will und in einer besondem Tabelle 
anschaulich zusammenstellt, dieselben, wie sie 
der Autor des Essays verlangt, und dasselbe 
gilt auch im ganzen und grossen von den Pen- 
sen in jedem einzelnen Fach, wenn audi der 
Unterrichtsstoff mehr zusammengedrängt ist, 
da der Schulrat nur drei Jahreskurse vorsieht 

Auch in Bezug auf die Untere Schule geht 
der Schidrat mit den Vorschlägen des Essays 




« 



Die theologische Lehranstalt in der Zeit von 1676—1770. 



51 



in den Hauptpunkten einig und empfiehlt an 
Stelle des Klassensystems das Fachsystem, wie 
es in A. H. Franckes Pädagogium eingerichtet 
worden war.^ 

Im April 1766 behandelten Rät und Burger 
das vom Schulrat ihnen vorgelegte wichtige und 
«weit aussehende» Reformprojekt. Leider ab- 
strahierten sie von der Anstellung eines Leh- 
rers für die vateriändischen Geschichten und 
eines Professors historiae naturalis; an der 
Obern Schule sollte es vor lauf ig beim 
Alten bleiben und ins Wasser fielen alle 
Vorschläge insgesamt, welche der Schulrat für 
die höhere Ausbildung der politischen Jugend 
gemacht hatte. Die Grundsätze für die Um- 
gestaltung der Untern Schule jedoch wurden 
vom Grossen Rat gebiOigt und der Kredit für 
die Anstellung eines deutschen Lehrmeisters 
und eines Zeichenlehrers bewilligt, sowie dem 
Magister matheseos und dem Schreibmeister 
für die verlangten Mehrleistungen die Besol- 
dung erhöht^ 

Nachdem die neue Ordnung für die Untere 
Schule gedruckt und dem Publikum bekannt 
gegeben worden war, wurden noch im Lauf 
des Jahres 1766 die nötigen Wahlen vollzogen 
und den 5. Januar 1767 die Reform durch 
einen feierlidien Schulakt inauguriert und der 
Unterricht nach dem neuen Plan sofort be- 
gonnen. 

Wer weiss, wie schwer es hält, im Schul- 
wesen überhaupt Aenderungen durchzuführen, 
und dass einschneidende Neuerungen nicht un- 
vermittelt, sondern nur allmählig durch weise 
Uebergangsbestimmungen, welche der dama- 
lige Schulrat ganz ausser Acht gelassen zu 
haben scheint, feste Gestalt gewinnen, kann 
sich nicht darüber wundem, dass die neue Ord- 
nung der Dinge nur von ganz kurzer Dauer 
war. 

Der Schuhat hatte die Rechnung ohne den 
Wurt gemacht; er hatte auf den guten Willen 
der Provisoren vertraut und dieser war nidit 



da. Schon vor der Einführung der Reform hat- 
ten dieselben gegen die modernen Dinge, die 
man ihnen zumutete, und gegen die neue Me- 
thode, die an Stelle der althergebrachten Lehr- 
weise treten sollte, nach Kräften Opposition 
gemacht und nach der Einführung machten sie 
sie überall und bei jeder Gelegenheit schlecht 
und zogen sie öffentlich durch.^ Man hatte die 
Rechnung audi ohne den Wirt gemacht^ weil 
die Provisoren nicht im stände waren, die neu 
emgeführten Fächer, Deutsch, Geschidite und 
Geographie, im Sinn und Geist der Reform zu 
erteilen, und weil sie nidit alle dazu befähigt 
waren, als Fachlehrer auch in den obem Klassen 
zu unterrichten. So war denn an der Schule bald 
eine Konfusion und eine förmliche Anarchie; 
auf die Aufforderung des Täglichen Rates, ihm 
über den Zustand der Anstalt und den Erfolg 
der Reform ein Gutachten abzugeben, antwor- 
tete der Schulrat^ in ausführlicher Auseinander- 
setzung, dass es fast in allen Fächern den 
Krebsgang gehe und dass auch die Disziplin 
unter der neuen Ordnung bedeutend gelitten 
habe. 

Schon im Februar 1768 besdiloss der Grosse 
Rat,^ dass wieder eine jede Klasse ihren eige- 
nen Provisor haben solle, und bald nachher 
wurde dem Deutschlehrer der Abschied ge- 
geben, die Stunden für Geographie, Geschichte, 
Mathematik und Zeichnen auf ein Minimum 
beschränkt und dem Lateinischen wiederum 
fast die ganze Unterrichtszeit eingeräumt 

Zur guten Letzt, und um allen Neuerungen 
vorzubeugen, wurde die zu Anfang des Jahres 
1765 der Kanzlei übeigebene und durch die 
besprochene Ordnung von 1766 ersetzte Ord- 
nung vom Schulrat wieder vor die Hand ge- 
nommen, nach dem Status quo revidiert und 
nach erfolgter obrigkeitlicher Sanktion dem 
Drude fibeigä)en. Es ist dies die dritte voll- 
ständige Schuk>rdnung vom Jahr 1770, mit der 
die Reaktion einen vollständigen Triumph fei- 
erte. 




145 



Die Schulordnung von 1770 und die 
letzten Dezennien des 18. Jahrhunderts. 




Nadi dem, was wir Ober die Geschichte der 
Schulordnung von 1770 bereits mitgeteilt ha- 
ben, erübrigt uns, das neue, was in dieselbe 
au^nommen wurde, sowie einige schon frü- 
her getroffene Bestimmungen, welche wu* im 
letzten Kapitel zu berühren nidit Gelegenheit 
hatten, hier zusammenzufassen. 

Ueber 

die Lehrer 

wird bestimmt, dass derjenige, welcher seine 
Vorlesungen für längere Zeit unterbrechen will, 
die Erlaubnis dazu erhalten kann, wenn er dem 
Schulrat einen genehmen Vicarius stellt Bei 
lange andauernder Krankheit eines Professors 
hat der Schulrat für einen Stellvertreter zu sor- 
gen. 

Der Theologus prim. hat den ersten Rang, 
die übrigen Professoren nehmen ihn nadi der 
Zeit ihrer Erwählung. 

Nur der Theologus prim. und die Profes- 
sores juris und matheseos, sowie alle Pro- 
fessoren, die nicht Konventsmitglieder sind, 
geniessen vom Amtsantritt an ihr Einkommen 
und bleiben dabei; diejenigen, welche Kon- 
ventsmitglieder sind, werden nach ihrem Rang 
besoldet. Die Behausungen beziehen sie nach 
dem Konventsrang.i 

Jeder Professor, der Konventsmitglied ist, 
kann, ausser dem Theologus Primarius, Prae- 
positus werden für sechs Jahre mit Beibehal- 
tung der seinem Rang zukommenden Pension, 
mit Ausnahme der zweiten theologischen Be- 
soldung, welche kein Praepositus geniessen 
soQ; dieselbe fällt dem ältesten der übrigen 
Professoren zu. Dem Praepositus im Kloster 
folgt der auf der Schul, d. h. der Herr auf 



der Sdiul ist derjenige, welcher nach dem Herrn 
im Kloster den nächsten Rang hat' 

Ein jeder Professor soll in seinem Kehr drei 
Jahre lang Rektor und die drei folgenden 
Prorektor sein.' 

Mit besonderer Ausführlichkeit smd in der 
neuen Ordnung die einzelnen Promotionen be- 
schrieben. Die Bestimmungen für dieselben 
lauten: 

V 

«1. Promotio ad Philosophiam. 

Wenn die Studiosi zwey Jahr in dem Audi- 
torio Eloquentiae gestanden, sollen sie in allen 
ihren Pensis genau geprüft, und darauf die 
tüditigen ad Philosophiam promoviert werden.» 

«Promotio ad Theologiam. 

Gleichfalls sollen die Studiosi, nachdem sie 
drey Jahr in Philosophia gestanden, in allen 
ihren Pensis genau geprüft, und darauf die 
tüchtigen ad Theologiam promoviert werden. 

Bey diesen beiden Promotionen ist zu be- 
obachten, dass die Studiosi, welche zurückge- 
lassen werden, sich nach einem halben Jahr, 
nemlich bey der nächstfolgenden General-Cen- 
sur, wiedermahl um die Promotion angeben 
können, da dann, fahls sie derselben würdig 
geachtet werden, sie sich mit ihrer Promotion 
wieder vereinigen, in derselben den untersten 
Rang beziehen, übrigens aber die gleichen Vor- 
teile geniessen können, als wenn sie schon 
das erstemahl wären befürdert worden; die- 
jenigen aber, welche zum zweytenmahl zurück 
bleiben, dieselben können nicht mehr in ihre 
alte Promotion übergehen, sondern gehören 
von nun an in die untere Promotion, und sol- 
len mit derselben ihre academischen Jahre voll- 
bringen.» 




146 



« 



Die Sdiuloidnung von 1770 und die leixten Dezennien des 18. Jahrhunderts. 



^ 



cPromotio ad Theologiam 
superioretn. 

Nachdem die Studiosi zwey Jahr in der 
Theologie gestanden, sollen sie in allen Pensis 
aufs genauste geprüft, und die tüchtigen ad 
Superiorem Theologiam promoviert werden. 
Wer hier zurück bleibt, kan sich mit seiner 
Promotion nicht mehr vereinigen, noch sich 
nach einem halben Jahr dafür anmelden, son- 
dern er wird in die untere Promotion hinunter- 
gesetzt, und muss ein ganzes Jahr warten, ehe 
er wieder zum Vorschein kommen kan. Diese 
Promotion gibt erst den Oradum ad Ministe- 
rium, und so lange ein Studiosus dieselbe nicht 
erhalten, so lange bleibt er unfähig pro Mi- 
nisterio examinirt zu werden.» 

«Von der Promotion ad Ministerium. 

Diese Promotion wird durch die Combinirte 
Cammer E. E. Kirchen-Konvents und des Schul- 
raths unterm Praesidio des Herrn Dekanen 
verrichtet, und soll alle zwey Jahr oder eher, 
so es die Nothwendigkeit erfordert, mit denen 
zweyen obersten Promotionen in der Theolo- 
gie vorgenommen werden. 

Vor allem aus wird es hier um das Exa- 
men Vita e der Candidandorum zu thun seyn. 
Zu dem End soll sich die combinirte Cammer 
vor Anfang des Examinis Doctrinae versamm- 
len, und von jedem Assessoren, vomemlich 
aber von den Herren Professoren einen ge- 
wissenhaften und grundlichen Bericht begeh- 
ren, Ober das, was Ihnen in ansehen des Leb- 
wesens eines jeden Candidandi bekannt seyn 
mag; Man soll auch denen Candidandis, so 
auf Conditionen gestanden, oder ihre Zeit äus- 
sert der Stadt zugebracht, glaubwürdige Zeug- 
nisse ihres Verhaltens abfordern und nach ein- 
gezogenen sattsamen Nachrichten, über einen 
jeden insbesonders die wichtige Umfrage hal- 
ten: Ob man seinen Wandel und seine Sitten 
80 beschaffen finde, dass man von seinem künf- 
tigen Leben gute Früchte hoffen, und Ihme 



demnach die Ausübung des heiligen 
amts anvertrauen könne. 

Wer in diesem Examine unwürdig erklärt 
wird, der bleibt für diesesmahl völlig zurück, 
und soll auch für künftige mahl ausgeschlossen 
bleiben, er gebe dann genügsame Proben seiner 
Besserung. 

Diejenigen, welche probhältig erfunden wer- 
den, werden zum Examine Doctrinae zu- 
gelassen, und sollen demnach in der Theofe- 
gie, im Predigen und analysiren, im Hebrä- 
ischen und Griechischen, in der Philosophie, 
und im Disputiren, wie auch in der Singkunst, 
ohne Ausnahme erforschet, über jeden insbe- 
sonders ein gewissenhaft Urtheil gefällt, und 
die tüchtigen ad Ministerium promovirt, die 
untüchtigen aber zu Erwerbung mehrerer Ge- 
schicklichkeit zurück gewiesen werden. 

Welche nun in diesen beyden Proben richtig 
erfunden werden, die eriangen die Gewalt zu 
predigen, und die heiligen Sacrament zu ad- 
ministriren, und sollen zu dem End durch den 
Herrn Decanen öffentlich eingesegnet, mit der 
Handauflegung versehen, und durch den Herrn 
Praesidenten des Schuh-aths, nach der in der 
Predikanten-Ordnung enthaltenen Formel, be- 
eydiget werden.» 

Die Disziplinarbestimmungen, 

weniger hart wie friiher und dem Zeitgeist 
mehr angepasst, heissen in der neuen Ord- 
nung also: 

«Vor allem aus werden von allen Studiosis 
gute Sitten und ein ehrbarer Wandel gefordert, 
wie auch gebührende Ehrerbietung und Gehor- 
sam gegen ihre Lehrer und Vorgesetzte. 

Gleichermassen verlangt man von allen Stu- 
diosis, dass sie ihre Zeit und Gaben wohl an- 
wenden, und es in Erlernung der nöÜiigen 
Wissenschaften an ihrem Fleiss keineswegs er- 
manglen lassen. Jeder Studiosus soll seine 
Kost und Wohnung an einem anständigen Ort, 
und bey ehriichen Leuten beziehen; Er soll 
dieselbe dem Herrn Rector anzeigen, und auf 




« 



Die Schiilordnuiig von 1770 und die letrten Dezennien des 18» Jahrlnuiderfs. 



1» 



dessen Befehl einen andern Airfentiialt auszu- 
suchen schuldig seyn. 

Die Studiosi sollen um geringer Sdiulden 
willen, und wegen geringen Händlen vor den 
Herrn Rector dtirt und von Ihme beurtheilt 
werden. Wenn aber die Sachen von Wichtigkeit 
sind, so soll der Herr Rector dieselben dem 
Untern, oder nach Bewandtniss dem Obern 
Schubath anzeigen, und ihrem Urdieil über* 
lassen. 

Welcher Studiosus sich unfleissig, ausge- 
lassen, oder ungehorsam bezeigen wurde, wie 
audi diejenigen, welche sich in Streitigkeiten 
einlassen, oder mit Scheit- oder Schläghändlen 
veigehen wurden, die sollen für den Untern 
Schulratii bescheiden, und dorten nach Be- 
sdiaffenheit ihres Fehlers, mit einer Censur, 
Einstellung im Benefido und im Catalogo, 
oder mit der academisdien Gefangenschaft ge- 
straft, oder auch ad aliud vitae genus gewie- 
sen werden. 

Die widerspänstigen und hartnäckigen aber, 
von denen keine Besserung zu hoffen, sollen 
dem Obern Schulrath verleidet, und von dort 
aus dem Catalogo Studiosorum Verstössen wer- 
den. 

Ein gleiches soll man mit denen vornehmen, 
die sich in grobe Fehler vertieffen, und alle 
die ohne Ausnahme Verstössen, welche sich 
emes Diebstahls, Betrugs, ärgerlichen Schlä- 
gerei schuldig machen oder dem Wein und 
Unzucht eigeben wurden. Ja wenn die Grösse 
des Veigehens mehrere Strafe erforderte, so 
soll sich der Schulrath an der Verstossung nidit 
veign&gen, sondern auch über das aus die Fehl- 
baren dem vireltlidien Riditer anzeigen, und 
seiner Bestrafung überlassen. 

Der Schukath soll femers auf alle die ein 
wachsames Auge haben, welche wegen Leibs- 
oder Gemuths-Schwachheifen in den Studiis 
nidit forticommen können, und soll dieselben 
bey Zeiten zu einer angemessenen Begangen- 
scfaaft weisen. 

Denen Studiosis ist und bfeibt ohne Unter- 



schied verbotlen emen Canzel zu besteigen, 
oder die heiligen Sacrament zu admmistriren. 

Die Studk>si sollen aller Orten eine ehrbare 
und ihrem Stand angemessene Kleidung tra- 
gen ; Insbesonders sollen die Studiosi Eloquen- 
tiae bey allen öffentlichen Exerdtiis im Mantel 
erscheinen. Die Studiosi Philosophiae und Theo- 
logiae dann, im schwarzen Kleid, Mantel und 
RabatfL 

Die Studiosi Philosophiae und Eloquentiae 
sollen alle Sonn- und Fest-Tage, Vor- und 
Nachmittag, wie auch alle Donnerstage am 
Morgen den Gottesdienst in dem grossen Mün- 
ster besuchen ; Sie sollen sich daselbst an ihrem 
bestimmten Platz einfinden, nach geendigtem 
Gottesdienst in der Ordnung ins Kloster zie- 
hen, und allda ihr adsum geben. Alle Studiosi 
sollen ihre Lectiones und Exerdtia, wie auch 
alle offentiidien Orationes und Disputationes 
fieissig besuchen; Von den Examinibus und 
Censuren aber soll sich ohne dringende Noth 
oder ausdruckliche Erlaubnuss kdner entfer- 
nen. Wddie im eint- oder andern saumselig 
seyn, oder sidi dabey ungebührlich aufhihren 
wurden, die sollen von den Censoribus auf- 
gezeichnet, und zu der geordneten Buss ge- 
halten werden. Alle Monate sollen die Studiosi 
ihre Bussen bezahlen ; wurden sie darin saum- 
selig oder excedentes seyn, so sollen sie von 
den Censoribus dem Untern Schulrath vemam- 
set, und von dort aus zur Gebühr gehalten, 
oder in ihrem Rang hinuntergesetzt werden. 

Man hat das Zutrauen zu denen Studiosis 
Theologiae, sie werden den Gottesdienst aus 
eigenem Trieb besuchen; dessgkidien veriasst 
man sidi auf die Studiosis Superioris Hieolo- 
giae, sie werden sich in denen Lectionibus 
von Selbsten fleissig einfinden, und will deme- 
nach alle Studiosos Theologiae von den Straf- 
gesätzen in ansehen des Predig gehens, und 
die Superiores auch in ansehen der Lectionen 
ausgenommen haben.» 

Mildere Bestimmungen bringt die neue Ord- 
nung auch 




148 



^ 



Die Sdiiüoidnttng von 1770 nnd die letzten Dezennien des 18. Jahilntndertt. 



» 



den zu frühe weibenden 
Studenten : 

«Ueberhaupt ist allen denen, die sich dem 
Ministerio widmen, verbotten, sich zu heyra- 
flien, so lange sie die Imposition nicht em- 
pfangen haben. 

Sollte ein Studiosus gute und widitige 
Gründe haben zur Ehe zu schreiten, so soll 
er solche dem Schulrath anzeigen, welcher ihme 
nach Beschaffenheit seines Alters, Vermögens, 
und Fähigkeit, die Erlaubnuss dazu ertheilen 
kann. 

Wurde ein Studiosus wegen vorheif[ehender 
Schwangerschaft zum Heyrathen gezwungen 
seyn, so soll derselbe um eine Promotion ad 
Ministerium zurückgestellt werden. 

Ein gleiches soll man denen jenigen wieder- 
fahren lassen, welche sich ohne voriier erhal« 
tene Erlaubnuss heyrathen, wenn schon die 
Schwangerschaft der Einsegnung nicht vorge- 
gangen wäre. 

In allen diesen Fällen verlieren die Studiosi 
ihre Benefida so wohl des Mushafens, als auf 
Schul und Kloster, und sollen selbige, sobald sie 
sich heyrathen, abzutretten gehalten werden.» 

Verändert sind auch die Vorschriften für 
die Stipendiaten auf den fremden 

Akademien: 

«Der Schulrath soll von denen Hochober- 
keitlich geordneten academischen Stipendiis je 
von zwey zu zwey Jahren zwey Stipendiat an 
solche Subjecta aus den Candidatis, oder pro- 
xime Candidandis vergeben, von deren Fleiss 
und würklich erlangten Geschicklichkeit er auf 
angehörtes Zeugniss der Herren Professoren 
einen besonders guten For^ang hoffen kann. 

Pflichten der Stipendiaten. 

1. Sollen sie ihren Cursum Studiorum auf 
keiner andern als auf einer protestantisdien 
Academie absolviren, auch zu dem End vor 
ihrer Abreise dem Herrn Redor die Akademie 
vemamsen, auf welche sie sich zu begeben 
willens. Desgleichen sollen sie denselben 6 
Monate nach ihrer Abreise ihres Aufenthalts 



Studiorum ein- 




berichten, und Ihme 
senden. 

2. Sollen sie wenigstens 18 Monat äussert 
Lands zubringen. Neun Monate sollen sie auf 
der angezeigten Academie einen Cursum über 
theologische und zu ihrem Beruf gehörende 
Wissenschaften anhören, und dessen bey ihrer 
Rückkunft formliche Testimonia aufweisen ; die 
übrigen 9. Monate werden ihnen erlaubt nach 
ihrem Belieben einzutheilen, in so fem sie die- 
selben auf nutzliche Reisen verwenden. 

3. Nadi ihrer Rückkunft sollen sie sich bey 
dem Herrn Rector angeben, und längstens in- 
nert sechs Monaten durch eine von ihnen com- 
ponirte und gedruckte öffentliche Disputation 
ihre Progressen an Tag geben ; Es wäre denn 
Sach, dass sie würklich allhier pro Cathedra 
disputirt hätten, als in welchem Fall sie einer 
nochmaligen Disputation enthoben sind. 

4. Zu diesen Oesätzen sollen auch die Feld- 
predigere gehalten seyn, sobald sie ein Sti- 
pendium gemessen. 

5. Und fahls die ernten oder anderen diesen 
Pfliditen nicht genug thun, oder ad aliud Vitae 
Genus schreiten wurden, sollen sie den Genos 
ihres Stipendii wieder ersetzen, auch dafür 
vor dessen Antrettung genügsame Bürgsdiaft 
stellen. 

Auf diese Gedinge nun können die Stipen- 
diarii den ersten halben Theil des Stipendii 4 
Wochen vor ihrer Abreise erheben, und den 
andern halben TheU nach der halben Zeit ihres 
Aufenthalts, oder, wenn er dennzumahl noch 
nicht verfallen ist, sobald er wird verfallen seyn. 

Es sollen nicht nur die Oberkeitlichen Sti- 
pendiarii, sondern auch diejenigen, welche mit 
Hilf der Familien-Stipendien auf äussere Aka- 
donien reisen, gehalten seyn, nach ihrer Zu- 
ruckkunft durch eine offentlidie Disputation 
Proben ihrer Progressen abzulegen. » ^ 

Die Pensa der einzelnen Professoren sind 
im vorbeigehenden Kapitel alle besprochen 
worden; die neue Ordmmg änderte an ihnen 
nichts. Leider gibt uns dieselbe über die Zeit 



^ 



Die Schiiloidniing von 1770 nnd die letzten Dezennien des 18. JahitundertB. 



51 



der einzelnen Lektionen nicht genügenden Auf- 
schlüsse so dass wir nicht im stände sind, ge- 
naue Stundenpläne anzufertigen. 

Die Reformen des Jahres 1795. 

Im Jahr 1777 beschloss der Qrosse Rat, wie 
wir bereits gesehen haben,^ im Interesse der 
politischen Jugend die Revision der Schulord- 
nung von 1770. Dieselbe wurde zunächst' für 
die Untere Schule durchgeführt, für die Obere 
Schule aber erst im Dezember 1784 vom Schul- 
rat an die Hand genommen, aber nicht zu Ende 
beraten, da bald nachher die Verhandlungen 
wegen der Oründung des Politischen Instituts 
die Aufmerksamkeit der Behörden und der 
Schulfreunde auf sich lenkten und infolgedessen 
alle andern Reformbestrebungen für längere 
Zeit ruhten. 

Erst anno 1793 begann der Schuhat eine 
genaue Untersuchung der Akademie und spe- 
ziell der theologischen Lehranstalt vorzuneh- 
men; die Resultate derselben samt den Vor- 
schlägen für die nötigen Reformen legte er in 
einem von Professor Ith verfassten Befinden 
dem Qrossen Rat im folgenden Jahr zur Ge- 
nehmigung vor. 

Iths Arbeit liegt uns unter dem Titel « B e - 
finden über eine bessere Einrichtung 
des Unterrichts auf hiesiger Akade- 
mie» gedruckt vor, ein hochinteressantes 
Werk, das uns auf jeder Seite den einsichtigen 
Schulmann und den gründlicheniOelehrten zeigt. 
Mit der Geschichte der Schule vertraut, deckt 
er die Schäden und die verrosteten Einrichtun- 
gen der theologischen Lehranstalt mit allem 
Freimut auf und erkennt mit klarem Blick, wo 
und wie die Reform ansetzen musste, um die- 
selbe soviel wie möglich auf die Höhe der Zeit 
zubringen. 

Ihre dermalige Beschaffenheit charakterisiert 
Ith, wenn ich seine Hauptsätze kurz zusammen- 
fasse, vollkommen richtig also: 

« Die Grundlage der Akademie ist noch im- 



mer die nämlidie, wie zur Zeit der Reforma- 
tk>n: in ihr weht nodi derselbe Geist, der sie 
vor bald 300 Jahren beseelt hatte. Mitten im 
gewaltigen Strom der Veränderungen steht die 
tiieologische Akademie nodi einem Felsen 
gleich unerschüttert und unbewegt, wie sie vor 
Jahrhunderten war; wo man hinblickt, auf die 
Gesetze, die Sitten, die Lebensart, überall be- 
merkt man den Einfluss der unaufhaltsam fort- 
ari)eitenden und fortschreitenden Zeit, aber un- 
sere Akademie bildet noch am äussersten Ende 
des 18. Jahrhunderts Menschen, wie sie am 
Anfang des 16. Jahrhunderts brauchbar waren. 
Die ursprüngliche Akademie, so dürftig sie 
einem jetzt auch scheinen mag, war für ihre 
Zeit eine vortreffliche Anstalt, jedoch auch nur 
für ihre Zeit Wer aber die verschiedenen Schul- 
ordnungen von 1548, 1616, 1676 und 1770 mit 
einiger Aufmerksamkeit unter sich vergleidi^ 
wird finden, dass die nächstfolgende unmer 
auf die vorhergehende gegründet, gleichsam 
nur eine Wiederholung und Erneuerung der- 
selben war und zwar ohne wesentliche 
Verbesserungen; diese beziehen sidi 
grösstenteils nur auf die mechanische Einrich- 
tung, die Polizey, die Handbücher u.s.w., so 
dass die ursprüngliche Organisation in der 
aUerletzten Schulordnung immer noch sicht- 
bar ist 

* 

Die Mathematik ausgenommen hat die tiieo- 
logische Lehranstalt von den im 18. Jahrhun- 
dert gegründeten Lehrstühlen keinen Nutzen 
gehabt Der mathematisch-physisdie Lehrstuhl 
ist zwar in neuesten Zeiten trefflich oi^anisiert 
worden, aber die Vorlesungen seines Inhabers 
werden von den Studierenden der Theotogie 
gänzlich vernachlässigt und dieselben stehen in 
dem unglücklichen Wahn, diese Wissenschaf- 
ten gehören gar nicht in die Sphäre der Kennt- 
nisse eines künftigen Geistlichen. 

Der ganze Unterricht ist zu theoretisch: 
die Wissenschaften werden zu schulmässig be- 
trieben und mehr zum Behelf der Oelehrsam- 
kei^ als mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der 




150 



fl^ 



Die Scfaulordnung von 1770 und die leteten Dezennien des 16. Jahrhunderts. 



51 



Mensdiheit vorgetragen. Femer ist der Unter- 
richt zu verbal: der Zweck des lateinischen 
und griechischen Lehrstuhls ist nicht, die Ju- 
gend zum Verständnis der klassischen Schrift- 
steller anzuführen, ihren Geschmack an jenen 
Mustern zu üben und auszubilden und ihr zu 
einem guten und jeden Gegenstand angemesse- 
nen Vortrag Anleitung zu geben, sondern sie 
die Sprache als Selbstzweck zu lehren. Wie 
polemisch aber immer noch dieser Unter- 
richt ist, erhellt schon daraus, dass fünf ver- 
schiedenen Lehrstuhlen Exerdtia disputatoria 
vorgeschrieben sind, und dass die Polemik 
die ganze Hälfte des Religionsunterrichts ver- 
schlingt 

Die toten Sprachen, die Theologie und der 
Kontrovers sind noch immer das Hauptge- 
schäft, was an unserer Akademie getrieben 
wird. Nun bleiben die toten Sprachen, eben 
weil sie tot sind, unabänderlich ; die Theologie 
ist auf die E)ogmatik eingeschränkt und diese 
an ein unwiderrufliches Symbol festgebunden; 
neben beiden steht die Polemik in beständiger 
Waffenrüstung mit dem Auftrag, alles so zu 
erhalten, wie es ist; alles neue, ohne Unter- 
suchung, ob es wahr oder urig sei, bk>ss da- 
rum, weil es neu und mit den hergebrachten 
Begriffen nicht in Uebereinstimmung ist, als 
gefährlich zurückzuhalten. 

In unserer Akademie war nie die Philoso- 
phie an sich, sondern immer nur die besondere 
Meinung eines einzelnen Mannes vorgeschrie- 
ben und da sie von der Theologie immer nur 
als eine Magd angesehen und behandelt wur- 
de, so ist sie zu eben dem Stillstand verurteilt, 
weit entfernt demselben entgegenarbeiten zu 
können. » 

Nachdem Ith die Pensa der einzelnen Lehr- 
stühle genau besprochen und kritisiert hat, 
macht er für dieselben folgende Verbesserungs- 
vorschläge : 

«1. Auf dem Lehrstuhl der 

Eloquenx 
müssen anstatt der Versionen, der Konstruk- 




tionen und der PIiraseok)gie die Hörer mit den 
Altertümern, der Litteratur, dem StO, der Me- 
thode und dem Qeist der Alten bekannt ge- 
macht und angewöhnt werden, die vorzüglich 
schönen Stellen in ein ebenso reines und klassi- 
sches Deutsch zu übersetzen. 

Mit diesem Lehrstuhl ist die Geschichte 
zu verbinden und zwar sind der Universalge- 
schichte zwei Jahre mit drei Stunden wöchent- 
lich zuzuweisen. 

2. In den Vorlesungen und Uebungen des 

Professors der griediisdien Spradu 

sind die Klassen der Eloquenz und Philosophie 
von einander zu trennen ; ^ mit jener ist in zwei 
wöchentlichen Stunden ein griechischer Klassi- 
ker zu lesen und die Jugend mit den griechi- 
schen Altertümern und der Litteratur bekannt 
zu machen; in der Philosophie ist in einer 
Stunde die Critica sacra des Neuen Testamen- 
tes abzuhandeln, in einer zweiten das Neue 
Testament so zu lesen, dass sie zur Erklärung 
desselben angewandt wird und in einer dritten 
ein schwerer Profanschriftsteller also zu er- 
klären, dass dadurch der Geschmack mehr und 
mehr geübt und geläutert werde. 

Das Pensum der Sittenlehre ist vom 
griechischen Lehrstuhl zu trennen. 

3. Der 

hArSische Lehrstuhl 

ist vor allem vom Pensum der Katechetik zu 
befreien und das Exerdtium disputatorium in 
ein Exerdtium exegeticum zu verwandehi. Der 
Professor hebraicus soll alle 14 Tage den Zu- 
hörern der Theologie eine Stelle aus dem 
Alten Testament au^ben, über die sie eine 
exegetisdie Analyse schriftlich verfertigen wer- 
den, die er hernach öffentlich verbessern soll. 
In Zukunft sollen ihm, gleich den 
übrigen Professoren, sechs Stunden 
zufallen: zwei für die unterste Klasse 
sind der eigenflidien Sprachlehre bestimmt, 
zwei für die mittlere der Critica sacra veteris 



Die Sdraloidiiimg von 1770 imd die letzten Dezennien des la. Jihtlnmderti. 





testamenti und der kritisch-philologischen Bi- 
belerklirung, zwei für die oberste zu exegeti* 
sehen Voriesungen iiber das Alte Testament 
mit steter Rücksicht auf das Neue. 
4. In der 

Phib^phk 

ist der zu beschreitende Weg folgender: Man 
macht den Anfang damit, dass man die ober- 
sten Gesetze alles Denkens und die unverän- 
derlichen Regeln zusammenstellt, nach welchen 
einzig die Vernunft zum Ziel der Wahrheit ge- 
langen kann — die Logik. Hernach ent- 
wickelt man die obersten Prinzipien alles Er- 
kennbaren, sucht die allgemeinen Grundwahr- 
heiten auf, knüpft sie systematisch zusammen 
imd wendet sie auf die allgemeinen Objekte 
des menschlichen Wissens, die Welt, die Seele, 
die Gottheit an. Dergestalt entsteht die Meta- 
physik, welche naturgemäss in vier beson- 
dere Doktrinen zerfällt Die Ontologie, oder 
das System der obersten Grundwahrheiten ; die 
Kosmologie, oder die Anwendung jener 
Grundwahrheiten auf die Idee der Welt über- 
haupt; die Psychologie, oder die Anwen- 
dung derselben auf die menschliche Seele ; die 
Theologie endlich, oder die Anwendung da- 
von auf den Begriff der Gottheit Wenn aber 
die Philosophie für die Menschheit wirklich 
brauchbar werden soll, so muss sich an diesen 
theoretischen Teil derselben auch ein prakti- 
scher anschliessen, worin der Einfluss jener 
Theoremen auf Moralität und Tugend (beson- 
ders gezeigt werden muss. So entsteht die M o - 
ralphilosophie, welche von der theoreti- 
schen ebenso unzertrennbar ist, wie in einem 
Vemunftschluss die Konklusion von ihren Prä- 
missen. 

Wenn man nun am Ende dieses ganzen 
Systems einen Abriss der Geschichte der Phi- 
losophie wie in einem Gemälde aufstellte und 
mit diesem Lehrstuhl die Disputierübungen 
verbände, so wäre dadurch das philosophische 
Pensum so vollständig eingerichtet, als man es 



in einer so eng begrenzten Akademie, wie die 
unsrige ist, vernünftigerweise fordern kann.» 

5. Die beiden Stühle der dogmatischen und 
der etenktischen Theok>gie will Itii umgewan- 
delt wissen in den Lehrstuhl der theoretisdien 
und denjenigen der praktischen Theologie mit 
folgenden Pensen: 

«Der Professor der theo retischen Theo- 
logie trägt in vier oder fünf Stunden die 
ganze Religk>nswissenschaft vor, die Dogmatik 
und Moral umfassend. Der Unterricht muss 
allerdings gründlich und systematisch sein und 
bis auf die ersten Prinzipien der Exegetik und 
Vemunftreligion zurücksteigen; er soll aber 
nicht hauptsächlich gegen die Irrlehren gerich- 
tet sein, welche vor 100 und 200 Jahren unsere 
Lehrform befehdet haben, sondern die Religion 
soll vorzü£^ch von der Seite dargestellt wer- 
den, von welcher sie für den künftigen Volks- 
lehrer brauditmr, oder welches einerlei, für 
Wahrheit und Tugend und Beförderung des 
Menschenwohls anwendbar ist 

Die fünfte oder sechste Stunde wird der 
Kirchengeschichte gewidmet Dieser TeU der 
theologischen Wissenschaft darf nicht länger 
dem Privatfleiss der Studierenden überlassen, 
oder, was gleich viel heisst, verabsäumt werden. 

Dem Professor der praktischen Theo- 
logie fallen drei Pensa zu: die Homiletik 
oder die Kunst zu predigen, die Katechetik 
oder die Kunst zu katechisieren und die Pa- 
storaltheologie, oder die Anweisung, wie 
sich der Seelsorger in den verschiedenen Lagen 
und Veriegenheiten seines Berufes mit Klug- 
heit und pflichtmässig zu betragen habe. » 

In Bezug auf die praktische Durchführung 
der gemachten Vorschläge erinnert der Ver- 
fasser des Befindens am Schlüsse seiner Ar- 
beit daran, dass der griechische und hebräische 
Professor sich darauf freuen, nach der neuen 
Ordnung unterrichten zu dürfen, dass aber die 
beiden theologischen Lehrstühle dermalen noch 
unverändert bleiben sollten bis zur Erledigung 
des dogmatischen Katheders. 




DER ERDGE5CM0SS-GANG IM KLOSTER 

1903 



<t 



Die Schulordnung von 1770 und die letzten Dezennien des 18. Jahrhunderts. 



Den 27. Mai 1705^ nahm der Rat der Zwei- 
hundert den ganzen ihm vorgelegten Plan als 
zweckmässig an und erteilte ihm seine Sank- 
tion, in der Meinung, dass die Verbesserungen 
nicht mit einem Mal eingeführt würden, son- 
dern in dem Masse, wie die theologischen Lehr- 
stühle in Verledigung kämen. Zugleich er- 
kannte die oberste Behörde, dass der älteste 
der Professoren, sofern er dem Konvent ange- 
höre, der Primarius sei mit Qeniessung des 
dieser Stelle anhängigen Oehaltes. 

Der Beschluss der Zweihundert involvierte 
eine vollständige Revision der Schulordnung 
von 1770; der Schulrat, mit derselben beauf- 
tragt, sollte zugleich untersuchen, ob nicht auch 
an der Untern Schule Aenderungen vorgenom- 
men werden müssten, und feststellen, wie beide 
Abteilungen zu einem organischen Ganzen ver- 
bunden werden könnten. Wieder unterzog sich 
Professor Ith der Aufgabe, die neue Schulord- 
nung mit Hülfe seiner Kollegen auszuarbeiten. 

Inzwischen wurden die beiden theologischen 
Lehrstühle nach der neuen Ordnung besetzt. 
Den 20. Juni 1796 legte der Schuhet dem Täg- 
lichen Rat die Demission Johann Stapfers vor;^ 
dessen Kollege D. L Studer war bereits ge- 
storben. Den 25. August 1796 wurde Ph. A. 
Stapf er zum Professor der theoretischen 
Theologie gewählt^ und den 24. November 
desselben Jahres zum Professor der praktischen 
Theologie der Pfarrer zu Büren Samuel Stu- 
der, der schon bei einer frühem Probe von 
seiner Kenntnis der Bibelkunde und der orien- 
talischen Sprachen glänzende Beweise gegeben 
hatte.« 

Schon zu Anfang des Monats August war 
Professor Ith zum Pfarrer von Siselen ernannt 
worden; er liess sich aber erbitten, mit Bei- 
behaltung seiner bisherigen Würden und Aem- 
ter noch ein Jahr in Bern zu bleiben und die 
Schulordnung zu Ende zu führen.^ 

Nachdem dies geschehen war, wurde die 
Arbeit dem Schulrat vorgelegt, von demselben 
bestätigt und mit einem gedruckten Be- 




^ 



rieht, der die notwendigen Erläuterungen zu 
der neuen Ordnung enthielt, gegen Ende des 
Jahres der Behörde zur Genehmigung einge- 
geben — die Revolution begrub die 
Schulordnung des Jahres 1797. 

Die ProfestorengehUter. 

Zum Schlüsse dieses Kapitels besprechen 
wir wiederum die finanziellen Verhältnisse. 
Die Pensionen der Lehrer blieben im ganzen 
und grossen wie sie anno 1640 normiert wor- 
den waren.^' 

An dem Oehalt des Theologus hielt man 
bis zum Jahr 1786 fest, er erhielt also bis dahin 
500 Pfd., 60 Mütt Dinkel und 20 Mütt Haber 
nebst 12 Saum Wein. 

Die zweite theologische Professur^ wurde 
mit 400 Pfd., 64 Mütt Dinkel, 20 Mütt Haber 
und 10 Saum Wein honoriert 

Als die dritte Pension führen die Stiftsrech- 
nungen immer diejenige auf, welche im Jahr 
1640 den drei Professoren nach dem Theolo- 
gus zugesprochen worden war, also 400 Pfd., 
56 Mütt Dinkel und 16 Mütt Haber nebst 12 
Saum Wein. 

Von 1719 an werden dem Professor elo- 
quentiae als die unterste Pension aus dem 
Stift 1000 Pfd. (ohne Naturalia) entrichtet, und 
als die zweitunterste Pension bezahlt das Stift 
vom Jahr 1689 an 620 Pfd., 32 Mütt Dinkel, 
4 Mütt Haber und 6 Saum Wein. 

Ein Beispiel möge die Rangordnung veran- 
schauUchen. 

1730 entrichtete das Stift 

Pfand Dinkel Haber Wein 

Dem Theologus Primarius <*****> ^****^> ^^■^> 

Hortin .7 500 60 20 12 

dem 2. Theologus Ringier 400 64 20 10 

dem Prof. gnecus SalchU . 400 56 16 12 

dem Prof. Philosoph. Egger 620 32 4 6 

dem Prof. eloquent!« 

Uuffer 1000 - - - 

dem Herrn im iQoster, Prof. 

Scheurer — 60 20 12 

dem Herrn auf der Schul 

ProLSaldill - 8 4 - 




tft 



Die Sdralordnung von 1770 and die teilten Dezennien des 18L Jihrimnderts. 



Dann infolge der eingetretenen Mutationen 
im Jahr 1742 

PtaBd CHBltel Htbcr Wdn 
(Mttt) (Mfltt) (Som) 

dem Theoloffus Primarius 

Ringier 500 60 20 12 

dem zweiten Theologen 

Scheurer 400 64 20 10 

dem Prof. grccus Altmann 400 56 16 12 

dem Prof. philos. Brunner . 620 32 4 12 

dem Prof. doquenti« Kirch- 
berger 1000 — — — 

dem Herrn im Kloster, 

Prof. SalchU — 60 20 12 

dem Herrn auf der Schul, 

Prof. Altmann — 8 4 — 

Dieses ganze Besoldungssystem wurde im 
Jahr 1786 aushoben und infolge einer Ein* 
gäbe des Schukates an den Rat der Zweihun- 
derty in welchem dargestellt wurde, dass die 
Qehälter der geistlichen Professoren zu den 
Teuerungsverhältnissen in gar keinem Verhält* 
nis mehr stehen, den 18. Dezember des ge* 
nannten Jahres beschlossen, dieselben durch- 
gängig auf 600 Kronen (= 2000 Pfd.) nebst 
freier Behausung anzusetzen. Ausgenommen 
wurden von diesem Qrossratsbeschluss nach 
dem Wunsch des Schulrates die Katheder der 
beiden Praepositi auf Kloster und Schul. 

Infolgedessen wurden in Qeld dem unter- 
sten Katheder 300, dem zweituntersten 240, 
dem drittuntersten 120 und demjenigen des 
Theologus Primarius 60 Kronen zugelegt und 
zudem dem Rektor, der sich bis dahin mit 
einer Jahresbesoldung von 9 Kronen aus dem 
Schulseckel hatte vemfigen mässen, ein Fass 
LaCote-Wein jährlich zugestellt 

Billig fragt man sich, warum diese vollstän- 
dig veränderten Verhältnisse gerade im Jahr 
1786 eintraten und warum der Oehalt der Pro- 
fessoren gerade auf 2000 Pfd., bez. 600 Kronen 
angesetzt wurde. Die genannte Eingabe des 
Schuhates gibt uns darüber keinen Aufschluss, 
aber offenbar gab die Anstellung des Mathe- 
matikers Tralles den Anstoss zu dieser Bewe- 
gung. Tralles war den 14. Dezember 1785 mit 
einem Oehalt von 640 Kronen angestellt wor- 



f^ 



den,^ einer Besoldung, deren sidi keiner seiner 
Kollegen zu erfreuen hatte und so war es denn 
geradezu Pflicht und Schuldigkeit des Schul- 
rates, dafür zu sorgen, dass die einheimisdien 
Lehrer, die schon längere Zeit im Amt gestan- 
den, ebenso honoriert würden, wie der neu an- 
gestellte, noch ganz junge und aus der Fremde 
berufene Lehrer; daher seine Eingabe an den 
Orossen Rat vom 12. Juli 1786, in weicher er 
darum einkam, dass den geistlidien Professo- 
ren die Besoldung auf 600 Kronen ertiöht wür- 
de, wodurch sie mit freier Behausung, die dem 
Vertreter der Mathematik nicht zukam, hinter 
diesem nidit mehr zurückstanden. 

Wir schliessen hier noch die Benefizien der 
beiden Herren auf Kloster und Schul an, wie 
sie nach der Eingabe des Schulrates im Jahr 
1786 geordnet waren. 

«Einkommen des Praepositi auf der Schul, 
qua Professor et Praepositus zugleich, 
an Oeld Kronen 343, bz. 20 
Dinkel Mütt 64 
Haber „ 21 

Wein Saum 12 Neuenstadter u. Oberhoffner. 
Kleinodien für bz. 36. 

Von Mhh. Musshafenschaffher wird halb- 
jährlich in Oeld für 16 Musportionen die Kelle 
oder Portion zu 8 Mäs Dinkel gerechnet, be- 
zahlt der laufende Preis, wovon aber den Alum- 
nis ein Drittel gehört 

Denne Pfd. 80 Fleisch und Pfd. 138 Anken. 

Für die Oeconomie des Hauses 18 Klafter 
tanniges, 10 Klafter buchiges Holz und 1 Fuder 
Turben. 

Davon hingegen geht ab die Alimentation 
der Alumnorum, eines Knechts und einer Magd, 
welche gegenwärtig ungefähr auf K. 200 steigt 

Einkommen des Praepositi auf dem Kloster, 
qua Professor und Praepositus. 

An Qeld Kronen 466. bz. 5. 
Dinkel Mütt 110 
Haber „ 21. 




Ift 



Die Sditdordnung von 1770 und die letzten Dezennien des 18. Jahrhunderts. 



Wein 12 Safim Neuenstadter u. Oberhof her. 

Anken 2 Zentner. 

per Woche ein paar Mushafen MQtschen. 

Denne zur Heizung der Auditorien und für 
die Oeconomie des Hauses 10 Klafter buchiges, 
38 Klafter tanniges Holz und 1 Fuder Turben. 

Von diesem Einkommen geht ab die Ali- 
mentation der Alumnonun, weldie gegenwär- 
tig aufs wenigste beträgt Kr. 240. 



^ 



Dabey hat jeder Hh. Professor Wohnung 
und Oarten, 7. Klafter buchiges und 4 Klafter 
tanniges Holz und \y% Fuder Turben, jedoch 
mit Kosten f&r Aufmacherlohn und Fuhr, denne 
an Acddentien jähriich 3 Wastelen, bey der 
Mushafen Musterung 33 bz. — Strohgeld 15 bz. 
6 Mass Wermutfiwein, V4 ^ Senf von Aehlen, 
2 Köiblein Trauben.» 





155 



Ift 



Dm Pditifdie ImtHnt 



m 



nadi Mainz zu kommen, damit er ihn erst per- 
sönlich kennen lernen könne. IMQlIer adirieb 
zurück, er werde kommen, und hielt den 20. Ja- 
nuar seine Abschiedsvoriesung. Er sprach über 
den damaligen Zustand Europas, die Gefahren 
der Schweiz und über die Mittel, sie zu behaup- 
ten und im Notfall den angestammten Ruhm 
wieder emporzubringen. 

Der Patriotismus, der aus allen Worten 
Müllers heraussprach, begeisterte seine Zu- 
hörer derart, dass sie sofort übereinkamen, 
seine Anstellung durch den Kurfürsten zu ver- 
hindern oder doch wenigstens dahin zu wirken, 
dass er in kürzester Zeit wieder nach Bern zu- 
rückkehre; es bildete sich ein Initiativkomitee, 
mit Bonstetten und Kari Ludwig von Erlach 
an der Spitze, welches sich die Aufgabe stellte, 
die zur Erreichung dieses Zieles notwendigen 
Mittel und Wege ausfindig zu madien. Diesel- 
ben waren bald gefunden : die patrizischen Fa- 
milien verpflichteten sich, aus ihren «Kisten» 
Müller eine jährliche Pension von 120 Lx>ui8- 
d'or auszuzahlen, wenn er von Martini bis Ende 
Mai wöchentlich fünf Vorlesungen über die 
vaterländische Oeschichte halte mit besonderer 
Berücksichtigung der Verträge und Bündnisse ; 
auch einzehie Partikularen beteiligten sidi an 
der Subskription. Den 8. Februar schrieb Bon- 
stetten freudig nach Mainz und benachrichtigte 
seinen Freund von dem, was geschehen war. 
Eine halbe Stunde bevor dieses Schreiben in 
Müllers Hände gelangte, hatte dieser das An- 
ert>ieten des Kurfürsten, in seine Dienste zu 
treten, angenommen; das hinderte ihn aber 
nicht, den folgenden Tag an Bonstetten zu 
schreiben, er werde im November nach Bern 
zurückkehren, wenn er vom Schulrat beru- 
fen werde. 

In diesen selben Tagen erschienen in Bern 
zwei pädagogische Sdiriften, welche mit der 
besprochenen Berufung Müllers im Zusammen- 
hang stehen und auf die Ausgestaltung der 
Schulen unserer Stadt von entscheidendem Ein- 
fluss geworden sind. 



Die eme ist Bonstetiens Abhandhmg «über 
die Erziehung der patrizischen Fa- 
milien von Bern» — später nannte er sie 
einfach die «Patrizier»^ — in welcher er 
die Gründung eines besondem staaflichen In- 
stitutes für die künftigen Regenten befürwortet 
In demselben sollten die jungen Patrizie* durdi 
das Studium der alten, der vaterländischen und 
allgemeinen Oeschichte, sowie der Kriegsge- 
schidite, der deutschen Sprache und Litleratur 
und des Französischen für die Staatscarriere 
voibereitet werden. Zu diesem Zweck will er 
vor allem eine ordenfliche Professur für Qe- 
sdiichte kreiert wissen, welche seinem Freund 
Müller übergeben werden soll, des fernem 
eine Professur für deutsche ^rache und Lit- 
teratur, für die er nadi seinen Briefen an Müller 
Heyne in Oöttingen oder Herder zu ge- 
winnen hofft Fakultative Fächer smd Mathe- 
matik und Physik einerseits, die naturkund- 
lichen Disziplinen anderseits ; unter diesen Fä- 
cheignippen sollte jeder Schüler des politischen 
Instituts nach Neigung und Begabung auswäh- 
len können. Für jene ist Tralles ausersehen, für 
diese ist der Vertreter noch zu sudien. Der 
Professor der Naturgeschichte, Tralles, Müller, 
Heyne oder Herder stehen als leitende Sterne 
über dem Ganzen und teilen sich mit Repeti- 
toren, die nach ihrem System unterweisen und 
nur von ihnen abhängig sind, in den gesamten 
Unterricht nach einem Programm, das sie sel- 
ber entworfen haben. Nach seinem von uns 
bereits entwickelten Grundsatz' will eben Bon- 
stetten für die von ihm geforderte Anstalt nicht 
einen detaillierten Plan aufstellen, sondern nur 
ganz allgemein die Richtungen angeben, nadi 
welchen derselbe von den Männern der Wissen- 
schaft entworfen werden müsste. 

Die Gründung des Politischen Instituts soll 
nach Bonstetten zugleich die Reform der theo- 
logischen Lehranstalt nach sidi ziehen und 
dieser die Ausgestaltung geben, wie sie zum 
Teil schon Sinner und Haller im Jahr 1766 ver- 
langt hatten; die neu gegründeten Lehrstühle 




156 



« 



Db8 PoUÜsche Institut 



^ 



sollten audi der geisflichen Jugend zu gute 
kommen. Für den Landpfarrer verlangt Bon- 
stetten vor allem das Studium der Naturwissen- 
schaften und zwar an Stelle der Streittheologie, 
die vollständig überflüssig geworden sei. Er 
wünscht, dass an der Akademie die natürliche 
Religion als Folge der Naturerkenntnis von 
dem gegen den «Streitprofessor» auszutausch- 
enden Lehrer der Naturgeschichte den jungen 
Leuten doziert werde, und empfiehlt als Lehr- 
mittel die « Contemplation de la Nature» Bon- 
nets, seines Freundes in Qenf.^ 

Neben dem Studium der Naturwissenschaf- 
ten verlangt Bonstetten von den Studierenden 
der Theologie auch die Beschäftigung mit der 
vaterländischen Geschichte, ja nach seiner An- 
sicht ist die Erlernung derselben für die künf- 
tigen Pfarrherren wichtiger als die Kenntnis des 
Griechischen und des Hebräischen. Er will frei- 
lich die Pflege dieser beiden Sprachen nicht aus 
der Akademie entfernt wissen, aber er will zum 
Studium derselben nur diejenigen verpflichten, 
welche ausgesprochene Talente dafür haben 
und im stände sind, sie aus dem Fundament 
zu erlernen, damit im Corps der Theologen 
immer solche da seien, welche den Urtext der 
Bibel gründlich kennen. Dafür hält er den gros- 
sen Haufen der Studierenden für unfähig und 
er hält es für unrichtig, «dass viele hundert 
Theologen ihre besten Jugendjahre mit Erler- 
nung dreier toter Sprachen so zubringen, dass 
kaum zwanzig unter ihnen alle drei gründlich 
erlernen und beibehalten können » und verlangt 
deshalb, dass die Theologiestudierenden in sol- 
che geschieden werden, welche die drei alten 
Sprachen betreiben und solche, die an Stelle 
des Griechischen und Hebräischen das in der 
Untern Schule begonnene Studium der Natur- 
wissenschaften fortsetzen und Mathematik und 
Physik hören. 

Das griechische und hebräische Katheder 
will Bonstetten vereinigen und die Vorlesungen 
in den beiden Sprachen einem einzigen Do- 
zenten übeigeben und aus dem dadurch frei- 



gewordenen Geld den zu wählenden Profes- 
sor für die vateriändische Geschichte besoldet 
wissen. 

Alle Vorlesungen, sowohl an der einzurich- 
tenden politischen wie an der theologischen 
Lehranstalt sollen nicht in lateinischer, sondern 
in der Muttersprache des Bemers gehalten wer- 
den, auch die wöchentlichen lateinischen Dispu- 
tationen will Bonstetten abschaffen und dafür 
die Studierenden Preisschriften in deutscher 
%)rache anfertigen lassen.^ 

Dies in Kürze daigestellt die einschneiden- 
den Neuerungen, welche Viktor von Bonstetten 
seinen Landsleuten in den «Patriziern» em- 
pfahl. Wie man sich leicht vorstellen kann, er- 
regten namentlich seine Auseinandersetzungen 
über die Nutzlosigkeit des Katheders der Streit- 
theologie in den beteiligten Kreisen grossen 
Anstoss und seine Behauptung, dass sogar die 
Kenntnis der Geschichte der Wanzen nützlicher 
sei, als diejenige der elenktischen Theologie, 
hat ihm der streitbare Professor der Streittheo- 
logie samt seinem Anhang unter der Geistlich- 
keit nicht verzeihen können. Wir begreifen es, 
dass die Theologen, die sich durch Bonstettens 
scharfe Pfeile getroffen glaubten, zu einer Par- 
tei sich zusammentaten und im geheimen ge- 
gen die Errichtung eines politischen Instituts 
Opposition machten.^ 

Die andere Schrift, welche bald nach der 
Abreise Müllers nach Mainz erschien, ist eine 
kleine anonyme Broschüre mit dem Titel « Ent- 
wurf einer Erziehungsanstalt für die politische 
Jugend von Bern vom 14. bis zum 18. Jahr». 
Ihre Verfasser waren die Professoren Tschar- 
ner, Wühebni und Ith,^ welche am Schluss des 
Bücbelchens die Regierung bitten, ihren Plan, 
sofern er der Beachtung würdig scheine, einer 
Kommission aus dero Ehrenmittel zur Prüfung 
zu übergeben und mit Zuziehung ihrer selbst 
das Nähere zu beraten. 

In dieser Broschüre wird auseinandergesetzt, 
wie für die politische Jugend eine staatiiche 
Anstalt vorerst im Kleinen mit geringen Ko- 





Dis Potitische Instttui 




^ 



stell eingerichtet werden könnte, welche Fächer 
für den Anfang gegeben werden sollten^ wo- 
her der Staat die nötigen Lehrkräfte nehmen, 
wie er sie besolden und wie die ganze Schule 
geleitet werden könnte. Als Unterrichtsfächer 
sind in Aussicht genommen: 1. deutsche und 
lateinische Sprache; 2. allgemeine und vater- 
ländische Qeschichte; 3. Logik und Psycholo- 
gie; 4. Moralphilosophie; 5. Physik und Ma- 
tiiematik; 6. Jurisprudenz, und zwar Natur- 
recht, allgemeines und helvetisches Staatsrecht, 
römisches und vaterländisches Privatrecht Dem 
Staat wird für diesen Anfang nur eine jähr- 
liche Ausgabe von 400 Kronen zugemutet, näm- 
lich für den Lehrer der deutschen und latei- 
nischen Sprache, den einzigen Lehrer, den der 
Staat neu anzustellen hätte. Es wird für be- 
kannt angenommen, dass Herr Profes- 
sor Müller auf Unkosten der Familienkisten 
nach Bern berufen werde ; für die Fächer 3 — 6 
anerbieten sich die Professoren Ith, Wilhelmi, 
Tralles und die beiden Professores juris in den 
Riss zu treten und zwar die zwei letztem ohne 
weitere Entschädigung, während die übrigen 
von den Hörern Kollegiengelder erhalten soll- 
ten. 

Das Institut sollte von der Akademie gänz- 
lich unabhängig unter der Aufsicht eines oder 
zweier Ratsglieder stehen und alle in dasselbe 
einzutreten verpflichtet sein, welche sich der 
Magistratur, den Kanzleien oder der Advokatur 
widmen wollten. 

Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Tschar- 
nersche Entwurf, wie wir die besprochene Bro- 
schüre der Kürze wegen benennen wollen, die 
Entgegnung auf Bonstettens « Patrizier » ist ; ^ 
auf jeden Fall gab er der ganzen Erziehungs- 
angelegenheit einen neuen Impuls und da er 
nur ganz weniges und erreichbares wünschte 
und im Gegensatz zu allen frühem Reformvor- 
schlägen von den Lehrem selber ausging, so 
hatte er auch alle Aussicht auf Erfolg. In der 
Tat wurde er bereits in der Orossratssitzung 
vom 17. März 1786 behandelt und es wurde 






eine Kommission niederzusetzen beschlossen, 
welche denselben sorgfältig untersuchen und 
der gesetzgebenden Behörde Anträge einbrin- 
gen sollte, wie die Erziehung der politischen 
Jugend einzurichten sei. Schon drei Tage nach- 
her wurde die Kommission, die aus zwei Rats- 
herren und zwei Qrossratsmitgliedem bestehen 
sollte, gewählt; die Gewählten waren der Ven- 
ner Karl Albrecht von Frisching, der Ratsherr 
Karl Rudolf May, Daniel Fellenberg, der frü- 
here Professor juris und Johann Rudolf Stett- 
ier, Mitg^ed des Schulrates. Bonstetten wurde 
übei^gangen; er sollte es büssen, dass er in 
seinem Buch so manches herausgesagt hatte, 
was für seine Landsleute wenig schmeichelhaft 
klang. Er empfand die ihm gewordene Zurüdc- 
setzung sehr und gab erst zu Anfang April der 
Kommission das Anerbieten Müllers ein, einem 
offiziellen Ruf nach Bem folgen zu wollen. 

Im August wurde das Befinden der Kommis- 
sion fertig gestellt, gelangte aber erst Anfang 
Dezember zur Kenntnis der Zweihundert; die 
Berufung Müllers als Professor der Geschichte 
am Politischen Institut war in demselben ein- 
stimmig vorgeschlagen. Aber gerade dieser 
Punkt des Befindens stiess auf die grösste Op- 
position. Eine grosse Zahl von Bemem wollte 
von Müller nichts wissen, weil er in der kurze 
Zeit vorher erschienenen Schweizergeschidite 
ihre Namen nicht verherrlicht und — jiach ihrer 
Meinung — zu viel vom alten Adel gesprochen 
hatte; 2 andere verabscheuten den Historiker 
als solchen, weil sie die Geschichte der bemi- 
schen Verfassung als ein Staatsgeheimnis an- 
gesehen wissen wollten, und wieder andere 
wollten ihre Stimme überhaupt keinem zuwen- 
den, der nicht Burger von Bem wäre. 

Die Grossratssitzung vom 5. Januar 1787' 
brachte die Entscheidung. Wie vorauszusehen 
war, wurde die Bemfung Müllers abgelehnt; 
die Nennung seines Namens entfesselte einen 
wahren Sturm : in wilder Wut zog man gegen 
den Historiker los und bemängelte nicht bloss 
seinen Charakter und seine Moralität, sondern 





Das PoUtisdie Institut 




man zog sogar sein Wissen und Können in 
Zweifel. Mit überwältigendem Mehr hingegen 
wurde beschlossen, dass für die politische Ju- 
gend vom vierzehnten bis zum achtzehnten Jahr 
eine besondere, von der theologischen Aka- 
demie getrennte Bildungsanstalt zu errichten 
sei; die Oberaufsicht über dieselbe sollte eine 
aus vier weltlichen Mitgliedern des Schulrates 
bestehende Kuratel unter dem Präsidium des 
jeweiligen Schulratspräsidenten führen. Zu- 
gleich fibertrug der Qrosse Rat dieser Kuratel 
die Kompetenz, die neue Akademie auf eine 
Probezeit von vier Jahren nach ihrem Out- 
dünken einzurichten, wofür ihr ein jährlicher 
Kredit von 1500 Kronen zugesprochen wurde. 

Fünf Tage nach dieser Sitzung wurden die 
Mitglieder der Kuratel gewählt; auch Bonstet- 
ten kam in den Vorsddag, erhielt aber die nö- 
tige Stimmenzahl nicht; wie jedoch zwei der 
Oewählten die Wahl ausschlugen, kam er in 
neuer Abstimmung an die Stelle des einen. Die 
Kuratel bestand nun aus dem alt-Seckelmeister 
von Wattenwyl als dem Präsidenten, dem Rats- 
herrn Johann Rudolf Stettier, dem alt-Landvogt 
Herbort von Bonmont, Viktor von Bonstetten 
und Professor Tsdiamer. 

Sdion in der ersten Sitzung der Kuratel vom 
29. Februar 1787 wurde Bonstetten nach den 
Kränkungen, die er erfahren, volle Oenugtuung 
zu teil, indem er und Tschamer den ehrenvollen 
Auftrag erhielten, die « Einrichtung » des neuen 
Instituts fjir die politische Jugend in Verbin- 
dung mit den I^fessoren Rudolf, Wilhelm! 
und Itii zu entwerfen. 



Das Reglement des PoUtlscheii Instituts. 

Den 12. April 1787 wurde Bonstetten Land- 
vogt nach Neus, doch konnte unter seinem Vor- 
sitz das Reglement für das Politische Institut 
noch zu Ende beraten werden. Bereits den 
19. Juni wurde dasselbe von der Kuratel ge- 
nehmigt und in Druck gegeben unter dem Titel 



«Einrichtung des neuen Instituts für 
die politische Jugend in Bern». 

Das Reglement teilt das Politische Institut 
in zwei Curricula (oder Klassen), das untere 
und das obere; dieses ist die eigentiiche 
Rechtsschule, an der die Schüler mit der Juris- 
prudenz in ihrem ganzen Umfang vertraut ge- 
macht werden sollen, jenes die vorbereitende 
Anstalt, in welcher durch sprachliche Studien, 
die allgemeine Oeschichte und die theoretisdie 
Philosophie das Verständnis der juridischen Vor- 
lesungen anzubahnen ist. In beiden Curri- 
cula wird Religionsunterricht erteilt, denn nadi 
dem Reglement ist «Religion die wichtigste 
aller Wissenschaften, nidit allein des Menschen 
und Christen überhaupt, sondern vorzüglich 
des Magistraten». Die Vorlesungen und Ueb- 
ungen finden nur im Winter statt, von Martini 
bis Anfai^ Mai ; den Sommer über sollten die 
jungen Herren auf ihren Landgütern von den 
Anstrengungen des Semesters ausruhen kön- 
nen. Die zwei im Programm angegebenen Stu- 
dienjahre an der Rechtsschule reduzieren sidi 
also auf zwei Semester und so konnte denn von 
vorneherein von einem tiefem Emdringen in 
den vorgesduiebenen weitschichtigen Unter- 
riditsstoff keine Rede sein. 

Zur Immatrikulation wurden zunächst die 
«jungen Patrizier» zugelassen, «welche sich 
der Feder, den ZivilbedienuQgen, einem gelehr- 
ten Berufe, der Regierung oder auch dem Mili- 
tärstande zu widmen gedenken », dann in zwei- 
ter Linie auch die Munizipalen von eben 
derselben Bestimmung, sowie auch die übrigen 
mossen und Landesfremde von Stand.^ 




Von den jungen Leuten, die in das Institut 
einzutreten das Recht hatten, verlangte man 
keine Ausweise über ihren Bildungsgang oder 
über ihre Kenntnisse und wer 16 Jahre alt war, 
konnte ohne weiteres in das obere Curriculum 
eintreten. Als Auskultanten wurden die Volon- 
taires der obrigkeitlichen Bureaux, die aber alle 
das 18. Alters jähr zurückgelegt hatten, zu den 



161 



Il( 



Dm PolMscfae Instttnt 



einzelnen Vorlesungen zugelassen. Es fanden 
sich also in diesen Leute von der verschieden- 
sten Bildung zusammen» aber nur wenige» wel- 
che die Litterarschule absolviert hatten. Zudem 
gab es weder für das untere noch für das obere 
Curriculum irgend welche Disziplinarbestim- 
mungen : den Herren Patriziern sollte keinerlei 
Zwang angetan werden, sie sollten mit 14 
Jahren die Freiheit in vollen Zügen geniessen 
können! So kam es denn, wie wir aus dem 
Bericht der Kuratel nadi Ablauf der Probejahre 
ersehen,^ dass viele von den Vorlesungen nichts 
profitierten und ein ungebundenes, wildes Le- 
ben führten, vor allem diejenigen, welche nicht 
bei ihren Eltern oder bei Lehrern wohnten. Sie 
liessen sich im Kloster^ nicht häufig sehen und 
wenn der Frühling die angenehmere Jahreszeit 
herbeiführte, so mussten überhaupt die Vorle- 
sungen geschk>ssen werden. Bei der Abfassung 
des Reglements hatte man darauf geredinet, 
dass die Väter und andere edelgesinnte Jugend- 
freunde durch tatkräftige Unterstützung der 
Schule und ihrer Bestrebungen die Aufstellung 
einer Disziplinarordnung überflüssig machten, 
aber darin täuschte man sich: die Väter, die 
auf dem Lande wohnten, kümmerten sich um 
ihre Herren Söhne in der Stadt gar nichts und 
blieben ohne alle Verbindung mit der Schule. 
So blieb es auch nach dem Verlauf der Probe- 
jahre : man wagte es da ebenso wenig wie vor- 
her, die jungen Patrizier und künftigen Regen- 
ten an irgend eine Schranke zu binden. 

Die Schüler des Politisdien Instituts haben 
Kollegiengelder zu bezahlen und zwar jährlich 
im untern Curriculum vier, im obem zwei Louis- 
d'or. Das Reglement sieht halbjährliche schrift- 
liche und miindliche Examina bei jedem Lehrer 
vor und nach dem Manual der Kuratel wurden 
dieselben in den ersten zwei Jahren in der 
Tat abgehalten, von spätem aber erfahren wir 
nichts mehr, so dass wir annehmen dürfen, 
diese den jungen Herren natürlich nicht gerade 
genehme Bestimmung sei mit dem Schuljahr 
1789/90 fallen gelassen worden. 




51 







Für das obere Curriculum, die eigent- 
liche Rechtsschule, setzt das Reglement fol- 
gende Vorlesungen fest: 

1. Vaterländische Geschichte. Mit 
Zugrundlegung der eidgenössischen Bundes- 
geschichte werden die allgemeinen und beson- 
dem Bündnisse und Verträge in ihren Veran- 
lassungen und Wirkungen und in der ganzen 
Verknüpfung der mitwiricenden Begebenheiten 
betrachtet und dadurch die innere Einrichtung 
des helvetischen Staates begreiflich gemacht 
Zwei Stunden in beiden Jahreskursen. 

Z Allgemeines bürgerliches Recht 
m den drei Abschnitten vom Recht der Per- 
sonen, der Sachen und den Mitteln zu seinem 
Recht zu gelangen. Vier Stunden in einem Jah- 
reskurs. 

3. Römisches Recht Mit Weglassung 
des antiquarischen Teils werden nur die für den 
Bemer wichtigen und brauchbaren Materien 
abgehandelt Damit wird verbunden ein prak- 
tisches Kolleg in der Kunst des Vortrags, Ueb- 
ungen in allen Arten von Relationen. Vier Stun- 
den in einem zweiten Jahreskurs. 

4. Vaterländisches Recht, begreifend 
das deutsche Lehenrecht und das büigerlicfae 
Recht Zwei Stunden jeden Winter. 

5. Staatswissenschaft oder Politik 
in zwei Abschnitten. Im ersten beschäftigt sich 
der Vortragende mit dem Staat und Staats- 
recht überhaupt, mit den Rechten und Pflich- 
ten des Souveräns und des Untertans, mit den 
Regierungsformen überhaupt und insbeson- 
dere ; im zweiten mit dem positiven und nega- 
tiven Qlück der Untertanen : hier wird also von 
Justiz- und Militärpolitik, von Anstalten gegen 
Natur- und Landesbeschwerden, wie Seuchen, 
Teuerung, Ueberschwemmung u.s.w. gehan- 
delt, dort hingegen von Industriepolitik in Rück- 
sicht auf Landbau, Manufakturen, Handlung, 
von Aufklärungs- und Religionspolitik und von 
den Lebensbequemlichkeiten. 

6. Polizeiwissenschaft, d. h. Vorie- 
sungen über die Landeinwohner und die Land- 



162 



« 



Dts PoUtisdie Institut 



» 



wirtsdiaft einerseits und anderseits über die 
Stadteinwohner, Handlung und Handelsgesell- 
schaften, Messen und Jahrmärkte, städtische 
Qesundheits-, Sicherheits- und Bequemlidi- 
keitsanstalten. 

7. Kameralwissenschaft, die Wissen- 
schaft vom Finanzwesen, den Ausgaben und 
Einkünften des Staates ; zu diesen gehören die 
Steuern und Domänen, Forst-, Wasser-, Berg- 
werk- und Strassenregalien mit dem Fluss- und 
Jagdwesen, Fischerei, Fahr- und Mühlenweric, 
dem Münz-, Zoll- und Postwesen. 

Fär die Vorlesungen 5., 6. und 7. werden 
drei Stunden für beide Jahreskurse angesetzt 

Zu diesen juridisch -nationalökonomischen 
Fächern kommen noch hinzu : 

8. Religion in drei Abschnitten: a) von 
der Wahrheit der christlichen Religion über- 
haupt mit ihren Gründen und der Prüfung der 
scheinbarsten Zweifeln dagegen ; b) Uebersicht 
über die vornehmsten Wahrheiten des Christen- 
tums in ihrer gegenseitigen Verknüpfung, Ver- 
nunftmässigkeit und Beziehung auf die öffent- 
liche und Privatglückseligkeit; c) christliche 
Moral «in einem warmen, auch für das Herz 
eingerichteten Vortrag ». Eine Stunde in beiden 
Wintern. 

9. Moralphilosophie, «die philosophi- 
sche Entwicklung der Regeln, nach welcher die 
Wahl freihandelnder Wesen für sich und in 
ihren verschiedenen Verhältnissen bestimmt 
werden soll. Zwei Stunden in jedem Kurs. 

Im untern Curriculum, der für die 
Rechtssdiule vorbereitenden Anstalt, soll der 
Unterricht also gegeben werden: 

1. Deutsch, a) Grammatik nach Adelungs 
deutscher Sprachlehre; b) Uebungen und Auf- 
sätze in den verschiedenen Stilarten; c) Ueb- 
bungen im freien Vortrag. 

2. Latein. An Hand der Lektüre eines 
Klassikers sind die wichtigsten Teile der Al- 



tertumskunde zu ertäutem und soll der wahre 
Geschmack gebildet werden. Für beide Sprach- 
fächer je vier Stunden. 

3. Universalgeschichte, aus demjeni- 
gen Gesichtspunkt abzuhandeln, aus welchem 
der Politiker die Geschichte ansehen und ken- 
nen muss. Mit Beschränkung auf die mittlere 
und neue Geschichte sollen die grossen Bege- 
benheiten von der Völkerwanderung an in 
ihrem Zusammenhang, mit ihren Ursachen und 
Folgen vorgetragen werden. In Verbindung 
damit steht 

4. Die Statistik mit vorzüglicher Berück- 
sichtigung des Kantons und der Sdiweiz. Drei 
Stunden für beide Fächer in jedem Jahreskurs. 

Zu diesen vier Fächern kommen, wie im 
obem Curriculum, 

5. Religion, als Vorbereitung zum heili- 
gen Abendmahl, in drei wöchentiichen Stunden 
und 

6. Philosophie und zwar derjenige TeU, 
der zur Kenntnis und Bildung des Menschen 
leitet, die Anthropologie, «welche dem 
Jüngling den Weg zur Theorie des mensdi- 
lichen Herzens bahnet und ihn gewöhnet, die 
einzelnen Begegnisse des öffentlichen und Pri- 
vatlebens in ihrer höheren und weiteren Ver- 
kettung zu übersehen«. Sie ist in vier Abschnit- 
ten zu lehren: a) Philosophie der Geschichte 
der Menschheit; b) Seelenlehre; c) darauf ge- 
gründete Vemunfüehre ; d) allgemeine Betrach- 
tung der menschlichen Bestimmung. Wöchent- 
lich zwei Stunden. 

Für alle diese aufgezählten in deutscher 
Sprache zu haltenden Vorlesungen und Ueb- 
ungen waren die Lehrer mit Ausnahme des 
Sprach- und Religionslehrers bereits da und 
sind im Reglement bezeichnet Die vaterländi- 
sche Geschichte und das vaterländische Recht 
ist dem Professor historiae patriae, d. h. dem 
Professor Walther, zu übeigeben; das allge- 
meine bürgerliche, sowie das römische Recht 




^ 



DuPMMtdie InttflnL 



und der Komplex der Staate-, Polizei- und Ka- 
meralwissenschaft dem Professor juris Tsdiar- 
ner. Da beide für die politische Jugend ange- 
stellt sind, so sind sie ex officio ordentliche 
Glieder am Politischen Institut und erhalten für 
ihre Vorlesungen an demselben keine weitere 
Remuneration. 

Dem ordentlichen Lehrkörper sind femer 
zugezahlt die drei Professoren Ith, Wilhelmi 
und Rudolf, weldie freiwillig der Kuratel ihre 
Dienste angeboten und, wie wir gesehen,^ auch 
an der Verfassung des Reglements mitgearbei- 
tet hatten. Ith, dem Professor der Philosophie, 
fallen die philosophischen Vorlesungen am un- 
tern, und dem Professor ethices Wilhelmi die 
philosophischen Vorlesungen am obem Curri- 
culum zu, während Rudolf, der Professor elo- 
quentiae, die Universalgeschidite mit der Sta- 
tistik übernahm. Auf ihr Verlangen hin wurde 
ihnen, wie den beiden Rechtsprofessoren, Sitz 
und Stimme in der Kuratel gewährt' und für 
ihre Bemiihungen wurden ihnen Kollegiengel- 
der zugesprochen.^ Zum Sprachlehrer wählte 
die Kuratel den Candidatus Risold, den wir 
als Professor graecus (von 1791 an) schon ken- 
nen gelernt haben^ und zum Religiönslehrer 
den Pfarrer am Münster Abraham Reng- 
ger, den Vater Albrecht Renggers (des spä- 
tem helvetischen Ministers des Innem), jenen 
mit einer Besoldung von 500, diesen mit 200 
Kronen. So wurden für das erste Schuljahr 
1787/88 folgende Vorlesungen angekündigt: 

Für das untere Curriculum 

3 Std. Religion bei Pfarrer Rengger; 

2 » Horaz, ars poetica 

2 » Sueton 

2 » Deutsche Sprachlehre 

2 » Deutsche Sprachübungen 

2 » Universalgeschichte \ Rudolf, 

1 » Statistik j Prof. doquentiae; 

2 » Theoretische Philosophie, Ith, prof. phil. 

16 Stunden, des Morgens von 8 — 10 oder 8—11 
Uhr. 



Risold, 
Prof. linguamm 



ft 



Für das obere Curriculum 

1 Std. Religion bei Pfarrer Rengger; 

2 

2 

2 

3 

1 






» 



Moralphilosophie, Wilhelmi, prof.eth.; 
Vaterland. Oesdiichte \ Walther, 
Vaterland. Recht j Pityf. iuris patrii; 
Bürgerliches Recht 
Uebungen im gericht- 
lichen Vortrag 

1 1 Stunden, des Moif[ens von 8—9 oder 8—10 
Uhr. 



Tscharaer, 
Prof. juris; 



Den Zöglingen des Instituts war es anheim- 
gestellt, auch die Voriesungen über Matiiematik 
und Physik bei Professor Tralles zu besuchen.^ 

Wie man sieht, ist mit diesen Bestimmungen 
und Vorlesungen das Ideal Bonstettens von 
der Bildung der heroischen Magistraten, wie er 
es in seinen «Patriziern» gezeidmet hat, auch 
nicht im entfemtesten erreicht: die ästhetisch- 
litterarische Durchbildung, die er verlangte und 
die im untem Curriculum einigermassen ange- 
bahnt wurdtf musste nach der Absolvierung 
desselben abgebrochen werden, ohne im obem 
Curriculum die notwendige Vertiefung und Er- 
weiterung zu erfahren ; von der Einfühmng in 
die deutsche und französische Litteratur war 
keine Rede; der Geschichte wurde zu wenig 
Aufmericsamkeit geschenkt und die alte Ge- 
schichte, von deren Behandlung Bonstetten für 
die Charakterbildung des jungen Bemers sich 
so viel versprach, wurde ganz ignoriert; die 
Religion und die Philosophie hatte in den alten, 
ausgetretenen Geleisen wieder sich zu bewe- 
gen und für die Naturwissensdiaften war eben- 
so wenig gesoi^ wie vorher. Aber der Staat 
hatte sich einmal für den «Entwurf» Tschar- 
ners und seiner Kollegen an der Theologischen 
Akademie ausgesprochen und diesett)en Män- 
ner hatten auch das neue Reglement auszuar- 
beiten und da blieb eben unserm Bonstetten 
nichts anders übrig, als sich zu fügen; wir 
können ihm deshalb keinen Vorwurf machen. 
Am schmerzlichsten jedenfalls wird für ihn der 
Umstand gewesen sein, dass OotÜieb Walther 




€ 



Dm Polttiidie IiuWitt 



fOr die vaterlindisdie Oesdiichte berufen wur- 
de. Zum Olüdc für die Anstalt war dieser Ruf 
ohne Erfolgf. 

Die Autfflhrung des Reglements und die 
Lehrer des Instituts. 

Als das Institut den 12. November 1787 im 
Grossen Auditorium durch eine Inauguralrede 
des Professors Itfa eröffnet worden war, nah- 
men die Voriesungen programmgemäss ihren 
Anfang; einzig der Qeschichtslehrer, Professor 
Waldier, erschien nicht Aergerlidi darüber, 
dass man ihn zu den Beratungen über die Er- 
richtung des Instituts nicht zugezogen, hatte er 
am Tag vor der Eröffnung erklärt; er werde 
seine Professur niederiegen und sich wieder 
der Advokatur widmen. Nachdem er seine De- 
mission am gehörigen Orte eingegeben hatte, 
wurde er den 21. Mai 1788 auf Grund eines 
für ihn wenig schmeichelhaften Gutachtens des 
Schulrates seiner Professur enti>unden mit Be- 
lassung der Hälfte seiner Pension nebst dem 
Titel eines Professoris honorarii und Historio- 
graphi Reipublicae zu Fortsetzung seiner an- 
gefangenen Werke.^ Zugleich beauftragten die 
Räte die Kuratel des Politischen Instituts, einen 
Lehrer in jure publico Helvetiae und dem Le- 
henrecht, sowie auch der vaterländischen Ge- 
schichte zu bestellen. Den 5. Juli 1788 wählte 
sodann die Kuratel Bernhard Friedrich 
Kuhn, den spätem ersten Präsidenten des hel- 
vetischen Grossen Rates. Die Wahl war eine 
gifickliche, die Talente des jungen Rechtsge- 
lehrten bereits allerseits anerkannt Krankheit 
verhinderte ihn, schon den folgenden Winter 
seine Voriesungen zu beginnen; 1789/90 und 
1790/91 las er in ausführlicher Weise über das 
vaterländische Privatrecht in vier wöchentlichen 
Stunden. Bevor er seine Voriesungen über va- 
teriändische Geschichte begann, wollte er die 
dazu notwendigen arduvalischen Studien ma- 
dien und wünschte zu dem Ende die Erlaubnis, 
im bemischen Staatsarchiv Auszuge machen zu 




51 




dürfen. Die Kuratel madite den Wunsch des 
Gelehrten zu dem ihrigen und tat die nötigen 
Schritte bei der Regierung. Dieselben hatten 
den beabsichtigten Erfolg, aber dem Professor 
historiae patriae wurde nur unter der Beding- 
ung der Zutritt zum Archiv gestattet, dass er 
nach Abschwörung des ihm vorgelegten Eides 
von der Ardiivkommission jeweüen die Ent- 
scheidung einhole, welche Schriften er benutzen 
dürfe oder nicht, sodann dass er nur in Beisein 
eines beeidigten Angestellten von denselben 
Abschriften anfertigen dürfe und diese mit dem 
betreffenden Angestellten zu kollationieren ha- 
be.> Offenbar veiging Kuhn die Lust, im Ardiiv 
seines Kantons zu arbeiten, und das wird auch 
der Gmnd sein, warum er am Politischen In- 
stitut die ihm au^tragene Voriesung über 
vateriändische Geschichte gar nicht hielt Die- 
selbe wurde überhaupt ein einziges Mal gele- 
sen und zwar von Professor Stettier, Kuhns 
Nachfolger, im Schuljahr 1793/94; was als die 
Perle des Programms für das Politische Insti- 
tut angesehen werden muss, kam während des 
ganzen Bestandes der Anstalt ein emziges Mal 
zur Ausführung. 

Zum Schaden des Instituts trat Kuhn Ende 
August 1791 von seiner Professur zurüde und 
verharrte bei seinem Entschluss trotz aller Bit- 
ten der Kuratel, sein Demissionsgesuch zurück- 
zunehmen. Der Grund liegt wohl darin, dass 
die Regierung dem Wunsdie Kuhns um Be- 
soMungseriiöhung (er war mit einem Gehalt 
von 500 Kronen gewählt worden) nicht will- 
fahren zu wollen schien.^ 

Kuhns SteUe vertrat im Winter 1791/92 aus- 
htUfsweise der Doctor juris utriusque Fried- 
rich Rosselet, damals Kaufhausverwalter; 
er behandelte in seinen Voriesungen die Stadt- 
satzung. 

Nadi dem Verfluss der Probezeit wurde die 
Anstalt vollständig reorganisiert und nadi den 
Wünschen der Kuratel in deren Memorial an 
die Regierung^ durch das Grossratsdekret vom 
24. August 1792 neu eingerichtet 



Ii( 



Du PoUtfsdie Insüint 



j» 



Die Kuratel wfinsdite vor allem, dass die 
eigentiidi juridischen Voriesungen vom obem 
Curriculum ausgesdiieden und an beiden Ab- 
teilungen des Instituts nur die propädeutischen 
und auf das juristische Studium vorbereitenden 
Fächer gepflegt würden. Schon von vorneherein 
hätte man sich sagen müssen, dass Knaben von 
15 oder 16 Jahren und dazu mit ganz ungleidier 
Vorbildung nodi nicht die nötige Qeistesreife 
hätten, um den schwierigen juristischen Vorie- 
sungen mit Verständnis folgen zu können, aber 
erst die Erfahrung öffnete hierüber der Behörde 
die Augen: die Voriesungen der Rechtslehrer 
waren fast ohne Ausnahme von Leuten be- 
sucht worden, die über 18 Jahre alt waren, 
also nur von den Auskultanten. So fielen denn 
vom Winter 1792 an alle Vorlesungen weg, 
die bei der Oründung des Instituts dem Pro- 
fessor Tschamer Überbunden worden waren, 
also das allgemeine büigerliche Recht, das rö- 
mische Recht und das Complexum der Staats-, 
Polizei- und Kameralwissenschaft, sowie das 
praktische Kolleg in der Kunst des Vortrags. 
Nadi dem Verlangen der Kuratel hätte auch 
noch das vaterländische Recht ausgeschieden 
werden sollen, inkonsequenterweise ging aber 
der Rat der Zweihundert darauf nicht ein; er 
wollte, dass dem Institut wenigstens noch der 
Schein einer Rechtsschuk gewahrt bleibe, und 
befahl der Kuratel, über die Wiederbesetzung 
der Professur, welche Kuhn bekleidet hatte, 
sich zu äussern. Den 1. Juni 1793 wurde so- 
dann von dieser, nachdem die Ausschreibung 
der Stelle erfolglos geblieben war. Albert 
Friedrich Stettier, ein Schüler des Insti- 
tuts, zum Lehrer der vaterländischen Geschichte 
und des helvetischen Staatsrechts berufen^ mit 
einer Besoldung von 260 Kronen.^ 

Die Mathematik wurde an beiden Abteilun- 
gen obligatorisch erklärt und am untern Curri- 
culum — vier Stunden Arithmetik und Geo- 
metrie — dem Magister matheseos Johann 
Georg Dorner^ übertragen, am obem Cur- 
riculum mit drei Stunden dem Professor Tral- 



les. Da las der gelehrte Mathematiker bald 
über Geschichte der Mathematik, bald über 
Statik und Dynamik, bald über graphische Geo- 
metrie und Kosmologie, sehr wahrscheinlich 
über den Horizont seiner Zuhörer hinaus. Als 
Honorar erhielt er aus dem Kredit des Insti- 
tuts, der auch nach der Probezeit 1500 Kronen 
jährlidi betrug, 260 Kronen. 

Als Sprachlehrer fungierten jetzt zwei Kan- 
didaten, deren Namen jedem Schweizer teuer 
sind, Philipp Albrecht Stapf er, der bald 
zum helvetischen Minister der Künste und 
Wissenschaften vorrücken sollte, und Johann 
Georg Fisch, der spätere Sekretär Stapfers. 
Sie waren im Winter 1791 an die Stelle Risolds 
getreten, weil die Kuratel beschlossen hatte, 
die Schüler des untern Curriculums nach ihren 
Sprachkenntnissen in zwei völlig von einander 
getrennte Klassen einzuteilen und den Unter- 
richt in Deutsch und Latein an denselben in 
gesonderten Stunden durch zwei Lehrer er- 
teilen zu lassen, die sich völlig gleichstehen 
sollten. Jeder hatte also wöchentiich acht Un- 
terrichtsstunden und erhielt dafür ein Hono- 
rar von 300 Kronen, das freilich bei der Re- 
oiganisation der Anstalt auf 260 reduziert 
wurde. 

Fisch hatte schon anno 1784^ bei den öf- 
fentiichen Proben für das griechische Katiieder 
zu Lausanne sich ausgezeichnet und durch seine 
Sprachkenntnisse geglänzt, und Stapfer, der 
Neffe des Professors Johannes Stapf er, be- 
kam bald nach seiner Ernennung zum Sprach- 
lehrer am Politischen Institut, bei den Proben 
für den hebräischen Lehrstuhl in Bern nach 
David Kochers Tod, Gelegenheit, seine um- 
fangreiche Bildung an den Tag zu legen und 
für seine Kenntnisse das höchste Lob sich zu 
erwerben.^ Die politische Jugend unserer Stadt 
durfte sich beglückwünschen, zwei so tüchtige 
junge Kräfte zu Lehrern zu erhalten. Stapfer 
blieb der Anstalt bis zu ihrer Aufhebung 1798 
treu ; sein Herz war bald innig mit derselben 




« 



Dm PoUtische Institut 



» 



verwachsen. Fisch ging schon im Sommer 1794 
ab zweiter Pfarrer nach Aarau und nun wurde 
der ganze Sprachunterricht mit zehn wöchent- 
lichen Stunden gegen ein Honorar von 400 
Kronen dem Kandidaten Stapfer fibertragen mit 
Aufhebung der Teilung des untern Curriculums 
in zwei Ordnungen. Dabei wurde, freilich ge- 
gen Stapfers Wunsch, der deutsche Unterricht, 
nachdem er schon vorher gekürzt worden war, 
noch mehr eingeschränkt und auf ein Minimum 
reduziert, auf eine Stunde Sprachlehre im un- 
tern und eine Stunde Stillehre im obem Curri- 
culum ; dafür wurde die Archäologie mit zwei 
Stunden an beiden Curricula eingesetzt 

Als weitere Veränderungen bei der Reorga- 
nisation der Anstalt haben wir noch zu erwäh- 
nen die Entfernung des philosophischen Unter- 
richts aus dem Lehrplan des untern Curriculums 
und die fakultative Einführung des Zeichen- 
unterrichts an beiden Abteilungen des Instituts. 
Jenen erteilte nun Professor Ith, diesen Pro- 
fessor Sonnenschein, ein tüchtiger und streb- 
samer Künstler, der nach allen Seiten anregend 
wirkte. 

Der Religionsunterridit wurde an beiden 
Klassen um eine Stunde vermehrt und für die 
untere Sprünglin, der Direktor der Kunst- 
schule, für die obere der talentvolle Helfer 
Müslin, ein NacMcomme des Wolfgang Mus- 
culus, gewonnen.^ 

Die Universalgeschichte samt der Statistik 
liess die Kuratel ganz fallen; erst im Jahr 1796 
Momlen sie wieder eingeführt, aber nur mit 
einer wöchentlichen Stunde.^ 

Uebereinstimmend mit dem, was im Voraus- 
gehenden über die Reorganisation der Anstalt 
gesagt worden, lautete das Unterrichtsprogramm 
für den Winter 1794/95 also : 

Unteres Curriculum : 

4 Std. Religion bei Direktor Sprünglin; 
4 » Mathematik (Aritiunetik u. Qeometrie), 
Domer, Magister matheseos; 



1 Std. Deutsch (Sprachldire) 

2 » Archäologie 
2 » Cicero 

1 » SaUust 
1 » Horaz 



Cand. Stapf er; 



15 Stunden. 

Oberes Curriculum: 

2 Std. Religion bei Helfer Müslin; 

3 » Philosophie, Ith, Prof. philos.; 

4 » Eidgenöss. Staatsrecht, Herr Stettier; 
3 » Mathematik (Statik und Dynamik), 

Tralles, Prof. math.; 



15 Stunden. 

Für beide Curricula fakultativ : 

4 Std. akademische Zeichnung bei Professor 
Sonnenschein. 

Den 25. August 1796 wurde Stapf er an Stelle 
seines Onkels Professor der didaktischen Theo- 
logie; das ihm lieb gewordene Institut wollte 
er aber deshalb nicht verlassen und äusserte 
der Kuratel gegenüber den Wunsch, sie möchte 
ihn den Unterricht, den er am obem Curriculum 
gegeben hatte, auch fernerhin erteilen lassen. 
Infolgedessen wählte die Kuratel einen Sprach- 
lehrer nur für das untere Curriculum in der 
Person des Kandidaten Emanuel Jakob 
Zeender. Auch diese Wahl war eine sehr 
glückliche ; Zeender, später der Begründer und 
Leiter des Zeenderschen Instituts und nachher 
Professor der Theologie an der Akademie, ge- 
hörte zu jener Schar ausgezeichneter Bemer des 
vorletzten Jahrhunderts, die schon während 
ihrer Studienzeit durdi unermüdlichen Fleiss 
und infolge glücklicher Naturanlagen zu um- 
fangreichen Kenntnissen und einer gründlichen 
Bildung gelangt waren. Zeender s^ch da ganz 
seinem nunmehrigen Kollegen Stapfer.' Nach 
einem von Ith und Stapfer verfertigten Plan gab 
nun Zeender am untern Curriculum eine Stunde 
deutsdie Sprachlehre, zwei Stunden Ovid, zwei 




167 



tfl 



Du PdIMMiic InstÜHt 



Stunden Sueion und zwei Stunden rOmisdie AI- 
tertOmer, wahrend Stapfer dem untern und 
obem Curriculum zusammen in einer Stunde 
Universalgeschichte und in einer zweiten Ar- 
diäologie vortrug und im obem die stilistischen 
Uebungen im Deutschen wie bis anhin fort- 
setzte und in einer weitem Unterrichtsstunde 
die Oden des Horaz erklärte. 

Im Oktober 1797 ging Professor Ifii als 
Nachfolger des verstorbenen Wilhelmi nadi Si- 
selen. An seine Stelle im Kfoster war David 
Kocher gewählt worden. Richtigerweise fiber- 
gab nun die Kuratel den phifosophischen Un- 
terricht am Politischen Institut nidit dem neu 
erwählten Professor philosophiae, der bis da- 
hin zu demselben in keinen Beziehungen ge- 
standen, sondem Stapf er, der sich fiber seine 
Kenntnisse in der Phifosophie schon läng- 



m 



ttens au^ewiesen hatte. Der Unterricht, den 
Stapfer hn vorbeigehenden Sdiuljahr g^ieben 
hatte, wurde in die Hand des Kandidaten Zeen- 
der gelegt, so dass also jetzt der %)radiunter- 
ridit am ganzen Institut wieder in einer Hand 

lag.i 

Den 14. November 1797 wurde von der Ku- 
ratd die Pensen- und Stundentabelle für das 
neue Schuljahr genehmigt und die Rechnung 
des Seckelmeisters entgegengenommen, nach 
welcher fiber 1100 Kronen in Kasse waren. Es 
war die letzte Sitzung der Kuratel; bald nach- 
her kam Napoleon nach Bem und nach weni- 
gen Monaten bereitete der Einbrach der Fran- 
zosen dem Politischen Institut, wie es eben 
seine Blute zu entfalten begann und von den 
vortrefflichsten Lehrern geleitet wurde, ein jä- 
hes Ende. 





166 



U^^M^%Un^9f^^9^^ 



Die Zeit der Helvetik. 




Ab nach dem Zusammenbruch der alten 
Ordnung eme provisorische Regierungi die 
sidi in vier Kommissionen teilte, die not- 
wendigen Geschäfte vom 4. bis zum 24. März 
besorgt hatte, übernahm die Verwaltungs- 
kamm e r die ihr durch die helvetische Konsti- 
tution 2aikommenden Funktionen. Ihre Mi^lie- 
der, zumeist Bärger vom Lande, waren vom 
lebhaftesten Wunsche beseelt, dem damieder- 
liegenden Schulwesen aufzuhelfen. Dem Geist 
der neuen Zeit entsprechend, war ihre erste 
Verordnung die, dass sie den Zutritt zu den 
obem und untern Schulen der Stadt Bern jeder- 
mann eröffneten. In der ersten Sitzung vom 
30. März 1798 beschlossen sie, eine gedruckte 
Proklamation im Kanton bekannt zu machen, 
welche ihre Verwaltungsgrundsätze klarlegte 
und andrerseits dem Bemervolk sagte, welche 
Opfer die neue Staatsfomi auch von ihm ver- 
lange. Es ist diese Proklamation ein präditiges 
Aktenstück voll der edelsten Gedanken und 
Betrachtungen über das Veriiältnis des nun 
frei gewordenen Volkes zu seinen Behörden. 
Leider wurde sie von der französischen Gene- 
ralität nicht gutgeheissen und durfte infolge- 
dessen nicht publiziert werden. Die Stelle, die 
sich auf das Erziehungswesen bezieht, heisst in 
derselben also: 

« In Betreff der öffentlichen Erziehung wer- 
det Ihr, Büiger! von selbst die Wichtigkeit ein- 
sehen, dass dieselbe nicht zu Grunde gehe, 
sondern im Gegenteil erhalten, begünstigt und 
vervollkommnet werde. Und das um desto 
mehr in einer Ordnung der Dingen, wo nicht 
mehr Vorrechte der Geburt, sondern Fähigkeit 
und Rechtschaffenheit allein den Weg zu den 
öffentlichen Aemtem bahnen und Unterrichts- 



anstalten zu der Würde erhoben werden, dem 
gemeinen Wesen in allen Fädiem nützliche 
Diener zu erzidien. Wir ermahnen also jeder- 
mann bei allem, was dem Vateriande heilig ist, 
Kirchen und Schulen, diese Stützen der Tugend, 
der Religion und der Aufklärung nicht zu ver- 
nachlässigen, sondern nach möglichsten Kräf- 
ten zu erhalten, zu beschützen, ihren Vorste- 
hern das Gebührende zukommen zu lassen und 
dafür keine Aufopferung zu schonen, indem 
diese Ausgaben nicht verloren, sondern für Zeit 
und Nachwelt auf Zins und Wucher angelegt 
sind. In der Stadt Bern werden die Obem und 
Untern bereits vortrefflich eingerichteten Schu- 
len nun jedermann geöffnet sein, und unsere 
erste Sorge wird dahin gehen, dass dieselben 
ihren ungehinderten Fortgang haben und ihre 
Diener und Vorsteher in ihren billigen Besol- 
dungen keine Unterbrechung finden. » 

Die Verwaltungskammer teilte sich in vier 
Abteilungen oder Kommissionen, deren erste 
den Namen der Kirchen- und Erzieh- 
ungskommission führte. Wenn sich auch 
das Manual derselben nicht mehr findet, so 
kann den Manualen der Verwaltungskammer 
selber entnommen werden, dass sich die Tätig- 
keit der Kirchen- und Erziehungskommission 
in den ersten Monaten ihres Amtes auf die Ab- 
wicklung der laufenden Geschäfte beschränkte. 
Und nun kam ja bald der Monat Juli, in wel- 
chem der Unterrichtsminister Stapfer dem Di- 
rektorium seinen provisorischen Scfaulgesetz- 
entwurf vorlegte und man wusste, dass ein 
kantonaler Erziehungsrat von den helvetischen 
Behörden werde eingesetzt werden, welcher di- 
rekt unter dem Ministerium der Künste und 
Wissenschaften stehend und unabhängig von 



<t 



Die Zeit der HehretiL 



der VerwaHungskammer die Leitung des ber- 
nisdien Erziehungswesens fibemehmen w&rde. 
Daraufiiin wäre es ja fiberiiaupt untunlich ge- 
wesen, wenn die Erziehungskommission irgend 
welche Neuerungen auch nur angeregt hatte. 
Unterm 20. Oktober wurden die Mitglieder 
des bernischen Erziehungsrates nach 
dem Vorschlag der Verwaltungskammer vom 
VoQzidiungsdirektorium ernannt und ihm das 
Pensum des ehemaligen mit der Errichtung des 
helvetischen Einheitsstaates au^elösten Scbul- 
rates zugewiesen. Es waren die Wägsten und 
die Besten, wekiie in diese Behörde gewählt 
wurden. Männer von tüchtiger wissenschaft- 
lidier Bildung, von mannigfacher Erfahrung im 
Schulwesen, die meisten für die Wissenschaft 
tätig und zum Teil im In- und Ausland durch 
hervorragende Leistungen bekannt, mutig und 
taticräftig und die meisten durdi persönlkhe 
Freundschaft mit einander verbunden, bildeten 
sie ein Kollegitun, das unser Interesse von 
vomdierein in Anspruch nehmen muss. Dem 
geistlichen Stande gehörten unter ihnen fünf, 
dem weltlichen drei an. Mitglieder des alten 
Schulrates waren drei gewesen: Qpttlieb 
Risold, erst Professor linguarum am Politi- 
sdien Institut, seit 1791 Professor graecus an 
der Akademie; Samuel Studer, seit dem 
Jahr 1796 Professor der praktischen Theologie 
und als Vertreter des Gymnasiums der Oym- 
nasiarch Michael Wagner, der bereits zehn 
Jahre lang die Litterarschule geleitet hatte. Der 
stadtbemischen Geistlichkeit gehörten an der 
Pfarrer zur Heiliggeistkirche, Samuel Wyt- 
tenbach, der älteste des Kollegiums, und der 
dritte Helfer am Mtinster, Gottlieb Grüner. 
Beide waren bekanntlich eifrige Naturforscher; 
S.Wyttenbach hatte schon zu der Zeit, da er 
Spitalprediger war, einen bedeutenden Ruf als 
Schriftsteller,^ bald wurde sein Name fiberall 
genannt Seine naturwissenschaftlichen Studien 
verbanden ihn enger mit noch zweien seiner 
Kollegen im Erziehungsrat, mit dem Professor 
Samuel Studer, der neben der Theologie dem 



m 



Studium der Naturwissenschaft eifrigst ergeben 
war und sich um dieselbe grosse Verdienste 
erworben hat,^ und mit einem der weltlichen 
Mitglieder, dem Apotheker Karl Morell 
dem bekannten Chemiker und eifrigen Bota 
niker.' Von den zwei andern weltlichen Mit 
gliedern ist der eine Emanuel Fellenberg 
der Stifter der weltberühmten Institute auf Hof 
wyl, der andere sein Freund Johann Ru 
dolf Steck, der gewesene Generalsekretär 
der neuen helvetischen Regierung in Aarau, 
ein tüchtiger Jurist und aufopferungsfreudiger 
Beamter. 

Leider zog sich das Laienelement bald aus 
dem Erziehungsrat zurück; vom Frühjahr 1799 
an liess sich Fellenberg in den Sitzungen nicht 
mehr sehen, auch Steck erschien von derselben 
Zeit an nur selten, zuletzt im Juni 1800. In 
demselben Jahr schied auch Apodieker Morell 
aus der Behörde aus; an seine Stelle wurde 
Rudolf Schärer, der Professor hebraicus, 
gewählt So Sassen vom Jahr 1800 an nur 
Qeistlidie im Erziehungsrai Inzwischen hatte 
derselbe in der Person Iths eine neue Kraft 
erhalten. Nadidem er schon im Februar 1799 
zum ersten Pfarrer von Bern berufen und zum 
Dekan erwählt worden war, madite Qm das 
Direktorium zum Mitglied des Erziehungsrates, 
natürlich auf den Wunsch Stapfers, der den 
neuen Dekan als den besten Kenner der ber- 
nischen Schulvertiältnisse schätzte und ehrte, 
und auf dessen Energie er besonders baute. 
Welches Zutrauen auch die bisherigen Erzieh- 
ungsräte ihrem neuen Kollegen entgegenbradi« 
ten, geht am deutlichsten daraus hervor, dass 
sie ihn bald nach seinem Eintritt in ihre Be- 
hörde mit dem Präsidium beehrten, nachdem 
Professor Risold dasselbe abgegeben hatte. 

Die erste Handlung des Erziehungsrates 
war die Wiedereröfhiung des Politisdien In- 
tuts, die Stapf er schon den 8. November 1796 
von der Verwaltungskammer verlangt hatte; 
das Politische Institut, an dem der Minister der 
Künste und Wissenschaften eme Reihe von 




Il( 



Die ZeH der HdveilL 



m 



Jahren unterriclhtet hatte und das er in dem 
Rahmen, in dem wir es aus den letzten Jahren 
vor der Revolution kennen gelernt haben, fQr 
eine unend>ehrliche Bildungsanstalt von gros- 
ser Bedeutung auch für die neue Zeit hielt, 
sollte unter dem seltsamen Namen des Repu- 
blikanischen Qymnasiums fortgefOhrt 
werden. 

Die Professoren der Akademie in Verbin- 
dung mit den einstigen Lehrern des Politischen 
Instituts entwarfen den Lehrplan fQr das erste 
Schuljahr, und in den Zeitungen wurden die El- 
tern aufgefordert, dem Gymnasium ihre Söhne, 
welche sie für die politische Carriere bestimmt 
hätten, anzuvertrauen. Trotzdem nur zehn Sub- 
jekte für die Voriesungen sich angemeldet hat- 
ten, wurde die Schule in der dritten Januar- 
woche des folgenden Jahres 1799 eröffnet unter 
der Leitung des ersten Religionslehrers der An- 
stalt, des Archidiakonus Müslin.^ Es la- 
sen dieselben Lehrer, wie im Wintersemester 
1797/98; emzig an Stapfers Stelle war der Pro- 
fessor hebraicus Rudolf Schärer getreten, der 
aber audi schon einmal, im Winter 1790/91* 
am Politischen Institut unterrichtet hatte. Schä- 
rer fibemahm nun die lateinische Sprache uiid 
Altertümer (fOnf Stunden), während Professor 
Zeender, welcher im letzten Jahr vor der Re- 
volution den ganzen Sprachunterricht in seiner 
Hand gdiabt hatte,^ die Philosophie an Stelle 
Stapfers und daneben die deutsche Sprache 
dozierte (beides in fünf Stunden). Der Reli- 
gionsunterricht am untern Curriculum lag wie- 
der in der Hand des Direktors Spriinglin (vier 
Stunden) und am obem Curriculum wurde er 
von Mfislin in zwei Stunden erteilt Professor 
Sonnenschein lag die akademische Zeichnung 
ob und dem IMagister matheseos Domer die 
Mathematik am untern Curriculum (beide hat- 
ten dieselbe Stundenzahl, wie vordem). Wegen 
der Abwesenheit des Professors Tralles vmxde 
am obem Curriculum keine Mathematik gege- 
ben. Dr. Stetder, der am Politischen Institut 
über eidgenössisches Staatsrecht und bemi- 



sches Zivilrecht gelesen hatte, las nach der 
Verfügung Stapfers über Naturrecht und die 
neue vateriändische Staatsverfassung. 

Den 4. April 1799 hatte das Vollziehungsdi- 
rektorium auf den Antrag Stapfers beschlossen, 
den Bürger Professoren des Republikanisdien 
Qymnasiums den nämUdien Gehalt zu gewäh- 
ren, der ihnen von der ehemaligen Regierung 
erteilt worden war. Die bemische Verwaltungs- 
kammer eridärte darauf den 29. April dem Mi- 
nister der Künste und Wissenschaften, dass sie 
von allen Oeldmitteln so enti^Iösst sei, dass ste 
jenen würdigen IMännera für ihre Dienste nidits 
geben könne,* und bittet ihn, durch Anweisung 
der erforderlichen Fonds es zu erm^idien, 
dass den Büiger Professoren ihre Pensionen 
ausbezahlt werden können. Erst im Februar 
des Jahres 1800 kam ein kleiner Teil derselben 
zur Anweisung,^ und es ist mehr als wahr- 
sdiemlidi, dass eben infolge der herrschenden 
Oeldnot die Voriesungen des Republikanischen 
Gymnasiums sdion im Winter 1799/1800 wie- 
der eingestellt wurden; m den Manualen des 
bemischen Erziehungsrates ist vom April 1799 
dieser Institution mit keinem Worte mehr ge- 
dacht und auch anderswo sucht man vergeblich. 

Das Nähere über das Republikanische Gym- 
nasium habe ich im diesjährigen Bemer Ta- 
schenbuch veröffenflicht 

Unter dem herrschenden Geldmangel und 
dem Drang der Zeiten litt aber auch die ganze 
Akademie und geriet bald in merklichen Ver- 
fall. Verzweifelt standen die Erziehungsräte 
da, ihre Hiilfenife verhallten an der Ohnmacht 
der helvetischen Oberbehörden. Die traurige 
Lage der tiieologischen Lehranstalt tat sich 
sdion äusseriidi kund. Auf dem Totenfried- 
hof zwischen dem IGoster, der Untem Schule 
und der Bibliothek wurde der Requisitionspark 
eingerichtet und provisorische Remisen und 
Stallungen gebaut Bald war die Luft im gan- 
zen Quartier verpestet; in das Gestampf der 
Rosse und die Rufe der 




171 



^ 



Die Zeit der HdvetOL 



m 



die rohen Lieder der Soldateska und lockten 
die immer neugierige Jugend hinaus, die jetzt 
zu ernstem Studium ohnehin nicht aufgelegt 
war;i alle Bitten des Erziehungsrates waren 
veigeblich. Im Juni 1799 wurde plötzlidi, ohne 
dass die Verwaltungskammer oder die Muni- 
zipalitat darum angefragt worden wire, der 
ehemalige Bibliotheksaal in ein Hospital fQr 
kratzige Soldaten umgewandelt Zur VerhQ* 
tung der Ansteckung wurden sofort alle Vor- 
lesungen eingestellt' Auf die Vorstellungen 
des Erziehungsrates hin gelang es nach einiger 
Zeit dem Minister der KQnste und Wissen- 
sdmften, die Räumung des Klosters von diesen 
unwillkommenen Gasten zu bewülcen, aber 
kaum waren die Franken ausgezogen, nicht 
gerade eine schöne Ordnung hinterlassend, so 
zog die Nationalbuchdrudcerei bi das Ktoster 
eui und nahm den Bibliotfaeksaal und das 
grosse Sommerauditorium für sidi in Ansprudi. 
Vergeblich waren jetzt alle Klagen des Erzie- 
hungsrates an die Oberbdiöiden : die Drucke- 
rei richtete sich im Kk>ster hauslich ein und 
verbUeb daselbst längere Zeit und störte durch 
ihr geschäftiges Treiben die Vorlesungen der 
Bfiiger Professoren, die nun auf zwei Audito- 
rien beschränkt waren. In diesen aber sah es 
manchmal öde und leer aus. Von 120 vor der 
Revolution war im Herbst 1799 die Zahl der 
Studierenden bereits auf 50 herabgesunken und 
der Erziehungsrat musste voraussehen,' dass 
von den Bleibenden bald noch ein guter Teil 
ebenfalls austreten werde, mutk>s geworden 
durch die zunehmende Abneigung des Volkes 
gegen die Gelehrsamkeit und insbesondere den 
geisdichen Stand und der Hälfe, die sie bis- 
her genossen, zum grossen Teil beraubt Im 
Jahr 1799 wurde niemand aus dem Gymnasium 
in die Akademie promoviert und in den folgen- 
den Jahren waren es immer nur einige Sub- 
jekte, welche zu den öffentlichen Vorlesungen 
befördert werden konnten. «Die akademische 
Disdplin fällt sichtbar dahin », so schreibt der 
Eiziehungsrat an Stapf er im Oktober 1799 in 



einer langem Eingabe, in welcher er dem Mi« 
nister der Kfinste und Wissenschaften von dem 
«erschreckenden Verfall der Akademie» Kennt- 
nis gibt Aber auch die Begeisterung, mit der 
die Herren Professoren dozierten, wird fai jenen 
traurigen Zeiten nicht gross gewesen sein, da 
der Staat mit der Ausbezahlung ihrer Gehälter 
immer sehr im Rückstand war, und doch waren 
sie so wenig wie die ilbrigen Biirger von dem 
harten Druck der beständigen Einquartierungen 
und der alles erschöpfenden Kontributionen, 
hoher Steuern und Teilen befreit; «sie dar- 
ben bei nie unterbrochener Arbeit 
und leben mit Weib und Kindern von 
ihren Kapitalien oder von Schulden 
oder von fremder Unterstützung», 
klagt der Erziehungsrat in einem Sdueiben an 
den Vollziehungsrat vom 4. Februar 1800> 

Gleich nachdem der Mmister der Künste und 
Wissenschaften sein Amt angetreten, hatte er 
den Professores Tralles zu dem m Paris ta- 
genden Kongress zur Unifikation von Münze, 
Mass und Gewidit abgeordnet Sdion war 
Tralles 1 Va Jahre in dorten und während dieser 
ganzen Zeit lag hn Kk>ster der Unterridit bi 
Physik und Mathematik vollständig bradi. Da 
bat der Erziehungsrat Stapfer, der Akademie 
einen Vicarius in diesen Fächern zu stellen, 
aber veigeblich wartete man auf den von Tralles 
vorzuschlagenden Stellvertreter; er kam nicht, 
statt dessen ein von Stapfer veranlasster Be- 
sdiluss des Direktoriums, es sei Tralles nicht 
bloss für seine in Paris geleisteten Dienste zu 
bezahlen, sondern er habe auch seme Besol- 
dung als Professor der bemischen Akademie 
für die ganze Zeit seiner Abwesenheit zu be- 
ziehen. Dass diese auffällige Bevorzugung des 
Tralles vor seindto bemisdien Kollegen diese 
sehr schmerzen musste, können wir woU be* 
greifen. «Wenn uns diese gewinnreidie Aus- 
zeichnung unsera Collegen — schreibt der Er- 
ziehungsrat den 7. Jenner 1800 an Stapfer^ — 
zum Vergnügen gereichte, so gab uns das 




« 



DIt Zdt der Hdveflfc 



^ 



lebhaft erwachende Gerechtigkeitsgeffihl den 
Wunsch ein, dass unsere Qbrige Professoren 
und Schullehrer einen eben so warmen Lob- 
redner ihrer vielleicht bescheidnem, aber nicht 
weniger wesentlichen Verdienste hatten finden 
mögen. Unter dem Druck der Einquartierung 
und aller unser armes Vaterland und Vaterstadt 
drfidcenden Beschwerden arl>eiten sie ohne 
Bezahlung mit gewissenhafter Treue fort: 
ihnen verdankt man es, dass unsere Akademie 
und Schulen noch bestehen, dass unsere Ju* 
gend nicht vom Strom der immer mehr über- 
hand nehmenden Verwilderung fortgerissen ist 
Und diese ihre unleugbaren Verdienste um die 
Menschheit im Vaterland sollte übersehen wer- 
den ? Sie sollten unbezahlt arbeiten, tndess der 
nicht arbeitende bezahlt wird?» 

TraOes gehörte übrigens nicht mehr lange 
Zeit der bemisdien Akademie an : im Februar 
1803 gab er seme Entlassung ein, die ihm unter 
Verdankung seiner vorzüglichen Verdienste um 
die Wissenschaft von selten des Staatssekretärs 
für das Departement der umem Angelegenhei- 
ten gewährt wurde.^ Sonst gab es während der 
Helvetik keine Veränderungen im Lehrerbe- 
stand der Akademie. Zu Anfang derselben war 
an Stelle Stapfers nach dessen Ernennung zum 
Minister der Künste und Wissenschaften seüi 
Bruder Friedrich vikariatsweise getreten; den 
4. März 1801 wurde er vom Vollziehungsrat de- 
finitiv zum Professor der didaktischen Theolo- 
gie ernannt' 

Unter der herrschenden Geldnot hatten nicht 
bloss die Professoren, sondern, wie man sich 
leicht denken kann, auch die Alumni auf Klo- 
ster und Schul arg zu leiden. Im April 179Q 
machte der Erziehungsrat die Verwaltungs- 
kammer auf die traurige Lage der beiden Prae- 
positi aufinerksam, denen di€ gewöhnlichen Be- 
zahlungen zu Bestreitung der Kosten für die 
Alumnate ausblieben, so dass sie die Oekono- 
mie in eigenen Kosten versehen mussten, trotz- 
dem sie für ihre Lehrtätigkeit ebenfalls nichts 
erhielten.^ Eine kleine Anweisung von selten 




des Dirdctoriums zu Dunsten der PraepositI 
genügte dem Bedürfnis auch nicht im entfern- 
testen, so dass sich diese genötigt sahen, da 
zudem auch der Musshafen nicht mehr ausge- 
riditet wurde, zu Ende November 1799 die 
Oekonomie auf Schul und Kloster einzustellen 
und die Alumni ihrem Schicksal zu überlassen.* 
Das ging dem Minister der Künste und Wissen- 
schaften zu Herzen ; er knüpfte mit dem Erzieh- 
ungsrat Unterhandlungen an, wie das Los der 
armen Verlassenen im Kk>ster zu verbessern 
wäre und schliesslich wurde die Angelegenheit 
so geordnet, dass die Verwaltungskammer er- 
mächtigt wurde, den Alumnen im Kloster 50, 
denen auf der Schul 60 Kronen monatlich aus- 
zurichten, womit sich nun diese selbst zu be- 
köstigen hatten.^ Es scheint auch, dass sie 
diese Zuschüsse wirklich erhielten, wenigstens 
kam die Alumnen auf der Schul im Herbst 
1801 das Oelüste an, statt der «bis anhin mo- 
natlich bezogenen Kronen 60» auf einmal 100 
zu verlangen, was der Erziehungsrat so unbe- 
scheiden fand, dass er deren Petition ad acta 
legte.^ 

Trotz aller Schwierigkeiten, die ihn überall 
umgaben, hielt der bemische Erziehungsrat 
tapfer auf seinem Posten aus und tat für die 
Schulen, so viel in seiner Madit lag bis zum 
Frühling 1802; da brach zwischen ihm und der 
Verwaltungskammer und dem Departement für 
die innem Angelegenheiten wegen der Wahl 
eines Provisors ein Kompetenzstreit aus, der 
zu einer immer heftiger werdenden Korrespon- 
denz der beiden Parteien führte, infolge deren 
schon zur Zeit des Stecklikrieges die meisten 
Mitglieder des Erziehungsrates demissionier- 
ten. Im Januar 1803 bestand diese Behörde nur 
noch aus zwei Mitgliedern, dem Dekan Ith und 
dem Oymnasiarchen Wagner, welche die lau- 
fenden Geschäfte mit der ihnen eigenen Ge- 
wissenhaftigkeit führten, wofür ihnen der Voll- 
ziehungsrat in einem Schreiben vom 14. Hor- 
nung 1803 seinen Dank und seine Anerkennung 
aussprach, zugleich mit der Anzeige, dass er 



^ 



Dfe ZW dcf Hflvcnk* 



ihnen ab Dritten im Bunde den Prof essor Fried- 
rieh Stapf er beigeordnet habe und dass die Bür- 
ger Ith, Wagner und Stapfer zu allen dem Er- 
ziehungsrat obliegenden Verrichtungen kom- 
petent seien. Aber schon den 23. Mai 1803 
fand die letzte Sitzung des Erziehungrates statt, 
in welcher er ein Schreiben von Schultheiss 
und Rat des Kantons entgegennahm, das seine 
Auflösung aussprach auf den Vortrag des Ineuen 
iOrchen- und Sdiuldepariements hin. 

Es ist kein fröhUches Lied, in das die Oe- 
sdiichte des bemischen Erziehungsrates aus- 



j» 



Ufaigt: die Hoffnungen aDe, die seine Mitglie- 
der beun Antritt ihres Amtes in Bezug auf die 
Hdwng der NationaUcultur gehegt hatten, sind 
zu Grabe getragen worden und entiausdit und 
vert>ittert zogen sidi die Manner zurfick, die 
ilue ganze Kraft eingesetzt luitten, um Stapfers 
Ideale verwirklichen zu helfen ; schliesslich 
wurde die Behöcde zum remen Zerrbild. Die 
Oeschiohte des bemisdien Erziehungsrates ist 
un Kleinen die Oeschichte der Helvetik fiber- 
haupt 





174 



Die Akademie in der Mediations- und 

Restaurationszeit. 




Die Grflndung der Anstalt 

Nachdem schon im Februar 1804 die akade- 
mische Kommission des Kirchen- mid Schul- 
departements den Auftrag erhalten hatte, die 
Revision der Akademie vorzubereiten, gab das 
Departement den 1. September 1804 dem Klei- 
nen Rat seinen Vortrag in Sachen ein. Sein 
Vorschlag war ein doppelter: der eine ging 
dahin, der alten Akademie das medizinische 
Institut^ in dem erforderlichen Ausbau anzu- 
ffigen und die Rechtsschule durch Kreierung 
dreier neuer Professuren zu erweitem, alle 
übrigen Fächer aber, die in den drei Fakultäten 
nicht begriffen waren, ausserordentlichen Pro- 
fessoren ohne Qehalt zu iiberlassen ; ^ der an- 
dere verlangte eine vollständige Umgestaltung 
des Alten, eine Universität nach dem Mu- 
ster der deutschen Hochschulen.^ 



Der Kleine Rat konnte sich weder fOr den 
einen» noch den andern Vorschlag erwärmen, 
verlangte aber auch eine gänzlidie Umschaf- 
fung des Alten und eine neue Einrichtung, 
aber mehr in Anlehnung an das bereits Be- 
stehende und nicht nach dem Muster der deut- 
schen Universitäten. Es wurde deshalb eine 
Kommission, aus drei Mitgliedern bestdiend, 
eingesetzt, wekhe gemäss den Bedürfnissen 
des Kantons und seiner Finanzen einen neuen 
Plan vorlegen solHe ; der Finanzrat, der Ku-dien- 
rat und der Stadtrat sollten je ein Mitjg^ed aus 
ihrer Mitte wählen. Der Finanzrat wählte den 
Ratsherrn Abraham Friedrich von Mutadi, der 
Stadtrat den Stadtseckelmeister Alexander Fi- 
sdier und der Kirchenrat den Dekan Ith, der 
natßrlidi bei der Arbeit, welche die Itemmis* 
sion sofort energisch an die Hand nahm, die 



Hauptrolle spielte ; ohne Zweifel ist seiner Ein« 
sieht in erster Linie das Befinden über die 
Einrichtung der Akademie und Schu- 
len zu verdanken, weldies v<Mn Kleinen Rat 
bereits den 22. Fd>ruar 1805 in allen Teilen 
genehmigt wurde und in allgemeinen Um- 
rissen die Ausdehnung der neuen Unterricfats- 
anstalten bestimmte, sowie die zu kreierenden 
Lehrstühle bezeichnete und die Ausgabea fi- 
xierte, welche die ganze Einrichtung erforderte. 
Alks Detail sollte von der über dem Ganzen 
stehenden dreigliedrigen Behörde, der Kura- 
tel, au^:earl>eitet werden. Den 4. März 1805 
wählte der Kleine Rat zum Präsidenten der- 
selben den Ratsherrn Mutach und als zwei- 
tes Mitglied den Dekan Ith, nadidem er nodi 
vorher beschlossen hatte, statt der von der Kom- 
mission geforderten Summe von 34,000 Franken 
jähriich 40^000 Franken für die zu errichten- 
den Anstalten auszugeben. Das dritte Mitglied 
der Kuratel wurde dem Stadtrat konzediert, 
unter dessen Verwaltung Schulseckd und Muss- 
hafenfonds standen.* Nachdem der Schulrat 
auch seinerseits das « Befinden » in allen Teilen 
genduntgt hatte, wählte er den Stadtseckel- 
meister Fischer in die Kuratel. 

Nodi denselben Monat, den 28. März 1805, 
veröffentlichte die Kuratel die «Ankündigung 
der neuen Einrichtung der bemischen Akade- 
mie und Schulen», den 6. Mai gab sie dem 
Kleinen Rat die Vorschlage für die Wahlen 
aller Lehrer ein und zwei Tage nachher nahm 
dieser dieselben fast durchgängig in bestätigen- 
dem Sinn vw.^ 

Gewaltige Energie und unverdrossene Ar« 
beitslust, rasche und gewissenhafte Abwick- 
lung aller Geschäfte, treue Hingabe an die 




175 




Die Akademie fai der Medittkmt- and Rettanimtloiiiidt 




fibeiix)mmenen Pfliditen und alftemische Zä- 
higkeit in der Verfolgung der einmal gesteck- 
ten Ziele, veibitnden mit Würde und Ernst 
kennzeichnen vor allem die zielbewusste Titig* 
keit der neuen Sdiulbehörde, der KurateL Nadh 
dem ihm gewordenen Auftrag arbeitete Dekan 
Ith das Reglement auf Qrund des genehmigten 
Befindens aus; bereits den 21. Juni wurde es 
den Räten eingegeben, von diesen sofort vor 
die Hand genommen und durdiberaten, so dass 
es bereits in den ersten Tagen des Juli ver- 
öffentlicht werden konnte. Noch in demselben 
Monat wurden die D e k an e erwählt, sowie der 
Prorektor für das erste Studienjahr; die er- 
sten Dekane waren die Professoren Schärer für 
die theologische, Haller für die juridische, Scfai- 
ferli für die medizinische und Risold für die 
vierte Fakultät; der erste Prorektor^ der neuen 
Akademie war der gelehrte Theologe Profes- 
sor Schärer. Nun wurde sofort der Lek- 
tionskatalog für das kommende erste Semester 
beraten, nachdem die Kuratel folgende Grund- 
sätze für die Abfassungen desselben aufgestellt 
hatte:» 

1. Für jedes Kollegium ist für die ganze 
Woche die gleiche Stunde zu bestimmen. 

Z In allen Fakultäten sind die widitigsten 
Fächer vorzugsweise des Moi^ens vorzutragen. 

3. In der praktischen Theologie ist die fra- 
gende Methode und die deutsche Sprache vor- 
zuziehen. 

4. Die theologischen Vorlesungen sind mit 
der Dogmatik (zwei Semester hindurch drei 
Stunden) und der Moraltheofogie (ebenfalls 
zwei Semester mit derselben Stundenzahl) an- 
zuheben; die übrigen Disziplinen folgen nach. 

4. In der Naturgeschichte ist auf das Pflan- 
zen- und Mineralreidi doppelt so viel Zeit zu 
verwenden, wie auf das Tierreich. 

So war denn zur Einweihung der neuen An- 
stalt bereits alles aufs beste vorbereitet; die 
feierliche Inauguration fand den 2. November 
1805 statt im alten Bibliotheksaal ^ in Gegen- 
wart des Kleinen Rates, des Stadtrates, des 




KuxJienrates, aUer Akademiker und der stu- 
dierenden Jugend. Nadidem der Kanzler eine 
der Bedeutung des wichtigen Tages angemes- 
sene Rede gehalten hatte, wurde allen Lehiem 
das Odübde an Eidesstatt voigelesen; dann 
wurden die einzelnen mit Namen abgenifcn 
und legten dem Kanzler das Handgelfibde ab, 
worauf sie ihr Patent eingehändigt erhielten. 
Sodann leisteten sie dem Prorektor das Hand- 
gelfibde, worauf dieser, neben dem Kanzler 
stehend, mit einer würdigen Rede die neuen 
Anstalten für eröffnet erklärte. 

Den ersten Winter 1805/06 wurden folgende 
Vorlesungen gehalten: 

1. An der theologischen Fakultät: 

Prof. Zeender. 4 Std. lateinische Vorlesun- 
gen iiber Dogmatik und 4 deutsche 
über Moraltfaeotogie ; 

Prof. Studer. 2 Std. deutsch über Pastoral- 
theologie, je 2 Std. Homiletik, Kirdien- 
recht und Katechetik; 

Prof. Schärer. 2 Std. Hebräisch an der Untern 
Akademie. 2 Std. m deutscher Spra- 
che über Umriss und Methodik des Bibel- 
studiums; in lateinischer Sprache über 
die Psalmen. 4 Std. über die Evangelien. 
Alk Samstage in beliebigen Stunden 
praktisdie Uebungen mit den Studenten 
un Kehr. 

2. An der juridischen Fakultät: 

Prof. Qmelin. 6 Std. Institutionen. 5 Std. Kri- 
minalrecht; 
Prof. Schnell. 6 Std. vaterländisches Recht 

3. An der medizinischen Fakultät: 

Prof. Emmert 12 Std. Anatomie; 

Prof. Tribolet 6 Std. materia medica und Pa- 
thologie. Täglich ein Clinicum im Zivil- 
hospital; 

Prof. SdüferU. 6 Std. medizinische Chüurgie 
und Oeburtshülfe. Täglich klmischer Un- 
terricht im MilitärhospitaL 



^ 



Di« Akademie in der Mediationn- und Restaurationszeii 



4. An der philologischen Fakultät: 

Prof. Riaold. 6 Std. Ober griechische Littera- 
tur, Homer und die Evangelien. 6 Std. 
lateinische LitteratuTi Horaz und ein Pro- 
saiker; 

Prof. Beck. 6 Std. allgemeine Physik. 5 Std. 
statische und mecfa. Wissenschaften; 

Prof. Meissner. 6 Std. allgemeine Natuige- 



^ 



Prof. Trechsel. 6 Std. Geometrie, 

und Trigonometrie; 
Prof. Jahn. 6 Std. Geschichte und Kritik der 

schönen Litteratur. Practicum fiber die 

deutsche Sprache; 
Prof. Wyss. 5 Std. Logik. 5 Std. Oesdiichte 

der Phik>sophie. 1 Std. Moral fOr die 

ganze Akademie. 

Das R^lement vom Jahr 180S. 

Das Regl^nent für die Akademie,^ von 
Sdiultheiss und Rat den 26. und 27. Juni und 
den 1. Juli 1805 nach dem vorgelegten Ent- 
wurf beraten und angenommen, sollte vorerst 
nur für eine Probezeit von sechs Jahren gelten ; 
man wollte erst sehen, ob all das neue, das 
einzuführen war, sich bewahre und alles rich- 
tig zusammenstimme und ob die grossen Oeld- 
opfer, die der Staat neu zu bringen hatte, sich 
auch verlohnten, und nachdem alles gehörig er- 
dauert worden, sollten sodann nach Verfluss 
von sechs Jahren alle interessierten Parteien 
sich wieder zusammentun und sehen, ob und 
in welchem Umfang die ganze Anstalt beizu- 
behalten, und was eventuell am Reglement zu 
verindem seL 

Wie die ganze Schule neu geordnet wird, so 
erhält auch deren leitende Behörde ein vollstän- 
dig verändertes Aussehen : im alten Bern hatte 
sie einen republikanisch-patriarchalischen Cha- 
rakter, insofern die Professoren von Amts we- 
gen IMitglieder des obersten Sdiuhates waren 
und auf der geistlichen Bank gewöhnlich fast 
ebensoviele Mitglieder sassen, wie auf der 



weltlichen, fast ebensoviele Professoren, wie 
Laien; jetzt erhielt sie sozusagen einen mo- 
narchisdi-absolutistischen Charakter, insofern 
die Professoren von der obersten Instanz aus- 
geschlossen wurden und nur nodi in vorbe- 
ratenden Instanzen sidi geltend machen konn- 
ten. 

Als die oberste Behörde sieht das Reglement 
die Kuratel vor, welche aus drei MitgUedem 
zusammengesetzt ist, dem Kanzler und zwei 
Kuratoren. Der Kanzler muss zugleidi Mit- 
glied des Kleinen Rates sein, während die 
Wahl des ersten der beiden Kuratoren frei ist 
und aus dem geistlichen oder dem weltlichen 
Stand getroffen werden kann; beide werden 
vom Kleinen Rat gewählt Der zweite Kurator 
hingegen ist vom Kleinen Stadtrat und aus 
dessen Mitte zu wählen. Es ist also in der 
Kuratel die oberste Behörde des Staates, sowie 
der Stadt vertreten; dass als zweites Mitglied 
der eigentliche Schöpfer der neuen Ordnung 
und das vornehmste Mitglied des alten Sdral- 
rates, sowie des Erzidiungsrates zur Zeit der 
Helvetik, mit andern Worten der bewährteste 
Kenner des bemisdien Schulwesens gewählt 
werden mfisste, darüber war man sich im Klei- 
nen Rat natürlich von vorneherein klar; durch 
die Wahl des Dekans Ith war aber auch zu- 
gleich die Kirche in der Kuratel vertreten und 
diese kräftige Vertretung blieb bis zur Neu- 
gestaltung der Kuratel, indem auch nach dem 
Tode Iths tüchtige Geistliche an dessen Stelle 
gewählt wurden. Alle Macht freilich gipfelte 
in dem Kanzler, dem Präsidenten der Ku- 
ratel, den auch das Reglement das Haupt der 
gesamten Anstalt nennt, mit Vollmacht in allem, 
was die Exekution betrifft Ihm ist die Hand- 
habung der Polizei und der Gesetze aufgetra- 
gen mit unumschränkter Gewalt; in sein Be- 
lieben ist es gestellt, ob er in dieser seiner 
Machtsphäre irgend einen Vorfall von der Ku- 
ratel deliberieren lassen oder vor die höchste 
kantonale Exekutivbehörde bringen will. Ihm 
ist der Prorektor der Akademie unmittelbar 



« 



Die Akademie in der Mediatioiu- und Restauntiontzeit 



^ 



unteis^eordnety indem er sich in allen seine 
Kompetenzen fiberschreitenden Fällen direkt 
an ihn zu wenden hat Er repräsentiert als der 
Vertreter des Staates die Anstalt sowohl nach 
aussen als nach innen : in allen öffentiichen 
Verhandlungen hat er den Vorsitz; er nimmt 
den Lehrern das Gelübde ab und fährt sie in 
ihr Amt ein. 

Die Kuratel ist vor allem die beratende 
und die beaufsichtigende Behörde. Die bera- 
tende in allen Fragen, die das Innere der 
Anstalt betreffen, also vorzfiglich in allen or- 
ganisatorischen Angelegenheiten, sei es, dass 
ihre Entscheidungen erst noch an den Kleinen 
Rat gelangen oder aber vom Kanzler ausge- 
führt werden; die beaufsichtigende, in- 
sofern sie die Lehrer in ihrer Fähigkeit, ihrem 
Fleiss und ihrer IMethode beobachten und even- 
tuell die nötigen Remeduren verfügen soll. Sie 
ist des fernem mit der Verwaltung des ganzen 
Finanzwesens unter der Oberaufsicht des Klei- 
nen Rates beauftragt und organisiert die Bene- 
fida des Musshafens und der Alumnate auf 
Schul und Kloster, soweit sie dieselben auf den 
Vorschlag der betreffenden Unterbehörden ver- 
gibt 

Die Kuratel ist die Vermittlerin zwischen der 
Anstalt und dem Kleinen Rat, sowie dem Stadt- 
rat und führt die betreffende Korrespondenz. 

Für die Kuratel ist der untere akademi- 
sche Rat die vorberatende Behörde, in wel- 
cher nach erfolgter Aufforderung von Seiten der 
Kuratel alle Fragen, welche fachmännische Be- 
gutachtung erheischen, zuerst behandelt wer- 
den. Er besteht aus den Dekanen der einzelnen 
Fakultäten und wird vom Prorektor präsidiert; 
zudem gehört ihm der Professor gymnasii, der 
Rektor der Untern Schule, an zur Herstellung 
der Verbindung beider Lehranstalten. Der un- 
tere akademische Rat hat des weitem folgende 
Kompetenzen : 

Er besoigt die laufenden Geschäfte und An- 
gelegenheiten der Akademie, veranstaltet die 
Examina, macht die Vorschläge zu den vakan- 



ten Benefizien und revidiert die von den Fakul- 
täten entworfenen jährlichen Berichte zu Hän- 
den der Kuratel, welche sie dann an den Klei- 
nen Rat weiter leitet Er prüft die Preisschrif- 
ten und macht den Vorsdüag für das Prorek- 
torat 

Nach dem Reglement sollten alle Resultate 
der Voiberatungen des untem akademischen 
Rates zunächst dem 

obern akademischen Rat 
unterbreitet werden, d. h. der aus der Kuratel 
und dem untem akademischen Rat kombinier- 
ten Kammer, welche wiederum von dem Kanz- 
ler präsidiert wurde. Gewöhnlich aber gingen 
die Gutachten des Dekanenkollegiums, wie wir 
heutzutage den untem akademischen Rat nen- 
nen, direkt an die Kuratel; der obere akade- 
mische Rat war das fünfte Rad am Wagen der 
bemischen Akademie. 

Unter dem Kanzler, welcher der eigentliche 
akademische Rektor ist, steht der Prorektor 
mit dem Titel magnificus. Magnifizenz regiert 
aber nur ein Jahr und wird umwechselnd aus 
den vier Fakultäten auf den Vorschlag des un- 
tem akademischen Rats von der Kuratel ge- 
wählt In feierlichem Akt, bei dem alle Studie- 
renden anwesend sind, tritt er sein Amt mit 
dem Eintritt des Winterhalbjahrs an : nachdem 
er durch eine Rede sich selber konstituiert hat, 
wird er vom Kanzler im Namen der Regierung 
an Eidesstatt ins Handgelübde aufgenommen 
und nimmt dann selber von allen Lehrem für 
sich und deren Zuhörer das Gelübde des Ge- 
horsams ab. Alljährlich hatten also die Pro- 
fessoren dem Staate wieder zu geloben, dass 
sie dessen getreue Diener sein wollten und 
nichts Revolutionäres im Sinne hätten! 

Der Prorektor führt die unmittelbare Auf- 
sicht über die Lehrer und Hörer und hat das 
Recht und die Pflicht, alle Collegia zu be- 
suchen. In der Beaufsichtigung und Kontro- 
lierung der Professoren kann man nie zu viel 
tun, hiess es in der Mediations- und Restau- 
rationszeit! Im übrigen waren die Pflichten 




178 



« 



Die Akademie in der Mediations- und Resiaurationszeii 



51 



des Prorektors dieselben, wie die des heutigen 
Rektors: er führte die Matrikel und immatri- 
kulierte die Studierenden ; er besorgte die aus- 
wärtige Korrespondenz, im Namen der Akade- 
mie und fertigte die testimonia academica aus 
und war für die Erhaltung der Ordnung und 
Disziplin und den gesetzlichen Oang der gan- 
zen Anstalt besorgt 

Die Dekane werden für vier Jahre gewählt 
und präsidieren die Sitzungen ihrer Fakultät, 
in welchen die speziellen Angelegenheiten einer 
jeden derselben verhandelt werden. In der phi- 
lologischen Fakultät hat auch der Professor 
gymnasü Sitz und Stimme. 

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass in der 
Verwaltung und Leitung der Akademie alle 
Macht und Gewalt in der einen Person des 
Kanzlers sich konzentrierte und dies um so 
mehr, als er von allen, die an der Leitung be- 
teiligt waren, der einzige war, der dem Kleinen 
Rat angehörte und infolgedessen in allen wich- 
tigen Angelegenheiten das letzte gewichtige 
Wort hatte. Der Kanzler war der mächtige 
Princeps in dem kleinen Staat im alten Bar- 
ffisserkloster und die Rolle des Princeps passte 
vortrefflich zur Herrschematur des vom Rate 
gewählten ersten Kanzlers, des Herrn von Mu- 
tach; es war, als ob sie eigentlich für ihn ge- 
macht worden wäre. 

Die Professoren hatten sich nach den 
Weisungen des Reglements als würdige Diener 
des genannten Staates zu erweisen und das 
sollte man ihnen auch äusserlich ansehen. «Wir 
fordern von ihnen allen — so heisst der § 48 
— Wohlanständig^eit in der Kleidung, sowie 
in der ganzen übrigen Lebensweise. Insonder- 
heit sollen sie insgesammt bei allen öffent- 
lichen Erscheinungen, auch in ihren Vorlesun- 
gen schwarz gekleidet sein; die Professoren 
der Theologie aber überdiess, nach alter Sitte, 
den Mantel und Rabat tragen.» Das Kapitel 
von der Disziplin schärft ihnen ein, die Bemer- 
kungen, Vorstellungen und Warnungen der 



Kuratel sich zu nutze zu machen und das An- 
sehen derselben gehörig zu achten, wenn sie 
nicht Gefahr laufen wollen, von Schultheiss und 
Rat bestraft zu werden. 

In den Gang ihres Unterrichts konnte die 
Kuratel jederzeit eingreifen, denn ihr stand es 
zu, über die Pensen und Stunden, die Lehr- 
bücher und die Methode des Dozenten zu ver- 
fügen und nötigenfalls deren Aenderung zu ver- 
langen. Man liess diesem freilich frei, «über 
Handbücher oder eigene Hefte » zu lesen, aber 
der Kuratel war es vorbehalten, wenn 
nötig, Einsicht in dieselben zu neh- 
men, sowie es denn auch, worüber wir uns 
zwar weniger wundem wollen, den Professoren 
der Theologie vorgeschrieben war, dass sich 
ihre Lehrbücher und Hefte auf die helvetische 
Konfession begründen sollten. So war denn 
durch das Reglement dafür gesorgt, dass auf 
politischem und religiösem Gebiet der studie- 
renden Jugend nichts Missbeliebiges gelehrt 
werden könnte, dass die freiheitlichen und ide- 
alen Anschauungen der Helvetik im Herzen 
derselben nicht wieder Eingang fänden. Ja, 
Dekan Ith hatte den Geist der neuen Zeit rasch 
erfasst ! Ein mericwürdiger Mann ! 

Den Professoren war vorgeschrieben, ausser 
ihren Vorlesungen von Zeit zu Zeit Repetitio- 
nen zu veranstalten, in denen die Zuhörer über 
das Angehörte geprüft werden sollten, und es 
war ihnen freigestellt, mit den Repetitionen sel- 
ber angemessene Uebungen zu verbinden. Wie 
weit und ob überhaupt dieser Forderung nach- 
gekommen wurde, ist mir aus den Akten nidit 
klar geworden. 

Das Reglement bestimmt auch die Rang- 
ordnung der Fakultäten und zwar in folgender 
Weise. Wie billig und recht, kommt der Theo- 
logie die erste Stelle zu ; dann folgt die Staats- 
und Rechtswissenschaft, in dritter Linie die 
Medizin und endlich die philologisch-philoso- 
phische Fakultät mit ihren beiden Sektionen. 
Nach dieser Rangordnung wechseln die De- 




179 



tft 



Die Akademie In der Mediations* und Restanntionazeii 



^ 



kane ab. In den FakuUaten selber 
den Rang des Professors die Zeit seiner Er- 
wählung und bei gleichzeitiger AnsteUung sein 
Alter. Ueber die Pensa der Professoren, die 
im Reglement angegeben werden, gibt unsere 
Geschichte der einzelnen Fakultäten hinläng- 
lichen Aufechluss, wie wir auch den Subsidiär- 
anstalten, den Unterstutzungsanstalten (Muss- 
hafen und Alumnat) und den sogenannten Auf- 
munterungen (Preisschriften u. s. w.), von wel- 
chem das Reglement handelt, besondere Ka- 
pitel gewidmet haben, so dass uns nur noch 
die Reglementsbestimmungen über die Studen- 
ten zu besprechen übrig bleiben. 

Die Studierenden zerfallen in immatrikulierte 
Hörer und Hospitanten oder freie Zuhörer. 
Diese letztem müssen das dreiundzwanzigste 
Lebensjahr fiberschritten haben, jene werden 
immatrikuliert, wenn sie die Admission zum 
heiligen Abendmahl erhalten haben, gegen ein 
Eintrittsgeld von L. 10, wenn sie Kantonsange- 
hörige sind, von L 20, wenn sie aus einem an- 
dern Kanton gebürtig und von L 32, wenn sie 
aus dem Ausland kommen. Ihren Dozenten 
haben die Hörer Kollegiengelder zu bezahlen: 
die Studiosi theologiae für den Halbjahricurs 
L. 6, die übrigen Akademiker aber das Dop- 
pelte und das Dreifache im Maximum, wenn 
die Vorlesungen für den Lehrer mit Auslagen 
verbunden sind. 

Das Studium in der philologischen,^ sowie 
in der juridischen Fakultät war auf zwei Jahre 
beredmet, das theologische hingegen auf drei 
und das medizinische auf vier. In die juri- 
dische und medizinische Fakultät konnte jeder, 
der das gesetzliche Alter erreicht hatte, ohne 
weiters und ohne sich über iigend welche 
Kenntnisse ausweisen zu müssen, eintreten; 
in diesen beiden Fakultäten war auch das 
Studium vollständig freigegeben, es herrschte 
kein Kollegienzwang im Gegensatz zur theo- 
logischen Fakultät, in welcher auch m Bezug 
auf Examina und Promotk>nen an der alten 
Tradition festgehalten wurde. Zudem wurde 



keiner in die flieok)gisclie FakuHit angenom- 
men, wenn er nicht vorher die philologische 
Fakultät vollständig absolviert hatte. Die phi- 
lologische Fakultät war die obligatorische Vor- 
schule für die Theologiestudierenden, weshalb 
in § 19 von zwei Abteilungen der Akademie 
die Rede ist; von der untern, «in der be- 
griffen sind die dassisdie Gelehrsamkeit; Lit- 
teratur, schöne Wissenschaften, Geschichte, 
Geographie, Philosophie, Mathematik, Physik 
und Naturgeschichte» und von der obern, 
«welche die Theologie, Staats- und Rechts- 
wissenschaft und die Median enthält». Wie 
für die künftigen Theologen die philologische 
Fakultät die obligatorische Vorschule der tiieo- 
k)gischen war, so war natüriich für dieselben 
die Absolvierung der Lateinsdiule mit dem 
Examen und der Promotio ad lectiones publi- 
cas nach altem Brauch ebenfalls uneriässlich. 
Auch erinnert es noch ganz an die alten Zeiten, 
wenn das Reglement m §58 also vorschreibt: 
«Bey der Annahme künftiger Theologen hat 
man nicht allein auf Tüchtigkeit und Würdig- 
keit, sondern auch auf die physische Beschaf- 
fenheit der Subjekte Rücksicht zu nehmen. Na- 
türliche, in die Augen fallende Gebrechen, eib- 
liche oder eckelhafte Krankheiten, wesentliche 
Mängel in der Organisation, in den Geistes- 
und Gemütsanlagen schliessen schlechterdings 
vom geistlichen Stande aus.» 

Auch das Heiratsveibot wurde wieder auf- 
genommen und für gut gefunden, es auf alle 
Fakultäten auszudehnen. Wer wichtige Gründe 
zum Wunsche einer Ausnahme von dem Ver- 
bot vorzubringen hatte, konnte sidi bei der 
Kuratel um Dispensation anmelden. Wie vor 
Zeiten, so sollten auch jetzt wieder die Bene- 
fidarii wegen allzu frühen Weibens alle genos- 
senen Unterstützungen einbüssen. 

Ueber die Abkunft und den Stand der Stu- 
dierenden schreibt das R^ement nidits mehr 
vor; diese Frucht hatte doch die Helvetik der 
bemischen Schule gebracht, dass man jetzt nie- 
manden mehr vom Eintritt in die hohem Un- 



^ 



Die Akidemie in der Medlatioiii- und Restantatioiitzeit 



^ 



terriditsanstalten ausschloss, moditen seine El- 
tern sein, was sie wollten; ja man war jetzt 
froh, wenn Leute vom Lande herbeikamen, mn 
die medizinischen und juridischen Auditorien 
zu fiiQen, und leistete diesen allen möglichen 
Vorschub. Einzig der Theologie war es vor- 
behalten, den Grundsatz der Gleichberechti- 
gung aller Menschen wieder zu durchbrechen : 
im Dezember 1810 besdiloss der Kleine Rat 
auf den Antrag des Kirchenrates und der Ku- 
ratel, dass von nun an die unehelich Gebomen 
mit Ausnahme der per subsequens matrimo- 
nium Legitimierten nicht mehr Theologie stu- 
dieren könnten. Uebrigens wollte ja auch das 
Reglement, dass die Theologen denn doch noch 
andere Menschenkinder seien als ihre Kommi- 
litonen, die Juristen und die Mediziner, und 
das sollte auch äusseriidi zum Ausdrude kom- 
men, schrieb es doch den Studiosis flieologiae 
schwarze Kleidung vor, den übrigen Studieren- 
den aber nur ein « anständiges » Gewand. Das 
war die «äusserliche Sittlichkeit, durch welche 
die Studierenden ihre Bestimmung fiir Wissen- 
schaft behaupten» sollten. (| 54 des Regle- 
ments.) 

Die Disziplinarbestimmungen sind bn Ver- 
gleich zu den friUiem Ordnungen ebenfalls ge- 
mildert und nehmen jetzt nur noch einen klei- 
nen iRaum (§ 55) ein. Die Vergehungen wer- 
den nach den Distanzen unterschieden, die sie 
behandeln sollen; diejenigen gegen die öffent- 
liche Polizei, Schlagerei, Nachtlarm, Schulden 
U.S.W. gelangen vor den Kanzler und von da 
vor die betreffende bürgeriiche Behörde. « Mo- 
ralische Unordnungen », wie Liederlichkeit, Ver- 
schwendung, Trunkenheit, Spielsucht, Aus- 
schweifungen u. s. w. gehören vor den Rektor, 
dann den Kanzler; Unfleiss, UnsitÜichkeit, In- 
subordination erst vor den Dekan, dann den 
Rektor und so weiter hinauf. Die Strafen sel- 
ber bestimmt das Reglement nicht 

Nachdem die Probezeit von sechs Jahren ab- 
gelaufen war, beantragte die Kuratel dem Klei- 
nen Rat in ihrem Gutachten vom 15. Februar 



1811,^ cdie durch das Reglement von 1805 ein- 
geführten obem und untern Schulen als eine 
an sich zweckmässige, den wissenschaftlichen 
Bediirfhissen des Kantons entsprechende und 
durch eine 6jährige Erfahrung geprüfte Anstalt 
in ihrer Haupteinrichtung und wesentlichen For- 
men beyzubehalten und zu bestätigen». Die 
wenigen Veränderungen und Hinzusetzungen, 
welche sie am R^ement vom Jahr 1805 
wünschte, sind, abgesehen von redaktionellen 
Vert>esserungen, folgende: 

1. Zur Bekräftigung der Unabhängigkeit der 
Kuratel vom akademischen Lehrkörper soll dem 
ersten Pari^[raphen, welcher die Zusammen- 
setzung der Kuratel bespricht, hinzugefügt wer- 
den, dass keines der drei Mitglieder derselben 
zugleidi ein in der Akademie oder in den 
Sdiufen wirklich angestellter Lehrer sein dürfe. 

2. Der Professor gymnasii ist sowohl von 
der philologischen Fakultät, wie vom akademi- 
schen Rat auszuschliessen mfolge der Erfah- 
rung, « dass derselbe mit jenen in keiner eigent- 
lichen Verbindung stehe und in künftigen Vor- 
fallenheiten zu unbeliebigen Kollisionen An- 
lass geben könnte ». 

3. Die Bestimmung, dass alle Beratungen 
des untern akademischen Rates vor den obem 
gelangen sollen, ist als vollständig überflüssig 
und zweckwidrig fallen zu lassen. 

4. Jeder Professor soll gehalten sein, halb- 
jährlich wenigstens zwei öffentliche CoUegla 
anzukünden ; es ist ihm untersagt, ohne beson- 
dere Veij^stigung der Kuratel eine andere 
besoldete Stelle zu bekleiden und ausser der 
Akademie ttber ein anderes als das ihm oblie- 
gende Fach Unterricht zu erteilen. 

5. Von den Studierenden der Medizin, die 
im Kanton Bern praktizieren wollen, wird ver- 
langt, dass sie alle vorgeschriebenen Cursus 
anhören und die daherigen Proben vollständig 
abl^en.' Dagegen behält sich die Regierung 
vor, bei Besetzung solcher Stellen, die eme 
wissenschaftliche Vorbereitung im theotogi- 



Il( 



Die Akademie in der Mediations- und Restaiintionszeii 



51 



seilen, juridisdien oder medizinisdien Fadi 
voraussetzen, diejenigen, welche ihre Studien 
auf der bemischen Akademie mit Fleiss und 
Auszeichnung vollendet haben, vorzGglidi zu 
berücksichtigen.^ 

Die Regierung bestätigte diese Vorschläge 
der Kuratel und fugte von sich aus noch eine 
den Geist der Zeit sehr bezeichnende Mass- 
regel hinzu, dass nämlich die weltlichen Pro- 
fessoren ausser in schwarzer Kleidung auch 
noch mit dem Degen auftreten sollten. Wie 
wird nun der Respekt der Hörer vor ihren Do- 
zenten gewachsen sein! 

Den 5. Juni 1812 MOirden alle Dozenten, 
nachdem sie vorher aufs neue patentiert wor- 
den waren, zur Erstattung des Qelfibdes vor 
die Kuratel gebeten. Einzig Professor Risold, 
der Lehrer der alten Sprachen an der philolo- 
gischen Fakultät, erschien nicht, von der An- 
sicht ausgehend, dass er sich durdi den 6 Jahre 
vorher abgelegten Eid hinlänglich verpflichtet 
habe. Die Kuratel legte diese Weigerung als 
Insubordination aus und glaubte, man solle 
dem renitenten Lehrer das Salarium entziehen, 
bis er sich der Behörde gehorsam erzeige, wo- 
rauf Risold seine Demission eingab. Aber mit 
der Demission zu spielen war schon zu Anfang 
des 19. Jahrhunderts ein gefährliches Ding: 
die Kuratel beantragte dem Kleinen Rat, die- 
selbe anzunehmen, da man Risold bei der 
Wiederanstellung wie keinem zweiten Lehrer 
entgegengekommen sei. Nun zog Risold — es 
gibt nichts Neues unter der Sonne — schleu- 
nigst sein Demissionsbegehren zurfidc, ent- 
schuldigte sich und wurde beeidigt und — die 
Akademie konnte ruhig ihren Gang weiter- 
gehen, wie vorher. 

Mutachs Wirksamkeit während seiner 
ersten Amtsperlode. 

Der Kanzler K» F. Tschamer. 

Die Kuratel soigte von Anfang an für die 
genaueste Ausfuhrung des Reglements und 



war in der Beziehung namentlich den Profes- 
soren gegenfiber von unerbittlidier Strenge und 
ohne Nachsicht Wer das ihm voigesduiebene 
Pensum nicht absolvierte oder seine Voriesun- 
gen nicht gewissenhaft hielt, musste strenger 
Ahndung gewärtig sein; der Kanzler, strenge 
gegen sich selber, verlangte audi von den ihm 
Unteigebenen striktesten Gehorsam und ge- 
wissenhafteste Pfliditerfailung ; Widerspruch 
duldete er keinen. Die den einzelnen Fakul- 
täten vorgeschriebenen Beridite verfolgte die 
Kuratel auf das genaueste und erstattete selbst 
auf Grund derselben dem Kleinen Rat alljähr- 
lich höchst interessante und ausführlidie Be- 
richte Aber den Gang der Anstalt die Leistun- 
gen der Lehrer und einzelner Schüler, die Sub- 
sidiäranstalten, die Preisschriften, die Alum- 
nate U.S.W. 

Mutach verlangte Aditung vor seinen Be- 
fehlen, haben wir eben gesagt, aber er vertei- 
digte auch die Professoren gegen ungerechte 
Angriffe und Hess den Beleidigten seinen Schutz 
ai^iedeihen. Das zeigte sich namenflich in dem 
Streite zwischen den beiden Reditslehrem 
Haller und Schnell, auf den wir hier et- 
was näher einzutreten haben. 

Schwer lastete auf den Lehrern der Akade- 
mie die Censur, um so schwerer, als jetzt 
im Gegensatz zu den frühem Zeiten die Hand- 
habung derselben einer einzigen Person an- 
vertraut war, die in Zeitungen, Flugschriften 
und Büchern nichts dulden sollte, « was für ein- 
heimische und auswärtige Regierungen und 

• 

Regierungsbeamte, für die Geistlichkeit, für 
die Religion und Sittlichkeit anstössig oder 
beleidigend sein könnte, ebensowenig auch 
ehrenrührige Ausfälle und Insinuationen ge- 
gen Particulaipersonen » ; die strenge darauf 
zu halten hatte, dass insbesondere die im Kan- 
ton erscheinenden Zeitungen und periodisdien 
Blätter «sich keinerlei Bemerkungen und Rä- 
sonnements über politische Gegenstände er- 
laubten, sondern sidi einzig und allein an die 
Darstellung von Tatsachen hielten»; die na- 




183 



n^ 



Die Akademie in der Mediations- und Restturationszeit 



» 



mentiich auf diejenigen Schriften ein wachsa- 
mes Auge halten sollte, welche die politischen 
Ereignisse in der Schweiz während der Revo- 
lutionsjahre besprachen.^ Den 30. September 
1806 wurde vom Staatsrat Professor Haller zum 
Censor gewählt mit einem Qehalt von Fr. 400, 
in der Ueberzeugung, dass «er nach seinen 
ausgezeichneten Kenntnissen und richtigem Oe- 
ffihl alle Eigenschaften vereinige, welche Hoch- 
dieselben bei einem Censor der im Kanton er- 
sdieinenden Kalender, öffentlichen Blätter, Flug- 
schriften und Bücher zu finden wünschen ». Das 
richtige Oefühl, der Takt, wie wir heute sagen, 
ging freilich dem neuen Censor vollständig ab 
und bald überschritt er, autokratisch, wie er 
war, seine Befugnisse und scheute sich nicht 
in den zu censierenden Zeitungen seine per- 
sönlichen Ansichten in die Aufsätze Anderer 
einzuschieben und an die Stelle desjenigen zu 
setzen, was jene eingerückt hatten. Ein Jahr 
nach seiner Wahl erlaubte er sich das auch mit 
einem Artikel in der in Bern erscheinenden 
Zeitung, in welchem über die Inauguration des 
neuen Prorektors, des Professors Schiferli, re- 
feriert worden war. Das liess sich aber der 
Kanzler der Akademie nicht gefallen; sofort 
beschwerte er sich beim Staatsrat und dieser 
liess durch seinen Präsidenten, den Amtsschult- 
heissen, dem Censor seine Missbilligung aus- 
drücken und ihm die emstlichsten Vorstellun- 
gen machen, dass er als Censor innerhalb der 
Schranken seiner Instruktion und nidit als Re- 
zensent aufzutreten habe.^ Man hätte nun glau- 
ben sollen, dass der so Oemassregelte sich in 
die Machtsphäre des gewaltigen Kanzlers keine 
Eingriffe mehr erlaubte, doch seine Leiden- 
schaft liess dies nicht zu. 

Für das Studienjahr 1806/07 war Haller zum 
Prorektor gewählt worden und hatte beim An- 
tritt dieses Ehrenamtes in der Inaugurations- 
rede seine staatsrechtlichen Anschauungen nie- 
dergelegt Als die Rede im Litterarischen Ar- 
chiv erschienen war, bestritt Hallers Kollege 
Samuel Schnell in der Allgemeinen Zeitung 




sowohl die Neuheit wie die Haltbarkeit des 
Systems, und es entspann sich ein Federkrieg 
zwischen den beiden Gelehrten, der die Auf- 
merksamkeit weiter Kreise auf sich zog und 
der sich heftig fortsetzte, nachdem Haller seui 
Handbuch der aUgemeinen Staatenkunde her- 
ausgegeben hatte. Da benutzte denn des gros- 
sen Hallers Enkel seine Stellung als Censor, 
um an seinem wissenschafdichen und politi- 
schen Gegner einen ganz gemeinen Racheakt 
auszuüben, der uns seinen Charakter in trüb- 
stem Licht erscheinen lässt Bald nach Neu- 
jahr 1809 begann Schnell den zweiten Teil 
seines Handbuchs über das bemische Zivilrecht 
drucken zu lassen; schon nach dem Drude der 
ersten Bogen schritt Haller ein und überschickte 
dem Drucker sein Improbatur des Inhaltes: 
«ich erkläre nach Pflicht und Gewissen, dass 
ich den Druck dieser Schrift nicht bewilligen 
kann und behalte mir vor, die Gründe dieses 
Abschlags, falls man sich über denselben be- 
schweren sollte, der hohem Behörde einzuge- 
ben». Schnell beschwerte sich beim Kanzler 
und dieser suchte zuerst zu vermitteln, wurde 
aber von Haller schroff zurückgewiesen. Nun 
hielt es Mutach für seine Pflicht, dem Ange- 
griffenen mit allen ihm zu Gebote stehenden 
Mitteln zu seinem Recht zu verhelfen. Er ver- 
anlasst die Kuratel zu einem gehamischten 
Schreiben an den Staatsrat^ (den 17. Februar 
1809), in welchem gegen das Vorgehen des 
Censors energisch protestiert wird, da in dem 
betreffenden Handbuch «nichts gegen Staat, 
Religion und Sitten gerichtetes zu finden sei» 
und das Verbot desselben zugleich eine Ver- 
urteilung der Amtstätigkeit der Kuratel be- 
deute, insofem als Professor Schnell das Hand- 
buch schon zum zweitenmal mit Wissen und 
Willen seiner Aufsichtsbehörde seinen Vorie- 
sungen zu Grunde gelegt und selbst seinen 
Schülern zum Teil in die Feder diktiert habe. 
In dem Schreiben wird der Staatsrat femer da- 
rauf aufmerksam gemacht, dass es nicht wohl 
angehen könne, dass der Censor beim Dmck 




Die Akademie in der Mediationt- und Restturationsseit 




^ 



eigentlich akademischer Werke, der 
im Interesse der Schule soviel als möglicfa zu 
fördern sei, mit ganzlicher Umgehung der Ku- 
ratel nach eigenem Outdänken handle und in- 
folgedessen beständige Kollisionen zu gewär- 
tigen seien. Schliesslich verlangt die Kuratel 
vom Staatsrat einen ganz bestimmten Entscheid 
darüber, ob er das Vorgehen des Censors ge- 
gen Professor Schnell ffir begründet finde oder 
nicht 

Der Staatsrat wagte nicht zu entscheiden 
und legte den Fall dem Kleinen Rat zur Unter- 
suchung vor, beantragte aber diesem in einem 
Schreiben vom 20. Februar 1809,^ in Anbetracht 
der mancheiiei Unbeliebigkeiten, die mit der 
Censur bisher verknüpft gewesen seien, mit 
einter Meinung dieselbe ganz aufzuheben, mit 
anderer, sie beizubehalten, aber neben andern 
Veränderungen und Milderungen die Beurtei- 
lung der Weiice der akademischen Lehrer der 
Kuratel zu fiberlassen. Diejenigen Staatsräte,* 
welche für Aufhebung der Censur stimmten, 
machten geltend, «dass das Recht, seine Ge- 
danken und Ansichten seinen Mitbürgern durch 
den Druck mitzuteilen, nicht zu sehr beeinträch- 
tigt werden solle, dass die Tendenz und die 
Gründlichkeit eines Werkes von dem lesen- 
den Publikum selbst am gründlichsten beurteilt 
werde, indem ein schlechtes Budi durch seinen 
eignenen Unwert unverkauft liegen bleibe, oder 
allfällige in demselben aufgestellte Irrtümer 
von andern Gelehrten angegriffen und wider- 
legt werden, dass endlich der Regierung immer 
das Recht offen bleibe, einen Schriftsteller, der 
sich auf eine für Religion, Regierung und Sitten 
gefährliche Art in seinem Werk äussert, zur 
Verantwortung zu ziehen ». Die andern glaub- 
ten, dass die gegenwärtige Zeit, die politische 
Lage der Schweiz und die gefährlichen Grund- 
sätze der Revolution, «die leider noch jetzt nicht 
aus allen Köpfen weggetilgt seien», die Fort- 
dauer der Censur erheischten. Der Kleine Rat 
schickte die Angelegenheit dem Staatsrat wie- 
der zurück, als der Behörde, die nach dem Ge- 



setz in Censursachen zu entsdieklen habe^ und 
90 sah sich diese wohl oder wehe genötigt 
das letzte Wort in der Angelegenheit zu spre- 
chen. Gestützt auf das einstimmige Befinden 
der Kuratel, dass sie in Schneite Handbuch 
nichts gegen Staat, Religion und Sitten geridi- 
tetes habe finden können, erkannte sie, die Ver- 
weigerung des Imprimatur sei aufzuheben und 
die Censur des Kompendiums habe durdi die 
akademische Kuratel zu geschehend 

Noch m demselben Jahr 180Q trat Haller 
von der Censur zurück. Er hatte einen Aufsatz 
g^en Müller-Friedberg in St Gallen in die Zei- 
tung eingerückt, worauf der Staatsrat verord- 
nete, dass der Censor keine eigenen politischen 
Artikel mehr dem Druck übergeben dürfe, wenn 
er nicht von seiner Behörde die Genehmigung 
dazu erhalten habe. Darauf verlangte Haller 
seine Demission als Censor und der Staatsrat 
säumte nicht, ihm dieselbe zu erteilen.^ 

Wir können uns lebhaft vorstellen, wie die 
Professoren der Akademie bei dieser Nachricht 
aufatmeten, und mit grosser Genugtuung wer- 
den sie auch den Beschluss des Kleinen Rates 
vom 6. Juni 1810^ entgegengenommen haben, 
der an Stelle des einen Censors ein Kollegium 
von sieben Mitgliedern setzte, von denen das 
eine aus der Mitte der Akademie zu wählen 
war. Bald nachher wurde Professor Hünerwa- 
del in die neue Censurkommission ernannt und 
damit der Akademie die Gewähr gegeben, dass 
der wissenschaftiichen Tätigkeit ihrer Vertre- 
ter in Zukunft nicht allzu beengende Fesseln 
angetan würden. Haller freilich, infolge der 
eriittenen Niederlagen von Hass gegen seine 
Kollegen und die ganze Akademie erfüllt, be- 
nutzte jede Gelegenheit, um derselben Unan- 
nehmlichkeiten zu bereiten und zu schaden. Er 
tat dies namentiich in seiner Stellung ate Mit- 
glied des Kleinen Stadtrates, wo sich ihm Ge- 
legenheit genug bot, den Forderungen und 
Wünschen des Kanzlers entgegenzutreten und 
den Mann, der ihn so kräftig zu Paaren ge- 
trieben, zu verkleinern und zu verieumden, was 




184 



« 



Die Akademie in der Medtations- und Restaurationszeit 



fib 



denn auch zur Folge hatte, dass das Verhältnis 
zwischen der Kuratel und dem Kleinen Stadt- 
rat mit der Zeit ein sehr gespanntes wurde. 
Es kam schliesslich so weit, dass die Kuratel, 
als Haller im Sommer 1812 den Bestimmungen 
des revidierten Reglementes gemäss um die 
Erlaubnis einkam, seine Stellung als Stadtrat 
beibehalten zu dürfen, kategorisch verlangte, 
dass er, wenn er von der Regierung die Er« 
laubnis dazu erhalte, bei allen Diskussionen 
im Schoss des Stadtrates über Akademie und 
Schule abtrete und durch ein Handgelfibde da- 
zu verpflichtet weide.^ Natürlich konnte die 
Regierung auf ein solches Verlangen nicht ein- 
treten; wenn sie dem Petenten die Erlaubnis 
gab, die Stelle beizubehalten — und das be- 
antragte ihr die Kuratel — so waren keine Be- 
dingungen an dieselbe zu knüpfen. Sie fand 
aber den richtigen Ausweg und gab ihm die 
Erlaubnis nur provisorisch, «einstweilen und 
bis auf weitere Verordnung».^ Das scheint 
auch gewirkt zu haben, wenigstens begegnen 
wir von da an in den Manualen der Kuratel 
keinen Klagen mehr gegen den Professor und 
Stadtrat bis zu dessen Austritt aus der Aka- 
demie im Oktober 181 7.^ 

In diesem selben Jahr hatte auch der Kanz- 
ler nach zwölfjähriger erfolgreicher Tätigkeit 
sein Szepter niedergelegt 

In seiner Geschichte der Akademie sieht 
Oreyerz den Qrund zum Rücktritt des Kanzlers 
in der Unbeliebtheit der Akademie beim bemi- 
schen Publikum und in den Folgen des Wart- 
buigfestes vom Oktober 1817. « Zu dieser Miss- 
stimmung — sagt er^ — kam im Herbst 1817 
die durch das Wartbuigfest erzeugte Aufregung 
und Reaktion. Es wurde von Mitgiiedem des 
Rats ein Memorial gegen die Akademie einge- 
geben^ und Kanzler Mutach trat 1817 von 
seinem Amte zurück.» 

Diese Behauptung ist schon deshalb aus der 
Luft gegriffen, weil Mutach bereits den 17. Fe- 
bruar 1817 vom Grossen Rat von seiner Stelle 



als Kanzler enüassen worden war.^ Der Grund 
liegt vielmehr in folgendem Umstand. 

Zu Anfang des Jahres 1817 trat der Ge- 
heime Rat durch sein Mitglied, den Ratsherrn 
von Diesbach, mit dem Professor Heldmann 
in Aarau in Veri>indung, um denselben für die 
Redaktion einer «in gutem Sinn» geschriebe- 
nen Bemerzeitung zu gewinnen, denn nach der 
Ansicht des Geheimen Rates war das Bedürf- 
nis eines solchen Blattes ein «imperatives» 
geworden und er durfte nicht mehr länger säu- 
men, auf dem Wege der Publizistik auf die ge- 
fährdete Moral seiner teuem Untertanen ein- 
zuwirken durch ein Blatt, das «in reinem Stil 
geschrieben werde und in einer solchen poli- 
tischen Tendenz, welche den acht vaterländi- 
schen Grundsätzen der hiesigen Regierung an- 
gemessen sei». Neben der materiellen Unter- 
stützung der Zeitung, die sich nicht auf eine 
kleine Summe belief — der Geheime Rat hatte 
Geld in Hülle und Fülle — veriangte Held- 
mann in erster Linie einen Ruf an die Akade- 
mie als Professor der Kameralwissenschafien 
mit einer fixen Besoldung von Fr. 1600.*^ Die 
Gewährung dieses Wunsches bereitete dem 
Geheimen Rat keine grossen Schmerzen, da 
er die verlangte Besoldung aus seiner Kasse 
bezahlen konnte, ohne jemandem dafür Rechen- 
schaft geben zu müssen, und die Ausfertigung 
eines Professorenpatentes konnte die Regie- 
rung der allmächtigen Behörde und der Stütze 
der staatlichen Ordnung auf deren Verlangen 
wohl auch nicht versagen! Am liebsten hätte 
er es freilich gesehen, wenn der Kanzler der 
Akademie hülfreiche Hand leistete und es den 
Anschein hätte, als ob die Berufung im Einver- 
ständnis mit der Kuratel erfolgte. Infolgedes- 
sen ging den 31. Januar jussu domini consulis, 
d. h. auf Befehl des Präsidenten des Geheimen 
Rates, des im Amt stehenden Schultheissen, 
folgender Zettel, ein kleines diplomatisches 
Kunststück, an die Kuratel der Akademie ab : ^ 

«Aus besondem vorwaltenden Gründen 
wünschte der Geheime Rath, dass Mehgh. der 



# 



Die Akademie In der Mediationfl- und Retituiitiontidt 



tkademisdien Curatel dem in Aarau angeses- 
senen Herrn Professor Heldmann aus V/fin« 
hurg ein Titularpatent als Professor der Came- 
ral-Wissenschaften an hiesiger Akademie zu- 
kommen lassen möchten. 

Sollten anfällig Mehgh. sidi zu Ertheilung 
einer solchen, mit keiner fixen Besoldung ver- 
bundenen Honorar-Stelle nicht oompetent glau- 
ben, so wünschten Mehgh. des Qeheimen Rats, 
dass fiber diesen Qegenstand ein kurzer Rap- 
port an Mehgh. erstattet werden möchte.» 

Bereits den 5. Homung fertigt die Regie- 
rung an Kanzler und Kuratoren einen Zettel fol- 
genden Inhaltes aus : ^ 

«Nach angehörtem Euerm Tit durch den 
Oeheimen Rat veranlassten Vortrag wollen 
Mhgh. Euch begwältigen dem H. Dr. Held- 
mann von V/ürzburg ein Honorar-Patent als 
ausserordentlicher Professor zukommen zu las- 
sen und fiberlassen Euch dasselbe zu besor- 
gen.» 

Die Kuiatel hatte also, nach diesem Rats- 
zettel, in Sachen ihr Outachten an den Oe- 
heimen Rat abgegeben und zwar offenbar in 
dem Sinn, dass sie von sidi aus dem Wunsdi 
des Oeheimen Rates nicht nachkommen könne. 
Mericwiirdigerweise wird nun aber im Manual 
der Kuratel, in dem sonst die unbedeutendsten 
Verhandlungsgegenstinde protokolliert sind, 
und vor allem die Eingaben an Oberbehör- 
den, weder dieses Outachtens und der voran- 
gehenden Veiliandlung, noch des Zettels des 
Oeheimen Rates, der sie veranlasste, nodi 
überhaupt je des Professors Heldmann auch 
nur mit einem einzigen Wort gedacht Es kam 
also in der betreffenden Sitzung — so dfirfen 
wir mit Sicherheit schliessen — zwischen den 
Kuratoren infolge von Meinungsdifferenzen zu 
heftigen Auseinandersetzungen, an die das Pro- 
tokoll nicht erinnern sollte. Und wenn wir nun 
noch weiter hinzunehmen, dass nach der Rats- 
sitzung vom 5. Februar der Kanzler Mutach 
seine Enflassung eingab, so ist es klar, dass es 



1^ 



der Kanzler gewesen ist, der die Zumutung 
des Oeheimen Rates als einen Eingriff in die 
Rechte der Kuratel bezeichnete, der nie und 
nimmer geduldet werden könne und auf den 
man, wenn die Kuratel zur Ausfertigung des 
Patentes durch die Regierung aufgefordert wür- 
de, mit der Demission antworten müsse. Seine 
Kollegen blieben im Amt — sie waren also 
anderer Ansicht; sie beugten sich servil vor 
dem Maditwort der Obeibehörde und zeigen 
uns dadurch, weldi Oeistes Kind auch sie wa- 
ren. Aber höher ab die Ounst seiner JMitbfirger 
hielt Mutach das Interesse der Akademie, das 
ihm nicht gestattete, die Wissenschaft in den 
Dienst der reaktionären Bestrebungen des Oe- 
heimen Rates herabwürdigen zu lassen; nie- 
mand kann ihm deshalb bei seinem Sdieiden 
aus der Anstalt, die er so treu gepflegt, seine 
Hochachtung versagen. Auch der Behörde kam 
jetzt zum Bewusstsein, was er dem Kanton ge- 
leistet hatte ; die Regierung entliess ihn mit fol- 
gendem Dankesschreiben, welches nadi ihrem 
Befehl dem Protokoll der Kuratel einzuverlei- 
ben war:* 

«Euer Wohlgeboren b^[ehren von uns die 
Entlassung von der Ihnen unteim 4. März 1805 
aufgetragenen Würde eines Canzlers der Aka- 
demie. Nachdem unter Ihrer Leitung das neue 
Oebäude der Akademie und Schulen gebildet 
worden war, hatten Sie es sichs zum Ziel ge- 
sezt dieser Anstalt vorzustehen, bis dieselbe 
durch allmählige An- und Emgewöhnung, ge- 
prüfte Erfahrung, den erworbenen Ruff der 
Lehrer und durch den festen Oang der Me- 
thode und des Unterrichts die erforderliche 
Selbstständigkeit erhalten haben werde. Nun 
da dieser Zei^unkt eingetretten, glauben Sie 
sich audi zurück ziehen zu können, um Ihre 
ganze Zeit dem Finanzfache zu widmen, in 
welchem Sie schon lange mit ausgezeichnetem 
Eifer arbeiten.^ 

Wenn Wir uns erinnern, in welchem Zxt- 
stand Unsere öffentlichen Unterrichtsanstalten 
am Ende der Revolution im Jahr 1803. sich 




« 



Die Akademie in der Mediatbns- und Restturtiionszeii 



» 



befunden haben, bey den Lehrern kein Mutfai 
bey der Jugend keine Lus^ überall eine Er- 
schlaffung, welche die Eltern, denen die Er- 
ziehung ihrer Söhne am Herzen lag, zwang 
zu kostt>aren Privat-Instituten ihre Zuflucht zu 
nehmen, wenn Wir sie mit der Akademie und 
Schulen vergleichen, wie sie jetzt bestehen, mit 
ttieils sehr ausgezeichneten oder doch guten 
Lehreren versehen, bey der eine zweckmässige 
Methode den Schlendrian verdrangt hat, der 
Unterricht nach gegenwärtigen Zeitt>edflrfnis- 
sen umfassender, der Jugend die Bahn zu einer 
vielseitigen Bildung eröfhet, und wo der Jüng- 
ling mit vorzüglichen Gaben ausgerüstet in 
manchen Fädiem weiters als sonst gebracht 
wird, wenn mit zwekmässigem Unterricht auch 
Erziehung verbunden wird, die sich durch Sitt- 
lichkeit der in der neuen Anstalt gebildeten 
Jünglinge zu erkennen giebt; Wenn wir end- 
lich bedenken, dass alles das vornehmlich Euer 
Wohlgeboren Werk ist, indem Sie das Weric 
begannen und mit Ueberwindung manigfaltiger 
Schwierigkeiten durdigeführt haben, so erzeugt 
dies billig den Wunsch in uns, dass Sie dieser 
schönen Anstalt noch länger vorstehen, noch 
länger ihre Vervollkommnung hätten befördern 
mögen. Indessen legt Uns das Oefühl, dass 
Ihre Bitte gerecht ist, die Pflicht auf Ihrem An- 
suchen zu entsprechen und Ihnen Ihre Entlas- 
nach beendigtem Winter-Curriculum zu ertfaei- 
len. Sie werden diese Würde mit dem Bewusst- 
sein abtretten der Republik und Ihrer Vater- 
stadt, insbesonders während der Bekleidung 
dieser Stelle, wesentliche Dienste geleistet zu 
haben; Und wir geben Ihnen das Zeugniss, 
dass wir in Ihnen den Wiederhersteller Un- 
serer Erziehungs-Anstalten ehren, und Ihnen 
mit besonderm Dank, welchen durch ein blei- 
bendes Denkzeichen zu bezeugen Wir uns vor- 
behalten, zugethan veibleiben.» 

Das Oeschenk bestand in emem silbernen 
Tee-Bouilloir, von Meister Rehfuss nach des- 
sen Zeichnung kunstvoll hetgestellt; es ko- 
stete L 1834.1 



An Mutachs Stelle trat mit dem Beginn des 
Wintersemesters der Heimlicher Karl Fried- 
rich Tscharner. Er war ein braver Soldat 
und pflichlgetreuer Beamter, stand aber an BQ- 
düng weit hinter seinem Vorgänger zurück 
und genoss deshalb in den akademischen Krei- 
sen nicht die Achtung, welche von dieser Seite 
dem obersten Leiter der hohem Bildungsan- 
stalten entgegengebracht werden sollte. Seine 
Wahl war eben eine Verlegenheitswahl und 
Tscharner selber übernahm den verantwor- 
tungsvollen Posten ungern. Nun, er führte 
dank der ihm angebomen Oewissenhaftigkeit 
die Geschäfte der Kuratel und alles, was ihm 
sein Pflichtenheft vorschrieb, mit Eifer und 
Treue und man kann nicht sagen, dass die Aka- 
demie unter seiner Führung Schaden litt oder 
in irgend etwas zurückging:' alles ging seinen 
ruhigen Qang weiter und wäre nicht die hei- 
tere Studentendemonstration vom September 
1818 (die wir bei der Qeschichte der tiieolo- 
gischen Fakultät zu erzählen haben) vorgefal- 
len, so wüsste die Schulgeschichte aus der Zeit 
des Tschamerschen R^fiments gar nidits Be- 
merkenswertes und Interessantes mitzuteilen. 

Schon nach zwei Jahren legte Tscharner das 
Kanzleramt wieder nieder infolge der Stähele- 
Affaire, deren wir hier Erwähnung tun müssen. 

Im Februar 1819 hatte der jimge, freiheit- 
begeisterte Thurgauer Andreas Stähele auf die 
Empfehlung der Professoren Lutz und Döder- 
lein' die Erlaubnis erhalten, als Privatdozent 
an der Akademie über Geschichte Vorlesungen 
zu halten.^ Im darauffolgenden Sommer ertiielt 
Stähele von Professor Kortüm, damals in Neu- 
wied, die Nachricht, dass der russische Hof rat 
und Ritter Dr. von Hamel im Auftrag seiner 
R^erung die Schweiz bereise, um «in akade- 
mischen Hörsälen und sonst überall zu hor- 
chen und die etwaigen freien Redensarten dem 
getreuen Qedächtniss einzuimpfen ».^ Wie nun 
von Hamel nach Bern gekommen und im Fal- 
ken abgestiegen war (den 13. August), begab 
sich Stähele dahin und insultierte den Herrn 




187 



■ ■ "a ■■! 



^ 



Die Akademie in der Mediation«- und Resiaurationszeii 



1» 



Hof rat mit gröblichen Worten und entehrenden 
Benennungen. Arretiert, gestand er, dass er 
in dem durchreisenden Russen einen zweiten 
Kotzd>ue sehe, den er mit ganz Deutschland 
als den Lobpreiser der Tyrannie und der mor- 
schen Feudalverhältnisse verachte, und dass er 
in der Tat Sands nicht sowohl einen Willens- 
akt seiner Person, sondern die Rache des Him- 
mels erblicke. Der Geheime Rat geriet in nicht 
geringen Schredcen, dass innerhalb der Mauern 
Berns ein Subjekt von solch niedertrachtiger 
und staatsgefährlicher Gesinnung weile, der 
die öffentliche Ruhe durch sein Gebaren in 
sträflicher Weise zu stören gewagt und an der 
bestehenden Ordnung öffentlich Verrat geflbt 
habe. Sofort wurde er des Landes verwiesen 
und unter polizeilicher Begleitung an die Grenze 
des Kantons geführt, und natärlich wurde der 
Kanzler Tschamer, der den Landesverräter als 
Lehrer der Jugend angestellt, von allen Seiten 
mit herben Vorwürfen fiberhäuft Einen Tadel 
hatte Tschamer freilich verdient: er hatte dem 
Stähele ohne irgend welche Anzeige an die Ku- 
ratel^ die venia docendi eigenmächtig und auf 
die blosse Empfehlung der zwei genannten Do- 
zenten hin erteilt und sich damit eines Willkür- 
aktes schuldig gemacht, den sein Vorgänger 
nie begangen hätte. Bald darauf gab er seine 
Demission ein und eiliielt sie vom Kleinen 
Rat den 13. September 1819.^ Nadidem der 
Kurator von Jenner als ältestes Mitglied des 
Kollegiums die vices des Kanzlers iibemom- 
men und die laufenden Geschäfte weitergeführt 
hatte, wurde zu Ende des Jahres auf allge- 
meinen Wunsch der alte Kanzler Mutach mit 
der Leitung der Akademie und Schulen wie- 
derum betraut; den S.Januar 1820 präsidierte 
er bereits wieder die Sitzung der Kuratel und 
lenkte nun das Steuer mit der erprobten Kraft 
und Sicherheit fast ein volles Dezennium. 

Mit dem Privatdozenten Stähele hatte das 
Geschick auch den Professor Heldmann von 
der Akademie beseitigt; wie Mutach sein Amt 
wieder antrat, fand sich dieser Stein des An- 




stosses nicht mehr vor. Er hatte audi dem 
Geheimen Rat keine grosse Freude bereitet 
und die ihm anvertraute Redaktion in ganz 
anderer Weise besorgt, als jener erwartet hatte. 
Trotz wiederholt an ihn erlassener Mahnungen 
und Bemerkungen waren immer wieder Artikel 
in der «Europäischen Zeitung» erschienen, in 
welchen die der Schweiz befreundeten auswär- 
tigen Regierungen angegriffen und überhaupt 
staatsgefährliche Grundsätze aufgestellt wur- 
den, so dass Reklamationen von allen Seiten 
emgegangen waren, infolge deren der Geheime 
Rat sich genötigt sah, seine Verbindlichkeiten 
mit ihm auf Neujahr 1818 zu lösen. Eine be- 
deutende Geldeinbusse war das einzige, was 
dem Staat von diesem Unternehmen blieb. 

Heldmann verkehrte nachher häufig mit Stä- 
hele und vermittelte die Drucklegung eines Auf- 
satzes «Vom Rheinstrom» in der Aarauer Zei- 
tung vom 2. August, in welchem unter der Be- 
zeichnung Dr. H*"*^ auf den russischen Hof- 
rat Hamel aufmerksam gemacht und nebenbei 
die preussische Regierung angegriffen wurde.' 
Das genügte, um auch ihm den Prozess zu ma- 
chen; sein Honorarpatent wurde ihm von der 
Regierung den 18. August «gezuckt». 

Das Reglement vom Jahr 1821. 

Mutaehs Wirksamkeit wihrend seiner 
zweiten Amtsperlode. 

Wegen der immer mehr sich ausdehnenden 
Tätigkeit, die die Kuratel zu entfalten hatte, 
war schon im Friihjahr 1816 vom Kleinen Rat 
auf den Antr^ der Kuratel beschlossen wor- 
den,^ das Kollegium um zwei Mitglieder, eins 
aus dem Kleinen und eins aus dem Grossen 
Rat zu erweitem. Eine gewaltige Summe von 
Arbeit hatte der Kanzler bis anhin bewältigt 
und die Anstalt auf eine erfreuliche Höhe ge- 
bracht, alles ohne irgend welche Entschädi- 
gung: im Aufblähen der ihm untergebenen 
Schulen sah er die schönste Frucht seiner an- 



« 



Die Akademie in der Mediations- und Restauratlonszeii 



gestrengten Tätigkeit Wie er nun im Februar 
1817 seine Demission eingegeben und am Schul- 
fest, den 10. Mai dieses Jahres, seine Abschieds- 
rede gehalten hatte, handelte es sich vor allem 
darum, zu untersuchen, wie die Kuratel zu or- 
ganisieren sei, damit die Arbeitslast des Kanz- 
lers vermindert werde, war doch jedermann 
davon überzeugt, dass sich niemand finden 
werde, der dieselbe wieder auf sich nehmen 
könne« Auf die betreffende Anfrage des Klei- 
nen Rates antwortete die Kuratel,^ die Kanzlei- 
stelle solle in ihren bisherigen Attributen' ver- 
bleiben, sei aber mit einer jährlichen Besol- 
dung von Fr. 800 zu honorieren und solle da- 
durdi entlastet werden, dass man ihrem Inha- 
ber aus der Zahl der Kuratoren zwei A d j u n k • 
ten an die Seite gebe, den einen fOr die Aka- 
demie, den andern für die auf dieselbe vor- 
bereitenden Unterrichtsanstalten. Jener sollte 
die akademischen Lehrer und die Studenten 
beaufsichtigen, den Vortrag über die Vorlesun- 
gen zu Händen der Kuratel verfassen und den 
akademischen Examen beiwohnen ; an ihn soll- 
ten alle Schreiben der akademisdien Unterbe- 
hörden gehen, die nur Detail- und Exekutions- 
sache sind. Jeder der beiden Adjunkten sollte 
mit Fr. 600 remuneriert werden. 

Der Kleine Rat nahm diese Vorschläge wohl- 
wollend entgegen, wählte den I.Oktober 1817, 
wie wir gesehen, zum Kanzler mit der friihem 
Machtsphäre den Heimlicher Tscharner 
und zu dessen Qehfilfen tiber die Akademie den 
Kurator Benoit. Das Nähere sollte in 
dem zu revidierenden Reglement für 
die Akademie und die Schulen fest- 
gesetzt werden. Dazu fand aber das neue 
Regiment keine Zeit und als nach dem Rück- 
tritt Tschamers den 14. Dezember 1819 zum 
einstweiligen Präsidenten der Kuratel 
"^ den Namen Kanzler perhorrescierte man be- 
reits, namentlich im Schoss des Kirchenrats — 
und zum Mi^ied des Kirchenrats Mutach 
wiederum gewählt wurde, da erteilte ihm der 
Kleine Rat zunächst die Au^abe, die Revi- 



Üi 



sk>n der Einrichtung der Akademie und Schu- 
len an die Hand zu nehmen und in absehbarer 
Zeit durchzuführen. Mit der ihm angebomen 
Energie führte Mutach diese Aufgabe aus und 
das neue Reglement erhielt schon den 1. Ok- 
tober 1821 die obrigkeitliche Sanktion. 

Es unterscheidet sich vom alten vom Jahr 
1812 hauptsächlich in der vollständigen Umge- 
staltung der über den Unterrichtsanstalten ste- 
henden Behörden. 

Die Kuratel wurde um zwei weitere Mitglie- 
der vermehrt, bestand also jetzt ausser dem 
Präsidenten aus sechs Mitgliedern, welche nach 
der Neukonstituierung derselben auf einen, dop- 
pelten Vorschlag der Kuratel selber vom Klei- 
nen Rat gewählt wurden, und zwar der eine aus 
der geistiichen Bank des Kirchenrats und die 
fünf andern aus dem Mittel des Grossen Rats ; 
unter diesen fünfen musste wenigstens einer 
ein Mitglied der Stadtverwaltung sein. Der 
Prisklent sollte, wie bis anhin, dem Schosse 
des Kleinen Rates entnommen und von diesem 
auf den doppelten Vorschlag des Kirdienrates 
gewählt werden. Das Laienelement erfuhr also 
eine bedeutende Verstärkung gegenüber der 
Vertretung der Kirche ; diese war in ihrer Stel- 
lung durch die neue Ordnung der Dinge ge- 
schwächt worden und konnte ihren Einfluss 
bei weitem nicht mehr so geltend machen, wie 
früher, wurde doch durch das Reglement auch 
noch bestimmt, dass der Präsident der Kuratel 
von Amts wegen bei allem, was den Wirkungs- 
kreis der Kuratel betraf, den Beratungen des 
Kirchenrates mit Sitz und Stimme beiwohnen 
sollte. Nicht um ein weniges war gerade durch 
diese Bestimmung die Machtstellung des Kanz- 
lers, der im übrigen seine frühem weitreichen- 
den Kompetenzen alle befliehielt, nodi erhöht 
worden. Den Kanzlertitel, den man, wie bereits 
bemerkt, in Bern nicht mehr gerne hörte, sollte 
er freilich nur noch im Verkehr mit auswärti- 
gen Personen und Behörden gebrauchen dür- 
fen, in Bern war er der Präsident der Kuratel. 



^ 



Die Akademie in der Mediitiona- und Reiltitriiioiitieit 



51 



Der Kuratel ab aoldier tat diirdi daa neue 
Reglement die Aufsicht Ober die verschiedenen 
Abteilungen der Anstalt und die Lehrer der- 
selben abgenommen ; sie ist nur noch die ober- 
ste deliberierende und ericennende Behörde, 
nicht mehr die beaufeichtigende. Im übrigen 
sind ihre Kompetenzen dieselben, wie früher. 

Der untere akademische Rat ist abgeschafft, 
an seine Stelle treten die vier FakultäteUi 
d. h. die Professorenkollegien der einzelnen 
Fakultäten, deren Sitzungen von je einem der 
vier Kuratoren präsidiert werden, welche die 
Kuratel zu Fakultätspräsidenten ernannt hat^ 
Die Dekane fungieren nur noch als Vizepräsi- 
denten ihrer Fakultäten; in allen wichtigen 
Verhandlungen, namenflich wenn ein Outach- 
ten von der Kuratel verlangt wird, ist der be- 
treffende Kurator verpflichtet, die Fakultät 
zu präsidieren und nur, wenn es sich um Dinge 
handelt, die nach seiner Ansicht kein weiteres 
Interesse beanspruchen, ist er ermächtigt, das 
Präsidium der Fakultätssitzung dem Dekan 
alleiignädigst zu überlassen.' 

So wurden denn durch das neue Reglement 
die Professoren vollständig bevormundet: das 
Redit, sich unter sich über wichtige Gegen- 
stände aussprechen zu dürfen, war ihnen be- 
nommen ; es sollte keiner ein Wort mehr äus- 
sern dürfen, es sei denn unter der Aufsicht und 
Leitung der Behörde. Schon unter dem alten 
Reglement war die Bewegungsfreiheit der Do- 
zenten keine grosse gewesen, das neue er- 
stickte dieselbe vollständig. Durch die Ab- 
schaffung des untern akademisdien Rates 
wurde auch der Prorektor zum Verwaltungs- 
beamten degradiert. 

Dem Präsidenten der Fakultät war die spe- 
zielle Aufsicht über die Professoren derselben, 
sowie der in das betreffende Fach einschlagen- 
den Subsidiäranstalten anvertraut Die theolo- 
gische Fakultät stand unter dem Vorsitz des- 
jenigen Kurators, welcher aus dem Kirchenrat 
ernannt wurde, und ihr wurden nodi zwei geist- 



lidie Professoren der phQologiscfaen Abteilung, 
wie die phitologische Fatalität von nun an hiess, 
zugeordnet Jede Fakultät ist für die vorsdirift- 
mässige Erfüllung der Pflichten, sowobl von 
Seiten der Lehrer als der Sdifiler verantwort- 
lich ; in ihrem Pensum liegt vorzüglich die ge- 
naue Leitung und Bewachung alles dessen, was 
den Studienplan der Lehrer und die Disziplin 
der Studiosen anbelangt 

Der frühere obere akademische Rat ist nach 
dem neuen Reglement der akademische 
Rat; ausser der endgültigen Beurteilung der 
Preisschriften hat er, wie früher, nur repräsen- 
tative Bedeutung. 

Von den Bestimmungen des neuen Regle- 
ments, die sich nicht auf die Behörden bezie- 
hen, haben nur noch folgende Neuerungen 
einiges Interesse: 

Während früher die Professoren der Theo* 
k>gie dem bemischen {Ministerium angehören 
mussten, konnten sie jetzt auch aus dem Mi- 
nisterium der übrigen evangelischen Stände der 
Eidgenossenschaft erwählt werden. Alle Pro- 
fessoren aber wurden von 1821 an auf einen 
motivierten Vorschlag nicht mehr bloss der 
Kuratel, sondern auch noch des Kirchenrates 
gewählt 

Dem Zeilgeist gemäss wurde nach dem 
neuen Reglement bei der Veigabung der Bene- 
fizien wiederum wie in den guten alten Zeiten 
zuerst auf die Burgerssöhne Rücksicht ge- 
nommen. 

Nach der Annahme der neuen Ordnung 
schritt die Behörde zur Wahl der Kuratel und 
bestellte sie folgendermassen : ' 

Das Präsidium wurde dem Ratsherrn IMu- 
tach definitiv übertragen mit einer Jahresbesol- 
dung von Fr. 800. 

Assessoren waren: 

1) Dekan Risold^ von der geistiichen 
Bank des Kirchenrats, zur speziellen Beaufeidi- 
tigung des theok>gischen Faches. 




IW 



^ 



Die Akidemie in der Medittlont* und Restaurationszeit 



m 



2) Appellationsrichter von Jennery^ Mit« 
glied der Stadtverwaltung und bisheriger Ku- 
ratori Präsident der juridischen Fakultät 

3) Oberamtmann Lombach* von Schwär* 
zenbutg, Mitglied des Sanitätsrates, Präsident 
der medizinischen Fakultät 

4) Karl Ludwig Wurstemberger' von 
Zofingen» Präsident der phik>sophischen Fa* 
kultät 

5) Ratsschreiber Benoit,^ bisheriger Ku- 
rator, Präsident der Litterarschule. 

6) Stadtschreiber Zehender, Mitglied der 
Stadtverwaltung, Präsident der einzurichtenden 
Realschule. 

Mit peinlicher Genauigkeit sah der Kanzler, 
wie während seiner ersten Amtsperiode, so auch 
jetzt wieder auf die Erfüllung des Reglements 
sowohl von Seiten der Professoren, wie von 
selten der Studierenden ; ^ die geringste Ab- 
weichung wurde mit scharfen Worten geahn- 
det Statt vieler Beispiele seien hier zum Be- 
weise wenigstens zwei erwähnt, die zeigen mö- 
gen, wie pedantisch es an der Akademie her 
und zuging. 

[)en 21. April 1823 wurde an Professor Hfi- 
nerwadel folgender Zettel ausgefertigt:^ 

«Mit wahrem Misbelieben hat die Curatel 
in Erfahrung gebracht, dass Euer Tit beym 
Schluss der Vorlesungen des Winterhalbjahrs 
in der Dogmatik die im Lectionscatalog ange- 
kündigte Lehre von Qott noch nicht vollendet 
haben. Der übrig bleibende Theil derselben 
soll für die Studierenden indessen keineswegs 

verloren gehen demnach erhalten Sie Tit 

den Auftrag in ausserordentlich zu bestimmen- 
den Stunden die Lehre von Qott vollständig zu 
Ende zu lesen, und sobald solches geschehen, 
dem H. Curator Ihrer Facultät davon Anzeige 
zu machen.» 

Den 8. September 1824 eriiidt Professor 
Stapf er folgendes SdireOben : ^ 



«Aus Ihrem Halbjahrbericht, Tit:, haben 
Mehgh. der Curatel die unbeliebige Vermuthung 
gesdiöpft, dass Sie in Ihrem Vortrag über das 
Neue Testament in der Obern Akademie erst 
spät, nach Beendigung der Epistel an die Rö- 
mer, zur Erklärung des ersten Briefes Pauli an 
die Korintiier geschritten sind, da solche dodi 
das Hauptpensum Ihres Vortrags im Sommer- 
curriculum ausmachen sollte. Die Kuratel sieht 
sich im Fall Euer Tit: zu ersuchen, WoMder- 
selben mit Beförderung anzuzeigen, wie weit 
Sie in dem erwähnten Brief an die Korintiier 
vorgerückt sind.» 

Man griff sogar gelegentiidi, wie vor Zei- 
ten, zu dem unwürdigen Mittel der Inspektion 
der Kollegienhefte; so im Jahr 1829, als es 
hiess, der Professor Usteri, dem es oblag, das 
Neue Testament nach der grammatikalischen 
Seite auszulegen, erlaube sich bisweilen auch 
exegetische Erläuterungen, welche weder den 
Kenntnissen seiner Zuhörer angemessen seien, 
noch in den ihm übertragenen Kurs passten. 
Die Studenten wurden einvernommen und ihre 
Kollegienhefte durchgesehen und es eigab sich, 
«dass die, Herrn Usteri zur Last gelegten Ab- 
weichungen von seinem Pensum, wenn auch 
nidit ganz gegründet, doch durch einige ihm 
im Laufe seines Vortrages entfallene unpas- 
sende oder unrichtig aufgefasste Bemerinmgen 
veranlasst sein konnten». Nach diesem Resul- 
tat Hess der Präsident der Kuratel im Aufb-ag 
seiner hohen Behörde den Professor gymnasil 
zu sich bescheiden, gab Ihm emstiiche Vorstel- 
lungen über seine Vorfaage und forderte ihn 
dringend zu grösserer Behutsamkeit auf, so 
dass er mit Vermeidung aller exegetischen Er- 
örterungen sich einzig und allein an die gram- 
matikalische Erklärung des griechischen Textes 
halte. 

Und es war gut, dass die Kuratel den Sach- 
verhalt untersudit und festgestellt hatte, denn 
bald nachher kam an sie die Anfrage von selten 
des Kleinen Rates, ob es riditig sei, dass die 
Voriesungen des Professors Usteri mit dem 





Die Akademie in der Mediatlont- und Restaurationueit 



evangelisch-reformierten Lehrbegriff nicht fiber- 
einstimmten ! ^ 

So kleinlich und schulmeisterlich wie in der 
theologischen Fakultät, ging es freilich xum 
Glück in den übrigen Fakultäten nicht zu ; da 
herrschte die ganze Zeit über ein freierer Geist 
und der Wissenschaft waren da nicht die be- 
engenden Schranken gezogen, wie in |der Schule 
der Gottesgelehrsamkeit, hinter welcher der 
Kirdienrat beständig lauerte und schnüffelte. 

Dem Ratsherrn Mutach war das Bursdien- 
tum ein Dom im Auge ; ihm war es unverständ- 
lich, dass die Jünger der Wissenschaft andere 
Sitten und Gebräuche pflegen sollten, als der 
ruhige Bürger; er fand, dass das Burschenwe- 
sen mit den akademischen Grundgesetzen un- 
vereinbar sei und aller guten Ordnung und 
dem Anstand zuwiderlaufe. Deshalb schritt er, 
ab im Juni 1812 ruchbar geworden war, dass 
unter den Studierenden eine regelrechte Bur- 
schenschaft mit der regelrechten Burschenspra- 
che und dem regelrechten Comment sich ge- 
bildet habe, sofort ein und löste die Veibin- 
dung auf mit schonender Zurechtweisung ihrer 
Mils^ieder. Wie nun aber diese im September 
darauf sich aufs neue konstituierten und die 
Verbindung durch eine Reihe neuer Mitglieder 
im Geheimen verstärkten, da hielt der Kanzler, 
der Trotz und Widerspruch nie duldete, nicht 
mehr an sich und veranlasste die Kuratel zu 
strenger Bestrafung der Fehlbaren, um das 
Uebel für immer auszurotten. Alle Mitglieder 
der Burschenschaft wurden vor den untern aka- 
demischen Rat zitiert und ihnen das ernstliche 
Missfallen der akademischen Oberbehörde vor 
Augen gestellt; die beiden Senioren erhielten 
12 Stunden Karzer und Hausarrest während der 
ganzen Dauer der Neujahrsferien. 11 Studio- 
sen, welche der Verbindung schon bei ihrer 
ersten Gründung angehört hatten, bekamen 
ebenfalls Hausarrest für die Neujahrsferien und 
sieben weitere wurden für drei Monate in ihren 
akademischen Benefizien eingestellt. Allen Stu- 




wurde am sdiwarzen Brett bekannt 
gegeben unter Beisetzung des Kanzlersiegels, 
dass die Bildung jedes « Ordens », bei welchem 
burschikoses Tun und Lassen sich äussern wür- 
de, heisse er, wie er woUe, für alle Zukunft 
bei den schärfsten Strafen verboten sei ; endlich 
wurde der untere akademische Rat verpflichtet, 
jeden auch noch so leisen Versuch zur Wie- 
einführung des Burschentums ungesäumt der 
Kuratel anzuzeigen.' 

Das wiricte ; niemand versuchte es mehr, den 
Zorn des allgewaltigen Kanzlers zu erregen; 
erst nach dem Warti)uigfest regte sidi auch in 
Bern der burschikose Geist wieder und zeigte 
sich in dem Versuch, die Frisur und die Tracht 
der deutschen Burschen nachzuahmen. Als diese 
Sitte immer mehr um sich griff und bereits eine 
grössere Anzahl von Musensöhnen cmit vieler 
Affeetation die so geheissene teutonische Tracht 
annahm», einen Bart trug und sich wider die 
Landessitte des linnenen Hemdes entäusserte, 
da hielt es der Geheime Rat für nötig, die Ku- 
ratel aubufordem, dass sie dieser Ungebun- 
denheit ein Ende mache.' 

Kostl>ar ist die Antwort der Kuratel vom 
22. September 1820 auf den Geheimratszettel, 
die wir deshalb unsem Lesern nicht vorentiial- 
ten wollen; sie lautet:^ 

« Die Akademische Kuratel hat den in Euer 
Tit Zuschrift vom 18. dis gegebenen Wink, in 
Hinsicht auf die Notwendigkeit, die hiesigen 
Studiosen zu einer anständigen Kleidung und 
Haltung anzuhalten, nicht abgewartet, sondern 
bereits vorher, von der Nothwendigkeit über- 
zeugt, dieser schädlichen Auszeichnungssucht 
Schranken zu setzen, die ihrer Stelluug ange- 
messenen Vorkehren getroffen. Sie hat über 
diejenigen Studiosen, die sich in dieser Hin- 
sicht am auffallensten auszeichneten, Berichte 
eingezi^en, und in der Folge dieser Berichte, 
einem gewissen Friedrich Hürsch von Zofingen, 
mit Bedrohung seiner Entfernung aus der Aka- 
demie, die b^timmte Weisung ertiieflen las- 
sen, das anstössige seiner Teutonentracht ab- 




Hl 



Die Akademie in der Mediations- und Restaurationszeii 



^ 



ndegen. Dieser Weisung hat sidi derselbe auch 
sogleich unterzogen, indem der Schnurrbart, 
der lange Kinnbart und die seinen Kopf Um- 
schattende Mähne bereits verschwunden sind. 
Die Kuratel hofft, dass dieser ernst gemeinte 
Wink eine heilsame Wirkung hervorbringen 
und die übrigen Studiosen von einer allfälligen 
Sucht, ähnliche Naturscenen nachzuahmen, hei- 
len wird. Was die Kleidung anbelangt, so 
glaubt indessen die Kuratel Euer Hochwohl- 
geboren bemerken zu müssen, dass sie be- 
denklich finden müsste, hierüber bestimmte 
Vorschriften zu geben, da der gegenwärtige 
teutonische Kleiderschnitt eine Modesache ist 
und diese Tracht nicht allein den Studiosen 
eigen ist, ja sogar in Deutschland unter der 
Jugend ziemlich allgemein angenommen zu 
sein scheint» 

Der Oehekne Rat legte diesen Zettel be- 
friedigt zu den Akten. 

Die Anstellung der Professoren. 

Nachdem am 10. Mai 1805 der Kleine Rat 
die Professoren für die Akademie ernannt hatte 
— drei Ausländer, alle andern Inländer — ^ 
beschloss die Kuratel in der Meinung, dass die 
neue Zeit auch neue Formen bedinge, für die 
juridische, medizinische und phik>logische Fa- 
kultät die Disputationen, auf Qrund welcher 
die Professorenwahlen bis anhin geschehen 
waren, abzuschaffen und bei den künft^n 
Wahlen eine einfachere Form der wissenschaft- 
lidien Erprobung einzuführen, falls nicht die 
einfache Vocierung beliebe. So wurde für die 
Wahl des Professors der Philosophie, deren 
Katheder den 10. Mai 1805 noch nicht besetzt 
worden war, bestimm^ dass der Kandidat eine 
lateinische Praelectk>n und eine deutsche Vor- 
lesung über zwei ihm gegebene Themata zu 
halten habe;^ bald nachher wurden die Pro- 
ben für den anzustellenden Professor der Vieh* 
arzneiwissenschaft festgesetzt^ in einer anato- 
misch - physiok>gischen Demonstration über 



eüien oder mehrere Teile des Pferdes oder 
Hornviehs, und in einer wissenschaftlichen Vor- 
lesung über einen Gegenstand der praktischen 
Tierarzneikunde. In ähnlicher Weise bestanden 
die Proben für den chiruigischen Lehrstuhl im 
Februar 1812, als Professor Schiferli resigniert 
hatte,3 in einer anatomischen Demonstration, 
der Verrichtung einer Operation am Kadaver 
und in einer deutschen Vorlesung über einen 
chirurgischen Gegenstand, und die Proben für 
den Lehrstuhl der AnattHnie und Physiok>gie 
nach dem Wegzug von Professor Emmert (1815) 
in einer anatomischen Demonstration und einer 
physiologischen Vorlesung. Noch fand im Jahr 
1812 eine Probe statt, nämlich für den Ldir- 
stuhl der Giemie ; ^ von den Kandidaten wurde 
eine Abhandlung über einen gegebenen Gegen- 
stand aus der Chemie verlangt; begleitet mit 
den dazu dienenden Experimenten und die Un- 
tersuchui^ einer gegebenen unbekannten che- 
mischen Mischung. 

Die letzte Disputation in Bern fand 
im Herbst 1808 statt für den Lehrstuhl der di- 
daktischen Theologie, der nach dem Tod Ema- 
nuel Jakob Zeenders volle 15 Monate verwaist 
gewesen war. Sechs Geisfliche hatten sich für 
diese Professur angemeldet, aber fünf waren 
zurückgetreten, nachdem von der Kuratel pu- 
bliziert worden war, dass man von den Kandi- 
daten, wie vor Zeiten, eine Disputation in la- 
teinischer Sprache verlange.^ Es stellte sich 
einzig der Zofinger Pfarrer Samuel Gott- 
lieb Hünerwadel, der sich seiner Aufgabe 
zu voller Zufriedenheit des hohen geisflidien 
Tribunals entiedigte und darauf den 18. Novem- 
ber vom Kleinen Rat gewählt wurde. Als Op- 
ponent fungierte interessanterweise ein Mit- 
glied der medizinischen Fakultät, der geist- 
reiche und hochgebildete Prosektor Karl Wil- 
helm Hochstetter, der zwei Jahre nadiher zum 
Professor der allgemeinen Pathologie und The- 
rapie ernannt wurde. Hochstetter hatte sich 
friiher der Theologie beflissen und sich «aus 
Gefälligkeit» als Opponent gestellt, offenbar, 



193 



« 



Die Akademie in der Mediations» und Rettanimtiootidt 



m 



weil eben niemand es wagte in den Kampf ein- 
zutreten. Hoch erfreut Ober die unerwartete 
Hülfe beantragte die Kuratel dem Kleinen Rat, 
dem gelehrten Prosektor eine Gratifikation von 
L 100 zukommen zu lassen, da er «durch seine 
wahrhaft ausgezeichneten Kenntnisse in den 
Grundsprachen der Heiligen Schrift, Fertigkeit 
in lateinischer Sprache und bezeigtes Ingenium 
zum schönen Erfolg der Disputation ganz be- 
sonders beigetragen habe». 

Im Sommer 1827 wurde nach dem Tode Pro- 
fessor SuterSy des verdienten Lehrers der alten 
Sprachen an der philologischen Fakultät, noch 
einmal der Versuch gemacht,^ zur Konkurrenz 
fOr den vakanten Stuhl gelehrte Disputationen 
abzuhalten. Da sich aber ausser dem Klassen- 
lehrer Koch keiner der Aspiranten zu den Pro- 
ben einfinden wollte, begrub man die alte In- 
stitution endgültig und beschloss, auch für den 
Katheder der alten Sprachen nur eine Disser- 
tation in lateinischer Sprache zu verlangen und 
zwei Probevorlesungen über einen lateinischen 
Dichter und einen griechischen Prosaiker, so- 
wie über eine Stelle des Neuen Testaments in 
grammatikalischer Hinsicht 

Geschichte der einzelnen Fakultäten« 
Die philologische Fakultit 

An die Stelle der alten Eloquenz und Philo- 
sophie trat mit der Gründung der Akademie 
die eine Abteilung der Philologie, weldie 
zwei Jahreskurse umfasste und für die Theolo- 
giestudierenden obligatorisch war, weshalb sie 
auch die untere Theologie genannt wurde. 
Die Theologen hatten für den Eintritt in die- 
selbe die altgewohnten Examina zu bestehen, 
in welchen sie sich namenflich über ihre La- 
tinität ausweisen mussten. Der weltiichen Zu- 
hörer waren verhältnismässig immer wenige 
und wie mit der Zeit die Zahl der Theologan- 
ten voichs, hielt mit ihr die Zahl der Pro- 
fanen gar nicht mehr Schritt; im Jahr 1828 
zählte die Fakultät 49 Theologen und 8 welt- 



liche Studenten und das folgende Jahr der 
letztem 12 gegenüber 57 Theologen. 

In der Eloquenz hatte man bis anhin zwei, 
in der Philosophie drei Jahre zubringen müs- 
sen ; mit Redit wird man sidi deshalb fragen, 
wie es komme, dass die Behörden, die doch 
der Geologischen Fakultät eine gewisse Prä- 
ponderanz innerhalb der Akademie gewahrt 
wissen wollten, das akademische Studium der 
künftigen Diener der Kirche um die ganze Zeit 
der alten Philosophie kürzen konnten. Der 
Orund liegt darin, dass der Eintritt in die Aka- 
demie um zwei Jahre hinaufgesetzt wurde. 
Nach der Schulordnung von 1770 war dazu 
das zurückgelegte dreizehnte Altersjahr erfor- 
deriich gewesen ; durch die Revision derselben 
vom Jahr 1779 war der Eintritt auf das sechs- 
zehnte Jahr festgesetzt worden, aber schon 
neun Jahre nachher war man von dieser Be- 
stimmung wieder zurückgekommen, einerseits 
weil der Eintritt in das Politische Institut zwei 
Jahre früher geschah, anderseits, weil man das 
tiieologische Studium, dem sich von Jahr zu 
Jahr weniger Leute widmeten, durch Verkür- 
zung der Oymnasialstudien erieichtem wollte. 
Den 23. Juni 1788 hatte der Grosse Rat be- 
schlossen, der Eintritt in die Akademie könne 
mit dem zurückgelegten dreizehnten Jahr wie- 
derum erfolgen, und dieses geschah von nun 
an auch genugsam und war mögiidi, wenn die 
Vorschule nach einem Jahr absolviert wurde 
und der Aufenthalt im Gymnasium auch nur 
ein Jahr dauerte. Eine Veränderung in den 
Pensen der Untern Schule hatte der betreffende 
Grossratsbeschluss deshalb gar nicht nötig ge- 
macht 

Nachdem nun durch die neue Einrichtung 
der Untern Schule vom Jahr 1805 die Promotio 
ad lectiones publicas wieder auf das sedis- 
zehnte Alters jähr festgesetzt worden war, so war 
es unmöglich, die auf die eigenflichen theolo- 
gischen Vorlesungen vorbereitenden akademi- 
schen Studien auf fünf Jahre wiederum auszu- 
dehnen und dem theologischen Studium im 




194 



^1 



€ 



Die Akademie in der Mediations» und Restaurationszeii 



» 



ganzen acht Jahre zuzuweisen, während das 
medizinische Studium in vier, das juridische in 
zwei Jahren absolviert werden konnte ; es war 
um so weniger möglich, als zur Zeit der Hel- 
vetik das theologische Studium ganz damieder- 
lag und es sich jetzt darum handelte, dasselbe 
so einzurichten, dass die Jungmannschaft wie- 
der zu ihm angezogen würde. 

So verschmolz man die alte Eloquenz und 
Philosophie zur zweijährigen untern Theologie, 
zur sogenannten philok>gischen Fakultät Fü- 
gen wir aber gleich hier schon hinzu, dass be- 
reits den 23. Februar 1810 die Kuratel be- 
schloss,^ die philologische Fakultät auf drei 
Jahre auszudehnen und dass diese neue Ein- 
richtung von Ostern 1810 einzuführen sei, und 
so finden wir denn auch in den neuen Aka- 
demiereglementen von 1812 und 1821 die phi- 
lologische resp. philosophische Fakultät mit 
drei Jahreskursen bedacht Der Orund zu 
dieser Neuerung war die alte Klage, dass die 
Studenten zu wenig Kenntnis in der lateini- 
schen Sprache hätten; sie war im Jahr 1809 
von den Professoren aufs neue gesungen und 
der Wunsch ausgedrückt worden, dass diesem 
Fache im Gymnasium wieder mehr Stunden 
eingeräumt werden sollten, was natürlich nur 
auf Kosten der übrigen Fächer hätte geschehen 
können. Davon wollte aber die Kuratel nichts 
wissen, und so ordnete sie denn die Verlänge- 
rung der Unterrichtszeit in der philologischen 
Fakultät an und damit die Veriängerung des 
Studiums der lateinischen Klassiker um ein 
Jahr. Zugleich bestimmte sie für jede Promotion 
an dieser Abteilung der Akademie als pensum 
praescriptum das Privatstudium eines lateini- 
schen Klassikers nadi freier Auswahl und ver- 
langte, dass die Studiosen darüber öfter ge- 
prüft MTürden,^ besonders aber beim Examen 
zur Promotion. Auch sollten die Schüler der 
obersten Promotion ausser den Disputationen 
und Reden in lateinisdier Sprache zu Abfas- 
sung lateinischer Aufsätze über gegebene The- 
mata gehalten werden. 



Dass die Kuratel diese Einrichtung traf, ohne 
die Regierung anzufragen, ist für die Macht- 
stellung derselben höchst bezeichnend. 

Die Rolle des frühem Professors der Elo- 
quenz übernahm an der neu gegründeten Aka- 
demie der Professor der Altertums- 
kunde, insoweit nämlich jener die Aufgabe 
gehabt hatte, seine Schüler in der Latinität aus- 
zubilden. Aber der Zweck dieses Unterrichts 
war jetzt ein anderer: es galt nicht mehr die 
Zuhörer fertig lateinisch reden zu lehren, son- 
dern nach der Forderung Iths, die er bereits in 
seinem Befinden vom Jahr 1794 gestellt hatte, 
sie mit der Litteratur und den Altertümern, 
mit dem Qeist der Alten bekannt zu machen 
und nicht bloss der Römer, sondern ebenso- 
sehr der Griechen; die Bildung des Ge- 
schmackes an den klassischen Litteratur- 
stücken der Griechen und Römer sollte die 
Hauptaufgabe des Professors der Altertums- 
kunde sein. Dass diese Forderung nun ver- 
wirklicht MTurde, ist die schönste Errungen- 
schaft der Mediationszeit; sie bedeutet den 
Bruch mit der veralteten Form, in die 300 Jahre 
lang die Anstalt eingeengt gewesen war. 

Dass dem Professor der Altertumskunde 
auch noch die sprachliche Erklärung des Neuen 
Testamentes Überbunden wurde, war freilich 
ungeschickt und musste zu Unzukömmlichkei- 
ten führen, sobald man seinen Stuhl mit einem 
Weltlichen besetzen wollte. Vorderhand traten 
dieselben nidit ein, da er durch einen Geist- 
lichen besetzt wurde und zwar durch den bis- 
herigen Professor graecus Gottlieb Risold, 
den gewesaien Professor linguarum am Politi- 
schen Institut Die Wahl war eine glückliche, 
sie war aber auch gegeben : der bisherige Pro- 
fessor der Eloquenz, L Rudolf, gab im Jahr 
1805, nachdem er volle 47 Jahre seine Profes- 
sur versehen hatte, seine Demission ein, die 
professio graeca aber war zum grössten Teil 
in der neu gegründeten Professur für das Bi- 
belstudium aufgegangen und so war denn der 
bisherige Inhaber der professio graeca, der die 




1« 



Hl 



Die Akademie in der Mediations* und Resteuimtiontzeit 



1» 



alte Litteratur so vortrefflich kannte, wie kein 
zweiter, für die Professur der Altertumskunde 
am Platz, es wäre denn, dass man seine Dienste 
nicht mehr in Anspruch hätte nehmen wollen, 
aber Risold stand ja im besten Alter und in 
der Kuratel wusste man seine Talente in vollem 
Umfang zu schätzen. Und er erfüllte audi die 
Hoffnungen, die man auf ihn setzte ; er wusste 
die schönsten und interessantesten Produkte 
der altklassischen Litteratur auszuwählen und 
verstand es, sie sachlich und kritisch dem 
Verständnis der Jugend vollständig zu er- 
öffnen. 

In seiner Aufgabe, den Geschmack der stu- 
dierenden Jugend zu bilden, hatte den Pro- 
fessor der Altertumskunde der Professor 
der Litteratur und Theorie der schö- 
nen Künste und Wissenschaften zu 
unterstützen. Er sollte ihn an der Litteratur der 
bedeutendem modernen Kulturvölker bilden 
und bei der Betrachtung der deutschen Litte- 
ratur zugleich die deutschen Sprachkenntnisse 
der Studierenden heben und mehren und ihnen 
durch passende Uebungen einen edlen Stil bei- 
zubringen sudien. So wurde zur Wiildichkeit, 
was man im Politischen Institut schon ange* 
bahnt hatte; Bonstettens Ideal wurde endlich 
ausgeführt und es fand auch darin seine Ver- 
wirklichung, dass man diese Stelle einem deut- 
schen Gelehrten fibertrug, dem frühem Lehrer 
am Metssnerschen Institut Karl Jahn, der 
nun während der ganzen Zeit der Mediation 
und Restauration über die schöne Litteratur 
der I>eutschen, Franzosen, Italiener und Spa- 
nier las, daraus die Gesetze der Aesthetik ab- 
leitete und in seinem CoUegium practicum der 
{deutschen Spradie den Stil der jungen Theo- 
logen übte. 

Die dritte Professur der philologischen Fa- 
kultät, der Lehrstuhl der Philosophie, 
trat an die Stelle der alten Professio philoso- 
phica. Nach Iths Fordemngen hatte der In- 
haber derselben Logik und Psychologie zu le- 
sen, letztere in Verknüpfung mit philosophi- 



sdier Antfaropobgie und natürlicher Religion, 
ferner ein Publikum für alle Studierenden über 
die Moral. Die Kuratel schlug den bisherigen 
Inhaber des philosophischen Lehrstuhls, Joh. 
David Kocher, zur Wiederwahl vor, allein 
die R^erang bestätigte diesen Vorschlag nicht 
und erklärte die Stelle für vakant, infolgedessen 
sie noch einmal ausgeschrieben wurde.^ Es 
meklete sich einzig der talentvolle und kennt- 
nisreiche, erst 24 Jahre alte Candidatus Joh. 
Rudolf Wyss^ und bestand die Proben zu 
voller Zufriedenheit seiner Examinatoren; die- 
selben bestanden in einer lateinischen Praelec- 
tion: iudidum de libris Ciceronis de ofßdis 
und in einer deutschen Abhandlung über die 
Frage quaenam est relatio inter doctrinam mo- 
ralem et religionem et quaenam inde fluunt 
consectaria practica. Bald nachher wurde Wyss 
von der R^emng gewählt^ 

Die drei genannten Professoren bildeten, 
wie wir uns heute ausdrücken würden, die 
eigentlich philologische Sektion der Fakultät; 
die mathematisch - naturwissenschaftliche Sek- 
tion zählte d>enfalls drei Lehrstühle. Die alte 
Professio matheseos, mit der auch die Expe- 
rimentalphysik verbunden gewesen war, wurde 
jetzt in zwei Stühle geteilt, in den der Mathe- 
matik, und denjenigen der Physik mit den 
«Gründen und Versuchen der Chemie». Für 
jenen wählte die Regiemng den Burgdorfer 
Theologen Joh. Friedrich Trechsel, der 
mit Zeender die «wissenschaftliche Lehran- 
stalt» geleitet hatte und voriier Lehrer am 
Waisenhaus gewesen war, für diesen den Thu- 
ner Joh. Heinrich Beck, einen Schüler von 
Tralles. Für diesen letztem Lehrstuhl hatte man 
den Professor Struve von Lausanne berufen 
wollen, die Verhandlungen aber hatten sich zer- 
schlagen. 

Trechsel behandelte in seinen Vorlesungen 
die Geometrie, Stereometrie und Trigonome- 
trie, sowie die Algebra bis zu den hohem 
Gleichungen, Beck las über die verschieden- 
sten Teile der theoretischen Physik und die 



«1 



Die Akidemie in der Mediations- und Restturationszeii 



in 



Experimentalphysik und Chemie behandelte er 
vorzüglich nach den Bedürfnissen der Medi- 
ziner. 

Die dritte Professur war die schon von Alb- 
recht von Haller geforderte, aber erst jetzt ein- 
gerichtete Lehrstelle für die allgemeine Natur- 
geschichte. Ihr Inhaber hatte freilich ein weites 
Feld zu bearl)eiten : er hatte die Botanik, Zoo- 
k^e und Mineralogie vorzutragen; natürlich 
konnte dies nur in allgemeinen üebersichten 
geschehen zimi Schaden der Gründlichkeit und 
WissenschafUichkeit. Zum Ueberfluss lag dem- 
selben Dozenten auch noch die Geographie ob, 
die er statistisch zu behandeln hatte. Für diese 
Professur wählte die Regierung den Hannove- 
raner Friedr. August Meissner, der 1795 
als Hauslehrer nach Bern gekommen war und 
dann ein Knabeninstitut gegründet hatte, das 
sich unter seiner ausgezeichneten Leitung bald 
des besten Rufes erfreute. Leider hatten seine 
Vorlesungen nicht den gewünschten Erfolg; 
die Theologiestudierenden zog er gar nicht an 
und wenn er überhaupt Zuhörer hatte, so ge- 
hörten sie gewöhnlich alle der medizinischen 
Fakultät an.^ Uebrigens hatte sich auch Pro- 
fessor Tredisel über den schlechten Besuch 
seiner Kollegien von Seiten der Theologen zu 
beklagen.^ Meissners Stellung aber wurde mit 
der Zeit eme so unleidliche, dass er schliess- 
lich die medizinische Fakultät bat, ihn in ihre 
Mitte aufzunehmen. Diese war damit einver- 
standen und auf ihr Ansuchen hin versetzte im 
Frühjahr 1816^ die Kuratel den Professor der 
Naturwissenschaften von der philok^chen in 
die medizinische Fakultät 

Die durchschnittliche Besoldung der Profes- 
soren der philologischen Fakultät betrug 1600 
Franken, die des Physiklehrers nur 1400, wozu 
aber erhöhte Vorlesungsgelder kamen. Den 
Professor Risoki aber, den alten Professor grae- 
cus der theologischen Akademie, beehrte man 
mit einer Besoldung von 2000 Franken, was 
wü* eher begreifen, als dass auch der junge 
Vertreter der Philosophie Fr. 200 mehr bekam, 




als seine Kollegen, welche die weltlich moder- 
nen Disziplinen vertraten. 

Die definitive Oiganisation der Akademie, 
die mit dem 1. November 1811 eingeführt wer- 
den sollte, brachte der naturwissenschaftlich- 
mathematischen Abteilung eine neue Pensen- 
verteilung, aber nicht die erhoffte neue Pro- 
fessur. 

Nachdem Professor Beck kategorisch die 
Trennung seines Lehrstuhls in zwei gesonderte 
Stühle verlangt hatte, nämlich in den der Phy- 
sik und den der Chemie, beschloss der Kleine 
Rat auf das Gutachten der Kuratel hin^ die Kre- 
ierung dieser zwei Professuren, sowie die Er- 
richtung eines eigentlichen chemischen Labo- 
ratoriums. Daraufhin schlug die Kuratel den 
6. September 1811^ der Regierung vor, zum 
Professor der Physik Professor Beck mit 1600 
Franken Gehalt zu ernennen und die Stelle für 
Chemie mit 1000 Franken Gehalt auszuschrei- 
ben. 

Bevor jedoch die Regierung eine Entschei- 
dung getroffen hatte, starb Professor Beck den 
13. Dezember 1811, und nun anerbot sich der 
Mathematikprofessor Tredisel der Kuratel, zu 
dem von ihm bis anhin vertretenen Fache hin- 
zu auch noch die Physik übernehmen zu wol- 
len.^ Mit Freuden, wie man sich wohl denken 
kann, ging die Kuratel auf diesen Vorschlag 
ein und beantragte nun dem Kleinen Rat, Pro- 
fessor Tredisel neben der Mathematik auch 
noch die Physik zu übergeben gegen eine Zu- 
lage von 600 Franken. Den 12. Februar 1812 
bestatte die Regierung diesen Vorschlag und 
gab zugleich der Kuratel den Auftrag, einen 
eigenen Katheder für den Vortrag der allge- 
meinen, der technologischen und der pharma- 
zeutischen Chemie zu errichten und auszu- 
schreiben und zwar mit einem Jahresgehalt von 
Fr. 1600. Zu den Proben fanden sich nur zwei 
Kandidaten ein, Dr. Griesbeiger in Hofwil und 
Phil. Friedrich Beck, der schon seit dem 
Jahr 1807 als Dozent den Medizinern über phar- 
mazeutische Chemie gelesen hatte. Beide zeig- 



Ift 



Die Akademie in der Mediationt- und Restamationtzeü 



» 



ten grflndliche Kenntnisse in ihrer Wissensdiaft, 
aber Bedcs Experimente und Vortrag^ gefielen 
besser, weslialb seine Wahl der Regierung an- 
empfohlen wurde.^ Sie geschah den 8. Mai zu- 
gleich mit derjenigen des Herrn Emmert jun. 
zum Professor der Chirurgie. 

Wir haben gesehen, wie anno 1810 die phi- 
lologische Fakultät auf drei Jahreskurse aus- 
gedehnt wurde zum Zwecke, der Latinität der 
Studierenden aufzuhelfen. Drei Jahre nachher 
ertönte die alte Klage aufs neue luid die Ku- 
ratel sah sich veranlasst, in gemeinschafOicher 
Sitzung mit der gesamten philologischen Fa- 
kultät (26. Februar 1813) und dem Untern Sdiul- 
rat, die Wünsche und Anträge des «Lehrkörpers 
entgegenzunehmen.' Dieser eisieht jetzt die 
Sanierung des Uebelstandes in einer Reform 
der Untern Schulen, wo man die Schfller wie- 
der ausschliesslicher auf die Erlernung 
des Lateinischen anzuleiten hätte. Die Ku- 
ratel machte zwar den anwesenden Lehrern 
klar, dass man die auf das Bedürfnis aller ge- 
bildeten Stände berechnete Organisation der 
Schule nicht umkehren könne, kam aber ihren 
Wtinschen insoweit entgegen, als sie dem la- 
teinischen Unterricht an der Schule eine An- 
zahl Mehrstunden auf Kosten des geographi- 
schen und geschichtlichen Unterrichts zuwies 
und für die Promotio ad lectiones publicas 
schärfere Bestimmungen aufstellte: die Ver- 
fertigung eines Themas und eines Subitane- 
ums vom Deutschen ins Lateinische wurde als 
stringente Probe eingeführt und der Un- 
tere Schulrat hatte wieder, wie in den guten 
alten Zeiten, das Maximum der Fehler zu be- 
stimmen, dessen Uebersteigung von der Auf- 
nahme in die philologische Fakultät ausschlies- 
sen sollte.' 

An der philologischen Fakultät selber ging 
es freilich mit dem Studium der alten Sprachen 
eher rückwärts als vorwärts; Professor Risold 
wurde kränklich und musste die meisten seiner 
Vorlesungen durch einen Vikar erteilen lassen. 
Schliesslich verlangte er, nachdem er im Früh- 



jahr 1814 zum Dekan erwählt worden war, auf 
den 1. Juli deses Jahres seine Entlassung und 
nun blieb das philologisdie Katheder bis zum 
November 1815 ledig. Zum Qlfldc gelang es 
aber endlich den Bemem, für Risold einen Nach- 
folger zu finden, dessen Namen nodi immer 
mit Ehrfurcht genannt wird und der in kürze- 
ster Zeit die klassischen Studien zu voller Blüte 
brachte, nämlich Ludwig Döderlein. 

Aus den Manualen der Kuratel erfahren wir,^ 
dass diese Behörde in dem jungen Gymnasial- 
lehrer Ootdieb Ziegler den Nachfolger Risokls 
sich hatte heranziehen wollen; sie hatte den 
talentvoUen jungen Mann mit reidüichen Sti- 
pendien ins Ausland geschickt, damit er an 
den ersten deutschen Universitäten seine philo- 
logischen Kenntnisse erweitere und vervoll- 
kommne, und nun erwartete sie, nachdem die 
vakante Professur ausgesduieben worden war, 
freilidi nur mit einer Besoldung von Fr. 1600,* 
dass ihr Schützling sich in erster Linie anmel- 
den werde. Als aber Ziegler dieselbe Besol- 
dung beanspruchte, die Professor Risoki ge- 
habt hatte, da glaubte die Kuratel die Dienste 
des jungen Gelehrten, der nadi ihrer Ansicht 
«jedes OefüM gegen die Anstalt, die ihn er- 
zogen hatte, und gegen seine bisherigen Obern 
dem Oeldinteresse nadisetzte», enti>ehren zu 
können und nicht ericaufen zu sollen. Der Kanz- 
ler insbesondere war über das Gebaren des 
25jährigen jungen Mannes entrüstet und gab 
ihm seine Ungnade von da an deutlich zu er- 
kennen. Schmerzlich berührte es auch die Ku- 
ratel, dass kein weiteres Mitglied des bemi- 
schen Ministeriums um die ausgeschriebene 
Stelle sich bewarb, weshalb sie, um bei deren 
Besetzung nicht gebunden zu sein, beschloss, 
dem Professor der lateinischen und griediiscfaen 
Sprache das Pensum des Neuen Testamentes 
abzunehmen und mit der Professur des Bibel- 
studiums zu vereinigen; das war ein vernünf- 
tiger Beschluss.^ 

Zu Anfang des Jahres 1815 wurde die SteDe 
noch einmal ausgeschrieben; eine ganze Reihe 




1Q6 



^ 



Die Akademie in der Mediation«- und RestaurationtzeÜ 



51 



deutscher Oelelirten meldeten sich, aber der 
«Drang der politischen Umstände und Ereig- 
nisse» liess die Wahl hinausschieben und erst 
den 5. September beantragte die Kuratel, den 
tüchtigsten der Kandidaten, J. L C. Wilhelm 
Döderlein, der Regierung zur sofortigen Be- 
rufung vorzuschlagen. Zu diesem ungewöhn- 
lichen Schritt hatten die Kuratel die glänzenden 
Zeugnisse von selten der achtungswertesten 
Gelehrten, nidit bloss über die Kenntnisse, son- 
dern auch über die Moralität des jungen Philo- 
logen bewogen, der übrigens auch den Bemem 
durch sein Spedmen novae editionis tragoedia- 
mm Sophodearum bereits bekannt geworden 
war. 



Berufung durch den Kleinen Rat erfolgte 
sofort, den 11. September, und Döderlein hielt 
den 9. Jänner 1816 seine Inauguralrede de cog- 
natione quae intercedit philologiae cum hi- 
storia»^ 

Der junge Gelehrte nahm sich seiner Schüler 
sofort mit einer Liebe und väterlichen Fürsorge 
an, welche die Behörde mit grosser Freude 
und Genugtuung erfüllte. Neben seinen Vor- 
lesungen, in denen er auf alle seine Zuhörer 
begeisternd wirkte, arbeitete er mit den ihm 
unteigebenen Schülern in der von ihm gegrün- 
deten exegetischen Gesellschaft^ und 
bald wurde diese mit der Genehmigung der 
Kuratel in ein Seminarium für künftige Schul- 
lehrer umgewandelt nach dem Muster der an 
den deutschen Universitäten bestehenden Se- 
minarien. In Anerkennung der Verdienste, die 
sich Döderlein um die Hebung der Akademie 
dadurch erwaii), erkannte ihm die Kuratel eine 
jährliche Remuneration von Fr. 300 zu.' 

Leider blieb Döderlein nur kurze Zeit in 
Bern. Schon im Juli 1819 teilte er der Kuratel 
mit, dass er durch einen Befehl seines Landes- 
fürsten, des Königs von Bayern, in sein Vater- 
land zurückberufen worden sei, um in Erlangen 
das Rektorat des Gymnasiums und die zweite 
Ordentliche Professur der alten Litteratur zu 



übernehmen.^ Der Kleine Rat entiiess ihn mit 
dem Ausdrude des tiefeten Bedauerns, eine so 
ausserordenfliche, tüchtige Lehrkraft verlieren 
zu müssen und schon im September verreiste 
Döderlein, um erst seine etwas geschwächte 
Gesundheit wieder herzustellen. 

An seine Stelle voderte (den 16. Homung 
1820) die R^erung auf Antrag der Kuratel den 
Grädsten J. Rudolf Suter von Zofingen, 
seinen Landsleuten als Naturforscher noch mehr 
bekannt denn als Philologe.^ Die Berufung 
geschah auf Veranlassung und Wunsch des 
Kanzlers Mutach, der in Suter, seinem ehe- 
maligen Schulfreund und spätem Studiengenos- 
sen, dem intimen Freunde von Joh. v. Müller, 
einen würdigen Nachfolger Döderleins ersah. 

Ein Jahr nadiher wurde die Professur der 
Chemie durch den Hinscheid ihres Inhabers, 
des verdienten Ph. F. Beck, vakant. Die Pro- 
ben zur Wiederbesetzung des Stuhls bestand 
einzig der Apotheker Dr. Karl Bruimer, der 
schon seit dem Frühjahr 1818 über die offizi- 
neile Pflanzenkunde an der Akademie Vorle- 
sungen gehalten hatte.^ Sie bestanden in einer 
Vorlesung über die neuere Geschichte der Che- 
mie und in einer chemischen Analyse, wobei 
der Kandidat geradezu glänzte ; ^ den 28. De- 
zember 1821 wurde er von der Regierung ge- 
wählt und machte sich sofort daran, den für 
seine Vorlesungen nötigen chemischen Appa- 
rat zu vervollständigen, wobei er keine Opfer 
scheute. Erst war die «chemische Küche» in 
einem Privathause am Inselgässchen gewe- 
sen, dann war sie 1819 in die Küche des 
Praepositus im Kloster verlegt worden, nach- 
dem die daranstossenden Zimmer zu einem 
Hörsaal und zur Aufbewahrung von Instru- 
menten heigeriditet worden waren.^ Nun wur- 
den dem Vertreter der Chemie sogar für jedes 
Jahr 200 Franken zugesprochen, damit er sich 
in seiner Küche einen eignen Famulus halten 
könne! 

Bald gingen in der zweiten Sektion der phi- 
losophischen Fakultät wettere Veränderungen 





Die Akademie in der Medittions* und RetttnrmtiontBeü 




^ 



vor sich, welche die Kreiening eines neuen 
Lehrstuhls zur Folge hatten. 

Im Februar 1825 ereilte den Prof. Meissner 
unerwartet der Tod, zur tiefsten Trauer der 
ganzen Einwohnerschaft ; bajld wurde der Mann 
mit dem goldlautem Charakter, der als Gelehr- 
ter und Künstler sich in den Dienst des Qanzen 
gestellt hatte, in engem und weitem Kreisen 
schmerzlich vermisst. Ein Gutachten der medi- 
zinischen Fakultät über die Besetzung der va- 
kant gewotdenen Stelle bewog die Kuratel, 
der Regierung in erster Linie eine Teilung der 
Professur vorzuschlagen, wonach die Minera- 
logie und Geologie, sowie die Geographie und 
Natui^geschichte am Gymnasium in die Hand 
eines besondera Lehrers gelegt und dem Nach- 
folger Meissners die allgemeine Naturgeschichte, 
insbesondere Botanik und Zoologie übergeben 
werden sollte. Für die erstere Stelle wurde der 
Mathematiklehrer am Gymnasium, Bernhard 
Studer, vorgeschlagen,^ als Naturforscher von 
seltenen Kenntnissen sdion damals seinen 
Landsleuten hinlänglich bekannt und von der 
Kuratel besonders geschätzt wegen der gros- 
sen Verdienste, die er sich um die naturwissen- 
schaftlichen Sammlungen seiner Vaterstadt be- 
reits erworben hatte. Der Kleine Rat trat dieser 
Ansicht der Kuratel bei und ernannte den 
18. März 1825 Bemhard Studer zum ausser- 
ordentlichen Professor der Mineralogie und 
Geognosie an der Akademie, sowie zum Lehrer 
der Naturgeschichte am Gymnasium. Dieser 
Beschluss mochte ihm nicht schwer geworden 
sein, da er für den Staat mit keiner Mehraus- 
g^bt verbunden war: Studer erhielt für seine 
neuen Funktionen Fr. 400 zugesprochen und 
mit den nach Abzug dieser Summe von Meiss- 
ners Besoldung von Fr. 1600 noch bleibenden 
1200 Franken wurde nun die Professur für Zoo- 
logie und Botanik ausgeschrieben! Diese bei- 
den Disziplinen wurden vorläufig durch Vikare 
vorgetragen, da man die Wahl nicht überstür- 
zen wollte. 

Die Proben fanden erst im November 1826 



statt und bestanden in einer sduifHichen Ab* 
handlung über ein naturhistorisches Thema und 
einer zoologischen und einer botanischen De- 
monstration. E>abei glänzte der Burgdorfer Dr. 
J. Schnell^ sowohl durch seine ausgedehnten 
und tiefgehenden Kenntnisse, als auch c durch 
seinen feurigen, beredten und geistvollen Vor- 
trag», so dass die Kuratel, unterstützt durch die 
medizinische Fakultät, ihn freudig der Behörde 
zur Wahl vorschlug. Verschiedener Hindernisse 
wegen erklärte aber Schnell der Kuratel, eine 
solche noch nicht annehmen zu können ; sobald 
dieselben beseitigt waren, beeilte sich die Re- 
gierung, die Wahl zu vollziehen und Schnell trat 
seine Stelle auf den 1. November 1827 an.^ 

In demselben Jahr starb Professor Suter, 
der Lehrer der Altertumskunde und der latei- 
nischen und griechischen Sprache. Da der Ver- 
such, den vakanten Stuhl in der Weise der frii- 
hem Jahrhunderte zu besetzen und dem Publi- 
kum wiederum das beinahe veiigessene Schau- 
spiel gelehrter lateinischer Disputationen zu 
bieten, böse missglfickte,^ blieb auch dieser 
Stuhl längere Zeit verwaist ; vikariatsweise ver- 
sah ihn Professor Jahn. Auf eine zweite Aus- 
schreibung hin meldeten sich zwei bemische 
Geistliche, der Behörde um so angenehmer, 
als sie nun wieder Gelegenheit hatte, die Inter- 
pretation des Neuen Testamentes in gramma- 
tikalischer Hinsicht mit dem philologischen 
Lehrstuhl zu verbinden. Die Kandidaten waren 
der Gymnasiallehrer Koch und der Spitalpre- 
diger Gottlieb Studer;^ auf Grund der 
abgelegten Proben wurden beide, jedoch Stu- 
der in erster Linie, der Behörde zur Wahl em- 
pföhlen und Studer den 29. April 1829 gewählt.^ 

Eine neue Professur wurde gegen das Ende 
der Restaurationszeit wenn auch nicht errichtet, 
so doch angebahnt, indem im Winter 1826/27 
regelrechte Vorträge über französische Litte- 
ratur in französischer Sprache, verbunden mit 
französischen Stilfibungen eingerichtet wurden ; 
dieselben wurden Herrn Renaud,^ dem zwei« 
ten Pfarrer an der französischen Kirdie, Ober* 




HL 



Die Akademie In der Mediations- und Restaurationszeii 



m 



tragefli der sich seiner Aufgabe mit grossem 
Oeschick entledigte. 

Im März des Jahres 1830 starb J. R. Wyss, 
der Professor der Phik>sophie. Dessen Vorle- 
swigen wurden für die nächstfolgende Zeit 
dem Lehrer Romang fibergeben,^ den man 
von vorneherein als den Nachfolger von Wyss 
betrachtete ; die Kuratel wollte aber « dem 
jungen hoffnungsvollen Manne Qelegenheit 
verschaffen sich in der Philosophie theoretisch 
und praktisch noch weiter auszubilden». 

Die theologische Pakultlt 

Die beiden theologischen LehrstQhle, wie sie 
durch die Bemflhungea Iths geschaffen worden 
waren, gingen unverändert in die neue Ord- 
nung der Dinge über ; dem Professor der prak- 
tischen Theologie wurde noch das Kirchenrecht 
Überbunden. Den 8. Mai 1805 wurde auf den 
Lehrstuhl der theoretischen Theologie (also für 
didaktische und Moraltheologie und Kirchen- 
geschichte) gewählt Emanuel Jakob Zeen- 
der, der Leiter des Zeenderschen Instituts 
und früherer Lehrer am Politischen Institut,^ 
den 28. August^ auf den Lehrstuhl der prakti- 
schen Theologie (Homiletik, Katechetik, Pa- 
storaltheologie und Kirdienrecht) Samuel 
Studer, der bisherige Inhaber dieses Kathe- 
ders. 

Ein dritter Lehrstuhl wurde neu eingerich- 
tet für das Bibelstudium und die Exegese der 
BibeL Qewählt wurde für diesen Stuhl der 
bisherige Professor hebraicus Rudolf Schä- 
re r, dem also die exegetische Erklärung des 
Orundtextes des Alten und Neuen Testaments 
Überbunden wurde, sowie der für die Erklärung 
des Alten Testamentes nötige Unterricht in der 
hebräischen Sprache. Dieser Stuhl war somit 
eüie Vereinigung des alten Katheders des Pro- 
fessors hebraicus und des Professors graecus, 
doch so, dass von dem letztem der Unterricht 
in den griechischen Profanschriftstellem und 
die sprachliche Eridärung des Neuen Testa- 



mentes abgelöst und dem Professor der Alter- 
tumskunde in der philologischen Fakultät iiber- 
geben wurde, eine Einrichtung, die zu manchen 
Unzukömmlichkeiten führen musste. 

Alle drei Theologen erhielten eine Besol- 
dung von Fr. 2000, wodurch die Superiorität 
der theologischen Fakultät an der neu gegrün- 
deten Akademie zum deutlichen Ausdruck kam : 
die Professoren der juridischen und medizini- 
schen Fakultät mussten mit dem Maximum von 
Fr. 1600 sich begnügen.^ 

Wie vor alten Zeiten wurden des Samstags 
mit den Studiosis theologiae Disputationen ver- 
anstaltet, und an diesem Tage Mrurden auch 
die Repetitorien abgehalten. Die Gepflogen- 
heiten der guten alten Zeit setzte Professor 
Schärer auch noch des weitem fort, indem er 
alle seine Voriesungen in lateinischer Sprache 
hielt; Zeender trug nur die Dogmatik in dieser 
Sprache vor, während Studer alle seine Vorle- 
sungen in deutscher Sprache hielt. 

Wie vor Zeiten, so hatten auch jetzt noch 
die Professoren der Theologie ein jeder zwei- 
mal jährlich im Münster die Sonntagmorgen- 
predigt zu halten. Der Kirchenrat hatte zwar 
den 26. Oktober 1805 beschlossen,^ die Herren 
Professoren seien von nun an zu vier jährlichen 
Predigten verpflichtet, allein dieser gewalttätige 
Beschluss der obersten kirdilichen Behörde 
hatte bei den im Kloster amtenden Dienern 
Ck>ttes gar böses Blut gemacht, zu einer Pe- 
tition an den Kleinen Rat geführt und dieser 
hatte dann entschieden, dass es bei den zwei 
Predigten zu verbleiben habe.^ Auf die Seite 
der klagenden Professoren hatte sich auch die 
Kuratel gestellt, von der Ansicht ausgehend, 
«dass jede Arbeit, welche einem Lehrer an der 
Akademie auftragen wird, auf seine akade- 
mischen Arbeiten Einfluss haben könne und 
dass Gegenstände dieser Art, ehe darüber ein 
Entschluss gefasst werde, der Kuratel mitge- 
teilt werden sollten ». ^ Der Kanzler Mutadi 
zeigte damit von vorneherein, dass er nicht ge- 
vrillt sei, irgendwelche Uebergriffe der Kirche 



« 



Die Akademie in der Mediation»* and ResttttimtionueÜ 



in die Rechte der Professoren und der Alca- 
demie sich gefallen zu lassen. 

Für die Studierenden der Theologie galt 
zwar der Kollegienzwang,^ aber wie immer, so 
wurden auch jetzt wieder viele dispensiert, um 
zu « pädagogisieren » ; die Kuratel der Akade- 
mie leistete dieser traditionellen Unsitte ge- 
radezu Vorschub und wenn sie auch wiinschte,^ 
dass den Studierenden der Theologie, so lange 
sie die philologischen Vorlesungen zu besu- 
chen hatten, in der Regel der Dispens von 
denselben versagt werde, so wollte sie ihnen, 
sobald sie in die theok>gische Abteilung vor- 
gerückt wären, das althergebrachte Recht, sich 
für längere Zeit beurlauben zu lassen, nicht 
verkürzt wissen. 

Die Dispensationsgesuche mussten jeweilen 
vom untern akademischen Rat untersucht und 
dann der Kuratel zur Entscheidung übergeben 
werden. 

Infolge der Missstände während der Zeit 
der Helvetik zählte die theologische Fakultät 
im ersten Jahr der Akademie nur 15 Studie- 
rende und von diesen besuchten wegen Ab- 
wesenheit oder Krankheit nur sieben die Vor- 
lestmgen ; mit der Einkehr der ruhigem Zeiten 
nahm die Zahl der Theologiebeflissenen wie- 
der zu und bald betrug ihre Zahl regelrecht 
30-40 Subjekta. 

Den 28. August 1807 starb Professor Z e e n - 
der ; sein Lehrstuhl blieb volle IVa Jahre ver- 
waist, weil man sich von der veralteten Scha- 
blone für die Proben der Kandidaten noch nicht 
trennen konnte und von denselben immer noch 
eine Disputation in lateinischer Sprache über 
eine ganze Reihe von Thesen^ verlangte. Wäh- 
rend der Zeit, da man wiederholte Veranstal- 
tungen traf, um die Theologen des Landes zu 
dem interessanten Schauspiel heranzulocken,^ 
las Professor Schärer über Dogmatik und ver- 
pflichtete sich dadurch die Behörde in hohem 
Qrade. Orosse Freude aber herrschte im Klo- 
ster, wie endlich ein würdiger Sohn der Kirche, 
Pfarrer Samuel Qottlieb Hünerwadel in Zofin- 



» 



gen, der im Jahr 1793 ins bemische Ministerium 
eingetreten war, die Ehre seines Standes ret- 
tete und sich den voigesduiebenen Proben 
unterzog, dieselben sehr gut bestand und da- 
bei «ächte gläubige Frömmigkeit und das Ge- 
fühl der Wichtigkeit einer solchen Lehrstelle» 
aufs glänzendste bekundete. Daraufhin wurde 
er den 18. November 1808 zum Professor der 
Dogmatyc, Moraltheologie und der Kirchenge- 
schichte erwählt 

Bis zum Jahr 1818, volle 10 Jahre, ging es 
nun in der theologischen Faktdtät vollständig 
ruhig her und zu: kein Lüftehen erregte die 
glatte See, nichts störte die regebechten Kurse, 
die ihr Schifflein pflichtgemäss zu durchfahren 
hatte. Interesse hat einzig in dieser Periode 
ein Beschluss der Kuratel vom 11. November 
1814, nach welchem die Studiosi theologiae an 
der phik>logischen Fakultät verpflichtet wur- 
den, die Voriesungen über Natui^eschichte, 
die sie bis anhin durch regebechtes Schwänzen 
venmmögücht hatten, zu hören; im Examen 
vom untem ins obere Curriculum sollten sie 
von nun an auch in der Naturgeschichte exa- 
miniert werden^ und der Erfolg des Examens 
sollte für die Promotion mit in die Wagschale 
fallen. Deutiich erkennen wir in dieser Bestim- 
mung den Einfluss des Pfarrers Wytten- 
bach, der nach dem Tode Iths (den 8. Ok- 
tc^r 1813) noch denselben Monat auf den Vor- 
schlag der Kuratel dessen Nadifolger in dieser 
Behörde geworden war und den es natürlich 
tief schmerzte, dass die junge Welt für das 
Fach, das er für den Theologen für durchaus 
nötig erachtete, gar kein Interesse zeigte. Leider 
resignierte er schon im Dezember 1815 seine 
Stelle im Kuratorium, wo sein Wirken so not- 
wendig gewesen wäre und so fmchtbar hätte 
werden können, und nun verödete auch das 
Auditorium Meissners wieder, obwohl er 
für die Herren Theologen seine naturiiistori- 
schen Vorlesungen eigens umgearbeitet hatte.^ 
Er war wohl froh, der Professor der Naturge- 
schichte, wie er bald darauf, im Frühjahr 1816, 




« 



Die Akademie in der Mediations- und RestaurationtzeÜ 



» 



der Theologie den Rücken kehren und in den 
Hafen der medizinischen Fakultät einlaufen 
konnte ! 

Ob ein anderer, ebenso vernünftiger Be- 
schluss der Kuratel vom 16. Januar 1818^ bes- 
sern Erfolg hatte, als der eben erwähnte, kön- 
nen wir aus ihren Manualen des weitem nicht 
eruieren. Derselbe verband nämlich die Theo- 
logiestudierenden, beim Professor des bemi- 
schen Zivilrechts dessen Vorlesungen über das 
Eherecht zu hören und sich mit den chorge- 
richtiichen Gesetzen und dem daherigen Rechts- 
gang vertraut zu machen, damit sie in ihrer 
künftigen Stellung als Pfarrer oder Vikare in 
den Choiigerichten, deren Seele sie sein sollten, 
nicht eine gar zu klägliche Rolle spielten. 

Das Jahr 1818 bringt der theologischen Fa- 
kultät Sturm und Oewitter. 

Professor Rudolf Schärer nahm seine 
Entlassung, um den Rest seines Lebens in 
Müsse und Ruhe auf der Pfarre zu Bümpliz 
zuzubringen ; er erhielt dieselbe auf den 20. Sep- 
tember 1818. Auf die öffentliche Ausschreibung 
der vakanten Lehrstelle meldete sich in dem 
anberaumten Termin ein einziger Kandidat, 
der Professor gymnasii 2 Samuel Lutz. Die 
Kuratel schlug ihn als ihren Vertrauensmann 
einstimmig zur Wahl vor,^ da «er seine Fähig- 
keiten zum biblischen Katheder durch seine 
ausgezeichneten Kenntnisse in der biblischen 
Grundsprache schon als Studiosus und seit 
einigen Jahren als Vikar des Professors des 
Bibelstudiums ^ auf eine hinläng^idie Art be- 
währt habe». Der gewohnten Proben wollte 
die Kuratel in Uebereinstimmung mit dem un- 
tern akademischen Rat den Kandidaten entho- 
ben wissen als « einer für denselben unnötigen, 
aber lästigen Formalität». 

Das Kirchen- und Schuldepartement, dem 
die Kuratel den genannten Vorschlag zuschickte, 
da bei Professorenwahlen beide Behörden ge- 
meinschaftlich dem Kleinen Rat den Wahl- 
vorschlag zu machen hatten, schlug in seinem 
Gutachten vom 5. September an den Kleinen 



Rat,^ ohne mit der Kuratel vortier in Verbin- 
dung getreten zu sein, was doch diese ge- 
wünscht hatte für den Fall des Nichteinver- 
ständnisses, in erster Linie den Pfarrer Joh. 
Friedrich Stapfer von Diesbach vor und 
motivierte seinen Entschluss also: 

«Mehghh. des Kirchen-Raths, lassen zwar 
den Verdiensten und ausgezeichneten Kennt- 
nissen Hr. Lutz volle Gerechtigkeit wieder- 
fahren, geben aber dennoch in Ihrem Vorschlag 
dem H. Pfarrer Stapfer den Vorrang. Er ste- 
het nach seinen Ansichten dem H. Lutz weder 
an Verdiensten, noch an Kenntnissen nach — 
hat aber gegen denselben reifere Jahre zum 
voraus und eignet sich besonders dadurch bes- 
ser zum Lehrer der die Theologie studierenden 
Jugend. H. Pfarrer Stapfer steht übrigens in 
einem solchen Ruffe von Moralität und Be- 
scheidenheit, dass er auch ohne seine An- 
Schreibung von dem Kirdienrath darf vorge- 
schlagen werden.» 

Samuel Lutz stand in der Vollkraft seines 
Lebens, er hatte das 33. Alters jähr erreicht; 
Friedrich Stapf er hatte das 50. Lebensjahr schon 
überschritten. Stapfer hatte zu Anfang des Jahr- 
hunderts einige Jahre den Lehrstuhl der theo- 
retischen Theologie inne gehabt, ohne auf seine 
Zuhörer begeisternd zu wirken, nun war er 
13 Jahre lang auf seiner einsamen Pfarre zu 
Diesbach gewesen; Lutz stand mitten in der 
akademischen Tätigkeit, war anerkanntermassen 
ein Lehrer von Gottes Gnaden, an dem seine 
Schüler mit Liebe und Hochachtung hingen, ein 
Mann von grosser Energie und Tatkraft, «eine 
scharf ausgeprägte Persönlichkeit ohne Men- 
schenfurdit»,^ der, wo er im Recht zu sein 
glaubte, seiner Ueberzeugung auch den Behör- 
den gegenüber unerschrocken und ohne Ziagen 
Ausdmck gab. Aber — für die Theologie stu- 
dierende Ji^nd eignete sich dieser junge Mann 
zu einer Zeit, da auf den deutschen Universi- 
täten ein ff bedauerlicher» Geist der Auflehnung 
und «revolutionäres Unwesen» bedrohlich um 
sich griff, offenbar als Lehrer nicht; man 




203 



^ 



Die Akademie in der MediatioiM« und RettenimtionszeÜ 



^ 



brauchte unter sotanen Umständen einen altem 
Mann, der schon durch seine Erscheinung auf 
die Jugend beruhigend einwirkte und durch 
Lehre und Beispiel dieselbe zur Achtung vor 
der Regierung anführte! Und — der allge- 
waltige Kanzler stand ja nicht mehr auf dem 
Kampfplatz; jetzt durfte und konnte man es 
schon wagen, dem Kandidaten der Kuratel 
einen Gegenkandidaten gegen&berzustellen und 
hoffen, dass bei der Regierung die Eigenschaft 
erprobter Lx)yalitat den Ausschlag geben werde. 
Den 16. September wurde Stapf er gewählt; der 
Kuratel blieb nur die Aufgabe, den Ratszettel, 
der ihr diese Nachricht überbrachte, ad acta 
zu legen. 

Die Kunde von Stapfers Wahl war sofort 
ins Kloster gedrungen und erregte hier unter 
der Jungmannschaft einen wahren Sturm der 
Entrüstung; Lutzens Schüler kamen überein, 
ihrem « über seine Zurücksetzung tief betrübten 
Lehrer» öffentlich ihre Liebe und Anhänglich- 
keit kundzugeben und verabredeten eine De- 
monstration, welche, nach der darauf erfolg- 
ten Untersuchung der Kuratel, also ausgeführt 
wurde.^ 

Ungefähr 40 Studenten fanden sich des 
Abends «bei Möhren)» ein und organisierten 
daselbst einen Sängerchor. Dann begaben sie 
sich vor Lutzens Wohnung; hier brachten sie 
dem geliebten Lehrer ein Vivat und sangen 
einige Strophen des Liedes vom Laupenzug.^ 
Nun gingen sie die Herrengasse hinab und 
liessen munter das Gaudeamus ertönen, wo- 
bei einige statt pereat tristitia sangen pereat 
infidia, andere pereant Antiluzii; darauf zer- 
streuten sie sich. Alle aber erklärten sich bereit, 
eidlich bekräftigen zu wollen, dass sie beim 
Worte pereat nicht an die Regierung gedacht 
hätten. Diese nämlich hatte sofort nachher, in 
der Meinung, «dass der Unfug nicht sowol ein 
Zeichen der Achtung für einen vormaligen Leh- 
rer, sondern vielmehr eine absichtliche öffent- 
liche Missbüligung der Regierung über die ge- 
troffene Wahl zu bezwecken scheine», einen 



sdiarf klingenden Entrfistungszettel an die Ku- 
ratel abgehen lassen und diese zur Untersuch- 
ung aufgefordert, welche aber ergab,' dass die 
schlimmsten Ausschreitungen, welcher der 
Kleine Rat die Demonstranten geziehen hatte, 
auf Erfindung und Uebertreibung beruhten. So 
war denn die Kuratel gar nicht geneigt; g^en 
die Schuldigen mit Härte vorzugehen, stellte in 
ihrem Antwortschreiben an die Regierung fest, 
dass die Studenten in ihrem wenn audi ahn- 
dungswürdigen Mutwillen doch keine bösartige 
Absicht geleitet habe und nichts voigegangen 
sei, was gegen ein Gesetz Verstösse, und 
wünschte, dass man den Schuldigen als ein- 
zige Strafe einen Verweis erteilen solle, und 
zwar den Studiosis theologiae, vier an der Zahl, 
vor «gesessener CurateU, den übrigen durch 
ihre Fakultäten. 

Die vier Theologen waren die Kandidaten 
Fetscherin und Langhans, die bereits als Leh- 
rer an der Elementarschule wiricten, und Al- 
bert Bitzius^ und Pecholier. Für die er- 
stem zwei veriangten Meine Gnädigen Herren 
eine schwerer wiegende Sühne,^ da «zu ihrem 
nicht geringem Missfallen H. Candidat und 
Schullehrer Fätscherin^ eingestandener massen 
als Urheber jenes Auftritts und Herr Candidat 
Langhans, vicarisirender Schullehrer, als einer 
der eifrigsten Teilnehmer erscheine». Ersterer 
wurde deshalb für zwei, letzterer für einen Mo- 
nat im officium und beneficium an der Schule 
eingestellt Für die übrigen Sünder billigte 
der Kleine Rat den vorgeschlagenen Verweis 
(30. September 1818). Die Kuratel beeilte sidi 
zwar mit der Ausführung nicht sehr: Bitzius 
und Pecholier erhielten ihren Rüffel erst den 
6. November. 

Als nach dem Gutachten Iths vom Jahr 1794 
die theologischen Lehrstühle reformiert wur- 
den, hielt man die HomUetik und die Pastoral- 
theologie für unentbehrlich und die Homiletik 
wollte man nicht bloss in praktischen Uebun- 
gen den Studierenden beigebracht wissen, son- 



« 



Die Akademie in der Mediations- und RetiattnticMiszeli 



» 



dern es sollte die Wissenschaft denselben hi- 
storisch und systematisdi in eignen Vorlesun- 
gen vorgetragen werden. Von dieser Ansicht 
war man bereits zurückgekommen und bei den 
Vorbereitungen für das neue Akademieregle- 
ment vom Jahr 1821 fand die Revisionskom- 
mission, dass die Theologie «keine ausgezeich- 
nete Stelle behaupte», weil bei den jungen 
Geistlichen der Mangel an eigentlichen 
theologischen Kenntnissen allgemein 
geworden sei, weil man mit andern Worten 
auf die praktische Ausbildung derselben zu viel 
Zeit verwende. Die Pastoraltheologie, hiess es 
jetzt, kann vollständig entbehrt werden ; sie ist 
Sache des Selbstunterrichts und der Erfahrung 
und die Homiletik kann mit praktischen An- 
weisungen abgetan werden; dadurch gewinnt 
man Zeit fOr die bessere theoretisdie Ausbil- 
dung der Studierenden.^ Diese Ansicht der Re- 
visionskommission teilte der Kirchenrat voll- 
ständig und so kam es, dass, wie uns das neue 
Reglement von 1821 in § 26 besagt, die Pasto- 
raltheologte gänzlich abgeschafft vmrde und 
statt der Homiletik «praktische Anweisungen 
im Predigen» eingeführt vnirden, vom ersten 
und zweiten Theologen in gleicher Weise gege- 
ben ; ebenso liess man das Kirchenrecht fallen. 
Der frühere Professor der praktischen Theo- 
logie behielt also von seinen bisherigen Funk- 
tionen nur noch die Katechetik; zu ihr teilte 
man ihm jetzt noch die Kirchen- und Dogmen- 
geschichte zu, die man dem Professor der theo- 
retischen Theologie abnahm, so dass also die- 
ser, von den Anweisungen im Predigen abge- 
sehen, nur noch die dogmatische und die Mo- 
raltheologie zu vertreten hatte. Der dritte Theo- 
logt behielt die Voriesungen, wie sie 1805 ge- 
ordnet worden waren, unverändert beL 

Hart trafen diese Bestimmungen den Inha- 
ber des Lehrstuhls der praktischen Theologie, 
den 65 Jahre alten Professor Samuel Studer. 
Die Kuratel suchte ihm entgegenzukommen, 
aber Studer eridärte mit Schreiben vom 2. Fe- 
bruar 1822,' «seiner Ueberzeugung nach sei 




die Pastoraltiieologie ein unumgängliches theo- 
retisches Studium der Theologen und er werde 
nimmermehr einwilligen statt desselben das 
ihm neu auferiegte Pensum vorzutragen»; zu- 
gleich verlangte er seine Entlassung. 

Die Kuratel war geteilter Meinung : die eine 
beantragte dem Kleinen Rat, das Demissions- 
begehren anzunehmen und dem verdienten Ge- 
lehrten ein Leibgeding zu bewilligen, da er 
bei seinem vorgerfickten Alter nicht mehr eine 
Pfarre auf dem Land besoigen könne ; die an- 
dere Meinung will die Vollziehung des neuen 
R^ements in betreff des zweiten theologischen 
Lehrstuhls suspendiert wissen, bis derselbe va- 
kant geworden sei. Die Vertreter der letztem 
glauben, dass Professor Studer nicht gezwun- 
gen werden könne, ein Fach zu geben, zu wel- 
chem er in seinem Vertrag nicht verpflichtet 
worden sei, und dass die bemische Regierung 
ein solches Vorgehen gegen einen Beamten 
nie gekannt habe, abgesehen davon, dass man 
von einem 65jährigen Manne billigerweise nicht 
verlangen könne, dass er ein neues Fach ein- 
studiere und dasselbe in der ihm natürlich nicht 
mehr sehr geläufigen lateinischen Sprache vor- 
trage. 

Die Regiemng pflichtete dieser zweiten Mei- 
nung bei; sie beschloss den 15. März 1822,^ 
der § 26 des Reg^ementes, insoweit er dem 
zweiten Professor der Theologie das Pensum 
der Kirchen- und Dogmengeschichte zuweise, 
sei auf vier Jahre in seiner Exekution suspen- 
diert, es wäre denn, dass dessen Lehrstuhl bis 
dahin verlediget würde. 

Unzufrieden waren alle Professoren der 
Theologie mit dem neuen Reglement, insofern 
es in § 44 die Kollegiengelder der Theologie- 
studierenden von 6 auf 4 Franken herabsetzte ; 
auf ihre KU^n tat die Regierung ein Einsehen 
und verordnete den 2Q. März 1822, dass am 
schwarzen Brett angesdilagen werde, das Kol- 
legiengeld für die Theologen betrage wie frü- 
her Fr. 6.* 



« 



Die Alouleinie in der Medlationt- und RestauntfontzeÜ 



m 



Professor Stiider wartete seines Amtes noch 
fQnf Jahre; im Frühjahr 1827 wwtle er an die 
Stelle des verstorbenen Dekans Risold gewählt 
wid als neu gewählter Dekan wurde er auch 
Mitglied der Kuratel und Kurator der theolo- 
gischen Fakultät Die Kuratel und der Kirchen- 
rat fanden sich bei der Neuwahl des zweiten 
Professors der Theolc^e in Eintracht zusam- 
men : sie beschossen, die Stelle gar nicht aus- 
zuschreiben und zum Nachfolger Studers den 
Pfarrer Bernhard Wyss von Belp der Regie- 
rung vorzuschlagen^ (20. April 1827). Der Vor- 
schlag wurde sofort bestätigt, den 23. April. 



Die juridische Pakttltit 

Die juridische Fakultät entwickelte sich, ab- 
gesehen von dem bereits besprochenen feind- 
seligen Verhältnis, in das sich K. L. v. Haller 
von Anfang an zu seinen Kollegen stellte, in 
ruhiger und normaler Weise. Für römisches 
Recht, Naturrecht und Kriminalrecht war der 
aus Deutschland berufene Dr. Christian Hein- 
rich Omelin angestellt worden, fOr das ber- 
nische Zivilrecht Samuel Schnell aus Burg- 
dorf; beide äbten auf ihre Zuhörer gewaltigen 
Einfluss aus und wenn auch im Anfang über 
ui^enügende Vorbildung derselben geklagt 
wurde,^ so entwickelte sich unter den jungen 
Rechtsbeflissenen, deren Zahl durchschnittlich 
auf 35 sich belief, bald eine rege wissenschaft- 
liche Tätigkeit, die sich bei der jährlichen Be- 
arbeitung der Preisfragen riihmlich hervortat 
Das fünfte Rad am Wagen aber war von An- 
fang an der dritte Professor iuris C. Ludwig 
von Haller, der fär Geschichte und allge- 
meine Staats- und Verfassungskunde angestellt 
worden war. Entweder brachte er es mit Muhe 
und Not auf ein paar Zuhörer, oder seine an- 
gekündigten Vorlesungen kamen gar nicht zu 
stand ;^ die prunkhafte Ankündigung seines 
Kollegs über das allgemeine Staatsrecht « nach 
einem von ihm selbst erfundenen und den bis- 



herigen Systemen ganz en^g^engesetzten Plan'» 
blieb ohne die gewünschte Wuicung. 

Schon vom Jahr 1809 an wunte die Oe- 
schidite, speziell die Schweizergeschichte, die 
nach dem Reglement mit seiner Professur ver- 
bunden war, von Professor SchneU gelesen^ 
und nach Ablauf der Probezeit (1812) finden 
wir sie ihm definitiv fibertragen ; nach seinem 
neuen Anstellungsdekret ist Haller nur noch 
Professor des Staatsrechts.^ 

Im Hert>st 1813 nahm Professor Omelin zum 
grossen Bedauern der Behörde und der Kolle- 
gen, bei welchen er sich hohe Achtung erworben 
hatte, seine Demission^ und siedelte nach Tü- 
bingen fiber. An seine Stelle trat nodi in dem- 
selben Jahr, den 3. November, Dr. Eduard 
Henke, Professor extraordinarius an der Uni- 
versität zu Landshut, der, obwohl noch in dem 
jungen Alter von 2Q Jahren stehend, bereits 
schon sieben Jahre Vorlesungen gehalten und 
sidi durch seine wissenschafdichen Arbeiten in 
weiten Kreisen bekannt gemacht hatte. Er war 
den Bemem von Hufeland in Landshut drin- 
gend anempföhlen worden und wenn auch 
meinen Hochgeehrten Herren der Kuratel die 
Nachricht, dass der gelehrte Jurist an der Schel- 
lingischen Philosophie OefaUen gefunden habe. 
Bedenken eingeflösst hatte, so trösteten sie 
sich doch in ihrer Eingabe an den Kleinen 
Rat,^ «dass bei einem verständigen Manne 
unter rechtlichen CoUegen, und unter hiesigem 
Himmelsstrich die allfälligen Ueberreste einer 
Deutsch-akademischen Philosophie nach Schel- 
lingisdier Lehre, welche vorzüglich in einem 
gQttlichen Sprachunsinn bestehet, sich bald ge- 
ben würde». Auch die hohe Regierung war 
der Ansicht, dass der Schellingische Idealismus 
im bemischen Klima keinen Schaden anrichten 
könne, und berief den jungen Gelehrten an die 
hiesige Akademie, indem sie von weitem Pro- 
ben absah. Und sie hatte wahrlich ihren Ent- 
schluss nicht zu bereuen, da der «Teutone» 
nicht bloss durch treue Pflichterfüllung sich 
auszeichnete, sondem bald noch mehr tat, als 




<t 



Die Akademie in der Mediations- und Restiurationszeii 



m 



ihm aufgetragen war, was die Behörde durch 
eine für die damaligen Verhältnisse namhafte 
aehalt5aufi>esserung^ dankbar erwiderte. 

Den 30. Oktober 1817 gab Haller der Ku- 
ratel seine Entlassui^ ein; sie nahm sie an, 
ebenso die Regierung. Die Kuratel dankte dem 
Scheidenden mit verbindlichen Worten für die 
der Akademie geleisteten Dienste — der Kanz- 
ler Mutach war zu dieser Zeit bereits aus der 
Kuratel ausgetreten, sonst wäre der Abschied 
wohl weniger herzlich ausgefallen. Die Kuratel 
unter der neuen Flagge ersuchte sogar Hallem, 
ihr seine Abschiedsrede von seinen Schülern 
zum Abdruck im Litterarischen Archiv zu fiber- 
geben; da sie sich in demselben nicht findet, 
dürfen wir wohl vermuten, dass Haller, seiner 
beständigen Haltung der Kuratel gegenüber 
getreu, auf dieses Gesuch gar nicht antwortete. 

Nach dem Weggange Hallers ging der Lehr- 
stuhl, den er inne gehabt hatte, ein; es kam 
dies also: 

Zunächst war die Kuratel zu der Ansicht 
gelangt, es sei besser, wenn das Staatsrecht gar 
nicht mehr gelesen werde, da « bei der gegen- 
wärtigen Lage der politischen Welt die Be- 
griffe über Staats- und Völkerrecht noch viel 
zu unbestimmt und widerstreitend seien, als 
dass es möglich wäre die allgemeine Staats- 
wissenschaft nach positiven, allgemein ange- 
nommenen Grundsätzen zu lehren». Deshalb 
beantragte die Kuratel dem Kleinen Rat,^ an 
Stelle der allgemeinen Staatswissenschaft den 
Vortrag des positiven Eidgenössischen Staats- 
rechts in Hinsicht auf die verschiedenen Ver- 
hältnisse gegen Fremde, gegen diplomatische 
Personen etc., verbunden mit der vaterländi- 
schen Geschichte in besonderer Beziehung auf 
den bemischen Freistaat zu setzen.' 

Der Kleine Rat erhob den Antrag der Ku- 
ratel zum Beschluss und gab dieser zu verste- 
hen, wie wichtig nun aber für die Besetzung 
einer solchen Stelle die Auswahl der Person 
sei^ «nicht nur in wissenschaftlicher, 
sondern auch in andern Rücksichten, 




die Ihrer (der Kuratel) Klugheit nicht 
entgehen könnten». Dieser Wink wurde 
verstanden und so beeilte sich denn die Kuratel 
gar nicht, in dieser so delikaten Angelegenheit 
vorzugehen und etwa einen Missgriff zu tun, 
und gewiss war sie recht froh, wie im Februar 
1820 Professor Henke ihr zu Hülfe kam und 
sich anerbot, das Pensum des allgemeinen und 
schweizerischen Staatsrechts zu übernehmen. 
Nach ihrem Vorschlag nahm der Kleine Rat das 
Anerbieten Henkes provisorisch für zwei Jahre 
an unter der Bedingung, dass er im Verlauf 
von zwei Jahren^ «ein bündiges und vollstän- 
diges Compendium über das schweizerische 
Staatsrecht sorgfältig ausart>eite»; auch stellte 
er ihm in Aussicht, die Autorisation zu den Vor- 
lesungen über das allgemeine und schweizeri- 
sche Staatsrecht zu erneuern, «wenn alle Er- 
wartungen, zu denen seine Geschicklichkeit 
und Talente berechtigen, in Erfüllung gegan- 
gen sein werden». 

Henke begann seine neuen Vorlesungen, für 
die er jährlich mit Fr. 400 honoriert wurde, 
und machte sich mit der ihm angebomen Ener- 
gie an die Ausarbeitung des Kompendiums des 
schweizerischen Staatsrechts, wofür ihm der 
Zutritt zum bemischen Archiv gestattet wurde ; 
es bedurfte für diese Erlaubnis auch jetzt noch 
eines besondem Ratsbeschlusses.^ 

Im November 1823 gab Henke der Kuratel 
das Manuscript seines Kompendiums ein und 
diese schickte es dem Kanzler Mousson und 
Lavater in Zürich zur Prüfung.*^ Mousson und 
sein Mitarbeiter fanden es der höchsten Aner- 
kennung würdig, worauf der Kleine Rat nach 
dem Antrag der Kuratel dem gelehrten Ver- 
fasser eine Gratifikation von Fr. 400 zusprach 
unter der Bedingung,® dass er den Druck selber 
besorge und ihm eine Anzahl Exemplare über- 
gebe. Zugleich wird ihm das allgemeine und 
schweizerische Staatsrecht definitiv übertragen 
gegen eine jährliche Remuneration von Fr. 600. 

Trotz dieses Arbeitszuwachses dürstete es 
unsem deutschen Gelehrten nach weiterer Aus- 




Die Aktdende in der Mcdiations- und ResteuntioiiBzeit 



51 



dehnung seiner akademischen Titigkeii Vom 
Jahr 1828 an gelangte er zu wiederholten Malen 
an die Behörde, sie möge ihm gestatten, über 
das Kirchenrecht Vorlesungen zu halten, na- 
türlich — gegen ein angemessenes Honorar. 
Er schlägt sogar der Kuratel vor, den juridi- 
schen Studienplan durch Aufnahme der Kolle- 
gien über das Kirchenrecht zu erweitem, aber 
diese gab ihm schliesslich (Dezember 1829)^ 
den lakonischen Bescheid, «der von ihm als 
dringendes Bedfirfniss vorgeschlagene Lehrcurs 
sei für die bemische Akademie von geringerer 
Bedeutung». 

Die medizinische Fakultät 

Die medizinische Fakultät gründete sich auf 

das medizinische Institut, 

sie war der staatliche Ausbau desselben. Im 
Jahr 1798 waren die besten Aerzte und Chi- 
mrgen der Stadt Bem in Verbindung mit an- 
dem Gelehrten zusammengetreten, um ange- 
henden Studierenden der Medizin in ihrer Wis- 
senschaft theoretischen und praktischen Unter- 
richt zu verschaffen, damit dieselben aus dem 
nachherigen Unterricht auf ausländischen Uni- 
versitäten grossem Nutzen ziehen und den Auf- 
enthalt auf denselben kürzen könnten. Im De- 
zember hatten sie dem Erziehungsrat von ihrer 
Konstitution Nachricht gegeben und ihm einen 
Studienplan voigelegt, der natürlich von dieser 
Behörde, die für alle wissenschaftlichen Inter- 
essen nach Kräften eintrat, mit Freuden ent- 
gegengenommen wurde. Bald darauf begannen 
die Vorlesungen und nach kurzer Zeit schon 
fand sich eine beträchtliche Zahl von Studie- 
renden aus dem Kanton und andem Oegenden 
der Schweiz ein, welche die ihnen dargebotene 
Gelegenheit zu ihrer bemflichen Ausbildung 
benutzten ; der helvetische Minister der Künste 
und Wissenschaften blickte mit Stolz und gros- 
ser Genugtuung auf die aufblühende Anstalt 
seines Heimaticantons, die sich auch der tat- 






kräftigen Unterstützung der VerwaHungskam- 
mer zu erfreuen hatte.* 

Dieser Veigünstigung hoffte das Institut 
audi von selten der neuen Regiemng sich zu 
erfreuen und gelangte an das Kirdien- und 
Schuldepartement mit der Bitte um einen Zu- 
scfauss von Fr. 6000 für das laufende Jahr 
1803.' Das Departement befürwortete dieses 
Gesuch beim Kleinen Rat unter der Bedingung, 
dass ihm die Oberaufsicht über das Institut 
übertragen werde mit der Weisung, gemein- 
sdiaftiich mit den Vorstehern des Instituts, 
alle nötig weidenden Temporärverfügungen zu 
treffen, wobei es aber dem Institut überlassen 
bleiben sollte, seine Lehrer wie bis anhin selbst 
zu wählen und die Pensa nach eigenem Out- 
finden zu bestimmen. Der Kleine Rat war da- 
mit einverstanden und erteilte zugleich dem 
Departement den Auftrag, die Voibereitungen 
zur Verschmelzung des Instituts mit der zu 
gründenden Akademie zu treffen.^ Dem In- 
stitut wurden nun zwei Lehrzimmer im Kloster 
angewiesen und bis zur Eröfhiung der Aka- 
demie und der medizinischen Fakultät Fr. 8500 
in verschiedenen Raten ausbezahlt 

Die medizinische Fakultät 
wurde im November 1805 mit drei Lehrstühlen 
eröfhiet: als Professor für Chirurgie und 
Geburtshülfe fungierte Dr. Abraham 
Schiferli, der bereits am medizinischen In- 
stitut gewirkt hatte, für spezielle und all- 
gemeine Pathologie und Therapie Dr. 
Albrecht Tribolet, ebenfalls vorher am 
medizinischen Institut tätig, und für Anato- 
mie und Physiologie Dr. Friedr. Aug. 
Gottfried Emmert, einer der drei Profes- 
soren, die von Deutschland berafen worden 
waren. Emmert und Tribolet erhielten eine 
Jahresbesoklung von Fr. 1600, Schiferti von 
Fr. 1500. 

Mit dem Anatomen Emmert war auch sein 
Bmder Karl Friedrich Emmert nach Bern 
gekommen, nachdem er bereits in Qöttmgen 




« 



Die Akidemie in der Mediations^ und Reftauimtionszeit 



^ 



ab Repetent KoUegien Ober Anatomie und Ver- 
bandlehre gelesen hatte. Er erhielt von der Ku- 
ratel die Bewilligung, Vorlesungen iiber Tier- 
arzneikuflde zu halten, und den 12. März 1806 
wurde er zum Professorder Vieharznei- 
wissenschaft gewählt^ mit Fr. 1000 Oehalt 
und im Herbst desselben Jahres annodi zum 
Pro Sektor und Qehiilfen seines Bruders, ffir 
welches Amt er eine weitere Besoldung von 
Fr. 300 bezog, sowie Fr. 6 Kollegiengeld von 
jedem Hdrer, das ihm der Professor der Ana- 
tomie von seinen Kollegiengeldem abzutreten 
hatte. 

Dem Proseldor war in seinem Pflichtenheft 
voigeschrieben : > «1) alle bei dem anatomi- 
sdien Unterricht notwendigen Sektionen und 
Vorbereitungen an Cadavem zu verrichten; 
2) unentgeltlich alle notwendigen physiotogi- 
sdien, pathologischen und osteologischen Prä- 
parate zu verfertigen und selbige unter emem 
von der medidnischen Facultat zu bescheini- 
genden halbjährlichen Inventario der Akade- 
mie eigentOmlich zu äberliefem, wobei er blos 
seine Auslagen filr Draht, Qläser, Brandten- 
wem etc. verredmen könne ; 3) allen Anatomie- 
studierenden, so es verlangen, unentgeltlidien 
Unterricht im Sederen und Präparieren zu er- 
teilen und von denselben blos die Bezahlung 
der Auslagen für Infusfons-Materien bis auf 
höchstens Fr. 4 von jedem p. cursus zu eriie- 
ben.» 

Doch der erste Prosektor war, wie wir be- 
reits gesagt haben, zugleich auch Professor der 
gesamten Tierarmeiwissensdiaft, weshalb ihm 
die Kuratd bei seiner Wahl zum Prosektor 
ihren bestimmten Willen dahin zu erkennen 
gab, «dass er, Herr Prof. Emert iunior, seine 
Praxis hauptsidilich auf das Veterinarische be- 
schranken, und sich diesem in hiesigem Lande 
so wichtigen Fache nun als bestellter Lehrer 
ganz besonders widmen solle». 

Sogar ein Abwarter wurde nodi m dem- 
selben Jahr der medizmischen Fakultät bewil- 
ligt mit einem Jahresgehalt von Fr. 260 und 



der Au^[id>e, allen Herren Lehrern der Fa- 
kultät an die Hand zu gehen, besonders aber 
das anatomisdie Theater zu besorgen und die 
ihm diesorts erteilten Aufträge punktlidi zu 
erfOlIen. 

Schon kn Oktober 1808 eriiielt Emmert seuie 
anbegehrte Entlassung als Prosektor und an 
seine Stelle trat der junge, für sein Fadi ausser« 
ordentUch begabte Karl Wilhelm Hoch- 
stetter mit denselben Verpflichtungen und 
einer Besokiungseriiöfaung von Fr. 100;' bald 
entstanden unter seiner geschidrten Hand dte 
prächtigen Sammlungen des anatomisdien Ka- 
binetts, wekhe den Stolz der Fakultät bikleten, 
und auch in anderer Richtung wirkte der neue 
Prosektor so glficklidi, dass die Kuratel im 
August 1810 der Regierung beantragte,^ sie 
wolle ihn mit einem Oehalt von Fr. 1600 zum 
ordentlichen Professor promovieren und ihm 
(neben dem Prosektorat) die Vorlesungen über 
allgemeine Pathologie und Therapie, sowie die 
mediana forensis fibertragen und dadurdi den 
Professor Tribolet in semen allzu weitgehenden 
Verpflichtungen entlasten. Auf diese Weise 
hoffte die Kuratel den geschätzten Gelehrten, 
der einen Ruf an die Akademie in Berlin bekom- 
men hatte, der Anstalt für immer zu erhalten. 
Der Kleine Rat genehmigte den Vorschlag, so 
dass also Professor Tribolet neben dem Clmi- 
cum und der materia medica nur noch die spt^ 
zielle Padiologie und Hierapie blieb. 

Den 1. November 1810 trat Hochstetter seine 
neuen Funktionen an und schon ein Jahr nach- 
her, den 2. November 1811, hätte er der Aka- 
demie als Prorektor vorstehen sollen, als ihn 
kurz vorher auf der Ruckreise von Italien, wo- 
hin er sich zum Zwecke wissenschaftlicher For* 
sdiungen blieben hatte, der unerbitdiche Tod 
ereilte. 

Ein Jahr kmg behalf sich nun Professor Em- 
mert ohne Prosektor mit zwei Oehülfen,* die 
er sich aus der Zahl seiner geschicktem Sdifl- 
ler selbst auswählte und die von der Kuratel 
eine kleine Oeldentschädigung eriiielten. Dann 




^ 



Die Akadcnle in der Medletkiii»- imd ReetesnHoiienit 



wihUe auf Beginn des Winteraemesten 1812 
die Kuratel wiedentm einen besondern Proeek- 
tor, der nun diesem Amt allein leben sollte (mit 
Fr. 800 Oehalt) in der Person des Lioentiaten 
Karl Mayer aus Schwäbisdi-Hall. Der Vor- 
trag der allgemeinen Pathologie und der me- 
diana forensis sollten ausserordenflidien Do- 
zenten äberbunden oder den angestellten Pro- 
fessoren angehängt werden.^ Die mediana fo- 
lensis wurde dann in der Tat in der Folge- 
seit duidi Dozenten vertreten,' mit der allge- 
meinen PaflKdogie hingegen hatte man keine 
Eile; wh- finden sie ausser gelegentlidien Vor- 
lesungen von Professor Mayer im Sommer 
1816 und 1818 erst im Jahr 1821 wieder ver- 
treten. 

Bald nadi der Eröffnung der Akademie 
wurde von der Kuratel für die künftigen Aerzte, 
Chiruigien, Oebuitshelfer, Tierarzte und Apo- 
Ihdier, wekhe ihre Studien an der Akademie 
absolviert hatten, ein Examen eingerichtet,' 
durch welches sich dieselben über ihre Kennt- 
nisse, weldie die medizinische Fakultät für not- 
wendig hielt, ausweisen sollten. Das Examen 
wurde von den Professoren abgenommen und 
bestand in einer schriftlichen und einer mflnd* 
liehen Prüfung; in dieser hatten die Examinan- 
den Ihre {Maktisdien Fertigkeiten und Oesdiick- 
lidikeiten zu zeigen, in jener die theoretisdien 
Kenntnisse. 

Der Arz^ fan engem Sinne des Wortes, sollte 
in der Anatomie, Physiologie, Hierapie, Arz- 
neimittellehre und der mediana forensis ge- 
prüft werden, dazu noch in der Chemie; der 
Chintige wid Od)urtshelfer in allen diesen 
Fädiem und des weitem noch in den ihrem 
besondem Beruf dienenden Disziplinen; der 
Apotheker in der Botanik, Chemie, Waren- 
kunde und Pharmazie; der Tierarzt endich 
sollte sovid möglich ausser der Veterinarkunst 
auch die Kenntnisse des Arztes im engem Sinne 
besitzen, da man von der Ansicht ausging, die 
Veterinarkunst sei übertriebene menschliche 
Heilkunde. 



Ib 



Wer das Examen bestanden hatte, eiliidt 
ein vom Kanzler unterschriebenes Zeugnis über 
hinlingliche oder gute oder vorzfiglidie Kemit- 
ttisse in dem Bemf , den er im Kanton autzn- 
U>en im Sinne hatte, und der Sanititsrat,^ mit 
wddiem sidi die Kuratel nach §82 des Rcgle- 
nentes für die Akademie wegen dieser Zeug- 
nisse hl Verl>indung zu setzen hatte, nahm nun 
l>ei der AnsteOung von JMedizlna^rsonen für 
den Kanton Bern auf die Attestate der medizi- 
nisdien FakuHit ibesonden begü n s tig end e 
Rücksicht».« 

Unter den Studierenden der Medizin waren 
manche, die vom Land herkamen und an Vor- 
bildung weiter nichts mitbrachten, als was sie 
auf ihren Landschulen erobert hatten, und das 
war gewöhnlich blutwenig, beschränkte sich 
doch damals der Unterricht auf manchen die- 
ser Schulen auf Lesen und Schreiben. Schon 
im Jahr 1806 hatte sich ^it medizinische Fakul- 
tät über diesen Uebelstand bitter beklagt^ und 
die Kuratel um Abhülfe gebeten, aber diese 
hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie in 
ihren Anforderungen an die Vorbildung der 
künftigen Landärzte sich auf das alleibeschei- 
denste Mass beschränken müsse» wenn man 
nicht Oefahr laufen wolle, dass der Zuzug vom 
Lande gänzlich ausbleU)e und der Zweck der 
Akademie, tüchtige Landärzte auszubilden, ver- 
fehlt werde. Wer die damaligen kulturellen Zu-» 
stände unseres Kantons kennt, darf die Kuratel 
darum nicht tadeln: sie kannte das nicht be- 
neidenswerte Los eines Landarztes und wiisste, 
dass vorläufig nur junge Leute vom Lande 
selbst zu Erreichung desselben aubumuntem 
seien. 

Durdi eine erneuerte Eingabe medizhiisdicr 
Professoren bewogen, stellte die Kuratel den 
13. November 1812 ^ das Minnnum der Anfop» 
derungen an die Vorbildung der Medizinstu- 
dieienden fest Wer nicht als früherer ZügUng 
der bemisdien Utterarsdmle ad lectiooes piK 
blicas ftanlich promovtert worden war, solte 




»0 



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Die Akideiiife in dar Madhrifcmf* omL Resltttnüoiuidt 



^ 



tkh vor der Immairikiilation einer PriUung: 
unterwerfen und beweiwn, dass er «fertig und 
riditig deutsch lesen könne»» und des fernem 
sich verpfliditen, wahrend des ersten Semesters 
die Kunst lateinisdi (d. luidie lateinischen Budi«* 
Stäben) zu lesen und die «Casusfestigkeit» in 
dieser Sprache sidi zu erwerl)en und im Redi* 
nen «die griindlidie Kenntniss der 4 Spedes». 
Die definittve Auhuüune in den Studenienkata» 
log sollte erst nadi Verfluss dieses Semesters 
erfolgen. Zugleich verlangte die Kuratel von 
der medizinischen Faicultat einen Beridit da- 
rüber, an wen die jungen Leute vom Lande zu 
Erwerbung der geforderten Kenntntsse zu wei- 
sen seien und wer die Eintrittsprfifung besor- 
gen solle. Da aber von diesem Bericht oder 
von weitem Verhandlungen fiber einen solchen 
m den Manualen nidits zu sehen ist» dfirfen 
wir wohl annehmen, dass die Professoren der 
Medizin in der Meinui^, durdi die besproche- 
nen Forderungen werde kaum etwas gewon- 
nen, den von ihnen gewünschten Beridit gar 
nicht abstatteten und dass auch die Kuratd 
dte Angdegenheit vorläufig auf sich beruhen 
liess. Wir dfirfen dies um so eher annehmen, 
als 10 Jahre nachher, 1822, bedeutend ver- 
sdiirfte Besthnmungen ffir die Immatrikulation 
der Mediziner aufgestellt und nun auch durdi- 
gefuhrt viouden. Nadi dem in diesem Jahre re- 
vidierten akademischen Spezialreglement wurde 
«den Studierenden der Medldn, die auf dem 
Lande nicht die nöthigen Vorkenntnisse zu fer- 
nerer vmsensdiaftiidier Ausbildung erwerben 
konnten, zur Pflicht gemacht; sidi durch einen 
von der Curatd zu designierenden Docenten 
in der latemischen Sprache Aber die Anfangs- 
grfinde hinaus, und in der Arithmetik in den 
Proportionen, den gemdnen und Dedmalbrfi- 
chen U.S.W. unterrichten zu lassen». Dieser 
Unterricht wurde einem Privatlehrer (Suter) 
fibeigeben, der vom Beginn des Sommerseme- 
siers 1823 an den ihm zugewiesenen Studenten 
tiglidi zwd Stunden Unterricht erteilte und 
dafür von jedem derselben halbjihrlidi L. 10 



empfingt sowie von der Akademie dieselbe 
Summe. 

Bei der definitiven Organisation der Aka- 
demie (1811) gab der Chinuge Professor Abra* 
ham Sdiiferli seine Demission ein; sdiweren 
Herzens nahm die Behörde das Begehren des 
verdienstvollen und pfliditgetreuen Dozenten 
an und schrieb die Stelle eines Vertreters der 
Oiirurgie und Oeburtshfllfe zur faden Konkur- 
renz aus; dte Proben sollten in einer anato- 
mischen Demonstration, der Verriditung einer 
Operation am Kadaver und in einer deutschen 
Vorlesung Ober einen diintrgisdien Oegen- 
stand bestehen. Drd Kandidaten unterzogen 
sich denselben, wobd sich der Professor der 
Tierarzneikunde, Karl Friedrich Emmert, 
derart auszeichnete, dass er vcm der Kuratel, 
dte auch seine Lehrgabe und sein Talent; dte 
Liebe aller Sdifiter sich zu erweiben, zu sdiitzen 
wusste, einstimmig zum Nachfolger Schiferlis 
voigesdilagen und von der Regierung mit einem 
Oehalt von Fr. 1600 den 8. Mai 1812 gewählt 
wurde.^ Er blid> der beraischen Akademte 
treu; leider nahm sein alterer Bruder, der Anap 
tom und Physiologe Fr. Aug. Emmert, im Som- 
mer 1815 einen ehrenvollen Ruf an seine vater- 
landische Universität Tfibingen an und verliess 
Bern, allerseits geaditet und geehrt Zu seinem 
Nachfolger vnirde den 25. September der Pro- 
sektor Dr. Karl Mayer gewählt,' der einzige 
A^irant, der skh zu den Proben (bestehend in 
einer anatomisdien Präparation und einer phy- 
siologisdien Abhandlung) gemeklet hatte; sein 
Odialt war der seines Voigängers (Fn 1600). 

Im Prosektorat folgte ihm Johann Jakob 
Hermann aus Bern, gewesener Chirurgus 
IMajor im Bataillon Bemischer Frdwilligen in 
k. preussischen Diensten, dermalen Arzt in 
Lode. Sdion als Studk>sus hatte er fOr das 
Sezieren besondere Neigung und OeschickUdi- 
küt gezdgt und war fOr mehrere sehr sdidne 
Präparate ausserordenflidi remuneriert worden; 
m den Proben wurde er allerdings, was dte 
theoretischen Kenntnisse anbetrifft, von semem 




tit 



Die Akademie in der Mediation»» und Rettamationneit 



1» 



Konkuncflten, dem Badenner Schwarz, der in 
Bern bei dem Operaiar Hartmann in Kondition 
stand, aus dem Felde geschlagen und die Ku- 
ratel mussfe zugeben, dass er audi als Student 
tfOr die wissenschafdidien Coll^ien» nicht 
tausgezeidmeten Fleiss» gezeigt habe; den- 
noch^ schlug ihn die Kuratel der Regierung zur 
Wahl vor, in der Meinung, dass die Prosektor« 
stelle eher praktisdie Fertigkeit als theoretisdie 
Kenntnisse erfordere, und der Kleine Rat teilte 
diese ihre Ansicht Als Jahresgehalt wurden 
Hermann wie seinem Voiganger Fr. 800 aus- 
gesetzt» 

In nidit geringe Veriegenheit bradite die 
Kuratel der Weggang Kari Mayers im FrOh- 
jahr 1819 infolge seiner Bendung nach Halle. 
Zu den Proben für den also eriedigten Stuhl für 
Anatomie und Physiologie hatten sich zwei 
bemtsdie Kandidaten, Dr. Ith und der Pro- 
sektor Hermann, eingesteOt, bei denen es 
sidi zeigte, dass die Kenntnisse des Dr. Ith in 
der Anatomie unvollständig und oberflädilidi 
waren und die des Prosektors Hermann in der 
Physiologie mittelmissig; in der Physiologie 
hingegen zeigte 11h gründliche Kenntnisse, wäh- 
rend Hermann seine anatomische Auljgabe zur 
Zufriedenheit der Examinatoren löste.' 

Infolge dieses Resultates waren die Meinun- 
gen der Kuratoren geteilt; die Minderheit der- 
selben beantragte dem Kiemen Rat die provi- 
sorische Beruftmg eines Auslanders, des Dr. 
Rapp aus Stuttgart, der von Professor Emmert 
in Tübingen aufs wärmste empfohlen worden 
war, aber zu den Proben sich nicht hatte stellen 
wollen ; die Mdirfieit wollte den vakanten Stuhl 
einem Landeskind fibetgeben wissen, konnte 
sich aber iiber den Modus nicht einigen : ' der 
eine Vorsdilag ging dahin, den Lehrstuhl zu 
trennen und die Physiologie dem Dr. Ith, die 
Anatomie aber dem Prosektor Hermann zu 
jQbeiffeben und den Qehalt von Fr. 1600, der 
bis dahin für beide Fächer ausgegeben worden 
war, an die neuen Inhaber zu teilen. Der an- 
dere Vorschlag lautete, den Dr. Ith zum Pro- 



fessor für beide Fidier zu efnennen, ihm aber 
zu gest a tten, fOr die Anatomie, cfDr die er sel- 
ber eine entadiiedene Abneigung eingestehe», 
einen Vikar zu bestellen. Beide Vorsddlge wa- 
ren natürlich gteich unpraktisch. Die Regierung 
entsdiied sidi für den zuletzt genannten Antrag 
und ernannte den Dr. Ith den 18. Juni zum 
Professor der Physiologie und Anatomie und 
auf dessen Vondilag hin den Prosektn- Her- 
mann zum Vikar für den Vortrag der Anatomie, 
dodi beides nur auf eme Probezeit von 1^ 
Jahren; noch vor Auslauf des auf Ostern 1821 
zu Ende gdienden WmterBemesters sollte von 
der Kuratel dem Kiemen Rat em Rapport über 
die Bedienung der Lehrstelle euigereicht wer- 
den. 

Dies gesdiah den 23. MIrz 1821 auf Qnmd 
der von der medizinischen FakuHat eingezoge- 
nen Beridite.^ Der Rapport erteilt dem Pro- 
fessor Ith das ehrenvollste iEeugnis Aber seine 
Lehrweise und seine Lehrerfolge, wihrend er 
konstatiert, dass sich der Unterricht seines Vi- 
kars «auf eine trockene, von allem Interesse 
entblösste Nomenklatur beschranke, so dass 
unter den gegenwärtigen Studiosen sich kefai 
einziger durdi anatomische Kenntnisse aus- 
zeichne». Die Kuratel glaubt, dass der ginz- 
lidie Verfall des anatomischen Studiums in ab- 
sehbarer Zeit eintreten werde, wenn die beste- 
hende Einriditung zu einer definitiven gestaltet 
werden sollte, und beantragt deshalb der Re- 
gierung, dass der Lehrstuhl der Anatomie von 
demjenigen der Physiologie vollständig zu tren- 
nen, dieser Herrn Professor Ith zu iibertragen 
und fiir jenen eine neue (die vierte) Professur 
einzurichten und auszuschreiben und jederStuhl 
mit Fr. 1600 zu dotieren sei. Sie hofft auch, 
von der Regierung deshalb kernen neuen Oeld- 
zusdniss veilangen zu mfiss», indem den Pro- 
fessoren der Anatomie und Physiologie noch 
mehrere Pensen iibertragen werden könnten, 
welche bis anhin von besoldeten Dozenten ver- 
sehen worden waren — die Padiologie dem Pro- 
fessor der Phystotogie, die mediana forensis 




Die Akademie in der Medittioii»* und Retbnnmtfon8»ii 



^ 



und die Diitetik dem Professor der Anatomie 
— und audi des weitem nodi Erapamisse zu 
madien wiren.^ Diese angenehme Aussidit 
verfehlte ihre Wirining nicht und die Regie- 
rung nahm den 6. April 1821 aUe Anträge der 
Kuratel an. 

In den Sommerferien 1821 reiste der be- 
rühmte Anatom Fr. Medcel in Halle m die 
Schweiz und kam auch nadi Bern, und von ihm 
erfuhr die Behörde, dass dessen Bruder Al- 
brecht JMeckel, ausserordentlidier Profes- 
sor der Medizin zu Halle und durch seine 
Sduiften in der wissenschaftlichen Welt be- 
reits vorteilhaft bekannt, nicht abgeneigt wire, 
den ausgesduid)enen anatomischen Lehrstuhl 
an der Bemer Akademie zu Obemehmen. So- 
fort eigriff dte Kuratel die Gelegenheit, setzte 
sich mit Meckel m Veibmdung und bald flber- 
trug ihm (den 29. Oktober) die Regierung auf 
deren ^trag den vakanten Lehrstuhl auf dem 
Wege ehrenvoUer Berufung. Mit Neujahr 1822 
fibemahm der Oelehrte seine Funktionen.' 

Es folgte jetzt eine Zeit ruhiger Entwicklung 
und ruhiger ununteibrodiener Art>eit und ern- 
sten wissenschaftlichen Strebens nach allen 
Richtungen, wenn wir von der Pfliditveigessen- 
heit und Nachlässigkeit des Vertreters der spe- 
ziellen Patiiofogie und Therapie absehen, der 
im dritten Dezennium des Jahrimnderts der Be- 
hörde noch öfter zu Klagen und Ermahnungen 
Veranlassung gab, als früher und die Langmut 
derselben auf die härteste Probe stellte.^ Die 
Durchschnittszahl der Studierenden beträgt 40. 

Im Frfihjahr 1829 stari> Professor Meckel; 
zu seinem Nachfolger wählte die Regierung 
den 11. November 1829 den Prosektor Her- 
mann.^ Die Funktionen des Prosektorats wur- 
den dem Prosektor und Lehrer der Tierarznei- 
sdiule, Herrn Oerber, fibeigeben und auf 
diese Weise die beiden Stellen an der Men- 
schen- und Tieranatomie mit einander verbun- . 
den. Da dies die Kuraid in Genehmigung der | bunden.« 
Ansidiien der medizinisdien Fakultit ausführte, 1 Gegen den Willen der medizinischen Fakul- 
muss der Laie dazu schweigen. I tat wurde im FrOhjahr 1818 von der Kuratel 

^:^ 

213 



Dozenten und autserordenfliche 
Prolessoreii« 

In ihren Wahlvorschlägen vom 6. JVIai 1805 
hatte die Kuratel ffir die medizinische Fakultät 
speziell f&r pharmazeutische Chemie den Apo- 
flieker JMorell und für pharmazeutische Botanik 
H. Albrecht Haller vorgeschlagen. Die Regie- 
rung war auf keinen der beiden Vorschläge 
eingegangen. Schon im Frühjahr 1807 anerbot 
sich der Apotheker Philipp Friedr. Beck 
in Buigdorf, f&r angehende IMediziner Vorlesun- 
gen iU>er pharmazeutische Chemie zu halten; 
sein Aneibieten wurde von der Kuratel mit 
Freuden angenommen, und nun hielt Beck mit 
dem Titel eines Dozenten gegen die Entrich- 
tung von Kollegiengekiem und einer jährlichen 
Gratifikation von Fr. 100 regelrecht seine Vor- 
lesung und zwar mit grossem Erfolg. Als nadi 
Ablauf der Probezeit ein eigener Katheder f&r 
die allgemeine und speziell auf Tedinologie 
und Pharmazeutik angewandte Chemie ge- 
gründet wurde, Qbergab die Regierung Herrn 
Bede die neue Professur, nachdem er audi bei 
den angeordneten Proben als vorzQglicher Leh- 
rer sich ausgewiesen hatte. 

Als Professor extraordinarius fOr Botanik, 
speziell fOr die Studierendoi der Medizin, fun- 
gierte vom Jahr 1807 an Dr. Tribolet, Vater, 
der bis zum Jahr 1811 je im Sommersemester 
seine botanisdien Voriesungen hielt; von da 
an wurde er von der Kuratel beauftragt, die me- 
diana forensis, die der verstorbene Professor 
Hochstetter gelesen hatte, zu vertreten; zum 
letztenmal geschah dies im Winter 1813/14. Als 
Gratifikation für diese Vorlesungen riditete ihm 
die Kuratel je 100 Franken aus. 

Von 181^-1821 setzte Dr. Tribolet, Sohn, 
mit dem Titel eines Dozenten den Unterricht in 
der mediana forensis fort; von jetzt ab war die- 
selbe mit dem Katheder der Anatomie ver- 



<f( 



Oit Akuicflrit kl dar MftÜiikMi^ vad H f ttoMmti ftt i i ff rtt r 



51 



dem Dr. med Bnnmer die venia legendi Aber 
die offizmelle Pflaiizeiikiiiide erteilt, aber unter 
der Bedingung,^ dass nur diejenigen Studieren- 
den bei ihm hören dürften, die durch ein At- 
testat bekunden könnten, dass sie das ihnen 
vorgeschriebene botanische Kolleg bei Profes- 
sor Meissner besuchten ! Seit dem Jahr 1816 ge- 
hörte Meissner der medizinischen Fakultät an ; 
er war auf seinen Wunsch von der philologi- 
schen Fakultät dorthin versetzt worden, «da er 
sich in jener als gändich untätig und nutzlos 
ansah und die meisten seiner Zuhörer unter 
den Studiosis med. sich befanden».^ Nun, in 
der neuen Fakultät fand er also gefällige Kol- 
legen! Ob Brunner dennodi von seiner venia 
Gebrauch madite, erfahren wir aus den Ma- 
nualen der Kuratel nicht 

Der erste Dozent, welcher als Professor ex- 
traordinarius von der Regierung ein regel- 
rechtes Honorar erhielt und nicht bloss Orati- 
fikationen aus der Kasse der Kuratel, war der 
Dr. David Rudolf Isenschmid, Mitglied 
des SanitätskoUcgiums. Er hatte im Sommer 
1818 die venia docendi erhalten und verschie- 
dene Jahre hindurch die Instrumenten- und 
Bandagenlehre behandelt, namentlich aber im 
Sommer 1825 durch die Abhaltung eines chi- 
rurgischen Klinikums mit praktischen Uebun- 
gen die Behörde sehr verbunden, indem er da- 
durch eine un Studienplan schon längere Zeit 
gefühlte Lücke auszufQUen begonnen hatte., Von 
der Kuratel in einem veibindlichen Schreiben 
auffordert, den klinischen Kurs fortzusetzen,^ 
anerbot er sich, ausser demselben audi noch 
tbtr die medidna forensis und die Augenkrank- 
heiten zu lesen, wenn man es ihm ermögliche, 
zu der Akademie in ein engeres Veriiältnis zn 
treten. DarGber befragt, sprach die medizini- 
sche Fakultät den Wunsdi aus, die Kuratd 
möge Herrn Isenschmid ein fixes Pensum an- 
weisen, nämlich das chiruigische Klinikum und 
die Verbandlehre (alles andere sei «sehr über- 
llfissig»)^ mit angemessener Besoldung und 
den fibhcfaea Koll^engeMem (Fn 12) und 



deea Titel eines Pkofesaoris exliMMdinaffiL Die 
Kuratd beantragte bei dem Kkinen Rat das 
bescheidene Honorar von Fr. 200, worauf Dr. 
Isensdimid den 10. März 1826 von der Regie- 
rung zum Professor extraordinarius der Chi- 
rurgie mit der anbegehrten Besoldung erwählt 
vntrde;^ Sitz und Stimme in der Fakultät wur- 
den ihm nicht gewährt 

Sdion ein Jahr vorher war der Titd eines 
Professoris extraordinarii an den ersten Ldi- 
rer der JMafliematik am Gymnasium, den schon 
damals hochverdienten und von der Kuratel in 
seiner Bedeutung für die Wissensdurft vdl- 
kommen gewürdigten jungen Gelehrten Bern* 
hard Studer verlidien worden. 

Nach dem Tode Meissners beantragte näm- 
Ucfa die Kundd in ihrer Mehihett^ dem Klei» 
nen Rat, vom Lehrstuhl der Natutgesdiidite 
den bis anhin damit verimüpften Unteiricbt am 
Gymnasium^ zu trennen und ihn mit der Mine- 
ralogie und Geognosie, die ja an der Aka- 
demie einzig im Kurs der allgememen Natur- 
gesducfate voigetragen worden waren, dem 
«bereits an der Litterarschule angestellten aus* 
gezeichneten Lehrer Bernhard Studer» anzuver- 
trauen, damit auf diese Weise in Zukunft die 
beiden so widitigen Zweige der Naturwissen- 
schaft die Mineralogie und die Geognosie, ein 
eigenes akademisches Pensum bildeten und 
nidit mdur, wie bis anhin, nur oberflächlidi 
behandelt virflrden, der Nachfolger Meissners 
also auf den Vortrag der Zoologie und Botanik 
sich beschränken und diese Zweige um so aus- 
ffihriidier behandehi könnte. Zugleich wünschte 
die Kuratel, dass dem Lehrer der Mineralogie 
und Oeognosie der Titel eines Professoris ex- 
traoidinarii veriiehen werde. 

Die Minderheit der Kuratel, geleitet von et- 
was engheizigen Motiven, beantragte, es beim 
Alten bleiben zu lassen,^ aber der Kleine Rat 
erhob den Antrag der Mehrheit den IOl März 
1825 zum BescUuss^ und fügte dem Titel noch 
Sitz und Stimme in der phik>8ophi8chen Fakui- 
tät^o hinzu, wolü um die bescheidene OebaUs- 




m 



Die Akadcmfe in der Medlatioiit- und ResttOFatioiiszeit 



» 



fidage von Fr. 400 dem also Oeehrten einiger- 
nassen zu versQssen. 

Vom Winter 1808 an wurde audi die eng« 
Itsehe Sprache und Litteratur an der 
Akademie gepflegt, nadidem die Kuratel den 
Sachsen Herrn Naumburger zum Dozenten 
der englischen Sprache mit einem Jahresgehalt 
von Fr. 300 1 (aus der akademischen Kasse) er- 
nannt hatte. Volle 10 Jahre lang wirkte Naum* 
buiger mit grossem Erfolg und zur vollsten 
Zufriedenheit seiner Obem^ die ihm für seine 
Opferfreudigkeit zu wiederholten Malen Zei- 
chen ihrer besondem Huld zukommen Hessen. 
Vom Jahr 1818 an lag freilich dieser Unterricht 
wieder brach, da er im Programm der Aka- 
demie nicht stand und kein glucklicher Zufall 
mehr, wie dies anno 1808 geschehen war, einen 
Kenner und Lehrer des Englischen nach Bern 
führte. 

Auch in der theologischen Fakultät fungierte 
und zwar vom Winter 1819 an ein Dozent, Herr 
Schaffter,^ der französisdie Pfarrer von 
Bern, welcher von der Kuratel den Auftrag er- 
halten hatte, den Studenten aus dem Leberbei^^ 
in zwei wöchentlichen Stunden Homiletik zu 
lesen und in einer dritten Stunde üebungen 
im Predigen und Katechisieren mit denselben 
zu veranstalten. 

Die sogenannten SnbsldUranstalten« 

Das Alumnat aaf IQoster und Schul 

Während der Revolution waren, wie wir ge- 
sehen, die Alumnen auf ihre eigene Oekonomie 
angewiesen, wozu ihnen die Verwaltungskam- 
mer vierteljährlich Kronen 150 für das Kkster 
und 180 für die Schule angewiesen hatte. Zit 
Beginn der neuen Ordnung petitionterten die 
Alumnen^ um die Fortsetzung dieser Zuschüsse 
und um Krcmen 180 auch für das lOoster, da in 
diesem 20 Köpfe, auf der Schule aber nur 16 
seien. Der Kleine Rat willfahrte ihrer EKtte und 
so wurde Omen bis zum Frühjahr 1806 durdi 
des riueuiiat viertel jährlicb die Sumne von 




360 Kiüoen = Fr. 3600 jährildi zu gleichen 
Teilen ausgerichtet 

Mit der Annahme des neuen Reglementes 
über die Veigabung und den Oenuss der Alum« 
nate und Musshafen-Benefizien vom 31. März 
1806 wurde die vom Finanzrat zu leistende 
Summe auf Fr. 4000 erhöht, was um so nötiger 
war, da die Einnahmen des Musshafens um 
mehr als Fr. 2000 vermindert worden waren, 
indem die Beiträge an Naturalien, weldie die 
Aemter Köniz und Fraubrunnen bis anhin ge« 
liefert hatten, nun dem Staate anheimfielen. 

Das neue Alumnen-Reglement bradi in 
Bezug auf das Kloster vollständig mit der 
alten Orcbiung und brachte den KoUegianem, 
die nun alle Candidati sanctissimi ministerii 
sein mussfeen, die längst ersehnte und ihrem 
vorgerüdcten AHer zukommende Freiheit; sie 
durften nun in der Stadt in «ehrbaren Häu- 
sern » wohnen, wenn sie auch immer noch unter 
der Aufsicht des «Herrn im Kloster» standen» 
der den Hausakkord eines jeden von ihnen be- 
stätigen und vierteljährlich wenigstens einmal 
ihre Wohnung besichtigen und beim Haus- 
herrn nach ihrem Betragen sidi erkundigen 
musste. Welch ein Jubel wird es gewesen sein, 
ab sie ihre engen Stüblinen verliessen und 
aus dem IQoster auszogen, um nun als Men- 
schen unter Menschen zu wohnen 1 Jeder erhielt 
jährlich 200 Franken in Geld und zwar 100 
von dem obrigkeitlichen Beischuss und 100 als 
Musshafenbenefizium.^ Diese Summe erhielten 
sie auch voll ausbezahlt; wenn sie auf dem 
Lande als Vikare oder Hauslehrer dienten ; für 
die leiblichen Bedürfnisse der jungen Herren 
Geistlichen war also in lobenswerter Weise 
gesorgt, darben musste keiner. Sie waren ver- 
pflichtet, eine Pfründe, für die sich keine Aspi- 
ranten gemeklet hatten, zwei Jahre lang zu 
bedienen ; während dieser Zeit waren sie in 
ihrem Benefizium eingesteUt; konnten aber zu 
demsdben zurückkehren, wenn sie innerhalb 
der zwei Jahre keine andere Versoigung gefmiF 



«l 



Die Afauleiiiie in der Medlttiont- und R 



Die Alumnen auf der Sdiul oder die Pida- 
gogianer, wie sie immer nodi hiessen, waren 
Studiosi theologiae; sie mussten auch fürderhin 
auf der Schule wohnen, durften sich nun aber 
selbst beköstigen. Bei einem Speisewirt, mit 
dem voriier unter Genehmigung des Pri^x>- 
situs auf der Schul, der Zahl der Anwesen- 
den nadi, ein Akkord gesdilossen worden war, 
holte der Famulus das Essen ; an ihre Auslagen 
erhielten sie von den erwähnten obrigkeitlicben 
Beisdiussen ein jeder in bar Fr. 100 und als 
Musshafenbenefizium 10 Mfltt Dinkel, die ihnen 
nach dem «Oetreidansdilag» der Regierung 
zu Gunsten ihrer Beamten vergütet wurden. 
Der Famulus, dieses interessante und hoch- 
wichtige Subjektum auf der Schule, wurde jetzt 
nidit mehr von den Padagogianem, sondern 
vom Prapositus bestellt und entlassen, aber von 
den Padagogianem bezahlt lieber dessen Fleiss 
und sittliche AuffiMirung hatte der Prapositus 
strenge zu wadien und ihm insbesondere zu 
verdeuten, wie dass ihm für allfällig an lieder- 
lidie Studenten vollgestrecktes Geld kein Redit 
werde gehalten werden. Da ihn die Pädago* 
gianer bezahlten, so wachten sie auch angsüicfa 
darüber, dass er weder von einem Lehrer, noch 
von der Behörde für irgend einen Dienst in 
Anspruch genommen wurde. 

Um 10 Uhr wurde das Haus geschk>ssen; 
ausser dem Prapositus durfte niemand im Be- 
sitz eines Hausschlüssels sein. Dass aber die 
jungen Theologen alle immer um 10 Uhr schon 
im Hause des « Herrn » waren, wird wohl nie- 
mand annehmen, wenn auch Veriiandlungen 
der Kuratel gegen Padagogianer, die «ausser 
dem Haus übemacht blieben», selten vor- 
kamen.^ 

Noch immer bestand das Censoramt auf der 
Schul. Aus der Zahl der altera Padagogianer 
wurde auf den Vorschlag des Prapositus der 
Censor von der Geologischen Fakultät ge- 
wählt und vor dieser in feierlidier Versamm- 
lung durch einen Eid verpfliditet, auf die Be- 







folgung der Gesetze und Ordnung des Hauses 
ein wachsames Auge zu haben und den Pra- 
positus von allen Unordnungen und Gesetz 
Widrigkeiten sofort zu benadviditigen. Ganz 
besonders hatte er auf die zu spät nach Hause 
kommenden oder ausbleibenden, auf die Lärm- 
macher, Zänker, Spieler und ökonomisdi lieder- 
lidien Benefiziarien acht zu geben, dieselben 
erst freundlich zu vermahnen und wenn er 
nicht gehört vnude, seine Klägden dem Pra- 
positus vorzubringen oder ihn heibeizurufen, 
damit durdi desselben grössere Autorität die 
Ordnung vmder hergestellt werde. 

Wurde ein Padagogianer zum Heiligen Mi- 
nisterium befördert und der Platz eines Kolle- 
gianers erledigt, so musste er diesen einneh- 
men oder auf sein Benefizium auf der Schul 
verzichten. Alle Padagogianer waren verpflich- 
tet, bei Krankheiten der Lehrer zu vikarisieren 
und auch in der Hauptstadt sich zum Dienst 
der iOrche an den Kommunionstagen gebrau- 
chen zu lassen. Die Alumnate wurden von der 
Kuratel auf den Vorschlag der theologischen 
Fakultät vergeben; Kontrolle und Aussduei- 
bung besor^gte, wie über die Musshafenbenefi- 
zien, der Professor gynmasii. 

Unsere Leser wissen, dass von den 36 Stel- 
len auf Sdiul und Kk>ster zwölf den Burgera 
der Städte Thun, Zofingen und Brugg aus- 
sdiliesslich angehörten, so dass sie gleich nadi 
ihrer Promotion in die Akademie dieselben an* 
sprachen und die andera Studiosi erst dazu ge- 
langen konnten, wenn keine Subjekte von den 
drei Städten sich dafür meldeten. Während der 
Revolution wurden die bevorrediteten Städte 
vom Erziehungsrat und der Gemeindekammer 
Bera aufgefordert, ihre Ansprüche auf diese 
Benefizien zu dokumentieren, und eingeladen, 
etwas zu deren ferneren Beibehaltung beizu- 
tragen, allein keine von ihnen kormte eine da- 
herige Urkunde aufweisen und keine woUie 
einen Beisdiuss besddiesserL Deshalb bean- 
tragte das Kirdien- und Schuklepartement den 




fü 



Die Akademie in der Medlttiont- und RestftumtioiitzeU. 



^ 



25. Februar 1804 dem iaeinen Rat,^ er wolle 
verordnen, dass bei Veriedigung einer Stelle je 
der iüeste Student auf dem Katalogus dieselbe 
eibalte» ob er ein Aai]gauer oder Bemer seL 

Der Klettte Rat schob die Entscheidung in 
dieser Sache hinaus und desavouierte den Un- 
tern Schulrat» der in einem konkreten Falle 
eigenmächtig nach dem Antrag des Kirchen* 
departements gehandelt haite.^ Schliesslich wies 
die Regierung diese Frage an die Kuratel der 
Akademie^ und diese stellte ihr den 14. Juni 
1805 den Antrag, die Vorredite der beiden Mu- 
nizipien Zofingen und Brugg gämdich aufzu- 
lid>en und nur Hiun die vier Stipendien zukom* 
men zu lassen. Diesen ihren Antrag begrün- 
dete die Kuratel in längerer und rechtlich inter* 
essanter Auaemandersetzungi indem sie aus 
der Schulordnung vom Jahr 1548 den Satz ab> 
leitetei «dass statt der Ansprachen der gedach- 
ten Städte auf Bern, Bern vielmehr ein sehr aus- 
gedehntes Stipendiaten-Recht auf diese Städte 
hatte, von welchem dann der Oenuss auf Schul 
und IQoster ein von Bern aus freiwillig hinzu- 
geffigtes Benefidum war». 

Den 1. JuU 1805« nahm der Kleine Rat den 
Antrag der Kuratel an und beschloss, «es bei 
der bisherigen Uebung bewenden zu lassen» 
was die Alumnen-Stipendia der Stadt Hiun be- 
trift». 

Trotzsdem mit der Einrichtung der Akademie 
die Alumnen aus dem Kk>ster auszogen, blieb 
ihr Präpositus im Kloster wohnen; den Pro- 
fessoren der Theok)gie sollten audi in Zukunft 
die ihnen von Alters her zukommenden Woh- 
nungen veibleiben. Das war der Wunsch des 
Kirdiendepartements und der Kuratel gewesen 
und diesen Wunsch hatte der Kleine Rat den 
2. Deaember 1806 zum Beschhiss erhoben,^ 
nach wekhem den Professoren der Theologie 
die beiden Wohnungen auf Schul und Kk>ster 
ausschliesslich fiberlassen vnuden (für je sechs 
Jahre, wie vor Alters), der dritte Professor der 
Tlieokgie aber hi seinem Rang mit den fünf 
Predigeni am Mfinster (der sechste, der Dekan, 



hatte sefaie besondere Wohnung), denen zu- 
sammen sechs Wohnungen^ <tt>tflassen wur- 
den, wechselte. 

Wie Professor Rudolf Sdiärer 1818 sehie 
Professur aufgab und nach Bfimpüz »>g, be- 
sddoss der Kieme Rat^ nach dem Antrag der 
Kuratel, die Wohnung des Präpositus im Klo- 
ster für Auditorien zu benutzen. Schärers Nach- 
folger, Professor Johann Friedrich Stapfer, seit 
1805 Pfarrer in Diesbadi, musste sidi selber 
nach einer Wohnung umsehen, was ihm sehr 
schwer ankam. 

So war denn im Jahr 1818 das Kloster zum 
alleinigen Sitz der Wissensdutft geworden und 
die Theologie hatte in ihm kein Vorrecht mehr 
vor den übrigen Fakultäten. 

In der Wohnung des Präpositus wurde 
zunächst das chemische Laboratorium einge- 
richtet; weitere Aenderungen versdxA man, 
da sich die Kuratel mit dem Plan trug, im 
Kloster em grosseres Pensionat einzurichten« 
Wie dieser Plan aber ins Wasser gefallen war, 
baute man ün Jahre 1822 die noch verfügbaren 
Räume der Wohnung des «Herrn» um zu 
einem dritten medizinischen Hörsaal und ver- 
legte ebendahin das medizinische Auditorium 
beim Zeichnungssaal, um diesen künftig für ein 
zweites Zeichnungszimmer zu benutzen. 

Der Musshi^OL 

Die Musshafenstiftung mit ihren jähr- 
lichen Einkünften verblieb auch nach der Re- 
volutton unter der Verwaltung des Stadtrates 
mit der Verpflkhtung, jene Einkünfte wie bis 
anhin teib auf die Unteihaltung studierender 
Jüngiinge in Schul und Kloster, teils zur Unter- 
stützung derselben in den obem Klassen der 
Utterarschule jährlich und so zu verwenden,^ 
dass unter den JüngUngen der Stadt und den- 
jenigen aus dem übrigen Kanton kein Unter- 
schied gemacht, audi jedes besondere Recht 
anderer Städte vorbehalten^ und der Kantons- 
regierung über die aUjährlidie Verwendung 
Rechenschaft gegeben werde. 



Hl 



Die Akadetnie in der Medittiont- imd Restenimtiotitsdi 



m 



Die neue Musshafenoidnung, welche mit 
dem Reglement fiber die beiden Alumnate (vom 
31. März 1806) auf den 1. AprU 1806 in Kraft 
trat, setzte das Musshafenbenefizium auf L 100 
in Oeld fest, ohne eine bestimmte Zahl von 
Benefizien anzuordnen. Vorlaufig liess sie es 
20 Studierenden zukommen, aber mit der aus- 
drflcklidien Bestimmung, dass der jährliche 
Uebersdiuss der Musshafenkassa zur Vermeh- 
rung der Zahl der Benefizien verwendet werde. 
Anspruch auf das Musshafenbenefizium hatten 
alle Bufgerssöhne und Landeskinder, die in 
der Akademie, dem Gymnasium und der ober- 
sten Klassenschule^ studierten. 

Bei der Wahl der Benefiziarien wurde vor- 
z&gUdi auf die Wihdigkeit und Dürftigkeit ge- 
sehen. Die Veigebung geschah durch die Ku- 
ratel auf den Voisdilag der Lehrer, unter denen 
der Aspirant stand. Die Kontrolle führte der 
Professor gymnasii, d.h. der Rektor der Un- 
tern Schulen; er schrieb die veriedigten Bene- 
fizien aus und bei ihm meldeten sich die Aspi- 
ranten, ebenso teilte er vierteljährlich das Oekl 
aus. 

AOjihrlich im Dezember wurde die Muss- 
hafenmusterung gehalten, an welcher der 
Kuratel über alle Öenefiziarien von deren Leh- 
rern Zeugnis abgelegt wurde ; hernach wurden 
die Stipendiaten vor die Versammlung gerufen 
und von dem Kanzler belobt oder vermahnt, 
Unwfirdigen das Benefizium eingestellt oder 
entzogen. 

Nach den Berechnungen, welche die Kuratel 
anstellte, eingab sich, dass der Musshafenfonds 
bei 26 Benefizien einen jähriichen Ueberschuss 
von wenigstens Fr. 2000 haben werde.* Des- 
halb beantragte die Kuratel dem Stadtrat, die 
Zahl der Benefizien auf 34 zu erhöhen (abge- 
sehen von den 36 Zuschüssen an die Alumnen 
auf Schul und Kloster), was also eine Mehr- 
ausgabe von Fr. 800 verursacht hätte, und 
aus dem nach dieser Vermehrung sich erzeigen- 
den Ueberschuss eine Reisestipendienkasse ein- 
zurichtra, aus welcher ausgezeichneten jungen 



Tlieok)gen zu ihrer weitem Ausbildung auf den 
besten ausländisdien Univeisitaten während 
zwei oder drei Jahren eine jährliche Unterstütz- 
ung von ziika 50 Louisd'or gegeben weiden 
sollte. Auf diese Weise hoffte die Kuratel dem 
bemisdien JMinisterium wiedo* tüchtige und 
gründlidi gelehrte {Mitglieder zuführen zu kön- 
ncn. 

Den 21. Dezember 1807^ beschk)ss der 
Stadtrat, die Anträge der Kuratel zu genehmi- 
gen ; im Mai 1808 publizierte diese ein t)eson- 
deres Reglement über die Reisestipendien. 

Als im Jahr 1811 die definitive Organisation 
der Akademie vorbereitet wurde, bildete die 
Verwendung der Erträge des Musshafenfundus 
den Gegenstand vieler Vertiandlungen zwisdien 
der Kuratel und dem Stadtrat; die Kuratel be- 
klagte sich sehr über die Art und Weise,^ wie 
dieselben durch den IMangel an allem Entge- 
genkommen von Seiten des Stadtrates ersdiwert 
wurden; erst im September 1812 kam es zu 
einem befriedigenden Ausgleich. Nach dem- 
selben übernahm die Stadt die Bestreitung 
sämtlicher Musshäfen und Alumnate 
aus dem Musshafenfonds, wogegen die 
4000 Franken, weldie die Stadt bis anhin an 
die Alumnen abgab, in die Kasse fiir die Leib- 
gedinge der Lduer gelegt virurden. 

Das pkysikaäsdie IQxbinett 

Die physikalischen Instrumente, die unter 
Blauner und Tralles angekauft worden waren, 
befanden sich zerstreut in den verschiedenen 
Sälen der Stadtt>ibliothek und waren durch die 
Dotationsakte der Stadt zugesprochen worden. 
Den 4. März 1805 « beschk>ss der Stadtrat, die- 
selben zum Qebrauch der Akademie der Ku- 
ratel sub inventario zu überlassen ; sie wurden 
der Akademie übergeben und in emem beson- 
dem Kabinett der grossen Bibliofliek zusam- 
mengestellt, später kamen sie ins Kloster. Für 
die Reparatur verschiedener alter und die An- 
schafhuig neuer Instrumente vnuden bis zum 




218 



« 



Die Akademie in der Mediationt- und Resteuimtlonszeii 



^ 



Ablauf der Probezeit nur Fr. 1200 ausgeworfen 
und auch in den folgenden Jahren wurde zur 
Aeufnung der Sammlung nichts Nennenswertes 
geleistet; auch war der Vertreter der Physik, 
Professor Tredisel, gar bescheiden in seinen 
Wünschen für das physikalische Kabinett, viel- 
leicht weil er den Kredit der Akademie f&r astro- 
nomische und Vermessungsinstrumente stark 
in Anspruch nahm. Es mutet uns heutzutage 
gar merkwürdig an, wemi wir lesen,^ wie der 
Professor der Experimentalphysik (im Jahr 
1818) in einem Schreiben die Kuratel darauf 
aufmeiksam machte, dass der berühmte Mecha- 
niker Sdienk nach Paris reise und willens sei, 
in dorten die physikalischen Instrumente, die 
etwa die bemische Regierung für das Kabinett 
zu kaufen wünschte, zu prüfen und zu ver- 
packen, und damit die Bitte verbindet, die Ku- 
ratel wolle in Benutzung dieser ausgezeich- 
neten und wohl nie mehr sich darbietenden Oe- 
k^nheit Fr. 400 auszuwerfen geruhen. 

Schliesslich musste die Kuratel dem Kleinen 
Rat (November 1827) das beschämende Oe- 
standnis machen,' dass das physikalische Ka- 
binett, das zu Anfang des Jahrhunderts für eines 
der ersten in der Schweiz angesehen worden, 
bereits im letzten Range stehe und seit dem 
Wegzug von Tralles trotz der vielfältigen Ent- 
deckungen auf dem Gebiet der Physik keinen 
namhaften Zuwachs erhalten habe, ja bereits 
sogar demjenigen von Freibuig nachstehe. Nach 
dem Antrag von Professor Trechsel wurden 
nun für acht Apparate Fr. 1200 verausgabt, m 
die sich der Kleine Rat und die Kuratel teilten. 
Die folgenden Jahre freUidi fielen nach diesem 
gewaltigen «Lupf» wieder mager aus. 

Die Sternwarte. 

Schon anno 1812 war auf die Initiative 
zweier französischer Astronomen auf der gros- 
sen Schanze mit fremdem Geld eine notdürf- 
tige Bretterhütte errichtet worden, welche so- 
wohl als Observatorium, als auch spatertiin zu 



einem Hauptsignal der trigonometrischen Ver- 
messung des Kantons diente. Hier stellte Pro- 
fessor Trechsel seine astronomischen und me- 
teorok>gischen Beobachtungen an und erteUte 
von Zeit zu Zeit seinen Schülern astronomi- 
schen Unterricht Aber nach wenigen Jahren 
schon war die Hütte so morsch geworden, dass 
sie einzustürzen drohte und die kostbaren, der 
Akademie gehörenden Instrumente, die darin 
aufbewahrt waren, die grösste Gefahr liefen. 
Da gab im Sommer 1820 Professor Trechsel 
der Kuratel den Plan für den Neubau eines 
Observatoriums ein,^ emes ganz bescheide- 
nen Baues aus Riegwerk, dessen Kosten auf 
Fr. 1462 devisiert waren. Die Kuratel empfahl 
dem Kleinen Rat den Plan zur Annahme und 
dieser votierte in einer Anwandlung von Gross- 
mut sogar Fr. 1600 für den anb^ehrten Neu- 
bau ; freilich kostete er schliesslich Fr. 6500, na- 
mentlich wegen der Anschaffung zweier gros- 
ser Säulen von Solothumerstein zur Befesti- 
gung des JMittagsfemroluB und sechs steinernen 
Konsolen mit Marmortafeln für die Aufstellung 
von Instrumenten. 

Das Observatorium wurde genau auf der 
Stelle des alten «Beobachtungskabinetts» ge- 
baut: um die im Jahr 1812 und nachher ge- 
machten vielen und zum Teil sehr genauen Be- 
stimmungen der geographischen Lage und be- 
sonders die mit grosser Sorgfalt festgelegte 
Mittagslinie sofort auf das neue Observato- 
rium übertragen zu können, ward das Zentrum 
des frühem Kabinetts, über welchem 1812 die 
AzimuÜibeobachtungen gemacht worden wa- 
ren, sehr sorgfältig beibehalten.* Ueber dieses 
Zentrum stellte man das Mittagsfemrohr. Das 
kleine Gebäude hatte die Form eines regel- 
mässigen Achtecks von 63 Fuss äusserm Um- 
fang und war genau nadi den Himmelsgegen- 
den gestellt Auf den Seiten Süd-Ost, Süd-West, 
Nord-Ost und Nort-West waren hohe, auf Rol- 
len bewegliche Schiebfenster, vor welchen im 
Saale, der 10 Fuss hoch war, steinerne Kon- 
solen zum festen Aufstellen der Instrumente 




« 



Dk Alndtiidt in d«r Mediatioitt* tmd IMMnlioiisieli 



m 



standen; zwei standen zu beiden Seiten des 
MeridiandiirdischnitteSy welcher mitten durch 
das Gebäude ging. Der Saal endigte in eine 
Kuppel Mitten im Saal stand, wie bereits ge- 
sagt» das Mittagsfemrohry unter ihm war der 
grosse Ramsdensdie AzimuthaUcreis aufgestellt, 
der einzige seiner Art auf dem Festland. Er 
war 1797 aus London angelangt, von wo er 
zu grossen Messungen in der Schweiz unter 
den Auspizien und zum Teil auf Kosten der 
okonomisdien Gesellschaft von Professor Tral- 
les verschrieben worden war. 

Auf einem steinernen FussgesteU stand drit- 
tens die Pendeluhr so, dass sie der Beobachter 
am Mittagsfemrohr rechts im Auge hatte und 
ihre Sekundenschläge deuffich hörte. Sie war 
von VuUiamy in London verfertigt worden, mit 
Oiahamschem Haken und Kompensation aus 
Zmk und Stahl 

Das vierte Instrument war ein grosser^orda« 
kreis, nach Reidienbachscfaer Bauart von dem 
Bemer Schenk gearbeitet Als fünftes Instru* 
ment stand da ein Reichenbachsches Repeti- 
tionstheodolith, im Jahr 1811 zum Behuf der 
Vermessung des Kantons von MQndien ver- 
sduieben, seiflier von Schenk mit einem multi- 
plizierend» Höhenkreis und einer bequemem 
Berichtigung der Axenbge versehen. 

Endlich barg der Saal des Observatoriums 
ein f^emrohr von Dollond und ein kleineres 
englisches Aequatorialinstrument älterer Kon- 
struktion, aber von Sdienk ebenfalls zu einem 
fast ganz neuen Instrument umgeschaffen. 

Der botanische Oartau 

Mit BewiU^fung des Stadtrates vnirde der 
zwisdien den Schulgebäuden und der Biblio- 
fliek befindliche ehemalige Totenacker im Jahr 
1804 der OeseOsduift der vaterländischen Natur- 
freunde zu Einriditung eines botanischen Qar- 
tens fiberiassen und die Regierung verwen- 
dete auf Zurilstung desselben durch Züchflinge 
6— 7D0 Franken.^ Bei Einrichtung der Akade- 



mie suchte die Kuratel sich mit der natnrfcfw 
sehenden Gesellschaft wegen Benutzung des 
Oartens für die Akademie zu verständigen, in- 
dem der Platz für eine soldie Anstalt ilu* sehr 
geeignet schien; die Veriumdlungen zersdihi- 
gen sidL 

Anfang 1811 madite die paturforscfaende Ge- 
sellschaft; weldier die Unterhaltung des Gar- 
tens zu beschweriich wurde, der Kuratel das 
Aneibieten, ihr gegen Refundation der Aus- 
kigen denselben zu fiberlassen, was natärtidi 
nur mit der Bewilligung des Stadtrates ge- 
schehen konnte. Aber in demselben Augen- 
blick, da die Gesellschaft ihre Rechte der Ku- 
ratel abtreten wollte, zuckte der Stadtrat die 
jener erteilten Redite und die Kuratel musste 
von ihrem Wunsch abstehen, in nächster Nähe 
der Akademie emen botanisdien Garten zu be- 
sitzen.' 

Das folgende Jahr sollte ein solcher auf der 
neu angelegten Promenade beim obem Tor 
eingerichtet werden, aber wegen Schviderig- 
keiten, die der Stadtrat madite, musste auch 
dieser Plan aufgegeben werden.^ 

Inzwischen war der botanische Garten auf 
dem Totenadcer unter die Direktion der Biblk>- 
thekkommission gekommen, in welcher audi 
der Pfarrer und nunmehrige Kurator Wy tten- 
bach sass. Seiner Initiative ist es zu verdan- 
ken, dass mit Genehmigung des Stadtrates 
1814 ein Vertrag zu stände kam, nadi welchem 
dem Professor der Botanik die Benutzung des 
Gartens erlaubt vnirde.^ Die Kuratel hatte an 
die Unteriialtungskosten jähriidi L 200 beizu- 
tragen; der Stadtrat gab L 300, zudem steuer- 
ten auch noch Privatpersonen ihr Scherflein. 

Wegen allzu grosser Inanspntdmahme der 
akademischen Kasse konnte die Kuratel vom 
Jahr 1823 an nur noch L 160 beitragen,^ doch 
kam im Juli 1827 zwisdien der Kuratel und der 
Bibliotbekkommission ein neues Vericommnis 
zu Stande, nach welchem die Kuratel sich ver- 
pfliditete, wieder wie früher L 200 an die Un- 



^ 



Dh Akadande (a dar Medfadfont- tmd Reitenimdoiiszeil 



» 



tefhiftmigf des botuuschen Ouiens btiztrtn« 

Das Manadsdie MinenUienkabindt 

Das Maouelsdie Mineralienkabinett war Ei- 
gentum der Oekonomischen Gesellschaft und 
in der Dotationsakte war ausdrücklich gesagt 
worden, dass die Kantonsregierung nicht die 
geringste Ansprache darauf zu machen habe« 
Da die Kuratel auch diese Sammhmg fOr die 
Akademie nutzbar machen wollte, beschloss sie 
den Ankauf derselben und trat mit der Gesell- 
schaft zu diesem Zweck in Unterhandlungen 
ein.' Dieselben gelangten bald zu einem be- 
friedigenden Abschluss : um den Kaufpreis von 
L 1500, die vom Kiemen Rat ausbezahlt wrur- 
den, trat die Oekonomische Gesellschaft das 
Mmeralienkabinett der Kuratel ab (September 
1807). Zur Aufteilung desselben wurde das 
tauglichsie Zimmer der ehemaligen Alumnen- 
wohnungen im Kloster hergeriditet, von wo 
aber das Kabinett noch verschiedene Wande- 
rungen zu machen hatte. Aus den Manualen 
der Kuratel kann ersehen werden,' dass ihm 
von Seiten der Dozenten nicht die v^finschens- 
werte Aufmeiksamkeit geschenkt wurde und 
dass es infolgedessen in ziemliche Unordnung 
geriet, bis endlich im Jahr 1823 von dra Pro- 
fessoren Meissner und Bnmner ein systemati- 
scher Katatog angelegt wurde. 

Das Anatomügeöäade. 

Das Theatrum anaiomiaun war zur Zeit des 
medizinischen Instituts im grossen Spital ge- 
wesen und blieb daselbst bis zum 1. April 1806. 
Schon <len voriieigehenden Winter hatte die 
Spitaldirektion kund gegeben, dass die Zim- 
mer, in der die Sektionen bis jetzt stattgefunden 
hatten, zu einem andern Zwecke verwendet 
werden mfissten und die Anatomie unmöglicfa 
in ihrem Gebäude verbleiben könnte. Sofort 
sah sich die Kuratel nach einem andern Udcale 
um und fand den schicklichsten Platz in dem 
alten Garten des Madchoiwaisenhauses, der 




an efaier entlegtnen Stelle der Stadt, fern von 
allem Veikehr gelegen war; am nordwesflidien 
Ende desselben war das alte Gartenhaus in 
Stehi gebaut,^ wekdies zum Umbau in eine 
Anatomie besdieidcnoi Umfanges vorzilglich 
geeignet schien. Der Stadtrat trat f&r die Dauer 
der Probezeit der Kuratel das steinerne Stöck- 
lein fiir einen jahriichen Mietzins von Fr. 50 
ab unter der Bedingung, dass der Eingang an 
der dem Garten abgekehrten Seite bewerk- 
stelligt und nach dem Madchenwaisenhaus hin 
alle Kommunikation abgesdmitten werde. So- 
fort wurde der Bau in Angriff genommen, da 
der Kieme Rat, mit dem Plan einverstanden, 
tatige Beihfllfe verspradi;^ wegen der uner- 
wartet grossen Anzahl der Studierenden musste 
freilidi der ursprQns^idie Plan erweitert und 
das bereits sdion aufgefiihrte Gebinde durdi 
einen Anbau erweitert werden. Die Kosten für 
den Umbau und die innere Einrichtung beliefen 
sich schliesslich auf etwas fiber 9000 Franken ; ^ 
in dem Gebäude war auch der Hörsaal filr die 
anatomisdien Voriesungen und das Kabmett 
für die anatomischen Präparate, das im Lauf 
der Z/tit zu emer ansehnlidien und sehr kost- 
baren ffammhmg sich gestaltete, weldie die 
Aufmerksamkeit aller Fremden auf sich isog. 

Die ehrenwerten Bürger der Stadt erfiillte 
es freilich mit Grauen, wenn sie der Arbeit 
gedadrien, die in diesen geheimnisvollen Räu- 
men von statten ging, und wenn sie im Vor- 
fibeigehen die Skelette erblickten, die der Herr 
Emmert im Anatomiebofe zum Bleidien hatte 
aufhängen lassen, und gross war die Aufregung 
des ganzen Publikums, als — im November 
1808 — es ruchbar viaude,^ dass der Anatomie- 
wärler, den man mit denselben Augen ansah, 
wie den Henker, dem Weissgerber Rohr an der 
Matte eine Menschenhaut zur Bearbeitung iiber- 
0eben habe. Se legte sidi erst, als die Kuratel 
dem Missetäter seinen sdiwarsen Amtsrock 
abnehmen liess und ihn aun inf amia von Haus 
und Hof for^agte, und virie das corpus 
mit allen Ehren begraben wurde. Sogar 



ü^ 



Die Akademie in der JMediatiotw- imdRestaurttioiitzeii 



51 



Totengräber maditen Schwierigkeiten, wenn sie 
die sezierten Kadaver beerdigen sollten, so 
dass sidi schliesslich die Polizei auf Ansuchen 
der Kuratel ins Mittel legen musste. 

Immer sich wiedeiholende Klagen von sel- 
ten der Waisenhausdirektion Hessen schliess- 
lich auch den Stadtrat die neue Anstalt über 
alle Beige wünschen, und in der Konvention 
vom Jahr 1812 zwischen der Regierung und 
dem Stadtmagistrat verpflichtete sidi der Kleine 
Rat,^ das Anatomiegebaude beim Magden- 
Waisenhaus auf den 1. Januar 1817 der Stadt 
wieder fibeigeben zu lassen, gegen — Restitu- 
tion der darauf verwendeten Baukosten ! Diese 
böse Klausel liess den Stadtrat in der Folgezeit 
auf seinen wiederholten Forderungen um Ver- 
legung der Anatomie, in den Jahren 1818 und 
1824, nicht bestehen; siegreich behauptete die 
Anstalt ihren Platz. 

Die EnAindungsansialt 

Ueber die Entwicklung derselben entneh- 
men wir dem Bericht im Manual der Kuratel 
vom 15. Juni 1831 folgendes: 

« Die Entt>indungsanstalt wurde laut Be- 
schluss der Kuratel vom 6. November 1818 
versuchsweise und mit dem Zwecke errichtet, 
als praktische Unterriditsanstalt ffir künftige 
Aerzte und Geburtshelfer zu dienen. Sie hatte 
damals kein bestimmtes Lokal und nur ge- 
ringe Hülfsmittel. In einem gemieteten Zim- 
mer mit wenigen Betten wurden die Wöchner- 
innen kurz vor ihrer Niedericunft aufgenom- 
men, und für jede Geburt von der Kuratel eine 
Summe von L 16. bis L 20. bezahlt, aus wel- 
cher alle Ausgaben bestritten wurden. Der gute 
Fortgang dieses Institute und dessen augen- 
scheinlidie Nützlichkeit bewogen die Kuratel, 
dasselbe so sehr als die Umstände es gestat- 
teten, zu unterstützen und zu erweitem. Dte 
Zahl der daselbst besorgten Geburten, welche 
zuerst jährlidi nur 5. betrug, wurde nach und 
nach auf 8. 12. und 20. eifaöht In Folge eines 



an den 71t: Sanitit-Rath über dte Enttlndungi»- 
Anstalt erstatteten Beridite wurde diese Be- 
hörde von der Hohen Regierung autorisir^ 
vom Jahr 1825. an zu Erweiterung der An- 
stalt eine Summe von L: 600 jahriich zu ver- 
wenden, welche verbunden mit den Beisdiüs- 
sen der Curatel, derselben eine Einnahme von 
L: 1000 sidierte und es möglich machte, der 
bisher als ambulatorisches Institut bestandenen 
Anstalt eine feste und bleibendere Oiganisation 
zu geben. Die Auffindung eines lange vergeb- 
lich gesuchten angemessenen Locals, welches 
Im Jahr 1826 von der Regierung bn Frienis- 
berger Haus zu unentgelflicher Benutzung 
eingeräumt wurde, brachte endlich die Enftin- 
Idungsanstalt auf den Punkt, auf weldiem sie 
sich jetzt befindet — Durch Ertheihmg zweck- 
massiger R^lemente und Instructionen, durdi 
die an die Landgemeinden eriassene Bekannt- 
machung des Zwecks und der Einrichtungen 
der Enttindungs-Anstalt, durch Vermehrung 
des Mobiliars und besonders der Betten, für 
weldie der Sanitäts-Ratfa im Jahr 1828. einen 
ausserordenflichen Beischuss von L: 600. be- 
stimmte, hat die Entbindungs-Anstalt die mit 
ihren gegenwärtigen Hülfs-Quellen im Vertialt- 
niss stehende grösstmögliche Ausdehnung er- 
halten und würde diese Grenzlinie zum Nach- 
tiieile der übrigen aus der Akademischen Cassa 
unterstützten Subsidiar-Anstalten überschreiten, 
wenn ein Mehreres auf dieselbe verwendet 
werden müsste.» 

« Den Unterricht der Entbindungsanstalt be- 
suchten durdischnittlidi 12 Studierende; ün 
Jahr 1830 wurden 40 verheiratete und 14 ledige 
Weibspersonen entbunden ; und für die Wöch- 
nerinnen und anderes 1486 L ausgegeben.» 

«Während den 6. Jahren wurden von den 
Landgemeinden 32. schwangere Weibsperso- 
nen in die Anstalt geschikt und für dieselben 
ein Kostgeld von L: 16. bezahlt Diese Kost- 
gekler, sowie die L: 6 betragenden halben 
Kollegiengelder der Studierenden kamen der 
Anstalt zu gut» — 




« 



Die Aktdeinie In der Mediaiions- und Reslaiumtionszeit 



^ 



«Fflr die Leitung der Entbindungs-Anstalt 
bezx^ Hr. Prof: Emmert seit 1. Juli 1825. halb- 
jährlich L: 100. u: erhielt ausserdem im Jahr 
1827. eine ausserordentliche Oratification von 
L:600.» 

Dk Tleranndsckule. 

Schon im Winter 1805/06 wurden von Dr. 
Karl Friedrich Emmert, der mit seinem altem 
Bruder Friedrich August, dem ProfessiM* der 
Anatomie und Physiologie, nach Bern gekom- 
men war, mit der Erlaubnis der Kuratel Vor- 
lesungen über die Tierarzneikunde gehalten.^ 
Von der medizinischen Fakultät in seinem Fach 
geprüft und tüchtig erfunden, wurde dann K. 
F. Emmert nach dem Vorschlag der Kuratel 
vom Kleinen Rat zum Professor der Vieh- 
arzneiwissenschaft gewählt^ mit Amts- 
antritt vom 1. März 1806 an und einem Oehalt 
von Fr. 1000; er hatte den Sitzungen der medi- 
zinischen Fakultät, in denen über Gegenstände 
seines Faches beraten wurde, beizuwohnen. 

Da die Zahl der Studierenden dank den 
trefflichen Vorlesungen Emmerts bald auf 20 
anstieg, wurde schon im Frühjahr 1808 be- 
sdüossen, ein Tierhospital für Pferde, Horn- 
vieh und Schafe einzurichten; als Lokal da- 
für wurde das sogenannte Schmelzhüsi an 
der grossen Schanze beim hintern Teil des 
Spitalgebäudes ausersehen. Rüstig ging man 
an die Arbeit und schon Mitte November 1808 
konnte die Eröffnung stattfinden; es waren 
zwei geräumige Kuh- und Pferdeställe samt 
«Bühne», eine Schmiede und eine Wohnung 
für zwei Studenten, die als Unterärzte fungie- 
ren sollten, helgestellt worden. Emmerts Ge- 
halt wurde auf Fr. 1400 erhöht; bereits im 
November 1809 wurden einigen Studiosis artis 
veterinariae Examina abgenommen^ und von 
der Kuratel Zeugnisse darüber ausgestellt; der 
Kurs dauerte in der Regel zwei Jahre. 

Nachdem Professor Emmert mit Beginn des 
Sommersemesters 1812 an Professor Schiferlis 



Stelle für Chiruigie und Oeburtshülfe getreten 
war, beschloss die Regierung, zwei tüchtige 
junge Bemer für das Fach der Tierarzneikunde 
auf fremden Universitäten heranbilden zu las- 
sen und bis zur definitiven Oiganisation der 
Anstalt keine neuen Zöglinge aufaimehmen; 
inzwischen sollte Emmert die vices des Pro- 
fessors der Tierarzneikunde übernehmen und 
die Aufsicht des Tierspitals gegen eine Re- 
muneration von L 600 weiterführen.^ Die zwei 
jungen Leute, die ad exteras geschickt wurden, 
waren der Tierarzt Mathias Anker von Ins 
und der Stud. vet Peter Schild von Brienz; 
jedem wurde ein jähriidies Stipendium von 
Fr. 800 zugesprochen, das infolge der einge- 
laufenen erfreulichen Studienrapporte im Juli 
1814 auf 1200 Franken erh^t wurde.^ Nach 
gründlichen Studien in Wien, Berlin, München, 
Prag und Ctiarenton kehrten die beiden Jünger 
der Wissenschaft im Spätjahr 1815 zurück und 
hatten nun vor der medizinischen Fakultät sich 
auszuweisen in einer anatomischen Präparation 
und Demonstration, einer physiologischen und 
pathologischen Voriesung und in der diagno- 
stischen und prognostischen Bestimmung der 
Krankheit eines vorzufitfuenden Pferdes.® Beide 
bestanden die Proben und wurden im Sommer 
1816 als Lehrer der Tierarzneikunde probe- 
weise angestellt, doch so, dass sie vorläufig 
die Weisungen Emmerts, der die Aufeicht über 
die ganze Anstalt noch beibehielt, befolgen 
sollten. Emmert selber unterrichtete nur in 
Anatomie und Physiologie der Haustiere,^ An- 
ker las über allgemeine und spezielle Patiio- 
iogie und Therapie, die Viehseuchen, das Ex- 
terieur und den Hufbeschlag; auch gab er den 
klinischen Unterricht im Tierspital. Seinem Kol- 
legen S ch il d fiel zu die Arzneimittellehre, Diä- 
tetik, die medizinische Chirurgie und Opera- 
tionslehre, die gerichfliche Tierarzneikunde und 
die Qestütkunde. 

Der Kursus wurde auf zwei Jahre festge- 
setzt mit halbjähriichen KoUegiengeldem^ von 
Fr. 6 für jeden Lehrer, Fr. 12 aber in Anato- 




Die Akadanie in der Mediation*- und 




mie, Botanik imd C3iemie. Die Studenten wur- 
den verpflichtet^ die Vorlesungen fiber Chemie^ 
und Zoologie zu hören, wie die Stu«> 

;i medidnae. 

Den 2. September 1818 ^ wurden Anker und 
SdiUd mit einer Besoldung von je Fr 800 de- 
finitiv angestellt und der Aufsicht Emmerts ent- 
hoben ; die Leitung der ganzen Anstalt wurde 
der medizinisdien Fakultät übergeben. 

Als Schild ein Jahr nachher in seine Hei- 
mat zurfidcging, um dort zu praktiiaeren, wurde 
das Lehrfach der materia medica und der Diä- 
tetik Herrn Anker flbertn^fen und die übrigen 
Lehrfächer Professor Emniert und einem von 
Idiesem anzustellenden Proflfdctor übergeben; 
Scüiilds Besoldung wurde unter Anker und Em- 
mert zu gleichen Teilen verteilt 

Schon den 7. Oktober 1813 war zwischen 
der Regierung und dem Stadtrat, dem der Tierw. 
spital in der nächsten Nähe des Buigtrspitals 
ein Dom im Auge war, eine Konventk>n ab- 
geschlossen worden, nadi weldier Platz und 
Gebäude des Tierspitals dem Stadtrat zu Hän- 
den des Burgerspitals bis zum Oktober 1819 
abgetreten werden sollten.^ Der Termin wurde 
aber nicht inne gehalten, der Tierspital war 
nodi im Sommer 1823 im « Sdunelzbüsi » ; 
nun drang aber der Stadtrat auf Verlegung 
desselben und die Lehrer wünschten sie auch, 
da die Oebäude feucht waren und die Anstalt 
unter dem Mangel an gutem Wasser sehr zu 
leiden hatte. 

Da sich bald alle Beteiligten auf die Ver- 
legang der Anstalt auf das vom Stadtrat an- 
gekaufte Qüdergut an der. Engehakk einig- 
ten, beschk>ss der IQeine Rat den 22. Juni 
1824» einen Teil des Ofiderschen Gu- 
tes aus der Domänenkasse um 15,500 
Franken anzukaufen und das Grund- 
stück mittelst Fr.Jl»000 zur Auf nah- 
me der Veterinäranstalt einzurich- 
ten. 

Sdion im Spätjahr 1825 gingen die rationell 
m Stattungen äuer Vollendung ent- 



gegen; das folgende Jifar^ wurden im alten 
Gflderhaus das Auditorium und die Wohnun- 
gen für Anker und den Piosektor eingerichtet 
ebenso das Anaiomiezimmer für die Sektnnen, 
die bis anhin in der Menschenanatomie statt- 
gefunden hatten. Auch eine Schmiede für den 
Pferdehufbesdilag wurde gebaut; hier waltete 
Meister Favre seines wichtigen Amtes» der 
schon 1818 von der Kuratel angestellt worden 
war und bis jetzt in emer Schmiede in der Stadt 
unterrichtet hatte. Die Kosten der ganzen An- 
stalt waren schliessUch auf fiber 40,000 Franken 
angestiegen. 

Eine neue Pensenverteilung vogi^ Februar 
1825 bestknmte,^ dass Professor Emmert die 
Chiruigie und Operationslehre der Haustiere 
vortragen sollte, da- Prosektor aber die Ana- 
tomie und Physiologie der Haustiere, sowie 
die gerichtiicfae Tierarzneikunde. Prof. Emmert 
wurde wiederum die Leitung der Anstalt über- 
tragen. 

In ihrem neuen Heim entwickelte sich die 
Anstalt in erfreulidier Weise und gewann bald 
das volle Zutrauen der landwirtsdiafdichen Be- 
völkerung des Kantons. Ihren Aufsdiwung und 
üue Bedeutung verdankte aber die Anstalt vor 
aOem dem segensreidien Wirken Ankers, des- 
sen Verdienste die Regierung durdi Verieihung 
des Professortitels den 29. Juni 1831 krönte. 
Siebzig Jahre nachher hat die philosophisdie 
Fakultit der Hochschule Bern seinen Neffen, 
den Maler Anker, durch Verieihung des Dok- 
tortitels honoris causa für seine unsterblichen 
Sdiöpfungen geehrt Bei dieser Gelegenheit sei 
noch erwShnt; dass Vater Samuel Anker, Tier- 
arzt in Ins (1790—1860), für eine verdienstvolle 
Arbeit über die Heilung des Ueberwurfs auf 
Veranlassung der Kuratel 1824 von den Raten 
in ganz besonderer Weise ausgezeidmet wurde. 

Die iJtadaiüsehc Zdduuuigssduile» 

Der Kander Mutadi war ein begeisterter 
Freund und Anhanger der Kmn^ selber ein 




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Die Akademie in der Medlatioiu- und Reetumtkmazdt 




Mann von feinem Kunstveistindnis; $o war 
ca eine aeiner ersten Bestrebungen, der Aka- 
demie die Pforten der Kunst zu eröffnen und 
die aeiner Hut anvertraute Anstalt mit einer 
höhern Zeichnungsschule zu verbinden, 
und fOr dieses sein Ideal vioisste er audi die 
übrigen Mitglieder der Kuratel zu gevirinnen, 
aovrie seine KoOegen im Kleinen Rat 

Den Anfang machte er mit der Qröndung 
eines Antikenkabinetts; aus Paris liess 
man m zwei Sendungen für L 1700 Oipsab- 
gfisse nach Antiken kommen^ und bestimmte 
zur AufrteBung für dieselben den grossen Bt- 
bliotheksaal (die jetzige Aula). Um ihn zu 
einem v^ünligen und zweckdienlidien Lokal 
umzuschaffen, in welchem die Jünger der Kunst 
gerne verweilten, v^rurde der Werkmeister Haller 
beauftragt, einen bezüglichen Plan mit Devis 
der Kuratel vorzul^[en, nadidem der Stadtrat 
(den 27. Mai 1807) sich bereit erklart hatte, aus 
den Ueberschüssen des Musshafens L 5000 für 
die Errichtung einer akademischen Zeichnungs- 
sdiule zu bewilligen.^ Nach Halleis Plan vrurde 
der Bau in Angriff genommen und auf das 
Friihjahr 1810 fertig gesteUt; die Statuen ka- 
men auf cubische, mit eisernen Geländern um- 
gebene Fussgestelle zu stehen, die Büsten auf 
Cin)i; neben dem Antikensaal viruide ein klei- 
neres, heidiares 2Smmer für den eigentlichen 
Zeichenunterricht hergestellt Bei der Eröff- 
nung der Schule standen in dem grossen Saale 
bereits 17 Statuen und Gruppen, sowie 20 
Büsten, nach den sdiönsten Antiken gegossen. 
Der Saalbau hatte ui^ahr 10,000 L gekostet; 
welche von der Stadtverwaltung und der aka- 
demischen Kasse zu gleichen TeOen bestritten 
wurden. 

Als Direktor der Schule nahm Mutach den 
berühmten Landschaftsmaler Ducrox, der von 
seinem langjährigen Aufenthalt hi Italien zu- 
rOdcgdcehrt war, in Aussidit Der Kleüie Rat 
hiDigte sehi Vorgehen und liess dem Künstler 
eine duenvoOe Berufung zukcmunen: mit dem 
Titel eines Professors sollte er ebie Pension 



von 1000 Franken nebst Kollegiengeklem er- 
halten. Ducrox nahm den Ruf an, starb aber 
bald nadiher (Anfang des Jahres 1810). Nun 
wurde die Leitung der Sdiule einem Komitee 
von sid>en Künstlern und Kunstfreunden fiber- 
geben und drei pmge Künstler v^uden zu Saal- 
inspektoren^ ernannt, welche abwecfasehul zur 
bestandigen Gegenwart und Aufeicht im An- 
tikensaal veibunden waren. Derselbe war tag- 
lidi von 8 — 12 und von 2—5 Uhr geöffnet und 
der Eintritt unter den leichtesten pekunüren Be- 
dingungen den jungen Leuten ermöglidit Den 
Unterricht im akademischen Zeichnen erteüte 
Professor Sonnenschein mit grossem Erfolge, 
so dass die Kuratel bald die Freude hatte, für 
ihr voigeiegte Zeichnungen Medaillen und Gra- 
tifikationen zu erteilen; bereits im November 
1803 vouxien an talentvolle Sdiüler und Schüle- 
rinnen solche Auszeidmungen ausgeteOt und 
in der Folgezeit liess die Kuratel keine Ge- 
legenheit zur Aufmunterung junger Künstler 
vorübeigehen. Professor Sonnenschem erhielt 
für seine Bemühungen um den Fortgang der 
Anstalt regelredit alljahriich eine Gratifikation 
von L 200.* Das Landschaftszeichnen wurde 
voriäufig noch nidit gepflegt; die Hoffnungen, 
die man in der Beziehung auf den Maler König 
gesetzt hatte, erfüllten sich nicht 

Im Frühjahr 1815 trat Professor Sonnen- 
schein von seinen Funktionen an der Sdiule 
und der Akademie zurüde ; seine Stelle an der 
hohem Zeichnungsschule bekleidete von jetzt 
an der Kunstmaler Vollmar, der wie sein Vor- 
ginger durch den Unterridit im Zeichnen nach 
Modellen schöne Erfolge erzielte und den Ti- 
id des Direktors der Zeichnungsschule erhielt 

UnabUssig war die Kuratd bestrebt, neue 
Gipsabgüsse, aber auch Zeidmungen, Kupfer- 
stidie und Gemäkle zu erweriien; die Kunst« 
Sammlung erweiterte sich von Jahr zu Jahr. 
Den wichtigsten Zuwachs erhielt sie un Jahr 
1820, als der Kleine Rat die Kuratel ermächtigte, 
aus der reichhaltigen und prachtvollen Samm- 
hmg von Sigmund Wagner eine grössere Aus- 



^ 



Die Akademie in der Mediation»- nnd Reftaniationszeit 



^ 



wähl von Gemaldeny Kupferstichen und Hand- 
zeiduiungen um die Summe von L 3200 zu 
kaufen;^ es waren 30 Qemilde und 53 Zeich- 
nungen und Kupferstidie. Eine grössere von 
der Kuratel zu diesem Zwecke besonders ge- 
wählte Kommission hatte die Auswahl getrof- 
fen mit der Weisung, namentlich solche Werke 
auszulesen, die als Denkmäler vateriandisdier 
Kunst ausgestellt zu werden verdienten. Mu- 
üich, dessen Initiative die Akademie auch diese 
Erwerbung verdankte, wollte durch sie zugleich 
die Grundlage eines «vaterländischen Oemälde- 
musäums» schaffen. 

Diese Erwerbung aus der Wagnersdien 
Sammlung gab den Anstoss zur Erweiterung 
der Zeidmungssdiule, indem nun auch Unter- 
richt in der Landschaftszeichnung erteilt wurde 
und zwar von den Herren VoUmar, Lory Vater, 
Juillerat und Lafond, die in liebenswfirdigster 
Weise der Kuratel entgegenkamen ; in den An- 
fangsgründen der verschiedenen Zeichnungs- 
fädier unterrichtete Herr Löhrer.' In denjeni- 
gen Stunden, die nidit dem eigentlichen Unter- 
richt gewidmet waren, konnten die Kunstlieb- 
haber den Zeidmungssaal, in dem die Wagner- 
sehe Sammlung aufgestellt war, benutzen und 
nach den Originalien zeichnen ; fOr die Damen, 
die man nach damaliger Sitte von dem starkem 
Gesdiledit noch absonderte, waren besondere 
Stunden vorbehalten. 

So entwickelte sich denn die Anstalt in er- 
freulicher Weise fund fand unmer mehr Anklang ; 
wenn die Schülerzahl beständig grösser wurde, 
so trug ün fernem wohl audi die Anregung da- 
zu bei, welche der Jugend von Bem durch die 
beiden grossen Kunstausstellungen in den Jah- 
ren 1824 und 1830 zu teil wurde, welche unter 
den Auspizien der Kuratel grossen Erfolg zu 
verzeichnen hatten. 

Das MusikkolUgittffk 

102 Jahre lang hatte das jCoUegium musicum 
Studiosorum geblüht, dank der Unterstützung 



von Seiten der Regierung, welche dem Vereip 
jährlich 120 Kronen hatte zukommen lassen; 
der Zweck des Coll^um musicum war die 
Uebung der künftigen Oeistlidien in der Kir- 
chenmusik. Die Revolution machte auch dieser 
Institution ein Ende und unbenutzt lagen nun 
die zahheichen Musikalien, Instrumente und 
Qerätsduften herum, bis sie sdiliesslich dem 
Kirchmeier zur Verwahrung übergeben wur- 
den. Veigeblich wandte sich das Kirchen- und 
Sdiukkpartement an den Kiemen Rat mit der 
Bitte, das KoO^um durch tatkräftige Unter- 
stützung wieder ins Leben zu rufen;' erst im 
Jahr 1810 gelang es einigen Dozenten, die in 
ihrer Jugend dem Kollegium angehört hatten, 
an Stelle desselben aus Studierenden eine aka- 
demische Musikgesellschaft zu biklen, 
welcher die Kuratel allen Vorschub leistete zur 
Hebung der Kunst, für die sie ja überall ein- 
trat Der Protektor der Gesellschaft war Pro- 
fessor Sdiärer. Aber allerhand widerliche Um- 
stände liessen die neue Institution nicht zur 
gewünschten Blüte kommen, und schon nadi 
2Vs Jahren zeigte Professor Schärer der Kuratel 
an,* dass die Gesellschaft ihre Uebungen ein- 
gestellt habe; ihr Inventar wurde im Kloster 
aufbewahrt — Wo ist es hingeraten? — Ver- 
geblich hoffte die Kuratel, das altehrwürdige 
Institut werde nodi emmal auferstehen, doch 
die akademische Jugend erfüllte ihren Wunsch 
nicht und es blieb ihr nichts übrig, als der 
später entstandenen allgemeinen musikalischen 
Gesellschaft der Stadt ihre Sympathie kundzu- 
geben.^ 

Das liäeraHsehe Archiv. 

Im Frühjahr 1806 oidnete die Kuratel die 
Herausgabe des Litterarischen Archivs 
an, m welchem zunächst dem Publikum über 
die Entwiddung der hohen Schulanstalten zu 
Bem, die Tätigkeit der Behörden und Profes* 
soren und den Fleiss und die Fortschritte der 
Studierenden beständig Rechenschaft gegeben 
werden sollte; sodmn wollte die Kuratel m 




226 



Hl 



Die Akademie in der Mediations- und Restaiiraiionszeü 



^ 



dieser «Subsidiäranstalt» die bei der Gründung 
der Alcademie waltende «Stimmung zum Edlen, 
FruchÜ>ringenden und Outen durch ununter- 
brochene Aufmunterung unterstutzen und von 
Stufe zu Stufe höher bringen » ^ und zu diesem 
Zwecke gelehrte und populärwissenschaftliche 
Abhandlungen der akademischen Lehrer ver- 
öffenflidien, sowie alle Prorektorats- und In- 
auguralreden und die gekrönten Preisschriften 
von bedeutenderm wissenschaftlichem Wert 
Endlich sollte unter dem Titel « Schweizerische 
Litteratur» dem Publikum durch Anzeigen und 
Rezensionen über die in der Schweiz veröffent- 
lichten wissenschaftlichen Erscheinungen Re- 
chenschaft gegeben werden. 

Die Edition des Litterarischen Archivs be- 
gann mit dem 1. Oktober 1806; vierteljährlidi 
erschien ein Heft von 7—8 Bogen, je vier Hefte 
bildeten einen Band. Die ersten zwei Binde 
erfiUlten die Versprechungen der Kuratel in 
vollem Umfang, namentlich auch infolge der 
regen Beteiligung Hallers und Rudolf Scharers. 
Oanz besonderes Interesse hat die Rede des 
Kanzlers Mutach, mit der er unter Darlegung 
seiner Endehungsgrundsatze die neuen Sdiul- 
anstalten den 2. November 1806 eröffnete; sie 
leitet das erste Heft des ersten Bandes ein. Leider 
fand das Litterarische Archiv nicht die gehoffte 
Verbreitung; schon der erste Band brachte dem 
Verleger Bassompierre, dem Direktor der typo- 
graphischen Oesellschaft in Bern, einen nicht 
unbedeutenden Verlust, den natiirlich die aka- 
demische Kasse zu tragen hatte. Den Verlag 
des zweiten Bandes übernahm die Steinersche 
Buchhandlung in Winterthur, ebenfalls ohne 
den gewünschten Erfolg, weshalb nun eine 
neue, weniger kostbare Oiganisation geschaf- 
fen wurde.' Der Band in vier Heften umfasste 
von jetzt an einen Zeitraum von durchschnitt- 
lich fünf Jahren und enthielt ausser kurzen Be- 
richten über den Fortgang der Anstalt nur noch 
die Prorektorats- und Inauguralreden, von de- 
nen freilidi die meisten von wissenschaftlichem 
Wert sind, sowie gekrönte Preisschriften (z. B. 



die von OottUeb Studer «de versionis Alexan- 
drinae origine, historia, usu et abusu critico» 
1823) und Festak>rationen. Von den Abhandlun- 
gen, die hie und da ausser diesen Reden im Ar- 
chiv, das vom dritten Band an in der obrig- 
keitlichen Druckerei ersdiien, gedruckt wurden, 
seien hier noch erwähnt: im dritten Band die 
«Nachricht von der im Jahr 1811 angefangenen 
trigonometrischen Auhiahme des Kantons Bern » 
von Professor Trechsel (p. 424 ff.) und die « Zu- 
sammenstellung einiger altrömischer Massbe- 
stunmungen, Eintheihmgen und Benennungen » 
von Professor Omelin (p. 501 ff.); im vierten 
Band «des Tacitus Leben des Agrioola, fiber- 
setzt nebst Rechtfertigungen von L Döderiein » 
(p. 84 ff.) und im fünften Band die « Nachricht 
von der in den Jahren 1821 und 1822 in Bern 
errichteten Sternwarte » von Professor Tredisel 
(p.94 ff.) und die «Versuche über die Darstel- 
lung des Kali- und Natronmetalles » von Pro- 
fessor Brunner. 

Die Unternehmung schliesst mit dem sedis- 
ten Band in zwei Heften aus den Jahren 1828 
und 183a 



Die medizinische BäflioOek 

1795 liess der für alles Oemeinnfitz^ uner- 
müdlich tätige Dr. Samuel Wyss den Vorschlag 
zu Benutzung und Unterhaltung einer vom Sa- 
nitatsrat errichteten medizinisch-chirur- 
gischen Communbibliothek drucken' 
und legte zu Begründung derselben den gross- 
en Teil seiner reidien Privatbibliothek an einem 
von der Regierung ihm angewiesenen Ort nie- 
der. Zu ihrer Vermehrung gab der Sanitatsrat 
eine Summe von L. 1250, die Vennerkammer 
von L 750; für die Benutzung hatten die Leser 
ein kleines Jahresgeld zu entrichten. Bald ka- 
men der Bibliothek auch freiwillige Oeschenke 
zu. In der Revolutionszeit musste sie geschlos- 
sen werden, da sie vor der Plünderung nicht 
mehr sicher war, und nun wurde sie auf den 




227 



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Die Akadenfe in der Mediationt- und Rettaurttiontzdt 



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Wtinsdi der medizisischen Oesellsdiaft von der 
VerwaHungskammer für den Staat gekauft 

Zu Anfang des Jahres 1806 wurde die Com- 
munbibliotbek nadi einem Beschluss des Klei- 
nen Rates der Kuratel der Akajdemie überge- 
ben»^ auf dass sie zur Bildung der studierenden 
Jugend diene und nach dem Fundationsdekret 
vom 4. Juli 1795 benutzt v^erde; zu ihrer Aeuf- 
nung verausgabte die Kuratel jährlich die Sum- 
me von Fr. 600 aus der akademischen Kasse, 
wozu, wie bis anhin, die Beitrage der Abonnen- 
ten kamen, die sidi aus der studierenden Ju- 
gend und den Aerzten von Stadt und Land re- 
krutierten. Bis zum Jahr 1808 befand sich die 
Bibliothek im Erdgeschoss der Bibliotfaekgal- 
lerie, jetzt wurde sie beim Austausch desselben 
an den alten BibUotheksaal in das' Kloster ver- 
legt* und zwar in die Räume der alten Alum- 
nenzimmer im zweiten Stockwerk, wo dann 
auch die mathematischen und physikalisdien 
Instrumente aufgestellt wurden und die ma- 
tiiematischen tmd physikalischen Vorlesungen 
stattfanden.^ Die Kuratel stellte sie unter die 
Aufsicht einer besondem Kommission, die von 
einem Kurator präsidiert wurde (es war zuerst 
der Dekan Ith, nadi seinem Tod Pfarrer Wyt- 
tenbach, dann der Helfer Bay), vom Jahr 1822 
an aber trat an die Stelle der Kommission die 
medizinische Fakultät resp. der Kurator der- 
selben. Das BibUolhekariat und die Rech- 
nungsf&hnmg waren immer einem Professor 
der medizinischen Fakultät anvertraut sei es 
dass beide Aemter von emer oder von zwei 
versdiiedenen Personen besorgt wurden. 
Redinungsfiihnmg liess freilich immer sehr zu 
wiknschen übrig und fast jedes Jahr erhielten 
die Rechnungsführer — erst Professor Meiss- 
ner, dann Professor Brunner — von der Be- 
hörde Verweise wegen unordentlicher Rech- 
nungsablage. 

Die medizmisdie Bibliothek brachte 
Leidwesen der Kuratel nicht die Früchte, die 
man von ihr erhofft hatte: sie vnudt mit der 
Zeit immer weniger benutzt, weshalb im Jahr 



1825 das Abonnement eniiedrigt wurde; es be- 
trug jetzt für den Studenten jähilidi Fr. 4, für 
die Landärzte des Kantons Fr. 6 und für nidit 
immatrikulierte Personen in der Stadt Bern 
Fr. 8; nur für die Lehrer der Akademie war die 
Benutzung unentgetdich. Bemühend war es für 
diese, dass fai derselben Zeit der jähriidie Bei- 
trag der Kuratel von 600 auf 400 Franken her- 
abgesetzt v^urde. 

Die StadaUenblbüoaidt. 

In ähnlicher Weise wie die medizinische Bi- 
bliotiiek unterstützte die Kuratel audi die Stu- 
dentenbibliothek, d i. die Bibliottiek der 
Studentensodetät, deren Oründung sdion in 
das Jahr 1741 fällt* Da diese nur wissoisdiaft* 
yche Zwecke verfolgte, erfreute sie sidi der be- 
sondem Qunst der Kuratel, die ihr bei jeder 
Gelegenheit ihre Huld und ihr WohlgefoUen 
an ihren Bestrebungen zu erkennen gab. Bakl 
nachdem sich die Kwatel konstituiert hatte, vo- 
tierte sie für die StudentenbibUothek emen Bei- 
trag von Fr. 200 mit dem Anerbieten,^ diese 
Unterstützung alljähiüdi zu erneuern, wenn 
ihr vom Konsul der Soddät jeweilen über die 
Verwendung des Kredits genaue Redienschaft 
abgestattet werde. Da diese Bedingung immer 
zeitig und mit der gevirünschten Genauigkeit er- 
füllt wurde, so erhielt die Sodetät regelredit 
und ohne Unteibrechung jedes Jahr die Fr. 200 
ausbezahlt Sie stand unter der CM>hut eines 
Professors, der ihr als «Protektm*» mit Rat- 
sdilägen an die Hand ging und sie m ihrem 
Streben nach gegenseitiger Belehrung und wis- 
senschafüicher Förderung ermunterte. Durch 
ihn verkehrte die Sodetät mit der Kuratd; vom 
Jahr 1822 an vnirde sie unter die Aufsicht des 
Kurators der philosophischen Fakultät gestellt 
und koimte sich nun in ihren Angdegenheiten 
direkt mit der Kuratd in Verbindung setzen. 
Bibliothek bestand vorzüglich aus flieolo- 
gischen Werken, insbesondere Handbüchern 
Vorlesungen, es wurden aber auch juri- 



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Die Akademie In der Mediatioiit- und Reifauifattontzeli 



disdie Büdier angeschafft Zutritt zu ihr hatten 
auch die Gymnasianer, doch war es diesen ver« 
boten, an den Exercitüs der Sodetät teilzuneh- 
men« 

Die gmsse BMoOidL 

Als zu Anfang des Jahres 1807 die Verhält- 
nisse der in der Dotationsakte der Stadt zuge- 
sprochenen grossen Bibliothek neu ge- 
ordnet wurden, verwandte sich die Kuratel in 
tatkräftiger Weise dafür, dass bei den neuen 
Bflcheranschaffungen vor allem die Bedflrfnisse 
der Akademie berücksichtigt wurden und die 
Studierenden ungehinderten Zutritt erhielten.^ 
Auf ihren Antrag bewilligte der Kleine Rat 
einen jährlichen Zuschuss von Fr. 1600 an die 
Stadtf>ibUothek, und so konnte mit dem Stadt- 
rat ein Vertrag abgesdilossen werden, nach 
welchem die Stadtbiblh>1faekkommission ver- 
pflichtet wurde, jedes Jahr nach den Vorsdilä- 
gen der Fakultät«! für Fr. 1200 Bücher anzu- 
kaufen und den Studierenden die Bibliofliek 
täglich zwei Stunden zu öffnen. Sit hatte aD- 
jähriich über die Verwendung des vom Staat 
ihr gewährten Kredits der Kuratel Rechensdiaft 
abzulegen ; mit gewohnter peinlicher Genauig- 
keit prüfte diese jeweilen die ihr zugesandten 
Rechnungen. Regelrecht wurden sodann jedes 
Jahr die Fr. 1200 der Kommission nach Passa- 
tion der Rechnung über das verflossene Jahr 
ausbezahlt 





Die togenannten Atttmunterungt- 

anstalteiu 

Die akademischen Pfdsaa/goi^en. 

Orossen Wert legte die Kuratel mit vollem 
Redit auf die neue Einrichtung der akaidemi- 
schen Preisfragen und wendete alljährlich die- 
sen Gegenstände die grösste Aufmerksam- 
keit zu. 

Je im Herbst hatten die vier Fakultäten ver- 




schiedene Themata einzugeben,* aus denen 
fünf ausgewählt wurden, je eines für die fiieo- 
logische, juridische und medizinische Fakultät 
und zwei für die philologische, nämlich eines 
über die alte Utteratur und das andere aus 
dem Gebiet der Mathematik oder Physik; für 
die theok)gische und die eigentlich philologi- 
scbe Preisschrift war die lateinische Sprache 
voigeschrieben. Die Fakultäten gaben ihr Gut- 
achten über die eingelaufenen Arbeiten ab, und 
auf Grund derselben verfasste der obere aka- 
demische Rat sein Befinden und Urteil; das- 
selbe wurde je am Schulfest veriesen mit einer 
der Situation angemessenen Ansprache. Diese 
Befinden, oft gelehrte Abhandlungen von ho- 
hem Interesse, nehmen nicht einen kleinen Teil 
der Manuale der Kuratel ein. 

Der Preis bestand m einer goklenen Me- 
daille im Wert von zwei Louisd'or, das Ac- 
cessit war eine silberne Medaille von gleicher 
Grösse; den 13. September 1819^ beschloss der 
Kleine Rat nach dem Antrag der Kuratel, von 
nun an die goldene Medaille im Wert von vier 
Louisd'or und die sflbeme im Wert von wenig- 
stens zwei Dukaten prägen zu lassen. 

Die akademische Jugend, vor allem aber 
die jungen Rechtsbeflissenen, beteiligte sich 
alljährlich mit rühmlichem Eifer und IHeiss an 
der ihr gebotenen Gelegenheit, ihre Kennt- 
nisse und Talente m selbständigen wissen- 
schaftlichen Art>eiten zu betätigen, mit einziger 
Ausnahme der Angehörigen der theologisdien 
Fakultät, weldie wegen ihrer Indolenz und 
Gldchgültis^eit diesem Institut gegenüber nidit 
bloss einmal harte Vorwürfe von selten der 
Kuratel entgegennehmen mussten; es ist für 
den wissenschaftlidien Geist, der in den ein- 
zelnen Fakultäten herrschte, bezeichnend,^ dass 
z.B. auf das Schulfest 1825 die theologisdie 
Preisangabe unbeantwortet blieb, die juridi- 
sche aber («Abhandlung von der Lehre von der 
Gewährleistung nach bemischen Gesetzen») 
8id>en Beart>eiter fand, worunter einer in un- 
tadeligem Latein schrieb, und die medizinische 



fd 



Die Akademie in der Mediation!- und Restanimtionazeü 



» 



(«Aber die Wirkungen und Qebriuchlidikeit 
der Jode und ihre Präparate in 
Krankheiten») drei. 

Vom Jahr 1824 an wurden keine 
gd)en mehr f&r die Studierenden der phik)lo* 
gisdien Fakultät gestellt, dagegen wurden die 
gediegensten der lateinischen Reden, welche 
die Studiosi phil. vor ihrem Eintritt in das theo- 
logische Curriculum zu halten verpflichtet wa- 
ren, mit Medaillen gekrönt und die Namen 
ihrer Verfasser am Schulfest proklamiert 



Die Haltennedaitk. 

Den 6. Januar 1809 legte die Kuratel dem 
Kleinen Rat die Stiftungsurkunde des Rats- 
herren Zeerleder vom I.Januar vor,^ der «die 
Summe von L 1200 aussetzte, um aus dem Er- 
trag derselben alle fünf Jahre dem ausgezeich- 
netsten weltlidiq) oder geistlichen Studieren- 
den eine auf das Andenken des grossen Hallers 
(des Qrossvaters des Donators) geschlagene 
Denkmfinze in Oold, 25. Dukaten werth, zu er- 
theilen». Nach dem Wunsche des Donators 
sollte die Stiftung von der obersten Behörde 
der Akademie, dermalen also von der Kuratel, 
verwaltet werden, und die Medaille konnte nur 
demjenigen verliehen werden, welcher die ber- 
nischen Schulen und die Akademie durchlaufen 
und durch Aufführung, Fleiss und Talente sich 
am meisten ausgezeichnet hatte. 

Nach dem R^emen^ welches nun über das 
Voigehen bei der Erteilung der Hallermedaille 
aufgestellt wurde, hatten die Fakultäten eine 
jede einen einfachen oder doppelten Vorschlag 
zu machen, worauf die zur Prämierung von 
ihnen voigeschlagenen Studierenden schrift- 
liche Proben von ihrem Wissen und Können 
abzulegen hatten. Im grossen Auditorium wur- 
den ihnen sieben Aufgaben vorgelegt und zwar 
aus der Matfiematik, Physik, der Philologie, der 
vaterländischen Geschichte, Naturfaistorie und 
Phik)80irfiie und als siebente aus dem beson- 



dem Fadi des Kandidaten. Jeder hatte die Auf- 
gabe seines Faches und von den übrigen sechs 
wenigstens drei nach freier Auswahl innert 
sechs Stunden schriftlich zu bearbeiten. Ueber 
diese Proben hatte der obere akademische Rat 
sein Urteil und Befinden abzugeben. Auf Orund 
desselben wurde den 1. November 1810' dem 
Kandidaten der Theologie Oottlieb Zieg- 
ler die erste Halleimedaille erteilt^ 

IMan kann sich denken, dass über diese Pro- 
ben die Studierenden nidit gerade entzückt wa- 
ren ; schon un Jahr 1815 musste die Austeilung 
der Medaille suspendiert werden, weil die von 
den Fakultäten Voigeschlagenen von den Pro- 
ben zurücktraten und die Kuratel war gezwun- 
gen zu § 3 des Reglements ihre Zuflucht zu 
nehmen, nach welchem die Medaille auch ohne 
Concours erteilt werden konnte, wenn unter 
den Vorgeschlagenen einer sich befand, der im 
Besitze aller positiven Requisiten an der Un- 
tern Sdiule und der Akademie sich so ausge- 
zeidmet hatte, dass ihm die unausgesetzte Zu- 
friedenheit seiner Lehrer und fortwährend eine 
der beiden ersten Stellen unter seinen Kom- 
militonen zugek<mimen war. Nach dieser Be- 
stimmung wurde am Schulfest 1816 August 
Steck, stud. juris et philos., mit der Medaille 
bekrönt, und in gleicher Weise 1821 der stud 
tfaeoL Oottlieb Studer (von zwei Fakul- 
täten vollgeschlagen) und 1826 der stud. juris 
Bernhard von WattenwyL 



Mästisches LagaL 

Im Dezember 1821 ^ wurde der Kuratel das 
Stiftungsdokument des verstorbenen Pfarrers 
Müslin übergeben, welches zu einem Stipen- 
dium für talentvolle junge Prediger und Kate- 
cheten die Summe von 1500 Kronen aussetzte, 
die aber erst nach dem Tode der drei Enkel 
des Donators zur Verwendung gelangen soll- 
ten. Das Reglement für die Verwendung hatte 
Müslin selber aufjgestellt 




230 



« 



Die Aktdemie in der Medlttions* und Restturationszeü 



51 



Die Attflösung der Akademie. 

Der Kanzler Mutach gab 211 Anfang No- 
vember 1830 wegen andauernder Krankheit 
dem Rate seine Entlassung ein; mit dem Be- 
voisstsein, seinem Vaterland treu gedient und 
fOr die ihm untergebene Erziehungsanstalt 
Grosses geleistet zu haben, durfte er aus dem 
öffentlichen Leben scheiden. Zu seinem Nach- 
folger im Kanzleramt wtuxle nach dem Vor- 
schlag des Kirchenrats der Ratsherr Zeer- 
leder gewählt; seine Amtstätigkeit dauerte 
nur kurze Zeit, denn die Verfassungsverände- 
rung des Jahres 1831 führte die Akademie ihrer 
Auflösung mit raschen Schritten entgegen. Den 
7. Februar 1831 wurde von den stimmfähigen 
Biiigem des Kantons ein Verfassungsrat ge- 
wählt, der schon den 6. Juli die neue Ver- 
fassung für die Republik Bern publizierte ; nach 
derselben sollte die Regierung aus dem Schult- 
heissen, als Präsidenten, und 16 Mitgliedem 
bestehen und in ihrer Arbeit von sieben De- 
partementen unteistfitzt werden, worunter das 
fünfte, das Erziehungsdepartement, mit 
der Leitung des ganzen Erziehungswesens be- 
traut wurde. Den 31. Juli 1831 wurde die 
Verfassung vom Volk angenommen und den 
20. Oktober trat die alte Regierung mit einer 
würdigen Proklamation ab. 

Den folgenden Tag hielt die Kuratel der 
Akademie ihre letzte Sitzung ab und legte die 
Leitung der ihr anvertrauten Anstalt in die 
Hand des bereits gewählten Präsidenten des 
Erziehungsdepartements, des Regierungsrats 
Wyss. Das Erziehungsdepartement war aus 
dem Präskienten und Vizepräsidenten, als Mit- 
S^iedem des Regierungsnites, und fünf Bei- 
sitzern zusammengesetzt, welche aus der Mitte 
der Staatsbüiger beliebig gewählt werden konn- 
ten. Seine definitive Konstituierung erfolgte den 
14. November 1831. Präsident war jetzt der 
Regierungsrat Neuhaus und Vizepräsident 
der R^erungsrat Tillier^ und Beisitzer der 
Professor Johannes Schnell, der Pfarrer 




an der Heiliggeistkirche Samuel Lutz, 
Emanuel Fellenberg in Hofwil, Johann 
Schneider, Mitglied des Qrossen Rats und 
der Waisenvater Rudolf Fetscherin. 

Den 4. Jänner 1832 beschloss die Regierung, 
dass unter dem Erziehungsdepartement zur 
Voibereitung der ihm obliegenden Oesdiäfte 
fünf Kommissionen stehen sollten, nämlich 

1. eme Schulkommission; 

2. eine katiiolische Kirchenkommission; 

3. eine akademische Kommission, 
bestehend aus einem Präsidenten und sechs 
Mitgliedem, für die Akademie und die Qym- 
nasien; 

4. eine Kommisskm fikr die Utterarsdiulen ; 

5. eine evangelische Kirchenkommission. 

Nach dem Vorschlag des Erziehungsdeparte- 
ments wurden noch denselben Tag in die a k a - 
demische Kommission gewählt: 

als Präsident Regierungsrat Tillier; 
als Beisitzer: 

1) Prof. Bernhard Studer, 

2) Prof. Wyss, 

3) Prof. Usteri, 

4) Prof. S. Schnellp 

5) Prof. Ith,« 

6) Prof. Brunner. 

Die Aufgabe, die dieser Kommission ge- 
stellt wurde, bestand darin, zu untersuchen, 
ob und welche Veränderungen in der Einrich- 
tung der Akademie notwendig geworden seien, 
und in Verbindung mit den einzelnen Fakul- 
täten dem Erziehungsdepartement genauen Be- 
richt über diese ihre Arbeit beförderlichst ein- 
zugeben.' 

Inzwischen wurde die Akademie nach dem 
alten Reglement geleitet und jede vakante Pro- 
fessur auf dem W^ der Berufung so rasch wie 
möglich wieder besetzt Zudem beantragte das 
Erziehungsdepartement der Regierung, emen 
Lehrstuhl für Oeschichte zu erriditen, 
und den 5. März 1832 beschloss der Qrosse 
Ra^ an den der Antrag gelangte, die ge- 




Die Akadeaile in der MfidiaÜoiis- imd Rcttanritiootieit 




wünschte Steile zu kreieren und mit mfiglidi» 
ster Beförderung auszuschreiben und besetzen 
zu lassen. Schon den. 14. April wurde Profes- 
sor KortQniy den wir schon kennen gelernt 
haben,^ gewählt 

Ueber die Besetzung der vakant geworde- 
nen Lehrstfihle referieren wir wieder nach den 
einzeben Fakultäten. 

1. Die philosophische Fakultät 

An die Stelle des Philosophus Joh. Rud. 
Wyss wurde den 24. August 1832 der Candi* 
datus Joh. Peter Romaug von Saanen ge- 
wählt» der schon seit dem Herbst 1829 als 
Vikar den philosophischen Lehrstuhl versehen 
hatte. 

Im Sommer 1833 gab Joh. Schnell, der Pro- 
fessor der Zoologie und Botanik, seine Ent- 
lassung ein; das Erziehungsdq)artement be- 
antragte, die Botanik dem zu Ende des vor- 
heigdienden Jahres gewählten Professor Mohl 
an der medizinisdien Fakultät zu Qbergeben 
und einen Lehrstuhl für Zoologie und verglei- 
chende Anatomie auszuschreiben. Die Regie- 
rung pflichtete diesem Antrag bei, aber nie- 
mand meldete sich. Offenbar verlockte auch 
die Besoldung von Fr. 1600, mit weldier bis 
zur Errichtung der Hochschule alle Stellen noch 
ausgeschrieben wurden, keinen Gelehrten, fOr 
eine Professur in Bern konkurrieren zu wollen. 
Daraufhin trat das Erziehungsdepartement mit 
dem Privaidozenten Maximilian Perty in Mün- 
chen in Verbmdung und es gelang ihm, den- 
selben für eine Berufung zu gewümen; die- 
selbe gesdiah durch die R^fierung den 10. Ok- 
tober 1833. 

2) Die theologische Fakultät 

Im September 1833 verliess Professor Hü- 
nerwadel das Kloster, um als Pred^r an der 
Heiliggeistkirche zu wirken. Das Erziehungs- 
departement sudite den beriämten Dogma- 
tiker Haase fai Jena als seinen NadifcHger zu 
gewinnen, doch dieser schlug das Anerbieten 



höflich aus.' Den 19. Fdmiar 1834 wurde dann 
der Diakonus Dr. Schneckenburger zu 
Herrenbeig in Wfirttembeig für systematisdie 
Theok>gie und Kirdiengeschicfate gewählt 

Auch Hünerwadels Kollege Stapfer wollte 
bei der bevorstehenden Neuordnung der Dinge 
nicht mehr bleiben; auch er veriiess das Kk>- 
ster und wanderte nach Meikirch, um die dor- 
tige Phure zu versehen. An die ausgeschrie- 
bene Stelle meUete sich Samuel Lutz, der 
inzwischen Prediger an der Heiliggeisfldrdie 
geworden war, jedoch mit der Bedingung, dass 
die Besoklung, die Stapler genossen, erhöht 
werde. Die Einwohner der Stadt, sowie die 
Studenten vtrünscfaten einmütig, dass der ge- 
feierte Kanzekedner in die tfaeok)gisdie Fakul- 
tät eintrete und dass das Unrecht, das anno 
1818 an dem beliebten Lehrer befangen wor- 
den war, wieder gut gemacht werde.* Von die- 
sem Wunsche waren auch die Mitglieder des 
Erziehungsdepartements beseelt und wie nun 
eine mit vielen Unterschriften bedeckte Ein- 
gabe bemisdier Büiger an sie das Qesudi ridi- 
tete, es mödite Herrn Lutz im Fall setner Wdil 
zum Professor Gelegenheit gegeben werden, 
jeden Monat wenigstens einmal m der Hetlig- 
geisfkuxhe zu predigen, schhigen sie der Re- 
gierung vor, ihn zu wählen mit der Verpflich- 
tung, gegen eine bestimmte Entsdiädigung 
semen bisher^n Kircfagenossen eine gewisse 
Zahl von Predigten zu halten. Die Regienuig 
vollzog den 22. Juni 1833 die Wahl in diesem 
Sinn. 

3) Die juridische Fakultät 

E Henke, der Professor des rSmisdioi 
Redits und des Kriminalrechts, gab im Au- 
gust 1832 seme Demission ein, wekte von der 
Regierung mit grossem Bedauern angenommen 
wurde. Zum Nadifolger des verdienten Oe- 
khrten wurde den 3. Oktober 1832 der Privat- 
dozent Dr. Hepp in Heidelberg gewählt,^ 
der aber schon nadi einem Jahr einem ehren- 
vollen Ruf nach Tübingen Folge leistete. An 




D " 

o 



1 



« 



Die Akademie in der Mediations- und Restaurationszeit 



» 



seine SteUe wmde den 18. Jamtar 1834 Wil- 
helm Snell gewählt 

4) Die medizinische Fakultät 

Kein Ruhmesblatt m der Qesdiichte der 
neuen Regierung bildet die Abberufung des 
Professors Ith, weldie den 4. September 1832 
von ihr ausgesprochen wurde. Von «Abscheu» 
erfiUlt gegen das Voigeh^i der Regierung ge- 
gen ihre Widersacher in jenen schwülen und 
gewitterschwangem Tagen, hatte der sonst 
hannlose Gelehrte den 3. September 1832 seine 
Demission eingegeben und sich darin in Aus- 
drücken eigangeui die für seine Obeibehörde 
nicht gerade sduneichelhaft klangen. In der 
Erregung 9 in welcher sie infolge der politi- 
sdien Ereignföse geraten war, nahm die Re- 
gierung die Demission nidit an, sondern be- 
scfak)6S die sofortige Abberufung, verbot dem 
widerspanstigen Professor alle öffentlichen Vor- 
lesungen und überwies durch den Regierungs- 
statthalter das Demissionsbegdu'en dem kom- 
petenten Richter zur gebührender Ahndung.^ 
Veigeblidi versuchte Itii von der Regierung 
zu erlangen, dass der g^gen ihn sofort ange- 
hobene Injurienprozess sistiert werde; sie be- 
traditete seinen Versudi als eine neue Heraus- 
forderung und beschloss, der Prozess sei zu 
Ende zu führen. 

An Iflis Stelle wurde den 27. Dezember des- 
selben Jahres Dr. Hugo Mofal in München 
zum Professor der Physiologie erwählt 

Im Jahr 1832 starb Professor Tribole^ der 
den Lehrstuhl für Pathologie und Therapie seit 
der Gründung der Akademie bekleidet hatte. 
Vikariatsweise trat Dr. Eduard Fueter im 
Wintersemester 1832/33 m die Lücke, und 
wurde den 22. April 1833 definitiv zum Nach- 
folger Tribolets emaimt 

Zur Vervollständigung unserer Angaben sei 
an dieser Stelle noch erwähn^ dass nach dem 
Beschluss der Regierung vom 22. Juni 1833 die 
Entbindungsanstalt in das Salzkammergebaude 
an der Bmnngasse veriegt wurde, nachdem 



dasselbe zu diesem Zwecke beigestellt worden 
war. 

Den 14. März 1834 wurde vom Orossen Rat 
die von den vorberatenden Behörden ihm unter- 
breitete Vorlage über die Reform der Akade- 
mie angenommen. Dieselbe verwandelte die 
Akademie in eine Hochschule mit der Auf- 
gabe, nicht mdu* bloss, wie es bis anhm ge- 
schehen war, die Söhne des Standes Bern zu 
den wissenschafäidien Berufsarten heranzubO- 
den und zu befähigen, sondern auch nach 
Kräften die Wissenschaft zu fördern. 
So zeitigte denn die neue Ordnung als die süs- 
seste Frucht die längst ersdmte Lern- und 
Lehrfreiheit; in ihr liegt der eigentliche 
Fortschritt, für den die Jetztzeit den bemisdien 
Staatsmännern der Dreissigerjahre des verfbs- 
senen Jahriiunderts nicht dankbar genug sein 
kann. 

Der Zweck, den man der neuen Lehranstalt 
setzte, brachte es auch mit sich, dass die « Un- 
tere Theologie» aufgehoben wurde und der 
eigentlidien philosophisdien Fakultät, die nun 
mit den übrigen Fakultäten in dieselbe Linie 
und denselben Rang trat, Platz machte. Die 
unmittelbare Vorbereitung für die theologische 
Fakultät sowohl, wie für die übrigen Fakultä- 
ten v^ürde einer besondem Anstalt dem Hö- 
hern Gymnasium, iiberbunden, daher der 
Titel der neuen Ordnung: «Gesetz über das 
höhere Gymnasium und die Hochschule». Das 
höhere Gymnasium zählte drei Jahreskurse, wie 
die philologisch -phik>sophische Fakultät der 
Akademie vom Jahr 1810 an auf drei Jahres- 
kurse berechnet gewesen war; seine Einrich- 
tung ermöglichte es, dass nun endlich der Ein- 
tritt in die höchste Lehranstalt des Kantons 
auf das zurückgelegte 18. Altersjahr fes^[esetzt 
werden konnte. 

Im übrigen liess das Gesetz vom Jahr 1834 
das wohnliche Gebäude, welches die Media- 
tk>ns- und Restaurationszeit auf solidem Fun- 
dament errichtet hatte, «voriäufig» bestehen: 




233 



Ift- 



Die Akidenie in der Mediatioiit- und 



MM« 



neue ordentlidie Professuren wurden keine ge« 
gründet, dagegen berief man um wohlfeiles 
Oekl ein ganzes Heer von Extraordinarii an 
die neue Hodischule. Dem Kenner der Qe- 
sdiichte der alten Akademie bedeutet deshalb 
die Erriditung der Hochschule nidit, wie es in 
dem Vorwort des neuen Qesetzes heiss^ die 



5i 



«glnzlidie UmgestaMung der besiehenden Aka* 
demie », sondern deren teilwetse Umgestaltung 
und die Veranlassung zu ihrer allmahligen Er- 
weiterung» waren doch auch die emer Hoch- 
adiuie notwendigen SidMidiaranstalten alle 
sdion vorhanden, wenn auch zum TeO in un- 
genügenden Anfängen. 





234 



Quellenangaben und Erläuterungen. 

(Die srotMB Zahlen bede u toi die Settemalil, die Ueiacn die Nnminer der A im er hun gen auf jeder Seile.) 




Eridirung der Abkflrzungen. 

A. H. V. = Archiv des historischen Vereins (des 
Kantons Bern). 

B* T. = Bemer Taschenbuch. 

C A. = Conventsarchiv (eme Abteilung des ber- 
nischen Staatsarchivs). 

C JH. = Manual der Kuratel der Akademie (bem. 
Staatsarchiv). 

D. B. = Dekretenbuch (bem. Staatsarchiv). 

Dot B. = Dotationsbuch (bem. Staatsardiiv). 

Fl. b. S. = Fluri, Die beraische Schulordnung von 
1548 (Mitteilungen der OeseUschaft ffir deut- 
sche Erziehungs* und Schulgeschichte, XI» 3« 
p. 159 ff.). 

F. R. B. = Fontes reram bemensium. 

Q. O. A. = V. Qreyerz, Geschichte der Akademie 
in Bern. 

O. R. M. = Oehehnratsmanual (bem. Staatsarchiv). 

Gr. G. M. = Graf, Geschichte der Mathematik und 
der Naturwissenschaften in beraischen Landen. 
Von 1888 an. 

Hg. B. = Haag, Beiträge zur bem. Schul- und 
Kulturgeschichte. 1898 und 190a 

K. R. M. = Manual des Kleinen Rats (bem. Staats- 
archiv). 

L. A. = Litterarisches Archiv der bem. Akademie. 

M. E. R. = Manual des bem. Erziehungsrates zur 
Zeit der Hehretik (bem. Staatsarchiv). 

M. K. SdL D. = Manual des Kirchen- und Sdiul- 
departements (bem. Staatsarchiv). 

ob. Sprachb. =: oberes Spruchbuch (bem. Staats- 
archiv). 

O. B. =: Ordnungsbuch des Schulrats (bem. Staats- 
archiv). 

P. B. s= Polizeybucfa (bem. Staatsarchhr). 

R. M. =r Ratsmanual (bem. Staatsarchiv). 

Reg. M. := Regierungsratsmanual (bem. Staats- 
archiv). 

S. B. B. = Sammlung bemischer Biographien. 

Seh. G. U. B. =r Schfirer, Geschichte der öffent- 
lichen Unterrichtsanstalten des deutschen Kan- 
tonsteils des ehemaligen Kantons Bem. 1829. 

Seh. R. M. SS Manual des Obem Scfaulrates (bem. 
Staatsardiiv). 



St M. = Manual des Staatsrats (bem. Staatsarchiv). 

U. P. = Unnütze Papiere (bem. Staatsarchiv). 

Test B. = Testamentenbuch (bem. Staatsardiiv). 

T. Missb. = Teutsch Missivenbudi (bem. Staats- 
archiv). 

V. M. = Vennermanual (bem. Staatsardiiv). 

W. B. = R. Wolf, Biographien zur Kulturgeschichte 
der Schweiz. 1858—1862. 



1 ^ Dr. F. E. Welti, Das Stadtrecht von Bem I, 
p. XXXVII ff. 

2^ Wohl aus Basel, wo der nächste Konvent war, 
der übrigens bis 1231 hinaufreicht, d. R. Wacker- 
nagel, Geschichte des Barfüsserklosters zu Basel 
im Festbuch zur Eröffnung des historischen Mu- 
seums in Basd 1894; Adolf Koch, Die frühesten 
NiederlassuQgen der J^ilinoriten im Rheingebiete; 
P. Konrad Eubel, Geschichte der oberdeutschen 
(Strassbufger) Minoriten-Provinz. In Basd wird 
ein Frater Hartungus de Zasingen als Mitglied 
des Minoriten-Konventes von 1270^1289 genannt; 
Wackemagel L c., p. 215, 216. Man beachte auch, 
dass eben damals, 1255, der berühmte Mhiorit 
Berditold von Regensbuig das Volk der alamanni- 
sdien Schweiz mit seinen eigreifenden Predigten 
begeisterte und dass er in der Folge auch m diese 
Gegenden, speziell nach Thun kam. (Anzeiger für 
Sdiweizeigesch. Vb, 44) 

2>Tschamser, P. F. MaJachias, Annales oder 
Jahrs-Geschiditen der Baarfüseren oder Minderen 
Brüdem S. Franc onL insgemein Conventualen 
genannt, zu Thann, zum Jahre 1251. Ebenso De- 
kan J. R. Grüner, Delidae urbis Bemae, p. 270. 

2* Chronica de Bemo zum Jahre 1255. 

2« F. R. B. II, p. 438, Urinmde vom 6. Jan. 1257. 
Sonderi>arerweise ist der Inhalt im Regest der 
Fontes total verkehrt au^efassi 

2« F. a B. III, p. 569, 28. Nov. 1293. 

31 F. R. B. III, p. 685-687. 

4^ F. R. B. VI, p. 504. 

4* F. R. a VI, p. 648, 23. Febr. 1342. 

4* F. R. B. VIII, p. 103. 

4* Urkunde im Fach Musshafen. 




411 



Qudleiuuigabeii und Eitttttentncea. 



191 



5^ Berner Oironlk des Konrad Justiiiger zum 
Jahre 1255. 

5* Uriauide Im Fach Musshafen. 

5* Justiiiger zum Jahre 1405, p. 195. Wie eine 
Urkunde vom 22. März 1406 beweist» mussten die 
Barfüsser sich zum Teil aus dem Verkauf von Ofi- 
tem die Mittel zum Neubau verschaffen. Damals 
verkauften sie eine zu Bümpliz gelegene Schuppose 
um 50 Pfd., cdie wir in unsers kores und kilchen 
buwe hin bekert haben i. Urkunde im Fach Stift 

5* Berner Chronik des Diebold Schilling, ed. 
O. Tobler, Bd. II, p. 276, und die von letzterm im 
Anzeiger fQr Schweiz. Altertumskunde 1900, p.32ff. 
mitgeteilten Notizen zur Kunst- und Baugeschichte 
aus dem bem. Staatsarchiv. B. Malier, Bern in seinen 
Ratsmanualen I, p. 190. Noch 1485 mussten Bau- 
hölzer heigefQhrt werden, und 1486 hatten noch der 
Prior von (Herzogen-) Buchsee und der Abt von 
Frienisbeig Korn als Bausteuem zu entrichten, 
HaUer L c. 

5^ Berner Chronik des Valerius Anshelm VI, 
p. 229. 

5< Ob. Spruchb., litt Z, p. 197, im Staatsarchiv. 

61 F. R. B. IV, p. 334. 

6« F. R. B. VII, 176. 

6* Urkunde im Buigerarchiv in Thun. 

6* Lohner, Die reformierten Kirchen des Kan- 
tons Bem, p. 342. E. F. v. Mfilinen, Helvetia sacra, 
II, p. 28. Cf. Eubel 1. c, p. 218. 

6« F. R. B. VIII, p. 350 und 353. 

6« F. R. B. VIII, p. 75 und Urkunden im Fach 
Musshafen« 

67 W. F. V. Mfilmen im neuen B. T. fQr 1903, 
p. 217. 

6* Original im Fach Musshafen. 

6* Auch Elbintal und Aelbental genannt, ob. 
Spruchb. W, p. 557, CC, p. 365. 

6^^ Ob. Spruchbuch Z, p. 279. 

7^ Test B. I, p.92, II, p.l4; ob. Sprudib. F, 
p. 425. 

7* Test B. I und II; Urkunde Im Fach Muss- 
hafen. 

7» F. R. B. VII, p. 59 und 387. 

7* Test B. II, p. 79. 

7^ Urkunde von 1524 ün Fach Musshafen. 

7« F. R. B. VII, p. 356. 

7 7 Die Kapelle der Anna Seiler blieb wohl un- 
verändert Die Stiftung der Anna Seiler ist nicht 
zu verwechseln mit derjenigen der Clara Seiler, 
der Witwe des Uhich Seiler, vom 19. August 1408. 
Clara Seiler übergab den Barfüssem ein Out «am 
Kfingsberg im Sulgenbach», ein solches in Giim- 
lingen und die Summe von 300 Pfd., wogegen sich 



die letztem mit WIDen Ihres Provhiziab veipflldi- 
teten, «tegUdis und ewenkllchs und ewig und mit 
einem sundrigen priester unsers ordens.. ehi messe 
ze sprechen .. uff dem altar sancti Frandsd m 
unser kilchen ze Beme gelegen aller nachest nebenst 
des heiligen crfltzes altar .. ze dien ziten, wenne 
die messe in der alten Seilerron capellen in der 
obgen. unser kildien uss kumet und gesprodien 
Wirt, oder als bald der selb priester gelleviert, denne 
und nit e ungewarlidi so sol der obgen. frow Ciaren 
messe angehebt werden ze sprechen und der Prie- 
ster denne ze derselben messe har us^gao^ Original 
im Fach Stift — Vom ersten Ehemanne der Agnes 
Eyer, Peter Eyers, ist in der Urkunde vom 17. Aug. 
1413 gesagt, er sei als ein Bruder des Franziskaner- 
ordens gestorben und liege in der Franziskaner- 
kirche begraben. Urkunde von 1413 un Fach Stift 

7» Urkunde vom 1. April 1411. Fach Stift 

7* Test B. I, p. 185. 

7^0 Test B. III, p. Ib, 1506. 

1^ Anshehn III, p. 387. 

7i> Test B. III, p. 29, 1506. 

7» Test a II, p. 33. 

8^ Ob. Spruchb. X, p. 596. 

8> Urkunde (Kopie) un Fach Musshafen. Ab 
Uebersdirift stehen die Worte «recognitio fratemi- 
tatis sancti Crispini». B. T. für 1878» p. 59. 

8* Ob. Spruchb. O, p. 36. 

8 A Test B. I, p. 222 b. 

8« Test B. II, p. 19. 

8< Test B. I, p. 237. 

8^ Urkunde im Ardiiv der Oesellschaft zu We- 
bern. Den Patron der Weber von Bem kennen wir 
nicht, vielleicht war es St Severus von Ravenna. 

8* Urkunde im Fach Musshafen. 

9^ T. Missb. J, p. 84b, 21. März 1498. 

9< Anzeiger fQr Schweiz. Geschichte 1898^ p. 18. 

9* Haller, Bem in seinen Ratsmanualen I, p.99. 

9* Ob. Spmchb. P, p. 730. 

9» T. Missb. L, p. 12b. U. P., Bd. 52, Nr. 87 
und 89. Der Chorherr Constans Keller erwukte zu 
Ende des Jahres 1512 bei der päpstiichen Kurie 
unter vielen andem auch eine Bulle für die St Ja- 
kobsbruderschaft von folgendem Inhalt: So dann 
ist der brüdersdiaft sant Jacobs hie zu den Bar- 
fOssen die gnad und fryheit veriiehen, das alle die 
brQder und Schwester von solicher brüderschaft biss 
uff die zal vierhundert einen geistlichen oder welt- 
lichen priester zu irem bichtvatter mögen erwellen, 
der sie in bapstiichen Sachen einest im leben und 
einest im tod mpg absolvieren, dodi mit etwas 
vorbehaltung, als das die bull ferrer anzöigt Darzu 
so erlangen alle die brfider und Schwestern der- 




« 



Qneileiiaiigabeii und EittutemngeiL 



^ 



selben brfiderschaft; die uff sant Jacobs tag und zu 
den vier fronvasten in die brCiderschaft kommen 
von einer vesper zu der andren siben jar und sovil 
quadrigenen applass ufgesetzter buss. 

Articuli summarii Bulle confratemitatis S. Jacohi. 
— . Fratres omnes fratemitatis S.Jacobi in ecdesia 
minorum Beme usque ad numerum octingentarum 
personanun viro et uxore pro una persona com* 
putatis habent plenam facultatem» ut quilibet eorum 
habeat eligere confessorem secularem, vel regu- 
lärem cuiusvis ordinis qui habeant authoritatem ab- 
solvendi in casibus omnibus etiam sedi apostolice 
reservatis exceptis in bulla expressis, in vita semel, 
et in mortis articulo, quotiens oportunum fuerit; 
vota commutandi omnia exceptis quinque in bulla 
expressis; plenariam omnium peccatorum de quibus 
confessi et contriti fuerint remissionem. Numero 
octingentorum defidente, is numerus per alios con- 
fratres receptos reparetur ita, ut dictus numerus 
non excedatur. Omnibus utriusque sexus Christi 
fidelibus vere confessis et contritis qui devote ca- 
pellam huius fratemitatis visitaverint a primis ves- 
peris ad secundas videlicet festivitatum sancti Ja* 
oobi et sextarum feriarum quattuor temporum, anni 
Septem anni ac totidem quadragene de iniunctis 
penttendis relaxantur. Perpetua facultatis duratio. 

9* Urkunde im Fach Musshafen und Kopie im 
ob. Spruchb., p. iO^^A4. Veigabungen an die Em- 
dersdiaft sind notiert im Test B. II, p. 132, von 
Sulp. V. Erlach (d. Spruchb. Q, p. 817), II, p. 135 
von Anton Archer, II, p. 148, von Luda Spar, von 
NikL Isenbadi, Urkunde von 1521. Jahrelang stand 
der Ratsherr Niki, von Oraffenried an der Spitze der 
Bruderschaft 

9» U. R, Bd. 17, Nr. IZ 

9' Urkunde im Fach Musshafen. 
10 1 O. Tobler in der Chronik des DieboM Schil- 
Img, p. 14, Note 4. Mit der Erklärung ist Herr 
Pfarrer Stammler einverstanden. Die Angabe in der 
Stadtgesdiidite von Ed. v. Rodt, p. 155, der Haupt- 
altar sei der Maria geweiht gewesen, ist daher zu 
indem. 

10» F. R. B. VII, p. 685. 

10» Urkunde im Fadi Musshafen. 

10* Urkunde im Fach Musshafen. 

10» Latein. Missivenbudi B, p. 26Z 

10» Cf. R. Wackeraagel, Geschichte des Bar- 
fQsserklosters zu Basel im Festbuch zur Eröffnung 
des historischen Museums m Basel 1894, p. 185f. 
194 ff. 

10 7 Ob. Sprachb. D, p. 287. 

10» Haller, Bern in seinen Ratsmanualen I, 
p. 189. 




11^ NotariatsprotokoD 1 der Staatskanzid; ob. 
Sprachb. H, p. 89, und N, p. 204, Urkunde vom 
5. Dez. 1481, F. Fraubmnnen; ob. Spmchb. K, 
p. 297; Urkunde 1502 im Fach Musshafen; ob. 
Sprachb. X, p. 596, Z, p. 761, Urkunde von 1522; 
ob. Sprachb. CC, p. 365. 

11» Ob. Sprachb. M, p. 134. 

11» T. Missb. H, p. 31, L, p. 90 b und 289 b. 

11« T. Missb. N, p. 147. 

11» T. Missb. H. p.31. 

11» T. Missb. B, p. 191. 

11 7 T. Missb. D, p. 121. 

11» Chronik des Diebold Schilling und Tobler, 
Bd. II, p. 245 und 276. 

11» T. Missb. E,p. 143 b. 

12 1 T. Missb. F, p. 80 b. Am 15. Mai 1487 be- 
sdiloss der Rat, sich beim Provinzial für Herrn 
Ringler zu verwenden, damit er als Lesemeister in 
Bem verbleiben könne, «diewil er doch an ein alter 
kommen und von miner herren statt erbora sy». 
R. M., Nr. 55, 159. 

12» T. Missb. H, p. 413. 

12» T. Missb. H, p. 75. «Er ist des ffimämens 
fryen in- und usgang tags und nachts zuhaben, sich 
des chors, besunders so die hl. aempter sollen ge- 
halten werden, nutzit anzunemen, mit ässen und 
trinken (sich) ze sündera, zu diyen oder vier tagen 
einest mäss zu haben und sust mit inzug ungepür- 
lidier personen nach sinem gevallen zuhandlen. Und 
so der vermelt herr gardian, als im dann amptshalb 
gebürt, sich dawider und dannocht in bescheiden- 
heit hat lassen merken, wird er von im mit schmäch- 
und Schältworten und sust also gehuwen, das er 
libs und lebens nit sicher und deshalb diser tagen 
bewegt ist worden uss dem gotzhus zu gand und 
sich zu fiwer erwfird, dero sin anligen zeklagen, 
zefögen, dann das wir im nadigeschriben und in 
vermögen haben wider zukeren und uns In 9er 
sadi handeln zu lassen. Und so wir nu denselben 
hem gardian bishar eins erberen geistlichen wan- 
deis und der neigung gefunden haben, fiwer gots- 
hus in ein zimlidi und gereguliert wäsen zusetzen 
und aber den berfirten herra lässmeister dem aUem 
widerwärtig ersechen, dann wh* ouch uff vergangen 
suntag der zit als er am cantzel gestanden ist, sin 
unnützen frouwen uss sinem gemach haben füren 
und von unser statt schweren lassen, davon nu 
unser gemeind nit wenig geärgert, zudem das fiwer 
orden dadurch oudi dester lichter geachtet wirdt, 
— harumb so ist an dieselb fiwer erwird unser 
emstig bitt und beger, si wöOe gevallen sölidis alles 
zubedenken uns denselben hem lessmeister an- 
gends abzunemen und aber den gaidian m jetzi- 



<K 



QndteiuttigVMn vod Eriiiitendigtti* 



1» 



gern stand und waten by uns beliben und daby 
die lessmeistery darzu wir in gnugsam und unser 
gemeind angenam wüssen, biss zu nedistkomendem 
capitel versedien lassen.» 

12« T. Missb. L, p. 28b, N, p. 147, L, p. 176 b, 
289 b, O, p. 106, P, p. 150. 

12 B Ob. Sprudib. BB, p. 70, 27. Febr. 1525. 

12« T. Missb. H, p. 75; zu 1513: T. Missb. N, 
p. 147. 

12' T. Missb. M, p.317. 

12« T. Missb. H, p. 413. 

12» T. Missb. K, p. Z 

12iOT. Missb. L,p. 28 b. 

12 u T. Missb. L, p. 90 b. 

12» Ob. Sprudib. M, p. 134, 28. Okt 1490. 

121* Test B. II, p. 64. 

13^7. Missb. M, p. 317, 22. Juli 1511, und 
Haller, Bern in seinen Ratenanualen I, p. 191, 
zum 16. April (!) 1512, wo aber Joh. Paidi voran- 
zusteUen ist; da er nie Provinzial war. Der Schluss« 
Satz der Stelle heisst: cdesglichen eflich, so Herr 
gaidian anzöugen wirdt, abzuvordem». 

13* Anzeiger für Schweiz. Oesdiidite 1879, p. 
217; aus T. Missb. L, 28 b; Baditold, Oesdiichte 
der deutschen Lttteratur in der Sdiweiz II, p.446. 

13* Bachtold, L c, p. 423 etc 

13« Urlc. Fach Musshafen, 19. Okt 1521 ; Stfirler, 
Urlc zur bem. Kirchenreform I, p. 6, 18, 96, 98 ff., 
126; Anshehn, Bemerchronik IV, p. 472, 475, V, 
p. 14, 25, 59, VI, p. 243. Allg. D. Biogr., Bd. 21, 
p. 613. Das zuerst nach Schlettstadt zusammenbe* 
rufene Kapitel fand in Kolmar vom 26. April 1523 
an statt Euhely 1. c, Note 427. 

141 StOrler 1. c I, p. 134 aus T. Missb. P, 
p. 349 b. 

14» Stürler L c I, p. 127. 

14» Stürler Lei, p. 43. 

14« Stürler 1. c I, p. 57, 7a 

14» Stürier 1. c. I, p. 69. 

14« Anshelm V, p. 229L.241. Laut Stürier L c. 
I, p. 215, musste in der Kirche eine grosse Fenster- 
öffnung vermacht werden, wozu von den Herren 
von Diesbach ein grosses Fenster erbeten werden 
sollte. Würde dies verweigert, so sollte das Fenster 
mit Linnen vermacht werden. 

147 Stürier 1. c I, p. 544, 545, und II, p. 114, 
119, 120, 186. 

14« F. R. B. III, p. 603 f. 

14» F. R. B. VI, p. 136. Wir führen aus dem 
Bande V, p. 464, der Fontes noch an, dass die 
Büiger von Thun am 9. Juli 1325 den Minoriten in 
Bem zwei Freüieitsbriefe zur Aufbewahrung über* 
gaben* 



151 T. Missb. A, p. 719. 

15> HaOer L c. I, p. 189; R. M. 1, p. 76. 

15* Olassbergers Chronica inden AnalectaFran- 
dscana II, p. 111, 148^ 167, 311, und Eubel, p.16% 
163, 165. 

15« Die QueDe für die MitteUungen über die 
Schwestemhiuser biklen die Ausführungen des Ver* 
fassers in cBem, Bilder aus Vergangenheit und 
Gegenwart», Bem 1896, p. 58ff.; v. Rodt, Bern. 
Stadtgesdiichte, p. 182 ff., in mehrarm abweichend. 
Das Haus der wUligen Armen bestand schon 1337 
und befand sidi damals an der Hormannsgasse, 
Uut Uricunde vom April 1337 in den F. R. B. Vi, 
p. 346. 

15» F. R. B. VIII, p. 236. 

15* Urkunde im Staatsarchhr Freibuig. 

16 1 Justinger, p. 193. 

16 > Ob. Sprudib. Q, p. 14a 

16 * Hatter, Bem in seinen Ratsmanualen 1, p. 191. 

16« Haller, Bem in seinen Ratsmanualen I, 
p. 210; Stürler, Urkunde zur bem. Kircfaenrefomi 
II, p. 8, 18, 28, 50; U. P., Bd. 17, 23. ~ Das Klo- 
ster nahm auch weltiidie Frauen als Pfriknderinnen 
auf, wie zwei erhaltene Verpfründungsverträge be- 
weisen. So wurde am 22. Juni 1512 die Witwe 
Anna Stör als Pfründerin aufgenommen. Sie sollte 
das Häuschen des Herrn Heinrich Sdiürysen er- 
halten, sobald es durch den Tod desselben ledjg 
werde. Nachdem Anna Storin gestorben war, be- 
zog ihr Qemach Frau Maigaretha Locherin von 
Mühleberg, deren Vogt Heini Zherren zu Mühle- 
beig für sie einen Verpfründungsvertrag geschlos- 
sen hatte. Die Pfründerin sollte ihr Leben lang 
cHus und Hof, Für und Uechti Oäliriich für 8 
Pfd. Unsdilittkerzen) erhalten und mit «Spyss und 
Trank» wohl versehen werden wie ein Konvent- 
priester, nämlich alle Tage zwd Mahlzeiten, dazu 
Brot, Wein und Speise. Doch sollte ihr taglich eine 
Mass Wein zukommen, während die Priester nur 
ein DritteU emer J^ss erhielten. Die Frau hatte 
300 Pfd. und 30 Pfd. nach dem Tode zu bezahlen. 
Urkunde im Fach Musshafen. 

16» Anshehn V, p. 244. 

16 • U. P., Bd. 17, Nr. 24; Rechnung des gew. 
Chorherm Oeorg von Römerstal als Musshafen- 
sdiafhier von 1529L-153a 

16 T HaUer L c I, p. 191. 

16* A. Fluri, Beschreibung der deutschen Sdinle 
in Bern, im Archiv des histor. Vereins des Kan- 
tons Bern, Bd. 16, p. 597, und Haller L c I, p. 192. 

17 1 Neues B. T. für 1902, p. 125. 

17* R. M. 252, p. 6^ vom 25. Mai 1535, und 
Choigerichtsmanual Nr. 6, p. 42, vom 2. Aug. 1535. 




^ 



Quellenansaben und EittiiteniiigctL 



17 s Stfirler, Urkunde zur bem. Kirchenreform, 
Bd. I, p. 88, 20. a 23. Febr. 1528; StQrier, Bd. II, 
im Ardiiv des histor. Vereins des Kantons Bem, 
Bd. VIII, p. 8, 11, 16, 30, 127, 188. 

17* Laut der in Nr. 114 genannten Rechnung 
bezogen zwischen Jacobi 1529 und Jacobi 1530 
alle vier Fronfastengelder mit je 2 Pfd. nur noch 
der frühere Guardian Hr. Hans Hugo, Hr. Niki. 
Willenegker, Hr. Marx der Keller und Bruder Hans; 
nur 1-^ Fronfastengelder oder gar nur Kleidungs- 
stücke bekamen Bonaventura Oatti, Hr. Jakob, der 
Pfarrer in Nidau wufde, Hr. Hans Ramser, der 
früher in Trüb war, Hr. Jakob Oottstatter, Hr. Rud. 
Schneuwly, Hr. Stefan, früher Km±herr an der Lenk, 
Hr. Wernher, Hr. Hans Zwick, der Barfuss (erhielt 



» 



4 Pfd. für den Abzug), der alte Kirchherr zu Siris- 
wil und seine Frau, Hans Alaep, Landsperger, Cri- 
stan Leeman und Jörg Witzig. 

17» Anshehn V, p. 249; Geiser, Geschichte des 
bem. Armenwesens, p. 34 ff.; Haller L c. I, p.472. 

17* Der Hausrat im Hause der Barfüsser in 
Neuenstadt wurde 1534 unter das Kloster Frienis- 
beig und das Stiftamt von Bem geteilt (Inventar 
von 1534 im Fach Stift) Der Ertrag des Wein- 
berges an der Klosterhakle In Bem ist bis 1573 
stets in den Stiftrechnungen verrechnet 1576 je- 
doch wurde die Halde, nachdem Gärten daraus 
gemadit worden waren, an fünf verschiedene Pri- 
vate veräussert (StiftrecJmungen). 



Die Qttardlane des Klostert. 



1254/55 1257/58 

1262 

1266 

1301—1318 

1325-1327 

1331 

1333-1335 

1342 

1345 

1348 

1396^ 1406 

1459, 1460 

1464 

1466 

(1479).1492 

gegen 1504 
1507 
1510 
1512 VI 22 

1520 VI 8 

1521 X 19 



Hartungus 

Andreas 

Wal[tfaenis] 

Rodolfus de Bunsdien 

Heinrictts de MfiUiusen, dictus Res 

Johannes Knello 

Chunrat VIscher 

Johannes 

Rudolf von Matzendorf 

Rudolf Oftier 

Johannes von SigriswIl 

Michel Walgk 

Oüian Oraff e 

Erhart von Schneit 

Johannes Küng 

Johannes Pauli 
Johannes Hassler 
Adam Meys 
Johannes Hug 

Nlldaus WOIenegger 
Hehuich Sinner 



1524 XII 9-1528 Johannes Hugfonis] 



F, R B. II 377, 470. 
II 566,567. 
II 654. 

IV 53, 334; V 34. 

V 5, 461, 464, 501. 
V805. 

VI 58. 
VI 648. 

VI 658. 

VII 356. 

UiIl f. Stift und F. Burgdorf. 

Ulk. F. Stift und F. Musshafen. 

F. Musshafen. 

ob. Sprachb. E, 184. 

Schilling II 276; ob. Spradib. M, 134; N, 74; 0. 36; 

T. Miss. B. G, 198b; 243b. 
T. Miss, a L, 28b. 
T. Miss. B. L, 289b. 
Eubd 1. c Note 729. 
UrL F. Stift et 1524 und die Sduiffner 

1521 Schaffner F. Musshafen. 
Ulk. F. Stift Cf. die Schafftier. 
Urk. F. Musshafen. 1523 V 21 als Ouardian nadi 

Königsfelden geschickt durch den Rat 
UrL F. Musshafen. 



1325 

1481-1483 
146^1 V » 
1490X28 



Lesemelster. 



Ulricus Berg» 

Jakob Damp oder Dämmen 

Hr. Ringier 

Jöig Knchen 



F. R a V 464. 

Sdiülhii^ II; T. Miss. B. E, 143b. 

RM. 

ob. SpniGhh. M, 134. 




239 




1512 VI 22 
1520 VIII 23 
1521-1524 



Qndlenaiigtben und EittitteniiigaL 




Jakob OiHzer 

Joh. Tlmpfli 

Dr. SebMtfan Meyer 



Urk. F. MnssIttfeiL 
6b. Spmdib. Z, 197. 
Note 4 zn S. 13. 



1507 VI % 1512 
1521 X 19 
1524 XII 9 



Schallner. 

(Die wehlidien Schaffner sind nidit berficktichtigt). 



Job. MolHoris oder MüUer 

Job. Hug 

Nildatis Wmenes^er 



T. Miss. B. L, 289.; Urk. F. Mnsshafen. 
Urk. F. Mussbafen. 

Urk. F. Mussbaien; 1525 weggesdiickt, T. Miss. & 
P, 349; 152B-? bn Kloster, a. die Ouardkne. 



Brfldcn 



1257/58 


Henricus de sancto Oallo 


F. R. a II 4m 


1258 


Jobannes 




> II 478. 


1262, 1265 


Jobannes de Sumolswalt 




> II 566^020. 


1262 


C de Rlcbtelbadi 




» II 566, 567. 


1304 


Jobannes von Wissenbuig 




» IV 178. 


1308 


Heymo von Bid 




► IV 327. 


1318 


Cbunradus didus Snello 




» V34. 




Burduudus de Swarzembnig 




► V34. 




Ubicus de Belpo 




1 V34. 




Jobannes didus Knello 




V 34. a. die OuanUane. 


1325 


Rudolfiis didus de Bunsdi 




» V 464. Cf. die OuanUane. 


1325 


P. de Spietz 




» V434. 


1342 


Jobannes Hflimar 




» VI 648. 


1347 


Peter von Bunsdien 




» VII 289. 


1360 


Cbunrat 




> VIII 375. 


1396 


Peter Ammans 


Ulk. Z, 1396 I 4, F. Stift 


1428 


Jobannes von Sduffiusen 


Urk. F. Mussbafen. 


1449 


Midid Walk 


ob. Sprudib. D, 236^ CL die OuanUane. 


1470 


Hans Bene 


Test a I, 148. 


1483 


Rudolf Kartenmadier 


T. Miss, a E, 143b. 


149% 1493, 1512 


Hdnridi Sdifiiysen (von Bern) 


ob. Sprudib. M, 134; T. Miss, a H., 413. 




Vizeguardian 


1512, Ulk. F. Mussbafen. 


1490 


Rolet?? 


ob. Sprudib. M, 134. 


1490 


Rudolf Lcdradi 


ob. Sprudib. M, 134. 


1490 


Ludwig VögeU 


ob. Sprudib. M, 134. 


1493 


Heinridi Sibentaler 


T. Miss, a H, 413. 


1493 


Uenbart von Mülhusen (von Bern) 


T. Miss, a H, 413; (? K, 2; L, 28b. 


1493 


Jakob Spängier (von Bern) 




1508 


Hans Sdinider 


Uli. F. Mussbafen. 


1512 


Job. Ziegler, Vlzeguardüm 


Urk. F. Mussbafen. 


1528 


Oeoig Zumfiss 


Stfirler, Utk. z. bem. iCbdienrefonn. 


1528 


Jobannes Midid 


» 1,545. 


1528 


Peter Breit 


II, 47. 


1528 


Hans Zwidc 


U. P 


>. Bd. 17, Nr. 24. 



Im Wette von K. L F. Lobner, cDle reformierten Kirdien und ibre Vorsteber im ddg. Freistaat Bem», 
S. 18, sind nodi einige andere angegd)en, die aber durdiaus nidit sidier begbiuMget sfaid. 




240 



Qndlciungtbcn und Eittntemngen. 



Die Slegd de* Konventes und des Ouardlana. 



Nr. I. Nr. 3. 

Man keant drei verechicdene Sicgd dea Kon- 
ventes. Sie haben als SiegelbQd den als Weltriditer 
thronenden Christua, die Rechte zum Segnen e^ 
bolien, in der Unlien ein Buch haltend. Wie e* 
z. B. auch auf einem von Pfarrer Stammler Im Bemer 
Taschenbudi für 18QI, S. 216 ff. beadiriebenen K&- 
nlgafeldcr Antependium geachieht, thront der Eilöaer 
Im ersten Siegel auf einem Regenbogen. 

Nr. 1 hingt an der Urliunde vom IHän 1254. 
im Fach Fraubrunneo. Von der Umschrift sind 
nodi die Wwte FRATRVM-M(IN)ORVM erkennbar. 

Nr. 2 hingt an der Urkunde U 503 des Burger- 
spttals vom 31. Mai 1406. Dasselbe Si^el hingt 
audi an Urkunden: 14. Febr. 1345 und 17. Aug. 1413, 
Im Fadi Stift; 12. Mal 1507, 4. Jtmi 1512 und 22. Juni 
1512, 22. Dez. 1522, im Fadi Musshafen. Die Um- 
sduift lautet: -f-SIQlLLVMFItATRVMMINORVM 
INBERNa 

I^. 3. Das Original dieses Si^ela hingt an der 
Urkunde vom 6. Juni 1522, im Fach Musshafen. 
Es findet sldi sonst nodi an Urkunden vom 13. Dez. 
1905, Fadi Stift, Xaid vom 15. April 1506, Fadi Muas- 
hafen. Die Legende enthSH in gotlsdien Minuskeln 
die Worte: ^fObe ::■ fem — ■:• mioco ■:• in ■:• 
bcmo. 

Die zwei Siegel, die die Ouardiane geführt ha- 
ben, weisen einen heraldisch gezeichneten Adler 
auf. Das erste Siegel, Nr. 4, ist erbalten an Ur- 
kunden vom 14. Aug. 132^ 5. Dez. 1337 und 3. Jan. 
1396 In Fach StIfL Die L^cmle lanteti + S-OAK- 
DIANI*BERhfEN. 



Das zweite Siegel, Nr. 5, befindet sidi an Ur- 
kunden vom 19. Aug. 1408 und von 1520, im Fadi 
Stift Die Worte der Umschrift lauten : + S'OAR- 
DlANl • BERNENSIS. 

Ich verdanke diese Abbildungen der Siegel der 
Oflte meme« Kollegen Dr. Rob. Durrer in Stans. 



Notls zum alten BaifQiierkloiter 

nadi der Stadtansicht des Qregorlus Sidünger ans 
den Jahren 1603—1607. 

Diese Ansidit der Stadt voq SIMeo aus der 
Vogelperspektive gesehen gibt ein ziemlidi klaret 
Bild der Klosteranlage, wie sie in den Jahren nadi 
dem Brande (1405) bu zum Umbau (1682) sidl 
entwickelt hat 

Auf der Nordseite des viereckigen Klosterhofei 
tag nur eine Halle ohne weitere anstossende RiuoH 
lidikeiten, durdi gekuppelte Massweritfenster süd- 
licfa vom Hofe aus tteleucfate^ die an ihrem Ast- 
lidien Ende genau in der Art wie der jetzige Gang 
an das neue Schulgebäude aidi ansdiloss. Ueber 
diesem Oang lag noch ein Stodcwcrk, ebenbUs mit 
gdcuppeUen Fensters von S&den her bdcuditeL 
Diese helle sonnige Halte dürfte zu geistUchea 
Exerzitien, za Vfulenrngen etb ala allgemein bo> 
liebtcr Aufenthalt in den Feientundei gedient ha* 



Ii( 



QueUenaiisabeii und EittiiieruiigeiL 



» 



ben. Der Korridor des spätem Neubaues — der 
jetzt noch bestehende — befindet sich genau an 
Stelle jener Halle, nur sind die Sfidfenster vermau- 
ert und an deren Stelle Türen in die südlich ange- 
bauten Hörsäle, und viereckige Fenster nach dem 
nördlichen Oarten ausgebrochen worden. Die De- 
ckenfriese mit den hübschen Flachschnitzereien, 
welche jetzt noch diesen Oang zieren, dürften die- 
sem alten Kreuzgang angehört haben, der nur et- 
was breiter gewesen zu sein scheint, da die Friese 
alle an einer Seite beschnitten sind (s. Taf. 10 u. 11). 

Von diesem nördlichen Gang zogen sich zwei 
Flügel nach Süden, den Klosterhof östlich und west- 
lldi begrenzend. Die äussere Front des östlichen 
Baues war gegen die jetzige um etwa 4—5 m 
zurückgesetzt (etwa der östlichen der jetzigen Mit- 
telmauem entsprechend), so dass der Nordkorridor 
über dieselbe vortrat, und der ganze Flügel scheint 
audi nur die Breite eines Ganges oder schmaler 
ineinander gehender Zimmerreihen gehabt zu ha- 
ben. Dagegen war der Westtrakt ein bedeuten- 
des, aus einem Guss einheiflich konstruieries Ge- 
bäude mit r^ehnässlger und reichlicher Fenster- 
anordnung in zwei Etagen, das in seiner Grundriss- 
konfiguration und seiner Lage mit derjenigen des 
jetzigen Aulavorbaues übereinstimmte; wahrschein- 
lich ist der letztere direkt auf den Grundmauern von 
jenem errichtet, was angesichts der schwierigen 
Fundierungen an dieser Stelle ziemlich nahe lag. 
Es scheinen die eigentlichen Wohnräume des Klo- 
sters (Zellen, Sdilaf- und Speiseräume) hier unter- 
gebracht gewesen zu sein. 

Diese beiden gegen Süden ungleich weit vor- 
springenden Flügel waren nun auf der Südseite des 
Klosterhofes durch eui Konglomerat verschiedener 
Bauten, mit ungleichen Höhen und Tiefen verbun- 
den, aus welchen noch weitere Vorbauten nach 
Süden vorsprangen, ganz willkürlich den jewefligen 
Erfordernissen entsprechend zugebaut und unter 
sich verbunden. Diese scheinen ungeachtet der 
schönen Lage mehr untergeordneten, wirtschaftli- 
chen Zwecken gedient zu haben, ebenso wie der 
Hof, der noch südlich an diese mannigfaltigen Ge- 
bäude stösst, und von diesen aus durch mehrere 
Türen zugänglich war. Aus diesem Hofe führte 
östlich ein schmaler Durchpass über den Friedhof 
(an den eingezeidmeten Kreuzen als solcher er- 
kennbar, dem jetzigen KlosterhoO und durch ein 
Portal üi die (jetzige) Herrengasse. Dieser vordere 
Wirtschaftshof war südlich und westlich von Stütz- 
mauern umschlossen, welche auf die aus dem Gra- 
ben aufsteigenden, mit Bäumen bepflanzten Halden 
sich aufbauten« 



Das eigentlidie Klostergebäude bestand also im 
wesentlichen aus dem westlichen Hauptbau und 
den südlichen Anbauten (vielleicht waren diese 
die ältere Partie), während Nord- und Osttrakt 
nur eine kreuzgangartige Umschliessung des Klo- 
sterhofes badeten. 

Für den Neubau wurde dann benützt: die 
Grundmauern des nördlidien Kreuzganges (wenige 
stens die äussere) und diejenige des Westflügels, 
während die Ostseite ganz anders, die Südseite gar 
nicht mehr ausgebaut wurde. 



18^ Die zehn Sdilussreden oder Thesen des- 
selben musste vom Jahr 1546 an jeder, der in den 
Dienst der bemischen Kirche oder Schule trat, un- 
terschreiben. Es geschah dies in dem sogenannten 
Praedikanten-Rodel, der mit den Worten beginnt: 
c Uf Zinstag 25. Mail 1546 habend min g. herm 
in gesässnem rhat geraten und geordnet und hin- 
für ze halten angesächen, das sy keinen predikanten, 
diaconum, Professoren, sdiulmeyster, lectoren an- 
nemmen, noch bestellen wellend, er undersdirybe 
sich dann hie gehaltner disputation.i Der erste 
Professor, der seinen Namen in diesen Rodel ein- 
trug, der Professor hebraicus Adrian Blauner, tat 
es mit den Worten: «Ich Adrianus Blonerus, ge- 
ordneter Professor der schul zun Barfüssen zu Bern 
von minen gn. herren, underschiybe mich hie, wi- 
der die Condusiones der löblichen disputation zu 
Bern gehalten nüt zetiiun. Augusti 11. 1546.» 

18 > Megander hatte sich bereits bekannt ge- 
macht bei der Herausgabe der Anmerkungen zur 
Genesis nach Zwinglts Vorträgen. 

18» FL b. S., p. 173. 

18* Gasparis M^andri TigurinI, nunc Bemae 
a condonibus, in Epistolam Pauli ad Galatas, com- 
mentarius. Una cum joannis Rhellicani Epistola, 
et Epigrammatis, in quibus ratio studii litterarii 
Bern, indicatur. Tiguri An. M. D. XXXIII. — Fl b. 
S., p. 173 ff. 

18^ Mit Recht vermutet Fluri, es seien darunter 
des Erasmus de duplid copia verborum ac re- 
rum commentarii duo zu verstehen. Vgl Mertz, 
G., Das Schulwesen der deutschen Re- 
formation im 16. Jahrb., p. 280. 

18« FL b. S., p. 172. 

19^ Sulzer hatte sich in Strassbuig die beson- 
dere Gunst Capitos und Bucers erworben; in dem 
Brief, welchen die beiden Reformatoren den 12. Ok- 
tober 1533 an den bernischen Rat schrieben, und 
weldien Fluri a. O., p. 176-^178^ aus den soge- 




242 



fft 



QaeUetuuigaben und Erlititemiigeii. 



51 



nannten Unnfitzen Papieren des bernisdien Staais- 
aidiivs (79, Nr. 142) veröffentlicht hat, empfehlen 
sie den jungen Bemer für eine Lehrstelle an der 
neu gegründeten Anstalt cals einen besunders ge- 
schickten jungen welcher neben anderen le- 

seren kein fleiss sparen würt, uff das Bern an ge- 
lerten und verstendigen lüten bald ein überfluss, 
ob Oott will, haben und anderen landen und her- 
sdiafften, gelerte Iflt zu Oots eer und irem lob mit- 
teilen solle». Daraufhin wurde er vom Rat den 
29. November 1533 als «Lector» nach Bern be- 
rufen. 

19» FL b. S., p. 184. 

19' Er musste die Stelle des Dr. Sebastian Meyer 
übernehmen, der nach dem Tode des Reformators 
Berchtold Haller dessen Nachfolger geworden war 
(1536). 

19* FL b. S., p. 191 ff. 

20 1 Sdion 1528 bei der Errichtung der theolo- 
gischen Schule wollte der bemische Rat den NikL 
Pfister mit Megander und Hofmeister berufen; er 
war damals Sdiulmeister von Chur, aber Büiger- 
meister und Rat dieser Stadt liessen ihren «wol- 
gelerten maister» nicht von dannen ziehen (FL b. 
S., p. 164). Erst 1535 kam er in den Kanton Bern, 
zuerst nach Thun, dann 1542 nach Brugg, wo er 
sich grosser Beliebtheit erfreute. 

20» Eberhard von Rümlang war während der 
Bemer Disputation einer der vier geschworaen 
Schreiber gewesen; er wurde 1546 der Nachfolger 
des Schulmeisters Joh. Heinrich Meyer, der drei 
Jahre vorher von seiner Pfarre zu Bätterkinden zu 
diesem Amte nach Bern berufen worden war. Der 
damalige Stadtschreiber Peter Cyro machte zu der 
Wahl die Bemerkung: cMeyerly von Baterchingen, 
Lutheranus et Bucerinus compositus ex duobus 
comiptis». (FL b. S., p. 190). Gewiss wäre auch 
er mit Thomas Orynaeus als ein Anhänger Luthers 
und Bucers gemassregelt worden, wenn er nicht 
gerade zwei Tage nach der Orossratssitzung, in 
welcher der Zellerhandel abgetan wurde, gestorben 
wäre. I i 

20» Abgedmckt in FL b. S., p. 206 und 207, aus 
dem Eidbuch Nr. 3 im Staatsardiiv. 

21 1 Fluri hat p. 185 und 186 aus dem T. Missb. 
den Wortlaut des Schreibens mitgeteilt, welches die 
bemische Regierung in dieser Angelegenheit an den 
Ammeister und Rat der Stadt Strassburg richtete. 
Am letzten Tag desselben Jahres schickten die Ber- 
ner ein Dankschreiben an Sturm, den supremum 
universitatis rectorem, für die Mühe, die er mit 
den Bemer Studenten gehabt 

21 » FL b. S., p. 195. 



21 » Zu Anfang der Vierziger Jahre war Jakob 
Storch, ein getaufter Jude, für das Hebräische 
angestellt, aber schon 1546 wieder entlassen wor- 
den. Auf ihn folgte Adrian Blauner, der bald nach- 
her nach Büren versetzt wurde. 

21 * Zu Anfang des Jahres 1548 hatte auch noch 
Simon Sulzer als Opfer des Sakramentstreites wei- 
chen müssen; zu seinem Nachfolger erkoren die 
Bemer den Johannes Haller, der Prediger an der 
evangelischen Kirche in Augsburg gewesen war, 
aber diese Stadt das Jahr vorher hatte verlassen 
müssen. 

22 1 Auch aus dem Brief vom 6. Juli an Bul- 
linger. FL b. S., p. 197 u. 198. Daselbst und p. 199, 
Uebersetzung des lateinischen Textes in das Deut- 
sche. 

22» Siehe Haag, Mitteilungen der Gesellschaft 
für deutsche Erziehungs- und Schulgeschidite, IX, 
p. 306, Anmerk. 5. 

22» FL b. S., p. 170 und 18a 

22« Siehe oben p. 18. 

22« FL b. S., p. 187. 

22» Wie man nach den hochinteressanten Mit- 
teilungen des Johannes Haller an BuUinger vom 
27. Juni 1549 leicht berechnen kann; FL b. S., p. 205. 

22» FL b. S., p. 187. 

23^ Nach dem Ratsbeschluss vom 15. Februar 
1529; vd. FL b. S., p. 166. 

23» Das Wort für die Stiftung wurde bald auf 
das einzelne Stipendium aus derselben übertragen. 

23 » FL b. S., p. 186. 

23* Zum erstenmal abgedmckt von Fluri, b. S., 
p. 207 ff., aus dem ersten Polizeybuch, FoL326l--331. 
In den Anmerkungen dazu hat er auch eine Kopie 
des Originals in Band 91, FoL 117 ff. des Konvent- 
archivs herangezogen, in welcher Erläuterungen und 
Zusätze sich finden, die er dem Schulmeister Christ 
Amport zuschreibt 

23» Die Untere Schule zählte, wie schon vorher 
die alte Lateinschule, 5 Klassen. An ihr lehrten, wie 
uns die Ordnung besagt, der Schulmeister, d. L der 
Leiter der Anstalt, femer ein Provisor, drittens ein 
Lektor und viertens ein Locat Die drei ersten 
hatten eine bestimmte Besoldung, während der Lo- 
cat «kein geordnet Stipendium» hatte; derselbe war 
bezeichnender Weise je der grösste Stipen- 
diat im Collegium zun Barfüssen, «welcher den 
Schulherren gevallt»; für seine Bemühung wurde 
er mit einer « Verehrung» aus demSchulherrenseckel 
abgefunden. Vom Jahr 1535 an wurde die Besol- 
dung der drei Lehrer der Untem Schule aus den 
Gutem des Chorherrenstifts bestritten (FL b. S., 
p. 183). Bald nach dem Jahr 1548 wurde noch ein 




243 



fl( 



QMllcniiigibtfi und EtttiiieflvficML 



^ 



cwdtef Locat Angestellt und &itn erhietten beide 
Locaten ein gewisses Stipendium aus dem Stilts- 
vennögen. — Die Lefarpensa wurden von den Pri- 
dikanten, Professoren und Lehrern der Untern Schule 
(die also gleichsam den c Untern Schulrat» bildeten) 
gemeinsam beraten; die Aufsicht über die Sdiule 
war also geordnet: cAll Wudien soll einer us den 
predikanten» der nit Wuchner ist, oder dem's die 
andern anhenken, in die schul lugen, wie es zu- 
gange, wie sich der schuhneyster und sine mit« 
arbeiter ouch die schuler halten, einest oder mehr, 
wie im mfiglich und fuglich ist» 

23« FL b. S., p. 204w 

241 VgL den oben p.23 zitierten Brief HaUers 
an Bullinger vom 27. Juni 1S49. 

24 > D. h. m keiner der beiden, 

25 1 cDiewyl mit denselben» -~ heisst es in der 
Ordnung, Abschnitt IV ^ «traf entlicher costen uf* 
gangen, der kum ze tragen oder ouch zu erljrden.» 

25* Unsere russischen Studenten müssen mit 
einem bedeutend kleinem Wechsel auskommen. Aus 
den Zusätzen zur oben erwähnten Kopie der Schul- 
ohitiung ersehen wir, dass nicht lange Zeit nadiher 
das Stipendium auf 50 und noch weiter auf 66'/i 
Oulden erhöht wurde. 

25 * Siehe FL b. S., p. 212, Anmerk. 2. In diesem 
Jahre wurden Peter Schneebeiger und Christian 
Ampori, denen wir später als Lehrern begegnen 
werden, nach Marburg geschickt 

25« Siehe auch FL b. S., p.211, Anmerk. 4. 

27 1 Siehe oben p. 23. 

27* VgL über B. Marti und seine wissenschaft- 
lidien Leistungen die ausführliche Biographie von 
Albert Haller, das Neujahrsblatt des Histori- 
schen Vereins des Kantons Bern für 1902 bildend. 
Femer Oraf, Geschichte der Mathematik und der 
Naturwissenschaft in bemischen Landen. Heft I. 
Ueber Müsli B. T. 1860, p. 1 ff. ; S. B. B. II, p.491 ff. 

27* FL b. S., p. 204, wo das ganze Schreiben ab- 
gedruckt ist 

27 A Vielleicht alle diejenigen, die er in seinem 
kteinisdien Ludan, jetzt O. 57 m unserer Stadt- 
bibliothek, mit Marginalien versehen hat 

28 1 Die Theorie von des Himmels Lauf und Be- 
wegung, im Reformationsjahrhundert an manchen 
Schulen gelesen* 

28* Siehe oben p. 27. 

28* Siehe oben p. 27. In dem erwähnten Brief 
Hallers an Bullinger heisst es: Interim quoque sin- 
gulis diebus Martis fiunt omnibus nobis praesenti- 
bus dedamationes Oennanicae, Sabbativis Latinae. 
Die Prädikanten wohnten also diesen Uebungen beL 

28* Siehe zu 27* und «Alpenrosen» (Beflage 



zum Intelligenzblatt der Stadt Bern), Jahigaag 1875^ 
Nr. 9, wo Professor Hagen auch die Uebersetzung 
des lateinischen Textes gegeben hat 

291 Haller a. O. p. 14. 

29* Schon 1531 war das Stiidc von Studenten 
und Bürgern in Züridi im Lesezimmer der Chor- 
herren vom Orossmünster aufgeführt worden; siehe 
O.Rückert «U.Zwhiglis Ideen zur Erziehung und 
Bildung» in Muthesius' Beiträgen zur Lehreibil- 
dung, Heft 17, p. 66. 

29* R. M. 329, p. 384 und Hallers Chronik 
(2. Sept 1554). 

29« R. M. 270, p. 15a 

29« R. M. 311, p. Z 

30^ Da über den Inhalt des Stikkcs hn R.M. 
weiter nichts gesagt wird, gelang uns die Bestim- 
mung desselben nicht 

30* R. M. 359, p. 46. 

30* P. B. III, p. 300 und 301. 

30« 1600 wurde für die beklen Untern Schulen 
zu Bern und zu Lausanne vom Täglichen Rat eine 
gemeinsame Ordnung herausgegeben, die Conför^ 
matio scholarum trivialium in ditione Bern., die uns 
über die Einrichtung dieser Schulen viel besser 
orientiert, als die Ordnung von 1548. Die alte Ein* 
teilung in fünf Kkssen wurde noch beibehalten, 
aber die unterste derselben zerfiel hi drei Orade 
oder Ordnungen, von denen jede einen eigenen Pro- 
visor hatte, so dass faktisch die Anstalt bereits acht 
KUssen zählte, wie m allen folgenden Zdten. In 
der obersten beginnt das Hebräisdie mit den Ru- 
dunenta grammatices und dem Psalterium hebrai- 
cum, in der zweitobersten das Griechische. Die 
ganze übrige Zdt ist ausser den Katecfaismusstun- 
den dem Lateinischen gewidmet; das Unterrichts- 
ziel: cdass die disdpuli ziemlich congme reden und 
schryben könnmd». Die Lektüre beschränkt sich auf 
die Briefe und einige philosophische Sdiriften Ci- 
oeros und den VirgiL In der obersten Klasse wird 
dem Professor artium bereits voigearbeitet durch 
die Behandlung der Rhetorica Talaei, sowdt die 
Tropen und Figuren in Betracht kommen und durch 
die Besprechung der Elemente der Logik. 

31 ^ Er hatte berdts m Oenf Voriesungen gehal- 
ten ; die Genfer aber und der Kurfürst von der Pfalz, 
dem er verpflichtet war, traten den Gelehrten frd- 
wülig den «von den Jesuiten umgebenen» Bemem 
ab. -> Welsch Missivenbuch I, p. 188^ 189. 

31 * Siehe oben p. 28. 

31* Auch Hübner, Hybner geschrieben. 

32^ Allbekannt als Abgeordneter der Bemer auf 
der Synode zu Dortredit 

32* Oben p. 23. 



#1 



Qttdhiiiiicibtii und Eriinlfinillgeit 



» 



32« P. B. II» p. 126, a und bu 

32 A O. B., p. 1% die Rändbctneriniag. 
32« R. M. 435, p. 24a 

32« Fl b. S., p. 201 

32* Oben p. 24. 

33^ In dem noch zu besprechenden Eriass des 
Täglichen Rates votti Jahr 1610 gegen diejenigen 
Studiosen, die sidi in das Kloster nicht begeben 
wollten» heisst es ausdrüddich» das Gebäude sei 
allein aus diesem Grunde au^riditet worden. 

33 s Siehe oben p. 24. 
33» R. M. 402, p. 422. 

33« Scfa. G. U. B., p. ll(k ^ Delidae, p. 373. 

33« R. M. ^ p. 20. 

33« Zehender gibt in seiner Kirchengeschiditt 
den a Juli 1582 an; 1582 ist Verschreibung für 
1581 (wie solche Verschreibungen in seinem Werk 
des öftem vorkommen), denn seine Quelle für diese 
Angabe ist offenbar ein in dem ihm wohl bekannten 
Band VIII des KonventatthIvs eingeheftetes Folio- 
blatt, Nr. 187, auf weldiem auf der einen Seite 
ftteht: «Curiosa. Lettner in der grossen Kirch, erster 
Gesang daselbst — » der Obern Schul Inauguration 
_ EtÜiche alte Pfarrer benamset » Auf der andern 
lu Punkt 2: «1581. d. 8. Julij sind die Schuler Kna- 
ben mit den Studiosis auss der grossen Kirchen in 
der procession die Herrengassen auf in die nefiwe 
Schul gezogen zum ersten mahl, und im gehen ha- 
ben sie gesungen den 114. psalm da Israel auss 
Egipten zog etc und ist auch darzu die posaun 
geblasen worden. In der Schul aber sindt sie von 
Mnghh. den Rähten und Schulherren empfangen 
worden, da auch H. Decan Fädminger Mnghh. ge* 
dancket umb den neuwen Bauw, und auch in na* 
men der Knaben einen neuwen Fleiss ins kfinfftig zu 
erweisen versprochen, woraufhin Ihr Gnd. Schulth. 
von Mfillinen in namen Mrghh. alle gutwilligkelt 
gegen einer gantzen Schuel versicheret, wie auch 
darby Ihrer pflicht vermahnt, damit Mnghh. den 
grossen Costen nicht vergebens angewendt habindji 

Schrift, Orthographie und Sprache dieser Mittel* 
lung sprechen deutlich dafür, dass sie zur Zeit der 
Einweihung oder doch bald nachher geschrieben 
worden ist Wir nehmen also den 8. Juli 1581 
(nicht 3en 8. Juni, wie es auch in den delidae 
heisst) als Einweihungstag der Neuen Schule an. 
Wenn in dem Verzeichnis der Legate an den Schul- 
seckel (C. A., Bd. X, p. 75) es heisst: «Frauw Foi^ 
tunata Mardn bat im 1577 Jar den Studenten im 
paedagogio vergäbet an Haup^t 1000 Pfd.», so 
heisst dies nach unserer Auffassung: cden Studen* 
ten, für die in der Neuen Schule weitere Wohnun* 
gen eingerichtet werden». 




33* Nach den von Herrn Fluri mir gefälligst 
übergtbenen Notizen. 

33« P. a II, p. 198. 

34^ P. B. I, p. IQOff. 

34 > Zehender, Kirchengesch. II, p. 131. Der un 
Namen des Synodus antwortende Dekan Johannes 
Fädminger konnte den erhobenen Vorwurf nicht in 
Abrede stellen, enigegnete aber dem Schultheissen 
mit grossem Freimut, dass es mit der Sittenreinheit 
unter dem politischen und regierenden Stande auch 
nicht weit her sei 

34« Oben p. 26. 

34* Zehender a. O. Auch die Gemeinden be* 
klagten sich über diese ungeschickten und unglehr^ 
ten Prädikanten; offenbar auf solche Klagen hin 
hatte der TägUche Rat sdion im Jahr 1553 (R. M. 
325, p.42) beschlossen, diejenigen Studenten, wel* 
che sich unerlaubt verheiratet hätten, nicht mehr 
zu begnadigen, sondern an die Schulherren abzu* 
weisen und diese darin nach ihrem Gutdünken han* 
defai zu lassen. Offenbar geriet dieser Beschluss 
bald wieder hi Vergessenheit Uebrigens gaben den 
Gemeinden diejenigen nicht weniger Anstoss, wel- 
che sofort, nachdem sie einen Dienst erlangt hatten, 
«unbedacht» in den Ehestand sich begaben und 
mit ihren putzsüchtigen Weibern einen vornehmen 
Hausstand führten und sich deshalb bald in Schul- 
den stürzten; auch diesen verlas der Schultheiss 
Mülinen an dem erwähnten Synodus den Text nicht 
übeL 

35^ Fl. b. S., p. 211, Anmerk.4. Herr Fluri fand 
sie in unserm Konventsarchiv, in emem Band (X) 
mit miscellanea academico-sdiolastica. 

35* Es mögen zwei Blätter sehi. 

35* Es ist freilich wunderbar genug, dass diese 
nachträglichen Zusätze, resp. Aenderungen, mitten 
drin im Text stehen; eine plausible Erklärung wird 
schweriich dafür gefunden werden können. 

35* Vor dem September 1590, weil es in dem- 
selben heisst (Kap. II, § 1): «erstlich werdend von 
einer hohen Oberkeit im Collegio erhalten 20 stf* 
pendiaten, denen ist der Professor theologiae als 
ein Leiter undOeconomus oder Schaffner fürgsetzt». 
Im September 1590 wechselte die Präpositur auf 
dem Kloster und ging aus den Händen des Theolo* 
gus in die des Philosophus über; eine Randbemer* 
kung zu dem zitierten Satz sagt: «jetz Philoso* 
phiae». 

35« R. M. 421, p. 373, und 422, p. 85, den 26. 
Juni und 11. September. 

35* Fluri hat a. O., p. 212, die weitere Vermu* 
tung ausgesprochen, dass die der Revision zu Grunde 
liegende Ordnungi die also zwisdicn 1582 und 




Qoellciuuigabeii und Eittitteniiigeii« 



m 



1590 verfasst worden sein muss» identisch sei mit 
der Ordnung, weldie Haller in seiner Bibliothek 
der Seh. O. II, Nr.121y zitiert, vom Jahr 1585, von 
der aber sonst niigends etwas erwähnt wird. 

36^ Es ist das fünfte Kapitel der Ordnung, das 
den Titel hat: cLeges communes. Omeine satzun* 
gen die Studenten im Closter und uff dem Paeda- 
gogio sampt den Obristen Schuleren betreffende. 
Mit angehenckter Straff der Uebertretteren. » Es 
sind zwar zum grössten Teil die sogenannten leges 
domesticae, darunter aber auch Bestimmungen, die 
nicht allein die Alumnen im Kloster und auf dem 
Pädagogium berühren, sondern auch diejenigen Stu- 
denten, die ausserhalb dieser Anstalten wohnten 
(unter diesen haben wir doch offenbar die f Obri- 
sten Schuleren» zu verstehen), daher jedenfalls die 
Bezeichnung l^es communes. 

36* Ueber d^m u ist im Original ein kleiner 
Kreis angebracht, das unser Setzer mit seinen Ma- 
trizen nicht geben konnte. Die allemannischen und 
germanistisch gebildeten Leser werden im Folgen- 
den die Wörter, in denen der betreffende Diphthong 
ebenfalls vorkommt, von selbst richtig lesen. Uebri- 
gens ist der Schreiber der Ordnung in der Bezeich- 
nung desselben gar nicht konsequent 

37^ § 27 ist durchgestrichen. 

38^ D. h. wenn an der Kreuzgasse ein Todes- 
urteil verkündet wird. 

39^ Dieser Zusatz ist von späterer Hand hinzu- 
gefügt 

39* Nach der Ordnung, wie sie im O. B. I ein- 
geschrieben ist 

39 * Auch in der Stadt gab es dazu Gelegenheit, 
freilich erst das folgende Jahrhundert Als die lang 
beschlossne Kirche zum heiligen Oeist wieder er- 
öffnet wurde, übergab man die Besorgung des 
Gottesdienstes zwei Kandidaten im Kloster. Die 
Gemeinde war aber mit ihren Leistungen nicht 
zufrieden und nach einem ausführlichen Gutachten 
des Konventes in dieser Angelegenheit (vgl Zehen- 
der II, p. 246 ff.) wurde die Seelsorge einem ein- 
zigen Diener Gottes und zwar einem Professor 
anvertraut; siehe oben p.32. Als aber anno 1632 
die Professoren von der Bedienung der Kanzeln 
entbunden worden waren, wurde die Seelsorge in 
der Heiliggeistkirche wiederum zweien Kollegianem 
übergeben bis zum Jahr 1721, da für diese Stelle 
ein ordentlicher Pfarrer und ein Helfer verordnet 
wurden. Wenn sie nicht zum Predigtdienst verwen- 
det wurden, so hatten sie den Vorlesungen und Ueb- 
ungen beizuwohnen wie ihre jungem Kollegen, und 
sie waren verpflichtet, alle Monate einmal die helve- 
tische Konfession zu verteidigen, während diejeni- 



gen, welche die Handaufl^fung nodi nidit erhalten 
hatten, der Reihe nach jeden Monat eine Deklama- 
tion cvon nutzlichen Sachen» oder eine philosophi- 
sche Deklamation halten mussten. Die Deklama- 
tionen, wie auch die Disputationen fanden jetzt am 
Samstag statt 

40^ Siehe über die vierte Professur oben p.30. 

40* Diese Erklärung entnehmen wir der Schul- 
ordnung von 1616. 

40* Leider beschnitt die neue Schulordnung be- 
reits die Lehrfreiheit der ProfessoreiL «Es soll 
kein Professor Owalt haben — sagt sie — einigen 
nüwen Autoren mzefueren ohne der Herren Prädi- 
kanten und Professorum VerwUligung und Mit- 
stimmen.» Mit dieser beklagenswerten Bestimmung 
wurde dem freudigen Schaffen der Dozenten, das, 
wie wir gesehen, sich so fruchtbar entwtdcelt hatte, 
der erste Stoss versetzt 

40« Oben p. 33. 

42 i P. B. III, p. 221 ff. 

42* Siehe die Ordnung von 1591, p. 41. 

43 1 Schreiben des Täglichen Rates vom 6. Juni 
1607 an die Scholarchen und Gelehrten, C A., Bd. V, 
p. 96. 

441 p. B. III, p.441 u. 442, und Einleitung zu 
der Sdiulordnung. 

44* Offenbar war audi das Dekret vom Jahr 
1610 ohne tiefere Wirkung geblieben. Wegen des 
Unfleisses der Studenten in den lectioni- 
bus und argumentationibus wurde 1613 laute Klage 
geführt, so dass beschlossen wurde, jeden Monat 
einmal, in censura menstrua, die Fleissigen zu pro- 
movieren und die Hinlässigen zu removieren «und 
dass es by sollcher der Herren Professores pro- 
motion oder remotion gültig und krefftig verbliben 
söHe». Auf der Schul und im Kloster war 
das Lateinreden in Abgang gekommen, 
so dass in beiden Häusern der asinus eingefiUui 
wurde, wie an der Untern Schule. cAber — so 
sagt der Schreiber des Konventes (C. A., Bd. V, 
p.l37) — dise puncten hatten wenig nach- 
folg.» 

44* Später un Kloster an Zeenders Stelle wir- 
kend. 

45 1 Siehe den Schluss des Grossratszettels an 
die Venner. 

45* Sie wurde gedruckt, doch sind die Exem- 
plare ganz selten geworden. Eingeschrieben ist sie 
O. B. I, p. 29 ff. Herr Seminarlehrer Fluri war so 
freundlich, mir sein gedrucktes Exemplar zu über- 
lassen; nach demselben ist die Orthographie der 
zitierten Stellen gegeben. 

45* D. i. den beiden Räten. 




246 



« 



Qudlenangaben und Eriäutenuigeii. 



» 



46^ Die Provisoren der untern vier Klassen er- 
nennt er ohne FQrtrag an die Obrigkeit 

46* Offenbar der Scholardia primarius, der Prä- 
sident des Obern Schulrats. 

47^ Die Schüler der untern Klassen der Untern 
Schule werden vom Sdiulmeister und seinen Mit- 
arbeitern befördert 

47' Bis 1623 wurde sie noch im audttorium aesti- 
vum abgehalten. C A., Bd.V, p. 164. 

48 1 Irrtümlich steht diese Bestimmung in der 
Ordnung von 1616 unter den Kompetenzen des 
Untern Schulrats. 

48* Also nach den Bestimmungen der frühem 
Edikte der Benefizien, die der Staat ihm bis da- 
hin hatte zukommen lassen, priviert sein. 

48* Die Bestimmungen von 1591 für den Ur- 
laub, vd. oben p. 40, bleiben dieselben. 

49 ^ Siehe oben p. 4Z 

49* Siehe oben p. 42. 

49* Dem Rektor fiel also in Bern die «Hand- 
habung der parlamentarischen Disdplin» (E. Hom, 
« Die Disputationen und Promotionen an den deut- 
schen Universitäten»; Beihefte zum Zentralblatt für 
Bibliothekwesen, IV, 11, p.49) nicht zu, sondern 
dem Präses der Disputation, da jener nicht allen 
Disputationen beizuwohnen verpflichtet war. 

49« Hom a. O., p. 5Z 

50^ Die Zahl 20 muss einen vermuten lassen, 
dass die Studiosi theologiae die Alumnen im Klo- 
ster sind, womit man die Absicht, die man schon 
beim Bau der Schul hegte, endlich erreicht hätte, 
dass die Theologiestudierenden wenigstens in den 
letzten Jahren ihrer Vorbereitung zum Kirchendienst 
im Kloster «eingesperrt» dem bösen Weltgeist ent- 
rückt worden wären. Leider gibt uns die Schulord- 
nung über diesen Ptmkt keinen nahem Aufsdiluss. 
Natürlich konnte die Bestimmung, dass der Theo- 
loganten nur 20 sein sollten, nicht lange aufrecht 
erhalten bleiben; bei der immer steigenden Fre- 
quenz der Anstalt musste sie fallen gelassen werden 
und so finden wir sie denn schon in der Ordnung 
von 1676 nicht mehr. 

50* Siehe oben p. 44. 

51 ^ Die mir vorliegende Ausgabe von 1590 hat 
den Titel : armilla aurea, id est theologiae des- 
criptio mirandam seriem causarum et salutis et dam- 
nationis juxta verbum Dei proponens. Die Stu- 
diosen, die dieses Machwerk zu memorieren hatten, 
waren nicht zu beneiden. 

52 1 Wie nach der Conformatio scholamm tri- 
vialium in ditione Bem., so wird auch nach der 
Ordnung von 1616 das Hebräische in der obersten 
Klasse der Untem Schule begonnen und daselbst 




die Grammatica Petri Martinij durdigenommen und 
am Psalter appliziert Wir müssen wohl voraus- 
setzen, dass die Studiosi philosophiae, die in die 
Theologie überzutreten gesonnen waren, nicht drei 
Jahre lang das Studium des Hebräischen, nachdem 
sie es kaum begonnen, auszusetzen hatten, sondem 
ebenfalls zu den Uebungen des Prof. hebraicus 
herangezogen wurden. 

Der griechische Unterricht beginnt jetzt schon 
in der drittobersten Klasse und die Schüler sollen 
so weit gefördert werden, dass sie die vier Evan- 
gelisten leidenlich interpretieren und grammatice 
resolvieren lemen. 

Die Rhetorica Talaei muss bereits in der zweit- 
obersten und die Dialectica Rami vollkommenlich 
mit allen Exemplis in der obersten Klasse auswen- 
dig gelemt werden. Hier werden auch schon alle 
Monate kurze Deklamationen gehalten, methodice 
nach der Ordnung argumentorum inventionis dia- 
lecticae disponiert « Diese Dedamationen sollen 
zwar allein von einem rentiert, aber doch von einem 
jeden insonderheit auch componiert und suber ab- 
geschrieben werden, also dass sie ein jeder bey 
Händen habe, und, wo von nöthen, dem Praecep- 
tori aufweysen, und, wo er das artifidi grammatid, 
rtietorid und logici halber befragt wird, sein judi- 
dum und UrtheU geben kann.» 

Die Einteilung der Schule in fünf Klassen ist der- 
jenigen in acht gewichen. Vom Eintritt in dieselbe 
wird niemand ausgeschlossen: «es sollen von den 
Praeceptoribus, ohne Ansehen der Person, allerley 
Jugend, niemand ausgeschlossen, zu Disciplen an- 
genommen und zu dem studieren veranlasset wer- 
den». — In den untem zwei Klassen wird neben 
dem Religionsunterricht, der sich in allen acht Klas- 
sen um den Heidelbergischen Katechismus dreht, 
das Lesen und Schreiben gelehrt, von der dritten 
Klasse an bildet das Lateinische den Mittelpunkt 
und die Hauptsache des Unterrichtes. Die Exerd- 
tatio in analysi wird aus den Briefen und Reden 
Ciceros, dem Caesar, Veigil und Ovid genommen. 
Von der fünften Klasse an wird nur noch Latein ge- 
sprochen. «Endlich, so sollen die disdpuU dieser 
und nachgehenden Classen allein Latin reden, und 
soll derwegen der asinus anfänglich hie ange- 
steh werden. Derhalben sollen die Praeceptores 
ein jeder in seiner Class täglich hora audita nadi- 
fragens haben und denen so den Esel einmal ge- 
habt, ein tolle, der ihn zweimal, zwey, und also 
fortan, dem letsten aber, ein Eyfer zu erwecken, 
alle mahl 2 tolle werden lassen. Wer aber den 
Esel übemacht bhalten wird, sol etwas ausswendjg 
lehraen, oder vertieren, oder componieren oder 




QneHtnangabtn md EittnteraiigMi, 



51 



•oast etwas nutiUdis lu thua gehalten wcrdtn.» 

53^ Die leges conununcs der Ordnimg von 1501 
finden sich, freilich mit dieser und jener Aende- 
rung im Sinne grösserer Humanitit, teils in dieser 
disdplina domestica, teils in den bereits mitgeteil- 
ten Bestimmungen der Strafen, welche nua in die 
Kompetenz des Obern und Untern Schulrates ge* 
legt waren. 

53* D. h. von einer Settatssitzung der Studenten 
bis zur andemlchsten. 

54^ Die Piscatorbibel war also im Kloster viel 
früher eingeführt, als man sich bis anhin gedacht 
hat, da ja die offizielle Einführung derselben in die 
Kirche erst den 19. Januar 1681 erfolgte (Bldsch, 

Geschichte der Schweiz, reform. Kirchen I, p.496 

Steck, die Piscatorbibel 1806). Der berühmte Theo* 
löge war also in unserer Stadt bereits hinlänglich 
bekannt wie ihr Ph. A. Piscator 1627 einen Besuch 
madite, um im Namen des Grafen Friedrichs von 
Nassau «w^en der Brunst von 106 Häusern, einer 
Kildien und dem Rathaus eine Steuer zu begehren». 
(CA«, Bd.V, p.273). Gewiss wurde der Fremde 
ehrenvoll empfangen und herzlich aufgenommen. 
Unsere Quelle sagt uns auch, dass er vom Konvent 
gastiert wwde, und dass der Tägliche Rat ihm eine 
Liebesgabe von 60 Dukaten mitgab. 

54> D. h. bei Bluturteilen. 

55^ «Nachdem Emanuel Zeenderus in vergang- 
nen Jahren in der Küchen und dem Regiment vil 
Unruhen erweckt und endlich der Unwillen auf ihn 
fiel, und der Küchendienst zu Büren ledig stund, 
ward so vil gehandlet, dass er zu End des 1618, 
Jaares 10. December zum Prädikanten dahin be« 
stätigt waid.» (C. A., Bd.V, p.107.) 

55> Erhalten in K, Ol, p. 146ff. tan C A. 

57^ Aus der Darstellung im Ratsmanual (34, 
p. 78 ff. ^ O. B., p. 03 ff.) könnte man den Schluss 
ziehen, dass die Parteien zu gleicher Zeit ihre Sache 
vor dem Tribunal des Täglichen Rates geführt und 
einander mit Komplimenten bedacht hätten. Dass 
dem nicht so war, belehrt uns eine Eintragung im 
Konventsarchiv, Bd.V, p. 160 ff., in weldier gesagt 
ist; dass in der Sitzung vom 11. September erst die 
Herren Professoren, Tags darauf aber die Ministri 
gehört worden seien. 

57> O. B. 1, p. 08 und OOl 

57« E. I., p. 100 und 101. 

57* C. A., Bd. V, p. 160 ff. 

501 C. A., Bd.V, p. 201. 

50» XVIII, Nr. 28. 

50« C. A., Bd.V, p.301. 

50« U. P. XVIII, Nr. 3Z C A. V, p. 307. 

50« Diese Verteihing ist freüich in dem l>etref* 



fendcn Aktenstück nicht angegeben^ da aber der 
Prof.graeeus nach der Ordnung von 1616 jaden 
Monat ein Exerdtium stUi ui latefaüscher Sfmche 
anzustellen hatte, und den Vertreter der PhüosopUa 
die Pflege der Dedamatio Überbunden war» so ist 
sie als sidier anzundunen. 

60^ Im C A., Bd. V, p. 306, lesen wir: €1635, 
den 24. Juni — also ein hattses Jahr nachher — ist 
endlich H. Henzi nach lang währender AHersbiödifr 
keit durch die Wassersucht seiner Schmerzen und 
des miUiseligen Lebens eximiert worden. Schon 
lange versah er die Profession nit nach notdurft» 

60« P. B. V, p. 338. 

60« Siehe oben p. 32: 

60* Man unterschied also bereits nicht mdir 
zwischen den beiden Theolegieprofessoren novi et 
veteris testamenti, sondern nach alter ä4anier zwi- 
schen dem Theologus und dem hebräischen Pro- 
fessor (so audi in der Ordnung von 1676); jener ist 
der erste unter den vier Professoren, der hebraicus 
ist dem graecus und dem philosophus an Rang 
und Oehah gleichgestellt So spridrt das Dekret 
vom lOi März 1640 von dem Herrn Theologus einer« 
seits und den dreien Herren Professoren anderer* 
seits. 

60« P. & IV, p. 430. 

6n Der Titel der betreffenden Aufzeichnung 
heisst cVerzeichnuss der Stipendien und besoldung 
der hernach verzeichneten Schukiiener allhie, sampt 
und sonders»; aber leider folgt nur diejenige des 
Prof. Maser, der un Jahr 1636 Herr im Kloster war. 

61 « U. P. XVIII, Nr. 57. Das Jahr ist nicht an« 
gegeben. 

61 « D. h. stärken. 

61 « Das übrfge Brot erhielten die 16 aus dem 
Musshafen. 

61 « Ueber die Bedeutung dieser Ausdrikke sidie 
unten "Slie Musshafenordnung von 1643. 

61« C. A., Bd. IV, p. 506. 

61 V Oben p. 6a 

61« C. A., Bdiq, Sifick 75. 

62 1 Siehe oben p. 23. 

62« C A., Bd. VIII, p. 473. 

62« Des weitem besümmte das Testament «in 
s<Mlicher erkiesung (nämlich der SchiUer) allwegen 
die gelehrten und bessern ingenia, die gehorsam» 
men und unter denselben der mit todt abgangenen 
oder sonst guths halber nnvermöglidien Predi- 
kanten und Schulmeisters (zu Statt und Land) S6hne 
und under denen allen die von Thun (ohngeadi^ wie 
viel derselben zuvor m dieser zahl begriffen) s6l- 
lend den Vorzug haben, inmassen dass, so oft sich 
ein enderung oder Promotion zutrcgt, ein Sduil* 




aig 



Ift 



Qudleiuuigiben und Erliuterangen. 



Ib 



meltter von Thun soll angesprochen und sein Schul 
ersucht werden, ob da etliche zu diesem Stipendio 
tugenUch und lustig seyn möchten, in welchem fahl 
selbige vor allen andern aus sollend zugelassen und 
angenommen werden». 

62 * Ich entnehme dasselbe dem Musshafenmu- 
sterungsbuch 2 (die Musterungen von 1716—1758 
entiialtend), p. 1. Es ist aber sicherlich nicht erst 
im Jahr 1716 festgesetzt worden, sondern muss altes 
Herkommen sein. 

62 ft Vom Jahr 1745 an erhielten die Professoren 
und Präceptoren je zwei Oulden; sie waren wohl 
bei der «Musterung» immer vollzählig anwesend! 

62« U. P. XVIIl, Nr. 48. 

63^ P. B. V, FoL600ff. 

63* Der einfache Musshafen bestehend in einer 
Kellen mit Muss und einem einpfündigen Brot Die 
Pädagogianer-Mfitschen waren also die grössten 
und schwersten. Die Zahl 15 der Cxteri wurde in 
der Folgezeit nicht mehr inne gehalten; 1716 z. B. 
stieg sie auf 35, 1758 auf 55 an. 

63 * Den doppelten Musshafen erhielten die sechs 
Provisoren und die beiden Lehrmeister der Untern 
Schul, ebenso je 10 Schüler der beiden obersten 
Klassen, der achten und der siebenten; den ein- 
fachen je 10 Schüler der 6., 5., 4. und 3. Klasse. 
60 Schüler also, 31 Studenten und 8 Leh- 
rer, zusammen 99 Personen erhielten 
tagtäglich den Musshafen und so bedeu- 
tete denn diese Subsidiäranstalt auch nach der Re- 
form des Jahres 1643 keine kleine Wohltat zu Gun- 
sten des Schul- und Kirchendienstes. 

641 p. B. VI, p.4b ff. 

64« P. B. V, p. 235. 

651 C. A., Bd. 5, p. 300. 

661 R. M. 88, p. 107. 

66* Wir entnehmen diese Episode der bemi- 
schen Schulgeschichte der ausführiidien Eingabe 
der Exteri an die Geistlichen vom 4. August 1653 
in K. 91, p. 175 ff. des C. A., neben der Eingabe der 
Kollegianten von demselben Jahr das interessan- 
teste Aktenstück des 17. Jahrhunderts. 

671 Schon zehn Jahre vorher wird ja, wie wir 
gesehen, von seinem schweren und nunmehr fibel- 
mögenden Alter gesprochen. 

67 > Die Geldkalamitäten zu Ende des 30jährigen 
Krieges sind bekannt 

681 In einem prächtigen Gedicht, das wir hier 
mitteilen und das uns beweist, dass es unter den 
Kollegianem doch auch tüchtige Lateiner gab, be- 
singt bald nachher Joh. Heinrich Ringier, 
den wir im folgenden Jahrhundert als Professor 
kennen lernen werden, das armselige und trostlose 




IQosterleben, wobei er audi von den Exdusionen 
spricht 

Confutatio ödes XXIX 

libr. I. Carm. Hör. 

Flacce, non mirum, studiis relictis 
Icdum fuhnen coluisse Martis, 
Bellaque ac pugnas agitasse dira% 

Castra sequendo. 
Castra sectantes cumulare magnas 
Assolent gazas Arabum potentum: 
Qui oolunt Musas miseri jacebunt 

Tempore cundo; 
Pauperes nee non inopes bonorum 
Semper existunt, sine honore: contra, 
Casta qui Mariis sequitur ferocts, 

Fertur in altum. 
Si roges me, cur hodie remittant 
Nundum multi studiis? Referrem 
Haec tibi pauds: quia dura debent 

Plurima ferre: 
Saepe mulctantur graviter pecuniä 
Ob leves causas, nihili putsntur; 
Atque permultum gladale frigus 

Corripit ipsos. 
Seu pluat, seu nix cadat ex aquosis 
Nubibus, grando quatiat gelata 
Saxa cum silvis, glades secetque 

Aspera plantas: 
Attamen sacris veniente luce 
Jugiter debent properare templis; 
Ordines visunt hypocaustaqne intrant 

vix calefada. 
Multa componunt, vacuum nee ullum 
Tempus est ipsis; faciunt ni cuncta, 
Saepe carpuntur, rigkUque multl 

Affiduntur: 
Quam nisi solvunt subito, premuntur 
Faenore immani: numerum statutum 
Saepe si excedunt, removentur. Eigo 

Flacce, sfleto. 

Joh. Hdnr. Ringierus fadebat 

68* Dass die Studenten während der Behigerung 
Berns durch die Sdiaren Leuenbetgers Kriegsdienste 
taten, wird auch von den Historikern berührt Wenn 
aber TiUier IV, p. 181 erzählt, dass die rebellischen 
Bauern am 28. Mai euien Angriff auf die Neubrficke 
gemadit, aber beim blossen Anrücken der bewaff- 
neten Studenten, die weisse Hemden über ihre Klei- 
der angezogen hätten und beim Mondschein von 
ihnen für gehamischte Männer gehalten worden wä- 
ren, erschreckt alle Reissaus genommen, so mödite 



249 



^ 



Qiidleiiiiigabeii imd EittnlemiigeiL 



nadi dem miigeteflten Dokument diese Episode 
doch in das Gebiet der Legenden zu verweisen sein. 
Wenn die Exteri in dieser Weise das Vaterland ge- 
rettet hatten, so würden sie sich jedenfalls in ihrer 
Eingabe auf ihre Heldentat berufen und nicht wenig 
darauf gepocht haben; die Darstellung ihres Kriegs- 
dienstes ist aber derart, dass mau vielmehr aus ihr 
sdiliessen muss, sie seien mit den Revolutionären 
gar nie zusammengestossen. Auch hatte, von an- 
dern Bedenken abgesehen, ihre kleine Zahl — die 
Alumnen mussten ja im Kloster bleiben — wohl 
kaum genügt, um den handfesten Bauern den ge- 
wollten Schrecken einzujagen. Die Legende wird 
aus dem Spott zu erklaren sein, den die ergrauten 
Krieger mit den i^ilchbärten trieben, von denen 
ein Teil kaum das 16. Alters jähr hinter sich hatte. 

68* Sie kam in den Besitz Schärers, des Ver- 
fassers der bemischen Schulgeschichte und findet 
sidi in dessen schriftlidiem Nachlass auf der hie- 
sigen Stadtbibliotfaek. 

68^ Es ist wohl möglich, dass diese Eingabe mit 
den eben besprochenen Verhältnissen zusammen» 
hängt Wir wissen nicht, wie der Streit zwischen 
den Kollegianten und den Exteri geschlichtet wurde, 
dürfen aber annehmen, dass es zu Gunsten der ge- 
wesenen Krieger geschah und das mag der Grund 
gewesen sein, dass nun die Alumnen im Kloster 
dieselbe Freiheit sich erringen wollten, welche ihre 
Gegner genossen. 

70^ Nadi diesem Wort hiess es ursprünglich im 
Text: «durch färlessigkeit und Ungeschicklichkeit 
der Diensten sehr schlechtlich und übel zugerüstet 
und », doch dieser Satz wurde dann gestrichen ; man 
kann sich denken, weshalb! 

75* P. B. VI, Fol 287, b. 

75« P. B. VI, FoL 305. b. 

76^ Dodi wohl Studiosi philosophiae, die sich 
der Staatscarriere widmen wollten. In diesem Sinn 
wird später Politicus ganz allgemein gebraudit 
Siehe C A., Bd. V, p. 571. 

76 > Oben p. 64. 

76« P. B. IV, p. L 

76« R. M. vom 9. Juni 1654. 

77^ Ueber den Umbau des Klosters, der den 
23. August 1679 beschlossen wurde, erfahren wh- 
einzig Folgendes und zwar aus dem Vennermanual 
30, p. 134 und 135: «Zedel an Mnhh. Bauwherren 
Jenner. Auff Herrn Professoris Hentzis bescfaehe- 
nes Anbringen, welchermassen seine Wohnung in 
dem Kloster, sowol an Haubt- als allen eingebäu- 
wen also schlecht beschaffen, faul und verderbt 
seye, dass er mit grösster seiner und der seinigen 
Ungelegenheit und gefahr, im fahl nit Vorsehung 




j» 



geäian werde, dorten wohnen müsse, haben Mhgfa. 
Teütsch Seckehneister und Vennere sich erinnert, 
dass sdion vor dtsem mehrmalen von der sdilecii- 
ten beschaffenheit dises orfhs geredt und die re- 
paration desselben nothwetidig funden worden, und 
haben derowegen euch Mnhh. Bauwherren freund- 
lich ersuchen wollen, weUen einfaltige reparationen 
hier nicht hafften mögen, sondern von nefiwem auff 
ein gebäüw gemacht werden muss, die erforder- 
liche Anstalt zu thun, dass von nun an die nöthigen 
i^aterialien an Stein und anderem herbey gesdiaffet, 
das hohz, sovU dessen vonnötfaen, zu rechter Zeit 
gefeilt und gearbeitet weide, damit alsdann zu 
seiner Zeit diss orths mit dem gebäüw nach dem 
gut findenden Project und Riss, dermahlen eins 
der Anfang gemadit werden könne». 

77« P. B. VI», p. 679. 

77« Wir wählen dieses Jahr, weil in den uns 
erhaltenen Schulseckelredmungen (von 1676 an) 
erst von 1684 die Ordinari-Ausgaben spezifiziert 
sind. 

78^ Der Schulseckel gab seit 1585 den Akade- 
mikern halbjähriich 12 Pistoletkronen. Den IZ Juni 
1626 wurde beschlossen, denselben ebensoviele Du- 
katen auszurichten «in betrachtung, dass die tfaü- 
rung allenüialben zugenommen, ouch die pistolet- 
kronen in teutsdiland gar unbekant und ungängig 
sind». 

78« So hatte anno 1670 der Stiftschaffner für 
Kleidungen 3005 Pfd. und für 260 Paar Schuhe 
(ä 2 Pfd.) 520 Pfd. ausgegeben. 

78« Siehe Tobler in B. T. 1889/90, p. 174 ff. 

79^ Der Sohn eines armen Bändner Geistiichen, 
den die Bemer aufnahmen und in ihren Schulen 
aufzogen, wo er ein feiner Lateiner und grosser 
Dichter vo«* dem Herrn wurde, dann zum Lehrer 
vorrückte und schliesslich von 1653^-.1684, da er 
starb, die Untere Schule leitete. 

79« Vgl oben p. 67. 

79« B. T. 1857, p. IZ 

79« Seh. R. M. II, p. 7. 

80^ Seh. R. M., p. II, p. 126. a. 

80« Seh. R. M. IV, p. 151 

80» Seh. R. M. VI, p. 37. 

81 ^ R. M. 59, p. 35. 

81« R. M. 88, p. 11, 107, 128. 

81 « R. M. 61, p. 246. 

81 A p. 303. 

81 « R. M. 137, p. 189. 

821 V. M. 21, p. 40 und 41. 

82« P. B. VII, p. 676. 

82« Seh. R. M. I, p. 22b und 32a. 




250 



IK 



QneDeiuuigabeii und Eriittterangen, 





83^ Nicht Unreinlichkeiien, wie der Ver- 
fasser des Aufsatzes «Bemerkungen Ober die Er- 
ziehungs-Anstalten zu Bern in verschiedenen Jahr- 
hunderten» (Schweiz. Museum, 3. Jahrg., p. 373 ff.), 
Viktor von Bonstetten, gelesen hat 

83* O. B. I, p. 132. 

83» E. 1., p. 133. 

83« R. M. 175, p. 359. 

83« Seh. R. M. I, p. 17, b. x 

84 1 Vgl. meine Mhandlung in Erbe's Süddeut- 
schen Blättern, IV. Jahrg., Hefte 11 und IZ 

85^ Früher hatte darin mit dem Theologus der 
Professor veteris testamenti abgewechselt Die Dis- 
putationsübungen blieben dieselben. 

87» R. M. 165, p. 177. 

87* Siehe p. 83. 

87* SdL R. M. I, p. 62, a. 

881 Seh. R. M. I, p. 63, b. 

88* Seh. R. M. III, p. 150, 216. 

88* O. B. I, p. 220 ff. 

891 Seh. R. M. IV, p. 107 ff. 

89* O. B. I, p. 223. 

89* Seh. R. M. IV, p. 253, 'qq. 

901 Seh. R. JVl. IV, p. 267 ff. 

90* Unter diesen befand sich auch der Studiosus 
J. O. Altmann, den wir als Prof. eloquentiae ken- 
nen lernen werden. 

90* Seh. R. M. V, p. 28. 

91 1 Siehe die Rektoratsrede von V. Rössel vom 
Jahr 1893 c Un jurisconsulte bemois du XVIII« 
siide, Sigismond Louis de Lerber». 

91* Das Nähere in der eben erwähnten Arbeit 
von Rosset 

91 * Der Sohn des Landvogts Daniel Tschamer 
von Neus. 

91 « Seh. R. M. XIII, p. 165. 

921 Dass Walther selber dies wünschte, geht 
daraus hervor, dass er anno 1772 an den Proben 
für das ledige juridische Katheder in Lausanne sich 
beteiligte, wobei er die Erwartungen des zuhören- 
den Publikums und des versammelten Schulrates 
nicht nur erfüllte, sondern bei weitem noch über- 
trat In demselben Jahre disputierte er sogar für 
das griechische Katheder in Lausanne und zeigte 
auch in der griechischen Litteratur schöne Kennt- 
nisse, glänzte aber vor allem im Gebrauch der la- 
teinischen Sprache. (Seh. R. M. XII, p. 154 u. 227). 

92* Dasselbe habe ich in meinen «Beiträgen», 
in denen alle Verhandlungen mit Walther genau 
dargestellt sind, wiedergegeben, I *, p. 399-^401. 

92* Aus dem Umstand zu ersehen, dass im R. 
M. der Abstimmungsmodus angegeben ist, was nur 
bei Verhandlungen geschah, welche von besonderer 



Wichtigkeit waren oder wenigstens ab soldie an- 
gesehen wurden. 

92^ Das Projektgutaditen Watten wyls ist noch 
vorhanden und findet sich in dessen schriftlichem 
Nachlass auf der Bemer Stadtt)ibliothek. 

92* Den edlen Bruder des edlen Nikiaus Ema- 
nud Tsdiamer, dem O. Tobler im Neujahrsblatt 
der Litterarischen Gesellschaft Bern 1896 ein präch- 
tiges Denkmal gesetzt hat 

92* Siehe Hg. B. I*, p. 404—406. 

931 So die Keltischen Altertümer 1783, den Ver- 
sudi über die älteste Geschichte Helvetiens 1784, 
die Geschichte Helvetiens, zweiter Teil, 1791. 

93* Gute Geschäfte scheint er freilich nicht da- 
mit gemacht zu haben, was ich daraus schliesse, 
dass dieselben Drucke von Zeit zu Zeit wieder mit 
anderm Titelblatt auf den Markt gebracht wurden; 
vga. meine c Beiträge» a. O., p. 409, Anmerkung. 
^X^altfaer war es übrigens gar nicht widerwärtig, 
dass eine Kommission die Oberaufsicht über den 
Druck seiner Werke hatte; als dieselbe im Lauf 
der Jahre nicht mehr vollzählig war und deshalb 
nicht mehr funktionierte, so bat er von sich aus, 
man mödite sie wieder ergänzen; von ihr erhoffte 
er. Schutz gegen allerlei Unannehmlichkeiten, die 
ihm in der obrigkeitlichen Druckerei bereitet wur- 
den. Im Februar 1784 ergänzte der Schulrat die 
Kommission durch den Ratsherrn Ougsbuiger als 
Präsidenten, nachdem schon vorher Wattenwyl nadi 
seinem Tod durch den Landvogt Herbort ersetzt 
worden war. Der Druck der Waltherschen Bücher 
kostete den Staat viel Geld (u. O., p.410), aber 
als Bedenken dagegen sich geltend machten, be- 
schloss der Rat (August 1784), es seien die auf die 
vaterländische Geschichte bezüglichen Werice Wal- 
tfaers in derselben Weise, wie bis anhin, auch in 
Zukunft auf Rechnung des Staates zu drucken. 

93* Hg. B. I*, p. 14. 

93« Hg. B. II, p. 99ff. 

93» Seh. R. M. V, p. 214-235; VI, p. 7, 8, 9. — 
Gr. G. M. III, 1, p. 18 ff, wo über die matiiemati- 
schen Studien und Leistungen Königs erschöpfend 
abgehandelt wird. 

941 R. M. 196, p. 329 und 420. 

94* Gutachtenbuch des Schulrates, p. 122 ff. 

951 Seh. R. M. VII, p. 71 ff. 

95* W. B. I, p. 327. 

95« Infolgedessen wurde der Basler Professor 
Johannes Bemoulli und der waadtländische Theo- 
loge Jean Pierre Perrey vom Schulrat von der Liste 
gestrichen« Aus seuien Aufzeichnungen ist es inter- 
essant zu sehen, dass er ursprünglidi gerade die- 
jenigen zu den Proben heranziehen woUte, welche 




251 



^ 



Qwllffltffgafrfp und EtttittcmiigitiL 



^ 



nadi der Vermutiiiif von Wolf (a. Ort, p. 324 ff.) 
einem Rufe nach Bern mit Freuden gefolgt wiren. 

96i Seh. R. JVL VII, p. 125, 130. 

96* Sdi. R. M. VIII, p. 24. 

96* Seh. R. M. VIII, p. 281 ff. Von den zwei 
Oeographiestunden, die ihm im ursprünglichen Pro- 
gramm zugedacht waren, wurde die eine für Ex* 
perimentalphysik bestimmt 

97^ Die Erziehungsideale, die er in diesem Buche 
niederiegt; habe ich in meinen Beitragen I* von 
p. 499 an klarzulegen gesucht 

97* Hg. B. I>, p.454fff. 

97* Dass dies der Oang der Angelegenheit war 
und die Bemer den Tralles dem Viktor von Bon- 
stctten zu verdanken haben, habe ich B. I *, p. 120, 
zu erweisen unternommen. 

97* Siehe oben p. 96. 

98^ Dieselben waren bis jetzt ün grossen Som* 
merauditorium gewesen, das zu allem möglichen 
dienen musste. 

98* Vgl Hg. B. 1*, p.97fff. 

98* Zum grossen Aerger seines Protektors Bon- 
stetten, der deshalb in seinen Briefen an den nach 
Mainz bereits abgereisten i^üUer sich zu harten 
Aeusserungen über seinen Schützling hinreissen 
Itess; vgl namentlich Hg. B. I*, p. 40. 

98« Seh. R. M. XIV, p. 124, 24a 

98* Siehe darüber W. B. I, p. 336 und 337. Es 
wurde in der obrigkeitlichen Dtuckerei in sehr star- 
ker Auflage gedruckt und für adit Batzen debitiert» 
da die Regierung keinen Gewinn damit madien 
wollte. Tralles erhielt 500 Exemplare, nahm aber 
nur 50 an. 

.98* Seh. a M. I, p. 101 ff. 

99 1 Den Academid König, Gerber und Benott 

99* SdL R. M. II, p. 145. 

99* B. T. 1857, p. 8. 

99« Seh. R. M. II, p. 45. 

100^ Siehe oben p. 88. 

100* O. B., p. 249 ff. 

100* Vorübeigehend war auch von einem Privat- 
dozenten, wenn wir diesen Namen gebraudien dür* 
fen, Geschidite und Geographie doziert worden, 
nämlich von Max Morloth. Er war im Jahr 
1692 bd der Regierung um die Erlaubnis einge- 
kommen, im Kloster Historiam, Geographiam und 
dergleichen privato nomine zu dozieren und unter- 
schiedliche Buiger, die ihn darum ersucht, darin 
unterweisen zu dürfen. Da er bereits vorher für 
Professor Bondeli, der wegen Krankheit seine Vor- 
lesungen hatte aussetzen müssen, vikarisiert, auch 
pro professione eloquentiae disputiert hatte, und 
der Regierung versicherte, er habe kein anderes 



Absehen, als sidi zu exerzieren und in löblichen 
Dingen rekommendlert zu machen, gaben ihm die 
gnadigen Herren die Erlaubnis, dass er zu seinen 
lectionibus ein Auditorium benutzen dürfe, wenn es 
von den Professoren nidit gd>raucht würde, jedoch 
mit dem heitern Geding, dass deswegen der Obrig- 
keit keine Besdiwerde oder Verköstigung aufge- 
bürdet wurde. Seh. R. M. I, p. 134. 

Der Schulrat kam dem Wunsch der Behörde 
nach und räumte dem Petenten den nötigen Platz 
im Kloster ein. 

lOn 1700 war er Studiosus geworden; lekler 
fehlt im Manual des Schuhates dessen Judidum 
über seine Proben, die er mit zwei weitem Kandi- 
daten, Kaspar Friedridi König und Samud Sprüngli, 
ablegte. 

101 * 900 Taler. Seh. R M. IV, p. 15 und 18. 

101 * Vgl. über ihn und seine wissenschaftliche 
Tätigkeit, sowie über sein ganzes Wirken in Bern, 
die erschöpfende Arbeit Ischers über Joh. Georg 
Altmann als Neujahrsblatt der Litterariscfaen Gesell- 
schaft Bern 1903. 

101 A Seh. R. M. V, p. 181. 

101 * Sie sind samt denen für die übrigen Kan- 
didaten gedruckt woiden, H. XXII, 118» Stück 12, 
p. 31, der Bemer Stadtbibliothek. 

102 ^ Nach dem Beschluss des Schulrates sollten 
nur 16 Thesen, darunter eine oder zwei katecheti- 
sche gegeben werden. Auf der geistlidien Bank 
wollte man sich eben nicht in den Gedanken finden, 
dass der Vertreter der Eloquenz auch ein Weltiicher 
sein könnte. 

102* SdL R. M. VI, p. 71. 

102* Seh. R. M. IX, p. 87 ff. 

104 1 Blösdi, Geschichte der Schweizerisdi-refor- 
mierten Kirchen, I, p. 493. 

104* R. M. 159, p. 492. Vgl auch die von W. 
Fetsdierin zusammengestellten c Bemiscben Verord- 
nungen wider die Cartesianische Phik>sophie» in 
A. H. V. III, p. 63, wo aber Verschiedenes zu be- 
richtigen ist 

104* R. M. 163, p. 486 ff. 

105^ Scfa. R. M. I, p. 74 ff. 

105* Mericwürdigerweise teflt uns D. MfisU in 
seiner Sdbsibiographie mit (Bemisches Neujahrs- 
blatt 1856, p. 31, Anmeric), dass er im Jahr 1688 
bei dem gelehrten Professor der Philosophie Sa- 
muel Leemann, der 1684 Bourgeois* Nachfolger ge- 
worden war, über Cartesius gehört und das fol- 
gende Jahr des Morgens um vier Uhr ein Privat- 
koUeg über dessen Philosophie gehabt habe. Dar- 
nach wäre das Edikt der Regierung sehr baM in 
Veigessenheit geraten! 



252 



<l( 



Qndlottiigaben und EribitemiigeiL 



51 



105« Vgl. B. T., Jahfg. 1852, p. 104 ff. «Samuel 
König und der Pietismus in Bern» von S.TrecliseL 

106^ O. B. I, p. 176 ff. 

106* Noch im Sommer 1693 war aus der Mitte 
des Schulrats eine Kommission zur Reformation 
der Untern Schule ernannt worden; sie bestand aus 
vier Mitgliedern mit Zuzug des Prinzipals. Im fol- 
genden Jahr wurde ihr die Aufgabe zu teil» auch 
mit der Reformation der Obern Schule sich zu 
beschäftigen und bald wurde diese anfänglich zu 
einem bestimmten Zweck eingesetzte Kommission 
zu einer ständigen, der sogenannten Schulkom- 
mission» welche mit der Zeit allein wichtigen Schul- 
angelegenheiten zuerst beriet, bevor sie im Plenum 
des Schulrates zur Verhandlung kamen. 

106> Seh. R. M. II, p. 11. 

106« O. B. I, p. 18a 

106» Seh. R. M. II, p. 80. 

106* Sdion im iVlärz 1698 war, wie weiter unten 
au«gef&hrt wird, die zweite theologische Professur 
angerichtet und der Professor hebraicus RodoUf 
damit betraut worden. 

1071 Seh. R. M. II, p. 81. 

107" R M. 263, p. 131. 

107» a M. 263, p. 145. 

107« P. B. IX, p. 384 ff ; den 7. September 1608. 

108^ R. M. 271, p. 487. 

108* Seh. R. M. III, p. 21. 

108» R. M. 126, p. 327. 

108« R. M. 128, p. 18a 

108« P. B. XI, p. 734 ff. 

108« Seh. R. M. V, p. 15a 

lOQi Seh. R. M. II, 66 ff. 

109* Der Primarius las an diesen Tagen von 
8>-4) Uhr; siehe den Stundenplan für die Theologie- 
studierenden vom Jahr 1676. 

109« Seh. R. M. II, p. 67. 

109« In dem Manual des Schubates steht aller* 
dings nichts darüber, aber es lässt sich doch nicht 
annehmen, dass bis zur Wahl des neuen Phfloso- 
phus, die erst im Juni 1701 stattfand, also volle drei 
Jahre, der philosophische Katheder leer stand. 

109« Ohne die gewohnten Proben, auf den Vor- 
schlag des Schuk-ats. 

1101 Seh. R. M. I, p. 177. 

110« Seh. R. M. II, p. 45. 

111 1 Seh. R. M. II, p. 108 ff. 

111« Seh. R. M. II, p. HZ 

111 « Ueber die nähere Veranlassung geben die 
Manuale keinen Aufschluss. 

111« Seh. R. M. III, p. 4-.7. 

112^ Seh. R. M. IV, p. 181. 

112« Seh. R. M. I. p. 180» b. ff. 




1131 Seh. R. M. II, p. 10, b. 

113« Seh. R. M. II, p. 35, b. 

1141 C. A. X, p. 467 ff. 

1151 Seh. R. M. II, p. 30. 

1161 Sch. R. M. 1, p. 176, 17a 

116« Darauf beziehen sich die Worte Daniel 
Müslins (B. T., Jahrg. 1857, p. 17), kurz vor Ostern 
1698 seien die Stipendien ad academias zu Gunsten 
des Professoris theologiae elenkticae um 12 Taler 
geschmälert worden. 

1171 Sch. R. M. II, p. 54, 56. 

117« O. B. I, p. 295. 

117> Sch. R. M. VI, p.30. 

117« O. B. I, p. 298. 

117« O. B. I, p. 258ff. 

117« Sch. R. M. III, p. 172. 

1181 Siehe oben p. 83, 115. 

121 1 Sch. R. M. II, p. 151. 

1221 Sch. R. M. IV, p. 27ff. 

122« Sch. R. M. X, p. 83. 

1231 Sch. R. M. III, p. 415 ff. 

123« Sch. R. M. IV, p.85ff. O. B. I, p. 267 ff. 

1241 Sch. R. M. IV, p. 303. 

124« Sch. R. M. IV, p. 30a 

124« Sch. R. M. II, p. 135, b. 

1251 SdL R. M. V, p. 33. 

125« Sch. R. M. VII, p. 53. 

125« Sch. R. M. V, p. 163 ff. 

1261 Sdi. R. M. III, p. 199 ff. 

126« Damit man sieht, was für Anforderungen 
damals an den lateinischen Stil des Abiturienten ge- 
stellt wurden, lassen wir hier das Thema folgen, 
das im Frfihjahrsexamen 1711 die apertura des aus 
der Bibliothek genommenen Buches dem Schuhst 
an die Hand gab; man fand es etwas schwierig und 
setzte deshalb die Zahl der Fehler, die pecdert wer- 
den durften, auf neun. (Sch. R. M. III, p. 289.) 

c Agatiiodes ein welti>erfihmter König in Sidlien 
soll von Abkonfft ein schlechter Haffner gewesen 
sein, und hatte es also schlechtes Ansehen, dass 
Er zu hochen Ehren gelangen wurd: dennodi alss 
Ihme das glück so gönstig gewesen, das Er zur 
königlichen würde erhoben worden, von weicheren 
Er Ihme zu vor bey weitem nit nur hatte dörffen 
träumen lassen, hat Er seiner geringen Harkonfff 
zu erinneren uss keinem Alss irrdinen Oeschir essen 
wollen. Ein loblich Exempel eines hohen Poten- 
taten, demme zu volg alle Menschen, Sonderilch 
aber die sich des Christen Namens anmassen, 
Ihnen bestandig zu Sinn legen sollten, dass Sie 
von Natur nur eitel Staub und Erden seyen; Aber 
leider, wo ist doch uss 1000 der Emt oder Ander, 
der Ihme dieses alles Ernstes lasse gesagt sein, ohn- 



« 



QaeUcnangabcn und ErttttteimigetL 



m 



geacht Solches so Nöfatig alss Oeziemend ist, Vil- 
mehr miis man Idagen, dass der mehre Thefl nur 
nit einmahl daran gedenken und einen so hoch- 
trabenden Wandel fürhen, Alss ob es Ihnen gleich 
gulte, das Oott der die Stolzen anfindet, Ihnen 
gnädig seye, und Sie Ihme in die Ruhten falllnd 
oder nit Allein so wenig Alss Oott seiner spotten 
last, So wenig werden diese unbedachtsamme Men- 
schen in Ihrer Meinung zu recht kommen, und 
werden solche mir auch nit verargen wan Ich sage, 
das es mit Ihnen dass Ansehen hab, Alss wan Sie 
sich vor Gott nichts zu f drehten hetten: es ist elende 
Sach um Alle solche Leüth, einen sowohl als den 
Anderen, die es nit mit Ihrem Oott halten. Sonder 
sidi uff Ihren Mammon verlassen, und den höch- 
sten Trotzen dörffen; Ich meines Theils wolte nit 
noch so vil guth und gelt nemmen, das Ich in 
Ihrem Zustand were. Dennoch ist unlaugbahr, dass 
Immerzu einer frömmer ist alss der Ander, daher 
man sich auch nit zu verwunderen hatt, wan Oott 
Ihme die einten mehr gefallen last AÜs die An- 
deren.» 

1271 SdL R. M. IV, p. 243. 

127 > O. B. I, p. 18Z 

127* Ob deshalb ein regelrechter Beschluss ge- 
fasst wurde, habe ich nicht finden können; in dem 
Regimentsbüchlein vom Jahr 1750 sind nur noch 
drei alt-Landvögte aufgeführt 

127« Seh. R. M. V, p. 250. Die Akten beweisen 
in der Tat, dass besagter Schieber ein elendes Sub- 
jectum und auch von seinen Kameraden best ge- 
hasst war. Dieser ihrer Stimmung hatten sie schon 
früher einmal Ausdruck gegeben und den Schieber 
in seinem Stüblin blau und grün geschlagen. Orosse 
Prügeleien gab es übrigens in den heiligen Räumen 
des Klosters unter den Theologiebeflissenen genug. 

127» V, p. 260-274. 

128^ Audi in den Ratsmanualen ist mir nichts 
darauf Bezügliches begegnet 

128 > Seh. R. M. VI, p. 146. 

128* Dasselbe geschah schon früher durch den 
Täglichen Rat So befahl er 1627 den Professoren 
und Schuldienem, dass sie die Studenten und Ju- 
gend zur Uebung der Musik und Osang alles Emsts 
vermahnen sollten. R. M. 54, p. 59. 

128* Siehe oben p. 54. 

128* P. B. VII, p. 228 ff. 

129 i Seh. R. M. II, p. 162, b. 

129* Es war der Musikant Oblasser, der schon 
längere Zeit in der Stadt seine edle Kunst ausge- 
übt hatte und im genannten Jahr aus Mitleid mit 
seiner prekären Lage für den Unterricht herange- 
zogen worden war. 



129* SdL R. M. V, p. 63. 

130t Seh. R. M. VI, p. 306. 

130* Vgl. das Nähere in meiner Abhandlung 
«Die piemontesischen und hungarischen Stipendia 
der evangelischen Orte und des Standes Bern im 
18. Jahrhunderts»; B. T., Jahig. 1901, p. 170 ff. 

130* Seh. R. M. VI, p. 15Z 

131 1 Seh. R. M. XIV, p. 281 ff. 

131' M. K.Sdi. D. I, p. 99. 

131 * Siehe oben p. 121. 

131 « O. B. I, p. 285. 

131 * Seh. R. M. VI, p. 141. 

1321 Seh. R. M. VI, p. 235. 

132* Seh. R. M. VII, p. 309. 

132* Seh. R. M. VII, p. 32a 

133^ Hg. B. n, p. 168ff. 

133 * Wir besprechen die Praestanda des hebräl- 
sdien Professors erst nachher, obwohl sie vorher 
schon bestimmt worden waren, wefl wir bei der 
Aufzählung der Prof essores hebraid auf die Lehrer 
der griechischen Sprache, als im Rang hinter ihnen 
stehend, zurückgehen müssen. 

133* Seh. R. JH. VIII, p. 301. 

134 1 1685 stellte der Kurfürst von Brandenbuig 
an den Täglidien Rat von Bern das Oesuch, ihm 
eine Anzahl Familien, die in der Viehzucht wohl 
erfahren wären, zuzuschicken zur Bebauung einer 
Oemarkung bei Potsdam. Man willfahrte diesem 
Oesudi und schickte zugleich einen Prediger mit 
den Kolonisten ab. Nach dem Vertrage, der mit 
diesen abgeschlossen wurde, erhielt der Prediger 
von S. Churf. Durchlaucht einen Jahresgehalt von 
200 Talern in Oeld und Naturalien, wozu seine 
Pfarrkinder ihm noch einen «Zuschub» nach ihrem 
Vermögen aufzubringen hatten. Der Kurfürst hatte 
ihm femer eine freie Wohnung mit Oarten und 
Wiesland zur Verfügung zu stellen, d. Bd. VIII, 
p. 505 des C. A., wo der ganze Vertrag abgeschrie- 
ben ist 

134* Seh. R. M. VIII, p. 272 ff. 

134* Sein Vicarius war David Kocher, der einige 
Jahre später zum Prof. hebraicus ernannt wurde. 

134* W. B. I, p. 354. 

134* Seh. R. M. VIII, p. 99. 

1351 Vgl. oben p. 106. 

135* Siehe Leu's Lexikon. 

135* Siehe oben p. 110—112. 

135* Seh. R. M. VIII, p. 190. 

1361 Seh. R. M. VIII, p. 197. 

136* Siehe oben p. HZ 

136* Siehe oben p. 109. 

136* W. a I, p. 360. 

1371 Hg. B. P, p. 153 ff. 




254 



Kl 



Qudleiuuigaben und Eittuterangen. 



» 



137 > Vgl darfiber im einzelnen meine Abhand- 
lungen in Erbes Süddeutschen Blattern, Jahrg. V, 
Heft4-& 

137» SdL R. M. VIII, p. 62..^. 

138^ Es wäre eigentlich Sache des Professors 
der Eloquenz gewesen» das Seminar zu leiten, aber 
der Sdiulrat hielt offenbar den damaligen HebrS* 
isdilehrer fOr den bessern Pädagogen. 

138* Seh. R. M. IX, p. 392. 

138« Seh. R. M. IX, p. 395. 

138^ SdL R. M. XI, p. 78. 

139 i Seh. R. M. XIII, p. 260 ff. 

139* Vgl über ihn und sein Wirken Hg. B. M, 
p. 393, 396, 415, 419. 

139* Seh. R. M. XIV, p. 36 und 72. 

139« Seh. R. M. X, p. 90 ff. 

140^ Seh. R. M. X, p. 91 ff. 

140* Sdi. R. M. X, p. 111 ff. 

141 1 Seh. R. M. X, p. 118 ff. 

141 * Seh. R. M. X, p. 130. 

141 * Oben p. 137. 

141 A Seh. R. M. VIII, p. 93. 

141 « Seh. R. M. XI, p. 9. 

141 * Seh. R. M. IX, p. 23. 

141 T Sdi. R. M. IX, p. 175. 

141 * Seh. R. M. IX, p. 220. 

1421 Seh. R. M. X, p. 14, 16, 27, 57. 

142* Seh. R. M. X, p. 88 ff. 

142» Seh. R. M. X, p. 147 ff. 

142« Siehe oben p. 134. 

1431 VgL Hg. B. 1 1, p. 355 ff., wo auch die Vor- 
schläge für die Reform der Untern Schule ausführ- 
lich besprochen werden. Leu gibt in seinem Lexi- 
kon den gelehrten Bibliothekar J. R.Sinnervon 
Balaiguesals den Verfasser des anonymen Büch- 
leins an. Pag. 512 a. O. habe ich die Vermutung 
ausgesprochen, dass A. v. Haller der Verfasser ge- 
wesen sei. Idi muss diese Vermutung hier zurück- 
nehmen und bin zur Ansicht gekommen, dass Leu 
uns das Richtige mitgeteilt hat; immerhin ist nicht 
daran zu zweifehl, dass Haller die Ausführungen 
Sinners vollständig billigte und vielleicht hat er so- 
gar auch an der Abfassung der Schrift mitgewirkt 

Ueber eine zweite zu derselben Zeit erschienene 
anonyme Schrift: « Unpartheysche Gedanken über 
die Verbesserung der Obern und Untern Schulen 
in Bern », siehe ebendaselbst p. 366 ff. 

143* Sinner wurde im folgenden Frühjahr Mit- 
glied des Sdiukates. 

143* Sdi. R. M. X, p. 205 ff. 

143« Auch der Umstand, dass vom Schuhat der 
Revisionskommission der Bibliothekar Sinner bei- 
gegeben wurde, beweist uns, dass dieser den Essay 



verfasst hatte, denn im alten Bern war es Sitte, 
denjenigen zu einer Kommission herbeizuziehen, 
welcher über den Verhandlungsgegenstand dersel- 
ben seinen Ansichten sdiriftlichen Ausdruck gege- 
ben hatte. So sagt uns auch die weitere Zuziehung 
Hallers zur Revisionskommission, dass dieser dem 
Essay nicht fremd stand. 

1441 Es ist interessant, in dem «Vorschlag» zu 
lesen, welche Aufgaben dem Vertreter der Schwei- 
zergeschichte gestellt werden: «er wurde die hel- 
vetische Geschichte zugleidi mit dem offentlldien 
Staats-Recht der Eidgnossenschaft, das ist, die Ge- 
schichte der Bünde und Verträge der Schweizer so- 
wohl unter sich, als mit usseren Fürsten zu seiner 
Arbeit haben. — Er wurde die vaterländischen Ge- 
schichten in ihrem Verhältnuss sowohl mit den Be- 
nachbarten und Bundsgenossen als mit auswärti- 
gen Staaten, ihre verschiedene Regierungsformen, 
ihre Bündnüssen, ihre Handlungs-Tractaten, ihre 
Bevölkerung, ihre Sitten, ihre Macht und Stärke, 
aus ihren eigenen Geschichten und mit der Historie 
ihres Staates so verbinden, dass, wie man sich mit 
Recht bemühet, die Europäischen übrigen Staaten 
nach diesem Verhältnus, zu kennen, der Zustand 
ihres Vatterlandes nach eben demselben Verhältnus 
jungen Männeren, deren zukünftiges Leben den ho- 
hen Geschäften des Staats gewidmet ist, nicht mehr 
unbekannt verbleiben wurde.» 

145^ Während bis anhin der Schüler einer IQasse 
auf einmal von allen Pensen derselben zu allen 
Pensen der folgenden Klasse promoviert wurde, 
trotz ganz verschiedener Kenntnisse in denselben, 
soll er nur in demjenigen Fach in den folgenden 
ordo versetzt werden, in welchem seine Leistungen 
vollkommen genügende sind, während er da zu- 
rückzubleiben hat, wo er noch nicht festen Fuss 
gefassi Das Nähere siehe Hg. I *, p. 372 ff. 

145 * Es sollten von nun an an der Untern Schule 
wirken: 1) der Prinzipal als Fachlehrer des Grie- 
chischen und Hebräischen; 2) der Religionslehrer 
(dem gegen die Intentionen Sinners und Hallers 
durch den Grossratsbeschluss vom 21. April 1766 
aufgetragen wurde, seinem Unterricht wieder den 
Heidelberger zu Grunde zu legen) ; 3) vier Latein- 
lehrer, welche nach der Methode MathiasGess* 
ners zu unterrichten hatten; 4) der Provisor histo- 
riae et geographiae, der die Geographie von der 
untersten bis zur zweitobersten und die Gesdiichte 
von der zweiten bis zur obersten (der achten Klasse) 
zu dozieren hatte; 5) der deutsche Sprach- 
meister, welcher in allen Klassen unterrichten, 
deutsdie Dichter lesen und freie Aufsätze anferti- 
gen lassen sollte; 6) der Magister matheseos, dessen 




255 



Quelltnangabtn und Erllnteningeii. 





Unterricht von der dritten Klasse an über aUe fol- 
genden IGassen sidi erstreckt, erst In der Arith- 
methiky dann in der Geometrie und schliesslich der 
Trigonometrie und der ardiitectura civilis et mUi- 
taris; 7) der Zeichenlehrer, welcher von der vierten 
Masse an die Sdifiler in vier, der obersten ICasse 
sogar in sechs wöchentlichen Stunden ni unter- 
rlditen hat 

So nahm denn die Untere Schule ehi ganz mo< 
demes Oewand an, ein Kleid, das Ihr jetzt noch zur 
Ehre gereichen würde. 

145* Wie aus dem Outachten des Schuhates 
vom Januar 1768 deutlich hervorgeht, sowie auch 
aus der trefflidien anonymen Schrift, die jetzt unter 
dem Titel ersdiien: «ist es denn auch möglich, bey 
gegenwärtigen Umständen, unter uns eine gute 
Unterweisung in den öffenüidien Schulen zu erhal« 
ten?» Diese Broschüre muss denselben Verfasser 
haben, wie der Essay sur Ffducation publique, also 
Sinner von BaUigues. Sowohl er, wie Albrecht von 
Haller, waren natürfidi über den Misserfolg ihrer 
Bemühungen nicht erfreut 

145« R. M. 288, p. 335. — Seh. R. M. XI, p. 180 
bis 23a 

145» Seh. R. M. XI, p. 217; 237 ff.; 290. 

146^ Nach den Dekreten vom 15. April 1601 und 
vom 2. Dezember 1696. 

146* Sdi. R. M. VI, p. 34Z Errichtung vom 
11. JuU 1750. 

146* Die Bestimmung der alten Schulordnung, 
nach weicher die theologische und philosophische 
Abteilung bei der Besetzung des Rektorats hnmer 
wechselten, war durch die Gründung der neuen 
Lehrstühle dahingefallen. 

14Q^ 1757 war die Anordnung getroffen worden, 
dass die akademisdien Stipendien nicht mehr aD- 
jähriich, sondern in zweyen mahlen für 4 Jahre 
ausgerichtet werden. Seh. R. M. VIII, p. 289. 

149* Ueber das Frlschingsche Reisestipen- 
dium für junge Geistliche, welches nach Schärers 
Schulgeschichte, p. 144, im Jahr 1672 mit 4000 Pfd. 
gegründet und (p. 190) vom Stifter selber später 
um 2600 Pfd. vermehrt wurde, habe ich auf dem 
Archiv bis zur Stunde nichts Näheres finden können. 
Zehenders Bern. Kirchengeschidite, auf die sich 
Schärer beruft, wfanmelt von ungenauen Angaben. 

150 1 Oben p. 91. 

150* Vgl. den Anfang des folgenden Kapitels 
über das Politische Institut 

151^ Bis anhin waren In diesem Hörsaal die 
jungen Leute vom 14. bis zum 18. Jahr vereinigt 

1531 Seh. R. M. XVI, p.94ff. 

153* Seh. R. M. XVI, p. 155. 



153» Das Nähert Hg. B. IS p. 153fr. 

154« Seh. R. M. XVI, p. 109. 

153» Hg. B. IS p. 168 ff. 

153« Siehe oben p. 60 ff. 

153' Siehe oben p. 109. 

1541 Siehe oben p. 97. 

1561 Seh. R. M. XIII, p. 164. 

156* R. M. 341, p. 78. 

156* Scfa. R. M. XIII, p. 196 ff. 

156« Siehe Hg. a I*, p. 393 ff. 

156« Sie war in den Hauptpunkten nach dem 
Muster der zürcherischen Kunstschule ehigerichtet 
worden und kam den Bedürfnissen des Publikums 
aufs beste entgegen. Auszusetzen ist an Ihr einzig 
der Umstand, dass Oir Programm in semen Forde- 
rungen das Können der jungen Leute hie und da 
überschätzte; das war aber der Kapitalfehler der 
meisten Schulen des vorietzten Jahrhunderts und 
man kann nidit erwarten, dass die bemisehe Kunst- 
schule ihn ganz vermied. Immerhin stand sie in 
Uirer ganzen Emrichtung hoch über allen Anstalten 
Deutsdilands, welche ähnliche Ziele verfolgten. Sie 
zählte sechs Jahreskurse, weldie mit den sechs Klas- 
sen der Litterarschule parallel gingen; beide Ab- 
teilungen basierten auf der Vorschule von zwei 
Jahreskursen. Im Gymnasium academicum wurden 
die Kenntnisse, weldie die aus der Litterarschule 
austretenden Schüler miti>rachten, vertieft und ihnen 
die nötige Anleitung zum selbständigen Arbeiten 
gegeben als notwendige Vorbereitung für das Stu- 
dium an der Obern Schule; an ihm blieben die jun- 
gen Leute zwei Jahre und kamen dann mit dem 
16. Altersjahr ad lectiones publicas. In der Litterar- 
sdiule ging man mehr oder weniger auf die Ein- 
richtung vom Jahr 1766 zurück, aber audi da trat 
bald wieder die Reaktion ein. (Vgl Hg. B. I*, 
p. 424 ff.) 

157^ Siehe darüber meine Abhandlung über «Vol- 
taire und die bemisdie Censur» im Archiv für Ge- 
schichte der Philosophie, XV, 2, 1902, und Tschar- 
ners Biographie von Tobler (Neujahrsblatt der Bern. 
Litt Gesellschaft, 1896). 

157* Hg. B. I*, p.442. 

157« Das Verhältnis zwischen Joh. Müller und 
Bonstetten in diesen Jahren habe ich auf Grund der 
Briefe von Bonstetten an Joh. Müller ausführlich 
daigestellt; siehe namentlich p. 454 ff. 

157« Vgl oben p. 93. 

158^ Sie ersdiienen im April- und Maiheft des 
Schweizerischen Museums vom Jahr 1785; der Her- 
ausgeber dieser Zweitschrift war aber mit sewen Lie« 
ferungen im Rückstand und die zwei genannten 




256 



«t 



Quellenangaben und Eiüuterungen. 



51 



Hefte kamen erat im Jahr 1786 heraus (siehe Hg. 
B. I \ p. 130. 

158 > Oben p. 157. 

159^ Nach Bonstetten soDte der Unterricht in 
der Natui]geschichte schon in der Untern Schule und 
zwar bereits mit dem 8. Altersjahr nach Absolvie- 
rung der Vorschule beginnen und zugleich als Sub- 
strat für den lateinischen Anschauungsunterricht die- 
nen; die Botanik ist ihm daselbst der Konzentra- 
tionspunk^ um den herum der ganze Unterricht sich 
gruppieren solL Vgl darüber und über die Beein- 
flussung Bonstettens durch Basedow meine Bei- 
trilge P, p. 435 ff. Auf den Seiten 429uj454 habe 
idi eme ausführliche Würdigung der Patrizier Bon- 
stettens zu geben gesucht, die nach Sinners Essay 
sur PMucation publique mit zu den interessantesten 
Erscheinungen der pidagogischen Utteratur in der 
Aufklärungszeit gehören. 

159* Dass Bonstetten sein ganzes Erziehungs- 
projekt vor der Drucklegung seinem Freunde Müller, 
der während der Ausarbeitung desselben in Bern 
war, mitteilte und mit ihm besprach, erkennen wir 
aus dem Briefe Heynes an MMtr vom 11. Oktober 
1785 (nicht vom 18., wie Maurer Constant fälschlich 
gelesen hat; Siehe Hg. B., p. 464), nach welchem 
Müller die pädagogischen Grundsätze, wie wir sie 
in den «Patriziern» finden, Heyne in Oöttingen 
Ende September oder Anfang Oktober mitgeteilt 
hatte. Der Göttingische Gelehrte, auf dessen Ur- 
teil wir nicht wenig geben, gibt dem ihm mitge- 
teilten Plan im ganzen und grossen seine Billigung, 
namentlich aber Bonstettens leitendem Gedanken, 
dass alles auf den Mann und nicht auf den to- 
ten Buchstaben schön verfasster Schulordnungen 
ankomme. Er warnt einzig davor, die Sadie zu 
überstürzen, will aber zum Gelingen des Ganzen 
Hand bieten, so viel in seinen Kräften liegt; offen- 
bar hat Müller ihn auch und vielleicht in Bonstettens 
Namen ersucht, dies zu tun. Heyne wünsch^ dass 
die Bemer ihm einige junge Leute nach Göttingen 
sdiicken, die er zu tüchtigen Lehrern heranzuziehen 
versprich^ zu geschickten Collaboratoren des Man- 
nes, der zur allmählichen E)urchführung der Re- 
form an die Spitze des Ganzen zu stellen sei. Für 
diese Stelle empfiehlt er den Bemem Meierotto, 
den allbekannten, feingebildeten und enei^ischen 
Leiter des joachimsthalschen Gymnasiums zu Ber- 
lin, hl der Meinung, derselbe werde ohne Zweifel 
emer anfälligen Berufung Folge leisten, da er we- 
gen Zerwürfnisses mit dem Mmister von Berlin 
wegzukommen suche. _ Im Februar 1786 wurde 
die Kandidatur Meierotto in emem weitem Kreise 
bemischer Patrizier besprochen (Hg. B., p. 466 u. 




466), aber fallen gebissen, da Tralles Opposition da- 
gegen madite. 

159« Hg. B. P, p. 64 und 65. 

159« Hg. B. n, p.89. 

160 1 Vgl. über diese meine Vermutung die Aus- 
einandersetzung in den Beiträgen 1 ', p. 475 ff., An- 
merkung. 

160 * Siehe dariiber das Nähere Hg. B. I >, p. 488 ff. 

160 > E L, p. 492 ausführUch geschildert 

161 1 Titel IV, § 1 des Reglements, das ich als 
Beilage 4 zu meiner Abhandlung über das Politi- 
sche Institut in B. I ^ P- 89—254 zum Abdruck ge- 
bracht habe. In dieser Abhandlung ist die Ge- 
schichte des Instituts von seiner Gründung bis 1798 
nadi dem Manual der Kuratel ausführlich nieder- 
gelegt 

Nach dem über die Zulassung oben Gesagten 
sind die Worte Stapfers zu verstehen, die wir in 
seinem Brief an das Direktorium Anfang April 1799 
lesen (vgl meinen Aufsatz über das republikanische 
Gymnasium in Bern ün B. T. 1903, p. 99): ctous 
les jeunes gens en €M de suivre avec fruit ses 
cours, y ötaient re^us et il r^unissait des &tves 
de toutes les parties non seulement de Fanden 
Canton de Beme, mais aussi du reste de FHdvdtie 
et m€me des ^trangers. 

162 i Beilage 3 a. O., p. 210 ff. 

162 > Die Vorlesungen waren im Barfüsserkloster. 

164 1 Oben p. 160. 

164* Die übrigen Lehrer sollten nur dann zuge- 
zogen werden, wenn es sich um ihre persönlidien 
Angdegenheiten handelte. 

164» Zwei Louisd'or fürs Jahr nach Titel IV, §4. 

164 A Vgl. oben p. 133. 

164 A Es taten dies Verschiedene, welche an 
dessen Wissenschaft ganz besonders Interesse hat- 
ten; freilich wurden sie alle enttäuscht, da TraOes 
es nicht verstand, sich auf den Standpunkt sdner 
Zuhörer zu stellen. Noch in demsdben Semester 
erhielt er deshalb emen Rüffd vom Präsidenten 
der Kuratel mit der nötigen Weisung, was er mit 
seinen Auditoren zu treiben habe. C M., p. 67. 

165 ^ Siehe oben p. 93. 

165 > VgL das Nähere Hg. B. IS p. 115 ff. 

165» Hg. B. IS p. 129fL 

165« Abgedruckt e. L, p. 210 ff., als Beilage 3. 

166^ Dass Stetder einzig den Winter nach seiner 
Wahl vateriändische Geschichte las, haben wh* be- 
reits gesehen; im Wmter 1794/95 traktierte er so- 
dann das eidgenöss. Staatsrecht und die zwd fol- 
genden Jahre das bemische Zivihedit nach An- 
weisung der Stadtsatzung, je m vier wödientlichen 
Stunden. 




Qndltiiiiigtbcii n^ ErilntendigciL 



166' 1796 wurde sie um 140 Kronen erhöht 
An Stelle der ausgesdialteten juridischen Vorle- 
sungen trat MaÜiematik und Sprachunterricht 

166* Zu gleicher Zeit als Mathematiklehrer an 
die Litterarschule gewählt; fiir den Unterricht am 
Politischen Institut wurde er nicht besonders re* 
muneriert 

166« Sdi. R. M. XIV, p. 60. 

166» Seh. R. M. XV, p. 357. 

167^ J^flslin erhielt ein Honorar von 260 Kronen, 
SprüngU hingegen wurde keine Entschädigung zu- 
gesprochen, wen ihm infolge von Veränderungen 
an der Kunstsdiule daselbst eine Reihe von Unter- 
riditsstunden abgingen. Die Kuratel hatte nun 
1660 Kronen für die Lehrerbesoldungen auszuge* 
ben, konnte also mit ihrem Kredit von 1500 Kronen, 
zu dem die Kollegiengelder noch geschlagen wur- 
den, sehr gut auskommen. Vgl. Hg. B. I ^ p. 140 
und 141. 

167 > Professor Rudolf hatte im Friihjahr 1791 
sehie Lehrstelle am Institut abgegeben; proviso- 
risch war fQr ihn Pfarrer Salchli in Stettlen ein« 
getreten, hielt sich aber nicht an das ihm vorge- 
sdiriebene Programm: den ersten Wmter behan- 
delte er die griechische, den andern die römische 
Geschichte. 

167* Beide hatten sich in den bisherigen Oehalt 
Stapfers zu teilen. 

168^ Zeender erhielt eine Pension von 400 
Kronen. 

1701 W. B. I, p. 351 ff. 

170* W. B. III, p. 409 ff. 

170« W. B. IV, p. 265. 

171 1 Dies ist der Orund, dass es im B. T. vom 
Jahr 1872, p. 45, irrtOmlicherweise heisst, Mfislin in 
Verbindung mit Stettier, Zeender und Sdiärer habe 
den Versuch gemach^ an der Stelle des eingegan- 
genen Politischen Instituts ein republikanisches 
Gymnasium zu gründen. 

171« Hg. B. n, p. 123f. 

171 * E. 1., p. 171. 

171« Man. der Verwaltungskammer VII, p.371. 

171 * Man. der Finanzkommission II, p. 339. 

172i M. E. R. I, p. 262 ff. 

172» M. E. R. I, p. 270. 

172* M. E R. I, p. 374. 

172« iVl. E. R. I, p. 486 ff. 

172* M. E. R. I, p. 465. 

173» M. E. R. III, p. T9. 

173« M. E. R. II, p. 165. 

173* M. E. R. I, p. 209. 

173« M. E. R. I, p. 411. 

173* M. E. R. II, p. 11 ff. 




51 



173« M. E. R. II, p. 27a 

175» Ueber die Entwicklung desselben siehe das 
Nähere hn Abschnitt fiber die medizinische Fa- 
kultät 

175« M. K. S. D. 1, p. 209 ff. 

175* Lekler findet sich im betreffenden Ma- 
nual nichts Näheres darüber angegeben. 

175« Siehe das Nähere bei dem fiber den Muss* 
hafen Mitgeteflten. 

175 * Das Nähere siehe bei der Geschichte der 
eüizelnen Fakultäten. 

176» Nach heutiger Bezeichnung der Rektor. 

176« C M. I, p. 104. 

176* Der jetdgen Auht 

177» Es enthält auch die gesetzlichen Bettim- 
mungen ffir die auf die Akademie vori>ereitende 
Schule der Stadt, das Gymnasium, wie wir heute 
sagen würden; sie stand nach alter Tradition unter 
derselben Oberbehörde, wie die Akademie, wes- 
halb unsere neue Ordnung heisst «Reglement 
für die bemische Akademie und Schulen » ; die 
Mediationszeit verdrängt aus unserm Kanton das 
sdiöne und heimelige Wort Ordnung und ersetzt 
es flb immer durch das ominöse Reglement; es 
bcgüint die Ztit des Reglementierensl 

180» 1810 wurde der Kursus der philologischen 
Fakultät auf drei Jahre ausgedehnt 

181 » C. M. III, p. 251 ff. 

181 « Das Nähere in der Geschichte der medi- 
zinischen Fakultät 

182» Das, was über die einzelnen Pensa von der 
Kuratel gewünscht wurde, ist ebenfalls bei der 
Behandlung der einzehien Fakultäten verzeichnet 

183» St M« VI, p. 210. 

183« St M. VIII, p. 296 ff. 

183* C. M. II, p. 358 ff. 

184» St M. X, p. 122 ff. 

184« In der betreffenden Sitzung waren anwe- 
send der Amtsschultheiss Freudenreich als Präsi- 
dent, die Ratsherren Jenner, v.:Graffenried, Pfander, 
V. Muralt 

184* K. R. M. 16, p. 137. 

184« St M. X, p. 155. 

184* St M. X, p. 362 und 366. 

184* K. R. M. 19, p. 206. 

185» C M. IV, p. 269. 

185« K. R. M. 26, p. 15. 

185* Der Stand Bern hatte jetzt freiUch noch 
einmal die Freude, den Professor Haller, wenn auch 
als Exprofessor, als Censor amten zu sehen. We- 
nige Tage nachdem er der Akademie den Rücken 
gekehrt hatte, entband der Geheüne Rat den Prä- 
sidenten der Censurkommission, den Ratsherrn von 




25S 



«n 



QmHCT ffgp^^H und £cllttieniiifl6iL 




DieBbadi, auf dessen Ansuchen hin seiner durch 
die Censurordnung vom 6. Juni ihm obliegenden 
Offizien und übeigab ilun dieselben; so wurde 
Haller Censor der öffentlichen Blätter und aller 
Schriften, welche sich auf die innem und äussern 
Staatsverhältnisse bezogen, v. IDiesbach führte von 
jetzt ab nur noch das Präsidium der Censurkom- 
mission. (O. R. M. VII, p. 170 ff.) Die erste Hand- 
lung, die Haller als Stellvertreter v. Diesbachs vor- 
zunehmen hatte, war, dem Professor Heldmann an- 
zuzeigen, dass dessen c Europäische Zeitung» mit 
Ende des Jahres 1817 einzugehen habe und die 
Rechnung mit demselben zu bereinigen. 

185« Pag. 43. 

185^ lieber dieses Memorial habe ich nirgends 
etwas finden können; ist wirklich ein solches dieser 
Behörde eingegeben worden, so ist es doch sicher- 
lich in keiner Instanz behandelt worden. 

185* Nach dem Wunsch der Behörde amtete er 
bis zum Beginn des Wintersemesters 1817/18 weiter 
und dieser Umstand mag wohl fQr Oreyerz die 
Veranlassung zu der unrichtigen Kombination ab- 
gegeben haben. 

185» O. R. M. VI, p. 207. 

185« O. R. M. VI, p. 213. 

1861 K. R. M. 39, p. 43Z 

186> K. R. M. 40, p. 47ff. 

186 < Den eigentlichen Grund seines Rücktrittes 
hat Mutach natürlich in seinem [>emis8ionsbegehren 
nicht weiter angegeben. 

1871 O. R. M. VII, p. 303. 

187* Viel zu scharf und der historischen Wahr- 
heit nicht entsprechend ist das Urteil, das Tillier 
in seiner «Geschichte der Eidgenossenschaft wäh- 
rend der sog. Restaurationsepoche» III, p. 35, über 
Tschamer fällt: «Tscharner sah zu spät ein, dass 
eine höhere Lehranstalt anders als ein gepachteter 
Acker, hochgebildete Lehrer anders als Tagelöhner 
behandelt werden mflssten.» 

187 • G. R. M. IX, p. 391 ff. 

187^ Nachdem er erst als Hauslehrer tätig ge- 
wesen war, hatte ihn Fellenbeig in Hofwü an- 
gestellt, aber nach einem Jahr wieder entlassen, 
weil er m seinem Unterrichte Fürsten und Adel 
«mit den pöbelhaftesten Benennungen» beehrte. 

187' Siehe meine ausführliche Darstellung dieses 
Handels im B. T., Jahig. 1901 

188^ Vergeblich sucht man den Namen Stähele 
in den Manualen der Kuratel 

188> K. R. M. 49, p. 470. 
188» C M. VI, p. 43, 366. 
1891 C M. VI, p. 411. 



189* Die neu gewählten Kuratoren waren der 
Geheimratschreiber Fr. Fischer, der bis anhin 
Sekretär der Kuratel gewesen war und deren Ma- 
nual in mustergültiger Weise geführt hatte, und der 
Ratsschreiber Benoit Bereits war auch im Lauf 
der Jahre die zweite und dritte Stelle in der Ku- 
ratel von andern Personen besetzt worden. Nach- 
dem den 8. Oktober 1813 Dekan Ith gestorben war, 
kam der Pfarrer Wyttenbach an der Heilig- 
geistkirche, ebenfalls eine hervorragende Kraf^ an 
seine Stelle. Leider resignierte der berühmte Natur- 
forscher schon im Dezember 1815 und sein Nach- 
folger wurde der Helfer Bay. Im Juni 1810 trat 
an die Stelle des verstorbenen Seckelmeisters Fi- 
scher, der vom Stadtrat als drittes Mitglied der 
Kuratel gewählt worden war, H. Wyttenbach, 
und nach dessen Tod im November 1811 der Se- 
ckelmeister von Jenner, Mitglied des obem 
Appellationsgerichtes, der bis zum Jahr 1824 in der 
Kuratel verblieb. Es ist klar, dass durch diesen 
ziemlich raschen Personenwechsel die Tätigkeit des 
Kanzlers Mutach sehr erschwert wurde. 

190 1 Von den sechs Beisitzern der Kuratel er- 
hält nach dem Reglement einer das Präsidium über 
die Litterarschule, ein zweiter über die zu errich- 
tende Realschule und die vier übrigen teilen sich 
in das Präsidium der vier Fakultäten der Akademie. 

190* So nach dem Kuratelreglement vom 16. 
Jenner 1822 (C M. VIII, p. 493 ff.). 

190» C. M. VIII, p. 446 ff. 

190* Vom März 1827 an nach dessen Tod Pro- 
fessor Studer. 

191 ^ Vom September 1824 an Appellationsrich- 
ter Steiger von Riggisbeig. 

191 * Vom Dezember 1826 an alt-Landvogt May 
von Courtelary. 

191 s Vom Februar 1826 an alt-Landvogt Tschar- 
ner von Bufgdorf. 

191 * Vom Mai 1824 an alt-Oberamtmann Zeer- 
leder von Aarwangen, vom Homung 1831 an, nach- 
dem Zeerleder an Mutacfas Stelle gerüdct war, 
Oberlehenskommissär Wyss. 

191 « Siehe oben p. 18Z 

191 • C. M. IX, p. 358. 

191 Y C. M. X, p. 341. 

1921 C. M. XIII, p. 205 ff. 

192« CM. IV, p. 352 ff. 

192» O. R. M. XI, p. 81 und 82. 

192« C M. VIII, p. 207. 

193^ C M. 1, p. 56. 

193> C. M. I, p. 196. 

193» C M. IV, p. 119. 

193« C M. IV, p. 185. 




^ 



QueOeiuiigabeii und EfUulentiigeiL 



m 



III, p. 37, 55. 



193BC M. II, p. 307 ff. 
1941 C. M. XII, p. 231. 
195^ C M. III, p. 55ff. 
195> C M. II, p. 457 ff., 
196^ C M. I, p. 39. 

196* Der Sohn des Pfarren am MOntter; ein 
Jahr vorher war er Ina Miniaterium angenommen 
worden. 

196» C M I, p. 62 und 63. 

1971 C. M« II, p. 415. 

197 > C M. II, p. 4ia 

197» C M. VI, p. 90. 

197* C M. III, p. 370. 

197» C M III, p. 406. 

197« C M. IV, p. 105. 

1981 C M. IV, p. 185. 

198» C. M. IV, p. 389. 

198» C iVL IV, p. 413 ff. 

198* C M. V, p. 419. 

198» Vgl oben p. 197. 

198» C. M. V, 191. 

1991 Abgedruckt im Litterariachen Archiv der 
Akademie, Bd. 4, Heft 2, p. 99 ff. 

199» C M. VI, p. 345, 386, 509. 

199» C M. VII, p. 37. 

199* C. M. VII, p. 494. 

199» Ueber Suters Studiengang und philologi- 
sche Beschäftigungen siehe hn B. T. 1902 meme 
c Briefe von Bemem und an Bemer in der Bürger- 
bibliothek zu Luzem», p. 151 ff. 

199» Siehe das Kapitel «Dozenten und ausser- 
ordentliche Professoren». 
199» C M. VIII, p. 472 ff. 
199» C M. VII, p. 459. 
2001 C M. XI, p. 66 ff. 
200» C M. XII, p. 82ff. 
200» C M. XII, p. 188. 
200* Siehe oben p. 194. 
200» C. M. XIII, p. 116 ff. 

200» Die ihm voigelegten Proben waren: eine 
Dissertation in lateinischer Sprache, in welcher die 
Odyssee mit der Ilias zu veigleichen war und zu 
welcher dem Kandidaten eine Woche zur Ausarbei- 
tung gegeben wurde; eine Vorlesung über einen 
profanen lateinisdien und eine solche über einen 
profanen griechischen Schriftsteller, und endlich 
ehie dritte über eine Stelle des Neuen Testaments 
mit grammatikalischen Erklärungen. Studer zeich- 
nete sich bei diesen Proben namentlich durch seine 
Kenntnisse hn Griechischen aus. 

200» C. M. XII, p. 208. 
201 1 C. M. XIV, p. 215. 



201» Ueber sehie Gelehrsamkeit vgl Hg. B. 
II, p. 164 ff.; über sein Wiricen am Politischen 
Institut ebendaselbst Der bisherige Inhaber dieses 
Stuhls, J. F. Stapfer, war als Pfarrer nach Dies- 
bacfa gegangen. 

201 » Schon von Anfang an von der Kuratel vor- 
gesdUagen, hatte er wegen gewisser Bedenken erst 
nachträglicli für seUi Amt sich gemehlet C M. I, 
p. 36, 79. 

201 * Sogar die phfldogische FakuHit ab die 
«untere Theologie» nahm noch an dieser 
superioren Stellung teil; der Professor der Alter- 
tumskunde, m dem die alte «Eloquenz» wieder er- 
stand, erhielt ebenfaUs einen Gehalt von Fr. 2000 
und der Professor philosophiae von Fr. 1800. 

201» iVL K. S. D. I, p.399. 

201» M. K. S. D. I, p.414. 

201 7 C M I, p. 157. 

2021 Die Zahl der obligatorischen Unterridits- 
stunden beUef sich auf 24; die FakuHit fand frei- 
lich, es seien derselben zu viele und wünschte einige 
Erieichterungen der Studierenden, aber die Kuratel 
stellte sich auf den enigegengesetzten Standpunkt 
in der Meinung, dass vier Stunden täglicher Ar- 
beit un Kloster «das wenigste sei, was auf iigend 
einer akademischen BUdungsanstalt gefördert und 
geleistet wird; fleissige Studenten haben übrige 
Zeit zu Privatarbeiten, und für unfleissige oder sol- 
che, denen es am WiUen fehlt, an ihrer Ausbildung 
durch eigene Anstrengung zu arbeiten, sind die 
vorgeschriebenen Stunden nicht hinlänglich». C 
M. I, p. 307. 

202» C M. I, p. 151. 

202» Diesmal je vier für Dogmatik, Moral und 
Kurchengeschichte. C M. II, p. 266. 

202* Das Nähere siehe in dem Kapitel über die 
Anstellung der Professoren. 

202» C M. V, p. 203. 

202» C M. V, p. 487. 

2031 C M. VII, p. 31 ff. 

203» D. i. der Rektor der Untern Sdiule, zu- 
gleich Präsident des Untern Schulrats. 

203» C. M. VII, p. 235. 

203* Schon im Jahr 1814 hatte Professor Schärer 
seiner geschwächten Gesundheit wegen den hebrä- 
ischen Unterricht an der philologischen Fakultät 
abgeben müssen; er war auf seinen Wunsch hin 
von der Kuratel dem Professor gymnasii übergeben 
worden, «da sie in ihm den wahrscheinlichen Nach- 
folger des H. Schärer schon jetzt anericenne, ihn 
aber dermalen noch nicht gerne als Professor gym- 
nasii vermisste und folglich gerne sehe, dass er 
sich durch die vices des Herrn Schärers für seme 



tit 



Quelleiuuigaben und Eittuterungen. 



m 



kfinfQge Stelle voibereite ». In den Augen der Ku- 
ratel war also Lutz sdion im Jahr 1814 der prä- 
destinierte Nachfolger des Professors der Bibel- 
kunde und diese seine Ansicht wird wohl männig- 
lich audi in Erfahrung gebracht haben. C. M. VI, 
p. 13Q, 140. 

203« M. K. S. R. IX, p.330 f. 

203« Wie sem Biograph im B. T. 1855, p. 229 ff., 
sagt 

204^ C M. VII, p. 272 ff. 

204* Wenige Wochen vorher, den 28. Juni 1818, 
war die Erinnerung an die Laupenschladit von den 
Bemem in erhebender Weise gefeiert worden; auf 
dem Schladitfelde waren eine Reihe patriotischer 
Freiheitslieder gesungen worden, und die mitfeiern- 
den Studenten, deren nicht wenige waren, werden 
die Erinnerung an den sdiönen Tag durch Wieder- 
holung jener Lieder in den folgenden Wochen wach 
erhalten haben. 

204» K. R. M 46, p. 166 ff. 

204^ Bitzius war auch Teilnehmer am Laupen- 
fest gewesen. 

204» C. M. VII, p. 283 ff. 

204* Fetscherin, der nachherige Regierungsrat, 
erregte audi später wieder das Missfallen der da- 
mals regierenden Herren. Im September 1822 hatte 
er sich als Aktuar des HQlfsvereins für die Orie- 
dien erkühnt, trotz des Verbotes der Regierung, 
nadi welchem alle Publikationen, sei es zum Vor- 
teil oder zum Nachteil der Griechen, untersagt wa- 
ren, un Wochenblatt eine Versammlung der Hülfs- 
vereine für die Griechen auf Sonntag den 29. Sep- 
tember in das grosse Auditorium einzuberufen. Die 
Kuratel verwies ihm dies mit Schreiben vom 22. 
September (C. M. IX, p. 191), war aber doch so 
vernünftig, die Versammlung, die nun einmal zu- 
sammenberufen war, nicht zu veriiindem. (Der 
Präsklent des bemisdien Hfllfsvereins war der Spi- 
talverwalter Otth. Siehe Fetscherins Biographie von 
Uuterbuig in A. H. V. III, 2, 1855, p. 14). 

205^ C M. IX, p. 9. 

205> CM. IX, p. Off. 

205« C. M. IX, p. 59. 

205« C. M. IX, p. 65. 

2061 C M. XII, p. 159. 

206» C. M. I, p. 307. 

206» C. M. II, p. 409; III, p. 159; IV, p. 46. 

206* Infolge einer Abmachung zwischen Haller 
und Schnell, über die aber aus den Manualen der 
Kuratel nichts Näheres in Erfahrung gebracht wer- 
den kann. 

206» Mericwürdigerweise erklärt ihm die Kuratel 
in einem Schreiben vom 23. Oktober 1812 (C M. 




IV, p. 308 f.), dass er nach seinem Patent und dem 
neuen Reglement schuldig und verpflichtet sei, nicht 
nur das Staatsrecht, sondern auch die Staatenkunde 
und das Völkerrecht abwechselnd vorzutragen und 
dass er im Winter 1812/13 das europäische posi- 
tive Völkerrecht nach Mertens zu lesen habe, ver- 
bunden mit praktischen Uebungen und Anleitung 
zu Redaktion von diplomatisdien Noten und Me- 
morialen. 

206» C. M. IV, p. 506. 
206» C M. V, p. 2 ff. 

207 i C M. VI, p. 31. 
207» C M. VII, p. 52 ff. 

207» In der Btgttadung des Antrages sagt die 
Kuratel: « Bey der gegenwärtigen Lage der schwei- 
zerischen Eydsgenossenschaft, wo 22 grossere und 
kleinere unabhängige Republiken unter sich durch 
eine Bundes-Akte verbunden sind, und wo der 
Kanton Bern als der grösste und präponderierendste, 
neben dem abwedisehiden Sitz der Directorial- 
regierung, noch eüien so wesentlichen Einfluss auf 
den vereinigten Freistaat ausübt, mag es wohl je- 
dem Sdiweizer und dem Bemer ganz besonders 
interessant und wichtig vorkommen, durch genaue 
Bekanntschaft mit jener Bundesakte sich auch mit 
den vielfachen Verhältnissen der verschiedenen 
Stände und ihrer Angehörigen gegeneinander ver- 
traut zu machen. Sowohl dem angehenden Redits- 
gelehrien, als vorzüglich auch demjenigen, der auf 
Staats-Aemter zu aspirieren gedenkt, muss dieses 
bis jetzt allzu sehr vernachlässigte Studium des 
Eydsgenössischen Bundes-Vertrags von wesent- 
lichem Nutzen seyn. — Da man femers in hie- 
siger Stadt, als so zu sagen dem Hauptort der 
Schweiz, und dem Vereinigungspunkt so vieler 
Fremden und diplomatischen Personen, mit diesen 
heutzutage weit mehr als in frühem Zeiten in viel- 
seitige Berühmng kommt, da man öfters verlegen 
ist über die Art und Weise, wie man sich gegen 
dieselben, besonders gegen die Letztem zu ver- 
halten habe, so möchte es wohl nicht ausser Ort 
seyn, hierüber einen eigenen bestimmten Unter- 
ridit ertheilen zu lassen.! 

207« C. M. VII, p. 229. 
207» C M. VIII, p. 89, 98. 
207» Vgl. Hg. B. n, p. 117 ff. 
207' C M. X, p. 130. 
207» C M. X, p. 203. 

208 i C. M. XIII, p. 293. 

208» So hatte sie 1802 dem Institut Fr. 8000 
zugewiesen zur Besoldung der Lehrer, zur Ver- 
mehrung der Bibliothek und Anschaffung von In- 



igji T 



« 



Qitfllfiw p^fi f und EiUtilviiiiffaL 



m 



ftrumenien. Die Lehrer bezogea von den Studie- 
renden KoUegiengelder. 

206» M. K. S. D. I, p. 20ff. 

208« M. K. S. D. I, p. 31. 

209 ^ Ueber die Proben, die er m bestehen liatte, 
siehe p. 193. 

209« C. M. 1, p. 335, 336. 

209* Professor Emmert junior wurde im folg^en- 
den Jahr die Besoldung auf Fr. 1400 erhöht 

209« C. M. III, p. 147 ff. 

209» C. M. IV, p. 37. 

2101 C. M. IV, p. 123. 

210* Siehe Seite 213 und 214. 

210» C. M. I, p. 197ff. 

210« C M. II, p. 263. 

210» So lautete z. B. das Zeugnis, weldies den 
30. November 1809 dem Schüler der Tierarzneischule 
David Stauffer aus Signau gegeben wurde, also: 

« Wir Kanzler und Curatoren der Bemischen 
Akademie thun kund hiemit: demnach der hiesige 
Kantonsangehörige D. St während 2 Jahren unter 
dem hier öffentlich angestellten Professor artis ve- 
terinariae der Erlernung der Tierarzneikunde mit 
Eifer sich beflissen hat, als haben Wir denselben 
auf heutigen Tag in unserer Gegenwart zu einem 
öffentlichen Examen berufen, und durch seine Ant- 
worten befunden, dass derselbe seme Lehrjahre 
wohl angewandt, und durch Talente und Fleiss 
sehr gute Kenntnisse in dem Theoretischen und 
Praktischen Theile seiner Kunst und vorzüglich in 
Hinsicht auf die Pferde, erworben habe. 

Da nun benannter Herr gesinnet ist, von nun an 
als Thierarzt zu praktideren, so haben Wir dem- 
selben kraft dieses offenen Briefes das unparthey- 
ische und aufrechte Zeugniss anmit ertheilen wollen, 
dass er wohl studiert habe, und Wir ihn so viel 
an Uns für fähig befunden, sich von nun an seinem 
Berufe als praktiderender Thierarzt zu widmen. 

Also gegeben unter Meiner des Kanzlers Unter- 
schrift mit Beysetzung des grossem Akademischen 
Siegels.» Unterschrift 

210« C. M. f, p. 307. 
210» C. M. IV, p. 340, 341. 
2111 c. M. IV, p. 281 ff. 
211 > C. M. V, p.423, 48Z 
2121 C. M. V, p. 449, 450. 

212* Durch das Los war es diesem zugefallen, 
eine Präparation des Oallensystems zu geben und 
eine physiologische Voriesung über den Assimila- 
tionsprozess zu halten, jenem (Dr. Ith) eme ana- 
tomische Demonstration der Respirationsorgane zu 
liefern ; über den Qegenstand der ihm zugefallenen 



physiologlsdien Voriesung sagt uns das Manual 
der Kuratel nichts. 

212* C M. VII, p. 437 ff. 

212« C M. VIII, p. 279 ff. 

213 1 So hoffte z. B. die Kuratel üi Zukunft für 
das bereits als vollständig anzusehende anatomi- 
sdie Kabüiett nicht mehr vid ausgeben zu müssen« 

213* C M. VIII, p. 434, 435. 

213* Statt vieler Sdireiben seiner Person wegen 
sei hier ein einziges erwähnt, vom 22. August 1827 
(C M. XII, p. 248): cZedel an den Curator der 
medidnisdien FacuKät Bey Anlass der von den 
verschiedenen HH. Prof. eingesandten halbjähr- 
lidien Studienberichte haben Mehghh. Curatoren 
mit nicht geringer Verwunderung denjenigen des 
H. Prof. Tribolet vermisst und zugleich vernehmen 
müssen, dass derselbe, ungeaditet aller frühem Er- 
mahnungen seine CoDegien während dieses Scxn- 
mers mit grosser Nachlässigkeit abgehalten habe. 
Es richten Mehghh. Curatoren an Euer Wohledel- 
geboren das höfliche Ansuchen, H. Prof. Tribolet 
aufzufordern, seinen verspäteten Bericht in Zeit v. 
2x24 Stunden unfehlbar einzusenden, und ihm zu- 
gleich das Ausfallen der hiesigen Behörde über die 
Vemadilässigung seiner Pflichten als Lehrer zu be- 
zeugen. Mehghh. Curatoren, welche sdion öfters 
sidi gezwungen sahen H. Prof. Tribolet zu grös- 
serer Pünktlichkeit m Ertiieilung seiner Stunden zu 
ermahnen, können es unmöglich länger zugeben, 
dass die anderweitigen Berufspflichten des H. Tri- 
bolet denselben zu so oft wiederiioHer Unterbrech- 
ung seiner Voriesungen veranlassen und enudien 
Sie ihm desshalb ernstliche Vorstellungen zu ma- 
chen...» 

213« Nach dem Manual der Kuratd XIII, p. 
241 ff., hatten sich mehrere Bewerber zu den veran- 
stalteten Proben gemeldet; leider erfahren wh* über 
diese nichts, was einem sehr auffallen muss. 

213* C. M. VIII, p. 405. 

2141CM. VII, P.9Ö. 

214* C M. VI, p.90. 

214* C M. XI, p. 21öf. 

214« C. M. XI, p. 285 ff. 

214* C. M. XI, p. 320. 

214* C. M. XI, p. 66ff. 

214 7 Zwei Stunden Natuigeschicfate und eüie 
Stunde physikalische Oeographle. 

214* c es sei bloss — so glaubt sie — . auf zahl- 
reich besuchten Universitäten thunlidi, jeden beson- 
dem Zweig einer Hauptwissenschaft durch einen 
eigenen Lehrer vortragen zu lassen, indem da die 
wegen der Menge der Studierenden hoch ansteigen- 
den Honoranzen einem jeden Professor erlauben. 




<t 



Qnellemuigaben und EittutemiigciL 



» 



andi bei geringer Betoldiing vom Staat aus si 
auf seine Wissenschaft zu beschränken. Auf einer 
Akademie, wie die unsrige, ist es zuverlässig ein 
grosser Nachtheil, die ohnehin nicht starken Be- 
sokiungen zu zersplittern, indem der betreffende 
Lehrer dadurch veranlasst werden wird seme ihm 
keine unabhängige Existenz verschaffende Stelle 
als Nebensache zu betrachten und seinen Fleiss 
und seine Thätigkeit andern Erwerbsquellen zuzu- 
wenden.» 

214» C M. XI, p. 77. 

214^0 So gehörte also der Lehrstuhl der Zoo- 
logie und Botanik zur medizinischen, der andere 
für Mineralogie und Oeognosie zur philosophisdien 
Fakultät! 

2151 C M. II, p. 269, 297. 

215* C. M. VIII, p. 2, 239. 

215> M. K. S. D. I, p. 43. 

215^ Damach ist zu ändern, was in O. Q. A., 
p. 28 und 29, steht 

2161 c M. V, p. 371. 

2171 M. K. S. D. I, p. 111. 

217>M. K. S. D. I, p.304. 

217» K. M. I, p. 42ff. 

217* K. R. M. VII, p. 135. 

217» D. B. III, p. 221 ff. 

217« Nämlich an der Herrengasse Nr. 325, 324, 
322, 320, 319, an der Kirchgasse Nr. 264, Chorhaus. 
Für die andern Professoren, und zwar vorzüglich 
denen, welche Geistliche und Mitglieder des ber- 
nischen Ministeriums waren, waren noch reserviert 
an der Herrengasse Nr. 326, 323 und 317. 

217 T C. M. VII, p. 246, 263. 

217« Dot B., p. 28, 40 a. 

217» Den 31. März 1806 dahin abgeändert, dass 
ehizig Thun seine alten Vorrechte beibehielt 

2181 Die sogenannten Untern Schulen der 
Stadt Bern zerfielen nach dem Reglement von 1805 
in die Elementarschule (6. — 8. AHersjahr), die 
Klassenschule (8. — 13. Jahr) mit je einem Jah- 
reskurs in der vierten, dritten und zweiten Klasse 
und einem zweijährigen Kurs in der ersten Klasse, 
und endlich das Gymnasium (13. — 16. AHers- 
jahr), das die Schüler mit der Admission zum hl. 
Abendmahl verliessen. Nach Ablauf der Probezeit 
wurde die Elementarschule auf drei Jahre ausge- 
dehnt (1812). 

218» C. M. II, p. 123 ff. 

218» C M. II, p. 138 ff. 

218« C. M. III, p. 283 ff., IV, p. 2 ff., 201 ff. 

218» Dot B., p. 30. 

2191 C. M. VII, p. 122f. 

219» C. M. XII, p. 304. 




219« C M. VIII, p. 212, 214^ 509. 

219« L. A. V, p. 95ff. 

2201 Der botanische Garten auf dem Friedhof 
des Franziskaneridosters ist nicht zu verwechseln 
mit dem botanischen Garten der naturforschenden 
Gesellschaft, der anfänglich im Aarziehle, dann an 
der Judengasse und von 1796 an beim Turm an 
der Langmauer gewesen war (vgL W. B. I, p. 377, 
378). 

220» C. M. IV, p. 15 ff. 

220» C M. IV, p. 314 und 37a 

220* C. M. V, p. 117, 156. 

220» C. M. XI, p. 146. 

221 1 C. iVL XII, > 244. 

221 > C. M. II, p. 64, 70, 95. 

221 » Zum Beispiel C. M. X, p. 84. 

221« C iVL I, p. 182 ff., 193. 

221 » C M. I, p. 222. 

221 • C. M. III, p. 129. 

221 V C M. II, p. 302 ff. 

2221 C. M. VII, p. 51. 

2231 C. M. I, p. 163. 

223» C. M. I, p. 217. 

223» C. M. II, p. 341, 432. 

223« C M. IV, p. 243, 255. 

223» C M. V, p. 161 ff. 

223« C M. VI, p. 4. 

223» C M. VI, p. 172 ff. 

223» C. M. VI, p. 283. 

2241 c. M. VII, p. 252. 

224» C. M. X, 11 ff. 

224» C. M. X, p. 293. 

224« C M. XI, p. 209. 

224» C NL XI, p. 49. 

2251 C M. I, p. 241; II, p. 437. 

225» Nach der Dotationsakte vom 20. Dezember 
1804 war der alte Bibliotheksaal vom Kanton der 
Stadt übergeben worden, weshalb die Kuratel in 
dieser Angelegenheit sich zuerst an den Stadtrat 
zu wenden hatte; bald nachher wurde aber der 
alte Bibliotheksaal von der Stadt der Kuratel ab- 
getreten gegen das Plainpied der Bibliothekgallerie, 
welches bis dahin (Dotationsakte, p. 36, 18) dem 
Kanton gehört hatte. Hier waren bis jetzt der 
medizinische Hörsaal und die medizinische Com- 
munbibliotfaek gewesen (vgl. das über die medi- 
zmisdie Bibliothek Gesagte), die nun ins zweite 
Stockwerk des Klosters verlegt wurden. Das dritte 
Zimmer im Erdgescfaoss der Bibliotiiekgallerie 
wurde der Kuratel zur Benutzung für die Abend- 
arbeitsstunden der Schüler unentgeltlich überiassen 
(Dotationsbudi, p. 106). So gehörte also jetzt die 
ganze Bibliothekgallerie der Stad^ das Kloster Ui 




Qttelleiuuigabeii und EittutemiigeiL 



m 



seinem ganzen Umfang dem Staat In der Biblio- 
tfaekgallerie selber war seit dem Jahr 1802 die 
naturwissensdiaftliche Sammlung angestellt unter 
der Aufsicht und Besorgung der Gesellschaft vater- 
landisdier Naturfreunde. Den Grundstock derselben 
bildete die Sprfinglische Sammlung der 
schweizerischen Vögel, die nach SprQnglis 
Tod (er war Pfarrer in Stetden gewesen) auf An- 
regung der naturforschenden Gesellschaft vermit- 
telst einer Subskription unter der beraischen Bur- 
gerschaft und mit Beihfilfe der Gemeindekammer 
für die Stadt angekauft worden war. Hier waren 
auch die Erlachische Mineraliensamm- 
lung und dieTriboletsche Pflanzensamm- 
1 u n g , welche der Unterrichtsminister Stapf er durch 
das Vollziehungsdirektorium f&r die Akademie hatte 
ankaufen lassen, durch die Dotationsakte dem Stadt- 
rat abgetreten (Dot B., p. 30). 

225 ' Das akademisdie Kunstkomitee bestand bei 
seiner Erwfihlung hn März 1810 aus den Herren 
Tschamer von Aubonne als Prisidenten, Professor 
HQnerwadel als Sekretär, Lombach vom Rheinthal, 
Professor Sonnenschein, dem Zeichnungslehrer Rie- 
ter (Vater) und den beiden Malern König und VoU- 
mar. Im Juni 1815 trat an die Stelle Tschamers 
der Ratsherr von Muralt, der aber schon das fol- 
gende Jahr starb, und nun amtete vom März 1817 
an Mutach selber als Präsident des Komitees; 
erst im Frühjahr 1830 versah als Vizepräsident 
seine Funktionen der Kurator May. 1818 starb* 
Rieter und wurde durch Lory (Vater) ersetzt Lom- 
bach wurde 1821 durch Kari Tscharner von Lohn 
ersetzt und an Professor Sonnenscheins Stelle trat 
nach dessen Tod (im Dezember 1828) Sigmund 
V.Wagner. Vollmar starb im Mai 1831. Bei Gele- 
genheit der Kunstausstellung vom Jahr 1830 wurde 
ein achtes Mitglied in das akademische Kunstko- 
mitee gewählt, Herr v.Werdt, all. Steiger. 

EMe drei Saalinspektoren waren Vollmar, Rieter 
Sohn und Gottlieb Löhrer. 

225* C. M. IV, p. 71; V, p. 75. 

2261 C. M. VIII, p. 77, 101, 103. 

226* C. M. VIII, p. 417. 

226« M. K. S. D. I, p. 7a 

226« C. M. IV, p. 310. 

226^ Die musikalische Gesellschaft 
wurde den 23. November 1815 gegründet unter der 
Aegide von Professor Meissner, einem tüchtigen 
Musikkenner und Violoncellisten; sie erleiditerte 
den Studenten der Akademie die TeUnahme an 
ihren Uebungen und Aufführungen so viel als mög- 
lich. VgL die Abhandlung von F. Häfelen cüber 
die musikalische Gesellschaft in Bern» in B. T. 



1857, p. 122 ff. Wenn es daselbst heisst; p. 127: 
cdas Musik-CoUegium der Studenten gab im Saal 
des Chorhauses der Predigerkirche zuweilen Con- 
certe», so muu sich das auf die Zeit von 1810 
bis 1812 beziehen. Auch nadi der Darstettung Hä- 
felens war der Kanzler Mutacfa dasjenige J\4i1gtied 
des Rates, das auch die musikalischen Bestrebungen 
der Stadt tetkräft« unterstfitzt wissen wollte. C M. 
III, p. 37 f., 50 f. 

227^ C M. I. p. 275. 

227> C M. II, p. lOQ, 318» 339, 402. 

227» C M. I, p. 144 ff. 

228^ M. K. S. DL I, p. 429. 

228> C M. II, p. 145. 

228> C M. IV, p. 491 

228« VgL SdL R. M. V, p. 192; VI, p. 12a In- 
spektor derselben war der jeweiQgt Prozessor ek>- 
quentiae. 

228« C M. I, p. 226. 

229^ C. M. II, p. 2, 401. 

229* C M. I, p. 299. 

229» C M. VII, p. 512. 

229« C M. III, p. 55; V, p. 333; XI, p. 116 ff. 

230^ C NL II, p. 344. 

230* C M. III, p. 185 ff. 

230* Das Thema seines Faches hatte geUutet: 
c Ueber die Mythen hi der Hell Schrift und deren 
Einfluss» (in Utemischer Sprache); von den allge- 
meinen Fragen hatte er folgende drei gelöst: cüber 
die Logarithmen », « über die Nützlichkeit der Kennt- 
niss der griechtsdien Sprache», cüber die Authen- 
tidtät der Gesdiichte WUhefan Teils in Entgegen- 
stellung mit der Meinung, dass dieselbe bloss eine 
Nordische in die Geschidite unserer Väter aulge- 
nommene Sage sei». Zieglers Konkurrent bei diesen 
Proben war der stud. juris Gottlieb Wyss. 
Von den allgememen Themata hatte er diese drei 
bearbeitet: «über die Nützlichkeit der Kenntniss der 
griechischen Sprache», «über den Unterschied zwi- 
schen Vemunftideen und Verstandesb^griffen »» 
« über die Bestandteile und Nützlichkeit emes Natur- 
systems»; als Angabe seines Fadies war ihm das 
Thema zugewiesen worden : « über den Unterschied 
zwischen Nachlässigkeit und Gefährde» (in lateini- 
scher Sprache). 

230« C. M. VIII, p. 482 ff. 

2311 Den 28. April 1832 trat TiUier aus der Re- 
gierung aus; an seine Stelle kam der Grossrat An- 
ton Tillier, worauf dann den 2. Mai Regie- 
rungsrat Schneider Vizepräsklent des Erzieh- 
ungsrates wurde. 

231 * Ith schlug die Wahl aus und an seUie Stelle 
kam der Grossrat Dr. Rudolf Lintfa. 




264 



« 



QueUenangiben und Erlltiterangeii -*- Errata. 



231 * Leider habe ich das Manual der akademi- 
•dien Kommission nicht auftreiben können. 

2321 Siehe p. 187. 

232 > Sein Antwortschreiben li^ bei den Akten 
des Erziehungsdepartements in der Bibliothek der 
Jetzigen Erziehungsdirektion; diesen Akten sind die 
Notizen entnommen, auf welche ich dieses letzte 



5i 



Kapitel meiner Arbeit aufgebaut habe. Leider sind 
die Manuale des Erziebungsdepartementes unvoO- 
sttodig eitalteo. 

232« Vgl. oben p. 203 ff. 

232« Für diese SteUe hatte sich bereits audi 
W. Snell angemeldet 

233^ Reg. M. VI, p. 195. 



Errata« 



Pag. 1, Zeile 9 von unten lies: So erstrebte es 
statt So erstrebten sie... 

Pag. 19*, Zeile 3, lies Thomas. 
1 3Ü^ Z. 20^ lies der Rrofessoreo. 



Pag. 32, Z. % lies ROtimeyer. 
» 44 *, Z. 4 von unten, lies Rfitimeycr. 
» 51 *, Z. 7, Ues Rfltimeyer 





2» 



Namen- und Sachregister. 




Abwirter der medizinischen Fakultät, 209. 
Aedilis des Studentensenats, 38, 39, 115, 121. 
Akademische Kommission, 231. 
Akademisches Kunstkomitee, 264. 
Akademische Musikgesellschaft, 226. 
Akademische Preisaufgaben, 229. 
Akademischer Rat, obere, 178, 181, 190. 

untere, 178» 181, 190. 

Akademische Zeichnungssdiule, 225, 226. 
Aisteds Orator, 51. 
Altire der Barffisserkirche, 7 ff. 
Altmann J. O., 101, 127, 133» 154, 251, 252. 
Alumnat ün IGoster 
anno 1535, 22. 

1539, 22. 

1548^ 21 

1581, 33. 

1591, 36 ff. 

1610, 42, 43. 

1616, 53, 54, 247. 

1643, 64-66. 

1653, 68 ff. 

1655, 75. 

1707, 119 ff. 

1799L-1803, 173 und 174. 

von 1805 an, 215—217. 
Alumnat auf der Schul 
Oründung, 32, 33, 34. 
anno 1591, 36 ff. 

1616, 53, 54. 

1643, 63, 64...66. 

1695, 112 ff. 

1707, 114 ff. 

1799L-1803, 173 ff. 

von 1805 an, 216, 217. 
Ampelander, 28. 

Amport Christian, 28, 30, 31, 243, 244. 
Anatomiegebaude, 221, 222. 
Anker, Maler, 224. 
Anker iVUthias, 223, 224. 
Anker Samuel, 224. 
Anstellung der Professoren, 193, 194. 
Apollinarius, interpr. psahn., 50. 
Apparitores, 38, 39, 115, 121. 



Arator, 29. 

Aretius Benedictus, 28» 29. 

Aristophanes, Plutus, 29, 244. 

Arminianismus, 105. 

Artopoeus, 20^ 27, 28» 29. 

Asinus, 247. 

Assodationsekl» 108. 

Aufsidit des Rates über die BarfOsser, 11, 237. 

Augustin» 28. 

Ausschluss der Habitanten- und Bauemsöhne, 121. 



239» 24a 



Bacfamann» Dekan» 106^ 107. 
B«rfQsser*Brflder» 

— ^~ Ouardiane» 

^ — Lesetnelster» 

^ — Sduiffner» 
BarfOsseikirche» 16. 
BarfOssersiegd» 241. 
Basedow» 257. 
Baselhut» 83» 115. 
Bassompierre» 227. 
Bastian Dr.» 1& 
Bau des Barffisserklosters» 5. 
Bauernkrieg, 66, 67, 249. 
Bay, Helfer, 228, 259. 
Beck Job. Hemr., 177, 196» 197. 
Beck PhiL Friedrich, 197, 199, 213. 
Befinden über Einrichtung der Akademie» 175. 
Beginen» 15. 
Benoit Friedr.» 99» 132. 
Benoit, Ratsschreiber» 191» 259. 
Beigen» von» Huldreich» 31. 
Bemer Daniel» 76. 
Bemoulli NikUus» 90. 
Bemoulli Daniel» 9a 

Besoldung des Herrn im Kloster» 32» 60, 61» 154. 
Besoldung des Herrn auf der Schul» 60» 61» 154. 
Besoldung der Professoren 

nach der Oründung der Schule» 23b 

anno 1598» 32. 
» 1640» 6a 
» 1786» 153 ff. 




266 



« 



Namen- uod Sadiregister. 



anno 1805 und folgende, 197, 200, 201, 209, 214, 
223, 225, 260, 26X 
Bibliander, 56. 
Bibliothek, Grosse, 229. 
BibUotfaekbau, 98. 
BibUoifaekgallerie, 263, 264. 
BibUoifaeksaal, 263. 
Bitzius Albert, 204, 261. 
Bläpp Samuel, 31. 
Blauner Adrian, 242, 243. 
Blauner Gabriel, 30. 
Blauner Nikiaus, 95, 96, 97, 140, 218. 
Bondell Emanuel, ^ 99, 116. 
Bonnet, Contemplation de la nature, 159. 
Bonstetten Viktor, 93, 97, 157, 158, 160, 161, 164, 

25Z 
Bonstetten Viktor, dessen c Patrizier», 158 ff., 257. 
Bourgeois David, 77, 82, 83, 105, 132. 
Botanischer Garten, 220, 221, 263. 
Breitinger J. J., Priidikant, 55. 
Brunner Joh. Rudolf, 102, 132, 154. 
Brunner Karl, Dr, 199, 213» 214, 221, 227, 228» 231. 
Budiser Ismael, 19, 20, 21. 
Bucer, 242, 243. 

Bullinger, Antistes, 21, 22, 23, 27, 243. 
Burschenwesen, 192, 193. 
Buxtorfü grammat hebr., 52. 

Capito Wolfgang, 18, 242. 

Cartesius, 82, 104, 252. 

CastUlion Jean, 95. 

Caesar, 247. 

Censoren, 38» 39, 96» 100, 108» 115, 122, 216. 

Censur, 25, 39. 

Censur der Presse, 182, 184. 

Censur der Professoren, 139 ff. 

Chemische Küche, 217. 

Choigericht, als erste Aufsichtsbehörde über das 

Kloster, 22. 
Cicero, 28, 138, 244, 247. 
Comenius, janua L reserata, 84, 110. 
Conformatio scholarum trivialium, 23, 244. 
Consul des Studentensenats, 38, 48. 
Cyro Peter, 243. 

Dacfaselhofersches Stipendium, 62. 
Dedamatio, 23, 51, 247. 
Dekane der Akademie, 176» 179, 190. 
Deutschherren, 1 ff. 
Diesbach, von, Nikiaus, 33. 
Diesbach, von, Censor, 259. 
Dieze, Bibliothekar, 157. 
Diplom der Tierarzneischule, 262. 



1» 



Disziplinarordnung von 1707, 118 ff. 

von 1770, 147 ff. 

von 1805, 181. 

Disputatio, 23, 31, 49, 51, 52, 201, 247. 

Disputation von 1528, 14. 

Dominikaner, Z 

Domer J. G., 166, 171. 

Döderiein Ludwig, 139, 187, 198, 199, 227. 

Ducrox, Maler, 225. 

Dürrholz Hermann, 31, 76, 244. 

Eberhard v. Rümlang, 20, 27, 28» 243. 

Egger Johannes, 132, 153. 

Emmert Fr. Aug. Gotthied, 176, 193, 208, 211, 223. 

Emmert Kari Friedrich, 198» 206, 209, 211, 223, 224 

Entbindungsanstalt, 222, 233. 

Erasmi colloquia, 100, 102. 

de utraque copia, 18, 242. 

endiiridion, 28. 

institutio, 28. 

Paraphrasen, 28. 

Erlach, von, K. L., 158. 

Eriachisdie Mineraliensammlung, 264. 

Erziehungsrat (zur Zeit der Helvetik), 170 ff. 

Essay sur P6ducation publique, 142 ff. 

Europaische Zeitung, 188. 

Eyen, Pfarrer, 107. 

Examina» 25, 39, 147, 210, 211. 

Exdusion, 36 ff., 53. 

Exdusionen, 68. 

Exegetisdie Gesellschaft 199. 

Exlex, 65. 

Favre, Hufschmied, 224. 
Fädminger, Dekan, 245. 
Fädmingersches Legat, 62, 248. 
Fellenberg Daniel, 91, 92, 160. 
Fellenberg Emanuel, 170, 231, 259. 
Fetscherin, cand., 204. 
Fetscherin Rudolf, 231, 261. 
Fisdi J. G., 166, 167. 
Fischer Alexander, 175. 
Fisdier Fr., Kurator, 259. 
Florus, 28. 

Formula consensus, 104. 
Francke A. H., 145. 
Freudenreich, Amtsschultheiss, 258. 
Friedhof der Barfflsser, 10, 15. 
Frisdiing Albert, 133» 134. 
Frisching Kari Albrecht, 160. 
Frischlngsches Stipendium, 78. 
FrisdiingSGhes Reisestipendium, 256. 




267 



^ 



Fueter Eduard, 233l 
Fimit Berahard, stiML, 2Z 

Oaiwafam gähn, 48. 

Oasseniretten, 34, 35, 49. 

Oefängnlsstrafe, 34, 48, 49. 

OeMsfralcn, 36 ff., 53 ff., 68, 118 ff. 

Odduffbredien der Studenten, 70^ TZ 

Oerber, Prosektor, 213. 

Oerwer Daniel, 133, 135. 

Oesaner Mathias, 137, 255. 

Öliger im Kloster, 70^ 71. 

Omelin Chr. H., 176, 206^ 2Z7. 

Oraffenried, von, Bernhard, 93. 

Oraffenried, von, Nildaus, 33. 

Oraffenried, von, Ratsherr (1809), 258. 

Qriessberger, Dr., 197. 

Orossmann Kaspar, 18. 

Oruner Ootttieb, 17a 

Oiynaeus Simon, 19, 29. 

Oiynaeus Thomas, 19, 20^ 22; 20^ 243^ 

Oualtfaerus, Pradikant in Zflridi, 56. 

Qüldin, Pfarrer, 106. 

Outachten der Zürcher wegen der Schulordnung 

von 1616^ 55 und 56. 
Oymnasium academicum, 156, 256. 
Oymnasium, Höheres, 233. 

Haarschur der Studenten, 37, 118. 

Haase, 232. 

Haberreuter Jakob, 31, 60. 

Haberrreutersches Stipendium, 78. 

Habitanten- und Bauemsöhne, 121, 131, 132. 

Haller Albrecht, 101, 137 ff., 141 ff., 158^ 255, 256l 

Hauer Berchtold, 77, 81. 

HaUer Kari Ludwig, 182, 183, 184, 185, 006, 207, 

227, 258, 261. 
Haller Johannes, 21, 23, 27, 243. 
HallennedaiUe, 23a 
Haller Samuel, 109, 135. 
HaUer, Weltmeister, 225. 
Hamd, Staatsrat, 187, 188. 
Hartmann, operat, 212. 
Hasler Johannes, 31. 
Hebräerbrief, 27. 
Heiliggeistkirche, 246. 
Heldmann, Prof., 185 ff.., 259. 
Henke Eduard, 206, 207, 23Z 
Henzi NikUus, 31, 32, 51, 60, 248, 25a 
Henzi Samuel, 77, 8% 133. 
Hepp, Dr., 23Z 
Herbort v. Beaumon^ 161» 




iH 



Herder 158. 

HerUn HuUrekh, 31, 3Z 

Herfin David, 77. 

Hermann J. J., 211, 212, 213. 

Herren im Kloster: 

Oiynaeus Thomas, la 

HaOer Beiditokl, 66. 

Henad NlkUus, 65. 

NiäMer David, 64, 66, 76. 

NiooUus Johannes, 66. 

Pfister NiUaus, 2a 

Rohr Samuel 66. 

Ruef Johann, 76. 

Sulzer Shnon, 19. 

Wyss David, 6a 
Herren auf der Schul: 

AchmiUer, 64. 

Eberhard v. Rümlang, 2a 

Haberreuter Samuel, 6a 

Hibner Peter, 31. 

Nicohius Johannes, 7a 

Rohr Samuel, 77. 

Rfithneyer Albrcdi^ 6a 

Sdmeeberger Peter, 30, 33. 

Wyss David, 6a 
Heyne Ch. O., 158, 257. 
Hibner Peter, 31. 
Hibner Rudolf, 7a 
Hieronymus* Briefe, 2a 
Hodistetter Kari Wilhekn, 103, 209. 
Hockers Hünmd und Erdkugel, 9a 
Hofmeister Sebastian, 18, 243. 
Horaz, 138, 161 
Hortin Jakob, 136, 153. 
Hortinus Joh., 30. 
Hufeland, 206. 
Huldricus J. S., 55. 
Hungarische Studenten, 130 ff. 
Hfibschi Ludwig, Baumeister, 5. 
Hfinerwadel Samuel Oottlieb, 184, 191, 103^ 202, 

232. 
Hümer, stud., 124. 
Hfirsch, stud, 192. 

Jahn Kari, 177, 196. 
Jenner OottUeb, 90, 91, 127. 
Jenner, Appellationsrichter, 191, 259. 
Jesaias, 27. 

Impositio manuum, 47. 
Isenschmid David Rudolf, 214. 
Isokrates, 24, 27. 

Ith Johannes, 133, 159, 160, 164^ 167, 168, 170; 173, 
175, 176, 202, 22a 




266 



« 



NAnai- und Sidifmiittf* 



Itli Johannes, dessen Befinden fiber eine bessere 
Einrichtung des Unterridits, 150 ff. 

Ith, Dr., 212, 233. 

Juillerai Maler, 226. 

Juridische Faicultat derr Alcademie, 206 ff. 

Justin, 28. 

Juvencus, 29. 

Kanzler der Mademie, 177. 

Kästner, Hofrat, 97. 

Kirchbeiger Friedrich, 102, 154. 

Kissling, stud., 20. 

Kleider, den Studenten geschenkt, 78, 250. 

Kleidung der Professoren, 179, 182. 

Kleidung der Studenten, 36, 37, 54, 55, 65, 78, 82, 
100, 115, 118» 125, 148, 181, 192, 193. 

Klosterumbau, 77, 241, 250. 

Klosterhalden, 239. 

Kocher Jakob, 135, 138. 

Kodier Joh. David, 133, 135, 140^ 166, 196, 254. 

Kollegiengelder, 180, 205, 223. 

Kompetenzstreit zwischen Sdiulnt und OerichtB* 
Schreiber, 127. 

KortQm, 187, 232. 

Kotzebue, 188. 

König Samuel, 93, lOa 

Kuhn Bernhard Friedrich, 93, 165. 

Kunstschule, 156, 256. 

Kuratel der Akademie, 175, 177, 178, 189. 

KurfQist von Mainz, 157. 

Lafond, Maler, 226. 

Langhans, cand, 204. 

Lateinsprechen, 65, 66, 246. 

Uuffer J. J., 101, 153. 

Lector, 243. 

Leemann S., 109, 132, 135, 136, 251 

Leges domesticae, 22, 25, 36 ff ., 53 ff. 

Lerber Sigmund, 91, 92, 251. 

Lerber Franz Ludwig, 93. 

Leuenberger, 66. 

Lichtenberg (Qöttingen), 97. 

Lignaridus, 31. 

Litterarisches Archiv, 226, 227. 

Litterarschule, 156, 2^. 

Livius, 102. 

Locat, 243. 

Lombach, Oberamtmann, 191. 

Longuevillc, Herzog von, 30. 

Lory, Maler, 226. 

Losannisches Stipendium, 117. 

Loya de Cheseaux J. Ph., 95. 

Löhrer, Zeichnungslehrer, 226. 

Ludan, 24, 27, 28, 244. 



» 




Lfithard Christof, 76, 77, 81, 85. 

Lutz Emanuel, 77. 

Lutz Samuel, 106, 107, 187, 203, 231, 232, 260, 261. 

Malacrida E., 109, 133, 134, 136, 254. 

Manuel Hans Rudolf, 92. 

Manuel Hieronymus, 33. 

Manuelsches Mineralienkabinett; 221. 

Markward Blasius, 31. 

Marti Benedikt, 27, 30, 244. 

Martin Fortunata, 245. 

Martinii physica, 51. 

Martinii grammat hebr., 52, 247. 

Maser David, 32, 67, 76, 81. 

Mass6 Nikiaus, 106, 107. 

Mass£ Daniel, 139, 156. 

Matiiys, stud., 128. 

Maurer-Constani; 257. 

May K. R., 160. 

May, von Courtelaiy, 259, 

Mayer Karl, 210, 211, 212. 

Meckd Albrecht, 213. 

Meckd Fr., 213. 

Medizinische Bibliotfiek, 227, 228, 263. 

Medizinische Fakultät der Akademie, 206 ff. 

Medizinisches Institut, 208. 

Megander, 18, 19, 242, 243. 

Meierotto, 257. 

Mdssner Friedr. August; 177, 197, 200, 202, 214, 

221, 228, 264. 
Melanditiions erotemata dialectices, 28. 
Meyer Joh. Heüirich, 243. 
Meyer Sebastian, 13 ff., 243. 
Mohl Hugo, 232, 233. 
Morell Karl, 170, 213. 
Morlotii Max, 252. 
Monis Th., Utopia, 28. 
Mulktenverpachtung, 122. 
Muralt J. Bernhard, 106, 107, 126. 
Mumer, Dr. Thomas, Lesemeister, 13. 
Musculus Wolfgang, 27, 28. 
Musikalische Gesellschaft, 264. 
Musikkollegium, 128, 129, 130, 226. 
Musikreglemente, 128^ 129. 
Musshafen, 17. 

_ Oritndung, 23. 

_ Ordnung von 1643, 62-j64, 249. 

— Ordnung von 1806, 217 ff. 

_ Musterung, 62, 2ia 
Mutadi Alb. Friedrich, 175, 182 ff., 185 ff., 188 ff., 
190, 199, 201, 207, 224, 226, 227, 231, 259, 264 
Mfllinen, von, Beat Ludwig, 34, 245. 
MüUer Christof, 61, 62. 



^ 



Nahicii' and Sichreglstcr« 



m 



MfiUer-FriedbeiK, 184. 

MQUer Johann (RheOikan), 1& 

Müller J., von Sduffhausen, 93, 97, 157, 158, 160^ 

257. 
Müller Nildaus, 76. 
Müller Sam. A., 156. 
Mfislin, HeHer, 167, 171, 258. 
Mfisliadies Legat, 230. 

Nachtpredigten, 116. 
Nationalbudidfiickerei, 172. 
Naumburger, Engliachlehrer, 215. 
Nerenij geographia, 96. 
Neuhaus, Regierungsrat, 231. 
Nicolaus Johannes, 76, 82, 136. 
Nottet, Abb^ 96. 
Nonnus, metaphys. ev. s. Joannem, 50. 

Oblasser, Musikus, 254. 
Oiigsburger, Ratsherr, 251. 
Ovid, 247. 

Paedagogeyen, 110, 111, 135, 202. 

Paedagogiuffl, 33, 34, 245. 

Pauli Johannes, Guardian, 13. 

Paulinus, 29. 

Pecholier, cand., 204. 

Pedell, 35, 125. 

Pensa der Professoren im Kloster, 27—29, 30, 40. 

Pensa des Prof. graecus, 50, 133. 

hebraicus, 134, 135. 

philosophiae, 50, 51, 132. 

theologiae N. Test, 51. 

theologiae V. Test, 52. 

Pensa der Untern Schule, 244. 

Perkinsi annilla aurea, 51, 247. 

Perrey P. J., 251. 

Perty Maximilian, 232 

Pietistenbewegung, lOi— 108. 

Pfänder, Ratsherr, 258. 

Pfister Nikiaus, 20, 21, 27, 32, 243. 

Pfründerinnen der Barffisser, 238. 

Philosophische Fakultät der Akademie, 194--20a 

Physikaiisdies Kabinett, 218 ff. 

Piscator, 24a 

Piscatorbibel, 54, 248. 

Plato, 28. 

Plutarch, 28. 

PoUtisches Institut, 156 ff. 

Praedikantenrodel, 242. 

Predigten der Examinaten, 39. 

Pressuren, 65. 

Priester, im Kloster verpflegt, 17, 239. 



PrivatiektOre der Studenten, 28, 29. 
Proben für die Lehrstühle, 86, 101, 102. 
Promotio ad lectiones publicas, 47, 126. 

— ad ministerium, 47, 106, 147. 

— ad phüosophiani, 146, 

— ad theologiam, 146, 147. 
Prorektor der Akademie, 176^ 178. 
Prorektor der Obern Sdiule, 146. 
Prosektor, 209. 

Prosper, 29. 

Provinzialkapitd der Barffisser üi Bern, 15. 

Provisoren, 243, 247. 

Prudentia ecdesiastica, 141, 142. 

Prudentius, 29. 

Puffendoif, de officio h. cL c, 90. 

Psalter, 27. i 

Quistoren, 38^ 39, 68^ 115. 
Quisturreglement des Jahres 1716, 122. 

Ramus Petras, 50, 51, 85. 

Rami dialectica, 247. 

Rang der Professoren, 146^ 180. 

Rapp Dr., 212. 

Rebmann Valentin, 28, 31. 

Refonnationsbestrebungen unter den Barfüssern, 10. 

Reglement der Akademie vom Jahr 1805, 177 ff. 

Reglement der Akademie vom Jahr 1821, 188 ff. 

Rektor der Obera Sdiule, 46, 49, 62, 81, 86, 146, 

154, 256. 
Renaud, Pfarrer, 200. 
Rengger Abraham, 164. 
Repetitorien, 179. 
Republikanisches Oymnasium, 171. 
Rhellikan, 18, 19, 242. 
Ringier Hemrich, 133, 153, 249. 
Risold Ootttieb, 133, 136, 164, 170, 177, 182, 190, 

195, 198. 
Rodolff Rudolf, 106, 109, 135, 136, 253. 
Rohr Samuel, 66, 77. 
Romang Joh. Peter, 201, 232. 
Rosselet, Fürsprecher, 91, 165. 
Rosselet, Prädikant, 83. 
Rodel, geheime, der Studenten, 65. 
Rudotf Ludwig, 102, 164, 195, 25a 
Ruef Johann, 76. 
Rust Thüring, 30, 31. 
Rutenschneiden (in d'Ruten gan), 37. 
Rutenstrafe, 36, 48, 84. 
Rütimeyer Marcus, 32, 51, 77, 81, 244 

Sacrobustani Sphaera, 28. 
Sakramentstreit, 19—20. 




270 



« 



Namen- und Sachregister. 



51 



SalcUi Joh. Rud, 133, 135, 136, 153, 154. 

Salchli, Pfarrer in StetUen, 258. 

Sallustius, 18. 

Sdiaffter, Pfarrer, 215. 

Schar, stud., 124. 

Scharer Rad., 170, 171, 176, 201, 203, 217, 226, 

227,260. 
Schenk, Medianiker, 219, 220. 
Scheiirer Samuel, 101, 135, 136, 153, 252. 
Schieber David, stud., 127, 254. 
Sdiiferii Abraham, 176, 183, 193, 206, 211, 223. 
Schüd Peter, 223, 224. 
Schmidt Samuel, 80. 
Schneckenburger, 232. 
Schneeberger Peter, 28, 30, 31, 244. 
Schneider Johann, 231. 
Schnell J., 200, 231, 232. 
SchneU Samuel, 176, 182, 183, 184, 206, 231. 
Schnewli, stud., 20^ 21. 
Scholarchen, 45, 46, 81, 247. 
Schoppius, 59. 
Sdnilaufsicht durch die Prädikanten, 22, 40, 55 ff ., 

57, 58, 81, 83, 105. 
Schuldramen, 29, 78— 8a 
Schulherren, 22, 33, 34, 44. 
Schulkommission, 253. 
Schuhneister der Untern Schul, 243. 
Schuhneistereid, 20, 21. 
Sdiulordnung von 1548, 21, 22, 23-^. 

1591, 3S-^1. 

1616, 44^-55. 

1676, 81—86. 

1766, 141—145. 

177Q, 146— 15a 

1797, 150-153. 

Schulrat, oberer, 44, 45-48, 105, 106, 126, 127. 

unterer, 48, 49. 

Schulseckel, 23, 46, 47, 49, 61, 77, 7a 

Scribae, 39. 

Seehnatter Balthasar, 30, 31. 

Seehnatter Kaspar, 87, 88, 99. 

Seminarium philologicum, 137 ff. 

Senat der Studenten im Kloster, 25, 38 ff., 120 IL, 

Senat der Studenten auf der Sdiul, 114, 115. 

Seneca, 28. 

Sidonitts, 28. 

Sinner, BibUothekar, 143, 158» 255, 256. 

SneU Wilhehn, 233, 265. 

Sodnianismus, 105. 

Solennitit, 47. 

Sömmering in Mainz, 97. 

Sonnenschein, Prof., 167, 171, 225. 

Sprflnglin, Direktor, 167, 171, 258. 




Sprfinglische Sammlung sdiweiz. Vdgel, 264. 
St Jakobsbruderschaft, 9, 236, 237. 
Stapfer Friedrich, 173, 174, 191, 203, 217, 232. 
Stapfer Johannes, 136, 140, 153, 166. 
Stapfer Ph. Albert, 136, 153, 166, 167, 171, 257. 
Stähele Andreas, 187, 188, 259. 
Steck August 230. 
Steck Joh. Rudolf, 17a 

Steiger von Riggisbeig, AppeOationsriditer, 259. 
Sternwarte, 218, 219. 
StetÜer Alb. Friedr., 165, 166, 171, 257. 
StetÜer Joh. Rudolf, 160, 161. 
Stiftungen zu Gunsten der Barffisser, 6 ff. 
Stipendiaten, die, auf fremden Akademien (ad 
academias) 
anno 1538, 21. 

» 1548,25. 

» 1557, 25. 

» 1585, 250. 

» 1591, 40, 41, 47. 

» 1626,25a 

» 1653,66-^ 

» 1698, 117 ff., 253. 

» 1757, 256. 

» 1770, 149. 
Stipendiaten von Thun, Zof Ingen und Brugg, 

22, 24, 33, 42, 43, 49, 64, 216, 217. 
Storch Jakob, 243. 
Studentenbibliotfaek, 228, 229. 
Studentendemonstration anno 1818, 204. 
Studentenkefi, 124 ff. 
Studentensodetat, 228. 
Studer Bernhard, 200, 214, 23L 
Studer Daniel Ludwig, 136, 153. 
Studer Oottiieb, 200, 227, 230, 260. 
Studer Samuel, 153, 170, 176, 201, 205, 206, 259. 
Stundenpläne, 52, 53, 84, 85. 
Sturm Johannes, 21, 243. 
Stflblinen im Kloster, 70, 71, 112. 

auf der Schul, 112. 

Sneton, 164, 168. 

Sulzer Simon, 19, 20, 23, 29, 2^ 243. 
Suter J. Rudolf, 194, 199, 200; 260. 
Suter, Privaflehrer, 211. 

Talad rbetorica, 244, 247. 

Tanzverbo^ 38, 48, 119. 

Terenz, 100, 103. 

Thema exploratorium, 126, 253. 

Theologische Fakultät der Akademie, 201 ff., 26a 

Thormann, Oerichtsschreiber, 127. 

Thutt, BarfQssertiospitiuni, 6. 

Tierarzneischule, 223, 224. 







5i 



Tillier Abfahaoiy 107. 

Tülier, Regieningtra^ 231. 

Tillientipendium, 6Z 

TiUmanii Bernhird, 19, 21, 27, 2& 

Tradation im Kloster, 6Q, 74. 

TraUes J. O., 97, 98, 154, 158, 159; 164, 166, 171, 

172, 173, 218, 220, 252, 257. 
Trechsel Job. Friedr., 177, 196, 197, 219, 227. 
Tribokt Albredit, 176, 208, 209, 233, 262. 
Tribolet, Dr., Vater, 213. 
Tribolet, Dr., Sohn, 213. 
Triboletsdie Pflanzensammlung, 264. 
Trog Huldrekfa, 31. 
Tschamer Daniel, 251. 

Karl Friedr., 187, 188, 189, 259. 

, Karl Ludwig, 91, 92, 93, 159, 161, 161 

Nikiaus Emanuel, 91, 97, 139, 156. 

Vincenz Bernhard, 92. 

: alt-Landvogi von Bufgdorf, 229. 

Tsdier Nikiaus, 106, 107. 

Untere Sdiule, 145, 243, 244, 247, 255, 263. 
Untersten, die, im Kloster, 72. 
Uriaub, 40, 48, 53, 118. 
Usteri, Prof., 191, 231. 

Valerius Maximus, 28. 
Vicat, Prof. juris, 91. 
Virgil, 100, 102, 244^ 247. 
Vögte der Barfusser, 11. 
Vollmar, Maler, 225, 226. 
Vulliamy, 220. 
Vulpius J. A., 79, 82, 83, 25a 

Wagner Michael, 170, 173. 
Wagner Sigmund, 225. 
Waldkixch J. R., 89. 



Wahhaid Abraham, 133, 14a 

Walther Ootflieb, 9% 93, 163, 164, 165^ 251. 

Wartbuigfes^ 185. 

Wasvary, stud., 130. 

Wattenwyi Alb. Ludwig, 92, 251. 

Watten^ Bernhard, 230. 

Weihen, frühzeitiges, der Studenten, 28^ 34^ 43^ 48, 

123, 149, 18a 
Wemreichen ins Kloster, 36, 48, 54, 72. 
Weinzipfti Theobahl, 76b 79. 
WertmOOer, stod., 125. 
Weyermann, StatduHer, 81. 
Wilhehni Samuel, 133, 134, 138, 140|, 153, 154, 164. 
WÜUding Hans, 30. 
Wodienschilling, 23. 
Wohnungen der Professoren, 217, 263. 
Wolf, Auszug aus Ani der mafli. W., 96. 
Wollebii Compendhun, 85. 
Wurstemberger K. Ludwig, 191. 
Wyss Bernhard, 206. 

David, 76^ 77, 8% 10^ lOS, i», 180^ 136, 

136l 

Johann Rudolf, 177, 196, 231. 

Oberiehenskommisdür, 2ML 

Samuel, 227. 

Wyttenbach Daniel, 136. 

H., Kurator, 259. 

Samuel, 171^ 202, 228^ 259. 

Zechen der Studenten, 48, 64, 65. 

Zeender Emanuel, 30, 31, 248. 

Zeender Emanuel Jakob, 167, 171, 176^ 193, 201, 

202, 258, 26a 
Zeerieder, Ratsherr, 230, 231, 259. 
Zehender, Stadtschreiber, 191. 
ZeOerhandel, 19-.^ 
Zeller Peter, 19L-20. 
Ziegler Ootdteb, 198, 23a 



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ABcm. Civilrecht 

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