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Die
Incunabel-ßibliographie.
Anleitung
zu
einer richtigen und einheitlichen Beschreibung der Wiegendrucke.
Von
ANTON mNSLE
k. k. Bücherschätzmeister und Antiquar.
WIEN.
Verlag des Oesterr. Buchhändler- Vereines,
1888.
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Unter allen bibliographischen Arbeiten bietet die
Beschreibung der Druckwerke des fünfzehnten Jahr-
hunderts die grössten Schwierigkeiten. Ein gut gearbei-
teter Incunabelkatalog ist eine wissenschaftliche Leistung,
welche nicht nur bedeutende Kennerschaft in der In-
cunabelkunde selbst, als auch \K)Ilständige Orientirung
in der Greschichte der Buchdruckerkunst des Mittelalters
voraussetzt. Wenn auch in Bezug auf die letztere eine
umfassende Literatur zur Verfügung steht, so ist es
gerade diese, welche mit ihren vielfältigen Irrthümem
den An&nger verwirrt und nicht selten zu ganz falschen
Schlüssen verleitet. Um wirklich Gediegenes auf diesem
Gebiete leisten zu können, ist eine langjährige Praxis
die Grundbedingung.
Das wissenschaftliche Antiquariat muss selbstver-
ständlich nach jeder Richtung arbeiten und wird nur
nebenbei, schon in Anbetracht der grösseren Seltenheit,
in den Besitz von Incunabeln kommen. Doch sollten die
bibliographischen Beschreibungen, welche von den etwa
vorkommenden Wiegendrucken zur Aufnahme in die
Lagerkataloge gemacht werden müssen, nach bestimmten
Regeln und Grundsätzen geschehen. Ebenso sollten die
Incunabelkataloge der öffentlichen Bibliotheken unter
denselben Gesichtspunkten bearbeitet und im Interesse
der Incunabelforscnung veröffentlicht werden.
Von Seite des französischen Unterrichtsministeriums
wurde bereits im Februar 1886 eine Verordnung erlassen,
welche sämmtliche Bibliotheksverwaltungen Frankreichs
verpflichtet, binnen einer bestimmten Zeit die vorhan-
— 4: —
denen Incunabelschätze nach bestimmten Regeln zu kata-
logisiren. Diese Beschreibungen werden einem Redactions-
comit^ in Paris eingesandt, welches die Herausgabe eines
grossen, die sämmtlichen in den Bibliotheken Frankreichs
befindlichen Wiegendrucke verzeichnenden Kataloges zu
besorgen hat. Von welcher Bedeutung ein derartiges
Werk für die Incunabelforschung ist, braucht wohl kaum
betont zu werden.
Die in der betrejffenden Ministerialverordnung*) ge-
gebenen Regeln, welche bei den Incunabelbeschreibungen
zu berücksichtigen wären, sind, abgesehen von ihrer
UnVollständigkeit, so unklar und gerade ftir den Laien,
flir den sie bestimmt sind, so unverständlich, dass der
Erfolg dieses nicht nur wohlgemeinten, sondern nach
meiner Meinung höchst wichtigen Decretes nicht den
Erwartungen entsprechen dürfte. Es werden nur in all-
gemeinen Umrissen jene Momente angefUhrt, welche von
einem Wiegendrucke zru wissen wünschenswerth wären —
ohne nur im allergeringsten näher darauf einzugehen,
auf welchem Wege diese Momente ermittelt werden
können. Es hätte eben ein Fachmann eine ausführliche
Anleitung zur Bibliographie der Incunabeln geben sollen,
unter Aufstellung von ganz bestimmten Regeln, und zwar
unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nicht alle
Bibliotheksbeamten, insbesondere bei kleineren Incunabel-
beständen, gerade nach dieser Richtung Fachmänner
sind. Dasselbe gilt für den Antiquar, der nur in den
seltensten Fällen Gelegenheit hat, genügende Erfahrungen
auf diesem Gebiete zu sammeln.
Zweck dieser Schrift ist es nun, ein Regulativ auf-
zustellen, das nach jeder Richtung Aufklärung bieten
soll, und selbst scheinbar unbedeutende Momente mit
derselben Ausführlichkeit klarlegt, wie dies von unbedingt
wichtigen Angaben in der Incunabelbeschreibung ge-
fordert wird. Diese Zusammenstellung geschieht vom rein
praktischen Standpunkte und soll sowohl dem Bibliothekar
wie dem Antiquar einen willkommenen Behelf bei seinen
Arbeiten bieten.
*) Pablicirt in: Bulletin des BibliothSqaes et des Archiven,
publik soas les anspices du Ministöre de Instruction publique.
*nn6 1886. N" 1. Paris, H. Champion.
Bei der Katalogisirung von Wiegendrucken sind es
vor Allem zwei Momente, welche wohl zu beachten und
streng getrennt zu halten sind. Es sind dies die Angaben;
welche
a) vom Druckwerk als solchem Tals Repräsentant
seiner Gattung [Exemplar der Auflage]) und
h) von dem vorliegenden Buche ganz speciell (als
Individuum)
zu machen sein werden.
Es ist selbstverständlich; dass jene Eigenschaften,
welche dem Druckwerk als solchem (a) zukommen,
fär alle Exemplare desselben Buches gelten. Es sind
dies die in der nachfolgenden Aufzählung unter Nr. 1
bis 14 und 20; 21 näher bezeichneten Momente.
Die Eigenschaften dagegen, welche das zu katalogi-
sirende Exemplar (h) des Druckwerkes besitzt, sind
diesem allein eigenthümlich und kommen keinem
anderen oder nur wenigen noch existirenden Exemplaren
desselben Wiegendruckes zu. Es sind dies die Punkte
15 bis 19.
Ich will nun diese 21 bei Incunabelbeschreibungen
zu machenden Angaben in jener Reihenfolge aufzählen,
in welcher sie zu erfolgen haben:
1. Name des Autors (eventuell das Schlagwort).
2. Titel des Werkes.
3. Datirung (Ort, Drucker und Jahr).
4. Format.
5. Ausführliche Copie des Titels; respective Anfangs-
und Schlusszeilen.
6. Anzahl der Blätter.
7. Angaben über Signaturen; Custoden, Blattzahlen.
8. Justirung (Columnen; Marginalien; Figuren, Com-
mentar).
9. Zeilenzahl.
10. Typenform.
11. Majuskeln; Minuskeln; Abbreviaturen, Inter-
punction.
12. Druckfarbe, Drucker- oder Buchführersignet.
18. Künstlerische Ausstattung.
14. Bibliographischer Hinweis.
15. Beschaffenheit des Papiers, Pergamentdruck.
— 6 —
16. RubriciruDg, Colorirung^ Miniaturen.
17. Handmbriken.
18. Art des Einbandes.
19. Erhaltung.
20. Seltenheit, Editio princeps, Preise.
21. Historisch-literarische Notizen.
Bevor man an die Besclireibung eines Wiegendruckes
geht, ist es unter allen Umständen gut und die Arbeit
bedeutend fördernd, wenn man die nachfolgenden biblio-
graphischen Werke zu Rathe zieht, und sich vorher
überzeugt, ob das betreffende Druckwerk bereits be-
schrieben wurde. Selbstverständlich darf man sich mit
einer beiläufigen Uebereinstimmung der einzelnen Angaben
nicht begnügen. Dieselben müssen eben vollkommen
auf das zu beschreibende Druckwerk passen. Allerdings
können kleine Verschiedenheiten vorkommen, welche aber
nur die Anzahl der Blätter oder kleine Variationen im
Texte betreffen können. Stimmen alle Angaben überein,
so kann man sich mit einer sogenannten kurzen Auf-
nahme, von welcher später die Rede sein wird, begnügen.
Die wichtigsten bibliographischen Behelfe zur Incu-
nabelkatalogisirung sind folgende:
Hain, L., Repertorium bibliographicnm, in quo libri omnes ab arte typo-
graphica inveDta usqae ad annnm MD. typis expressi
recensentur. Stuttgartiae 1S26 — 1838. 2 toI. in 4 tom. 8^.
Panzer, O. W., Annales typoe^raphici ab artiA inventae orio^ine ad
aunum MD. Nurembergae 1793—1797. Vol. I— V. 4^. (Vol. VI— XI
enthalten nur spätere Drucke von 1501 ab, kommen daher hier
nicht in Betracht)
Panzer, O. W., Annalen der älteren deutschen Literatur, Sammt
Zusätze. Nürnberg und Leipzig 1788—1802.
Campbell, Annales de 1a typographie n^erlaudaise au XV* siöcle.
M. 2 Suppl. La Haye 1874—1884. 80.
Brunet, Manual du libraire et de Tamateur de livres. Paris 1860 — 65.
6 Bde. 80.
Graesse, J. G. Th., Tresor de livres rares et pr^cieux ou nouveau
dictionnaire bibliographique. Dre8del859 — 1869. 6 Vol. et suppl. 4^.
Hierzu als sehr belehrende Ergänzung:
£(. Klemm's beschreibender Katalog des bibliographischen Museums.
Dresden 1884.
Vor Allem ist es Hain's Repertorium^ ohne das
jede bibliographische Arbeit auf diesem Gebiete bedeutend
erschwert würde. Jene Artikel, welche in diesem Werke
— 7 —
vor der fortlaufenden Nummer mit einem * bezeiclinet
sind, hat Hain selbst gesehen und beschrieben. Mit
äusserst geringen Ausnahmen sind diese Beschreibungen
mit subtiler Qenauigkeit ausgeführt, und können als die
zweckentsprechendsten Incunabelbeschreibungen ange-
sehen werden. Die anderen Titel verdanken ihr Vor-
handensein mehr oder weniger präcisen und glaubwür-
digen Bibliographen, mit welchen Hain in Correspondenz
gestanden. Da dieses Werk kein Bibliothekskatalog war,
sondern als ein theoretischer Katalog zu bezeichnen
ist, so sind alle Angaben, welche das Exemplar be-
treffen, weggelassen, das sind jene Momente, welche ich
unter Nr. 15 bis 19 bezeichnet habe. Dagegen finden
Punkt 1 bis IB die genaueste Constatirung.
In zweiter Linie stehen Panzer 's Annalen. Auch
dieses Werk bietet bedeutende und wünschenswerthe
Behelfe, doch ist es mit einiger Vorsicht zu benutzen ;
es liefert überhaupt nicht vollständig genaue Titel copien,
da die Zeilenabsätze fehlen und die Abbreviaturen auf-
gelöst wurden. Die Anordnung nach dem Alphabet der
Druckorte bietet manchen Vortheil.
Brunet's und Grässe's grosse bibliographische
Arbeiten sind bezüglich der Wiegendrucke nur sehr
unvollständig, aber als Ergänzung zu Hain und Panzer
immerhin wünsch enswerth.
OampbelTs Annales enthalten nur die niederländi-
schen Druckwerke und kann für diese Gruppe als ein
vorzügliches, allen Anforderungen entsprechendes Nach-
schlagebuch bezeichnet werden.
Die vorliegende Arbeit wird nicht nur dem gewiegten
Bibliothekar und dem gebildeten Antiquar jene Wege
zeigen, welche zu einer gleichmässigen, von demselben
Gesichtspunkte ausgehenden Methode der Incunabel-
katalogisirung fhhren sollen, sondern sie soll auch dem
Anfänger in diesen Arbeiten als Leitfaden dienen. Es
wird daher von manchen Dingen gesprochen werden,
welche Vielen ohnedies bekannt sein dürften und über
Vieles ausführlich verhandelt werden, das unwichtig er-
scheint. Bei Arbeiten, welche eine subtile Genauigkeit
erfordern, ist oft ein scheinbar unbedeutendes Moment
von grosser Wichtigkeit.
— 8 —
Punkt fUr Punkt werde ich die Arbeiten, welche bei
richtigen und vollständigen Incunabelbeschreibungen zu
machen sind, näher erklären; man wird manchen prak-
tischen Hinweis finden und hierdurch gewisse Schwierig-
keiten leichter überwinden.
1. Der Name des Autors.
Eigentliche Buchtitel nach heutigen Begrüben kommen
bei Incunabeln nicht vor. Gerade so wie in den Hand-
schriften des Mittelalters, welche sofort mit dem eigent-
lichen Text beginnen und nur die ersten Worte den
Inhalt des Werkes bezeichnen, haben die Typographen
des flinfzehnten Jahrhunderts ihre Druckwerke begonnen.
Da heisst es nicht selten: „Incipit Über . . . .", oder „Hie
hebt sich an . . . .". Sehr häufig ist dem eigentlichen
Texte eine Vorrede, eine Epistel, ein Register u. s. w.
vorangestellt. Der Name des Autors ist meistens an
dieser Stelle zu finden. Oft jedoch ist es nothwendig,
die ganze Vorrede durchzulesen, um auf einen Namen
zu kommen. Ist der Anfang des Buches erfolglos durch-
forscht, so suche man in den Endschriften nach Titel
und Autor. Allgemein gebräuchlich war es, am Schlüsse
des Druckwerkes alle Angaben über Titel, Autor, Druck-
ort, Drucker und Jahr zu bringen, welche Endschriften
die Bezeichnung Colophon oder Rubrum erhielten. Die
letztere Bezeichnung kommt daher, dass in den Hand-
schriften derartige Endschriften meist mit rother Tinte
geschrieben wurden; auch wurden sie, besonders in der
ersten Zeit, in den Druckwerken roth (meist ausser der
Presse) eingedruckt. Diese Schlussschriften fehlen jedoch
sehr häufig, oder sie beschränken sich auf wenige Worte,
wie: Finis, Explicit Über, Hie est finis, Ein End hat ....
u. s. w. Ist ein Name endlich gefunden, so versäume
man ja nicht, sofort Haines Repertorium zur Hand zu
nehmen. Findet sich auch derselbe Wiegendruck nicht
verzeichnet, so hat man doch dadurch sehr bald den
Titel des Werkes gefunden. Der Name des Autors wird
nun (stets im Nominativ und unabhängig von der Fassung
des Textes) derartig niedergeschrieben, dass der Zu- oder
Beiname, unter welchem der Autor eben bekannt ist,
— 9 —
voransteht und der Vorname (am besten ohne Abkürzung)
darangereiht wird. Auch ist es nothwendig (wegen der
vielen gleichlautenden Namen des Mittelalters); den Stand
oder Titel des Verfassers in Ellammern beizusetzen (z. B.
Antoninns [Archiep. Florent]; Antonio S. de Padova;
Antonio Bettini de Siena [Vescovo di Fuligno] etc.).
2. Titel des Werkes.
Meist hat man schon mit dem Namen des Verfassers
auch den Titel des Werkes geftinden.
Ist der zu beschreibende Wiegendruck in einem
der angeführten bibliographischen Werke (insbesondere
Hain und Panzer) ausführlich beschrieben^ so dass
daselbst eine genaue Wiedergabe der Anfangs- und Schluss-
zeilen mit allen Abbreviaturen und Zeilenabsätzen zu
finden ist, so genügt es vollkommen nur jene Worte,
welche den Titel des Werkes ausmachen, nach heutigem
Sprachgebrauch und Orthographie wiederzugeben. Z, B.
Augustinus, S. Aurel., De civitate Dei libri XXII, oder
Breydenbach Bern, de, Heilige Reisen . . . etc. Es ent-
fällt in diesem Falle die ausführliche Copie der Aiifangs-
und Scblusszeilen (Art. 5). (Kurze Aufnahme.)
Ist jedoch das Druckwerk noch nicht genau be-
schrieben worden, so muss bereits hier, ungeschadet der
später vorzunehmenden Titelcopien, ausführlicher vor-
gegangen werden. Z. B. Aiiliaco, Petrus de. Tractatus
de anima. | editus a dno petro de Ailliaco.
3. Die Datirung.
Unter Datirung eines Wiegendruckes versteht man die
meist im Colophon vorfindliche Angabe des Druckortes,
des Druckers und des Jahres der Drucklegung. Die
Datirung kann sein
a) eine vollständige, wenn eben alle drei Momente
ersichtlich,
h) eine unvollständige, wenn eine oder zwei dieser
Angaben fehlen, oder
c) die Datirung fehlt gänzlich.
— 10 —
Im ersten Falle werden diese Daten (Ort, Drucker
und Jahr) kurz angeführt. (Z. B. Breydenbach Bern.
de, Heilige Reisen. Augsburg, Anton Sorg, 1488.) Im
zweiten Falle ist das Fehlen einer dieser Angaben zu con-
statiren und bedient man sich zu diesem Zwecke folgen-
der Abkürzungen:
1. Fehlt der Druckort allein, so heisst es (O. 0.)
ohne Ort;
2. fehlt der Drucker allein, so heisst es (O. Dr.)
ohne Drucker;
3. fehlt die Jahreszahl allein, so heisst es (O. J.)
ohne Jahr;
4. fehlt Druckort und Drucker (O. O. u. Dr.);
5. fehlt Druckort und Jahr (O. O. u. J.);
6. fehlt Drucker und Jahr (O. Dr. u. J.);
7. fehlen alle Angaben (O. O., Dr. u. J.).
Diese fehlenden Daten zu ergänzen, ist nun die Auf-
gabe des Bibliographen. In vielen Fällen werden die
bibliographischen Nachschlagebücher Auskunft geben —
in vielen Fällen aber nicht. — Ist die Constatirung
der fehlenden Daten gelungen, so setzt man den ge-
fdndenen Orts- oder Druckemamen oder die Jahreszahl
in Klammer bei. Zur besseren Uebersicht empfiehlt sich
im ersten Falle runde Klammem ( ), im zweiten Falle
eckige [ ] zu verwenden. Z. B. Biblia latina. (O. O., Dr.
u. J.) [Strassburg, Joh. Mentel, cca. 1463.]
4. Das Format. (.-*j^ ^v*rf^'j,"^'^i\
DieBestimmung desFormates kann insofern Schwierig-
keit machen, als Kleinfolio und Quart, oder Kleinquart und
Octav verwechselt werden könnte. Eine sichere Unterschei-
dung gewährt die Stellung der Drahtlinien des Papiers.
Hält man das Papier gegen das Licht, so sieht man die
feinen engen Querlinien durch eine Anzahl weiter von-
einander stehenden Längslinien durchkreuzt, diese sind
die Drahtlinien. Laufen letztere horizontal, so ist das
Buch in Quart; laufen sie vertical, in Folio oder Octav.
5. Ausführliche Titelcopien.
Stimmen die Angaben Hain's oder Panzer's mit dem
vorliegenden Druckwerk nicht vollkommen überein,
— 11 —
oder findet Bich dasselbe gar nicht verzeiclinet, so ist neben
obiger kurzer Titelangabe (welche der Uebersichtlichkeit
wegen immer zu machen ist) eine ausführliche Wieder-
gabe der Anfangszeilen, sowie des Colophons erforderlich.
Man beachte ja die Orthographie^ die Abkürzungen, die
Zeilenabsätze (diese bezeichnet man mit einem senk-
rechten Strich I ), die unter- oder überstrichenen Buch-
staben^ die Abkürzungszeichen (z. B. ein verkehrtes c
für con, ein 9 für us, eine dem Zahlzeichen 4 ähnliche
Type if fiir rum u. s. w.) und copire Alles genau. Für den
Fall der Drucklegung des Kataloges müssen diese Zeichen
eigens gegossen werden, da sie in unseren heutigen
Druckofficinen nicht vorfindlich sind. Die Abbreviaturen
aufzulösen, wie dies insbesondere von französischen Biblio-
graphen beliebt wird — ist das einzig richtige Mittel
die Verwirrung erst recht gross zu machen. Man hüte
sich wohl davor! Wer mit Incunabeln zu thun hat wird
bald die Abkürzungen entziffern lernen, es bietet nicht
die geringste Schwierigkeit. Dagegen ist die Wieder-
construction der Abbreviaturen nach aufgelösten Texten
oft unmöglich, weil jene häufig ganz willkürlich ange-
wendet wurden; es kann z. B. domini abgekürzt werden
dni oder döini oder domli. Derartige Kleinigkeiten können
aber leicht zu Irrthümern führen. Es ist selbstverständ-
lich, dass auch in die Augen springende Druckfehler im
Text, sowie in der Jahreszahl genau reproducirt werden
müssen, doch soll man sich zur Regel machen, diese
Druckfehler durch das Hinzusetzen von (sie!) oder
mindestens (!) hervorzuheben. Manchesmal sind dieselben
so unglaublich naiv, dass man eher einen Schreibfehler
in der Aufnahme zu vermuthen geneigt ist, als einen
Druckfehler. Es sei hier nur als eclatantes Beispiel des
Colophons des Mainzer Breviers von 1457 gedacht, wo es
statt f,psalmorum codex'' heisst ^spalmorum (!) codex".
Zwischen Anfangzeilen und Colophon setzt man die
Worte: Am Ende: welche man im Manuscript unterstreicht,
im Druck in Cursivschrift setzen lässt. — Sind die
Titel- und Schlusszeilen sehr ausgedehnt, so kann man
Worte, welche zum Verständniss des Satzes nebensächlich
sind, weglassen und durch Punkte ersetzen, ohne aber
in der Construction etwas zu ändern, auch ist es gut, die
— 12 —
Endworte der Zeilen nicht zu punktiren, damit die
Zeilenabsätze verständlieh bleiben. Um das Gesagte an
einem Beispiel zu illustriren^ will ich hier die Beschreibung
der Schederschen Chronik geben. Bei diesem bekannten
und weit verbreiteten Wiegendruck, der noch heute
ziemlich häufig vorkommt, steht der Anfänger gleich vor
gewissen Schwierigkeiten. Ein Autorname ist weder zu
Anfang noch im Colophon zu finden. Dies gilt sowohl von
der lateinischen wie von der deutschen Ausgabe. Die von
Koberger in Nürnberg 1493 gedruckte lateinische Original-
ausgabe beginnt mit einem alphabetischen Register; in
diesem sowie in den Anfangszeilen der eigentlichen Chronik
ist kein Autorname zu entdecken, auch die Schlussschrift
verschweigt ihn. Und doch nennt sich der Autor. Dies
geschieht auf Bl. 266 b. Die Aufnahme ist nun folgender-
massen zu machen:
Schedel, Dr. Hartman, Liber chronicarum. Nürn-
berg, Ant. Koberger, 1493. Gr.-Fol.
BL la: (xylographisch) (R)Egiftrum | huius ope- | ris
libri cro- | nicarum | cü figuris et ymagl- | bus ab inicio
mundi: | Bl. 1 — 20, Registei': BL 21a (mit Nr, I): Epitoma
operü fex dierü. de müdi fabrica Prologus | BL 266 b
Zeile 23: Completo in famofiffima Nurembergenli vrbe
Operi I de hyftorijs etatum mundi. ac defcriptione vrbium
fe- I lix imponitur finis. CoUectum breui tempore Auxilio
docto I ris hartmäni Schedel. qua fieri potuit diligentia.
Anno xpi | Miileümo quadringentefimo nonagefimotercio.
die quarto | menfis lunij. | Am Ende, BL 320 b: (A)
Deft nunc ftudiofe lector finis libri Cro nicarum per |
viam epithomatis 2 breviarij compilati opus qdem | pre-
clarum : a doctilTimo quoq3 comparandum. Conti-
net I Ad in | tuitü autem : preces
prouidorü ciuiü Sebaldi Schreyer | : Sebaftiani kamer-
maifter hunc librum dominus Antho { nius koberger
Nuremberge impreffit. Adhibitis tarne vi | ris
Michaile | wolgemut et wilhelmo Pleydenwurflf. quarü
folerti acu- | ratiffimaq3 animadverfione tum ciuitatum
tum illuftrium | virorum figure inferte funt. Confammatü
autem duodeci | ma menfis lulij. Anno falutis nre. 1493. |
BL 321 a: De Sarmacia regione Europe. BL 325 b, letzte
Zeile: Laus deo.
— 13 —
Ich verweise betreffs der in Cursiv gedruckten
Stellen auf die späteren Abschnitte. Ich wollte nur
zunächst zeigen, in welcher Weise die Copien der Anfangs-
und Schlusszeilen zu machen sind.
6. Anzahl der Blätter.
Man darf sich nicht damit begnügen, die vorhandenen
Blätter des Buches einfach abzuzählen, dies wäre voll-
ständig werthlos. Es soll ja auch constatirt werden, ob
das Werk complet ist. Zu diesem Zwecke ist eine genaue
Untersuchung der Bogenlagen zu unternehmen, das auch
bei gebundenen Büchern ganz leicht möglich ist^ indem man
an jenen Stellen, welche den einzelnen Lagen entsprechen,
das Buch etwas stärker auseinanderklappt und am oberen
oder unteren Rande des Rückens ganz genau sehen kann,
ob sämmtliche Blätter der Lage vorhanden sind. Diese
bestehen selbstverständlich stets aus einer durch 2 theil-
baren Anzahl von Blättern. Es gibt Lagen von 3, 4, 5
oder 6 Bogen, das sind 6, 8, 10 oder 12 Blätter, weniger
als 3 und mehr als 6 Bogen in einer Lage kommen nur
sehr selten vor. In einem und demselben Buche ist die
Bogenzahl der Lagen gewöhnlieh dieselbe. Sehr häufig
ist vorne oder am Schlüsse ein weisses Blatt, das, wenn
zur Lage gehörig, mitgezählt, aber als solches erwähnt
werden muss (z. B. 315 BU. [d. 1. weiss]). Ist die Blatt-
zahl der Lagen eine ungerade,, so hat man die Gewiss-
heit, dass ein Blatt fehlt. Um zu constatiren, dass keine
Lage fehlt, ist es nothwendig, den Text am Schlüsse der
einen und am Anfang der nächsten Bogenlage zu con-
troliren. Dies gilt bei Incunabeln, welche weder Signaturen,
Custoden noch Blattzahlen tragen. Hat man die Voll-
ständigkeit constatirt, so zählt man die Blätter einzeln
ab, schlage aber die Seiten immer vollständig auf. Bei
dieser Gelegenheit sieht man auch, ob nicht einzelne
Blätter eingerissen, beschmutzt oder unvollständig sind.
Gut ist es, wenn man sich die einzelnen Blätter mit
Bleistift in einer Ecke numerirt, dadurch wird es auch
möglich, bei der Beschreibung auf einzelne Blätter hin-
zuweisen. Die Vorderseite bezeichnet man mit a, die
Rückseite mit b (z. B. auf Bl. IIb ein Holzschn.) Ist
— 14 —
das Buch complet, so Iiat man nur die Anzahl der
Blätter anzugeben (z. B. 127 BIL, das letzte weiss),
fehlen Blätter, so zeigt man dies an dieser Stelle an
(z. B. 125 [statt 127] Bll., d. 11. und letzte [weisse] Bl.
fehlt). Ist die Anzahl der Blätter eine andere, als sie
z. B. von Hain angegeben wird, so muss auch dies
eonstatirt werden. (Z. B. 130 [nicht 128] Bll oder 174
[üicht wie Hain angibt 175] BIL u* s. w.) Auch hier soll
eine bestimmte Form der Ausdrucksweise beibehalten
werden. Bedeutend erleichtert wird das Prüfen auf die
Vollständigkeit, wenn vorhanden sind:
7« Signaturen, Custoden und Blattzahlen.
Häufig sind die Bogen signirt, d. h. man findet am
Fusse des Blattes unter dem Text einen Buchstaben, der
sich am nächsten Blatt mit einem Exponenten wiederholt,
z. B. A, A2, A3 u. s. w. Besteht eine Lage z. B. aus
drei Bogen, so ist die Signatur auf der 1. Hälfte des
1. Bogens A, auf der 1. Hälfte des 2. Bogens A2, auf
der 1. Hälfte des 3. Bogens A3, auf der 2. Hälfte des
3. Bogens A4, auf der 2. Hälfte des 2. u. 1. Bogens
befindet sich keine Signatur. Bei Lagen von 4 Bogen
laufen die Signaturen bis A5, bei 5 Bogen bis Ag, bei
6 Bogen bis A7. Doch sei sofort darauf aufmerksam
gemacht, dass die Signatur auf der 2. Hälfte des 3., 4.,
5. oder 6. Bogens nicht. immer vorhanden ist, sondern
dass häufig die Bogen nur auf ihrer 1. Hälfte signirt
sind. Bei manchen Incunabeln findet sich am Ende (oft
auf einem separaten Blatte) ein Lagenregister, welches
die ersten Worte jeder Seite (der ersten Hälfte der
Lage), sowie deren Signaturen enthält.
Nach dem Gesagten ist es leicht, ein Buch mit
signirten Bogen zu collationiren. Die Signaturen laufen
im Alphabet fort, und fangen wieder mit A (gewöhn-
lich Aa oder AA) an. Sind die Blätter numerirt, so
empfiehlt es sich trotzdem die Signaturen zu prüfen, da
die Numeration sehr häufig falsch ist, während in den
Signaturen fast nie Druckfehler gefunden werden. Es
kommt vor, dass die Signaturen so tief unter dem Text
angebracht sind, dass sie vom Buchbinder beim Be-
— 15 —
schneiden des Buclies weggeschnitten wurden* Das Buch
ist daher scheinbar ohne Signaturen. Als Beispiel nenne ich
Duns Joh. Scotus, Quotlibeta quaestionum:
Venedig, Alb. de Stendal 1474. Hain 6433 (sagt
ausdrücklich ohne Signaturen) Panzer III, S. 104.
(In der Sammlung des Autors.)
Bei einigen Wiegendrucken finden wir wohl auch
mitunter eine andere Art von Signaturen. Statt der Buch-
staben erscheinen Ziffern angewandt, so dass z. B. die
erste Hälfte der Bogenlage mit 1, 2, 3, 4, numerirt
wurde, die erste Hälfte der zweiten Bogenlage mit
5, 6, 7, 8, u. s. w. Oder auch statt der Zahlen wieder
Buchstaben, z. B. auf der ersten Lage A, B, C, D, auf
der zweiten Lage E, F, G, H u. s. w.; mitunter auch
andere Combinationen. Als interessantes Beispiel sei
folgender Wiener Druck angeführt:
Ger so n Joh., De confessione et absolutione. Am
Ende ; Impreffum wienne anno domini Mcccc Ixxxii. 4^.
Dieses Druckwerk besteht im Ganzen aus 14 Blättern,
wovon die ersten 8 eine Lage bilden. Blatt 1, 2, 3 und 4
tragen die Signaturen A, B, 0, D ; die zweite Lage besteht
aus 6 Blättern, deren erste Hälften mit E, F, G signirt
sind. — Derartige Abweichungen von der gewöhnlichen
Art zu signiren müssen ausdrücklich angeführt werden.
Sind nur Blattzahlen vorhanden, so sind selbstver-
ständlich diese zu controliren, sind theilweise Blattzahlen,
theilweise keine vorhanden, so ist beides genau anzugeben,
ebenso die An- oder Abwesenheit von Custoden (Blatt-
wächtern: das erste Wort der nächsten Seite unterhalb
des Textes). (Z. B. 212 Bll. sigt. ohne Cust. u. Blz. oder
172 Bll. ohne Sig., Cust. u. Blz., oder wenn nur
Blattzahlen vorhanden, 112 num. Bll. ohne Sigt. u.
Cust. u. s. w.)
8. Die Justirung.
Unter Justirung versteht mandie ArtderEintheilungdes
Satzes. DieZeilen können über die ganze Seite laufen (durch-
laufende Zeilen) oder sie können in 2, 3 oder 4 Columnen
eingetheilt sein. Bei theologischen und juridischen Werken
kommt es sehr häufig vor, dass der Satz derartig gruppirt
ist, dass der eigentliche Text des Werkes vom Commentar,
— 16 —
letzterer in kleinerer Schrift umgeben erscheint, beides aber
in Columnen getheilt ist. (Z. B. 315 Bl. sigt. ohne Cust. und
Blz., 2 Col. Text vom Comment. umgeben.) Ausserdem
kommen nicht selten Randnoten vor, welche an dem
äusseren Blattrande herunterlaufen, die wichtigen Stellen
des Textes bezeichnen und Marginalien genannt werden,
deren Vorhandensein jedesmal zu bemerken ist.
Endlich ist darauf zu sehen, ob die Breite der
Columnen (Länge der Zeilen) auf allen Seiten gleich ist.
Auch hier finden sich oft merkwürdige Verschiedenheiten.
Der oben citirte VP^iener Druck gibt auch hiefür ein
interessantes Beispiel. Auf Blatt 1 ist die Breite des
Satzes 91 WTO, auf Blatt 2 bis 7 101«»» bis 102 »»m^ auf
Blatt 8 wieder 91 mm, auf Blatt 9 107, Blatt 10 112,
Blatt 11 und 12 121, Blatt 13 112 und Blatt 14 106 «m.
9. Die Zeilenzahl.
Von ganz besonderer Wichtigkeit ist die Anzahl der
Zeilen auf einer vollen Textseite. Man geht von der
Annahme aus, die Zeilenreihen wären nicht durch
Capiteltiberschriften, Abschnitte oder Anmerkungen (Com-
mentar, Interlinearversion etc.) unterbrochen. Bei ver-
schiedenen Schriftgi'össen wird stets jene des eigent-
lichen Textes (nicht jene des Commentars) berück-
sichtigt. Man blättert so lange, bis man eine volle Seite
gefunden und zählt die Zeilen ab. Es kann vor-
kommen, dass ein Druckwerk mit umgebendem Commen-
tar keine Seite enthält, welche nur aus Typen des
Textes bestünde; in diesem Falle wären die Zeilen des
am Rande herablaufenden Commentars (nicht die Mar-
ginalien) abzuzählen und ausdrücklich 7.u bemerken,
dass dies die Anzahl der Commentarzeilen ist. (Z. B.
315B11. sigt. ohne Cust. undBltz. 2 Col. 54 Zeil, [des Com-
mentars].) Man darf sich nicht i»it einer Seite begnügen,
sondern prüfe an mehreren Stelle». Die Anzahl der Zeilen
ist bei einem und demselben Buche nicht immer gleich,
es kommen, besonders bei älteren Drucken, manche
Verschiedenheiten vor. Die gefundenen Zahlen sind zu
notiren. (Z. B. 315 BU. ohne Sigt. Cust. u. Blz. 2 Colon.
27 und 28 Zeilen). Die grössere und geringere Anzahl der
— 17 —
Zeilen auf einer vollen Blattseite lässt manchesmal auf
das Alter eines Druckes schliessen. Es ist eine eigen -
thümliche und culturhistorisch hochinteressante That-
sache, dass mit der Ausbildung der Typographie auch die
Anzahl der Zeilen wächst. Es sei nur z. B. auf die ersten
Bibeln hingewiesen. Die Scheelhom'sche Bibel (Pfister)*)
hat 36 Zeilen, die Mazarinbibel (Gutenberg) hat 42 Zeilen,
die Bibel von 1462 (Fust und Schöffer^ hat 48 Zeilen.
Dieselbe Beobachtung gewährt die Zeilenzahl der alten
Donate. — Zur Bestimmung unvollständiger Wiegen-
drucke spielt die Zeilenzahl eine wichtige Rolle.
10. Die Typenform.
Die Form der Incunabeltypen hat entweder einen
gothischen oder romanischen Charakter, oder sie ist aus
beiden Charakteren zusammengesetzt, in welchem Falle
sie halb- oder semigothisch genannt wird. Der Form der
gothischen Schrift entstammt die spätere „Schwabacher"
und unsere heutige Fracturschrift. Wie die letztere Be-
zeichnung schon ausdrückt, ist ihre Form wie zer-
brochen, eckig, zackig, spitz. Die romanische Schrift,
unsere heutige Antiqua, hat runde geschmeidige Formen.
Die halbgothische Schrift besteht aus Versalien romanischen
Charakters und kleinen Buchstaben gothischer Form.
Die von Peter SchöflFer in seiner „Cronik der Sassen' ',
„Cuba, Hortus sanitatis" „Breydenbach's Reisen" ange-
wendete Schrift hat den gothischen Charakter verloren
und ist als „Schwabacher'' zu bezeichnen.
11. Majuskeln, Minuskeln, Abbreviaturen, Inter-
punction.
Anschliessend an den Schriftcharakter, ist zu beob-
achten, ob und wie vielerlei Schriftgattungen angewendet
*) Nach dieser Anordnuag erscheint Pfister's Bibel älter hIs
jene Gutenberg's, und dieser würde um die Ehre, die erste Bibel
oredrackt zu haben, beraubt. Dies war auch der Grund, warum neuere
Forscher auf diesem Gebiete den Druck der 36zeiligen Bibel Pfister
Überhaupt absprachen und sie Gutenberg zuschrieben. Ich habe schon
vor längerer Zeit („Oesterreichische Buchhändler-Correspondenz** 1887,
Seite 83) die Gründe pro und contra dieser Ansicht klargelegt. Beide
Bibeln entstanden so ziemlich in derselben Zeit, und ist die 36zeilige
in Anbetracht ihrer technischen Ausführung unbedingt die ältere.
2
l
— 18 —
wurden, ob die Anfangsbuchstaben (zu Beginn des Satzes)
mitgedruckt erscheinen oder ob der Raum für die Arbeit
des Rubricators ausgespart wurde, in welchem Grade
Abbreviaturen gebraucht wurden, ob mehrere Inter-
punctionszeichen vorkommen, ob die Adjustirung des
8atzes besondere Merkwürdigkeiten zeigt.
Beginnt ein Druckwerk mit einem Holzschnittinitial
oder überhaupt mit einer verzierten, nicht zur Textschrift
gehörigen Majuskel, welche jedoch nicht später ein-
gemalt oder schablonirt, sondern mitgedruckt wurde,
so wird bei der Titelcopie sofort darauf Rücksicht ge-
nommen, indem man diesen Buchstaben in Klammern setzt
(z. B. wie vorhin bei SchedeFs Chronik: (R)Egiftrum ....
oder (A)Defl: ....). Ist jedoch der Raum für das später
einzumalende Initial beim Druck freigelassen worden, so
setzt man an Stelle des ersten Buchstabens nur eine
leere Ellammer (z. B. ()Egiftrum, QDeft . .), auch in dem
Falle, als der betreffende Buchstabe im vorliegenden
Exemplar bereits eingemalt wäre. (Siehe Art. 16.)
Linhard Hell zu Ulm verwendete z.B. statt des Punktes
kleine Kreuze, ebenso Joh. Medemblick in Cöln, die
Brüder des gemeinsamen Lebens in Brüssel und Nie
Goetz in Cöln verwendeten statt des Punktes aus einer
kleineren Schrift entnommene z, Joh. Zainer in Ulm
gebraucht in seinen ersten Producten einen Schluss-
punkt in Form eines kleinen Sternes, und zwar an ganz
beliebigen Stellen. Die Interpunction fehlt oft gänzlich,
z. B. im ersten Wiener Druck: Meyger, Tractatus di-
stinctionum 1482. Die Zeilen laufen oft nicht gerade,
sind holprig, nicht gleich lang, stehen schief im Register,
Schön- und Wiederdruck decken sich nicht u. s. w.
Solche und ähnliche Beobachtungen lassen oft auf das
Alter des Druckwerkes Schlüsse ziehen. Manche Buch-
staben haben aussergewöhnliche Form, welche auf be-
stimmte Officinen hindeuten. Ich weise auf Joh. Mentelin
in Strassburg und dessen „bizarres R", auf Nie. Goetz in
Cöln und dessen immer schief stehendes gothisches V,
auf Peter Friedberg inMainz, der ein fettes Antiqua-
S im gothischen Text seiner Druckwerke, auf Georg
Huszner in Strassburg, der ein romanisches H, auf
dessen Querbalken ein Buckel nach unten, und auf
— 19 —
Michel Reyser in Eichstätt und später in Würzburg,
der ein ganz ähnliclies H mit dem Buckel am Quer-
balken nach oben anwendet; sowie auf Günther Zainer
in Augsburg, der seine romanischen H, I, L, M, N, T
mit solchen Buckeln versieht Ein merkwürdiges
gothisches S mit zwei schrägen Querbalken kenn-
zeichnet die Typen Joh. Prys' in Strassburg, ein ver-
kehrtes gothisches S benützt Johann Seh äff 1er in Ulm
bei gerade mangelndem D, ein fettes halbromaniscbes
D streut Heinr. Quentel in Cöln seinen gothischen
Dnicken ein. In den Antiquadrucken Ch. Beyamus &
J. Glim's in Savigliano hat das d durchgehends
gothischen Charakter. In den ersten Pariser Drucken
von Gering, Crantz & Friburger, sowie bei Barth.
Guldinbeck in Rom fehlen die i-Punkte. Einen
Halbkreis wie eine Haube statt dieses Punktes finden
wir bei Alb. Pfister in Bamberg und B. Gothan in
Lübeck, auch in den ersten Mainzer Drucken. Joh. von
Speyer, der erste Drucker in Venedig, benützt das
Zeichen für das Bindewort und = & auch für die
Endsilbe et (z. B. tac&, lic&). In manchen Drucken
fallen die verschiedenartigen Formen für ein und den-
selben Buchstaben auf, was auf geringe Schriftvorräthe
deuten lässt. Manche Officinen zeichneten sich durch be-
sonders viele Druckfehler aus, wie z. B. Conr. Zeninger
in Nürnberg, Joh. Grüninger in Strassburg u. s. w.
Hieraus ist zur Genüge erwiesen, wie wichtig die genaue
Beobachtung eines scheinbar unbedeutenden Momentes
für die Incunabelbestimmung wird.
12. Die Druckfarbe, Drucker- oder Buchführer-
signet.
Schon Fust & 'Schöflfer haben begonnen, in zwei
(im Psalterium 1457 in vier) Farben zu drucken. Es
sollten gewisse Stellen des Textes (Capitelüberschriften,
Anfangs- und Endschriften etc.) hervorgehoben werden.
Wie später (Art. 16) besprochen werden wird, wurde
durch die Erfindung der Typographie einer grossen
Anzahl von schreibenden Personen ihr Verdienst entzogen
— es lässt sich denken, dass die Drucker damaliger
Zeit bedeutenden Agitationen von Seite der Schreiber-
2*
— 20 —
gilde ausgesetzt waren. Höchst wahrscheinlich wurde
insofern e ein Compromiss geschlossen, dass die Typo-
graphen durch das Nichtmitdrucken der Rubricirung
den Schreibern eine Einnahmsquelle sichern wollten;
doch waren begreiflicherweise nicht alle hierzu zu
bewegen. Viele Druckwerke erscheinen vom Rubricator
mit Anfangs- und Endschriften, Capiteliiberschriften,
Initialen, Interpunctionen versehen, viele jedoch in Roth-
und Schwarz druck.
Am Schlüsse, nach dem Colophon, finden sich bei
vielen Druckwerken emblematische oder symbolische
Dai'stellungen, welche von den betreflfenden Officinen
als Hausmarke oder Druckersignet gewählt wurden.
Ebenso führten die Buchhändler (Verleger) gewisse
Zeichen. Schon im 15. Jahrhundert war nicht immer
der Drucker eines Werkes auch zugleich der Verleger.
Man begegnet häufig der Notiz, dass vorliegendes
Werk auf Kosten des ... . von .... gedruckt wurde.
Diese Thatsachen können in der Anmerkung erwähnt
werden, wenn dieselben nicht schon aus der ausführ-
lichen Titelcopie hervorgehen. Doch gebührt von unserem
Gesichtspunkte aus stets dem Drucker die erste Rolle.
Man hat diese Beobachtungen in folgender Form zum
Ausdrucke zu bringen: z. B. 127 Bll. sigt. ohne Cust. und
Blz. 2 Col. 30 Zeilen goth., mit Holzschnittinitialen, roth
und schwarzer Druck, auf Bl. 127 b: das Drucker-
zeichen. — Ein besonders von den Druckern Italiens
vielfach benutzter Bücherschmuck waren die von dem
Augsburger Erhard Ratdolt (in Venedig 1476 bis
1486 thätig) zuerst angewandten „Literae florentes".
Es sind dies aus Blumengewinden und Ornamenten
reizend componirte Initialen, welche Ratdolt den italie-
nischen Handschriften entnahm und in Holz schneiden
liess. Sie erscheinen sowohl in rothem wie schwarzem
Druck. So mancher Wiegendruck verdankt seinen Werth
diesen „Literae florentes" und man versäume nicht, bei
der Beschreibung darauf hinzuweisen.
13. Die künstlerische Ausstattung.
Der Bilderschmuck spielt heute noch dieselbe
Rolle wie im Mittelalter. Ein illustrirtes Buch fand von
— 21 —
jeher mehr Liebhaber und Abnehmer, als ein nicht
illustrirtes, abgesehen zu solchen Werken, deren Illustra-
tionen zum Verstand niss derselben unumgänglich nöthig
sind. Es ist daher eine unerlässliclie Pflicht des Eatalo-
gisirenden, nicht nur die Art des künstlerischen Schmuckes
zu bezeichnen, sondern auch die Anzahl der vorhandenen
Holzschnitte, (gedruckten) Initialen, Bordüren etc. anzu-
geben. Sind die betreffenden Holzschneider oder Zeichner
bekannt, so ist selbstverständlich deren Namen und
Monogramm zu erwähnen. Bietet das Druckwerk be-
züglich seiner Ausstattung (Initialen, Randleisten etc.)
kein besonderes Interesse, so ist wohl ein Abzählen
der im Text vorkommenden gezierten Buchstaben nicht
nöthig und kann man sich mit der Erwähnung der
Thatsache begnügen. — Bei vielen Incunabeln mit Holz-
schnitten tritt das Interesse für das Druckwerk in den
Hintergrund, indem die Illustration den eigentlichen
Werth repräsentirt. Hier kann nur langjährige Uebung,
Neigung für die Sache und eine durch natürliche An-
lage gegebene Empfänglichkeit fUr das Schöne zur
Kennerschaft führen. Man versäume daher nicht,
Incunabeln mit Holz- oder Metallschnitten besondere
Bachtung zu schenken. Zunächst suche man nach
Monogrammen oder sonstigen Zeichen, ziehe die ein-
schlägige Literatur zu Rathe oder wende sich an
Erfahrenere. Eine sehr werth volle Publication neuerer
Zeit, welche insbesonders dem Anfänger erwünschte
Dienste leisten wird, ist R. Muther, Die deutsche
Bticherillustration der Gothik und Frührenaissance
(1460 bis 1530). — Man hüte sich jedoch, auf Ver-
muthungen oder Aehnlichkeiten hin Angaben zu machen
oder Schlüsse zu ziehen^ die sich später als unwahr
erweisen würden.*)
*) Leider begegnet man besonders in Antiquariats- und Auctions-
katalogen oft den haarsträubendsten Mittheilungen. So fand ich
kürKlioh in einem Auctionskatalog einer Wiener Firma als historische
Notitz bei der bereits citirten Schedersehen Chronik die fOr Kunst-
historiker gewiss neue und merkwürdige Thatsache erzählt, dass ein
Theil der Holzschnitte Jugendarbeiten Albrecht D ü r e r' s wären. Auf den
ersten Blick kann selbst der erfahrene Kenner getäuscht werden. Michael
Wolgemuet war ja der Lehrer Dürer's, es wäre nicht unmöglich,
dass Dürer mitgearbeitet hätte. Doch leider hat der Verfasser jener
— 22 —
14. Bibliographischer Hinweis.
Dem Anfänger wird es manche Schwierigkeiten be-
reiten, einen Wiegendruck in den oben angeführten Hand-
büchern aufzusuchen. Die Anordnung der Titel in den-
selben ist vielfach verschieden und jede hat ihre Be-
rechtigung. Bei Hain & Campbell das Alphabet dei
Autoren, bei Panzer Annales das Alphabet der Druck-
orte, bei dessen deutschen Annalen die chronologische
Anordnung, und endlich in Elemm's Katalog die An-
ordnung nach den Typographen und der Zeit ihrer
Thätigkeit. Eine grosse Erleichterung würde ein Werk
bieten, das nach allen vier Gesichtspunkten zu benützen
wäre.
Hat man den betreffenden Titel aufgefunden und
die vollständige Uebereinstimmung mit dem zu katalogi-
sirenden Druckwerk constatirt, so geschieht die Citirung
in folgender Weise. Bei Hain & Campbell die Nummer,
welcher man den schon oben besprochenen * beizusetzen
nicht versäumen soll (z. B. Hain 3756, oder Hain * 5370),
bei Panzer die Band- und Seitenzahl (z. B. Panzer
ni. S. 173, oder Panzer, deutsche Ann. S. 73. Panzer,
Zusätze S. 15 u. s. w.). Doch auch andere bibliogra-
phische Werke werden citirt werden müssen, da die
genannten Autoren nach mancher Richtung lückenhaft
sind. Die neuere Incunabelforschung hat eine grosse
Zahl Monographien über einzelne Druckstädte, Drucker
u. s. w.zu Tage befördert, welche in ihrer Gesammtheit sehr
werthvolles Material enthalten und bei Incunabel-
Notiz versäumt, sich vorerst zu vergewissere, ob Dürer*s Mitarbeiter-
Schaft an der Weltchronik überhaupt historisch möglich wäre. Der
lÖjährige Albrecht Dürer kam im Jahre 1486 auf drei Jahre zu
Wolgemuet in die Lehre, woselbst er bis 1489, vielleicht bis 1490
verblieb. Nach Ostern 1490 ist aber Dürer nach seinen eigenen Auf-
schreibungen von Nürnberg ausgezogen und erst 1494 nach Pfingsten
heimgekehrt. Er war um die Zeit der Herstellung der Chronik
gar nicht in Nürnberg! Am 29. December 1491 schlössen die Nürn-
berger Patricier Sebald Schreyer und Sebastian Cammermeister
mit Mich. Wolgemuet und Wilh. Pleydenwurff (dessen Stiefsohn)
einen Vertrag, wonach sich Erster e verpflichten, die Mittel zur Her-
stellung der Schederschen Chronik beizustellen. Am 12. Juli 1493
erschien das Werk, und fast ein ganzes Jahr später kehrte Dürer
nach Nürnberg zurück.
— 23 —
beschreibungen, welche wissenschaftlichen Werth haben
sollen, berücksichtigt zu werden verdienen.
Die bisher klargelegten Phasen der Katalogisirnng
betrafen das Druckwerk als solches und sind allen
Exemplaren demselben gemeinsam. Die nun folgenden
Momente haben mit der wissenschaftlichen Bedeutung
der Ineunabelkunde nichts zu thun und betreffen nur
die Beschaffenheit des einzelnen vorliegenden Exemplares.
15. Beschaffenheit des Papieres, Pergament-
druck.
Zu aller Zeit waren die erbittertsten Feinde des
Buches die — Buchbinder! Geradezu unglaubliche Sün-
den gegen den guten Geschmack und erbarmungslose
Eingriffe in die künstlerische Ausstattung muss ihnen
vorgeworfen werden. Mit vandalischer Roheit werden
die herrlichsten Miniaturen, Initialen, Randleisten, Holz-
schnitte, ja nicht selten ein Theil des Textes — weg-
geschnitten. Doch nicht sie allein, leider auch manche
„Beschützer" der grössten typographischen Schätze ver-
dienten Rad und Pfahl ! Es ist ja bekannt, wie ein „sym-
metrisch*' gesinnter Abt die Incunabeln der Kloster-
bibliothek unbarmherzig auf ein Format binden Hess,
damit die Bücherreihen einen symmetrischen Anblick
gewähren. Was zu gross befunden wurde, musste geköpft
werden ! Neben diesen Feinden ist es der Zahn der Zeit,
dem wir so viele Zerstörung verdanken. So ist es denn
stets als besonders werthvoTl zu bezeichnen, wenn ein
sonst gut erhaltener Wiegendruck seinen breiten Papier-
rand behielt, diese Thatsache ist stets zu erwähnen.
Insbesondere sehätzenswerth ist der Umstand, wenn Wie-
gendrucke ganz unbeschnitten erhalten blieben, was wohl
nur in den seltensten Fällen vorzukommen pflegt. Selten
besitzen die Bogen noch ihren natürlichen Rand, welcher,
wie es bei geschöpften Papieren selbstverständlich ist,
nie eine gerade Linie ist und wegen seines struppigen
Aussehens Bart (cum barbis) genannt wird. Derartige
Exemplare werden besonders geschätzt.
— 24. —
Neben Papierabdrücken wurden meist wenige Ab-
drücke auf Pergament gemacht^ welche, dem hohen Preis
des Materials entsprechend, auch sehr kostbar waren.
Bei dieser Geleg^enheit soll noch ein Wort über die
Wasserzeichen des Papieres gesprochen werden. Auch
diese spielen nicht selten zur Bestimmung eines Druck-
werks des 15. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Die
Papierfabriken bedienten sich als Marke für die ver-
schiedenen Gattungen ihrer Papiere gewisser Zeichen,
welche bei der Erzeugung auf jeden Bogen angebracht
wurden. Die Zahl dieser Marken ist Legion. Leider
existirt bis heute noch kein systematisches Werk über
die Wasserzeichen' (Filigrans) insbesondere deutscher
Papiere. Eine sehr schätz enswerthe Arbeit ist: „Etüde sur
les filigrans des Papiers employös en France aux 14* et
15*si^cies, von Midou & Matten. Paris 1868" ftir Frank-
reich. Nebenbei wird der Wasserzeichen beiB. Hausmann,
Albr. Dürer's Kupferstiche, Dr. Fr. Wibiral, Anton
van Dyck, sowie bei Weigel u. Z est ermann, Anfänge
der Druckerkunst, und in manchen älteren Werken, wie
z. B. G. Fischer, Versuch, die Papierzeichen als Kenn-
zeichen der Alterthumskunde anzuwenden, Nürnberg
1804, sowie zerstreut in Zeitschriften (Gazette des beaux
arts, Bd. n — IV, VIII u. IX) und Monographien gedacht.
Es wird sich also empfehlen, bei undatirten und bisher
unbeschriebenen Incunabeln die Art der oder des Wasser-
zeichens anzugeben.
16. Rubricirung, Colorirung, Miniaturen.
Wie schon unter Art. 12 angedeutet wurde, über-
liess der Drucker einen gewissen Theil seiner Thätig-
keit dem Schreiber. In den ersten Jahren der neuen
Erfindung mussten die Typographen sich dazu verstehen,
ihre Producte den bis dahin gewohnten Handschriften so
ähnlich als möglich zu machen. Jeder Erfindung wird
ein gewisses Misstrauen entgegengebracht, auch heute
noch. Es ist eben schwer, mit liebgewordenen Gewohn-
heiten zu brechen. Umsomehr angefeindet musste eine
Erfindung werden, die dazu angethan war, das geistige
Leben und Wirken in neue Bahnen zu lenken. Die von
— 25 —
Manchen bekämpfte Ansicht, dass die ersten Typographen
ihre Druckwerke für Handschriften ausgaben, wird trotz-
dem als richtig anerkannt werden müssen; ist doch eines
♦der Meisterwerke der Typographie das Fust-Schöffer'sche
Psalterium von 1457, auf den ersten Blick von einer
Handschrift nicht zu unterscheiden.
Es wurden also die Wiegendrucke, bevor sie in den
Handel kamen, dem Schreiber (Clericus, Rubricator) über-
leben, der die beim Druck leer gelassenen Stellen mit
den entsprechenden Buchstaben, Worten, Ueber- und
Unterschriften in Farben ausfüllte; diese Arbeit, welche
gewöhnlich mit rother Farbe geschah, nennen wir die
Rubricirung. Manche Druckereien hielten sich eigene
Rubricatoren, auch in den Klöstern wurde rubricirt. Da
diese Arbeit jedoch viel Zeit in Anspruch nahm und
manchesmal der Nachfrage nach dem neuen Druckwerk
nicht genügte, so kommt es vor, dass auch nicht rubri-
cirte Exemplare in den Handel kamen. Es ist übrigens
nicht unwahrscheinlich, dass der Preis für rubricirte und
nicht rubricirte Bücher ein verschiedener war und dass
es manche Käufer (insbesondere Klöster, denen genü-
gende Kräfte zur Rubricirung zur Verfügung standen)
vorzogen, wegen der billigeren Preise letztere zu wählen.
Nicht selten finden wir am Schlüsse mancher rubricirten
Incunabeln, Notizen von der Hand des Schreibers, welche
über die Zeit, das Eigenthum, den Ort, den Preis u. s. w.
Auskunft geben. Man nennt diese Noten auch Hand-
rubriken. Welchen Werth derartige Noten zur Bestim-
mung undatirter Incunabeln oft hatten und noch haben
können, braucht nicht erst besonders hervorgehoben zu
werden.
Die Rubricirung geschah in verschiedener Weise.
Wohl begnügte man sich im Allgemeinen mit Ausfüllung
der fehlenden Anfangsbuchstaben, der Interpunction,
Bezeichnung der Capitel-, Satz-, Vers- Anfänge, manches-
mal Numerirung der Blätter u. s. w. Doch nicht selten
finden wir alte Druckwerke mit schön verzierten in ver-
schiedenen Farben und Gold ausgeführten Initialen, Rand-
ornamenten und endlich ganzen Bildern: Miniaturen.
Geradezu Kunstwerke sind uns manchesmal in den
Wiegendrucken erhalten, welche je nach ihrer Durch-
— 26 —
fÜhruDg und Erhaltimg einen bedeutenden Werth reprä-
sentiren. Eine Beschreibung der Art und Weise dieses
künstlerischen Schmuckes, Bestimmung der Kunstrichtung,
welcher die Malweise angehört, eventuell Erklärung der
Darstellung, wird die Aufgabe des Katalogisirenden sein.
Bei mit Holzschnitten ausgestatteten Incunabeln ist
auch zu verzeichnen, ob die Holzschnitte colorirt sind
und aus welcher Zeit die Colorirung stammt,
17. Die Handrubriken.
Es ist schon bei der Rubricirung darauf hingewiesen
worden, dass die Notizen der Rubricatoren zu beachten
seien. Doch finden wir auch mitunter Noten einer
anderen gleichzeitigen oder späteren Hand, deren Be-
deutung im angedeuteten Sinne zu prüfen sein wird.
Derartige Handrubriken geben oft erwünschte Auf-
klärungen über den jeweiligen Besitzer, über Preise,
Zeit und Ort.
18. Nähere Beschreibung des Einbandes.
Einbände, welche sich durch künstlerische Aus-
stattung auszeichnen oder sonst historisches Interesse
bieten, sind einer näheren Beschreibung zu unterziehen.
Manche tragen an ihren Aussenseiten schöne Fressungen
mit Wappen, Portraits, Jahreszahlen, Wahlsprüchen etc.,
welche je nach Ihrer Bedeutung zu erwähnen sind. Vor-
handene Bibliothekszeichen (ex-libris) meist an der Innen-
seite des oberen Deckels, Bibliotheksstempel und sonstige
Merkmale werden zu beachten sein. Bei Einbänden
französischen Ursprungs gibt das vorzüglich gearbeitete
Werk: Guigard J., Armorial du Bibliophile. 2 tom. Paris
1870 — 73 treffliche Auskunft. Doch nicht allein die
Schönheit des Einbandes ist es, welche unsere Aufmerk-
samkeit erregt, es sind noch weitere Gesichtspunkte, von
welchen aus wir einen alten Einband zu betrachten haben.
Da ist es vor Allem das Alter desselben, das annähernd
zu bestimmen allerdings Uebungssache ist. Die Ursprüng-
lichkeit des Einbandes, seine Originalität, hat bei unda-
tirten Drucken so manchen Anhaltspunkt zu deren Be-
stimmung geboten. Im Allgemeinen ist anzunehmen, dass
— 27 —
die Bücher des 15. Jahrhunderts fast ausschliesslich nur
gebunden in den Handel gebracht wurden. Der heute
gewohnte broschirte (Interims-) Zustand war schon dem
Volumen der Incunabeln nicht recht anzupassen. Nur
kleinere Druckwerke in 4*^ oder 8^ und auch nur dann^
wenn ihr Umfang nicht mehr als einige Bogen betrug,
dürften geheftet (aber gewiss in starken Umschlägen) die
Magazine der Buchhändler verlassen haben. Auch hier
mögen die Klöster von der allgemeinen Regel aus-
genommen worden sein^ sie werden die Bücher in Crudo
(in rohem Zustande) geliefert erhalten haben. Ein oder
das andere Mitglied des Klosters war gewiss mit der
Kunst des Büchereinbindens vertraut. Man kann daher
annehmen, dass die Original-Einbände der Wiegendrucke
aus der Zeit ihrer Drucklegung stammen. Bei Sammel-
bänden, deren Einbände aus der Zeit stammen, wird man
ohne einen Trugschluss zu thun, annehmen können i
dass die darin enthaltenen datirten und undatirten Druck-
werke so ziemlich denselben Jahren angehören. Es ist
in solchen Fällen oft die Handhabe gegeben, auf das
Alter eines Druckwerkes schliessen zu können. Ebenso
kann aus dem Charakter (Stil) des Einbandes oft auf
das Land, ja selbst auf den Druckort geschlossen werden.
Neben dem Alter des Einbandes interessirt uns auch
das Material, welches zu demselben verwendet wurde.
Zumeist wurden zu den In cun ab el- Einbänden Holzdeckel
benützt, welche mit Leder oder Pergament ganz oder
zur Hälfte tiberzogen wurden. Zur Befestigung der
Deckeln auf dem Buche selbst wurden Pergamentstreifen
genommen, und benützte man hierzu meist unbrauchbar
oder entbehrlich gewordene Handschriften, Donate,
Kalender, Ablassbriefe, Verlagsverzeichnisse u. s. w. Es
ist daher begreiflich, dass man bei Zerlegung alter Ein-
bände so manchen Fund machen kann. Damit soll
selbstverständlich nicht empfohlen werden, alle Einbände
zu zerstückeln — um schliesslich doch nichts zu finden.
Aber hierauf einige Aufmerksamkeit zu verwenden,
dürfte von Nutzen sein. In die Innenseiten der Deckel
eingeklebt, oder selbst als Vorsatzblätter verwendet, sind
schon so manche Schätze, als Einblattdrucke, Holz-
schnitte, NieUen, Donate, Kalender, Spielkarten, gefunden
— 28 —
worden. Ich erinnere an den ersten datirten Holzschnitt
von 1423 „Der grosse Christoph", welchen der Kunst-
historiker Heinecken in der Innenseite eines Deckels
(einer Handschrift von 1417: Laus Virginis) in der
Bibliothek des Karthäuserklosters Buxheim entdeckte.
Leider ist heute die Zeit zu derartigen „Entdeckungen"
mehr oder weniger vorüber, es gibt eben schon zu viele
wachsame Augen. Doch möchte ich auf alle Fälle rathen,
Pappeinbände, wenn auch aus späterer Zeit als aus dem
15. Jahrhundert, stets einer näheren Untersuchung werth
zu halten. Die alten Pappendeckel wurden meist durch
Uebereinanderkleben von Maculatur hergestellt, wozu
so manches Materiale diente, das heute culturhistorischen
Werth besitzt.
Schliesslich sind es die Beschläge, Ecken, Schliessen,
Kettenfragmente (in vielen Bibliotheken des Mittelalters
wurden die Bücher angekettet, welche Gepflogenheit mit
der Ausbreitung der Typographie und die hierdurch
erleichterte Beschaffung der Bücherbestände wieder
verschwand), welchen wir unsere Beachtung schenken
müssen, da uns in ihnen nicht selten werthvolle Arbeiten
des alten Kunsthandwerks erhalten blieben.
19. Die Erhaltung.
Was man unter guter Erhaltung eines Wiegendruckes
versteht, wird wohl kaum näherer Erklärung bedürfen.
Man wird insbesondere bei Aufnahmen für den Verkaufs-
katalog gewissenhaft anzugeben haben, ob und in welchem
Grade Stock- oder Wasserflecken vorhanden sind, in
welchem Grade sonst etwa äussere Einflüsse auf die Er-
haltung gewirkt haben, ob Blätter eingerissen, halb oder
ganz abgerissen wurden oder sonstige Beschädigungen
stattgefunden haben. Man wird bei Uolzschnitt-Incunabeln
anzugeben haben, wie die Abdrücke beschaflFen sind, ob
eine Colorirung von unberufener Hand versucht wurde etc.
20. Seltenheit, Editio princeps, Preise.
Die Seltenheit oder Häufigkeit eines Wiegendruckes
im Allgemeinen hängt selbstverständlich mit dem je-
weiligen Angebot und der Nachfrage zusammen. Angaben
— 29 —
dieser Art sind nur mit Vorsicht zu machen, in manchen
Ländern sind gewisse Incunabeln häufig, welche in anderen
Ländern zu den Seltenheiten zählen; hier kann wieder nur
langjährige Erfahrung und genaue Kenntniss des Welt-
marktes richtige Angaben liefern.
Etwas Anderes ist es bezüglich der Constatirung, ob
ein Wiegendruck die erste Ausgabe des betreffenden
Werkes ist oder nicht. Diese Thatsache steht fest und
muss durch entsprechende Zuratheziehung der einschlägigen
Literatur angeeignet werden.
Bezüglich der Preise, welche der Antiquar für seine
Incunabelvorräthe fordert, kann es keine bestimmten
Begeln geben. Ladenpreise in unserem modernen Sinne
gibt es hier nicht, ja nicht einmal annähernde Markt-
preise. Dem Anfänger bleibt wohl kein anderer Weg
offen, sich diesbezüglich Aufklärung zu verschaffen, als
wenn er fleissig fremde Verkaufskataloge studirt. Ein
und derselbe Druck kann in Anbetracht seiner Ausstattung
und Erhaltung ganz bedeutende Preisdifferenzen erfahren.
In den grossen bibliographischen Werken von Brunet
und Grässe werden die Preise berühmter Auctionen oder
bekannter Antiquare citirt, welche jedoch heute ganz
illusorisch geworden sind.
21. Historisch-literarische Notizen.
Ein Incunabelkatalog wird, ob nun Antiquariats- oder
Auctionskatalog, bleibenden Werth erlangen, je reicher
einestheils die Beschreibung der Druckwerke, anderentheils
die Notizen sind, welche sich auf das Druckwerk beziehen.
Ich verweise nur auf die Kataloge des Antiquars Weigel,
welche heute von jedem Sammler und Kunstfreund mit
Vergnügen gekauft werden, eben weil sie so vielfach
Aufklärung bieten. Alles, was dem Katalogi sirenden über
den Inhalt, über den Autor, über den Drucker, über das
Buch oder Exemplar selbst bekannt wird, sollte getreu
verzeichnet werden. Der gebildete Antiquar sollte die
geringen Mehrkosten, welche der etwas reichlichere Satz
des Kataloges etwa erfordern würde, nicht scheuen, um
seinen Verzeichnissen auch für später (wenn der Vorrath
längst verkauft ist) bleibenden Werth zu sichern. Doch
versäume man nie an dem Grundsatz festzuhalten, nur
— So-
das zu sagen, was man bestimmt weiss und jederzeit
nachweisen kann, vermeide jede Unklarheit und Zwei-
deutigkeit und bleibe überhaupt nur bei der Wahrheit!
Eine Anleitung zu geben, wie man sich bei der Be-
stimmung und Beschreibung von incompletenincunabeln
zu verhalten hat, wäre wohl ein vergebliches Bemühen.
Sind Anfangs- und Schlussblatt, welche die nöthigen
Daten enthalten, vorhanden, so hat man neben der ge-
wöhnlichen Aufnahme gewissenhaft anzugeben, welche
Blätter fehlen. Bei signirten oder paginirten Blättern hat
dies keine Schwierigkeiten ; wo Signaturen und Blattzahlen
fehlen, thut man am besten, das zu beschreibende Exem-
plar mit einem completen zu vergleichen.
Ungleich grösser sind die Schwierigkeiten, wohl in
vielen Fällen ganz unüberwindbar, bei Bruchstücken
ohne Anfang und Ende. Hier muss langjährige Erfahrung
oder, sagen wir, das absolute Wissen zur richtigen Er-
kenntniss führen. Wer lange mit Incunabeln zu thun
hat, wird bald auf den ersten Blick ei-kennen lernen, ob
in irgend einem Bruchstück ein interessantes Druck-
denkmal vorliegt und ob sich das nähere Studium des-
selben lohnt. Sind Holzschnitte, Initialen, Randleisten
oder Miniaturen vorhanden, so bedingen diese schon den
Werth des Bruchstückes, und werden nähere Nach-
forschungen unbedingt zu empfehlen sein. Das un-
bedeutendste Stück eines Wiegendruckes kann, wenn
auch ohne besonderen Verkaufs werth, für die Incunabel-
forschung von ausserordentlicher Wichtigkeit sein. Subtile
Aufmerksamkeit ist die Grundbedingung für die Incunabel-
bibliographie»
Zum Schlüsse mögen einige Probebeispiele folgen,
welche das Gesagte in geeigneter Weise illustriren.
A. Kurze Aufnahmen.
Wenn das zu katalogisirende Druckwerk bereit«
ausführlich beschrieben wurde:
— 31 —
a) Vollständig datirter Druck.
Cassiodorns U. Anr.^ Historia tripartita ecclesiastica ex
Socrate, Sozomeno etTheodoreto. Augustae Vindel.,Joh.
Schüessler, 1472. Fol. Ldrhlzbd.
192 BIL ohne Sig,, Cust, und Bltz,, 35 (nicht wie
Hain angibt 33) Zeilen^ goth, Hain *4573. Exemplar
m, breitem Rande, tnibriciH, von guter Erhaltung. Editio
princeps des Cassiodorus. Selten, wie alle Schüessler sehen
Drucke, der überhaupt nur zwei Jahre (1470 — 1472)
thätig war und dann seine Ofßcin dem Kloster St. Ulrich
und Afra (5 Pressen sammt ZugehÖr für 73 Gulden)
verkaufte. Die Typen stammen jedoch von Oünther Zainer
in Augsburg, der mit denselben seinen ersten datirten
Druck (Bonaventura 1468 Hain ^3557) heimstellte,
b) Unvollständig datirter Druck.
Cato Dionys., Ethica seu disticha de moribus amplissimo
commentario illustrata. 1475. (O. O. u. Dr.) [Augsburg,
Anton Sorg.] Fol. Lederbd.
486 Bit, ohne Sig., Cust» und Bltz, 40 Zeilen goth.
Hain * 47 IL Rubridrtes Exemplar von grosser Schönheit,
mit breitem Rande. Ein seltener Erstlingsdruck A, Sorg^s.
c) Undatirter Druck.
Gnillermns Episc. Parisien, Opera. (O. O. Dr. u. J.)
[Augsburg, Job. Scbönsperger 1496.] Fol. Gepr. Ldrbd.
m. Beschlägen.
4 ungez. BIL, 248 gez. Bü., und 30 ungez. BIL
signirt, 2 CoL 54 Zeilen goth. Hain * 8300. Pergament-
druck, nicht rubricirt, mit breitem Rande. Auf d, Rückseite
des letzten Blattes von einer gleichzeitigen Hand die Notiz:
y,Huius libeQ* ex bibliotheca mea. Joannes Silver 1497".
In schönem alten Ledereinband mit gothischer Pressung
undßguralen Beschlägen und Schliessen, von ausgezeichneter
Erhaltung. Hain hält Ant. Koberger in Nürnberg für den
Di^cker, was abefr unrichtig ist, da dieselben Typen von
Schönsperger in: Vocabularius rerum von Wenc. Brack
Hain * 3709 (mit vollständiger Datirung) angewendet
wurden.
— 32 —
B. Ausführliche Titelcopien.
a) Vollständig datirte Drucke.
Reformatorinm vitae morumque et honestatis clericorum.
Basel, Mich. Furter, 1444. [1494.] 8.
Bl, la: Reformatorium vitae morumque et honeftatis
clericorum faluberrimum : | Am Ende: Explicit feliciter
Reformatoriü vite morüq3 J ho- | neftatis clerico)/-
faluberrimü cü fratema quada^ | refipifcendi a vicijs
exhortatiöe. J ad penitentia) | admonitione. cü expreffiöe
quorüdam fignoJ^ rui- | ne : tribulationis ecclefie. i
cömendatio vite com | munis clericoif- ac modus taliter
viuentiü. In vr- | be Bafilea p Michaele Furter impreffoJ/-
falubri | ter ofumatü. Anno incarnatiöis diiice. M.cccc.
xliiij. in Kathedra Petri* [1494].
99 BIL signirt, ohne Cust, u. BUz, 31 Zeilen goth.
Am letzten Bl. das Ih'uckerzeichen^ Hain 13720. Rubri-
cirtes gut erhaltenes Exemplar. Selten. Bemerkenswerih
wegen des Druckfehlers in der Jahreszahl (1444 statt
1494), der es bewirkte^ dass Furtei' nicht nur als der erste
Di'ucker Basels, sondern überhaupt als der ei*ste Drucker
angesehen wurde.*)
Tractatns de septem sacramentis. Magdeburg, A. Raven-
stein u. Joach. Westfal 1483. 4^ Pgtbd.
Bl. 1 weiss, Bl. 2 a, Col. I: Incipit regiftrum fiue
I tabula de fepte facramen | tis fcd'm ordine foliorum |
Quod fuerüt facramenta | tempore nature quot tpe |
legis quot tempore gra- | tie
Bl. 4 b, Col. IL, Zeile 11: Et Tic eft finis huius ta |
bule. I
Bl. 5a, sigt. a: Incipit tractatus vtiliflimus de fepte
facrametis. | (n)Ota cp' tpe legis naturalis tm tria fue |
rüt ....
•) Für einen nur halbwegs geübten Incnnabelbibliographen ist
dieses Druckwerk auf den ersten Blick als ein Druck des letzten
Decenniums des XV. Jahrhunderts kenntlich und erscheint uns der
wissenschaftliche Ernst Dr. Jac. Chr. Iselin's in seinem histor.-geogr.
Lexikon, wo er unter dem Schlagworte „Buchdruckerei" umständlich
beweist, dass obige Jahreszahl ein Druckfehler ist und Basel schon
auf die Ehre der Erfindung verzichten müsse — geradezu naiv, i
}
(
i
— 33 —
Am Ende, Bl. 88h, Zeile 29: Finis tractatus de
feptem facrametis imprelTu^ in | inclita ciuitate Magde-
burgenll per Albertü rauen- i ftein : Joachim weftual
Anno domini. M.CCCC | Ixxxiij. deciraaquinta die
Nouembris. |
38 BIL signirt, ohne Cust. v. Bltz. (Bl 2—4 in 2 Cot)
33 — 34 Zeilen goth. Hain 14091, Rubricirtes Exemplar ^
wasserfleckigy theihveise mit Textverlust beschnitten. Von
grosser Seltenheit. Erster Druck Magdeburgs,
h) Unvollständig datirter Druck.
Silvaticas Matthens, Liber pandectarum medicinae. (O. O.)
[Modena] Job. Wurster 1474. Fol. Ldrbd.
Bl, la: Mattheus moretus Brixienfis. Ad reve '
r^.ndiflimum in ehrifto patre ac doininü | Dominü Fran-
cifcum de Gonzaga Car | dinalem mantuanu) ac Bononie
legatu3 I Hanc ep: |
Bl Ib, Col I, - Bl ob, Col H, Register: FINIS
TABVLE I Bl 6 loeiss, Bl 7a: LIBER. PANDEC-
TARVM. ME I DICINAE. OMNIA. MEDICI | NE.
SIMPLICIA. CONTINENS | QVEM. EX. OMNIBVS.
ANTI I QVORVM. LIBRIS. AGGRE 1 GAVIT.EXIMVS.
ARTIÜM I ET. MEDICINAE. DOCTOR | MATTHEVS.
SILVATICVS I AD. SERENISSIMVM. SICILIE |
REGEM. ROBERTVM. |
Am Ende, Bl 8ö4by Col II: Opus pandectarum
medicinae emedatü | per eximium artiü & medicine
doctore | dominü &magiftfüMattheummoretü | brixianü
Bononie in medicina & aftro | nomia legete. Et impreffum
p magiftrü | Johannem Vurfter de Kampidona 1 ANNO
DOMINI: M.CCCC: [LXXIIII. |
3Ö0 Bll (statt 355 Bll), ohne Sigt, Cust, u. BUz,
2 Col, 49 Zeilen Antigua, Fehlt bei Hain. Gut erhaltenes
Exemplar, Sehr selten. Erster Druck Modenas, Siehe:
E, Sola, Le edizioni Modenesi de secolo XV, Modena
1880. Seite 19.
c) Undatirter Druck.
^iblia Sacra latina. (0. 0., Dr. u. J.) [Strassburg, Joh.
Mentelin, cea. 1458.] Gr.-Fol.
3
— 3* —
Bl. lüj Col. /: ()Rater ambrolius tua j micbi munufcula
perie | res. detulit fil' et fuauif- | fimas Iräs. q a princi-
pio I amiciciarü. fide probate | . . . BL Sbj Col, 1,
Zeile 86: ( )N principio creauit deus celü et teram. (sicij
Am Ende dei' Psalmen BL 215 a^ Col. II, Zeile 46 1 omnis
fpiritus landet dominum. Allelnia. BL 215h weiss, 216 a^
CoL I: Onngat epiftola quos iügit facerdotium: immo j
carta non dinidat: quos xpi nectit amor Am
Ende des A, T., BL 342 a, Col, I, Zeile 88: non erit
gratus: hie ergo erit confummatus. | ()eatiflimo pape
damafo ieronimus. Nouum opus me | facere cogis ex
veteri: _ut poft | exemplaria fcripturarü toto | orbe
difpfa qll quidä arbiter | fedeä: .... Am Ende des
N, T, BL 427a, CoL I, Zeile 41: Etiam. Venio_ cito
amen. Veni domine ih'u. | Gratia dni nri ih'u xpi eü
omib^ vobis amen. |
427 BIL ohne Sigt., Cust. u, Bltz. 2 CoL 49 Zivilen
goih, Hain * 8033. Schönes breitrandiges Exemplar,
rubricirt und mit 512 prachtvoll in Gold und Farben
ausgeführten Initialen mit mächtigen, den Text umgebenden
Rankenornamenten. Ein Prachtioerk mittelalterlicher Kunst.
Von grösster Seltenheit. Erster Strassburger Druck, von
welchem ein Exemplar in der JJniv&i^sitätsbibliothek zu
Freiburg im Breisgau sich befindet^ welches von dei* Hand
des Eubricators (Clericus) die Jahreszahl 1460 als Jahr
defi' Vollendung der Rubricirung enthält.
Zum Schlüsse wäre noch ein Wort über Incunabel-
kataloge zu sagen. Ich habe bis nun von der Art und
Weise gesprochen, wie Wiegendrucke überhaupt be-
schrieben werden. Wie sind aber nun diese einzelnen
Aufnahmen zu einem Kataloge zu vereinen? Es kann
hier selbstverständlich verschiedene Gesichtspunkte geben,
unter welchen die Aufnahmen anzuordnen sind. Ich
will auch hier das wissenschaftliche Antiquariat zuerst
berücksichtigen. Ein Incunabel- Verkaufskatalog kann die
einzelnen Titel entweder
a) nach dem Alphabet der Autoren^
b) nach dem Alphabet der Druckorte,
c) nach dem Alphabet der Drucker,
d) nach den Jahreszahlen,
e) nach wissenschaftlichen Fächern
— 35 —
anordnen; jedoch immer nur nach einer oder der anderen
Richtung; höchstens dass man die Anordnungen b, c, d
mit einem Autorenregister unterstützt. Bei grösseren
Incunabelvorräthen dürfte sich die Anordnung nach den
Druckorten als die übersichtlichste am besten empfehlen.
Anders verhält sich die Sache in öffentlichen oder
grösseren Privatbibliotheken. Da die Bibliotheksbestände
doch in erster Linie dem Forscher und Gelehrten als
Behelfe zu seinen Arbeiten dienen soUeU; so muss auch
der Bibliothekskatalog nach jeder Bichtung Auskunft geben.
Ich will von Bibliothekskatalogen im Allgemeinen nicht
sprechen, ich habe nur den Katalog der Wiegendrucke
vor Augen. Die umständliche Beschreibung dieser Druck-
werke würde, wenn von verschiedenen Gesichtspunkten
stets neu aufgenommen, einen enormen Zeitverlust be-
deuten, man wird sich daher unter allen Umständen auf
einen Haupt- oder Grundkatalog beschränken und
durch Anlage einer Anzahl von Nebenkatalogen, welche
nur die wichtigsten Momente enthalten und stets auf
den Grundkatalog verweisen, die Beantwortung jeder
Anfrage ermöglichen.
Der Haupt- oder Grundkatalog vereinigt die
nach unserem Regulativ bearbeiteten Beschreibungen der
vorhandenen Wiegendrucke nach dem Alphabet der
Autoren, respective Schlagworte.
Als Nebenkataloge, welche nur den kurzen Titel
enthalten und stets auf das Schlagwort verweisen (der
Standort der Bücher wird selbstverständlich auch in den
Nebenkatalogen angeführt), empfehlen sich:
Ä. Verzeichniss der Druckorte.
B. Verzeichniss der Drucker.
C. Chronologisches Verzeichniss.
D. Verzeichniss der Drucke ohne Jahreszahl. (Nach
dem Alphabet der Autoren.)
E. Verzeichniss der Pergamentdrucke.
F. Verzeichniss der Einblattdrucke.
G. Verzeichniss der Erstlingsdrucke. (Der erste
Druck des betreffenden Ortes. Nach dem Alphabet
der Druckorte.)
H. Wissenschaftlicher Katalog.(Die Unterabtheilungen
im Alphabet der Autoren.)
3*
— 36 —
/. Verzeichniss der Incunabeln mit besonderer
künstlerischer Ausstattung. (Im Alphabet der
Autoren.)
Um dies an einem Beispiel zu erläutern, würde die
Mentelin'sche Bibel in den neun Nebenkatalogen folgender-
massen erscheinen:
A, Strassburg.
ßiblia Sacra latina. (O. 0., Dr. u. J.) [Strassburg,
Joh. Mentelin cca. 1458.] Gr.-Fol.
B. Mentelin Johann in Strassburg.
Biblia sacra latina. (0. O., Dr. u. J.) [Cca. 1458.]
Gr.-Fol.
a (1458) O. J.
Biblia Sacra latina. (O. O., Dr. u. J.) [Strassburg,
Joh. Mentelin cca. 1458.] Gr.-Fol.
D. Biblia sacra latina. (O. O., Dr. u. J.) [StrassTmrc
Joh. Mentelin cca. 1458.] Gr.-Fol.
E. (Entfällt.)
F. (EntfUUt.)
G. Strassburg (1458).
Biblia sacra latina. (O. O., Dr. u. J.) [Strassburg,
Joh. Mentelin cca. 1458.] Gr.-Fol.
H. Theologie.
Biblia sacra latina. (0. O., Dr. u. J.) [Strassburg,
Joh. Mentelin cca. 1458.] Gr.-Fol.
/. Biblia sacra latina. (O. O., Dr. u. J.) [Strassburg, Joh.
Mentelin cca. 1458.] Gr.-Fol. Miniaturen u. Initialen.
In dieser Weise wird der Bibliothekar jederzeit im
Stande sein, nicht nur anzugeben, welche Incunabeln
überhaupt vorhanden, sondern auch jede Anfrage nach
den Druckorten, Typographen, den Jahreszahlen (falsche
Jahreszahlen!), Erstlingsdinicken, Einblattdrucken, künst-
lerischen Prachtstücken (bei Fremdenbesuch) u. s. w.,
ebenso rasch wie erschöpfend zu beantworten.
K. k. HofbQcbdmckerel Carl Fromme in Wien.
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