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NEGATIVE
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violatlon of the Copyright law.
Author:
Hotz, Jean
Title:
Die Jahresbilanz der A.G
unter besonderer...
Place:
Linz a.D.
Date:
1918
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES
PRESERVATiON DIVISION
BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TARGET
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ORIGINAL MATERIAL AS FILMED - EXISTING BIBLIOGRAPHIC RECORD
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Hotz, Jean.
••* Die Jahresbilanz der A. C. unter besonderer
berüoksichtigung ihres wesons, sowie der bewer-
tung der betriebg^o/^onstände ... von Jean Hotz . . .
Linz ai D., Zentraldruokorei gesellsohaft n, b, h
1918.
78 p. RZ on.
Thesis, Zürich, 1917.
"Separat-abdruck aus der »Zeitschrift für buch-
haltuns", XXVII. ^^ Jahrgang."
RESTRICTIONS ON OSE:
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School of Business
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Separat-Abdruck aus der „Zeitschrift für Buchhaltung".
XX VII. Jahrgang.
Druck und Verlag der Zentraldruckerei, Linz a. D.
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Die Johresliilonz der A. S.
unter besonileRr BerocksicMliuns Ihres Oesens,
sooie der Beoertuni der BetnelBseseiutliide.
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Inauguraldissertation der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Zürich zur Erlangung der Würde eines Doktor der Volkswirtschaft
vorgelegt von
Jean Hotz aus Nänikon-Uster
genehmigt auf Antrag von Herren Prof.
Dr. G. Bachmann und Dr. H. Sieveking
am 24. Februar 1917.
Linz a. D., 1918.
Druck der Zentraldruckerei. (ieaeUschaft m. b. H., Landstraße 21.
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Vorwort.
ii«.o,,^^'n ^*^^?!^'''®°f ^^^i*'^^.® Fat»l*ät gestattet hierdurch die Drucklegung vor-
neCen zu ' woller°' ^"^ "^^^ '*^"° ausgesprochenen Anschauungen Stillung
Zürich, den 24. Februar 1917.
Der Dekan der staatswissenschaftlichen Fakultät;
Dr. O. Juzi.
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Der Zweck der vorliegenden Untersuchung ist ein zweifacher. Einmal
soll sie zu der gegenwärtig viel diskutierten Frage des Verhältnisses der
Privatwirtschaftslehre zur Nationalökonomie einen an einem praktischen
Problem durchgeführten kleinen Beitrag liefern. Andererseits wird in
letzter Zeit vor allem in der Schweiz die Revision des Aktienrechtes
ziemlich eingehend diskutiert. Auch in dieser Hinsicht glauben wir mit
dieser Abhandlung etwelche Anregungen bieten zu können. Wenn unter
obigen Gesichtspunkten der Arbeit eine gewisse Aktualität somit nicht
abgesprochen werden kann, so wird sie zweifellos da dem Geiste der
Zeit weniger entgegenkommen, wo sie die Stellung des Staates zur
Bilanzierungsfrage erörtert.' Es ist unbestreitbar, daß in den letzten
Dezennien der Ruf nach staatlicher Regulierung des Wirtschaftslebens
immer stärker geworden ist und die gegenwärtigen Ereignisse scheinen
diese Tendenzen in bedeutendem Maße zu verstärken. Im Gegensatz
dazu stehen wir in Bilanzfragen dem manchesterlichen Liberalismus doch
nicht allzu fern. Eingehende Bilanzvorschriften sind vor allem am Anfang
der Entwicklung des Bilanzwesens, sowie der modernen Gesellschafts-
formen, insbesondere der Aktiengesellschaft und Genossenschaft, notwendig.
Auch die Einsicht scheint immer allgemeiner zu werden, daß gewisse
unerfreuliche Ereignisse der letzten Jahre ihre Ursache größtenteils nicht
in mangelhaften Bewertungs Vorschriften haben, als vielmehr in einem
unwirksamen Revisions- und Kontroll wesen.
Es ist mir schließlich noch eine angenehme Pflicht, meinen hoch-
verehrten Lehrern an der Universität Zürich, den Herren Professoren
G. Bach mann und H. Sieveking, sowie den beiden Vertretern der
Privatwirtschaftslehre an der Universität Genf, den Herren Professoren
H. Toendury und E. FoUiet, für ihre liebenswürdige Unterstützung,
die sie mir bei der Ausarbeitung dieser Studie angedeihen ließen, herzUch
zu danken.
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I. Theoretischer Teil.
Das Wesen der Bilanz.
§ 1. Historische Bemerkungen.
Wie in der theoretischen Nationalökonomie, so sind auch in der
allgemeinen, wissenschaftlichen Privatwirtschaftslehre die Begrifife Ver-
mögen und Kapital von grundlegender Bedeutung. Es sei hier der Ver-
such gemacht dieselben etwas genauer zu untersuchen, im besondern
hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Jahresbilanz der Aktiengesellschaft.
Bei fast sämtlichen Untersuchungen auf dem Gebiete des Bilanzwesens
wird nicht mit der nötigen Schärfe zwischen Wesen (essence) und Zweck
(but) der Bilanz unterschieden, was vor allem die theoretischen Formu-
lierungen nachteilig beeinflußt.') Für unsere Untersuchung gibt uns die
geschichtliche Entwicklung der Buchführung im allgemeinen und der
Jahresbilanz im speziellen, sehr wertvolle Anhaltspunkte.
Die Führung von Handelsbüchern ist alte kaufmännische Sitte.
Schon die römischen Argentarii und Nummularii führten solche. Im
Mittelalter wurde der Gebrauch derselben allgemein ; ihre Bedeutung fand
eine scharfe Anerkennung durch die ihnen zugebilligte Beweiskraft, welche
bereits zur Zeit der Postglossatoren allgemein anerkannt wurde.') Ein
Vergleich jener Bücher mit den heutzutage geführten ist jedoch nicht
gut möglich, sie hatten noch zu wenig miteinander gemein, auch sind
Inventur und Bilanz noch gänzlich unbekannt. Man hat gemeint, die
Ausbildung der Buchhaltung sei erst möglich geworden durch die An-
nahme der arabischen Ziffern. Diesen Standpunkt vertritt vor allem
Simon in seinem bereits zitierten Standardwerk über die Bilanzen (a. a.
O., Seite 29/30). Dem tritt nun Sieveking entgegen, der auf Grund
seiner historischen Untersuchungen zu folgendem Resultat gelangt:»)
„Die Einführung der arabischen Ziffern bedeutet nur eine ähnliche Er-
leichterung wie z. B. die Einführung des Dezimalsystems. Auch mit den
romischen Ziffern konnten die Italiener zur doppelten Buchführung über-
gehen. Freilich kam es darauf an, diese schwedälligen Zahlzeichen zu
») Das Wesen wird schon bei Kovero (die Bewertung der Vermögensgegen-
stände m den Jahresbilanzen der privaten Unternehmungen) von den Funktionen
(i^weck) der Bilanz getrennt, jedoch kommt bei dieser Trennung das Wesen zu kurz.
Ziemlich emgehend dagegen behandeln das Wesen der Bilanz Schär (Buchhaltung
und Bilanz) und Sganzini (Zur Grundlegung der realistischen Theorie der doppelten
«uchbaltung), dann aber auch Nick lisch (Allgem. kautm. Betriebslehre al« Privat-
wirtschaftslehre des Handels und der Industrie). Vergl. unsere Ausführungen in § 7,
) Zitiert nach öimon: „Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kom-
manditgesellschaften auf Aktien." 3. Auflage. Berlin, 1899. 8. 28.
) H e i n r i c h 8 i e ve k i n g : Aus venetianischen Handlungsbüchern. Ein Bei-
trag zur Geschichte des Großhandels im 15. Jahrhundert in Schmollers Jahrbuch für
Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 25. Jahrgang.
Leipzig, 1901, Seite 314/5. ^ ^*
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handhaben Man erlangte die Möglichkeit leichter Addition auch großer
Sumn^en dadurch daß Einer, Zehner, Hunderter u. s. w. genau unter-
einander geschneben und deutlich voneinander getrennt wurden ') So
wurde ein Rechnen mit Millionen möglich, wie es die Schuldenverwaltung
der großen Kommunen erforderte. Diese Methode scheint schon im
Altertum bekannt gewesen zu sein. Auch das Hauptverdienst des Pisaner
Rechenkünstlers LionardoFibonacci, dem zu Anfang des 13. Jahrhunderts
die dankbare Vaterstadt eine jährliche Rente von 20 Ih und eine Marmor-
inschnft bewilligte, scheint darin bestanden zu haben, daß er seinen Lands-
leuten beibrachte, Lire, soldi und denari säuberlich untereinander zu
schreiben und zu addieren."
Fibonacci hat auch das Abendland mit den arabischen Ziffern be-
kannt gemacht Aber die Form für die einzelnen Zahlzeichen war noch
keine feststehende, so daß hier betrügerische Aenderungen leichter möe-
hch waren als bei den römischen Ziffern. Darum verbot 1299 das Statut
der Florentiner Wechslerzunft ihre Anwendung und noch das Freibur^er
Stadtrecht von 1520 will kaufmännischen Schuldbüchern nur dann Be-
weiskraft zuerkennen, wenn die Summen „nit mit zyffevn, sondern
langenzal oder mit ganzen Worten" angegeben sind.
Von den venetianischen Handlungsbüchern ist das Badoers, der in
Konstantinopel schrieb, in arabischen Ziffern gehalten. Im allgemeinen
hielten noch im 16. Jahrhundert die Italiener in ihren Rechnungen an
den romischen Ziffern fest. Sie verwandten die arabischen nur im Text
wahrend die Deutschen es umgekehrt machten, weil, wie der Nürnberger
Wolfgang Schweiker 1549 meinte, man mit den „neuen" Ziffern „pelder
summieren" könne als mit den „keiseriichen".
Die ersten Spuren der Bilanzen trifft man bei der Doppik, bei jener
vervollkommneteren Buchführungsart. Diese scheint zuerst, und zwar
um die Mitte des U.Jahrhunderts in der Staatsbuchhaltung von Genua
und in der Buchführung der genueser Banken, wie der Casa di S. Giorgio
in Anwendung gekommen zu sein.^») Auch sollen sowohl der vStaat als
die Banken schon im 14. Jahrhundert alljährlich Bilanzen aufgestellt
haben Allem Anschein nach hatten diese jedoch nur den Charakter von
Probebilanzen.«) AehnHches ist zu schließen aus den Ausführungen wohl
• ui- ') H^^^JL^ch Sieveking: Genueser Finanzwesen mit besonderer Berück-
sichtigung der Casa Di S. Giorgio. I. Genueser Finanzwesen vom 12 b s 14 J^r-
hundert. Freiburg i. B., Leipzig und Tübingen, 1898, Seite 208
2) Sie Peking: Genueser Finanzwesen, insbesondere Seite 119/20 Ferner:
Derselbe : Aus genueser Rechnungs- und Steuerbüchern. Ein Beitrag zur mittelalter-
bchen Handels- und Vermögensstatistik in den Sitzungsberichten der kais Ak^dem[e
S^Ä/^^^^^^^^^^^ "^^'^ P^'losophisch-historische Ilasse. U2,ZJ:1 t^^^^l
A .^) Kovero: Die Bewertung der Vermögensgegenstände in den Jahresbilanzen
der pnvaten Unternehmungen mit besonderer lerülklichtigung dernicht reaUaierten
Verluste und Gewinne. Berlin, 1912. Seite 8. Ferner: SievekinT- aS^^^^
diesen Errungenschaften wurde zunächst nicht all zu häufig Gebrauch gemacht Der
Geschäftsmann der nur sich selbst Rechenschaft schuldete^ war auch i^ Venedig im
zu iehet" Wi "sind l^i^T^f '^'^r'^ ^^^^^"'.S^^ '^'^ ^'^ ^'"^^^^'^ sefne ßflanz
1440 49 * ffihr o V' ^°"^"««^t' »° dem zweiten Hauptbuch, das Andrea Barbarigo
•i?r 1^- . %^^'°c? °^''® ^'^^"^ ^^ fi°<^en, das Conto Utile e dani Fol 210 ist
nicht saldiert. Sem Sohn Nicolo Barbarigo berechnet in dem 1456-82 gefüh^rtln
Hauptbuch wenigstens jährlich den Gewinn, aber eine Bilanz finden wir auch hLr erst
1482 am Schlüsse des Buches. Und diese Sitte, erst mit derSchluLTnes Buches
die Bilanz zu ziehen, erhielt sich bis ins 17. Jahrhundert. Der St^Hnd dfe Banken
des ältesten Schriftstellers über die Doppik: Benedetto Cotrugli Raugeo
in seinem Buch: „Della Mercatura et del Mercante perfetto". Cotrugli
spricht zwar von einer Bilanz (Hauptbilanz). Diese ^sollte am Anfang
jeden Jahres aus dem Hauptbuch gezogen werden. Weil jedoch, nach
den Erklärungen Cotruglis zu schließen, die Gewinne und Verluste erst
nach der Ziehung der Bilanz auf das Kapitalkonto zu übertragen waren,
scheint hiermit nur eine Probebilanz beabsichtigt worden zu sein. Eine
Inventur kennt Cotrugli nicht.') '
Im allgemeinen scheint die doppelte Buchhaltung zu der Zeit
Cotruglis") in der Praxis, außer bei den Banken, noch in ziemlich unvervoll-
komm neter Form vorgekommen zu sein. So wurde, wie aus den Büchern
der venetianischen Firma Barbarigo hervorgeht, der Gewinn nicht immer
nach regelmäßigen Perioden berechnet, und Bilanzen') kamen nur in den
seltensten Fällen, meistens nur wenn die Bücher vollgeschrieben waren,
zur Aufstellung.
Mit einem gedruckten Werke trat allerdings als erster der Vene-
tianer und Mönch Luca Pacioli an die Oeffentlichkeit. Im Jahre 1494
erschien als erste literarische Bearbeitung der doppelten Buchführung sein
Werk: „Tractatus de computis et scripturis" in der „Summa de Arith-
metica, Geometria, Proportioni et Proportionalitä".*)
wurden in Genua schon im 14. Jahrhundert zu jährlicher Aufstellung der Bilanz dadurch
veranlaßt, daß sie jedes Jahr ein neues Buch anfangen mußten." (Aus venetianischen
Handlungsbüchern Seite 318/9.) Dazu Simons (a. a. O. Seite 41 ff) Ausfahrungen
über die Handelskompagnien des 17. Jahrhunderts.
») Benedetto Cotrugli Raugeo: Ein Beitrag zur Geschichte der Buch-
haltung vonKarlPeterKheilin Prag, in der österreichischen Zeitschrift för das
kauftn. Unterrichtawesen, II. Jahrgang, Wien 1906, Seite 59/63, „benedetto Cotrugli
schrieb sein Buch im Jahre 1458, also um 36 Jahre früher, als der im Jahre 1494 im
Druck erschienene Buchhaltungstraktat des Luca Pacioli. Nichtsdestoweniger ge-
bührt das Verdienst, der erste Lehrmeister der doppelten Buchhaltung gewesen
zu sein, weiterhin dem unsterblichen FräLuca diSanSepolcro, weil sein Traktat
de Computis et Scri pturis durch die Drucklegung im Jahre 1494 an den Tag
gebracht und dadurch um 79 Jahre früher als die Abhandlung des Benedetto C o t r u g 1 i
gemeinnützHch geworden ist." (Khei), a.a.O. Seite 59.) Sieveking: Aus venetianischen
Handlungsbüchern, Seite 321, 323/4. Kovero, a. a. 0. Seite 8/9.
2)Sie^e]j.jjjg. Aus venetianischen Handiungsbüchern, Seite 318/9. Femer
beite 323: „Der Gedanke, durch die Buchführung eine üebersicht über das gesamte
Vermögen und seine Veränderungen zu erlangen, schwebte Praktikern und Schrift-
stellern im 15. Jahrhundert wohl vor. Allein, wurde das Ziel schon dadurch erreicht,
daß man das Gewinn- und Verlustkonto durch das Kapitalkonto saldierte? Prüfen wir
die Bilanzen der Barbarigo, so sehen wir, daß hier nichts als Roh bilanzen vorliegen.
In dem Konto, saldo de debitori e creditori Andrea Barbarigos von 1434 er-
scheinen Waren und Wechsel, wie das bei einer Rohbilanz üblich ist, während diese
Konten definitiv durch das Gewinn- und Verlustkonto geschlossen werden müßten Das
Konto saldo wird belastet durch die Ausgaben der Haushaltung, wie das auch bei
einer Probebilanz geschieht, während sonst das Kapitalkonto bestimmt ist, das Haua-
haltungsunkostenkont^ zu saldieren. Nicolo Barbarigo überträgt sogar Gewinn- und
Verlust nicht auf das Kapital-, sondern auf das Saldokonto. Hier steht im Haben
neben dem Kapital der Brüder Nicolo und Aluixe Barbarigo von 1186 L 4 s 11 rf 26 »,
das sich zumeist aus Staatsschulden und Immobilien zusammensetzt, der Handelsgewinn
der Jahre 1458-82 von 1538 L IS s lü d." Vergl. auch Kovero (a. a. O. Seite 9).
3) Daß es sich wohl fast durchwegs nur um Probe-(Roh-)bilanzen gehandelt hat,
Seitre'^^ 1 d ^ ^S^° ^^^^'■^^^'^^^^ '^®**^°*- Vergl. hiezu auch unsere Anmerkungen 3,
Torino*i8^8° P*"®^*^*®"® ® "°*®' ®*^'*° P" ^^^^ ^^1 ^^^^' Vincenzo Gitti,
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Als Bücher nennt er uns Memorial, fournal und Hauptbuch (qua-
derno dobbio). Auch Eingangsinventar, Kapitalkonto und Gewinn- und
Verlustkonto sind* ihm bekannt. Dagegen berichtet er uns nichts von
spatern regelmäßigen Inventaraufnahmen. Die Schlußbilanz wird nach
seiner Angabe nur an vereinzelten Orten jährlich gezogen.') Begrifflich
erforderlich erschien sie nur zu dem rechnerischen Zweck des Ab-
schlusses der Bücher, sobald diese voll waren. Dann wurden Geschäfts-
spesen, Pnvatausgaben, Gewinne u. dgl. auf Gewinn- und Verlustkonto
übertragen, die buchmäßig vorhandenen Warenbestände zu den buch-
mäßig ermittelten Erwerbspreisen eingesetzt, alle Konten — Gewinn- und
Verlustkonto durch Kapital — saldiert. Sämtliche Saldi waren dann in
der Bilanz, welche auf einem besondern Blatte*) aufgestellt wurde, zu
verzeichnen und von hier aus auf die neuen Bücher zu übertragen.*)
Die Bilanz Paciolis stellte somit eine Art Vermögensbilanz
dar. Ihre damalige Form hat sich bis heute in der doppelten Buchführung
erhalten. Allerdings haben im Laufe der Entwicklung bedeutsame materielle
Aenderungen stattgefunden. Obschon sie sich nur auf Buchbeträge
gründete, ihr Zweck also nur ein buchhalterischer war, so unter-
schied sie sich doch bedeutend von der Saldobilanz einer Probebilanz
wegen des Umstandes, daß alle Geschäftsspesen und Privatausgaben auf
Gewinn und Verlust, und von da auf das Kapitalkonto übertragen wurden.
Die buchmäßige Ermittlung des Gewinnes resp. Veriustes auf Waren war
dadurch ohne Zugrundelegung einer neuen selbständigen Inventarisierung
möglich, daß m den Büchern über die Warenbestände neben der Geld-
rechnung auch eine Mengenverrechnung stattfand, indem auch Angaben
über Stückzahl, Maße, Gewichte, Marke, Nummern etc. gemacht wurden.
Wenn sich nun auch schon zu seiner Zeit die regelmäßige, jähriiche Auf-
stellung von Schlußbilanzen vor allem bei den Großkaufleuten eingebürgert
hatte, so ist doch mit Nachdruck zu betonen, daß eine selbständige
außerhalb der Buchhaltung stehende Schlußin ventur nicht
vorgenommen wurde.*)
») Pacioli, Seite 113, capitolo XXXII.
*) Paeioli, Seite 128. capitolo XXXVI.
') Vergl. auch Simon, a. a. 0., Seite 31.
T. T *) Sieveking: Aus venetianiachen Handlungsbüchern, Seite 323/24: „Den
Italienern macht der Abschluß ihrer Bücher ^oße Mühe. Cotrugli fordert ein Sabbath-
i- o 1, ^ siebente Jahr müsse der Kaufmann von seinen Geschäften feiern. Diese
Muße sollte er aber zum Abschließen seiner Bücher verwenden, a). Die Depositenbanken
der Oasa dl fe. Giorgio wurden alljährlich zwei Monate hindurch geschlossen, während
man die Bucher revidierte und abschloß. Aber eine Mühe, die notwendig der Auf-
Stellung einer Schluübilanz vorangehen muß, scheinen die Italiener nicht gewürdigt zu
haben: die Aufnahme des Schlußinventars. Auch Paeioli erwähnt nichts davon und
gibt nur eine Darstellung der Probebilanz, b). Diese gewährt offenbar nur eine formale
Kontrolle. Um eine ganz zuverlässige Uebersicht über Stand und Gang des Geschäftes
zu gewinnen, ist es nötig, durch die Schlußinventur den Wert der Bestände zu schätzen,
diesen Wert mit dem Buchwert zu vergleichen und eine eventuelle Differenz als Ge-
winn oder Verlust vorzutraL^en. Davon glaubten die Italiener absehen zu können. Erst
^^.!?^^ und nach ihm die Ordonnance de commerce verlangten im 17. Jahrhundert regel-
mäßig wiederkehrende effektive Inventarisierung."
a) Ausführlich bei Kh eil, a. a. 0., Seite 61/2.
b) Kovero, a. a. O. S. 10, Fußnote 3. „Die Behauptungen Sievekings Cvergl
„Aus venetianischen Handlungsbüchern", Seite 324) sowie Strieders (vergl. Jacob
btneder. Die Inventur der Firma Fugger aus dem Jahre 1527", „Zeitschrift für die
gesamte Staatswissenschaft", Ergänzungsheft XVII, Tübingen, 1905, S. 3), daß Paeioli
nur Probebilanzen gekannt hätte, müsse daher als nicht ganz korrekt bezeichnet
Erst im 16. Jahrhundert ist dann das Schlußinventar im Zusammen-
hang mit der doppelten Buchhaltung in Gebrauch gekommen.') So ist das
Schlußinventar der Firma Fugger vom Jahre 1527, welches wegen des
Todfalles Jakob Fuggers errichtet wurde, auf eine tatsächliche Auf-
nahme und Abschätzung des Vermögens gegründet. Auch sind zum Bei-
spiel die Bilanzen der Firma Antoni Haug d. Ae. u. a. während der
Jahre 1533—1562 auf Grund effektiver, mit ziemlicher Regelmäßigkeit
jedes zweite Jahr vorgenommener Inventarisation aufgestellt.') Anders
verhält es sich allerdings mit der zeitgenössischen Literatur. So stehen
Dominico Manzoni, dessen „Quaderno doppio col suo giornale, nova-
mente composito et diligentissime ordinato, secondo il costume di Ve-
netia" im Jahre 1640 in Venedig erschien, und Faschier Goessen, dessen
„Buchhalten fein kurz zusammengefaßt und begriffen, nach art und weise
der Italiener mit allerhand verständlichen guten Exemplen" im Jahre 1694
in Hamburg gedruckt wurde, noch auf dem Standpunkt von Paeioli. In
dem Buche Manzonis ist die Ermittlung der Schlußbestände nur auf Grund
der Skontri dargestellt. Henricus Grammateus, der älteste deutsche Buch-
führungsschriftsteller, kennt in seiner Arbeit „Neu künstlich Rechen-
büchlein uff alle Kaufmannschaft" überhaupt keine Bilanz; das Schluß-
inventar wird weder von loann Gottlib noch von Angelo Pietra erwähnt.
Von spätem Schriftstellern des 17. Jahrhunderts gründen Nicolas Beusser,
dessen „Neu vollkommenes Buchhalten" im Jahre 1669 in Frankfurt er-
schien, sowie De la Porte, welcher in seinem im Jahre 1687 in Amsterdam
gedruckten Buche „Le Guide des N^gocians et Teneurs de Livres** eine
werden. In den Saldobilanzen der Probebilanzen entsprechen die Saldi der „gemischten«
Konti, welche gleichzeitig Bestandkonti (und Gewinn- und Verlustkonti) sind, den Be-
ständen nicht, und z. B. die besonders wichtigen Beträge der Gewinne an Waren können
nicht bestimmt werden; dieses wird erst durch Berechnung der Bestände aus Skontri
möglich. Daß die Warenkonti als „gemischte" Konti geführt wurden, geht aus den
Schriften späterer Autoren hervor (vergl. z. B. Stevin und de La Porte)." Aehnlieh
Simon, a. a. O., Seite 30/2.
*) Hiezu sei noch aus den Untersuchungen von Sieveking angeführt: „Ich
möchte die doppelte Buchführung als genuesische Erfindung bezeichnen. Aach nahm
Paeioli seine Beispiele aus Venedig. In Florenz aber wurde diese Buchführung selbst
1458 noch nicht vollkommen eingeführt (Genueser Finanzwesen I S. 119). Auch für
den Kaufmann bedeutete die Annahme der doppelten Buchführung nicht ohne weiteres
eine bessere Uebersicht über den Stand der Geschäfte ... Die Schwierigkeiten ergaben
sich daraus, daß die in einer Hausgemeinschaft lebenden Brüder die Aufstellung einer
Vermögensbilanz bisher nocb nicht für der Mühe wert gehalten hatten. Es scheint
beim Tode des Vaters keine Schätzung des Vermögens stattgefunden zu haben, die zu
Beginn jeder Buchführung notwendige Inventaraufnahme mangelte. Am Anfang des
Buches steht ein Konto der aus einem früheren Buche übernommenen Kreditoren und
Debitoren, aber nach einer vollständigen Bilanz des Vermögens suchen wir vergebens.
Gerade die Konten des reinen Vermögens sind unvollkommen gespeist und saldiert
Wieder scheinen die in unvollkommener Buchführung gehaltenen Rechnungen
der Florentiner Handelsgesellschaften über das Wesentliche, den Stand und
die Zusammensetzung des Vermögens, genauere Auskunft zu geben. In der Tat zeigen
uns die periodischen Abrechnungen der Alberti und Peruzzi klar den jeweiligen Stand
des Geschäftes. Durch die Vergleichung der verschiedenen Abrechnungen können wir
die eingetretenen Veränderungen feststellen. — Die Ueberlegenheit der Florentiner Rech-
nungen beruhte auf der regelmäßigen Aufnahme der Inventur. Allein, die doppelte
Buchführung bot doch die Möglichkeit übersichtlicherer Rechnung dar, als sie die
Florentiner kannten. Es kam nur darauf an, die gewonnenen Prinzipien konsequent
durchzuführen." (Aus venetianischen Handlungsbüchern, Seite 317/8.)
^) Strieder: „Die Inventur der Firma Fugger aus dem Jahre 1527 ^ S. 3 fauch
Note 5), 5, 13, IG zitiert nach Kovero (a. a. 0. S. 11/12.)
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Darstellung der italienischen Buchhaltung gibt, der Bücherabschluß noch
immer auf Skontri. Dagegen anerkennt Georg Niclaus Schurtz in seinem
im Jahre 1695 m Nürnberg im Druck erschienenen „General Instruction
des Buchhaltens" schon die effektive Inventar isation als Grund-
läge der Schlußbilanz, obgleich er die Inventur wegen der damit ver-
bundenen Mühe nicht in jedem Jahre für notwendig erachtet. Besondere
Inventarbucher oder Inventare hat Schurtz noch nicht ; die Bestände werden
den bkontri entnommen, aber diese durch Inventur kontrolliert. Die Schluß-
bilanz wird „Schlußbilanz nach der Inventur" genannt.')
Im Jahre 1673 wurde dann in Frankreich die ».Ordonnance de com-
merce erlassen, die jedes zweite Jahr eine Inventuraufnahme vorschrieb
Auch Jaques Savary'), der geistige Urheber obigen Gesetzes, verlangt in
seinem berühmten Werk: „Le parfait n^gcciant ou instruction gönirale
pour ce qui regarde le commerce de toute sorte des marchandises", daß
uns die Bilanz ein Bild des Vermögensstandes gewähre, und zwar hat sie
sich auf eine effektive Inventur zu stützen.
Die Kodifikationen des Handelsrechts haben dann in der Folge fast
ausnahmslos Inventur und Bilanz gesetzlich vorgeschrieben. Während nun
der Code de commerce vom 10. September 1807 und seine Gruppe iähr-
hche Inventarisation in einem besondern Buch vorschrieb, auf jegliche
nähere Bezeichnung der Bewertungsgrundsätze aber verzichtete, ging der
deutsche Gesetzgeber und seine Gruppe in seinen Bestimmungen bedeutend
weiter So lautete Art. 31. des deutschen Handelsgesetzbuches von 1862
wie folgt: Bei der Aufnahme des Inventars und der Bilanz sind sämt-
liche Vermogensstiicke und Forderungen nach dem Werte anzusetzen,
welcher ihnen zur Zeit der Aufnahme beizulegen ist. Zweifelhafte Forde-
rungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werte anzusetzen, uneinbring-
ncne abzuschreiben. ^
Fast wörtlich wurden diese Bestimmungen auch in das neue deutsche
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 § 40 übergenommen: Die Bilanz
ist in Kelchswahrung aufzustellen.
Bei der Aufstellung des Inventars und der Bilanz sind sämtliche
Vermogensgegenstände und Schulden nach dem Werte anzusetzen, der
Ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet.
Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werte
anzusetzen, uneinbnngliche Forderungen abzuschreiben.
Aehnlich lautet der Einleitungssatz des Art. 656 des Schweiz Obli-
gationenrechts : Die Bilanz ist so klar und übersichtlich aufzustellen daß
die Aktionare emen möglichst sichern Einblick in die wirkliche Ver-
mögenslage') der Gesellschaft erhalten.
A . ^/^^"^„eisten juristischen Autoren und auch Kovero vertreten die
Ansicht daß mit diesen Bestimmungen der Gesetzgeber eben den wahren
den wirklichen, den gegenwärtigen Wert im Auge hatte. Wir werden
TT K ul^ ,^"J"^??°^®" ^"« Kovero, a. a. 0. S. 11—13, der einen ausführlichen
UebeTbhck über die geschichtliche Entwicklung der Bilanz gibt! Ferner P^^nn dorf
Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, Leipzig, 1913, Seite 186 ^^°°^^'^*-
2) ueber die Entstehung des parfait n^gociant, sowie die Stellung zur franz
Handelsgesetzgebung, vom Jahre 1673 vergl. Eduard W eher* Ui^uLJtlnV^^^^^
der Handelsbetriebslehre, Ergänzungsheft 49 derZe tschi^ft fL d^e /^^^^^^^^
Wissenschaft, Tübingen 1914, Seite 14/5. gesamte ötaats-
^) Vom Autor gesperrt.
11
uns später eingehender mit den § 40 und 261 des deutschen Handels-
gesetzbuches, sowie Art. 656 des Schweiz. O. R. zu befassen haben.
Wir wollen nun an Hand einer schematischen Bilanzaufstellung
versuchen, auf das Wesen der kaufmännischen Bilanz etwas näher ein-
zutreten.
§ 2. Beispiel einer Bilanz.
Bilanz am 31. Dezember 19 . .*)
Aktiva:
Immobilienkonto Mk. 34,077.041-60
Dienstmaterialkonten (Werkzeuge und Geräte und
Bureau-Einrichtung) ^ 495 333-32
Magazinkonten ^ 9,628.517-25
Debitorenkonto ^ 16,489.037-38
Avalkonto Mk. 3,773.547-—
Wertpapierkonto ^ 614.661-06
Wechselkonto ^ 267.649-14
Kassenkonto 302.62830
Mk. 61,874.858.05
Passiva:
Aktienkapitalkonto Mk. 35,000.000-—
Reservefonds 7,877.235-04
Dispositionsfonds ^ 706.862*57
Stiftungsfonds ^ 50.979-06
Avalkonto Mk. 3,773.547-—
Kreditoren ^ 11,820.031-62
Gewinn- und Verlustkonto. „ 6,419.749-76
Mk. 61,874.85805
§ 3. Der Kapitalbegriff,
a) Betrachten wir zuerst die Passiven, die Kapitalseite der Bilanz.
Wir werden so vorgehen, daß wir uns zunächst etwas nach dem Kapital-
begriff m der nationalökonomischen Literatur umsehen, um dann
nachher zu untersuchen, als was wir uns das Kapital in der Bilanz vor-
zustellen haben.
Ursprünglich verstand man darunter das Hauptsächliche, die Haupt-
summe, den Kapitalbetrag einer Geldschuld, von der die Zinsen einen
bestimmten Prozentsatz ausmachen. Auch noch im Mittelalter bezeichnete
man mit „capitale" ganz allgemein das durch Anleihen gewinnbringend
angelegte Geldvermögen, d. h. die dargeliehene Geldsumme. Erst
das Verbot des Zinsennehmens durch die katholische Kirche brachte dann
eine Wandlung in den Anschauungen. Es wurde nämlich von den Gegnern
des Zinsverbots mit Recht darauf hingewiesen, daß sich das Geldvermögen
auch in anderer Weise nutzbringend verwenden lasse, als durch das Mittel
des Darlehens oder der sonstigen Kreditgewährung. So kam der Kauf
von Grundstücken oder von Waren in Betracht. Dadurch ergab sich auch
- i, u?J^^^}^ Nicklisch: Allgemeine kaoftnännische Betriebslehre als Pri?atwirt-
sciiaftslehre des Handels (und der Industrie) Bd. L, Leipzig. 1912, Seite 53, handelt es
SICH um die Bilanz eines Bergwerks, die hier nur im Auszuge gegeben ist.
>'
12
13
auf diesem Wege für den Besitzer ein Nutzen. Der Gedanke lag somit
nahe, den Begriff des Kapitals nicht bloß auf die geliehene Geldsumme
zu beschränken, sondern denselben auf geliehene Güter überhaupt
auszudehnen, da ja das Geld nur als Stellvertreter der betref-
fenden Güter in Betracht kommt. Diese Konsequenz wurde jedoch nicht
gezogen, vorwiegend wohl aus dem Grunde, weil das seit dem Ende des
Mittelalters sich entwickelnde Merkantilsystem dem Gelde eine ganz ex-
7eptionelle Stellung im Haushalt der Völker einräumte und den Ausdruck
„Kapital" ausschließlich für verliehene Geldsummen gebrauchte. — Erst
die Physiokraten traten der bis dahin herrschenden Anschauung entgegen,
daß unter dem Worte „Kapital" nur eine gegen Zins ausgeliehene Geld-
summe zu verstehen sei.')
Der bekannteste Theoretiker auf diesem Gebiete der Volkswirtschafts-
lehre, Böhm-Bawerk gibt uns in seinem Artikel „Kapital" im Hand-
wörterbuch der Staatswissenschaften, III. Auflage, S. 778, folgende zwei
Definitionen: Unter Kapital versteht man: 1. einen Vorrat von Produkten,
welche ihrem Eigner als Mittel privatwirtschaftlichen Erwerbs oder zur
Bildung von Einkommen dienen (Vorrat produzierter Erwerbsmittel, Er-
werbskapital, Privatkapital, capital simplement lucratif).
2. Einen Vorrat von Produkten, welche als Mittel einer ferneren Pro-
duktion dienen (Vorrat von produzierten Produktionsmitteln, oder Zwischen-
produkten, Produktiv-Kapital, sozial- oder volkswirtschaft-
liches Kapital.^)
Somit ergibt sich als gemeinsames Merkmal beider Begriffe, daß sie
nicht nur Geldsummen, sondern Vorräte von Gütern von was immer für
einer Art umfassen, doch muß es sich um Produkte handeln. Ausgeschlossen
bleiben infolgedessen einmal die zwar als Güter, aber nicht als Produkte
geltenden persönlichen Arbeitsleistungen, auf der andern Seite der natür-
liche Grund und Boden. Ferner müssen diese Produkte in irgendeiner
Art zur Gütergewinnung bestimmt sein, im Gegensatz zu Zwecken des
unmittelbaren Lebensgenusses. Hierdurch scheidet sich der Begriff des
Kapitals von dem des Genußvermögens, (stock for immediate consumption.)
Als Unterscheidungsmerkmale der beiden Kapitalbegriffe haben wir
vor allem die Art der Gütergewinnung, auf die sie Bezug nehmen. Weiter
gefaßt ist der Begriff des Privat- oder Erwerbskapitals. Hier genügt die
Widmung zu irgend einer Art des Gütererwerbs, der nicht gerade durch
Produktion, sondern z. B. auch durch Tausch, Verleihen oder Vermieten
statthaben kann. Das Produktiv- oder Sozialkapital, als Kapitalbegriff im
engern Sinn, setzt eine Gütererzeugung oder Produktion voraus.
In seiner Dogmengeschichte des Kapitals unterscheidet Böhm-Bawerk
drei Hauptperioden.
In der ersten Periode erfährt der Kapitalbegriff vor allem durch die
Physiokraten in der Weise eine sehr bedeutende Erweiterung, als er nun-
mehr nicht nur auf die Geldkapitalien, sondern auf Gütervorräte überhaupt
') Vergl. Fr. Kleinwächter in Schönbergs Handbuch der politischen Oeko-
nomie, S. 188.
^) Kritisch hiezu: Liefmann: Ertrag und Einkommen auf der Grundlage einer
rein subjektiven Wertlehre, Jena. 1907, Seite 15/6. Ferner Diehl Karl: Zur Kritik der
Kapitalzinstheorie von Böhm-Bawerk, in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und
Statistik, 105. Bd. Jena, 1915, Seite 581/3.
Anwendung findet. Es ist vor allem das Verdienst Turgots dies scharf
formuliert zu haben.*)
Die zweite Epoche steht unter dem Einfluß von Adam Smith.
Er prägt sehr klar und scharfsinnig die Bezeichnung des Produktiv-
kapitals. Auch ihm entgeht allerdings die Tatsache nicht, daß zwar
innerhalb einer wirtschaftenden Gesellschaft einzelne Individuen auch durch
Tausch, Verleihen oder Vermieten u. dgl. einen Erwerb ziehen, daß da-
gegen die wirtschaftende Gesellschaft im ganzen sich nicht anders be-
reichern könne als durch Produktion neuer Güter: für sie können daher
als Kapital nur die zur Produktion dienenden Gütervorräte gelten. Auch
hier beherrscht er seine Zeit so vollkommen, daß sein volkswirtschaft-
licher Kapitalbegriff, der eine für die Analyse der Erscheinungen der volks-
wirtschaftlichen Produktion wichtigen Gütergruppe glücklich hervorhob,
binnen kurzem den altern und weitern privatwirtschaftlichen Kapital-
begriff vollkommen überflügelte. Von nun an nimmt man in wissenschaft-
lichen Erörterungen auf ihn allein Bezug und definiert nach ihm das
Kapital als den Inbegriff produzierter Produktionsmittel. ^) Ganz nebenbei
wird dann noch bemerkt, daß für einzelne Individuen auch solche Güter,
die nicht der Produktion dienen, wie z. B. vermietete Wohnhäuser oder
Möbel als Kapital aufgefaßt werden können.
Die dritte Periode bringt uns dann wieder eine Differenzierung der
in der zweiten Periode vermischten zwei Begriffe. Man sah wieder, daß
nämlich die Rentenquelle von Produktionswerkzeug Kapital
sich nicht bloß durch den Hinzutritt privater Eigentumsrechte, sondern auch
dadurch unterscheidet, daß sie einen andern, und zwar weitern Kreis von
realen Gütern umschließt; kurz, daß man es auch abgesehen von der Be-
trachtung der rechtlichen Verhältnisse, deren Gegenstand die Kapitalgüter
sind, in der Rentenquelle') und im Produktionsfaktor*) Kapital mit zwei von-
einander verschiedenen Realbegriffen zu tun hat, die nur infolge eines
eigentümlichen Ganges der terminologischen Entwicklung denselben Namen
tragen.
Es ginge weit über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, wollten wir
nur die hauptsächlichsten Kapitaldefinitionen dieser Periode hier kurz
vorführen.
Liefmann,*) als Verfasser der zuletzt erschienenen Publikationen
über unseren Gegenstand, faßt den Stand der Meinungen über den Kapital*
') Es ist zu bemerken, daß vor den Physiokraten schon der Reformater Calvin
den Standpunkt vertreten bat, dafi das Zinsverbot deshalb nicht am Platze sei, da num
es ja leicht umgehen könne mit der Fruktifizierung seines Geldkapitals auf andere Weise:
Kauf von Grundstücken etc.
0 Auch bei Smith findet sich schon die Auffaa^uitg des Erwerbskapitak.
(Wealth of nation^ 11. Buch, Kap. l.) Vergl. auch Lezis in Elsters Wörterbuch d«r
Volkswirtschaft Bd. li, Seite 14. Ferner Liefmann: Kapital und Kapitalismus, in der
Zeitschrift lür die gesamte Staatswissenschaft. Herausgegeben von Prof. Dr. t\. Bücher,
72. Jahrg. 1916/17, 3. Helt, Seite 335/6. Komorzynski, Dr. Johann von; Die national-
ökonomische Lehre vom Kredit. Innsbruck, 19<)3, Seite 145/152.
') Die vier Hnuptzweige des Einkommens sind bekannt ich: Grundrente,
Arbeitslohn, Zins und Unternehmergewinn entsprechend den BentenqueUea :
Grund und Boden, Arbeit und Erwerbs kapital.
*) Die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren sind: Natur, Arbeit und Pro-
dukt i v kapital.
^) Liefmann. Robert: Kapital und Kapitalismus, in der Zeitschrift für die
fesamte StaatswissenscbMft, herausgegeben von Prof. Dr. K. Bücher, 72. Jahrg. 1916/7,
. Heft. Seite 342J/3. Siehe ferner daselbst Seite 334, 347, 350.
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14
begriff wie folgt zusammen: „So wird heute allgemein Kapital im
volkswirtschaftlichen Sinn als produziertes Produktions-
mittel und im privatwirtschaftlichen Sinne als Erwerbs-
mittel unterschieden. Ob Erwerbsmittel dabei Erzielung von Pro-
dukten oder von Geldmengen bedeutet, das geht bei den meisten
Autoren durcheinander, die ganz schlauen lassen diese Frage wohlweislich
offen. Je deutlicher das letztere betont wird, um so mehr nähert sich
der Autor für den privatwirtschaftlichen Kapitalbegriff der zweiten, geld-
lichen Auffassung, bis dann in deren Vollendung das Kapital selbst über-
haupt nur noch als Geldausdruck aufgefaßt wird."
Diese Doppelspurigkeit des Kapitalbegriffes ist in den letzten Jahren
energisch bekämpft worden.') In seinen neuesten Untersuchungen gibt
uns Liefmann') nun folgende Begriffsbestimmung: „Kapital ist die
zur Feststellung eines Geldertrages dienende Geldrechnungs-
form dauerbarer Kostengüter und das Geld selbst als solches."
Diese Definition kommt auch der unsrigen, privatwirtschaftlichen (bilanz-
mäßigen) von allen übrigen am nächsten.
b) Weniger Schwierigkeiten bietet uns der privat wirtschaftliche
(bilanzmäßige) Kapitalbegriff, indem wir uns mit Vorteil an den Sprach-
gebrauch halten können. Darnach möchten wir das Erwerbskapital
(capital lucratlf) definieren als die Summe der in einem Unter-
nehmen arbeitenden, investierten Vermögenswerte, und zwar
in Geldform ausgedrückt.
In der Bilanz entspricht das privatwirtschaftliche Kapital den
Passiven.')
Kapital = Passiven.
Für das Gesamtkapital, das in einer Unternehmung werbend tätig
ist, ergibt sich dann folgende sehr bedeutsame Zweiteilung*):
eigenes Kapital (eigene Mittel)
fremdes „ (fremde „ )
Das Kapital läßt sich ferner zerlegen nach dem Gesichtspunkt der
Dauer, wählend welcher es dem Unternehmen zur Verfügung gestellt
') Liefmann: Ertrag und Einkommen auf der Grundlage einer rein subjek-
tiven Wertlehre, a. a. >. S. 15/6.
D i eh I : Zur Kritik der Kapitalzinstheorie von Böhm-Bawerk, in den Jahrbüchern
für Nationalökonomie und Statistik, a. a. O. S. 581/3.
^) Liefmann, Robert: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart und
Berlin, 1917, Seite 567. Ferner Derselbe: Kapital und Kapitalismus. a.a.O. Seite 3i8.
^) Nicht ganz richtig ist es somit, wenn Lexis (a. a. O. Seite 15) schreibt:
Was ist nun als das wirk-ame Kapital des Unternehmers anzusehen? Ohne Zweifel
die Gesamtsumme der Aktiva, nicht bloß das eigene Kapital des Unternehmers. Vergl.
unsere Ausführungen über das Verhältnis von Vermögen und Kapital in der Bilanz.
Seite 16 ff.
*) In diesem Zusammenhan? kommen wir kurz auf K'arl Marx zu sprechen.
Bekanntlich sieht Marx den Kapitalzins als einen Weutegewinn an, den der Kapitalist
auf Kosten des Lohnarbeiters an sich zieht. Dieses Moment der Ausbeutung erscheint
ihm nun so wichtig, daß er es als konstituierendes Merkmal in den isegriff des Kapitals
hineinträgt: er faßt als Kapital nur diejenigen Produktionsmittel auf, welche in der
Hand von Kapitalisten „als Exploitation«- und Beherrschungsmittel des Arbeiters dienen."
Dieselben Dinge im Besitz des Arbeiters sind dagegen kein Kapital. (Marx, das
Kapital I, 1. Auflage. 747. Zitiert nach böhm-Bawerk: Positive Theorie des Kapitals,
2. Auflage. Innsbruck 1902, S. 33 und 60.) Wenn wir auch die Besitzverhältnisse
für das privatwirtschaftliche Kapital als relevant anerkennen, so finden wir es doch zu
weit gegangen das Kapital mit „Ausbeutungsmittel- zu identifizieren.
16
wurde. Da kommt in erster Linie das eigene Kapital in Betracht mit
einer unbeschränkten Laufzeit. Die Bestandteile des Fremdkapitals weisen
in dieser Hinsicht bedeutende Gradunterschiede auf. Ebenfalls auf unbe-
stimmte Zeit bleiben die Beträge in der Form von Kommanditeinlagen
lim Geschäft. Hierauf folgen die langfristigen Schuldverpflichtungen:
[Obligationen und Hypothekarschulden und zuletzt haben wir noch die
verschiedenen kurzfristigen Verbindlichkeiten : Eigenwechsel, Tratten und
[Akzepte, Depositen, Sparkasseneinlagen, Giro, Scheck, Korrespondenten,
Kreditoren, verfallene Coupons. Eine etwas weniger geläufige Einteilung
der fremden Mittel wäre noch diejenige in Anlageschulden (eigenes
Kapital, Kommanditen, Hypothekenbelastungen, langfristige Obligationen)
|und Betriebsschulden (alle übrigen Verbindlichkeiten).
In der Form eines Table aus ergibt sich folgendes Bild:
c) Der Grundbegriff Kapital in volks- und privatwirtschaft-
licher Hinsicht.
|a) volks'wirtschaftlicher Kapital-
begriff.*)
Die Gesamtheit der vorhandenen
produzierten Produktionsmittel.
Sachgüter, Summe dieser Güter
in Naturalform.
Produktivkapital, capital pro-
ductif.
|l. Ei gen kapital
Dauer unbeschränkt.
b) privatwirtschaftlicher Kapi-
talbegriff.
Kapital-Passiven, die Summe der
in einem Unternehmen arbei-
tenden, investierten Vermögens-
werte.
Vermögenswerte, in Geld form.
Er wer bskapital, capital lue ratif
II. Fremdkapital
Hinsichtlich des Betrages genau
feststellbar.
mit verschiedener Dauer:
a) mit unbeschränkter Dauer: Kommanditen.
ß)
beschränkter
1. langfristig:
Dauer: \ Obligationen,
Hypotheken.
2. kurzfristig:
Eigenwechsel,
Tratten und
Akzepte,
Depositen,
Sparkassen,
/ Giro, Scheck,
Korrespondenten,
Kreditoren,
Verfallene Coupons.
') Wir stell enhier den nach Liefmann immer noch vorherrschen-
den volkswirtschaftlichen Kapitalbegriff, ohne uns mit demselben
|zu identifizieren, unserm privatwirtschaftlichen (bilanzmäßigen)
Kapitalbegriff gegenüber. ^ '
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16
§ 4. Der Vermögensbegriff.
a) Wir kommen nun zu den Aktiven, der Vermögensseite der
Bilanz. Der Vermögensbegriff nimmt in der volkswirtschaftlichen Literatur
bei weitem nicht die Stellung ein, wie die Erörterungen über das Kapital.
Einzelne Schriftsteller gehen sogar soweit, daß sie ihn vor allem privat-
wirtschaftlich aufgefaßt wissen wollen. ') Volksvermögen, Nationalvermögen,
Fortune, Richesse d*un pays, Wealth, das sind die Bezeichnungen, die
wir bei den nationalökonomischen Schriftstellern antreffen. Es ist das Ver-
dienst von Prof. Wey ermann*) in Bern, in diese Verschiedenartigkeit
der Begriffe Klarheit gebracht zu haben. Wir brauchen lür unsere Unter-
suchung auf diese verschiedenen volkswirtschaftlichen Definitionen nicht
näher einzutreten. Wir haben die Beziehung:
Vermögen == Aktiven.
Bilanzmäßig betrachtet stellt sich das privatwirtschaftliche
Vermögen dar, als die Gesamtheit der konkreten Werte, die
das Kapital einer U nternehmung ausmachen und zwar eben-
falls in Geld ausgedrückt.
b) Wir haben also:
Kapital = Passiven
Vermögen = Aktiven
Ferner wissen wir, daß Aktiven = Passiven sind und haben somit
in einer privatwirtschaftlichen Unternehmung zwei Ausdrücke, nämHch
Kapital und Vermögen mit gleichgroßen Geldbeträgen. Es soll nun noch
in kurzen Zügen versucht werden, die Unterschiede, die trotz obiger Aus-
führung zwischen Kapital und Vermögen in der Bilanz bestehen, klar-
zulegen.
Einen ersten Unterschied veranschaulicht Professor John B. Clark:')
„In einem bestimmten Augenblicke befinden sich in dem Vermögen einer
Person bestimmte Güter. Schon im nächsten Augenblicke aber kann sich
die Zusammensetzung geändert haben. Einige von ihnen können ver-
schwunden und ihre Plätze von andern eingenommen sein. Am Ende
eines Jahres werden sehr viele, am Ende von 5 Jahren weitaus die meisten
verschwunden sein, aber die ganze Zeit hindurch werden wir Güter dieser
Art in unserm Besitze gehabt haben, nur nicht gerade jene, die wir zu
Anfang hatten. Während der 5 Jahre und während vieler solcher Perioden
werden wir stets eine Masse von Erwerbsvermögen besessen haben, dessen
konkrete Zusammensetzung in stetem Wechsel ist. Die Identität der In-
dividuen in der Masse wird nicht aufrecht bleiben. Es geht ein steter
Prozeß der Abstoßung und des Wiederersatzes der einzelnen Elemente
jener Gesamtheit, welche durch andauernde Zeit den Besitz des Kapita-
listen bildet, vor sich. Das Bleibende in dieser Masse von wechselnder
0 Vergl. Conrad: Grundriß zum Studium der politischen Oekonomie. 1. Teil,
7. Auflage. Jena, 1910, tieite 20. Ferner Lexis, im Handwörterbuch der Staatswissen-
schatten, 3. Auflage. Artikel: Verteilung, Seite 831.
*) Die statistischen Versuche einer Erfassung des Volksvermögena, in der Zeit-
schrift iür Schweiz. Statistik. 1915, Seite 54 ff. Derselbe: Sozialökonomische Begriffs-
entwicklung des Vermögens und Voiksvermögens, in den Jahrbüchern für National-
ökonomie und Statistik, Bd. 107, Jena 1916. Seite 194.
^) Wir folgen im wesentlichen Nicklisch: Allgemeine kaufmännische Betriebslehre
als Priyatwirtschaftslehre des Handels (und der Industrie), Band 1, Leipzig 1912, Seite 59 ff.
Die Clarkechen Ausführungen hat er nur wenig abgeändert.
Zusammensetzung ist etwas, das nach irgend einer Benennung verlangt.
Wir bezeichnen es mit Kapital."
Damit haben wir den ersten Unterschied zwischen den Begriffen des
Kapitals und Vermögens: Vermögen ist die konkrete Zusammensetzung
der Erwerbsmittel ; Kapital ist das Bleibende in dieser Vermögensmasse,
die Summe des Wertes, der den Gütern innewohnt, welcher Art sie im
konkreten Falle auch sein mögen.')
Ein zweiter Unterschied ergibt sich daraus, daß das Vermögen
nach Güterarten zerlegt wird, weil es eben die Erwerbsmittel in ihrer
konkreten Zusammenstellung darstellt. Anders das Kapital, das ja eine
abstrakte, gleichbleibende Summe darstellt, bei der es, wie wir gesehen
haben, nicht auf die Güterarten, sondern auf die Eigentumsverhältnisse
ankommt.
Drittens ist schließlich darauf aufmerksam zu machen, daß uns
die Passiven das Kapital in seiner Höhe ausweisen, das Vermögen in den
Aktiven sich uns aber zugleich als die wirtschaftliche Kraft des Unter-
nehmens darstellt. So hat zum Beispiel ein Unternehmen mit einem großen
Kassenbestand und Bankguthaben, verhältnismäßig wenig Debitoren und
Waren seine Mittel nicht intensiv ausgenützt, ein anderes aber mit wenig
disponiblen Mitteln, großem Warenvorrat, Debitorenbestand und Anlage-
vermögen seine wirtschaftliche Kraft stark angespannt.
c) Die Grundbegriffe Vermögen
1. Aktiven = Vermögen.
2. Die Gesamtheit der konkreten
Werte, die das Kapital einer Un-
ternehmung ausmachen, auch in
Geldform.
3. Die konkreten Werte des Ka-
pitals.
4. Zerlegung nach a) Rentabilität.
b) Liquidität.
5. Wirtschaftliche Kraft des Unter-
nehmens.
1.
2.
3
4.
5.
und Kapital in def Bilanz.
Passiven = Kapital.
Die Summe der in einem Unter-
nehmen arbeitenden, investierten
Vermögenswerte.
Abstrakte Gesamtsumme des
Kapitals.
Zerlegung nach a) Eigentumsver-
hältnissen.
b) Dauer der Ver-
fügbarkeit.
Größe des Kapitals.
d) Wir müssen jetzt noch auf die Zerlegung der Aktiven, des Ver-
mögens nach dem Gesichtspunkt der Rentabilität und Liquidität zu sprechen
0 Vergl. zu diesem Punkt Philippovich in seinem Grandriü der politischen
Oekonomie, 1. Band 10. Auflage, Seite 188: „Erwerbskapital ist daher noch nicht durch
das Vorhandensein von bestimmten Sachgütern gegeben, wie dies beim Produktivkapital
der Fall ist. Es ist nicht die konkrete Form der Vermögensobjekte, die wir in ihm be-
trachten, sondern die durch sie repräsentierte wirtschaftliche Vcrlügungsgewalt im Ver-
kehr, die durch das Privateigentum und die Verkehrsfreiheit gesichert ist. Diese Ver-
tiigungsgewalt, ausgedrückt in Geldeinheiten, kann eine gleichbleibende Größe sein,
während die konkreten Objekte, aut weiche sie sich stützt, ihrer Art, iürer Form, ihrer
technischen Brauchbarkeit nach wechseln."
Ferner vo n VV ieser im Grundriß der Sozialökonomik, 1. Abtlg., Tübingen 1914,
öeite 174. Wahrend die einzelnen Kapitalgüter durch ihre Verwendung aufgebraucht
werden, ist das Kapital im ganzen unverbrauchlich. In fortwährendem Wechsel seiner
einzelnen Bestandteile läßt es sich immer wieder erneuern.
Fuchs, Prof. Dr. C. J.: Volkswirtschaftslehre, in der Sammlung Göschen. Berlin
und Leipzig 1913, Seite 67: Kapital in abstraktem Sinn oder „Kapital" schlechthin ist
also immer ein Wertbetrag von bestimmter Größe ohne Rücksicht auf die Güter,
in welchen er verkörpert ist.
Ferner die bei Komorzynski (a. a. O., Seite 164/5) aufgeftthrten Schriftsteller.
Dr. Jean Hot«: „Die JahresbllÄM der A. G.« a
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18
kommen. Am geläufigsten ist die Einteilung nach dem Grade der Liqui-
dität. Darnach ergäbe sich ungefähr folgendes Bild:
I. Betriebsmittel (umlaufendes Kapital).
1. Kassa, verfallene Coupons.
2. Giro-, Scheck- und Korrespondenten-Debitoren (Bankguthaben).
3. Wechsel.
4. Lombard- und Reportvorschüsse. (Debitoren.)
6. Kontokorrent-Debitoren.
6. Effekten.
7. Hypotheken (Schuldbriefe).
8. Waren: Rohstoffe, Materialien, Vorräte, in Arbeit befindliche
und fertige Fabrikate.
II. Betriebsanlagen (stehendes Kapital).
L Mobilien: Werkzeuge, Gerätschaften, Modelle, Zeichnungen,
Mobiliar.
2. Immobilien: Grundstücke, Fabrikgebäude, Wohnhäuser, maschi-
nelle Anlagen, Maschinen.
3. (Immaterielle Anlagen): Patente, Konzessionen, Fabrikations-
geheimnisse, Kundschaft, Organisationskosten.
III. Ergänzungsposten:
1. Korrekturposten: Konto für ausstehende Aktieneinzahlungen-
Konto für zurückgekaufte Aktien, Obligationen oder Schuld,
briefe, Obligationen Disagiokonto.
2. Transitorische Posten (Antizipationen): Diskonto-(Zins-)Konto
auf Brief- und Buchschulden.
3. Durchlaufende Posten : Bürgschafts- und Garantieregreßrechte,
Kautionen, Regreßrechte aus Wechselobligo (Giri).
eventuell :
IV. Reinverlust (Verlustvortrag).
Prof. Ed. Folliet') gibt uns eine ziemlich weitgehende Analyse der
Betriebsanlagen, indem er ausführt:
Dans toute entreprise, on trouve des valeurs qui ne circulent pas,
qui ne disparaissent pas par l'exploitation normale de la maison, ou qui
ne disparaissent que pas un usage prolong6.
Ce sont les valeurs immobilis^es qui sont, elles-mpmes, subdivis^es en.
Valeurs immobiHs^es corporelles,
Valeurs immobilis^es incorporelles.
Les premidres comprennent tous les capitaux fixes qui servent ä l'ex-
ploitation de Tentreprise et qui produisent sans circuler, tels que les
me übles, les machin es, les im me übles, etc.
Les valeurs immobilis^es corporelies ont toutes une valeur intrin-
s^que, c'est ce qui les distingue des valeurs immobilis^es incorporelles.
Quelques-unes de ces dernidres sont cependant öventuellement
r^alisables, par exemple:
') Les Sciences ^conomiques et sociales ä l'universit^ de Genöve, Gen^ve 1916,
Seite 88/9.
Ferner: Ed. Folliet: Le bilan dans les soci^t^s anonymes au point de vue juri-
dique et comptable, Paris 1913, Seite 40 ff.
Valeurs
immobilis^es.
19
Les brevets, la clientde, les concessions; d^autres comme les frais
d'organisation, de fondation, sont purement fictives, ce sont des pertes
reportöes ä nouveau, leur röalisation est donc absolument impossible.
Nous appellerons les premidres: valeurs immobilis6es incorporelles
murales, et les derni^res: valeurs immobilis^es incorporelles fictives.
Voici, sous forme de tableau, cette subdivision des valeurs immo-
Ibilis^es.
corporelies (Immeubles, Mat^riel, Mobilier).
morales (Brevets, Clientdle, Con-
:»/«r%..»rx^»ii»,, I cession)
incorporelles/ . . '
fictives (Frais d'organisation. Frais
de fondation).
Prof. Nicklisch') unterscheidet vier Hauptgruppen des Vermögens in
der Bilanz:
1. Anlage- oder Gebrauchsgüter.
Grundstücke und Gebäude, die dem eisjenen Betriebe dienen, Ma-
schinen, Werkzeuge und Geräte. Palente und Beteiligungen sind besondere
Arten von Anlagegütern. So auch der Wert der Firma, wo er in den
Büchern auftritt.
2. Umsatzgüter:
a) Umsatzträger: Ware, Wechsel, Effekten etc.
b) Regulierungsgüter: Diese charakterisieren sich dadurch,
daß sie sich zwischen den Wirtschaften in einer Richtung be-
wegen, die der Umsatzträger entgegengesetzt ist. Die Grenze
zwischen beiden ist nicht leicht zu ziehen, da diese ebenfalls
zu ReguHerungszwecken benützt werden und sich in großem
Umfange ein Ausgleich gegenseitiger Forderungen ergibt, die aus
dem Verkehr von Umsatzträgern entstanden sind. Die Barsumme
und die Guthaben auf den Giro-, Scheck- und Inkassokonten
bilden zweifellos Regulierungsmittel.
3. Gewährleistungsgüter: Kautionen, Garantiegüter für die Abwick-
lung des Zoll-Eisenbahnverkehrs etc.
4. Reservegüter: Es handelt sich um solche Güter, die zurzeit im Be-
triebe nicht gebraucht werden, vielmehr für günstige Einkaufs-
gelegenheiten, oder für die Gewährung größerer Kredite, die zur
Förderung des Absatzes sich als notwendig erweisen, oder für
eine Erweiterung des Betriebes zur Verfügung stehen. Sie haben
meist die Form von Regulierungsgütern (Bankguthaben) oder Um-
satzträgern (Effekten), können aber auch in der Form von Grund-
stücken auftreten, so daß sie nur auf Umwegen flüssig gemacht
werden können.
Noch konsequenter stellt Toendury') das wirtschaftliche Moment der
Rentabilität in den Vordergrund seiner Gliederung des Vermögens;
nach ihm ergibt sich folgende Aufstellung:
1. Nicht rentable Werte. Zur Regulierung der Zahlungen bestimmt:
a) solche, die ausschließlich dazu bestimmt sind, Regulie-
rungsgüter sowie die Reservegüter: Bai'bestand, Scheck
*) Nicklisch: Allgemeine kaufmännische Betriebslehre, Seite 87/9.
^) Aus dem haadelswissenschaftlichen Seminar der Universität Genf. Leiter:
Herr Prof. Dr. H. Toendury.
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und Girorechnungen, Bankkonto, enthaltend auch diejenigen
Mittel, die nötig werden können. Gelegen hei tseinkäufe auszu-
führen, die Kreditgewährung auszudehnen etc.
b) Gewährleistungsgüter (Börse, Zollbehörden etc.)
II. Rentable Werte, die direkt mit dem Betrieb zusammenhängen,
a) solche, die direkt Gegenstand des Betriebes sind. (Waren, Roh-
stoffe, Hilfsstoffe, sowie alle übrigen Güter, die für den Tausch-
verkehr in Frage kommen : Wechsel, Wertpapiere, Debitoren etc.)
Je nach der Umschlagsdauer in kurz-, mittel- und langfristige
eingeteilt. (Direkt rentable Werte.)
b) solche, die der Betrieb nur als Mittel (Hilfsmittel) benötigt.
(Anlagen, Werkzeuge, Maschinen etc.) (Indirekt rentable
Werte.) Sie werden weiter eingeteilt in:
1. Sachwerte (Güter) i " ^!^ ^!^!^ f^^^^ abnützen,
l p die sich langsam abnützen.
2. Immaterielle Werte/ ^ moralische, rechtliche: Patente etc.
l p hktive: Organisationskosten eta
Wir wollen uns für unsere Untersuchung dieser letzten Einteilung
von Toendury bedienen, indem sie dem Wesen der kaufmännischen Unter-
nehmung am besten gerecht wird.')
§ 6. Stehendes und umlaufendes Vermögen.
(Betriebs- und Veräußerungsgegenstände.)
a) Begriffsbestimmung. In der Literatur treffen wir fast aus-
nahmslos die Benennung stehendes und umlaufendes Kapital, nach dem
Vorausgegangenen werden wir für unsere Untersuchung von Vermögen
sprechen, da es sich um die konkreten Werte der Aktiven, also um die
Bestandteile des Vermögens handelt.
Wir beginnen unsere Erörterungen am besten mit der Frage nach
den Zwecken der einzelnen Vermögensbestandteile eines geschäftlichen
Unternehmens. Sie dienen bekanntlich dem Gebrauch im Betriebe oder
der Veräußerung, weil jede Erwerbsunternehmung in der Regel die Tätig-
keit des Händlers mit der des Konsumenten verbindet, indem sie bezüg-
lich gewisser Vermögensbestandteile die Weiterveräußerung, bezüglich
anderer den eigenen Gebrauch beabsichtigt. Dieser Unterscheidungsgrund
ist für die Frage der Bilanzbewertung zuerst von Scheffier („Ueber
Bilanzen", „Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft, Politik und Kultur-
geschichte", 62. Band, Beriin 1879, Seite 22—25) in den Vordergrund
gerückt worden. Er teilt die Vermögensgegenstände ein in „solche, bei
deren Wertbestimmung dauernd nur der Eigentümer interessiert ist, und
solche, bei denen dauernd oder vorübergehend andere mitinteressiert sind."
Zu den ersteren gehören: „Der ganze arbeitende Apparat, die sogenannte
Anlage, bestehend aus dem Immobiliar und dem eisernen Inventar von
Geräten, Hilfsmaschinen u. s. w., überhaupt alles, was nur als Mittel zur
Vollführung des Zweckes der Unternehmung da ist und demnach, solange
dieser Zweck besteht, auch da sein muß', und zu den letzteren rechnet
') Dagegen haben wir dieselbe in unserer schematischen Bilanzaufsteilung (§ 5)
in der Weise abgeändert, daß wir bei den indirekt rentablen Werten noch eine dritte
Kategorie, nämlich solche Werte, die sich nicht abnützen, ausgeschieden haben. Es ist
dies dann für die Bewertungslehre von Vorteil. VergL unsere Ausführungen § U B lU ^.
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22
er „im wesentlichen diejenigen Objekte, welche von dem Gesamtbesitze
unter Umständen abgetrennt und veräußert werden können oder sollen".')
„Nahe verwandt mit den Darlegungen Schelflers sind die Simons.
Da seine Ausführungen aber viel klarer gehalten sind als die Schefflers,
da er überhaupt als erster Jurist auf den Unterschied zwischen Gegen-
ständen, welche dem Gebrauche und solchen, welche der Veräußerung
dienen und deren Bedeutung für die Bilanzbewertung hinwies, da ferner
mit dem außerordentlichen Aufschwung der deutschen Volkswirtschalt die
Zahl der kaufmännischen Unternehmungen (darunter besonders die Zahl
der Aktiengesellschaften) rapid anwuchs und infolgedessen das Bilanz-
wesen, besonders infolge des Auftauchens aller möglichen Streitfragen,
eine weit größere Beachtung als früher beanspruchte, so ist es begreiflich,
daß sein Buch, das in meisterhafter Weise alle einschlägigen rechtHchen
wie volks- und privatwirtschaftlichen Fragen behandelt, eine außerordent-
liche Verbreitung gefunden hat."') Simon hat dann für die beiden großen
Klassen der Vermögensbestandteile, nämlich derjenigen, die für den eigenen
Gebrauch, sowie derjenigen, die zur Weiterveräußerung bestimmt sind,
verschiedene Bezeichnungen eingeführt, indem er die zum eigenen Ge-
brauch bestimmten als „Betriebsgegenstände" und die zum Verkauf, d. h.
zum Gebrauch und Verbrauch durch andere bestimmten als ,, Veräußerungs-
gegenstände bezeichnet.^) Zu dieser ersten Kategorie, d. h. der Betriebs-
gegenstände bemerkt Fäs (a. a. O., Seite 26/7) folgendes: Sie umfaßt die-
jenigen Güter einer Unternehmung, die am Ziele der normalen Güter-
bewegung, beim Konsumenten, angelangt sind. Sie dienen dem Unter-
nehmer als Mittel zur Erzeugung neuer Güter; er verwertet sie zum
Zwecke der Produktion. Im HinbHck auf diese Funktion der Konsumgüter
einer Unternehmung im Dienste der Produktion sagt man, sie seien zur
reproduktiven Konsumtion bestimmt. Die Aufgabe der reproduktiven Kon-
sumtion ist es, mit einer möglichst geringen Wertvernichtung, respektive
Kostenaufwand, möghchst wertvolle neue Brauchbarkeiten (Nutzeffekte,
Erfolge, Erträgnisse, Einkommen) zu erzielen. Für die auf bestimmte (jähr-
liche) Rechnungsperioden abstellende Buchführung und Bilanzen wird
folgende Unterscheidung innerhalb der zur reproduktiven Konsumtion er-
worbenen Güter von hervorragender Bedeutung.
Fäs (a. a. O., Seite 27/8) charakterisiert nun das sog. stehende
Kapital (Vermögen) wie folgt: „Unter den zur reproduktiven Konsumtion
erworbenen Gütern finden sich solche Vermögensbestandteile, deren Ver-
wertung und Entwertung (sofern letztere überhaupt stattfindet) geraume
Zeit dauert, und die mehrere Produktionsakte und Rechnungsperioden zu
überdauern imstande sind, ohne ihre ursprüngliche Gestalt dabei zu ver-
lieren. Der Verlust (Konsum) ihres Wertes verteilt sich
auf eine Vielheit von Produkten und Rechnungs-
perioden und belastet deshalb das einzelne Produkt
und die einzelne Betriebsperiode nur mit einem Teil
ihres Wertes. Solche Vermögensbestandteile sind stehendes Kapital
der Unternehmung. Die wichtigsten Beispiele dafür sind die Immobilien,
Mobilien und die immateriellen Rechte und Güter einer Unternehmung,
') Siehe Fäs Emil: Die Berücksichtigung der Wertverminderiingen des stehenden
Kapitals in den Jahresbilanzen der Erwerbswirtscbaften. Zürcher Dissertation, Seite 26.
^ft.^ ^) Siegfried Buff; in der Festschrift lür Lujo Brentano, München und Leipzig
1916, Seite 76.
») Fäs: a. a. 0., Seite 26.
83
immer vorausgesetzt, daß sie (zum Konsumentenanschaffungspreise) mit
der Absicht der eigenen Verwendung erworben wurden.
Von den übrigen zur reproduktiven Konsumtion angeschafften Gutem
unterscheidet sich das stehende Kapital dadurch, daß jene schon in einem
oder verhältnismäßig wenigen Produktionsakten, immer aber innerhalb
einer einzigen Rechnungsperiode vollständig umgewandelt w^erden, meistens
ihre selbständige Gestalt und stets ihren selbständigen Wert verlieren.
Sie fallen der einzelnen Rechnungsperiode mit ihrem
vollen Wert zur Last. Beispiele dafür sind Kohle, Oel, Licht und
alle jene zahlreichen Gegenstände kurzer Gebrauchsdauer, die jede Unter-
nehmung benötigt. Sie bilden zusammen mit den zur Veräußerung er-
worbenen Vermögensgegenständen (Rohstoffe, Hilfsstoffe, in Fabrikation
stehende Waren und fertige Waren) und dem Gelde das umlaufende
Kapital einer Unternehmung."
Fäs (a. a. O., Seite 28 ff) hat den Begriff des stehenden Kapitals
in einem historischen UeberbHck bei den verschiedensten Nationalöko-
nomen untersucht. Wir verweisen für alles Detail auf seine Untersuchung.
Unseres Erachtens macht er sehr richtig darauf aufmerksam, daß die be-
treffenden Autoren bald mehr die Güter, die gänzlich dem einen Jahr zur
Last fallen, in welchem sie in ihrer Totalität konsumiert werden, bald
mehr das Moment der Veräußerung betonen. So schwebt eben Quesnay')
das erstere vor, wenn er ausführt: „Les avances annuelles consistent dans
les d^penses qui se fönt annuellement pour le travail de la culture, ces
avances doivent 6tre distinguöes des avances primitives, qui forment le
fonds de l'ötabhssement de la culture ..." Anders dagegen Adam S m i th*),
er legt den Nachdruck auf das Moment der Veräußerung (changing
masters") resp. NichtVeräußerung der Güter. „There are two different
ways in which a capital may be employed so as to yield a revenue er
profit to its employer.
First, it may be employed in raising, manufacturing, or purchasing
goods, and selling them again with a profit The capital employed in this
manner yields no revenue or profit to its employer, while it either re-
mains in bis possession, or continues in the same shape. The goods of
the merchant yield him no revenue or profit tili he sells them for money,
and the money yields him as little tili it is again exchanged for goods.
His capital is continually going from him in one shape, and returning
to him in another, and it is only by means of such circulation, or suc-
cessive exchanges, that it can yield him any profit. Such capitals, there-
fore, may very properly be called circulating capitals.
Secondly, it may be employed in the improvement of land, in the
purchase of useful machines and instruments of trade, or in such like
things as yield a revenue or profit without changing masters, or circu-
lating any lurther. Such capitals, therefore, may very properly be called
fixed capitals.
Sehr gut veranschaulicht er das Gesagte mit folgenden Ausführungen
(a. a. O., Seite 244/5): „That part of the capital of the farmer which
is employed in the instruments of agriculture is a fixed, that which is
•) Franjois Qaesnay, „Tableau ^conomique", abgedruckt in „ausgewählte
Lesestücke zum Studium der politischen Oekonomie", herausgegeben von Karl Diehl
und Paul Mombert, iil. Band, Karlsruhe i. ü. 1911, Seite 24/5.
') An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nationa by Adaa
Smith, Volume i, Everyman's Library, edited by Ernest Bhys, London, Seite 243; 4.
24
employed in the wages and maintenance of his laboring servants, is a
circulating capital. He makes a profit of the one by keeping it in his own
possession, and of the other by parting with it. The price or value of
his labouring cattle is a fixed capital in the same manner as that of the
instruments of husbandry. Their maintenance is a circulating capilal in
tlfb same manner as that of the labouring servants. The farmer makes
his profit by keeping the labouring cattle, and by parting with their mainten-
ance. Both the price and the maintenance of the cattle which are brought
in and fattened, not for labour, but for sale, are a circulating capital.
The farmer makes his profit by parting with them. A fleck ot sheep or
a herd ot cattle that, in a breeding country, is bought in, neither for labour, nor
for sale, but in order to make a profit by their wool, by their milk, and by
their increase, is a fixed capital. The profit is made by keeping them.
Their maintenance is a circulating capital. The profit is made by par-
ting with it; and it comes back with both its own profit and the profit
upon the whole price of the cattle, in the price of the wool, the milk,
and the increase. The whole value of the seed, too, is properly a fixed
capital. Though it goes backwards and forwards between the ground and
the granary, it never changes masters, and therefore does not properly
circulate. The former makes his profit, not by its sale, but by its
increase."
Eine wesentliche Klärung des Begriffes des stehenden Kapitals nach
einer Seite hin haben die Untersuchungen von Karl Marx gebracht,
indem er hervorhebt, daß es auf den „verschiedenen Umschlag-' des im
Produktionsprozeß fungierenden „Kapital wertes" ankommt. Nicht der Ver-
lust der selbständigen Gestalt, sondern der Verlust des selbständigen Wertes
ist entscheidend.')
S c h m o 1 1 e r^) führt aus: Die durch A. Smith begründete Einteilung
des Kapitals in umlaufendes und stehendes geht vom Kapital im
Sinne der der Produktion dienenden Gütervorräte aus. Zum ersteren rechnet
man die beweglichen Vorräte, Lebensmittel, Rohstoffe, Zwischenprodukte,
das Geld in den Geschäftskassen, zum letzteren die Werkzeuge, Maschinen,
Gebäude, Grundstücke, Meliorationen. Es ist in erster Linie ein technischer
Unterschied, aber dann auch ein geschältlicher. Das umlaufende Kapital,
Betriebskapital, erlaubt technisch nur eine einmalige Verwendung; es gibt
bei richtiger Produktion seinen ganzen Wert in das Produkt, das stehende
nur seine Nutzung, denn dieses erlaubt eine Verwendung für Monate und
Jahre. Das Betriebskapital ist technisch zwar teilweise nur zu bestimmten
Zwecken verwendbar, die Wolle zu Wollgeweben; ein großer Teil aber,
Geld, Lebensmittel und anderes, kann zu allem Möglichen dienen, und
fast stets kann das Betriebskapital leicht veräußert und so sein Wert
anderen Zwecken zugewendet werden. Vom stehenden Kapital kann ein
Teil, wie Häuser, Dampfmaschinen zwar auch technisch zu verschiedenen
Zwecken dienen, aber nie in dem Umfang wie das umlaufende Kapital;
das meiste stehende Kapital ist für immer einem bestimmten technischen
Zwecke angepaßt, wie ein Spinnstuhl, ein Waggon, die Maschinerie eines
Bergwerks; es ist auch viel schwerer verkäuflich.
') Zitiert nach Fäs (a. a. O., Seite 31 und 33.)
0 In seinem Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, 6. Aufla<re,
Leipzig 19ü4, il. Band, Seite 180/1.
85
Bei Adolf Wagner') lesen wir: Das stehende Kapital dient bei
einer Reihe von Güterproduktionen. Nur der Betrag der Abnutzung
(Amortisation) geht in die Kosten des neuen Produktes über. Es wird
daher auch erst allmählig aus dem Erlöse aller der Produkte ersetzt,
zu deren Herstellung es diente und erst dann wieder ganz disponibel.
Auch Böhm-Bawerk*) unterscheidet stehendes (festes, Anlage-)
und umlaufendes (flüssiges, Betriebs-) Kapital. Das umlaufende umfaßt
jene Kapitalgüter, welche nur eine einmalige Verwendung zu Produktions-
(Erwerbs-)Zwecken zulassen und daher in demjenigen Produktions-(Er-
werbs-)Akte, in welchem sie überhaupt zur Verwendung gelangen, mit
ihrem ganzen Werte aufgezehrt oder hingegeben werden und demnach auch
das Kostenkonto dieses Aktes mit ihrem ganzen Werte belasten. Das
stehende Kapital dagegen ist einer wiederholten, über mehrere Produk-
tionsperioden (Erwerbsakte) andauernden Verwendung fähig, verliert wäh-
rend jeder derselben nur einen Teil seines Wertes und belastet daher auch
das Kostenkonto, abgesehen von den Zinsen, jedesmal nur mit einer Quote
(Abnutzungs- oder Amortisationsquote) seines Wertes.
Man pflegt als Charaktereigentümlichkeit des stehenden Kapitals zu
bezeichnen, daß es seine Bestimmung schwerer wechseln könne als das
umlaufende. Das ist nicht buchstäblich, wohl aber dem Sinne nach richtig.
Es können nämhch zwar auch diejenigen Güter, welche das umlaufende
Kapital bilden, in der Regel ihre Bestimmung nicht mehr wechseln ; z. B.
die einmal vorhandene Wolle wdrd notwendig zur Tucherzeugung, der ein-
mal vorhandene Indigo zum blau iärben, der vorhandene Flachs zur Lein-
wanderzeugung benutzt werden müssen. Aber weil sich die genannten
Stoffe in einer einzigen Produktionsperiode rasch verzehren, hat man
verhältnismäßig oft und bald die Wahl, ob man den aus der produktiven
Verwendung erzielten Eriös neueriich in dieselbe Produktionsart investieren,
also damit abermals Wolle, Indigo oder Flachs nachschaffen oder aber
ihm eine andere Bestimmung geben will. Diese Wahlfreiheit hat man
natürlich bei stehenden Kapitalien, die sich erst in einer längeren Reihe
von Produktionsperioden allmählich abnutzen und bezahlt machen wie bei
Maschinen, Fabrikanlagen u. dgl. viel seltener und nach viel längeren
Zwischenräumen, innerhalb deren viel leichter solche Veränderungen der
Technik, der Bedürfnisse, Konjunkturen u. dgl. eintreten können, welche
emen — nicht realisierbaren - Bestimmungswechsel wünschenswert machen
würden.
Marsh all (Principles of Economics, Bd. I, 5. Aufl., London 1907,
Seite 75) schließt sich der Auffassung von Mill an : We may follow Mill
in distinguishing circulating capital „which fulfils the whole of its
Office m the production in which it is engaofed, by a single use, ,,from
fixed capital" which exists in a durable shape and the return to which
IS spread over a period of corresponding duration-".*)
0 Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie. Erste Hauptabteilunff: Grund-
legung der politischen Oekonomie, 3. Auflage, 1. Teil, Leipzig 1892, Seite 315.
TT -A o Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Auflage, Jena 1910, Artikel
„Kapital", Seite 780/1.
^) Adam Smith's distinction between fixed and circulating capital tumed on
the question wheter the goods „yield a profit without changing masters« or not. Ri-
cardo made it turu on whether they are „of slow consumption or require to be fre-
quently reproduced« ; but he truly remarks that this is „a division not essential, and
in which the hne of demarcation cannot be accurately drawn". Vergl. hiezu auch die
Bemerkungen von Fäs, a. a. 0., Seite 30/31.
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26
Auch Philipp ovich') sei in diesem Zusammenhang noch zitiert.
„Zu dem stehenden Kapital gehören die unbeweo;lichen und die
dauerhaften, nur einer allmählichen Abnützung unterliegenden Sachgüter,
also Gebäude, Maschinen, Verkehrsmittel u. dgl. Vom Standpunkt des Er-
werbskapitals treten noch hinzu der Boden und solche Berechtigungen,
die der Unternehmung einen besonderen Nutzen gewähren und verkehrs-
fähig sind, wie Patente, Konzessionen u. dgl. Das umlaufende Kapital
dagegen besteht aus Gütern, bezw. Verkehrsobjekten, die in einer oder
wenigen Perioden der Produktion oder Erwerbstätigkeit verbraucht oder
umgesetzt werden, wie Rohstoffe und Hilfsstoffe in der industriellen Pro-
duktion. Saatgut und Düngmittel in der Landwirtschaft, Gehälter und
Löhne der Angestellten u. s. w. Eine besondere Form des umlaufenden
Kapitals sind die zum Verkauf bereiten Waren und Verkehrsobjekte über-
haupt, wie sie bei den Warenhändlern, Banken sichtbar werden. Auch
das Geld, bezw. die fälligen Geldforderungen, gehören zum umlaufenden
Kapital. Das stehende Kapital wird auch Anlagekapital, das um-
laufende Kapital Betriebskapital genannt.
Die Bedeutung dieser Unterscheidung liegt darin, daß das stehende
Kapital durch längere Zeit gebunden ist, d. h. in jeder Wirtschaftsperiode
wird nur ein Teil jener Sondergüter oder Vermögenswerte, aus denen das
stehende Kapital besteht, verbraucht, und es geht daher auch nur dieser
Teil des Vermögenswertes in das Produkt über, während der Wert des
umlaufenden Kapitals völlig in das Produkt übergeht."
Versuchen wir nun eine eigene Begriffsbestimmung zu geben. Es
handelt sich beim stehenden Vermögen um die indirekt rentablen Werte,
die der Betrieb als Mittel (Hilfsmittel) benötigt. Dazugehören: Immobilien:
Grundstücke, Gebäulichkeiten (Fabrikgebäude und Wohnhäuser), Maschinen,
maschinelle Anlagen, Mobilien : Werkzeuge, Gerätschaften, Modelle, Zeich-
nungen, MobiHar; immaterielle Anlagen: Patente, Konzessionen, Fabrik-
geheimnisse, Kundschaft, Organisationskosten etc. Ein weiteres Merkmal
ist das, daß sie nur noch im Hinblick auf den Betrieb der Unternehmung
bewertet werden können, für sie kommt eben der Gebrauchswert, der sog.
Betriebswert in Frage. Sofern sie sich abnützen, d. h. verbraucht werden,
verteilt man diese Abnützung meistens auf eine Vielheit von Produkten
und Rechnungsperioden. Ein Verbrauch, resp. Abnützung ist aber nicht
bei allen Betriebsgegenständen zu konstatieren, nicht z. B. bei Grund-
stücken, Anlagewertpapieren etc., somit ist dieser Umstand kein Kriterium
des stehenden Vermögens.
Wir möchten das stehende Vermögen definieren, als jene
indirekt rentablen Werte, die der Betrieb als Mittel (Hilfsmittel)
benötigt, deshalb auch Betriebs- oder Gebrauchsgegenstände
genannt werden und deren Bewertung somit als Gebrauchs-
und nicht als Veräußerungsgegenstände zu erfolgen hat.
Unter umlaufendem Vermögen verstehen wir alle übrigen
Vermögenswerte: alle nicht rentablen Werte (Regulierungs-
und Reservegüter, Gewährleistungsgüter), sowie alle direkt
rentablen Werte, die direkt Gegenstand des Betriebes sind
(Waren, Wechsel, Wertpapiere, Debitoren, Rohstoffe) und deren Bewer-
tung entweder unter dem Gesichtspunkt der Veräußerungs-
oder Betriebsgegenstände zu erfolgen hat. Es handelt sich somit
') a. a. O., Seite 196.
27
*
um die eigentlichen Veräußerungsgegenstände wie Waren, Wechsel, Wert-
papiere, Bargeld etc., ferner aber auch um solche die selber nicht, hin-
gegen in einer andern Form (Waren) zur Veräußerung bestimmt sind
wie Kohle, Gel, Saat'), Rohstoffe, Hilfsstoffe, in Arbeit befindliche Fabri-
kate. Ich möchte diese letzteren Gegenstände Quasi-Veräußerungs-
gegenstände nennen. Da sie schon im ersten Produktionsakt unter-
gehen, also ihren ganzen Wert dem neuen Produkt abgeben, belasten sie
nur eine einzige Rechnungsperiode und zwar mit ihrem vollen Wert. Ein
Teil dieser Quasi-Veräußerungsgegenstände folgt nun nicht den Bewer-
tungsregeln für die Veräußerungs- sondern für die Betriebsgegenstände,
indem für einzelne unter ihnen (Hilfsstoffe, Halbfabrikate) beim Fehlen eines
Markt- und Börsen- oder sonstigen Verkaufspreises eine Orientierung an
demselben unmöglich ist. Als besonderes Unterscheidungsmerkmal wird
vor allem der Umstand von Bedeutung, daß das stehende Vermögen seine
Bestimmung schwerer wechseln kann, als das umlaufende. (Böhm-Bawerk,
a. a. 0., Seite 780).
b) Bedeutung des stehenden Vermögens: Schon Adam
Smith (a. a. O., Seite 244), ist die Bedeutung des stehenden Kapitals, vor
allem seine verschiedene Größe bei den verschiedenen Wirtschaftseinheiten
bekannt gewesen. An die enorme Steigerung gerade in unserm Zeitalter
in den verschiedensten Industriezweigen hat er doch wohl nicht gedacht.
Gerade diese ungeahnte Zunahme des stehenden Vermögens kann als ein
Charakteristikum der heutigen Wirtschaft bezeichnet werden. Einer Unter-
suchung von Prof. M. Weyermann*) über das Verhältnis des stehenden
zum umlaufenden Vermögen entnehmen wir folgende Zahlen:
in 84 Betrieben der Metallindustrie betrug das stehende Vermögen 62%
des Gesamtkapitals,
»20 „ „ keramischen Industrie betrug das stehende Vermögen
52Vo des Gesamtkapitals,
»59 »} » Maschinenindustrie betrug das stehende Vermögen
427o <les Gesamtkapitals,
»17 f „ elektrischen Industrie betrug das stehende Vermögen
57°/o des Gesamtkapitals,
') Adam Smith faßt unseres Erachtens den Begriff der Veräußerungsgegen-
stände zu eng, wenn er die Aussaat, Oel, Kohle u. s. w. zum stehenden Vermögen
rechnet. Sie werden zwar nicht als solche direkt sondern nur als Bestandteile von
Waren in den Verkehr gebracht; wir nennen sie Quasi-Veräußerungsgegenstände; zum
Unterschied des stehenden Vermögens handelt es sich um Güter, die auf einmal, also
m einem einzigen Produktionsakt, und zwar mit ihrem vollen Wert im neuen Produkt
aufgehen, während bei den betriebsgegenständen die durch die Produktion verursachte
Abnutzung oder sonstige Entwertung die Produkte nur indirekt verteuert. Ebenso Fäs,
a. a. 0., Seite 29. Vergl. auch Conrad (Grundriß der politischen Oekonomie. 1. Teil:
JSationalökonomie, 4. Auflage, Jena 1902, S3ite 38.) Die Eigentümlichkeit des umlau-
fenden Kapitals liegt darin, daß es nur einmal in dem Produktionsprozeß zur Anwen-
dung gelangt, in seiner bisherigen Gestalt dabei umgewandelt wird und daß der Wert
voll und ganz in den des neuen Produktes übergeht. Das ist der Fall, wenn das Ge-
treide ausgesät oder verfüttert wird. Es wird als solches vernichtet und geht in dem
landwirtschaftlichen Prozesse dem Werte nach in Stroh und Körner der neuen Ernte,
oder in l^leisch und Milch der gefütterten Tiere über; wie ebenso in der Mühle das
Getreide in Mehl, das Mehl in der Bäckerei in Brot verwandelt wird, das als umlau-
fendes Kapital nur einmal in dem Produktionsprozesse zu dienen vermag. Das ist
ebenso der jr all bei der Kohle, die zur Erzeugung des Dampfes dient, bei der Wolle,
die zu Garn versponnen wird, während das Garn wiederum zu Zeug verwebt wird.
2)M. Weyermann: Die ökonomische Eigenart der modernen gewerblichen
Technik, im Grundriß der Sozialökonomik, VI. Abteilung, Seite 145.
I
f
28
in 46 Betrieben der Textilindustrie betrug das stehende Vermögen 587„
des Gesamtkapitals.
Eine weitere sehr instruktive Studie in obiger Hinsicht stammt
aus der Feder von V. Nef, St. Gallen'): Der Anlagekapitalbedarf der
schweizerischen Stickerei-Industrie. Ein Schätzungsversuch. Wir ent-
nehmen derselben folgende Zahlen:
Das in der Stickerei investierte Maschinenkapital steigerte sich
in den 10 Jahren 1900 bis 1910 von 47*1 Millionen auf 90-5 Millionen,
d. h. um mehr als 927«. Die prozentische Verteilung des Anlagekapitals
in Maschinen auf die einzelnen Industriezweige war in den beiden Ver-
gleichsjahren die folgende:
Industriezweig : 1900 1 910
Schifflistickerei 31-7 60*2
Handmaschinenstickerei 67-3 39-4
Kettenstichstickerei ........ l-O 0*4
Lorrainestickerei O'O
Total . . 100-0 100-0
Nach seinen Berechnungen wären ferner in Fabrikation s-
gebäulichkeiten im Jahre 1900 68 Millionen Fr. und im Jahre 1910
105-6 Millionen Fr. investiert gewesen (ohne Berechnung der Amorti-
sationen und V^ertzuwachse). Die Zunahme dfcs investierten Kapitals
betrug also in diesem Jahrzehnt 55-17o. Die prozentische Verteilung auf
die Industriezweige ist folgende:
1900 1910
Schifflistickerei 29-8 52-6
Handstickerei 689 468
Kettenstichstickerei 1-3 o-6
100-0 1000
Die Verschiebung des Anlagekapitals zu Gunsten der Schifflistickerei
treffen wir auch hier wieder, wenn auch nicht so ausgeprägt wie beim
Maschinenkapital.
Ferner schätzte er das Gesamtan lagekapital auf 233-6 Mil-
lionen im Jahre 1910, 134-1 Millionen im Jahre 19t0. Es hat sich somit
um 74-27o vermehrt. Am stärksten ist die Vermehrung bei der Schiffli-
stickerei. Dort hat das Maschinenkapital um 264-4'7„ zugenommen, das
Gebäudekapital um 173-1"„. In diesem Zusammenhang wollen wir nicht
unterlassen auf die sehr interessanten Untersuchungen von Nicklisch*)
hmzuweisen. Auch seine äußerst anschauliche Darstellungsweise des Ver-
hältnisses der verschiedenen Vermögensgüter untereinander sei besonders
hervorgehoben.
Diese Tatsache, die gewaltige Steigerung der Anlagen im modernen
Wirtschaftsbetneb, hat nun vor allem zwei weittragende Wirkungen :
1. Dadurch, daß der Unternehmer einen bedeutenden Teil seiner
Mittel fortan in den indirekt rentablen Betriebsgegenständen anlegen muß,
wird auch die Art und Weise seiner Kalkulation eine andere. Jetzt heißt
es nicht nur vorübergehend Gewinne erzielen, denn die Anlagen dauern
') Zeitschrift für schweizerische Statistik, Jahrgang 1915, Seite 182 ff.
^) Allg. kaufm. Betriebslehre: Der Aufbau des Vermögens, Seite 85 ff.
Ä9
sehr oft Jahre, Jahrzehnte. Viel wichtiger ist jetzt ein stabiler, sicherer
Geschäftsbetrieb. Aus dem „merchant adventurer", an welchen sich auch
gewisse Anklänge in dem wild darauf los gründenden Spekulanten der
Periode nach dem Frankfurter Frieden finden, wird im Laufe der Zeit
ein mehr sachlich abwägender, reeller Kaufmann.
2. Die Produktion steigert sich in eine solche großen Stils, und
zwar aus folgenden Ueberiegungen : „Man hat nämhch die Unterschei-
dung in proportionale und gleichbleibende (eiserne) Kosten
im Betriebe zu berücksichtigen." Die Selbstkosten der industriellen Pro-
duktion setzen sich somit aus zwei Teilen zusammen; der eine Teil
wächst proportional mit der Produktions- bezw. Absatzmenge; auf die
Einheit bezogen, sind die Kosten also gleich groß, ob die Produktions-
und Absatzmenge größer oder kleiner ist. Hierher gehören z. B. die
Rohstoffe und produktiven Löhne etc.
Der andere Teil der Selbstkosten ist keineswegs von der Produk-
tions- und Absatzmenge abhängig; diese Kosten müssen unter allen Um-
ständen bestritten werden, ob die Produktions- und Absatzmenge größer
oder kleiner ist. Wir bezeichnen sie als eiserne Kosten ; hierher gehören
z. B. Abschreibungen, Zinsen und Unterhaltung von Immobilien und
Maschinen u. s. w.')
Es ist nun ohne weiteres klar, daß der Zweck der Unternehmung,
einen höchst möglichen wirtschaitlichen Ertrag zu liefern, durch das
Hinzutreten der Kategorie der indirekt rentablen Anlagen nicht geändert
wird. Im Gegenteil, gerade durch sie soll ja die Leistungsfähigkeit des
Betriebes erhc>ht werden. Je besser nun vor allem die Anlagen ausgenutzt
werden können durch größern Umsatz, auf eine desto größere Anzahl
von Produkten verteilen sich die eisernen, gleichbleibenden Kosten, die
Selbstkosten fallen, was zur Folge hat, daß sich bei gleichbleibenden Ver-
kaufspreisen steigende Gewinne ergeben.
Es ergibt sich hieraus die Regel: Bei der Möglichkeit, die
eisernen Kosten auf eine größere Anzahl von Produkten
verteilen zu können, fällt der Selbstkostenpreis, bei
gleichbleibenden Verkaufspreisen steigt daher der Ge-
winn.
Hieraus läßt sich wieder folgender Betriebsgrundsatz ableiten*):
Kann man durch Preisherabsetzung die Absatzmenge bis
zur Grenze der Leistungsfähigkeit der Anlage vergrößern,
so vergrößert sich der Gewinn trotz erheblicher Preis-
ermäßigung, falls diese kleiner ist als die Verbilligung
der Produktionskosten.
•
Wir sehen also, die Tendenz der Produktionssteigerung ist offen-
sichtlich; sie hängt in aller erster Linie mit dem Wesen, mit der wirt-
schafthchen Eigenart des Anlagekapitals zusammen.
Daß auch für die Volkswirtschaft und nicht nur für den privaten
Unternehmer, infolge billigerer Preise, Vorteile entstehen können, ergibt
sich in frappanter Weise an folgenden zwei Beispielen:'')
>) Verg). die Ausführungen von Schär: Buchhaltung und Bilanz. 2. Auflage.
Berlin, 19U. Abschnitt G. Kalkulatorische Buchhaltung, Seite 255 ff.
*) Schär, a. a. 0. Seite 261.
') Entnommen aus Toendury, a. a. 0. Seite 60.
i!
I
t :
30
Produktionskosten einer Schreibmaschinenfabrik:
Bei ioo Schreibmaschinen kost. Fr. 250'— d. Stck; nach Erhöhung der
Betriebsanlagen :
"150 „ „ „ 200-— „ „ später bei noch
größerer Produktion :
^000 „ „ „ 185-— „ „ schheßlich:
2000 . „ .. 175 —
r)
n
w » :•• 175* — „ „
Aehnlich verhielt es sich in einer Bohrmaschinenfabrik:
1200 Stück ä Frs. 1*84
3450 „ „ „ 1-76
8560 „ „ „ 1-51
12400 ... 1-40
Wir sehen wie die Probleme der Kapitalgröße, der Selbstkosten-
berechnung, der Absatzgebiete, der Produktionssteigerung, der Konzen-
trationsbestrebungen etc. in engstem Zusammenhang mit der Frage der
Anlagegüter in der wirtschaftlichen Unternehmung stehen.
§ 7. Das Wesen der Bilanz.
a) Im Allgemeinen. Wie wir an anderer Stelle bereits gesehen
haben, stellen die Passiven in der Bilanz das Kapital dar, und zwar als
abstrakte Geldsumme. Nehmen wir zuerst an es handle sich um ein
mit Waren handelndes Unternehmen. Was wird mit dem Kapital, das
dem betreffenden Händler zur Verfügung steht, geschehen? Es wird
eben größtenteils zum Ankauf von Waren verwendet werden, ein Teil
bleibt vielleicht in der Kasse als Barbestand, ein anderer bei der Bank
bis er ebenfalls im Geschäft Verwendung findet. Die erste Stufe ist also
die, daß das Kapital in die verschiedenen Vermögenswerte umgewandelt
wird. Schärfer formuliert, stellen diese Vermögenswerte vorläufig gar
nichts anderes als die Aufwendungen für dieselben dar. Nehmen wir
ferner an, am Ende des Jahres, dem Zeitpunkt für die Bilanzaufstellung,
seien sämtliche Waren verkauft, der Eriös befinde sich in der Kasse und
im Bankkonto. Für die Bilanzauistellung ergibt sich keine Schwierigkeit.
Die Summe der konkreten Vermögensgegenstände (in unserm Falle, Kassa
und Bank) ist ganz genau, exakt feststellbar und ist als abstrakte Geld-
summe gleich dem Kapital. Den Erfolg können wir feststellen nach der
alt bekannten Formel: Endkapital • Anfangskapital = Erfolg (Rein-
gewinn oder Reinverlust), oder in Gleichungsform:
Anfangskapital 4- Reingewinn = Endkapital oder
Anfangskapital — Reinverlust = Endkapital.
Sehr zutreffend faßt diese verschiedenen Stadien Sganzini') zu-
sammen. „Der Grundvorgang erscheint danach als geschlossene Kreis-
bewegung des Unternehmungskapitals. Durch eine solche wird der Pro-
duktionsprozeß tatsächhch vollzogen. Das Kapital (in Geldform) wird
verausgabt, um die unmittelbaren Produktionsmittel anzuschaffen, in Stand
und in Tätigkeit zu erhalten (Aufwendungsprozeß, wodurch das Geld-
kapital in die stehenden und mobilen Produktionsmittel umgewandelt
«7- ^^ ,"^'^5 Grundlegung der realistischen Theorie der doppelten Buchhaltung."
Wissenschaftüche Beilage zum neunten Jahresbericht der Städtischen Han-ielsakademie
St. GaUen. St. Gallen, 1908, Seite 22. Vergl. auch Schär, a. a. 0. Seite 10 ff.
31
wird, bestehend aus Geldausgabe und Eingang konkreter Gegenstände,
bezw. produktiven Leistungen). Der innere Umformungsprozeß vollzieht
sich dann, bis schließlich die fertige Leistung abgegeben wird und dafür,
wiederum in Geldform, als Gegenleistung das Kapital erscheint, um,
immer wieder von neuem, denselben Kreislauf zu beschreiben." Wir
wollen dieses erste Stadium charakterisieren als die Umwand-
lung der Passiven in die Aktiven auf Grund des Anschaffungs-
preises. Wie wir in unserer historischen Einleitung festgelegt haben,
stellte im Anfang der Entwicklung der Buchhaltung, die Bilanz lange
Zeit nur ein rein formaler Abschluß dar.
Wir kommen zurück auf unser 1. Beispiel mit der Abänderung, daß
wir diesmal Fabrikant sind und die konkreten Vermögensgegenstände als
inImmobiHen, Maschinen, Waren, Halbfabrikaten, Rohstoffen, Bank und
I Kassa bestehend betrachten. Die Aktiven stellen wieder die Aufwen-
dungen dar, doch ist jetzt der Umwandlungsprozeß am Ende der Rech-
nungsperiode noch nicht so weit gediehen, daß dieselben auch bereits
schon wieder in die Form des Geldkapitals zurückverwandelt worden
wären. Hier beginnt eben die Schwierigkeit. W ährenddem früher die
Buchhaltung an diesen Nominalwerten der vorhandenen Waren, in Arbeit
befindlichen Fabrikaten etc. einfach festgehalten hat, verfährt eben unsere
entwickeltere Buchführungs- und Bilanzpraxis anders. Bei den fertigen
Waren irägt sich der Fabrikant, ob er diese Aufwendungen nun auch
mit gutem Gewissen mit der vollen Summe als Vermögenswert stehen
lassen dürfe. Das Urteil hierüber bildet er sich auf Grund von
Schätzungen an Hand von Markt- und Börsenpreisen oder sonstigen
Kenntnissen der Verkaufsmöglichkeiten. Bei den Halbfabrikaten und
Rohstoffen etc. als direkt rentablen, genauer gesagt als Quasi -Ver-
äußerungsgegenständen macht er die gleichen Ueberlegungen.
Doch kompHziert sich hier die Schätzung noch mehr, indem für einzelne
unter ihnen (Hilfsstoffe und Halbfabrikate etc.) beim Fehlen eines Markt-
!und Börsen- oder sonstigen Verkaufspreises eine Orientierung an den-
selben unmöglich ist. Er wird ähnlich verfahren, wie im Falle von Be-
triebsgegenständen, die wir jetzt betrachten wollen. Es handelt sich um
die indirekt rentablen Vermögenswerte. Eine große Anzahl derselben
(Fabrikgebäude, Maschinen, Werkzeuge etc.) büßt ihren Wert nur nach
und nach ein, so daß ihr Charakter als Aufwendung nicht mehr so deut-
lich zu Tage tritt. Und doch ist unleugbar, daß sie eines Tages ver-
schwinden werden, auch sie müssen sich wieder in Geldkapital zurück-
verwandeln. Weil nun diese Aufwendungen tatsächlich einer Vielheit
von Rechnungsperioden zur Last fallen, indem sie nicht mit ihrem ganzen
Betrag als Veriust angerechnet werden können, anderseits aber für den
noch nicht als Veriust zu taxierenden Betrag Vermögen darstellen, werden
auch hier wieder Schätzungen notwendig. Es ist festzustellen, was ge-
hört in der in Frage stehenden Rechnungsperiode in die Gewinn- und
Veriustrechnung und was kann als Vermögen in die Bilanz aulgenommen
werden.') Nach Sganzini (a. a. O. Seite 40) kann dies auf zwei Arten
geschehen, „indem am Schluß der Rechnungsperiode: a) von der Gesamt-
summe^ Aufwendungen diejenige, welche dem laufenden Jahre zur Last
») Die beiden Beträge stehen in Wechselwirkung, d. h. sie ergänzen sich, bilden
eben zusammen die Aufwendung. Ist z. ß. der Verlust groß, so verbleibt weaiir Ver-
mögen und umgekehrt ^
, ■■*■!
V
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s
32 . .
fällt, abgezogen wird, die übrige Summe auf das neue Jahr übertragen
wird und diesem wiederum als Aufwendung belastet u. s. w., oder b) der
verbleibende, tatsächlich nicht aufgewendete Teil direkt an Ort und Stelle
durch Kontrolle bestimmt und auf Grund desselben der Anteil des laufenden
Jahres als Differenz berechnet wird.') Diesen Zweck zu erfüllen, ist die
jährliche Inventuraufnahme bestimmt, welche nichts anderes ist als eine
statische Kontrolle, d. h. eine Prüfung und Aufzeichnung des Unter-
nehmungskapitals in einem gegebenen Augenblick und nach seinen kon-
kreten Bestandteilen. Sie gibt eine bestimmte Lage im ununterbrochenen
Kreislauf des Kapitals in erstarrter Form wieder .... Das neue und eigen-
artige der Inventuraufnahme liegt in der Aufzeichnung und Wertbestim-
mung der konkreten Produktionsmittel, umlaufenden und festen, d. h. der
verbleibenden Aufwendungen. Ueber den allmählichen Verbrauch ist
höchstens eine technische Kontrolle und auch diese nicht in allen Fällen
mögHch. Die Rechnung ist genötigt, die erste Anschaffung schon als
Aufwendung anzusehen. Der einer Rechnungsperiode zu belastende Anteil
muß daher auf einem Umweg^e bestimmt werden, durch Feststellung des
am Schlüsse verbleibenden Wertes. Die Trennung in Rechnungsperioden
ist eine rein künstliche. Die Wertbestimmung kann daher auch nur künst-
lich, durch willkürlichen Akt stattfinden In der Notwendigkeit der
Heranziehung solcher Werte, die auf bloßer Schätzung beruhen, liegt der
schwache Punkt des Rechnungssystems, der nicht zu beseitigen ist, weil
er in dem Umstand der künstHchen Abgrenzung einer Rechnungsperiode
wurzelt." Kritisch ist zu bemerken, daß Sganzini und vor allem auch die
meisten Bilanz- und Abschreibungstheoretiker das stehende Kapital, die
indirekt rentablen Betriebsgegenstände nicht sorgfältig genug analysiert
haben. So wird man bei Anlagewertschriften und Grundstücken die Be-
wertung nach andern Gesichtspunkten vornehmen als bei den Sachwerten,
die sich abnützen; das Gleiche wäre von den immateriellen Werten zu
sagen. Dieses zweite Stadium möchten wir charakterisieren als die Ueber-
führung des Kapitals (Passiven) in die einzelnen Vermögens-
werte (Aktiven) und Bewerlung derselben in starker Anlehnung
an den Anschaffungspreis.
b) Definition der Bilanz. Auf Grund unserer Untersuchungen
über das Wiesen der Bilanz möchten wir nun folgende Begriffsbestim-
mung geben'):
Wir verstehen unter der Bilanz eine kontoförmige Auf-
stellung in der Weise, daß die rechte Seite, die Passiven, das Kapital
^) In der Praxis sind auch in der Tat beide Methoden in Anwendung; darüber
später. —
2) Aehnlich Schär in der Schweizerischen handeis wissenschaftlichen Zeitschrift.
September 1916, Basel, Seite 205: „Die Bilanz ist die doppelte Rechnung über das
an einem bestimmten Zeitpunkt — den ßilanztag — vorhandene Geschäftsvermögen
einer Öonderwirtschaft ; die eine Seite der Rechnung enthält die nach wirtschnftliclien
Funktionen geordneten und nach gesetzlichen Vorschriften und kaufmännischen Normen
bewerteten Vermögensbestandteile, die Sach- und Rechtsgüter oder Aktiven : die Gegen-
seite der Rechnung stellt dasselbe Vermögen nach seinen rechtlichen Quellen dar,
indem es zerlegt wird in das vom Unternehmer selbst herstammende Eigenkapital, das
Reinvermögen, und in das auf dem Wege des Kredits aus andeien Wirtschaften stam-
mende Fremdkapital, die Schulden oder Passiven im engern Sinne." — Die meisten
andern Buchhaltungs- und Bilanzschriftsteller weichen deshalb wesentlich von meiner
Begriffsbestimmung ab, weil sie sich nicht genügend an das Wesen der Bilanz halten,
sondern auf andere Merkmale wie Zweck der Bilanz, Recht etc. mehr Gewicht legen.
33
der Unternehmung als abstrakt© Geldsumme, nach Eiffenlmiif.
anspruchen und Dauer der Yerfügbarkeit gesondert darstellt,
während die linke Seite, die Aktiven, dasTermögen in seinen
einzelnen konkreten Bestandteilen, und zwar unter dem Ge-
sichtspunkt der Rentabilität und Xiquidität geordnet und
auf Grund einer Inventur, die sich auf eine nach kauf-
raannischen Grundsätzen vorgenommenen Bewertung
stützt, aufweist. ^
IL Praktischer Teil.
Der Zweck der Bilanz.
§ 8. Der Zweck der Bilanz im allgemeinen.
a) Darstellung der Vermögenslage und Erfolgsermitt-
lung als Zweck der Bilanz. Das Wesen der Bilanz kann durch
den Zweck, zu welchem man die Bilanz aufstellt, bedeutende Modifi-
kationen erfahren. Welches ist nun der Zweck der Bilanz ? Die besetz-
liehen Bestimmungen geben uns etwelche Anhaltspunkte. Art 666.
Absatz 1, des Schweiz. Obligationenrechtes lautet: Die Bilanz ist so klar
und übersichtlich aufzustellen, daß die Aktionäre einen möglichst sichern
Einblick in die wirkliche Vermögenslage der Gesellschaft erhalten. Ganz
allgemein, also nicht nur für die Aktiengesellschaft wie in der Schweiz
bestimmen § 39 und 40 des deutschen Handelsgesetzbuches: *
§ 39, Abs 1. Jeder Kaufmann hat bei dem Beginn seines Handels-
gewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag
semes baren Geldes und seine sonstigen Vermögensgegenstände genau
zu verzeichnen dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände
d^Ä'"^ """^K'^Kf"« ^^' Verhältnis des Vermögens und d^ Schulden
darstellenden Abschluß zu machen.
i'*^!.-^^^;,^- ^^^ ^^^ Aufstellung des Inventars und der Bilanz
sind sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden nach dem Werte
anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die
Aufstellung stattfindet.
AK f "^ die Aktiengesellschaften verlangt der Gesetzgeber femer in § 261.
Abs. 6, daß der aus der Vergleichung sämtlicher Aktiva und sämtiiche^
Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust am Schlüsse der Büanz be-
sonders angegeben werden muß.
^^n^.^^fu''^^!'^^ ^'''^'''* F^ej/ann einzelne Buchhaltungs- und Bilanz-
Schnftsteller.') Es werden folgende Funktionen der Biltnz aufgezählt:
I.Sie soll uns über die Vermögenslage Auskunft geben. Daran
hat in erster Linie die Unternehmung selber ein großes Interesse. Hiezu
gesellen sich die Aktionäre, Gläubiger etc. Bedeutungsvoll wird sie als
n:i';^:i'v\i:^^^^^ des Venustes der Hälfte des Grundkapitals
2. Die zweite Hauptfunktion besteht in der E r f o 1 g s e r m i 1 1 1 u n ^
Intere^sse ^'^^^^ ^'^ Unternehmung und Aktionäre etc. ein vital»
^1 O °R ^A?; *fi^?* ?K ^f ^ ^} t' ^"*^*^ ^*«' *• *• Ö- Seite 3 ff.
^) U. K. Art. 657, Abs. 1 und 2 and Art. 704.
Dr. Jean Hott : „Die JahresbilaM der A. G.**
9
'" I
iTi?!'
r>f'i
34
3. Sie ist in gewissem Sinne eine periodische Korrektur der
Buchhaltung.
4. Sie bildet die Grundlage für die Leistungen der Unter-
nehmung an den Fiskus.
6. Als statistische Grundlage für die Wirtschaftswissen-
schaften interessiert sie den Privatwirtschaftler wie den National-
ökonomen.
6. Dient sie nicht nur der Erfolgsermittlung, sondern auch als
Grundlage iür die Gewinnverteilung. Neben der Dividendenfest-
setzung wird sie auch für die Bestimmung der Tantieme von Bedeutung.
Es ist nun ohne weiteres verständlich, daß die Bilanz nicht in
gleichem Maße sämtlichen oben aufgezählten Postulaten gerecht werden
kann. Diese Behauptung sei kurz erläutert, a) Nach obigen Funktionen
der Jahresbilanz soll sie auch Aktionären und Drittpersonen einen mög-
lichst sichern Einblick in die wirkliche Vermögenslage der Gesellschaft
gestatten. Leider all zu oft finden die Gesellschaften, daß dies nicht in
ihrem Interesse liege aus Konkurrenzrücksichten, wegen dem Aktienkurs,
wegen dem Kredit des Unternehmens etc. Wir haben hier gewissermaßen
dafür eine Erklärung, daß die Bilanzen häufig unübersichtlich sind. Gerade
das Anhäufen von stillen Reserven hat eben nicht selten den Zweck, die
wahre Situation zu verbergen, b) Die Bilanz dient als statistische Grund-
lage der Wissenschaft. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es sehr zu
wünschen, daß die einzelnen Bilanzposten in den verschiedenen Betrieben
eine möglichst gleichartige Behandlung erfahren würden, ein Postulat,
das vorläufig noch Wunsch bleiben muß. — R ehm') schreibt im Vorwort
zu seinen „Bilanzen": „Aus einem dreifachen Grunde tritt das Recht
ordnend an die Bilanz der kaufmännischen Unternehmung heran, nicht
wegen der Bedeutung, welche der Rechnungsabschluß für den Unter-
nehmer selbst besitzt, sondern 1. wegen seiner Bedeutung für die Gläu-
biger und Gesellschafter desselben und solche, die das eine oder andere
werden wollen ; 2. wegen seiner Bedeutung für die Beurteilung der Steuer-
kraft des Kaufmanns; 3. wegen des Einflusses der Unternehmung und
damit auch ihrer Bilanz auf die gesamte Volkswirtschaft (Versicherungs-
unternehmungen, Hypotheken-] und Notenbanken)." Je nachdem nun die
betreffenden Schriftsteller den einen oder andern Zweck mehr betonen,
werden eben ihre Vorschläge auch verschieden ausfallen müssen. Damit
haben wir wohl den wunden Punkt der Bilanzpolitik wie überhaupt jeder
Politik hervorgehoben. Aehnlich drückt sich Folliet*) aus: „II est
d*autres objets ou groupes d'objets pour l'övaluation desquels une r^gle
peut 6tre admise, mais les propositions sont presque aussi nombreuses
que les auteurs. Ceci provient de ce que chacun s*attache plus sp6ciale-
ment ä un cas particulier, ä teile ou teile partie du bilan lorsqu'il for-
mule sa proposition, au Heu de tenir compte de la nature si diff^rente
des Moments qui composent Tactif.** Wir werden uns im Nachfolgenden
in der Hauptsache auf den privatwirtschaftlichen Standpunkt
stellen, gemäß dem Charakter unserer Untersuchung. Das wird uns nicht
hindern, wenn immer sich die Gelegenheit bietet, auch die übrigen
^) Die Bilanzen der Aktiengesellschaften etc. 1. Aufl., München, 1903, Seite III.
») Le bilan dans les Sociötäs Anonymes etc. a. a. 0., Seite 28/9.
Momente, die verschiedenen aufgezählten Funktionen, gebührend zu be-
rücksichtigen. Ein Umstand wird sich aber gleichsam wie ein roter
Faden durch sämtliche Untersuchungen bemerkbar machen: die starke
Betonung und Anlehnung an das Wesen, den Charakter der Bilanz. Für
uns gewinnen somit die ersten beiden Funktionen der
Bilanz: Darstellung der Vermögenslage, sowie die Grund-
läge für die Erfolgsermitttung besondere Bedeutung.
b) Vermögens- oder Gewinnermittlungs-Bilanz? Es hat
sich hier in der Literatur eine Kontroverse ergeben, in der Weise, daß
man die Bilanz als Vermögensbilanz einerseits und als Gewinnermittlungs-
Bilanz') andererseits im Sinne eines Gegensatzes einander gegenüberstellte »)
Uns scheint die Problemstellung bei dieser ganzen Frage ungeschickt
gewählt. Wie wir im ersten Teil unserer Untersuchung gesehen haben,
hegt im Wesen der Bilanz kein solcher Gegensatz. Nach unserer
Gleichung: Anfangsvermögen -f- Reingewinn = Endvermögen
ergibt sich, daß, wenn wir das Vermögen kennen, wir auch den Rein-
gewinn bestimmen können und umgekehrt. Nur kommt jetzt hier die
bchwiengkeit der Bewertung des Vermögens. Wie wir schon früher aus-
geluhrt haben, kann dasselbe nicht genau festgestellt werden, wir müssen
uns mit Schätzungen behelfen. In scharfsinniger Weise charakterisiert
bganzini (a.a.O. Seite 41) dieses Dilemma: „An die Stelle der Wirk-
lichkeit treten dann Gesichtspunkte praktischer Zweckmäßigkeit, die als
Richtschnur bei der Wertschätzung (Wertansetzung) in jedem konkreten
Falle dienen. Der Willkür ist hier ein ziemlich weiter Spielraum ffe-
boten. ) Es hangt häufig von den durch den Einzelfall auferiegten Rück-
sichten ab, welcher Aufwendungsbetrag der Rechnungsperiode zu belasten
ist. Besonders bei den modernen gesellschaftlichen Unternehmungen ist
die brtragsberechnung eine ziemlich willkürliche und hängt häufig vom
Dividendensatze ab, den man an die Aktionäre auszuschütten für gut
hndet. Die Festsetzung der Amortisationsquoten für Anlagen ist erheb-
heb verschieden, je nach dem Einzelfalle. Man kann es für gut finden
m einzelnen Jahren größere Abschreibungen vorzunehmen, um den Vor-
teil bedeutender stiller Reserven zu genießen, und um spätere Jahrgänge
möglichst zu entlasten. Die Amortisationsquotenbestimmung, die Ein-
schätzung der bleibenden Warenvorräte haben von der rechnerischen
bei te vor allem den Zweck, d.^njenigen Teil der |ahresaufwendungen zu
bestimmen welcher der nächsten Periode zur Last gelegt werden muß
Antif If .J^'T' '"^''"^^ ^l" ^^"^ veriaufenen Jahre zu belastenden
Anteil Wir können nunmehr einen Schritt weiter gehen und sagen,
GewinnÄu'gt^^^^^^ ''^'^ unterscheidet ferner: Vermögensverteilong«. J
Leipzig! ms!^^'' ^'* ^' "^*^ Bilanzwerte, was sie sind und was sie nicht sind,«
Fischer, Dr. R : üeber die Grundlagen der Bilanzwerte." Leiozie- mm
3*
II '
36
daß sich auch für die Praxis nicht nur kein Gegensatz
zwischen Vermögens- und Erfolgsermittlungs-Bilanz kon-
struieren läßt, sondern, daß die Bilanz eben nur dann
genau aufgestellt worden ist, wenn durch sie das Ver-
mögen und der Erfolg in gleichem Maße genau ausge»
wiesen wird.') Man wird uns einwenden, daß aber doch die Praxis
dahin tendiere, vor allem den Erfolg in der abgelaufenen Rechnungs-
periode zu bestimmen, daß sogar gewisse Vermögensgegenstände gar
nicht jedes mal neu bewertet werden, sondern einfach um die früher be-
stimmte Amortisationsquote gekürzt, ins Inventar aufgenommen werden.
Wie wir später noch genauer sehen werden, ist dies richtig. Doch stellt
diese Art der Bewertung (besser gesagt Nichtbewertung) eben nur ein
allerdings sehr brauchbares und viel angewandtes Aushilfsmittel dar, das
sicherlich, wäre es möglich auf eine andere Art jedesmal den Wert der
betreffenden Vermögensgegenstände genau zu bestimmen, durch jenen
Bewertungsmodus ersetzt würde. Auch der Einwand, die Bilanz weise
überhaupt nicht das richtige Vermögen auf, ist nicht stichhaltig. Wir
können hier wiederholen, daß es eben noch ein Vermögen außerhalb der
Bilanz gibt, das sich mit dem bilanzmäßigen nicht zu decken braucht.
Wenn z. B. der Gesetzgeber jegliche bilanzmäßige Berücksichtigung von
Werterhöhungen bei Betriebsgegenständen verbietet, so hat er es nicht
getan, um die Unternehmung daran zu hindern, ihr Vermögen richtig
auszuweisen, sondern der Willkür bei der Bestimmung des sogenannten.
Gebrauchs- oder Betriebswertes gewisse Schranken aufzuerlegen. Anderer-
seits gestattet das Gesetz in Deutschland (§ 261, Abs. 3) ausdrücklich,
daß Anlagen und sonstige Betriebsgegenstände ohne Rücksicht auf einen
geringeren Wert zu dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis unter Be-
rücksichtigung der Abschreibungen angesetzt werden dürfen. Nach unserer
Auffassung will das besagen, daß damit eine zu einem andern als dem
Veräußerungswert, nämlich zum Betriebswert, vorgenommene Bewertung^
zugelassen wird. Richtiger ausgedrückt sollte man sagen,
daß in der Praxis bald ein besonders großes Interesse an
') Schär, a. a. 0. Seite 76: Wegen dieses Unterschiedes in den gesetzlichem
Vorschriften über die Bewertung der betreffenden Vermögensbestandteile leiten viele
Schriftsteiler, Juristen und Fachmänner, einen Wesensunterschied ab zwischen den
Bilanzen der Aktiengesellschatten (nach § 261) und den Bilanzen der übrigen Unter-
nehmungsformen, Einzelkaufmann, offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft^
G. m. b. H., Genossenschaft, Gewerkschaft u. s. w. Sie bezeichnen die letzteren nach
§ 40 aufgestellten Bilanzen als Vermögensfeststellungsbilanz, die ersteren
als Gewinnermittlungs- oder Gewinnverteilungsbilanz. Sie übersehen
offenbar, daß auch die Bilanz nach § 261 eine Vermögensfeststellunirsbilanz, die nach
§ 40 auch eine Gewinnermittlungsbilanz, bei den Handelsgesellschaften, Genossen-
Schäften, G.m.b.H. sogar auch eine Gewinnyerteilungsbilanz ist. Jede Hilanz ist auf
die Bewertung der Vermögensbestandteile durch die Inventur auf-
gebaut; jede Gewinn- und Verlustrechnung ist eine Ableitung und Zusammenfassung
der Unterschiede zwischen dem ÖoUbestand laut den Konten und dem Istbestand laut
der Inventur. Dadurch, daß bei der Bilanz der Aktiengesellschatt einzelne Sach-
güter, wie Waren und Wertpapiere, höchstens zum Anscliaffungs- oder Herstellungs-
wert angesetzt werden dürfen, wird das Wesen der Bilanz nicht in dem Maße verändert,
daß sich eine Bezeichnung: rechtfertigen würde, die «las WeH»>n der Bilanz verdeckt
oder geradezu verneint. Gegen diese Unterscheidung, die nur Verwirrung hervorrufen
kann, spricht auch die Tatsache, daß die strengeren Bewertungsgrundsätze, weiche das
Gesetz den Aktiengesellschaften vorschreibt, fast durchijängig auch bei den übrigen
Gesellschaften, namentlich bei Genossenschaften und G. m. b. H., freiwillig ange-
wendet werden.
31
einem kleinern, bald an einem größern als dem tatsächlich
erzielten Reingewinn besteht. Stille Reserven schaffen, heißt eben
nicht nur sich gegen allfällige Verluste schützen, es heißt zugleich auch
den Reingewinn zu klein ausweisen. Andererseits handelt es sich beim
Ueberbewerten nicht nur um einen zu großen Optimismus bei der Be-
wertung, der Reingewinn ist zu hoch. Aehnlich äußert sich zu diesem
Punkt Dr. Gustav Müller:') ^Im Geschäftsleben ist bei der Bilanzierung
zwar regelmäßig das Interesse an der Erfolgsermittlung ^) stärker als an
der Feststellung des Vermögens-Status. Zuweilen jedoch, z. B. bei Aus-
einandersetzungen mit Gesellschaften, überwiegt das Interesse an der
Höhe des Vermögens-Saldos. Praktisch bedeutsam ist solcher Unterschied
der Interessen insofern nicht, als in dem Maße, wie der Reinerfolg wächst,
sich auch das Geschäftsvermögen mehrt oder sich die Geschäftsschuld
mindert und umgekehrt. Darin jedoch liegt große praktische Bedeutung,
daß Unterbewertungen im Interesse beabsichtigter Erfolgs- Verkleinerung
oder Ueberbewertungen aus dem entgegengesetzten Grunde die objektive
Feststellung der Vermögenslage vereiteln."
Wenn wir kurz resümieren, so müssen wir ausdrücklich betonen,
daß die einseitigen Bezeichnungen Vermögens- wie Gewinnermittlungs-
Bilanz auf die Jahresbilanz der Aktiengesellschaft angewendet, weder
theoretisch noch praktisch gerechtfertigt sind. Dieselbe ist eben beides.*)
Es wäre daher besser, einfach von Bilanz (im Sinne von gewöhnlicher
Jahresbilanz) zu sprechen, will man nicht Gefahr laufen, durch eine
ungenaue, leicht mißverständliche Formulierung auf eine schiefe Ebene
hinüber zu gleiten.
Bewertungslehre.
§ 9. Der Gesetzgeber in Deutschland und der Schweiz zur
Frage der Bewertung, a) Die allg. Bewertungsvorschriften des
§ 40 H. G. B. Auch für unsere Untersuchung ist es zweckmäßig, von
§ 40 des Handelsgesetzbuches auszugehen, der für alle der Bilanzpflicht
unterworfenen Unternehmungen eine Bewertungsnorm aufstellt Mit der
Interpretation dieses äußerst wichtigen, grundlegenden Paragraphen haben
sich nicht nur Juristen, sondern auch Privatwirtschaftler beschäftigt. Um
Klarheit in die sich widersprechenden Ansichten zu bringen, haben sich
vor allem 2 Schriftsteller sehr verdienstlich gemacht. Es sind dies Passow
und Schmalenbach. Beide haben sich die Mühe genommen, die Ent.
0 nDie kaufmännische Erfolgsrechnung. (Gewmn- und Verluat-Eechnumr.)«
Berlin, 1915. Seite 24. ^ '
^) Schmalenbach: „Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis«
a. a. 0. Seite 351: Man kann sagen: Eine kaufmännische Bilanz stellt eine Ver-
mögensübersicht dar insoweit, als man einer solchen zur Ermittlung des Betriebs-
gewinnes bedarf. GewiÜ gibt es im kaufmännischen Leben Büanzen, die echte und
rechte Vermögensbilanzen sind oder sein sollen. Bei Liquidationen, Auseinander-
setzungen, kurz überall, wo es eben auf das Vermögen und nicht auf den Gewinn
ankommt, wird man sie finden. Aber die gewöhnliche Jahresbilanz soll offenbar
nicht so sehr das absolute, als das relative Vermögen, nicht die Wohlhabenheit, als
vielmehr das Geschäftsergebnis erkennen lassexj.
^ a) Vergleiche auch die Ausführungen von Bachmann, G. Prof. Dr.:
„Kommentar zur Aktiengesellschaft (Anonyme Gesellschaft) und Genossenschaft."
Zürich, 1915. Seite 191.
b) Sicherlich etwas einseitig sind auch die Bemerkungen von Berliner: „Bnch-
haltungs- und Bilanzen-Lehre." IL, 3. Auflage. Hannover und Leipzig, 1911, Seite 74/6.
*ir betont zu stark den Vermögenscharakter der Bilanz.
38
m
«;i'
stehungsgeschichte der fraglichen gesetzlichen Bestimmungen genau zu:
studieren. Eine einheitliche Interpretation hat sich nicht ergeben.
Passow') faßt seine Untersuchungen kurz folgendermaßen zu-
sammen: „Diese Vorschrift des §40 H. G. B. hat nun sehr verschieden-
artige Interpretationen erfahren. Zuerst nahm man in der Literatur und'
auch in der Rechtsprechung des höchsten Gerichtshofes*) allgemein an,
daß das Gesetz die Aufführung der Aktiven zu ihrem Veräußer ungs werte-
vorschreibe. Als man jedoch dann merkte, daß dieser Grundsatz z. B.
von den Eisenbahn-Aktien-Gesellschaften bei der Bewertung ihrer Bahn-
anlagen u. s. w. nicht angewandt werde und vernünftigerweise auch nicht
angewandt werden könne, ging man zu anderen Auslegungen über, wo-
bei man dann erklärte, das Gesetz schreibe nicht unter allen Umständen
den Veräußerungswert, sondern den Gebrauchswert oder den Geschäfts-
wert oder den Zeitwert und dergleichen mehr vor. Daneben behielt aber
auch die Auffassung, daß der Veräußerungswert vorgeschrieben ist, ihre
Anhänger.') Um angesichts dieser bestehenden Meinungsverschiedenheiten
größere Klarheit über die Bedeutung der gesetzlichen Bewertungsvorschrift
zu gewinnen, habe ich (Passow), und zwar zum ersten Male in der ge-
samten Bilanzliteratur, eingehend u. a. die Entstehungsgeschichte der
fraglichen Bestimmung von der Ordonnance de Commerce und dem all-
gemeinen Landrecht an durch alle gesetzgeberischen Stadien hindurch
vei'folgt und auf Grund dieser Materialien in einer wohl allen Zweifel:
ausschließenden Weise festgestellt, daß, in direktem Gegensatz zu anderen
Auffassungen, die Verfasser der Bestimmung damit ausdrücklich den Ver-
äußerungswert vorschreiben wollten. Das ist, wie ich damals schrieb, ein
Prinzip, mit dem die Praxis nicht durchkommen kann und an das sie
sich jedenfalls tatsächlich nicht bindet. Trotzdem kann die Aufgabe der
juristischen Interpretation nur darin bestehen, den Sinn darzulegen, den
der Gesetzgeber mit der fraglichen Vorschrift verbunden hat Kommt man
») Vergl. Richard Passow: Ueber die Bewertung der Betriebsanlagen in den
Bilanzen, im ßankarchiv 13. Jahrg. 1913/14 Seite 151. Ferner sein Buch: Die Bilan-
zen der privaten Unternehmungen, Leipzig 1910, Seite 96 ff.
*) Es bandelt sich um die berühmt gewordene, oit kritisierte Entscheidung
des Reichsoberhandelsgerichts vom 3. Dezember 1873: „Unter dem als
maßgebend für die Bilanz zu ermittelnden gegenwärtigen Werte ist aber überall der
allgemeine Verkehrswert im Gegensatze zu einem nur auf willkürliches
subjektives Ermessen oder auf bloße Spekulation zurückzuführenden Wertanschlage
zu verstehen, da die Bilanz der objektiven Wahrheit, der wirklichen Vermögens-
lage entsprechen soll, woraus folst, daß Vermögensbestandteile (Aktiva oder Passiva),
die einen Markt- oder Börsenpreis (Kurs) haben, der Regel nach zu dem sich hieraus
ergebenden Werte in die Bilanz einzustellen sind, während für andere Vermögens-
bestandteile deren gegenwärtiger obj ek ti ve r Wert auf sonstige Weise zu er-
mitteln ist. . . . Aus dieser .... Instruktion ist vielmehr nur das Prinzip zu ent-
nehmen, daß die Bilanz überhaupt .... der objektiven Wahrheit möglichst nahe
kommen soll. ...
Der Bilanz liegt hiernach in der Tat die Idee einer fingierten augen-
blicklichen Realisierung sämtlicher Aktiva und Passiva zugrunde, wobei
jedoch davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation,
sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäfts beabsichtigt wird, und daß da-
her bei der Ermittlung und Feststellung der einzelnen Werte derjenige Einfluß un=
berücksichtigt zu lassen ist, welchen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde."
(R. O. H. G., Bd. XII, S. 18 ff. Zimmermann, a. a. O. S. 204/5; Simon a. a. 0. S. 290.)
•'') Vergl. die Ausführungen und Literaturangaben bei Z i m m e r m a n n D r. H. :
Die Jahresbilanz der Aktiengesellschaft nach deutschem und schweizerischem Recht.
Zürich 1912. Seite 210 ff.
ZU dem Resultat, daß das Gesetz etwas Unpraktisches und Unzweck-
mäßiges fordert, so mag man auf die Abänderung des Gesetzes hinwirken,
an dem Gesetzeswort selbst soll man aber nicht herumdeuteln.
Da diese Untersuchungen über die Entstehungsgeschichte der all*
gemeinen gesetzlichen Bewertungsvorschrift nicht in einem rein juristi-
schen Werke veröffentlicht waren, so haben die Juristen zunächst sich
nicht damit beschäftigt. Erfreulicherweise hat aber jetzt Rudolf Fischer
in einer neuen Schrilt') zu meinen Darlegungen Stellung genommen, und
er ist unter eingehender Verwertung des von mir beigebrachten Beweis-
materials dabei zu dem gleichen Resultat gekommen. Hoffentlich wird
die juristische Literatur nun allgemein von jenen Darlegungen Kenntnis
nehmen und damit der Streit über den Sinn der allgemeinen gesetzlichen
Bewertungsvorschriit ein" Ende nehmen."
Dieser Wunsch Passows ist nun nicht in Erfüllung gegangen.
Schmalenbach kommt anscheinend ganz unabhängig von Passow, zu
einer andern Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen.') „So liegt
bei Betrachtung des Für und Gegen die Absicht des Gesetzgebers bei
aller Dürftigkeit der Protokolle ziemlich einfach zutage.
Der Kaulmann soll Inventuren und Bilanzen machen, soll zu diesem
Zwecke Bewertungen vornehmen. Er soll diese Aufgaben aber nicht etwa
nur zum Schein und in wertloser Weise machen. Er soll bei diesen
Arbeiten eine g:ewisse Freiheit haben, aber nicht eine subjektive, sondern
nur objektive Freiheit*), diejenige Freiheit, die durch die Umstände, durch
die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse geboten ist.
Es ist demzufolge unter „Wert" im Sinne der §§ 29 und 30 nicht
ein bestimmter Wert zu verstehen, sondern Wert ist hier derjenige Wert,
den man anzuwenden hat, um zu einer fachgerechten Bilanz zu gelangen.
Je nach Unternehmungsart, Bilanzobjekt und überwiegenden Bilanzzwecken
ist dieser Wert verschieden. Er fügt dann Seite 28/9 noch hinzu: Die
durch das neue Handelsgesetzbuch geschaffene Ordnung des Bilanzrechts
bestätigt im allgemeinen das geltende Recht, es verbessert nur teilweise
den Wortlaut und gibt einige kleine Zusätze. An den Hauptfragen wird
nichts geändert, insbesondere nicht an Zweck und Wert der Bilanz."
Wir stehen im großen und ganzen auf dem Standpunkt von Schmalen-
bach. Der Gesetzgeber wollte ganz allgemein das vorschreiben, was als
Sitte bei den soliden, reellen Kaufleuten angesprochen werden kann, näm-
') Buchführung und Bilanzaufstellung nach Handelsrecht, Leipzig 1913, S. 4Z ff.
2) Schmalenbach E. : Ueber das allgemeine Bilanzrecht, in seiner Zeit-
schrift für handelswissenschaftliche Forschung, 11. Jahrgang, Oktober 1916, Seite 1 ff.
^) Ausführlicher dazu Seite 16/7. Jeder Kaufmann hat das Recht, bei der Auf-
stellung der Bilanz seinen eigenen, privaten Zwecken zu folgen. Von mehreren möglichen
Bilanzen kann er diejenige wählen, die den Zwecken seines Geschäfts am besten entspricht.
Aber disse Freiheit bedeutet nicht, daß ein Kaufmann, nur um das Gesetz zu erfüllen,
angebliche und nicht wirkliche Zwecke geltend machen kann, wenn der Gesetzgeber
sich darauf verläßt, daß das Selbstinterease bei der Auswahl der Bilanzzwecke genügend
wirksam sei zur Erfüllung auch öffentlicher Interessen, so ist die Bedingung, daÖ
JsderSäänn seinen Interessen in Wirklichkeit nächgelie.
Der Kaufmann ist infolgedessen nicht subjektiv frei; er kann nicht willkürlich
bestimmen, dieses und jenes seien seine Bilanzzwecke. Vielmehr wächst in jedem Be-
triebe der Bilanzzweck aus den Umständen, wie sie in diesem Betriebe beschaffen sind,
heraus. Und so bestimmt sich der Zweck unabhängig von dem Wollen des Kaufmanns,
d. h, also objektiv, wenngleich nach subjektiven Umständen.
40
lieh die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. Dies ändert
sich auch nicht bei den Bewertungsvorschriften die uns § 261 für die
Aktiengellschaften gibt und die wir nunmehr kritisch betrachten und in
unserem Sinne interpretieren wollen.')
b) Die Bewertungsvorschriften für die Aktiengesellschaften
des § 261 H. G. B.
Wie wir gesehen haben, so verlangt der Gesetzgeber im allgemeinen
Bilanzrecht keine Bilanzierung auf Grund des Veräußerungs-, des soge-
nannten objektiven Wertes, sondern stellt ab auf die üsanzen und Gepflogen-
heiten des ordentlichen Kaufmanns. Wie steht es nun aber mit den
Bilanzen der Aktiengesellschaften, verträgt sich obige Auffassung mit
§ 261, insbesondere mit Absatz 3: „Anlagen und sonstige Gegenstände,
die nicht zur Weiterveräußerung, vielmehr dauernd zum Geschäftsbetrieb
der Gesellschaft bestimmt sind, dürfen ohne Rücksicht auf einen gerin-
geren Wert zu dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis angesetzt werden,
sofern ein der Abnutzung gleichkommender Betrag in Abzug gebracht
oder ein ihr entsprechender Erneuerungsfonds in Ansatz gebracht wird."
Es wurde vielfach der Standpunkt vertreten, der obige Absatz 3
sei zu Gunsten der A. G. als Ausnahme von der Regel des § 40 zu
betrachten.'^) Schon die Abfassung des Artikels selber, der Text, läßt eine
solche Annahme nicht zu. Er beginnt folgendermaßen: „Für die Auf-
stellung der Bilanz kommen die Vorschriften des § 40 mit folgenden
Maßgaben zur Anwendung. " Wenn der Gesetzgeber die Bestimmungen
von § 261 als Ausnahme hätte aulgefaßt wissen wollen, hätte er dies
ausdrücklich sagen können, vielleicht durch Ersetzung des Wortes Maß-
gaben durch Ausnahmen.
Wir möchten den § 261, insbesondere Absatz 3, wie folgt inter-
pretieren: Mit dem § 40, indem der Gesetzgeber eine Bewertung in der
Weise verlangt, daß sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden nach
dem Werte anzusetzen sind, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist,
für welchen die Aufstellung stattfindet, sollte einfach eine ganz allgemeine
Bewertungsnorm aufgestellt werden. Wenn er dann für die Aktiengesell-
schaft in Art. 261 detailliertere Vorschriften für die Bewertung aufnahm,
so geschah dies doch wohl nicht um Ausnahmen zu Gunsten der A. G.
zu stipulieren, als eher um die allgemeine Fassung des § 40 zu präzi-
sieren, genauer zu umschreiben. Daß auch die Furcht, es könnte die zu
große Freiheit von § 40 so mißbraucht werden, daß starke Ueberbewer-
tungen zu häufig dazu führen könnten, daß nicht nur nicht realisierte
Gewinne, sondern sogar Grundkapital als Dividende unter die Aktionäre
ausgeschüttet werden, ist nicht zu leugnen. Dies konnte aber unmöglich
0 Vergl. auch S i m o n (a. a. O. S. 299/300), ferner S c h e f f 1 e r (a. a. O. S. 1 ff.)
2) Zimmermann, a. a. 0. S. 212. Ferner schreibt er Seite 217: Mit Rücksicht
auf die früher geschilderten Mängel einer Bewertung der Vermögensbestandteile auf
Grundlage des Veräußerungswertes wurden in verschiedene, moderne Gesetzgebuno-en
Bestimmungen aufgenommen, welche einerseits zum Zweck haben, das freie Ermessen
und die Willkür des Bilanzierenden einzuschränken und die Verteilung nicht reali-
sierten Gewinnes zu verhindern, anderseits die Härten, welche insbesondere die Bewer-
tung der Betriebsgegenstände nach dem Veräußeruugspreis für die am Reingewinne
eines Unternehmens Partizipierenden hat, zu mildern. Es handelt sich hierbei in ge-
¥ns8em Umfange um die Kodifizierung der Bewertungaregeln, die von den Einzelkauf-
leuten, wie von den Gesellschaften schon seit Jahrhunderten beobachtet wurden, also
nicht um ganz neugeschaffenes Recht.
41
dadurch verhütet werden, daß den Aktiengesellschaften für die Bewertung
ihrer Vermögensgegenstände eine größere Bewegungsfreiheit gewährt
wurde. Das Gegenteil ist dann auch der Fall gewesen, wenn z. B. das
Ueberschreiten des Markt-, Börsen-, Herstellungs- oder Anschaffungspreises
direkt verboten wird (Absatz 1 und 2), oder die Kosten der Errichtung
und Verwaltung als Aktiven ausgeschlossen werden. (Abs. 4) Seh mal en-
bach (a. a. 0. S. 22/3) nimmt hiezu ebenfalls Stellung: „Man hat in der
neueren ßilanzliteratur die Behauptung gelesen, die Aktienbilanz sei in-
folge ihrer besonderen Natur und der ihr angepaßten Rechtsbestimmung
eine „Erfolgermittlungsbilanz" oder „Gewinn Verteilungsbilanz'' und die
übrigen Bilanzen seien „Vermögensbilanzen".
Zweifellos ging die besondere Regelung der Aktienbilanz von der
Meinung aus, daß der den Aktionären zukommende Gewinn mit Vorsicht
und Maßhalten zu verteilen sei. Aber die Sorge des Gesetzgebers erstreckte
sich nicht auf richtige Berechnung des zu Verteilenden, sondern auf vor-
sichtige Darstellung des Zurückbleibenden. Die Aktienbilanz sollte nicht
mit falschen oder zu hoch angesetzten Aktiven und, entsprechend, nicht
mit zu hohen Kapitalkonten prunken. Es sollte ein gewisser Verlaß auf
die Bilanzposten sein. Insoweit eine solche Büanz sich von der allge-
meinen unterscheidet, handelt es sich um eine Verstärkung ihres stati-
schen und nicht ihres dynamischen Charakters. Sie ist also nicht mehr,
sondern weniger Erfolgsermittlungsbilanz als die allgemeine Bilanz.
Ebenso unrichtig ist es, die allgemeine Bilanz eine „Vermögens-
bilanz** zu nennen. Gewiß soll sie die Lage des Vermögens zeigen ; aber
eine solche Uebersicht kann ebensowohl dazu dienen, die absolute als
die relative Größe (Vermögensänderung, Bewegung) ersichtlich zu machen.
Der Begriff „Vermögensbilanz, wenn er gebraucht wird im Gegensatz
zu „Erfolgsbilanz", ist in stärkerem Maße für die Aktienbilanz richtig
als für die allgemeine Bilanz."') Was für Prinzipien, Grundsätze und
Gesichtspunkte bei der Bewertung im Sinne eines ordentlichen Geschäfts-
mannes in Anwendung kommen, werden wir in den nächsten Paragraphen
genauer ausführen.
c) Die Bewertungsvorschriften für die Schweiz nach O. R.656.
Ein allgemeines Bilanzrecht, das sich auf einen speziellen Gesetzes-
paragraphen stützen könnte, wie das in Deutschland mit § 40 H. G. B.
^er Fall ist, kennen wir nicht. Für sämtliche Rechtsverhältnisse in Bezug
auf Buchhaltung, Bilanzaufstellung, Bewertungsfrage etc. bei andern
Unternehmungen als den Aktiengesellschaften, sind wir genötigt zu Art.
877 des O. R. Zuflucht zu nehmen, welcher von einer ordnungs-
gemäßen Buchführung spricht. Die Bezeichnung ordnungsgemäß erstreckt
sich zweifellos auch auf die Bilanzierung.*) Um so größer ist die Bedeu-
tung von Art. 656 O. R., welcher die Grundsätze der Bilanzaufstellung
für die Aktiengesellschaften regelt. Dazu führt ßachmann (a. a. O.
Seite 190) Folgendes aus: „Die Bedeutung des Artikels ist mit den Jahren,
mit denen sich das Interesse an der Bilanzpraxis gesteigert hat, immer
mehr hervorgetreten. Obschon rechtlich diese Bilanznormen nur für die
Aktiengesellschaften gelten, finden sie doch faktisch auch auf die Bilan-
*) Vergl. unsere Ausfuhrungen in § 8 b.
=} Ebenso Zimmermann, a. a. 0. S. 217.
IT'.
t»
42
ziening anderer Gesellschaften, ja auch auf die Einzelunternehmung An-
wendung und das um so mehr, als dem Obligationenrechte überhaupt
Bilanzbestimmungen für die nicht aktienrechtliche Unternehmung ganz
fehlen, Art. 877." Ein bestimmter Wert, beispielsweise der Veräußerungs-
wert, ist bei uns somit wie in Deutschland nicht vorgeschrieben, auch
nicht für die A. G. ') & >
§ 10. Zusammenfassende Darstellung der Bewertungsbestim-
mungen des Aktienrechts.
a) Tableau über die Bewertungsvorschriften des Aktienrechts.
Schweiz. O. R. Art. 656.
I. Kurshabende Papiere-Durch-
schnittskurs d. letzten Monats.
Waren-Kostenpreis o. Markt-
preis.
Deutschland H. G. B. §261.
I. Wert-
papiere
Ware
II. Andere Vermögens -Gegen-
stände = ?
mit
Börsen-
oder
Markt-
preis
Börsen- oder
Marktpreis des
Bilanztermins
even. Anschaf-
fungs- od. Her-
stellungspreis.
IL Andere Vermögens-Gegenstände =
Anschaffungs- o. Herstellungspreis.
III. Anlage-Gegenstände = An- III. Anlage - Gegenst ände = Anschaf-
schaffungskosteny.Abschrei- fungs- oder Herstellungspreis •/. Ab-
*5ungen. Schreibungen.
b) Die Bewertung der „andern Vermögensgegenstände".
In der Schweiz fehlt eine gesetzliche Bestimmung, wie sie z. B. im
deutschen Handelsgesetzbuch für die „andern Vermögensgegenstände"
aufgenommen wurde. Es erhebt sich nun die Frage, wie sollen diese
Werte, die also nicht bei einer der vom Gesetz genannten Kategorien
untergebracht werden können, bewertet werden ? Die Frage ist bestritten,
die einen sind für den Veräußerungswert, die andern plädieren, und zwar
unseres Erachtens mit Recht für den sogenannten Betriebs -Geschäfts-
Gebrauchswert. Beide stützen sich für ihre Interpretation auf die berühmt
gewordene Entscheidung des Bundesgerichtes vom 22. Juni 1901 i. S.
Schweizer kontra Hypothekarbank, Zürich, E. B. G. Bd. 27 ^ Seite 240/1:
„Als anfechtbar möchten diese Beschlüsse z. B. dann erscheinen, wenn
nachgewiesen oder zum Beweise verstellt wäre, daß Schuldbriefe erheb-
hchen Nominalwertes aber zweifelhafter Güte, wie sie in Zeiten hypo-
thekarischer Krisen so häufig um ganz minime Beträge zu kaufen sind,
von der beklagten Aktiengesellschaft zu minimalen Preisen angekauft,
dagegen zu dem vollen Nominalwerte in die Aktiven der Bilanz eingestellt
worden seien. In diesem Falle würde es sich allerdings nicht mehr um
in den Grenzen vernünftigen Ermessens sich bewegende Taxation eines
Vermögensobjektes, sondern um die Einstellung eines, zum mindesten
großen Teils fiktiven Wertes in die Bilanz handeln. Allein ein deratiger
Tatbestand ist vom Kläger weder nachgewiesen, noch behauptet worden,
er hat sich vielmehr auf die Behauptung beschränkt, daß Schuldbriefe mit
Einschlägen gekauft, dagegen zu vollem Nominalwerte in die Bilanz ein-
gestellt worden seien, während nach dem Gesetze, gleich wie bei Waren
.nnn l) ^^^^^J.^^ Meinung C u r t i, Schweizerisches Handelsrecht, 2. Aufl. Zürich,
lyijy, Seite 209.
Vorräten, höchstens der Anschaffungswert eingesetzt werden dürfe. Dieser
Satz folgt aber durchaus nicht aus dem dem Obligationenrecht zu Grunde
liegenden Prinzip, daß die Bilanzaufstellung die Darstellung der wirk-
lichen Vermögenslage der Gesellschaft zu geben habe. Richtig ist aller-
dings, daß das neue d e u t s c h e Handelsgesetzbuch (gleich wie schon die
Aktiennovelle von 1884) in § 26 Ziff. 1 vorschreibt, daß wie Wertpapiere
und Waren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, so auch andere
Vermögensgegenstände höchstens zu dem Anschaffungs- oder Herstellungs-
preis anzusetzen seien, so daß also nach deutschem Rechte der Stand-
punkt des Klägers allerdings begründet wäre; es mögen auch vielleicht,
speziell in betreff der Bilanz der Aktiengesellschaft legislative Gründe für
denselben sprechen. Allein dem geltenden schweizerischen Rechte ist die
Regel, daß der Anschaffungspreis der höchste zulässige Bilanzwert sei,
als eine allgemeine fremd, und es ist ja auch klar, daß nicht behauptet
werden kann, der wirkliche Wert eines Vermögensgegenstandes, speziell
einer Schuldbriefforderung könne den Beti'ag des Anschaffungspreises nicht
übersteigen. Im Gegenteil geht natüriich gerade beim Ankaufe von Schuld-
briefen zur Weiterveräußerung der Käufer des Schuldbriefes gewiß davon
aus, daß der von ihm bezahlte Ankaufspreis den Wert, welchen der Schuld-
brief in seinem Geschäfte darstelle, nicht erreiche. Wenn der Kläger be-
hauptet hat, das Gesetz verfange für die Bilanz der Aktiengesellschaft die
Einsetzung des niedrigsten Wertes, also davon ausgeht, es dürfe in die
Bilanz der Aktiengesellschaft nicht der volle Wert eingesetzt wrrden,
so ist dies nicht richtig; soweit das Gesetz nicht Sonderbestimmungen für
einzelne Bilanzposten aufstellt, darf in die Bilanz der Aktiengesellschaft
der volle Wert der Vermögensgegenstände eingesetzt werden. Daß im
übrigen die für den Schuldbrief bestand in die Bilanz eingesetzten Wert-
ansätze sich nicht in den Grenzen einer nach vernünftigem Ermessen
unter Würdigung aller Umstände angenommenen Schätzung des Wertes
dieser Briefe bewegen, hat der Kläger weder bestimmt behauptet, noch
weniger zum Beweise verstellt und es erscheint dies überhaupt nach dea
Akten als ausgeschlossen."
Ferner dieselbe Entscheidung des Bundesgerichtes Seite 239/40: „Es
ist also der Rechtsgrundsatz festzuhalten, daß in der Bilanz der wirkliche
und nicht ein fiktiver Wert der Vermögensobjekte einzustellen ist, und daß,
wenn dieser Rechtsgrundsatz von den Gesellschaftsorganen, speziell der
Generalversammlung verietzt wird, den einzelnen Aktionären ein An-
fechtungsrecht gegen die betreffenden Beschlüsse zusteht. Soweit das Gesetz
nicht besondere Bewertungsgrundsätze für einzelne Vermögensobjekte auf-
stellt, ist daran festzuhalten, daß als maßgebender Wert derjenige Wert
erscheint, den das betreffende Aktivum als Bestandteil des Gesellschafts-
geschäftes hat."
Zimmermann (a. a. Seite 219/20) legt besonderes Gewicht auf den
Passus der Entscheidung, wo erklärt wird, daß in der Bilanz der A. G.
der volle Wert der Vermögensgegenstände eingesetzt werden dürfe.
Er bemerkt hiezu wörtlich: „Das Bundesgericht findet, es sei der „wirk-
liche", der „volle" Wert in Ansatz zu bringen. Dai unter ist wohl der
Veraußerungswert des Tages, für welchen die Bilanz aufgestellt wird, zu
verstehen." Zu dieser Stellungnahme müssen wir zwei Einwendungen
3
machen.') 1. Das Bundesgericht sagt nicht, es müsse der volle Wert
des Vermögensgegenstandes eingesetzt werden, sondern es dürfe dies
geschehen. 2. Selbst wenn der Gesetzgeber den vollen Wert verlangen
würde, so hieße das unseres Erachtens noch lange nicht die Bewertung
zum Veräulierungspreis vornehmen. Wir möchten der Meinung
entschieden entgegentreten, es handle sich nur dann um
<len richtigen, vollen, wirklichen, wahren, objektiven
Wert, wenn der Bewertung der Veräußerungswert zu
Grunde liege. Denken wir an das klassische Beispiel der Maschine,
die nur verhältnismäßig kurze Zeit im Gebrauch gestanden hat. Wäre
'hier zum Veräußerungspreis zu bewerten, so hieße das nicht viel anderes
als die Maschine zum Werte des Altmetalls in die Bilanz einsetzen, was
sicherlich nicht gerechtfertigt wäre und auch von keinem Gesetzgeber ver-
langt werden kann. Für die ßetriebsgegenstände kommt eben, wie wir
später noch einläßlicher ausführen werden, der Betriebswert in Frage.
Auch eine solche Bewertung kann einen richtigen, wirklichen Wert er-
geben, wenn sie mit der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes vorge-
iiommen wird. Auch bei der Zuhilfenahme des Veräußerungswertes kommt
man nie zu einem absoluten, objektiven Wert, denn sollte zur Veräußerung
geschritten werden müssen, so kann sich bei großem Angebot der Preis
«ben wesentlich verändern. Ferner ist zu sagen, daß man für verschiedene
Betriebsgegenstände (Grundstücke, Gebäude, Maschinen etc.) bei der Fest-
stellung eines Veräußerungswertes auf fast unüberwindliche Schwierig-
keiten stoßen würde. Uns erscheint daher die Interpretation von Frey
& Bachmann die richtige zu sein, die sich auf jene Stelle der Entscheidung
stützt, die von demjenigen Werte spricht, „den das betreffende
Aktivum als Bestandteil des Gesellschaftsgeschäftes hat"
Frey') schreibt: „Namentlich aber werden sich die Verwaltungsräte
-vor Augen halten müssen und dürfen, daß, wie bei andern Aktiven, so
auch bei den Wertpapieren — sofern nicht ein nach positiver Gesetzes-
vorschrift zugrunde zu legender äußerlicher Anhaltspunkt für die Bilan-
zierung in Gestalt einer Durchschnittsnotiz des letzten Monats vor dem
Bilanztage vorhanden ist — der richtige Bilanzwert derjenige ist, den sie
für die Gesellschaft, für das Geschäft haben, nicht der gemeine
Wert, w'iQ er sich bei einer augenblicklichen Zwangsversilberung voraus-
sichtlich stellen würde."
„Nach Bach mann') versteht das Gericht unter diesem Wert, den
das betreffende Aktivum als Bestandteil des Gesellschaftsgeschäfts hat,
nicht einen Verkehrswert, sondern einen sogenannten Betriebs- oder Ge-
samtwert . . . Das Urteil des Bundesgerichtes basiert aui der Simonschen
Theorie nicht eines reinen Affektionswertes, sondern eines subjektiven
Wertes, der sich auf das innere Moment gründet und darauf abstellt, was
der betreffende Gegenstand bestimmten Gesellschaften an Wert bedeutet."
*) Wir wenden uns bloß gegen die Interpretation der bundesgerichtlichen Ent-
scheidung durch Zimmermann, er steht selber hinsichtlich der Art und Weise, wie be-
wertet werden soll, auf einem andern Standpunkt. (S. 22Ü/1).
2) Frey Dr Julius: Zur Frage der Aufstellung der Bilanzen auf Ende 1914 in
der Neuen Zürcher Zeitung Nr. 1581 vom 26. November 1914.
^) Bach mann G. Prof., Dr., in seinem Kommentar a. a. 0., Seite 196.
Derselbe, ebenfalls in der Neuen Zürcher Zeitung Nr. 1589 vom 29. No-
vember 1914.
Wie sich dieser subjektive Wert, besser Betriebswert genannt, bestimmen
läßt, werden wir in den folgenden Paragraphen ausfuhren.
Auch die deutsche Bestimmung von § 261 Abs. 2 ist nicht ganx
klar. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich ob auch hier im Falle der
Anschaffungs- oder Herstellungspreis höher als ein eventueller Markt-
oder Börsenpreis ist, dieser letztere maßgebend sein soll. Zimmermann'>
(a. a. O. Seite 283) ist der Meinung, daß Vermögensgegenstände die unter
Abs. 2. von § 261 fallen, sofern der Veräußerungspreis niedriger sei al&
der Anschaffungs- oder Herstellungspreis, dieselben nur zu dem ersteren
erscheinen dürfen. Der soeben zitierte Paragraph des deutschen Rechts
erwähne diese Einschränkung nicht ausdrücklich, sie müsse aber dennoch
in den Intentionen des Gesetzgebers liegen, denn die Bestimmung könne
nur als Maximalbewertungsvorschrift gedacht sein. Nach unten wolle sie
die Bewertung nicht regeln, daiür gelten die allgemeinen Grundsätze.
Wir schließen uns seinen Ausführungen an, immerhin bleibt die Formu-
lierung wie sie jetzt besteht revisionsbedürftig.
§ II. Was versteht man unter dem Selbstkostenpreis?
Es handelt sich hier um eine Streitfrage, die vor allem theoretisch
ein gewisses Interesse beansprucht, währenddem sie für die Praxis nicht
von der Wichtigkeit ist, die ihr gewisse Autoren beimessen wollen. *>
Die Selbstkosten setzen sich aus folgenden Elementen zusammen: 1. Die
Aufwendungen für dip Rohstoffe und Materialien, 2. die produktiven
Löhne, 3. die Kosten der Hilfsbetriebe, 4. die Abschreibungen und 5. die
allgemeinen Unkosten. Auch eventuelle Verkaufsspesen hinzuzuschlagen,,
wird man deshalb ablehnen, weil dies der Auffassung der Praxis wider-
0 Vergl. ferner R e h m (a. a. 0. 2. Aufl. Seite 365/7), Staub's Kommentar
zum Handelsgesetzbuch, 8. Aufl., 1. Band, Berlin 1906, Seite 895/9. Simon (a. a. O.
Seite 334 ff. § 87). ^
^) Ca Imes, Dr. Albert; Der Fabrikbetrieb. 4. Aufl. Leipzig 1916, 8. 169:
nDa die Streitfrage noch heute ungelöst ist, umgehen die meisten Industriellen die
Entscheidung dieses zweifelhalten Punktes, indem sie die Vorräte an Fertig-, Zwischen-
und Halbfabrikaten so niedrig ansetzen, daß ihr Bilanzwert sicher das bei striktester
Auslegung des Gesetzes zulässige Wertmaß nicht übersteigt. Dies geschieht dadurch,,
daß sie für die Bewertung nur die Materialkosten rechnen, wo diese, wie in Fleiach-
und Wurstfiabriken, die Hauptkosten ausmachen, oder die Material- und die Lohn-
kosten unter Außerachtlassung jeglicher ünkostenzuschläge benutzen. Gerade in diese
Bilanzpositionen werden ja bekanntlich mit Vorliebe stille Reserven unter-
gebracht."
Aehnlich Schmalenbach: Die Generalunkosten als Produktionskosten in der
Bilanz der Aktiengesellschaft, in seiner Zeitschrift für handelswissenschaftliche For-
schung, 2. Jahrgang 1907/8, Seite 161: , Nicht für alle Aktiengesellschaften ist diese
Frage von praktischer Bedeutung. Es gibt viele Aktiengesellschaften, welche ihre
Warenvorräte mit Wissen und Willen niedriger bewerten als das Gesetz verlangt, sei
es, weil sie ohnehin bestrebt sind, stille Reserven zu bilden, sei es, weil sie auf dies©
Weise den schwierigen Fragen der Zuschlagbarkeit gewisser Unkosten entgehen wollen.
Daneben aber gibt es sehr viele Betriebe, welche die Warenvorräte so hoch bewerten,
wie sie es nach dem Gesetz dürfen.
Es ist nicht gesagt, daß solche Gesellschaften zu denen gehören müssen, die
grundsätzlicd die Bilanz so „gut" machen, wie es irgend möglich ist Auch sehr vor-
sichtige Gesellschaften, deren An läge werte voll stiller Eleserven stecken, können speziell
bei der Bewertung der Warenvorräte ihre Politik des Gewinn Versteckens grund-
^tzlich ^aufgeben, denn tatsächlich spricht bei den Warenvorräten vieles gegen solche
Zu diesem letzten Punkt Schmalenbachs vergl. auch Zimmermann (a. a.
0. Seite 230). » u i, .»..
ii
f
r
46
sprechen würde.') Wenn nun auch im allgemeinen darüber kein Zweifel
bestehen kann, was als Selbstkosten eines Fabrikates aufzufassen ist, so
hat sich andererseits als sehr bestritten erwiesen, was speziell für 'die
Bilanzierung, und für uns für die Bilanz der A. G. als zulässiger Selbst-
kostenpreis betrachtet werden müsse. Die Kontroverse, an der sich Simon,
Esser, Rehm, Fischer, Schmalenbach, Zimmermann und Calmes etc. be-
teihgt haben, erstreckt sich vor allem auf folgende Punkte: 1. Gehören
die Kosten der Hilfsbetriebe zu den direkten Produktionskosten der Fa-
brikate oder zu den allgemeinen Unkosten? 2. Sind die allgemeinen Un-
kosten, die sog. Generalunkosten als Bestandteil der Selbstkosten für die
Bilanzierung zulässig? 3. Wie verhält es sich mit den Abschreibungen
bei der Bewertung der noch im Inventar vorhandenen Warenbestände?
Der Gesetzgeber hat weder in der Schweiz noch in Deutschland
im Gesetz zu dieser Streitfrage Stellung genommen, wir müssen somit
aul die Usanzen und Gebräuche des ordentlichen Kaufmanns abstellen
Nur die Denkschrift des Jahres 1896 zum Entwurf des neuen Handels-
gesetzbuches Seite 345 enthält folgenden Passus: „Was die bestrittene
l^rage betnfft, ob bei der Berechnung des Herstellungspreises von Waren
auch ein entsprechender Teil der Generalunkosten des Unternehmens in
Ansatz gebracht werden kann, so erscheint es nicht angängig, eine solche
Berechnungsweise durch ausdrückliche Vorschrift ohne jede Einschrän-
kung zu gestatten, weil alsdann, der Vorschrift der Nr 4 (des ^ 26)
entgegen, die sämtlichen Kosten der Verwaltung aut einem Umwege doch
als Aktivum in die Bilanz eingesetzt werden könnten. Es muß dem ver-
standigen Ermessen in jedem einzelnen Falle überiassen bleiben, inwie-
weit ohne Verietzung der erwähnten Vorschrift gewisse allgemeine Kosten
als Bestandteil der Herstellungskosten berücksichtigt werden können."
Zur Beantwortung des ersten Punktes gehört eine Definition der
allgememen Unkosten. Calmes') kann im allgemeinen zugestimmt
werden wenn er dieselben folgendermaßen formuliert: „Als Unkosten
oder allgemeine Kosten (auch Generalkosten, Spesen, Regiekosten genannt)
sind im Warengeschäft im Gegensatz zu den direkten Material- und
Lohnaufwendungen diejenigen Kosten eines Unternehmens zu verstehen
deren unmittelbare ZuteilungaufdieumgesetzteWare, respektive
auf die hergestellten Erzeugnisse oder auf die Betriebsabtei-
lungen nicht möglich ist, weil diese Aufwendungen durch das
Unternehmen als Ganzes verursacht werden." Es gibt nun neben
den Matenal- und Lohnaufwendungen noch andere Kosten wie diejenigen
nKo. A^ ^'^-^y V*" '• ^' 5* 9'ß^'^^ ^^^' formuliert dies noch etwas genauer : „Wenn
d^n Hfi.W ^^ h'^'.T'' ^^".^^^ die Bewertung der Warenbestände die Selbstkosten
^!^fän^f ^ darstellen, so ist dabei an Summen gedacht, die auch den Anteil der
Bestände an den Verwaltangskosten enthalten. Ausgeschlossen sind aber die V e r-
waltungskosten die als im Interesse des V er kau fs aufge wan dt
gelten müssen, und die eigentlichen Verkaufskosten
9 A«fl V^ • Y ?o?q" ° " 5»,d B o 1 J e r : Leitfaden des kaufmännischen Rechnens 1. Teil.
2. Aufl. Zürich 1913, S. 6 , geben uns für den Warenhandel folgendes öchema- Ein
kauftpreis (lt. Faktura des Lieferanten netto) + Einkaufsspesen = SelbstkoTten 4-
^TaTftp'feil ^^**^^«^k-"^«P'ei3 + Verkaufsspesen = Bratto-
Seite 2^3^ * ^ "* ® * ' ^^- ^ ^ ^ ^ •• * • ^«'* Fabrikbetrieb 4. Auflage, Leipzig 1916.
Seite 50.^^'^'''^ «« H e w 8 k i A 1 be r t : Der Fabrikbetrieb. 2. Aufl. Berlin 1907,
41
für die Krait etc., die direkt meßbar sind und auch auf die einzelnen
Produkte geschlagen werden können. Man kann sie mit Calmes (a. a. O.
Seite 203) als Kosten der Hilfsbetriebe bezeichnen, wobei aber zu
betonen ist, daß nicht alle Kosten der Hilfsbetriebe so behandelt werden
können, indem für einzelne unter ihnen die sofortige Verteilung auf die
einzelne Ware praktisch unmöglich ist. Diese letztern rechnen wir dann
zu den allgemeinen Unkosten.
Damit kommen wir zum 2. Punkt: Sind die allgemeinen Unkosten,
die sog. Generalunkosten als Bestandteil der Selbstkosten für die Bilan-
zierung zulässig? Wie schon angedeutet, scheiden für uns diejenigen
Verwaltungskosten aus, die als im Interesse des Verkaufs aufgewendet
gelten müssen, sowie die eigentlichen Verkaufskosten. ') Von den Schrift-
stellern, die gegen die Zuschlagbarkeit der allg. Unkosten für ßilanzzwecke
der A. G. sind, wird als Hauptarguraent aufgeführt, es würde damit
Ziff. 4 von § 261 resp. Ziff. 1 des Art. 656 O. R. illusorisch gemacht
Auf diesem Boden steht im großen und ganzen auch die bereits zitierte
Denkschrift. Einmal ist hier einzuwenden, daß dem nur dann so wäre,
wenn ein großer Warenvorrat vorhanden wäre. Ist dies der Fall, dann
können dafür 2 Hauptgründe angeführt werden, a) Die Waren werden
extra zurückbehalten, weil mit einem Steigen des Preises unbedingt ge-
rechnet wird. Hier ist unseres Erachtens die Gesellschaft berechtigt, dea
Selbstkostenpreis bei der Bewertung sowieso zu überschreiten. Unsere
Streitfrage wird also nicht praktisch, b) Die Waren können nicht ver-
kauft werden, weil der Absatz stockt, dann liegt aber die Frage eher
folgendermaßen: Können diese lagernden Fabrikate mit dem Selbstkosten-
preis überhaupt in die Bilanz eingesetzt werden, ohne gegen die Grund-
satze des ordentlichen Kaufmanns zu verstoßen? Es kommt unseres
Erachtens hier weniger darauf an, ob die Unkosten zugeschlagen werden
dürfen oder nicht. '') o -o
Auch die Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, jene Be-
stimmung aufzunehmen, sind vielfach unrichtig gedeutet worden Der
Gesetzgeber wollte damit nicht die allg. Unkosten als Bestandteil der
bilanzmäßigen Selbstkosten verbieten, sondern verhindern, daß dieselben
als Anlagewerte unter die Aktiven aufgenommen wurden. In der Schweiz
ist dies für die Organisationskosten für die Dauer von höchstens 5 [ahren
ausdrücklich gestattet. (0. R. 656, Ziff 1.) Auf diesem Standpunkt steht
vor allem Schmalenbach (a. a. 0. Seite 165): „Wenn unter „Kosten
der Organisation und Verwaltung« im Sinne von H. G. B. § 261 Ziffer 4
die Ausgaben zu verstehen sind, für die man das wirtschaftliche Akti-
vum Zustand des Organisiertseins- erhält, dann können nicht zugleich
die „Kosten der Organisation und Verwaltung'* im Sinne von Produk-
tionskosten gemeint sein. Die ersteren sind Anlagekosten, die letzteren
Unkosten Eine Ausgabe kann das eine oder das andere, niemals das
^'"!, "i^ o f ^^ andere sem. Ist es richtig, was kaum bestritten werden
wird daß der Gesetzgeber die Kosten der Organisation und Verwaltung
als Anlagekosten treffen will, dann hat er eben diesen Begriff und
nicht zugleich noch einen ganz anderen Begriff im Auge.
Für meine Auffassung spricht nicht nur die Entstehungsgeschichte
sondern auch der Wortlaut. § 261 behandelt erst die Veräußerungsgegen-
») Wir folgen dabei N i c k 1 i s c h (t. a. O. Seite 106).
) Vergl. dazu C a 1 m e s (a. a. O. Seite 173 oben).
Ii
I
48
stände, dann die Anlagegegenstände und schließlich die Kapitalkonten
Die Bestimmung über die Kosten der Organisation findet sich in Ziffer 4
also unter den Anlagen ....
Einige Kommentatoren tun so, als ob durch die sogenannten General-
nnkostenzuschläge eine Hintertür geöffnet sei, durch die die verbotenen
Aktiva des § 261, Ziffer 4, nun doch wieder Aktiva werden. Das ist un-
richtig. Entweder ist eine Ausgabe geleistet für den Zustand des Organi-
siertseins, dann darf sie nicht als Aktivum behandelt werden, mag der
Zustand des Organisiertseins so viel wert sein wie er wolle. Oder aber
sie ist geleistet als Produktionsunkosten, dann ist sie keine Ausgabe im
Sinne des § 261, Ziffer 4. Man kann nun selbstverständlich nicht deshalb,
weil die Kosten für das Organisiertsein nicht bilanzfähig sind, sie einfach
umtaufen in Produktionskosten."
Von den Abschreibungen ist nun drittens zu sagen, daß sie zu den
allgemeinen Unkosten gehören. Allerdings müssen wir einige Einschrän-
kungen machen. Derjenige Teil derselben, der über das erforderliche, den
Umständen angemessene Maß hinausgeht, bildet eine stille Reserve und
daher keinen Bestandteil der General Unkosten. Ebenso gehören diejenigen
Abschreibungen nicht dazu, die sich auf Gebäulichkeiten beziehen, die dem
Verkaufe dienen, ferner nicht diejenigen, die dadurch notwendig wurden,,
weil z. B. durch außerordentliche Fälle (Ueberschwemmung, Erdbeben,.
Maschinenbruch etc.) Anlagen außer Betrieb gesetzt wurden, oder doch
erheblich an Wert einbüßten.')
NVir sind daher mit Schmalenbach, Esser, Zimmermann und Fischer etc.
der Meinung, daß ein angemessener Teil der allgemeinen Unkosten bei
der Bewertung auch für die Aktiengesellschaft als Teil der Selbstkosten
angesehen werden kann.*) Unseres Erachten s kommt es aber
mehr darauf an, ob überhaupt zu den Selbstkosten bewertet
werden darf, als auf die Streitfrage, ob die allgemeinen
Unkosten aktivisch als indirekte Produktionskosten be-
handelt werden dürfen.
§ 12. Die Bewertung der Veräußerungsgegenstände.
a) Im Allgemeinen.
Wenn wir Scheffler („Ueber Bilanzen" in der Vierteljahrs-
schrift für Volkswirtschaft, Politik und Kulturgeschichte Band 62, Berlin
1879) dafür zu großem Dank verpflichtet sind, daß er in richtiger Er-
kenntnis des Wesens der Bilanzwerte, jene fundamentale Einteilung in
solche, bei deren Wertbestimmung dauernd nur der Eigentümer inter-
essiert ist, und solche, bei denen dauernd oder vorübergehend andere
mitinteressiert sind, vorgenommen hat, so können wir ihm andererseits
einen Vorwurf hinsichtlich der Bewertung der zuletzt genannten Gegen-
stände nicht ersparen. Er stellt nämlich den Satz auf: Für die Bewer-
tung bezüglich der ersten ist der Anschaffangs- oder Herstellungspreis
„der Kostenpreis", bezüglich der letzteren dagegen der Verkaufspreis
0 Vergl. hiezu Srhmalenbach (a. a. 0. Seite 171/2), ferner Caimes (a. a. 0.
Seite 172/3.)
0 Anderer Meinung Bachmann (a. a. 0. S. 194), Simon (a. a. O. S. 344 ff.),
Rehm (a. a. 0. S. 709 ff.) Mit Einschränkungen auch Caimes (a. a. 0. Ö. I6H ff.)
und Folliet (a. a. 0. S. 90.) Für weitere Literaturao gaben vergl. Zimmermann
(a. a. O. S. 231, Anmerkung 9.)
49
maßgebend. ^) Dieser Auffassung trat dann aber sehr energiscli und
mit viel Geschick Dr. R. Fischer«) entgegen. Wir können seinen
Standpunkt kurz folgendermaßen zusammenfassen: [Jißt man sich
aber bei der Bewertung der Veräußerungsgegenstände von der
Vorsicht leiten, so ergeben sich die Bestimmungen in i< 261,
Ziff. 1 und 2, H. G. B., von selbst; denn andere Werte, als der
Veräußerungs- und der Selbstkostenwert, lassen sich denkbarerweise nicht
heranziehen, und das Gebot der Vorsicht kann dann nur dahin «^ehen,
von den beiden Werten stets den zu wählen, der unter den jeweilit^en
Verhältnissen der niedrigere ist, also bei Waren und Fabrikaten fast durch
gehend den Anschaffungspreis. Ein Ueberschreiten des Selbstkosten-
preises sollte niclit vorkommen, für ihn würde das eine prinzipwidrige
Handlung bedeuten. Er muß zwar zugeben, daß, wenn auch vielfach,
vorzüglich bei Gebrauchsgegenständen, sowie bei Halb- und (ianzfabrikaten]
das strikte Einhalten des Selbstkostenpreises zu beobachten wäre, so doch
keineswegs bei den zur Zeit der Inventur aufzunehmenden Vorräten an
Rohmaterialien und auch nicht bei Waren in reinen ' Verkaufsgeschäften;
hier könnte ein konstanter Brauch der Kaufleute, sich in den ( irenzcu
der Selbstkosten zu bewegen, nicht behauptet werden, da sie l>ei steigenden
Konjunkturen Rohmaterialien und Waren unter einer, wenn auch nicht
erheblichen Steigerung des Selbstkostenpreises anzunehmen pflegten.
Fischer ((Grundlagen, Seite 20) gibt uns dafür folgende Erklärung: „Ein-
mal rechtfertigen die gestiegenen Warenpreise nach der Ansicht der Kauf-
leute nicht etwa unmittelbar, auf Grund einer selbständigen Bewertung,
sondern erst mittelbar, nämlich unter dem Ciesichtspunkte eines gegen
die Regel verschobenen Selbstkostenwertes, das Einsetzen der Waren zu
einem höheren, als dem Anschaffungspreise in die Bilanz. Zweitens: der
Selbstkostenbegriff wird in der Praxis immer noch so respektiert, daß der
Charakter der Bilanz als Selbstkostenberechnung aufrecht erhalten bleibt.
Am Ende drittens: eine solche Bilanzierungsweise, die von der Praxis als
ein nioht zu flagranter X'erstoß gegen das Prinzip der Selbstkostenberech-
nung noch angesehen wird, ist und bleibt nichts destoweniger eben ein
X'erstoß gegen das Prinzip.' Diesen Standpunkt von Fischer können wir
nicht in vollem Umfange mit ihm teilen. Richtig ist, daß dem Selbst-
kostenpreis eine große Bedeutung bei der Bewertung zukommt. Es ist
dies historisch begründet und entspricht ebenfalls dem Wesen der Bilanz.
Dagegen führt eine zu strikte Handhal)img dieses Prinzips zu ungerecht-
tertigten wirtschaftlichen Härten, auch widerspricht es einer andern kauf-
männischen Gepflogenheit, die dahin tendiert. (Gewinne wie Verluste der-
jenigen Rechnungsperiode gutzuschreiben res[). anzulasten, in der sie wirt-
schaftlich begründet wurden. Man wird uns einwenden, wie steht es aber
dann mit dem Standpunkt des Gesetzgebers, der die Verteilung von noch
nicht realisierten Gewinnen bekämpft.^ Wir wollen hier die Frage nicht
naher untersuchen, ob der Gesetzg(?ber nur die Verteilung nicht realisierter
^lewinne bei Betriebs- oder ebenfalls bei Veräußerungsgegenständen aus-
srliließen wollte. Für die Schweiz hat das Obligationen recht wenigstens
j'ei Wertpapieren die Berücksichtigung noch nicht realisierter Gewinne in
''''deutendem Alaße sanktioniert, indem kurshabende Papiere zu dem Kurs-
M Vergl. Siegfried Buff (a. a. O., Seite 76).
a r^^ ^^ R. Fischer: Die Bilanzwerte, was sie sind, und was sie nicht sind,
lA' 7o' ^®'^® ^^^ ^- I^crselbe: Ueber die Grundlagen der Bilantwerte. a.a.O.,
ocite 18 n.
Hr. .T. Hotz: ,Die Jahresbilanz dor A. G."
>
j^^
k
w •
werte angesetzt werden dürfen, welchen dieselben durchschnittlich in dem
letzten Monate vor dem Bilanztage gehabt haben. Die Bestimmung wurde
.schon öfters als zu weitgehend kritisiert, und als bessere Lösung vorge-
schlagen für die Wertpapiere, wie im deutschen Handelsgesetzbuch, als
Höchstgrenze den Anschaffungspreis, resp. den niedrigeren Tageskurs zu
übernehmen. Diesen Vorschlag möchten wir bekämpfen, und zwar aus
f«»lgenden (iründen: Es hat sich gezeigt, daß die Vorschrift des An-
schaffungspreises als Höchstgrenze zu streng ist. Gewisse Unternehmungen
kcmnen geradezu gezwungen werden, gegen ihren Willen und sogar gegen
ihr Interesse, Wertpapiere veräußern zu müssen, um den eingetretenen
Kursgewinn zu lukrieren. Viel imerfreulicher ist aber, wenn man dazu
schreitet unlautere Manipulationen, sogenannte Schiebungen vorzu-
nehmen, um die aktienrechtlichen Beweitungsbestimmungen zu umgehen.*)
Auch in Deutschland hat es schon Stimmen gegeben, die auf die Nach-
teile dieser gesetzlichen Bestimmung in § 261, Abs. 1, hingewiesen haben.
Es wurde sogar die Vermutung ausgedrückt, die weitere Fassung der
Bewertungsvorschriften im Schweiz. Obligationen recht für die Wertpapiere
sei mit ein (irund für das Auswandern gewisser finanzieller Trustgesell-
s( haften nach der Schweiz. Wir glauben hier an dieser Stelle für sämt-
liche gesetzgeberischen Eingriffe in das wirt.schaftliche Leben sagen zu
können. dalS, wenn es sich um wirtschaftlich notwendige Vorgänge han-
delte, eine Einschränkung oder ein Verbot meistens unwirksam geblieben
ist. Die Praxis behilft sich in verschiedener Weise, bald wandert sie mit
ihren Geschäften ab, sofern dies nicht möglich ist sucht sie das Gesetz
zu umgehen, indem sie Schiebungen, sogenannte Scheingeschäfte vor-
nimmt, oder die geschäfdiche Transaktion in andere Formen kleidet. Für
diesen letzteren Fall sei beispielsweise an die New- Yorker Börse erinnert.
Um die Spekulation einzudämmen, hat man seinerzeit das Termingeschäft
verboten und trotzdem gibt es wohl keine Bör.se, an der die Spekulation
mehr blüht als gerade an der New- Yorker. Statt, daß wie früher nur
von Termin zu Termin die Engagements liquidiert oder prolongiert wurden,
geschieht dies jetzt täglich. Dies wird ermöglicht durch die Institution
des täglichen Geldes (Call Money). Aehnlich' verhält es sich in Berlin
für diejenigen Papiere, für die ein Verbot des Zeitge.schäftes besteht.«)
Als Beispiel für die sogenannten Schiebungen wären Scheingeschäfte
*) Vergl. hiezu Zimmermann, a. a. O., Seite 221/2. Ferner Stampf li
Arthur: Schweizerische Investment-Trusts, Basel 1909, Seite 21/2, Heft 2, der
Mitteilungen aus dem handeltwissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich
herausgegeben von Prof. Dr. G. Bachmann. Prof. Dr. V. Für 1 an: Die Bewertung
der öffentlichen Anlehenstitres in den Bilanzen der Aktiengesellscbalten, im Bank-
archiv, 9. Jahrgang, 1909/10, Seite 370, Fußnote 2: „Die Bewertung der Effekten
nach dem AnscbaflFungspreise würde zu dem Zustande führen, daß dieselbe Effekten-
art unter Umständen zu gleicher Zeit je nach dem Zeitpunkt der Erwerbung ver-
schieden bewertet würde. Zudem würde sie, wenn der Anschaffungspreis tief unter
dem Pariwerte steht, in Perioden dauernder Kurssteigerung ebenso zu € Verlusten»
führen, wie in Zeiten dauernden Kursrückganges die jetzige Bewertungsmethode
Bei dem jetzigen Stand der Gesetzgebung kann, wenn der Anschaf-
fungswert tief unter dem Kurswert steht, durch gleichzeitigen Kauf
und Verkauf der Effekten die Einstellung zum vollen Kurswert in
die Bilanz erfolgen."
0 Vergl. m. Schrift: Beiträge zur Lehre von Börse und Geldmarkt. Zürich
1915, Seite 47 und 72/3, Heft 28, der Mitteilungen aus dem handelswisscnschaftlichen
Seminar der Universität Zürich, herausgegeben von Professor Dr. G. Bachraann.
zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften zu nennen, wo ja meistens
.IfT Bilanztermin ein verschiedener ist.
Wenn wir nun versuchen, eine allgemeine Formulierung für die hv-
ucrtung der Veräußei ungsgegenstände zu finden, so kommen wir zu fol-
gendem Resultat: In erster Linie kommt der Selbstkostenpreis
in Betracht. Es entspricht dies der historischen Entwick-
lung, sowie dem Wesen der Bilanz. Da es sich um Vermögens-
:,^egenstände handelt, die alle einmal vernußert werden sollen, muß schon
vor der Veräußerung auf diesen Verkaufspreis Rücksicht genommen
werden. Man könnte von einer Diskontierung des künftigen Erlöses sprechen.
Allerdings müßte dann unter Diskont jener Abzug verstanden werden, der
sich zusammensetzt aus dem /ins für die / witsch enz ei t. ferner aber
auch eine gewisse Kisikoprämie für den Fall eines Sinkens des Ver-
kaufspreises init einschließt. Die Praxis verfährt aber gewöhnlich nicht so.
\'on Ausnahmen abgesehen benützt der Kaufmann den Verkaufspreis ein-
lach als Maßstab dafür, ob er mit gutem (Gewissen zum Selbstkostenpreis
bilanzieren dürfe, oder ob er darunter gehen solle. Als zweites Ele-
ment kommt also für die Bewertung der Veräußerungs-
gegenstände neben dem Selbstkostenpreis der Markt-
börsen oder sonstige Verkaufspreis als O rient ierungs-
mittel i n B e t r a c h t. Nui ausnahmsweise, bei einer dauernden Erhöhung
«Icr Verkaufspreise kann, nicht muß, der Selbstkostenpreis überschritten
werden.
b) Im Speziellen.
Die Bewertung der Debitoren (Forderungen, stößt auf die größten
Schwierigkeiten. Sie müssen zu ihrem Barwert eingesetzt werden.*] Dann
aber muß auch ihre Sicherheit bei der Bew ertung berücksichtigt werden.
Was uneinbringlich ist, also als verloren zu betrachten ist, muß abgeschrieben
werden oder durch Einsetzen eines Korrekturpostens unter die Passiven,
gewöhnlich Delkrederekonto«) genannt, ein Ausgleich geschaffen werden.
Wie viel nun als uneinbnngbar zu verbuchen ist. läßt sich nur erfahrung*;-
gcmäß feststellen.
Bei den in Fabrikation sich befindenden und fertigen Waren müssen
wir unterscheiden, ob es sich um solche handelt, die bereits bestellt sind,
fiir die somit ein Verkaufspreis abgemacht worden ist, und solche, die auf
r.ager hergestellt werden. Für die Bewertung der ensteren ergibt sich keine
allzugroße Schwierigkeit, sie können zum' bekannten Verkaufspreis, d. h.
die in Fabrikation stehenden, zum entsprechenden Anteil desselben bilanziert
Werdens), sofern nicht die Vorsicht gebietet, im Hinblick auf eventuelle
\ eHuste beim Abnehmer, einen niedrigeren Ansatz zu wählen.
•) Vergl. Nicklisch, a. a. O. Seite 108/9.
•) Oft findet man auch die Bezeichnung Delkrederefonds. Diese Bezeichnung
ist dann ganz unrichtig, wenn es sich um einen Deckungsfonds für Minderwerte auf
der Aktivseite handelt. Oft enthält er aber auch teilweise eine Reserve, und ist
aann für diesen Betrag die Bezeichnung als Fonds unanfechtbar.
») Vergl. die Ausführungen von Zimmermann (a. a. C, Seite 241 2), Bach-
mann (a. a. C, Seite 194), Calmes (a. a. O., Seite 428/9.): „Deshalb darf dieser Ge-
winn in die Bewertung verkaufter Fertigfabrikate wohl einbezogen werden . . Größere
:x:]iwierigkeiten bietet die richtige Bewertung bestellter Halbfabrikate . . Richtiger
erscheint mir daher die Bewertung zu den gesamten bisherigen Selbstkosten (inklu-
Ih^. uv^a^""} ^"«ögl'ch eines Anteils am kalkulierten Gewinn, der zwischen dem
aDzuschhcßenden Geschäftsjahre und dem Jahre der Fertigstellung, z. B. im Verhältnis
2u den m beiden Jahren auf die betreffende Fabrikation verwendeten Löhne, oder
sonst nach einem anderen geeigneten Maßstab, verteUt werden könnte
4*
IT
I
i':
i'
IT
52
Für die auf Lager fabrizierten Fabrikate kommt das, was wir als
allgemeine Regel festgestellt haben zur Anwendung. Eine Höherbewertung
als zum Selbstkostenpreis wird kaum in Frage kommen, es sei denn, der
Fall liege so, daß die Firma zum bereits bedeutend höhern Verkaufspreis
noch nicht verkaufen will, indem ein Sinken fast ausgeschlossen, das
weitere Steigen aber sehr wahrscheinlich ist. Aber auch in diesem Fall
wird man nie bis zum Verkaufspreise gehen, sondern immer eine gewisse
Marge für eventuelle Preisrückgänge reservieren.
Niclit sehr einfach liegen die Verhältnisse bei den sogenannten
Q u a s i - V e r ä u ß e r u n g s ge g e n s t ä n d e n, die selber nicht, hingegen in
einer andern Form (Waren) veräußert werden. (Saat, Kohle, Oel, Rohstoflfe,
Hilfsstoffe, in Arbeit befindliche Fabrikate, wie auch solche Fabrikate, die
der Betrit^b selber produziert, aber auch wieder selber verbraucht, also
nicht zur Veräußerung gelangen.)') Auch bei diesen Quasi- Veräußerungs-
gegenständen wird man zunächst vom Selbstko.stenpreis auszugehen haben.
Besteht ein Markt-, Börsen- oder sonstiger Verkaufspreis, so wird man
sich desselben (ebenfalls zur Orientierung bedienen. Ist ein solcher nicht
vorhanden, wie z. B, meistens für in Arbeit l)efindliche Waren, so ist der
Wert maßgebend, den der betreffende Vermögensgegenstand als Bestand-
teil des betreffenden Cieschäftes hat. Dieser Wert ist ein subjektiver und
unrd Geschäfts-Betriebs- oder Gebrauchswert genannt. Besonders befaßt
sich Simon (a. a. O., Seite 362) mit der Bew^ertung der Halbfabrikate,
die nicht marktijänijige Ware sind. Der Verkaufswert kommt für diese
Vermögenswerte deshalb nicht in Betracht, weil eine Veräußerung vor-
läufig nicht beabsichtigt ist. Nach ihm kommt für die Bewertung ein so-
genannter besonderer V e r k a u f s w^ e r t in Frage: nämlich der
Verkaufs wert der fertigen Ware abzüglich der auf die
Fertigstellung noch zu verwendenden Kosten. Dieser beson-
dere Verkaufswert ist nun offenbar zu hoch gegriffen.^) Es ist nicht an-
t£ängig, den ganzen Reingewinn bereits voll zu berücksichtigen. Er ist
erstens noch nicht ganz verdient, fällt also nicht mit seinem ganzen Be-
trage der abgelaufenen Wirtschaftsperiode zu ; zw^eitens sollte für den Fall
des Sinkens des Verkaufspreises doch eine gewisse Marge zwischen Her-
Im übrigen gehört diese Frage zu denjenigen, die nicht prinzipiell entschieden
werden können. Die Art der Bewertung bestellter Halbfabrikate wird immer von
den Umständen und besonders von dem Grad der Fertigstellung der zu bewertenden
Halbfabrikate abhängen. Ist die Fabrikation noch nicht sehr fortgeschritten, so wird
diese Bewertung am besten zu den bisherigen Selbstkosten ohne die Einbeziehung
von Unkostenzuschlägen und eines Gewinnanteiles stattfinden. Eine solche Bewer-
tung wäre aber für Halbfabrikate, die beinahe fertig sind, unrichtig, weil dann der
ganze Gewinn, dazu noch um den Betrag der nicht verrechneten bisherigen Unkosten
erhöht, ausschließlich dem Jahre der Fertigstellung zugute käme."
1) Reisch und Kreibig: Bilanz und Steuer, I.Band, Wien 1900, Seite 357,
stehen wie Adam Smith auf dem Standpunkt, daß es sich bei erzeugten und weiter
zu verarbeitenden Halbfabrikaten um Betriebs- und nicht um Veräußerungsgegen-
stände handle. Sie nennen diese Halbfabrikate komplementäre Güter. Dieser Auf-
fassung tritt Calmes Dr. A. (Der Fabrikbetrieb, 4. Aufl. a. a O., Seite 165) zutreffend
entgegen: .,Auch die Zwischenprodukte und die Halbfabrikate sind meines Erachtens
als Veräußerungsgegenstände anzusehen, da es sich hiebei um die Veräußerungs-
absicht handelt, und diese in der Regel bei diesen Erzeugnissen vorhanden ist. In
dieser Hinsicht besteht zwischen den Fertigfabnkaien einerseits und den Halbfabri-
katen und Zwischenprodukten anderseits bloß der Unterschied, daß erstcre in ihrem
augenblicklichen Zustand, letztere aber erst nach einer ße- oder Verarbeitung zur
Veräußerung gelangen sollen."
') Vergl. Calmes (Der Fabrikbetrieb, 4. Aufl., Seite 167).
r»3
Stellungskosten und Verkaufs|)reis offen gelassen werden. Calmes {der
Fabrikbetrieb, 4. Aufl.. a. a. O., Seite 167 ) schlägt folgende Lösung vor : „Für
die Bewertung der Halbfabrikate kann al.^o weder ilir Realisierungswert,
noch ihr um die Kosten der Fertigstellung verminderter Verkaufswert als
Fertigfabrikat in Frage kommen, und es bleibt denn nichts anderes übrig,
als die Bewertung dem subjektiven Ermessen des Fabrikanten unter Wah-
rung der üblichen kaufmännischen \^>rsicht zu überlassen. Dem ent-
sprechend wird man in der F*raxis die nicht marktgän-
gigen Halbfabrikate unter keinen Umständen höher be-
werten, als zu ihrem Selbstkostenwert. Eine dahingehende
kaufmännisciie Gepflogenheit kann als bestehend angenommen werden.
h'ast alle Autoren sind hiezu übereinstimmender Ansicht, und auch Reisch
und Kl eibig gelangen, wie oben erwähnt, obschon auf Grund einer ganz
anderen Deduktion, zu demselben Bewertungsgrundsatz. Für die Aktien-
gesellschaften und Kommandit-Aktiengcsellschaften ist überdies dieser
Grundsatz gemäß H. (i. B. i? 260, Ziffer 1, Zwang.svorschrift." Wir sind
mit Calmes nicht ganz einverstanden. Diese Halbfabrikate haben, wie wir
schon oben angetcmt haben, einen Betriebswert.
Im allgemeinen wird der Selbstkostenpreis i) mit dem Betriebsweri
als übereinstimmend angenommen werden können. Es braucht dies aller
nicht notwendig der Fall zu sein. So .sind folgende Fälle denkbar: Die
Rohstoffe und I lilfsprodukte sind gestiegen und es werden voraussichtlich
auch bedeutend höhere Preise für das fertige Fabrikat erzielt werden, dann
darf der Selbstkostenpreis auch überschritten werden. Umgekehrt können
die Roh- und Hilfs.stoffe gefallen sein, was unter Um.^tänden auf den Kauf-
preis drücken kann ; in diesem Falle sollte dann vor allem ein niedrigerer
Wert als der Selbstkostenpreis der Bilanzierung zu (irunde gelegt werden,
wenn zwischen ihm und dem Verkaufspreis keine genügende Marge mehr
besteht. ! esp. er ihn sogar übersteigt. Ein dritter Fall wäre der, daß zwar
die Roh- und Hilfsstoffe* in ihrem Preise unverändert geblieben sind, die
VerkaufspriMse sich hingegen nach oben oder unten bedeutend verändert
haben, was zur Folge hätte, daß der Selbstkostenpreis in obigem Sinne
eine iXbänderung erfahren kann. Wie wir später noch deudichcr sehen
werden, kann eben hier bei den Gegenständen, tur die der Betriebswert
in Anwendung kommt, einzig und allein auf das solide, reelle Vorgehen
des gewissenhatten Kaufmimns abgestellt werden.*!
•) Was wir darunter verstehen siehe in unscrn Ausfährangen des § 12. Vergf
ferner Calmes, a. a. O., Seite 426. „Immerhin ist der Meinung eotgegenzutrcten, es
müßten die Haibfabrikato unbedingt zu den Selbstkosten bewertet werden. Die
Gefahr und die Unzulässigkeit eines solchen Verfahrens liegt auf der Hand, wenn
man den Fall annimmt, daß die Konjunktur zurückgeht und die Preise fallen, o4er
daß infolge von Betriebsfehlern und Betriebiunf&llen die Selbstkosten unverliältnis-
mißig hoch sind. Dann ist eben unter den Selbstkosten zu bewerten, die SellMt-
kosten sind bloß die zulässige Höchstgrenze der Bewertung." Ferner derselbe
(Der Fabrikbetrieb, 4. Aufl.) Seite 167.
') Diesem Gedankengang gibt auch Bachmann („Neue Züricher Zeitung"
vom 29. November 1914) Ausdruck, wenn er ausführt: ^Den Industriellen fehlt gerade
das, was verlangt werden will : ein sicherer Maßstab zur Wertung. Wir haben wohl
für Rohstoffe unter Umständen Kursnotierungen, aber diese Rohstoffe, die wir zur
Fabrikation ankaufen, anvertrauen wir nicht mehr dem Markte, sondern nehmen sie
zu den übrigen Hunderttausenden von Werten von Materialien, die wir bereits in
unserer Fabrikation haben. Dafür gibt uns auch kein Gesetzgeber bestimmte Weg-
leitungen. Und doch hat man sich gerade in diesen Kreisen immer zu helfen gewußt:
man weiß hier sehr wohl, wie man vorzugehen hat, wenn man solid bilanzieren will.''
i
i
ü
l
If
54
Wenn wir nun zur Frago der Bewertung der Wertpapiere über-
gehen, so müssen wir zugeben, daß unsere allgemeine Formulierung der
Bewertungsregeln für die Veräußei ungsgegenstä'nde in der Schweiz weniger
den Ciepflogenheiten des praktischen Lebens, wie auch nicht der Bestim-
mung des Obligationenrechtes entspricht. Nach unten hin haben wir aller-
dings eine ähnliche Regulierung. Sofern der An.schaflfungspreis höher i.st
als der Durchschnittskurs des letzton Monats vor der Bilanzaufstellung,
muß der letztere gewählt werden. Nach oben aber, in l ■ ebereinstimmung
mit dem (besetz, wird nicht auf den Anschaffungspreis als Höchstgrenze,
sondern auf obigen Durch seh nittskurs abgestellt. Die gesetzlicl:e Bestim-
mung des Durchschnitt.skurses. wie sie das Schweizerische ( )l>ligationen-
recht in Art. 656, Absatz 3, aufweist, ist in gewissen Fällen anfechtbar.
Der Gesetzgeber, in richtiger Erkenntnis der Tatsache, daß beim Abstellen
auf den Tageskurs mittels unreeller Manipulationen, der.selbr ungerecht-
fertigterweise in die Höhe getrieben werden könnte, hat diesen Dinch-
schnittskurs akzeptiert. Es ist aber möglich, daß ein Wertpapier fast den
ganzen Monat vor der Bilanzaufstellung hindurch ungefähr zum gleichen
Kurs notiert wurde, dagegen gegen das Ende wegen ungünstigen Nach-
richten über die betreffend«^ (iesellschaft plötzlich sehr tief im Werte fallen
kann. In diesem Falle muß eine Bilanzierung, die immerhin den gesetz-
lichen Vorschriften gerecht wird, als zu hoch taxiert werden, indem dieser
Durchschnittskurs unter Umständen bedeutend höher sein kann, als der
wirkliche Veräußerungspreis des betreffenden Wertpapieres. Folliet
(a. a. O., Seite 71), indem er auf obige Möglichkeiten Bezug nimmt, schlägt
folgende Lösung vor: „En resume, le cours moyen peut etre superieur au
prix de revient et aussi a la valeur actuelle reelle. C'est pourquoi nous
rstimons les titres cotes en bourse doivent etre portes au cours moyen
du mois qui precedt* Tinventaire, si cc cours ne depasse pas celui du jour
de rinventaire et le prix de revient. Ils doivent etre portes au prix de
revient si celui-ci est inferieur au cours moyen et au cours du jour, et
enfin, ä la valeur actuelle, si celle-ci est inferieure au cours moyen et au
prix de revient.
11 y a en re.sumr trois prix qui peuvent .servir de ba.se a IVvaluation
<les titres. le cours moyen, le cours du jour et le prix de re-
vient, et c'est le plus bas (|ui doit servir de taux pour le
calcul.''
.Auch diesem \^3rschlag können wir nicht zustimmen, und zwar aus
folgenden Ueberlegungen : Ein Einsetzen überhaupt zum vollen Verkaufs-
preis, Tage.skurs, halten wir für zu weit gegangen. Es .sollte immer zu
< inem An.satz bilanziert werden, der gegenüber dem Tageskurs für un-
vorhergesehene Ereignisse noch eine Marge übrig läßt. Wie groß die-
selbe sein .<oll, läßt .sich nicht auf eine allgemeine Formel bringen Aul
der andern Seite vertreten wir den Standpunkt, daß ein üeberschreiten
nicht des \\^rkaufspreise.s, wohl aber des Anschaffungspreises gestattet
sein soll. Es ist dies vor allem für die großen Effekten- und Handels-
banken eine wirt.schaftliche Notwendigkeit. Die Wertpapiere dienen nämlich
diesen Instituten zwei voneinander verschiedenen Zwecken: .sie sind ein-
mal Ware, sollen also mit (Gewinn veräußert werden, ferner werden sie
als liquide Aktiven betrachtet, kommen also unter diesem Gesichts-
punkt nur unter gewissen Um.ständen zur Veräußerung. Ihr Charakter
wäre folgendermaßen zu um.schreiben. Die Wertpapiere sollen veräußert
OD
werden, um einen Kursgewinn zu liefern, ist es aber auf der andern
Seite möglich, wenigstens einen Teil dieses Kursgewinnes «ihne Veräuße-
rung zu lukrieren, sind diese Institute sehr froh, dieselben Wertpapit re
unter Umständen als liquide Vermögenswerte behalten zu können.
Auch für die Wertpapiere sollte nach unserer Auffassung vom An-
schaffungspreis ausgegangen werden. Dieser darf dann an Hand der Kurs-
notierungen korrigiert werden. Ist der Kurswert») niedriger als der An-
schaffungspreis, so soll dieser letztere erniedrigt werden und zwar so, daß
zwischen diesem neuen Ansätze und dem in Betracht kommenden Kurs-
wert noch eine den Umständen angemessene Marge übrig bleibt, i.st der
Kurswert gestiegen, .so liegt die Sache umgekehrt. Der neue Bilanzwert
darf den Änschaffimgspreis übersteigen, immerhin soll auch hier mit dem
Wertansatz nie bis zum Kurswert gegangen werden, es würde dies einer
soliden Bilanzierungsweise widei sprechen.*) Gleich sollen auch solche Wert-
papiere behandelt werden* welche zwar keinen Börsenkurs hal»en, dagegen
im freien Verkehr, wie ihn vor allem die Banken pflegen und dafür auch
Kursnotizen herausgeben, gehandelt werden. ») Dagegen schreibt I'rey
(a. a. O.): ,,Man wird vor allem aus feststellen müssen, daß von einem
für die Bilanzierung maßgebenden „Kurswerte" nicht gesprochen werden
kann, wenn etwa, wie es tatsächlich vorkommt, auf der Bahnhofstrafk-
oder im Cafc^ Terrasse zwischen Börsenagenten vereinzeltt^ Kaufgeschäfte
über eine Anzahl Aktien oder Obligationen dieser oder jener Gattung ab-
ge.schlo.ssen werden : .solche Tran.saktionen entbehren der für ein regel-
rechtes Börsengeschäft unumgänglich nötigen öffentlichen KontroUe uiul
jener Zuverlässigkeit, wie sie nur aus der Wirkung von öffentlichem An-
gebot und Nachfrage entspringen kann. Solche reinen Zufallskurse sind
daher für die Bewertung der betreffenden Wertpapiere in den Bilanz«'n
der Aktiengesellschaften auszuschalten."
Alle übrigen Veräußerungsgegenstände richten sich nach
den für diese Kategorie von Werten maßgebenden allgemeinen Bewertungs-
regeln. Es ist vom Anschaffungs- resp. Selbstkostenpreis auszugehen.
Dieser kann eventuell an Hand eines Markt-, Börsen- oder sonstigen Vti -
kaufsprei.ses korrigiert werden; ist ein solcher nicht vorhanden, so ist der
Wert maßgebenfl. den das Aktivum als Be.standteil des lietreffenden Ge-
schäftes hat.
;$ 13. Reformvorschläge hinsichtlich der gesetzlichen Be-
wertungsvorschriften für die Veräußer ungsgegen ständr.
Als Grundlage für die Bewertung der Veräußerungsgegenstände dient
in erster Linie der Selb.sdv0.stenpreis. Zweitens kommt dann der Markt-,
Bör-sen- oder .sonstige X^^rkaufspreis als Orientierungsmittel in Betracht.
») Unter Kurswert in unterm Sinne verstehen wir einen vernunttigeii Dmdi-
schnittskurs an Hand der Notierungen des letzten Monats vor der Bilansaulstellinic.
Er soll den ungeflUiren Wert des in Frage stehenden Wertpapiers zum Autdraä
bringen, also gewisse Zufälligkeiten nach unten und nach oben unberückticiltifft
lasten. Das wäre in jenem Beispiel nicht der Fall, wo ein Papier gegea End« &
Monats eine starke Baiste erleidet und sich dennoch für daatelbe ein vertdütnii-
mäßig hoher Durchschnitttkurs ergibt In diesem Falle müßte dann ein bedenteod
niedrigerer Kurs angenommen werden. Wie tief gegangen werden mufi, ergibt aicii
aut den Umständen des einzelnen Falles.
*) Ebenso Bachmann (a. a. O., Seite 193) „Eine soüde Biliaiierang wird
mcht an diese oberste Grenze des Wertantatzes gdien."
•) Vergl. Bachmann (a. a. O., Seite 193).
i
(if
i..
56
Nur ausnahmsweise, bei einer dauernden Erhöhung des Verkaufspreises
kann der Selbstkostenpreis überschritten werden. Bis zum Verkaufspreis
wnd man aus Gründen der Vorsicht mit dem Wertansatz nicht gehen
Anderseits wird es die Geschäftsgebarung des ordentHchen Kaufmannes
verlangen bei Sinken des Verkaufspreises oder bei zu hohen Selbstkosten
mit dem Wertansatz unter die letztern zu gehen.
1 . Fertige Waren, oder solche, die sich noch in Fabrikation befinden
können, sofern es sich um bestellte Waren handelt, zum abgemachten Ver-
kaufspreis, resp. zum entsprechenden Anteil desselben, bilanziert werden
Vieliach wird es angezeigt sein, nicht so weit zu gehen, indem man dem
Kisiko beim Debitor Rechnung trägt.
cc ^i.^}^ ''^' Q»^'^i-Ve^äußerungsgegenstände (Saat, Kohle, Oel, Roh-
stoffe, Hilfsstoffe, in Arbeit befindliche Fabrikate, wie auch solche Fabrikate
die der Betneb selber produziert, aber auch selber wieder verbraucht also
nicht zur Veräußerung gelangen), haben ßetriebswert. Für sie kommt' der-
jenige Wert in Betracht, den sie für das betreffende Geschäft haben.
3. Für die Bewertung der kurshabenden Papiere gelten die oben an-
gegebenen allgemeinen Grundsätze. Nur soll ein vernünftiger Kurswert
eine Art Durchschnittskurs des letzten Monats vor der Bilanzierung als
Orientierungsmittel herbeigezogen werden. Unter einem vernünftigen Kurs-
wert verstehen wir einen solchen, der dem wirklichen Kurswert des Papiers
möglichst entspricht. Wir wollen damit vor allem gegen den Durchschnitts-
kurs von (). K., Art. 656, Absatz 3, Stellung nehmen, der bei bedeutenden
Kursveränderungen im Laufe des Monats vor dir Bilanzaufstellunji ein
ganz unbrauchbares Produkt darstellen kann.
>? 14. Die Bewertung der Betriebsgegenstände.
A. Im allgemeinen.
Die Behandlung der Bewertung der Betriebs- oder Gebrauchsgegen-
stände nimmt in der Literatur einen viel größeren Raum ein, als diejenige
der \ eräußerungsgegen.stände. Dieser Umstand findet vor allem in zwei
Momenti'n seine Begründung. Einmal ist es viel schwieriger, bei dieser
Kategorie von Vermögenswerten allgemein gültige Richtlinien zu gewinnen
indem der Veräußerungspreis, das sehr wertvolle und bequeme Orientierungs-
mittel für die Bewertung der Veräußerungsgegenstände, hier nicht benützt
werden kann. Es hat sehr lange gedauert, bis sich diese Erkenntnis vor
allem in der bilanzrechtlichen und bilanztechnischen Literatur Bahn ge-
brochen hatte. Das größte Verdienst gebührt hiebei neben Scheffler vor
allem Dr. Hermann Veit Simon, der mit der Publikation seines viel
zitierten Standardwerkes über die Bilanzen der Aktiengesell-
schaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien im
Jahre 1886 der eigentliche Begründer und bedeutendste Lehrmeister der
Kilanzwi SS cn Schaft wurde. Ein zweitei (irund, der die ausführlichere
Behandlung dieser Fragen wohl rechtfertigt, liegt in dem Umstand, daß
die Anlagegegenstände in den Bilanzen der Aktiengesellschaften an Be-
deutung stetig und in immer größerem Maße zunehmen.')
Es ist eine fast entmutigende Tatsache, daß trotz des Umstandes der
stallen Berücksichtigung gerade der Probleme bei der Bewertung der ße-
tneb.sgegenstände, die Ansichten wenigstens äußerlich, auf den ersten Blick.
') Vergl. unsere Ausführungen in § 6 b.
57
noch stark auseinandergehen. M ül 1er») charakterisiert den gegenwärtigen
Stand der Bewertungsfrage mit folgenden Worten : „Dem im Bilanzwesen prak-
tusch eiiahrenen Leser wird nicht entgangen sein, daß in jeder der vorstehend
zitierten Aeußerungen der Fach.schriftsteller in mehr oder minder großem
Umfang Ansichten enthalten sind, die den bei der bilanziellen Bewertung
in der geschäftlichen Pra.xis lebendig werdenden Grundsätzen und Erwii^
gungen entsprechen.
Schon aus der Tatsache der voneinander al)weichenden Meinungen
deren jede sich auf begründete Ursachen stützt, darf man folgern, daß
eine erschöpfende Beantwortung der die Bewertungslehre beben sehenden
Grundfrage durch das Aufstellen eines allgemein gültigen Hauptgrund-
satzes nicht möglich ist. Implizite folgt dies mehr oder weniger auch aus
den weiteren Darlegungen, mit denen die Autoren ihren prinzipiellen Stand
punkt in der Bewertungsfrage begleiten." Mit diesen Aeußerungen sind
wir nicht einverstanden. Wenn wir uns trotz gewisser Bedenken entschlossen
haben, ebenfalls einen Beitrag zu dieser vielumstrittenen Frage zu liefern,
so liegt der (irund darin, daß wir den Versuch machen wollen, die ver
schiedenen Auffassungen einander etwas näher m bringen. Wenn Kovero
bemüht war, als Anhänger des objektiven Wertes, ein allgemein gültiges
Hewertungsprinzip aufzustellen, so gilt es für uns. für die Anschauungen
der X^ertreter des subjektiven Wertes eine gewisse Systematik zu finden.
Unser Standpunkt ist in Kürze zusammengefaßt der folgende; Wir sind
Anhänger der Zweiteilung der Vermögen.sgegenstände in X'eräußerungs-
und Betriebswerte, l'ür die erste Kategorie "kommt dem Anschaffungs-,
r(»sp. Herstellungspiiis im Zusammenhang mit dem Veräußerungswert eine
aus.schlaggel)ende Rollo zu. Nur für die sog. Quasi- Veräußerungsgegenstände
vorschiebt sich die Sache etwas, indem dort der Betriebswert mit hinein-
spielt, weil ja eine Veräußerung vorläufig nicht beabsichtigt ist. Immerhin
kommen sie, wenn auch in einer andern Form, schließlich doch zum Ver-
kauf Der zukünftige X'erkaufspreis spielt somit, wenn auch nicht direkt,
.-sondern dc»ch indirekt mit hinein.
Anders liegen die X'eihältnisse nun bei den Betriebs- oder Ge-
Inauchsgegonständon. Hier haben wir als in Betracht kommende
Werte (Ion Anschaffungs-, resp. Herstellungspreis und den sog. (ie-
brauchs- oder Betriebswert. Der erst ere wird am letztern und nicht
an einem eventuellen Verkaufs- ( Veräußerungs-) wert korrigiert. Und zwar
können wir gleich hier bemerken, daß der Anschaffungs-, resp. Herstel-
lungspreis in der Praxis, in Uebereinstimmung mit den gesetzlichen Be-
stimmungen in der .Schweiz wie in Deut.schland. nie lil^erschritten wird,«;
Es kommt also nur eine Korrektur nach unten in Frage. Daß der An-
schaffungs- und Herstellungspreis nicht üljor.schritten werden darf, ist ganz
gerechtfertigt. \\<» sollte sonst die (irenze gezogen werden.- Und aufder
andern Seite entspricht dieses Vorgehen auch vollkommen der w irtschaft-
lichen Sachlage. Ohne zur Wräußerung zu schreiten, k^rnnte ein .Mehr-
wert in den wichtigsten ballen auch gar nicht praktisch verwendbar ge-
macht werden, und eine Realisierung ist gerade nicht beabsichtigt. Anders
<lagegen verhält es sich bei der Abnahme des Betriebswertes. Dieser Um-
stand wird (lein vorsichtigen Kaufmann nicht entgehen. Wir werden auf
diese Frage später noch näher einzutreten haben. Zusammenfassend können
0 Die kaufmännische Erfolg^rcchnung, a. a. O., Seite 177.
4,
Vi
lli
' t
1-
wir für die Betriebsgegenstände sagen: Für sie kommt als
Orientierungsmittel durchwegs nicht der Vera ußer ungs-.
sondernder sog. Betriebswert in Frage. Unseres Erachten s dreht
sich der Streit um die Bew^itungsfrage bei den maßgebenden Bilanz-
schriftstellern, die den speziellen Charakter der Betriebsgegenstände an-
erkennen, nicht um die Frage, ob der Veräußerungs- oder der
B e t r i e b s w e r t zur A n w e n d u n g k o m m e n soll, sondern um die
Art und Weise, wie man diesen Betriebswert festzustellen
hat, damit er von dem praktischen Kaufmann verwertet
werden kann.
B. Kritik der verschiedenen Be vvertungsprinzip ien für «lie
B e t r i eb s g e g o n s t ä n d e.
1. Uebersiclu über die verschiedenen BevvcMt u ngspri nz i pien.
Wir können zwei Hauptgruppen von Auffassungen unterscheiden:
a) Man verlangt, daß die Bewertung eine objektive sei, auf
« »bjektiver Grundlage fuße. Ihre Anhänger schlagen demnach als He-
wertungsgrundlage den Veräußerungswert als einen objektiven, wirklichen,
wahren, gemeinen, reellen Wert vor. Eine andere Richtung lehnt diesen
V^eräußerungswert ab und schlägt ihrerseits als einzig richtige Bewertungs-
grundlage den gegenwärtigen, objekiven, volkswirtschaftlichen Anschaf-
fungswert vor.
ß) Noch mannigfaltiger sind die Anschauungen bei den \ ertretern
eines mehr oder weniger subjektiven Betriebs-, Gebrauchs- oder (ieschäfts-
wertes. Da haben wir einmal die ältesten Schriftsteller als Anhänger iles
individuellen Gebrauchs- oder Betriebswertes. Eine weitere (iruppe will
nicht so weit gehen und schlägt den individuellen Geschäftswert vor.
Nicht der individuelle Geschäftsinhaber, sondern das individuelle Geschäft,
in den Händen jedes verständigen Besitzers, soll maßgebend sein. Noch
andere dokumentieren ihren subjektiven Standpunkt, indem sie direkt auf
die subjektive Wertlehre der österreichischen Schule der Nationalökonomie
Bezug nehmen. Die letzte (iruppe lehnt jede Anlehnung an einen sub-
jektiven Gebrauchs-, Betriebs- oder Geschäftswert ab, betont dagegen eine
auf kanfmännisrh-))raktische Ideen gegründete Bewertungsmethode.
11 Seh rmati sehe Uelxrsichi über die verschiedenen
15 e w e r t u n g s p r i n z i p i e n.
b) Subjektiver Wert.
1
al Objektiver Wert')
Veräußerungs wert, als «ib-
jektiver, wirklicher, wahrer, ge-
meiner, reeller Wert. (Knappe,
Ring, Endemann.j
2. (iegenwärtiger, objektiver, volks-
wirtschaftlicher A n sc h a f f u n g s-
wert. (Kovero, Fäs.)
1. Individueller Gebrauchs-
oder Betriebs w e r t. f Scheffler,
Simon, Berliner.)
2. Individueller Geschäfts-
wert (nicht der individuelle Ge-
schäftsinhaber, sondern das indi-
viduelle Geschäft in den Händen
jedes verständigenBesitzers ist maß-
gebend). (Staub, Rehm, Lehmann.)
«) Objektiv im Sinne der betreffenden Autoren, nicht nach der nationalöko-
noDiischen Wert lehre.
b) Subjektiver Wert.
3. Subjektiver Gebrauchswert
(wie die österreichische Schule
der Nationalökonomie). (Reisch
und Kreibig, Nicklisch.)
4. Ablehnung der Lehren des subjek-
tiven Gebrauchs-, Betriebs- oder
Geschäftswertes, Betonung einer
auf kaufmänn.-praktischen
Ideen gegründeten Bewer-
tungsmethode. (Fischer,Schma-
lenbach, Passow, Zimmermann, i
Hl. Kritik der verschiedenen Bewertungsprinzipien.
a) Objektiver Wert. 1. Als Anhänger einer Bewertung auf
( irund des Veräußerungswertes sind vor allem zu nennen Knappe») und
Ring«). Nach Endemann ist der effektive, zur Zeit der Aufnahme des
Inventars wirklich vorhandene Wert maßgebend. Hiemit wird im allge-
meinen der sofortige Veräußerungswert gemeint; betreffs der W^aren be-
umt er doch, daß diese nicht nach einem zu erhoffenden Verkaufspreise,
sondern nach dem Anschaffungspreise bewertet werden sollten, wobei
.Vbzüge für die Wert Verminderung durch die Lagerung u. s. w vorzu-
nehmen seien.3) In der ersten Zeit nach Erlaß des Handelsgesetz! >uches
wurde in der juristischen Literatur ganz allgemein*) die Ansicht veitrcten,
daß die Vermögensgegenstände mit dem Betrage in die Bilanz eingesetzt
werden müßten, zu dem sie veräußerbar seien. Maßgebend sei ihr Reali-
sierungs-, Liquidations-, Verkaufs-, Verkehrs-, gemeiner, objektiver Wert,
ihr objektiver Tauschwert. Diese Auffassung wui^de auch von dem höchsten
( xerichtshof, dem Reichsoberhandelsgericht (Entscheidung vom 3. Dezember
1873) vertreten.*) Abgesehen davon, daß ein .solches Bewertungsprinzip
m der Praxis auf harten Widerstand stoßen wurde, weil es zu ganz imge-
rechtfertigten wirtschaftlichen Härten führen müßte, wird sein Zweck auch
nur in unbefriedigendem Maße erreicht. Die Befürworter des Veräußerungs-
wertes wollen eben eine objektive Bewertung erzielen.*) Dies ist aber
mit den besten Willen nicht bei allen Vermögensgegenständen tnöglich.
Bei verschiedenen Betriebsgegenständen, wie Grundstücken, Gebäuden etc.,
ist eine nur annähernd genaue Feststellung des V^erkaufswertes unmöglich'
Mit einer Bewertung zum Verkaufspreis, die ein objektives Resultat, wirk-
liche Werte liefern sollte, kann gerade das Gegenteil erreicht werden,
üebertreibungen, ja sogar fiktiven Wertansätzen würde damit Für und
Tor geöffnet. Auch widerspricht es absolut dem Charakter der Betriebs-
^ n'\*^1^LP®o9"^= ^»« Bilanzen der Aktiengesellschaften ©tc. Hannover
und Berlin 1903, Seite 90/2.
")RingViktor: Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaften
auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 2. Aufltge Berlin 1893
Seite 604. ^ '
») Handbuch des deutschen Handels-. See- und WechselrechU 1 Band
Seite 244/5, xitiert nach Kovero (a. a. O., Seite 73).
*) Simon (a. a. O., Seite 290).
*)PassowR.: Die Bilanzen der privaten Unternehmungen. Leipsig 1910,
beite 85.
•) Vergl. auch die Ausführungen über den objektiven Wert von Buff (a a.O
i^eite 81/2).
1
u
ili
l'f
60
i^ej^enstände als Aufwendungen, wenn man mit dem Wertansatz über den
Anschaffungspreis geht,
Aehnliches muß 2. von dem gegenwärtigen, objektiven, volkswirt-
schaftlichen Anschaffungswet t als Bewertungsgiundlage gesagt werden. Sein
erster Befürworter war Dr. Ilmari Kovero mit seinen sehr interessanten
Untersuchungen über „die Bewertung der Vermögensgegenstände in den
Jahresbilanzen der privaten Unternehmungen etc." (a. a. O.) Koveros Be-
wertungslehre wurde dann von Fäs^ akzeptiert. Beide Abhandlungen be-
weisen wie man eben, je nachdem man den Zweck der Bilanz verschieden
auffaßt, zu ganz verschiedenen Resultaten kommen kann. Beide Autoren
legen ein besonderes Gewicht auf die Vergleichbarkeil der Wertansätze
hl der Bilanz. Wir können ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß sie sich
zu weit vom Wesen und auch von dem, was die Bilanz in Wirklichkeit
ist, entfernt haben. Passow*) hat zu den Ausführungen Koveros Stellung
genommen. Seiner meistens sehr zutreffenden Kritik entnehmen wir fol-
gendes; Eine Vergleichung des X'ermögens verschiedener Unternehmungen
zu ermöglichen, kann schon deshalb nicht der Zweck der Bilanzen sein,
weil in Wirklichkeit weitaus die meisten Bilanzen gar nicht veröffentlicht,
sondern ängstlich als Cieheimnis gehütet werden. Zu was für ganz un-
l)rauchbaren Resultaten ferner eine Bewertung zum gegenwärtigen objek-
tiven Anschaffungswert führen kann, veranschaulicht er an dem Beispiel
einer großen Ueberlandszentrale. Je nach den Schwankungen des Kupfer-
j)reises würde sich der „gegenwärtige Anschaffungswert" dieser Leitungen
von Jahr zu Jahr außerordentlich verändern, und damit würden Büanzen.
die diese Aenderungen alljährlich berücksichtigten, ein vollständig anderes
Ergebnis /eigen, als das der geschäftlichen Auffassung vom Wesen des
( ieschäftsertrages entspricht. =')
Aber auch dann, wenn man Kovero prinzipiell zustimmen würde,
ergäben sich wieder ähnliche Schwierigkeiten bei der Feststellung des
gegenwärtigen objektiven Ansclvaffungswertes, wie wir dies gesehen haben
1)eim Veräußerungswert. Kovero äußert sich hiezu auf Seite 121/2 seines
Buches wie folgt: „Was die Durchführung dieses Prinzipes betrifft, ist zu-
näch.^^t zu beachten, daß für alle Vermögensgegenstände, welche einen
Marktpreis oder Börsenpreis haben, wie Waren, Effekten u. s. w., die
Bilanzwerte auf Grund dieser zu bestimmen sind. Für die Detaillisten
kommen hiebei die für dieselben auf dem Markte geltenden Anschaffungs-
preise, für die ( irossisten die für diese geltenden in Betracht u. s. w., be-
treffs der Pnxiuzenten sind die Marktpreise für die Anschaffung der Roh-
und Hilfsstoffe zu berücksichtigen. Betreffs solcher Vermögensgegenstände,
0 Die Berücksichtigung der Wertminderungen des stehenden Kapitals etc.
(a. a. O.).
') Passow R. : Ueber die Bewertung der Betriebsanligen in den Bilanzen, im
Bankarchiv, 13. Jahrgang 1913/4, Seite 150 ff.
^) Es muß allerdings gegen Passow bemerkt werden, dalS Kovero die un-
gunstige Beeinflussung des Geschäftsertrages dadurch zu umgehen sucht, daß er in
origineller Weise die nicht realisierten Gewinne und Verluste von den realisierten
in dpr Bilanz getrennt aufführt. (Kovero, Seite 204 ff.) Es ist dies sicherlich eine
gewisse Entkräftung des Arguments von Passow. Anderseits wäre es doch eine
ziemlich große Zumutung an die Kaufmannschaft, wollte man diese Ausscheidung
von ihr verlangen, wenn man doch d^nn wieder zugeben muß, daß das gewünschte
Resultat nicht zu erreichen ist, weil die Feststellung des objektiven Antchaffungs-
wertes sehr oft nur mit „wenig objektiven*' Schätzungen möglich wird. Vergl.
auch die Kritik der Koveroschen Abhandlung bei B uff (a. a. O., Seite 88, Fui¬e 4).
61
welche keinen eigentlichen Marktpreis haben, wie die Immobilien, ist der
gegenwärtige gemeine auf Grund der zuletzt im allgemeinen bezahlten
Preise zu ermittelnde Anschaffungswert für die Bewertung maßgebend. In
solchen Fällen wiederum, in denen ein neuer gegenwärtiger Anschaffung.s-
preis überhaupt nicht ermittelt werden kann, muß der ursprüngliche Preis
als auch gegenwärtig geltend angesehen werden/*
b) Subjektiver Wert. 1. Die Hauptvertreter eines sog. indivi-
duellen Gebrauchs- oder Betriebswertes sind Scheffler und Simon.
Wir kennen Scheffler') bereits aus unseren Ausführungen in i> 6 über
stehendes und umlaufendes Vermcigen (Betiiebs- und Veräußerungsgt^gen-
stände). Er ist bekanntlich der Begründer jener für die Bewertungsfragi
fundamentalen Einteilung der Vermögenswerte in zwei Hauptkategorien, die
dann von Simon die zutreffenden Bezeichnungen Veräußerungs- und Be-
triebsgegenstände erhalten haben. Er ist der erste der von der Auffassung,
daß für alle Aktivpo.sten der Bilanz der Veräußerungswert maßgebend sei,
bewußt und entschieden abgewichen ist. „In einer bisweilen etwas unklaren
und unglücklichen Ausdrucksweise führt er vor allem folgendes aus, das
für uns sehr wichtig ist : Art. 31 gebe keine genaue Definition des Wertes.
Das sei eine legislatorische Weisheit, denn für einen und denselben (gegen-
ständ ergebe sich ein verschiedener Wert, je nach dem Gesichtspunkt,
unter dem man den Gegenstand betrachte. Der Zweck des Gegenstandes
sei das wesentlich Bestimmende bei der Wertermittlung. Für die Bilanz
komme als Wert eines (Gegenstandes in Betracht „sein Gebrauchs-
wert in der Hand des Gebrauchers unter den gegebenen
Umständen", also der Gebrauchswert, welchen der Gegenstand „für
den Besitzer hat''.-) Scheffler charakterisiert die beiden großen Klassen
der Vermögensgegenstände so, daß bei der ersten an der Wertbestimmung
dauernd nur der Eigentümer interessi<Mt ist, bei der zweiten dagegen dauernd
oder vorübergehend andere mitinteressieit sind. Zu der ersteren Klasse
gehöie „der ganze arbeitende Apparat, die sog. Anlage, bestehend aus dem
Immobiliar und dem eisernen Inventar von Geräten, Hilfsmaschinen u. s. w.,
überhaupt alles das, was nur als Mittel zur Vollführung des Zweckes der
Unternehmung da ist und demnach, solange der letztere Zweck besteht,
auch dauernd da sein muß**. Zur zweiten Klasse rechnet er „im wesent-
lichen diejenigen Objekte, welche von dem (iesamtbesitz unter Umständen
abgetrennt und veräußert werden kiWmen otler sollen**. Für die Bewer-
tung sei bezüglich der ersteren der Anschaffimgs- oder Herstellungspreis,
bezüglich der letzteren dagegen der \'eräußerungs- oder Verkaufspreis
maßgebend. Wenn die ersteren abgenutzt seien, solle der entsprechende
Betrag vermindert werden, aber andere Wertveränderungen») (durch Kon-
junkturen u. s. w.) seien nicht zu l)erück'sichtigen.*)
') Vergl. seinen Aulsati: „Ueber Bilanzen' , m der Vier teljahresschrift für Volks-
wirtschaft, Politik und Kulturgeschichte, 62. Band, Berlin 1879, Seite 22—25.
*) Zitiert nach Passowia. a. O.. Seite 86/7), dessen Verdienst es ist, als erster
weitere Kreise auf die Ausführungen Schefflers hingewiesen zu haben.
») Die betreffende Steile besagt: Trete an diesen Gegenständen eine AbnuUung
ein, so mindere die Abnutzung den Wert (und zwar um den Kostenpreis, welcher
aufgewendet werden muß, um den Abgang zu decken oder den ursprünglichen
Apparat wieder herzustellend Andere Wertveränderungen kämen nicht in Betracht.
„Nur durch diesen Verlust an objektivem Bestände, nicht durch Konjunkturen, Preis-
veränderungen, Rentabiliiätsschuankungen und beliebige andere Zeit Verhältnisse kann
sich der Wert des Immobiliars und des arbeitenden Apparates in der Bilanz ändern.'
(Passow, a. a. O., Seite 88.)
*) Vergl. Passow (a. a. O.. Seite 87/8). Kovero a. a. O., Seite 73'4.) Buff
(a. a. O., Seite 75/6). Fäs (a. a. O., Seite 26). Hiezu kritisch Buff (a. a. O., Seite 76.
f
62
In einem ähnlichen Gedankengang wie Scheffler, bewegt sicli S i m on.
Wir sind, wenigstens im Prinzip, Anhänger seines individuellen Gebrauchs-,
resp. Betriebswertes. Wir werden nunmehr unsere Ausfuhrungen so gliedern,
daß wir zunächst in kurzen Zügen eine Darstellung der Simonschen Be
wertungslehre für die Betriebsgegenstände zu geben versuchen, um dann
zusammenfassend unsere Kritik folgen zu lassen.
7.) Hauptpunkte der Simonschen Bewertungslehre für die
Betriebsgegenstände.
„Ist es unrichtig, den allgemeinen Verkehrswert als Prinzip oder auch
nur als Regel der Bilanzansätze anzusehen, so ist es auf der anderen Seite
notwendig, einen gemeinsamen Gesichtspunkt zu finden, aus welchem die-
selben erklärt werden können. Denn durch die Bilanz soll der augen-
blickliche Wert des Vermögens gefunden werden, und es müssen daher
einheitliche Grundsätze über den Wertansatz vorhanden sein;
sonst würde dieBilanz in Einzelposten zerfallen, für welche
der Vergleichungsmaßstab fehlt."
Jenes einheitliche Prinzip läßt sich nur aus der Natur der Bilanz er-
klären. Sie soll die Darstellung des Vermögens einer bestimmten Persön-
lichkeit bilden. Losgelöst von dieser F*ersönlichkeit nehmen die einzelnen
Vermögensobjekte einen anderen Charakter an ; manche sind überhaupt
nicht übertragbar, noch mehr aber verändern ihren Wert in zweiter Hand.
Was für den einen nur als Obrauchsgegenstand in Betracht kommt, ist
für den andern nur als Veräußerungsgegenstand von Bedeutung. Was der
eine mit Rücksicht auf seine Beziehungen oder seine Stellung in der Ge-
schäftswelt zu hohem Preise zu veräußern in der Lage ist, kann der andere
nur zu erheblich niedrigerem verkaufen. Dieselbe Sache kann für ver-
schiedene Personen verschiedenen Gebrauchswert haben, je nach den
Mitteln, welche sie auf die Sache zu verwenden in der Lage sind, und je
nach den Zwecken, welche sie verfolgen.
Nun ist es aber für den Kaufmann, für den Aktienverein, welcher
sich ein Bild von seiner Vermögenslage machen will, völlig gleichgültig,
welchen Wert nne Sache, die er besitzt, in der Hand eines anderen hat,
oder welchen Gebraucliswert eine Sache hat, welche er zur Veräußerung
erworben hat. Verändert der Kaufmann die Bestimmung des Gegen-
standes, so ändert sich für diesen hiedurch die Wertgrundlage; muß er
z. B. aus irgend welchen Gründen ein industrielles Unternehmen, das er
fabrikmäßig betrieben hat, veräußern, so kommt von dem Zeitpunkt an,
in welchem er den Entschluß hiezu gefaßt hat, nicht mehr der Gebrauchs-,
sondern nur noch der Realisationswert in Betracht.
Hienach können wir den Wert, welcher für die Bilanz maßgebend
sein muß, als den individuellen Wert bezeichnen. Es ist dies
der besondere Gebrauchs- oder Verkehrswert. Ob Gebrauchs-
oder Verkehrswert maßgeblich, ist Tatfiage und hängt von dt r Bestimmung
des Gegenstandes ab.
Der indi\ iduelle Wert ist keineswegs ein willkürl icher;
im Gegenteil: er erheischt die sorgfältigste Prüfung. Denn es ist in jedem
Fußnote 1): Unter Kostenpreis versteht er im wesentlichen den Kaufpreis. Hier
will jedoch Scheffler (Seite 25 ff.) bei der Bewertung später nur Wertminderungen
durch Abnutzung, Verlust am Bestände oder an der Substanz berücksichtigt wissen
nicht aber den Einfluß von Konjunkturen, Preisveränderungen u. s. w., eine Auf-
fassung, die wir natürlich nicht teilen können.
f»H
einzelnen Kall zu untersuchen, welche Gesichtspunkte mit Rücksicht auf
das Bilanzsubjekt für entscheidend zu erachten sind, und erst hienach
dar! der für das Bilanzobjekt anzusetzende Wert berechnet werden.^)
Ferner führt Simon (a. a. O., Seite 408) aus: „Wir haben im
vorstehenden gesehen, daß die Betriebsgegenstände tatsächlich und ge-
setzlich zu einem Betrage angesetzt werden, welcher sich aus dem Unter-
schied zwischen Erwerbspreis und der verhältnismäfMgen .Minderung des
Betriebswerts ergibt."
Ist dies nun in der Tat der besondere Betriebswert r
Die Frage muß für die Bilanz bejahend l)eantwortet werden.
Mit dem Augenblicke, in welchem der Kaufmann einen dauernd zum
Betrieb bestimmten Gegenstand erwirbt, kommt für ihn nur noch in Be-
tracht, daß er ihn haben und benutzen kann, und zwar in demjenigen
Zustande, weichet für ihn im Erwerbszeitpunkt maßgebend war. Sow^eit
m diesem Zustand aus tatsächlichen oder rechtlichen (Gründen eine Ver-
schlechterung eintritt, verringert sich allerdings der Betrieliswert für den
Besitzer. Es müssen die erforderlichen Anstalten getroffen werden, um
den Verlust l)ei teilweiser oder gänzlicher Abnutzung auszugleichen. ' Atis
den in § 105 dargelegten (iründen kann der Betriebswert sinken. Der
individuelle Wert des Betriebsgegenstands ist daher der
Krwerbspreis abzüglich der Minderung des Bet riebswerts.
(51 Kritik der Simonschen, sowie der übrigen Bewertungs-
lehren für die Betriebsgegenstände.
Simon ist von verschiedenen Seiten stark angegriffen worden, so
vor allem von Fischer, Passow, Zimmermann und Kovero. Die Einwen
düngen, die von diesen Autoren gemacht werden, sind unseres Erachtens
aber nicht immer zutreffend. Die letzten drei Autoren werfen Simon vor,
daß er gar nicht angebe, wie sein individueller Gebrauchswert überhaupt
festzustellen sei. (ianz unvermittelt gebrauche er bei der Besprechung des
Wertansatzes der einzelnen Bilanzposten den Ausdruck „Betriebswert",
ohne denselben zu definieren und ohne darauf hinzuweisen, daß „Betriebs-
wert" ein Synonym sei für Gebrauchswert.-^) In der Tat wendet Simon
diese Bezeichnung zum ersten Male auf Seite 399 in der Randbemerkung
an. Mit Butt sind wir der Ansicht, daß die Ausführungen Simons nicht
den geringsten Zweifel daiüber aua-ommen lassen, daf.s er diese beiden
Ausdrücke im gleichen Sinne angewendet wissen will. Das ergibt sich
vor allem aus dem Umstand, daß es sich Seite 399, wo er diesen Betriebs-
wert einführt, um die Bewertung der sogenannten Betriebsgegenstände
handelt. Ob er die Namensänderung bewußt, d. h. absichtlich vorgenommen
hat, ist nicht feststellbar. Wenn wir uns aber dariiber klar werden, daß
es sich bei dem individuellen Gebrauchswert der Betriebsanlagen um einen
Wert handelt, der auf Grund praktischer, kaufmännischer Erwägungen
ermittelt werden .soll, so erscheint uns die Bezeichnung „Betriebswert •
eher eine Veri^esserung der Terminologie. Ks ist unleugbar, daß es sich
um einen ( Gebrauchswert handelt, doch sind dem tVeien Schätzen, der zu
individuellen Festsetzung dieses Gebrauchswertes mit Rücksicht auf prak
tische Erwägungen, auf die Brauchbarkeit nämlich für Bilanzzwecke «e-
0 Simon (a. a O., Seite 303/5).
') Zimmermann (a a. O.. Seite 266/7), Kovero (t. a. O., Seite 76/7).
Passow (a. a. O., Seite 91). '
1
6+
wisse Schranken »gezogen. Wir vertreten die Auffassung, daß der
nationalökonomische und der privatwirtschaftliche (bilanz-
mäßige) Gebrauchswert allerdings nicht artverschiedene, wohl
aber fipadverschiedene Begriffe darstellen, indem beim
ersteren die (Frenzen weiter gezogen sind, der letztere dagegen,
mitRücksicht eben auf seine Verwendung für dieBilanz, merk-
liche Einschränkungen erfährt. Simon gibt uns ganz zutreffende
Ausführungen darüber, was den Betriebswert bestimme. So behandelt er
eingehend folgende sehr wichtige Punkte: Höhe des Wertansatzes, Ver-
äußerungswert nicht Mindestbetrag, die Abnutzung, die Substanzverringe-
rung, die ßrauchl>arkeitsverminderung, Reparaturen, Verbesserungen etc.
Sehr beachttMiswert ist, was er in § 105, Seite ,399, schreibt. Es handelt
sich um jenen Abschnitt, den er in der Randbemerkung folgendermaßen
charakterisiert: Notwendigkeit der Ab.schreibung we^en jeder Minderung
des Betriebswerts, Abnutzung nur eine Art dieser Minderung. Dort heißt
^'^,. y^: 18,^) a. Ziff. 3, 239 b. des Aktiengesetzes (vergl. jetzt i<§ 261,
Zift. 3, 320 X. H, Ci. B.) gingen davon aus, daß Anlagen etc., welche
dauernd für den Betrieb bestimmt sind, nach der bisherigen Praxis
schlechthin zu dem Erwerbspreise eingesetzt wurden, wenn nur ein der
körperlichen Abnutzung entsprechender Betrag in Abzug gebracht
wurde. Diese Voraussetzung war aber nicht völlig zutreffend. Mit der
lierrschenden deutschen Theorie, welche den „objektiven Wert" für maß-
gebend erachtete, stand die Praxis der Aktienvereine insofern in Wider-
spruch, als diese ihre Betriebsgegenstände nicht nach dem jeweiligen Ver-
äußerungswert ansetzten. Dagegen kann sich der individuelle Wert
der Sache für die Gesellschaft außer durch Abnutzung auch
noch aus mannigfachen anderen Gründen ändern, welche bei
der Bilanzaufstellung berücksichtigt werden müssen und stets
berücksichtigt wurden.')
Auf diese Tatsache wurde nicht immer in ausreichendem Maße hin-
gewiesen. Es ist unstreitig das Verdienst Simons, auch hier mit der nötigen
Klarheit und Sachkenntnis an die Behandlung des Problems der Bewertung
der Betriebsgegenstände herangegangen zu sein.
Es handelt sich also um zwei Hauptkategorien von Ursachen für
die Abnahme des Betriebswertes:
1** die materielle Abnutzung,
2^ was wir als immaterielle Abnutzung bezeichnen wollen.
Für die zweite Art dt:r Abnutzung gibt uns Simons) folgendes
Beispiel: Es kommt sehr häufig vor, daß der Staat oder die Gemeinde
einer i)rivaten (iesellschaft die Konzession erteilt, gewisse Unternehmungen
zu bauen und zu betreiben (Transportunternehmungen: Tram, Eisen-
bahn etc.). Nicht selten wird an die Konzession die Bedingung geknüpft,
daß nach Ablauf z. B. der Konzessionsdauer die betreffendellnternehmung
zu einer zum voraus abgemachten Summe oder gar gratis an den Staat,
resp. die Gemeinde heimfallen soll. Man muß hier im ersten Falle die
Betriebsgegenstände bis auf die abgemachte Summe, im letzteren dagegen
vollständig amortisieren.
Ein anderer Fall für diese zweite immaterielle Abnutzung liegt dann
vor, wenn ein ßeiriebsgegenstand eine Entwertung erföhrt, die ihre
'» Dies vor allem gegen Scheffler (a. a. O., Seite 25)
^ a. a. O., Seite 401/2.
65
Ursachen ebenfalls nicht in einer materiellen Abnutzung im Betrieb hat.
Hiezu folgende Beispiele: Eine Gebäulichkeit, die der Herstellung eines
speziellen Produktes diente, kann zu diesem Zwecke nicht mehr verendet
werden, weil die Fabrikation des betreffenden Artikels aus irgend einem
Grunde eingestellt wurde. Dieses Gebäude werde nun als Schuppen ver-
wendet Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Betriebswert desselben nicht
mehr der gleiche ist er kann gesunken, ausnahmsweise auch gestiegen
sein. Aufjeden Fall hat die eventuelle Entwertung mit einer körperiichen
Abnutzung nichts zu tun. Ein noch lehrreicheres Beispiel liegt dann vor
wenn auf emem Gebiete neue leistungsfähigere Maschinen erfunden werden!
Theoretisch mußte diesem Umstand in Form einer Abschreibung keine
kechnung getragen werden, wenn bloß der Veräußerungswert gesunken
ist.;) Es ist ja möglich, daß die betreffenden alten Maschinen im Betriebe
weiter verbleiben, daß eine eventuelle kleinere Leistungsfähigkeit bei den
Maschinen durch andere Umstände (billigere Arbeitskräfte, bessere Ge-
schäftsorganisation etc.) kompensiert werden kann. Nur wenn dies nicht
möglich sein sollte, die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens abnehmen
wurde mußte wegen diesem Umstände, der Abnahme des Betriebswertes,
die Abschreibungsquote vergrößert werden.
Mit den Ausführungen Simons, hinsichdich der Erklärung seines
Betriebs wertes sind wir durchaus einverstanden. Er unterstreicht
zutreffend, daß es nicht auf die Verminderung des Ver-
außerungswertes, sondern in erster Linie auf die Abnahme
d e s B e t r 1 e b s w e r t e s a n k o m m e. Das schließt natüriich die Zulässi?-
keit, auch bei bloßem Sinken des Verkaufswertes von Betriebsanlagen
Abschreibungen vorzunehmen, nicht aus.») Nicht folgen können wir ihm
dagegen, wenn er in § 106, Seite 407, ausführt: „Die gesetzlichen Vor-
Schriften über den Wertansatz der Betriebsgegenstände gehen davon aus,
daß schlechthin der Erwerbspreis unter Berücksichtigung der Abnutzung
bezw. der Minderung des Betriebswertes eingestellt werden kann. Ob der
Veräußerungswert auch nur in irgend einem Zeitpunkt mit diesem Ansatz
übereinstimmte ist gleichgültig. Daher kommt es auch nicht darauf an
ob der Erwerbspreis ein angemessener war, und es ist demgemäß uner-
heblich ob die Angemessenheit auf Irrtum eines der Vertragsschließenden
oder selbst auf Arglist der Gegenpartei beruht.
Dagegen erscheint es nicht als zulässig, den vereinbarten Preis noch
dann unverändert als Erwerbspreis anzusehen, wenn die übervorteilte Ge-
sellschaft von dem Gegenkontrahenten oder einer dritten Person eine Ent-
schädigung zum Ausgleich des entstandent^n Schadens erhält. So ist es
vorgekommen, daß der Verkäufer einer Fabrik der zum Betrieb derselben
...rt .'>V^'.ß'-^or allem Simons Ausführungen Seite 409: Ob der Veräußerungs-
wert sich geändert hat, ist dagegen unerheblich. v:*u"g:>
HU ,..*!? ""i^ ^^T^-^" ^^'? 78/80) macht unseres Erachtens nicht mit Unrecht auf
die verschiedene Lebensdauer der einzelnen Unternehmungsformen aufmerksam-
„Dazu kommt ferner, daß die Frage, ob ein Vermögensgegenstand als GdTraudS:
form V^^f ß«"^"g«g^gen«tf d in Betracht kommen s^l je nfch der Unterne^uS^-
form. der die emzelnen Vermogensgegenstände angehören, unter Umständen eine
verschiedene Beantwortung finden kann. BekanntHch hat eine ASgeseirschSft
eme viel ängere Lebensdauer als eine Personalgesellschaft, z. B. e n Inze unt^
M^"^6"Toät7.nT^^^ "'^-K^- ^ ^^^S^"' wie durch'^SheTt.
S f f,?? h7 t 1^^^? Geschaftsai^osung. bezw. Geschäftsverkauf, spielen jeden-
falls für den Einzelkaufmann, die offene Handelsgesellschaft und Kommanditiesell-
Schaft eme größere Rolle als für die Aktiengesellschaft etc." «^onimanaitgeseli
Dr. J. Hotz: „Die Jahresbilanz der A. G." e
I
66
begründeten industriellen Gesellschaft zur Abwendung einer auf Schaden-
ersatz wegen falscher Angaben im Kaufvertrage gerichteten Klage einen
namhaften Betrag des Kaufpreises zurückvergütete. In einem anderen
Fall gab der Einbringer einer Fabrik mit Rücksicht auf die übermäßige
Höhe des Einbringungspreises der Gesellschaft einen Teil der erhaltenen
Aktien zum Zwecke der Kraftloserklärung zurück.
In derartigen Fällen mindert sich der Erwerbspreis um die zurück-
vergüteten Beträge, bezw. Aktien, und es muß demgemäß in den Bilanzen
eine entsprechende Herabsetzung des Wertes erfolgen."
Hiezu möchten wir folgende kritische Bemerkungen machen: Nach
unserer Ansicht geht Simon bei obigen Erörterungen über den Erwerbs-
preis zu weit. Er gibt dies auch indirekt zu, indem er dann eine Zurück-
führung des unangemessenen Erwerbspreises auf einen angemessenen ver-
langt, wenn die übervorteilte Gesellschaft von dem Gegenkontrahenten
oder einer dritten Person eine Entschädigung zum Ausgleich des ent-
standenen Schadens erhält. Ob aber eine solche Entschädigung erfolgt
oder nicht, ändert sicherlich an dem Wesen der Sache nichts, in beiden
Fällen ist der zu Buch stehende Betrag ein unangemessener, teilweise
sogar ein fiktiver, der auf jeden Fall korrigiert werden muß. Wir sind
der Meinung, daß an diesem sozusagen einzigen objektiven Element für
die Bestimmung des Betriebswerts unbedingt festgehalten werden muß.
Es bleibt für das subjektive Ermessen der Gesellschaft, bei der Anerken-
nung des Betriebswertes als maßgebenden Wert, noch genügend Spielraum.
Daß an einem vernünftigen, den Umständen entsprechenden, angemessenen
Erwerbspreis festgehalten werde, dafür sprechen auch äußerst wichtige,
praktische Erwägungen. Die Frage wird besonders bedeutungsvoll bei
den sogenannten Sacheinlagen, in unserem Falle vor allem bei den Aktien-
gesellschaften. Die Richtigkeit unseres Postulates begründet auch Folliet,
w^enn er (a. a. O., Seite 32/3 und 39) ausführt: „Une societe anonyme,
qu'elle soit commerciale, industrielle ou financiere, ne peut pas prosperer,
ni meme vivre, si eile ne dispose pas effectivement du capital qu'elle
enonce et qu'elle doit remunerer, La realite du capital est indispensable
dans rinteret des actionnaires, comme dans celui des tiers. Cependant
Texageration des apports n*est pas aussi rare qu^on pourrait le croire:
Les fondateurs de societes anonymes n*ont souvent en vue que leur
interet personnel. Pourvu qu'ils puissent se faire attribuer sur le capital
d'origine un nombre d'actions important et ecouler rapidement ces actions
au pair ou meme avec prime, ils ne se preoccupent guere de Pavenir de
la societe.
Pour terminer cette question si importante, nous ajouterons que les
apports ne doivent pas subsister dans le bilan au prix d'aquisition, ils
doivent naturellement etre evalues a leur taux reel, sans qu'il y ait Heu
de s'occuper de leur valeur d'estimation originaire. Du jour öu il est
etabli qu'une estimation est fausse, il n'y a pas Heu de la maintenir; ce
n'est pas parce que la Societe a ete trompee qu*elle doit ä son tour
tromper les tiers sur la valeur de leur gage. D'autre part, Part. 656 du
C. O. stipule que les immeubles, bätiments et machines doivent etre
evalues, au maximum, au prix d'acquisition et deduction faite de Pamor-
tissement que comportent les circonstances. Or quel est le but d'un
amortissement .^ Ramener un objet ä sa valeur reelle. Par consequent,
67
il semble bien que Pamortissement que comportent les circon-
stances doit toe au moins egal ä la majoration."»)
Wir stehen also, im Gegensatz zu der Ansicht von Simon, auf dem
Standpunkt, daß der Erwerbspreis ein angemessener sein müsse. Gestattet
man em Abweichen von diesem Prinzip, so bedeutet das für die Aktien-
gesellschaft die Möglichkeit, unter den Aktiven fiktive Werte anzuführen
was zur Folge hat, daß ihr Kapital, eigenes und eventuell auch fremdes'
m den Aktiven keine genügende Deckung mehr besitzt. Aehnliches muß
vom Herstellungspreis selbst fabrizierter Anlagen verlangt werden. Arbeitet
die Gesellschaft mit zu hohen Selbstkosten, dann wird bei einer Bewertun<T
der betreffenden Vermögenswerte unter diesenWert gegangen werden müssen
Ebenso unzulässig ist es, die Aufträge für das eigene Unternehmen mit
den Kosten mißlungener Ausführung fremder Aufträge zu belasten um
diese den Augen der Kontrolle zu entziehen, wie das in der Praxis ge-
legentlich vorkommen soll.«) In beiden Fällen würde es sich um einen
Verstoß gegen die Sitten und Gebräuche des ordentlichen Kaufmanns
handeln.
Zusammenfassend können wir unsern Standpunkt in der Frage der
Bewertung der Betriebsgegenstände kurz folgendermaßen wiedergeben-
Der historischen Entwicklung, sowie dem Wesen der Bilanz
entsprechend ist bei der Bewertung vom Anschaffungs- resp
Herstellungs- (Selbstkosten-) preis auszugehen. Dieser soll ein
angemessener, den Umständen entsprechender sein. Der maß-
gebende Betriebswert wird gefunden, indem der Entwertung
des Betriebsgegenstandes durch angemessene Abschreibungen
vom Anschaffungs- resp. Herstellungspreis Rechnung getragen
wird. Ursache der Entwertung kann eine materielle oder im-
materielle Abnutzung sein.
Damit können wir kurz auf den Gedankengang der 4. Gruppe ein-
treten, der sich vor allem um die Frage der Abschreibungen dreht.
iMscher, der Hauptvertreter dieser Gruppe von Bilanzschriftstellem, be-
I- . *) Ob Folliet allerdings unter „valeur reelle" einen in unserm Sinne formu-
lierten ßetriebswert versteht, ist zum mindesten fraglich. Er betont etwas zu stark
die Bedeutung des Veräußerungswertes auch bei der Bewertungsfrage der Betriebs-
gegenstande. (Seite 31, 55, 57,8.) ^
!L^'i^V'^^]^ ^*- ^ ^' ^®*^^ ^^)- Simon (a. a, O.. Seite 409) führt noch
aus: „Will der Kaufmann am Ende des Jahres seinen Gewinn und Verlust feststellen
so muß er daher die Betriebsgegenstände zum Kostenpreise unter Berücksichtigung
der Wertminderung in die Bilanz setzen. Jede andere Berechnung, insbesondere
etwa die Ertragskap italisierung, würde eine willkürliche sein, und ist daher eine
solche andere Berechnung, wie gegenüber der neueren Rechtsprechung des Reichs-
gerichts nochmals nachdrücklich hervorgehoben werden mag, niemals von Aktien-
vereinen gemacht und niemals von den Verwaltungsbehörden ver-
langt worden. Sie würde Gewinne und Verluste annehmen, welche tatsächlich
nicht enstanden sind und deren Entstehung, so lange der Gegenstand seinem dauernden
Zwecke erhalten bleibt und daher nicht veräußert wird, regelmäßig ausgeschlossen
erscheint. Stellt sich heraus, daß die Gesellschaft auf wirtschafilich nicht haltbarer
Grundlage, msbesondere bezüglich der Rentabilität, begründet ist und wird infolge-
dessen eine Reorganisation derselben nötig, so tritt, wie wir bereits Seite 366 ge-
sehen haben, bisweilen seitens der Gesellschaft eine Herabsetzung der Werte der
Betriebsgegenstände ein. Derartige außerordentliche Fälle bestätigen nur die hier
vertretenen Grundsätze. Denn eine solche Herabsetzung enthält das Anerkenntnis,
daß die betroffenen Betriebsgegenstände für die Gesellschaft nicht denjenigen Be-
iriebswert haben, welcher bei deren Erwerb vorausgesetzt wurde Ob der Ver-
außerungswert sich geändert hat, ist dagegen unerheblich.'*
5*
!•
i
68
streitet vor allem die Möglichkeit, den Gebrauchswert einer Sache im
wirtschaftlichen Sinne in der Buchführung ziffernmäßig in Geld ausdrücken
zu können. Er schreibt w^örtlich*): „Eine ganz andere Frage aber ist
die, ob man das, was man wirtschaftlich den Gebrauchswert nennt, auch
in geldeswerte Ziffern einkleiden und so buchführungsmäßig zum Aus-
drucke bringen kann. Sowohl Reisch-Kreibig als auch Simon vertreten,
und zwar der letztere mit sehr großem Nachdruck, die Ansicht, daß der
von ihnen bezeichnete Wert einer Gebrauchssache ganz derselbe wäre,
wie der in den Büchern und der Bilanz geführte. — Im nachstehenden
werden Gebrauchs- und Nutzungsfähigkeit, sowie Brauch- und Nutzbarkeit
miteinander in gleichem, und zwar in dem Sinne gebraucht, daß darunter
alle wirtschaftlichen Vorteile verstanden werden, die eine Sache durch
Gebrauch ihrem Besitzer gewährt und der diesen Begriffen entsprechende
Wert wird mit Gebrauchs- oder Nutzungswert bezeichnet. Dies voraus-
geschickt wird zu verneinen sein, daß es jemals möglich ist, in der Buch-
führung unmittelbar den Nutzungswert ziffernmäßig in Geld darzustellen;
(das wäre nur beim Vermieten und Verpachten, also durch Vermittlung?
eines hinzutretenden Rechtsverhältnisses denkbar), und auf diesen Umstand
kommt es doch allein in der Buchführung an.
Die vorstehenden Ausführungen beweisen deutlich, daß der buch-
mäßige Wert eines Benutzungsgegenstandes nicht mehr und nicht weniger
ist, als der jeweilig in einer bestimmten, dem Gebrauche dienenden Sache
angelegte Teil des Geschäftskapitales. Ausschließlich nämlich im An-
schaffungspreis besteht der ursprüngliche Wert der Sache sowie ausschließ-
lich in dem quotalen Reste dieses Preises besteht der spätere Wert, in
der Weise, daß der Restbetrag unter Zugrundelegung der wahrscheinlichen
Gesamtdauer der Sache als Gebrauchssache bestimmt wird. Hingegen
kommt darin nicht und kann auch nicht zum Ausdruck kommen der
Nutzen, den die Sache in Wirklichkeit für den Geschäftsbetrieb hat."
Ungefähr auf demselben Standpunkt steht Schmalenbach«):
„Fischer weist darin nachdrücklich darauf hin, daß der Buchwert der
Gebrauchssachen nicht unter die nationalökonomischen Wertkategorien
fällt, vielmehr den um die Amortisationsquoten verringerten Anschaffungs-
wert darstellt; diese Tatsache wird sowohl in der handelsrechtlichen als
auch handelstechnischen Literatur durchwegs übersehen . . . Der Verfasser
weist mit Recht darauf hin, daß die Abschreibung keine Abschätzung der
Abnutzung ist und sein soll, sondern eine Amortisationsquote, die ledig-
lich die Gesamtnutzungsdauer in Betracht zieht. Genauer wäre zu sagen
gewesen, daß auch die Gesamtnutzungsdauer nur sekundär in Betracht
kommt, primär dagegen die Entschließung des Kaufmanns über die An-
zahl der Jahre, denen die Kosten einer Gebrauchssache zur Last fallen
sollen. Die Gebrauchsdauer stellt lediglich ein Maximum dar.
Daß übrigens tatsächlich die Rücksicht auf faktische Abnutzung
(und faktische Wertv^erminderung aus anderen Gründen) bei dtn Ab-
schreibungen des Kaufmanns, sagen wir einmal tertiär nebenhergeht, ist
*) Fischer, die Bilanzwerte, a. a. O., Seite 48 und 51, ferner seine Grund-
lagen der Bilanzwerte, a. a. O., Seite 50 ff.
«) Schmalenbach, in seiner Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung,
U. Jahrgang 1907/08, Seite 79/80. Ferner ebenda I. Jahrgang 1910 11, Seite 379 ff,
VII. Jahrgang 1912/13, Seite 142.
69
dem Verfasser gewiß nicht entgangen; seine natürliche Position in dieser
Diskussion mag es ihn vergessen gemacht haben.'*')
Das große Verdienst von Fischer und Schmalenbach ist es, darauf
li ingewiesen zu haben, daß der zu Buch stehende Betrag der Betriebs-
gegenstnnde nicht mit dem Gebrauchswert im volkswirtschaftlichen Sinne
identisch sei. Die Beispiele, die sie ihrer langjährigen Praxis entnehmen
können, sind zur Beweisführung ebenfalls sehr geeignet. Daß Simon hie
und da seinen individuellen Betriebswert zu weit faßt, ihm etwas zu sehr
der Gebrauchswert der Nationalökonomie vorschwebt, kann nicht geleugnet
werden. Es ist dies vor allem der Fall, wo er seine von uns kritisierten
Ausfuhrungen über den Erwerbspreis macht. Dagegen scheint es
uns doch zu weit gegangen zu sein, jeglichen Gebrauchs-
resp. Betriebswert ablehnen zu wollen. Es handelt sich
eben um den privatwirtschaftlich-bilanzmäßigen Gebrauchs-
wert als B e t r i e b s w e r t. Wie wir schon gesehen haben, sind bei
Ihm die Grenzen enger gezogen als beim volkswirtschaftlichen Gebrauchs-
wert. Wie der individuelle Gebrauchswert bestimmt wird, dafür haben
wir die allgemeine Fassung bereits formuliert. In der Praxis kommt es
allerdings im großen und ganzen darauf heraus, daß die Anschaffungs-
kosten auf die einzelnen Jahre der mutmaßlichen Gebrauchsdauer verteilt
werden. Fischer und mit ihm Zimmermann nennen diese Methode zu-
treffend das „Prinzip des zeitlichen Kostenausgleiches««). Ob
es aber immer angängig ist, eine Entwertung nicht sofort größtenteils
abzubuchen, sondern auf den Rest der Gebrauchsjahre zu verteilen kann
vor allem für die immaterielle Entwertung kaum ausnahmslos bejaht
werden. 3) Dann gibt es Betriebswerte, die nicht notwendigerweise eine
Entwertung erfahren müssen, z. B. Grundstücke, Anlagewertpapiere Die
Formulierung der Betriebsgegenstände einfach als Aufwendungen die
dann den einzelnen Jahren der Gebrauchsdauer als mehr oder weniger
gleichmäßigen Betrag anzulasten sind, ist theoretisch nicht ganz haltbar
indem sie sich zu einseitig auf diejenigen Vermögenswerte bezieht, die
sich abnutzen. Wir glauben, daß bei den meisten Bilanztheoretikern in
ihren Formulierungen nicht immer in genügendem Maße auf die Ver-
schiedenartigkeit der einzelnen Komponenten der Betriebsanlagen Rück-
sicht genommen worden ist. Gerade in dieser Beziehung ist die von uns
im theoretischen Teil vorgenommene Einteilung der sogenannten indirekt
rentablen Werte (Betriebsgegenstände) in: 1. Sachwerte (Güter), a) die
sich rasch abnützen, ß) die sich langsam abnützen; 2. Werte, die sich
nicht abnützen; 3. immaterielle Werte, ol) moralische, rechtliche und
ß) fiktive, von Bedeutung.
V Siehe Zimmermann, a.a.O., Seite 266/9; Kovero, a.a.O., Seite 71 (f.;
Buff,""!' a' O S^te^85/7 ^^^^^'^® im Bankarchiv, 13. Jahrgang 1913/14. Seite 151;
Seite 210^'^^*^^^' ^'^ Bilanzwerte, a. a. O., Seite 91; Zimmermann, a. a. O.,
.*) Bereits die Simonsche Formulierung seines individuellen Betriebswertes
laut eine gewisse Verteilung auf die einzelnen Jahre der Gebrauchsdauer zu, indem
er von der verhältnismäßigen Minderung des Betriebswertes spricht. Auch
uir haben ein solches Vorgehen im Auge; denn wir verlangen nicht, daß eine even-
tuelie Entwertung sofort über Gewinn- und Verlust-Konto abgebucht werden müsse
Wir haben uns folgendermaßen ausgedrückt: Der maßgebende Betriebswert wird
gefunden, indem der Entwertung des Betriebsgegenstandes durch angemessene Ab-
Schreibungen vom Anschaffungs- resp. Hersteilungspreis Rechnung getragen wird
i
~1
70
Schmalenbach (in seiner Zeitschrift, Seite 79, II. Jahrgang) macht
gegen Fischer noch folgende Einwendung: „Eine Ungenauigkeit in der
Darstellung ist auch darin zu erblicken, daß eine Grenze zwischen Ge-
brauchs- und Veräußerungssache für die kaufmännische Bilanzierungs-
technik angenommen wird, die tatsächlich nicht besteht; die Tatsachen
sind vielmehr folgende: Der Kaufmann unterscheidet 1. eine Sachen-
bewertung durch Inventarisierung und Abschätzung und 2. eine Ab-
schreibungsbewertung durch Einsetzen des Anschaffungswertes vermindert
um Amortisationsquoten (und Vermehrung um Zugänge). Die Hand-
handhabung ist nun aber nicht so, daß die Methode 1. lediglich für Ver-
äußerungssachen, die Methode 2. ausschließlich für Gebrauchssachen an-
gewendet wird. Es gibt Fabriken, welche die Werkzeuge durch einfache
Zugangsverbuchung und jährliche Abschreibung (ohne Inventur) behandeln,
während andere für gleichartige Werkzeuge, Bestandsaufnahme und Ab-
schätzung vorziehen. Es gibt beispielsweise Walzwerke, welche die Walzen
inventarisieren, und es gibt Walzwerke, die sie mit Abschreibungen be-
handeln. Anderseits kommt es nicht selten vor, daß lange lagernde
Waren, Hilfsmaterialien und dergleichen, durch die Technik der Ab-
schreibungi) erfaßt werden. ^^
Wir möchten Schmalenbach zustimmen, daß in der Tat die Schei-
dung der Vermögenswerte in Veräußerungs- und Betriebsgegenstände für
die Bilanzierungstechnik nicht besteht und notwendigerweise auch nicht
bestehen muß. Es kommt bei der Bewertung nicht auf die Technik an,
der man sich bedient, um zu einem brauchbaren Resultat zu gelangen.
Immerhin ist zu sagen, sollte in einem gegebenen Falle die gewählte
Methode zu einem unrichtigen, d. h. ungenügend genauen Ergebnis führen,
dann wäre der Kaufmann gezwungen, ein anderes Verfahren anzuwenden.
Für die Bewertungsfrage dagegen wird die oben genannte Unterscheidung
von sehr großer Bedeutung. Wir haben zwar gesehen, daß sie nicht
immer absolut zutrifft, wie z. B. dann nicht, wenn für einzelne Ver-
äußerungsgegenstände (oft bei den Quasi- Veräußerungsgegenständen) ein
Verkaufspreis als Orientierungsmittel für die Bewertung schwer ermittelt
werden kann. Dann kommt eben der Betriebswert in Frage. Immerhin
bleibt der fundamentale Unterschied bestehen, daß bei den Veräußerungs-
gegenständen, auch wenn ein Verkaufspreis nicht festgestellt werden kann,
die Absicht der Veräußerung bei Ermittlung dieses Betriebswertes eine
Rolle spielt.
Im Gegensatz zu Scheffler, Simon und Berliner«), die auf dem Stand-
punkt eines individuellen Gebrauchs- oder Betriebswertes stehen, haben
wir noch kurz jene 2. Kategorie von Autoren zu nennen, die mit der
Subjektivität in der Bewertung nicht so weit gehen wollen. Es sind dies
vor allem Staub, 3) Rehm*) und Lehmann, die als maßgebend einen
*) Ueber die Abschreibungsfrage, auf die in dieser Abhandlung nicht
näher eingegangen werden kann, vergleiche Schmalenbach: Die Abschreibung,
in seiner Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, III. Jahrgang 1908/09,
Seite 81 ff., derselbe ebenda II. Jahrgang 1907/08, Seite 79/80, V.Jahrgang 1910/11,
Seite 378 ff. Berliner: Buchhaltungs- und Bilanzlehre, 3. Auflage, Seite 75 6, 101 ff.
Fäs, (a.a.O.). Schiff Emil: Die Wertminderungen an Betriebsanlagen, Berlin 1909.
2) A. a. O., Seite 88: Simon, die Bilanzen der Aktiengesellschaften, 2. Auflage,
^ 78, spricht deshalb treffend von einem individuellen Wert. Ferner derselbe,
Seite 92. Einen objektiven Wert gibt es nicht.
') Staub: Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Berlin 1912, 9. Auflage»
Seite 235.
♦) Rehm, 2. Auflage, a. a. O., Seite 359.
71
sogenannten Geschäfts wert für die Bewertung der Betriebsgegenstände
vorschlagen. Dieser läßt sich charakterisieren als einen solchen Wert, wie
Ihn die betrefifenden Betriebsanlagen nicht für jeden beliebigen Geschäfts-
inhaber, sondern für jeden verständigen, bedächtigen, vorsichtigen (ordent-
lichen) Besitzer des Geschäftes repräsentieren.«) Wir schließen uns der
Ä^f^^ ^^r^^^. (^V^- ,^' Seite 93) an, der meint, der Ausdruck
Geschäftswert sei ein absolut wertloser, weil sich gar keine bestimmte
Vorstellung damit verbmde. In der Tat ist die Absicht, mit dieser Ab-
änderung der Simonschen Formulierung, dem subjektiven Ermessen des
Bewertenden Schranken zu ziehen, nicht zu erreichen. Lehmann«) fögt
denn auch hinzu, daß dieses im Grund genommen auf ungefähr dasselbe
herauskomme, was Simon mit dem „individuellen Wert« verstehe nur
ziehe Simon an einzelnen Stellen Folgerungen, welche nicht haltbar ^eien.
H.n r^5 ^^^ ^- ^["PP\^,^n ß"anzschriftstellem, die sich ausdrücklich auf
den Gebrauchswert der Nationalökonomie stützen: Reisch & Kreibig^)
und Nicki 1 seh*) haben wir in diesem Zusammenhang nicht mehr ein-
zugehen; die nötige Kritik ist schon bei der Besprechung der Scheffler-
Simonschen Lehre geübt worden. ^"ciucr
Damit haben wir die Besprechung und Kritik der Bewertungsfrage
^fL Betriebsgegenständen beendigt. Es ginge über den Rahmln
dieser vorwiegend theoretischen Untersuchung hinaus, noch weiter auf die
Bewertung der einzelnen Bestandteile des Betriebsvermögens einzutreten.
i\ur zwei derselben sollen noch kurz etwas näher erörtert werden, weil
D^Trlal H ^"^f^^^ Abhandlung nicht genügend berücksichtigt wurden:
Die l^rage der Anlagewertpapiere, sowie die immateriellen Werte.
C. Die Anlagewertpapiere.
H,vc m ' ^'^^ Unternehmungen, die Wertpapiere mit der Absicht kaufen,
dieselben als dauernde Anlagen zu behalten. Es handelt sich also um
Betriebsgegenstände und keineswegs um Veräußerungsgegenstände. Dieser
Umstand ist für die Art der Bewertung von grundlegender Bedeutung.
Es erhebt sich die Frage, können solche Betriebseffekten nach dem Wort-
laut des geltenden Rechts auch als solche bilanziert werden > Für die
^chweiz ist es dann zweifellos abzulehnen, wenn es sich um kurs-
habende Papiere handelt. „Kurshabende Papiere sind nicht nur jene
welche einen Börsenkurs haben, sondern auch die, welche im freien Ver-
kehr, wie Ihn vor allem die Banken pflegen und dafür auch Kursnotizen
herausgeben, gehandelt werden. ... Die Vorschrift (O. R. 656, Ziff 3)
gih für alle l^rshabenden Wertpapiere schlechthin, auch für solche, 'die
zu billigerem Kurse hereingenommen (Gegensatz zu Ziff 2) ja sogar viel-
eicht geschenkt wurden wie für solche, die als sogenannte dauernde An-
läge behalten werden Sie gilt anderseits nur für kurshabende Papiere,
also z. B.jiicht für Schuldbriefe, Entscheidung des Bundesgerichts vom
») Vergleiche auch Kovero, a. a. O., Seite 77/9; Buff a a. O Seite «2/q.
Passow, a. a. O., Seite 92/3. ^ * ' ' ^®*^® **^'^'
«) Vergleiche Kovero, a. a. O., Seite 79.
») Reisch & Kreibig. Bilanz und Steuer, 3. Auflage,«Wien 1914 S^te 339
«.;of '^ '^/^Hj.^^'^^' *• *• ^' Seite 98. Nicklisch geht bei seinen Untersuchungen
^rr.t3..h fH-T '^'- T'i'!^''' ^^^^'"^ ^' ""^' d^ß seine AusführungerXe^^^^
rrs^S'^chrt^^ffe^^^^^^^ ^^^^ ^^ ^--^^"- a/crdmÄ^e
-
^2
22. Juni 1901 i. S. Schweitzer g. Hypothekarbank Zürich."») Für das
Deutsche Reich gehen die Auffassungen auseinander, die einen bejahen
die Zulässigkeit der Bewertung nach § 261, Abs. 3, die andern bestreiten
sie.2) Daß gewisse Kategorien von Unternehmungen ein sehr großes
Interesse an der Möghchkeit der Bewertung gewisser Wertpapiere als
Betriebsgegenstände haben, ist nicht zu leugnen. Es wären da zu nennen:
Banken, finanzielle Trustgesellschaften, ferner auch Sparkassen und Ver-
sicherungsgesellschaften. Aber auch der Staat als Kreditnehmer kann
daran ein Interesse haben, indem unter Umständen seine Schuldverschrei-
bungen als Anlagepapiere weniger gekauft werden.») Rein ökonomisch
betrachtet, kann man wirklich nicht einsehen, weshalb beispielsweise
Schuldbriefe und nicht kurshabende Papiere als Betriebsgegenstände be-
handelt werden dürfen, während die kurshabenden Effekten davon aus-
geschlossen sein sollen. Wir stehen vollkommen auf dem Standpunkt
von R ei seh (a. a. O., Seite 306): „Allerdings hat § 261 die Unter-
scheidung von Veräußerungs- und von Betriebsgegenständen rezipiert,
aber er hat die Unterscheidung nicht als obersten Einteilungsgrund
anerkannt, sondern ein anderes Moment an die Spitze gestellt, nämlich
den Umstand, ob das Vermögensstück einen »Börsen- oder Marktpreis«
besitzt oder nicht. Von dem hier betonten Standpunkt der Subjektivität
des Werturteiles kann diese Systematik nicht gebilligt werden: Das Be-
dürfnis nach einer richtigen Ertragsnachweisung*) und die Richtigkeit
dieser Ertragsnachweisung ist offenbar ganz unabhängig von dem Um-
Stande, ob sich der Preis des Vermögensstückes schwer oder leicht be-
stimmen läßt, entscheidend ist vielmehr nur, ob die Absicht besteht,
das Vermögensstück als Veräußerungs- oder als Betriebsgegenstand zu
verwenden, weil von letzterem Umstände die Bedeutung der Tausch-
wertveränderung für die Ertragnach Weisung abhängt.« Eine gewisse
Schwierigkeit liegt nun darin, die fraglichen Effekten als Anlagepapiere
erkenntlich zu machen. Eine Lösung wäre die, daß der Gesetzgeber ver-
langen würde, daß dieselben in der Bilanz besonders aufgeführt werden
müssen und als solche ausdrücklich zu bezeichnen sind. In letzter Linie
bleibt dies natürlich eine Vertrauensfrage in die maßgebenden Organe
der Gesellschaft. Daß diese Kategorie von Wertpapieren ihren Charakter
ändern kann, ist ohne weiteres klar. Durch gewisse Umstände gez^siingen,
kann eine Unternehmung in die Lage kommen, die früher als Betriebs-
effekten aufgeführten Papiere, nunmehr als Veräußerungsgegenstände zu
bilanzieren, was für die Bewertung von großer Bedeutung ist. Die als
dauernde Anlage bestimmten Effekten haben einen Betriebswert für die
Gesellschaft, auf diesen kommt es in erster Linie bei der Bewertung an,
sekundär allerdings kann auch ein eventueller Markt-, Börsen- oder Ver-
äußerungspreis Bedeutung erlangen. Nach N i c k 1 i s c h (a. a. O., Seite 101)
;,ist bei dauernden Beteiligungen der Nutzen zusammengesetzt. Er ergibt
sich zum Teil unmittelbar, zum Teil mittelbar. Der unmittelbare besteht
r»- T u^ Fachmann a.a.O., Seite 193. Vergleiche auch Zimmermann, Dr H.:
Die Jahresbilanz der Aktiengesellschaft nach deutschem und schweizerischem Recht.
Zürich. Diss. Seite 243/4.
») Reisch i. Bankarchiv 9, a. a. O., Seite 305 und 369, ferner Zimmer-
mann, a. a. O., Seite 219 und 243, insbesondere seine Zitate.
») Reisch, a. a. O., Seite 305.
ab elellt^^^ Formulierung der Bilanz nur als ErtragsermitÜungsbilanz haben wir
73
in dem Gewinn, der auf den Anteil an den Geschäften anderer Unt^r
nehmungen entfallt, der mittelbare in den Vorteilen, 2Te durch ßt
teihgung sichergestellten Geschäftsbeziehungen für den eigenen Betrat
für den eigenen Umsatz haben. Auch Schaden entspringraus Sen
Beziehungen^ Ist eine Unternehmung mit anderen »verhiratet. so ist
sie in Ihren Entschließungen nicht mehr ganz frei, vielmehr genö i^ auch
einzukaufen oder zu verkaufen, wo es für sie mit Nachteil glschieht' oder
fn leTSTt ""w ''''h" ^^"--^--^ ^- -e selbst ficht genügend
in der Hand hat. Wenn der gesamte reine Wert des Nutzens in einem
Betrage zusammengefaßt und dieser zu dem üblichen Zinsfuße kapitaS
Zl'l hm'' ^'' *^^»^^re^^^"^'* festgestellt^!) Für andere Fap^Tvor
allem Obligationen und Staatsschuldverschreibungen fällt natürlich' das
erste Moment, der unmittelbare Gewinn an Geschäften anderer Unter
nehmungen weg. Hier ist die Feststellung des Betriebswertes dn^
SnTen't: Sf " h'''^^^"^ '"^'^^^.'^"'^ ^^^'"^ larersidrnicht
gewinnen. Es gelten die von uns aufgesteUten allgemeinen Grundsätze
für die Bewertung der Betriebsgegenstände. Doch flhlen hier sozusagen
jeghche äußeren Anhaltspunkte für die Ermittlung des BilaTzwertesfes
maßgebenden Betriebswertes. Eine Behandlung^ als AufwendTng^ und
iZL h ""?. ^^^,^"%^wendeten Kosten auf die Gebrauchfdauer
kommt hier nicht in Frage. Erstens braucht nicht unbedingt eine Ent-
wertung vorzukommen; zweitens kann meistens eine Gebrauchfdauer nicht
bestimmt werden Die Anlagewertpapiere sind ein Beis^ wo dn Ver-
teilen von Betriebswerteinbußen auf spätere Jahre unter Umständen mh
den Grundsätzen des ordentlichen Kaufmanns unvereinbar wäre Es ka^n
tZr '"r ^'n " ^"^ ^"" ^^*"' ^^"" ^^ ^i^h um Aktien oder Obl"
gationen industridler Gesellschaften handdt, die Entwicklung derselben
aber die gehegten Erwartungen Lügen straft. Unter diesen ^UmstSden
Wertung als Betriebsgegenstand kdne Berechtigung. Hier handelt es tich
n weitgehendem Maße um dne Vertrauensfrage in das richtige Uchäft
liehe Ermessen und die Rechthchkdt der Verwaltung und KontrolS^^^
Eine e was liberalere Behandlung kann man Staatspapieren ode sSlen
mundelsichern Papieren angeddhen lassen; vor allem wenn die Entwertung
keine dauernde ist oder aber dne Rückzahlung zum Nennwert zu Sen
Ander'seiSTäßt ^T/T"" /""l ^"■^'. ^'^^^'^ ^^^ ^ -^rt"
Anderseits läßt sich doch vielleicht nicht ganz von der Hand weisen
tfiJT""\^^"u^T''' '"^ ^''^' ^^^ ^^^^« Gesellschaft dren -^'
natürlich nicht objektiv, sondern nur subjektiv ~ höhern Wert oder
anTrn ^"f^'' ,f "^S^" ^^^^^^^' haben können, als im Besitz eine
andern. Eine Versicherungsgesellschaft hat beispidsweise ihre Verträge
ico^mor^vn^If^"^'*^' Kapitalisierung weisen ebenfalls hin:
Kreditf Xrt Vach^^e;:rmrn'"a\"'o" in'c "^^^t^^iomische Lehre vom
Ökonomie und StatLi^SeitTm ' ^''"'^'*' Jahrbüchern für National-
AnmerkunrJ''^^'''' '' '' ^'' ^"^" '' ^' ^^^'^™*"«' -• ^' O., Seite 193/4.
Nach unserer Auffassung kann dieses Moment fii- a;^ di
Vergl. auch Simon (a. a. O., Seite 409).
«) Siehe auch B ach mann, a. a. O.. Seite 191.
*) In der ,Neuen Zürcher Zeitung« vom 26. November 1914
^mvii"^
T* >
74
unter Zugrundelegung einer vierprozentigen Verzinsung ihrer Fonds ab-
geschlossen und ihre Prämienreserven in der Tat in vierprozentigen erst-
klassigen Staatspapieren, die sie zu pari gekauft hat, angelegt. Sie denkt
auch nicht daran, diese Papiere zu verkaufen. Was verschlägt es denn
nun, wenn diese Papiere, deren Zinseingänge ja unverändert bleiben, vor-
übergehend auf 90 Prozent im Kurse zurückgehen ? Die Gesellschaft hat
die gleichen Einnahmen wie früher und der schließliche Rückzahlungswert
ihrer Anlagepapiere ist bei der Solidität ^es Schuldners auch der gleiche
geblieben. Hier hat es in der Tat wenig Sinn, einen Verlust auszurechnen,
der bei dem Umstände, daß das einbezahlte Aktienkapital von Ver-
sicherungsgesellschaften in der Regel gegenüber dem Effektenbesitz klein
ist, sehr leicht zur Dividendenlosigkeit der Aktien führen und dadurch
dem Kredit der Gesellschaft erheblich schaden kann." — In gleicher
Weise darf auch hier, wie bei den übrigen Anlagen, der Anschaffungs-
preis nicht überschritten werden.
D. Die immateriellen Werte.
Aehnlich wie bei den soeben behandelten Anlagewertpapieren liegen
die Verhältnisse bei den immateriellen Werten. Auch hier fehlen sehr
oft positive Anhaltspunkte für die Bewertung. In Anlehnung an die
Systematik von Folliet^) haben wir eine Zweiteilung derselben in
a) moralische, rechtliche und b) fiktive vorgenommen. Zu den
moralischen, rechtlichen gehören: Kundschaft, Patente, Lizenzen, Geheim-
verfahren, Verlags- und Urheberrechte, Konzessionen etc. Die be-
deutendsten unter den fiktiven sind die Organisations- und Gründungs-
kosten, Obligationendisagio etc. Für diejenigen Werte, für die eine Ge-
brauchsdauer (z. B. Konzessionsdauer, Laufzeit der unter pari ausgegebenen
Obligationen, gesetzliche Schutzfrist) in Betracht kommt, kann man unter
Umständen die aufgewendeten Kosten auf die verschiedenen Jahre der-
selben verteilen. Gegen ein solches Verfahren kann bei Konzessionen
und Obligationendisagio nicht viel eingewendet werden. Aber auch hier
ist die Regel nicht absolut. So könnte unter Umständen eine VerteUung
der Kosten eines Patentes oder einer Lizenz selbst auf die Jahre der ge-
setzlichen Schutzfrist nicht ungefährlich werden, denn dafür kann der
Gesetzgeber keine Garantie übernehmen, daß nicht eines Tages ein ge-
schütztes Patent durch eine bessere, originellere Erfindung überholt werde.
Mit Rücksicht auf den unsichern Charakter dieser Vermögenswerte wird
also eine möglichst rasche Abschreibung derselben geboten sein. Auch
hier muß auf das verständige Ermessen, die solide Geschäftsgebarung der
bewertenden Organe der Aktiengesellschaften abgestellt werden. Im-
materielle Werte, die von einer Gesellschaft nur zum Zwecke des Wieder-
verkaufes erworben wurden, besitzen die Eigenschaft von Veräußerungs-
gegenständen.«) Sie richten sich nach den für dieselben maßgebenden
Bewertungsgrundsätzen. Die von Folliet vorgeschlagene Einteüung der
immateriellen Werte in oben genannte zwei Hauptkategorien ist vor allem
für die Frage der Abschreibungen von Bedeutung. Die moralisch, recht-
lichen sind eventuell realisierbar, die anderen dagegen in keinem Falle.
*) In seinem Buch: La Bilan etc., a. a. O., Seite 40, sowie in seiner Antritts-
vorlesung: Les Amortissements, a. a. O., Seite 88/9.
') Zimmermann (a. a. O., Seite 283). Mit seiner Interpretation der gesetz-
lichen Bewertungsvorschriften für die Schweiz sind wir auch hier, wie wir schon
früher ausführlicher gezeigt haben, nicht einverstanden.
75
Der Gesetzgeber hat in O. R., Art. 656, Abs. 1, eine aktivische Behand-
lung der sogenannten Organisationskosteni) während 5 Jahren ausdrücklich
zugelassen, immerhin mit der Einschränkung, daß in jedem Jahre S
destens der entsprechende Bruchteil als Ausgabe zu verrechnenTt
Aehnhches kann von dem Obligationendisagio gesagt werden- auch her
muß dasselbe durch jährliche Abschreibungen hl zum VeSar(Rück
Zahlungstermin der Obligationen) amortisiert werden. (O. R., KS.
Ffine\s? Fn "^' '^"^ ""'"'"' ^''"^^'^"^ ^^^ Ausführungen
mora les et firt^v.^ TT"' 'f "^"^ ^^^^^^^erise les valeurs immobilisles
morales et fictives, c'est que leur estimation est arbitraire
, II en resulte que Pamortissement de ces valeurs ne peut etre con-
sider^ comme obligatoire en Pabsence de benefice, k moins^ue des dTs-
positions legales ou statutaires ne Pimposent.
Par contre, on peut poser le principe qu'il est de bonne ad
m.„.strat,on d'amortir les valeurs evemuelleme„;' realfsables et qu'l est
preferable d'amortir rapidement les valeurs fictives "
Es wäre nach unserer Ansicht durchaus verfehlt, woUte hier der
Hrh^I'^V Lu" '*^'''^" ^'•^'"^" '" '^'^ "^"'^'''^ komplizierten wirtschaft-
iTil!" Verhältnisse eingreifen. Wir zweifeln, ob es möglich wäre, in
dieser Frage überhaupt brauchbare Vorschriften aufstellen zu könken
Fol he t schlägt (m seinem Buche über: Le bilan etc., a.a.O., Seite 49)'
Sfur mo°nr'i. "'' l "^ r--^^ '''' P°"^ ''-^ '^ bilan aucuni
fi^fnn T ''^'"^^ Pendant le cours d'une societe, sauf en cas de
veUe branch^S"" "^^ '"'"'' ^"^ °P'"*'°"^ P^^ '^ '^^^^**°" ^'une nou-
velle branche d affaires, ou encore en cas de rachat, par une societe
d une entreprise döjä en activitö. ' societe,
2« Une valeur morale ne pourra pas 6tre portöe dans le bilan pour
dMucZnM^^^TT ^ ""^"^ P°"' '^*J"^"^ ''"^ '^g""'t rannte prec^dente,
deduction faite de Pamortissement.
.... ^^ ß^^ allgemein gehaltenen Vorschläge zu besseren Resultaten
fuhren wurden als die bisherige Freiheit, bleibe dahingestellt. ''^'""^*^"
,„.h ^.'"'''^'*/"='? möchten wir noch einmal ausdrücklich bemerken, daß
rkvhi ""^ ■, ^ "'« "^'^'" Betriebsgegenständen, der Erwerbspreis»)
die Höchstgrenze darstellt«) Darüber hinaus darf nicht gegangen werden.»)
E. Die Werterhöhung bei Betriebsgegenständen.
roiiiei ^a. a u., i>eite 41), Zimmermann (a. a. O., Seite 80)
S«ite o«/o ^'f^;^^'^' 7^™*"^' ^^- ^- 9" ^^'^^ *<^<^)- Vergl. auch was er ausführt
Utlratur Zimmermann (a. a. O., Seite 281 ff.), sowie bei ihm wekefe
») Vergl. unsere Ausführungen: § 14, ß. III.. b, 3.
Fra^e kommt^Ä n.^rh ^^^^"''^a'^^"^^"'-^»^ J^ ^^" Anschaffungspreis nicht in
Trage kommt, durfte nach unserer Ansicht ein angemessener schätzunesweise festl
gestellter Anschaffungspreis der Bewertung zugrunde gele^ wtrder W^^^^
es dann darauf an. ob es sich um Veräußerungs- oder^SCe^^^^^^
sie wurden s.ch dann nach den von uns für diese Vermö7enSS^^^
Bewertungsgrundsatzen richten. Ausführlicheres bei Zimmermann (aa O sSte23%
Siehe auch Bachmann (a. a. O.. Seite 193. Ziffer ^t"™^'™*"" va-*-"'^«»^«239).
betrac'hlf LeiT/Z'n^^^^^^ die wir im folgenden Abschnitt E. die aber richtig
Detrachtet, keine Ausnahmen von der Regel darstellen, machen werden.
.
76
ein Ueberschreiten des Anschaffungs-, resp. Herstellungspreises, komme
nicht in Frage. Es entspreche dies dem Charakter dieser Vermögenswerte,
als Aufwendungen, als nicht veräußerbare Werte und stehe auch im Ein-
klang mit dem Gesetz, sowie den Gepflogenheiten der kaufmännischen
Praxis.») Die Frage der Instandhaltungs-, Reparatur-, Ersatz- und Erweite-
rungskosten der Betriebsanlagen scheint nun obigem Prinzip zuwiderzu-
laufen. Es wurde nämlich darauf hingewiesen, daß es doch unzweifelhaft
sei, daß z. B. eine Maschine an Wert tatsächlich zunehmen könne. Dies
werde dann zutreffen, wenn eine Gesellschaft über die nötigen Instand-
haltungs- und Reparaturkosten hinaus Aufwendungen mache. Auch ein
Patent könne im Werte dadurch steigen, daß die Unternehmung sagen wir
noch ein Zusatzpatent erwerbe. In beiden Fällen habe der Betriebswert
der betreffenden Anlagen zugenommen. Es steht der Berücksichtigung der
Werterhöhung in solchen Fällen auch in der Tat nichts entgegen. Immer-
hin müssen zwei Bedingungen erfüllt werden : Die zu berücksichtigende
Wertzunahme darf die dafür aufgewendeten Kosten nicht übersteigen. Eine
solche kann nur dann berücksichtigt werden, wenn derselben eine Leistung
seitens der betreffenden Gesellschaft in der gleichen Höhe gegenübersteht.
Zweitens muß durch die Aufwendungen eine im Vergleich zum Normal-
zustande des Gegenstandes erhebliche Verbesserung eingetreten sein. Es
muß sich also um eine tatsächhche Wert er höh ung handeln. In diesem
Falle haben wir es dann mit einer Art neuen Aufwendung (Anschaffung)
zu tun. Die Ausnahme von der Regel w^ar somit nur eine scheinbare.
Aehnlich verhält es sich mit den Kosten für Erweiterungen und Ergän-
zungen schon bestehender Anlagen. Auch sie dürfen unter die Aktiven
aufgenommen werden, denn es handelt sich um die Anschaffung, bezw.
Herstellung von neuen Vermögensgegenständen.*)
§ 15. Zur Frage der Reform der Bewertungsvorschriften
für die Betriebsgegenstände.
Die Bewertungsvorschriften haben, wie wir gesehen haben, die ver-
schiedensten Interpretationen erfahren. Während die einen auf dem Stand-
punkt stehen, daß die Formulierung des Gesetzgebers mit den Gepflogen-
heiten der Praxis bei nicht allzu wörtlicher Interpretation vereinbart sei«),
verlangen andere eine Abänderung derselben. So vertritt vor allem Pas-
sow die Ansicht, die Bewertungsvorschriften seien in der Weise abzu-
V Vergl. auch Komorzynski: Die nationalökonomische Lehre vom Kredit.
Innsbruck 1903. Seite 194/200.
') Pur weitere Details verweisen wir auf Zimmermann (a. a. O., Seite 263/6\
insbesondere betreffend die Ersatzanschaffungen. Ferner Fäs (a.a.O., Seite 117 ff).
Folliet: Lo bilan etc. a.a.O., Seite 56 und 61. Zutreffend weist er auch auf Art. 5
des Bundesgesclzes über das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896 hin.
') Scheffler (a. a. O. Seite 20), Simon (a. a. O., Seite 299/30), Zimmer-
mann (a. a. O., Seite 210 ff), Fischer: Buchführung und Bilanzvorstellung nach
Handelsrecrit, Leipzig 1913, Seite 50. Er vertritt den Standpunkt, »ur Beseitigung
der durch die Bewertungsvorschriften des § 40 H. G. B. angerichteten „Verwirrung"
bedürfe es keineswegs eines Aktes der Gesetzgebung. „Bereits die Gesetzesauslegung
bietet genügend Handhabe: Gewohnheitsrecht derogiert dem Gesetzesrecht. Darüber,
<iaß es sich bei der verkehrsüblichen Bilanzierung um ein Gewohnheitsrecht handelt,
um eine Uebung, die so, wie sie ist, sein muß und nicht anders sein kann, braucht
nichts mehr angeführt zu werden. Der Grundsatz der selbständigen Bewer-
tung in § 40 ist daher durh die ordnungsmäßige Prüfung der Selbst-
kosten aus Anlaß der jährlichen Erfolgsberechnung zu ersetzen."
<Ruff, a. a. O., Seite 89/90.]
(
77
ändern, daß sie mit der Praxis mehr im Einklang stehen.») „Zunächst aber
muß die Frage aufgeworfen werden, ob allgemeine Bewertungsvorschriften
überhaupt notwendig sind. Meines Erachtens liegt kein dringendes Be-
dürfnis vor, für alle Bilanzen allgemeine Bewertungsvorschriften zu er-
lassen. Es könnten also die Absätze 2 und 3 des § 40 H. G. B. gestrichen
und etwa durch folgende Vorschrift ersetzt werden: Bei der Aufstellung
des Inventars und der Bilanz sind die Vermögensgegenstände und Schulden
nach den Grundsätzen ordentlicher Geschäftsführung zu bewerten, wie das
ähnlich schon auf der Nürnberger Konferenz vorgeschlagen ist (Seite 211) **
Er ist sich allerdings wohl bewußt, daß eine solche Fassung dem privaten
Ermessen einen sehr weiten Spielraum läßt. Wolle man sich deshalb für
alle Bilanzen oder für die Bilanzen bestimmter Arten von Unternehmungen
nicht mit einer so allgemeinen Bewertungsvorschrift begnügen, so müsse
man jedenfalls bei derartigen Vorschriften immer auf den Gesichtspunkt
Q o^i ^vT^™^^^^""^ Rücksicht nehmen. Es wäre dann z. B. die jetzt im
^ 261, Ziffer 3, enthaltene Sondervorschrift zu einer allgemeinen Bewer-
tungsvorschrift zu erheben, es wäre genauer zu bestimmen, was als An-
schaffungs- oder Herstellungspreis anzusehen ist und dergleichen mehr. Zu
diesen Vorschlägen macht Buff (a. a. O., Seite 90, Anmerkung 2) folgende
kritische Bemerkungen : „Hierauf ist zu erwidern, daß es bei der Viel-
gestaltigkeit der geschäftlichen Gepflogenheiten des Einzelkaufmannes, der
ottenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft, für die ja die all-
gemeinen Bewertungsvorschriften des § 40 H. G. B. in erster Linie in
Betracht kommen, gar nicht möglich wäre, sei es für alle Bilanzen, sei es
tur die Bilanzen bestimmter Arten von Unternehmungen, detaillierte Be-
wertungsvorschriften aufzustellen, die der Verkehrsauffassung voll-
kommen Rechnung tragen.« Auch Folliet (a. a. O., Seite 56) ist mit
den. für die A. G. in der Schweiz geltenden Bewertungsvorschriften des
Art. 656, Abs. 2 O. R., nicht einverstanden. „Le C. O., art 656, No. 2, pr^voit
que les machines doivent etre evaluees tout au plus au prix d'acquisition,
et d^duction faite de Pamortissement que comportent les circonstances'
Nous pensons qull ne faudrait pas interpreter cette disposition trop ä la
lettre ; en effet si normalement, une machine ne peut pas augmenter de
valeur entre les mains de la societe, il est pourtant des cas öu eile pour-
rait, ä notre avis, etre portee au bilan pour une somme depassant le prix
d'acquisition; par exemple, lorsque la societe lui aurait fait subir des
modifications importantes, ayant pour effet un accroissement reel de sa
valeur. D'autre part, si la societe a fait une mauvaise affaire, il serait
prefdrable de ne pas inscrire ces machines ou cet outillage au prix d*ac-
quisition. A notre avis, le legislateur aurait mieux fait exiger Pinscription
de ces objets ä leur valeur actuelle ä moins que celle-ci ne füt sup^rieure
au prix d'acquisition."
Seinen kritischen Bemerkungen können wir vollkommen zustimmen,
nicht dagegen seinem Abänderungsvorschlag, und zwar deswegen nicht]
weil er uns nicht genügend aufklärt, was er unter „valeur actuelle" ver-
steht. Aus unsern bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß wir die vor-
geschlagenen Gesetzesänderungen ablehnen müssen. Entweder stützen sie
sich auf eine unrichtige Interpretation der bestehenden Vorschriften, oder
dann auf ein unseres Erachtens unrichtiges Bewertungsprinzip. § 40 des
deutschen H. G. B. regelt in zutreffender Weise ganz allgemein die Bilanz-
0 a. a.O , Seite 111 und 211 , ferner derselbe im Bankarchiv, a.a.O., Seite 150 ff.
78
aufstellungi); § 261 nimmt auf ihn Bezug, § 40 gilt also auch für die
Aktiengesellschaft subsidiär. Was nun speziell die Regelung für die Aktien-
gesellschaft anbelangt, so möchten wir den ausdrücklichen Einbezug der
Anlagewertpapiere in § 261, Abs. 3, und Art. 656 O. R., Abs. 2, vor-
schlagen.
^) Wir stimmen Buff (a.a.O., Seite 92) zu, der schreibt: Wir können daher
den gesetzlichen Bewertungsvorschriften des § 40 H. G. B. mit Scheffler die Aner-
kennung zollen, daß in ihrer Allgemeinheit, welche sich vor der Proklamierung eines
Grundsatzes fernhält, eine legislatorische Weisheit zu erblicken sei, eine Anerken-
nung, die keineswegs allen den Kaufmannstand betreffenden Gesetzen ausgesprochen
werden kann.
Inhaltsverzekhnis.
[,. Vorwort **^
****** •..., J
I. Theoretischer Teil.
Das Wesen der Bilanz ^
§ 1. Historische Bemerkungen *.*.'.'.*.'. e
I 2. Beispiel einer Bilanz -?
§ 3. Der Kapitalbegriff '.*.*.!*.]! jj
a) Der volkswirtschaftliche Kapitalbegriff (Produkt! vkapit'al.'capitai produktiv) 11
c^\ P",^*^^^!'*^^^^^^^^^*^^ (bilanzmäßige) Kapitalbegriff (Erwerbskapital,
c) Der Grundbegriff Kapital in volks- und privatwirtschaftlicher" Hinsicht
(m tabellarischer Form) .r
§ 4. Der Vermögensbegriff ] J^
a) Der privatwirtschaftliche (bilanzmäßige) Vermögensbegriif '. [ [ ' ' ' u
d^ K^^^-^^f zwischen privatwirtschaftlichem (bilanzmäßigem) Vermögen
c) Die Grundbegriffe Vermögen und Kapital in "der Bil'an'z (iii tabell'ar.* Forin) 17
d) Zeriegung des Vermögens in der Bilanz 17
§ 5. Schematische Bilanzaufstellung gO
§ 6. Stehendes undumlaufendesVermögen(Betriebs-u.VeräulJerungsgegenstände) 21
a) ßegrmsbestimmung » » » /
b) Bedeutung des stehenden Vermögens ..'..*.".' 07
§ 7. Das Wesen der Bilanz tt.
a) Im allgemeinen '[ X«
b) Definition der Bilanz ''-........ 32
II. Praktischer Teil.
Der Zweck der Bilanz 03
§ 8. Der Zweck der Bilanz im allgemeinen '.".*.**.*.''* 33
a) Darstellung der Vermögenslage und Erfolgsermittlung als Zweck der Bilanz 33
, b; Vermögens- oder Gewinnermittlungsbilanz? 35
Bewertungslehre *....* 37
§ 9. Der Gesetzgeber in Deutschland und der Schweiz zur Frage der BeweituDß 37
a) Die allgememen Bewertungsvorschriften des § 40 H. G. B. . . 37
b) Die Bewertungsvorschriften für die Aktiengesellschaften des § 261 H G B* 40
c) Die Bewertungsvorschriften für die Schweiz nach O. R. 656 . . " 41
§ 10. Zusammenfassende Darstellung der Bewertungsvorschriften des Aktienrechts 42
a) Tableau über die Bewertungsvorschriften des Aktienrechts ...... 42
b) Die Bewertung der „andern Vermögensgegenstände" .' .* ' 42
§ 11. Was versteht man unter dem Selbstkostenpreis? 45
% 12. Die Bewertung der Veräußerungsgegenstände ! i . ] * . 48
a) Im allgemeinen ' * ' 4«
b) Im speziellen ....*...*. 51
% 13. Reformvorschläge hinsichtlich der gesetzlichen Bewertuiigs Vorschriften für
. 1^ fl^ Veräußerungsgegenstände. 55
$ 14. Die Bewertung der Betriebsgegenstände 55
A. Im allgemeinen . sa
B. Kritik der verschiedenenBewertungsprinzipien für die Betriebsgegenstände 58
1. Uebersicht über die verschiedenen Bewertungsprinzipien 58
II. Schematische Uebersicht über die verschiedenen Bewertungsprinzipien 58
III. Kritik der verschiedenen Bewertungsprinzipien .... 59
a) Objektiver Wert . S9
b) Subjektiver Wert ■'...,..[[. 61
a) Hauptpunkte der Simonschen Bewertungslehre für die Betriebs-
gegenstände ^2
ß) Kritik der Simonschen, sowie der übrigen Bewertungslehren für
die Betriebsgegenstände ^3
C. Die Anlagewertpapiere yj
D. Die immateriellen Werte ...,,'..,..,.,, ] ] . [ ' 74
E. Die Werterhöhung bei Betriebsgegenständen . . . . 75
^ 15. ZurFrage der Reform der Bewertungsvorschriften für die Betriebsgegenstände 76
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