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Full text of "Die Könige der Germanen. Das Wesen des ältesten Königthums der germanischen Stämme und seine Geschichte bis auf die Feudalzeit"

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Die 
Könige der Germanen. 


Uach den Quellen dargeftellt 


don 


Helix Dahn. 


Heunter Sand. 
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die Abtheilung. 
Die Blamannen. 


Feipzig 
Drud und Verlag von Breitkopf und Härtel 


1902. 
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Die 


Könige der Germanen. 


Das Wellen 


des älteften Stönigthums der germanifchen Stämme 


nnd 


feine Geſchihte bis zur Auflöfung Des Aurolingifggen Beiden, 





Nah den Quellen dargeftellt 


von 


Felix Dahn. 


Aennter Band. 


Erfte Abtheilung: 
Die Alamannen. 





Feipzig, 
Drud und Berlag von Breitlopf und Härtel 


1902. v: 





Rn. russ. Sina rin. ME. — 








THE NEW YORK 

PUBLIC LIBRARY 
25715 
ASTOR, LENOX AND 


VULDEN FOLNDATIONS. 
R 1903. L 










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Bald nach der getrennten Veröffentlihung von „Könige VI" 
und den „weftgotifchen Studien“ ftellte fi heraus, daß es aus 
mehreren Gründen angemefiner gewefen wäre, den Inhalt der 
leßteren — Geſchichte der Gefehgebung, Privatrecht, bürgerliches 
und Straf-Verfahren und Strafreht — der Darftellung der Ber- 
faffung der Weftgoten im VI. Band unmittelbar anzufchließen. 
Es ward daher bei den Franken bereits jener Rechtsſtoff und 
zu großem Theil auch das Kirchliche in Band VIL und VI. 
aufgenommen. Gefchieht dies in noch umfaffenderer Weife — 
unter Heranziehung der Volkswirthſchaft und der Gultur- 
zuftände — hier bei den Mlamannen, fo geihah es einmal, 
weil ein umfaſſendes Gefammtbild der Rechts- und ultur- 
Zuftände ded Stammes in jenen Sahrhunderten gewonnen 
werden follte. Zugleich aber wird dadurch erhebliche Entlaftung 
der folgenden Abtheilungen erzielt, da gar Vieles, was ſich bei 
den andern Stämmen ebenfo oder ganz ähnlich wie bei den Ala- 
mannen findet, felbftwerftändlih nicht wiederholt werden wird. 


Breslau, October 1902. 
Jelix Dahn. 


Inhalts · verzeichniß. 


Duellen. Litteratur p. XIII—LII. 
A. Quellen p. XIII—XX. 
B. Litteratur p. XX— LU. 
Erſter Abſchnitt ©. 1—70. 
I. Vorgeſchichte S. 1—35. 
1. Der AMamannen Name und Herkunft ©. 1—35. 
A. Der Name S. 1—12. 
B. Die Herkunft S. 12—34. 
a) Allgemeines S. 12—22. 
b) Jusbeſondere die Sueben S. 22—31. 
c) Inebefondere bie Juthungen S. 31—34. 
Anhang zur „Herlunft” S. 34—35. 
II. Aeußere Gefhichte bis zum Ende ber Herzogszeit S. 35—70. 
1. Römer und Alamannen vor Juliau (a. 213—356) S. 35 —42. 
A. Allgemeines. Das Wefen der alamanniichen Bemegungen &.35—39. 
B. Die Römerlriege bis auf Julian (a. 213-356) S. 39—42. 
2. Zultan und die Alamannen &. 42—47. 


3. Römer und Alamannen nah Juliau bis Chlodovech (a. 361—496) 
S. 47—50. 


4. Die Mamannen, Ehloboveh und Theoderich (a. 496—526) S. 50-65. 
A. Ein einziger Mamannenlöntg S. 5052. 
B. Die Schlacht von a. 496 ©. 52—55. 
C. Die Unterwerfung: räumliche Begränzung ©. 55—65. 
D. Chlodovech und Xheoberih. Die Aufnahme von Alamannen ©. 62 
bis 65. 
5. Die Aamannen nach Chlodovech bis zum Ende der Herzogszeit (a. 511 
bis 746) S. 65— 10. 
Zweiter Abſchnitt ©. 71—215. 
III. Berfaffung. Redt. Zuſtände ©. 71—752. 
1. Die Grundlagen S. 71—215. 
A. Das Laub S. 11—118. 
L Die Sränzen S. 711—12. 
II. Die Namen S. 72—75. 
1. Provincia ©. 72—175. 
2. Patria &. 7576. 
3. Chur⸗Rhätien S. 76—77. 


V 


4. Vindelicia S. 77—78. 
5. Eifah ©. 78—81. | 
6. Sau, pagus, Grafſchaft, comitatus S. 81—92. 
7. Bar S. 92—95. 
8. Marca ©. 95—98. 
9. Centena, Hundertſchaft S. 98—104. 
10. Civitas, urbs, oppidum &. 104—106. 
11. Castrum, castellum, burgum ©. 106. 
12. Vious, villa, Weiler S. 107—110. 
13. Villa ($ortfegung). Palatium ©. 110—112. 
14. Bitus, locus, cella &. 113—114. 
15. Ortsnamen S. 114—118, 
B. Das Bolt ©. 118—137. 
1. Römer und Alamannen S. 118—137. 
a) Allgemeines S. 118—125. 
b) Römiſche Cultur in Alamannien ©. 126—133. 
c) Ehur-Rhätien Im Befonberen S. 133—135. 
d) Römische Statseinrichtungen in Alamannien S. 135—137, 
e) Richt-alamannifche Barbaren in Alamannien, Alamannen 
außerhalb Alamanniens S. 136—137. 
2. Die Stände ©. 137—211. 
A. Der Abel S. 137—164. 
a) Die Namen S. 137—146. 
b) Altgermanifcher Adel S. 146—150. 
c) Neuer Dienflabel S. 150—152. 
d) Neuer Abel des Reichthums. Großgrunbeigner. Uebergang zu 
ben reicheren Gemeinfreien. Die Reicheren, bie Mittleren und 
die Armen ©. 152. 
I. Allgemeines ©. 152 —154. 
II. Die oberfie Shit S. 154—155. 
II. Die Mittelſchicht S. 156—157. 
IV. Die unterfle Shit S. 157—158. 
V. Wirkungen der ſtändiſchen Glieberungen S. 158—164. 
a) Die Thatſächlichen ©. 158—160. 
ß) Die Rechtlichen S. 160—164. 
B. Die Gemeinfreien &. 164—167. 
1) Die Namen ©. 164—166. 
2) Rechtsſtellung S. 166—167. 
©. Die freien Abbängigen S. 167—175. 
D. Die Halbfreien S. 176—187. 
a) Die Leten S. 176—178. 
b) Die Eolonen S. 178—181. 
c) Die Freigelaffenen S. 181—187. 
E. Die Unfreien S. 188— 211. 
1) Die Ramen S. 188—190. 
2) Entſtehung &. 190-193. 
3) Aufhebung ©. 193—194. 


VI 


4) Rechtsſtellung, zumal gegenüber dem Herrn ©. 194—199. 
a) Vermögensrecht. Strafrecht ©. 191—199, 
5) Arten. Beihäftigung S. 199—204. 
b) Familie S. 204—206. 
6) Werth ©. 206—207. 
7) Werthgeld S. 207—2U8. 
8) Veräußerung ©. 208—209. 
9) Kron- und Kirchen⸗Knechte S. 210—211. 
3. Die Sipre ©. 211—212. 
4. Die Nachbarn ©. 212. 
5. Die Fremden. Die Juben ©. 213—215. 
2. Berfaffung. Recht. Zuftände S. 215—752. 
A. Die einzelnen Hoheitsrechte S. 215—696. 
I. Gefeßgebungs- und Berorbnungs «Hoheit. Rechtsquellen 
S. 215—231. 
1. Allgemeines. Die Namen ©. 215—218. 
2. Der Pactus Alamannorum ©. 218—220. 
3. Die Lex Alamannorum ©. 221—224. 
4. Die Lex Romana Rhaetica Ouriensis ©. 221—230. 
5. Die fogenannten Capitula Remedii. Die Formeln S. 230—231. 
1I. Amtshoheit. Amtswefen S. 232—272. 
1. Allgemeines. Die Namen ©. 232—238. 
2. Die einzelnen Beamten S. 238—270. 
. Der Herzog ©. 238—239. 
. „Sammerboten” ©. 239—212. 
. Graf, comes. Pfalzgraf. Markgraf S. 242—250. 
. Missi ©. 250—254. 
. Vicarii S. 254—255. 
. Centenarii ©. 255—258. 
. Tribunus ©. 258—259. 
.Schuldheiſch S. 259— 261. 
. Römische Amtsnamen und Aemter S. 261—268. 
. Andere Beamte S. 268—270. 
3. Amtsmißbräude S. 270—272. 
1II. Heerbaun 8. 272—279, 
IV. Gerichtshoheit. Gerichtsweſen S. 279-424. 
A. Alamannenrecht ©. 279—378. 
1. Gerichtsverfaffung. Arten und Zuſtändigkeit der Gerichte. Perfonalitäts- 
princip ©. 279 —281. 
2. Streit-Berfahren S. 234—324. 
a) Allgemeines S. 284—298. 
b) Beweismittel S. 298—305. 
a) Unſchuldseid und Eidhelfer S. 298—301. 
B) Zeugen ©. 302. 
+) GSerichtlicher Kampf S. 303—301. 
d) Sottesurtheil S. 304—305. 


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e) Urtheilfinbung. Rechtsmittel S. 305—307. 
d) Inquiſitionsverfahren S. 307—311. 
3. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Urkundenweſen &. 311—324. 
4. Strafteht. Strafverfahren ©. 325—351. 
A. Allgemeine &. 325—330. 
1. Ständiſche Slieberung &. 325—327. 
2. Erhöhter Kriebe S. 327—329. 
a) Berfonen S. 327—328. 
a) Die Weiber S. 327-328. 
B) Herzog. Biſchof ©. 328. 
b) Räume Sachen. Berhältnifie S. 328-329. 
. Straferhähungs. und Strafmilderungs-Gründe &. 329. 
. Mitſchuldige S. 329. 
. Rothwehr ©. 330. 
. Begnabigung ©. 330. 
te Verbrechen S. 330—344. 
. Raub ©. 330. 
. Diebftahl. Hehlerei S. 331. 
.Sachbeſchädigung S. 331—334. 
. Brandfliftung S. 334. 
. Sewaltverbrechen &. 334—335. 
. Körperverlekung S. 335—338. 
. Zöbtung. Mord. Todtſchlag. Körperverlekung mit töbtlichen 
Erfolg S. 338—340. 
. Orab» und Leihen-Frevel S. 341. 
. Beleidigung ©. 341. 
10. Geſchlechtsverbrechen S. 342. 
11. Meineid. Berläumbung ©. 343. 
12. Umtsvergeben S. 343. 
13. Statsverbrechen. (Hochverrath. Landesverrath. Bermanbteß). 
©. 343--344. 
C. Die Strafen ©. 344—351. 
1 Allgemeines S. 344—345. 
11. Die einzelnen Strafen S. 345—351. 
1. Brügelfirafe S. 345. 
.Gefäugniß S. 345. 
. Ein⸗ und Aus⸗Bannung S. 346. 
. Bermögensftrafen S. 346—351. 
a) Friedensgeld. Bann ©. 346—347. 
b) Bufen ©. 347348. 
ce) Insbeſondere Wergeld ©. 348—349. 
d) Einziehung. Verwirkung des Erbrechts S. 349—350. 
e) Mehrfacher Erfah S. 350. 
5. Verknechtung ©. 351. 
. Ehrenftrafen S. 351. 
7. Zobesftrafe S. 351. 


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5. Bürgerliches Recht S. 351—378. 


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6. Das 


Sachen⸗Recht S. 351—361. 
1. Eigenthum ©. 351—360. 
a) Allgemeines S. 351—354. 
b) Beräußerung und Erwerb von Grundeigen ©. 354. 
a) Formen ©. 354355. 
B) Beiſpruchsrecht. Salmannen S. 355—360. 
2. Beſitz S. 360—361. 
3. Pfandrecht &. 361. 


. Forderungs⸗Recht S. 361—364. 
. Familien⸗Recht S. 364—373. 


1. Väterliche und Alters⸗Muntſchaft S. 364. 

2. Geſchlechts- Muntſchaft S. 364—366. 

3. Verlobung. Eheichliefung ©. 366—368. 

4. Eheliche Muntſchaft S. 368—369. 

5. Eheliches Güterrecht S. 370-373. 

Erb⸗Recht ©. 373—378. 

1. Allgemeines &. 373—375. 

2. Geſetzliche Erbfolge S. 375—376. 

3. Lebtwillige Verfügung S. 377—378. 

Recht der Lex Romana Rhaetica Curiensis ©. 378—424. 


L Berfabren S. 378—391. 


II. 


III 


1. Allgemeines. Das bürgerliche Verfahren S. 378—388. 
2. Das Strafverfahren S. 388—391. 
Straf⸗Recht S. 391—400. 
1. Die Verbrechen S. 391—-396. 
a) Raub. Diebſtahl S. 391. 
b) Menſchenraub ©. 391. 
c) Violentia. Tödtung ©. 392. 
d) Geſchlechtsverbrechen ©. 392—393. 
e) Sachbeſchädigung. Brambfiiftung S. 393. 
f) Urkundenfälfhung S. 393. 
g) Beleidigung. Convitium ©. 394. 
h) Calumnia. Falſche Anklage. Falſches Zeugniß. Meineid. 
S. 394—395. 
i) Amtsverbrechen S. 395. 
k) Hochverrath, crimen laesae majestatis ©. 395. 
1) Verbrechen gegen bie Religion S. 395—396. 
2. Die Strafen S. 397—400. 
a) Allgemeines S. 397—398. 
b) Die einzelnen Strafen ©. 398. 
a) Exilium S. 398. 
B) Bermögensfirafen (Poena dupli). Mehrfacher Erfah. 
Geldſtrafen (Fredum). Einziehung S. 398—399. 
) Tobesftrafe S. 399—400. 
Bürgerliches Recht S. 400—424. 
1. Perſonenrecht S. 400—401. 


IX 


2. Sachenrecht S. 401—404. 
3. Forderungsrecht S. 404—409. 
a) Allgemeines &. 404—405. 
b) Die einzelnen Schuldverhältniſſe S. 405—409, 
a) Aus Rechtsgeichäften &. 405408. 

. Kauf ©. 405. 

. keihe S. 405. 

. Auftrag S. 406. 

. Geihäfteführung fonder Auftrag S. 406. 

. Darlehen S. 406. 

. Shenlung ©. 406—407. 

. Seemurf ©. 407. 

. Abtretung ©. 408. 

. Bürgfchaft S. 408. 

B) Forberungen aus Vergeben S. 409. 
4. Samilienreht S. 409-417. 
a) Hanslinder. Patria potestas. Pecultenreht S. 409411. 
b) Unmündige S. 411—412. 
e) Minterjährige &. 412—413. 
d) Verlobniß S. 413. 
e) Ehehinderniffe. Verwandtſchaft S. 413—414. 
f) Eheſchließung S. 414. 
g) Dotalreht ©. 415 —416. 
h) Eheſcheidung S. 416. 
i) Wieberverbeiratbung ber Wittwe S. 416-417. 
k) Concnbinat ©. 417. 
5. Erbrecht S. 417—424. 
8) Allgemeines S. 417—419. 
b) Letztwillige Verfügungen &. 419424. 
a) Allgemeines &. 419-422. 
B) Fideicommiß &. 423. 
P Quarta Falcidia &. 423—424. 
o) Geſetzliche Erbfolge S. 424. 

V. Berwaltungshohett. Zuſtände. Volkswirthſchaft, zumal Land— 
wirthſchaft. Grundeigen⸗Verhältniſſe. Vergabungen ©. 421 
bis 574. 

A. Zuſtände. Volkswirthſchaft S. 424—195. 
1. Allgemeines. Einleitung S. 424—427. 
2. Siebelung &. 428-433, 
Die Namen &. 428—433. 
3. Gebäude. Arten S. 433— 442. 
a) Allgemeines S. 433 —436. 
b) Das gefammte Anweſen S. 436442. 

. Aderbau &. 443—446. 

. Huba. Mansus ©. 447—453, 

. Andre Maße &. 453 —454. 

. Zubehör ©. 4541—456. 


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. Großgrundeigen ©. 456—159. 
. Almännde Marl. Gränzzeihen. Bifang S. 459412. 


a) Allgemeines. Die Namen ©. 459—462. 
b) Die Almännbemart S. 462—472. 
a) Allgemeines. Abgränzung S. 462464. 
B) Bifang S. 465466. 
J) Nutzungsrechte an ber Almännde S. 466—472. 


. Dienftbarkeiten ©. 472—474. 
. Andere Frucht und EulturArten: Garten, Obſt- und Wein-Bau. 


Baldungen. Berg und Salinenwefen. Wiefenbau ©. 474—477. 


.Viehzucht S. 478—480. 

. Jagd. Fiſchfaug S. 481-482. 

. Handwerke ©. 452—484. 

. Handel. Wege Märkte Werthungen S. 48487. 
. Leben und Bildung ©. 488 -495. 


a) Tracht. Nahrung S. 488—489. 

b) Zeitrechnung. Runen. Religidfes S. 489—490. 
c) Kunftl. Kunſthandwerk. Wiffenfhaft S. 491 494. 
d) Sittlihe Zuftände S. 494—495. 


B. Örunbeigenverhältniffe. Die Bergabungen. Die Rüdgewähr S. 495 
bis 574. 


1. 
2. 


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Allgemeines. Einleitung S. 495—497. 

Beweggründe der Vergaber. Auflagen an bas Klofter S. 497—503. 
a) Religiöſe S. 497—501. 

b) Wirthſchaftliche Noth S. 501—503. 


. Gegenleiftungen bes Kloſters S. 503-509. 

. Borbebalte S. 509511. 

.Auflaſſung. Befigübertragung ©. 511—515. 

. Rechtswirfungen ber Webertragung S. 515—521. 
. Tauſch. Vortheile des Kloſters S. 521—527. 

. Rüdgewähr (Repraestatio) S. 527—574. 


a) Rechtseigenart ber Berebung S. 527—534. 
Allgemeines S. 527—533. 
Der Zins ©. 527533. 
Nechtscharalter der Berebung ©. 533—534. 
b) Der Nechtsact ber Rüdgewähr. Die Urkunden. Precaria ©. 534 
bis 536. 
c) Das Recht bes Rüdempfängers am Gut S. 537—538, 
d) Out&-Folgereht und Rüdlauf S. 538—547. 
a) Folge in das Gut S. 538—541. 
B) Vorbehalt des Rückkaufsrechts S. 511—547. 
Allgemeines S. 5411—517. 
e) Rüdfall an das Klofter S. 547. 
f) Zins S. 548-559. 
a) Zins⸗Betrag in Gelb ober Natıtralien S. 5418-557. 
B) Ort unb Zeit der Zins⸗Entrichtung S. 557—558. 
1) Zinsverzug ©. 558—560. 


XI 


g) Frohn S. 560-563. 
h) Benefieia, Vaſſallen, zumal bei ber Rückgewähr ©. 563—571. 
i) Anfechtungsftrafen bei der Rüdgewähr &. 571—574. 
VL Finanzhoheit. Finanzweſen S. 574—611. 
1. Allgemeines. Die Namen. Andere Ausbrüde S. 574—577. 
2. Die Einnahmen S. 577—604. 
a) Die Krongüter S. 577—519. 
b) Die Steuern. Unmittelbare und mittelbare (Zölle) &. 579589. 
ec) Nutzbringende Hoheitsrechte S. 589597. 
a) Strafgelber. Gebühren. Einziehung S. 589590. 
8) Münzhoheit. Münzweien ©. 590—595. 
y) Kein Boben-, Wald, Jagd-, Fiſcherei⸗ Berg und Galinen- 
Regal ©. 595597. 
d) Andere Einnahmen S. 597—604. 
3. Die Ausgaben S. 604—609. 
4. Finanzbeamte S. 609—610. 
5. Finanzmißbräuche S. 610—611. 
VIL Kirchenhoheit. Kirchen: und Klofterwefen S. 611—693. 
. Allgemeines. Die Namen S. 611—617. 
. Belehrung. Hefte des Heidenthbums ©. 617—624. 
. Die Sprengel. Die Biſchöfe S. 624—633. 
. Berweltlihung ber Geiftlihen. — Kirchenzucht S. 633—636. 
. Kirhenvermögen S. 636—646. 
a) Allgemeines S. 636—639. 
Königliche und biſchöfliche Kirchen und Klöſter S. 636—639. 
b) Einnahmen S. 640—644. 
a) Schenfungen und andre Zuwendungen S. 640—641. 
ß) Zehnten S. 611—643. 
y) Zinſe. Frohnden S. 643—644. 
5) Andere Einnahmen S. 644. 
c) Ansgaben ©. 644—646. 
6. Brivatlichen S. 646—648. 
. Vorrechte der GBeiftlichen und ber Kirchen S. 648—658. 
a) Borrechte der Geiftlihen S. 648—652. 
a) Bußen und Wergelb S. 648—649. 
P) Immunität: auch ber Kirchen S. 649—652. 
b) Andere VBorrechte ber Kirchen S. 653—659. 
a) Allgemeines S. 65?—655. 
ß) Gerichtsbarkeit Über Geiftlihe S. 655 —657. 
P Zufluchtsrecht S. 657—658. 
d) Königsſchutz S. 658. 
8. Die Klöſter S. 659—694. 
a) Allgemeines S. 659—661. 
a) Eigenthum am Klofter. Andere Verhältniſſe S. 659. 
PB) Berhältniß zum Biſchof S. 660661. 
b) Aebte und Geiftliche. Andere Kloſterbeamte &. 661-670. 


Se CD — 


N | 


XII 


a) Der Abt &. 661—664. 
Allgemeines S. 661—664. 
ß) Andere Klofterbeamte S. 664—670. 
c) Die Klofternögte S. 670—678. 
a) Beſtellung. Allgemeines ©. 670—673. 
B) Zuſtändigkeit. Pflichten. Rechte. Mißbräuche und deren Ab» 
wehr S. 673—678. 
d) Klofter-Vermögen S. 678-680. 
e) Königsflöfter S. 680—683. 
f) Klofterfeben unb »Wefen S. 683—688. 
g) Nonnenklöſter. NReligiofae S. 688—690. 
h) Hofpitia ©. 690. 
9) Concilien S. 690—691. 
10) Pabſt &. 691—693. 
VUI. Vertretungshoheit ©. 694— 696. 
IX. Der König und ber Herzog ©. 696— 141. 
A. Allgemeines S. 696— 128. 
1. Zur Gefchichte der Herzoge S. 696— 712. 
2. Rechtseigenart der Herzogswürde. Allgemeines Berhältniß zum 
Königthum S. 712—718. 
3. Hohe Stellung bes Herzogs S. 718 - 721. 
4. Verpflichtungen gegen ben König ©. 721—723. 
5. Folge in das Herzogthum S. 723—728. 

B. Die einzelnen Hoheitsrechte S. 728—741. 
.Geſetzgebungs⸗ und Berorbnungshohelt S. 728—731. 
. Amteboheit S. 731—734. 

. Heerbann ©. 734. 
. Gerichtshoheit S. 734— 740. 
. Finanzhoheit 740—741. 
.Kirchenhoheit S. 741. 
. Vertretungshoheit ©. 741. 
X. Sefammteigenart des Statswefene ©. 741—748. 
1. Allgemeines S. 741—743. 
2. Abſolutismus. Dagegen Schranken des Königthums unb bes Herzog. 

thums S. 744—745. 

3. Theofratiemus ©. 745— 748. 
Nachträge S. 748 - 752. 


—— a wo DD wi 


Anellen. Litteratur.‘) 


A. Quellen, 
Acta, Gesta, Miracula, Translatio, Visio, Vita. 

Vita St. Afrae (geit. a. 304) od. Friedrich, Kirchengefchichte I. 1867. 

— Sancti Arbogasti, episcopi Strataburgensis, (gejt.a.6:8) auctore Uthane, 
Stratab. episcopo (c. a. 960) ed. Grandidier, histoire de Strassbourg 
II. p. XXX. 

— St. Burkhardi (gejt. 751) ed. Mabillon Acta O. S. B. saec. III, 1 (völlig 
werthlos, Wattenbachs ©. 134). 

Visio Caroli magni ed. Jaff6, Monum. Carol. 1867. 

Vita St. Chrodigangi (geft. a. 766) [von Johannes von Gorze?] M. G. h. 
Ser. X, p. 556. 

— St. Columbae (geft. c. a. 615) ed. &. Meyer von Knonau, Mittheilungen 
der vaterländifchen Geſellſchaft zu Züri. 1870. 

Acta Concilii Altheimensis a. 916. Mon. Germ. hist. Legg. II. p. 555. 

Vita St. Desiderii Cadurcensis (a. 630—655) ed. Poupardin [collection de 
Textes pour servir à l’ötude et & l’enseignement de Vhistoire] 1900. 

Ermenrich (c. a. 850). vita St. 

— Sualonis (gejt. a. 794) M.G.h. Ser. I. p. 31. X. p. 11—15. 

— St. Hariulfi 

VitaSt. Findani inclusi Rhenaugiensis (geit. a.878). M.G.h.Scr.XV. 1, p. 502. 

Yıta St. Finiani de Cluen-Eraird in Hibernia (gejt. c. a. 618). A. 8. ed. 
Boll. 16. Mart. II. p. 445. . 

— St. Fridolini [auctore Balthero] ed. Krusch Scr. rer. Merov. III. 1896. 
p- 354. ?) 

— St. Galli (auctore Wettino) ed. Udefons ab Arx, M.G. hist. Scr. U. 
p. 1. Das (erhaltene) Leben St. Galls, [Ueberarbeitung des älteren, ver» 
Iorenen], von Wetti [vor a. 824, Abt Gozbert a. 816— 837 gewidmet, 
Wattenbach 16. S. 120] enthält culturgefchichtlich Wichtiges, fpiegelt aber 
das IX., nit das VU. Jahrhundert. 

— — suctore Walahfrido Strabone (geſt. a. S49) ed. &. Meyer von Knonau, 
Mittheilungen der antiquarifchen Geſellſchaft zu Züri XII. p. 9. 

— — Gumberti (geit. a. 661), ed. Mabillon Acta Ord. St. Bened. III. 2. 
p- 470 [au8 Richer. chronogr. Senon. a. 1264). 


1) Bgl. die Berzeichniſſe in den früheren Bänden. 
2) ©. daſelbſt die Kritik der „Frechen Fälſchung“, vgl. Rettberg IL &©.29, Wattenbad 1°. ©. 121. 


XIV 


Vita St. Hariolfi. auctore Ermanrico Monum. Germ. hist. Scriptores X. 
(geft. a. 874) p. 11. 

Vitae sanctorum patrum Jurensium: Romani (gejt. c. a. 460), Lupicini (geft. 
c. &. 480), Eugendi (geit. a. 510) ed. Krusch, Mon. Germ. hist. Scr. rer. 
Meroving. III. 1896. p. 131 [ogl. Jahn II. S. 389). 

Vita, Acta et passio St. Kiliani (geft. a. 689). A. S. ed. Boll. 8. Jul. II. 
p. 612. (X. oder XI. Jahrh.) 

Vita St. Liobae (gejt. a. 779) auctore Rudolfo Fuld. (geft. a. 865) ed. Waitz 
M.G.h. Ser. XV. 1. p. 121. 

— — Lupi episc. Trecensis (Troyes) a. 4293—479 ed. Krusch. M. G.h. 
Ser. rer. Merov. III. p. 117. 1896. 

Sancti Magni (gelt. c. a. 655) translatio (c. a. 850) Mon. Germ. h. Ser. IV. 
p. 425. (Ueber die angeblidhe vita St. Magni, eine Fälſchung, Watten⸗ 
bad) I. ©. 284 11. ©. 66, 492.) 

— Marci miracula (in Reichenau), sancti sanguinis (a. 799—930). Ser. IV. 
p. 445. 

Vita St. Meginradi (geit. a. 861) auctore Augiensi M. G. h. Scr. XVI. 1. 
p. 444 (vgl. A. 8. ed. Boll. Jan. II. p. 282). 

— — Othmari (geit. a. 759) auctore Walahfrido Strabone Monum. G. 
Ser. II. p. 40, ed. G. Meyer v. Knonau, Mittheil. d. antiqu. Geſellſch. 
zu Züri I. III. 1870. 

Ysonis (Isonis) {gejt. a. 871) de Miraculis St. Othmaris libri duo. M.G.h. 
Ser. D. p. 47. 

Passiones vitaeque Sanctorum aevi Merovingici et antiquiorum aliquot 
ed. Krusch Scriptor. rer. Meroving. III. 1896. 

Vita St. Pirminii abbatis (geft. c. a. 754), auctore monacho Hornbacensi 
c.2.810. M.G.h. Ser. XV.I. p. 17. 

Miracula — — XV. I. p. 31. 

Titulus auctore Hrabano Mauro Poet. Carol. II. p. 224. 

Vita St. Romani abbatis Jurensis in Burgundia (geft. c. a. 460) ſ. oben 
Patres Jurae.i) 

Translatio St. Sebastiani c. a. 826. A.S. ed. Boll. Januar. II. p. 282. 

Vita St. Severini (gejt. a. 482) auctore Eugippio, M.G.h. Auctores anti- 
quissimi ed. Halm I. 2. 1817, ed. Mommsen 1898. 

— — Solae (geit. a. 794), auctore Ermanrico ed. Holder-Egger, Mon. 
Germ. h. Ser. XV. 1. p. 153—161. 

— Sancti Trudberti (gejt. a. 634 oder 643 oder 607?) [„ganz unbrauchbar, 
nad) c. 816 gefchrieben”, Wattenbad) I. ©. 122] ed. Mone, Duellenfamm- 
lung I. p. 19. 

— DUdalrici (geft. a. 973) auctore Gerhardo, ed. Waitz, M. G. h. Scr. IV. 
p. 381. 

— — Vedasti auctore Alkuino ed. Krusch Scr. rer. Merov. III. 1696, 
p. 102 (f. aud) ed. von Schubert, Unterwerfung 1884). 

— St. Walpurgis (gejt. a. 780) ed. Bolland Febr. IIL p. 523 (auctore 
Adelboldo, geit. 1027). 


1) Die Echtheit Bat gegen Jahn, Burgundsonen II. ©. 354 dargethan Stöber, Wiener Sig. 
Der. CIX. p. 319. Zur Kritik ber Vita St. Reomadnsis. 


XV 


Vita St. Wiboradae (reclusae) (geft. a. 926) auctore Hartmanno (c. a. 980) 
M.G.h. Scr. IV. p. 452. 

— — Willibaldi (get. a. 786) ed. Bolland. 7. Jul. II. p. 500/2. 

— — Wunibaldi (geft. a. 761) ed. Mabillon III. 2. p. 178. 


Agathias, historiarum libri quinque ed. Niebuhr. 1828. 

Agnelli liber pontificalis ecclesiae Ravennatis, M. G. h. Ser. rer. Langob. 
(saecul. VI—IX) 1878. 

Albredit, Rappoltiteinifcje8 Urkundenbuch. I. 1890.1) 

St. Ambrosii opera ed. A. Ordinis St. Benedicti e congreg. St. Mauri. 1. 
oO 1686. . 

Ammianus Marcellinus, ed. Eyssenhardt. 1871. 

Anekdoton Holderi ed. Usener. 1877. 

Annales Alamannici 

— Augienses 

—  Fuldenses Mon. Germ. h. Ser. 1. II. 

—  Sangallenses 

— Weingartenses 

— Bertiniani, ed. G. Waitz, Ser. (Schulausgabe). 1883. 

— regni Francorum (Laurissenses majores et Einhardi), Mon. Germ. 
hist. Ser. ed. Kurze (Schulausgabe). 1895. 

Ariprand, brevis Langobardorum historia, Scr. rer. Merov. III. 1896. p. 592. 

Sancti Bonifatii et Lulli epistolae ed. Jaffe, Monumenta Moguntina 1866. 

Aus bem) Codex Laureshamensis 

(Aus den) Traditiones Fuldenses ed. Bofſert, — Geſchichts⸗ 

(Aus) Weißenburger Quellen quellen 11. 1895. 


Brambach, Corpus Inscriptionum Rhenanarum. 1867. 


Capitula Remedii (jogenannte) ed. Zeumer, M. G. h. Legg. V. 3. 1889. 

Carta Peutingeriana ed. Conrad Miller. 1888. 

Cartular von Rheinau, ed. Meyer von Knonau, Quellen zur Schweizer Ge⸗ 
fchichte III. 1883. 

Cassiodorus Senator, variarum libri XII ed. Mommsen Mon. Germ. hist. 
auctor. antiquiss. XII. 1894. 

Codicis Carolini epistolae ed. Jaffe, Monumenta Carolina. 1867. 

Codex diplomaticus ad historiam Raeticam (Zur Geſchichte Churrhätiens 
und der Republik Graubünden). I—V. 1848—1864. 

Codex principis olim Laureshamensis abbatiae diplomaticus I—III 
1768— 170. 

— traditionum monasterii Sangallensis, ſ. Wartmann, Urkundenbud) von 
St. Ballen. I. II. 

8t. Columbae epistolae et carmina ed. Gundlach, Mon. Germ. hist. Episto- 
lar. III. 1892. p. 155 £. 

Concilia aevi Merovingici, M. G. h. Legg. III. 1. ed. Maassen. 1893. 


1) Blieb mir unzugänglid. 


XVI 


Dexippos, ed. Dindorf Corp. hist. Byr. I. 1829. 

Dio Cassius Coccejanus, historia Romana I—IV. ed. Dindorf. 1864. 

Dronke, Traditiones et Antiquitates Fuldenses 1844. 

Dümge, Regesta Badensia 1836. (Bi8 zum Schluß des XII. Kahrhunderts.) 

Dünmler, Sanct Galliihe Denkmäler aus Karolingifcher Beit. (Vgl. Hiftor. 
Zeitſchr. IH. ©. 200.) 

— Briefe aus der Beit Karls des Kahlen. N. A. XXV. ©. 189. 


Eccard, Francis oriental. T.1. II. 

Einharti, epistolae et vita Caroli Magni ed. Jaff6, Monumenta Carolina 
1867. 

Ekkeharti (IV.) (gejt. nach 1057) casus St: Galli ed. Ildef. ab Arx, M.G.h. 
Ser. II. p. 74. (Mittheil. zur vaterl. Geſch. XV. XVI. 1877, Meyer v. ſtnonau.) 

Ennodius, panegyricus Theoderico regi dictus ed. Vogel Mon. Germ. hist. 
Auctor. antiquiss. VII. 1885. 

Epistolae Carolinae ed. Jaff6, Monumenta Carolina. 1867. 

— Merowingici et Carolini aevi ed. Dümnler. Monum. Germ. hist. 
(Epistolar. III. IV.) 1892. 1895. 

Erchambertus (c. a. 816) breviarium regum Francorum. Ussermann pro- 
dromus Germ. sacrae I. 1790. [Mon. Germ. hist. Scr. II. p. 327.] 
Ermenrid von Ellwangen (c. a. 850) (vgl. Dümmler, Forſch. XII. XIV. 

N. A. IV). 

Ermoldus Nigellus (c. a. 826), carmina ed. Dümmler (Monum. Germ. hist.), 
Poetae Latini, II. p. 1—92. 

Eicher und Schweizer, Urkundenbuch der Stadt und Landichaft Zürich. I. IL 
1888—1892. 

Eugipii, vita St. Severini ed. Kerachbaumer. 1872. 

— — — -— ed. Sauppe. 1877. Mon. Germ. hist. auctor. antiqu. I. 2. 

— — — beutid) durch Rodenberg, Gejchichtichreiber der Deutſchen Vor⸗ 
zeit 55. 1878. (ſ. oben Vita St. Sever.) 

Eumenius, panegyricus (c. a. 300) ed. Baehrens. 1874. 

Eunapius excerpta ed. Dindorf. Corp. hist. Byz. 1. 1829. 

Eutropi Breviarium ab urbe condita cum versionibus Graecis et Pauli 
Landolfique additamentis ed. Droysen. M. G. h. auctor. antig. II. 
1879. 

— — ed. Rühl. 1887. 


Hiller, Quellen und Forſchungen zur Gedichte Schwabend und der Oft- 
ſchweiz. 1859. 

Fontes rerum Bernensium. Berns Geſchichtsquellen. I—VII. 1877 £. 

»Formulae Alsaticae«, da8 Formelbuch Salomons III von Conftanz und 
St. allen ed. Dümmler 1857 (dazu Mittheil. d. antiquar. Geſellſch. zu 
Büridh. XIL), ed. Zeumer M. G. h. Form. II. 1886. p. 300. 

— — dgl. Zurlauben XXXVI mem. de l’acad6mie des inscriptions 
histor. p. 176—207. 

— Goldastinae 9. 16. 25. 34. 66. ed. Baluz. 44—49. Walter C. jur. 
Germ. I. p. 484. (Sälfchungen.) 


Vu 


Formulae Rhenaugienses 

—_ Bangallenses ed. Zeumer Legg. V. 1886. 

Fredigarii et aliorum chronica, Monum. Germ. histor., Scriptor. Mero- 
ving. III. ed. Krusch 1889. 

Fulrad (geft. a. 784) testamentum ed. Grandidier II. N. 71. Neugart I. N. 439 
(a. 866). 


Gaudenzi, un’ antica compilazione di diritto romano e visigoto con al- 
cuni frammenti delle leggi di Enrico. 1886. 

Geographus Ravennas ed. Pinder et Parthey. 1860. 

Giſi, Quellenbuch zur Schweizergeſchichte I. 1869. 

Goldast, rerum Alaman. scriptores, 3. Aufl. durch Sendenberg, L—II. 
1730. 

— Suevicarım rerum scriptores. 1727. 

Graff, Diutisca L—IIl. 

Gregorii III. papae epistola episcopis Baioariae et Alamanniae directa. 
a. c. 737 ed. Dümmler M.G.h. Epistol III. 1892 p. 292. 

Gregor. Turon. vitae patrum ed. Krusch, M. G. h. Scr. Meroving. 1. 2. 1885. 

Grundriß des Kloſters Sanıct Gallen, Otte, Geſchichte der romaniſchen Bau- 
kunſt in Deutichland 1874 ©. 92. (Hahn, Geichichte der bildenden Fünfte 
in der Schweiz 1876 ©. 90.) 


Hidber, Schweizerifches Urkundenregifter I. II. 1863—1877 (— a. 1200). 

— diplomata Helvetica varia 1873 (— a. 1200). 

Hinkmari vita St. Remigii ed. Krusch, Scr. rer. Merov. Ill. 1896 p. 290. 

Historia Welforum Weingartensis ed. Weiland. Monum. Germ. Ser. in 
usum scholarum. 1869. 


Idatius (Hydacius) ed. Mommsen, M.G.h. Chronica minora II. 1893. 
Inscr. Rhaet. Provinciae, Corpus Latinar. III. 2. 1873, Th. Mommsen. 
Jonas, vita St. Columbae, f. diefe. 


F. Keller, Das alte Nekrologium von Reichenau, Mittheil. der antiqu. Ge⸗ 
ſellſchaft zu Zürich 1850 p. 44. 


Lex Alamannorum ed. K. Lehmann, M.G.h. Legg. V. 1. 1888, 

— Bajuvariorum ed. Merkel, Mon. Germ. hist. Legg. III. 

— Ribuariorum ed. Sohm. M. G. hist. Legg. (Schulausgabe) 1886. 

— Romana Rhaetica Curiensis ed. Zeumer, M. G.h. Legg. V. 3. 1889. 

Libanius, opera ed. Reiske I.—IV. 1791—97. 

Liber diurnus Romanorum pontificum ed. Th. v. Sickel 1889. 

— pontificalis ed. Duchesne I. 1886. 

Liudprandi Cremonensis (geft. a. 972) opera, M. G. h. Scr. III, dann ed. 
Dümmler 1877, 


Monachus Sangallensis ed. Jaffle.. Monumente Carolina 1867 p. 628. 
Mone, Duellenfammlung der Badischen Kandesgefchichte L—IV. 1. 1848— 1867. 
Lahn, Könige der Germanen. IX. 1. b 


Av 


Monumenta Alcuinisns ed. Dümmler (Jaff6, Bibliotheca rerum Germani- 
carım V1. 1873) Alcuini epistolae; ad Remedium Curiensem episcopum). 

— DBoica IL seqg. 

— Moguntina ed. Jaffé 1886 (Bibliotheca rerum Germanicarum II). 

Müllenhoff, fraͤnkiſche Böltertafel. Abh. d. Akad. d. W. zu. Berlin 1862. 
©. 537. 


Neugart, Codex diplomaticus Alamanniae I. San. blas. 175. (Freiburg. 
Trans juranae intra fines dioecesis Constantiensis et Burgundiae. L 
II. 11791. 1795.) 

— Episc. Constant. 1803. 

'Notitia dignitatum (c. a. 400-410) ed. Böcking 1839—1850 ed. Seeck. 1876. 

— gentium quae pulluvarerunt sub imperatoribus, ed. Müllenhoff, Ger- 
mania antiqua 1873. p. 157. 


Pactus Alamannorum ed. K. Lehmann M. G. h. Legg. V. I. 1888. 

Panegyrici (XII) ed. Baehrens 1874. 

Paulus, Diaconus historia Langobardorum ed. Waitz. Scr. rer. Langob. 
I. 1878. 

Poetae Saxonis vita Caroli Magni ed. Jaffe, Monumenta Carolina 1867. 

— — ed. Mon. Germ. hist. Ser. I. p. 227. 

Prosper (Tiro) Aquitanus (geft. c. a. 463?) ed. Mommsen. M. G. h. auctor. 
antig. IX. 1892. p. 385. 


Duellen und Forſchungen zur Geſchichte der Abtei Reichenau I. (Brandt, 
die Reichenauer Urkundenfälſchungen 1890). 

Duellen zur Schweizer Geichichte, herausgegeben bon ber allgemeinen Ge⸗ 
ſchichtsforſchenden Gefellichaft der Schweiz I—II. 1877fe 


Ratperti, casus St. Galli ed. Ddefons v. Arx. M.G. h. Ser. IL 59. (neue 
Ausgabe von Meyer von Knonau. St. Galler Mittheil. zur vaterl. 
Geſch. XII). 

Regesta episcoporum Constantiensium (a. 517—1496). ed. Ladewig I—IV. 
1886. 

bon Rodinger, drei Formelſammlungen aus der Beit der Rarolinger. 1857. 
(VU. Band der Quellen und Forſchungen zur baieriſchen und deutfchen 
Geſchichte. 

Runge, Adjurationen, Exorcismen und Benedictionen, vorzugsweiſe zum Ge⸗ 
brauch bei Gottesgerichten, ein Rheinauer Codex des XI. Jahrhunderts 
1859; (vergl. Zeumer, Form. II. (M. G. hist. Legg. V. 2. 1886) p. 599f). 


Salvianus, de Gubernatione Dei, ed. Halm Mon. Germ. hist. auctor. 
antiq. 1879. 

Sanct Galler Denkmäler aus der Karolingerzeit ed. Dimmer, Mitthetl. der 
antiquar. Gefellfch. in Zürich XII. 6. 1858. 

Sauer, Naffautfches Urkundenbuch I—II. 1885—87. 

8channat, Corpus Traditionum Fuldönsium (N. 168. 443. 476). 


ZIX 


Schöpflin, Alsatia diplomatica aeyi Merovingici, Carolingici etc. L I. 
1772—1775.9 

Scriptores historiae Augusiae ed. Peter I. II. 1864. 

BSidonmius Apollinaris, (geft nach a. 479) opara ed. Lmetjohamn (et Krusch) 
M. G.h. auctor. antig. VIII. p. 1. 

Socrates Scholasticus, kistoria ecclssiastis (c. a. 450) ed. Migne LXV. 
(nach Balefius). 

Sozomenos, historin ecclesiastica (geft. nad) a. 446) ed. Migne KXYV. ed. 
Hussey. I—III. 1859. 1860. 

De stata sanotae oeelesine fc. a. 900) ed. Dümmiler, Berliner Bitz.-Ber. 
1861. R. 17. 


(Quinti Aurelii) Symmachi (geft. a 402) quae supersunt. ed. Besek. M. 
G.h. auctor. antiq. VL. 1. 18883, 


Teetamentum Tellonis ed. Mabillon Annales Ord. St. Bened. II. 707. (un 
zweifelhaft echt) aucd) ed. v. Meier R.9. Planta, Rhätien. Beilage V. p. 463. 

Thesaurus historise Helveticae (ed. Yüßli und Breitinger) 1735. 

Tangl, Entwurf zu einer Urkunde Arnulfs für St. Gallen. N.A. 25, 2. 

Traditiones Fuldenses, (Codex Eberhardi) ed. Bofjert, Württemb. Gefhichts- 
quellen II. 1895. (mas Württemberg angeht]; — |. Dronte. 

— possessionesque Wizenburgenses ed. Zeuss 1842. 2) 


"2 M. Hartmann, die älteften Königsurkunden der Langobarden. N.⸗A. 25, 2. 

Die Reichenauer Urkunden bis 910, ſ. bei Brandi a 815. N. 1—48. 

Urkunden und Ucten der Stadt Straßburg. I. Urkundenbuch. (— 8. 1260) ed. 
Wiegand 1879. 

Urtundenbuch der Stabt und Landſchaft Zürich I-IV. IV. 1896. 1899. od 
Eicher und Schweizer. 

Ulmifches Urlandenbuch od. Veeſenmeher und Bazing I. 1873. 

Schweiger Urkundentegiſter I. 1863.3) 

Ueseszaann, Germanise ancrze prodsomps sen eolleoiio monumentorum 
res Alemannicas illustrantium. I. II. 1700. 1791. 


Vegetius (unter Theodofius) de re mititari ed. Lang 196%. 

Walahfrid Strabo, de exordiie st inorementis quarundam in observetio- 
nibus ecclesiasticis rerum ed. Knöpfler 18%. 

— — ed. Krause Monum. Germ. hist. ‘Cap. II. 2. 1897. 


Wartmann, Arkundenbuch der Abtei St. Gallen. I-IV. 1863—1892. 
— der Hof Widnau und Haslach. 1887. 


1) Die 133 Nummern von a. 660-846 nad} neueren Ausgaben, fofern ſolche vorhanden. 

. D) Auher Beub wurde auch Die Ausgabe der Württemberg betreffenden Traditionen an 
Weißenburg durch Boffert, Württembergiiche Gefchichtequellen II. 1895, benützt. 

3) Unter den 968 BUuguperu find mir nur fehe wenige unzugänglish geblichen. 


b* 


XX 


Wattenbach, die Chronik Fredigars und der Frankenkoönige, die Lebensbeſchrei⸗ 
bungen des Abtes Columban, der Biſchöfe Arnulf, Leodegar und Eligius, 
der Königin Balthilde. (Neue Bearbeitung der Ueberſetzung von Otto 
Abel) 1888. (Gefchichtsichreiber der Deutfchen Vorzeit. II. Sefammtaus- 
gabe. Band XI). 

Widukind, res gestae Saxonicae ed. Waitz. Ser. III. p. 408. 

Wifenfteiger Stiftungsbrief von a. 801 bei Sattler, Geſchichte (bis 1261). 

Württembergifche Geſchichtsquellen, Herausgegeben von dem k. ftatiftifchen 
Amt 9. 12. 1887. 1888. (Codex Hirsaugiensis). 

Württembergifches Urkundenbuch I—VI, herausgegeben von dem !. Stant$- 
archiv in Stuttgart (Kausler) I. 1849 VII. 1900. (a. 1209—1267). 

b. Wyß, alamannijche Formeln und Briefe aus dem IX. Jahrh. Mittheilungen 
der antiquar. Geſellſchaft VII. 1850. 


B. Litteratur 


Abel, Jahrbücher des fränkifchen Reiches unter Karl dem Großen I. a. 768 big 
188. 1866. 

—, 2. Auflage durch Simfon. 1888. 

Albert, Geſchichte der Stadt Radolfszell 1896. Steinbady bei Mudau, Ge⸗ 
ſchichte eines fränkiſchen Dorfes. 1899. 

Albrecht, quaestiones Alamannicae I de republica Alamannorum 1867. 

Allard, Julien l’apostat. 1899. 

—, l’exp6dition de Julian contre Constance, Revue des questions his- 
toriques XXXV. Avril 1901. 

Amiet, da8 Schlachtfeld von Wangen, Anzeiger für Schweizer Geſchichte 1879. 

bon Amira, Recht in Paul's Grundriß der germanifchen Philologie. 2. Aufl. 
1897. (Sonberabdrud.) 

—, Bötting. gel. Anzeigen 1892. I. 250 (über Ficker's Erbenfolge). 

bon Apell, Argentoratum. Ein Beitrag zur Ortsgefchichte von Straßburg 1884. 

Armbruft, die territortale Politik der Päbfte von a. 500-800. 1885. (Göttinger 
Doctorſchrift.) 

Arndt, zur Geſchichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit 
1879 (aber dagegen Lit. Centralblatt 1880 (R. 17). 

Arnold, die Ortsnamen als Gefchichtsquellen. 

—, die deutfhen Stämme in Eljaß-Lothringen. 

—, zur Geſchichte des Rheinlands. 

—, die Anfänge des Grundeigenthums in den Städten. 

—, Leihe und Rente. 


(Odefons von) Arx, Geſchichte des Kantons. Sanct Gallen. I. 

Bacmeiſter, alamannifhe Wanderungen. I. 1867. 

Bachmann, bie Einwanderung der Baiern. Sih.-Ber. d. Wiener Akad. 91. 

Baldamus, das Heeriwefen unter den [päteren Karolingen, Gierke. Unterſuch. 4. 
©. 1879. 

Balter, zur Gefchichte des Deutfchen Kriegsweſens. 1877. 


XXI 


Bartels, der Bauer in der Deutfchen Bergangenheit, Monographieen zur 
Deutſchen Kulturgeſchichte ed. Steinhaufen. VI. 1900. 

de Barthel&my, sur la campagne d’Attila, Revue des questions histori- 
ques. IV. 16. p. 369. 

Bauer, Zeitfchrift des Vereins für das württembergifche Franken (ber limes 
in 8.) 1852, 1863. 

Baur, über da8 Todesjahr des h. Trudbert, Freiburger Didceſan⸗Archio. XI. 
1877. 

Baumann, Klofter Allerheiligen in Schaffhaufen, Quellen zur Schweizer Ge⸗ 
fchichte. III. (1878). 

—, zur Geſchichte des Königlichen Hofgerichts, 8. f. d. Geſch. d. Oberrhein. 
IV. M. F.) 1889. 

—, Schwaben und Alamannen, ihre Herkunft und Identität, Forſch. 3. D. 
Geſch. XVI. ©. 215. 

—, die Gaugrafſchaften im württembergifhhen Schwaben. 1879. 

—, zur älteren Gefchichte des Stiftes Kempten, Yorfchungen, 1899. ©. 902, 110. 

—, Forſchungen zur Schwäbtichen Geſchichte 1899 (dazu Stälin, Hiftor. 8. 
N. F. 48. 1. 1899) enthält die meiften der bier aufgezählten Abhandl., 
zum Xheil umgenrbeitet). 

—, ber Alpgau, feine Srafen und freien Bauern, 8. d. biftor. Bereins für 
Schwaben und Neuburg. II. 1875. 

—, bie Abftammung der Kammerboten Erchanger und Berchtold, Forſch. z. 
ſchwäb. Geſch. ©. 262. 

—, die Ortönamen der badiſchen Bar und der Herrichaft Hewen, ebenda, ©. 402. 

—, Gau und Grafſchaft in Schwaben. ebenda, S. 430. 

—, Geſchichte des Allgäus. L 1885. 

—, bie alamanmnifche Niederlaffung in Rhaetia secunda, 8. d. hiſtor. Ber. 
für Schwaben und Neuburg. II. 

Beloch, der Berfall der antiten Kultur, Hiftor. Zeitfchr. Neue Folge 48. 1. 1900. 

von Berg, Geſchichte der Deutichen Wälder. 1871. 

Bergmann, Beiträge zu einer Eritiichen Geſchichte des Vorarlbergs, Denkichriften 
der Wiener Alademie. IH. 1852. 

—, frübefte Kunde über den Bregenzer Wald. 

Berner, zur Berfafiingsgeihichte der Stadt Augsburg (Gierke, Unterſuch. V.) 

Bernhardt, Geſchichte des Waldeigenthums. 1872. 

Bernheim, Annales Einhardi, hiftor. Bierteljahresichrift. 1898. 8. 161. 

von Bethmann-Hollmeg, der germanifchromanijche Civilproceß. I. 1868. 

von Berftett, Berfuch einer Münzgeſchichte des Elſaſſes. 

Bertram, Geſchichte des Bistums von Hildesheim. I. 1899. 

Betbge, die altgermantfche Hundertichaft. Feſtgabe für Weinhold. 1896. 

Beyſchlag, Muͤnzgeſchichte Augsburgs. 

Bilfinger, Unterſuchungen über die Zeitrechnung ber alten Germanen. I. 1899. 

Btrlinger, hohenzollerifche Yeld- und Ylur Namen, Alamannia. I. IL VI. VII. 

—, das einen Wamannien, ®renzen, Spradje und Eigenarti in Kirch⸗ 
hoff's Forſch. d. D. Volkskunde. IV. 1890. 


XXU 


Birlinger, die alamannifche Spradje rechts bes Rheins fett dem XID. Jahr⸗ 
bundert. 1868. 

Bilfinger, fiber römifche Müngfunde in Baden. 3. f. d. Geſch. d. Oberrhein. 
N. %. IV. 1889. 

Bloch, die geſchichtliche Einheit des Elſaß, Sorrefpondenzblatt des Gefanntt- 
vereins der Deutichen Geſchichts⸗ und Altertbums-Bereine. XLVII. p. 37. 

—, les origmes; la Gaule ind6pendante et la Gaule romaine. I. II. 1900. 

—, Geiſtesleben im Eljaß zur Karolinger-Zeit. Illuſtirte elſäſſiſche Rundſchau. 
IL 4. 191. 

— Büder-Satalog von Klofter Auerbach (c. a. 850). Feſtſchrift zum Straßburger 
Berfammlung deutiher Schulmänner und Philol. 1901. 

—, studes critiques sur les sources de l’histoire Carolingienne par 
G. Monod, Sötting. &el.-Ang. 1901. (II.) 

Blok, Geſchichte der Niederlande I. 1902. 

Bluhme, die traditiones monasteri St. Galli. Muther's Jahrb. IIL 200. 

Blumer, Stat& und RechtsGeſchichte der Schweizeriichen Demokratie. L 1850. 

Bluntſchli, Stats⸗ und RechtsGeſchichte von Zürich. I. 1838. 

Bodemwig, ein Trevererdorf tim Koblenzer Stadtwalde. Norddeutſche Zeitichrift. 
XIX1. 1900. 

Bobmann, Rheingautfche Alterthümer. I. II. 1819. 

Böhmer, Regeſten des Kaiſerreichs unter den Karolingern. I. 2. Ausg. durch 
Mühlbacher 1899. 

Böttger, Didcefan- und GauGrenzen Norbdeutichlands. I. 

Böliterli, Einführung des Ehriftentyums im heutigen Kanton Luzern (vgl. 
Hiftor. Zeitſchr. VIE. ©. 434). 

—, Leben und Wirken bes h. Meinrad für feine Zeit (geft. c. a. 861) und bie 
Nachwelt 1861. 

Börſch, von dem Untergang bes Thüringer Königreiches. 1821. 

Bohnenberger, zu den Ylur-Namen. Beiträge für Sievers. 1896. 

—, bie Ortsnamen bes fchmäbifchen AlbGebiets nach ihrer Bedeutung für die 
Befledelungsgefchichte Württembergs, württemb. Bierteljahreöhefte IX. 1886. 

—, zur Gefſchichte der ſchwäbiſchen Mundart im XV. Jahrh. 1892. 

—, über Sprachgrenzen und deren Urſachen, insbefondere in Witrttemberg. 
Ebenda, N. %. VI. 1897. 

—, romiſche OrtSbezeicänungen in Sübdentichland, InShefondere in Württem- 
berg — ebenda VIII. 1899. 

Bonvallot, nouvelles formules Alsatiques. Revue historique de droit 
frangais et ötranger IX. p. 420f. 

Boos, Geſchichte der rheinifchen Städtecultur L 1897. II. 1899. 

Bordier, de l’autorit& de Grögoire de Tours (gegen Lecoy de la Marche, 
f. diefen) 1861. 

— — — röponse A Bordier (f. diefen) 1862. 

Boretius, zur Lex Saxonum, biftoriihe Zeitſchrift XII. ©. 154. 

Bornhak, Geſchichte der Franken I. 1863. 

—, das Stammesherzogtbum im fräntifchen Reiche, befonber® nach der Lex 
Alamannorum und der Lex Bajuvarorum, Forſch. 3. D. Sei. ZXLL 
1883. ©. 168. 


AXII 


von Borries, die Alamannenſchlacht des Jahres 357 und ihre Ortlichkeit. 1892. 
(Straßburger Programm.) 

Boſſert, die Anfänge des Chriſtenthums in Württemberg. 1088. 

—, Rürttembergifches im Lorſcher Codex, in den Weißenburger und Fuldaer 
Traditionen, in den württembergtiden Geichichtsquellen ed. Schäfer IL 

—, bie Kirchenheiligen Württembergs, württ. Biertelj.-Hefte VII. VII. 1884. 
1885. 


Bourret, 1’&cole ohrötienne de Berille 18585. 

Bradmann, über ben Liber pontifiealis, Neues Archiv ZXVI. 2. 

Brambach, Baden unter römifcher Herrichaft. 1867. 

Quellen und Forſchungen zur Gefdhichte ber Abtei Reichenau I. Brambi, die 
Reichenauer Urkundenfälfchungen. 1890. 

Brandt, Kritiicheß Verzeichnis der Neichenauer Urkunden des VIIIL— XII. Jahr- 
hunderts. 1890. 

Brandftetter, ſchweizeriſches Hepertorium. 1892. 

Braun, Sefchichte der Bilchöfe von Augsburg I. 

Bremer, Ethnographie der germaniſchen Stämme, Pauls Grundriß, 2. LIL 
1900. ©. 932. 

—, der Rome Semnonen. 8. f. D. Alterth. 37. N. F. 25. 1893. ©. 11.1) 

Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutichland und Italien I. 1889. 

Breyfig, Kulturgefchichte der Neuzeit. II. Alterthum und Mittelalter als Bor» 
ftufen der Neuzeit. 1901. 

Brie, die Lehre vom Gewohnheitsrecht. 1899. 

Brissaut, quelques observations sur le mariage par achat. Recueil de 
PAcadémie de l&gislation de Toulouse. 1900. 

Brofi, das Chriftenthum in Helvetien zur Römerzeit I. 1. 1851. 

Brofien, Karl der Große. 1885. 

Brudner, die Sprache der Tangobarden. 1895. 

—, Geſchichte der Langobarbden. 

Brunner, (H.) über das Ulter der Lex Alamannorum, Sib.-Ber. der Berliner 
Alad. der W. 1855. ©. 149. 

—, Lex Romana Curiensis. $. f. R.-.®.2 IV. Germ. Abth. IV. 

— zur Geſchichte des germaniſchen Welberrechts. 3. f. RG.2 ZXI. 

— Beiträge zur Geſchichte des germanischen Wartrechtes, Feſtgabe für Dern⸗ 
burg. 1900. | 

—, über ein verfchollenes merovingiſches Königsgeſetz des VII. Jahrhunderts. 
Berliner Sit.»-Ber. XXXIX. 1901. 

—, Grundzüge der Deutfchen Rechtsgefchichte. 1901. 

(Karl; Brunner, droit d’aubaine und Wildfangsrecht, 3. f. vergleichende 
Rechts⸗ und Stats-Wiffenfchaft II. 1897. 

Buchenau, zwei Kleinbronzen des Odoaker und Theubebald, Blätter für Münz- 
freunde XXXV. R. 56 1901. 


1) (Gegen Mut, ebenda 6. ©. 41). 


XIV 


Buchkremer, Der Königsftuhl der Aachener Pfalzkapelle. 3. d. Aachener 
Geh. Vereins XXL 1899. 

Buchner, die Deutfchen Bölkervereine vom Anfang bes IIL Jahrh. bis zum 
Ende des VI. Bair. Akad. der W. 1846. 

Bud, oberbeutiches Ylurnamenbud). 1880. 

—, hohenzolleriſche Orts⸗ und Ylur-Namen, Mittheil. d. Vereins für Geld. 

u. Alterthumskunde in Hohenzollern V.— VI. 

ſchwäbiſche Kelten des VIII nnd IX. Jahrhunderts, Württ. Vierteljahrs⸗ 

befte für Landesgefchichte. 1879. II. ©. 48. 126. 

ebendarüber, Alemannia IX. 

über Schwaben und Alemannen (gegen Johann Meyer) Alemannia VII. 

Erihgau und Ertingen, württemberg. Bierteljahrshefte VI. 1878 (über 

keltiſche Orts⸗ und Gewäflernamen, 8. d. Hiftor. Vereins für Schwaben 

und Neuburg VII. ©. 1-39. (1880.) 

—, Gallifche Fluß⸗ und Ortsnamen in Baden. 8. f. d. G. d. Oberrheins XLII. 
©. 329. 

—, oberbeutiche Familien⸗Ramen auf :Ier, »erler, Alemannia ed. BirlingerIX. 
©. 25. 

‚, Sammlung oberdeutfcher perfonifizirter Localnamen auf »Ier, ebenda ©. 30. 

Budinfaty, die Ausbreitung der Tateinifhen Sprache. 

Bübinger, dfterreihiiche Geſchichte I. 1858. 

Burdhardt, die Bauverhältniffe im alten Bisthum Baſel und die Landgraf- 
fhaft im Stögau, Beitr. zur vaterländ. Gefchichte ed. hiftor. Verein zu 
Bafel XI. 

—, Unterfudjungen über die erfte Bevölkerung des Alpengebirges. Schweizer 
Archiv IV. 1846. 

Burdhardt-Biedermann, Helvetien unter den Römern. 1886. 

Bursian, Aventicum Helvetiorum, Mittheil. d. antiqu. Gefellichaft zu Zürich. 
XXXI. 1867. 1868. 1869. 

Buſch, Chlodwigs Alamannenſchlacht I. 1894. II. 1895 (Programm). 


J 


Calligari, Paolo Diacono, Archivio storico Lombardo Scr. III. Fasc. 23. 
Calmette, &tude sur les relations de Charles le Chauve avec Louis le 
Germanique et linvasion le 858/59. Le Moyen-Age II. Serie 3. p. 121. 

Canisii lectiones antiquae Il. 2. p. 161. 

Caraccio, i Germani e loro cultura. 1890. 

Chaix, St. Sidoine Apollinaire et son siöcle. 1867. Revue des questions 
historiques IV. p. 16. 

Champeaux, essai sur la vestitura ou saisine et l’introduction des actions 
possessoires dans l’ancien droit francais. 1899. 

Chatelain, Entwidelung der Dieter Grafſchaft und der biichöflichen Vogtei, 
Jahrb. für lothringiſche Geſchichte X. 1899. 

Ehrift, zur Geſchichte des römischen Decumatenlandes, hauptfächlich der @egenden 
bes heutigen Württembergifchen Frankens zur Römerzeit, Heidelberg. 
Jahrbücher der Lit. 1872. 

Clemen, merovingiſche und karolingiſche Plaſtik. 1892. 

Cleß, Landes⸗ und CulturGeſchichte von Württemberg J. 


XV 


von Cohauſen, der römiihe Gränzwall in Deutichland. 1884, Nachtrag 1886. 

—, das Befeftigungswefien der Vorzeit und des Mittelalters, auf des Ber» 
faſſers Wunſch hbernusgegeben von Jahns. 1898. 

(Adolf) Sohn, die Urkunde Karls vom 5. V. a. 813, Forſch. 3. D. &. VII. 1867. 

(Georg) Cohn, die Juſtizverweigerung im altdeutichen Recht. 1876. 

(Hugo) Kohn, die Stellung der byzantiniſchen Statthalter in Ober- und Mittel- 
Stalien a. 540751. 1889. 

Eonrat, Sefchichte der Quellen und Litteratur bes römifchen Rechts. I. 1891. 

— eine lombardiſche Handfchrift der Lex Romana Rhaetica Curiensis. 
N. A. XV. 1891. ©. 201. 

—, ber Rechtsunterricht im römiſchen Neiche. Grunhuts Beitfchrift XXIII. 

Coste, VAlsace romaine (Carte). 1859. 

Cramer, die Geſchichte der Alamannen als Gaugeſchichte (in Gierke's Unter 
ſuchungen 57). 1899. 

—, rheiniſche Ortsnamen aus vorrömifcher und römiſcher Bett. 1900. 

Erome, Hof und Hufe. Eine philologifhhe Unterfudung. 1901. (Göttinger 
Doctorfchrift.) 

Curſchmann, Hungerdnöthe im Mittelalter (a. 700-1300). Leipziger Studien 
aus dem Gebiet der Geſchichte. VI. 1. 1900. 


Daͤndliker, Geſchichte der Schweiz. 1885 

Daguet, Gefchichte des Schweizer Volles, 2. Aufl., |. Hiſtor. 3. X. ©. 434. 

Dahl, Beichreibung von Lorſch. 

Dahn, die Alamannenſchlacht bei Straßburg, Baufteine VI. (f. aber die Be 
richtigung Deutſche Geſchichte I. ©. 543). 

—, bie Landnoth der Germanen, Teitichrift der Breslauer Juriſtenfacultät 
für Windjcheid. 1889. 

—, zum merowingifchen Finanzrecht. Feſtgabe für Konrad v. Maurer.) 1893. 

Dammert, Salomos II. von Conſtanz Yormelbuh und Effehard IV. casus 
Sancti Galli in ihren Beziehungen auf diejen Bifchof. Forſch 3. D. ©. 
va. ©. 327. 

Declareuil, &tudes sur le droit francais I. les preuves judiciaires dans 
le droit frang. du V. au VII. sidcle. 1899. 

Delbrũck der urgermaniſche Sau und Stat. Preußifche Sahrbücher. B. 81. 1895. 

—, Geſchichte der Kriegskunſt II. 1. Römer und Germanen. 1901. 

Denk, Geſchichte des gallo⸗fränkiſchen Unterricht8- und Bildungs⸗Weſens. 

Des Frances, &tudes sur Gr&goire de Tours. 1861. 

Devrient, die Wohnfige der Cheruster. Neue Jahrbücher für das claffiiche 
Alterthum, 1900 (Octoberheft), 1901 (Februarheft). 

Diehl, &tudes sur l’administration byzantine dans l’exarchat de Ravenne, 
bibliothdque des &coles d’Athöne et de Rome LIII. 1888. 

—, Justinien et la civilisation byzantine au VI. siecle. 1901. 

Deterih, die Geſchichtsquellen des Klofters Reichenau bis zur Mitte des 
XI. Sabrhunderts. 1897. 

Domaszewsti, die Marcus-Säule. 1896. 

Dopffel, Kaifertyum und Pabſtwechſel unter den Rarolingern. 1889. 


XXVI 


Dopſch, die falſchen Karolinger⸗Urkunden für St. Maximin (Trier), Mittheil. 
d. Inſtituts Für öfterr. Geſchichtsforſch. XVII. 1896. 
—, Trierer Urkundenfälſchungen, N. A. XV. 2. 190. 
Doftal, Über Zbentität und Zeit von Perfonen bei Venantius Fortunatus, 
Ssahresbericht des Statsobergunmaſiums zu Wiener-Neuftadt. 1000. 
Dove, Eorfica und Sardinien in den Schenkungen an die Päßfte, Münchener 
©ik.-Ber. 1894. 

—, Unterfucdgungen über die Sendgerichte, 3... D. R. XIX. 1859. 

Dronke, Traditiones et Antiquitates Fuldenses. 1844. 

Dübl, die Nömerftragen in den Alpen. Jahrbuch des Schweizer Alpen⸗ 
club8 XVL 1885. 1886. 

Dümmler, Gefchichte des oftfräntifchen Reiches I. 2 1887. II. 2 1887. 

—, da8 Formelbuch des Biſchofs Salomo III. von Eonftanz. (Neues Archiv 
IV. ©. 553.) 

—, Sanet Galtifche Dentmäler aus karolingiſcher Beit. Mitteilungen der 
antiquar: Geſellſchaft Zurich XIL, 6. 

— , zu ben karolingiſchen Formelſammlungen, Neues Archiv VII. ©. 403. 

— zerfirente Zeugniſſe der alten Schriftfteller Über die Germanen. 8. f. d. 
G. d. Oberrhein XLI. 

—, Synodalrede Hadrians II. (a. 869), Berliner Stt.-Berichte 1899. N. 39. 

—, Briefe aus der Zeit Karls des Kahlen, Neues Archiv XXV. 1. 1899. 

—, Renigius von Auxerre, Neues Archiv XVI. 2. 

Dünter, ber Weinbau i. römifchen Gallien u. Germanien, Bonner Jahrbüch. IL 

—, (zu Gaffiodor) Jahrb. d. Vereins von Alterthfr. im Rheinland ILL ©. 34. 
XV. ©. 44. 

von Duhn, die Benütung ber Alpenpäffe im Wltertfum. Neue Heidelberger 
Jahrbücher N. F. II. 1892. ©. 55. 

bon Dulkig, das deutiche Grunderbrecht Gierke, Unterfuchungen 58) 1899. 

Duomoulin, le gouvernement de Thöoderic et la domination des Ostro- 
goths en Italie d’apr&s les @uvres d’Ennodius. Revue historique 
LXXVIII. 1. 1902. 

Dunder, Urmalen des Bereind für naflauifche Alterthumstunde XV. (Sieg 
des Claudius am Gardafee von a. 268—2707??) 1879. 

Diiatowsli, Ifſidor und Ildefons als Literarhiftoriler. Kirchengefchichtliche 
Studien. IV. 2. 1898. 


Ebner, die Hlöfterlichen Gebetöverbrüderungen bis zum Ausgang des Tarolin- 
gifchen Beitalters. 1890. 

Eckel, annales de l’histoire de France & l’&poque Carolingienne: Charles 
le Simple. Bibliothdque de l’&cole des hautes &tudes CXXIV. 

Effmann, die karolingiſch⸗ottoniſchen Bauten zu Werden I. 1899. 

Egli, Kirchengeſchichte der Schweiz bis auf Karl den Großen. Theol. Zeitichr. 
aus der Schweiz IX. 

bon Ebrenberg, die Ortsnamen auf ...ingen in Schwaben, Mittbeil. d. 
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1897. 1898. 


ZXVnO 


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Engel et Serrure, trait6 de numismatigue du moyen-Age I. 1891. 

Erkert, Wanderungen und Siedelungen ber germanifhen Stämme in Mittel» 
europa bon der älteften Zeit bis auf Karl den Großen 1901. 

Eier, die Theilungen der fränlifhen Monarchie unter den Karolingern in 
Beziehung auf die Schweiz. Schweizer Mufeum IL 1838. ©. 41. 

Esmein, &tudes nouvelles sur la lex Alamannorum, Nouvelle revue 
historique de droit francais et 6tanger IX. p. 680. 


Felix, Entwillungsgefchichte des Eigenthums IV. 2. Das Mittelalter 1899. 

Fetz, die Schirmvogtei bes Hodjftifts Chur. 1862. 

Yider, Unterfuchungen zur Erbenfolge der oftgermanijchen Rechte N. 2. 1899. 

— da8 langobardifche und bie ſcandinaviſchen Nechte, Mittheil. db. Vereins 
für öfterr. Geſchichtsforſchung. XXI. 1. 1901. 

Fiſcher, Geographie der ſchwäbiſchen Mundart 1895. 

—, Selbftanzeige, Württembergiiche Vierteljahreshefte IV. 1895. 

— die Namen der Wochentage im Schwäbiſchen. Württ. Viertelj.-Hefte IX. 
©. 170. 

Hörftemann, altbeutfches Ramenbuch, zweite Auflage I. 1. 1900. 

—, die deutfchen Ortsnamen. 1863. 

Foltz, Eberharb von Fulda und die Kaiſerurkunden des Stifts, Forſch. 3. D 
Geh. XVILL 

Fournier, essai sur les formes et les offets de l’affranchissement dans 
le droit gallofranc. 1885. 

Fraas, Geihichte der Landwirthſchaft. 1852. 

Franklin, das Reichshofgericht. 

— Forſch. z. D. G. IV. 

Friedberg, die narratio de electione Lotharii, %. z. D. Geſch. VII. ©. 75. 

Fritz, das Territorium des Bisthums Straßburg und feine Gefchichte 1884. 

Fröhner, inscriptiones terrae coctae vasorum intra Alpes, Tissam et Tame- 
sin repert. 1858. 

Fuhſe, die deutſchen Alterthümer bis zum Ausgang ber Merovingerzeit. 
Sammlung Göſchen, N. 124. 1900. 


Gareis, Bemerkungen zu Kaifer Karld des Großen Capitulare de villin. 
Feftgabe für Konrad von Maurer). 1893. 

Garollo, Teoderico Re dei Goti e degl’ Italiani. 1879. 

Basner, zum Deutfchen Straßenweſen 1889. 

Gasquet, P’empire byzantin et la monarchie Franque. 1888. 

Gaudenzi, gli editti di Teoderico e di Atalarico. 1884. 

Gaupp, die germaniſchen Anftedelungen und Landtheilungen in den Provinzen 
des römifchen Weitreiches 1844. 


=. Sige Bemerkungen über Stammrecht, Territorialrecht, Professiones juris, 
FD. R. XIX. 1859. 


XXVIII 


Gebhardt, Handbuch der Deutſchen Geſchichte. I. 1891.9) 

Geffcken, zum Deutſchen Waſſerrecht, 8. f. R.G.2. XXI. 

Geffroy, Rome et les barbares. 

Gelpcke, Kirchengeſchichte der Schweiz. I. 1856. Tl. 1861. 

Genelin, da8 Schenkungsverſprechen und die Schenkung Pippins 1880. 

&engler, germantfche Rechtsdenkmäler 1875. — Geſchichte des Deutichen Rechts. I. 

—, Beiträge zur Rechtsgeſchichte Baierns. I. 1889. 

&eppert, Beiträge zur Lehre von der Gerichtsverfaſſung der Lex Salica. 1878. 

&frörer, Geſchichte der oft- und weſtfränkiſchen Karolinger vom Tode Ludwig I. 
bis 918. 1850 (dazu und dagegen Wait Götting. gel. Anz. 1850). 

—, zur Gefhichte Deutſcher Volksrechte im Mittelalter. I. 

di Gianlorenzo, i barbari nel senato romano al sesto secolo, studi e doc. 
di storia e diritto. XX. 127. 1899. 

Gierke (Sultus), die Geſchichte des Deutſchen Deichrechts. I. (Otto Gierke's 
Unterfudungen. 63. 1901.) 

Giry, etude critique de quelques documents Angevins de l’&poque 
Carolingienne. 1900. 

Giſi, über den Gau von Avenche, Anzeiger für Schweizer Geſchichte. 1884. 

Glasson, Le droit de succession dans les lois barbares. Nouvelle Revue 
historique de droit francais et &tranger. IX. 1885. 

Bloöl, zur Geſchichte der alten Thüringer, Forſch. zur D. Geſchichte. IV. 1864. 

God, die römiſchen Heerftraßen über die ſchwäbiſche Alp 1846. 

Görres, Miscellen zur fpäteren ſpaniſch⸗weſtgotiſchen Kirchen- und Cultur⸗ 
Geſchichte, Z. f. Kirchengefchichte, Neue Folge, VII. 3. 1899. 

—, Beiprehung von Zeumer's Visigotica, Beitfchr. f. Kirchengeſch. 1899). 

Götz, der liber glossarum (jogen. glossae Salomonis), K. ſächſ. Geſellſch. d. 
W. XIII. philol. hiſtor. Cl. 1891. 

008, Unterſuchungen über die Innenverhältniſſe des Trajanifchen Dakiens. 

Gothein, Wirthichaftsgefhichte des Schwarzwalds. I. 1892. 

Grandidier, histoire eccl&siastique, civile etc. d’Alsace. L II. 1787. 

—, bistoire des &v&ques de Strassbourg. I. I. 1776-1778. III. 1862. 

—, Continuse: (Euvres historiques inedites. I—V. 1865. 

bon Grienderger, über Mommſen's Ausgabe der vita St. Severini von 
Eugippius, 8. f. D. U. 45. 2. 1901. 

— —, über Foerftemann, Namenbud?, ebenda ©. 136. 

Jakob Grimm, über die Notnunft an Frauen. 8. f. D. R. V. 1841. 

—, beutfche Nechtsalterthümer, 4. Aufl. 1899 (durch Heusler und Hübner). 

Griſar, Geſchichte Roms und der Päbfte im Mittelalter. 1899. 

Groſſe, die Formen der Yamilie und die Formen der Wirthichaft. 1896. 

Großler, die Sagen von Winfried-Bonifatius, Mansfelder Blätter. XIIL 1899. 

Grote, Münzftudien. VIL VII. 


1) Führt ©. 71 eine Schrift von mir über die Herrmannfhladt an, die nit eriftirt, fo 
wenig wie mein ©. 115 angeführtee Wert: „Weftgotifches”, ba® er fogar in IL Auflage 1885 er⸗ 
feinen läßt. 


XXX 


Gruber, das Mies. (Kirchhoff, Forſchungen zur Deutichen Landes und Volks⸗ 
tunde. XII. 3) 1899. 

Gudemann, Latin literature of the empire. I—II. 1898. 1899. 

Güßenpenning, Gefchichte des oftrömifchen Reiches unter Arladius und 
Theodoſtus. 

Gunderode, von den vorzũuglichſten Urſachen, welche den Verfall der Eintheilung 
Teutichlands, befonder der rheinifhen Provinzen, in Gaue veranlaßt 
haben. Werke. II. ©. 362. 

W. Gundlach, die Entftehung des Kirchenftat8 und der curlale Begriff: »Res 
publica Romanorum« (Gierfe, Unterfuchungen 59) 1899). 

— — url der Große im Sachſenſpiegel (ebenda 60) 1899. 

— über bie Eolumban-Briefe. N.A. XV. XVII. R. 869. 

—, über die Vienner Briefe, ebenda, XIV. ©. 256 und XX, ©. 261. 

Gutſche und (Walther) Schulge, Deutiche Geſchichte von der Urzeit bis zu den 
Sarolingern. I. 1894. II. 1896. 


Haag, die Latinität Yredigar’s, (Freiburger Differtation) 1898. 

—, die Mundarten des oberen Nedar- und Donau⸗Landes 1898. Programm 
bon Reutlingen.) 

Haas, Urzuftände Alamanniens, Schmabens und ihrer Nachbarländer 1865. 

Hahn, Kahrbücher des fränkifchen Reichs a. 741752. 

—, über Ebilderich IH. Thronerhebung, Forſch. 3. D. Geſch. IV. ©. 159. 1864. 

— die Hausthiere und ihre Beziehung zur Wirthſchaft des Menſchen. 1896. 

bon Halban, über Königsihug und Fehde, 8. f. R.-@.2. XVII. (germ. Abtheil.) 

—, Entftehung des Deutſchen Immobiliareigenthums. I. 1894. 

— das römifche Recht in den germanifchen Bolksitaten. I. Gierke, Unter- 
fuchungen. 66. I. 1899. II. 1901). 

Hamel, Unterfuchungen zur älteren Territorialgefchichte des Kirchenſtates. 1899. 

Hampe, oftgotifcher Frauenſchmuck, Mittheil. aus db. german. Nationalmufeum 
1899. ©. 33. 

Hanſen (Joſef), Zauberwahn, Anquifition und Herenproceß im Mittelalter, 
Hiftorifche Bibliothek. XII. 1900. 

—, Quellen und Unterfuhungen zur Geſchichte des Hexenwahns und der 
Herenverfolgung im Dittelalter. 1901. 

Hanfien, agrarhiftorifche Unterfuchungen. I. 1880. 

Hartmann, die württembergifhen Ortsnamen auf Grund der Schriften Ad. 
Bocmeifter’3, Württemberg. Jahrbücher 1874. 1875. 

—, Die Befleblung Württenbergs, Württ. Neujahrsblätter. XI. 1894. 

—, Die Befiedlung ded württ. Schwarzwalds. 

—, Ludo Morik), Unterſuchungen zur Geſchichte der Byzantiniſchen Ver⸗ 
waltung in Italien a. 540 - 750. 1889. 

—, das italieniſche Königreich 1897. 

—, Eudo), Nömer und Langobarden bis zur Theilung Italiens. 1900 (Ge⸗ 
ſchichte Italiens im Mittelalter. II.). III. 1890. 

Hand, Kirchengeſchichte Deutſchlands. II. Karolinger Zeit. I. 


XXX 


Haug, Andeutungen über den Zweck des römiſchen Gränzwalles. 1872. 
—, bie württemberg. Infchriften, 8. f. Württemb. Franken. VII. 
— und Sirt, die römischen Inſchriften und Bildwerfe Württembergs. L II. 
18%. Im Auftrag des württemb. Geſchichts- und Altertyums-Bereins. 
Haupt, der römiſche Gränzwall in Deuticdhland 1885. 
—, ber römiſche Gränzwall in Oeſterreich 1900. 
Hautbaler, die Arnoniſchen Güterberzeichniffe; Salzburger Urkunbenbud. I. 
1. 1898. 
Havet, questions m6rovingiennes (Unechtheit de8 Teftaments des Perpetuus 
bon a. 478). Bibliotheque de l’6cole des chartes. XLVI. p. 207. 
—, du sens du mot Romain, Revue historique 1876. II. 
Hed, die Gemeinfreten der karolingiſchen Volksvechte 1900. 
—, über die Biergelden. Yehtichrift für Deruburg. 1900. 
—, über friling und edeling, Deutſche Lit.-Beit. 1902. N. 11. Entgegrumg auf 
Wretſchko N. 51/52. 1901. 
Heder, die Alamannenſchlacht bei Straßburg, Neue Jahrbücher für claff. Phi 
Iologie 129. 
Heeger, die germaniſche Befledelung der Borderpfalz an der Hand ber Orts 
namen. Programm von Landau 1899/1900. 
Heer, Geſchichte des Landes Glarus. L IL 1900. 
Hefele, Gefchichte der Einführung des Ehriftenthuums im füdrveftlichen Deutich- 
land. 1937. 
Segel, Geſchichte ber Stäbteberfaflung non Italien 1847. 
Heidemann, Salome III. von Eonftang vor Antritt des Bistums im Jahre 
890, Forſch. 3. D. &. VO. ©. 427. 
Heierli, Urgefhichte der Schweiz. 1900. 
bon Heigel, über die Annales Alamannieci, Forſch. 3. D. &. V. 
Heinzel, oftgotiiche Helbenfage, Sik.-Ber. der Wiener Akad. 1889. B. 119, 24. 
Heldmann, ber Kölngau und die civitas Köln. 1900. 
Helmolt, die Entwidelung der Gränzlinie aus dem Gränzraume im alten 
Deutſchland, hiftor. Jahrbuch. XVII. 1896. 
Helmsdörfer, Forſchungen zur Geſchichte des Abtes Wilhelm von Htrfau. 1874. 
Henne am Rhyn, Gefchichte des Schweizer Bolkes, vgl. Hijtor. B. XVI. ©. 2083. 
Henmning, da8 Deutſche Haus 1882 (dajelbft f. 8, reihe Literaturangaben). 
Hermann, die deutſche Sprade im Elſaß 1879 (Programm des Collegtums 
zu Mühlhauſen im Elfaß). 
—, die Srundelemente der altgermantfchen Robiliarvindication Gierke, Vrter- 
ſuchungen 20). 
—, die Stänbdegliederung bei den alten Sechfen und Angelſachſen (ebenda 17) 
1884. 
—, über bie Entwidelung des altdeutſchen SchöffengerichtS (10) 1861. 
Hertel, über des h. Columba Leben und Schriften, beſonbders über feine 
Klofterregel, 8. f. hiſtor. Theologie. ZU. 18756. 
Herttz, bie Rechtsverhältnifſe des freien Geſindes, Gierke, Abhandl. VI 1879 
(meift fpätere YJahrbanberte). 
.—, Wilhelm), Deutihe Sage im Eifaß. 1873. 


XXI 


Herzog, die römischen Niederlaffungen auf württembergifchen Boden, Zahr⸗ 
bücher des Bereins für Alterthümer im Rheinland. ©. 69. 

—, bie Bermefiung des römifchen Gruͤnzwalles in feinem Lauf durch Wärttem- 
berg, Württemberg. Bierteljahreshefte 1880. 

—, jur Occupations⸗ und Bertwaltungsgeichichte des rechtsrheinifchen Römer- 
landes, Bonmer Yahrbüdder, Heft 102, 1898. 

Heusler, Sinftitutionen des deutſchen Privatrecht$ I. II. 1885. 1886. 

Heydenreich, das älteſte Fuldaer Sartular im Statsarchw zu Marburg. 1899. 

Heime, fünf Bucher deutfcher Hausalterthümer, I. daB deutſche Wohnungs⸗ 
weien bon den Alteften gefdjichtlichen Zeiten bis zum XVI Jahrh. 1899. 

—, IL das deutiche Nahrungswefen 1901. 

Hidber, ſchweizeriſches Urkundenregifter I. 1863. 

—, diplomata helvetica. 

Hildebrand, Recht und Sitte auf ben verfchledenen wirthſchaftlichen Kultur⸗ 
ftufen I. 1896. | 

Hildenbrand, Frankenthal in der Merovingerfage um 400 n. Chr. Monats⸗ 
ſchrift der Frankenthaler Vereinigung 1899. R. 7. 8. 

Hillebrand, Lehrbuch der deutſchen Stats⸗ und RechtsGeſchichte. 1856. 

Hilliger, Studien zu mittelalterliden Maßen und Gewichten, hiſtor. Biertel- 
jabresichrift. ed. Seeliger III. 2. 1900. 

Hinfhius, die germanischen Volksrechte, Hift. 3. VI. ©. 391. 

Otto) Hirichfelb, die Rangtitel der römifchen Katferzeit, Sit.-Ber. d. Berliner 
Alademie XXV. 1901. 

HB, das Strafredht der Frieſen im Mittelalter. 1901. 

Hodgkin, Italy and her invaders II. 1883. VII. the frankish invasions. 
VII. the frankish Empire. 1898. 1899. 

Hodler, Geſchichte des Schweizer Volks. 

Höfler, altgermanijche Heillunde, Handbuch ber Geſchichte der Medicin. 1902. 
(Sonderabdrud.) 

Hölgermann, die Kriege der Römer mit den Franken; Bonner Jahrbücher. 
Band 63. ©. 130. 1878. 

Hoffmann, althochdeutfche Gloſſen I. Breslau 1826. 

Holländer, die Kriege der Alamannen mit den Römern im III. Jahrh. n. Chr., 
Zeitſchrift Für die Gefchichte des Oberrheind XXVI 1874. ©. 270. 

Holz, Beiträge zur deutſchen Alterthumskunde. (a. ?) 

Homeyer, über das germanifche Loſen, Abhandl. d. Berliner Akademie 1853. 747. 

—, bie Losftäbchen, symbolae Bethmanno oblatae. 1868. 

—, Haus» und Hof⸗Marken. 

Huber, Geſchichte der Einführung und Verbreitung bed Chriftenthums in 
Südoftdeutfchland I—IV. 1874. 

—, bie hiftorifchen Srundlagen des ehelichen Güterrechts der Berner Hand» 
feſte (burgundiſch). 

—, die Gemeinderſchaften der Schweiz auf Grundlage ber Quellen dargeſtellt. 
Gierke, Unterſuch. 54.) 

duberti, Gottes⸗Frieden und Land⸗Frieden. I. 1892. 

— Friede und Recht. Deutſche Zeitſchr. für Geſchichtswiſſenſchaft. 1891. 
V. 1. S. 1. 


AXXU 


Hubrich, fränkifhes Wahl- und Erb⸗Königthum zur Merovingerzeit 1889. 
(Königsberger Doctorfchrift.) 

Hübner, (Rudolf) der Immobiliarproceß der fränkiſchen Zeit. Gierke, Unter- 
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—, die donationes post obitum und die Schenkungen mit dem Borbehalt 
des Nießbrauches im älteren deutfchen Recht (ebenda 20). 

—, der römiiche Sränzwall in Deutfchland, Jahrbücher des Vereins von 
Ulterthumsfreunden im Rheinland LXII. 1878. 

E. Hübner, neue Studien über den römiſchen Grenzwall. 1885. 

—, Beiträge zu den römiſchen Alterthümern der Rheinlande, Jahrb. d. Vereins 
der Alterthbumsfreunde im Nheinland LXIV. ©. 46. LXXX. 1885. ©. 66. 

Hüffer, Korveier Studien. Quellenkritiſche Unterſuchungen zur Karolinger- 
Geſchichte. 1898. 

Huſchberg, Geſchichte der Alamannen und Franken. 1840. 


Zäger, Geſchichte der Stadt Heilbronn. 1828. 

Jähns, Entwicklungsgeſchichte der alten Trutzwaffen 1899. 

Jahn, die GBeichichte der Burgundionen und Burgundiens bis zum Ende ber 
I. Dynaftte I. IL. 1874. 

bon Yan, das Elſaß zur Karolinger- Beit, B. f. d. Geſch. d. Oberrheins. 
Vu. 2. 1892. ©. 193. 

Jaſtrow, zur ftrafrechtlichen Stellung der Sclaven bei Deutfchen und Angel- 
ſachſen. (Gierfe, Unterfuch. 2.) 

bon Saumann, Colonia Sumlocenne, Rottenburg am Nedar unter ben 
Römern. 1840. I. II. Nachtrag 1855. 1857. 

Shm, über matribus Suebis euthungabus. Rhein. Mufeum. N.%. XLV. 

Immerwahr, die Berfchweigung im deutichen Recht. Gierke, Unterſuch. 48.) 

b. Inama⸗Sternegg, Saal-Land-Studien, Teitgabe für Hanflen. ©. 73. 

—, Unterfuhungen über das Hoffyften im Mittelalter in befonderer Be⸗ 
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—, Rirthihaft in Pauls Grundriß der germanifhen Philologie, 2. Auflage 
1897. 

bon Inama⸗Sternegg, Über Arndt, Bergregal, Hiftor. Zeitſchrift N. %. XII. 1882. 

Jung, die romanifchen Landichaften des römiſchen Reiches. 1881. 

—, Römer und Romanen. 2. Auflage. 

—, die Provinz der Alpes Apenninae. Mittheil. d. Inſtituts für Öfterreid). 
Geſchichtsforſch. XXI. 1. 1902. 

—, Grundriß der Geographie von Stalien. 2. Aufl. 1897. (Handbuch ber 
claffifhen Alterthumswiſſenſchaft III. 3.) 

Jungbohn, Forſchungen Über das Recht der falifchen Franken 1876 (dazu Dahn, 
literarifche8 Gentralblatt 1877. Sp. 342). 

bon Juvalt, Forſchungen über die Feudalzeit im Churifchen Rhätien 1871. 


Kaemmel, die Anfänge des Deutichen Lebens in Oeſterreich bis zum Ausgange 
der Karolingerzeit. 1879. 

Kägi, Ulter und Herkunft des germanifchen Gottesurtheils, Feſtſchrift zur 
Begrüßung der XXIX. VBerfammlung deutjcher Philologen und Schuls 
männer. 1887. 


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Kaiſer, Geſchichte des Fürſtenthums Liechtenjtein. 

von Kallee, das rhaͤtiſch⸗obergermaniſche Kriegstheater der Nömer, Württem- 
bergiſche Vierteljahresſchrift XI. N. 904. 

Kauffmann, Geſchichte der ſchwäbiſchen Mundart im Mittelalter und in der 
Neuzeit. 1890. 

—, zur D. Alterthumskunde. IL das Königthum, 8. f. D. Philologie XXXI. 
©. 451. 

Sehr, über Entftehung und Rechtsverhältniſſe des Kirchenftats, Nachrichten 
bon der 8.-Gejellichaft d. W. zu Göttingen 1896. 

—, Hiftor. 8. LXX. 1893. 

—, über ben Codex Carolinus, Nachrichten bon der K.Geſellſchaft d. W. zu 
Söttingen, phil. hiſtor. Claſſe. 1896. 

F. Keller, der Einfall der Saracenen in die Schweiz um die Mitte bes 
X. Jahrh., ebenda XI. 1. 1856. 

— —, bie römischen Anfledelungen der Oſtſchweiz, Mittheil. der antiquar. 
Geſellſch. in Zürich XII. 1858, ©. 272. 

— —, bie römifhen Alpenftraßen in der Schweiz, ebenda XLI. 1877. 

— — Bauriß des Kloſters St. Gallen vom Jahr 820. 1844. 

—, vieus Aurelii oder Oehringen zur Zeit der Römer. 1871. 

Reiterer, Farl der Große und die Kirche. 1898. 

Keune, zur Geſchichte von Meg in römiſcher Zeit, Jahrbuch der Geſellſchaft 
fir lothringiſche Sefchichte und Alterthumskunde X. 1898. 

Kiem, die Alpenwirthſchaft in Obwalden, Geſchichtsfreund XXI. 

Kiener, Verfaſſungsgeſchichte der Provence feit der Oſtgotenherrſchaft bis zur 
Erridytung der Konfulate (a. 510—1200). Berliner Doktorſchrift 1899. 
Dazu Ernſt Mayer, Deutiche Literatur-Zettung N. 49. 1900.) 

Lienitz, Litteratur der Landes⸗ und Bolld-Kunde Badens. 1901. 

Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie. 1878. 

—, die Sprachgrenze in Elfaß-Lothringen, Zeitſchr. der Berliner Geſellſchaft 
für Erdkunde. 1874. 

Kier, Edictus Rothari; studier vedrerende Longobarderners Nationalitet 
(Aarhus) 1898. 

Kirchhoff, Thüringen doch Hermunduren-Land. 1882. 

Neiße, Theoderich der Große in feinen Beziehungen zum byzantinischen 
Reiche. 1881 Görzer Gymnafialprogramm). 

under, der friefiihe Tuchhandel zur Zeit Karls des Großen und fein Ber- 
hältniß zur Weberei jener Beit, Jahrb. d. Geſellſch. für bildende Kunſt 
zu Emden XIII. 

Knapp, Srundherrfchaft und Nittergut. 1897. 

Koehne, die Geſchlechtsverbindungen der Unfreten im fränkiſchen Recht (Gierke, 
Unterfudh. 22). 1888. 

—, der Uriprung der Stadtverfafjung in Worms, Speter und Mainz, ebenda 
31. 1890. 

König, Geiftesleben und Unterrichtsmeien zur Zeit Karls bes Großen. 1902. 
Ahdrud aus der Schlefiſchen Volkszeitung vom 27. I. 1902. 

Köpfe in Raumers hiſtor. Tafchenbuch. 1864. (Herkunft der Alamannen.) 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. e 


AXXIV 


Köche, zur Geſchichte ber Heeresſteuern in Karolingiſcher Zeit, hiſtor. Biertel- 
jabresfchrift. II. 1899. 

Nornbeck, Gefchichte de8 Duria⸗Gaues, Württemberg. Bierteljahreöhefte 1881. 

Koffinna, die Sueben im Zuſammenhang der älteiten deutichen Bäller- 
bewegungen. Wejtd. 8. IX. ©. 200, X. ©. 105. 

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Kremer, Geſchichte des Rheiniſchen Yranziens L 

Kroll, antiter Uberglaube. Gemeinverftändl Vorträge ed. Virchow R. %. ZIL 
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Krüger, ber Urfprung des Welfenhaufes. 1899. 

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Krufch, zwei Heiligenleben des Jonas von Sufa. I. Johannis Reomaensis. 
II. die ältere vita Vedastis. Mittheil. des Inſtit. für dfterreichiiche Ge⸗ 
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—, zur Chronologie ber merovingiſchen Könige, ebenda, dann Forſch. z. D. 
Geſch. N. 873. XIL und Hifter. 8. N. 862. LXIN. 

—, zur Floriand- und Lupus Legende Neues Archiv XXIV. 2. 1899. 

—, zur Eptadius- und Eparchius⸗Legende, ebenda XXV. 1. 1899. 


Künſtle, eine Bibliothef ber Symbole und theologischen Tractate zur Bekdm⸗ 
pfung des Prischllianismus und teftgotifchen Arianismus aus dem 
VI. Sabrhundert. 1900. 

Kuhlmann, Eresburg und Irminſul (Baderbomer Programm). 1899. 

Kuhn, die ftäbtifche und bürgerliche Berfaflung des römifchen Reiches. I. 1864. 
IL. 1866, 

Kunftmann, die Canonenſammlung des Nemedius von Chur. 1836. Tübinger 
Doctorichrift.) 

Kurth, Clovis (1900?) vgl. Revue des questions historiques. XXXV. 1901. 
April.)9 

Rurze, bie Jahrbücher von Reichenau und der Fortſetzer Regino's. Neue 
Archiv XXIV. 2. 1899. 

—, Einhards Vita Karoli und die fogenannten Annales Einhardi. Neues 
Archiv XXVI. 1. 1900. 

—, bie Rarolingifchen Annalen des VIII. Sahrhunderts, N. A. XXV. 2. 1900. 

Kußen, das Deutfche Land. 12. 


Lagenpufch, das germanifche Recht im Heltand (Gierke, Unterſuch. 46). 

Laijtner, Germaniſche Bölfernamen. Württembergifche Bierteljahreshefte N. 5. 
1892. I. ©. 41. 

Lamprecht, die römifche Yrage von Pippin bis auf Kaifer Ludwig 1889. 

Lamprecht, Deutſches Wirtbfchaftsleben im Mittelalter. I—III. 1885—1886. 

—, Deutfche Geſchichte. I. 1891. 


1) Blieb mir unzugänglid. 


XXX V 


Yanbanı, bie Territorien. 1854. 

von Lang, Baternd Gaue. 1830. 

Langen, (Über die Conſtantiniſche Schenkung). 

—, Geſchichte ber römiſchen Kirche von Leo I. bis Nikolaus 1. 

Laß, die Anwaltſchaft im Beitafter der Volksrechte und Capitularien. Gierke, 
Unterfuch. 39.) 

Lerisse et Rambaud, histoire générale du IV. sidcle à nos joure. I. II. 1888. 

Larvisse, histoire de France depuis les origines jusqu’& la r&volution. I. 
1900. 

Lechner, zu den älteften Erecutiondurkunden für St. Emeramn in Regensd- 
burg. N. U. 25,2. 

—, da3 Ober-Engadin in der Vergangenheit und Gegenwart. 3. Auflage. 1900. 

Lecoq de la Marche, de l’autorit& de Gregoire de Tours. 1861. 

Lecrivain, le s6nat romain depuis Diocl&tien & Rome et & Constantinople, 
Bibliotheque des &coles frangaises d’Athönes et de Rome. 1888. 

Karlı Leimann, zur Tertkritit und Entftehungsgejchichte des alamannifchen 
Bollsrechts, Neues Archiv X. ©. 470. 

— —, dad Bahrgeridt. (Feſtgabe für Konrad von Dlaurer.) 1893. 

(Otto) Lehmann, der Rechtsſchutz gegenüber Eingriffen von Stats«Beamten 
nad altfränkifchem Necht. 1883. 

Leichtlen, Schwaben unter den Nömern. 1825. 

Leitichuh, Gefchichte der karolingiſchen Malerei. 1894. 

Lelewel, numismatique du: moyen-Age. 1. 

2eo, die capitatio plebeja und die capitatio humana im römifch-byzantini- 

' ſchen Steuerrecht 1900. 

— Unrerfuchungen zur Befiedelungs⸗ und Wirthſchaftsgeſchichte des thürin⸗ 
giſchen Oſterlandes in der Zeit des früheren Mittelalters. 1900. 

Leouzon-le-Duc, le régime de l’hospitalit& chez les Burgundes. Nouvelle 
Bevue de droit frangais et 6tranger. XII. 

Leseur, les cons&quences du delit de l’eselave dans les leges barbaro- 
ram et dans lee capitulaires. Nouvelle Revue historique de droit 
franrais et 6tranger XII's. 1888. 

Leviſon, zur Kritik der Fontaneller Gejchichtsquellen. N.A. XXV. 2. 1900. 

—, zur Geihichte des Frankenkönigs Chlodowech, Jahrb. d. Vereins von 
Altertgeumsfresmben im: Rheinland. B. 103, ©. 42. 

—, Meine Beiträge zu: Quellen der fränfifchen Geſchichte. N. A. XXVII. 2. 
192, ©. 34—502; 

Loy, Beiträge zum Kriegsrecht im Mittelalter, 8.—11. Jahrhundert. Gierke, 
Unterfud). 29.) 

Adenau, Stäbtenerwaltintg im römifchen Saiferreich. 1900. 

Zimes, der römische in DOefterreih. Wiener Ufademie. I. 1900. 

LAmndenſchmit, Handbuch: der dewtihen Alterthumskunde. I. 1880, ergänzt 1889. 

App, das fränkiſche Gränzſyſtem unter Karl d. Gr. Gierke, Unterſuch. 41.) 

—, Ve Murten: des Frunkenreichs unter Katl dem Großen. 1892. (Kbonigs⸗ 
berger Docdorkeift.) 


XXXVI 


Löffler, die Schuldformen des Strafrechts in vergleichend hiſtoriſcher und 
dogmatiſcher Darſtellung. I. 1. 1895. 

Löning (Edgar), die Haftung des States aus rechtswidrigen Handlungen fei- 
ner Beamten nad) D. Privat- und Stats⸗Recht. 1879. 

—, über die Conftantinifhe Schenkung. Hiftor. 3. LXV. 

Löning (Richard), der VBertragsbrud im Deutfchen Recht. 1876. 

—, der NReinigungsetd bei Ungerichten im Deutichen Mittelalter. 1880. 

Loewe, die ethnifche und fprachliche Gliederung der Germanen. 16. Feſtſchrift 
der Berliner Geſellſchaft für D. Philologie. 1899. 

Lorenz, Pabſtwahl und Kaiferthum. 1874. 

Lorenz und Scherer, Gefchichte des Elfaffes. 3. Aufl. 1886. 

Lori, Geſchichte des Lechraing 1. 

Lütolf, die Slaubensboten der Schweiz por St. Gallus. 1871. 

Zunglmayr, die Orts⸗ und Ylur-Namen des K. Amtsgerichtsbezirks Lindau, 
Schriften des Vereins für die Geſchichte des Bodenſees und feiner Um⸗ 
gebung. 1898. 

Lurz, über die Heimath Pſeudo-Iſidors. 1898. 

Luſchin von Ebengreuth, Oeſterreichiſche NeichSgejchichte. I. 1895. 


Madvig, die Verfaffung und Verwaltung des römiſchen Stats. II. 1882, 

Magani, Ennodio 1886. 

Mageritedt, Feld» und Wiefen-Bau der Römer. 1852. 

Maitre, questions de g&ographie merovingienne: le Fluvius Taunucus et 
le Portus Vetraria. Biblioth. de l’6cole des chartes LX. p. 377. 
Manitius, das Epos Karolus Magnus und Pabſt Leo, N. A. VII. 1883. ©. 9. 
—, zu Walahfrid Strabo’8 Gedicht de cultura hortorum, N. Arch. XXVL 3. 

—, Geſchichte der Kriftlich-Tateinifchen Poefie. 

Manſo, Geſchichte des oſtgotiſchen Reiches in Italien. 1824. 

Marignan, études sur la civilisation frangaise I. la soci6t6 mérovingienne 
Il. le culte des saints à l’&poque merovingienne. 1899. 

Martens, die römische Frage unter Pippin und Karl dem Großen. 1881. 

—, Beleuhtung der neueiten Kontroverfen über die römifche Trage unter 
Pippin und Karl dem Großen. 1898 (dazu Hahn, Deutfche Literatur- 
zeitung 1899 Nr. 34). 

Martin, Theoderich der Große bis zur Eroberung Staliens. 1888. 

Marz, die Beziehungen der claffifchen Völker des Alterthums zu dem keltifch- 
germanifchen Norden, Münchener Allgem. 3. 1897. N. 162. 163. 

Maſchke, Kap. 24 und 26 der Lex Francorum Chamavorum (Königöberger 
Doctorichrift) 1898. 

Matthaei, die baierifhe Hunnenfage, Beitichr. f. Deutſches Altertfum XLVL 
Neue Yolge XXXIV. 

Mathias, Beiträge zur Erklärung der germanifchen Gottesurtheile, Programm 
bon Burg. 1900. 

Matthias, über Pythend von Maffilia und die älteften Nachrichten von ben 
Germanen. Programm des Luifengymnaftums zu Berlin I. 1901. II. 1902. 


XXXVII 


H. Maurer, Balentinian's Feldzug gegen die Alamannen (a. 369), Zeitſchr. f. 
d. Geſch. d. Oberrheins 42. N. 9085. 

—, (8. v.), Krit. Bierteljahresſcht. 31. ©. 192 (Über Ficker's Erbenfolge). 

E Mayer, Boll, Kaufmannſchaft und Markt zwiſchen Rhein und Loire bis in 
da8 XIN. Sahrhundert (Feſtgabe für Konrad von Maurer). 1893. 

—, (Emft), deutfche und franzöfifhe Berfaffungsgefchichte vom 9. bis zum 
14. Jahrhundert. I. 1899. 

Mehlis, die [vermeintliche, Dahn] Merovingerpfals Dagobert J. Walahftede 
191 (f. aber Piper, Münchener allgemeine Beitung 1901. R. 210. 

Mehring, Kritit von Eramer, Geichichte der Alamannen, württ. Viertelj.“Hefte. 
Neue Folge IX. ©. 246; fehr ſchwach iſt Cramer's Vertheidigung ebenda, 
©. 461/465. 

Meiken, das Deutiche Haus in feinen volfsthüimlichen Formen. 1882. 

—, Volkshufe und Königshufe in ihren alten Diaßverhältnifien (Feſtgabe für 
Hanflen) 1889. 

—, die Ausbreitung der Deutichen im Ausland in Conrad's Jahrb. I. 1. 
N. %. 1879. 

— dad Romadenthum der Germanen und ihrer Nachbarn in Wefteuropa, Ber- 
bandl. des II. Seographentages. 1882. 

— Siedelungen und Agrarweſen der Weltgermanen und Oftgermanen, der 
Kelten, Sinnen und Slaven. I—III. 1695. 

—, zur Agrargeihichte Norddeutichlands (Sonderabdrud aus „der Boden und 
die landwirthſchaftlichen Berhältniffe des preußifchen States“) 1901. 

PMemminger, die Herzoge Erchanger und Berthold von Ulamannien, Württem- 
berg. Jahrb. 1823. 

—, die Geichichte der Bauernlaften (mit befonderer Beziehung auf Baiern). 1900. 

Meringer, Etymologieen zum geflochtenen Haus, Feſtgabe für Heinzel.) 1898. 

Merkel, de republica Alamannorum. 

—, Lex Alam. Monam. Germ. h. Legg. III. p. 9. 

Meder, H., die Ortönamen des Kantons Zürich, Mittheil. d. antig. Geſellſch. 
zu Züri). VI. ©. 64f. 

—, (Herbert), Entwerung und Eigentbum im deutichen Fahrnißrecht. 1902. 

—, Johann), Schwaben und Alamannen, Alemannia VII. (gegen Bau⸗ 
mann). 

—, (Elard Hugo), Deutſche Volkskunde. 1898. 

—, (Sohannes), die drei Belgen, Thurgauer Programm. 1880. 

—, Johannes, Geſchichte des Schweizeriſchen Bundesrechts. 1. (©. 192, die 
Gaue). 

—, Karl, Sprache und Sprachdenkmäler der Langobarden. 1877. 

—, K—, die römiſchen Alterthümer des Kantons Zürich, Schweizer Muſeum. 
I. 1838, ©. 120. 

— bon Knonau, die alamanntichen Denkmäler in der Schweiz, Mittheilungen 
der antiquarifchen Geſellſchaft in Zürich. I. II. 1875. 1876. 

— — — zur älteften alamannifchen Gefchichte, Anzeiger für Schweizer Ge⸗ 
ſchichte 1878. 1879. 


XXXVII 


Meyer von Kenonau, Mittheilungen zur vaterkimdiichen Geſchichte. XII. Neue 
Folge. I. 25. (St. Fridiburg, Tochter des Herzogs Kunzo, Braut Sigi⸗ 
berts IL). 

— — — XILI. S. 232. 

— — — Anzeiger für ſchweizer. Geſch. X. 1879 (gegen Baumann, Alamann. 
Anſiedel. in Rhaetia secunda). 

— — —, über Schwaben und Ulamannen, Anzeiger f. ſchw. G. 1874—1877. IL 

— — — Anzeiger für Schweizer Geidhichte 1881 (Herzog Theutbald). 

— — —, Mittheilungen der antiquariſchen Gejellfchaft in Zürich XVII. XIX. 
©. 53. 

— — —, Pupebofer und Mofer, Über die Gränze zwiſchen dem Rheingau, 
Ehurrhätien und Thurgau. Schriften de Vereins für die Gejchichte des 
Bodenfees und feiner Umgebung. V. und VI. 

— — — das Lebensbild des h. Notker. Mittheil. d. antiq. Gefellich. zu Zürich 
XLI. 1877. 

— — — —, ein Kampf des deutſchen Volkswillens gegen kirchliche Macht⸗ 
anfprüche im X. Jahrhundert (aus mittleren und neueren Jahrhunder⸗ 
ten) ©. 1. 

— — — —, zur älteren alamanniſchen Geſchlechtskunde, Forſch. 3. D. Geſch. 
XII. 

— — — —, mittelalterliche @efchichtfchreiber des Bodenſees. 

Meyer, Wilhelm, der Gelegenbeitädichter VBenantius Yortunatus. Wbhandl. d. 
8. Geſellſch. d. Wiflenfchaften zu @öttingen philol.-hiftor. Claſſe. N. F. 
IV. 5. 1901. 

— —, die Spaltung des Patriarchats Aquileja. Abhandl. d. K. Gefellich. d. 
W. zu Göttingen, phil.-hift. Mlaffe N. %. II. 6. 1898. 

bon Miaskowsky, die Agrar-, Alpen⸗ und Yorjt-Berwaltung der deutichen 

Schweiz. 1878. 

— die ſchweizeriſche Almännd in ihrer gefchichtlihen Entwidelung, in 
Schmollers Forſchungen IV. 3. 1879. , 

—, Berfafjung der Land-, Alpen- und Forſtwirthſchaft der deutſchen Schweiz 
in ihrer geſchichtlichen Entwidlung. 

Milezewsky, über die Entftehung und das Alter de Pactus und der Lex 
Alamannorum. (Heidelberger Doctorfchrift) 1894. 

8. Miller, zur Topographie der römiſchen Kaftelle .... in Württemberg. Weſt⸗ 
deutiche Zeitſchr. VI. N. 920. 

—, Reſte aus römiſcher Zeit in Oberjchwaben. 1889. 

—, Karte der römischen Straßen und Niederlaffungen in Oberſchwaben. 1890. 

Möller, (Hermann) Chatti und Heffen. 3. f. D. Alterth. 43. ©. 172. 

Juſtus Möfer, osnabrüdifche Geſchichte L 1768. 

Molinier, les sources de l’histoire de France. I. Epoque primitive, Mero- 
vingiens et Carolingiens. 1902. 

Th. Mommfen, Verhandl. d. k. ſächſ. Geſellſch. d. Wiſſenſch. 1852. IV. (gegen 
bon Jaumann. 

—, die Schweiz in römifcher Zeit. Mittheil. der antiquar. Gefellſch. in 

IX. 2. 
—, Schweizer Nachftudien, Hermes XVI. 


XAXXIX 


TH. Mommfen, römiidhe Sefchichte III. 3. Aufl. 1863. V. 1886. 

—, Corpus Inscriptionum Latinarum III. 2. 1873. 

—, die Bewirtbichaftung der Kirchengüter unter Babft Gregor I., 8. f. Soctal- 
und Wirthichafts⸗Geſchichte 1. 

—, oftgotifhe Studien. Neue Archiv XIV. XV. 1889. 1890. 

—, Abriß des römischen Statsrechts. 1893. 

— , Über Anterpolationen tim Theodoflantichen Breviar. N. U. 26, 2. 

Mone, über die Juthungen, Anzeiger für Kunde bes deutichen Mittelalters 
1835. ©. 392. 

—, Urgefchichte des badiſchen Landes I. UI. 1845 (vgl. aber K. v. Beer, 
Geſchichte des badiſchen Landes zur Zeit der Römer. 1. Kritik ber Ge 
ſchichtſchreibung Mone’8 und feiner Schule. 1876.) 

— , römijche Ueberbleibfel, 8. f. d. eich. d. Oberrheins XX. 1867. 

Monod, &tudes critiques sur les sources de l’histoire Carolingienne I. 1899. 

—, la Renaissance Carolingienne, S6ances et travaux LII. p. 137. 

Moter, die Gränze zwiſchen Rheingau, Ehurrhätien und Thurgau, Schriften 
bes Bereins für die Geſchichte bes Bodenſees VI. 1875. 

Much, die Südmart der Germanen, in Sievers Beiträge zur Gefchichte der 
deutfchen Sprache und Literatur XVII. 1893. ©. 96f. XIX. ©. 75. 

—, waren die Germanen Wanderhirten? 3. f. D. Alterthum XXXVI. 1892. 

—, Deutſche Stammeshmde, Sammlung Göſchen R. 126. 1900. 

—, die Heimat der Indogermanen im Lichte der urgefchichtlichen Forſchung. 
1902. 

—, Beiprechung von Loewe, Gliederung (f. diefen) 8. f. D. Alterthum, 45, 2. 
Anzeiger ©. 113. 

Mühlbacher, die Urkunden Karls III. Wiener Sit.-Ber. XCIL p. 364. 

—, Deutſche Geſchichte unter den Karolingern. 1886. 

—, eine Urkunde Karls von Burgund (geit. a. 864), N. U. XXV. 2. 1900. 

MüllenHoff, Deutſche Alterthumskunde II. II. IV. 1887—1890. 

—, von der Herkunft der Schwaben, 8. f. D. Alterthum. 1874. 

F. Müller, die deutfchen Stämme. 

B. Müller, zum Verhältniſſe Nicolaus I. zu Pſeudo⸗Ifidor, N. A. XXV. 2. 1900. 

ob. v. Müller, Geſchichten ſchweizeriſcher Eidgenofienfchaft I. 1815. 9. TH. VII. 
©. 135. WW. 1831. 

Müller, Nyon zur Römerzeit. Mittheil. d. antig. Geſellſch. in Züri XVII. 

Müncheberg, Beiträge zur Geſchichte der bäuerlichen Laften 1901. (Breslauer 
Doectorſchrift. 

Muller (nit Müller!), de civitates van Gallie. 1898. 


Räder, daB römifche Straßen-Neb in den Bebntlanden. Jahrb. d. Vereins v. 
Alterthumsfr. im Rheinland. 71. 1881. 

Negri, l’imperatore Giuliano l’Apostatea. 1901. 

Neher, Kirchliche Geographie und Statiſtik von Italien, Spanten, Portugal 
und Frankreich. 1864. 

Neffe, Funbe atiter Drängen im Königreich Württemberg. 1893. 

—, der limes in ber antilen Literatur, ebenda, II. 1893. 


XL 


Neftle, zur Geichichte des Decumatenlandes, württembergiiche Bierteljahres- 
befte. IV. 1895. 

Neugart, episcopi Constant. 

Neumeyer, Notizen zur Literaturgefchichte des langobarbifhen Rechts, 8. f. 
R.-&.2. XX. 1899. 

Niehues, (Über den Kirchenſtat), hiſtor. Jahrbuch der Görresgefellihaft 1881. 

Nifien, die Alamannenſchlacht bei Straßburg, Weſtdeutſche Zeitſchrift. VI. 

Nitzſch, Geſchichte des Deutfchen Volkes ed. Matthaei. I. 1883. 

Nonnemann, die Völkerwanderung und die Kultur ihrer Zeit. 2. Aufl. 

Nübling, Ulms Handel im Mittelalter. 1901. 

Nürnberger, die römische Synode vom J. 743. 1900. 

Küfchler, die Gotteßhäufer in der Schweiz. I. Bisthum Chur. 1868. 


Oberziner, le guerre di Augusto contro i popoli alpini. 1900. 

Delöner, Jahrbücher des fränkiſchen Neiches unter König Pippin. 1871. 

Oeſterley, biftorifch-geographifches Wörterbuch des Deutichen Mittelalters. 1883. 

Oheim, Reichenauer Chronik ed. Brandt. 

Olenſchläger, Alta Ripa, Weſtdeutſche 3. XL S. 18. 

Olivecrona, om Makars Gifto-rätt i Bo. 1882 (blieb mir unzugänglid)). 

Opelt, die Geſchlechtsvormundſchaft in den fränkiſchen Volksrechten, Mittbeil. 
des Inſtituts für öſterreichiſche Geſchichtsforſch. III. Ergänzungsbend. 
Heft 1. 

—, die erbreditlihe Stellung des Weibes tn ber Zeit der Volfsrechte (Gterfe, 
Unterſuch. 25). 

—, das Gewerkſchaftsrecht nad) den Deutfchen Bergrechtöquellen, Beitichrift 
für Bergrecht XXXIV. 1893. 

—, Geſchichte der Proceßeinleitungsformen im ordentlichen Deutfchen Rechts⸗ 
gang. I. Die Beit der Volksrechte. 1891. 

Opit, die Germanen im römischen Imperium vor der Bölferwanderung. 

Dfenbrüggen, über den Hausfrieden. 1857. 

—, das alamanniſche Strafreht im Deutſchen Mittelalter. 1870. 

—, das Strafredit der Langobarden 1863. 

—, Wanderjtudien aus der Schweiz. I. II. 

—, Deutihe Rechtsalterthümer aus der Schweiz. 

—, Studien zur Deutichen und Schweizerifhen Rechtsgeſchichte. 1868. 

—, die Talion im altdeutfhen Recht, 3. f. D. R. XVIH. 1558. 

—, bie Theilnahme am Berbrechen nach altdeutfhem Net, 3. f. D. R. XVII. 
1858, 

Dfterhage, Bemerkungen zu Gregor3 von Tours Heineren Schriften, Wiſſen⸗ 
fhaftlide Beilage des Humboldt’hen Gymnaſiums zu Berlin. 1895. 


Paris, (Gaston), Romani, Romania, lingua Romeina. Romania 1. 8. 18, 

Parisot, le royaume de Lorraine sous les Carolingiens 1898. 

Pasquale del Giudice, due note all’ editto di Atalarico. 1898. 

Patella, sui frammenti di diritto germanico nella collezione Gaudenziana, 
Archivio giuridico 53. 1894. 


XLI 


Paulus, &., der römiſche Gränzwall vom Hobenftaufen bi8 an den Main 
Schriften des württembergiichen Alterthumsvereins 1863, I. 

—, Erklärung der PBeutinger-Tafel 1866. 

—, &. von, das Königreich) Württemberg. 1863. 

—, Generalfarte von Bürtteinberg mit archäologifcher Darftellung der römischen 
und altgermanifchen Ueberreite. 3. Aufl. 1876. 4. von E. Paulus (Sohn) 
1880. 

— die Wlterthümer in Württemberg, Jahrb. II. 1875. IV, 1859 (dazu 
E. Paulus Staatsanzeiger 1881). 

Bauly, der Straßenzug von Windiſch nach Regensburg (Stuttgarter Gymnafial« 
programm). 18386. 

Peez, die Stammfige der Baiern und Defterreiher, Münchener Allgemeine 
Zeitung 1899. N. 264. 

Beter, die gefchichtliche Literatur über die römiſche Kaiſerzeit bis Theodofius I. 
und ihre Quellen. I. II. 1897. 

Pertile, storia del diritto Italiano. L 

Pfaff, die Gaue und die älteften Dynaftengefchlechter Württemberg, Württem- 
berg. Jahrbũcher 1844. 

—, über den rechtlichen Schuß der wirthſchaftlich Schwachen in der römifchen 
Raifergefeßgebung. 

Pfaffenhofen, die Münzen der Herzoge von Alamamien (mir unzugänglid). 

Pfabler, Handbuch Deutfcher Alterthümer 1865. 

Pfeilſchifter, Theoderich der Große und die katholiſche Kirche in Sdraleck's 
Zeitſchr. 1898. 

Pfifter, pragmatifche Geichichte von Schwaben. I. 1803. 

—, le duch& Mörovingien d’Alsace et la l&gende de St. Odile. 1892. 

non Pflugl-Hartung, bie Thronfolge im Reihe der Oftgoten, 8. |. R.-8.2. X. 

—, — ber eitgoten, ebenda, XI. 

— der Burgunden, ebenda, XI. 

—, Bopftpolitit in Urkunden, Hijtor. Zeitfehr. XXXV. 

Piot, les Frisons en Flandre. Bulletins de l’acad&mie royale des sciences 
de Belgique. II. Ser. T. 35. p. 78. 

Blanta, das alte Nhätien. 1872. 

—, Geſchichte von Graubünden. 1872. 

—, die hurrhätifchen Herrichaften. 1881. 

Plath, die Königspfalz der Meromwinger und Sarolinger zu Kirchheim im 
Elfaß. 1900. 

Blatner, über die Art der Deutſchen Völkerzüge zur Zeit der Wanderung, 
Forſch. 3. D. Geſch. XX. 1880. 

Ponton d’Ame&court, essai sur la numismatique m6rovingienne compar6e 
& la geographie de Gregoire de Tours. 1864. 

Poſtina, ein ungedrudter Text der vita des heiligen Arbogaft, Biſchofs von 
Straßburg. Romiſche Duartaljchrift. XII. 1899. 

Poupardin, les grandes familles comtales à l’6poque Carolingienne. 
Revue historique. 1900. 1. 

Prinzinger, der vorchriftliche Sonnendienſt im Deutſchen Sübdoften. 1880. 


XL 


Prinzinger, die Seltenfrage. 1881. 

—, zur Namen⸗ und Bolks unbe der Alpen. 1890. 

— der Stammfit des baierifch-öfterzeichtfchen Bolksſtammes. 189. (?) 

—, Altſalzburg. 1898. 

Prou, examen de quelques passages de Gregoire de Tours, relatifs & 
Yapplication de la peine de mort. Etudes historiques du moyen-äge. 

—, les monnaies Carolingiennes. 18986. 

Püdert, Aniane und Gellone Biplomat. Frit. Unterfuch. 3. Geſch. der Re⸗ 
formen d. Benedictinerordens im IX. und X. Jahrh. 1899. 

Pupilofer, Die Gränge zwiſchen Rheingan, Churrhätien und Thurgau, Schriften 
des Vereins für die Gefchichte des Bodenfees. V. 1874. 

—, Erwiderung an &. Meyer v. Knonau. VI. 1875. 


Duellen und Forfchungen zur Geſchichte der Abtei Neichenau. L 1890. 
Quitzmann, die älteite Geſchichte der Baiern bis zum Jahre 911. 1873. 


bon Ranke, Weltgeihichte, 1.—3. Aufl. V. 2. VI. 1. 1884. 

Rappaport, die Einfälle der Goten in das römische Reich bis auf Bonftantin. 1899. 

—, de Gotorum usque ad Decium imperatorem mortuum incarsionibus. 
Berliner Difiertation. 1899. 

Regesta episcoporum Constantiensium a. 517—1496. ed. Ladewig. I. 1886. 

Reiche, Über die Theilung der Zivil- und Militair-Gewalt im IN. Jahr⸗ 
Bundert der Kaiſerzeit. Programm de8 Breslauer Friedrihsgymnaflums. 
1900. 

Renaud, Beiträge zur Geſchichte des Kantons Zug. 1847. 

Beuss, de scriptoribus rerum alsaticarum historieis inde a primordiis 
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Richterich, Pabft Nikolaus I. Internationale theol. Zeitjchrift. IX. 

Nieger, die römifchen Alterthihner der badiſchen Bar. Schriften des Vereins 
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Rieſe, das rheinifche Germanien in der antiken Litteratur. 1892. 

bon Riezler, Geſchichte Baierns. I. 1878. 

bon Rodlow, die Brennerftraße im Altertbum und im Dittelalter. 

bon Rodinger, drei Sormelfammlungen, Quellen und Forſchungen zur baieri⸗ 
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Roeder, die Yamilie bei den Angelſachſen. J. Dann und Frau. 1899. 

Rohmeber, das Deutiche Volkschum und bie Deutiche Schule in Südtirol. 1898. 

Rospatt, Kritifche Beiträge zur älteiten Geſchichte der Franken. 

Roftn, die Formvorſchriften für die Veräußerungsgefchäfte der Frauen Gierke, 
Unterfudj. VIII). 1880. 

Ross, the early history of landholding among the Germans. 1883. 

Roth, Geſchichte von Leutkirch. 

KL. Roth, die Vereinigung Schwabens mit dem römiſchen Reich durch Do⸗ 
mitian. Schweizer Muſeum. II. 1838. ©. 30. 

Roth, Geſchichte von Leutkirch (anno ?). 


ZLIN 


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und Berchtold, York. 3. D. Geſch. VI. ©. 138. 

v. Roth, Geſchichte des Beneſicialweſens 1650. 

Roziöre, recherohes sur l’origine et les difförentes r&dactions de la loi 
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Rudhart, ältefte Geſchichte Baierns. 

Rüũger, Chronik von Schaffhauſen. 

(Paul) Rühl, das aequitetis judieium im fränkifchen Königsgericht, 3.f. 
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Rulch, das Gaugericht auf der Mufiner Wiefe. 1870. 


Sach, bed Herzogthum Schleswig in feiner etbnographifchen und nationalen 
Enttwidlung. 1896—99. 

Sadur, ein römifcher Majeftätsproceh und die Kaiferfrönung Karls des Großen. 
Hiftor. Zeitſchrift N. F. 51. (3) 1901. 

—, die promissio Pippins von a. 754 und ihre Erneuerung duch Karl ben 
Sroßen. Mittbeil. d. Inſtituts für öfterreich. Geſchichtsforſch. XVI. 

—, bie promissio von Slierfy, dafelbjt XIX. 

—, die römische Frage, Mittheilungen des Inſtituts für öfterreichifche Ge⸗ 
ſchichtsf. XIX, 55— 75. 

Sage von der Herkunft der Schwaben. Haupt Beitfcjr. XVII. 61. 68. 

Saleilles, de l’6tablissement des Burgondes, Revue bourgignonne 1. 

von Salis, Lex Romana Curiensis, 2. f. R.-&.2 VI. (Germ. Wbtheil.) 

Sander, Germania sacra, Beilage zur Münchener Allgem. 3. 1898. N. 185. 
zu Hauds D. Kirchengefchichte, II. Auflage.) 

Sartorius von Waltershauſen in Kirchhoff, Forſchungen zur deutichen Landes⸗ 
und Volks⸗Kunde XI. ©. 369-404. 

— — -—, bie Germanifirung der Ahaetoromanen in der Schweiz. Toric. 
zur d. Landes» und Volks⸗Kunde v. Kirchhoff XII. 

Sarvey, Hettner und Fabricius, der obergermanifch-rhätifche limes des Römer: 
reichs I—X. 18941900. 

Sattler, Geſchichte des Herzogthums Württemberg unter der Regierung der 
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—, Unter der Regierung von Herzögen. 1769—1783. 

Sauter, Kirchengeſchichte Schwabens bis zur Beit der Hohenftaufen. Württemb. 
Jahrbücher ©. 512. 

vd. Savigny, Geſchichte des römischen Rechts im Mittelalter VII. 

Schäfer, Wirthſchafts⸗ und Finanz-Geſchichte der Reichsſtadt Meberlingen am 
Bodenfee. Gierke, Tinterfuch.) 1893. 

Schaffner, Geſchichte der Rechtsverfafſung des Frankenreichs I. 1859. 

Scaer, die altdeutichen echter und Spielleute. 1901. 

Scharmal, Patrimonium Sanct Bonifatii seu Buchonia vetus, in Corp. 
trad. Fuldens. 1724. 

Schagmann, die Alpenwirthichaft der Landſchaft Oberhasli, Schweizerische 
Alpenwirthicheft fieit 1659 (1). 

Scheffer-Boichhorit, (Über den Kirchenftat), Mittheil. d. Anftituts Für öſterreich. 
Geſchichtsforſch. V. S. 200. 


XLIV 


bon Scherer, über da8 Eherecht bei Benedict Levita und Pſeudo⸗Ifidor. 1879. 

Schiber, germanifhe Siedelungen in Lothringen und England, Jahrb. d. 
d. Gefellich. für Iothring. Geſchichte XII. 1900. 

—, die fränlifchen und die alamanniſchen Siedelungen in Gallien. 1894. 

Schippa, un passo dubbio di Ennodio, Atti dell’ accad. Pontaniana 
XXX. 1901. 

Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen. 1853. 

—, 83,8 f R.G.2. XVI. (germ. Abth.) gegen Patella (f. diejen). 

— —, Beiprehung von Gaudenzi, compilazione, ebenda. IX. ©. 223. 

— —, die Orundfäße über den Schabenerfag in den Volksrechten (Gierfe, 
Unterſuch. 18) 1885. 

—, L., die Bevöllerungszahl germaniſcher Staten, Weftdeutfche Zeitſchrift. 
XX. 1. 

— —, die Hermunduren, Hiftor. Viertel⸗Jahresſchrift 1900. 3. 

— — Geſchichte der Langobarden. 

— —, Hermes XXIV. 1898. 

— — Geſchichte der Wandalen 1901. 

—, Medicinifhe8 aus Deutfhen NechtSquellen. Feſtſchrift für Benno 
Schmidt 1896. 

—, Friedrich, die Anfänge des Welfiichen Gejchlechts. 1899. 

—, 9. G., über die Ernennung des Bonifatius zum Metropoliten von Köln 
(Kieler Doctorfchrift) 1899. 

—, Ludwig, Bonifatius und der Hebergang der Wandalen nach Afrika, hiftor. 
Bierteljahresichrift ed. Seeliger 1899. Heft 4. 

—, Richard, die Affatomie der Lex Salica. 1891. 

Schnürer, die Berfafier der fogenannten Fredigarchronik. 1900. 

—, bie politifhe Stellung des Papſtthums zur Zeit Theoderich’8 des Großen, 
biftorifche8 Jahrbuch 1888. ©. 251. 

—, die Entftehung des Kirchenſtats, II. Vereinsichrift der Görres Geſellſchaft. 
1894. 

Schönfelder, de Vietore Vitensi episcopo (Breslauer Doctorſchrift). 1899. 

Schönhut, Chronik des Kloſters Reichenau. 1836, 

Schott, über den Urfprung der Deutfchen Ortsnamen, zunächſt von Stutt- 
gart. 1843. 

Schrader, Reallericon der indogermanifchen Alterthumskunde. I. II. 1901. 

Screuer, die Behandlung der Berbrechensconcurrenz in den Volksrechten 
Gierke's Unterfuchungen 50). 1896. 

Schricker, ältefte Gränzen und Gaue im Elfaß, Straßburger Studien. IL. 1884. 

Schröder, B., romanifche Elemente in dem Latein der Leges Alamannorum 
(Roſtocker Difiert.) 1898. 

—, R., Geſchichte des ehelichen Güterrechts in Deutichland. 1. 

— —, Gefeßiprecheramt und Prieftertbum bet den Germanen, 8. f. R.-.2. 
IV. ©. 215. 

—, zur Runde der Deutjchen Volksrechte, 3. d. Saptgny-Stiftung. VII. Ger⸗ 
man. Abtheil. 17. 

—, B- f. Rechtsgefch. XX (über die Lex Alamannorum). 


XLV 


R. Schröder, Arno, Erzbifchof von Salzburg und das Urkundenwefen feiner 
Zeit. Neue Heidelberger Jahrbücher, N. F. II. 1902. ©. 165f. 

—, —, Neuere Forſchungen zur fränkiſchen Rechtsgeſchichte, Hiftor. Z., N. F. 
XLILUL 

—, germaniſche Rechtsſymbole auf der Marcusjäule, Heidelberger Jahrbücher 
1899 


—, Deutſche Rechtsgeſchichte, 3. Aufl. 1898. 

bon Schubert, die Unterwerfung der Alamannen unter die Franken. 1584. 

Schüding, die Entſtehungszeit und die Einheitlichleit der Lex Saxonum. Neues 
Archiv XXIV. 2. 1899. 

—, der Regierungdantritt. I. Die Urzeit und bie Beit der oft- und weſt⸗ 
germanifchen Stammeßrechte. 1899. 

Schulte (Aloys), über Reſte romaniſcher Bevölkerung in der Ortenau, 8. f- 
Geſch. d. Oberrheins, Neue Yolge. IV. 1889. 

—, Geſchichte des mittelalterlihden Handels und Verkehrs zwiſchen Weſtdeutſch⸗ 
fand und Italien. I. II. 1900. 

— — die Urkunde Walahfrid Strabo’8 von a. 843, eine Fälſchung, Z. f. d. 
Geſch. d. Oberrheing. XLII. 

— von, Lehrbuch der deutichen Rechtsgeſchichte. 2. Auflage 1870. 

Schulke, Alfred, die langobardifhe Treuhand und ihre Umbildung zur 
Teftamentsvollftredung Gierke, Unterfuchungen, 49) 1895. 

—, Balther, die Saugrafichaften des alamannifchen Badens. 1896. 

— —, die fräntifhen Gaue Badens. 1896. 

— —, bie fränfifchen Baugrafichaften Rheinbaierns, Rheinheſſens, Starkep⸗ 

burgs und des Königreich Württemberg. 1897. 

Schulze, E. D., die Eolonifirung und Germanifirung der Gebiete zwiſchen 
Saale und Elbe. 1896. 

Schumacher, zur älteften Befiedelungsgefchichte des Bodenſees und feiner Um⸗ 
gebung, Schriften des Bereind für Geſchichte des Bodenſees. XXVIIL 
©. 209. 

— über vorrömifche Wege, Globus 76, ©. 249. 

Schupfer, delle istituzioni lJangobardiche. 1863. 

—, la legge Romana Udinese, reale Accademia dei Lincei. VII. 

—, nuovi studi sulla legge Romana Udinese 1882, ebenda X. 

—, della legge Romana Udinese, ebenda, Ser. IV, P. III. 1. 1888. 

Schwarzloſe, die Batrimonien der römifchen Kirdje 6i8 zur Gründung des 
Kirchenſtats. 1887 (Berliner Doctorfchrift). 

— die Berwaltung und finanzielle Bedeutung der Batrimonien der römischen 
Kirche bis zur Gründung des Kirchenftats, 3. f. Kirchengefch. XI. 1890. 

Schweizer Urkunden⸗Regiſter. I. 1863.1) 

bon Schiwind, zur Entftehung der freien Erbleihen in den Rheingegenden und 
den Gebieten der nördlichen Deutfchen Colonifation des Mittelalters 
(Gierfe, Unterſuchungen, 25) 1891. 





1) Nur wenige der hier aufgezählten blieben mir unzugänglid. 


XLVI 


Seebaß, über die Briefe Columban's. N. U. XVII. 

Seeberg, die germanifcge Auffaffung des Chriſtenthums in dem früheren Mittel- 
alter, 8. f. kirchl. Wiſſenſch. u. kirchl. Veben ed. Luthardt. IX. 

Sedel, Studien zu Benedictus Levita. Neues Archiv. XXVI. 1. 1900. 

Seebohm, the English village community. 2. ed. 1883. 

Seel, die Selbitverwaltung der Städte im Römer⸗Reiche. Deutſche Runde 
ſchau 1901. (I—II.) 

—, üßer die buccellarii 8. f. R. &2 XVII (germ. Abth.). 

Seeliger, Volksrecht und Köonigsrecht? Hiſtor. Vierteljahresfchrift 1899. 

Sehmsdorf, die Germanen in den Ballan-Ländern bis zum Auftreten ber 
Goten. 1899. 

Seidl, die Gottverlobung der Kinder oder de pueris oblatis. 1872. 

Sensburg, Waflerburg amt Bobenfee, Schriften des Vereins fir Gefchichte 
des Bodenſees. XXVIII. ©. 209. 

Th. v. Steel, über die Epoche der Regierung Pippins. Forſch. 3. D. Geſch. 
1V. 1864. ©. 439. 

W. Sidel, das Weſen des Volksherzogthums, hiftor. Zeitfchrift. N.%. XVI. 
©. 407 f. 

—, die Entftehung der Schöffengeridite. 3. |. R. G.2 VI. 1888. 

—, Alberich II. und der Kirchenſtat. Mittheil. d. Inſtituts für öſterr. Ge⸗ 
ſchichtsforſch. XXIIL 1. 1902. 

—, die Verträge der Päbfte mit ben Karolingern und das neue Kaiſerthum. 
D. Zeitichr. f. Geſchichtswiſſenſchaft. XL XII. 

— — Beiprehung von Könige VI. 1—3. Götting. gel. Anzeigen. 
1896. N. 4. 

— —, Beiprehung von Setterer, Karl ber Große und die Kirche (1898). 
1900. R. 2. 

— —, Rirdenjtat und Karolinger. Hiftor. Zeitſcht. 48. N. F. 3. 1900. 

— —, Befprehung von Watt-Seeliger. VII. Götting. gelehrte Anzeigen 
1901. R. 5. 

Siegel, Geſchichte des deutſchen Gerichtsverfahrens. I. 1857. 

Silbernagel, Johannes Trithemiug. 1868. 

von Simfon, Jahrbücher des fränkiſchen Reiches unter Karl dem Großen. 
D. 9. 789—814. 1883. 

— —, die Entſtehung der pfeudo-ifidorifhen Fälſchungen in Le Dans, 
1886. 

— —, bie Annales Sitkienses. Forſch. 3. D. Geſch. IV. 1864. ©. 575. 

— —, die wieder aufgefundene Borlage der Annales Mettenses, Neues Archiv 
XXIV. 2. 1899. 

— —, zur translatio St. Alexandri und zu den Annales Maximiani, ebenda 
XXV. 1. 1899. 

Siögren, über die römische Conventionalſtrafe und die Strafclaufeln der frän- 
fifchen Urkunden. 1896. (dazu Alfred Schule, 8. f. R. &.2 XVIL) 

Sohm, sermo regis. Situngsberichte der K. ſächſiſchen Gefellfchaft der Wiſſen⸗ 
ſchaften zu Leipzig v. 23. IV. 191. 


XLVU 


Sohm die liberti des altgermanifchen Rechts. 8. f. R. @.2 germ. Abtheil. XXI. 
2.©. 20. 

Solmi, le associazioni in Italia avanti le origini del Comune. 1898 (dazu 
Carabellese, Archivio storico Italiano. V. 23. 1899). 

Sommerlad, die wirthichaftliche Thätigkeit der Kirche in Deutſchland bis auf 
Aarl den Großen. Leipzig. 1900. 

Spittler, Geſchichte Württembergs unter der Negierung ber &rafen und Her- 
zöge. Werte V. 1733. 

Stadler von Wolffersgrün, die Bandalen vor ihrem Einbrud in Gallien bis 
zum Tode Geiferichs. 1884. (Bozener Gyummaftalprogramm.) 

Stalder, Berfuch eines ſchweizeriſchen Idiotikon. L II. 1812. 

Steichele, da8 Bisthum Augsburg. IV. 18611869. 

Stein, die Völkerftämme der Germanen nad) römifcher Darftellung. 1896. 

Steinader, über das ältefte päbſtliche Regiſterweſen. Mittheil. d. Inſtituts für 
öfterreich. Geſchichtsforſch. XXIIL. 1. 1902. 

Stephani, der älteſte deutſche Wohnbau und feine Einrichtung. J. 1902. 

bon Stetten, Geſchichte der reichäfreien Stadt Augsburg. 1743. 1758. 

Steub, über die Urbewohner Rhättens und ihren Zuſammenhang mit den 
Etrusfern. 1843. 

— zur rhätifchen Ethnologie. 1854. 

—, die oberdeutfchen Yamilien-NRamen. 1870. 

—, zuc Ramen- und Landes⸗Kunde in den deutfchen Alpen. 1885. 

Stobbe, de lege Romana Utinensi. 1853. 

—, Geſchichte der deutſchen Nechtsquellen. I. 1860. 

Stock, die Freilafſungen im Zeitalter der Volksrechte. 1881. 

Btöber, Alsatia. 1851-—1885. 

—, Quellenſtudien zum Laurentiniſchen Schisma. Stt..Ber. d. Wiener Aka⸗ 
demie, Phil. hiſtor. KL. OXL. ©. 212, 

Btouff, etude sur le principe de la personalite. 

Strackoſch Grasmann, Geſchichte der Deutichen in Defterreich-Ungarn. I. 1895. 

Strnadt, die passio St. Floriani und die damit zufammenhängenden Ur- 
Inndenfälichungen. Archival. Zeitſcht. VII. 

Strobel, vaterländifche Geſchichte des Elſaſſes. Fortgeſetzt von Engelhardt. 
I-—VI. 2: Aufl. 1861. 

Strootmann, der Sieg über die Alamannen im Jahre 268. Hermes XXX. 
1895. ©. 355. 

Studer, Schweizer Ortönamen. 1896. 

Stumpf, die Wirzburger Immunitätsurkunden. 

Stug, Lehen und Pfründe Bf. R. 8.2. XX. 1899. 

—, über Brunners RMeſch. 8.f. ſchweizer. R.XXXVI. Neue folge. XIV.) 1895. 

—, bie Grundlagen der mittelalterliden Berfaflung Deutichlands und Frank⸗ 
reichs. 3. f.-R: &.2 germ. Abtheil. XXL ©. 125 f. 

von Sybel, Deutſche (!) Unterthanen des römiſchen Reiches. Rheinländiſche 
Jahrbücher. IV. 

— (und Dünger), die Alamannenſchlacht des Chlodwig, ebenda III. 

—, die Schenkungen dev. Karolinger, Meine hiſtor. Schriften IIL ©. 74. 


XLVIN 


Tamassia, fonti gotiche della atoria langobarda. 1897. 

—, Paolo Diacono, discorso. 1900. 

Tangl, die Urkunde Ludwigs des Frommen für Yulda vom 4. VIII. 817. 
N. A. XXVII.1. ©. 9. 

—, der Entwurf einer Königsurkunde aus Karolingerzeit, NR. U. XXV. 2. 1900. 

Tappeiner, Studien zur Anthropologie Tirol$ und der Sette communi. 1883. 

Tetzner, Geichichte der Deutihen Bildung und Yugenderziehung von der Ur- 
zeit bis zur Erriditung von Stadtfchulen. 1897. 

Tewes, unfere Vorzeit. 1888. 

Thelen, zur Löſung der Streitfrage über die Verhandlungen König Pippins 
mit Pabſt Stephan IL zu Ponthion und das Schenkungsverſprechen 
Karls des Großen. 1881. (Göttinger Doctorſchrift.) 

Thesaurus historiae Helveticae ed. Füssli et Breitinger. 1735. 

Thijm, Alberdingk, lets over M. A. Cassiodorus Senator. 1858. 

Thonissen, l’organisation judiciaire sous le r&gime de la loi Salique, 
nouvelle revue historique de droit frangais et &tanger III. 1879. 
p. 31f. 

Thudihum, die Sau- und Mark⸗Verfaſſung in Deutfchland. 1860. 

—, Geſchichte des deutfchen Privatredhts. 1894. 

Tobler, das gemanifche Heidenthum und das Chriftenthum. Theol. Beitjchr. 
aus der Schweiz I. 

Trithemius, chronicon Hirsaugiense. 

—, Annales Hirsaugienses Falſchungen. 

Trouillat, monuments de l’histoire de l’ancien 6v&äch6 de Bäle I. 

Zumbült, die Grafichaft des Alpgaus, 8. f. d. Geſchichte d. Oberrheins 
XLVI. 1892, 

Turnau, Rabanus Maurus, der Praeceptor Germaniae. 1900. 

Tykocinski, quellenkritifche Beiträge zur Geſchichte Ludwigs bes Frommen. 
Leipziger Difiert. 1899. 


Uhland, Schriften zur Geihichte und Sage 1873. VII. 

Urban, das alte Rhätien und die römifchen Inſchriften, Magdeburger Pro- 
gramm 1889. 

Ufener, da8 Berhältniß des römifchen Senats zur Kirche in der Oftgotenzeit, 
Feſtgaben für Th. Mommien. 1877. 

Ufinger, die Anfänge der deutichen Gefchichte. 1875. 


Vacandard, St. Audoen (} a. 683), Revue des questions historiques XXXV. 

Val de Liövre, Launegild und Vadia. 1877. 

Vettach, Paolo Diacono; studi. Archeografo Triestino XXII. 2. 1899. 

Better, über das römiſche Anftedelungs= und Befeftigungs-Wefen, ſowie über 
ben Urfprung der Stäbte und Burgen und die Einführung des Chriften- 
thums im ſüdweſtlichen Deutfchland. 1868. 

Bigener, Bezeihnungen für Bolt und Land der Deutichen vom X. bis zum 
XIII. Jahrhundert 1901. 

Villari, le invasioni barbariche in Italia (bi$ a. 800) 1901. 


XLIX 


Bogel, die römijche Kirchenſynode vom Sabre 502, Hiftor. 3 N. E. XIV. 
©. 400. 
—, — Sieg über die Alamannen, Hiſtor. Zeitſchr. LVL 1866. 
Vogt, zu Wulfila's Bekenntniß und dem opus imperfectum, 8. f. D. 
Alterth. und D. Lit. XLLI. 1898. 

Bollert, Kaiſer Julians religiöfe und philofophifche Ueberzeugung. 1898. 
Bollmer, die Gedichte des Eugenius von Toledo (+ a. 657) Neues Archib XXVL 2. 
Boretich, dad Meropinger-Epos. Feſtgaben für Sievers. 1896. 


v. Wächter, das germanifche Fehderecht und die Compofitionen, Beilagen zu 
Borlefungen über da8 deutfche Strafrecht. 1881. 22. ©. 79. 
Wackernagel, die germanifhen Perfonennamen, Schweizer Mufeum IL. 1838. 
©. 96. 
Wagner, fräntiih-alamannifche Friedhöfe, Veröffentlich. b. großherz. Hab. 
Samml. für Alterthums⸗ und Völkerkunde in Karlsruhe II. ©. 85. 
NR. Wagner, zur Frage nad) ber Entftehung und dem Geltungsgebtet der 
Lex Romana Utinensis. 8. f. R.“G.2 IV. Germ. Abth. ©. 54. 
NR. Wagner und von Salis, Rechtsquellen des Cantons Granbünden I. II. 
Waitz, über (gegen!) Merkel, de republica Al. &ötting. gel. Anzeigen. 1850. 
—, Über Baul v. Roth, zur Lex Bajuv., ebenda. 
—, bie Nadjrichten der Alten Über den Grunbbefig der Germanen, Allgem. 
Monatsfchrift 1854. ©. 105. 
—, Nachrichten der Göttinger Geſellſchaft der Wiſſenſchaften 1869. N. 14. 
—, Berfafl.-Geih. IL 3. 1. ©. 116. V.2 durch Beumer 1893. VL? duch 
Seeliger. 1896. 
—, Göttinger gel. Anzeigen. 1869. N. 14. (über Merkels Ausgabe ber Lex 
Alam.). 
—, über die altdeutfche Hufe, Abhandlungen ed. Zeumer I. 1896. ©. 123. 
—, über die Mumzverhältniſſe in den älteren Rechtsbüchern des frankiſchen 
Reiches, ebenda S. 260. 
—, über die Bedeutung des mundium im D. R,, ebenda ©. 369. 
‚ sum Liber pontificalis, N. A. XI. ©. 229. 
Battenbad, das Schriftwefen des Mittelalter. 1871. 
Weidmann, Geſchichte der Bibliothek zu Sanct Gallen. 
Weiland, über die Reichsheerfahrt, Forſch. 3. D. G. VII. 
—, (über den Rirchenftat) 3. f. Kirchen⸗,. XVIL XXIL 
Weinhold, alamanniſche Grammatik. 
Weller, die Beſiedelung des Alamannenlandes, württemb. Vierteljahreshefte für 
Landesgeſchichte. Neue Folge. VII. 1898. 
—, die Anſiedlungsgeſchichte des württemb. Frankens rechts vom Neckar, 
ebenda III. 1894. 
Werminghoff, Berzeichniß der Akten fränkifcher Synoden von 742-843. Neues 
Archiv. XXIV. 2. 1899. 
— bier Urkunden für die Abtei St. Remi zu Send 835—853. R. A. XV. 
1. ©. 217a. 
—, Ucten fränfifcher Synoden von a. 843—918. Neues Archiv. XX VI. 3. 
—, ein neuer Tert des Apologeticum Ebonis, R. U. XXV. 2. 1900. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. d 





L 


MWerminghoff, die Necenflonen des Libellus sacrosyllabus der italientfchen 
Biſchöfe vom Jahre 794. Neues Archiv. XXVI. 3. 

—, Paulinus von Aquileja im adoptioniftifhen Lehrtreit. Neues Archiv. 
XXVI. 2. 

MWerneburg, die Wohnfite der Cherusfer und die Herkunft der Thüringer, 
Jahrbuch d. E. Akademie gemeinnügiger Willenichaften zu Erfurt. N. F. 
X. 1880. 

Werner, Geſchichte der Stadt Augsburg 1899. 

Wetzel, das Zollrecht der deutichen Könige von den älteften Zeiten bis zur 
goldenen Bulle Gierke, Unterjud. 43). 

Wichmann, die römifhe Billa in Sanct Ulrich bei Saarburg, Jahrb. d. Ges 
ſellſch. für Lothring. Gefchichte und Alterthumskunde. X. 1898. 

Wiarda, Gefhichte und Auslegung des falifchen Geſetzes und der malbergiſchen 
Gloſſe. 1808. 

Wiegand, %., Erzbiſchof Odilbert von Mailand über die Taufe. Beitrag zur 
Geſchichte der Taufliturgie im Zeitalter Karl’3 des Großen, Studien zur 
Geſchichte der Theologie und der Kirche, herausgeg. von Bonwetſch und 
Seeberg. IV. 1. 1899. 

—, das Homiliartum Karl's des Großen auf feine urſprüngliche Gejtalt bin 
unterfudt. 1897. 

MWiefer, das langobardiſche Yürftengrab und Neihengräberfeld von Eivezzano. 
1887. 


Wigand, die Alamannenihladjt vor Straßburg a. 357. 1887. 

—, beögleichen, Weftdeutiche Zeitfchrift. VII. 1888. N. 290. Entgegnung von 
Niſſen, ſ. diefen). 

—, dazu 8. für Geſch. d. Oberrheins. Neue Folge. VIII. ©. 134. 

Wilbrand, über die Stammväter der Weſtfalen, Münchener Allgemeine Zeitung 
1900. R. 74. 

Wilda, von den unedhtgeborenen Rindern, 8. f. D. R. XV. 1855. 

Wilms, die Schlacht im Teutoburger Wald. 1899. 

Wiltſch, Handbuch der kirchlichen Geographie und Statiftik. I. 1846. 

bon Winterfeld, zur Geſchichte der rhythmifchen Dichtung. N. U. XXV. 2. 1900. 

Wirth, Deutiche Geſchichte. 1. 1862. 

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—, die Bevölkerung des rechtsrheiniſchen Germaniens. 


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Yver, Euric, roi des Wisigots, &tudes d’histoire du moyen-Age, dedies 
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von Ballinger, Weſen und Urfprung des Formalismus im altdeutichen Privat- 
recht. 1898. 

Zanetti, la legge romana retica-coirese o udinese. 1900. 

Bangemeifter, zur Geographie des römiſchen Galliend und Germaniens nad) 
den Tironifchen Noten. Neue Heidelberger Jahrbücher. N. %. II. 1892. ©. 1. 

—, zur Gefchichte der Nedarländer in römifcher Zeit, Heidelberger Jahrbücher. 
3. 1893. 

Beitjchrift für Geſchichte des Oberrhein. XX. 61. XLII. p. 337. 

Bettinger, die Berichte Über Rompilger aus dem Frankenreiche bis zum Jahre 
800. Römiſche Duartalfchrift, XI. Supplementheft 1900 (Differt. von 
Freiburg, Schweiz). 

Beumer, über die Beerbung der Freigelaffenen durch den Fiscus, Forſch. 3. D. 
Geſch. XXIII. 1883. ©. 130. 

— über Heimat und Ulter der Lex Romans Rhaetica-Curiensis, 3. f. R.⸗ 
&.2. IX. Germ. Abtheil. 1888. 

—, ESanct galliide Formeln) NR. U. IV. 

—, die alamanntihen Formelſammlungen N. U. VIII. 1883. ©. 473. 

—, neue Erörterungen Über ältere fränkiſche Formelſammlungen, N. A. XV. 

—, zum weſtgotiſchen Urkundenweſen, ebenda XXIV. 


—, da8 angeblich älteſte (a. 926) alamanntiche Weisthum, Neues Ardiv XXV. 
©. 805. 


LIl 


Zeumer, NReichenauer Formeln, N. A. VIIL (Steine Iſoniſchen!) 

—, Geſchichte der weitgotifchen Gejeßgebung I-II. IV. Neues Archiv XXI 
bis XXIV. 1898. 

—, über zwei neu entdedte weſtgotiſche Gejete, ebenda XXIII. XXIV. XXV. 

—, zur Tertkritit und Gefchichte der Lex Burgundionum. R. U. XXV. 2. 1900. 

—, zu Sachſenſp. Land⸗R. I. 35. Mittheil. d. Inſtituts für öſterr. Geſchichts⸗ 
forih. XXIL 3. (der begrabene Schat im Sachienfpiegel). 

—, die Chronologie der Weſtgotenkönige ded Reich von Toledo, Reues 
Archiv XXVIL 

Zurlauben, m&moires de l’acad&mie des inscriptions historiques XXXVL. 
p. 176207. 

Zycha, das Recht des älteften deutichen Bergbaus bis in’ XIIL Jahr⸗ 
Bundert 1899. 


Erſte Abtheilung. 


Die Alamannen. 


Erſter Abfchnitt. 
I. Vorgeſchichte. 
1. Der Alamannen Name und Herkunft. 


A. Der Name. 

Die Alamannen find eine der Völler-Gruppen, bie ſeit Anfang 
des IIE. Jahrhunderts) je eine Mehrzahl von alten Völkerſchaften 
unter neuen Namen zufammenfaffen. Ueber Urfachen, Weſen und 
Wirkungen dieſer Verbindungen ift anderwärts gehandelt?). Danach 
haben zahlreiche Gründe nebeneinander geführt zur Bildung dieſer 
Verbände: denn ben Alamannen (a. 213) find hierin bie wenig ſpäter 
(e. a. 234) genannten Franken, bie erft feit a. 500 unter dem Namen 
„Bajuvaren“ zufammengeichloßnen Markomannen, Quaden und Da- 
riften, bie feit a. 451 zum erften Mal Thüringe genannten Hermun- 
buren, in ähnlicher, aber doch erheblich abweichender Weife Friefen und 
Sachſen zu vergleichen. 

Eingehend ward bargewiefen?), wie folder Zujammenfchluß meh- 
rerer Völkerſchaften zu Einer Gruppe bei ben Germanen ja durchaus 


1) Daß bie von Cicero epist. XIV. 10 ad Atticum erwähnten »Frangones« 
bereits die Franken waren [Wormftall, Chauken, Brukterer und Angrivarier, 
68. Jahresbericht des Paul⸗Oymn. zu Münfter 1888, danach Meitten I. ©. 495, 
II. S. 19] ift unmöglich: von a. 60 vor bis 234 n. Chr. wäre des Namens ge 
ſchwiegen! Man Tieft jettt Fangones, nach einem (catilinartichen) Werkzeug Cäfars. 

2) Im Allgemeinen v. Wietersheim- Dahn I. S. 160. Urgeſch. II. ©. 191. 
D. Geſch. I. a. S. 196, 422, 437, 447; insbeſondere Über die Franken 8. VII. 1. 
S. 9f.; über die Alamannen ebenda und Urgeſch. IV. ©. 90f., v. Wietersheim- 
Dahn I. S. 216. D. G. I. ©. 448 f.; über bie Sachfen Urgeih. IV. ©. 170; 
über bie Baiern IV. ©. 120. Arnold, Studien S. 92. Deutſche Urzeit ©. 81, 115. 

3) VII. 1. ©. 1—24. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 1 


2 


nicht etwas jett erft Auftauchenves ift, wie vielmehr fchon vor und 
bei Cäſar bie Gruppe ter Sueben in ganz ähnlicher Weife geftaltet 
erjcheint. 

Die Sueben mit ihren hundert Gauen!) entiprechen etwa zehn 
bis zwölf Völkerfchaften, je nachdem man als Regel zehn oder acht 
Gaue für die Völkerſchaft anfegt. Die Grundlage ihrer Einigung 
bildet näher verwandte Abftammung von gemeinfamen göttlichen und 
balbgöttliden Ahnen: — der mythologiſche Ausprud für bie überlieferte 
und empfundene nähere Stammesverwandtichaft: gewiß tft biefe wie 
bie zwar nicht Eine, aber boch auf das innigfte übereinftimmente 
Sprache?) der alamannifchen Völferichaften vom Elſaß im Weften bis 
an ben Lech im Oſten barthut, auch al8 Eine ber Grundlagen ber 
alamannifchen Gruppe anzufeben. 

Diefe nähere Verwandtſchaft und Annahme gemeinfamer Abftam- 
mung von göttlichen Ahnen findet dann wie früher bei den Sueben?) 
auch bei ter Alamannengruppe Ausprud, beren Völkerfchaften und Gaue 
ebenfall8 tie Verehrung gewifjer zwar gemein germanifcher, aber boch 
bier örtlich und fonft befonders geftalteter und übereinftimmend be» 
nannter Gottheiten vereint*). 

Nur eine Folge oder eine andere Seite biefer näheren Verwandt⸗ 
ſchaft ift dann auch die Nachbarfchaft al8 Grundlage jener Vereinung: 
tenn was von den Einzelnen und ten Sippen gilt als Regel — ab» 
gejehben von ausnahmsweiſen Abiprengungen und Zerreißungen burch 
Landnnoth5), Drud und Stoß feindlicher Völker, freiwilliger Trennung), 
innerer Zwietracdht der Gaue”), — das gilt auch von ber Anfievelung und 
Nachbarichaft ver Völkerſchaften und Gaue: wie in der Zeit vor dauern- 
ber Seßhaftigfeit die nächſt Verwandten mit einanter umbergezogen 
waren, fo fiebelten fie bei dem — urſprünglich gar nicht befchloßnen, 
niht mit Bewußtſein ausgeführten — Uebergang zu nothwendig 
bauernd werbenter Seßhaftigkeit neben einander: tie nächſt verwandten 
Völkerſchaften wurden nun meift auch tie nächften Nachbarn. 


1) Caesar b. G. IV. 1. 

2) Gegen bie Unterfhägung der Sprachgemeinichaft bei Ficker, Erbenfolge, 
v. Amira, Götting. gel."Anz. ©. 278. 

3) Tac, Germ. 9 pars Sueborum et Isidi sacrificat; vgl. ben Hain ber 
Semnonen Lo. c. 

4) Ziu für Eru, (Zise) 3. Grimm, D. Myth. ©. 112, 183, 229, 1209. 

5) Dahn, bie Landbrreth, Feftfchrift für Windſcheid 1889, ©. 12. 

6; Kimbern, Vandalen, Langobarden. 

7) Bataver unb Chatten. 





3 


Eine ber mächtigft wirkenden Urfachen ber Zuſammenſchließung, 
bes Zufammenwachjens zu größeren Verbänden war das gleiche Be⸗ 
dürfniß, das zu ber fogenannten Völkerwanderung — richtiger „Völfer: 
ansbreitung” — führte: tie Noth, vie Yanbnoth ?). 

Die Germanen jelbft hatten ven Eindruck, daß eine Nothwendig- 
feit ſie immer wieder vorwärts in bie römifchen Lande dränge: „nicht 
unjer ift, was wir thun, göttlicher Befehl treibt uns vorwärts” — die 
„Böttin” war — die Noth 2). 

Hier ift nur zufammenzuftellen, was für das PVerftänpniß ber 
Entwidlung im Einzelnen erforberlih, und zu würbigen, was aus 
neneren Arbeiten aufzunehmen, was abzulehnen ift?). 

Höchſt felten wird e8 uns in ber germanifchen Gefchichte jener 
Jahrhunderte fo gut wie bei Erklärung diefes Namens. Ein durchaus 
glanbhafter Geſchichtſchreiber — ein ven Alamannen zeitgenöffifcher — 
berichtet die Angabe eines andern im genaueften Sinne zeitgendffiichen 
Sefchichtfchreibers, der ebenfalls als voll glaubhaft nicht nur uns be- 
kannt, als ganz befonders genau über Germanifches unterrichtet von 
jenem erften gerühmt wird, über eine Erklärung des Namens aus dem 
Germaniſchen, die nicht nur etymologiſch durchaus unantaftbar, Die 
obenein für den auszudrückenden Begriff geradezu bie einzig zutreffente 
it: es verftößt wider alle Methode, eine folche Erklärung der Ala— 
mannen felbft (und ber Zeitgenofjen) des Auflommens ihres Namens 


1. Dahn, die Landnoth ©. 14 f. 

2) Salvian. de gubern. Dei VII. 54: ipsi .. fatebantur, non suum esse 
quod facerent: agi enim se divino jussu ac perurgeri. 

3) Ueber bie Völlergruppen, bie er „Bünde“ nennt und etwas zu einfeitig 
auf Bünbnißverträge, bie freilich nicht dabei fehlten (Urgeſch. II. ©. 285 f.), zurüd. 
führt, zumal über Erhaltung und Berfchwinden alter, Auftauchen neuer Völler⸗ 
namen manche treffenbe Bemerkung bei Stälin, dem Bater (B.) I. S. 19 f.: das vor⸗ 
zägliche, ob andy in einzelnen verfaffungsrechtlicden Kragen überholte Werk bleibt — 
neben Riezlers „Batern” — die befte Geſchichte eines deutichen Stammes. Richtig 
auch Albrecht S. 4, Hirſchberg S. 66 (ähnlich Buchner, Die Deutſchen Völkervereine) 
nennt den „Suebenbund” die Grundlage bes Alamannenbunbes: aber einen 
Sucbenbund bat e8 nie gegeben und im Sinne Hirfchbergs auch feinen Ala- 
mannenbund; ganz irrig faßt Meiten, Agrargeichichte S. 5 f. fogar Ingväonen, 
Iſtvãonen ıc. al8 einen „Bund“; nicht Hechtsbande, verwanbtichaftliche, — Abs 
flammungsfagen — verfnäpften Ingväonen 2c.; allzubeftimmt Tauten boch feine 
Angaben S. 1—8 daſelbſt über die Einwanderung ber Dolmen- und ber Pfahlban- 
Leute ans Afrika), dann Über die Wege ber Arier (richtig aus Wefl-Eentral-Afien) 
und bie Bertheilung ber Weft-Germanen, und enblic ben „Bund“ ber Ing- 
väonen unb Iſtväonen. ' 


1* 


4 


verwerfen und fie erfegen zu wollen durch eine Deutung, bie ge- 
ſchichtlich bodenlos und ſprachlich nachweisbar unmöglich ift. 

Im Jahre 213 wird der Name der Alamannen zuerft genannt‘): 
jelbftverftändlich hat er längere Zeit vorher beftanven, bevor er zu ten 
Ohren der Lateiner (und von biefen aus eines Griechen) gelangt ift. 
Caracalla befämpfte fie in jenem Jahr in den Maingegenden.?) Auch 
biefe Hauptgruppe umfaßte — wie bie fräntifche Hauptgruppe bie 
Mittelgruppen der Salter, Uferfranten und Ehamaven?), — Mittel: 
gruppen: nämlich die Alamannen im engeren Sinn, bie Schwaben im 
engern Sinn und bie Juthungen: tabei ift aber taran feft zu halten, 
daß alle drei bald unter vem Namen ber Alamannen, bald unter dem 
ber Schwaben verftanden werben, fo daß in biefem Sinn Alamannen 
und Schwaben Ein Voll find*). 

Der durchaus verläffige Agatbins (a. 536—581) berichtet num, 
ber Geichichtichreiber Aſinius Quabratus, den er — und zwar gerabe 
bei diefem Anlaß — als einen höchſt genauen ‘Darfteller ber ger- 
manifchen Dinge rühmt, nenne die Alamannen „zufammengefcharte 
und gemifchte Männer und eben dies bedeute auch — fage Afinius — 
in ihrer Sprache der Name Alamannen“ 5). 


1) Ueber bie Site ber von Caracalla a. 213 befämpften Alamannen Hollänber 
S. 273. Imfchriften über Caracalla's Feldzug (von Rhätien aus?) ebenda; 
»ludi Alamannicie {au Rieſe VID. 9, 97); Meilenfteine ©. 277; Münzen 
Caracalla’s S. 280 f. 

2) ©. die Stellen bei v. Wietersheim-Dahn I. S. 175. Urgeſch. II. ©. 191. 
D. ©. I. a. 449. 

3) Könige VII. 1. ©. 157. 

4) Ich Hatte dieſe Anficht von je (vor Baumaun unb Anbern) vertreten, 
ſ. D. ©. Ia. &. 453; außer Baumann, Forſch. XVI. vgl. Kieler I. ©. 61. 

5) I. 6. ol de "Adapavwvol elye ypfi "Asıvip Kovadpdrp Ereodar, dvbpt 
Italıbry, zal ta Teppavıra Es Tb dxpıßec dvaypabaptvp EuyxAudtc 
elsıy dvdpwror xal pıyddes xai todro duvarar abrois I Erwovunia, 
allerdings eine „germanifche Etymologie”: aber wenn bieje fireng richtig ift, wie 
bier, weßhalb fie wie Stälin (S.) S. 44 verwerfen, weil anbre folde zuweilen 
unridtig find? Das Euyludes Avdpwror barf nicht (wie von Daniels ©. 52) 
zur Erklärung von ala-manni aus „all” und „mand-faltig!” führen. Das 
Wort fol von der gallifhhen(!) Vevölkerung berrühren „vermöge ber Sprach⸗ 
verwanbtichaft von Kelten und Germanen” (N!) ähnlich Eichhorn 8 21a. ©. 103 
„Abenteurer“. Im Wefentlichen richtig Köpke bei Raumer ©. 164. All-Männer 
foll „aller gefchichtlichen Wahrjcheinlichleit entbehren“ : und Hermun-Duri? Andere 
ältere Namenerflärungen bei Phillips 8 20. H. Müller, Marlen I. 1837 ali — 
Fremd - Männer wie jett wieber Hermann |. unten. 9. Grimm ausgezeichneter 
Mann, Held, Geſch. d. Spr. I. ©. 348. Die Worte ber Juthungen bei Derippus 


5 


Bon Afinius Quabratus wiffen wir, daß er zu Anfang und um 
bie Mitte des III. Jahrhunderts (außer einer Gefchichte der Partber- 
friege) eine Gefchichte Roms von der Gründung bis zu ber Zaufenb- 
jabr- Feier der Stadt unter Philippus Arabs (a. 248) in 15 Büchern 
geichrieben hat!). Afinius fchrieb nur 35 Jahre nach dem erften Auf- 
tauchen des Alamannen-Namens, war aljo Zeitgenoffe. Und feine 
Angabe ftimmt auf das Genauefte mit Allem, was wir fonft von Ent- 
ftehung und Wefen fowohl der Alamannen als ver übrigen Ähnlichen 
Verbände wiſſen?). 

Dieſer gefchichtlich, vechtsbegrifflich und ſprachlich glei unan- 
fechtbaren Erklärung gegenüber hat man?) die Alamannen für bie alten 
Semnonen und bemgemäß ihren Namen für „Leute des Götterhains“ 
— »alah«e — ausgegeben: dafür jpricht nichts in der Gefchichte und 
dagegen ſpricht Alles in ver Sprache), Die Semnonen ſiedeln zwi- 
ſchen Elbe und Oder: bier, in denſelben Landen, erfcheinen fie auch 
noch, als fie das lebte Mal genannt werben, im Markomannenkrieg 
c. a. 1805): fie find alfo auch von den nörblichiten je von den Ala- 
mannen erreichten Siten fo weit entfernt wie bie Oder vom Main. 

Eine Reihe von ftarken Völkern trennt Semnonen und Alamannen: 
wie tie Heſſen jo tie Hermunburen (Xhüringe), die heute noch in jenen 
Gegenden fiten, die fih nie ven Alamannen angeichloffen haben, ob- 
wohl fie mit ihnen gränzten. Die angebliche Einheit von Muntart®) 


ed. Müller III. p. 682 (Dinborf, Corp. ser. Byz. I. 1829) od peyddav geht 
nicht, wie Weller, Beſiedelung (fortab angeführt ala Weller II) meint, auf Ab- 
wehr gegen Euymduöes bes Aſinius Duabratus, wie das baranf folgende 0556 
asdevov beweiſt. 

1) Bol. Zeuffel S. 892 N. 381. 2. bafelbfi und bei Nicolai, griechtiche 
Literaturgeichichte III. ©. 582 die Literatur; v. Wietersheim⸗Dahn I. ©. 177. 

2) ©. bie Älteren, oben S. 1 angeführten Darlegungen. Baumann ©. 516 
erflärt die Deutung nah Afinius Quadratus für „heute“ allgemein aufgegeben: 
„heute“ fieht ex, daß er irrt: für Geſammtvolk auch Much, Beiträge XVII. ©. 96. 

3) Baumann, Forſch. 3. D. G. XVI. 1876. 

4) ©. Könige I. ©. 117. Urgeſch. 2. S. 23. D. ©. Ia. ©. 44, 70-75, 
354. v. Wietersheim-Dahn I. ©. 593. 

5) Urgefch. II. &. 179. 

6) Lieber Einheit und boch Ölteberungen ber alamannifchen Mundart Haupt- 
wert Fifcher, Geographie ber ſchwäbiſchen Mundart 1895 (Karte 24) (Selbftanzeige), 
die Namen der Wochentage S.12. — Dazu Kauffmann, Gefchichte der ſchwäbiſchen 
Mundart 1890; Zeitichrift für Deutiche Philologie XXXI. ©. 451. Birlinger, 
das rechts rheiniſche Alamannien, Gränzen und Sprache. — Die alamanntiche 
Sprache rechts des Rheins, — Über Sprachgränzen und deren Urſachen — zur 





6 


und Recht aller Alamannen, bie ſolchem Verſchmelzen verfchievener Völker: 
ſchaften wiberjprechen foll, wäre erftens bei der gemein-juebifchen 
Abftammung aller alamannifchen Völkerfchaften kein Beweis wider deren 
Miſchung und findet zweitens für die Mundarten durchaus nicht ftatt?). 
Und die Lex Alamannorum enthält freilich einheitliches Recht: aber 
bie Gewohnheitsrechte (Weisthümer) in Elſaß, Baden, Württemberg, 
baieriſch Schwaben, Schweiz weichen fpäter wenigftens vielfach ab. 

Von der furchtbaren Waffenbewegung, tie ver Durchbruch des 
ftärkiten Suebenvolles mit feinen „hundert Gauen“?) durch Hermun- 
buren, Chatten und bie zahlreichen Völkerſchaften — dicht am römi- 
ſchen limes! — müßte begleitet haben, begegnet nicht bie leifefte Spur 
in den römifchen Quellen, die gerade für jene Zeit — Markomannen- 
frieg — reichlich fließen. 

Diefe ſtarken Völfer hätten bie Semnonen aus ihren Sigen ziwi- 
ihen Spree und Elbe?) wandern durchbrechen müfjen, um auch nur 
bie allernörplichften Site, die je Alamannen befeffen, zu erreichen‘). 
Willkür ift e8 alfo, die Sennonen>) fo weit nach Südweſten wandern 
zu laffen: mit gleicher Willfür haben Andre fie mit den Vandalen und 
Alanen gleich gar bis nad) Spanien ziehen laffen. Aber nicht nur 
Willkür, gefchichtswinrige Behauptung ift es, die Semnonen hätten 
fich bei diefer Wanderung dent allgemeinen Vorbrängen ter Oftgermanen 


Gefchichte der ſchwäbiſchen Mundart; Bohnenberger, württ. Vierteljahresſchr. VI. 
1884. ©. 161—192. — Haag, die Munbarten bes oberen Nedar- und Donau- 
Landes. — Hermann, die Deutiche Sprache im Elſaß. 

1) Baumann ſelbſt muß ©. 585 umterjcheiben I. das Rheinſchwäbiſche 
(1) Nord⸗ 2) Sunt-, 3) Breißegauifche, 4) Ortenauiſche; Baslifche); II. Norb- 
ſchwäbiſche (1) Nieder, 2) Ober⸗Schwäbiſch, 3) Rieſiſch, 4) Lechrainifh. III. Süp- 
ſchwäbiſch (1) Weſtallgäuiſch, 2) Vorarlbergiſch, 3) Bodeuſeeiſch, 4) Schweizeriich, 
5) babifchen Seekreiſes: aljo Marchfaltigleit genug ker kuyxdudes dvdporoı zai 
piyddes. Baumann ©. 507 will auch ben Unterfchieb ber alamanniſchen und ber 
ſchwäbiſchen Mundart erft im jlingerer Zeit entftehen laſſen, weil er der von ihm 
übertrieben „Stamm-Einheit” widerfpricht: allein urfprünglich war ben erft 
feit c. @. 200 verbundenen Völkerſchaften nur das Suebenthum gemein, was ftarle 
munbartliche Unterfchiede (Baierifh und Alamanniſch⸗Schwäbiſch) durchaus nicht 
ausſchloß. 

2) Tac. Germ. e. 39; f. über die Semnonen S. 5 Anm. 4. 

3) Devrient, Cherusker [Carte] Neue Jahrbücher 1900. 

4) Die Nordſchwaben im VII. Jahrhundert in Norbthäringen find keineswegs 
bei der Südwanderung ber Semnonen figen gebltebne Semnonen (wie Platter, 
Bölterzüge S.183, vgl. Weller II. S. 322), fonbern erft unter Sigibert I. c. a. 563 
eingewanderte (Norb-)Schwaben. Greg. Tur. V. 45. 

5) Wie Baumann. 


ur 


7 


(db. h. Soten) feit c. a. 150 n. Chr. angejchloffen!): denn erſtens finden 
wir bie Semnonen lange nach tiefer gotifhen Wanderung, in dem 
durch dieſe herbeigeführten Markomannenkrieg (c. a. 180) noch in ten 
alten Sigen, und zweitens fluthete ja jenes „Vorprängen“ nah Oſten 
an die untere Donau, vie Semnonen aber würte jene erfundene Wan: 
derung nah Weften an ten oberen Main geführt haben: Anfchluf 
an Oſtwanderer, ver nah Weften führt? 

Noch viel fchlimmer fteht e8 aber mit ter fprachlichen Erklärung. 
In den heiligen Hain ber Semnonen durfte man nur gefeffelt treten 2). 
Das foll ter Name „Semnonen“ beveuten: „Weflelleute”, aber nur 
im Norpgermanifchen heißt sımi, — nicht etwa simni — Bant. 
Diefe ganz unmögliche Erklärung Tann ver von 9. Grimm?) nicht 
naben: vie Bewohner des großen Waldes „Semana” (bei Ptolemäus) 
eben jenes heiligen Haines ber Semnonen: aber das Richtige ift doch 
wohl „die gefammten“ 4). 

Weiter wird num ber Yaben ter Einfälle gefponnen, bunt, aber 
[ofe: „bie ausgewanderten Semnonen konnten jett diefen Namen ale 
nicht mehr ter Wahrheit entfprechend nicht mehr führen): und num 


1) Nicht (wie Baumann S. 515 meint; beweilend ift die Stelle eines Un⸗ 
genannten bei Suidas ed. Küfter, 2. p. 294, wo ftatt 'AlBavav 'Alanavav zu 
leſen ift (jo ſchon Zeuß ©. 317), aber keineswegs nothwendig flatt Inyvovas (mie 
Baumann) Inpvovas: Zeuß a. a. D. lieſt mit gleichem Hecht Zounßous; (vgl. auch 
Much, Beiträge zur D. Sprache und Literatur 19); ganz ebenfo verwechſeln bie 
Römer wiederholt Alamannen und Alanen: fo fteht bei Julius Honorius zwiſchen 
Franei und Amsivari Alani und umgekehrt bei Mamertinus Genetbliacus c. 17 
Alamanni flatt Alani. Sfibor XIV. 3.6. IX. 2. 39 ftellt beibe nebeneinander; 
vgl. Müllenhoff III. ©. 221. 

2) Tac. Germ. c. 39; |. oben ©. 5 Anmerk. 4, meine Älteren Schriften. 

3), D. M. 344; vgl. Zen S. 9 (vorn semen, Samen, wegen Tac. 39 initium 
gentes conditoresque vgl. Muh, 3. f. D. Alterth. 36, S. 43 „bie Verftändigen” ; 
überzengend Brenner a. a. O. 37, ©. 11 „alle gefammt, alle zufammen”, d. h. 
alle die vereinten (Gau)Bölker, als „Zuſatzname“, aber nicht, wie er will, zu bem 
eigentlichen bes Bolles (Semnonen?), fonbern als Geſammtname für die einzelnen 
verbundenen Völlerſchaften wie Preußen, Baiern u. f. w. Deutjche beißen; wenig 
befriedigend Müllenhoff, Haupts 3. VII. S. 384 die „Fehler“ ober ſchwankend 
die „Gefeffelten” D. A. IV. 

4) Laiſtner S. 9 erflärt Semnonen als „Gefäte”, „Angehörige ber Männer: 
Sat“, gotifh mana-sePs; und onkava An? gefäter Wald? auch Chamave foll 
Angebörige einer Gefammtheit bedeuten S. 9, alfo ähnlich wie Ala- und Hermun⸗; 
Geti „bie fih in Menge Ergießenden” [9?]. 

5) Die Baiern führen heute noch ihren feit 1500 Jahren „ver Wahrheit nicht 
mehr entfprechenben” Namen: Bajı-Mäntter. 





8 


nannten die Hermunduren!) den Römern bie alten Semmonen 
„Alah- Männer“ d. h. „Leute des Götterhains“: fehr verwirrfamer 
Weife: denn bie Römer kannten feit vielen Jahrzehnten ven Namen 
ber Semnonen: ber von ben Hermunduren „vorübergehend” er 
fundene Name babe fich aber nur in ber Literatur Tünftlich erhalten 
fünnen: aber das ift doch unvereinbar bamit, daß in ver Vollsſprache 
aller Romanen ſich bis Heute ter Name Allemande, Alemanos, fogar 
für alle Deutſchen erhalten Bat. 

Endlich aber verftößt jene Erklärung aufs Schärffte gegen bie 
Sprache und ihre Geſetze: einmal bebeutet alah nicht Hain, fondern 
Tempel, und zweitens konnte tie Zuſammenſetzung nicht Alamannı, 
wie überall fteht, müßte Alach-mannı, Alak-manni, Alah-manni 
lauten, wie nirgends in den zahllofen Schreibungen des Namens fteht?). 





1) Warum diefe? Auch nach Laifiner, württemb. Bierteljahreshefte, Neue 
Folge I. S.41 haben bie Semnonen während ber Wanderung „ihren Namen 
vertaufeht”: marum? vgl. Über den Namen S. Bremer, Ethnographie der ger 
maniſchen Stämme. 

2) Darüber fchreibt mir unfer Germanift, Freund Friedrich Vogt: „Die 
Zurädführung des Namens Alamanni auf Alah-manni fcheitert Daran, baf bie 
Form mit h eben durchaus nicht bezeugt ift, ein fo confequenter und fo früher 
Ausfall des h in folder Stellung aber fonft nicht ftattfindet. Später kommt aller 
dings folder Fortfall vor (feit tem 9. Jahrh.), aber e8 fiehen dann immer nod 
Formen mit h in ben betr. Wörtern daneben. — Für die Deutung bes ala- als 
omnis ſpricht anbrerjeits das got. alamans (Plur., in der Formel in allaim ala- 
mannem „unter allem Boll". Ganz irrig iſt Baumanns S. 550 Auslegung ber 
Stelle des Afinius: niemals follen fich die Alamannen Alamannen, immer nur 
Schwaben genannt haben: kein Volk gebe fich felbft zwei Namen und Afintus fage 
ja, daß der Name Alamannen ein bloßer Beiname fet, der die Miihung aus 
drüden folle. Aber der Beiname bildet nicht ben Gegenfat zu Sueben, bie ja 
Afinius gar nicht feunt, fondern zu den Sondernamen ber einzelnen 
Völkerſchaften und Gaue, und da alle diefe Alamannen Sueben waren (wenn auch 
feineswegs alle Sueben Alamannen), fo erflärt fich fehr natärlih, Daß man bie 
Bereinten bald Sueben, bald Alamannen nennen konnte (mit Recht verwirft 
Baumann S. 519 die Auffaflung Hermanns, die Deutſche Sprade im Elſaß, 
Mühlhauſener Programım 1879) fo auch ſchon Element-SJungbohn, Forſchungen 
über das Recht der ſaliſchen Franken 1876 ©. 394: (f. aber liber bie Buch Liter. 
Eentralblatt 1877. Sp. 342.) Ali-Maun = Fremder, weil bie „Eritifch feſtſtehende“ 
Form bes Namens nie Alimanni, fondern ftet8 Alamanni lautet: wohlan: und 
die „tritifch feſtſtehende Form” Tautet nie Alahmanni, fonbern ſtets Alamanni. — 
Alamanni genügt völlig, um universi viri auszubrüden, Alemannen ober Alle 
mannen, wogegen B. ©. 520 eifert, find biefür gar nicht nöthig. Kein Bolt 
nennt fich felbft Die Fremden, und die Römer haben doch das germanijche Wort 
nicht gebifbet. 


9 


Zur Begründung von Alah-manni führt man!) aus, in allen Per- 
fonennamen fei, wenn das Grundwort (bier Mann) ein Haupt- 
wort, auch das Beitimmungswort ftets felbft ein concretes, nicht ab- 
ſtractes Hauptwort: dies einftweilen angenommen: aber es Handelt fich 
um einen Volks⸗, nicht um einen Berfonen-Namen und der Volks. 
name ber Hermun-buren?) ift ganz wie Alamannen gebilvet: Hermun = 
groß, allgemein, in Hermin-dur: ift ebenjo „abftract” wie das gleich- 
bedeutende Ala — universi in Alamanni. Wenn in Berfonennamen 
mit ala das h zumeilen wegfällt, kann das doch nicht dagegen in Be⸗ 
tracht fommen, daß es in Alamanni gar niemals begegnet. 

Gegen jene Annahme fpricht aber entſcheidend bie große Zahl?) 
ter ohne h gejchriebnen Namen mit Ala-, die eben nicht auf Alah-, 
fondern auf Ala- = Al’ zurüdzuführen find. Ober foll etwa All- 
vater nicht universalis pater heifen? Sollen Ala-hild, Ala-rıch, 
Tempelfürft, Tempelreich, fol Ala-vic, Ala-gund, „Zempellampf“ 
heißen, was ein Unfinn, over vielmehr All⸗kampf; Ala-bolt Tempeltühn 
over All-tühn? Ala-gis Tempelipeer, Ala-liub Tempellieb? Ala-rad 
Tempelrath? (etiva wie Kirchenrath?), Ala-mer Tempelruhm? 

Schlagend ſpricht gegen jene Annahme der Umftand, daß in wirl- 
ich mit alah zufammengefetten Wörtern tie Afpirata nicht fehlt, 
jondern pünktlich an ihrem Platz erfcheint: jo in tem Eigennamen 
Alah-swintha®) noch a. 774. Vielmehr find ebenfo gebildet wie Ala- 
mann und mit gleicher Bedeutung von al — omnis die Berjonen- 
namen Ala-ver, Ala-vera®), Allo-vera, Alo-ara, Al-vara. 


1) Baumann ©. 520, 

2) ©. unten. 

3) Bier Spalten bei Körftemann? (1900) S. 51—55. 

4) Zeuß, W. 53; diejer Belag fehlt wie anbere bei FKörftemann? ©. 51, wo 
aber richtig das bloße ala ohne h auf all, omnis zurüdgeführt wird. Daß biefes 
— gemeingermaniſche — alah vtelleicht in wärttembergifhen Ortsnamen 
erhalten jcheint, Stälin (S.) S. 74, beweift für jenen Einfall gar nichte. 

5) Bei Förftemann a.a.D. Was ©. 521—523 zur Erflärung bes in allen 
Stellen fehlenden h angeführt wirb, ift burchaus nicht überzeugend; bie Namen 
mit h gehen auch dem Sinne nad auf Weihthum, bie ohne h auf all zurüd: bie 
hiebet begeguenden Schwankungen erflären boch nicht, weßhalb bie angeblich auf 
alah zurüdgebenden Alamanni auch nicht ein einziges Mal pas h zeigen, 
das doch zur Uinterfcheibung von „All⸗männer“ erft recht unentbehrlich gewejen wäre; 
beißen bie Schwaben in ber Weſſobrunner Gloſſe, Graff, Diutista II. ©. 370 
Ziuvari (9. Grimm, D. Myth.s I. &. 180. Zeuß ©. 316), fo waren doch alle 
Sueben, nicht nur (vielleicht!) die Semnonen, Ziuverehrer. Erfreulich ift, daß 
S. 523 die Erklärung eine „Hypotheſe“ genannt wirb; f. daſelbſt ähnliche Ans 


10 


Ein bisher nicht werwertheter Behelf wäre ver Name eines Königs 
der alamannifchen Legionen im Lahngau zur Zeit des Probus a. 276 
bis 282: „Semnon“: indeſſen finden fich die Völfernamen häufig ale 
Perfonennamen (Friſo, Franko!), auch da, wo an Abftammung von 
dem gleichnamigen Volle nicht zu denken iſt?). Wären tie volkreichen 
Semnonen mit ihren „hundert Gauen“ die Alamannen, fo wären nicht 
nur bie tbeoretifchen Ausdrücke des Zeitgenofien (EöyxAudes xal pıyade:) 
unerffärlich, auch vie praftiichen Thatfachen, daß die Alamannen nicht 
wie die Semnonen ein Volk mit Gauen, fonvern ein nur fehr loder 
gefnüpfter Bund von Völkerſchaften find; während fonft die Ent- 
widelung zum Zufammenfafjen in größere Verbänve führt?), läge bier 
ein Rüdichlag in Zerfplitterung vor. 

Aus der Fabel, welche die Schwaben von Norden her einwandern 
(äßtt), ift für die Semnonen fchon deßhalb nichts zu fchöpfen, weil 
ohne Zweifel ſchwäbiſche (alamannijche) VWollstheile ven Burgunden, 
Heffen, Franken von Norden nah Süden auswichen. 

Und ebenjo wenig beweift der Name ber Schwaben (— Alaman- 
nen) Ziu-varid) für bie Semnonen, tenn durchaus nicht ftebt feſt, 
daß ber in beren Hain verehrte Gott Ziu gewefen fei; von „Mannen“ 
im mittelalterlihen Sinn®) follte man zur Semmonen-Zeit nicht reden. 

Um die allerdings zweifellofe Einheit von Alamannen und Schwa- 
ben zu ftügen”), bebarf's der Semnonen durchaus nicht. 

Schwer fällt endlich in das Gewicht, daß auch der Name einer 


nahmen fchon bei Beatus Rhenanus und Münfter. 2. Schmidt, Hermunburen 
S. 308, findet in ben Alamannen „unzweifelhaft” die Semnonen. 

1) Alamanin) als Perfonenname bei Karl Meyer, Sprache und Sprachdenk⸗ 
mäler der Langobarden 1877 ©. 276; auch ein Priefter „Schwab” a. 838—867, 
Rheinaner Eartular, Quellen zur Schweizer Gefchichte III. 1883. N. 7. Züricher 
Urk. 8. I. p. 35. c. a. 860; vgl. „Schwabing“. 

2) Am Eheften ſpräche noch für jene Annahme, daß Semnones etwas Aehn- 
liches wie Alamanni bebeuten fol; von »samn«, gefammt: allein aud damals 
— (mehr als ein Jahrhundert vor a. 213) — werben eben „alle 100 Gaue“ in 
folhem Namen zufammengefaßt. 

3) Dahn, Könige VII.1. S.20f. Bauſteine V. S. 335. 

4) Daß diefe „Einwanderung der Schwaben“ ganz fpäte norb- 
ſchwäbiſche Sage [Schwaben ftatt Sachen, Berblinbete der Franken gegen bie 
Thlüringe) hat bargewiefen Müllenhoff, 3. f. D. Alterth. N. F. V.1. &. 1873, 
der aber doch bie Juthungen für die Semnonen hält, Haupts 3. VII. ©. 384. 

5) Weſſobrunner Gloſſe, oben ©. 2. 

6) Stälin (©. 1. ©. 47. 

7) Stälin (S.) a. a. O. 


11 


andern Gruppe ganz entiprechend gebiltet iſt: das »Hermun-« in 
Hermun-duri beteutet tasfelbe wie das »al-« in Ala-mannı: uni- 
versi, conjuncti, omnes: jene hätten auch Al-duri in gleichem Sinne 
wie Hermun-duri genannt werben mögen!). 


1) ©. (ſchon 1880) v. Wietersheim⸗Dahn I. S. 175; zuflimmenb Brenner, 
Pauls Grundriß? (1893) III. S. 931 Ermen, universalis, (daher Irmin-Sul 
Urgeſch. II. ©. 967), Erminones, Erminduri, „zufammenfaflende Function”, 
wie Ala. — Ueber den Namen A. und deſſen verſchiedne Deutungen Merkel, 
de r. p. 1. p. 25; Müllenhoff, von ber Herkunft ter Schwaben, 3. |. D. Alterth. 
1574. Much, Sievers Beiträge zur Gefchichte der Deutſchen Sprache und Lite⸗ 
ratur XIX. ©. 96. 1893; vgl. auch Much, Beiprehung von Löwe, Gliederung 
(f. diefen) ebenda XLV. Anzeiger S. 113. Much, Deutiche Stammestunde, Samm: 
Inng Göſchen N. 126. 1900. Die wechſelnden Deutungen bed Namens bei 
3. Grimm, Geld. d. D. Spr.3 I. S. 348, W.-B. I. ©. 216. Unmöglich ift Joh. 
Meyers, bei Birlinger, rechtsrhein. Alam. ©. 298, Erflärung Alamanni = 
„Allmenihen”, wonach Alamannia und generalitas daſſelbe fein follen; Buſch 
I. ©. 8: alfo Alamanniae generalitas bei Eunodius = Alamannia Alamanniae 
oder generalitatis generalitas. Nach Gengler, Rechtsgeſchichte I. „verbündete 
Männer”, Eidgenofien: aber von Eiden unter ihnen willen wir nichts. Ebenſo 
noch Rechtsdenkmäler I. S. 80 (1875); fofern richtig Baumann ©. 535. Wenn 
aber noch Jordanis c. 55 Alamannen und Suaven „untereinander verbinbete 
Bölfer“, gentes ad invicem foederatas nennt, wie ſchon Ammian a. 357, fo 
ift da6 nicht grundlos, (wie Baumann a. a. DO.) da ja Norb-Alamannen (Schwa- 
ben) und Suüd⸗Alamannen allerdings (oft) einen Bunb bildeten. Jakob Grimm bat 
im ®.8. I. ©. 219 feine Deutung, Gef. d. D. Sprache I. ©. 348 „ganze 
Männer“, Männer in verflärkten Sinn, beibehalten: aber banı wäre eine mehr 
eigenartige Bezeichnung, vgl. Hermun-duri, Marko-Manni, gewählt worben: 
treffend Stälin (S.) a. a. O. Grimm folgt Hillebrand S. 48. Andere Erflärungen 
hat Stalin (S.) S. 45 zufammengeftellt und zum Theil widerlegt: fo von ber 
Amännde — als ob diefe nicht gemein-germanisch, durchaus nicht befonders ala» 
mannifch gewefen wäre — ober al8 Arimanni — was nirgends ftatt Alamanni 
ſteht und dann freie (foll wohl heißen: „Heermänner“) bedeuten fol — ober gar 
ans dem Keltifhen Elmyn = Fremblinge —: warum follen Germanen teltifch 
geiprochen, fich Teltiich benannt haben und weßhalb „Fremdlinge?“ ober follen da⸗ 
mals gar nicht mehr vorhandue Teltifche Völter fie den Römern (f. oben ©. 8) 
fo benannt haben? Ganz unmöglich endlich Ift 3. Meyers Alemannia VII. ©. 267 
Effärung „Al-Menihen” d. 5. die nur der Gejammtheit des Stammes angehören, 
alfo etwa „Einheitsftats-Menfchen”, als ob ber Verband der Bölkerfchaft und des 
Gaues in der Gruppe feine Bebeutung mehr gehabt hätte. Der Baumannſchen 
Gleichung Alamannen = Mahrmannen = Semuonen folgen auch Stälin (S.) 
S. 45 (doch mit Bedenken), ebenfo Bud, Alemannia VIII. ©. 268, ©. Kaufmann 
I. 1880. S. 85, 86 [„iett darf e8 als ausgemadt gelten, daß Alamannen 
nur ein anderer Name für die Semnonen .. „Männer bes Heiligthums“] und 
Gebhardt I. S. 86, Brunner I. S.41, Laiftner S.41, Weller, Anfieblungsgefchichte 
8.32, Ehröber® ©. 11; Überzeugend gegen Baumann, Job. Meyer, Alemannia 


12 


Man hat eingewenbet, baß ein Volk fich nicht als „alle Men— 
chen” bezeichnen könne: aber eine ähnliche Hhperbel Liegt vor, wenn 
wir das Wort „Allgemein“ gebrauchen: da denken wir nur an eine 
Allgemeinheit innerhalb beftimmter Gränzen. Das Eine ift 
Har, daß der Name nicht im Gegenſatz zu andern aufßenftehenten 
Gemeinweſen aufgelommen fein fann, fondern nur im Gegenſatze zu 
ven Beftandtheilen, vie er umfaßte; er ift nur als Name eines 
Völkerbundes verftänblich !). 


VII: „Alach⸗mannen oder Alah⸗ Mannuen?“ (vielmehr Alamannen, Dahn). Strakoſch⸗ 
Grasmann S. 69 vorfichtig von der Aldh- und Semmnonen-Bermuthung: „Gründe, 
bie einige wohlwollende Nachſicht in Bezug auf ihre Stichhaltigleit erforbern“; 
baß die Semnonen zulet genannt werden im Markomanuenkrieg a. 177, als 
die Quaden zu ihnen wandern wollten, beweift doch nicht, daß die Sem⸗ 
nonen barauf bin an den Nedar wanderten. Bon Schubert nimmt ©. 6 eben- 
falle Semnonen als zugewanberten Beſtandtheil ber Alamannen an, verwirft aber 
durchaus (auch aus ſprachlichen Gründen) die Ableitung von Alah-manni und 
bemerkt treffend, die Alamannen (aber nicht al® alleiniges Bolt!) find fo loder 
verbunden, daß fie nicht auf Einer civitus beruhen können: biefe hätte fich wäh» 
send ber Wanberungen und Kämpfe boch fefter geſchloſſen, nicht aufgelöft: richtig 
fagt er: „Recht und Sprache der Aamannen) find Stammes nicht Völlkerſchafts⸗ 
gut”. Bremer bei Paul? Ill. ©. 935 läßt die Alamanuen aus Kleinen Gau- 
flämmen(?) = Hundertſchaften (2) entftehen, billigt Afinius Ouabratus, läßt aber 
doch auch die „Semnen“ zu Alamannen werben ©. 927. Webrigens ähnlich wie 
Baumann [hon Rudhart, älteſte Geichichte Baierns S. 63: AZufammentritt ber 
Böllerfchaften zwifchen Main und Donau mit aus dem „Innern“ (b. b. aus dem 
Norboften) vorgebrungenen „Stämmen“ ber Sueven. Dagegen richtig liber ben 
Alamanner Namen Meiten I. ©. 397. &r (I. S.403) hält die Ziuvari für bie 
Semnonen und hört die Bezeichnung wieberflingen iu beu Teutonovarii: aber bie® 
-vari heißt nicht Wahrer, Schüer, fondern ber Were, d. h. Mann, Kriegemann, 
wie Chattu-vari, Amsi-vari, Baju-vari: folen bag Ems und Chatten und 
Böhmen: „Hüter“ fen? Offenbarer Drudfehler ift e8 bei Meiten I. p. XVI., 
wenn Aamannten und Baiern im fünften (ftatt im VI.) Jahrhundert als unter 
fränfifcher Herrfchaft ſtehend bezeichnet wirb: Daß aber beide zu Thüringen follen 
gehört haben, ©. 412, 417, ift ein ſchwer begretflicher Irrtum. (Auch Much, Bei- 
träge, fieht in ben Alamannen Theile der Hermunburen; richtig Dagegen Baumann 
©. 504.) Iſt es auch Drudfebler, daß I. S. 382 ftatt der Göttin Nerthus „der 
Nerthus, ein von ben Kelten Übernommener Gott“ erjcheint? 

1) Leugnet Baumann ©. 518 jebes Bundesverhältniß, jo überfieht er völlig 
Ammian XVI.12 »pacto vicissitudinss reddendae«; irrig hält andrerſeits Meiben 
1. ©. 495 aud die Jugväonen u. f. w. für „Bünde“: unter biefen beftanb nur 
acrale, nicht Bertragsgemeinichaft. 


13 


B. Die Herkunft. 
a) Allgemeines. 


Sp wenig wie bie Sranlengruppe!) ift die der Alamannen durch 
neue, aus ber Werne hergewanderte Völlerſchaften gebildet worden, 
fondern durch lange fchon, zum Theil bereits feit Cäſar im jenen 
Gegenden Siebelnde und zwar ausfchließlich Suebifche, weßhalb jeter 
Theil wie die Geſammtheit der Alamannen auch Sueben, fpäter 
Suaben, Schwaben genannt werten konnte. Dazu kömmt bas durch⸗ 
aus glaubhafte Zeugniß jenes Zeitgenoffen, ber fie „zufammengefcharte 
und gemifchte Leute” nennt: das jchließt aus, Ein einziges Volt in 
ver gleih von Anfang fehr menfchenreichen Gruppe zu fuchen. Es 
banbelt ſich alfo nur darum, die in jenen Gegenden jchon früher auf- 
tretenden Völlerichaften und Gaue feftzuftellen, die fpäter als Ala- 
mannen zufammmengefaßt wurben: wir jagen: auch Gaue: denn fo ift 
bie Schablone zu vermeiden, bie c. a. 213 ſchon alle Gaue zu Völler- 
ſchaftsſtaten vereint annimmt; noch bei Straßburg ftehen Gaukönige 
neben Bölterichaftstönigen 2). 

Diefe Heinen Völterfchaften, zum heil wohl nur Gaue, find bie 
Mattioten?), Wangionen bei Worms (Vargionen), Ingrionen (an ver 
Wied), Kariten, Intvergi (wo?), Tubanten, Ufipier und Xenchterer, 
Novarit, Eafuariid). So werten bie Mattinlen‘) Ein Gau, fchwer- 


1) Könige VII. 1. ©. 12f. 

2) v. Wietersheim-Dabn I. S. 468. D. ©. Ia. ©. 357. Urgeſch. II. S. 285. 
Banftelne VI. ©. 31 f. 

3) Bei Friedberg oder Hebbernheim, Hübner, Neue Studien ©. 60. 

4) Notitia dignit. c. a. 375—400. 

5) ©. Notitia dignitatum ed. Seeck, p. 253. Meiten I. ©. 386, 424 läßt 
die Alamannen beroorgehn „aus ben verjchiebenen Heinen „Scharen“, richtiger: 
Böllern, (vgl. ©. 390), 3. Grimm, Geſch. d. D. Spr.3 I. ©. 348, 535 Nadh- 
fommen ber Sueben Arioviſts (anders Baumann S. 502 |. Gegen v. Wietersheimt 
II. S. 207, der in ven Aamanuen nur verbündete Gefolgichaften fieht, Dahn in 
v. Wietersbeim?.), die zum Theil fchon vor Tiberius in das Land zwiſchen Main 
und Redar „aufgenommen”(? wurben”. Auf biefe Kleinen zwiſchen Main und 
Near beichräntt er die „Miſchung“; aber noch andere — größere — traten hinzu, 
fo die gar volkreichen Yuthungen (f. unten) und weitere Sueben. Mit Unrecht 
läßt man Bangionen, Tribofer und Nemeter erft mit Artovift ben Rhein über 
Khreiten: fie fiedeln offenbar ſchon lange links vom Rhein (wie Tungern und 
Bataver,, fonft hätte fie Cäſar fchwerlich in Gallien belafien. D. Geſch. Ia. ©. 329. 
Urgelh. I. S. 18. II. ©. 16. Ueber Namen), Entſtehung und allmälige Berbrei- 
tung des Alamannenſtammes richtig Zen S. 303 f.: er unterjcheidet Alamannen 


14 


lich eine Völkerſchaft, gewejen fein, dazu war dort fchwerlich Raum. 
Daß die Alamannen ihren „Unterftämmen" (follen das Einzelgaue 
oder Völkerſchaften mit mehreren Gauen gewefen fein?) erft nach 
ber Entftehung der Gruppe neue Namen und zwar im Anſchluß 
an die Römerzeit follen gegeben haben!), ift ganz undenkbar: 
die Alamannen werben kaum die Namen ter Römerzeit ftubirt 
haben: viel natürlicher ift boch das Umgekehrte. Die zu der Gruppe 
zufammenwachfenten Völkerfchaften behielten innerhalb bes Geſammt⸗ 
namens bie alten germanifchen Namen aus ver Römerzeit bei (ge- 
nau fo wie die Franken bie Einzelnamen Sugambern, Chamaven, 
Brulterer): und war a. 213 bis 250 nicht mehr „NRömerzeit?" Noch 
a. 310 wurden in Einer Schlacht „Vangionen“, „Alamannen“, 
„Tubanten“ befiegt2). Noch im X. Jahrhundert Heißt das Franken⸗ 
reich regnum Sicambrorum?). 

Dann die Brifigavi im Breisgau: aber die Brisigavi seniores 
und juniores find nicht Gaue (jollen in Einem alle Alten, im 
Andern alle Sungen gelebt haben?), fondern römifche Hilfstruppen. 
Nach der notitia dignitatum ſtehen bie Brisigavi seniores und 
Mattiaci seniores in Spanien, tie Brisigavi juniores und bie 
Bukinobantes in Italien, tie Mattiaci juniores in Gallien wie 
bie cohors IX. Alamannorum in ber XThebais, die ala I. und 
cohors V. Alamannorum in BPhönife: das find doch nicht ganze 
Bölterfchaften oder Gaue. Die Gleichungen Karitner = Kraichgauer, 


hinter bem limes, jübwärts bis zum Bobenfee Juthungen), bis an die Vogefen 
und die Alpen; über das Wechfeln der Namen Alamanni unb Germant bei ben 
Römern ©. 307 (Germania = Alamannia(?)) bei Flav. Vopiscus c. 14. Cramer 
läßt alle Aamannen, — nicht nur einzelne fpäter alamannifche Völkerſchaften — 
p. XV „aus dem Norden” — ale Semnonen — einwanbern: aber find bie von 
Anfang an bier wohnenden Völkerſchaften — Mattialer (bei Tacitus ſchon a. 100 
n. Chr.) und bie bei Ptolemäus c. a. 150 genannten anderen: — verfchmunben ? 
Die Belämpfung der lichtvollen Ausführung bei Zeuß ift (auch fprachlich) fehr 
ſchwach: die Sueben find ihm noch immer die „Schweifenden”, was längft als 
ſprachlich unmöglich erfannt iſt. Ueber die Herkunft ber Alamannen f. auch 
Wirth I. S. 128, Gutſche und Schulte I. S. 155. 

1) Baumann ©. 533. 

2) Nasar. c. 18. Bgl. Mommfen III. 2. N. 5565. C. Inser. Lat.; es ift 
nicht ber in biefer Inſchrift gefeierte Sieg. 

3) Vita St. Chrodegangı, (auctore Johanne Gorziensi? geft. a. 974, 
Wattenbach 16. p. 371) M. G. h. Ser. X. p. 556. 


4) Wie Cramer S. 73 will und Meigen I. ©. 402 meint. 


15 


Ingrionen = Engerögauer !) find unficher; wahrfcheinlicher Uisper (vie 
alten Ufipier) = Wisbacher. 

In ber (jehr ungeographifchen) Aufzählung des Nazarius?) a. 321 
jtehen zwiſchen Brukterern (an ber Lippe) und VBangionen (um Worms) 
die Chamaven (im Hamaland) und vie Cherusfer (an der Wefer): 
neben dieſen tie Alamannen (am Nedar) und vie zu ihnen gehörigen 
Tubanten (urfprünglih am unteren Rhein, fpäter weiter füblich 
neben ven Chatten). Ebenſo nennt ter Panegyrilus eines Unbelann- 
ten auf Eonftantius a. 297 neben ter Alamannia die bazır gehörigen 
Suthungen?). 

Wenn die Zenchterer in ten Wirren zur Zeit Cäſars einmal 
Sueben befämpften, können fie doch wahrlich recht wohl felbft Sueben 
gewefen fein, wie ſich Zangobarten und Markomannen — beide Sueben 
— unter Marbod befämpften‘). Zenchterer wie Alamannen werben als 
ausgezeichnete Reiter gerühmt. Zur Zeit ber nörblichften Ausdehnung 
ter Alamannen mögen fie bie Zubanten erreicht haben. Endlich ijt 
nicht abzufehen, weßhalb die in dieſen Gegenden von Ptolemäus 
‘a. 150) genannten Bölterfchaften, (vielleicht auch nur Gaue) ver 
Ingrionen, Intvergen, Karitner, Wargionen und Marwinger ®) nicht 
c. a. 200 als Alamannen follen zufammengewachfen fein, jo daß fich 
völlig erklärt, weßhalb jene Sondernamen fpäter nicht mehr genannt 
werten. 

Die Nachbarſchaft oder doch Kampfgenofjenichaft mit ven Chatten ®) 


1) Bei Cramer ©. 32. 

2) Pan Const. Aug. ce. 18. p. 227. 

3) c.10. p. 139. Als Quelle diefer Stelle des Nazarius bat Müllenhoff III. 
S. 212 die Weltlarte des Auguftus angenommen, aber nicht nachgewielen. Merkel, 
de r. p. 33 läßt bie Uferfranfen „ober Warnen” fih bis am die Norbfee er- 
fireden: ihre Gränze mit den Saliern lag aber nah unterhalb Kölns. Die Sueben 
kei Eourtrai a. 880 find wohl dieſe Nordſchwaben Annal. Vedast. Scr. I. p. 519. 
Vita St. Eligii Lc. Weber die an bie Eibe (an der Saale Mündung) zugewan- 
derten Schwaben, die bier (bei Halberftabt) einen „Schwabengau“ begrünbeten 
unb gegen die aud Italien heimklehrenden Sachſen behaupteten. [. Greg. Tur. IV. 
43. V.15. Paul. Diac. III. 7. Wrgefd. III. ©. 529 und oben ©.6. Weber 
den nur Einmal genannten Gau Sasonia (Saronia?) Nengart N. 401. a. 861. 

4) Anders Stälin (S.) ©. 44. 

5) ©. oben S. 13 und Zeuß S. 99, 121, 200, 305. Tubanten, Meigen I. 
S. 501. 

6) Ueber die Alamannen in Helen (Wetterau) Arnold, Anfiedelungen ©. 87, 
155, 364 ; (aber die Schiüffe aus den Ortsnamen, zumal auf »ingen, find unbe 
gränbet: auch wiel und ⸗hofen, sad, =brunn, »beuren, »flätten, -wang find keines⸗ 


16 


ift nicht befremdend, vielmehr in Webereinftimmung mit anderen An- 
gaben, welche damals — a. 213 — die Alamannen fo weit nörd« 
lich bezeugen. 

Eine Zeit lang beherrfchten vie Alamannen auch den Lahngau: 
ob aber die Logionen, die Probus bier befiegte, Alamannen waren, 
fteht dahin); daß ihr König Semnon hieß2), bemeift nichts biefür 
und nichts für das Semnonenthum ber Alamannen. Eine alaman- 
niſche Völkerfchaft des IV. Jahrhunderts find die Bulinobanten?) auf 
dem rechten Mainufer in der Buchonia. PValentinian wollte ihnen 
einen vömerfreundlichen König Fraomar geben‘). 

Mit den Burgunden — damals am Main®) — gab e8 wieber- 
holt Gränzkriege, aber auch gemeinfchaftliche, oder doch gleichzeitige 
Kämpfe mit ven Römern. Neben einander bebrohen Gallien c. a. 291 
Alamannen und Burrgunden‘). Die Burcturi der Peutingerfchen Tafel 


wege nur alamanntih); auch mit den SHermunburen hat man bie Alamanuen 
zufammengeworfen: aber ber zwijchen jenen und ben Chatten fireitige Gränzfluß 
ift die Werra (Salzungen), jo richtig Kirchhoff S. 11, und durchaus nicht find bie 
Hermunburen (Thliriuge) Goten, wie Gloel, de antiquis Th. 1863; zur Geſchichte 
der Thüringe, Forſch. 3. D. Gef. IV. 1864. ©. 313. Daß unter ven Kewor 
bes Cassius Dio p. 293 die Xdrror zu verſtehen find, ift, obwohl er fie eine „Leltifche“ 
Völkerſchaft nennt, jeher wahrſcheinlich, vgl. Urgeſch. II. S. 188, v. Wietersheim- 
Dahn I. S. 156. D. G. J. S. 448, 455 (f. „Nachträge”). Zeuß &. 327. Holländer 
S. 276. Meiten I. S. 398 hält die Kewor für die (keltiſchen) Armalaufi, auch 
folen eg — umgelehrt — die fein, benen ber Imperator gegen bie Chatten zu 
Hilfe z0g. Ueber die Siebelungen ber Alamannen = Suevi neben Burgunden 
und Chatten fomie über die Jotungi = Juthungi im III. und IV. Jahrhundert, 
j. Zeuf, ©. 308, 310f., 328, und unten. Müllenhoff IH. ©. 315. Dänbliter I. 
S. 86. Ueber bie zweifelhaften Suebi Nicretes = Nicriones = Ingriones Bei⸗ 
träge zur Geſchichte der deutſchen Sprache und Literatur XX. 32, vgl. Baumaun 
©. 504; ungewiß bleibt, woher bie noch a. 928 ala Fremblinge geltenden Ro- 
manen(?) neben dem commarchicum Alamannorum zwiſchen Kinzig und Elz 
eingewanbert find Zeitfchr. für Geſchichte des Oberrheins 43, 300 [ih entnehme 
bie Baumann ©. 504). 

1) Zosimus I]. 67. 

2) Oben ©. 10. 

3) Ammian. Marc. 29,4. Eſcher a.a. O. erflärt irrig Bulinobanten (bie 
Buchengauer) und Zubanten für Eins; vgl. Hufchberg ©. 350. 

4) 1. e. ſ. unten. 

5) Müllenhoff II. S. 91. Urgeſch. IV. ©. 104. 

6) Mamertin. pan. Maximiano p. 93 (über p. 114 ſ. v. Wietersheim- Dahn 
1. &. 270); über Kämpfe zwifchen beiden p. 115. In dem pan. bes Nazarius 18 
ſtehen bie Alamannen zwifchen ben Bangionen (um Worms) und ben Tubanten; 
vgl. Weller, Anfiedelungen ©. 26. 


17 


fine aber nicht !) die Burgunten, fontern ohne Zweifel bie Brufterer?). 
Gränzfriege zwilchen Alamannen und Burgunden um Sand c. a. 285 
bezeugt — bei aller Verworrenheit — Mamertinꝰ). Die Schiebung 
der Alamannen vom Main nach Weften bis an ven Bobenfee erfolgte 
auch wohl gerate durch das Drängen ber nun dort auftretenden Bur⸗ 
gunben ®). 

In ter Peutingerihen Tafel (c. a. 250) ſteht Alamannia 
zwiſchen Suevia und ben (feltiichen) Armalauſi, fpäter reicht A. 
von ber Rheinbrücke bei Mainz bis zur Donau bei Günzburgs). 
Zur Zeit Julians biltete die Gränze zwifchen Alamannen und Bur- 
gunden das »capellatium«, Gepfähle, Pfahlwert®), d. h. ein Stüd 
tes alten limes. Die zwiſchen Alamannen und Burgunten beftrittenen 
Sulzwerle un Gränzen?) find wohl eher bei Schwäbiſch⸗Hall als bei 
Kilfingen zu fuchen®). Aber Mariminian hatte a. 285 Burgunden 


1) Wie Miller S. 57 will. 

2) Stälin (B.) S. 55 ment, ber Stoß der Burgunden Habe ſchon bier und 
damals c. a.150 die Semnonen = Alamannen getroffen und nach Süden geſchoben: 
aber bie Kämpfe biefer beiden Völker toben im Kocherthal um ſchwäbiſch Hall und 
erft Ende des III. Jahrhunderts. Ganz fpät [c. a. 1350] erfolgt die Einwanbe- 
rung von Burgunden (Wallifern) nad) Vorarlberg, vgl. Bergmann ©. 521. 

3) Genethl. Maxim. ce. 17. p. 115; über bie wechjelnden Gränzen mit Bur- 
gunden und Römern Weller II. S. 305,324. Auch Arnold führt das Vordrängen 
der Aamannen wie ber Übrigen Germanen auf Gebrängtwerben durch Anbere — 
bier die Burgunden — zuräd, Urgeſch. I. ©. 137, aber unerfannt bleibt die all 
diefen Bewegungen zu Grunde liegende Urſache: die Landnoth. 

4) Urgefch. IV. ©. 104. 

5) Zeuß ©. 309. 

6) So Stälin (8) L ©. 128. v. Wietersheim- Dahn I. ©. 481. Andere 
Erllärungen — aus bem keltiſchen gavoel, Säule — ſ. bei Hübner, neue Studien 
S. 76. Meiten I. S. 401. Weber bie Lesarten bei Ammian. XVII, 2: lapides 
terminalis Romanorum ober Alamannorum ſ. Niffen, weftbentiche Zeitfchrift VI. 
S. 331 f.; j. Meiten I. ©. 401—405. Weller II. &. 305. 

7) Ammian. XXVII, 5. 

8 Richtig Eichhorn 8 21a. S. 101. Stälin (V.) J. S. 128. Niſſen a. a. O. 
Weller II. ©. 305. Zweifelnd Zeuß S. 312. Ueber die Gränzen mit ben 
Burgumben |. Jahn I. S. 46-58. v. Wietersheim- Dahn I. S. 260—359. Ur⸗ 
geſchichte IT (Iulian) S. 325 und bie Karte am Schluß des II. Bandes. Gegen 
bie von Friedrich I. a. 1155 irrig angenommene Abgränzung von Burgumb und 
Churrhätien durch Dagobert I. |. Stälin (V.) I. 1875. (S.) ©. 87. Urgeſch. IV. 
&.105f. Ammian. Marcell XVIII, 2. 175; über die alamanniſche Occupation 
des oberrheintichen Gränzlandes c. a. 472 und bie gleichzeitige ber Burgunden 
von provincia maxima Sequanorum ©. 501f.; über bie Alamannen in ber 

Zahn, Könige der Germanen. IX. 1. 2 


18 


und Alamannen von Gallien abzuwehren‘). Landtheilung der Bur- 
gunden mit den Römern ſchon am Rhein?) ift nirgends bezeugt und 


höchſt unwahrfcheinlich?). 

Den füplichften Gau ver Alamannen im IV. Jahrhundert a. 355 
bewohnten bie Lentienſer; biejer Linzgau lag am Norbufer des Boden⸗ 
fees‘): fie waren in Rhätien eingefallen und wurten bei Bregenz ge- 
ſchlagen; im Jahre 378 drangen fie bis in den Elfaß vor, wo fie bei 
Argentariad) gefchlagen wurden und ihren König Priari verloren ®). 
Daß alle mit Lenz oder Linz zufammengefegten Ortsnamen außer- 


Südweſtſchweiz? (mit Recht beftritten) II. S. 376 in der Nordſchweiz ©. 379. 
(vita St. Eugendi); ber Jura als Bränze ©. 384; bie Yar als Gränze (Walah- 
frid Strabo, v. St. Galli, prolog.) S. 390; vgl. S. 410, 410; ebenfo Eramer 
&. 204. Weber die Sprach⸗ und Stammes-Gränze zwiſchen Aamannen und Bur— 
gunden ſ. Stälin (V.) I. ©. 223: die Aar bildet auch Die Gränze für den Sprengel 
Conſtanz, Solothurn ift bereits burgundiſch: ebenfo Lauſanne, vgl. Schott, Die 
Deutfhen am Monte Rofa 1840; unzugänglich blieb mir Haller, Bibliothek ber 
ſchweizeriſchen Geſchichte III. (anno?). Uebrigens bat fpäter die Gränze bier im 
Berlauf der Zeiten fo geſchwankt, daß fogar das (3.3. a. 853) zweifellos alaman- 
nifhe Züri) fpäter a. 1125 (Gau umd Grafſchaft) zur Provinz Burgund gezählt 
werben Stälin a.a.D. ©. 224. ©. die reichen Fiteratitrangaben bei Branbflätter 
©. 55—58. 

1) Mamertin. panegyr. c. 5. p. 93; ihre flarfe Volkszahl wird ihnen ſelbft 
verberblih; vgl. v. Wietersheim⸗Dahn I. ©. 265; über die heillos verworrene 
und im Text verborbene Stelle 1. c. c. 17 bafelbft S. 270. 

2) Die Eramer für möglih hält S. 177. 

3) Ganz irrig läßt Meiken I. ©. 409 bie Burgunben bei Worms durch 
Attila a. 451 gefchlagen werben, vielmehr a. 438 durch andere Hunnen; f. Urgeſch. 
IV. ©. 105. v. Wietersheim- Dahn II. ©. 211. Birlinger, alam. Sprade ©. 5. 

4) Ueber ihre Kämpfe gegen Conſtantius II. Amm. Marc. XV, 4. XXXI, 10. 
Urgeſch. II. ©. 269. Die Befekung ber Schweiz durch bie Alamannen halte ich 
wie in vo. Wietersheim- Dahn II. ©. 105 gegen v. Schubert S.10f. aufrecht. 
Richtig gegen Arnolds, Wanderungen, Annahme von Wanderung bes ganzen 
Stammes Bufh S. 11, Heyne II. S.1. Könige I, über Kimbern, Banbalen, 
Chatten (Bataner) D.®. I. ©. 314, 61, 63, 605; vgl. Edert, Wanderungen unb 
Siebelungen ber germanifchen Völker (Karten). 

5) Arzenheim? Horburg? Eolmar? Stälin (B.) S. 137. 

6) Urgeſch. II.2 S. 390. Hufchberg S. 356. Baumann ©. 531 verlegt bie 
Lentienses nicht — wie allgemein geſchieht — in ben nach ihnen benannten 
Linzgau am Norbufer des Bobenfees, weil bier Die von Ammian gejchilberten hoben 
und ftellen Berge fehlen (maß auch mir fchon bei neunzehnmaligem Aufenthalt in 
Friedrichſshafen auffiel, aber 3. B. der Heiligenberg?), fonbern an „ben Gteilrand 
bes Nedare”, wo bie villa quae dicitur Priari a. 790 Wartmann I. ©. 116 an 
den a. 378 gefallnen König ber Lentienfer PBriarins erinnern fol. Wieder anders 
v. Schubert a.a. O. 


19 


halb Alamanniens auf die Lentienjes zurüdgehen (auch Linz an ber 
Donau?), ift rein wilffürlihe Annahme !), e8 wäre bei jevem Namen 
ortsgeſchichtliche Feftftellung erforberlich. Ä 

Auch hier find alfo — ganz wie bei ben Franken — weber bie 
alten Bölferfchaften noch auch nur beren Namen verjchwunden noch in 
bem neuen Öefammtnamen aufgegangen: vielmehr fieht man beutlich, 
wie auch die Römer innerhalb der Gruppe der Alamannen noch bie 
einzelnen Völkerſchaften untericheiten 2). Vielleicht geht auf verbündete 
Bölkerichaften in dem ſpäter alamannifchen Lande — alfo auf äftefte 
Spuren ber alamannifhen Gruppe — die Stelle bei Zonaras®), 
die fchon unter Domitian (831—90) in jenen Gebieten „Verbündete“ 
nennt. 

Daß die Einheit von Sprache?) und Recht die Zufammenfegung 
aus verfchiedenen Völkerſchaften und Bauen gleichen Stammes durchaus 
nicht ausjchließt, hätte Doch ein Blick auf bie anderen ähnlichen Ver⸗ 
bände — Franken, Sachen, Frieſen — zeigen follen. Die Einheit 
von Alamannen und Schwaben>) fchließt Gliederungen, Unterfchiebe, 
zumal in ber Muntart®), nicht aus, gerade bei unferer Annahme ber 
Mifchung verfchievener Völkerfchaften: man mag alfo innerhalb des 
einen Stammes bie Mundart und Vollesart im Norboften (Württem- 
berg, baieriſch Schwaben) als „ſchwäbiſch“, von dem Alamannifchen 
in Elfaß, Baden, Schweiz, am Bobenfee, in Vorarlberg — doch 
unbefchabet jener Einheit — unterjcheiben?). 

Mit welcher Beichräntung nur ein Föberatio-Verband, ein aus 
Bertrag und Gewohnheit erwachjenes Waffen-Bünpnig (neben engerer 
Bemeinfhaft von Götterdienft und Opfer) bei den Gruppen anzunehmen 
ift, warb anderwärts ausgeführt®). Immerhin ift fol ein Vertrags⸗ 
band wenigftens für die Zeit Iulians ficher bezeugt von dem durch⸗ 


1) Cramers ©. 240f. 

2) Flav. Vopise. c. 13. 14. 

3) Allerdings erft im XI. Jahrhundert, aber oft aus alten, guten Quellen 
ſchöpfend. Annal. lib. XI. c. 19. ed. Bonnen. rıya rüv repav “Pivov Tv 
dvamöydmv; freilich wahricheinlicher Chatten, Frontini stratagemata IV. 3. 14. 

4) Arnold, Anfiebelungen ©. 209, 224 will bie oberdentſche Lautverſchiebung 
mit diefen Wanderungen ber Alamannen in Zuſammenhang bringen, was aber 
ber Zeitfolge widerſtreitet. 

5) Die übrigens ſchon I. Grimm und Zenf gelehrt haben. 

6) Birlinger, alemanniſche Sprache S. 265. Alemannia I ©. 87 f. 

7) Hierin richtig Baumann ©. 524 f. 

8) D. ©. Ia. ©. 184. Urgeſch. III. &. 192. IV. ©. 89. 

2* 


20 


aus glaubhaften Zeitgenoffen Ammian, der ausdrücklich fagt: von ben 
35000 Mann, vie bei Straßburg kämpften, war ein Teil „gemäß tem 
Vertrag gegenfeitiger Waffenhilfe“ geftellt, und als bie rechtsrheinifchen 
Gaue der Alamannen von Julian angegriffen wurden a. 357, fchidten 
ihnen andere nicht bebrohte Gaue Hilfsfcharen, „gemäß bem zu gegen- 
feitiger Waffenhilfe verpflichtenden Vertrag” 1). Behauptet man?): „bie 
Geſchichte weiß gar nichts von einer politifhen Organifation 
ber Alamannen, felbjt wenn viefelbe noch fo loder wie möglich auf- 
gefaßt wird, zu melden“, fo ift zu erwitern: a. 357 haben fie einen 
“zu gegenfeitiger Waffenhilfe verpflichtenden Vertrag: alfo 
völterrechtliche Organifation: und a. 496 haben fie alle Einen König, 
alfo ftatsrechtlihe DOrganifation: beives find politifche: zuerft ein 
Statenbund, dann fogar ein Einheitftat. Jene Säge find alfo quellen- 
widrig. Das nun Folgende: „vie Alamannen find echte Germanen 
und als folche jedem ftatlihen Zwange abhold“ ift eine Phrafe und 
„der Geift, der zum Morde des Siegers im Teutoburgerwalde ge- 
trieben bat“ Tann doch nicht gegen ein ausbrüdlich bezengtes Waffen- 
bündniß ber Alamannen im IV. Jahrhundert angerufen werben. 
Und Hatten bie cherustifchen Gaue a. 9 etwa Fein Waffenbünpniß, 
war Armin nicht Oberfeldherr (dux) der gegen Rom Berbündeten?)? 
Mehr als bei ben Franken alfo tritt die Verbindung unter ten 
Völkerfchaften und Gauen hervor, bei jenen ift nicht bie Rede von 
einem „Vertrag gegenfeitiger Waffenhilfe”: vagegen bier heißt es zu- 


1) XVI. 12 ex variis nationibus, b. h. ben verſchiedenen alamanniichen 
Bblterſchaften partim mercede partim pacto vicissitudinis reddendae. Wie 
man bem gegenüber, wie Baumann ©. 511, von „Hypotheſe“ fprechen kann, ift 
unbegreifbar. Er jagt ©. 518: auch fpäter erhalten die Angegriffuen Hilfe von 
nicht bebrohten Alamannen. 

2) Baumann ©. 518. 

3) Auch Merkel p. 5 beftreitet, wie Eichhorn $ 21a. und Stälin (S.) a. a. O., 
jedes Vertrags: und Bundes⸗Verhältniß. Auch von Roth, Ben. ©. 34 hätte die 
vertragsmäßige Berpflichtung zur gegenfeitigen gewaffneten Bunbeshilfe unter 
ben alamanniichen Gaulönigen (neben geworbnen Sölbnern aus andern Völler⸗ 
ſchaften) ſchärfer hervorheben müflen. Nach Holländer S. 267 beweift bie Mehrzahl 
von Königen (und „Böllern”) gegen einen „Bunb“ ber Alamannen: aber ohne 
ſolche Mehrzahl ift ein „Bund“ gar nicht denkbar: unter „Einem Oberhaupt“ find 
gerabe „Berbinbete” nicht geeint. Richtiger als die Meiften erkennt Mommien 
V. &. 147 in ben Alamannen einen „Ocmeinbuub”, aber auch er neigt zu ber 
Semnonen-Bermutbung; daß neben den Alamannen die Chatten genannt werben, 
beweift bo nur — was wir fchon wiflen, — daß die Chatten nicht zu ben 
(fontel weiter ſüdöoſtlichen) Alamannen gehörten. 


21 


weilen tota, omnis Alamannia, was freilich vhetorifche Uebertreibung 
fein kann !). “ 

Der Name der Alamannen Hat im Verlauf unferer Gefchichte 
die Bedeutung jeltfam gewechſelt. Ausprüdlich fagt Vopiscus, noch 
zur Zeit des Probus a. 280 feien bie Alamannen Germanen ge- 
nannt worben?) d. h. nicht fie allein, aber man wußte, daß fie wie bie 
Franken zu den „Germanen“ zählten, und ver Sondername Alamannen 
wurde noch feltener für dieſe gebraucht: freilich ftellen dann vie Römer 
immer wieber neben einander Sueben, Vandalen, Germanen). Am- 
mian (c. a. 350) weiß, daß fie „Germani“, aber nicht die einzigen 
Germanen find‘). Prokop (c. a. 550) nennt nur die Franken Ger- 
manen, nicht bie Goten une andre Germanen). Später aber be- 
deutet Alemannia Deutichland im Gegenfat zu Francia, Srantreidh®). 
Anziehend ift, wie Otto von Freifing gegen biefen Mißbrauch eifert, 
ganz Deutſchland und alle Deutichen Alamannia und Alamanni zu 
nennen. Aber feit dem XII. Jahrhundert verprängen biefe Namen 
wie bet den Schriftftellern jo auch in den Urkunden — auch in den 
amtlichen der Staufer — die alten: »Germania und Germani«’). 


1) Treffend Manches bier bei v. Schubert &. 9. Daß aber bei Straßburg 
ber ganze Stamm Julian gegenüber trat, wird durch „bie nicht bort kämpfenden 
Könige“ wiberlegt. Zuviel hiefür beweift Julians Ausprud Töv Bacıkda tüv 
rolsplov ad Ath. p. 359 (nad) ihm Socrates röv Bacılda tüv Bapßdpwv Liba- 
nius 1. e. jagt nur röv p£yav dxeivov röv Baaıda), denn wir wiffen, baß 13 Könige 
neben Chnodomar flanden. Ehnobomar führt „alle Völker“ (mie Armin) db. h. 
eben die dort kämpfenden. Daß Ammian nicht bie Namen ber Gaue (außer 
Bulinobanten und Linzgauer), nur ihrer Könige nennt, beruht nur auf feiner 
Untenntniß: die Gaue hatten Namen. 

2) Proculus 13. 3 Alamannos, qui tunc adhuc Germani appellabantur. 

- 3) Flav. Vopisc. Aurelian 35, 4; ebenfo 12, 3 Germani et Alamanni. 

4) Ed. Eyfienharbt, Amm. p. 556. 

5) Dahn, Prokop S. 413; Über das Verhältniß der Beinamen Germanicus, 
Alamannicus, Francicus bei römifcher Imperatoren Holländer ©. 275. 

6) Ariprandi brevis Langobardorum historia. Ser. rer. Lang. I. p. 596 
translatum est imperium Romsnum de Francia in Alemannia = apud Theo- 
tonicos p. 592; f. unten „Land“; aber auch Alamannia = Francia Eckart 1. 
P. 305, 307. Rieſe VII. ©. 138. X. 1.6 = Suebi XL. 5, 7. 


7) Ich entnehme dies Baumann S.547; vgl. Weit II. 8.104, IV. ©. 129f. 


22 


b) Insbefondere Die Sueben. 


Um die wiederholt von Ammian und Antern!) bezeugte ftarfe 
Volkszahl der Alamannen zu erflären, bebarf es burchans nicht ver 
hundert Gate der „Semnonen“: außer ven oben aufgezählten Keinen 
(ſämmtlich fuebifchen) Völkerſchaften und Gauen haben gewiß noch 
andere Sueben in jenen Gegenben die Gruppe bilden helfen2), vie 
nur als »Suebi«, meijt ohne Anführung ihrer Sondernamen, bezeichnet 


werben. Es ijt daher nöthig, den vielfach wechjelnten Sprachgebrauch 
bezüglich Suebi und Alamanni zu verfolgen?). 


1) v. Wietersbeim- Dahn S. 4. D. G. Ia. ©.517. Urgeid. I. ©. 69 f. 
11. ©. 279 die Landnoth der Germanen ©. 10 f. 

2) Richtig Baumann ©. 538: man bat von Anfang an (b. h. nad Ent- 
ftehung des Berbandes, alfo vor a. 213, den Stamm („bie Gruppe” wilrbe ich 
jagen) mit beiden Namen genannt; genauer: neben dem neuen Namen Aamannen 
dieſe Sueben wie früher Sueben: baneben aber gab es aubere Suchen (3. 2. 
Marlomannen, Quaden), die niemals Alamannen hießen unb waren, fonbern 
Sueben oder Marlomannen, Duaden hießen, bis biefe wohl erft feit der Ein- 
wanberung im fpäteren Baiern c. a. 500 Bajuvaren genannt wurden. Mit Uns 
recht hält Birlinger, alemann. Sprache S. 27 die Benennung Sueben für eine 
tünftliche Heraufbefhwörung bes alten Suebennamens: er war nie geftorben und 
begraben geweien; vgl. 2. Schmidt, Hermund. ©. 309 f. 

3) Ueber die Eigenart ber ganzen fuebifchen Gruppe Könige VOL. 1. ©. 10. 
Brunner I. S. 30; über die Beftandtbeile der Gruppe D. ©. Ia. ©. 451. Ur 
geſch. I?. ©. 519. IV. ©. 89, Über die Sueben Cäſars Mommfen III. ©. 230: 
aber weber find die Sueben die Schweifenden, was längft als ſprachlich unmög⸗ 
lich dargewieſen, noch find die Marlomannen bie „Landwehr“, noch find bie fel- 
tifchen Treverer und Nervier mit ihren echt keltiſchen Perſonennamen Germanen, noch 
haben die Boier jemals in Baiern, vielmehr haben fie in Böhmen gewohnt (Dabıı, 
Erinnerungen I. 1890. S. 161. Urgeſch. IV. S. 120; erhebliche Bebenten befteben 
gegen bie Ausführungen Meitens I. S. 350 über Sueben, Juthungen, Hermun- 
duren. Bremer, Baul? IH. ©. 925, unterfcheibet Sueben im weitern (3. B. auch 
Baiern) und im engern Sinn = Schwaben nad v. Lang, Gaue S. 2 „ein Bunb 
aus Abenteurern ber fernften Gegenden” !:. Unrichtig Über Sueben und Ala⸗ 
mannen, Hefele, Einführung ©. 18, 78. Leber bie ältefte Gefchichte der Sueben 
von Cäſar ab jehr ausführlich, aber vielfach unrichtig, öfter noch beweislos Ufinger, 
S. 211—266. Biel verläffiger Stein, Völkerſtäämme ©. 15. Weber bie verjchiebenen 
Deutungen bed Namens „Sueben“ f. die Zufammenftellung bei Stälin ©. 49. 
Bon (umher, ſchweifen, vom Harſchweif „vom ſchwebenden“ (?, Speer, von fuebjan, 
einfchläfern (bie „Friedfertigen“ !?!), vom flavifchen (!) suoba [zur Zeit Cäſars!] 
Freiheit; Stälin felbft geht von einem fprachlichen Unterfhieb aus, weil ſpäter 
Alamannen und nächftverwandte Bajuvaren bie oberbeutfhe Mundart und legte 
Lautverſchiebung (doch ebenſo Heffen und Thüringe, beide ebenfalle Sueben, aber 
auch zum Theil die nicht-fuebifchen Franken) von den Niederdeutſchen ſcheidet: allein 


23 


Daß bie Sueben der Zeit Cäſars zwifchen Rhein, Main und Donau 
fpurlos verſchwunden feien!) — die echt ſuebiſchen Chatten fiten heute 
noch dort — fteht im Witerfpruch mit der »Suebia« ter Pentingerjchen 
Korte: deßhalb follen diefe Namen eigenmächtige Zuthaten ſpäter Ab- 
fchreiber fein), aber wie kann man folche „Ipäte Zuthaten“ beweifen, 
ta doch nur Ein Exemplar fich erhalten hat?)? Ja, noch a. 321 er- 
ſchienen bie fuebijchen Bangionen bei Worms). Die Aamannen (und 
zwar alle, auch die Juthungen) find von Anfang’) an bis heute 
„Sueben”®), ſpäter „Suaben“, aber feineswegs alle Sueben find 
Alamannen: fo nicht die Markomannen (Baiern), die Hermunduren 
(Zhüringe), die Chatten (Heffen), die Semnonen, die Quaten, Variften 
(Baiern), Zangobarben, Angeln, die Lugier, die Burier?). 

Auch die Warnen: viefe hießen „Nordſchwaben“, durchaus nicht, 
weil fie nörbli ber Semnonen faßen ®), ſondern natürlich im 
Gegenſatz zu ven „Südſchwaben“, d. h. den Alamannen, daher erit 
nach ihrem Zug nach Thüringen‘). Welcher Völterfchaft die mit ven 
Bandalen nach Spanien gewanderten Sueben angehörten, ift nicht zu 
beftimmen: feinesfalles waren e8 bie von bem Weg jener Wanberung 
weitab gelegenen Alamannen 19). 
dieſe gemeinfame Mundart ift nur ber Ausdrud gemeinfamen Stammes, ebenfo 
wie gemeinfamer Lebensfitte (erft fpätere Seßhaftigkeit) Götterverehrung und Recht. 

1) Baumann ©. 526. 2) Baumann a. a. O. 

3) Bol. die Ausgabe von Miller, 1888, Segment II. 

4) Nazar. paneg. Constantino I. dietus c. 18, die übrigens wie TZungern, 
Bataver, Nemeter und Tribofer lange vor Cäſar den Rhein Überfchritten hatten. 
Berbleiben jener Sueben nimmt auch Eramer ©. 254 an: aber waren bie Linz 
gauer nicht Sueben? | 

5) Rah Merkel de r. „vereinen“ fich bie Alamannen erſt a. 412 mit den 
Sueben (aber fie waren von jeher felhft Sueven, geweſen), p. 31 werben bie 
Suuaben gar mit den Slaven (»tamquam libertorum«!) zufammengebracht 
1) wegen bes Nechts bes Vorſtritts, 2) weil bie Slaven bie Göttermutter Zima 
nannten und die Alamannen ben Gott Ziu verehrten l]. Laifiner &. 2 will — 
erftaunlichermaßen — Ziu-varı als bloßen Schreibverftoß für Raeciu-vari, Rhaeti, 
erffären. 

6) Richtig Baumann, unrichtig Cramer ©. 261; viele Stellen für Ala- 
manni — Suebi @dart I. p. 21—31, 385. 

7) Tac. Germ. c. 43, Cassius Dio 71, 19. 72, 23 vita. Anton. ce. 22. 

8) Wie Cramer ©. 261 meint; falſch find die Jahrzahlen ©. 262. 

9) Lieber dieſen vgl. Schröder 3. f. R. ©? V. ©. 23. VI. ©. 20. 

10) Wie freilich Gregor Tur. 1I. 2, getäufcht durch die Gleihung Suebi — 
Alamanni im Frankenreich, glaubte; ihm folgen Baumann, bie Bewohner bes 
bairiſchen Schwabens 1897. Weller II. ©. 319. 


24 


Die nahe Berwanbtichaft ter aus Markomannen, Quaben !) 
und Bariften bervorgegangenen ſuebiſchen Baiern mit den Alamannen 
ericheint deutlich in Beiber Vollsreht, Mundart und Ortsnamen 2). 
Ganz unrichtig zählt man?) Batern zu Thüringen. Werben a. 451 
und a. 476 noch feine Baiern in „Baiern“ erwähnt, fo erflärt fich 
das einfach daraus, daß fie damals noch als Marlomannen an ber 
unteren Donau faßen und erft c. a. 495—500 nad Baiern kamen, 
zuerst genannt c. a. 520%), dann a. 551 Jordanis s). Der Lech galt 
von je als die Stammesgränze zwifchen Alamannen und Baiern, er 
ift heute noch die Sprachgränze®). 


1) Baumann, Forſch. XVI. ©. 239 hätte nicht ben alten Irrwahn Quitz 
manns von ber Abſtammung ber volfreichen Bajuvaren von ben paar hundert Ge- 
folgen des Bannius und Katwalt an der Waag wieber von ben Zobten zu 
weden verjuchen follen (ihm folgt Meiten I. ©. 387), er hält auch S. 239 die von 
Theodemer c. a. 470 befiegten Suaven für jene lang verjchollenen des Vannins von 
a. 19; richtig hiegegen Cramer ©. 199. Mommfen, SIorb. p. 165 nimmt Ber- 
wechfelung von Savien mit Suavien an, f. unten „die Alamannen und Theoberich 
ber Große”. Ganz grund» und bobenlos hält L&otard essai, 1873 p. 10, bie 
Markomannen für Eins (flatt mit den Batern) mit den Alamannen. 

2) S. bie ſchöne Ausführung bei Niezler I. S. 8—19. 

3) Meiten I. ©. 412; richtig 2. Schmidt a. a. O. ©. 313. 

4) Bölterlarte bei Müllenhoff. 

5) (c. 55). 

6) 3.8. Annal. R. Francor. a. 787, p, 16, ebenfo Einh. v. Caroli ce. 11 
ed. Jaffe p. 519 Poeta Saxo II. v.318. ed. Jaffe p. 568. Annal. Nazar. h. a. fines 
Alamannorum et Beuveriorum (sie) ad flumen quod appellatur Lech. Dümmler 
I. S. 27. Fred. cone. c. 108 (Karl Martell 8 a. 725) coacta agmina multitudine 
Renum fluvium transiit, Alamannosque (alfo die weftlicheren, et Suavos (bie öſt⸗ 
licheren) lustrat usque Danubium peraccessit illoque trans meato fines Bagu- 
arenses occupavit; auch das Julian verkündete Orakel (bei Eunapius, unten ©. 31: 
nennt die Alamannen „ein weftliches Bolt“ (freilich in andrem Zuſammenhang). Seboch 
über bie Ausbreitung ber Aamannen in den Sübwelten von VBaiern unb dem 
Weſten von Deutſchtirol ſ. Riezler I S. 61: „eine Linie von Augsburg uach bem 
Ammerfee, weiter über ben Kochelfee, bei Leutajch, Lermoos, Telfs, das Oetzthal, 
Finftermüng 588 zur Malſerhaide ... bezeichnet Die Oftgränze eines Lanbftriches, 
wo fih Alamannen mit Baiern mifchten....”. „Daß bie alamannifche Färbung 
bier auf alten ethnologifhen Grundlagen beruht, nicht etwa Durch bie fpätere Herr- 
fchaft der Staufer herbeigeführt wurde”, dafür fprechen die alten kirchlichen Ein- 
theilungen (die Gränzen ber Bisthümer Augsburg öftlich nom Lech bis an ben 
Würmſee mit Chur bis in das Vinſtgau) fowie bie Macht ber ſchwäbiſchen Welfen 
in diefen Gegenden.” Bgl. auch Quitzmann ©. 61. Ueber bie Zeit der Ausbreitung 
ber Alamannen über den Lech nach Baiern hinein vgl. (gegen Baumann ©. 497) 
auch Bachmann, Archiv f. üfterreich. Geſch. 61, S. 204 und Wiener Git.-Ber. 91, 
©. 857. 


 — 


25 


So lernen wir fowohl Alamanni wie Suebi als Gefammtname 
für die ganze Gruppe Tennen: vie Quellen willen, baß ber Name 
»Suebi« (= Alamanni) eine Mehrzahl von Völferichaften (nationes) 
umfaßt 1). 

»Gens« bezeichnet ſowohl ben ganzen Stamm als einzelne Völler- 
ichaften (3. B. Iuthungen) des Stammes als einzelne Gaue ber Völler⸗ 
ichaft (3. B. die Briſigavi)ſ. ‘Die diversi Germanorum populi?2) 
find vielleicht auch nur verſchiedene Gauvöälfer der Alamannen ?). Zahl⸗ 
reiche Beläge für die Einheit von Alamannen und Sueben gewähren 
die Quellen des IV. Jahrhunderts: fo nennt Ammian*) die von Eon» 
ftantius und Barbatio befämpften Feinde bald Sueben, bald Ala- 
mannen. Der Fortſetzer Fredigars) fcheibet Sueben und Ala- 
mannen, ohne fie Doch auseinanberzureißen; mit Recht bemerkt man ®), 
daß bie feltene Unterfcheitung (3. B. bei Hugo von Flavigny) gegen 


1) So Jonas vita St. Columbae c. 53 vicinae nationes Suevorum in ber 
Schweiz, ſ. Wattenbach IP. ©. 115. 

2) Paneg. Constantio Chlorodiet. V. 2. 3. 1U. 

3) Richtig Birlinger, Rechtsrheinifches Alamannien S. 298: ſelbſtverſtändlich 
ift er jänger (a. 213) als Suebi (50 v. Chr. bei Käfer), aber nur infofern ift 
Suebi der „Stammesuame”, fpäter warb auch Alamanni „Stammesname”, was 
freilich anfangs nur die Zufammengehörigkeit, eben ben Bund, der Glieder aus⸗ 
brüdte; (hierin richtig Mayer von Frauenfeld, Alemannia VII. S. 290). Nicht 
nur bie Romanen haben [wie Birlinger a. a. ©.) den Bundesnamen mit bem 
Stammesnamen verwechjelt: im ber Folge nannten fi) auch Die Schwaben felbft 
Alamannen. 

4) 16, 18, 20, 11, 1 Beläge aus Aufonius bei Zeuß ©. 317. Urgeſch. II. 
S. 269 f. v. Wietersheim-Dahn II. ©. 447: aber die Stelle bei Elaubian in 
Eutrop I. v. 304 bei Baumann ©. 539 bemweift nicht, daß die Sueben hier bie 
AHamannen fein jollen: bie Erwähnung des Rheins kann auch auf bie worher ge- 
nannten Franken gehen; richtig führt Baumann ©. 540 Cassiodor XI. 7 und 
XIL 28 für beider Einheit an und ebenfo Greg. Tur. I. 2; [aber daß bie [pani- 
ihen Sueben Alamannen waren, behauptet Gregor 1. 61 grunblos, ſ. ©. 23] ver⸗ 
dienftlich führt Baumann S. 540 weitere Beläge an aus ter vitae St. Columbae 
unb St. Galli, [aber der Geographus Ravennas p. 230 nennt das Land bie 
Seimath der Sueben „wie auch ber Alamannen“, trennt aljo beibe], Vgl. aus 
Paulus Diaconus und bie Annalen bes VIII Jahrh., fowte Einhart, Poeta 
Saxo, Walahfrid Strabo und fo weiter. Aber ben fabelhaften Baltherus hätte 
Baumanı ©. 543 nicht verwertben follen: vgl. Wattenbach I®. ©. 120. 

5) ed. Kruſch, p. 175,179 ambere merovingiſche Beläge für die Unterfcheibung 
bei ®ilfer, Alemannia XXXII. S.66. Sanet Gallen Tiegt nach Ottfrieb in 
Suabarichi 3. Grimm, Geſch. d. D. Spr. I. S. 499. 

6) Baumann ©. 545. 


26 


die zahlreiche Vereinheitlihung vom IX. bis ins XIII. Iahrhuntert 
nicht in Betracht fommt: übrigens Tann man ja auch die norböftlichen 
als Schwaben von den fühmeftlichen Alamannen z.B. ter Mundart nad) 
unterjcheiden, vorbehaltlich der Einheit des Stammes (der Gruppe) !). 
Wird aber zwifchen Alamannen und Sueben unterjchieren — was 
allerdings bis ins Mittelalter hinein (XIII. Jahrhundert) gefchieht, — 
fo find jene die weftlicheren z. B. vor Allen Elfaß, Breisgau, viefe bie 
öftlicheren (Württemberg, baierifch Schwaben). Am Häufigften werten 
beide nebeneinander [et2?)] genannt, als Nachbarn und Verbündete, 
zuweilen auch mit »vel« verbunten, was aber in jenem Latein bald 
„und“, bald „oter“ bebeutet 3). 

Hunimund heißt a. 453— 468 König der Suaven und Ala- 
mannen‘), er befämpft mit einem zweiten „Suaven“-König, Alarich®), 
die Oftgoten, er überraſcht Paffau®), das etwas früher König Gibuld 
bedroht hatte”); nicht genannt wird ver Führer der etwas fpäter®) 
vor Paſſau gefchlagenen Alamannen. Iorbanis, der Alamannien unv 
Suapvien fennt, läßt die Donau in Alamannien entipringen?). 

Auch der Geograph von Ravenna weiß, daß Alamannien auch 
Suavia (A. patria — Suavorum p.) heißt: e8 ift Thüringen im Norden, 
Italien im Süden benachbart. „Sehr viele „Philofophen” Haben es 
befchrieben, unter denen ich bie gotiſchen Anarid und Eldebald gelefen: 
aber nicht gleich, ſondern verſchieden Haben fie es dargeſtellt: ich be- 
zeichne die Stätte nach Anarid.“ Nun zählt er außer gallifchen mit 


1: Meiten I. ©. 405, 408 trennt — gewiß unrichtig — Sueben, Alamannen 
und Schwaben S. 406: „nicht alamanniſch, ſondern ſuebiſch“: aber Die Alamannen 
find Sueben. Ueber die saevi (= Suevi) und die Alamanni, Alamannia gens 
in Hanbfchriften bes Aethicus ſ. Miüllenhoff III. ©. 227. 

2) Alamannos Suevosque Gesta Francor. c. 14. 

3) Alamanni = Suevi p. 362. Baltheri (c. a. 980) vita St. Fridolini, 
geft. c. a. 530 p. 362. Paul. Diacon. histor. Langob. (ed. Waitz. Ser. rer. 
Langob. 1.) II. c.15 p. 82 fagt: Suaviam hoc est Alamannorum patriam 
p. 101 ex Suavorum hoc est Alamannorum gente. Heitonis visio Wettini 
M. Germ. h. Poetar. Latinor. II. 1884. p. 267 provincia Alamannorum vel 
Sueborum Walafred. Strabo 1. c. p. 429 ad flavos Alamannica in arra... 
Suebos [vgl. Lucan. Pharsal. II. 51 flavos.. Suebos. 

4) Jord. Get. a. 53—55. 

5) Jord. 1. c. c. 54. 

6) Eugipp. v. St. Sever., c. 23. 

7) e. 19. 

8) e. 27 vgl. c. 31. 

9) Get. c. 75. 


27 


rheinfränfifchen auf: Argentaria quae nunc (c. a. 680) Stratisburg 
vocatur, Zabern, Breiſach, Bafel, Zürih, Conftanz, Arbor, Bregenz, 
Bodmann, Augsburg (über »Theodoricopolis« f. unten); ter Rhein 
fommt durch Alamannien !). 

Fredigars Fortfekung unterjcheivet noch a. 725 Alamannen und 
Suaven, aber als Nachbarn?), auch?) Alexaci t. h. Alsacia und 
Alamania‘) und jagt zu a. 739 „Suavia, das jegt Alamannia ge- 
nannt wird”5) Hinkmar find die von Chlodovech DBefiegten Ala- 
manni et Suevi®). 

Wir jehen alfo, ber alte Sueben-Name verjchwand keineswegs 
unter dem neuen ter Alamannen, wird aber unterfchieden, fo find 
die Schwaben wie heute noch die Hitlichen, die Alamannen tie weit- 
lichen. Daher erjcheinen Suebi in den Sigen der Juthungen: noch 
a. 430 werben biefe, etwa a. 460 die Sueben genannt: daher greifen 
bie Oftgoten unter Theodemer dieſe „Sueben” im Rüden d. h. von 
Often ber, Donau⸗aufwärts, an”). Ganz richtig werten biefe Suebi 
als „Verbündete“ und Mitjtreiter der Alamannen genannt, wobei nur 
unbeachtet blieb, taß auch die Alamannen Sueben waren und beißen 
burften®). 

Auch hier alfo wird wie von Ammian ?) beitätigt, daß Waffenbünpnis- 
vertrag, ber zu gegenfeitiger Kriegshilfe verpflichtete, eine wichtige — 
wenn auch durchaus nicht bie einzige — Grundlage diefer Gruppenbilbung 
gewefen ift!). Ohne Zweifel, die Alamannen find jene Sueben, die 
Eugippius und Jordanis zu Ende des V. Jahrhunderts fogar über 
Paffau hinaus öftlich ftreifen laffen und die nach Jordanis c. a. 550 
(e. 55) im Oſten die Baiern (feit c. a. 490—500), im Weften von 


1) N. 20 p. 228 f. ogl. Pinder und Parthey iiber die Entflehungszeit und 
über jene „Bhilofophen” Teuffel S. 1186 und die Lit. daſelbſt. 

2) e. 12. p. 175 wie die historia Francorum zu c. a. 500 p. 2 ff. 

3) c. 136. 

4) e. 53. p. 193. 

5) c. 23. p. 179. 

6) vita St. Remigi p. 294. 

7) Jord. 55 Theodemir... Suevis improvisus a tergo apparet. 

8) 1. e. quibus Suevis tunc juncti Alemanni etiam aderant.. et tam 
Suevorum gentem (b. b. die Juthungen) quam etiam Alamannorum utras- 
que ad invicem foederatas devicit. 

9) Oben ©. 20. 

10) Nur als „Verbündete“, nicht ale Ein Boll, faßt Strackoſch GOGrasmann 
ce. a. 400 Sueben und Alamannen I. ©. 164. 


28 


je bie Franken, im Süben bie Burgunden!) und im Norben von je 
bie Thüringe zu Nachbarn baben?). 

Auch die von Aufonius genannten Sueben find die Alamannen?). 
Biſſula (vom Bodenſee) ift eine Sueba virguncula, und Profop unter- 
ſcheidet zwar beibe, fest fie aber beide füblich den Thüringen. In 
ipäterer Zeit wird geradezu bie Einheit von Alamannen und Schwaben 
(Sueben) ausgeiprochen, ja allmälig jener Names) burch biefen — 
ben viel älteren — wieder erſetzt. Walahfrid Strabo nennt fich 
felbft Alamannen®). Kine wichtige Stelle bei ihm”) bezeugt bie 
Miſchung von (weftlihen) Alamannen und (öftlichen) Schwaben 
(Suevt). 

Wie man) dem gegenüber leugnen kann, daß bier eine Mifchung 
von Alamannen und Sueven (mixti Alamannis Suevi) berichtet wirb, 
aus welcher dann freilich Ein Volt erwuchs, das bald Alamannen, 


1) Wohl zog ber große Theil derfelben a. 443 ab, aber nicht Das ganze Volk. 
Urgeſch. IV. ©. 115. 

2) Diefe mit Unrecht von Müllenhoff beanftanbete Stelle ec. 55 (v. Schubert 
S.17f. Rigler I. S.9. Baumann, Forſch. XVI. ©. 239 vgl. Eramer ©. 197 
[die alpes find bier aber die Allgäuer Berge, nicht die ſchwäbiſche Alp]) Hat 
Mommfen mit Recht unbebenklih in den Xert aufgenommen; richtig auch v. 
Sybel? S. 285, vgl. Meiten I. S.412. Baumann ©. 536 hat feinen Irrthum: 
Sord. c. 55 fet fpätes Einfchiebfel, zurückgenommen, aber feine jegige Annahme 
eines Irrthums des Jordanis iſt ebenfo irrig. 

3) Epigr. IV. Eidyl. 6 und 7 VII. 2,12 (Alamannicus). XXV. 2, 2. 
Suebi VI. 29. e. 4, 7. 5, 3. (ed. Shen). 

4) Bell. Got. I. 12 Zoudßor te brrip Boplyyuv xal Alapavot, loyupa Eüwm. 
Fred. cont. liber hist. Franc. c. 12 läßt Karl a. 725 Alamannen unb Suaven 
befämpfen, dann geht er Über die Donau gegen die Batern. a. 139 fagt er 
c. 23 „Suavia, das jegt Alamannien genannt wird.” Urgeſch. III. 185. 

6) Paul. Diacon. II. 15. Suavia hoc est Alamannorum patria. III. 18 
Suavorum hoc est Alamannorum gens. Geogr. Ravennas [anno? 680) Sua- 
vorum quae et Alamannorum patria. 

6) Poetae Lat. II. p. 297, 414. 

7) Walahfrid Strabo Ser. II, p. 2, nachdem er bie neuerlich aufgelommene 
Schreibung Altimania („Hochland“) flatt Alamannta verworfen: quia mixti 
Alamannis Suevi partem Germaniae ultra Danubium, partem Rhaetiae 
inter Alpes et Histrum partemque Galliae circa Ararim obsederunt, anti- 
quorum vocabulorum veritate servata ab incolis nomen patriae derivemus 
et Alamanniam vel Sueviam nominemus. Nam cum duo sint vocabula, 
unam gentem significantia, priori nomine nos appellant circumpositae 
gentes, quae Latinum habent sermonem, sequenti usus nos nuncupat 
barbarorum. 

8) Baumann ©. 549. 


29 


bald Sueven genannt wird, ift ſchwer faßlich. Werner foll baraus folgen, 
dies Volt Habe fich felbit immer nur Sueben (Schwaben) genannt, 
nur die Römer hätten fie Alamannen genannt: aber ift denn Ala- 
manni ein römifches Wort? Wie fie fich jelbft genannt haben, 
davon fpricht Walahfrid gar nicht, er jagt nur 1) die Romanen nennen 
fie (jegt) Alamannen, 2) die anderen germaniichen Nachbarn (circum- 
positae gentes, alfo nicht fie felbft!) Sueven. Damit fallen alle 
auf jene Auslegung gebauten Schlüffe. Afinius!) foll mit den Worten: 
„Alamannen beveutet gemifchte zufammengefaßte Männer in ihrer 
Sprache”, gefagt haben, Alamannen jei nicht ihr eigentlicher Name 
gewefen: ja, wie follte er denn anders ausbrüden, daß dies ber ger- 
manifche Name für die Vereinten war im Gegenjaß zu ven Namen 
ber einzelnen Völlerſchaften und Gaue, die freilich, wie wir gefehen haben, 
innerhalb tes Gefammtnamens fortpauerten, wie es heute nicht nur 
(Reichs). Deutiche, auch noch Preußen, Baiern, Sachen giebt, Daß 
Berfonennamen mit „Schwab“ häufiger find als folde mit „Ala- 
mann”?2), bie aber (gegen Walahfrid) in durchaus germaniichen, 
nicht in romanifchen Gegenden (Sanct Gallen, Erbing in Baiern) 
auftreten, beweift nichts und erklärt fich daraus, daß Sueben ver 
weitere Begriff war, ter auch 3. D. die Baiern umfaßte. Zahl- 
reihe Perjonennamen gehen auf Alamann zurüd ober heißen felbft 
Alamann?). 

Ebenjo finden fi nach dem Perfonennamen Alamann gebilvete 
Ortsnamen in burchaus germanifchen, nicht romanischen Gegenven ®). 
Mans) lehrt nun ferner, daß auch die Semnonen in ihren Oftfigen 
nicht Semnonen, fondern „Schwaben“ geheißen haben. Aber das 
Monumentum Ancyranum, Strabo, Zacitus, Dio Eaffins d. h. alle 
Quellen, welche fie überhaupt nennen, nennen fie nur Semnonen, 
niemals Schwaben: fie waren und hießen freilich Sueben, aber burchaus 
nicht waren alle Sueben Semnonen, viefe galten nur als deren älteſter 
Theil; übrigens kann man biefe Sage geichichtlich®) nur verwerthen, 
wenn man auch an den Gott glaubt, von dem fie ohne Zweifel ab- 


1) ©. 550. Richtig bierliber Uhland VIII ©. 16. 

2) Baumann ©. 551. 

3) Förftemann, Namenbud. 1. Liefer. ber neuen Auflage von 1900. 
Sp. ©. 53. 

4) Oeſterley S. 9, 121. vgl. 617. 

5) Baumann S. 552. 

6) Wie Baumann S. 552. 


30 


ftammten!). Die Einheit des Rechts der Alamannen und ter Schwaben 
(im VII. Jahrhundert)?) beweift nur, daß bie verfchienenen Völler⸗ 
ſchaften ſeit c. a. 400 — alfo in vier Iahrhunderten — zu einer 
Stammeseinheit zufammengejchmolzen find, was fein Menſch leugnet?); 
und befto leichter mochte Die Nechtseinheit entftehen, da ja alle ber 
Vereinten von Anfang an Suebijches Necht gehabt hatten. 

Schon Fredigars Fortfeger‘) fagt: Suavia, was jest Alamannia 
genannt wird. Sehr lehrreich aber berichtet Walahfrid Strabo im 
Leben Sanct Gallsd): „weil nun bie Alamannen, mit den Sueben ge- 
mischt, einen Theil Germaniens jenfeit ver Donau, einen Theil Rhätiens 
zwifchen den Alpen und der Donau und einen Theil Galliens an ber 
Aar bejegt halten, wollen wir die Wahrheit (veritatem, Nichtigfeit) 
ver alten Wörter wahren, von ben Bewohnern ven Namen bes Landes 
(ver Heimath, patriae) ableiten und e8 Alamannien oder (vel) Suevien 
nennen. Denn ta bie beiden Wörter das Eine Volk bezeichnen, nennen 
uns mit dem erjten diejenigen Nachbarvölker, die lateiniſch prechen, 
mit dem zweiten nennt uns ber Sprachgebrauch (usus) ver Barbaren, 
db. 5. der germanifch Sprechenden“ ©). 


1) Baumann a. a. D. fagt: „hätten die Semnonen jelbft je dieſen Namen 
von ſich gebraucht, jo wäre berjelbe auch nach ihrem Auszug... nicht verfchollen”: 
— eine fehr zuverfichtliche Behauptung! 

2) Baumann ©. 552. 

3) Die S. 553—555 gefammelten Beläge für die Gleichheit von lex, jus 
Alamannorum unb Suevorum find baher völlig überflüffig. 

4) (a. 741) ed. Kruſch. (S. oben ©. 25.) 

5) Mabillon II. p. 227. (Thulis Ausgabe in den St. Galler Mittheit. 
XXIV. a. 1890 blieb mir unzugänglid). 

6) Weber den Sprachgebraud der Nachbarvölfer (Italiener, Burgunben, Frau⸗ 
zofen, Spanier, Engländer, Tänen und Polen) Alamanni = Deutfce f. bie vielen 
Beläge bei Waitz-Zeumer V. ©. 138, ſchon a. 823? fchmerlich! aber lange vor 
a. 1100 wie Stälin (®.) II. ©. 639. Noch a. 1045 imperator Alamannorum 
et Romanorum Burgundionumque atque Provincialium Wait-Seeliger VI. 
S. 143, (bei Waitz Seeliger muß überall VI, flatt, wie manchmal aus Berjehen 
geſetzt, V. fliehen). Weber das fpätere Verhältniß der Namen Alamannen und 
Sueben — auch für das Land — richtig Waitz-Zeumer V. S. 178f. identiſch, 
Alamannia = Suebia v. St. Chrodig. Ser. X. p. 556: früher häufiger Mlamaunen, 
umgelehrt feit ber ſtaufiſchen Herzogichaft, wielleicht weil Ausländer von ba ab 
Alamannen für Deutiche brauchten (vgl. Baumann, Allerheiligen S. 162, 164) 
Alamannia = Germania fpäter, nur häufiger, im M. G. hist. Ser. IV. p. 24, 
35, 655. 807, aber nicht auf ben Elfaß ansgebehnt, weßhalb ſich die Staufer 
befonders auch — ober auch wohl nur — Herzoge bes Elſaſſes heißen: dux Ele- 
sathensis. Rhaetien ift jegt bald — Alamannien, bald das Land nörblich ber 


31 


Walahfried, felbft Alamanne, (geft. a. 849) läßt aljo in Ala- 
mannien bie Suebi wohnen!). Ebenfo fagt Heito (geft. a. 823) in 
ber visio Wettini: im Lande der Alamannen oder Sueben?). 


c) Snsbefondere bie Juthungen. 


Ohne Zweifel ein Theil der Alamannen find die Juthungen?) 
an ber oberen Donau, Nachbarn — oft feindlide — ber Römer in 
Bindelicien und Rhätien). Noch a. 430 werben fie dort von Astins 
befämpft und zum letzten Mal genannt). Wenn feither nicht mehr 
fie, fondern in ihren Siten „Sueben” genannt werben®), fo beweift 
dies weder Vernichtung noch Auswanderung, vielmehr waren fie von 


Donan, bald das romanifche Churrhätien. Beläge für all dies bei Waitz⸗Zeumer 
a. a. O. 

1) Vita St. Galli ed. Dümmler, Poet. Lat. II. 1884. p. 429. Alamanni 
qui et Suebi Hartmann, Scr. IV. p. 452 (c. a. 980) Wattenbachs I. ©. 396, 
v. St. Wiboradae, geft. a. 926; wie fchon Greg. Tur. Suebi id est Alamanni 
II. 2 frühes Lob der Schwaben = Sueben, Uhland VIII. ©. 82. 

2) Poetae Lat. II. p. 267. 

3) Ammian. Marc. XVII. 6. Juthungi, Alamannorum pars, Italicis con- 
terminans tractibus. 

4) Stälin (V.) I. ©. 122 zweifelt. 

5) Apoll. Sidon. Carm. VII 233. Hydac. ad. a. 430. 

6) Zuerft als Zoudßor von Prokop b. G. 1.12. Zeuß ©. 316 hält, wie 
bie Teutonoarii, auch die Reudigni für diefe Sueben. Nach Arnold, Anfiebe- 
Iungen ©. 155 entftehen „die Alamannen aus Berbindung ber Ufipier, Tenchterer, 
Zubanten und einiger Tleineren rheinifchen Bölkchen, zu benen zu Enbe bes 
II. Jahrhunderts noch ein urjprünglich niederbeutfher Stamm, bie Juthungen 
ober Schwaben Im engeren Sinn, [ähnlich Studien,] S. 92, kamen (biesfeit bes 
Schwarzwalbs)” (vgl. Zeuß S. 312), ähulich Arnold, Urgefhichte I. S. 134 (Sieg 
des Claudius a. 269. ©. 136; über das „Verhältniß ber Iuthungen (= Schwaben), 
zu ben übrigen Alamannen S.138; über Ausbreitung der Alamannen im III. Iahr- 
bunbert Fickler S. 15. Haud I. ©. 88. Mone, Anzeiger 1835, ©. 392. (Viel 
Irriges!) Hauptftelle Über Die Juthungen Dexippus de bellis Seythicis ed. 
Dindorf, Corp. Ser. Byzantin. I. 1829. I. 1. p.12. a. 270 Juthungos (Skythas) 
beim Donanübergang: die Römer hatten ihnen bis dahin Jahrgelder gezahlt: fie 
rähmen ihre 40,000 Reiter 05 pıydönv oödE daderüv, dAAn "loufouyyay xadapäg, 
berühmt für Neiterfchlacht, Orakel für Sultan bei Eunapius p. 108 

vwrentos 5’ ködpacoe nölcıs Te xal Edven roÄid, 

GMM xal Eoreplov Avdpmv Alapavvınbv oüdas 

boyulvars ruxvaisıy Ev dAdrafev dpoupas; 
Suthungen und Sueben erffärt für Eins Holländer ©. 267 (aber nicht alle Suchen 
find Juthungen); vgl. auch Müllenhoff, Haupts 3. VII. ©. 384. 


32 


jeher, wie alle Alamannen, Sueben gewejen und jegt geht nur ihr 
Name in dem umfaffenderen ver Sueben auf). 

In der Völkertafel aus dem Anfang des IV. Jahrhunderts ftehen?) 
nebeneinander Burgunziones, Alamanni, Suevi, Franci, Gallovari, 
Jotungi, Armilausini, dann (inter lineas) Burgundiones, Alamanni, 
Suebi, Juthungi, Armilausini. Ganz orbnungslos fchiebt ein Pane- 
gyrikus) zwifchen Alamannen und Juthungen „Sarmaten“. ‚Man 
nimmt für fle — als Brüder ber Iüten‘) — nieberbeutjche Ablunft an, 
d. h. Südwanderungen aus dem Norbend): allein jevesfalles haben fie 
dann „ihre Mundart fehr früh in den oberbeutichen Charakter um- 
geformt“. Es ift ja Zuwanderung aus dem Norden bei ber allge- 
meinen Bewegung ber dort Siebelnten feit c. a. 150 n. Ehr. nicht 
ausgefchloffen: — nur darf man nicht beftimmte Nordvöller hiefür 
bezeichnen ®). 


1) Zuthungen dienten in Syrien und Aegypten, Stälin (B.) L ©. 112. 

2) Müllenhoff, Germ. antiqua p. 157. 

3) Incerti auct. paneg. Constantio dietus c. 10. p. 139. 

4) Zeuß ©. 316. 

5) Much, Beiträge XVII. ©. 85, 94 erflärt die Juthungen für Eins mit 
ten Semnonen und mit den Marwingen und ibren Namen aus eodh, proles 
und sung, einer Berftärfung: proles perfecta. Gegen all dies Baumann ©. 532, 
der auch ©. 533 treffend anführt, bag ing, ung micht immer die Abflammung, 
zuweilen auch bie Ortszugehörigteit, die ‚Vewohnerſchaft“ ausbrüdt: Greuthungen, 
Tervingen, Norbalbinger: aber feine Erflärung: Ablömmlinge eines ſemnoniſchen 
„vergeſſenen“ Heros Eudo, zugleich eines ſemnoniſchen Gaues, fteht Doch völlig in 
ber Luft. Richtig leitet er dann wieber nur einen Theil der „Schwaben“ (im 
engern Sinn, im Norden, im Unterjhieb von ben [meftlicheren] Alamannen) von 
den Juthungen ab unb läßt er auch deren (andre fhwäbifche‘ Nachbarn im Lande 
verbleiben; feine frübere (Forſch. 3. D. Geſchichte XVI. ©. 234) Annahme, Die 
Juthungen feien die c. 410 nah Salins fünlih von Burgund ausgewanderten 
Scotingi bat er ©. 534 aufgegeben, vgl. 3. Grimm, Geld. d. D. Spr. ©. 350; 
über ihre Site Zeuß S. 313, fpäter, aber fhon unter Probus (c. a. 280) bis in 
bie Rednitz Ebene, wohl ſchon unter Aurelian c. a. 270, vermuthlich feit Gallienns 
c. a. 250; über die Juthungi ber Beutingerfchen Tafel Philippi, bie c. P. 1876 
(Bonner Doctorfchrift), Meiteen I. ©. 399. Die Einheit von Sueben und Iuthungen 
— richtiger bie Zugehörigkeit diefer zu jener umfaflenderen Bezeichnung — auch 
bei Müllenhoff, Alterthumskunde II. &. 220 f., 316. Der Dentung des Namens 
Juthungi (wie Tenchteri, Usipii) bei Zaiftner ©. 35 vermag ich nicht zu folgen; 
richtig berfelbe S. 41 Über »Alamannie«; richtig zählt Buſch I. S. 4 die Juthungen 
(gegen v. Schubert S. 10) zu ben Sueben; vgl. Birlinger, Alemannia J.; ibm 
folgt Hermann ©. 88. 

6) So richtig Müllenhoff DIL. S. 221,316; über biefelben bei Aethieus S.227. 
Ueber Toutones, Teutones (Teutono-vari) und Juthungen Zeuß ©. 149. 





33 


Gewiß find Lie Tutuncii an ber obern Donau bei Yulins 
Honorius [neben ven Burgunden] die Juthungen. Irrig ift die An⸗ 
nahmet;, taß tie Juthungen tie nach Süden gemwanderten Sem- 
nonen finb?); fie waren urfprünglich aber allerbings ein „eigenes 
Bolt“ 3) — wie jene anderen — und haben auch burch Eintritt in vie 
Alamannengruppe nicht aufgehört, ein folches zu fein, wie Sugam- 
bern, Bataver, KRaninefaten auch als Franken nicht aufhörten, Sur 
gambern u. ſ. w. zu bleiben, wie bie Baiern, Schwaben, Sachen 
turch Eintritt in das Reich nicht aufgehört haben, Baiern u. f. w. 
zu beißen: aber tie Norit) find gewiß nicht tie Varafti [Narifti]s), 
fondern die nur des Metrums willen gefürzten Norici, ber Juthungen 


alte Nachbarn, daher mit ihnen zugleich befämpft von Aetius und 
Avitus a. 430, 4319). 


- Die Suthungen waren eine menfchenreihe Völkerſchaft von meh- 


Meitzen I. S. 392, 403, 621. 622. Müllenhoff, D. A. II. ©. 115 (nit = Tu- 
rones), nicht = Teutones im Sinne von Germani; vgl. Hübner a. a. O. ©. 392; 
über den Gränzftein (bei Miltenberg); über »Toutones« Hübner, Beiträge, Jahr⸗ 


bücher 1885; Koffinna, Anzeiger zur Zeitfchrift für Deutfches Altertbum XVI. 
1890. ©. 38. 


1) Bon Müllenhoff, Holländer und Much, Haupts 3. VII. S. 384. 3. f. 
Geſch. d. Oberrheins XXVI. ©. 206. Beiträge XVII. ©. 87. XX. ©. 282. 

2) Richtig und Überzengend gegen Müllenhoff hierin Baumann ©. 526; 
and ©. 528: „ein Theil der Alamannen befteht aus ben Juthungen“ (aber biefe 
waren nicht ein „Stamm”); Über bie Verhältniffe ber Völkerſchaften innerhalb 
je Einer Gruppe v. Wietersheim⸗Dahn I. S. 160. Könige VII. 1. S. 9—19. 
D. ©. Ia ©.183, 447. v. Schubert S. 12 beftreitet mit Unrecht bie Zugehörig⸗ 
feit der Juthungen zu ben Alamannen (im weiteren Sinn = Sueben.. 

3) Anders Baumann ©. 328. 

4) ®ei Apoll. Sidon VII. v. 233 seq. 

5) Zenß ©. 117, 584, 585. 

6) Segen Stälins (S.) S. 63 Gleichung Scodingi (um Salins, ſüdlich von 
Befancon) = Juthungi (ihn folgt Baumann a. a. D.); auch Cramer ©. 203 
285; über biefe Scotingi auch Gift, Anzeiger für- Schweizer Geichichte 1884. 
&.258; über les Allemands bet Pontarlier v. Schubert a. a. O. (letiſche An- 
fiebelungen?) ; ſ. über ihre Kämpfe mit den Römern Urgeſch. II. ©. 223 f. 
Nichtig gegen Bernhard Sepps Annahme, bie Juthungen feien die fpäteren Baju⸗ 
waren, Oberbater. Archiv 41, ©. 180. Baumann ©. 535, der aber ohne Grund 
(mit Quitzmann, älteſte Gefch. d. Baiern ©. 93) die Zoudßor des Prokop b. 
Got. I. 12 für die Ahnen der Baiern bält: das warın bie Marlomannen und 
Quaden (f. oben ©. 24;, von denen Prokop nichts wußte Gegen Wilfers (Ale 
mannia XXIIL 61) Berwechfelung ber Juthungen mit ven Lentienfern richtig Bau⸗ 
mann ©. 531. 

Dahn, Könige der Germanen, IX. 1. 3 


34 


teren Gauen, während z. B. die Bulinobanten!) nur Ein Gau waren: 
jene ftellen (freilich übertrieben) 120,000 Mann?). Sie gaben ihren 
Sondernamen innerhalb ver Gruppe noch lange Zeit nicht auf?): es 
ift fowohl ihre frühere Selbftftändigleit anzunehmen‘) wie ber fpätere 
Anſchlußs), ohne daß fie aber bei dieſem jeden Unterſchied aufgaben. 
Es gab ſchon vor Entftehung ver Alamannengruppe Juthungen wie 
antere Sueben und nach jener Entftehung wurben fie ein „heil ber 
Alamannen“, (pare Alamannorum)?), ohne aufzuhören, Suthungen 
zu fein und noch lange zu beißen. Der Alamannen Gebiet reicht im 
Norden jenfeit ber Donau bis an bie untere Werniß?). 


Anhang zur „Derkunft“.®) 


Die Alamannen gliebern fich felbfiverftänblich auch nachbem Berband und 
Name ber Gruppe aufgelommen, in bie Böllerfchaften, welde bie Haupt- 
gruppe und bie Mittelgruppen bilden. 

As Mittelgruppen (entfprehend den Saltern, Uferfranten, Chamaven 
innerhalb der Hauptgruppe bie Franken), find zu nennen erftens bie Iuthungen 
im Norben, zweitens die Sueben im engeren Sinne im Often, brittens bie Ala⸗ 
mannen im engeren Sinne im Weſten. Die Mittelgruppen beftehen aus Völker⸗ 
fhaften und Gauen mit befonbern, beibehaltenen Namen: fo bie Bulinobanten®. 
In der Regel bat fih bie Völkerfchaft in eine Mehrzahl von Gauen mit befonberen 
Namen gegliedert. Doch muß man fich bier vor willfürlicher Durchführung von 


1) bant = Gau, Könige VII. 1. ©. 80, unten Anmert. 9. 

2) Nach Derippus; anders Baumann ©. 529, aber richtig berfelbe ein 
„Unterftamm”, alfo Doch wohl mehrere Gaue. 

3) So richtig Baumann a. a. O. 

4) Much, Beiträge XVII. ©. 85. 

5) Baumann a. a. O. 

6) Ammian. XVII, 6. Holländer, 3. f. d. Geſch. d. Oberrheins ©. 286 meint, 
ber Grund des Eintritts ber Juthungen in ben Bund ber Alamannen ſei bie 
Berweigerung ber früher bezahlten römifchen Jahrgelder geweſen — ohne Beweis. 
Bol. Weller II. ©. 309. 

7) Ad flumen Werniza ... ubi duae provinciae dividuntur, Suevia 
quidem et Franconia, fo eine Urkunde freilich erſt Heinrichs III. von 1053, bie 
aber gewiß bie uralte Gränze verzeichnet, bei Stälin (V.) I. S. 222, f. daſelbſt ben 
weiteren Berlauf ber Gränze mit den Franken [Melzheimer Wald, Sprengel von 
Wirzburg unb Speler, Dos unb Sur]: fie hat offenbar geichwantt. 

8) Einzelne oben nur angebeutete Gedanken follen bier im Zufammenbang 
bargeftellt werben. 

9) Ammian XXIX, 4. Urgeſch. III. ©. 65. Ueber — »bant« — Brak- 
fbant, Teister-bant: (benson in Destar-benzon, Perk, Leg. I. p. 402) == gan 
. 3. Grimm, Gef. d. D. Spr. Zeuß S.9,310. D. ©. Ib. ©. 425. 


35 


allgemeinen Süßen hüten: eine Heine Völterfchaft mag manchmal nur Eine größere 
Lanbichaft gefüllt haben, welde daun doch ebenfalls wie fonft kleinere Gebiete 
„San“ genannt wurbe: ber Sprachgebraudy ſchwankt flark!): wie wiel Meiner iſt ber 
ſächfiſche „go“ als ber fränfifche, einer Grafichaft gleiche Sau. Es gab eben große 
Bölkerfchaften mit vielen Heinen Gauen und baneben kleinere mit Einem, dann 
größer bemefienen Gau. 

Daber mag e8 oft zweifelhaft bleiben, ob ein Name ein WVöllerfchafts- ober 
ein Gau⸗Name fei: im fpäterer Zeit, zumal fett Auflöfung bes Karolingiſchen 
Reiches, ericheint ein Name, ber vielleicht urfpränglich eine Völkerſchaft bezeichnet 
hatte, beſchränkt auf einen freilich dann fehr großen Gau, ber erheblich umfaſſender 
war, als wohl meift die alten Gaue geweien: war doch im Laufe ber Jahrhunderte 
bie Erinnerung baran gefhwunben, daß innerhalb bes Alamannen-Ramens felbft- 
ſtändige Böllerfchaften neben einander beftanben hatten. Schlagend beweifen, 
dies die Linzgauer, bie Alamani-Lentienses, weldhen Ammian?) im Sabre 354 
noch eine Mehrzahl von Gauen beilegt [dringen fie doch (a. 377) bis Argen- 
taria (Horburg bei Colmar)3)], während fpäter ihr Name, urfprünglich ber einer 
Bölterihaft, nur an Einem Gaue haftet. Dagegen den Bulinobanten gegenüber 
Maiuz5), welche Ammian ebenfalls ausdrücklich eine Völkerſchaft (»gens«) nennt, 
giebt er nur (ſchon damals a. 371) Einen pagus. 


HI. Aeußere Geſchichte bis zum Ende der Herzogszeit. 
1. Römer und Alamannen vor Julian (a. 213—356). 


A. Allgemeines. 
Das Weſen der alamannifhen Bewegungen. 

Ueber die Urfachen ver „Völferwanderung” genannten Bewegungen 
ift anberwärts gehandelt. Deutlicher als in den meiften andern Fällen 
ericheint aber hier deren wahre Eigenart: nicht weitausgreifende Wande⸗ 
rungen nach fernen Zielen, — Ausbreitungen find ed, in einem Hin⸗ 
und Her-Schieben ober ⸗Geſchobenwerden durch die Nachbarn®) und 


1) S. unten. 

2) XV. 4. Urgefch. II. ©. 269. Lentiensibus Alamannicis pagis 
indictum est bellum. 

3) Ammian. XXXI, 10. 

4) Ammian. XXXI, 2. Lentienses, Alamannieus populus = gens wie 
XXX. 4. die Bulinobanten. 

5) Ammian. XXIX, 4. Urgeſch. III. a. a. ©. Bucinobantibus, quae 
contra Mogontiaecum gens est Alamanna, regem Fraomarium ordinavit, 
quem paullo postea, quoniam recens exoursus eumdem penitus vastaverat 
pagum, in Britannos translatum etc. 

6) So vor Allem durch die Burgunben, ſ. oben S. 16f., bie in bie alten 
norböftlicden Alamannenſitze fündftlich des Mains einbrangen. Ueber Ausbreitung 

3* 


36 


fie kreiſeln ftets in verhältnißmäßig nah gelegenen Gebieten. Sehr 
Iehrreich über tie Art der „Wanderungen“ fpricht Plutarch!) ſchon 
von ben Kimbern: „fie find ausgewandert, aber nicht auf Einen Stoß 
oder in ununterbrochenem Zuge, fondern Jahr für Jahr find fie in 
der günftigen Jahreszeit weitergerüdt und Haben fo in Tanger Zeit 
bie Lande durchzogen”. Die Iahres-Raften waren durch Säen und 
Aerndten bebingt: fo auch bei Langobarden, Vandalen —: ähnlich, 
doch auch verjchieven das über 200 Jahre fortgefehte Vordrängen 
ter Alamannen von feft gehaltenen Siten aus. 

Die überfchüffige Bevölkerung?) konnte nur durch Ausbreitung, 
nicht durch — wieber heimkehrende — „Raubfahrten”?) untergebracht 
werden. Mant) erklärt irrig die „Wanderluft“ der Germanen im 
Dften aus einem Vorſtoß der Slaven, von dem — damals — nicht 
das Geringfte verlautet: und „Furcht“ follte „Wanberluft“ fein? >) 
Auch will man‘) wohl bie fchnelle Wieberergänzung bes Volles auf 
Zuzug von „Stammesverwandten” zurüdführen: aber waren biefe 
fhon Alamannen, fo konnte ihr „Zuzug“ die Gefammtzahl ter Ala- 
mannen boch nicht „ergänzen“. Die große Volkszahl der Alamannen 
wird fchon vor ber Zeit Ammians und Julians wieberholt hernorgehoben. 
Auch abgefehen von ven Höchft zweifeligen Berichten über ven fabelhaften 
König Krofus?): bei Mailand fchlägt Gallienus a. 211 300,000 Ala- 
mannen®), bei Langres töbtet Eonftantius Chlorus a. 298 60,000 9, 
richtiger wohl 6,000 1%), bei Argentaria kämpfen (a. 378) 35,000 11). 


ber Site zwifchen Rhein und Donau D. G. L ©. 517, 522—525, 545; Auß 
breitung nach Süpweften S. 603, 606—613. II. S. 9—18, 23—40, 5063; im 
Süboften II. S. 80. Urgeſch. IV. ©. 90. Die Landnoth ©. 10f. Baumann 
S. 286. Richtig auch Heyne II. ©. 1. 

1) Marius ec. II. 

2) So aud Jung, Lanbichaften ©. 441. 

3) Jung a. a. O. 

4) Baumann ©. 511. 

5) Die Ausführung bier Über bie Hermunduren und ihre wechſelnden Site iſt 
nicht befriedigend: nie faßen biefe in Böhmen, vielmehr 1) Boier, 2) Marlomannen, 
3} Slaven, zweimal follen fle (wie die Chatten) Die Maingegenben bewohnt haben [?]. 

6) Stälin (S). ©. 68. 

7) ©. unten. 

8) Zonaras XII. 24, aber Urgeſch. II. ©. 207. 

9) Eumen. paneg. c. 6. Eutrop. IX. 23, 15. Zonaras XIL 31. 

10) So Eufebius und Theopb.: 6000. 
11) Paulus. Eutrop. contin. XI, 13. Ueber bie Ueberwöllerung und bie 
Fruchtbarkeit und nach fchwerften VBerluften immer raſch wieder ergänzte, ja ver- 


37 


Allein die Zahlen der Römer find freilich oft übertrieben !), andrer⸗ 
ſeits glaubt Aurelian nicht an bie 40,000 Reiter und 80,000 Fuß: 
kämpfer der Juthungen. Glaubhaft ift, taß bie fieben Könige bei 
Straßburg 35,000 beifammen hatten, baß aber von viefen 6,000 auf 
dem Schlachtfeld, 6000 im Rhein ftarben (wie waren leßtere a. 357 zu 
zäblen?) wohl übertrieben, bie geringen Verlufte ver Römer (247 Todte) 
erklären fich aus ihren trefflicden Schutzwaffen?). An georbnete Land⸗ 
theilung ter durchaus erobernd, nicht vertragend, einbringenden Ala- 
mannen mit ben worgefunbenen Römern ift nicht zu denken)). 

Dei Abwägung der Vortheile und Nachtheile der römifchen Unter- 
johung für bie nörblichen Provinzen‘) fcheinen doch die Mortheile, 
bie wir burchaus nicht leugnen®), überſchätzt. Wenn alles fo herrlich 
war im V. Jahrhundert in Gallien, Spanien, Belgica, warum find 
denn die römifchen Bauern maflenhaft vor den römischen Wohlthaten 
zu ben Germanen geflüchtet? Warum konnte das Weltreich halb 
nadte, fchlecht bewaffnete Barbarenhorben nicht mehr abwehren? 

Der Geographus Ravennas nennt) Afchaffenburg (Ascapha) 
und Wirzburg (Üburzis) alamannifche Städte. Er fchrieb aber nicht?) 
um bie Mitte des V., fondern zu Ende bes VII. Jahrhunderts s). 


mehrte Benölferung Ammian. Marc. XXVIII, 5 immanis natio, jam inde ab in- 
eunabulis primis varietate casuum imminuta, ita saepius adolescit, ut fuisse 
longis saeculis aestimetur intacta; anberwärt® nennt er fie >natio reparabilis«. 

1) So foll Brobus nach Bopiscus a. 280 in Gallien 400,000 erfchlagen haben. 

2) Urgeſch. II. ©. 295. Baufleine VI. ©. 62. 

3) Vgl. Zeuß ©. 317. Gaupp ©. 555. Meber bie Ausbreitung ber Ala- 
mannen aus ihren Stammlanden hinaus ogl. bie verbienftlichen Arbeiten von 
Arnold, Anftebelungen 1875, beren Berallgemeinerungen z. B. bezüglich ber Orts⸗ 
namen auf „ingen” aber zu werwerfen find. Stälin (S) ©. 62; über den Elfaß 
Wohlwill und Witte; Über alamanniſche Sievelungen in Oberbatern und Tirol 
vgl. Rigzler I. ©. 621. 

4) Durch Mommfen, Meiten I. S. 222. und Anbere. 

5) Urgefh. II. ©. 421f., unten »limes«. " 

6) IV. 27. 

7) Wie Cramer S. 152 wähnt. 

8) Mommſen hat das ſchon vor einem halben Jahrhundert dargethan: Sitber. 
d. ſächſ. Geſellſch. d. Wiſſenſch. phil. hiſtor. Elaffe III. 1850. S. 50—117. Mit 
Zug verlangt v. Schubert ©. 14 ftärkere Berückſichtigung bes Geographiſchen, bes 
Laufes der Flüſſe, des Zuges der Gebirge bei Erfärung ber bamaligen Wande⸗ 
rungen umb Anfiebelungen. Xreffend über bie Zeit des Einbringens ber Ala- 
mannen in Rhätten Stälin (S.) ©. 38. Meyer von Knonau, die alamannifchen 
Dentmäler in ber Schweiz II. (Mittbeil. d. antiquar. Geſellſch. in Züri 1876. 
Bd. 40. ©. 64 befämpit mit Recht Jahns, Burgundionen I. S. 275 Annahme, 


38 


Die in Rhätien, Tirol, Lech- und Imnthal nievergelaffenen !) 
nennen ſich Rhaeto-vari, ganz wie Bajuvari, Amsivari, Angrivari, 
Chattuvari echt germanifch gebildet. 

Man nimmt jest vielfach Einwanderung der (arifchen) Staler in 
Italien nicht aus Griechenland zur See, fondern von Often durch das 
Savethal und über den Karft nad) Italien an?). Aber vie „italifche“ 
Bevölkerung in Rhätien tft nicht auf folche uralte Wanderung und 
Nieverlaffung zurüdzuführen. Zur Zeit ber nmotitia dignitatum 
(a. 404) find Bregenz, Immenftabt und Kempten noch römifch, aber 
nicht mehr Augsburg und ber Linzgau?). Noricum war gleich nach 
ber Unterwerfung ſtark verrömert worbent) und Sabburg, Paſſau 
und Regensburg waren noch römiſch bis Ende des V. Iahrhunderts, 
die Bajuvaren kamen erft c. a. 495—500. 

In den Hochalpen nennt die Alamannen zuerſt SIorbanes®); 
zur Zeit Severins wirb gleichzeitig mit einem „Alamannen“ König 
Gibuld ein Suevenkönig Hunimund und Sueven-König Alarich®) (Tonft 
nicht bei den Alamannen begegnend) genannt: damals mögen drei und 
mehr neben einander verſchiedene Gaue beberricht haben. Die Namen 
Alamannia, Francia fine wie ehemals Cheruskis zuerft von ven 
Römern”), erft fpäter auch von ben Germanen felbft?) gebraucht 
worden ?). 


daß bie Alamannen fich erfi a. 472 links vom Rhein verbreitet hätten. Aber auch 
v. Schubert S. 201 f. gegen Baumann a. a. O., baß Helvetien wie Rhätien erft 
c. a. 500 in Maffe von ben Alamaunen befiebelt wurde: f. dafür auch Mommſen, 
bie Schweiz in römiſcher Zeit ©. 16. 

1) Bgl. Rohmeber, das Deutfche Vollsthum und bie Deutſche Schule iu 
Südtirol 1898. ©. 23. 

2) Meitzen I. ©. 235. 

3) Meiten I. ©. 402. 

4) Urgeſch. II. S. 35f. Meiten I S. 328. 

5) c. 55 Buevis tunc juncti Alamanni. 

6) Sunimund bringt (a. 475) heerend durch das oftgotiihe Donauland 
(Bannonien) bis nach Dalmatien Jordan. c. 53. Gleichzeitig mit ihm Eugipp. 
ce. 23. Jord. Getica c. 53. ift ber von Eugipp 1. c. co. 20 genannte Gibuld (Gi- 
baudus Vita St. Lupi A. S. Bolland. Juli VIL p. 70. der Sanct Lupus geſt. 
a. 479. Lupi p. 81) und Sanct Severin (gefl. a. 482) hochverehrt haben foll. 

7) 3.8. Eumen. panegyr. Constantio dictus c. 2. 

8) Könige VII. 1. ©. 70. 

9) Vieber die allmälige Borbewegung und Ausbreitung ber Alamannen von 
der Donau an und über ven Rhein Stälin (V.) I. S. 83—137. 


} 


39 


Die Weftgränze in den Vogefen bildet die Sprachgränze mit den 
romantisch Sprechenden fowie bie Aar, und auch im Süpen (Tirol, 
Schweiz) fällt die Stammes- mit ver Spradd-Gränze zufammen 1). 


B. Die Römerkriege bid auf Julian (a. 213—356.. 


Die Kriege Roms mit den Alamannen find anderwärts?) ein- 
gehend dargeſtellt worben: hier genügt ein kurzer Rückblick. 

Aus ber feltiamen Erzählung bei Dio Cassius?) erhellt jedesfalls, 
dag Saracalla zahlreiche Befeftigungen (Ppoupıa) gegen die Alamannen 
angelegt bat (a. 213). Er nahm ven Namen Alamannicus an); ebenfo 
fpäter Theodofius5). Erhebliche, wenn auch nicht tauernde, Erfolge 
erfocht gegen fie (a. 236) Marmin (a. 235—238)®). 

Unter Gallienns (a. 255—268) wird „Rhätia verloren”) [unter 
Conſtantius wieder gewonnen]®), damals auch PBindelicien] und das 


— — — —— 


1) Genaueres Stälin (8.) I. S. 222 f.; aber aus Annal. Mettens a. 746 
folgt nicht, daß Cannſtatt bie den Franfen nächſte Dingftätte der Alamannen 
war: vgl. Urgeſch. III. ©. 848; wir wiflen nicht, weßhalb Karmann gerave bier 
fein Biutiges Ding abbielt; Über den Jura als Gränze mit den Burgunden 
Gregor Tur. Vita St. Romani ed. Krusch: Ser. rer. Merov. I. 1885. p. 664 
Jurensis deserti (unbebaut) secretaquae inter Burgundiam Alamanniamque 
inter Aventiae (Avanche) adjacent civitati. Ueber die „Norbichwaben” im 
Sachſen D. ©. Ib. ©. 138, 162. Urgeſch. III. ©. 530 und oben ©. 23. Gund⸗ 
lad, Karl der Große im Sachfenfpiegel ©. 7. 

2) v. Wietershein "Dahn I. ©. 160f. D. G. J. S. 160 f., 184. Urgeſch. II. 
&. 191 f. Leber die Kriege von Druſus und XTiberins mit ben Alpenvöllern 
Bergmann ©. 50; Jung, römifche Landfchaften ©. 315; Kallde, das rhätiſch⸗ober⸗ 
germanifche Kriegstheater ber Römer, württembergifche Gefchichtsquellen II. 1888. 
©. 81—126. Ueber bie Kämpfe ber Alamannen von a. 213 bis c. a. 390 f. auch 
Wirth I. S. 132—139. Gutſche und Schulte I. S. 158—172. 

3) 77,13. p. 292. 

4) Aelii Spartiani Carao. o. 10. p. 175. Seinen Wahnfinn durch Zauber 
fieber einer Aamannin erflärt für alamanniiche Sage?) Huſchberg ©. 80 f. 

5) Pacati panegyr. c. 5. p. 275. 

6) Mommfen V. S. 150. Holländer ©. 283. 

7) „Gallienus ift ber letzte Kaiſer, deſſen Name auf rechtsrheinifchen Dent- 
mälern gefunden wird” Mommſen V. S. 150. Die lebte nördlich der Donau 


gefundene Inſchrift trägt feinen Namen: er farb a. 268: unter ihm ging das 
Land nörblih der Donau bem Reich endgültig verloren. 


8) Panegyr. Constantio Caesari dictus c. 10. 


40 


fpäter alamannifch geworbene Stüd von Weittirol!). Unter Gallienus 
verwüften bie Alamannen Gallien und brechen in Italien ein). 

Sehr zweifelig find die Angaben über einen Alamannentönig 
Crocus zur Zeit von PValerian und Gallienus 85). Die „Quellen“, 
über ihn, zum Theil in der herkömmlichen Legenvenfprache, find ganz 
unglaubhaft: jo wenn Grocus auf Rath feiner böfen Mutter das 
ganze von ihm allein beherrichte Alamannenvolf zu jener Verheerung 
Galliens aufbietet*), wenn die Alamannen mehr durch ihre Zahl als 
burch Tapferkeit ausrichten. König Erocus gehört weder der Geſchichte 
noch der Sage, nur ber Kirchenfabel an>). 

In neuerer Zeit Hat man) für den”) bejtrittenen Sieg bes 
Claudius über die Aamannen am Gartafee wieder gute Gründe an⸗ 


geführt. 


1) Ueber bie fpäteren Raubzige ber Alamannen vom Oberinn aus nad 
Paſſau, Dalmatien, Bannonien oben S. 27, anbrerfeits nad Italien und bis tief 
nah Gallien Stradoih-Grasmann I. S. 183 f. 

2) Eutrop. ed. Rühl VIII. 2. p. 164; über bie Kämpfe a. 256—260. 
Huſchberg S. 2°%5. 

3) ®gl. Greg. Tur. I. 30. Acta St. Privati. Bolland. August. IV. 
p. 435—439. St. Desiderii l.c. Mai V. p. 254 unb bei Bouquet I. p. 641. 
Warnahar macht ihn im VII. Jahrhundert zu einem Vandalenkönig: ebenfo 
Srebigar (Bouquet II. p. 464) [und Aimoin (III. 1)], die ihn aber zu c. a. 420 
nennen. 

4) collecttam Al. gentem .. per consilium matris iniquae. 

5) Treffenb Monod, études p. 96: »au fond, Chrocus, tel que nous le 
connaissons, n’a aucune réalité historique ... tandisque l’histoire ne nous 
fait connaitre qu’un seul Ohrocus, un roi des Alamans, qui ... aida Con- 
stantin & e’emparer du pouvoire; anders, aber irrig Merkel, de r. p. 3, 26., 
denn die Vandalen find nicht Sueben, fondern Goten und Respendial Greg. 
Tur. II. 9 (nad Renatus Profuturus Frigeridus) ift nicht Alamanne, fonbern 
Alane. Richtig Meyer von Knonau, Anzeiger f. ſchw. Geh. Neue Folge III. 
1879. ©. 292. Stälin (V.) I. S. 118. (S.) I. ©. 52 „Bollspoefien ber Auvergne“ 
find aber nicht anzunehmen: hat er nicht eriftirt, Tann er auch in ber Auvergne 
nicht „beſonders gehauft“ haben. v. Sybel? ©. 159. [Holländer, 3. f. Geſch. d. 
Oberrheins XXVL, folgt Gregor I. 30, 32.) Für König Krotus Hufchberg S. 102. 
Keepke bei Raumer ©. 167. Fickler p. XIU. Weller II. ©. 319. Cramer a. a. O. 
bie beften Gründe für Krofus bei Holländer S. 292, aber auch fie nicht überzeugend 
(Berwechälung von Bandalen und Alamannen). 

6) Strootmann im Hermes XXX. 1895. ©. 355 f.; StrackoſchOrasmann 
und Andere halten an jenem Siege feft (wie früher Hufchberg ©. 268. Holländer 
S. 296). 

7) Bon Dunder, Claudius Goticus 1868 und Annal. d. Bereins für Naſſau. 
Alterthumskunde XV. 


4] 


Erfolgreiher waren Aurelians Alamannenkiege!), Man ließ 
fih in Rom zur Zeit Anrelians c. a. 270 gern weisfagen, ein Im⸗ 
perator aus tem Geſchlecht des Tacitus (a. 275—276 Imperator) 
werde Franken und Alamannen unter römiſchem Befehl halten?). 
Unter Aurelians (und Brobus) heißt nur das linke Rheinufer nostra 
ripa Romanum solum, das Alamannenland auf dem rechten solum 
barbaricum ?): die Worte bed Panegyrilus des Marimian a. 289: 
„Alles, was ich rechts vom Rhein erſchaue, ift römiſch“, find eben — 
panegyriſch ?). 

Probus (a. 276—282) hat nach Flavius Vopiscus nievergeftredt: 
1) die Franken, in ihren weglofen Sümpfen, 2) Germanen und 
3) Alamannen weit ab von den Rheinufern zurüdgebrängt®), gleich 
barauf, in Wiberfpruch biemit, fagt er: „er Hat‘) nur im Kleinkrieg 
fämpfend (latrocinando) nicht ohne Ruhmesglanz zerichmettert bie 
Alamannen, die damals noch (c. a. 275) Germanen genannt 
wurden“). Die neun Könige der Germanen aus verfchiebenen 
Bölferfchaften, die von Probus zur Unterwerfung gebracht wurten, 
waren, wie ans ter Erwähnung bes bier zum eriten Mal ge- 
nannten Nedars und der (fchwäbiichen) Alp hervorgeht, meift, wenn 
nicht ſämmtlich, Könige ver „verſchiedenen Völlerſchaften“, vie feit 
c. a. 213 als Alamannen fich zufammengejchloffen hatten). Alfo auch 
tamals wie jpäter unter Julian eine beträchtliche Zahl von Alamannen: 
fönigen nebeneinander. 

Aber die Unterwerfung war auch unter Probus wie eine Furz- 
lebige fo eine unvollftänbige: fie befchräntte fich auf Geifelftellung 
und Schakung: das Verlangen bes Kaifers, fie follten auf eigene 
Kriegführung verzichten und, ſtatt felbjt die Schwerter zu ziehen, bei 
Berunrehtung den römiſchen Schuß anrufen, ſchien dem fchmeichlerifchen 


1) ©. Urgeſchichte II. S. 223. Holländer S. 296. Huſchberg S. 133 (a. 270 
bis 275). Ueber bie Kämpfe Aurelians gegen vie „Sueben“ ſ. Werminghoff S. 94, 
ber die Berwechslung der Marlomannen mit ven Alamannen beroorhebt: „Sueben” 
waren beibe. 

2) Flav. Vopisc. Florianus 15. p. 181. 

3) Flav. Vopiscus. 

4) Mamertin. c. 7. quidquid ultra Rhenum prospicio, Romanum est. 

5) ec. 12. p. 19. 

6) c. 13. p. 212. 

7) Er fchrieb c. a. 320; Urgeſch. II. ©. 232; über die rauhe Alb in biefem 
Krieg 1.c. c.13. Miüllenhoff II. S. 210, 245. 

&, Flavius Vopiscus 13. 14. 


42 


Lebensbeichreiber — Flavius Vopiscus — ſelbſt "undurchführbar, 
„wenn nicht ganz Germanien!) zu einer römiſchen Provinz gemacht 
wird.” Immerbin konnte er 16,000 Alamannen unter die Gränztruppen 
vertheilen?). 


2. Julian und bie Alamannen (a. 356—361). 


Ausführlich warb anterwärts?) dargeftellt, was uns Julian felbft 
und Ammian von ben Sriegen mit und ven Zuftänden, zumal ben 
verfaffungsrechtlichen, bei den Alamannen berichten: bier ift nur ter 
Zufammenhang ter Entwidelung hervorzuheben. 

Wie bei den Frantent) läßt fich bei den Alamannen bie Ent- 
widelung von ben zahlreichen gleichzeitig neben einander ftehenven 
Gau⸗ oder Später Völkerfchafts-Königen zu dem Einen Stammes- ober 
Bolls-Rönigthum bin deutlich verfolgen >). 

Zur Zeit Yulians über 12 Könige neben einanber, zur Zeit 
Chlodovechs Ein Stammeslönig: die Zufammenfaffung ift aljo bier 
noch früher als bei ven Franken eingetreten, bei denen Chlodovech noch 
eine erhebliche Zahl von Gauksnigen zu bejeitigen hat. 

Der rex ferocissimae nationis, ven Dlarimian (feit a. 285) ge« 
fangen nimmt®), ift zwar, wie aus dem Zuſammenhang erhellt, ein 
alamannijcher, aber keineswegs ber einzige. 

Ein jenem fabelhaften Krokus (c. a. 250) gleichnamiger Alamannen- 
könig, im Lager Eonftantins, Führer von (ftammesgendffischen ?) Hilfs- 
truppen, giebt den Ausfchlag für Eonftantins Thronbefteigung ”), Bald 


1) Probus c. 13. 14. 

2) 1. c.; vgl. Koepfe bei Raumer ©. 172. 

3) ©. ©. 39 Anm. 2. Negri, il imperatore Juliano 1901. 

4) Könige VII. 1. &. 12. 

5) Stälin (S.) &. 70 meint freilih: „das Weſen biefer Könige iſt nicht mit 
Sicherheit zu beſtimmen“ (das ift Doch wohl nunmehr geleiftet worben): boch weift er 
(im Uebrigen ohne rechtsbegriffliche Auffaflung) deren Berwechslung mit bloßen 
Centenaren ab. Bon unbeftimmten „Fürftenzejchlechtern” (Könige? ober Edle?) 
ſpricht auch er S. 11, 13; vgl. Huſchberg S. 248, Koepke bei Raumer ©. 183. 

6) Eumen. panegyr. Constantio dietus c. 2 a ponte Rheni (Mainz?) 
usque ad Danubii transitum Guntiensem [änzburg], devastata atque ex- 
hausta penitus Alamannia. 

7) Aurel. Victor Epitome cunctis qui aderant annitentibus sed prae- 
cipue Croco 41. (al Eroco, jo Meitzen I. ©. 366, Alamannorum rege, auxilii 
gratia Constantinum comitato, imperium capit. 


43 


barauf läßt biefer mehrere — gleichzeitige — gefangene Alamannen-!) (wie 
Franken⸗Könige) zu Trier wilden Thieren?) vorwerfen. 

Bon jchwerfter Bedeutung für Nom und die Barbaren war ges 
wejen tie Preisgebung Galliens an Alamannen und Franken burch 
Conftantius IL in feinem Kampfe gegen Marentius: Julian mußte 
es erft wieder erobern?). Ammian und Julian zeigen und bie Ala⸗ 
mannen um bie Mitte bes IV. Jahrhunderts als eine Hauptgruppe, 
einen Stamm, in ber e8 noch keinen Stammlönig giebt, ſondern neben 
zwei (oter drei) Völferfchaftstönigen‘) noch etwa zwölf Gaukönige 
ſtehen 9). 

Ammian nennt bie ganze Völkergruppe der Alamannen bald natio 
bald gens (reparabilis gens), einmal®) aber verfteht er unter ven 
variae nationes, bie den Alamannen Hilfe ſchicken, nicht-alamannifche. 
Er nennt 14 Könige und einen von ben Römern eingejegten unb bald 
wieber entfernten (Fraomar) mit Namen”). Durdaus irrig meint 


1) Könige VII. 1. ©. 32. 

2) Eutrop. X. 3 ed. Rühl p. 71, Droyfen p. 171. 

3) Libanius, Grabrede auf Julian ed. Neisle I. p. 533. Zofim. II. 53. 
Julian. ad Athen. ed. Hütlein I. p. 370. Ammian. XV], 12. Hätte Julian 
wirtiih, wie Schäffner I. S. 68 meint, ben Alamannen bie Bertheibigung bes 
Oberrheins übertragen, fo batte er ſehr fchlimme Böcke zu Gärtnern beftellt. 

4) Schäffner I. S. 69 kennt nur ſolche. 

5} Ueber biefe Begriffe und den Gang der Entwidelung Könige I. ©. 5f. 
V. S. 2f. VO.1. S.25f. Ganz unridtig und ſelbſtwiderſprechend find bie Aus- 
führungen Merkels, de r. p. 4, 5 und 28 über reges (angeblich = princeps p.5), 
pagi, duces, centenarii. Heißt Chnobomar bei Libanius paneg. Jul. ed. Morell. 
p. 238 dpywv, fo bezeichnet das Tebiglich den Feldherrn. Chnodomar iſt aber nicht 
„Oberkönig“: gegen dieſe ganz irrige Vorftellung von Sybels2 ©. 221 ſ. ſchon 
Könige II. ©. 3. Ober und Unter-Könige gab es auch bei ven Franken micht 
(wie Meigen I. S. 551 Chararich (nit Earavic!) ift nicht Unter, fondern (wie 
Chlodovech) Gaukonig. S. den griechiſchen Sprachgebrauch bierliber Könige I. 
©. 260 f. v. dpyav unb Könige U. S. 264; ebenfo unrichtig werben bie 
regales Ammians bem Abel der primates, primores, optimates bafelbft gleich⸗ 
geftellt und dieſer allein auf bie Gefolgſchaft Tac. Germ. ec. 13 zurüdgeführt, bie 
mit den malebonifchen Erarpor body gewiß nichts zu thun hatten. 

6) 16, 12 (pardim mercede quaesita), anbrerfetts alamannijche (partım 
paeto vieissitudinis quaesita). 

7) &. bie oben erwähnten Älteren Darftelungen in v. Wietersheim⸗Dahn I, 
Urgeſch. II. D. ©. Ia. Auch Mamertin c. 6. p. 249 fpricht von mehreren regna 
und regum calcata capita ber Alamannen. Eſcher, Unzeiger für Schweizer Ges 
ſchichte und Alterthumskunde 1855. S. 43 läßt die Alamannen aus neun Bölfer- 
haften erwachſen, weil fie neun Könige gebabt: fie hatten aber nach Ammian 15. 


44 


man auch!), die Römer Hätten (Gau) Könige und Gentenare ver- 
wechſelt. ‘Die reges bei Ammian haben mindeftens Einen Gau; tie 
mächtigeren wohl eine Völkerſchaft?) unter fi, bie Centenare nur 
eine Huntertfchaft, d. h. Einen Theil Eines Gaues?). 

Irrig läßt man) auch fchon längft vor Chlodovech an bie Stelle 
ber einftigen Könige erbliche vielleicht aus bemfelben alt⸗edeln Gefchlecht 
wie jene (fol heißen: aus ähnlichem, vgl. bie bairifchen Avels- 
gejchlechter) treten, welche dann jeit a. 496 außer der Heerführung vie 
gefammte Negierungsgewalt Namens bes fränkischen Oberherrn aus- 
übten). Allein Chlovovech Hat ten Einen Volkskönig zu bekämpfen, 
und erft nach ber Unterwerfung fegen die Franken an des Königs 
Stat einen (Einen) Herzog ein®). 


Ueber die Könige zur Zeit Julians vgl. auch v. Sybel? ©. 185 richtig gegen Waitz 
über ben Umfang ihrer Gebiete; über Priarins, den König ber Linzgauer ©. 15 f. 
Treffend über Gauftat und Gaukönigthum W. Sidel, der Deutiche Freiftat 1879. 
S. 95. Ueber bie von Ammian als reges bezeichneten ſ. v. Roth, Ben. ©. 5, 
ber aber in einem „Saufürften” wie v. Sybel einen vierten Begriff neben Gau⸗ 
könig, Gaugraf und Ebeling aufftellt, der den Quellen fremd: biefe reges find 
eben Gaukönige: Könige Über ganze Böllerfchaften gab e8 damals noch fehr 
felten, Könige über ganze Völker nur etwa in Reihen wie Marobods ober 
Ermanrichs. Bol. Könige I. S. 25f. II. S. 88. V. S. 3f. VII. 1. ©. 25f. 
v. Wietersheim⸗Dahn I. S. 178. D. G. Ia. S. 215. Urgeſch. I. S. 105. II. S. 57, 
63. III. S. 67. Richtig faßt bie reges als Gaukönige, nicht als „Fürften”, 
„Richter“, „Häuptlinge“ Gengler, Rechtsdenkmäler S. 80 (vgl. W. Herz, Deutſche 
Sage im Elſaß 1873. S. 180f.), ſ. auch G. Meyer v. Knonau a. a. O. ©. 51. 

1) Merkel, de R. p. 4, 27. 

2) Chnodomar et Serapio potestate excelsiores ante alios reges Amm. 
Marc. XV], 12. Vadomar potentissimus rex Aurel. Victor epitome 22; 
ihnen folgen fünf regis potestate proximi. Chnodomar fol = Eunzo und Eunzo 
fol nicht germaniſch fein p. 25: allzuviel folgte Merkel im Sprachlichen einem 
übeln Führer — Done! So au bier. Auch Priariue, der a. 378 „bie Bes 
wohner aller Gaue in Eins verfammelte“ (Amm. Marc. XXXI, 10), fol nur 
ein folcher „Centenar“ gemefen fein. 

3) Die »ducese erflärt Merkel, de r. p. 4,28 willfürlih für Eentenare: 
und dann auch wieber für »reges!« p. 4! 

4) Gengler, Rechtsdentmäler S. 81. 

5) Aehnlich Merkel, 2.9. p. 9. 

6) Auch v. Sybel S. 126—174 braucht den rechtlich unflaren Ausdruck 
„Fürſten“; daher kann er die „Volkskönige“ S. 220 nicht genügend erflären; ihm 
fehlen die vorhergehenden „Gaukönige«“. Ueber bie Ausbrüde für Gau und 
Hundertſchaft Könige I. S. 9 ff.; dagegen v. Sybel? ©. 73: dawider oben ©. 43, 
Könige VII. 1. S.15f. v. Eybel a. a. DO. ſchätzt den Gau auf zehn Quadrat⸗ 
meilen; richtig zählt er bie Hunbertichaft nad Sippen. Die reges Ammians 


45 


Der Berfuh!), den zahlreichen Königen zur Zeit Julians ganz 
genau ihre Gebiete abzugränzen, entzieht fich jeder ernfthaften Be— 
urtheifung?). Nur ſehr unfichere Vermuthungen find zu wagen. 

Die Site ber Könige Gundomad und Vadomar werten im 
Dreisgau und im fürlihen Schwarzwald gejucht?), Makrian) 


ſollen nah Baumann ©. 507 nicht Könige fein, fondern „Gauvorſteher“; von 
Saulönigen ſcheint er noch immer nichts zu willen, obwohl er Könige I anflhrt; bie 
Burgunden und Bataver, auf bie er fih beruft, hatten eben auch Könige, eben 
San-Könige, ganz wie bie Alamannen; über den Sprachgebraudy Ammians (regna, 
pagi, regulus, regalis) f. v. Wieterdheim- Dahn a. a. O., Könige II (Anhang). 

1) Eramers, Gefchichte der Aamannen ale Gaugefchichte. 1899. 

2) Beftralp ſoll nach Cramer ©. 79 nicht Eigenname, ſondern Name bes 
Ganes „Weſteralb“ fein: danach hätte Ammian ſechs Könige bei Namen und ben 
fiebenten den „Veſtralpiſchen“ genannt! daun müßte er doch wenigftens »vestral- 
picus« fagen. Dagegen vorfidhtige „Bermutbungen“ über bie Site ber Könige 
bei Meigen I. ©. 401. Ammian jagt, Chnobomar konnte in feine Gebiete nur 
dann zurüdtehren, wenn er den Rhein überfchritt: non nisi transito Rheno ad 
territoria sua poterat pervenire: das heißt nach Eramer ©. 71: nichts wie bas 
Bett des Rheines trenne ihn won ber ſchützenden Heimat, dem eignen Gan“[!] 
alfo die Straßburg gegemüberliegende Mortenau: „zu bemerken, daß fein Gau 
(territoria heißt e8) im Gebiete rechts vom Rhein gelegen ſei, wäre überflüffig 
zu bemerken geweien“: ja, hatten bie Alamannen links vom Rhein etwa Feine 
territoria? Ammian fpricht 18, 2 von ben Bauen, pagi, Mehrzahl, des Königs 
Suomar: aber Eramer ©. 72 findet e8 „zweifelhaft, ob er König von mehr ale 
Einem war": was war er benn von ben andern? Auch Hortari hat regnal.c. 
Nah Eramer S. 45 find die Gaukönige „Selbfthberrfher!)” — ohne Wahl! 
(vielmehr galt auch hier das ſchöne Wort $. Grimme, R.-A.s, Über die Miſchung 
von Erbanfpruch der Königefippe und Wahlrecht des Volles: jene Art von Erb 
lichkeit erflärt völlig, daß wie bei ben Merovingen und Thliringen bes Königs 
Oheim und Neffe und (zweimal) zwei Brüder find] — und nicht beſchränkt durch 
Bollsverfammlung: im IV. Jahrhundert, auf germanifchem Boben! Tacitus 
Germ. c. 12 und Ammian waren anderer Meinung: mitten in ber Schlacht zwingt 
daB Heer bie fieben Könige zu feinem Willen (1. c. 30, 3), wie der Gau König 
Vadomads gegen deſſen Willen am Römerkrieg Theil nimmt; dem Bater Babomar 
folgt der Sohn Bithilap. Ammian. XX VII, 10. XXX, 7. Eramer ©. 303 unterfcheibet 
die „Königszeit“ und die „Srafenzeit”: aber I. e8 bat immer Könige gegeben: bis 
a. 496 alamannifche, von a. 496 bis a. 900 fränkiſche; LI. Grafen hat e8 jebesfalles 
von a. 496 bis a. 900 gegeben, in größeren Gauen vielleicht auch vor a. 496 unter 
ben Königen; IL. nur in der „Srafenzeit” fol Gau und Graffchaft zufammen- 
gefallen fein: aber das mar (regelmäßig) immer fo. — Dann ftellt er „Gau⸗ 
graffgaften”, „Zheilgraffchaften”, „Huntare⸗Grafſchaften“, „Bargrafſchaften“ auf, 
ganz verlennend, daß ber Üble Sprachgebrauch ter Quellen daſſelbe Gebiet bald 
Gau, bald Huntare, bald Bar nennt. 

3) Ammian. Marc. XV, 4. 

4) No a. 371 in Naſſau Ammian. XXX, 3. 


46 


und Hariobaud in Naffau, Suomar in dem heſſiſchen Starkenburg, 
zwifchen Rhein und Main, Hortari gegenüber Worms und Speier, 
Ur, Urſicin und Veſtralp in Nieberjchwaben (bis Hall), ganz ungewiß 
bleiben auch die Gaue Chnodomars und Serapions 1). 

Reine Willtür macht?) aus den regales „KRönigeboten” „Königs⸗ 
vertreter” und aus ven reguli „Hunnen“: — eine Hunbertichaft zählte 
allerhöchftense 1000 Köpfe, ftellte alfo (von 500 Männern) etiva 
höchſtens 200 Krieger: und beren Führer war fchon ein regulus? Viel⸗ 
mehr ift zu fcheiden zwifchen Völkerfchaftsfönigen ober Königen über 
mehrere Gaue und Königen Eines Gaues (reguli). Regales find, 
ber Sprache entfprechend, Angehörige bes (reges) Königshauſes: fo 
beißt bei den QDuaben?) ein König rex, ein fchwächerer König 
regulus, ber Sohn eines Königs bei demfelben Ammian regalis: 
daher erfcheinen die regales als „unter dem Abel hervorragend”: denn 
das Tönigliche ift das hervorragendfte Adelsgefchlecht 2): daher bewirthet 
ein König neben ben großen und Meinen Königen, reges und regulos, 
auch deren Söhne, bie regaless).. Bei Straßburg follen bie zehn 
regales zehn abwejende Könige vertreten(l): banach hätte es 17, nicht 
14 Alamannentönige gegeben $;,. 

Wie anverwärtd bei Cheruskern, Brukterern”) verfuchen vie 
Römer auch wohl bier®) des germanifchen Gaukönigthums fich zu 
bedienen, ten Gau burch einen von ihnen eingefegten Gaulönig zu 
beberrichen: aber der von Valentinian den Buchengauern aufgebrängte 
Fraomar lommt gar nicht dazu, die Herrichaft anzutreten). Die 
regales (Ammians) 1%) find Glieder der Königlichen Sippen!!) — fo 
heißt auch Hormisda, der Bruder bes Perferkönigs12), regalis, was 


1) Ammian. Marc. XXVIU,2. XXIX,4 Stälin (V.) J. S. 124. Urgeſch. 
I. ©. 280. 

2) Bet Cramer ©. 49, 55. 

3), D. ©. Ia. ©.55. Rieſe X. 56, die Stellen über die reges. 

4) Könige 1. S. 18-33. 

5) Urgeſch. II. ©. 325. Rofpatt ©. 10. 

6) Diefe „Königsboten“ entftellen das Buch Eramers an allen Stellen, wo 
fie auftauchen. 

7)». ©. Ia. ©. 397. $) Amm. Marc. XVI, 12. 

9) 1. e. XXIX, 4 Fraomarius Bucinobantis a Valentiniano rex datus 
ne capessere quidam principatum ausus est. 

10) XXVII, 10. 

11) Na Eramer find es wieder „Königsboten”, ſ. unten „Berfaflung”. 

12) XVI, 10. 


47 


ſchwer ins Gewicht fällt — nicht Heinere Gaukönige, dies find bie 
»reguli« im Gegenſatz zu ben reges. 

Die frühere Darftellung der Schlacht bei Straßburg!) ift fpäter 2) 
bezüglich der Dertlichleit erheblich berichtigt. 


3. Römer und Alamannen nad Julian bis Chlodovech 
(a. 361—496). 


Das Wichtigſte aus diefen anderthalb Jahrhunderten ift das all- 
mälige Wiedervordringen ter Alamannen?) in alte Site im Weften 
und Norben, bie vorübergehend waren geräumt worben: dies Vor⸗ 
bringen jfollte ihnen verhängnißvoll werben: Alamannen » Siebelung 
reichte nun nörblich bis über ven Main, weftlich bis über ten Rhein 
in die Vogeſen: tas machte fie auf weite Streden bin zu Nachbarn 
und zu Wettbewerbern ver Franken: es Tonnte eine Zeit lang zweifel- 
haft fcheinen, welchem ber beiden Stämme bie beiden Ufer des Mittel- 
rheins zufallen würden, — Mainz fogar hatten die Alamannen über- 
zumpelt, dann aber wieder geräumt — bis Chlodovechs Sieg die Frage 
durch Unterwerfung der weftlichften Alamannengaue entjchieb. 

Jener Rando, unter tem die Alamannen a. 368 Mainz über- 


1) v. Wietersheim⸗Dahn I. 1880. ©. 470. Bauſteine III. 1884. S. 31. 
Allard, Julien, Tapostat 1899; von Borries, die Mamannenfchlacht von a. 357. 
1892. ©. 10, (folgt im Wefentlihen Wiegand) Heder, die Alamannenfchlacht. 

2) Urgeſch. U. S. 283. D. ©. Ia. S. 543. Am Genaueſten jetzt in ber Karte 
zu Sulian II, Sefammtansgabe meiner bichterifchen Werke, S. 254. Cramer fagt 
S. 103 „Dahn bat fih Über die Lage bes Schlachtfeldes nicht ausgeſprochen“: ich 
babe mich aber viermal (mit Verichtigungen) barliber „ausgefprochen”. Mit 
ſtarken Irrthümern läßt Meiten I. S. 400 Sultan bei Straßburg bie Könige 
Ehnodomar, Mederich und Agenarich gefangen nehmen: Meberih, Chnobomare 
Bruder, kämpfte gar nicht bei Straßburg, aus dem guten Grunde, daß er fchon 
tobt war; fein Sohn Agenarich kämpfte allerdings bort, aber unter dem Namen 
Serapio unb warb nicht gefangen. Amm. XVI, 12. Urgeſch. II. S. 280, 285; 
auch ift Merobaudes keineswegs — Merovaeus S. 402, und Hariobaudes hat mit 
ben Haruden nichts gemein als das »hari-«; vgl. fchon bei Tacitus Annal. Il. 11 
Chariovalda, dux Batavorum. 

3, Bol. Zeuß ©. 323; über dies worlibergehende Wiedervordrängen ber Ala⸗ 
mannen in die alten, eine Zeit lang an Franken und Burgunben verlorenen, 
Site bis Mainz, aber aud) Straßburg, Langres, Manbenre und Beſançon, Wirz« 
burg (Uburziburg), Aſchaffeuburg bei Athanarid Geogr. Ravennas IV, 12, 13, 24; 
rheinabwärte Bis Zülpich drangen wenigftens einmal ihre Waffen, vgl. Urgelch. 
Ill. ©. 48 zu Greg. Tur. II. 37 vgl. Alknins vita St. Vedasti. 


48 


rumpelten!), wird nicht König genannt, nur regalis: er war wohl ein 
abenteuernder Königsfohn an ter Spike feiner Gefolgſchaft. Kurz 
zuvor wird unter Jovinus a. 366 ein gefangener Alamannenkönig 
gebentt 2). 

Erft nach ven Siegen Valentinians (c. a. 370)3) rühmt Aufonius*) 
wieder, der Rhein fei „nicht mehr“ Galliens Gränze, er warb es aber 
ſehr bald wieder und „Suebenland“ warb nicht wieder „römiſch“. 
Halbbarbarifch nennt ber gleichzeitige Symmachuss) die Ufer des Rheins. 

Theobofins verpflanzte Friegsgefangne Alamannen als tributarii 
in bie fruchtbaren Po-Gegenven®). Stilicho ftellen die Alamannen⸗ 
Mannschaften gegen die Weſtgoten?). Alamannen erfcheinen auch 
(a. 405/406) in den Scharen des Radagais 3). 

Aber übertrieben und zum Theil rein erfunden nennt Claubian 
unter Stilicho frierliche NRömerfievelungen auf dem rechten Rheinufer 
wie am Tiber(!))). „Alamannien ruft flehend Honorius an!“ 19) 


1) Ammian. Marc. XXVII, 10. Urgeſch. LI. ©. 358. 

2; l. c. 27,2. Urgeſch. II. ©. 352. 

3) Ueber die Bertheibigung Galliens gegen bie Alamannen durch Balen- 
tinian I. a. 368 Symmachus oratio ed. Seeck p. 322—326. und bie linter- 
werfung Alamanniens ſtibi incola vivit Alamanniae(!! vgl. 329); auch hier er⸗ 
fcheinen die Burgunden p. 325 benachbart. Gründlich liber ben Feldzug Julians 
von a. 369 gegen bie Alamannen, zumal über bie Oertiichleiten H. Maurer ©. 320, 
aber daß die Schlacht bei Straßburg deren Bund gelodert habe ©. 303, davon 
bat Julian gleich darauſ nichts verfpürt: er mußte nicht „erft wieber ins Leben 
gerufen werben”. 

4) Epigr. 3,4. 

5) ed. Maj. p. 7; ich entnehme dies Stälin (8. I. ©. 137. 

6) Amm. Marc. XXVIIJ, 5, 15. 

7) Claudian de bello Gotico v. 400. 

8) Hieronymus ad Ageruchiam, ed. Migne XXIII. 2gl. Bahmann, die 
Einwanderung ber Baiern ©. 6. 

9) In I sonsul. Stil. II. V. 186 eg. 

10) De IV consul. Honorii. Weber die Zeit, feit ber die Mlamannen auf 
dem Tinten Rheinufer nicht mehr heerten, fondern fih als Herren nieberlichen 
(c. a. 410) f. Zeuß ©. 31$ (aber ſchon unter Zulian alamannifcher Aderbau im 
Elſaß Urgeih. II. S. 279); Über das Eindringen in Rhätien (lange vor Theode⸗ 
rih8 Aufnahme der Auswandernden) S. 320 c. a. 450: aber die Xheoberich 
Schatzenden Agath. 1.6 find doch wohl vor Allem dieſe in feinen Schutz Ein- 
wanbernden; im Süden bes Bodenſees nennt fie herrſchend zuerft Athanarit bei 
dem Geogr. Ravenn. IV. 26. Sehr ſchwach iſt die Bekämpfung Sahıs und 
von Schuberts betrefis der Alamannen in Gallien unter Adtius bei Cramer ©. 186, 
er preßt bie Worte Des phrafenreihen Apollinaris (VII. p. 369), deſſen Geo- 


| 


49 


Im V. Jahrhundert wuchs dann ſchnell bie Ausbreitung der Ala- 
mannen bis weit ſüdlich ber Vogefen?), anbrerfeits in bie rhätifchen 
Alpen?). Zur Zeit Sanct Severind (c. a. 475) heeren fie häufig 
(mit ven Thüringen und Augen um vie Wette) in Noricum, bebrohen 
Paſſau?): er führt dephalb einen Theil ter Einwohner nach Lorch, 
Auf die Streifzüge des Sueben(Alamannen)lönigs Gibuld* weftlich 
bis in den Sura, ja bis Troyes, öſtlich bis Paſſau ift in andrem 
Zufammenhang®) zurüdzulommen. 

Die Vita der „Väter aus dem Jura” Romanus (geft. c. a. 460), 
Lupicinus (geft. c. a. 480), Engenvus (geft. a. 510)°), fchilvert an« 
ſchanlich die räuberifchen Einfälle ter „benachbarten Alamannen, fo 
daß bie dortigen Mönche das Salz lieber vom Mittelmeer beziehen 
al3 von ter nahen Saline”), Salinae Erienses, Salins. Derfelbe 
König Gibuld [— es ift genan feine Zeit: 450—496 —] konnte 


grapbie Die Chatten an ber Elbe wohnen läßt; gegenüber ben angeblich ansfchlieh- 
lich alamannifhen Ortsnamen auf »ingen, Cramer ©. 188, wurben ſchon bei 
Kritik Arnolds (1876) zahlreiche -ingen tief in Ober und Nieber-Baiern, weit weg 
son alamannifhem Einfluß, dargewieſen; ſ. jekt Baufleine II. 1880. ©. 374. 

1) Seogr. Ravennas IV. 26. Jord. get. c.55. Alemanni Alpes Rhaeticas 
(al. erectas?) omnino regentes. Witte, D. Volksthum S. 411. 

2) Stälin (B.) I. ©. 146 f., aber auch die Maingegenben haben fie damals 
fchwerlich völlig geräumt, wie biefer fagt. 

3) Eugippius, vita St. Severini c. 19, 25, 31. Cramer ©. 195 läßt bie 
Macht der Römer in den Donauländern ſchon a. 473 gebrochen fein: aber Sanct 
Eeverin (geft. a. 482) fieht fie noch widerftehen, Überall find noch Romani cives 
und milstes in den Städten: erſt Obovalar, a. 488, ruft Ietstere ab. Ueber ben 
Untergang ber Römerherrſchaft bier |. Bübinger L ©. 39; die Verbreitung des 
Latein in dieſen Landen Budinszky S. 145—169. Cramer ©. 206 hält ben 
Führer fähfifher Seeräuber in Gallien: Abuvacrius, von dem Gregor 
I. 19 — Cramer führt dies an — jagt, venit A. cum Sazonıbus Andegavis 
(Angers) für Obopafar, ben König von Italien. Aduvacrius er 
ſcheint a. 463, ſpäteſteus a. 471 zum lebten Mal (f. aber Arndt und Kruſch 
p. 83), Odovakar wirb König a. 476. Bol. Urgefh. IH. S. 43. [Den Geogr. 
Kavenn. fiellt Eramer bebarrlih S. 211 in das V. Jahrhundert: ber fchrieb aber 
e. a. 670-—700.] Die Einfälle S. 2105.— 215 entziehen fich jeder wiſſenſchaft⸗ 
lichen Kritik. 

4) Huſchberg ©. 589. 

5) ©. unten ©. 51. 

6) ed. Kruſch, M.G. h. Ser. rer. Merov. III. p. 160. 

7) Ueber die Dertlichleiten |. Kruſch J. e., bei Wattenbach 16. ©. 119 wirb 
sur St. Romanus erwähnt. 

Dahn, Könige der Germanen. IX.1. 4 


50 


alfo ſowohl Troyes al8 den Jura als Paffau bebroben. Damals er« 
folgten alamannifche Raubzüge weit nach Often in oftgotifche Donau 
Lande!). 


4. Die Alamannen, Chlodovech und Theoderich (a. 496 -526). 


A. Ein einziger Alamannenkönig. 


Wir fanden um das Jahr 360 noch 14 (15) alamannifche Könige 
neben einander: im Jahre 496 fteht Ein Volkskönig an der Spike 
aller Alamannen: in der Zwifchenzeit find jene 13 alſo befeitigt wor- 
ben: nur das willen wir, nicht aber durch welche Mittel, während 
wir bei den Franken, dank Gregor von Tours, jenen Befeitigungen 
im bellen Lichte ver Geſchichte zufehen können. Vermuthlich ift das 
Hinwegräumen jener zahlreichen Keinen durch einen Größeren bei ben 
Alamannen nur allmälig erfolgt. Gewiß hatte die Zahl der Gau- 
fönige von a. 357 ab erheblich abgenommen?), aber nicht plöglich: zur 
Zeit Severind (+ a. 482) erfcheinen noch außer Gibuld Hunimund 
und Alarich als Könige der „Sueben”. Chlodovech fteht nur Ein 
Rex Alamannorum noch gegenüber. Sollte das Gibuld gewefen fein ? 

Für diefe Muthmaßungs) — mehr foll e8 nicht fein! — würde 
fprechen bie weite Ausbehnung feines Machtgebietes. Denn berfelbe 
zweifellofe Alamannentönig Gibuld, ber zur Zeit Sanct Severins 
wiederholt Paſſau heimfucht?), wirb im Leben des heiligen Lupus von 
Troyes dafür gelobt, daß er dieſem Heiligen zahlveiche Gefangene aus 
dem zu deſſen Didcefe gehörigen pagus Breonensis5) frei gab®), wie 
wenn er ben Geboten des Römerreiches (reipublicae) ergeben fei?). 
Ein Alamannenkönig aber, der öſtlich bis Paſſau, weftlich bis Troyes 
feine Waffen tragen mag, bat jebesfalles über viel mehr Land als 


1) Ueber den Kampf von a. 473 gegen Theodemer Jord. c. 55 f. v. Wieters⸗ 
heim⸗Dahn II. ©. 325, richtig gegen v. Schubert S. 17 Buſch I. ©. 9. 

2) Wie Schubert S. 19 vermuthet. 

3) Nachträglich find’ ich, day auch Weller II. ©. 345 Gibuld für den Stammes- 
könig der Alamannen hält, ob aber auch filr den won Ehlobovech befiegten, erhellt 
nicht. 

4) Könige II. ©. 29. Eugipp. vita St. Severin. c. 19. 

5) Heute le Brenois, Longnon, Atlas, texte explic. II. p. 110. 

6) Sieht König Gibuld nicht nur Die auf fein Beutetheil gefallnen gefangenen 
Römer frei, mußte er fle feinen Alamannen offenbar ablaufen, Eugipp. v. St. 
Sever. co. 19. 

7) Vita St. Lupi Trem. ed. Krusch. Ser. rer. Merov. III p. 123. 1896. 


51 


Einen Sau, auch wohl als Eine Völkerſchaft gewaltet, er heißt sub- 
lımis regia potestate!): leben konnte er a. 496 fo gut noch wie 
a. 482: einftweilen konnten bie beiden Andern — Hunimund und 
Alarih, — wenn dieſe „Sueben” Alamannen waren?), verdrängt fein. 
Bielleiht auch war Chlodovechs Gegner ein Sohn dieſes zulekt ficher 
genannten Alamannenkönigs. ‘Doch find das alles nur Vermuthungen, 
Möglichkeiten 3). 

Alle gleichzeitigen Duellen (fo Theoberich der Große felbft) be» 
zeugen, daß Chlodovech nur Ein König ver Alamannen gegenüber ftand: 
aljo ein Stammlönig‘). Mit Unrecht beftreitet mans) das: Gregor 
läßt dieſes Einen Sal die Schlacht entſcheiden und auch Caſſiodor 
fennt nur Einen befiegten König. 

Die Austrüde in Theoderichs Brief®): »Alamanniae generali- 
tas«, >innumerabilis natio« fchließen doch wohl auch aus, daß ber 
gefallene König über die entfernteren, zu Theoderich geflüchteten Gaue 
nicht geherrſcht habe”). 

Nachdem bei den Alamannen früher als bei ven Franken an Stelle von 
etwa 14 Gaulönigen ber Eine Stammestlönig getreten ift, kann man alfo 
nicht wohL®) von Entwidlungslofigkeit bei den Alamannen 9) ſprechen 19). 


1) Vita St. Lupi p. 147. 

2) v. Schubert a.a. DO. hält fie für Marlomannen, bie allerbings Paſſau 
näher waren. 

3) Eramer ©. 192 hält Gibuld für einen Ehriften: dann wäre aber doch 
deſſen Berehrung für Sanct Severin und Sanct Yupus nichts als merfwärdig zu 
rühmenbes gewefen. Weber Eugipp noch bie vita Lupi geben für jene Behauptung 
einen Anhalt; Chlodovechs Gegner war gewiß Heide. 

4) Ueber den Einen König aller Alamannen a. 496. D. ©. I. S. 184, 187, 
450. U. ©. 78—80. Urgeſch. III. ©. 44. IV. S. 90. Aud Cramer ©. 215, 
230—240 beftreitet das Stammkönigthum von a. 496 in offenem Wiberfpruch mit 
allen zeitgendffiihen Quellen (Caſſtodor, Ennodius) wie mit ben fpäteren (Gregor). 
Ganz nichtig ift fein Berfuh S. 239, dem gegen Chlodovech fallenden rex gegen 
Gregor und Ennobius, der ausbrüdiich fagt, daß biefer rex allen Alamannen 
vorſtaud: [Alamanniae generalitas hat ihn eingebüßt] den Zeitgenoffen bas 
Königthum ganz abzufprechen: das iſt wider alle Methode. Dagegen kennt er 
einen „Herzog“ ber Hunnen: blos weil dux beit Germanen Herzog heißen Tann! 

5) Buſch II. ©. 5. 6) II. 41. 

7) So auch v. Schubert S. 45; obwohl es nicht ganz unmöglich ift: es 
tonnten — denkbarer Weile — Gaue ohne Könige neben Gauen mit Königen 
fiehen; vgl. Könige VII. 1. S. 25, 65. 

8 Mit W. Sidel, Freiſtat S. 192. 

9) Wie er allerdings mit Recht bei den Sachſen ©. 193 thut. 

10) Mit Recht warnt v. Schubert S. 3 vor ber Ueberſchätzung ber Gefolg- 
4* 


92 


B. Die Schlacht von a. 496. 


An dieſer Schlacht ift Alles beftritten: Herbeiführung, Ort, Zeit, 
Wirkung auf die Befiegten. Noch immer wird biefer Ort irrig nach 
Zülpich verlegt!), während er viel weiter rheinaufwärts zu fuchen ift, 
f. unten. Bezeugt ift nur, daß ber Uferfrantentönig Sigibert in einer 
Schlacht bei Zülpich gegen bie Alamannen verwundet worben war, 
aber nicht, daß dies die Siegesfchlacht Chlodovechs und nicht, daß bei 
biefer Sigibert dabei fein Waffengenoſſe war, wenn auch lekteres 
wahrjcheinlich 2). | 

Der Ort der Schlacht ift näher nicht beftimmbar, nırr vie felbft- 
verftänbliche Nähe des Rheins wirb bezeugt), Daß Chlobovech ven 
Rückweg in fein Reich über Ioine (Juviniacum) 4), Tould), ven Gau 
von Vouzy, bie Villa Rillh und bie Aisne entlang nah Rheims 
nahme), ergiebt auch nichts Sicheres: wahrfcheinlich warb die Schlacht 
geichlagen zwifchen Straßburg und Mainz, doch näher bei Mainz. 
Nicht einmal das geht aus jenem Rückweg tes Siegers hervor, daß 


fchaften für Die Berfaffungsänderungen; aber feine Aufeinanterfolge von „Militair- 
Friedens und wieder Militatrftat” — verlennt, baß ber germanifche Stat flets 
beides zugleich war und blieb, 3.8. Gerichtsbann und Heerbanı hatte. 

1) Bon Mertel, de r. Al. p. 32. Arnold, Studien S. 108. Anſiedelungen 
©. 209. 381. Wirth I. S. 186. Bornbal L S. 209. Strakoſch⸗Graßmann I. 
&.185. Dünter, Bonner Jahrbücher II. &. 31. Hufchberg ©. 640; gegen 
Zülpich richtig v. Sybel, Bonner Iahrb. IH. S.40. Junghans ©. 39. Buſch 
©. 14. Garollo S. 150; zur vita St. Vedasti Kruſch, Mittheil. d. Inftttuts für 
öfterr. Geſch. XIV. 1893. Ueber die Schladht von a. 496 Greg. Tur. IL 30. 
Historia epitomata ce. 21 (dazu Waitz, Götting. gel. Anz. 1850. ©. 397; gegen 
Merfel, de republica Alamannorum). [Die ältere Literatur bei Sattler I. S. 370.] 
Junghans S.40. v. Sybel, Jahrbücher III. S. 35. Dünter, ebenda XV. &.50. 
Rudhart, Münchener Gel. Anzeigen 1849. Nr. 55. de Sinet, recueil de m&moires 
U. ©. 492. Richter I. S.35. Arnold, D. ©. IL. ©. 92. Unzugänglid blieb 
mir wie Waitz ©. 54 Ravanez, m&moire aur la bataille dite de Tolbiac. 
1857. Werthvoll: Buſch, Chlodovechs Aamannenfchlacht, Programme von Müuchen- 
Gladbach 1894. 1895.) Leviſon, Bonner Jahrbücher 103. 1898. ©. 40. 

2) Ueber Ausbreitung ber Alamannen in Gallien Meiten I. S. 512; aber 
daß fie bei Zülpich von dem Ripuarier Sigibert gefchlagen wurden (fo aud 
Bremer bei Paul? III. S. 917), ift nirgends gefagt, fo wenig wie das Umgelehrte. 

3) Bon der vita St. Vedasti, |. D. ©. Ib. ©. 77. 

4) Vita St. Arnulfi Bouquet III. p. 583. 

5) Vita St. Vedasti ed. Kruſch. ed. Bolland Febr. I. p. 195. 

6) S. die Beläge D. ©. Ib. ©. 77. 


53 


jene Gebiete an ber oberen Moſel ſchon vor dem Sieg ihm gehörten), 
noch weniger fteht das feft für das Land an Mofel und Saar. 

Wer ter Angreifer war, erhellt nicht?): die Vermuthung fpricht 
gegen den meropingifchen Wolf: aber Lämmlein waren bie grimmen 
Aamannen gerabe auch nicht. Der (diplomatische!) Brief Theoderichs 
läßt auf teren Seite eine Schuld (perfidia, excessus, culpa prima- 
riorum (Anftifter over Avel?), dagegen gratia und defensio Chlodovechs 
turchblidlen: vielleicht ein Naubzug (excessus) nach gejchloßnem Ver⸗ 
trag (perfidia): dies ber Anlaß oder Vorwand, aber der legte Grund 
hieß — Chlodovech. 

Für den Angriff durch Chlodovech ſpricht auch ſtark, obzwar nicht 
entſcheidend, feine (dann vereitelte) Abſicht, die Feinde zu überrafchen?). 
Sie erſchienen rechtzeitig in großer Zahl am (linken) Rheinufer. 

Bis vor Kurzem ward allgemein das Jahr 496 als das des 
Alamannenſieges Chlodovechs angenommen: allein ter dies beweiſen 
ſollende Brief des Pabſtes Anaſtafius iſt als falſch dargethan ). 
Nun hat man ſcharfſinnig zu beweiſen verſucht, daß zwei Siege Chlodo⸗ 
vechs zu unterſcheiden ſeiens). Man verlegt dann den entſcheidenden 
Sieg in das Jahr 506. Allein gleichwohl iſt nur Ein Feldzug, Ein 
Sieg und zwar a. 495/496 anzunehmen: entſcheidend iſt das Zeugniß 
einer unverbächtigen Hantichrift Gregors von Tours. Der Brief 


1) Wie Waitz ©. 52 annimmt. 

2) Nach Merkel, de r. ©. 32 greifen die Alamannen Chlodovech an und 
war Sigibert in diefer Schlacht (bei Zülpich!) Chlodovechs Waffengenoß: bie 
Quellen willen nichts von beidem. 

3) Ein Grund für ben Angriff Thlodovechs wirb nicht angegeben: er brauchte 
feinen! (Oengler, Rechtsbentmäler S. 80 meint, die Befekung bes untern Elſaß: 
aber die war ſchon c. a. 350 erfolgt). Bünbniß ber Mamannen mit den fernen 
Weſigoten ift nicht anzunehmen mit Garollo p. 150 (bie Burgunden vollends 
woren ja mit Chlodovech verbünbet!); „Räubereien ber Alamannen” trafen doch 
zunächſt Die Uferfranten; aber mit Unrecht findet Bufch gegen v. Schubert 
(S. 159) in Altuin, Vita St. Vedasti eine „Eroberung von Chlodovechs Reich“ 
die Alamannen (regno suo potiti per se). 

4) ®on Havet, questions M£rovingiennes II. 1885. 

5) v. Schubert ©. 35, ihm folgen, wenigflens in ber Zeitrechnung, Bogel, 
biftor. 3. 56. S. 385. Bremer bei Paul? III. ©. 917. Garollo p. 150. Buſch 
ID. S.13. Baumann ©. 491 (dagegen Ruppersberg, Bonner Jahrb. 101. ©. 64). 
W. Schule IL ©. 64. Uſener, Anekboton p. 37; überzeugend gegen Uſener, 
von Schubert und namentlich gegen Vogel (Willkür ift es, mit Vogel bie Zeitangabe 
Gregors für einen „päteren Zufaß” zu erklären) Kruſch N. A. 1887. N. 86. ©. 292, 
296, 301, 


54 


Theoderichs muß allervings nach 501 — der Quäftur Caſſiodors — 
gefchrieben fein: aber Alles erklärt fich, nimmt man an, daß die Auf- 
nahme nicht gleich nach ver Schlacht, ſondern erft nach einigen Jahren 
bes Umherziehens erfolgt fei: aljo etwa nach fünf over ſechs Jahren: 
bamit ftimmt die freilich fagenhaft übertreibenvde!) Angabe von neun» 
jährigem Umherwantern?): die würte auf a. 504 führen. Die Be- 
denken und Zweifel?) laſſen fich fämmtlich heben durch die Scheibung 
der Zeit der Schlacht (a. 496) von ver ver Aufnahme ver Flüchtlinge 
und der Abfaffung des Briefes Theoderichs nach a. 500/501, fo baß 
bie Annahme von zwei Siegen Chlodovechs, bie nirgends bezeugt 
find, überfläffig wirb?®). 

Der König fällt) und das Voll unterwirft ſich ſchon a. 496, wie 
Ennobius und Caſſiodor zweifellos beweifen. 

Richtig zwar fcheidet man) die von Sigibert vor bem Sieg 
Chlodovechs gejchlagene Schlacht bei Zülpich von biefem Sieg: aber 
Chlodovech hat nicht zuerft a. 496, dann nochmal zwifchen 50 1—507 
gefiegt”): die Quellen kennen nur ten Einen Sieg vor ber Zaufe 
a. 496, wobei ber (Eine) Alamannenfönig fällt und wonach (fpäter) 
Theoderich die Flüchtlinge aufnimmt: hierauf geht Caſſiodor ®). 


1) Merkel, de r. S. 32 unterjheibet, der Sage Fredigars c. 21 folgend, 
bie fofort unterworfen von den neun Sabre umberziehenden Alamannen. 

2) Liber hist. Franc. III. 21. 

3) von Schubert ©. 48 f. 

4) Gegen die Annahmen won Schuberts überzeugend Mommſen, Eaffiobor 
p. XXXII. wie Kruſch, vita St. Vedasti, Mittheil. d. Inftit. für öfterreich. Ge⸗ 
ſchichtsforſchung XIV; Krufch zumal gegen die Verwerthung dieſer vita, Die nicht 
in das VI., erft in das VII. Jahrhundert zu feten und von St. Jonas von Sufa 
(Wattenbah 1.6 ©. 118) verfaßt ift. 

5) Die methodiſch fonft vorzügliche Schrift v. Schuberts follte nicht ©. 145 
(gegen Ennodius, den fie mit Recht fo hoch werthet,) blos aus Eifer gegen Gregor 
zu ber Frage gelangen: „war ber König ber Alamannen wirklich gefallen? Die 
Angabe kann zu höherer Erbauung leicht binzugebichtet fein”. Aber Ennodius 
bat doch 70 Jahre vor Gregor nicht „zu höherer Erbauung binzugebichtet“. 

6) v. Schubert. 

7) Cramer ©. 217 folgt ihm mit vielen Phantafleen; er lieſt noch a. 1900 
II. 41 causis fortioribus ftatt caesis, wie Mommfen fchon 1894 berichtigt hat. 
©. unten. 

8) D. 41. Im ber forgfältigen Auslegung dieſes Briefes bei v. Schubert 
©. 32, 34, 44 iſt Doch die Ueberſetzung >»illum regem cecidisse cum gentis 
superbia«e = ber „Abel des Volles“ gewiß unrichtig: es iſt ein „Zeugma“: 
der König und des Volkes Hochtrotz. Dünger XIII. ©. 44 wollte leſen in ausis: 
alle Handſchr. haben causis fortioribus: Mommſen p. 73 (1894) trefflich caesıs 


95 


C. Die Iinterwerfung: räumliche Begränzung. 


Sehr beftritten find auch tie Wirkungen, die Folgen des Sieges 
b. 5. die Gränzen ber Unterwerfung ter Alamannen: einmal räumlich, 
dann dem Maße der Rechte des Frankenkönigs und der Behandlung 
bes Grundeigenthums nach: über beides Letztere wirb in ber Verfaflung 
— bei Abgränzung der Rechte des Merovings und des Stammesherzogs 
— ausführlih 1) zu Handeln fein. 

Und getrennt find auch hier die Verhältniffe vesjenigen Theiles ber 
Alamannen zu behandeln, der fich damals noch durch Auswanderung 
und ſchützende Aufnahme bei Theoderich tem Großen ter Franken⸗ 
berrihaft — auf 40 Jahre — entzog. 

Zu einer Verſchmelzung ver im Neich vereinten Stämme auch 
nır rechts vom Rhein Tam es damals fo wenig wie [päter?). 

Wie weit fchon nach dieſer Schlacht die Frankenherrichaft über 
tas Alamannenland nach DOften und Süden fich erftredte, ift kaum 
feftzuftellen?). Jedoch tarf man das damals noch durch Theoderich 
geſchützte Land nicht zu weit nach Weften und Norben ausbehnen‘), 


fortioribus: das find aber nicht gerade bie Ebelinge, bie primarii; auch fonft werben 
v. Schuberts Ausführungen gegen Dünter durch Mommfens Ausgabe bekräftigt. 

1) Hier genügt das Folgende. Bon „ftrenger Eroberungsfitte” Stälin (V.) 
L ©. 170, alfo etwa Berfnechtung oder auch nur Entziehbung des Volleigens am 
Boden ift nicht zu verſtehen Caffiopor II. 41 nationem servitio subjugatam: 
das bebentet nur Untertbanfchaft, ganz wie von feinen Franken, Könige VIL 3. 
S. 382; gegen bie Annahme, daß alle Einwohner gefllichtet ober nur als Hörige 
zurüdgeblieben feien, auch Stälin (B.) a. a. O. Stältn (S.) ©. 65 meint, Chlodo⸗ 
vech babe den Alamannen „im Anfchluß an die alte Sitte beutfcher Eroberer“ (?) 
ein Drittel ihres Landes — das nörblide — abgenommen, bie fränfifchen Ans 
fiedfer bier follen nach Zeugnif ber Ortsnamen meift chattifchsheffifche geweſen, 
Aamannen nur als Hörige im Lande geblieben fein: ſ. dafelbft die Abgränzung 
des fränfifh geworbenen von dem alamannifch verbliebenen Lande. Mifchung 
fräufifcher und alamannijcher Ortsnamen Arnold, Anfievelungen ©. 209. 

2) Richtig Brofien, Karl der Große ©. 96. 

3) S. anfprechende Bermuthungen bei Stältn (V.) I. S. 149, ber von ber 
fpäteren Benennung „Franken“ ausgeht: der Sprengel von Speier, Worms, theil- 
weiſe Wirzburg, bie Nedar-, Kocher, Jagſt- und Zauder-Gegenden; zweifelnd — 
mit Recht — auch Brunner I. S. 188; vgl. Arnold, Studien ©. 109. 

4) Wie Stälin (®.) a. a. O., der auch Augsburg (und ben ganzen fpäteren 
Sprengel von Conſtanz) als ofigotiih annimmt, wie allerdings mit Recht bie (ala 
manmifche) Schweiz. Chlodovech würde ſich gewiß nicht, wie Stälin (B.) meint, 
baburch haben zurückhalten laſſen, daß in römischer Zeit Rhätien zur Präfectur 
Stalia gehört Hatte. 


56 


wenn man auch anbrerjeit ben Schug nicht bejchränfen kann auf 
biejenigen Völkertheile, vie auf bisher oftgotifche8 Gebiet flüchteten: 
(diefe Auswanderer mit Weib und Kind und mit ihren Herden wurden 
in bem bisher oftgotifchen Rhätien angefievelt)1). Ohne Zweifel fand 
aber damals auch eine Machterweiterung bes gotifchen Reiches ftatt. Die 
„müden“ Ueberbleibſel (fessae reliquiae), deren Chlodovech ſchonen foll, 
find die im Alamannenland DVerbliebenen: denn daß er nicht die in 
das Gotenreich Aufgenommenen in biejes hinein verfolgen durfte, ver- 
ftand fich von felbft, beburfte nicht erft bes Erſuchens Theoderichs: 
bie defensio parentum b. h. des Chlodovech verjchwägerten?) Amalere 
ſchützt aber auch die im Lande Verbliebenen. Anbrerfeits ift e8 arge Ueber- 
treibung, läßt Ennodius?) die „Sefammtheit Alamanniens“ (Alaman- 
niae generalitas) in bie Gränzen Italiens aufnehmen „ohne Schaten 
für den römiſchen Befigftand“ *), va Theoderich an Stelle des gefalle- 
nen ihr König geworben: „zum Heile gebieh ihnen, daß fie aus ihrer 
Heimat flohen, denn dadurch gewannen fie (d. h. bie Auswanderer) 
ben Reichthum unfere® Bodens, den fte früher durch feindliche Ein- 
fälle „immer” (semper) verheert hatten: ftatt deſſen ift dieſe Geſammt⸗ 
heit nun Schirmerin des (römifch-gotifchen) Reiches geworben: bie Ein⸗ 
wanberer haben (früher oft von ihnen gejchäpigtes) dem Pfluge günftiges 
Larıd gewonnen, fie mögen fich freuen, bie fchilfreiche (ſumpfige) Heimat 
gegen befjeres Land vertaufcht zu haben.” In wie fern ver ftark fagenhaft 
gefärbte Bericht Fredigars 5), die (d. h. einige) Alamannen feien nach 
ber Auswanderung neun (al. hundert) Sabre ummbergezogen, hätten aber 
fein Volk gefunden, das ihnen gegen die Franken geholfen hätte, und 
fich deßhalb ſchließlich Chlodovech unterworfen, theilweife auf gefchicht- 
fihen Grundlagen ruht, ift nicht zu ermitteln: wahrſcheinlich tft es 
nur der Ausbrud dafür, daß jene Aufnahme nicht fofort erfolgt war 





1) Caſſiodor VII. 4. vgl. I. 4; nicht in Paunonien, wie Diommfen, Caſſiodor 
p. XXXU. 

2) Könige II. ©. 142. 

3) panegyr. 

4) Ganz irrig verfieht Baumann ©. 493 »sine detrimento Romanae 
possessionis« bei Ennobins von bem Lanbbefig ber einzelnen Romanen: das 
müßte heißen: Romanorum possessorum: es ſoll fagen: ber orbis Romanus, zu 
dem auch Theoberiche Reich zählt (Könige III. ©. 17f., passim) bat feine Gebiets- 
abtretung burch die Anfnahme erlitten: nur das entipricht ber ganzen Redeweiſe 
bes Panegyricus. 

5) c.21. p. 101. 


97 


(j. oben ©. 54) und daß auch die von Theoderich geichügten Aus- 
wanterer fpäter (a. 536) ven Franken unterworfen wurben?). 

Keineswegs haben vie Franken die Alamannen c. a. 496 ganz 
aus ten tamals unterworfenen Landen verdrängt: fogar in bem jenen 
nächften Gebiet, im Elſaß, blieben dieſe fo zahlreich, daß heute noch 
in Straßburg alamannifch, weder ufer- noch fal-fränktifch noch roma- 
niſch geiprochen wird: das ift boch entſcheidend. 

Allerdings erfolgte nun ftarke Einwanderung von Franken in ten 
Elſaß und vie dem Rheine nächften alamannifchen Gebiete, auch gegen 
Heflen Hin?) 

In viel fpäterer Zeit lief die Gränze zwifchen Franken und Ala- 
mannen durch Heimsheim zwiſchen Pforzheim und Stuttgart, dann 
auf ber Höhe zwifchen dem Murr⸗ und dem Lein-Thal, weiter öſtlich 
bei Waffertrübingen. Von Hier erftredte fih Alamannien bis auf bie 
Gipfel der Alpen und weftlich über den Elfaß bis an die Vogefen?). 
Daß ein Grafengebiet alamanniiche und fräntiihe Bevölkerung um- 
faſſen Tonnte, Hält man“), daher mit Unrecht für ausgefchloffen: im 
Elſaß fiedelten doch gewiß Alamannen und (feit c. a. 500 jebesfalles) 
eingewanterte Franken in ver gleichen Grafſchaft >). 

Welches vie Wirkungen des Sieges Chlodovechs von a. 496 waren, 


1) Das nostris finibus celantur exterriti bet Caſſiodor 1. c. kann bie Auf 
genommenen, aber wohl auch bie bis an umfere Gränzen Gefllichteten bezeichnen. 
Irrig läßt Caffiodor das ganze Volk halb durch das Schwert, halb Durch Knechtſchaft 
umterjocht werben: denn ſowohl die Ausgewanberten als Die im Lande Verbliebenen 
und von Theoderih gefhltten werben nicht von Chlodovech umterjocht. 
Agathias L 6 läßt übertreibend den ganzen Stamm von Theoberich zur Schaungs- 
pflicht unterworfen werben, doch nur bie nicht won Chlodovech Unterworfenen. 
Auf Das von Theoberich neu erworbene Gebiet geben feine Worte 1. c.: nee sitis 
solliciti ex illa parte (Landſchaft) quam ad nos etc. 

2) Stälin (8.) I. S. 221. Genau gränzt Weller II. &. 325 das a. 496 
fräntifch gewordene und das von Theoberich gefhliste Land ab: nur bie nörb» 
lichſten Site ſoll Ehlobonech gewonnen haben[?]. Weber das VBerbleiben vieler 
Aamannen in ben von Franfen nach a. 496 hefettten Gebieten Weller, Auſiedel. 
©. 40; aber weder warb all dies Land (nach Schröder) Kronland, roch legte 
Chlodovech fränkiſche Beſatzungen hieher (fo nach castrum Stochamburg); zahl 
reiche Krongüter und Kronkirchen allerdings in württemb. Franken Weller S. 42, 
Heilbronn, Lauffen und andere. 

3) Stälin (V.) I. ©. 222. 

4) Waitz⸗Zeumer V. ©. 177. 

5) Stälin (8.) I. S. 316. 


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ift alfo beftritten!): e8 erfolgte aber offenbar eine Unterwerfung des 
ganzen im Lande verbleibenden Volkes: nur diejenigen Theile 
besjelben, welche, bie bisherigen Sige räumend, unter Berftattung 
Theoderichs, in das gotifche, bisher nicht alamannifhe Rhätien 
auswanderten, entzogen fich der fränkischen Herrſchaft?). 

Irrig ift alfo, daß nur die Alamannen auf dem linken Rheinufer 
unterworfen wurben?). ‘Daß anbrerfeits die heffiiche Wetterau damals 
ben Alamannen entriffen und zu fränkiſchem „Königsgut” gemacht 
worbent), ift noch weniger anzunehmen. Man muß unterjcheiven 5) 
zwifchen ftatsrechtlicher Unterwerfung — Gebietshoheit — und fränti- 
ſcher Landnahme alamannifhen Bodens zu Privateigentbum. Keines- 
falle8 aber darf man) für die Tage Sigiberts von Köln und Chlodo⸗ 
vechs, ja nicht einmal für bie gefammte merovingifche, erft für die 
arnulfingifche Zeit (c. feit 650) über die Ausbreitung von Franken 
öftlich vom Rhein verwerthen ven Erbbeichreiber von Ravenna, welcher 





1) Brunner I. S. 183 läßt die Alamannen ihre uörblihen und weftlichen 
Gaue Chlodovech „vollftänbig abtreten“: alfo wohl räumen, behufs Anfiebelung 
von Franten? Wie „ber Sieg Über bie Alamannen Chlobonech den Weg zu den 
andern Theilvölkern des fränkiſchen Stammes, zu Mittel- und Ober-Kranfen 
fret gemacht haben“ foll, Lamprecht I. S. 283, ift geographifch ſchwer zu verſtehen. 
Aamannien lag bocdh nicht zwifchen Saltern und Uferfranten, und in dem heutigen 
baterifchen „Kranken“ ſaßen Thliringe, nicht Uferfranten. Anderwärts wurbe bar- 
gewiefen die hohe Bedeutung der Unterwerfung ber Alamannen für bie ganze 
fünftige Geſchichte des Frankenreichs: dadurch warb verhütet, daß e8 fih nur gegen 
Süpdmelten ausdehnte und ganz romanifirt wurbe: dadurch wurde Die Brücke über 
ben Rhein behufs Unterwerfung anch ber andern Weftgermanen gefchlagen, baburch 
warb ein germaniſches Oftland gewonnen, das das wäljche Neuftrien erfrifcht uud 
gerettet hat. Urgefch. III. ©. 48, 715f. D. G. Ib. ©. 5; dem hat jetst auch Breifig 
II. 2. S. 701 beigeftimmt. StrackoſchOraßmaun I. S. 185 läßt damals nur bie 
Alamannen am Rhein, nicht die an Lech und Bodenſee unterwerfen. Gebhardt 
I. ©. 138 tennt als „innerbeutfhe Stämme“ unter fräukiſcher Herrſchaft nur 
Thüringe und Baiern, keine Aamannen: warum? 

2) Anders laſſen fi Gregors II. 30 Bericht und Theoderichs Brief Cassio- 
dorius Variarum libri II. 41 nicht auslegen. 

3) Luden, Geſchichte des teutjchen Volkes III (1827) &. 92. Dünter, Jahrb. 
XV. ©. 46. 

4) Arnold, Anftebelungen I. ©. 210. 

5) Dies gegen die Anficht von Kremer, Rheiniſch. Francten ©. 30. Wend, 
beffifche Landesgeſchichte II. S. 153. Lang, bie Gaue ©. 27. Hufchberg, Gefchichte 
ber Alamannen und Franken S. 641. Bgl. Stältn I. ©. 150. Merkel, de re- 
publica Alamannorum p. 5. 


6) Mit Waitz ©. 53. 


59 


freilich fein „Rhein⸗Franken“ (Francia Rhinensis) wie an „Alaman- 
nien“ fo unmittelbar an Thüringen gränzen läßt, (ohne bier ber Helfen 
zu erwähnen:) denn er fchrieb exit zu Ente des VII. Jahrhunderts 9. 

Gene „Franken“, die auf dem rechten Rheinufer von Zeitgenoflen 
erwähnt werten, fo in dem Leben des h. Hilarius?) [geft. a. 449] — 
„zwiſchen Sachfen und Alamannen wohnt ein Volt, nicht jo faft breit 
an Landbeſitz als ftark: Francia nennt man es jekt dort“ — können die 
Heſſen fein, welche ja (wie ſpäter fogar auch vie Thüringe)?) zu den 
Franken im weiteren Sinne zählten, und Heflen und Uferfranten (feines- 
falles falifche) waren es, tie vor Alters von Einfällen ter Thüringe zu 
leiden gehabt hatten“: denn hier find zweifellos nicht linksrheiniſche 
Thoringes), find mitteldentfche Thüringe gemeint. Allerdings herrſchten 
uferfränkiſche Könige auch auf dem rechten Rheinufer: ob aber die 
„Buchonia“, in welcher König Sigibert (luſtwandelnd oder umher⸗ 
ziehend, wohl jagend! ambolare) ermordet ward, unter feiner oder 
ber befreunveten Heffen Herrichaft ftand, ift nicht gejagt; das erftere 
ift ja wahrſcheinlich, aber nicht nothwendig e). Bon a. 496 bis 650 
aber hatte fich ein fo breiter und ftarker Strom fräntifcher Einmwante- 
rung in jene Gebiete ergoffen, daß das Land nunmehr zwifchen Coblenz 
und Fulda geradezu „Francia“ hieß. 

Durch die Unterwerfung ber Alamannen (a. 496) warb erft ber 
lange fchwebente Streit entſchieden, inwieweit Franken, inwieweit 
Alamannen bie römiſche Erbfchaft in Gallien antreten fellten”): denn 
baß im IV. und V. Jahrhundert eine erhebliche Ausbreitung ter Ala- 
mannen nach Norden ftattgefunden hatte — fie nehmen Mainz — 
ſollte man gegenüber den zahlreichen Zeugniffen aus beiden Vahr- 
hunderten nicht beftreiten®), auch wenn man auf die Ortsnamen nicht 
fo fchweres Gewicht legen wili?). 


1) ©. Teuffel, Geſchichte ber römischen Literatur 3. Aufl. 1875. ©. 1183 und 
bie daſelbſt angeführten Schriften. 

2) Bouquet I. p. 373. 3) Könige VIL1. ©. 14f. 

4) Greg. Tur. III. 7. 5) Urgefch. IH. ©. 48. 

6) Mit Recht erflärt Waitz S. 53 dieſe „Buchonia“ ber alten Bulinobanten 
für gleichbedeutend mit der fpäteren und weift bie Annahmen von Zeuß S. 344 
(Köln) und Leo, Borlef. I. S. 349 (Werra) zurüd. 

N) ©. oben ©. 47. 

5 Wie W. Scherer in ber Jenaer Fit.-Zeit. 1876. a. N. 418, ber jene rd. 
miſchen Quellen nicht kannte ober nicht würdigte. S. Urgefchichte IL. S. 251. 

9) Wie Arnold, Anfiebelungen und Wanderungen Deutiher Stämme I. 
Marburg 1875. ©. 163, 


60 


Um das Eindringen ber Franken in vie urfprünglich alamannifchen 
Lande, bie deßhalb fpäter Oſt-Franken genannt wurden, und ganz ebenfo 
ſpäter in bie urſprünglich thüringifhen Gebiete (von Wirzburg bis 
Coburg und Hof) zu erklären, ift e8 nicht nothwenbigt), Abtretung etwa 
bes dritten Theiles des Bodens ber Befiegten an ben meropingifchen 
König anzunehmen. Daß das ein „altes Verfahren deutfcher Eroberer” 2) 
geweſen fei, alfo eine allgemeine Sitte, läßt ſich aus dem einzigen 
Tall Ariovifts3) doch nicht fchließen. 

Das Beilpiel ber aus Italien heimkehrenden Sachjen*) ift fagen- 
haft gefärbt, ganz wie ähnliche Anerbietungen, 1/, oter !/s abtreten 
zu wollen, um Frieden zu erlaufen, in der Sage auch fonft begegnen 
3. B. bei ven Sachfen gegenüber Chlothachar I.®), Langobarden gegen- 
über Herulern‘). Die Dritteltheilung (tertiae) bei Oſt- und Weft- 
goten, Burgunden und Langobarten mit den römifchen possessores 
aber ift nicht germanifchen, fondern römiſchen Urfprungs”), Was 
jonft noch für Drittelabtretungen angeführt wird, bezieht fich nicht 
auf Landabtretung von Beſiegten an ven Sieger, fondern Theilungen 
zwiichen verbünbeten Königen: jo Gopigifel und Chlodovech, Gundebad 
und Chlodovech, Hermanfrid und Theuderich J.8). Die Zinspflicht 
in biefen &egenben®) beweift doch auch nicht für Lanbabtretungen an 
ben merovingiſchen Fiscus: ganz ähnliche Zinspflicht findet fich bei 
ben Sachen ſchon feit Chlothachar I.1%), wobei an Landabtretung gar 
nicht zu denken ift: Schagung warb Befiegten, welche man perfönlich 
frei auf der Scholle beließ, auch fonft häufig auferlegt!). Vielmehr 
erklärt fi das Einbringen von Franken in jenen Gebieten fehr einfach 
daraus, daß tie Merovingen ven hier liegenden gewiß nicht geringen 
Grundbeſitz des geftürzten Königshaufes erwarben, dann fpäter bei 
Niederwerfung der häufigen Empörungen bie Güter auch der Edeln 
und Gemeinfreien einzogen und, wie es fcheinen will, planmäßig das 


1) Mit Saupp, Anftebelungen ©. 55 und Waitz ©. 57. 
2) ©. oben ©. 55 Stälin V. n. ©. 

3) Caesar, b. G. I. 31. 

4) Greg. Tur. V. 15. 

5) Greg. Tur. IV. 14. Urgefd. III. ©. 113. 

6) Prokop II. 14. Könige I. ©. 6. 

7) Könige VI. ©. 58 und oft. 

8) Greg. Tur. II. 32. III.4. Gesta Francorum c.18. Urgeſch. IH. ©. 61f. 
9) Walt ©. 58. 

10) Urgeſchichte III. ©. 113. 

11) Könige IL. ©. 6; die Leiten D. ©. Ia. ©. 209—213. 


61 


Einwantern von Franken zur Befeftigung ihrer Herrichaft begünftigten 
(— mie fpäter in Aquitanien, Septimanien und bei den Sachſen ge- 
hab), indem fie die Gemeinden zwangen, bie fränkiſchen Anſiedler in 
ven bier noch böchft umfangreichen Urwäldern roden zu laflen. Bon 
ven auf (nun fränkiſches Krongut geworbenen) Ländereien angefievelten 
Franken wie Alamannen erhob dann bie Krone felbftverftänplich privat- 
rechtlichen Zins, nicht nur ftatsrechtliche Steuer 1). 

Daß ſchon vor Chlodovech das Land um Nedar und Main frän- 
kiſch geweſen?), ift mit den früheren Angaben?) nicht zu vereinen und 
ebenfowenig mit ber Vorfchiebung der Alamannen bis Mainz, ja — 
wenigftens in Vorſtößen — bis Zülpich, während eine erft nach 
Chlodovech erfolgte Eroberung biefer Gebiete‘) nirgends bezeugt ift. 
Die Unterwerfung traf alfo das ganze Land ter Alamannen und 
auch das ganze Volk, foweit e8 im Lande und das Land alamanniſch 
blieb, nicht oftgotifch wurde. 

Wie weit aber nach Norboften auf dem rechten Rheinufer fich 
bereits Chlodovechs Herrichaft erftredte, wird nicht mehr auszumachen 
jein: Teinesfalles haben fchon feine Vorfahren bei Uferfranten und 
Heflen geberricht, gejchweige denn gar bier ven Sig ihrer Stärke ger 
habt). Auch Chlodovech hat ſich erft durch Beſiegung der Ala- 
mannen unb Heranziehung ber Uferfranken tie Brüde über ven Rhein 
geichlagen: auch durch Gebiet ver jebesfalles befreundeten, wenn nicht 
verbündeten Uferfranten mochte der Salier zum Angriff auf bie 
gemeinfamen alamannifchen Teinte ziehen®). Jedesfalles vie Gebiete 
zwiſchen Maas und Rhein wurden nun erjt mit ben weftlichen Ges 
bieten verbunden”). Bon nun ab erfolgten ftarle Einwanberungen von 
Franken in das rechtsrheinifche alamannijche und heſſiſche, fpäter dann 
auch in das thüringifche und fächfifche Land. 


1) S. unten „Finanzhoheit“. 

2) Zeuß ©. 323. 

3) Oben ©. 48. 

4) Schöpflin, Alsatia illustrata I. p. 753. 

5) Wie Schröber, Forſch. XIX. ©. 143, 170. Franken S. 25. 
6) Dies gegen Waitz ©. 52. 

7) Waitz a. a. O. 


62 


D. Chlodovech und Theoderih. Die Aufnahme von Alamannen. 


Vielfach beftritten find auch die Verhältniffe bei ber ſchützenden 
Aufnahme auswandernder alamannijcher Vollstheile burch Theoderich!). 
Ob das oftgotifche „Rhätien“ 2), in welches auswandernd bie flüchten- 
ben Theile der Alamannen Aufnahme fanden, nur Graubünden, Chur- 
rhätien, Engabin, die Südoſtſchweiz?) umfaßte, oder auch das Land 
zwiſchen Donau, Lech, Iller und Botenfee‘), alfo ten heutigen baie- 
riſchen Schwaben und Neuburg und ein Stüd von Württemberg, wirb 
ſchwer feftzuftellen fein: koch ift höchſt unwahrjcheinlich, daß Theode⸗ 
rich fo weit nördlich der Alpen geherricht habe. Selbftverjtändlich 
ift der Brief Theoderichs jünger als die Schladhtd), da er ja bie 
Unterwerfung aller nicht ausgewanderten Alamannen vorausjegt. Aber 
an einen fpäteren Aufftand der Alamannen®) ift nicht zu denken: er 
ift völlig unbezeugt. Auch Lage, Begriff, Umfang jenes „gotifchen 
Rhätiens“ ftehen nicht ganz feſt. Hiefür ift maßgebend bie Aus- 


1) Könige II. ©. 146. Urgeſch. J. ©. 244. D. G. Il. ©. 75F.; daſelbſt 
außer Theoberiche Brief Eaffiod. II. 41 die Stellen bei Ennobius, panegyr. c. 12. 
Agathias I. 6; vgl. Burkhard, Archiv f. Schweizer Geſch. IV. ©. 50. Meyer von 
Knonau, Anzeiger f. Schweizer Geſch. III. 1879. ©. 150; vgl. dazu Mommien, 
Caſſiodor p. XXXIII. Befonders aber Kruſch, N. A. XII. ©. 291. 1887. Hille 
brand ©.63 läßt alles Land bis an die Donau fränfifh, alles fünlih der Donau 
oftgotifches Schutgebiet werben — beides zu wiel gefagt. Die Theoderich ſchatzen⸗ 
ben Aamannen find nit in „Schwaben“ zu fuchen (mit Stradof-Graßmann 
I. ©. 233): e8 find Die »recepti«. 

2) Ueber Rhätien unter oftgotifcher Herrichaft Halban, S. 110. 

3) Nah v. Schubert S. 11 und Baumann 5.493 haben die Alamannen 
bie Schweiz erſt unter Theoberih in Befi genommen. 

4) So Arnold II. S.93. Biel zu weit nach Norden biesfeit der Alpen 
dehnen Baumann S.496, von Schubert S.121 und Buſch II. S.18 ihm folgend, 
bie Herrfchaft Theoderichs hier aus. Richtig aber gentilitas bei Eaffiod. IL 41. 
v. Schubert S. 39: nicht nothwendig „Heibenfchaft”, auch „Barbarenwelt“ und 
infofern freilih auch Heidenſchaft. Allzuniel wirb Doch für Die Anfiebelung ber 
a. 496 aufgenommenen Alamannen aus ganz fpäten Ortsnamen gefolgert von 
Baumann ©. 494: ein „Herzog“ der Einwanberer, der an Stelle des dux von 
Rhätien getreten fei, ift eine ganz umbezeugte und unmögliche Erfindung. 
Alamannorum generalitas bei Ennobius fol nach Baumann heißen, Alles, was 
immer a. 506 (b. b. a. 496) alamannifhen Namen gerettet bat” ©. 496: hießen 
bie Alamannen im Elfaß nicht mehr Alamannen? 

5) Wie Düntzer III. ©. 34. XV. ©. 36. 


6) Uſener, Feftichrift S. 40, 69; Ähnlich v. Schubert a. a. O. 


63 


(egung des Schreibens Theoderichs an feinen dux beider Rhätien?). 
Diefer ift felbftverftändlich nicht ver Alamannenherzog, ben Chlodovech 
(over feine Nachfolger) einfegten ?). 

Wenn man?) die Formel für biefen bei Caffiobort) für veraltet 
hält, „die ſich in der Cancelei erhalten haben möge”, aber „in jevem 
Wort Tängft vergangene Zuftände” varftelle, fo verkennt man völlig 
die Eigenart ber Caſſiodoriſchen Sammlung®), die durchaus die Gegen- 
wart fpiegelt, ver fie bienen will; bie Barbari vor den Eingängen 
Rhätiens find nicht nur die Alamannen, auch die®) Baiern, bie 
im Jahre 538? (5367), vielleicht im Einvernehmen mit ten ebenfalls 
einbrechenben Alamannen”), füblich des Brenners heerten?®). 

Irrig ift jelbftverftändlich des Ennobins Angabe, tie generali- 
tas Alamanniae?) fei in Italien aufgenommen worben: boch nur 


1) Könige III. ©. 179. Grabfchrift eines »praeses« Victor I. von Rhätien 
ec. a. 600. Mohr II. ©. 6 eines Bicter III. vor a. 720 ©. 8 f. unten Chur 
Ahätien. 

2) S. unten „Herzogthum“. Buſch I. ©. 115 fcheint ſolche Stammesherzoge 
von a. 536— 740 zu beftreiten. 

3) Sramer ©. 201. 

4) VIL 4. 

5) Bgl. hierüber die treffliche Ausführung von Schubert ©. 34. 

6) Bon Cramer Übergangnen. 

7) v. Schubert ©. 59. 

8 Stälin (S.) S.67 will den Schuß Theoderichs beſchränken auf bie in 
bisher bereits gotifche Gebiete (Ahätien, das Gebirgsland) Geflüchteten, alles bisher 
alamannifche Land foll fhon damals dem Franken unterworfen worden fein. 
Dagegen richtig v. Schubert ©. 47 „es iſt durchaus nicht geboten, bie auf Theo 
derichs Boden Erſchienenen mit den von ihm beſchützten zur ibentificiren“, d. b. er 
Iounte außer ven zu ihm Gefllichteten auch die ihm Nächften, ber in ihrem Lande 
Berbfiebenen fchügen wollen. Ganz trrig läßt Garollo p. 150 die Flüchtlinge 
vermöge des gotifchen Schutzes in Die alte Heimath zurückkehren. Bon Schubert 
6. 100-123 läßt ſchon gleich nach a. 496 alles Alamannenland ofigotifch werben: 
aber doch nicht den Elſaß 3.8.7? Wo zieht er die Gränze? Bol. ©. 82. Auch 
bie Baiern follen unter den Oftgoten geftanben haben: aber fie find vielmehr bie 
„grimmen Völker“, bie Rhätien bebroben, find bie „Sueben”, bie a. 536 in 
Benetien beeren; nad v. Schubert follen fie mit den Alamannen a. 536 von 
Bitiges Thenbibert I. „abgetreten“ fein, bie Alamannen ſich willig gefligt haben 
(fie wurben gleich darauf (a. 539) won Theudibert gegen bie Goten verivenbet). 
Baumann verlegt die Aufnahme der Alamannen nad) Rhaetia prima, Oſttirol 
und Vorarlberg; aber Ennobins, Scr. antiq. VII. p. 212, fagt: >intra Italiae 
terminose: willfürlich wirb bier Italia erflärt als „die weſtrömiſche Didcefe”. 

9 S. oben ©. 51. Fickler p. XVI; f. Bornhak ©. 214. Schippa 1. c. 
Bohnenberger, Ortsnamen ©. 16. 


64 


bie Flüchtlinge: denn Italiae termini können unmöglich auch die von 
ben verbfeibenten, nur gefchügten Alamannen befievelten Gebiete um- 
fallen. 

Sehr mit Unrecht fieht man!) in ben Augustanae clausurae 
Augsburg. Ganz unmöglich kann eine Stadt in flacher Ebene, bie 
gar nichts „verfchließt”, >clausurae« heißen, auch wenn man noch 
Kempten und Epfach bazu nimmt: clausurae, clusae, find Berg» 
Päſſe, Berg-Engen, wie ber ganze Sprachgebrauch jener Iahrhunterte 
von Gregor von Tours bis Paulus Diaconus und in den Rarolingifchen 
Annalen vielfach bezeugt?): gewiß nicht reichte Theoderichs Machtgebiet 
bis Augsburg). 

Mit Unrecht will man!) die Alamannen in Pannonien anſiedeln 
gegen Agathiasd), ber fie in „Venetien“ ®) fieveln und bier ven Franken 
abgetreten werben läßt. 

Die oftgotifche Provinz „Suavia“) ift nicht ein alamannifches 
„Schwaben“ ®), jondern das zu Dalmatien gehörige Savien an der 
Save, wo zahlreiche gemeinfreie Goten — capillati?) — vielleicht 
icon feit der Einwanterung (a. 489) fiebelten und fpäter von Vitiges 
aufgeboten wurben: auch Sueben wohnten hier feit Alters, tie aber 
Prokop 1%) von den „ven Franken unterworfnen Sueben“ (— Schwa- 
ben) ausbrüdlich unterfcheibet. 

Der Zeit nach unbeftimmbar ift ber Erlaß Theoderichs 11), betreffend 
den Rindertauſch ver durch Noricum (alfo nach Oſten) ziehenden Ala- 
mannen mit ten Provinzialen; man kann an bie Flüchtlinge denken, 


— — 


1) Jäger, Sit.-Ber. d. Wiener Alad. 42. ©. 409. Baumann ©. 488. 

2) Bgl. Urgefh. III. ©. 885, 902, 968. Plante, Rhätien &. 248 findet bie 
Augustanae Clausurae ebenjo unrichtig in der Scharnig (von Innsbruck nad 
Partenkirchen): zweifellos ift Aofta gemeint; vgl. Spruner-Mente N. 29: dafür ber 
ganze Sprachgebrauch Urgeſch. III. a. a. O. 

3) Wie Baumann ©. 491; vgl. auch Jäger S. 410, von Schubert ©. 55. 

4) Mommſen, Cassiodor. XXXII und Galanti. 

5) I. 6. 

6) Beveriov a mieista: Übrigens ein ſchwer abzugränzenbes Gebiet; richtig 
Ludo Sartmann, bas ital. Königreih I. S.173 und Schippa p. 1. 

7) Cassiod. IV. 49. V. 14. 15. IX. 8. 9. 

8) So fhon Könige III. ©. 25 und fo gegen Merkel, rep. p. 32, Anm. 11 
und Planta, Rhätien, jetzt auch richtig v. Schubert ©. 62. 

9) Könige III. ©. 26. 

10) b. G. I. 15, 16. 
11) III. 50. 


65 


aber auch an alamannifche Hilfsfharen nach Pannonien gegen Gepiben, 
Langobarven, Hunnen, Biyyantiner!), wie umgelehrt?) Gepibifche gen 
Weſten — nach Gallien — geſchickt wurden?). Die sette und bie 
tredici communi bei Bicenza find allerdings von alamannifchen 
Einwanderern bewohnt; das find aber weber die von c. a. 500, noch*) 
die a, 370 von Theodoſius nach Oberitalien verpflanzten®), feither 
völlig verfcholfenen, ſondern viel jpätere Anktümmlinge®). 


5. Die Alamannen nach Chlodovech bis zum Ende der 
Herzogszeit (a. 511—746). 


Bald nach Theoderichs Tod (a. 526) gerietben auch vie bisher 
von ihm gefchügten Alamannen in Rhätien in Abhängigkeit von ben 
Franken: in ber trügerifchen Hoffnung, in der Bebrängniß burch bie 
Byzantiner die Waffenhilfe der Merovingen zu erfaufen, traten bie Oſt⸗ 
goten wie ihre Befigungen in Sübgallien fo jene von ben eingewanderten 
Alamannen befiedelten Gebiete ſammt ter Bevölkerung dem Franken⸗ 
fönig Theudibert ab (a. 536) 7). 

Grundlos behauptet man), nur die alamannifchen Colonien am 
Po 9), von denen feit Balentinian kein Wort mehr verlautet, nicht die Goten 
hätten die Franken um Hilfe angerufen: aber Agathias 10) fagt das aus- 
drücklich. Erſt jet war alles Volk wie alles Land der Alamannen ven 
Franken untertban!!). Aber freiwillig haben fih die Alamannen in 
Rhätien ven Franken keineswegs angeichloffen 12). Man 1%) meint, vie a. 536 


1) Könige II. ©. 133. 
2) Cassiod. V. 11. 
3) &o v. Schubert ©. 51f. 
4) Wie Manſo ©. 60. 
5) Nach Ammian. XXXVIII, 5. ©. oben ©. 48. 
6) ©. ſchon 1838 Schneller, Abh. d. Baier. Alad. d. Wiff. IL. 3, wie gegen 
deren „Limbrifche” Herkunft. 
7) Urgeih. I. ©. 255. III. S. 92. Bornhak ©. 211. 
8) Merkel, der. ©. 33. 
9) Amm. Mare. XXVIL, 5. 
10) 1. 5. 
11) Diefe Unterwerfung durch friebliche Abtretung meint Agathias I. 4 mit 
feinem Beudtßepros ... zareotpebaro. 
12) Wie von Schulte S. 50 annimmt; vgl. D. ©. II. S. 117,189. Urgeſch. 
ID. ©. 415. Weber Theubibert I. und die Alamannen Bluntſchli I. ©. 19, Quitz⸗ 
man ©. 139. 
13) Stälin (8) I. ©. 170. 
Dahn, Könige ver Germanen. IL 1. 5 


66 


unter Bedingungen [bie Bedingung war nur bie verfprochene und nicht 
geleiftete Waffenhilfe] Abgetretenen feien mehr Buntesgenoffen als Unter- 
thanen ber Franken geworben, allein nichts beweift dies: ber Ausdruck 
bei dem Abfall von c. a. 600 a Francorum societate trifft alle 
Alamannen. „Stammesfürften” hatten auch bie zuerft unterworfenen 
[ebenfo das Stammesrecht] : der Königstitel eines ſolchen bei Paulus 
Dial. 1) beweift nichts: er nennt auch den Baiernherzog König und 
ebenfo wenig, daß Prokop?) Suaben und Alamannen durovonor nennt 
wie bie Thüringe, die e8 damals nach (a. 536) auch nicht mehr waren. 
Andere) wollen den Alamannen feit a. 536 nur ihr Privatrecht 
laffen: jedoch Agathias) fagt ausprüdlih, daß fie nur im „Ber- 
faffungsreht” das Fräntifche annehmen mußten: Strafrecht und 
Cipil⸗ und StrafeBroceß verblieb (wie wir ja ohnehin wiffen und 
unten genau erörtern werben), alamannijch nach dem Perfonalitäts- 
princip, dem nur bas fräntiihe Statsrecht vorging®). 


Später (a. 552) unter Theudibalt zogen dann, — angeblich gegen 
beffen Willen — zwei mächtige alamannifche Brüder, Linthari und 
Butilin (al. Bulilin), mit einem ftarlen Heere nach Stalten, fanden 


1) IV. 38. 

2); b. G. I 12. 

3) Cramer ©. 222. 
4) 1. 6.7. 


5) Ueber bie Vorgänge von a. 536 jagt Eramer ©. 225: 1) „die Boten über- 
gaben Theudibert nicht das Land, wozu die bloße Oberherrſchaft (2) fie wohl nicht 
berechtigt haben würde, fondern zogen fi nur aus ihm zurüd, fo daß es ber 
Befitergreifung offen lag”, 2) „aber bie Alamannen wichen nur der Gewalt“, 
3) „nur biefe a. 536 abgetretenen behielten ihr Privatrecht”, 4) Theudibert beließ 
ihnen ihre Gaukönige()“ Hatten dieſe vielleicht unter Theoderich fortbeftanden? 
In vollem Widerſpruch hiermit rächen auf berfelben Seite die Alamannen a. 537 
bie Ausiteferung ihres Landes an den Goten. ©. 231 ift dies bereits That- 
fache, daher die Gan-Könige und Herzoge B. und 2. Und follen Die a. 496 Unter⸗ 
worfenen fo „frankifirt” worben fein, daß fte nicht einmal ihr alamannifches 
Brivatrecht behielten? — Galt für fie nicht das Berjonalitätsprincip? AU dieſe 
Sätze find gleih unmöglid. ine verbienfllide Zufammenftelung und meift 
(aber Theodericopolis = Vindonissa ©. 199 tft kühn unb bie Alanen waren 
gewiß Feine Germanen, wie S. 1 gejagt wirb) zutreffende Wiürbigung ber ver- 
ſchiedenen Annahmen über bie erfte (c. a. 496) und bie zweite (a. 536) Unterwerfung 
giebt v. Schubert (1854) ©. 192 f., fie ſtimmt faft in Allem mit meinen Ausfüh⸗ 
rungen: Könige IL &. 18. (1862). Urgeſch. It. (1881). ©. 244. Bgl. dann D. 
Geſch. Ib. (188%). Urgeſch. IV. 1889. 


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aber dort den Untergang:!) über ihre rechtliche Stellung ift in ber 
Berfaffung?) zu hanveln?). 

Wir erfahren aus biefer Zeit) wenig über das Verhältniß ver 
Alamannen zu ven Franken. Einmal [a. 584], unter Chilbibert II., ver- 
eitelt die Uneinigkeit der nach Italien aufgebotenen Alamannen mit ben 
Franken alle Erfolge beiver®). Daß a. 625 die Auftrafier Dagobert I. zum 
Krieg gegen den Bater drängten und bamals und dadurch bie Löſung 
des Elſaſſes vom übrigen Alamannien erfolgt fei®), ift ganz unerweis- 
lich. Man”) ertennt bis ins VIII. Sahrhundert nur eine „loſe Schutz⸗ 
berrichaft” der Franken über Alamannen und Baiern an: es ift aber 
zu unterſcheiden I. vie Zeit voller merovingifcher Herrichaft über beide 
von a. 496 und c. a. 550 bis c. a. 638, ba ihre Heere von ben Königen 
aufgeboten werben; II. vie Zeit faft völliger Loſung von c. a. 638 bis 
c. a. 700 unb III. vie Zeit abermaliger Vollberrichaft der Franken 
d. 5. jegt Arnulfingen feit c. a. 700, zuletzt fogar mit Beſeitigung 
ber Herzogichaft; wenn vie Baiern „felbftänpig” Kriege führen gegen 
Slaven und Aparen, fo war das zum Theil während jener Löſung, 
zum Theil Vertheivigung auch der Neichs- wie ver baieriichen Grän⸗ 
zen; ber Krieg ber Alamannen gegen bie Burgunden a. 610 war 
wohl Raubzug von ein par Grafen in den Yura9), Und biefe felbft- 


1) Könige IL. S. 241. Urgeſch. 12. ©. 285. 

2) S. unten. 

3) Eramer ©. 225, 298 hält Liuthari und Butilin a. 555 für „Oaukönige“. 
Aber Thon a. 496 gab es Leine mehr, f. wie Urgefh. III. a. a. O. Krufch, 
Mittheil. d. Inft. f. öfterr. Geſch. XIV. 1893. Auch von Schubert S. 123 neigt 
dazu, im Lintbart und Butilin nicht nur von Theudibert überlommene und In 
ihrer Stellung belaffene Herzoge (duces) zu erbliden, fonbern „Saulönige”. Aber 
ſchon Chlodovech fand nur Ein Stammestänig gegenliber: es ift ganz undenkbar, 
daß Chlodovech ober beffen Nachfolger wieder Gauflönige neu eingeſetzt hätten 
oder daß Theoderich der Große ben von ihm Beſchützten in Stalten folche Könige 
nen gegeben hätte: Theoderich ſelbſt heißt bei Ennodius p. 281,283 König ber 
Alamannen und Nachfolger bes a.496 Gefallenen; königlichen Geblütes, wie Jahn 
II. ©. 343 meint, d. h. alfo Geſtppen des a. 496 gefallenen Königs könnmnen fie 
gewefen fein. Aber ohne Beweis fieht Bufch II. S. 21 in Linthart und Butilin 
wie Nachkommen ber ehemaligen reges fo einen Heft bes „Theilkbnigthums“ [Toll 
heißen „Saulönigthume”), das ſchon a. 496 verſchwunden war. 


4) Zoh. Meyer, Bunbesverfafjung I. S.88; die Älteren Anfichten bei Sattler 
1. &. 420. 


5) Paul. Diacon. III. co. 22. 

6) Merkel, der. ©. 8. 7) Baumann ©. 498. 

8) Urgeſchichte UI. ©. 587. Annet, das Schlachtfeld von Wangen, Anzeiger 
für Schweizer Gejchichte. 1879. 


5% 


68 


ftändige Stellung beider Stämme foll nur die Fortſetzung ihres Ver⸗ 
hältniffes zu Theoderich dem Großen gewefen fein, deſſen „lofe Schugberr- 
ihaft“ dann a. 536 auf bie Franken übergegangen fei. Aber Theo- 
berich Hat nie über Baiern geherrfcht und die Merovingen würben 
nicht — wie ein privatrechtlicher Ceſſionar! — ſich ängftlih an das 
Maß ber ihnen abgetretenen Rechte gehalten haben. Theoderich fol 
ven Baiern die Einwanderung in fein Baiern (a. 506) erlaubt und 
ben Lech zur Gränze zwifchen beiben beftimmt haben: — eine ftarle 
Ueberſchätzung ber Macht Theoderichs nörblich der Alpen. Die 
Baiern gehörten vielmehr zu ven barbarifchen Bebrängern von Rhätien 
vom Inn und vom Brenner ber. Die wechjelnden Grade ver Ab- 
hängigfeit, Selbftftänbigkeit und abermaligen Abhängigfeit finden wie 
bei Thüringen und Baiern!) ihren vbeutlichften Ausprud in ber 
wechjelnden Stellung ber Herzoge zu dem fränkifchen Herrſcher: 
feit a. 496 hatten die Merovingen jolche „duces‘‘ ver Alamannen an 
Stelle tes befeitigten Königs geſetzt (ähnlich wie bei ven Baiern feit 
c. a. 550) und frühere Unterbeamte, Grafen, Centenare viefes Könige 
fortbeftehen lafjen2): je ftärfer die Frankenherrſchaft, deſto mehr tritt 
ber Herzog zurüd, je fchwächer, deſto mehr hervord). Zur völligen 
Befeitigung diefer Herzoge waren bie Arnulfingen vor a, 751 aber 
beſonders auch dadurch veranlaßt, daß jene ausprüdlich den Haus- 
meiern den Gehorfam weigerten‘), den fie nur ben merovingifchen 
Königen zu ſchulden erklärten: nun hatte mehrere Jahre a. 739—743 
ein folcher ganz gefehlt. Noch ale Hausmeier hebt Pippin a. 746 
das Herzogtum auf. Der Widerftand gilt — ſehr bezeichnenver 
Weiſe — nicht dem merovingiſchen Scheinlönig in Paris>), fondern 
ber aufftrebennden Macht ter Arnulfingen: jene fernen Schatten dem 
Scheine nach als Oberherricher anertennen, war nicht befchwerlich: nun 
aber nahm Pippin der Mittlere feit a. 687—700 wirkliche Stats⸗ 
gewalt in Alamannien in Anſpruch, ter Sproß eines Gejchlechts, das 
bis vor Kurzem ben mächtigen Stammesherzogen Auftrafiens nicht gleich 
geftanten war ®). 


1) Urgeſch. IH. ©. 651, 722, 828, 

2) S. unten „Berfaffung, Herzog”. 3) Urgeſch. III. ©. 845, 

4) Bgl. Urgeſch. II. ©. 91. ©. ©. Ib. ©. 352. Joh. Meyer, Bundes⸗ 
verfaffung I. ©. 139. 

51 Mie Hahn, Yahrb. a. 741— 752 ©. 24, 84 und Gengler, Rechtsbenimäler 
©. 81 annehmen. 

6\) Breviarium Erchanberti Mon. Germ. hist. Ser. Il, p. 328: illis 


69 


Nicht Treue gegen ven Meroving, Troß gegen ben Arnulfing 
einerfeit8 und bie Umwandlung fcheinbarer in wirkliche Abhängigkeit 
andererfeits find die treibenden Kräfte hiebei). Das Verzwidte und 
Schiefe in der Stellung ber legten Merovingen einerfeits, der arnul- 
fingifhen Hansmeier anbererfeitS und bemgemäß ber Alamannen 
kommt in bezeichnender Weife zum Ausdrud in ber Art der Datirung 
ver alamannifchen (elfäffifchen) Urkunden in jenen Jahrzehnten. In 
ver Zeit, da Karl Martell ohne König waltete, vechneten die ala- 
mannifchen (elfäfftichen) Urkunden in ver Verlegenheit nach Jahren 
feit vem Tode bes legten Königs?). Oder au man Half fih, nad 
Karl Martells Tod und vor 751, indem man rechnete: „im 1. Jahr 
nah dem Tode des Herzogs Karl unter Herrichaft des Herrin Karl⸗ 
mann, Herzogs ber Franken“: oder nur das letztere, oder: „im 1. Jahr 
des Principats von Karlmann und Pippin, der Herzöge der Franken“ 
oder: „im 1. Jahr ver Herrfhaft (regnanti) nnferes Herrn Karl⸗ 
mann“, auch mit vem Zuſatz „nach dem Tode bes princeps Sarl, bes 
major domus tes Königspalaftes" oter: „im 2. Jahr nach dem Tode 
unferes Herm Karl, nachdem ihm im Weich (regno) folgten feine 
Söhne” oder: „im 2. Iahr des Principats von Karlmann mit Pippin, 
ver Herzöge ber Franken, feit fie in ver Herrichaft (in regnum) ge- 
folgt“: von a. 744 ab bis 751 heißt e8 dann wieder einfach „im II. Jahr 
unferes Herrn Königs Chilverich III.“ 3) 
namque temporibus (Schlacht bei Xertri, 687) ac deinceps Cotefredus dux 
Alamannorum eaeterique eircumquoque duces (b. h. Baiern und XThlringe) 
noluerunt obtemperare ducibus Franchorum (b. h. Bippin und deſſen Ge⸗ 
ſchlecht), eo quod non potuerunt regibus Meroveis servire, sicuti antea soliti 
erant. Joh. v. Müller, Schweizer Gefchichte I. c. 9. 

1) Die verfuchte Löfung vom fräntifchen Reichsverband a. 742— 745 bezeichnen 
treffend Die ſogen. Annales regni Francorum: Alamannia quae..a Francorum 
socielati defecerat ed. Kurze 1895. p.5. Ueber bie Feldzüge der Arnulfingen 
gegen die Alamannen von c. a. 709—730 Urgefch. III. S. 735—848; Über a. 743, 
7146 Hahn, Pippin ©. 73. Weber Zeit (a. 744, a. 745?) und Schauplab ber Er: 
hebung Theutbalds Fredig. cont. c. 113; über die » Alpes« (Bogefen, Jura) dafelbft 
ſ. Hahn, Bippin ©. 191; Befigungen Theutbalds im Ober-Rheinfreis ebenda 
S. 208. Fredig. contin. c. 108. Annal. St. Amandi et Tiliani p. 8 (a. 725. 
728). v. St. Corbiniani. Bübinger, Sitz.e⸗Ber. d. Wiener Alad. XXIII. ©. 385. 

2) Thenderich IV. a. 720—737, 3.8. Zeuß, W. 159 anno III post obitum 
Th. regise. Im IX. Jahrhundert recinete man zu Weißenburg oft zugleich nad 
Chriſti Geburt und nach Regierungsjahren. 

3) Bol. Zen, W. 241,8 (= 17), 37,10,11. 17(=159), 14.3, 235,7, 52, 
1,2,3, 4. 147 a. 737— 744; unter Theuderich IV. zuletzt regnante d. n. Th. rege 
et Carolo patritio majore domus palatio regie. 


70 


Der Feldzug der Brüder von a. 742 traf die Alamannen rechts 
vom Rhein‘), vielleicht die Ortenau?). Eine „NReichspomäne* 3) warb 
aber Alamannien durch Befeitigung ber Herzoge doch nicht, nur eine 
nun wie Baiern feit a. 787 unmittelbar vom König regierte Pro⸗ 
vinz: „Reichsdomänen“ find die in ber Provinz gelegenen Krongüter. 
Und niemal® war auch das alamannifche Herzogthum wie das bairifche 
feit a. 748 „Kronbeneflium” 4. Auch Lex Alam. 355) beweift 
durchaus nicht, daß ber König Beneficialherr bed Herzogs ift: er 
heißt fein dominus (nicht fein >senior«) d. h. Souverain, wie jedes 
Unterthans: als folcher entſcheidet er Erbftreit über die Herzogsfolge: 
nie heißt die provincia, der ducatus beneficium, auch der Herzog nie 
»vassus«; auch die Vaffalität läßt man‘) zu früh unter Chlothachar II. 
a. 613—628 eindringen, während fie doch bei ven Franken felbit erft 
jeit Karl Martell — ein ganzes Jahrhundert fpäter — größere Bereutung 
gewann. Das Verhältnif der Alamannen zu dem Reich in Karolin- 
giſcher Zeit, zumal des Herzogthums zu dem Königthum, wird angemeßner 
in der Darftellung ver Berfaffung ”) erörtert. 


1) Fredig. c. 25. p. 180. 

2) Hahn, Jahrbücher ©. 24. 

3) Gengler, Rechtsbentmäler ©. 81. 

4) Wie Merkel ©. 9. 

5) Auf die fih Merkel, de r. ©. 36 beruft. 
6) Merkel ©. 9. 

7) ©. unten. 


Zweiter Abſchnitt. 
III. Derfaffung. Recht. Zuftände. 
1. Die Örunblagen. 


A. Dad Land. 
1. Die Sränzen. 

Alamannien erftredt ſich c. a. 300 (297) von ter Rheinbrücke bet 
Mainz „bis zum ‘Donauübergang bei Günzburg“, d. h. foweit warb 
e8 damals bezwungen!). Die Gränze mit Burgund bat (auch fpäter) 
vielfach gejchwantt?). Wie Baſel war jelbft Zürich vorübergehend 
von dem burgunbifchen König beherriht. Zu Churrhätien gehörten 
das Engadin und der Vintſchgaus). „Suevien“ und Italien trennen 
„die Berge”, wohl die Waſſerſcheide am Sankt Gottbarb‘). Italien, 
Aamannien, Baiern nennt als Nachbarländer Paulus Diaconus?). 
Der Lech wird gar oft als Gränze zwilchen Alamannien und Baiern 
bezeichnet). Die Weftgränze des Elfaffes bildete meift ver Kamm ber 


1) Incerti pan. Constantio dictus o. 1. p. 133. Oben ©. 17. Ueber bie 
Geographie Germaniens bei ben Römern, zumal bei Tacttus, Jung, Geographie 
S. 106 f., 110. 

2) Waitz⸗Zeumer V. ©. 148. 

3) In comitatu Recie (sic) in vallibus Venuste (von den alten Venoſten) 
et Ignadine (sic). unter Otto I. Waitz⸗Zeumer V. ©. 151. Weber bie Bränze 
zwiſchen Obergermanien und Rhätien Herzog, Württemberg. Vierteljahrshefte 1880. 
1881. ©. 117. PBuptlofer, bie Gränze zwifchen Rheingau, Churrhätten und Thur⸗ 
gan, Schriften bes Vereins für die Gefchichte bes Bodenſees V. 1874; f. aber ba- 
gegen G. Meyer v. Knonau ebenda VI. 1875 (Replik von Bupilofer ebenda). int 
und von Paulus, über die Vermeflung bes römifchen Gränzwalls in feinem Lauf 
durch Württemberg, 1879. E. Hübner, neue Studien ©. 35; die Gränze zwiſchen 
Donan und Main ©. 46. Lechner, das Ober-Engabin. 3. Aufl. 1900. Bergmann, 
Beiträge zu eimer kritiſchen Geſchichte Vorarlberge, Wiener Akad. Denkichriften 
II. 1852. — Früheſte Kunde Über den Bregenzer Wald. 

4) 0.0.0. ©. 150. 5) II. 4. 

6) Annal. Einh. a. 787. Vita Caroli c. 11. Poeta Baxo p. 568. v. 319. 
Lori, Geſchichte des Lech-Rains IL Bachmann, die Einwanberung ber Baiern, 
Biener Sik.-Ber. 1891. 


72 


Bogefen. Alamanniens Zuweifung bei den merovingifchen, arnul- 
fingifchen und Farolingifchen Neichstheilungen von a. 511, 561, 596 
(610, 613) 622, 638, 741, 768, 806, 817, 840, 843, 870 warb 
früher!) ausführlich erörtert 2). 


II. Die Namen. 
1. Provincia. 


Auf die römischen Namen der fpäter alamannijchen Lande ift bier 
nicht näher einzugeben, nur zu bemerken, daß in alterthümelnder und 
gelehrt fein wollender Sprache jene alten Namen auch ganz ſpät noch 
gebraucht werben?). 

Das Land heißt Alamannia unter Sallienus (c. a. 260), bei Tre» 
bellius Pollio c. a. 3004), dann unter Eonftantius Chlorus (a. 297) 5), 
wo e8 als das Gebiet „von ter Rheinbrüde bis zum Donau-liber- 
gang bei Günzburg (transitus Guntiensis)“ bezeichnet wird; ferner bei 
Mamertin®) in feiner Dankrede für Julian. Alamannia im weiteften 
Sinn ift das ganze von Alamannen befiedelte Land: alfo links vom 
Rhein der Elſaß, rechts vom Rhein der nicht fränkifche Theil von 
Baden, der bairifche Kreis Schwaben, ganz Württemberg und bie 
Schweiz, foweit fie nicht romanifch oder burgundiſch ift”). Dies 
ganze Gebiet heißt wie provincia (Alamannorum) auch ducatus, doch 
wird provincia in verſchiedenen DBebeutungen gebraucht). Denn 
ber Sprachgebrauch bei all’ dieſen Landſchaftsgliederungen ift leider ſehr 


1) Urgefch. III. Könige VII und VIIL 

2) Bgl. Eicher, die Theilungen bes fränkifchen Reiches unter ben Karolingen 
in Beziehung auf bie Schweiz, Schweizer Muſeum II. 1838. ©. 43—53. Ge: 
ſammtergebniß ©. 57. v. Simſon ©. 346. 

3) Bgl. Orosius c. a. 417 Noricus (sic) et Rhaetia .. Gallia Belgica 
Paul Diacon. c. a. 800 Rhaetia secunda .. prima. Beſonders Walahfrid 
Strabo (a. 807—-849) juxta scriptores authenticos pars Alamanniae vel Sue- 
viae inter Alpes Penninas et meridianum litus Danubii sita Rhaetia dicitur. 
Prolog. vitae St. Galli, Mabillon. Ann. Ben. saec. II. p. 228; f. die neuen 
Ausgaben Wattenbachs I. ©. 119. 

4) c.8. p. 97 tyranni triginte (Marius). 

5) Incerti pan. c. 2. p. 133. 

6) c. 3. p. 247. a. 362. c. 6. p. 249. 

7) Ueber die Gränzen mit den Franken, ben Baiern, den Burgunden und 
ben Romanen f. oben ©. 38, 49, 57. 

8) Provincia unzweifelhaft Alamannien L. 24 (25). p. 85 Landesverrath. 
ebenfo L. 36. p. 94 quando pax parva est in provincia 35. p. 92. 


13 


ſchwankend!): vegelmäßig beißt, wie gejagt, ganz Alamannien provincia 
oder ducatus?): aber daneben ſteht dux super?) Alesatiam, 
Alamanniam et Riciam (ba Nies)‘), ja au regnum Ali- 
sacense et Coriae (Chur) et partem Burgundiae?), terra Ala- 
mannica et Redica (Rhaetia)°), ferner (a. 830) ducatus Helisatiae, 
ducatus Alamanniae, Curia etc.?), Retiense (s. c. territorium) 
a. 8418). Im Bertrag von Berbun (a. 743) umfaßt Alamannien ven 
Thurgau, Zürihgan, Aargau, dagegen Genf, Laufanne, Solothurn 
gehören zu Lothars burgundifchem Gebiet?), auch den Elfaß erhielt 
Lothar, erft a. 870 fiel er an Deutſchland. Alamannien heißt daher 
provincia bes Frankenreichs 1%). Provincia in den alamannifchen 
Geſetzen ift Alnmannien: 3. B. bei Verbot des Verlaufs von Unfreien 
extra provinciam: es ift bedeutfam, daß hier [an Stelle des Franken⸗ 
reiche8 (regnum) in ben entſprechenden Capitularien1!)] biefer engere 
Berband tritt 12). Oft tritt hervor, daß fich die Fürforge des Geſetzes 
nur auf biefe »provincia«, bie »patria« bezieht 1%). Das Land heißt 
Suavia oder — gleichbeveutend — Alamanniat); ob dies wirklich der 
jüngere Name, ift doch fehr zweifelig. Von Aufter im engern Sinne 
(Nordoftfrankreich) links vom Rhein wird e8 unterfchieben 15), im weiteren 
Sinn umfaßt Aufter neben Nordoſtfrankreich mit allem rechtsrheinifchen 


1) Selten find bie Ortöbgeichnungen fo genau wie Form. Als. N.5 in 
comitia N. in durg (Thurgau) in centuria illa in Zoco N.; vgl. Neug. N. 378, 
ober: im pago Alamanniae in Albuinesbar in Heniger Marca Cod. Laur. 
N. 3225 in pago A. in centena R. in villa quae dicetur P. oder rildwärts: 
in villa... P. in pago A. in centena R. 

2) Ueber den ducatus Alam. Edhart II. p. 311— 315, 464, I. p. 742; 
über die duces Burkhard p. 831, 857. Erchanger p. 831 —841; über Eticho 
p. 166, 364. 

3) Auch pagus retiensis Annal. Fuld. a. 876.- Ser. I. p. 391. 

4) Annal. Weissenburg a. 829. 

5) Annal. Xantens a. 829. 

6) Thegan. v. Hlud. c. 35. 

7) Ser. I. p. 434, 435. 

8) 1. c. p. 362. 

9, ©. Stälin (8.) I. ©. 257. 

10) L. Al. 7. 29. 34-37. 45—47. 

11) Könige VIIL 1. ©. 4. 

12) L. 8. p. 75. 

13) L. 38, 45 (46). 

14) Fred. cont. c. 110. Suavia, que nunc A. dicetur (sic). 
15) Fred. l.c. Auster .. Suavia .. Toringia. 


74 


Land auch Alamannien. Uber ebenfo ſteht Alamannia voran: Ala- 
mannia vel Suevia!), Alamannia sive Rhaetia?). Dichterifch beißt 
Alamannia unter den Karolingen Suaboridi3). Uebrigens Heißt Ala- 
mannien auch nach Befeitigung ber Herzoge nach wie vor ducatus*). 
Provincia nennt aber auch der Biſchof (von Eonftanz) feinen Sprengel). 
Provincia ift ferner bald ganz Alamannien, bald ein größerer Theil 
(Elſaß, Churrhätien), bald auch ein Gau 3. B. Breisgau (aber fchwerlich 
auch eine bloße Hunbertichaft). Ein Gau heißt oft provincia®). Ebenfo 
ſchwankt der Sprachgebrauch bei andern Landſchaſten: fo heißt Thüringen 
bald provincia, bald pagus”). Einmal ift provincia das offne Land 
im Unterſchied von den Städten 8). Aber ganz Alamannien beißt auch 
pagus Alamannorum®). Regnum wirb regelmäßig nicht (wie von 
Burgund) von dem Gebiet der Alamannen gebraucht, nur das Recht 
zur Herrſchaft über Stamm und Land heißt jo1%). Da aber wieder: 
holt Aamannien (mit Rhätien) von Kaifern deren Söhnen als regna 
gegeben worben war, nahm basjelbe Bernhard, ein Baftard Karls ILL, 
in Empörung gegen Arnulf in Anfpruch 11). Arnulf ſelbſt nennt Alaman⸗ 
nien ein regnum und vier dortige Gaugrafen von Thurgau, Breisgau, 
(?)Berchtoldisbar mit Argengau dieſes regnum primates. Altimannia 


1) Walahfr. Strabo, Prologus vitae St. Galli ed. Mabillon, Ann. Bened. 
saec. II. p. 228. 

2) Erchanb. Breviar. contin. Monum. Ser. II. p. 329. (Notler, Watten⸗ 
bach 1.8 ©. 273). 

3) Otfrib c. a. 871. 

4) ©. die Beläge von a. 764 ab bis a. 875 bei Stälin V.) I. &. 336. 

5) Coll. Form. Sang. 40. 

6) Neug. 549. a. 884 nobilis homo... Durgaugensis provinciae oriun- 
dus, und wie ber Thurgau ber Nedargau Trad. Sangall. 638. II. p. 244; vgl. 
Waitz⸗Zeumer V. ©. 193. 

7) Knochenhauer, Geſchichte Thüringens in ber karolingiſchen und fächfifchen 
Zeit ©. 83. 

8) Tam in provincia (Borlage: sive in solida provineia sive per singulas 
civitates) quam et per singulas civitates L. Rom. Rhaet. Cur. VIII. 1. 

9) Wie auch pagus Alisacensis ganz regelmäßig in ben Urkunden von 
Weißenburg ed. Zeuß, f. aber unten S.80 Anm. 2. Ueber provincia und regio zu⸗ 
weilen = pagus Baumann ©. 435 anders situs (= pagus? ſo Baumann: aber 
oft auch = marca) und finis; pagellus {ft bald pagus balb centena; f. unten. 

10) L. A. 35; das gleiche gilt von Baiern, L.B. II. 10. Neug. 640. a. 903. 
Anm. a. 

11) Neug. 603. a. 893. Regna heißen baun wie Alamannien im IX. und 
X. Jahrhundert auch Baiern und Sachſen, Lothringen, Friesland, Flaudern, 
Kärnthen, Waitz⸗Zeumer V. S. 141. 


75 


ftatt Alamannia wird im IX. Yahrhundert zuweilen!) geſagt, „aus 
Sprahwig“ 2), aber eher aus Vollsetymologie: denn Walahfrid Strabo 
ſucht alles Ernſtes, — jelbftverftänblich fonder Erfolg, — nach älteren 
Belägen für diefen Ausdruck der Vita feines Heiligen ?). 

Die von Franken feit c. a. 500 befiedelten Striche Alamanniens 
werben nicht mehr zum ducatus Alamannorum, fonbern zum d. Fran- 
corum gezählt). Im dieſen Gauen z.B. dem Kochergau, gilt auch 
nicht mehr alamannifches, ſondern fränkifches Recht, ohne daß boch ber 
Zerritorialgruntjag eingeführt worden wäre, eben wegen ber fränkiſchen 
Bevölkerung’). In biefen fränkiſch geworvenen Xanten treten nun 
auch die echt-Fränkiichen Ortsnamen auf „heim“ gar häufig auf. Der 
Mönch von Sankt Ballen fagt: „unter Francien verftehe ich alles 
(d. 5. zum Weiche gehörige) ®) Land viesfeit der Alpen”. 

Terminus ift die Gränze der Provinz”), aber oft auch bes 
Gaues, ver Mark, ja des Privatgrundeigens®). Finis, fines kann 
jelbftverftändlich vom ganzen Herzogtum wie von Gau, Hundertfchaft, 
auch von Dorfmark gebraucht werben. 


2. Patria. 
Patria erjegt in ver Lex Romana Rhaetica Curiensis bie »pro- 
vincia» ber Vorlage). Etwas anders gemeint ift wohl Suavia id est 
Alamannorum patria bei Paulus Diaconus !9); in illa patria!!) ent- 


— — — — — 


1) Vita St. Galli l. e. 

2) So Stälin (V.) I. ©. 223. 

3) Inveni ab auctore ejusdem .. terram, quam nos Alamanni vel Suevi 
incolimus, Altimanniam saepius nominare; sed ipsius nominis originem 
quaerens apud nullum scriptorum ... ejus reperi mentionem nisi fallor 
enim, ab alto situ provinciae idem vocabulum a modernis confictum est. 
Altimannia aber auch in ber Urkunde von a. 833 bei Neugart N. 258. 

4) So Digingen im fpeierifchen Glemsgau Cod. Laur. N. 3614, vom fpeie- 
riſchen Würmgau: in provincia quae dicitur Teutonica Franeia, Monum. Boica 
29, N. 423. 

5) Silvae pars Friancorum regibus subjacens in pagis Mulechgowe 
[Mulachgau] et Kochengowe. Lünig. spicileg. III. p. 120. a. 1024. 

6) e. 12 über nova unb vetus Francia c. 21. 23. 

7) L. 37. p. 97. 

8) 1.c. 81 (84). p. 146. extra terminos = extra provinciam L. 45 (46). 
p. 105 = extra marcam L. e. 46 (47). p. 106. 

9) L.R. XVIIL 1. | 

10) U. 15; über patria =regio = provincia auch Waitz V. S. 178. VII. S. 56. 
11) L. R. Rh. 1. 7; fo Zeumer 1. c. 


76 


ipricht fo der römifchen provincia — Gerichtsbezirk, hier wohl Gan. 
Manchmal ift patria pagus!), aber anderwärts ift e8 Gerichtsgebiet 
überhaupt?). Von patria in dbiefem Sinne wirb gebilvet patriotae?®): 
auch patriani, gleichbeveutend mit patriotae, d. h. die Genoffen ber 
patria im weiteren Sinn — provincia — wie im engeren — Gau, 
Gerichtsbezirk“), insbefondere im Unterfchieb von ben (höheren) Be- 
amten, milites, die amtlojen Privaten >). 


3. Chur-Rhätien. 


Der Catalogus provinciarum Italiae®) zählt zu Italien auch bie 
beiden „Reptien“ (I et II) zwiichen Italien und ber patria Alamanno- 
rum. Die Gränze zwifchen Obergermanien und Rhätien ift nicht genau 
beftimmbar”). Churrhätien heißt auch vallis Rheisanorum?). In 


1) L.R. Rh. C. 1.7. 9, 2. 

2) I. 10, 2. II. 1,4 inter duos homines, qui in duas patrias con- 
versant, contentio (actor sequitur forum rei). 

3) Erchanger .. cum patriotis suis Ann. Alam. a. 915. patria — pagus, 
viele Beläge bei Zeumer L. R. Rh. Cur. p. 450, aber nicht ſtets fo auch in andern 
Quellen, aud) = provineia. 

4) L.R. Rh. C. I. 11, 2. Addit. Cod. St. Galli 3 (p. 442); auch in ben 
Cap. Remedii und nur in Churrhätten [f. Jeumer, L. R. 2, 1,2.] N. Ar. IX 
zu c. 3 — eu weiterer Beweis für die rhätiſche Heimath ber Lex. 

5) 1.c. II. 1, 12. 

6) Sor. rer. Lang. p. 188 (nad a. 613 vor Paul D.) inter Alpes con- 
sistunt, in quibus proprie Reti habitare noscuntur. Weber die Ausbehnung 
nnd ben (abweichenden) Begriff von Rhaetia und deſſen ducatus im römifcher 
und byzantinifcher Zeit (Ludo) Morik Hartmann, Unterfuhungen zur Gefchichte 
der byzantiniſchen Verwaltung in Stalien a. 540—750. S. 53. 1889); vgl. auch 
über das Gingreifen bes dux Rhaetiarum in Obergermanien, Mommjen, weftb. 
3. V. ©. 261. von Halban, das rim. R.I. S. 33. — Alamannen in Vorarlberg 
Birlinger, alem. Sprade S. 5; im Allgeu ©. 5; an Inn und Etih ©. 7. 

7) Stälin (V.) L ©. 102; f. oben ©. 38,71. Baumann, bie alamannijche 
Nieberlaffung in Rhaetia secunda. — Bırrdhardt, Unterfuchungen über bie erfte 
Bevölkerung des Alpengebirges. — Ueber die Vorgeſchichte von Chur Hufchberg 
&. 30. Juvalt, Forſchungen Über die Feudalzeit im churifchen Rhätien. 1871. 
S. 66. Kiepert S. 387. Zur Gefchichte der Romanen und ber Germanen in 
Rhätien Sartorius von Waltershaufen bei Kirchhoff XII. S. 369. Sprachgränze 
©. 402; Alamannen und Walfer, d.h. Burgunden ©. 404; über Romaniftrung 
und Verwaltung Jung, Grunbriß? 1897. S. 136. Riezler I. S. 36; über bie jpätere 
Zweitheilung ©. 44. ©. auch Stälin (S.) ©. 21; aber ber limes in Karla bes 
Großen Reichstheilung von a. 806 (Könige VIII. 6. ©. 79) ift gewiß nicht ber römiſche. 

8) Form. Murb. 5. p. 331. 


77 


der Folge wird Rhätien von Alamannien bald einbegriffen!) bald 
unterjchieden?). Der Name Rhätien lebt fort in einer ehemals zu- 
gehörigen Landſchaft, dem „Ries“ 3): Hohenaltheim, ſüdlich von Nörb- 
fingen, ift belegen in pago Rhaetiae!). Unter Karld) warb eine 
Zweitheilung bes Landes vorgenommen und ber Bifchof von Ehur warb 
rector eines Theiles des Landes: aber auch jet noch wurben Alaman⸗ 
nien und Rhätien bald zufammengefaßt in Alamannien, bald unter- 
fchieten®). Karl III. erhält (a. 871) neben Alamannia Chur befon- 
ters verliehen: es fteht auch wohl Alamannia, Rhaetia major und 
Rhaetia Curiensis; Curivalam id est comitatum Cornu-Galliae’?), 


4. Vindelicia. 
Vindelicia®) hatten die Alamannen vor Aurelian a. 270—275 
ſchon gewonnen: er befreite die Provinz wieder), aber nur für kurze 
Zeit. Bintelicien warb fpäter Rhaetia secunda 10). 


1) Stälin (B.) L S.334; die ältere Riteratur bei Urban (1889), das Ries S. 13, 
©. 5—17; die wechfelnden Gränzen S. 13. Weber die Berbindung Churrhätiens 
mit dem übrigen Alamannten Uſſermaun, prodromus Germ. sacrae I. Scr. I. 
p. 55; dagegen Fidler, Quellen und Forſch. 3. Geſchichte Schwabens S. 66. G. Meyer 
son Kuonau, Forſch. XII. ©. 74; hierher gehört der dux Rhaetianorum Trad. 
Sangall. 681, II, ©. 284. 

2) Annal. Bertin. a. 865. p. 75 per Curiam et Alamanniam veniens, 
Adonis contin, I Ser. II, p. 325; vgl. v. Schubert ©. 185. 

3) Schneller, ®.-3. U. Sp. 149. Gruber bei Kirchhoff XII. 1899. 

4) Ce. Altheim. Mon. Germ. hist. Legg. II. p. 555. 

5) Rhätien bis auf Karl, Stobbe, L. R. Rh. C. p. 5, von Karl bis a. 843. p. 9. 

6) Noch a. 865 erhält Karl, Ludwigs des Deutichen Sohn (Später Karl III.), 
Alemanniam et Curwalam id est comitatum Cornu-Galliae, Adon. contin. 
1. ed. Pertz. Mon. II. p. 325. Richtig gränzt Merkel, de r. ©. 11, 40 Ala⸗ 
mannien und das nun bamit verbundene Rhätien unter Karl bem Großen gegen 
Oſtfranken, Baiern (Lech), Burgund (an der Aare und dem Jura (Walahfr. Str. vita 
St. Galli praef. Schöpflin I. p. 628) und Italien (Sprachgränge in ben Alpen) ab. 

7) Adon. contin. Ser. II. p. 325; vgl. Monachus Augiensis ]. c, p. 329. 
Ueber die Abgränzung von Thurgau, Linzgau und Chur⸗Rhätien zwiſchen Salo- 
mon von Sanct Gallen, Drotolf von Chur und Graf Übalrih vom Linzgau von 
a. 890 ober 891 Neug. I. I. 485. Mohr 1. NR. 35. p. 55. Ueber das Verhältniß 
von Alamannien im engern Sinn zum Elfaß und zu Churrhätien a. 869 Ale- 
mannia, Rhaetia major et Curiensis, im X. Jahrhundert Wait-Zeumer V. ©. 168 
(Curwala): oft dux Alamannorum et Alsatiorum, auch Alamannia neben 
1) Rhaetia, 2) Curia ©. 167. 

8) Ueber die Alamannen in Bindeltcien Quitzmann ©. 122, in Baiern bis 
zur Amper(?) S. 129 und Tirol ©. 134. 

9) Flav. Vopisc. Aurel. 35, 4. 41, 8. 10) Budinszky ©. 160, 


78 


5. Elſaß. 

Wechſelnd find die Schidfale, ift zumal das Verhältniß des Elſaſſes 
zu bem rechtsrheinifchen Alamannien und deſſen Herzogfchaft gewefen 1). 
Der Elſaß ericheint zuerft als Theil der provincia Alamanniae, er 
wird zu früheſt genannt zum Jahre 609/610 von Fredigar?). Von 
allen alamannifchen Gebieten warb felbjtverftäntlich der ven Uferfranten 
in LXothringen und ter Champagne nächft gelegene Elſaß am Früheſten 
und Dichteften von einbringenden Franken befietelt: daß aber vie 
Aamannen nicht verbrängt?) wurben, beweift vie bis heute erhaltene 
Mundart. Es ift Uebertreibung, nennt Ermoldus Nigellus Elſaß 
c. a. 830 als vom fräntifhen Colonen befeflenes Land 4. Bei unferer 
Annahme „harrt das Alamannifche im Elſaß durchaus nicht noch ber 
genügenvden Erklärung“ 6). Im Elſaß find begreiflichermaßen auch 


1) Grandidier, histoire eccl&siastique etc. d’ Alsace 1787. — Hefele, die Ala⸗ 
mannen im Elfaß, Einführung ©. 165. 1837. — (Wilhelm) Herk, Dentfche Sage im 
Elſaß. 1873. — Lorenz und Scherer, das Elſaßs. 1886. — Kiepert, Die Sprachgränge in 
Eifaß-Lothringen 1874 (unterjcheibet nur Deutſch und Sranzöflich, nicht Wamannifch 
und Fräntiih). — Schiber, die fränkiſchen und bie alamannifchen Siebelungen in 
Gallien. 1894.; Germaniſche Siebelungen in Lothringen und England. Sahrb. d. 
Geſellſch. f. lothr. Geſch. XII. 1900. — Amold, bie deutſchen Stämme in Eljaf- 
Lothringen. Studien zur deutſchen Eulturgefchichte. 1882. — von Ian, das Elſaß 
ber Tarolingifchen Zeit, Zeitichr. f. d. Geſch. d. Oberrheius VII 1892. ©. 193. 
— Ueber die von benen bes Elſaſſes meift ganz verſchiedenen Geſchicke Lothringens 
Parisot, le royaume de Loraine. 1898. (I. a. 843-855. II. a. 855—869. III. 
a. 869—879. IV. a. 879-895). Witte, zur Gefchichte bes Deutſchthums im Elfaß, 
Forſchungen zur Deutfchen Landes und VolkaKunde X. 1897, überträgt treffend 
»Alisat« mit Eolonte (ber Alamannen im Fremdland ©. 315; Vergleich mit Loth- 
ringen; maflenhaftes Einbringen der Aamannen im V. Jahrhundert S. 411; 
Hemmung durch die Bogefen (S. 314 f.), aber erfi im X. Verſchwinden ber vor⸗ 
germanischen Benöllerung (doch bie Triboler um Brumat fchon vor Cäfar, Dahn). 

2) c. 37, Urgeſch. III. ©. 542; über bie beftrittene Lage der um biefe Zeit 
genannten elfäfftiichen (und ſchweizeriſchen) Gaue |. bie Literatur daſelbſt ©. 573, 
587; über ben Namen = Krembfiß, d. b. Sit ber über ben Rhein gewanberten 
Alamannen „in ber Fremde” D. G. Ia. ©. 403, 451. v. Daniels S. 72 Teitet 
den Namen von dem Fluß „SU oder Ilſe“ ab|!). 

3) Wie Stätin (B.) I. S. 223, 224. 

4) Carmina ed. Dümmler, Poetae Latini II. p. 1—77, 82. Terra anti- 
qua potens Franco possessa colono cui nomen »Helisaz« Francus habere 
dedit. Der (allerdings nah Straßburg verwielene) Aquitanier wußte nicht, Daß 
bie Alamannen bies Land ihren Sig im ber Fremde genannt hatten; zuerſt 
oben ©.43, vgl. a. 719: Tradit. Wizenburg. N. 14 Alisacinsis nnb unten 
Anm. 11. 

5) Wie bei Cramer S. 255. 


79 


teltifche Ortsnamen auf -acus, -acum, -agum, -dunum nicht 
ſelten ). Um vie Mitte des VII. Iahrhunderts ift Alamannien in 
zwei Herzogthümer geipalten: das linkorheiniſche, Elſäſſiſche, konnte 
ſich ver Angehörigkeit zum Merovingenreich nicht entziehen?).. Da⸗ 
gegen das oſtrheiniſche Alamannien hatte in der Zeit von Sigibert III. 
bis Bippin dem Mittleren offenbar volle — thatfächlide — Unab- 
hängigkeit vom Meroving erreicht). Auch nach Befeitigung ber 
Herzoge bießen im VIII. und IX. Jahrhundert Elſaß und — daneben 
— Alamannien ducatus — provinciae®), Auch regnum Alisatiae 
(a. 829) (wie Curiae) begegnet, wie anbrerfeit$ regnum Ala- 
manniae. m VIII. Jahrhundert — unbeftimmbar, feit welchem 
Jahr — wirb aber Elſaß von (dem übrigen) Alamannien unter- 
ſchieden. So unter Karl Martell: Alesaxis... dagegen Alamannia?). 
Elſaß und Churrhätien werben fortab zwar wohl auch noch zu Alaman- 
nien im weiteren Sinne gerechnet, aber im engeren auch unterfchieben: 
jo erhält Karlmann a. 741 Suavia, quae nunc Alamannia dicetur 
(sie). Darunter waren Elfaß und Churrhätien einbegriffen, a. 806 nennt 
Karl den ducatus Curiae neben Alamannien, a. 829 foll Karl II. 
erhalten I) Alisatia, II) Alamannia, III) Ricia (Nhätien), das 
regnum Alisacinse et Curiae®). Werner Alamanniam, totam Ger- 
maniam id est... Alamanniam vel (=et) Rhaetiam ultra Rhenum, 
citra Rhenum, Speier, Worms, Mainz, aber nicht den Elſaß; er 
berrfcht in Alamannia et Coria; fpäter werben Alamannia, Elisatia, 
Curia oft neben einander genannt”). Alamannien und Elfaß werben 
a. 800 ſcharf unterfchieden, dieſer gehört nicht zu jenem®). Elſaß 
gehörte feit a. 840 regelmäßig zu dem fpäter fogenannten Königreich 


1) Zenß, W. 256 a. 713 und oft. 

2) Schöpflin, Alsatia illustrata I. p. 752 seq., wie fanden dieſe zu ben 
angeblichen „Herzogen von Auftrafien”? muß man beren Schildträger fragen? 
Bol. Bfifter, le duche M£rovingien d’Alsace et la l&gende de Ste. Odile. 1892. 

3) Stälin (8.) I. S. 719. Oben ©. 68. 

4) Annal. Bertin. a. 839. p. 21. 

5) Fredig. cont. 54 (137). Weber bie Löſung des Eljaffes vom übrigen 
Alamannien Baumann, Forſch. XVI. ©. 248. v. Schubert ©. 185. 

6) a. 838 unterſcheiden die Annales Bertiniani p. 17 Elſaß und Ala- 
mannien, ebenfo p. 21 den ducatus Elisatiae und ben d. Alamanniae und 
a. 865 Curia unb Alamannia p. 75. 

n 7) Urgeſch. III. S. 1115. Dümmler I. S. 51. Merkel, de rep. Al. p. 11, 
‚c.XxX. 
8) Neng. 592. a. 890. 


80 


Lothringen!). Auch für dieſe Landſchaft ift der Sprachgebrauch höchſt 
ſchwankend, ja wiberfpruchvoll, Elſaß heißt provincia: dann zerfällt 
bie provincia in Gaue, pagi, Aber anverwärts bilpet ganz Elſaß 
Einen Gau, den pagus Alisacinsis?), und dann werben wieber 
darin mehrere Gaue unterfchieven, fo der Nordgau nördlich Straß- 
burg, der Suntgau (Südgau). Diefe Gliederung des Eifaffes in 
Nord» und Sunt (= Süd⸗) Gau ift viel älter als 870%. Im dem 
pagus Elſaß (alisacinsis) liegt ferner der pagus Sarvensis*) Saargau 5), 
ebenfo Salinensis, Sarviensis, Mosalinsis, Der pagus zerfällt dann 
auch hier in marcae, deren eine (Erben-) Vilare heißt®). 

Stärfer als der Elfaß war fräntifch geworben die zum Sprengel 
Straßburg gehörige Ortenau, welche, von Alamannia unterjchieben, 
bie Bleich von dem rein alamannifchen Breisgau trennt”), allerdings 
wird damals auch der Elfaß von Alamannia im engeren Sinn unter» 
fchieden®). Die Ortenau (Mordunoniva)?) wird von „Alamannien“ 
[genauer nur vom Breisgau: denn auch fie gehörte zu „Alamannien“] 
und vom Elfaß unterſchieden 1%). Im Iahre 777 werben unterfchieben: 
Elſaß (das Debland der Vogeſen, vasta Vosgo), Mortenau, Ala⸗ 
mannien 11). 


1) Bgl. Sranbidier I. p. 282. 

2) Zeuß, W. 2,1. 4,15 und oft; [aber auch ein Einzelgau]. 

3) Irrig alfo Merkel, der. ©. 48, vgl. ſchon a. 607—610. Fredig. IV, 
36. 37. p. 134, 138. Urgeſch. III. ©. 573. GSchrider, ältefte Gränzen und Gaue 
im Elſaß, Straßburger Studien. 1884. II. S. 397. Waitz VIL ©. 60. 

4) Zeuß, W. 18. 

5) Zeuß, W. 192]. 

6) Zeuß, W. 19; f. unten „Mark“. 

7) Bgl. die Beläge bei Stälin (8.) I. ©. 224. 

8) Alsacinse, Mortenavia, Alamannia, Fulrad. testam. minus ed. Gran- 
didier, histoire de l’&glise de Strassbourg II pieces justificatoires p. 128. 
Capit. I. 2. p. 350, 351 nennt Ludwig a. 817 getrennt von Alamannien Kloſter 
Sculturbura ultra Rhenam, das ift aber Schlüchtern im Sprengel Wirzburg, 
nit „Schuttern” wie Stälin a. a. O. 

9) Ueber die (legendenhafie) Ummanbelung bes Namens „Ortenan” im 
„Mortenau” durch Sanct Laudolin Grandidier I. p. 269; f. auch Walther Schulze 
1. ©. 1—39. 

10) Neugart 1. e. 39. a. 763. 
11) Württ. Urkundenbuch 18. 


81 


6. San, pagus, Grafſchaft, comitatus.!) 


Urfprünglih2) ift Gau das von den Menfchen bewohnte, bewirth- 
Ichaftete Bauland im Unterjchied von Urwald, Urfumpf, anderem un- 
bewohnbaren, unbebaubaren over doch noch nicht bewohnten und be- 
bauten Land: (vasta, eremum, deserta) fo heute noch in manchen 
Redewendungen der bairifhen Mundart). Das Wort bezeichnet in 
Alamannien einmal wie in Gallien‘) den Amtsbezir! des Grafen ber 
Saugraffhaft. Länger als anderwärts in Alamannien haben fich bie 
alten Gaunamen fo für die Graffchaften erhalten: (Thurgau, Aargau, 


1) Ueber die alamannijchen Gaue, zumal bie öftlihen, von Lang ©. 86 f. 
Pfifter I. S. 177 — Pfaff, die Gaue und bie älteſten Dynaſtengeſchlechter in 
Württemberg. 1844. — Albrecht (1867) p. 7. — Joh. Meyer, Bunbesverfafl. I. 
Germaniſche Anflevlung S. 36f. — Treffend über bie von den Franten (ia 
ihon von den Römern, Dahn) in Alamannten vorgefundenen Gaue ©. Meyer 
von Knonau, Denkmäler S. 54. — Baumanıt, der Alpgan, feine Grafen und 
freien Bauern. — Baumanı, bie Gaugraffchaften im württemb. Schwaben. 
— Gau und Graffhaft in Schwaben. — Geſchichte des Allgäu’s. — Burdharbt, 
bie Ganverhältniſſe im alten Bisthum Bafel. — Delbrüd, ver urgermanifche Gau 
und Stat. — Gift, Über den Gau von Avenches. — Blinderobe (Verfall ber 
Gauverfaffung) Werte II. — Ueber die Entftehung der alamannifchen Gaugraf- 
ſchaften Weller II. ©. 345; er nimmt Einführung durch die Franlen, dagegen 
alamannifchen Urfprung der Hunbertfchaften an. — Zur Geſchichte des Duria- 
Gaues Kornbed, württemb. Bierteljahreshefte (1881). — Nedargau, Yäger ©. 20. 
— Weber Aargau, Thurgau, Angfigau, Elſaßgau und Aenderungen ihrer Beftand- 
theile (Murbach) Burdharot, Ganverhältniffe S. 3—5. — Tumbält, die Graffchaft 
des Albgau's, Zeitichr. f. d. Geſch. d. Oberrheins 46. 1892. ©. 152. — Alaman- 
nifche Gaue in Vorarlberg, Luſchin ©. 82,102. — Reiches Material für die ala- 
manmifchen Gaue bieten die Unterfuchungen von Walther Schulze, bie Gaugraf- 
ſchaften des alamannifhen Babens. 1896; vgl. auch besfelben fränkiſche Gaugraf- 
fchaften Rheintaterns, Rheinheſſens, Starfenburgs und bes Königreichs Württem- 
berg. 1897: jenes wirb mit L, biejes mit II. angeführt. Schulze unterfcheidet 
zwifchen den Bauen des Stammlandes, den neualamannifchen bes zweiten Rhätiens, 
den Bar-Öraffhaften und ben neualamannifchen des Elſaß und ber Schweiz; f. 
die Aufzählung der (29; S. 60 alamannifchen und fränkiſchen Gaue. — v. Inama⸗ 
Sternegg 1. S. 35. — Richtig behauptet Stuß, 23. f. R.-6.2 XXXVL (XIV). 
1895, gegen Brunner Il. vorfränfifchen Beſtand der Saueintheilung ©. 179. 

2) Ueber bie beftrittene Grumpbebeutung (= A?) Stälin (S.) I ©. 134. 
Schmeller I. ©. 854 und die Literatur bafelbft. 

3) Schmeller I. Sp. 854 „ber Mezger geht in's Ga”, d. h. in bie bewohnte 
Lanbichaft, Bieh zu kaufen. Treffend Weller, Anfiebelungsgefhichte S. 24 „Gau 
bebentete früher nichts ale ‚Feld‘, eine zur Anflebelung geeignete bebante Fläche”. 
Bol. Förſtemann, Ortsnamen ©. 63. 

4) Könige VII. 1. ©. 757. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 6 


82 


Linzgau, Hegau, Klettgau, Breisgau)!). Aber zuweilen bezeichnet e8 auch 
umfaſſendere Gebiete: fo ven ganzen Elfaß, der doch ſelbſt wieder mehrere 
Saugrafihaften enthält (oben S. 80). Dagegen ter Heffengau ift 
nicht das ganze Gebiet aller Heſſen, nur ein Theil besjelben. Andrer⸗ 
feit8 wird das Wort auch für eine einzelne Dorf- oder Höfer-Mart, 
ja für einen einzelnen Weiler gebraucht ?). 

Ganz grund und bobenlos faßt man?) den pagus bei Cäſar 
und Tacitus als „Tauſendſchaft“: bei beiden findet ſich bavon nicht 
bie Spur eines Schattens eines Scheind. Nur bei den Goten tft 
das Heer in Taufenpichaften gegliedert). Der »subregulus« 
Ammians foll der Führer einer Zehnjchaft, der regulus ber einer 
Hundertichaft fein, der rex ber einer Tauſendſchaft. Danach feken 
bie 35,000 Alamannen bei Straßburg 35 Gaue voraus, aber man>) 
fennt nur 29 Gaues). Walten zwei Könige in Einem Gau (Gunto- 
mab une Vadomar), fo nimmt man?) Halb-Gaue an; aber folde, — 
verfchieben von Huntertichaften und Marten, — hat e8 nicht gegeben. 
Ein König kann andrerjeits auch mehrere Gaue haben: aber Ammians 
Ausdrucksweiſe (pagus, pagi, regio, regna) ift nicht zu prefien. 

Ganz grund» und bobenlos ist ebenfo die rein willfürliche Annahme), 
wonach auch der Gau bei Ammian eine „Zaufenbfchaft” von Kriegern 
bebeutet Hätte: zählt man?) 17 Gaue auf dem rechten Nheinufer, fo 
ergibt Lied 17,000 Mann, aber vie fieben Könige bei Straßburg 


1) Anders Stälin (S.) I. S. 134, der fonft fehr verbienftlich Die verſchiedenen 
Bedeutungen von Gau erörtert. 

2) ©. Stälin (S.) a. a. O. Oringau = Oehringen vom Flüßlein Ohru], 
Nechirgo, Nedargau, ein Weiler, ebenjo Nibelgan; f. unten marca, vicus, villa. 
Dem Ergebniß nah ungefähr übereinflimmenb unterſcheidet Schrider &. 330 
Stammesgau (pagus Alamannorum), Völkerſchaftsgau der Lentienses), Hunbert- 
ſchaftegau (pagus centenae, = marca); aber pagus alisaciensis ©. 339, 380? 
(oben ©. 80). Keins von ben breien; bie ältefte Schicht der Gaunamen ©. 399. 

3) Cramer ©. 60. 

4) Könige I. ©. 211. II. ©. 62. VI2. ©. 209. 

5) Cramer jelbft. 

6) Cramer findet freilih S. 79, feine Rechnung „gebe ohne Bruch auf“. 
Gegen Schröbers Beziehung von Ermoldus Nigellus III. v. 261 (»milia oentenis«) 
auf alte Tanjenbichaften auch Weller II. ©. 316. Richtig gegen Taufendichaft 
— Gau Delbrüd, Kriegsfunft IL. 1. 1901. ©. 32: aber über pagus, tunginus, 
hunno, Größe der Dörfer manches ſehr Zweifelige. 

7) &ramer ©. 47, 312, 318. 

8) Eramers ©. 36. 

9) Wie Eramer. 


83 


fteflen allein 35,000. „Zehnter als Befehlshaber von 10 Mann 
find bei ten Weftgermanen reine Erfindung). 

Während links nom Rhein ber alte Teltifch-römifche pagus von 
ſelbft zum fränkifchen Gau ward, fehlte rechts vom Rhein faft überall 
Mittelpuntt und Kern hiefür: die keltiſch⸗römiſche Stadt: nur ganz 
ansnahmsweiſe blieben ja bei Alamannen (und Baiern) Römerſtädte 
erhalten: um biefe ſchloß fich dann nach wie vor der Gau: fo um 
Zurich. Einmal wird ausdrücklich angegeben, ein Gau fet nach einer 
Billa benannt?). 

Sonft beftanden bie alten Gaue als Gliederungen ter Völker— 
{haft fort oder auch neue entitanden im Anjchluß an natürliche 
Sfiederungen des Landes. Negelmäßig fallen auch Hier?) Gau und 
Grafſchaft zufammen*), Hat der Gau nur Einen Grafen, eben „feinen 
Saugrafen“, comes pagi: daher wird in zahlreichen Urkunten ver 
comes ver Grafichaft, des Gaues der belegenen Sache genannt®). 
Aber gerate von tiefen willen wir häufig aus antern Urkunden, daß 
fie auch Grafen anderer Gaue waren‘): jene Negel wird alfo von 
vielen Ausnahmen burchbrochen: beide Fälle fowie die Zerlegung Eines 
Gaues in mehrere Graffchaften find nun zu unterfuchen. 

Gerade in Elfaß und Schwaben erfcheint die Grafſchaft zuweilen nur 
als Abtheilung des Gaues7): Theilung eines Gaues unter mehrere 


1) Unglaublich if, daß von Eramer als Beweis für die „Decanate“ bie 
häufigen „Senten” angeführt werben: jeder Anfänger weiß, Daß bie Kenten = 
Gentenae, Hundertſchaften find. 

2) In Alemannia in pago, quem ex villa Sulichgeuue (Sülichgau) vocavit 
antiquitas v. St. Meinradi + 861. Acta SS. ed. Bolland. San. II. p. 282, 
nicht aus bem XL Jahrh., wie Stälin I. S. 310, fondern aus Anfang des X. 
f. Bottbaft II. p. 1477 und die Literatur daſelbſt. 

3) Bgl. Könige VII. 1. ©. 175. VIII. 2. ©. 14. 

4) Ueber „Sau“ urſprünglich meift = „Grafſchaft“, und fpätere Berbrängung 
von „Gau“ durch „Grafſchaft“ Waitz III. S. 321. VII. ©. 15. Trad. Sang. 
680. IL p. 282 de tribus comitatibus Turgowe, Lintzgowe et de Rhaetia 
Curiensi W. U.B. I. p. 218. N. 188 in comitatu Zurihkewe .. in comitatu 
Linzikewe .. in comitatu Retiae. 

5) ©. unten „Graf“. 

6) S. unten „Urkunden⸗Weſen“. 

7) Grandidier II. p. 162 in pago Alsatiae et in comitatu Kirrichheim j 
Wartmann II. N. 615. p. 225 in comitatu Nidenga in pago Beretholdisbara 
W. U. 1 p. 274. N. 231 in pago Tubergewe in comitatu Mergenhaim. 

6* 


84 


Grafen (3. B. Erben) begegnet wie umgekehrt Vereinung mehrerer Gaue 
unter Einem Grafen?). 

Aber auch diefe (wie fo manche andere)2) Unterfuchung wird 
erheblich erfchwert durch den überaus ſchwankenden, widerſpruchvollen 
Sprachgebrauch in ber Benennung biefer Land⸗Gliederungen. Denn 
weitere Schwierigkeiten macht e8, daß pagus wie bald mehr als 
Einen Gau, fo auch oft weniger als einen Gau, einen Theil des Gaues 
bezeichnet: ebenfo fchwanten centena, marcha, vicus, wilare, villa: 
das Ergebniß ift, Laß man mit den Namen provincia, patria, pagus, 
pagellus, centena, situs etc. überhaupt nicht „operieren“ d. h. nichts 
beweifen kann. Iſt dies burch das Folgende dargethan und jeder auf 
biefe Namen fich ftügende Aufbau umgeworfen, fo ift ber Zweck dieſer 
Unterfuchung erreicht. 

Ein fehlagender Beweis für die Unmöglichkeit, auf dieſe Benen⸗ 
nungen Beweiſe zu ftügen, fei Hier worangeftellt: der Ausdruck 
»sitused): situs ift bald Gau (Zürichgau), bald Bar (Bertholdsbar), 
bald Hundertichaft, (Arbon), auch Dorfmark, kann alfo etwa hundert 
bis hunderttauſend Menſchen und beren Sievelungsgebiet bezeichnen. 

Die ganze »provincia«e Alamannia ober Suevin heißt pagus 
Alamannorumt), bejonder8 häufig im Codex Laureshamensis). 
Ganz Elfaß Heißt Ein pagus (Elisazo)®), taneben aber auch ber 
Saargau”). Ganz Rhätien gilt als Ein Gau, Eine Grafichaft®). 


1) Beiſpiele bei Watt VII. ©. 17; über das fpätere Auselnandergehen von 
Sau und Graffhaft f. unten. 

2) S. oben »Provincia«e ©. 72, »pagus« ©. 80. 

3) ©. unten. 

4) ©. oben ©. 80 und Trad. Sangall. 26, 257. 

5) 3.2. Nr. 3218. Vgl. Baumann ©. 435. Neugart 127. a. 797 will 
ben engeren pagus von bem weiteren ducatus Alamannorum unterſcheiden, gränzt 
aber jenen nicht ab. Baumann ©. 444: „Ein Gau ber Alamannen”. NReugart 
Nr. 126. a. 797; oft in den Lorfeher Urkunden, Stälin (B.) I. S. 260; ber ganze 
Nedargan (pagus) iſt dann nur ein Theil be&. pagus Alamanniae. 

6) Neug. 504. a. 877; |. oben ©. 80. 

7) Zeuß, ®. 201. a. 808 unb oft. 

8) Trad. Sang. II. p. 282. 680: de tribus comitatibus .. Turgowe, 
Linzgowe [rihtig ©. Meyer von Knonau, Denkmäler ©. 52, Rieſe XII, 9) et 
de Rhaetia Curiensi. W.U.I.p. 218. N. 188 in comitatu Rhaetiae in pago 
Retia, d.h. Rie8 Cc. Hohenalteim. Ser. IV. p.555. Ebenſo Mohr I. Nr. 20. 
p- 34 und oft. Andrerfeits beißt ein Gau provincia utriusque provinciae tam 
Martinaugiae quam Brisigaviae Grandidier, Alsace p. 110 während es beißen 
müßte pagi provinciae Alisaciae. Dann heißt e8: quod alio nomine Chure- 


85 


Auch die Namen alter römischer Landſchaften werden zu Namen ala- 
mannnifcher Gaue: fo „Rhätten“. 

Die Unklarheit wird dadurch erhöht, daß der Sprachgebrauch zumal 
auch zwiichen Bau(pagus) und Hundertichaft (centena) durchaus nicht 
Scharf fcheitet: währenn regelmäßig ter Gau (tie Grafichaft) mehrere 
Huntertichaften umfaßt, wird andremale basfelbe Gebiet, das Huntare 
heißt, auch pagus, pagellus!), wird ein pagus anderwärt® Huntare 
genannt, ja ein Gebiet, das mehrere Gaue umschließt, heißt anterwärts 
pagus: auch die große Bertholdisbar fogar pagellus?): fo ber ganze 
Elſaß mit feinen Gauen, Nord- und Süd⸗Gau?). 

Gemäß jener Regel‘) werden pagus und comitatus, Gau und 
Grafſchaft als gleichbebeutent gebraucht). Die Bewohner des pagus 
find die pagenses®), auch wohl — felten — pagani. Aber biejenigen 
pagani, die „Sanct Denis viele Rechte gelräntt haben“”), find nicht 
die Gauleute⸗, fondern bie Heiden d. h. die Normannen®). Für pagenses 
fteht auch contribules: fie werben bei einem Inquiſitionsverfahren 
eibfich vernommen). Einmal erjcheint auch noch fpät „vas Gauvolk“: 
coram populo Alpegovense 1). 

Allein wie fonft im Branlenreich1!) finden wir auch bier nicht 


voala appellatur d. 5. Rhaetia Curiensis von ber Stabt Chur. Neug. 553. 
a. 885, |. oben ©. 77 das mißdeutete Curne vala = cornu Galliae. 

1) S. Stälin (V.) a.a.D. ©. 279. 

2) Stälin a. a. O. 

3) S. oben S. 80. Neugart 21. u. 757. 

4) Oben ©. 79. 

5) 3.8. Mohr I. p. 54 de tribus comitatibus id est de Turgowe de 
Lintzgowe et de Rhaetia Curiensi. Mit Unrecht fcheibet fie Stälin I. S. 276 
Ueber bie urfprüngliche und regelmäßige Einbelt von Gau und Grafſchaft richtig 
Baumann S.430, aber unrichtig iſt, daß das Land erft feit der fräukiſchen Er⸗ 
oberung in Gaue zerfiel: Chlodovech fand die uralten, ſchon bei der Einwanderung 
und NRieberlaffung der Mamannen entitandenen Gaue vor: war doch ber Gau 
urfpränglich eine Öliederuug der Völkerſchaft gewefen: wie in Gallien wurben 
nun über bie vorgefundenen Gaue Grafen gefebt: fo warb ber Gau zugleich zur 
„@rafihaft“, d. h. dem „Amtsgebiet“ des Grafen; treffenb über ben (oft) nur 
feinbaren Gegenfag von Gau (ministerium VIIL 2. ©. 34.) und Graffchaft 
berfelbe ©. 433. 

6) Könige VII. 2. ©. 16. 

7) W.U. I. 124. a. 856. 

8) Könige VIII. 4. ©. 114. 

9) W.U. I 75. a. 816. 

10) Neugart I. NR. 436. p. 554. a. 850. 
11) Könige VIL 2. ©. 907. 


86 


felten mehrere Gaue (und Grafichaften) in Einer Hand. Zumal 
Glieder des geftürzten ehemaligen Herzogsgefchlechts, tem Karl feine 
Hiltigard entnahm, find zugleih Grafen bes Argen-, Linz- und 
Thur-Gaus: fo Hildigards Bruder Udalrich, der vielleicht außerdem 
auch noch Graf des Allgäus und des Breisgaus war!). Auch Baren 
und Gaue vereinigt Eine Hand: bie Adalhartesbara heißt nach einem 
Grafen von c. a. 7632), ver a. 765 auch Graf des Breisgaus war?). 
Beſonders nach Karl werben oft mehrere Gaue Einem Grafen über- 
tragen: fo c. a. 839 ver Linz-, Argen- und ErieGaut. Graf Atto 
bat zwei Oraffchaften in der Bertholbisbar®), fpäter wird das noch 
häufiger; in ber Folge find gerade ber Linz- und ber Argen-Gau oft 
in Einer Hand): auch ift einmal Ein Mann Graf des Rammegaus 
und Gentenar ber gaugleichen Meunigifingeshuntare?). 

Der Gau im Sinne von Gaugraffchaft beißt bier wie in alt- 
germanifcher Zeit oft nach Bergen?) und Xhälern?), ſeltner felbit- 
verftändlich als in Gallien nach römischen Nieverlaffungen, feltner auch 
nach altgermanifchen Völkerſchaftsgauen 10), nach Ortsbeichaffenheiten 11). 
Sehr häufig heißen die Gaue nach Flüffen oder Bächen: Argen- (a. 794) 12) 


1) Monach. St. Galli I. 13. Stälin (V.) J. ©. 337. 

2) Reugart 1. c. 40. 

3) 44. 48. a. 769. 

4) Neug. N. 290, 307. 

5) Monum. B. XXX. N. 25. 

6) So Ulrich (IV.) c. a. 886— 890, Neug. 571. a. 886, Sohn Ulrih IH. 
c.a. 855, Enkel Ulrich IL, alle drei in gleicher Stellung; auch ein Konrab über 
Linz» und Argen-⸗Gan Stälin (8.) I. ©. 331; über ben Linzgau Walther Schulze 
I. ©. 275. 

7) Neugart R. 648. 

8) Der oberfhwäbifche AlpGau, das heutige Allgäu, von ben Alpen, da⸗ 
gegen ver Alb⸗Gau von ber ſchwäbiſchen Alb (?), Walther Schulze I. S. 117—149, 
ſ. aber ©. 87. 

9) Stälin (S.) I. ©. 134. 

10) ©. ©. Ia. S.451. Ueber Gaunamen nad Völkerſchaften: ber Linzgau 
von ben Lentienses Dipl. N. 42. Part. II. p. 131. 300. 365. Umgekehrt heißen 
bie Bewohner bes eljäfftichen Sübgaues Südgauer, Suggentenses Fredig. c. 37, 
die Bukinobantes von den Buchen (Buchonia), oben ©. 16. 

11) Heiftergau, a. 805 Heifter, junge Buche, Flinagau a. 861 von flina, An- 
ſchwemmung, Stälin (S.) I. S. 141f. Bon 26 Gauen (bei Stälin (S.) I. &. 137 f. 
find etwa 18 fiher nach Ortsbefchaffenheiten, 2 fiher nach Berjonen (Burichin , 
Pfullich⸗Gau), auch 2 „Thal“ nach Berfonen benannt; vgl. Waitz⸗Zeumer V. &.191. 

12) Ueber den alamannifchen, nicht burgumbifchen Argengau am Bodenſee 
Neug. 445. a. 867 gegen Herrgott. 


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87 


Iller⸗ (a. 832), Nagold⸗, Nedar-, Nibel-, Schuſſen⸗ Enz⸗, Gardach⸗, 
Glems⸗, Gollach⸗, Jagſt⸗ Rocher, Kraich⸗ Mulach⸗ Murr-, Schogadh-, 
Sulmanach⸗, Zauber, Würm⸗, Zaber⸗, Waſſer⸗( Appha? a. 836), 
Brenz⸗, Fils- (a. 861) Gau: von den 21 Gauen im fränkiſchen 
Württemberg!). Der Alb-Gau vom Flüßlein Alb(?)2). Einmal bildet 
die Waſſerſcheide und die Mittellinie des Rheins bie Gaugränzen?). 

Die fast ausſchließlich nach Wafferläufen benannten Gaue im 
fränfifchen Württemberg enthalten nicht felten weitere Gaue, bie wohl 
nur Hunbertjchaften find‘). Auch nach Theilen des Bodenſees erfolgt 
die Gliederung: der Unter-fee-Gau, pagus undre-se-sinse, bilvet 
ven Gegenfag zu dem Bodamicus, Brigantinus, oberhalb Conftanz >), 
Ober-See. Pagellus bezeichnet feineswegs immer einen Heineren Gau: 
auch fo große Gaue wie Breisgau‘), Aargau, Ortenau, Hegau”) heißen 
pagelli®), fogar die große Bertholbsbar®), aber zumeilen ift pagellus 
Hundertichaft. 

Der pagus zerfällt in Kleinere Abtheilungen 10), bie hier centena, 
auch situs heißen: fo gehört ter situs Zürich zu dem pagus Dur: 
gau: aber Zürich Heißt felbft auch wieder Zurichgauviait), fpäter 
erhielt dann ber Durgavi jelbft ven Namen Zürichgewe 12), Treffenv 
mag daher ein folcher situs ein „Ganlein“, ein Kleingau, pagellus, 
heißen 12), fo ber Hegan. 

Ebenfo hat die Perchtoldes-para 14), bie früher situs 1) Heißt, 
Ipiter dem ganzen Gau, pagus!®), ten Namen gegeben; fie heißt nun 
jelbft comitatus 17), ja fehließt zwei comitatus ein!) 


1) Tumbült ©. 152. 

2) Bei Stältn (S.) I. S. 137—145 heißen 18 nah Flüffen. 

3) Neug. 590. a. 890 ubi aquae adhuc ad nos vergunt usque ... in 
medium gurgitem Rheni. 

4 Sp Stälin (S.) I ©. 145. 5) Neugart 188. a. 816. 

6) Walther Schulze J. S. 39—117. 

7) Neug. 160. a. 806. Walther Schulze I. ©. 173—223. 

8) Neug. 401. a. 861. 

9 W. V. J. 143. Meng. I. 451. a. 868. 

10) Ueber Umfang und Slteberungen 3. B. bes Alpgaues Baumann S. 188. 

11) Trad. Sang. N. 77. 

12) 1.c. N. 548 (anno?) in pago Durgave vel ut nune dicitur Zurich- 
geve. Trad. Sang. 10, 11 in pago Durgaugense .. in Zurigauwia. 

13) 1.c. N. 190 situ pagellus qui dicitur Hegauvi. 

14) &. unten ©. 89. 

15) Trad. Sang. N. 39. 16) 1. c. N. 88. 96. 17) le. N. 653. 

18) Monum. Boica XXX]. 1. p. 60. 


88 


Aber auch ein ganzer pagus heißt!) situs, während fonft ter 
situs Theil bes pagus ijt?), ja andremale umgelehrt ber pagus 
fogar nur als Theil des situs erjcheint?); ein anbrer pagus heißt 
huntaret). Gau und centena werben fo als Eins bezeichnet). 
Aber veshalb, weil Gau und Hundertſchaft auch für Ein Gebiet gebraucht 
werben, darf man nicht) den Gau „obfolet” werben laſſen, wie fpäter 
bie Hundertfchaft zur „Zehntſchaft“ geworten fei. 

Die richtige Bezeichnung ift freilih: in pago A. in marchaB. 
(oft dann auch, aber doch jeltener in centena, in huntare C.) 
in villa, vico, loco, cella D.). Aber pagus, Dur-gau, situs 
(Waldramnis) huntari, locus (Cotinuo) wilare?), werben feines- 
wege immer fo deutlich unterſchiedens). Manchmal ift gauwe nicht 
Gau, fondern fogar nur Ortfchaft?). 

Zuweilen erwächſt ein neuer Gau aus einer alten Hundertſchaft, 
bie fi) aus dem Grafichaftsverband gelöft hat. Eine folche zur Gaugraf- 


1) In pago vel in sito Linzgauwa in villa quae dieitur D. Neugart 
Nr. 17. a. 752; ebenfo 1. c. 83. a. 784. Trad. Sang. 10 in sito qui dicitur 
Zurichgauvia 100, in pago velin sito Linzgauwa 99, in sito vel in paco [sic] 
Lincauginsi 39, in pago et in situ qui dieitur Peracholtespara: hier alfo 
situs und pagus == bar. 

2) 1.c. 117 in pago Durgaugense et in situ Arbunense. 

3) 12 in situ Durgaunense = (pagus) in pago Arbonense, aljo (gerade 
umgelehrt wie 117), ebenfo 25 in sito Durgoie vel in pago Arbonensis castri. 

4) Neug. 648. a. 904 pagus Munigisingeshuntare, Münfingen auf der 
rauben Alp. 

5) W.U. I. 102. a. 839 ex centena Eritgaoua; vgl. Baumann ©. 441. 
Bol. Über pagus zuweilen = centena (ebenfo situs Trad. Sangall. N. 10, 11, 
17, 39, 99, 100, 433 pagus Hattenhuntari. 684 in pago Munterishuntere, 
ebenjo Neugart 775), Bfter aber pagellus = centena, aber auch marcha = pagus. 
auch wohl marcha = centena J. Grimm, R. 4A“ D. ©. 56; meift zerfällt der 
pagus in mehrere, ber Zahl nad, fehr verjchiebene centenae: lehrreich Neugart 
N. 685. a. 898 pago Turgaugensi, quod tamen specialiter dicitur Waldrhamnis 
huntarı. 

65 Mit Cramer ©. 65. 

7) Neug. 363. a. 856 (nicht a. 816. 

8) Selten iſt die Ortsbegeihnung fo genau, wie Coll. F. Sang. addit. 3 
in comitia N., in Durgaue, in centuria illa in loco qui dieitur N. qui est 
juxta villam nostram N. de hoba illa et illa in eodem pago in oenturia 
N. .... de manso illo .. et in eodem comitia in parte orientali in centuria 
N. in loco qui eque N. vocatur et est juxta Constantiensem ecclesiam de 
manso illo ... 

9) So Heistilingauwe (Haiftlingen?) Neugart 155. a. 805. 


89 


ſchaft erwachſene Hunbertfchaft ift die ©le-huntare, nach dem Eentenar 
Hleo benannt‘), dann die aus der Albwinisbar gelöfte Goldiner⸗ 
Huntare des Centenars Goldin a. 854, tie Gau Ratolder⸗buch (Buch- 
walt[?]) des Ratold2) wurde. Innerhalb eines größeren Gaues Tann 
es eimen kleineren Verband geben, der tann aber auch wieder Gau 
— nit Huntari — heißen mag: 3. B. ter Zürichgau als Theil 
bes Thurgaus. Doch haben erft fpäter Stüde bes (alten) Thurgau's 
ven (jüngeren) Zürichgau gebilbet 3). 

Die Gefchichte der Gaunamen zeigt mehrfache Wanblungen: tie 
&fteften find nicht von ben Namen ber Grafen hergenommen, fonbern 
(wie wir ſahen oben ©. 86) wie nad ben Himmeldgegenven‘) fo nach 
örtlichen Eigenfchaften des Landes: fpäter (feit a. 850) werten bann 
ver Gauname und ver Name des Grafen (am Schluß der Urkunden), 
auch wohl ber Gerichtsftätte, verbunten: noch fpäter wird nur ber 
Name des Gaugrafen genanntd). Fräntifch-gallifcher Einfluß foll es 
fein, wird ein Gau nach ber Haupt-Gerichtsftätte benannt: fo wird 
ber Albgau von Hürben al8 comitatus Hurnia bezeichnet‘). Pagus 
und comitatus werben jeßt aber auch unterfchieden: ein pagus, 3.2. 
Munfingen, Tann in mehrere comitatus zerfallen. “Der pagus hat 
einen örtlichen Namen, der comitatus kann nach dem jeweiligen 
comes benannt werben 3. B. comitatus Arnolfi”). So wird ein Gau 
in die Amtsgebiete mehrerer Grafen geglievert®): zumal gilt das von 


1) Stälin (S.) I ©. 141... 

2) Bgl. Trad. Sang. 57 in pago qui dieitur Eitra-huntal (Eitrach- Fluß) 
433 in pagello Swercenhuntare; ja ein pagus heißt auch locus, Waitz⸗Zeumer 
V. &. 197, auch außerhalb Alamanniens. 

3) ©. oben ©. 87. Url. St. Gall. III. 306. Wartmann I. ©. 48. a. 870 
in pago Durgeuve vel ut nunc (a. 870) dieitur Zurichgeuve. Weber bie Ent⸗ 
widelung ber Bebentung ber Gane, deren Theilungen und Zuſammenwachſungen 
mit Theilen anberer Gaue, Baumann ©. 188—199. 

4) 3.8. bei ben Baiern Urgefch. IV. ©. 121. 

5) Beläge bei Stälin (S.) I. ©. 137. Waitz VII ©. 17; ebenda Beifpiele 
davon, Daß die Kanzlei den Namen des Grafen (ober jogar bed Gaues) fortläßt, 
weil fie ihn (moch?) nicht kennt. Benennung der Orafihaft nur nach ihrem Grafen 
hen im IX. Jahrhundert ©. 21. 

6) Stälin (S.) I. S. 137. Urkunde zu St. Denis von a. 779. 

7) Neug. 648. a. 904 (mweiter oben Arnolti). 

8) So ber Nibelgau in die comitatus von Rifoin und Wanning a. 802. 
Meng. N. 143, von Gozbert und Warning a. 862. N. 410, 413; vgl. v. Amira ©. 72. 


90 


den, ten Umfang eines Eaues fo erheblich überfchreitenden Baren!). 
Doch hat zuweilen Ein Graf die ganze Bar: fo Karl III., Graf 
Burkhard (geft. a. 911). 

Der Aargau war fon a. 891 (und wohl viel früher) in ben 
oberen und unteren mit je einem Grafen gegliebert?2). Rechts vom 
Rhein heißen die Grafichaften (in Ermangelung von Stätten) oft und früh 
von ihrem Gau). Gleichzeitig ober (häufiger) fpäter heißen aber auch 
umgefehrt Gaue nach den Namen ihrer Grafen. Häufiger [und früher] 
als bei ven Franlen nach ihrem früheften[?] oder doch einem hervor- 
ragenven Srafen?), vielleicht befonders, wenn bie Grafichaft lang Einem 
Gejchlechte verblieb, was bier früh Häufig gewefen zu fein fcheint®). 
Zumal die Bare find häufig jo benannt‘). Oder auch neben bem 
Namen ber Graffchaften nach räumlichen Sliederungen, — Gauen — 
itehen bie nach ven Perfonen ber Grafen 7). 

Das gejchieht jet ganz regelmäßig (in comitatu Heinrici 
comitis) 8): bald fteht diefer, bald jener Name voran‘. Zumal zur 
Dezeihnung der Lage der Grundſtücke bient (abgefehen vom pagus, 
ber auch fehlen mag), das »ministerium> 10) oder der comitatus des 


1) ©. unten ©. 92f., dann bie Beläge bei Stälin (B.) und zahlreich bei 
Neugart a. 791 bis a. 846. 
2) Neug. 598. a. 801. 
3) Comes Turgauensis Trad. Sangall. N. 572. 
4) 3.8. ber Burihingagau a. 772, vielleicht aus ber Berchtoldsbar hervor⸗ 
gewachſen. Pfullichgau a. 938, Pleonungathal a. 861, Stälin S.) I. ©. 140, 144. 
5) pagus Swiggerstal, nad Swigger, einem ehemaligen Grafen biefes Gaues? 
Ich entnehme bies Stälin (8.) I. S. 311. 
6) Berchtoldis⸗ Adalharbe-, Albwines- u. ſ. w. Bar. 
7) Neug. 609. a.894 comitatus Chadaloh. 610. a. 894 comitatus Habarhardi. 
8) Stälin (V. I. ©. 300. 
9) Comitatus Adalperti qui Skerra dicitur, d. 5. Scherra-Gau, Dilmge 
p. 80. a. 889. in comitatu Utonis comitis in pagello Perchtoldespara, in c. 
Ut. in pago bara in villa H. a. 854, 857. Neug. Nro. 356. Dümge, Reg. p. 71. 
in comitatu Para a. 880. Neug. Nro. 519 in comitatu Nidinga in pago 
Berchtoldesdara a. 821. Neug. Nro. 210; in pago Para in comitatu Hiltiboldi 
Mon. Boica 28, N. 240. 3.8. in pago Linsgowe in comitatu Hartmanni 
comitis villa quae dicitur Pfruwanga [Pfrungen] Chronicon Petershus. ed. 
Ussermann, Prod. I. p. 368. Neug. 629. a. 898 in Prisigovve comite Wol- 
funi ... in pago Thurico comitatu Adalgozsi und oft; aber auch ber comi- 
tatus wirb örtlich benannt: in comitatu Linzihkouve Hartmanni, Annal. 
Heremi p. 81. a. 972. 
10) Das Graffchaftsgebiet heißt ministerium: Neugart 144. a. 802 in mini- 
sterio Adalricho (sic) comite (Argengoviae). 


91 


Grafen mit deſſen Berfonennamen, auch allein!),. Mit Recht nimmt 
man baher an, daB große Gaue nicht das Amtögebiet nur Eines 
Grafen bilveten, vielmehr in mehrere Grafſchaften unter verfchiepnen 
Örafen zerlegt waren ?). 

Die Auflöfung der alten Gauverfaſſung?) geſchah nicht nur‘) 
dadurch, daß ber Graf Eines Gaues Grafichaftsrechte in einzelnen 
Orten eines anbern erwarb, beſonders auch dadurch, daß in ben 
Urkunden der alten Gaue mit Graffchaften nicht mehr gedacht ward, 
weil auf dieſe und die Grafen nichts mehr ankam, vielmehr auf ben 
Bafallen, dem ver Ort als beneficium gehörte, ven Vogt, den Immuni- 
tätsherrn: man citirte, wie fonft den Gau, das immune Bisthums- 
gebiet, oder Kloftergebiet, in dem der Drt lag). 

Die ftatlichen Gebietsglieverungen auf die firchlichen zurüdzuführen 
bat man in umfaſſender Weife verjucht®). Im ver Bisthum-Frage, wie- 
fern insbeſondere die Gaue mit den firchlichen Eintheilungen, Lanbcapiteln 
oder Decanaten, zufammenfallen?), ift man®) nunmehr zu dem Er⸗ 
gebniß gelangt, daß, was Württemberg betrifft, vie Gränzen ber Dis- 
thümer Augsburg und Conftanz nur im Norten?) mit ven alten Gau⸗ 


1) Wartmann I. 139. 217. II. 51. Treffend über Gaue und Graffchaften 
Stalin (V.) I. S. 275. Gau oft nur geograpbifche Benennung, ohne politifche 
Eintheilung; über ministerium VIII. 3. S. 35; die Graffchaft fiel meiſt nur mit 
Heineren Gauen zufammen (aber die Bar heißt wie pagellus auch comitatus). 

2) So Stälin (®.) I. S. 303 vom Nedargau; aber brei Grafen in Einem 
San find auch Ihm auffallend S. 328, über mehrere Grafen in Einer Bar ©. 329. 

3) Bgl. darüber die alte, aber immer noch brauchbare Darftellung von Gün⸗ 
berode, WW. IL. ©. 362. 

4) Wie Waitz VII. ©. 19. 

5) Beifpiele bei Watt ſelbſt VII. S. 20; über bie Auflöfung ber alten Gau- 
verfafiung durch bie höhere Bebentung ber Graffchaften und andrer nen fich bil 
denden SHerrichaften, — Tirchlihe Immunitäten — Waltsgeumer V. ©. 194; 
baber „berrfchaftlich”, dominicus. 

6) Böttger, bie Diöcefan-, und Gaugränzen Norddeutſchlands I—IV. 1875; 
daun Wohnfige der Deutfchen in dem von Tacitus beichriebenen Laube 1877; 
früher ſchon Anbere. 

7) Dies hatten durchzuführen verfucht von Hontheim, bie Karl Theodors 
Alabemie und der Ritter von Lang. 

8) Stälin (S.) J. ©. 135. 

9) Treffiend Baumann ©. 456 f.: man darf bie Uebereinftimmung weber 
übertreiben noch leugnen. Ueber bie Mebereinflimmung ber kirchlichen unb ber 
politiſchen Eintheilung bes Landes (des Bisthums Straßburg) richtig abwägend 
Schricker ©. 329, 381; Über die Gränzen der Bisthihner Bafel und Straßburg, 


92 


gränzen zufammenfallen, während fie im Süben vie Gaue kreuzen 
und zwar genauer als tiefe ber Landesgliederung fich anpaffen: im 
fränfifchen Württemberg gehen die kirchlichen und die Gaueintheilungen 
ganz auseinander. 


7. Bar. 


Ein!) alamanniiches Wort für- einen — meift größeren — Gau 
ift Bar?). Dies fteht feft: aber die Wortbebeutung ift beftritten: auf- 
gegeben) ift die Ableitung ven fara, Gefchlecht‘),. Nach Andern: 
abgegrängtes Stüd Land5): fo in ben verwandten Sprachen (Littauiſch 
baras, Xateinifch forus, forum). Nach Andern von ter Ortsbefchaffen- 
heit „Baumentblößter‘, nach Anderen wieder „Opferplag im Walde“), 
„Dedland” 7) oder umgekehrt „Fruchtbares Land“8). Aber damit ftimmt 
wenig, baß bie Namen ver Bare von Perfonen, (Vorftehern, Grafen) 
hergenommen find, wozu fich gut fügen würbe die Deutung Gerichts- 
ftätte, Gerichtsſchranke, (bairiſch Schranne, Gerichtöftätte, dann Ge- 
treivemarft)Y). Alſo Amtsgebiet des Grafen, ministerium1%), Dazu 
ftimmt, daß auch fonft die Graffchaft nach ver Hauptgerichtsftätte 
benannt wird: jo die Grafichaft Hurnia“ für ven Albgau von Hürben 1). 
Dem fteht auch nicht 12) der einen Gau überragente Umfang einer 
Bar entgegen: denn neben der wichtigften gab es auch noch mehr 
Gerichteftätten. 

Uebrigens begegnet Dar — Name und Sache — auch auf dem linfen 
Rheinufer: die Bar bei Lothringen, Bar-le-Duc, Bar sur AubeP). 


der Erzbisthiimer Mainz und Befancon, fowie ber römifhen Provinzen maxima 
Sequanorum unb Germania prima (ber Erkenbach) ©. 305 f. 

1) Nur: f. 3. Grimm, R.A. I. ©. 8. 

2) D. ©. Ib. ©. 425. Bol. Walther Schulze I. 223— 264; die Aufzählung 
bei Stälin (S.) I. ©. 137—145 hat neben 26 Gauen 5 Bare. 

3) Zuleßt auch von Watg IL S. 411 gegen I. ©. 82. 

4) $. Grimm, 1. c. I. ©. 376, 644. 

5) Schade ©. 40. 

6) Salob Grimm l. c. 

7) Förſtemanu »bara«. 

8) Birlinger a. a. O. 

9) Schmeller I. ©. 254. 

10) Könige VIII. 3. S. 34. Baumann ©. 430. 

11) Stälin (S.) I. ©. 137. Oben ©. 89. 

12) Wie Stälin (S.) I. S. 135 meint. 

13) Stälin (S.) IL ©. 135. 


93 


Der Name entfpricht dem „Sau“ 3): in pago qui dicitur Adalhartes- 
para 2), in pago Albuni-para®), Folcholtes-parat), Bertoldispara 
(und oft)®), Perihtilin-para; regio bebeutet bald Bar, bald Gau, 
bald Hundertfchaft. Die Namen der Bare find fo regelmäßig Berfonen- 
Namen, daß man umgekehrt annimmt, Gaue, die nach Perfonen hießen, 
babe man beshalb Bare genannt: allein es gab auch nach Perfonen 
genannte Gaue, die niemals Bare hießen. Aljo bier Schon im VIII. Jahr⸗ 
bundert Benennung nur nach dem Perfonennamen bes Grafen, was 
im Allgemeinen erſt viel fpäter — bei Auflöfung der alten Gauverfaffung 
— eintritt). 

Uebrigens heißen, wie wir fehen werben, auch Marten, Hunbert- 
ſchaften, Weiler, vici und villae gar häufig nach Berfonen ’), tem 
erften Bebauer oder auch einem fpäteren hervorragenden, deſſen Sippe 
fih Hier dauernd behauptete: bei tem Wechſel der Perfonen ober 
Seichlechter wird auch ter Name ter Bar wohl gewechielt. 

Genannt werben recht vom Rhein die Albwinisbara 8), Adal- 
bartesbara: fie beißt nach einem Grafen von c. a. 763, 7699, ber 
a. 763 auch Graf des Breisgaus war!d), fie ift ein Theil ber großen 
Berchtoldsbara 11). Dieſe Berchtoldisbara 12) war dem Umfang nach ein 
Heines Herzogthum 13): Hier war die geftürgte Herzogsfamilie beſonders be- 
gütert 14), fie zerfiel in vier Gaue und Heinere Bare 1); fie hieß fpäter 
„die Bar“ fchlechthin, ohne Zuſatz6). Folchholdisbara (a. 803). Perihtilin- 
bara 17). Aus ten großen Baren löften fich ſpäter mehrere Gaugraf- 


1) Trad. Sang. 35. 


2) 199. 
3) 186 und oft. 
4) 25. 5) 108. 


6); Baumann ©. 437. 

7) ©. unten, 3.8. Patin-hova (Patonis h.), in pago Albuines-para, in 
eentena Ruadoltes-huntare Neugart N. 283. a. 838. 

8) 3.8. Neng. a. 788. Walther Schulze I. ©. 230. 

9) Neugart R. 40. 

10) 1.c. 44. 48. a. 769. 

11) S. diefe unten. 

12) Oft a. 741—747. 

13) Stälin (S.) I. S. 139; vgl. Baumann, Gaugraffchaften a. a. O. 

14) Stälin (8.) I. ©. 284. 

15) Ueber die Adalharts⸗ und bie Berchtold Bar ebenda; aber auch Neug. 
9%. a. 785. 

16) So Neug. N. 519. a. 880. 

17T) Reugart zu N. 107. a. 786. 


94 


ichaften 1081. So warb bie weite Albwines-Bar fpäter aufgelöft in 
vier Gaue?): Ramma-, Heifter- [a. 805], Erit- [a. 819], Apphaga⸗Gau, 
abgejehen von ver Gliederung in 5 Hundertſchaften). Zu ber alten 
Dertholvisbar hatten auch gehört und fich fpäter als felbftändige Gau⸗ 
grafichaften von ihr gelöft ter Nagoldgau, die Grafichaft Haigerloch, 
Afeheim und Sulz, vielleicht der Sülich- mit tem Burichinga - Gau, 
(a. 772) die zähringifche Bar, die Perihtilinbar). Man) vermuthet, 
bie Zerfplitterung ter Bertholds⸗ und ter Folcholts⸗Bar fei bei Auf- 
bebung des Herzogthums (a. 730 ober 746) erfolgt, um ten Witer- 
jtand bes alten Geſchlechts (der Ahalolfinger, Gotefriedinger) zu brechen; 
aber das Gefchlecht blieb noch Jahrhunderte reich und mächtig). 
Auch das Berhältniß ter Bare zu den Gauen und Grafichaften”) 
it wegen bes ſchwankenden Sprachgebrauchs unklar: heißt die gewaltige 
Berchtoldisbar pagellus®), fo findet man?) darin nur eine Unter- 


1) Ueber bie großen Baren und ihre Auftheilung Meiten I. S. 468 (aber 
die reguli Ammians find nicht Eentenare). 

2) ministeria comitis Neug. N. 191. 

3) Stälin (S.) I. ©. 138. 

4) Ueber diefe Auflöfung ſchlechthin (bie ſpäter werfleinerte hieß a. 769 nach 
Graf Adalhart Adalhartsbar, deren füblichfter Theil als Albwinesbar, aus ber fich 
jelbft wieber zwei ganze Gaue, der Eritgau (a. 819) und der Heiftergan (a. 805) 
ſchieden) |. Stälin (S.) I ©. 138; über die Gründe vom Herzogsgeſchlecht ſ. 
Th. v. Stdel IL p. 296, a. 831. 

5) Baumann ©. 432. 

6) S. Baumann ſelbſt a. a. O. S. unten „Herzog“. 

7) ©. oben ©. 92. So heißt die Bertholdsbar wie pagellus situs W. U. 7. 
Neug. 40. a. 763 in situ qui dieitur Perichtoltespara; aber para heißt auch 
pagus: in pago Bertoltipara, Neug. Nr. 82. a. 782, ebenfo 81. a. 781 und oft. 
Unrichtig ift die Anſicht Cramers S. 507 über die Baren, wie felne ganze Echei- 
bung von Heergau und Landgau S. 35, von Gau und Grafihaft, von Großgau 
und Theilgau; [richtig Stälin (V.) I. S. 242) Birlinger, Alam. Sprade ©. 14 
und Baumann, Oaugrafihaften S. 54 f.]; umrichtig auch feine Darftellung ver 
elfälfiihen Gaue (richtig Schrider, ältefte Gränzen und Gaue im Elſaß, Straß 
burger Stubien. 1884. II. ©. 306 f.); wie fi bei Cramer p. XVI „Theilgau“ 
und Bar „ein großer Eompler” (wovon?) verhalten follen, bleibt unflar; die Ent- 
ftehung ber Bare wird willfürlich erflärt S. 304: unter den Karolingen fchon fol 
ber Begriff des Gaues „obfolet” geworben fein: aber bie Auflöfung der Gauverfaflung 
beginnt mehrere Jahrhunderte fpäter. Gegen Webertreibung ber Auflöfung ber 
alten Gauverbände treffend Baumann ©. 449, ber auch richtig in dem Beſitz ter 
Grafen bie oft unterfhätten Amtsbeneficien ber Grafen hervorhebt. 

8) Neug. Nr. 356, 451. 

9) Stälin (B.) L S. 279, aber doch gegen bie Sprache. 


95 


abtheilung, den Scherr- Sau: es jollen „Bezirke vorkarolingifcher Herren“ 
fein, tie in karolingiſche Grafſchaften nicht eingetheilt werden können: 
vorlarolingifch find die Benennungen gewiß ?). 

Eiba begegnet nicht im Sinne von Bar, fondern im Sinne von 
San?) im Fränkiſchen: daher Alamannia?): gleich pagus‘). 


8. Marca. 


Vor Allem ift auseinander zu halten ber Begriff der Mark als 
einer Gränzprovinz, Markgrafſchaft im früher®) erörterten Sinn und 
ter Begriff einer „Feldmark“, ber felbft wieder ein weiterer — Mark 
einer Hunbertfchaft und ein engerer — Mark einer Dorf- oder Höfer- 6) 
Senofjenfchaft-Almännve””) — fein fann. Eine „Mark“ im recht3- 
begrifflichen Sinn von Gränzgrafſchaft Hat es in Alamannien felbft 
kaum je gegeben®). Wohl aber wird eine alamanniſche Graffchaft 
einer angränzenden Mark zugetheilt: jo Rhätien ver iftriichen®), vie 
Grafſchaft Bar der bairifchen 1. Und nicht die Markt ver Ortichaft, 
die Gränze ter Provinz ift gemeint bei dem Verkauf eines Freien als 
Knechtes foris marcha 11). 

Bei den Marten im Sinne von Feldmark ift nun aber davon 
auszugehen, daß zumal fpäter 12) in Tarolingifcher Zeit auch bier eine arge 
Zerrüttung des Sprachgebrauch® eingetreten ift13): während in mero- 
vingifcher die Weißenburger Urkunden ftreng fcheident ven Gau pagus, 
das Dorfgebiet Mark oder finis nennen, finden wir 3. B. in ben 
karolingiſchen Sanct Galler Urkunden ven Gau und die Hunbertfchaft 


1) Bgl. D. G. Ib. ©. 424, Könige VII. 1. ©. 75. 

2) Könige VII. 1. ©. 81, Laiſtner ©. 12. 

3) Weingart-Eiba Stälin (B.) I. S. 312. pleonaſtiſch ſteht Weingart-eiba- 
Sau S. 323. W.U. I. 165. a. 889. 

4) W.U. I. 87. a. 823. 

5) Könige VII. 3. ©. 91. 

6) Könige VII. 1. ©. 100. VIII. 2. ©. 12, 28. 

T) Könige VIIL 2. S. 12. 

8) Bgl. Lipp, Gränzſyſtem S. 27. 54f. 

9) e.a. 800. Hunfrid heißt auch comes Curiensis, dux super Redicam 
‚Rhaetiam) Transl. Sangall. Scr. IV. p. 447. Thegan. v. Hlud. II. p. 59°. 

10) Stältn (8.) L ©. 247, 332. 

11) P. Fr. 3, 12. Lex 37, 3. 46, 1. 

12) Ueber marca nach Uferfraukenrecht Meiten I. ©. 567 f. 

13) So mit Recht Waitz S. 403 gegen Jacob? a. a. O.; vgl. Thubichum, 
Gauverfaflung ©. 152. 


96 


wie Marca, fo auch finis, fines genannt, was fonft meiftens bie 
Dorfmark meint.1) Marca fteht gar oft = finis?). 

Anderwärts werden aber finis und marca auch unterfchieben?). 
Eine Mark (Markgrafichaften) hat das Reich, Mark heißt die Provinz 
(j. oben ©. 72). Markt heißt auch die Grafichaft, eine Markt bat 
bie Hundertſchaft, eine Mark (Dorfmark, Feldmark) Hat auch das 
Dorf und die Höferfchaftt)., Oft warb in ber Folge tie Hunbert- 
ſchafts- zur Dorf-Almännved). Mark fteht oft gleichbedeutend mit 
pagus, Gau, marcha Argungaunensium ®); gleichbedeutend mit Mark 
ift terminus oter finis. Aber meift ift marca eine Unterabtbeilung 
bes Gaus und der Hunbertichaft”). Dft fchenkt Einer Alles, was er 


1) Trad. Sang. 130 in pago Turgaugense et in fine Arboninse (Arbon) 
15 in fine Augustinse (Augfl) vel in fine Prisegauginse = infra ipsus pacus 
(ipsos pagos). 

2) In fines ve} in marcas qui (sic) dicetur Tarono marca et... Mur- 
chingo marca Neugart 131a. a. 797. marca = finis auch bei Waitz⸗Zeumer 
V. ©. 197. 

3) Neug. NR. 173. a. 810. 

4) Letzteres erkennt fogar Meiten I. S. 567 bei aller Belämpfung der Höfer: 
haft an. Ueber die wechſelnden Bedeutungen von marca Neugart zu I. 44. 
a. 765; Baumann ©. 199; über bie. Marlgenofienfchaft v. Inama-Sternegg I. 
S.178f. Ueber das Verhältniß von Cent und Marl Thubihum S. 133; aber 
jede Cent hat, nicht ift eine Mark. Hauptwerk jegt liber all’ dieſe Verhältnifſe 
Meiten: doch find gerade bie Ergebniſſe über die germanifche Sicdelnngeweiſ (ſo 
die Leugnung der Hofſiedelung) oft höchſt bedenklich. 

5) Thudichum, Gauverfaſſung S. 277. 

6; Neugart N. 394. 

7) In pago Alemannorum in T. marca a. 775. Cod. Laur. N. 3271 
(und oft). in villa et in marca quod dicitur F. a. 836. Neug. Nro. 271. in 
pago Alamannorum in Burichinger marcha (= Gau) a. 772. Cod. Laur. 
N. 3275; ebenfo in pago Alamanniae Herman. Augiensis a. 902; in pago 
Alemannorum in Dalaheimer marca in SHattenhuntare, wo marca das engere 
@ebiet a. 776. Cod. Laur. N. 3243. Ueber die Marl, Markgenoſſenſchaft inner- 
halb der Hunbertihaft Stälin (S.) I. S. 110; aus „Geſchlechtsverbindungen“ find 
fie aber nur infofern hervorgegangen, als gleich bei ber Anfieblung bie Gefippen 
fih meift nebeneinander niebergelaffen hatten, wie fie nebeneinander, miteinander 
gewandert, gefahren, geritten, gegangen waren. Aehnlich wohl meint Weller II. 
S. 335, 342 den Unterſchied von „Urmarken“ und „Theilmarken“; daß Die Dörfer 
aus ben nebeneinander ſiedelnden Geichlechtern erwachſen find, warb von mir ſchon 
feit 40 Jahren gelehrt, alſo fhon lange auch vor Inama⸗Sterneggs hochverbientem 
Bel. D. G. La. S. 164. Urgeſch. 1. S. 71, 81. Könige VII. 1. S. 100. VIII. 2. 
S. 12, 28. 


97 


in der «Marca« !), aber auch Alles, was er in einem Gau eignet?): 
in fines vel in marcas nuncupantes in villa qui (sic) dicitur 
Wila®). Aber marcha iſt auch — huntare®). Bielleiht war in 
ſolchen Fällen zuweilen eine Dorf⸗Mark fpäter zu einer Hunbertichaft 
ervachfen®). Die Mark heißt oft nach ihrem Dorf®). Aber auch ein 
Ort wird umgekehrt nach der zugehörigen Markt benannt”). Die 
Mark wird räumlich, die Graffchaft (oft) nach dem Namen des Grafen 
benannt, aber freilich ftedt in dem Namen des Ortes, nach bem bie 
Mark heißt, felbft oft wieder ein Perfonenname®). Marca ift oft bie 
Almännde mit Ausfchluß des Dorfes; neben dem Almänndewald ftebt 
herrichaftlicher, geräumig für 100 mansı und für Maft von taufend 
Schweinen). 

Allein wie ein ‘Dorf (vicus) oder ein Weiler fann auch Ein 
Hof (villa) eine (kleine) Hofmark haben 19). In ſolchem Sinne ift eine 
Umfchreibung des Begriffs »marcha« ber Ausbrud territorium 
pertinens ad villam!!). Im Elſaß begegnet fehr oft in villa 
»vel« in marca. 12). Aber anderwärts auch Eine marcha ohne villa 13), 


1) Rengart 102. a. 787. 120, 121. a. 793 und oft. 2) 105. a. 788. 

3) (Weil) 1.c. 124. a. 796. 

4) 1. c. 118. a. 792 marcha illa qui (sic) vocatur Muntaris-huntari; 
ebenfo Trad. Sang. 134. Leber das Berhältniß won marcha unb huntari f. 
I. Grimm, R.A.“ I. ©. 57: jene mehr räumlich — mit dem Genitiv Singular 
eines Ortes ober Genitiv Plural der Ortsbewohner, dieſe mit bem Genitiv einer 
Berfon (nicht des „vornehmſten“ Befigers, wie Grimm, ſondern bes erflen ober 
eines hervorragenden Centenars; auch war die Bezeihnung nicht, wie Grimm 
meint, eine „vorübergehende“: viel mehr haftet ein ſolcher Name Jahrhunderte lang.) 

5) So ſchon Landau, die Territorien, Baumann, bie Baugraffchaften S. 74, 
(Dagegen Waitz &. 403. I. S. 201 f. und Allgemeine Monatsjchrift. 1854. S. 260]; 
über marca unb ihr Berhältniß zur Hunbertfchaft Weller II. ©. 312. 

6) Wartmann N. 47 in villa... Zarduna .. et in ipsa marcha Zardu- 
nense in Oberdofr)farromarcha, Hazzinchoo-arro-marcha, Dautun-hainio- 
marcha, aljo der Dörfler, der Höfer von D. oder H., Zeuß, W. N. 74 in villa 
Sealchenheim et infra Scalchenheinemarce. 

7, W.U. 1 76 in loco Thuringari marcha nuncupato. 

8) W.U. 1.136. Neug. I. (Nro.?) a. 861 in Greuleingaro[?] marko (sic) 
in comitatu Varinharii comitis. 

9) Meiten I. S. 573, in Ripuarien. 10) Reugart Nr. 307. a. 844. 

11) Duriuga, Thueringen Urf. Ludwigs a. 816. Dümge, Reg. Bab. p. 67. 

12) quae dieitur Thuruinga Zeuß 83. a. 786 und oft. in villa ve in 
marca uuestoue Zeuß, W. N.5. p. 13, in marca Gaerlaigovilla N. 6. p. 7, 
Mar Dagegen liegt ein Grundſtück In ber Mark zwifchen 2 villare 7. p. 15. 

13) Egg, Kanton Züri, Wartmann II. 406. a. 858. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 7 


98 


Heißt es quidquid habere videor in illa marca et 6 mancipia !), 
fo meint jenes quidquid Grundeigen. 

Marca ift alfo, wie wir gezeigt zu haben glauben, bald Gau, 
bald Hunbertichaft, bald Dorf-, bald Höfer-, bald Hof-⸗Mark?); cives 
begegnet für Bauern, Dorf- Gemeinde: Mark-Genofjen meift erft in 
fpätfarolingifcher Zeit in Nachahmung clafflfcher Sprache?). 


9. Centena, Hunbertichaft. 

Die Hunbertfchaften in Alamannien ſtimmen mit benen in Gallien +) 
in allem Wejentlichen überein. Jedoch eine beftrittene und ſchwierige 
Frage ift, ob fie in Alamannien altheimifch oder erft von ven Franken 
nach der Unterwerfung bier eingeführt findd). in früher fchwer- 
wiegender Beweisgrund für ben alamannijchen Urfprung war bie 
Annahme, daß die Hundertichaft eine alt- und gemein-germanifche Ein- 
richtung gewefen fei: allein dieſe Annahme ift als Irrthum bargeiwiefen ©): 
fehlen doch fogar in bem, tem alamannifchen fo nahe verwandten 
Baiernrecht faft alle Spuren von Hundertfchaften, auch nach der Ein- 
fügung des Landes in das Frankenreich“)). Gegen altalamannifchen 


1) Cod. Laur. N. 434. a. 775 und ſehr oft. in pago Alamannorum in 
Dalaheimer marca quidquid habere videor Cod. Laur. N. 309. a. 765. N. 346. 
a. 766. in pago Alamannia (sic) in T. marca 261 bi 274; dagegen heißt auch 
der Jagſtgau pagus 387. a. 767; und nebeneinander in pago Gleinsgowe 
und in Weblingero marca 1. a. 782. 

2) Nach Eramer ©. 66 freilich ift die Mark = ber „Zehnfchaft”, „Zehent- 
mark“, bat die Hundertichaft zehn Marken und der Gau (ale „Zaufenbichaft“) 
zehn Hunbertfchaften; aber es bat nie Zehenfchaften gegeben, f. oben S. 83 und 
unten Hundertſchaft“, S. 103. 

3) Trad. Sangall. 483 ligna et materiam caedendi siout alii cives 
potestatem habeant. 680 usus omnes .. cum illis civibus .. communes. 

4) Könige VOL. 1. ©. 84f. VIO. 2. ©. 23. 

5) Ueber bie Geſchichte ber Hundertſchaft Gaupp S. 155. K. v. Maurer, 
kritiſche Ueberſchat I. S. 73f. Sohm S. 181. Richtig Blumer I. 8.15. Ber 
fländig Neugart 104. a. 786, ber aus bem Ober-Wallie noch 7 »Desenae«, Zenten, 
(d. h. Centenae) anführt. von Danteld ©. 243 läßt ganz irrig bie Hunbert- 
haften erſt nach Befeitigung ber Herzogichaft von den Franken in Mamannten 
einführen. Veraltet find bie verfafjungsrechtlichen Darftelungen des fo vorzlig- 
lichen Werkes von Stälin (B.): fo wenn er bei ben Eentenen — er verlegt fie ſchon 
in die „älteften Zeiten” — bie Männer „ober” die Kamilien im ben einzelnen 
Höfen zählt. 

6) Könige VIL1. ©. 84f. 

7) Urgeſch. IV. ©. 152. Riezler I. &. 136, der bier folde anuimmt, muß 
zugefieben: „es fehlt an jebem Anhalt zur Entſcheidung ber Frage, wie fich bie 


99 


Urfprung fpricht ferner, daß bie Hunbertichaft auch hier erſt fpät, in 
torolingifcher Zeit!), vorkommt, d. h. nachbem fie im Frankenreich ver- 
alfgemeinert worden war). 

Man bat anbrerfeits für die fräntifche Einführung gelten gemacht, 
daß jo viele Hundertfchaften hier nach Berfonen heißen: das jollen bie 
Namen ver erften von den Franken eingefeßten Centenare gewefen fein. 
Jene Thatfache nun ift richtig: feltener nach lüffen?) ober Orts⸗ 
beichaffenheiten als die Gauet), auch, wie es fcheint, früher als Gaue 
noch Örafen benannt wurden, hießen die Hunbertichaften nach Berfonen?). 
Allen daß dieſe Namen die früheſten Centenare bezeichnen, ift einmal 
wifffürfiche, dann wegen ber fpäten Zeit ber Meiften — 200 Jahre 
nah Chlodovech — unwahrfcheinlihe Annahme. Daß die Namen 
nicht mit den Centenaren wechjeln®), beweift weber für noch wiber. 
Für den vorfräntifchen, echt-alamannifchen Urſprung ter Einrichtung 
Kinnte nur etwa fprechen das Veberwiegen des germanifchen Namens 
shuntari«e über »centena«”). 


Narlgenofienfchaft örtlich zur Hunbertfchaft verhielt”: fehr begreiflich, weil es keine 
Hundertfehaften gab. Watt I. S. 404 meint, bei den Baiern find die Hundert 
ſchaften durch andere Ausbrüde „verbedt”. Aber ein Zahlwort als Eintheilungs- 
grund ift unerfegbar und unverbedbar. 

1) Zuerſt in der fälfchlich fogenannten L. Hloth. 36, 1, in Wahrheit im 
VII Jahrh. 

2) Daß file „gewiß” weiter binanfreichen, vermuthet Waitz S. 41. Merkel, 
de rep. Al. p. 36, findet fogar in ber Häufigkeit der Hundertſchaft in gewiſſen 
Lanbestheilen den Beweis, daß biefe von ben Franken „zu frengerem Recht” als 
andere feiern belafien worden. Als ob nicht der Alamannenherzog — foweit er — 
je zur Zeit — Überhaupt von den Merovingen abhing — in feinem ganzen 
Land gleichmäßig abhängig geweſen wäre. 

3) Doch fehlen auch foldhe nicht, Weller, Anftebel. ©. 52. 

4) So alle fieben bei Stälin (S.) I. S. 137, 138. Golbines- (vgl. a. 854. 
Balther Schulze I. ©. 264) — Hatten» (Hatto a. 776) — Munterihes- (a. 792) — 
Baltrammis-huntari f. 3. Grimm, R.-A4 II. 6.56. Waig Il. 1. S.402. Eitra- 
huntal hat aber nichts mit Hundertſchaft zu thun, iſt Thal ber Eitrach. Gle- 
(Hleo a. 1007), Munigises (a. 904), Ruadolfes (a. 838), Swerzen-huntare (a. 854). 

5) 3. Grimm, RA II. S. 56. Waitz II. 1. ©. 402. Ueber die alaman- 
niſchen nach Perfonen benannten Hundertfchaften und beren Umfang im Berbält 
niß zum fächfiichen Go Meiten I. ©. 141; ex rechnet je 120 Familien (Groß. 
hundert) = 960 Köpfen als Grundlage ber Hunbertfchaft: babet find bie erforder⸗ 
fihen Unfreten (Hirten) nicht gezählt; dieſen Eonftructionen zu folgen ift mir 
nicht möglich. 

6) So haftet Muntharis-huntare von a. 792—980. 

T) Außer den bereits bei Waitz S. 403 angeführten Belägen Trad. Sang. 


7* 


257132 


100 


Kritit des Sprachgebrauch® der Quellen, zumal ber Urkunden, 
führt auch bier wie bei pagusi) und bei marca?) zu dem Ergeb⸗ 
niß, daß er keineswegs feftiteht, ſondern ſchwankend, ja widerſpruchs⸗ 
voll ift, wie fih zum Theil fchon oben gezeigt bat. Selten find vie 
Ortsbezeichnungen jo Har und richtig wie 3. 3.3) »villa in ducatu 
Alamannico in pago Linzgouwe in comitatu Adelrici comitis, 
wo nur noch Huntare und Marca feblen. 

Zunächſt ift ver Begriff der Hundertfchaft feftzuftellen, d. h. dasjenige, 
was gezählt wirb: e8 find auch Bier je hunbert4) felbftänpige Sippen, 
farae oder, was dasſelbe befagt, 100 Gehöftes). Daraus folgt, daß bie 
Hundertfchaft urfprünglich ftets mehr als eine Dorffchaft umfaßte: 
benn urjprünglich gab e8 gewiß feine Dörfer von je 100 Banerftellen 
und Geböften: vielleicht vier, fünf Dörfer waren erforverlich, dieſe Zahl 
zu erreichen, wozu dann auch die Einödhöfe zu rechnen find, die etiwa 
in ber Nähe lagen. Berner erhellt, daß bie Hunvertzahl nur im 
Anfang (mehr oder weniger) ftreng eingehalten werden konnte: bei 
ber ftarfen Zunahme der Bevölkerung ſeit dem Anfang des III. Iahr- 
bunterts nach Chr.e) mußte durch Neurodung, Bifang und Aus- 
fheitung ver herangewachfenen Söhne aus der Were bie Zahl rajch 
und ſtark überjchritten werten, ohne daß man Doch um beswillen 
bie Mark, die Grundlage aller Wirthichaft, ändern oder gleich eine 
neue Hundertſchaft anlegen konnte und wollte. Endlich ift Har, daß 
nriprünglich die Hunbertfchaft ein Theil des Gaues war, ber eine 
ſehr verſchiedne, ſpäter wachfende Zahl von Hundertichaften mit ihren 
Dörfern und Eindohöfen umfaßte. Dem entfprechend wird denn auch 
regelmäßig und richtig die Hunvertichaft al8 in dem »pagus« gelegen, 
als Theil des pagus, etwa al8 pagellus bezeichnet over in den Baren 
ale Theil ter Bar”). 


N. 372, 373 centena Ruadoltes huntare, W. U. I. p.94, centena Kreigou p. 117, 
centena Eritgoawa Dimge, Regest. Baden. p. 93 ex ceniena Eriggewe et 
Apphon habe ich keine gefunben. 

1) &. oben ©. 81. 

2) ©. oben ©. 9. 

3) Wartmann II. 130, vgl. 131. a. 873. 

4) Andere, fo Meiten a. a. D., rechnen nad dem Großhunbert = 120. 

5) Bol. Könige VII. 1. ©. 84. VID. 1. ©. 23, nicht 100 Krieger wie bei 
ben Goten. 

6) Dahn, Die Landnoth ©. 12. 

7) Bgl. 3. B. das Verhältniß ber Hattini-huntare zur Bertholdes⸗Bar Neug. 
I. 107. a. 789. Schwersenhuntare in pago 8. N. 66. a. 776. 


101 


Nicht glüdlih nennt man!) aber die Centenen Hleine?), die pagi 
große Gaue: der Eintheilungsgrund ift nicht berfelbe, nicht etwa 
1000 Höfe zu 100. Hier wird huntare gerabezu — pagellus gefekt, 
was bei Franken alfo richtig vermutbet warb’). Sehr bezeichnend 
heißt e8 einmal: „im pagus Thurgau, aber ba, wo man es im befonberen 
tie Waldramnis huntare nennt“ 4. Allein ſehr häufig wirb dieſe allein 
richtige Redeweiſe verlaffen in wiberfpruchsvollen Abweichungen, zum 
Theil gemäß ber auch bei pagus und marca beklagten Nachläffigkeit, 
zum Zeil bier aber auch in Folge ber häufigen Aenverungen bes 
Beſtandes, zumal des Anfchwellens ver Hunbertfchaft laus den obigen) 
Grünten], die oft den Umfang eines Gaues annehmen mußte. Daher 
mag eine Hunbertjchaft fpäter geradezu Gau heißen ®): eine fo fehr große 
Hundertfchaft wie die Golpineshuntare?) nähert ſich dem Umfang eines 
Sanes®). Schon ter fpäter fo fehr verfchievene Umfang der Hunbdert- 
Ihaften zeigt, daß bie urjprünglich zu Grunte liegende Zählung won 
ſelbſtſtändigen farae — meift ebenfoviel Gehöften — nicht lang maß- 
gebenb blieb: find doch zuweilen große Hundertichaften, aus dem Graf- 
Ihaftsverband gelöft, felbft zu Gauen, Gaugraffchaften, geworben). Da 
die Hunvertfchaften oft zu Gauen erwachſen, ift nicht immer beutlich, 
ob eine ſolche vorher Glied einer Bar unmittelbar fein Tonnte ober 


1) Thudichum, Gauverfaſſ. ©. 3. 

2) A. a. O. Untergaue ©. 9. 

3) Trad. Sangall. 433 in pagello Goldineshuntare, in pagello Swercen- 
huntare, ebenfo Neug. R. 356. a. 854. N. 66. a. 776. 

4) 1. c. 419. 420 in pago Turgaugensi quod tamen specialiter Wald- 
ramnishuntari vocatur; |. oben ©. 88. 

5) ©. 100. 

6) a. 839 centena ... Eritgaowa nuncupata Diümge, Reg. Bad. N.4. p. 69. 
Trad. Sang. 134. Der pagus Arbonensis hat einen Vorfteher, ber nur tribunus, 
nicht comes, heißt; V. Sanet Galli ed. Meyer v. Knonan c. 4, 

7) Sie heißt wohl nach einem ehemaligen Centenar Goldwin: „&ebieter”, 
legt Stälin (®.) I. S. 296: aber doch wohl nicht Eigenthümer, fonbern Beamter. 

8) ®gl. Über pagus l.c. 788. a. 903; in pago Hattinhunta a. 789. 1. c. 
107. a. 888. 1. c. 581; villa sita in centena Kreigow nuncupata, Memminger, 
wärttemb. Jahrb. 1826. ©. 333. a. 819. Gle-huntare = pago Qlehuntare et 
in comitatu Hugonis comitis Mon. Boica 28. N. 241. 

9) S. Stälin (S.) I S.135. Beläge für die Entwidelung ber Hundert 
Khaften eines Gaues zu ſelbſtſtäudigen Gauen bei Baumann ©. 431, 434; gegen 
„Untergaue“ ebenda: fie find in Wahrheit Hundertichaften; über bie Ortsbezeich⸗ 
unngen überhaupt ©. 436. 


102 


ftets Glied eines zur Bar (die mehrere Gaue umfafjen mag) gehörigen 
Gaues gewejen fein mußte!). 

Später (a. 1160) Heißt eine Hundertichaft nicht nur pagus, fogar 
provincia2); die Kuniges-hundra heißt wie pagus, auch [a. 909] 
comitatus®). Aber leider ſchwankt ber Sprachgebrauch weit über jene 
Entſchuldigungsgründe hinaus: bie huntari beißt felten centena‘), 
häufiger marcha®). Situs bebeutet bald [a. 744®)] ein weiteres, 
bald in einer andern Urkunde über das gleiche Gefchäft und im gleichen 
Sahr”) ein engeres Gebiet als pagus: lehrreich fteht situs — huntare 
in Einer Urkunde als Unterabtheilung bes Thurgaus®). Auch locus 
ift bald Hundertichaft, bald Dorfmart, bald Dorf (vicus), bald 
Gehöft (villa). Oft fehlt bei den Hundertſchaften jeber (erfennbare) 
Zuſammenhang mit irgend einem Gau, fo bie Munigefingeshuntare, 
die felbft pagus heißt?) und beren Hauptort Münfingen nicht locus 
oder villa, fondern marcha genannt wird 1%). Aber daß jpäter alle 
Centenen pagi hießen, kann man ebenfowenig 1!) fagen, als daß unter 
den Sarolingen Begriff und Name von Gau, pagus, „objolet” ge- 
worden 12). Das Schwanlen des Verhältniffeg von centena zu pagus 
— meift Theil, oft aber auch felbft pagus — bat zu den verſchiedenſten 
Erflärungsverfuchen geführt 1). 

Man tt) ſucht fich gegen jene Widerſprüche zu helfen durch An⸗ 
nahme von „Untergauen“, die doch nicht Hunbertichaften (fondern wohl 


1) So bie Hatten-huntare (a. 776) (be8 Hatto), die zur Perihtilin (a. 786) 
gehört hatten, Stälin (S.) L ©. 141, 143. 

2) Cramer ©. 350. 

3) Cramer ©. 365. 

4) Trad. Sang. N. 372. 373. 

5) Trad. Sang. N. 134. 

6) Neugart 1. c. 10. 

Le. 11. 

8) Trad. Sang. 444 in pago Durgaugensi et in situ Waldramnis-huntart 
situs = centena |. c. 10, ©. 101, 88. 

9) Neug. N. 648. a. 904. 

10) Cod. Laurish. N. 3220. a. 770. 

11) Mit Eramer ©. 317. 

12) ©. 304. Nah Andern fol — ebenſo irrig — umgelehrt die Banein- 
theilung erſt a. 746 eingeführt fein. 

13) Merkel p. 9, 37 Hält bie Hunbertichaften für altalamannifch [ebenjo Weller 
I. ©. 310), dagegen die Gaue für fränfiiche Einführung. Aber fchon Cäſar tennt 
die Gaue der Sueben. 

14) Stälin (B.) I. ©. 319. 


103 


größer ?) fein jollen: fo wenn Ein Ort, al® in zwei pagi verfchiebner 
Namen gelegen bezeichnet wird, was nicht felten begegnet. So hat 
ver große Nedargau mehrere „Untergaue”“, und Ein Ort wirb bald 
dieſem, bald jenem zugetheilt !). 

Durchaus unbegründet tft die Zugrundelegung des Zehnerſyſtems 
(taufend, Hundert, zehn) nicht nur für das Heer, — auch für bies 
gift fie nur bei den Boten — ſondern auch für die Glieverung bes 
Volkes und des Landes?), wonach der Gau ver Taufenpfchaft 'ent- 
iprochen haben foll, die Hundertichaft aus 100 Kriegern®) beſtand: bie 
„Zehnſchaft“, die gar nicht als Landglieverung nachzuweilen ift — 
10 Kriegern: die Hundertichaft, die 100 Höfe zählte, ftellte aber viel 
mehr als 100 Krieger, vielleicht 300: ter Gau konnte mehr, konnte 
auch weniger als 1000 Krieger ftellen. 

Diet) angeführten 6 decanatus in Churrätien, die in ministeria 
zerfallen, find rein kirchliche Eintheilungen bes Bisthums Chur 
und haben mit jenen „Zehnichaften” ®) nicht das Mindeſte zu fchaffen ®). 
Auch Hier wird in der Hundertſchaft „nach alter Gewohnheit“ vor dem 
Grafen oder deſſen Stellvertreter (missus) und dem Centenar ‘Ding 


1) A. a. O. ©. 323. Ueber die „Refle” von Humnbertichaften Lamprecht, 
Wirthfchafteleben I. 1. S. 255, 286. 

2); Bei Cramer ©. 34. 

3) Ueber die Humbertfchaften, ihre Entſtehung (aus 100 Kriegern) Namen 
und Glieberungen auch Weller II. &. 310. 

4, Bon Cramer ©. 557. 

5) ©. 343552. 

6) Wiederhoft, ſo S. 366, 374, 384, 387,398, 418, findet Eramer feine „Zehen- 
ſchaften“ bezeugt in Zentfchaften: („Huntaren und Zehntichaften” gar oft), ſ. aber 
oben ©. 83, 98. Dem Klug der Phantaſieen S. 292. über „Zehntmarf” u. f. mw. 
zu folgen, ift mir werfagt: „nähere Unterſuchung“ S. 296 wäre freilich abzuwarten 
geweien. Reine Willkür ift es, findet Kramer ©. 300, 302 in P. II. 45 heris 
generatio und in genealogia L. 81 feine Zehntichaft des Heeres und bie an⸗ 
gefeffene „Zehntichaft”, während doch in beiden Ballen nur an Sippen zu denken 
if, Die mit ber Zehnzahl nicht das Allermindefte zu fchaffen haben. Zählte jebe 
Sippe zehn Köpfe? Diefe Erfindung der Zehnſchaft zieht fich entftellenb Durch 
das ganze Buch, 3.8. ©. 305, 306, 307, 308, wo minus (ftatt minora) placita 
erfheinnen! Die gelünftelte, fchiefe Gleichung decanus = presbyter bei Walahfrid 
Strabo beweift gar nichts; Über bie wirfliche Bedeutung von decanus f. VII 1. 
&. 126. VIO. 3. &. 107. Watt I. S. 231, 278, 467, 483. II. 2. ©. 15, 18, 
212,333. IV. ©.146, 343, 405, 432., 437, 508. Uebrigens find bie decani ber 
Aamannen ein alter Irrthum, 3.8. bei Bluntichli, |. Dagegen &. Meyer von Knonau, 
Denkmäler S. 52: „decani gab e8 gerade bei den Alamannen niemals”. 


104 


(conventus) gehalten). Dies ift die Grundlage der ganzen Gerichts- 
zuftändigfeit2). In Alamannien bezeichnet daher centena durchaus 
nicht?) nur „das Recht des Centenars“, deſſen Gerichtsbarkeit, fondern 
(mie ministerium) bie räumliche Glieverung des Gaues. Für Ala- 
mannien trifft es alfo nicht zu, daß in dieſer Periode die Spuren ver 
Hundertſchaften nur felten begegnen *). 


10. Civitas, urbs, oppidum. 


Diefe Ausbrüde werben in gleihem Sinne wie in Gallien >) 
gebraucht. Aber auch biefe Namen werden — wie pagus, marca, 
centena, etc. — nicht begrifflich ftreng geſchieden und verwendet. 
Man hat in Württemberg 532, in Baden 121 (= 653) römifche An- 
fiedelungen nachgewiejen®). Für die alamannifche Zeit find auch die 
wichtigen römifchen Begriffsunterfcheitungen colonia (3. B. Augsburg, 
Augft, Rotenburg), civitas, (Baden-Baben, IJsny),ivicus?), (Murr) nicht 
zu vermwerthen. Selbſtverſtändlich find (feltifch-) römische Städte in 
Alamannien fehr felten. Die Peutingerfche Tafels) nennt in Alaman- 
nia: Argentorate, Auguſta Rauricum, am „See“ Arbor, Brigantio, 


1) ©. unten Gerichtöwefen und VII. 3. ©. 38. VIII. 4. ©. 65. 

2) Richtig ſchon Pfiſter S. 175. S. unten Gerichtswefen. 

3) Wie Waitz⸗Zeumer V. ©. 198. 

4) Wie Wait VIII S. 75. Weber die älteften alamannifchen Hundertſchaften 
aus dem VIII. Sahrhundert Baumann, Gaugrafihaften S.30f. Meitten I. S.467. 

5) Könige VII. 1. ©. 93f. VIII. 2. ©. 19ſ. 

6) von Halban, d. röm. R. I. S. 34. 

7) Meber Solicinium und Lupodunum Ausonius Mosella v. 421 - 424 
und Amm. Marc. XXVLD, 10. XXX, 7. Rotenburg und Lupfen? So Stälin (B.) 
1. ©. 134 (f. aber jetzt Stältn (S.) I. S. 60 Solic. Heibelberg?). Ausonius wie 
Symmuchus laudes in Valentin. Aug. I. p.10 ed. Maji II. 21. laſſen die Römer 
bei diefem Anlaß den Nedar („Niger“) erft entbeden! Ueber den Berg Pirus, 
im Befiz der Barbaren »barbaricus locus«e Amm. Mare. XXVIH, 2 im Oben- 
wald? Stälin (8.) I. ©. 135. Weber die Erhaltung von Romanen in Rhaetia 
secunda (Augsburg), Druisheim (Drusomagus), Günzburg (Guntia), Finningen 
(Piniana), Kelmünz (Coelius Mons), Epfach (Abudiacum), Kempten (Campo- 
dunum!), vgl. auch Baumann ©. 472; Über Navna unb anbere keltiſche ober rö- 
miſche Namen ©. AT4-500. Das römiſche Esko ber Peutingerſchen Tafel findet 
Baumanı ©. 474 In Schongau; über Pfronten, Füflen, Liebenflein und andere 
römifche Orte ebenda (nah Bud) S. 476; Pomone und Pinniana, Finningen 
©. 486; viele „Wala”, „Walchen“ und „Mauer” S. 478; keltiſche Flußnamen bei 
Bud, 3. d. hiſtor. Vereins für Schwaben und Neuburg VII. S. 1—39. Weber 
Argentaria, Orußenheim bei Arzenheim? norböftlich von Kolmar Stälin (S.) S.61. 

8) (a. 230—270) ed. Müllenhoff, Germ. ant. p. 154. 


105 


(Pregentia, lag zu Zeiten Sanct Galle in Trümmern), (Arae) Flaviae, 
Samulocenae, Augufta Vinbelicum!). Straßburg heißt civitas?) — 
dagegen Endingen oppidum?). Nach Caeſar Haben bie Eeltifchen t) 
Helvetier 12 Stäbte (oppida) gegen 400 Dörfer (viei) und nur da- 
neben Höfe, andre Gebäude. Bodman heißt ein oppidum ber 
Kammerboten), aber auch Dörfer heißen fo: Conftanz heißt bald urbs ®), 
bad oppidum: oppidum, „ein größerer Fleden“”), bald civitas®). 
Auffollend heißt oppidum das Heine Mitten (bei Wafferburg)). Bre⸗ 
genz beißt c. a. 615 civitas!®) (diruta), Zürich dagegen castellum 1!). 
Züri war zwifchen a. 117 unt 119 eine römifche statio 12), es heißt 
noch a. 853 civitas nostra1?), a. 893 warb ein VBerzeich der Zins- 
vechte diefes Königshofes angelegt 1%). Zölle werben erhoben in civi- 
tates, vici, castella, trajectus unb portus 18). 

Die Gliederung des Landes Churrätien in municipia, coloniae, 
oppida, praefecturae, vici, castella, conciliabula, ver Vorlage wirt, 
weil großentheils veraltet, von ber Lex R. nicht aufgenommen 1). 

Aber bier wird der Sit und bas Amtögebiet des Richters an eine 
eivitas gebunden, wie in ber römiſchen Borfage!?). Daß die Be— 
wohner ver Stäbte cives ober vicini heißen 18), beweift für eine be» 


1) Stadtrecht feit Habrian, Meiten I. ©. 328. 

2) Zen, W. überall. S. Stälin (S.) ©. 31: civitas hieß der Hauptert 
(mit feinen decuriones, cives, seviri), aber auch der Inbegriff ber ihm unter 
geordneten viei mit ihren vicani. 

3) Zen, W. durchgängig. Neugart 1. c. 39. a. 763. 

4b. G.15. 

5) Ekkehard, Scr. II. p. 83. 

6) Wartmann I 47. a. 797. 

7) Baumann ©. 274. 

8) a. 780,792, 793. Neug. 36. a. 762. 39. a. 763. 133. a. 797. Nr. 78, 119, 
120. Form. Alsac. N. 20. (a. 876). 

9) Und felten iſt Die Ortsbezeihnung quicquid habeo juxta unum fontem 
ejusdem oppidi. Neugart 290. a. 839. 

10) Vita St. Galli p. 7. 

11) Was Dureca vulgär⸗lateiniſch (?) bedeuten fol. So Ildif. ab Arx. 1. c. 

12) Keller, Mittheil. XII. S. 289. Infchrift bei Mommſen ebenda X. 

13) 3.0.8. I. p. 23. 

14) 3.0.8. I. p. 70. R. 160. a. 893. 

15) Graudidier II. p. 317. 

16) L.R. XXVL 6, 2. (7, 2). 

17) L. R. Rh. C. II. 16, 2. 

18) Du Cange VI, p. 816. 


106 


fondere Stabtverfaffung gar nichts 1): auch Glieder der Dorfgemeinden 
beißen fo 2). 


11. Castrum, castellum, burgum. 


Selten begegnet bier im Unterſchied von Gallien?) castrum: fo 
beißen Wirzburg ), Züri), Arbon®) castrum, Stödenburg bei 
Schwäbiſch⸗Hall?), castellum (Hohen) Twiel und Opferbingen (? Hon- 
fridinga.)®). Die Königliche Pfalz zu Zürich Heißt Caftellum erft 
a. 877°). Burgus ift ein Meines Caftell1%). Selten burgum allein, 
ohne Vorſylbe: burgum vel villam1!); clausae, clausurae find 
innmer nur Alpenpäffe 12), nicht Veſten in ber Ebene wie Augsburg und 
Kempten 13). 


1) Ueber ftädtifche Beamte in Churrhätten |. unten „Aemterweſen“. 

2) ©. oben pagi. 

3) VIL1. ©. 93. VIIL1. ©. 22. 

4) ®. U. I. 164. a. 889. 

5) Neug. 501. 503. a. 786, 877. 

6) In pago Arbonense castro 1. ce. 10. a. 744. Römiſche Stellen über 
Städte und Eaftelle bei Rieſe XI. 18. Ueber das nur fehr allmälige Auflommen 
fefter Plätze Waitz VIII. ©. 191—201; Doch wiſſen wir, daß manche alte Römer- 
ftädte an Rhein und Donau ihre Mauern behalten hatten; über die Zufluchtsorte 
(gegen bie Ungarn) bei Sanct Gallen Hartmann, v. St. Wiboradae c. 30. p. 454. 
Eklehard c. 51, vgl. Sanct Gallen ſelbſt c. 71. p. 113 (dazu Meyer von Knonau 
p. 104; über die befeſtigten „Cluſen“ Urgeſch. II. ©. 885, 965. Wait ©. 195. 

7) Monum. Boica 28. N. 11. a. 822/23. @in castelanaeum (castellum) 
in valle Ricianorum, Churrbätien, Form. Als. 5. friebberg, das von Drufus 
in monte Tauno angelegte Arataunon (Arctaunum)? Meiken I. ©. 353. Das 
von Zulian bergeftellte castellum Trajani Heddernheim? So Meiken I. ©. 425. 
castrum: mandodrum castrum Zeuß, W.N.14. Manbeur? (feltii$ Epaman- 
durum). 

8) Annal. Alam. a. 914. 

9) Neugart R. 563. 

10) Seit dem III. Jahrhundert, Vegetius epitoma rei militaris IV. 10 
eastellum parvum quod burgum vocant [rupyos; wohl ppouprov Zofimus II. 34. 
Eunap. 13]. Bgl. Keller, Mittheil. III. S. 311. Ueber das alte -burg, jchon für 
bie Römerftäbte, dann Herrenfige(?) Weller II. S. 330. 

11) oppidum = burgum = castrum = urbs = civitas = munieipium; 
über bern wechfelnden (fpäteren) Sprachgebrauch Waitz VIII. S. 196. 

12) Bgl. Wait VII. ©. 310. 

13) ©. oben S. 64. 


Te a ⏑— 


107 


12. Vicus, villa, Weiler. 

Vicus ift ein offner Flecken, villa ein lanbiwirthichaftliches Ge⸗ 
böft 1), jener umfaßt ſtets (oder doch meift) eine Mehrzahl von Häufern; 
dieſe bat nicht notwendig, aber fehr oft wirthichaftliche Nebengebäude 
neben dem Wohnhaus. 

Allein vicus und villa, wohl oft unterjchieren, werben doch auch 
häufig gleichzeitig von demſelben Drte gebraucht ?). 

Die Bewohner eines vicus heißen vicani?). Wird unterfchieden, 
jo bebeutet vicus das Dorf ), d. b. eine Mehrzahl nicht aneinander- 
gebanter, aber doch nahe benachbarter felbftftäntiger Bauernhöfe, d. h. 
Wohnhäuſer des Herrn und Hütten für bie Unfreien und Halbfreien 
nebft Stall, Scheune und andern Wirtbichaftsgebäuden, meift in uns 
regelmäßiger Klumpenlage>); für Eine Siebelung®) wirb in terfelben Ur- 
finde vicus und villa gebraucht. Villa dagegen ift urfprünglich ver Einzel- 
hof, keltiſch⸗ römiſchen oder alamanniſchen Urfprungs, oft weit entfernt und 
durch unbebautes Wald-, Sumpf-, Beides, Wies- auch Acker⸗Land von 
vem nächften Gehöft oder Dorf getrennt. Wo in der Nähe Tein Dorf 
liegt, an das der Einödhof fich zur Hundertſchaft und Markung fchließen 
kann, dagegen Hoffiedelung in der Gegend häufig ift, können fich auch 
ſolche Höfe zu einer Höferjchaft mit Höfer-Mlart zufammenfügen, wohl 
meift weniger zahlreich als die in einem Dorf belegnen Höfe. 

Bon diefen bäuerlichen Eindphöfen find aber in allen ihren Ver- 
hältniffen verfchieten die königlichen, herzoglichen und kirchlichen villae, 
die fich meift auch ver Immunität erfreuen. 

Daß vicus und villa fo Häufig nicht unterfchieren werben, 
erfärt fich daraus, daß bei längerem Beftehen und Gebeihen ganz 


1) F. Keller, Auſiedelungen ©. 272. 

2) Trad. Sangall. 28 in vico qui dieitur Ailihecauge .. actum in villa 
Ailihecaugia: es hieß wohl jo der UrHof, der dem fpäter daraus erwachſenen 
Dorfe den Namen gab. 

3) ©. ſolche bei Murr und Iffizheim bei Stälin (V.) I. S. 93. 

4) Ueber die Dorfverfaffung Joh. Meyer, Bunbesverfafl. I. S. 274 und 
unten „Beamte“. 

5) Meigen IV viele Beläge. Nah Eramer S. 61 ſoll vicus bei Käfer und 
Zacitns die „Malftätte” fein: aber die Römer verbrennen die Holzhäuſer biefer 
„Ralflätten”. 

6) Ailihccauge Trad. Sangall. 28. Vieus, ein Hof, vicus Adalhartes- 
hova, aus dem ein „Dorf“ berborgewachfen fein ann, das angemeflener jenen 
Kamen führt. So vicus Parchdorf 1. c.; »loeus« ebenda bezeichnet wohl Heinere 
Siebelungen als vicus. 


108 


regelmäßig aus ber villa ein vicus hervorwuchs).: — aus ben 
gleihen Gründen, aus benen eine Hunbertichaft bald mehr ale 
hundert Gehöfte zäblte?). Abgeſehen von den Wirthichaftsgebäuben : 
Stall, Scheune, Speicher, die der villa, tem Wohnhaus des Herrn 
ober des Maiers unentbehrlich waren?), bedurften die oft fehr zahl- 
reichen Unfreien eines folchen Herrenhofs der Wohn- und Wirthichafts- 
Räume in ter Nähe der sala dominica: und auch bie vielen Ab» 
kömmlinge des Herrn over feines Vertreters fiebelten fi um deſſen 
Haupthof herum an. 

Zürich heißt noch a. 805 vicus publicus®): das heißt ein bem 
Fiscus gehöriges Dorf: zugleich aber castrum und palatium (oben 
©. 105, 106). Rankwil ift a. 820 noch vicus®), Marjal noch a. 8419). 
Beitritten ift wie Herkunft jo Bebeutung von Weiler, wilare. Richtig 
ans Mittellateinifch viläre von villa”). Heißt doch eine villa gar oft 
gerabezu wilare®). Villare au als Ortsnahme alein®); villa1o) 
ward erft zu althd. wilari: dieſe Ortsnamen werben durch Boran- 





1) Vicus = villa: in vico nuncupante Vurmeringa a. 798. N. 135 = 
Nro. 263 villa Vurmiringa a. 868. Vicus ſteht ebenfo für Dorf wie für Einzel- 
bof: in vieis ... Adalharteshova, Parchdorf (et locis Mose) Neug. Nr. 27. 
a® 760. 

2) Oben S. 100. 

3) Ausgezeichnet jet Über al’ biefe Arten won Gebäuden Heyne I, „Wohnung“. 

4) Neugart 152. 

5) Wartmann I. 260 und folgende. 

6) Zeuß, W. 215. 

7) Graff L ©. 814, 844; Schade S. 1156; Wiegand II. S. 1077; Birlinger, 
Aamannia VI. S. 27; Weller, Anftebel. S. 31; Schmeller II. S. 887; Kiuge 
©. 368; anders Baumann ©. 389: aber warum ift ber Name im villenreichen 
Lande links vom Rhein fo viel häufiger als rechts vom Rhein? Rein willkürlich 
unterfcheidet Cramer S. 291 Dörfer zu 10—30 und Weiler zu 3— 6 Höfen: 
wo er von Meiten abweicht (fo S. 292), geht er irr; jebesfalles blieb der Name 
Weiler au, wenn viel mehr als 6 aus dem urfprünglich vielleicht einzigen Ge⸗ 
höft erwachſen waren. 

8) Zeuß, W. 211 villa qui (sic) vocatur Rimen-vilare. In illa wilare 
quod dieitur villa Aginoni, Zeuß, W. 82. a. 786; in villis markberga — 
vilare et bruningo-vilare 91. a. 768. 

9 Neug. Nr. 155. a. 805, dagegen unum villarem qui dicitur v. P. Perah- 
tramni N. 193. a. 816; villa qui dieitur Chnuzersvilare l.c. 95. a. 786; 
in loco qui vocatur Wernipertivilare l.c. 195. a. 818; villa quae dieitur 
Adaldrudowilare 1. c. 381. a. 858. 

10) Bielmehr villaris, villare, Weigand II. ©. 1076. 


109 


jtellung eines Perſonen⸗Namens des Befiters, nicht nothiwendig bes 
Degründers, gebilvet ?). 

In neuerer Zeit hat man?), fehr wahrfcheinlich gemacht, baf 
Weiler insbeſondere ſolche Sietelungen genannt wurden, bie urfprüng- 
ih nicht von einer ganzen Gemeinde Gemeinfreier begründet wurben 
oder allınälich erwuchlen, fontern von einem großen Grundherrn — 
König, Kirche, Weltadel — abfichtlic im Wege ber Coloniſation er- 
richtet und zunächft nur mit wenigen Abhängigen, Dinterfaffen, vielleicht 
auch Unfreien bejegt wurten: daraus würde fich die geringere Zahl 
ver Häufer und Hufen im Weiler, verglichen mit denen tes Dorfes, 
erffären: daher kann ein folcher Grundherr fagen: „mein wilare, ben 
ih (allein) zuerft erbaut habe?)“. 

Ein folder von Einem Grunbheren allein angelegter, mit feinen 
Abhängigen befettter Weiler erhielt dann oft deſſen Namen‘). Man?) 
bezeichnet die Weiler als 1) wenig zahlreich an Höfen: [3—10] 2) mit 
geringen Marten (Almännden), 3) mehr in hügeligen, Dörfer mehr 
in ebenen Landſtrichen gelegen [77], 4) feine ftreifenförmige Gewann- 
ſtriche, fondern blodartige Befigftüde Aber „pie meiften“ heute 
noch beſtehenden Dörfer find doch — (auch in württembergifch Franken) 
— nicht®) nachweisbar folche Anlagen einzelner Grundherren. Man’) 


1) Bol. Stäline (B.) I S. 273 treffliche Ausführungen, ebenfo andere mit 
andern Perfonennamen und Irtlichen Begeihnungen: Burg, Dorf, — Heim, — 
Stat; über «ingen ©. 274: fehr mit Unrecht batte Arnold Im feinen verbienftlichen 
Ortsnamenforfhungen -ingen auf die Alamannen befchränkt, vgl. Dahn, Ger 
manifhe Anfiebelungen und Wanderungen, Baufteine II. 1880. ©. 372. und 
die zahlreichen «Ing und -ingen in Ober: und Nieber-Baiern, Bavaria, Ortsgeſchichte 
J. U den Irrthum Arnolds theilt treulich Cramer S. 250. Ic, babe ſchon 1876, 
gleich nach Erfcheinen des Arnold'ſchen Buches, (dann mieberholt 1888 in ben 
Banfteinen“ VI. ©. 193 f.), nachgewiefen, daß -ingen und heim ſich durchaus 
nit nothwendig auf Alamannen und Sranfen vertheilen, wielmehr auch auf 
verichtebene Zeiten ber Ortögründungen; gegen das „grunbjäglich” fränkiſche 
‚heim laſſen ſich die zahlreichen -heim im bajuvarifchen Gebiet anführen. Vgl. jetzt 
au Schiber (1894) und Witte (1894). Ueber villa römifh und fränfifch, über 
angelfächfiich -ham = ⸗heim Seebohm ©. 253 f. 

2) Meitzen I. ©. 441f. 

3) Zeuß, W. 224 = 194. a. 718; die Stelle iſt Meitzen entgangen. 

4) So ein Willcheri’shusun von Willderi, Weller, Anfiedel. S. 73; über 
dorf ©. 74. 5) Meiten I. ©. 417. 

6) Wie Weller, Anfiebel. S.72; vgl. S. 74; Über Die zahlreichen »weiler ©. 76. 

7) Witte, Forſch. 3. D. Landes und Bolle-Kunde X. 1897; zur Gefchichte 
des Deutſchthums im Elſaß. 


110 


führt auch wohl Weiler auf römifchen Urſprung zurüd, weil ber Name 
(im Elſaß) meift in ſtark romanifch bewölferten Landfchaften auftritt: 
jevesfalls warb er aber früh auch von Germanen gebraudt. 


13. Ville ($ortfegung). Palatium. 

Dorf war urfprünglich nicht eine Anzahl von Häufern, fonvern 
von Menſchen, — eine Schar!). Auch bezüglich dieſes Wortes befteht 
fein feiter Sprachgebrauch: ver nämliche Ort heißt villa, curtis und 
locus?) — »villa« gehört bald zu dem Eigennamen z. B.: Gunbulfe- 


villa, bald wirb e8 gewiffen Orten als Gattungsname beigefügt und 


in biefem Ball auch wohl weggelaſſen?). Auch ein Dorf mag nicht 
nur vicus, auch villa heißen, wohl zumal, falls ber urfprüngliche 
Einzelbof allmälig mehrere zu einem Dorf um fich ber erwachien faht). 
Auch in ver Lex Salıca bebeutet villa bald Dorf, bald Einzelhof 5). 
Diefe einzelnen Landhäuſer find zuweilen ſtehen gebliebene römische 
villae, regelmäßig aber alamannijche Neubauten. Ammian kennt ihre 
Hof⸗6) und daneben Dorf-Sietelung: bald vici, bald villae”); ihre Hütten 
find aus Holz, daher auch leicht verbrennbar und gebrechlich ihre Holz- 
zäune®): biefe „Hofwere“ fpielt auch in ihrem Necht eine wichtige 
Nolle. Sehr mit Unrecht führt man?) die Hofflebelung aller Ger⸗ 
manen auf feltifche Gründungen zurüd — im vollen Widerfpruch mit 
Zacitus: in Skandinavien, wo es nie Kelten gegeben hat, auf Jsland 
iſt Hoffiebelung gar häufig 19). 

Bezeichnete nun auch villa urjprünglich nur ein einziges außer- 
halb der Städte gelegenes Haus, fo umfaßte Doch der Ausprud gleich 
von Anfang nothwendig auch die einem Landhaus unentbehrlichen 
wirthichaftlichen Nebengebäube, ſowie die zum MWirthfchaftsbetrieb er- 


1) gl. Iatein. turba, griech. tupßn; Heyne I. S. 3. Laiſtner ©. 12. 

2) 3.8. Duringas [Theuringen] Neugart 17. a. 752. 95. a. 786 villa et 
alsus losus 56. a. 774. 

3) Th. v. Sickel I. S. 233. 

4) villa .. Pargdorf Neug. N. 775. a. 980, das nämliche Pargborf heißt 
auch vicus 1. c. Ar. 27. a. 760; villa = husun, Mülenhufen, Neug. R. 97. a. 786. 

5) Beläge bei Meiten I. ©. 583; Dörfer I. 9 (Boretius 91). 

6) von Imama-Sternegg, Unterfuchungen über das Hoffuflem. 1872. ob. 
Meyer, Bunbesverfafiung I. ©. 235. 

7) 17, 1.10. 

8) XVIII, 2. 27, 10 habitanda .. saepimenta fragilium penatum. 

9) Meiten I. ©. 441 f. 

10) ©. unten „Landwirthichaft”. 


111 


forderlichen Grundftüde jeder Art: Ader, Weite, Wiefe, Wald, Ge- 
wäſſer. Dazu traten aber in ber Folge gar bald andere Häufer für 
die aus ber Were ſcheidenden Sippeglieder, dann für bie Freigelafinen, 
Abhängigen, Halbfreien, Unfreien: eine Gränze für ſolche Erweiterungen, 
Umbaunngen gab es nicht: fo erflärt es ſich, daß aus dem Einzel- 
landhaus Dörfer, vici, ja fpäter Städte erwuchfen, daß Ville, Billa 
nacheinander Einzelhof, Dorf, Stabt (ville de Paris wie cite) bebeuten 
konnte. Auch nicht nur Eine Kirche, mehrere Kirchen konnten zu Einer 
villa gehören: d. h. der Herr bes Landhauſes war auch Eigentbümer 
mehrerer auf feinem Boden von ihm errichteter Kirchen !). Zubehörben 
der villa find wie praedia, praediola?), agri, vineae, hortus, silvae, 
aquae, aquarumgque decursus?). Dann aber auch vor Allem die zu 
dem Gehöft gehörigen Hufen in ber (Dorf- und Hundertichafts-Mart) 
und die Nutungsrechte: Weide, Holzung, Jagd, Fifcheret, Maſt u. f. w. 
an Almännde und Hundertſchaftsmark. Die häufigfte Ortsangabe ift 
daher: „Alles, was ich befite in ber Billa X ober in beren (jener) Darf"). 

Auch das Geſetz fegt überall im Lande villae voraus): allein dies 
beweift nicht überwiegende Hofftevelung, ba villa auch für vicus fteht ) 
wie umgelehrt Tacitus ben vicus vorausfegt ”), ohne doch tie Hof- 
fiedelung ausfchließen zu wollen. Größere Kron-villae find oder ent- 
halten oft ein palatium®): doch kann eine villa auch ein palatium 
enthalten, ohne daß dies immer gejagt wird. Schon merovingifch ift 
bie Königspfalz zu Kirchheim im Elſaß)). 

Heilbronn heißt villa und palatium 10). Im einer Urkunde be- 


1) & Zeuß, W. N. 205. a. 699. 

2) Chron. Petershus. ed. Ussermann, Prodromus I. p. 329, 369. 

3) S. unten „Lanbwirthichaft". 

4) Nengart viele Hundert Male. 

5) 3.8. L. 78 (82). p. 143 umb oft. 

6) Bol. Weller, die Beftebelung des Alamannenlanbes. 

7) 3.8. Germania c. 19; vgl. Könige I. S. 56 und, mir bierbei folgend, 
Waitz. 
8) Keineswegs aber alle, anders Stälin (V.) I. S. 346; ein befeſtigtes pa- 
latium wäre ein castrum. 

9) Blath, die Königspfalz der Merominger und SKarolinger zu Kirchheim 
im Elſaß. 1900. 

10) Mon. Boica 11. p. 109. a. 840. (28. N. 11: aber ob et? Weber bie 
Pfalz Heilbronn (unter Ludwig dem Frommen) und bie „Palattalverfaffung” Jäger 
©. 26; das „Mundat“ S. 31 fol wohl Immunität bebeuten. Gegen bie [ver- 
muthete, Dahn) Merovingerpfalz Walahftebe bei Mehlis. 1901, Piper, Münchener 


112 


gegnet Ulm (Hulma) zuerft a. 854 und gleichzeitig) heißt es locus2), 
villa®), villa regalis®), curtis imperialis®), aula mit venatores 
regis®), curia regalis”), palatium regium®), villa regia®), fchon 
früher 10) palatium als curtisi!), aber dann nad) a. 858 doch wieber 
villa (Alamanniae) 12), dann fpäter wieber a. 866 wie palatium 
jo curtis13); in ber villa Frankonofurt liegt ein palatium 
regium#); auch bie gleichzeitigen Bezeichnungen von Zürich find gar 
manichfaltig 15). Donaueſchingen ift a. 889 villa 1%), Augft a. 819 17). 
Erft fpäter 18) ift eine Pfalz in Augsburg bezeugt, aber fchon a. 873 
wird bier eine wichtige Verhandlung auf einem placitum zwiſchen 
Ludwig I. und Ludwig dem Deutfchen gepflogen 1%); cubiculum regis 
fteht ftatt palatium?), Vom Herzog wird in ber Lex curtis?!), 
niemals palatium, gebraucht, aber auch vom Könige2?2) wur curtis, 
nicht palatium 29). 


Algen. Zeit. 1901. N. 210. Ueber bie Köuigspfalz in Bodman (»fiscus« und 
palatium) Uhland, Pfeiffer, Germanta IV. &. 35, über bie in Brumath Siffer, 
Bulletins de la societ& pour la conservation des monuments historiques 
d’Alsace. 1864. Ein Berzeihniß der Pfalzen bei Du Cange s. v. »palatium«. 
1) Ulm. Urk.Buch I. NR. 1. p.6 (Wartmann II. N. 50). 
2) p. 12. 
3) p. 7. 
4) p. 3, 15. 
5) p. 8. 
6) p. 9. 
7) p. 21. 
8) p. 6. a. 854. 
9) a. 856. 
10) a. 854. Neng. N. 356. 
11) N. 437. a. 866 noch a. 802. Annal. Fuld. 
12) Annal. Fuld. Ser. I. p. 371. a. 858. 
13) Neng. N. 437. a. 866. 
14) 1. c. 
15) &. Meyer von Knonau, Mittheil. d. autiq. Geſellſch. zu Zürich VI. 1850. 
S. 170. 
16) Dümge p. 80. 
17) Böhmer-Müblbacher. 1085. 
18) Unter Otto I, Baig-Seeliger VI. ©. 311. 
19) Annal. Bert. h. a. 
20) Urkunde in Bremen 34. Wartmann II. ©. 34. a. 868. 
21) L. Al. 87, 89, 90. 
22) 89. 
23) Ueberlingen (Iburninga) iſt c. a. 640 eine villa bes „Serzogs“(??) Gunzo 
Vita St. Galli p. 10. 


— — I  — 


113 


14. Situs, locus, cella. 

Noch mehr fast als die andern ſchwanken, wie wir fahen!), biefe 
Ansprüde in ihrer Bebeutung. Situs fteht fogar für pagus?), ja auch 
loeus®). Locus ift= villa®), auch ein — wilare heißt locus®) und 
eine villa beißt wilare: villa quae dicitur Throantis wilare®), ein 
locus heißt — husa’), aber auh — „Thorf“ 9). 

Es muß auffallen, daß Ein Ort, 3. 2. eine villa, ein locus, mar- 
cha genannt wirb: nicht nur bie Mark ift damit gemeint, in welcher 
ver Ort liegt). Marca heißt aber auch eine Hiuntare!P); gewöhnlich 
führt vie Mark ven Namen von ihrer Hauptfiebelung, z. B. einem Dorf, 
ner villa: Bildachingen marca von villa Bildachingen!!). Cella ift 
eine Heine Sievelung, oft ohne nothwendige Beziehung zu einer 
Kirche a). Derjelbe Ort heißt villa und cella13): foldhe cellae in 

1) Oben S. 81 ff. 

2) pagus vel situs Linzgauva Neug. N. 17. a. 752. 

3) locus qui dicitur Sualifelt. Regino a. 876. Sor. I. p. 589; f. Oefterlet, 
anter Schwalefelb. 

4) Dümge p. 70 vergliden mit Neng. Nr. 745 (Altheim), ebenfo villa = 
loeus Argen 1. o. N. 122, 136, 296. a. 794, 798, 839; in locis et in villas .. 
Altheim a. 785. Neug. Nr. 90; locus 8. dietus in pago D. et in comitatu R. 
eomitis Mon. Boica 28. Nro. 245; villa Ailingas.... alsus locus Reug. Nr. 56. 
2.774; locus qui vocatur W. vilare l. c. 195. a. 818; locus = 8.-thorf 
Rr. 235. a. 828. Jäger ©. 25. locellae = loca Neugart 1. c. 12. a. 744. 

5) in loeis nuncupatis Druantes-wilare etc. Reng. Nr. 516. a. 879. 
394. a. 861. Nr. 627. a. 897. 

6) 1.c. 489. a. 875. Nr. 381. a. 858. 

7) in loco quae vocatur Wickinhusa Cod. Trad. Sangall. p. 223. a. 845. 

8) Neug. Nr. 235. a. 828. locus = -hova Neug. N.207. a.820. Schanmat, 
trad. Fuld. p. 122; locus = -oella lc. 215. a. 824. 413. a. 862; feltfam n 
loeo et in villa Sconenpirch 1. c. 609. a, 894; locus = villa, Schannat, trad. 
Fuld. p. 309, 310. 

9) Münfingen, der Ort, beißt Munigisingis Marca Cod. Laur. N. 3220. 
8.770, ebenfo villa Illincheimer marca, Ylingen bei Maulbronn, 1. c. 2398. 
2.165. Marca Linzingen = villa Leonsinga 1. e. 2369, 2381. a. 766. In 
marea vel villa Bodibura [Botwar bei Marbach] Acta academ. Theod. Pal. 
VL p. 107; ich entnehme dies Stälin (V.) I. ©. 322. 

10) marca qui (sic) vocatur Muntharis huntari Neug. Nr. 118. a. 792. 

11) Cod. Laur. Nro. 3528. a. 791. 

12) So das lieblihe Manzell bei Friebrichshafen: Cella quae nuncupatur 
Msjoris, d. h. bes Maiers, Neugart N. 627. a. 897 (= Maduncella? Cod. 
tradit. Sangall. a. 815. p. 126). 

13) Cella, locus qui vocatur Rammesauwa atque Perahdoltescella Neug. 
Ar. 112, 115. a. 790, 805. 

Dahn, Könige der Germanen. IX 1. 8 


114 


Einer Dorf-Mark find nicht immer kirchliche Bauten, auch Heine Grund- 
ftüde und Häuslein). Zu einer Klofter-Eella gehört baher auch 
gerobeter Wald. Aber anprerfeits ift cella eine Heine Kirche, Capelle, 
Wohnhäuslein eines einzelnen oder weniger Geiftlichen nebft dem zu 
teren Unterhalt beftimmten Land?). Eine folche cella wirb Kloſter 
Rheinau übertragen, dort ven Dienft Sanct Mariens zu „befeftigen“ 2). 
Ueber folche firchliche cellae f. unten „Sirchenwelen“. 


Das Ergebniß dieſer kritifchen Unterfuchung des Sprachgebrauchs 
ber Quellen ift alfo, daß es einen ſolchen „Sprachgebrauch“ von rechts» 
begrifflicher Staͤndigkeit nicht giebt, und alle auf folche ſchwankende 
Ausprüde gebauten Lehren bodenlos find. 


15. Ortsnamen. 


Amold, die Ortsnamen als Geſchichtsquellen, Studien zur Deutſchen 
Eulturgefchtchte. 1882 (dagegen Scherer, Jenaer Lit.-Zeit. III. 1876. ©. 474). Die 
Thellung der Ortsnamen nach den brei Elaffen Arnolts, Anfiedelungen S. 287, 
if wentgftens für die Zeitfolge nicht durchzuführen; auch nicht Die brei Pertoben 
in ber Gefchichte der Namensfermen S. 606 f. — Birlinger, hohenzollerſche Feld⸗ 
und FlurRamen. — Bohnenberger, Ortsnamen bes ſchwäb. Albgebiets; — rö⸗ 
mifche Ortöbezeichnungen in Sübbeutihland. — Bud, f. beffen zehn) Abhand⸗ 
[ungen über alamanniſche Ortsnamen oben Literatur-Ueberficht. — Ehrenberg, bie 
Ortsnamen auf »ingen. — Hartmann, bie württembergifchen Ortsnamen anf Grund 
der Schriften Ab. Bacmeiftere, Die Befleblung Württembergs. Die VBefieblung 
bes ſchwäbiſchen Schwarzwalbs. — Heeger, Die germanifche Befiebelung ber Borber- 
pfalz an der Hand ber Ortsnamen. — Ueber bie Ortsnamen auf ⸗ingen unb ⸗heim 
Weller, Anfiebl. ©. 34, 54; auf hoven, kofen Bluntiſchli I. S. 23; «bach, «brunnen, 
sau, ⸗huſun, »felb, ⸗iunde (Heyne I. ©. 13 f.), »buron, »ftettin. — Heeger, -ingen, 
sheim, »ftabt, ⸗ſtein, =borf, «hoben, ⸗hofen, ⸗hauſen, «bach, sach, »felb, «hardt, «berg, 
sbühl ©. 12; vgl. fiber die Schweiz ©. Meyer von Knonan, alam. Denkmäler 
Nr. 2; Mittheil. d. antiq. Gefellfh. in Zürich I. II. 1875. 1876; aber auch bie 
Franken wie alle Weftgermanen fiebelten ſich — urſprünglich — nach Gefchlechtern 
an wie bie Alamannen. — Ueber bie Ortsnamen auf angas f. auch Echiber, 
german. Stebelungen. — Bgl. Bohnenderger, Ortsnamen &. 15: Angen am 
Häufigften: 210; dann haufen, -hofen, ⸗heim, »fletten, »borf, weiler (am Seltenſten: 
19), »bürg, ed, «ftein (feltener), -Kixch, »tappel, ⸗zell, münſter: Telttfche, römifche, 


1) 3. 8. Zeuß 249, 250. a. 737[?). 744. Dagegen cella St. Pauli des 
Klofters 251. a. 831. 

2) Wartmann II. 534. a. 868. 

3) Cartular von Aheinau 5. a. 858/59 ad stabiliendum. 





115 


alamannijche, aber hier — ſchwäbiſche Alb — nicht fränkische. — Prinzinger, zur 
Namen- und Volks Kunde ber Alpen. 1890. — Sehr Ichrreich Über bie Ortsnamen 
ald Onellen ber Landes, zumal ber Siebelungsgefchichte iſt die Abhandlung von 
Dr. 9. Meyer, die Ortsnamen bes Kantone Zürich, Mittheil. d. antiq. Geſellſch. 
VI. 1850. &.70f., zumal über «hof (S. 136), «brand, ⸗ſchwend, ⸗renti, ⸗chon 
(ofen), bur ſdazu Heyne L S. 311 f.), gadem, ⸗heim, «Hütte, ingen (42 Arten 
mit 1846 Namen); vgl. &. Meyer von Knonan a. a. O. 1876. — lieber bie Orts⸗ 
namen anf -ingen, ⸗heim, »weiler, »borf Weller II. &. 327; jest beſonders Fifcher, 
Geographie der ſchwäbiſchen Mundart, 1895, ber mit Recht das Auftreten ber 
Ortsnamen als nicht ar bie Stämme gebunden barftellt; über ⸗inghova Weller 
&. 333. — Studer, Schweizer Ortsnamen. 1896. — Meitten I. S. 426, 434, 542 
folgt noch ber Armclb’fchen Lehre von dem nur alamannifchen „ingen“ und 
„weiler“, führt aber ſelbſt ©. 545 zahlreiche falfränkifche -ingen auf. Hier foll es 
plötzlich SSumpf“ bebeuten: ©. 547 follen fie boch wieber alamannifch fein (in 
Holland!). Ich bebauere, den Ausführungen bes hochverbienten Mannes I. S. 494 f. 
durchans nicht beipflichten zu können: »colunt diversi et discreti, ut fons ut 
nemus placuit«, nämlich den Germanen bei ber Anfleblung, nicht — früher 
ten Kelten! — jagt abmahnend Zacitus. — Juhaltreich ift die Zuſammenſtellung 
von Orts- und FlurRamen um Lindau von Lunglmayr, Schriften des Bereind 
für Gefchichte des Bodenſees und feiner Umgebung. 1898. — Unerklärt iſt ber — 
ungermanifche — Name bes Bobenfjees: lacus Orcarius, Form. Aug. 26, vgl. 
Zeumer N. 9. VIII. &. 504, dech fehwerlich von lateiniſch »orcus«. 


Diefer Gegenftand, über den ausgezeichnete !), aber doch nicht 
abſchließende Arbeiten vorliegen, ift bier nur zu ftreifen, fofern er 
unjere Aufgabe — das Land der Alamannen und beflen DBefiebe- 
lung — berührt. 

Die von ven Alamannen borgefundenen und beibehaltenen nur 
alamannifirten Namen befchäftigen uns hier nicht?). Tautologiſch 
werben die germanischen und bie lateinijchen DOrtsbezeichnungen gehäuft?). 
Ortönamen werben vor allem nach ver natürlichen Ortsbefchaffenheit 
gegeben‘). Auch nach der Hundertſchaft, ja fogar nach tem Gau, 
darin fie liegt, mag eine villa beißen, fo noch nach 1100 eine villa Am- 


1) ©. Stälin (8.), Bud, Steub, Arnold. 

2) Die Formen der Ortsnamen in ben Urkunden bes VIII. und IX. Jahr⸗- 
hunderte beflätigen durchaus bie Namen-Erflärungen Ludwig Steubs in deſſen 
Schriften über Tirol, f. unten ©. 126; vgl. Neug. 597. a. 890 Sulles — Cal- 
caeres — Rautines. 

3) Albunesparo in ceniena Ruadolteskuntre pagus in villa quae dicitur 
Patin-Aova W.U. I. 98. a. 838, 

4) loco, qui propter fontium ubertatem vocatur Prunnon (Brunnen in 
der Grafihaft Toggenburg) Neng. 353. a. 854. Ueber ben Namen Ska — Wald 
= Ränberverfted, daher Schächer, Räuber(?) Neugart 401. a. 861. 


8* 


116 


birgou!). „Thal* ift nicht ſtets ein Raumbegriff wie Gau oter 
Hundertſchaft?), fondern oft eben Ortsname eines Thalgrunves?). 

Aber am Lehrreichiten für uns ift die Benennung von einzelnen 
Ortfchaften, wie von Gauen®), Hundertfchaften:), Marken‘) nach 
Perfonennamen. Nur ift es biebei ganz irrig, in biefen Perſonen bie 
erften Anfiedler zu fuchen: denn wir wiffen, baß die Ortsnamen mit 
ben Befitern Häufig wechjelten. Doch können wir anterwärts nach» 
weifen, daß ber Name bes jetzigen Befiters (und Schenters) der gleiche 
ift wie der eines Vorfahren im felben Ort, zumal des Großvaters, 
aber auch älterer Vorfahren, da deren Namen häufig bei ven Enten 
fih vererbten. Heißt daher ber Schenker eines Pattonwilare Batto, 
fo ift Loch der Name des Schenters nicht maßgebend gewejen, ſondern 
irgend eines Vorfahren: die Namen hafteten wie an ber Sippe fo an 
dem Hof, wie heute noch bei Bajuvaren in Baiern unb Defterreich 
wie in Alamannien. So wohnt Chnuzzo a. 786 in Chnuzzo's⸗Wilare, 
das nicht nach ihm, nach einem gleichnamigen Ahn und früheren Siebler 
benannt it”). &benfo heißt Atalgozeshufen wohl von einem Ahn bes 
gleichnamigen Schenfers von a. 834%). So leben in Patahin-vilare 
(von je) die Patachone ?). 

Der Name der Schenkerin und Eigenthümerin Cotinu Tehrt in 
bem Namen bes Gutes (— Weilers —) Cotinuo-wilare wieber 19), 
aber geht auf eine gleichnamige Vorfahrin zurüd. In Ottramesriod 
wohnt Ottram 11), in Oterichsrioth Dterioh 12). So Heißt die Siedelung 
eines Ruadhers Ruadherio wilare, nicht nach dieſem, fonvern nach 
dem Großvater over wahrjcheinlicher nach einem viel älteren gleich- 


1) Historia Welforum Weingartensis (von Abt Werner?) ed. Wieland, 
Ser. rer. Germ: in ugum scholarum 1869. 

2) Nicht = Hundertihhaft, wie Eramer &. 318. 

3) Zweifelig ob W. U. I. 132. Reng. I. 394. a. 861 »in Foraste« ein 
Drtsname ober ein Korft, darin 60 Joch gerobet Land, terra culte. 

4) Oben ©. 81. 

5) Oben ©. 98. 

6) Oben ©. 95. 

7) W. U. J. 31. Neng. I. 95. 

8) Neugart 257. 

9) W. U. I 98. 104. Neng. I. 296. a. 838. 839, 

10) Neng. 363. a. 846. 

11) ®. u. I. 133. Neug. I. 396. a. 861. 

12) ®. U. IL 138. a. 866. 


117 


nomigen Abn!, Daher heißt ber Linko's gehörige Ort Liknen- 
wilare, nach irgend einem Ahn gleichen Namens, ber zuerft bier 
fiedelte). Ganz fpät noch hießen Orte nach Perfonen?). Auch Berge 
beißen nach Berfonen‘). Weiler werben ſehr oft nach Perfonen be- 
nannt®), was fich nach dem Obigen (S. 109) wohl erklärt. Oft wird 
ter Rame bes Befiters zum Namen bed Hof‘). Die Höfe werben 
nah dem Halbfreien ober Unfreien bezeichnet, ver auch wohl barauf 
figt?). 

Mit dem Namen bes Eigenthümers ändert fi dann auch wohl 
ber des Ortes). In Ortsnamen erfjcheinen auf einen Berfonen- 
namen folgend oft wie -cella, jo -hoba und -riod (Geriut): fo 
Werimceretis-cella, Heminus-hoba, Paldrammis-riod ?), ebenfo 
-wanga, -wilare!0). 

Ganze Ortfchaften erwachlen um Eine Hofftabt d. h. Einen Hof 
und erhalten dann von biefem den Namen!) und noch viel öfter vom 
einfachen hova ?2). 

Häufig find Ortsnamen mit „Walen“ („Wälſchen“, „Roman“) in 
Rpätien 13). Im Elſaß trägt Ein Ort einen Teltifchen Namen (Discia- 
eum) und zugleich einen alamannifchen (Dagenbach) 14). Oft verrathen 
bie Ortsbezeichnungen auch anderwärts ben römifchen Urfprung (— vom 
limes her —) der Anfievelung ober ihrer Trümmer: Mauer, Muerli, 
Stein, Bürgli, Schloßli, Altenftadt, Heibenftatt, Kafern, casa, Täferi 


1) Nengart. 478. a. 874. 

2) Reng. 643. a. 903. 

3) villa quae dicitur Leubmanni (heute Lemen ſchweil) possessiuncula quae 
dieitur Willoboldi fabri Neug. 651. a. 904. 

4) mons qui vocatur Eburharti mons Zenß 204. a. 851. 

5) Nengart 222. a. 826 Ruadhereswilare. Adalgoseshusen 257. a. 834. 

6) Dr. Meyer, Mittheil. d. ant. Geſellſch. VI. 1850. ©. 71 („perfönlich 
Ortsnamen”). 

7) Curtile quam Harioldus tenet Zenß, W. 128. a. 820. 

8) Neug. 335. a. 850 Waltrammis wilare quod prius vocabatur Wodal- 
prechtes wilare; ebenfo N. 153. a. 805. 

9) Baumanıı ©. 200. 

10) a. a. O. 

11) Neugart 1. c. 59. a. 774 loous qui dioitur Richgaeres-hovasteti, Wolf- 
mares-hovastat. 

12) 1. e. 

13) Ueber bie Wechfel der Sprachgränge bort Keller, Mittheil. XII. ©. 337. 

14) Zen, ©. 192. a. 713. 


118 


(taberna) !), Mal ale Ortsname ift Gerichteftätte, nicht machalum, 
Speicher?). 


B. Das Bolt. 
1. Römer und Alamannen. 
a) Allgemeines. 

Meber das Zahlenverhältniß zwiſchen Römern und Alamannen 
erbalten wir unmittelbare Nachrichten gar nicht: und bie Schlüffe aus 
mittelbaren Anhaltspunkten find recht unficher. Beweiskräftiger als 
die fo vielfach überſchätzte Schäbelmefjung — Rundköopfigkeit foll römifch, 


1) Nah F. Keller, Mittheil. XII. S. 269. Ueber die VBebeutung ber Ort 
namen Prüm, Segond, Terzen, Duarten, Quinten am Walenjee %. Keller, 
Mittheil. XII. ©. 336. Weber Arbor felix (Arten ber Glüd bringenden Bäume) 
Keller, Mittheil. III. S. 314; Ortsnamen nah Wäldern und Walbbäumen 
2. Berg ©. 146. 

2) Zmeifelnb Meiten I. ©. 548. 

3) Römifche Alterthümer [Kctegs-, Kunft- und Haus» Altertbilmer fowie In- 
ſchriftenkunde] liegen außerhalb bes Rahmens biefes Werkes, bem Literaturnachweiſe 
hierüber genügen müſſen. — Borrömifche Zeit: Literatur bei Branbftetter, ſchweizer. 
NRepertorium. 1892. ©. 1938, 52. — Ueber bie Helvetier Dänbliler 13. S. 50. 
— Burfian, Aventicum Helvetiorum, Mittheil. d. antiq. Geſellſch. in Zürich 
XXXI. 1867. 1868. 1869. — „Helvetiſche“ (keltiſche) Befeſtigungen, Cohauſen ed. 
Jähns S. 124 (Zürich, Oberwinter, Chur, Aveuches, Burg, Stein, Yverbon) ©. 124. 
— lieber die Ranraler (richtiger Rauriler) um Bafel, Burdharbt, Gauverhältnifſe 
S.1f. — Bol. Fickler, deutſches und keltiſch⸗römiſches Sprachelement im Kampf 
um ihr Gebiet, Quellen und Forſch. 1858. p. XII. — Brinzinger, bie Keltenfrage. 
1831. — Gegen die Keltomanie und Unkritik Mone's Bud, vordeutſche Fluß⸗ und 
Ortsnamen S. 1—40. — Römiſche und Feltifche Gottheiten v. Jaumann, Sum⸗ 
Iocenne S. 180. — Ueber bie fuebifchen Mütter (fuebifchegermanifche) Ihm, Rhei⸗ 
nifh. Mufenm, Neue Folge 45, matribus Suebis Euthungabus, matribus mess 
Germanis Suebis (noch 2 matres Suebae). — lieber bie Kelten in Alamannien 
v. Beder, Berfuch einer Löfung ber Keltenfrage. 1883. &. 90. — H. Schreiber, die 
Keltengräber am Oberrhein. Hiftor. Zafchenbuch I. II. 1839. 1840. — Ueber bie 
Kelten im Rheinland und in Eljaß-Lothringen Arnold, Studien S. 88. — Leber 
bie zähe Erhaltung bes Keltifhen neben dem Römiſchen in ber Schweiz Keller, 
Mittheil. III. S.310 (zumal im Mythologiſchen Vermiſchung: Urgeſch. II. ©. 470). 
— Bud, ſchwäbiſche Kelten tes VIII. und IX. Jahrhunderts S. 126 (aber -ulf 
und «trub find echt germanifch). — Ueber die Kelten in Württemberg maßvoll und 
verfländig Weller, Anfiebelungegefchichte S. 10f. — Haas, Urzuftände Aamannien?, 
Schwabens und ihrer Nachbarländer. — Heierli, Urgefchichte ter Schweiz. — Jung, 
die romanijchen Landſchaften des römiſchen Reiche. 1881. — berfelbe, Römer und 
Romanen. 2. Auflage. — berfelbe, Grundriß der Geographie von Italien. 2. Aufl. 
1897. — Ueber ben römifhen Befit in Alamannien Kutzen S. 40, in ber Schweiz 
im Befonderen S. 188f. — Ueber die Vertbeilung ber zömifchen Anfiebelungen 


119 


Langſchädelbildung germanifch fein: aber wie viele Völler waren in 
den rechts vom Rhein Iagernden Legionen vertreten feit Julius Eäfar! 
— ift die Duntelfarbigleit von Har, Haut und Augen, wenigftens 


über Die Schweiz F. Keller, Mittheil. XII. &. 273; über die Rhäte-Romanen 
®. Meyer von Knonan, Denkmäler ©. 54. — lieber die Romanifirung ber Pro 
vinzen Madvig IL S.96f. — Orelli, inscriptiones Helveticae Mittheil d. antiq. 
Geſellſch. zu Zürich II. ©. 1844. — Geffroy, Rome et les barbares. — Ueber 
die Römerzeit in Württemberg Herzog, bie römiſchen Nieberlaffungen auf württem- 
bergiſchem Boben, Jahrb. b. Vereins v. Alterthumsfreunden im Rheinland. Heft 
69. 1876. — Zangemeifter, zur Gefchichte ter Nedarlänber in römifcher Zeit, Neue 
Heidelb. Jahrb. Jahrb. III. 1893. — Weller, Anflebelungsgefchichte S. 12. — 
9. Meyer, die römifchen Alterthiümer bes Kantons Zürich, Schweizer Mufeum 
I. V. &. 120. 1837/38. — Die römifche Eultur in Mamannien Dänbiiler I. 
8.70 (in Augsburg 75 römiſche Imfchriften bei Mommfen). — In Rhätien 
Urbau ©. 23. — Ueber Berbreitung des Lateinifchen in Germanien, Rhätien, 
Noricum und Bindelicien Bubinezty &. 150 f. — Ueber bie römifchen Alterthümer 
im Zehntland, zumal in Baden Leichtlen (1825) ©. 5—34, 35—98, agridecumates 
83. — Ueber das Zehntland Hefele, Einführ. S. 33. — Ueber bie agri decu- 
mates, auch Über Alterthumsfunde in Württemberg, zumal keltiſch⸗römiſche Gbtter⸗ 
bilber f. Die ältere Literatur bei Sattler &. 120. — lieber bie agri decumates 
f. Bndinszky ©. 148 [fie follen von bem Helvetiern (?) geräumt unb ohne Kampf 
von den Römern befett worben fein?]. — Brambach, Baten unter römifcher 
Herrſchaft. — Burdhardt- Biedermann, Helvetten unter den Römern. — Chriſt, 
zur Gefchichte des römifchen Decumaten⸗Landes. — Haug und Sirt, bie römijchen In- 
ſchriften Bürttemberge. — Herzog, zur Occupations⸗ und VBerwaltungs-@eichichte bes 
rechtscheinifchen Römerlandes. — von Paulus, die Alterthümer in Württemberg 
aus der römifchen, altgermanifchen (Teltifchen) und alamanniſchen Zeit. — Ueber 
römiſche Berfonen- und Orts Namen In der Ortenau Aloye Schulte S. 300—314 
„Walſch⸗Steinach“). — Römer und Aamannen (bei Sanet Gallen) v. Arx I. ©. 9. 
— ©. die Literatur über römische Straßen und Inſchriften In ber Schweiz bei 
Vrandſtetter S. 41f. — Leichtlen $ 10. — Ueber das römiſche Straßen und 
Reichspoſt⸗Weſen Madvig II. ©. 738. — God, bie römiſchen Heerſtraßen über Die 
ſchwäbiſche Alp. 1821. — Näher, das römifche Straßennet in ben Zehntlanden, 
Bonner Jahrbücher. 1881. — Ueber die römtichen Straßen In Alamannien, zumal 
von Straßburg nach Rottweil (Sumlocenne) Yung, Geographie S. 106. — Dübe, 
die Romerſtraßen in den Aipen. — Ueber die Nömerftraßen in ter Schweiz 
Dr. Meyer, Mittheil. VII. (Legio XXI und IX); in Rhätien Urban S. 32. — 
Ueber dert limes (mit älterer Literatur) Paulus Württembergiſche Jahrbücher. 1844. 
— Reiche neuere bei E. Hübner, Bonner Jahrbücher 63, 64, 80. 1878. 1880. 
S. 61-63, 68-70, 80—83 — und bei Jung, Gergraphie S. 106, 109. — Haupt, 
ber römiſche Gränzwall in Deutfchland und Defterreih I. 1885. II. 1890. — 
Treffend über die privatrechtliche und bie wölferrechtliche Bedeutung bes limes 
ſowie über bes letzteren verfchiebene Anlagen Neftle, ber limes, Jahresh. II. 1893. 
8.128. — Ueber Bebentung und Wirkung bes limes für bie Culturentwickelung 


120 


jofern fie rein germanifche Abſtammung meift — obzwar nicht immer 
— ausſchließt. Damit ftimmt überein, daß die Statiftil in Süd⸗ 
und Weft-Deutfchland dieſe Färbung zumeift entlang ben Straßen 


ber angränzenten Germanen vgl. auch Arnold, Urzeit S. 81. — Dahn, Urgeſch. 
II. S. 421—507. IV. 1895. [ber limes in ber antilen Literatur S. 116—222; 
erſtmals S. 119. Verlauf S. 117 f.]. — Ueber agri decumates unb limes auch 
Holländer S. 269. — Bauer, ber limes in Württemberg. — Bon Eohanfen, 
ber römiſche Gränzwall in Deutfhland; das Befeſtigungsweſen ber Borzeit 
und bes Mittelalters. — Haug, Über ben Zweck bes römifchen Gränzwalls. — 
Hanpt, der römijhe Gränzwall in Deutichland und Oeſterreich. L. IL. 1885. 
1890. — Herzog, die Bermeflung bes römiſchen Gränzwalls in feinem Lauf 
buch Württemberg. — von Cohauſen, Gränzwall S. 350, vgl. denſelben, Be⸗ 
feftigungen S. 100—116. — Ueber bie verfchlebenen Arten ber kriegeriſchen 
Zweden bienenden Anfievelungen (castella, speculae (ſechs römiſche speculas 
in ber Oſtſchweiz f. bei Keller, Mittheil. XII. &. 330) mansiones, stationes) 
auch zu Zollzweden, ſ. gegen Haller castra aestiva Keller, Anfiebelungen 
©. 271; vgl. Meyer, Gefchichte ber XXI und ber XI Legion, Mittbeil. VII. 
und Th. Mommfen, ebenda IX. — R. Miller, zur Topographie der römi⸗ 
ſchen Kaftelle in Württemberg Weſtd. Zeitichr. VL. 1892. — Derf., Refle aus 
römiſcher Zeit in Oberfchwaben a.a. O. 1889. — Derf., Karte ber römifchen 
Nieberlaffungen in Oberſchwaben. 1890. — Ueber die Eaftelle Kempten, Günzburg, 
Isny (Vimania), Binningen (Pinnianis), Kellmün; (Oaelio), Bregenz (Conthientia 
ober Brecantia), Arbon (Arbore) f. Miller. — Römifche Thaljperren find in ber 
Folge als alamanniſche Lanbwehren („Letze”) verwendet worben bei Näfels, 
Mafans, Clauſura bei Ragaz F. Keller, Mittbeil. XII. ©. 335. — Ueber ben 
Einfluß des limes auf die Heinen — fpäter alamanniſchen — Böllerfchaften zwi- 
ihen Main und Obenwalb Meiten I S. 394; er läßt I. S. 325 ben limes nad 
Barus von ben römifhen Heeren nur felten noch überfchritten werben: aber das 
geichah Doch bis c. a. 250 noch oft genug; liber bie agri decumates zwiſchen 
Rhein und Remsthal in ber fruchtbaren Ebene bes mittleren Nedars I. ©. 352 
auch H. Meyer, Geichichte Der XXL und ber XI. Legion, Mittheil. ber an- 
tiquar. Geſellſch. zu Zürich. VIL — Bunte Zufammenjegung ber römijchen 
Truppen in Rhätien Urban S. 18. — Imfcriften aus Bregenz, Kempten, 
Laningen Nro. 57685881 Theobor Mommſen, corpus inscriptionum Lati- 
narum III. 2. 1873. Excurs, Corp. Inser. Latinar. IIL p. 708f. — Brambach, 
corpus inseript. Rhenanarum. — ©. bie Infcriften aus dem Jagſtkreis zumal 
Dehringen (vicus Aurelii, F. Keller 1871), Welzheim, Lord, dem Nedarfreis 
(Meinharbt, Cannſtadt), Schwarzwalbfreis (Rotenburg, Rottweil) p. 289-306, in 
Baden bie drei Rheinkreiſe p. 307 [ogl. Brambach, Baben unter römifcher Herr⸗ 
fchaft. 1867), Elſaß p. 333—343. — Die Literatur Über die römijche Zeit f. bei 
Brandſtetter S. 39—52. — Ueber römijche Bunde im Engabin Bergmann ©. 53. 
— Ueber die roͤmiſche Billenwirthichaft Weller, Anfiebelungsgeihichte S. 18. — 
Ueber den Luxus in dieſen römiſchen Nieberlaffungen 3. 8. in Baden (Schweiz) 
vgl. Keller, Mittheil. XII. S. 298. — Ueber ben Niebergang antilen Lebens Egli 


121 


und in ben zweifello® bezeugten vömifchen großen und Heinen Siebe- 
lungen barweift?). 

Einmal verfteht ſich, daß die Erhaltung römiſcher Stebelungen 
und Siebler in den verfchiebenen Gebietstheilen Alamanniens eine 
höchft verfchievene war: das ganz römifche Ehur-Rhätien z. B. er- 
heiſcht beſondere Betrachtung ?). 

Ferner find die verfchievenen Zeiten bes Vordringens ter Ala- 
mannen auseinander zu halten; in ben ftürmifchen Jahrzehnten feit 
ihrem erften Auftauchen (c. a. 213) bis zu ihrem endgültigen Einbruch 


©. 42. — Leber römifhen Weinbau in Gallien und Germanien Dünker 
aD — lieber römifhen Landban in Aamannien Joh. Meyer, Bunbes- 
verfafl. I. S. 210. — Magerftebt, Feld» und Wiefen-Bau der Römer. 1861. 
Bodencultur S. 105, römiſche Feldſyſteme S. 220, Früchte ©. 262f., Wiefen- 
bau ©. 438. — Ueber römiihen Bergbau im Schwarzwalb Gothein ©. 583; 
fpäter bier germantfcher, bie „Wielanb-Schmiebe” ©. 584; Siiberbergbau ©. 583 ; 
Eifenbergban ©. 652. — Ueber Funde römiſcher Münzen aus Münzftätten in 
Alamannien noch nah a. 250 und a. 300 Bilfinger, über römiſche Münzfunbe 
in Baben, 3. f. d. Geſch. d. Oberrheine. N. F. IV. 1889. — Neftle, Funde 
antiter Münzen im Königreih Württemberg. 1893. — Ueber bie Verwaltung 
der Provinzialftatthalter Madvig IL ©. 104. — Ueber ben procurator von 
Sumlocenna in ber in Bithynien 1886 gefundenen griechifchen Inſchrift Neſtle, 
wärttemb. Bierteljahreshefte N. F. IV. 1895. ©. 205. — Stäbte und Provinzen 
in ber legten Kaiſerzeit Madvig II. S. 142, örtliche Selbftwerwaltung der Städte 
&.120. — von Apell, Argentoratum. Ein Beitrag zur Ortsgefchichte von Straß. 
Burg. 1884. — Solicemmin = Sumlocenne H. Maurer &. 318. — Mommfen 
V. &. 145 „Sumlocenna (Rottenburg), Aquae (Baben), Lopodunum (Laben- 
burg) hatten, wenn man von Köln und Trier abfieht, in römiſch⸗ſtädtiſcher Ent- 
widelnng den Bergleich mit feiner Stabt ber Belgica zu ſcheuen“. 

1) ©. die Vertheilung der Ianglöpfigen Schäbel und ber hellfarbigen Be 
vöfterung, dagegen ber runblöpfigen und dunkelfarbigen in Württemberg [jene im 
Jagſtkreis, diefe im Donaukreis und den nächſten Schwarzwald⸗Gegenden über 
wiegend] v. Hölder, Schäbelformen, Stälin (&.) I. S. 115; gegen bie Beweis 
führung duch Schädelmeffungen iſt aber äuferftes Mißtrauen geboten, und bei 
aller Werthſchätzung des Archäologifchen und Anthropologifchen dürfen doch aus 
diefen Gebieten nicht Ergebniffe gefolgert werben, die mit der Sprache und mit 
ben geichichtlichen Onellen (im engeren Sinne) unvereinbar: fo die Annahme ber 
Einwanderung einer „turantfcdemongolifchen” Race In Alamannten in römiſch⸗ 
germanifcher Zeit, won ber bie bier herrſchenden Römer doch irgend etwas ver- 
fpärt und berichtet haben müßten. 

2) S. unten. Ueber »Romain« bei Havet jehr ſchwach Fustel de Coulanges 
Revue historique 1876; ganz wie tn ben fränkifchen Quellen bezeichnet auch 
Hier 3. B. in ber Lex Rom. Rhaet. Cur.] »respublica« alleinftehend das 
Romerreich. 


122 


in den limes unter Gallienus (c. a. 250) Tonnte fich in den eroberten 
Gebieten wohl wenig Römifches erhalten). 

Sn der Zeit des doch nicht immer Triegeriichen Verkehrs von ber 
Seftfegung am Limes?) an bis auf Ammian — etwa 250—350 — bat 
fih das PVerhältniß der Alamannen zu dem römiichen Weſen doch 
ſchon gebeffert: zwar meiden damals noch tie Alamannen die römi⸗ 
ſchen Stäbte „wie ummauerte Grüfte“, aber fie leben doch auch auf 
tem rechten Rheinufer in nach römifcher Art gebauten Villen: — aljo 
offenbar in Steinhäufern®). Und im Laufe des nächften Jahrhunderts 
(a. 350—450—500) dürfen wir wohl vermuthen, — Beweiſe — aus 
jener Zeit! — fehlen!) — daß die Alamannen wie die Franken in 
Ballien®) gelegentlich auch in den fpürlich erhaltenen Römerftäbten, — 
zumal den Bifchofsfigen — obzwar wenig zahlreich, gewohnt haben. Mit 
ber Zeit ließen fich die Eroberer in den Xrümmern ber römifchen 
Städte nieder und legten innerhalb der Mauern Aeder, Wiefen, Wein- 
berge (Trier) an®). 

Aber noch a. 851/52 verpflichtet fich eine Käuferin, das Ge- 
kaufte weber „an bie Römer noch an bie Alamannen“ zu verlaufen, 
fondern an Priectus (Praejectus d. h. nicht an andere Römer) und 
deſſen Kinder, abgefehen von Seelgeräthen an Sanct Gallen). 

Zu jenen wenig ficheren Anhaltspunften zählen nun auch tie 
Namen d. H. PBerjonennamen: die wenig zahlreichen keltifch-römifchen 
Ortsnamen) beweiſen freilich den Feltifch-römifchen Urfprung ®), aber 
nur fehr bedingt die Erhaltung Teltifch-römifcher Bewohner 10), zumal 
ihrer Zahl, Stellung und Bedeutung. Bezüglich der Berfonennamen 


1) Wenige zurüdbleibende freie Römer Bluntſchli L S. 15, noch a. 781 
„Römer“ in Waflerburg bei Lindau, Sensburg ©. 110? f. aber unten ©. 121. 

2) Ueber befien Bebentung und Einwirkung f. unten. 

3) Ammian. XVI, 2; dazu Niffen bet Cramer &. 277. 

4) Zwar verkauft Alberich ein areale mit darauf errichtetem Haus „inner- 
balb ter Mauern ber Stadt Straßburg” an Mofter Weißenburg um 8 Unzen 
Silber, aber erſt a. 781. Zeuß, W. N. 153. 

5) Könige VII. 1. ©. 129. 

6) Heyne I. ©. 86. IL. ©. 22. 

7) Cod. Trad. Sang. 254. N. 217. Wartmann II. 415. a. 851 (858? 


S. unten &. 127. 
8) Oben „Lanb” ©. 104. 


9) So auch die Romaningo-hoba Neugart NR. 110. a. 7%. 
10) Ueber die keltiſchen Namen befonbers Badmeifter, alamannifche Wanderungen 
unten ©. 126. 


123 


aber ift vie frühere!) Warnung zu erneuern, aus ungermanifchen 
Namen ungermanifche Träger zu folgern?), während freilich Nömer 
germanifche Namen gar nicht ober nur etwa als Scherznamen, Bei— 
namen trugen. Immerhin fpricht das faft völlige Verſchwinden römt- 
cher Berfonennamen?) (abgefehen von Chur-RHätien, |. unten) und 
die gewaltige viele Tanſende zählende Menge germanifcher bei Un- 
freien wie Freien ſehr berebt für das Zahlenverhältniß beider Natio- 
nalitäten im Zander). Römiſche Namen find in ber Karolingifchen 
Zeit bier fehr jelten). 

Im Yahre 890 ftehen neben 51 germanifchen Namen ver Zeugen 
ans Thurgau und Linzgau nur aus Rhätien vier römifche (neben 
drei germanischen) ). Dagegen in Zürich tragen a. 879 alle 17 Ehor- 
berren”) deutfche Namen. Eine Germanin Teutfinda ift die Gemahlin 
des (römiſchen) praeses Bictor®). Die Söhne einer Meginrada heißen 
David und Salomon?), aber die Tochter Meginrata. Gefchwifter 


1) Könige VIII. 2. ©. 40. 

2) Das erkennt auch Mommien an, ofigot. Studien N. d. XIV. ©. 497. 

3) W. Wadernagel, die germaniſchen Perſonennamen, Schweiger Muſeum 
1. I. 1838. &. 96. Ueber bie Namengebung |. auch Schraber II. S. 576 f. 

4) Echt keltiſche, römiſche, keltiſch⸗ römiſche kommen faſt nur bei Unfreien und 
Halbfreien vor. Unter den von Stälin (S.) a. a. O. angeführten find aber gar 
manche echt germaniſch: fo Wolfhagdis, Lobehagdis, Ruoderich (ig', Leute- 
rich (ig), Zwaki'in (Suakilin), Liubwara, Wintarbal, unter ben 15 nit 
weniger als 8; keltiſch Suscin, Tristan, Juban, Nittodenka, latein. Tuscus. Die 
meiften in Sanctgalliihen und andern Kloſterurkunden aus dem Ende bes VILI. 
und bem Laufe bes IX. Jahrhunderts 735—809: man bat daher vermutbet, baß 
bie Träger biefer Namen nicht ber vor⸗alamanniſchen Urbewöllerung entflammten, 
fondern aus dem Frankenreich eingeführte fränkiſch⸗keltiſch⸗römiſche Eoloniften find, 
die, ähnlich wie in Sachſen (Urgefch. III. ©. 735 f.), die Aeder der damals von 
Pippin, Karlmann, König Pippin a. 680751 wieberholt wegen Empörung ‚be 
firaften Alamannen beftellten. Bgl. Bud, ſchwäbiſche Kelten. 1879. und Stälin (S.) 
S. 39. 

5) ©. zumal ten Inder bei Neugart [630 Urkunden bie a. 912] Cod. Laures. 
Nro. 1603 Maximus, Albinus; und im ®. U. im Inter. 

6) Neng. 1.485. Mohr I. R. 35.. p. 55. Die Namen der zahlreichen (rhäti⸗ 
hen) Colonen und Unfreien im Teftament Tello’8 [defien Echtheit fehr mit Un- 
recht beftritten wird, f. unten], find fänmtlich lateiniſch. 

7) 3.0.8. J. p. 58. N. 139. Milo, Melo, Sohn Allo's und Frauinſwinda's 
Zeuf, W. 46. a. 695 iſt nicht etwa römiſch: vgl. Förftemann I. S. 930. Mello- 
band ift aber nicht Merobaud und nicht Meroväus, wie Meiten I. &. 402. 

8) Testam. Tellonis ed. Mohr I. p. 12. 

9) Nengart 303. a. 842. 


124 


heißen Pietas und Lantprebt!); felten find germanifche und chriftliche 
Namen Cotes-degan, Cota-sint, Engil-rat?2), Engil-ger: babei 
muß aber Engil, Angil urfpränglich durchaus nicht Ayyekos ger 
wefen fein ?). 

Unter den 13 Aebten von Weißenburg von a. 693—902 ftebt 
neben zwölf germanifhen Namen nur ein David, ter auch wohl 
Germane wart). Unter 102 Glievern von Sanct Gallen tragen a. 895 
nur brei und Abt Salomon nicht germanifche Namen®). Auch Iatei- 
nifche Frauennamen find felten®): Rekinbert und Atta haben eine 
Tochter Beata, auh Pietas genannt”), vermäblt mit Londoalt. 
Die Tochter eines Erbio, Schwefter eines Uodo, kann Eugenie heißen ®), 
die Gattin bes Theudewin Agathe). Mönche haben die ungermani- 
ſchen Namen oft erft bei der Vermönchung angenommen!‘. Selten 
einmal unter ungezählten germanifchen Eigennamen von (freien) Zeugen 
ein Eriftan!!, Wird aber a. 784 in Waflerburg (nörbfid vom 
Bobenfee) eine Mutter Liupnia (?) mit Töchtern nach römiſch⸗kirch⸗ 
fihem Recht freigelaſſen 12) und fortab römifchen Recht unterftellt, fo 
muß dies nicht einen Römer als Treilaffer beweilen, Tann einfach 
Folge tavon fein, daß bie Unfreie einer Kirche gehört hatte. 

Bon den 21 zinspflichtigen Freien einer Urkunde von a. 828 
hat nicht einer ungermaniſchen Namen 12). Unter 96 Unfreien, bie 


1) Reugart 208. a. 821. 

2) 217. a. 824. 

3) Ein Bogt Moyfis a.860. Neug. 389, ein Grunbeigner Ifac Neug. R. 562, 
a. 876; gleichzeitig bat ein Buafo (Poſſo?) die Schweſtern Eugenia et Amata 
391. Irrig if die Auslegung ber Urkunde Ludwigs bes Deutfchen von a. 867 
bei Baumann ©. 481: bie 17 rein germaniſchen Namen finb nicht von Römern 
getragen worden und ber ihnen erlafiene Zins kann nicht bie römiſche Grund⸗ 
feuer geweſen fein, bie fie als Römer bisher bezahlt hätten: denn dieſe Stener 
murbe, wo fie im Frankenreich Überhaupt vorlam, auch von ben Germanen ge 
tragen. VII. 3. ©.109; das Richtige über ben phaat b. h. pactus f. unten „&efek“. 

4) Zeuß, Wizenb. p. XV. 

5) Neng. 612. 

6) Eine Amata a. 903. Reug. 643. 

7) Reugart L c. 12. a. 744. 

8) Zeuß, W. 19. 9) 1. c. 20. 

10) Neugart 137. a. 798. 

11) Ueber den Schotten Marcellus, Neffe des Biſchofs Marcus, Neng. 350. 
a. 853, 

12) Wartmann I. 95. S. oben ©. 122. 

13) Reugart 234. 


125 


(neben ungenannten Kindern) im Elfaß verfchenkt werben, fintet fich 
nicht Ein ungermanifcher Name!). Sechs Unfreie führen nur ger- 
manifche Namen?). Während im Elſaß bie Namen der Unfreien (wie 
ver Freien) faft ausſchließlich germaniſch find, führen die Unfreten im 
Allgäu (um Kempten) oft neben biblifchen römifche, romanische Namen?). 
Doppelnamen find nicht felten®. Im den Urkunden führt berfelbe 
Mann oft verfchievene Namend). Ein Kelte (?) Eruman führt ten 
germanifchen Beinamen Bato). Doppelname ift auch: Adalgisus 
sive Alolachus, zweimal in Einer Urkunde). Die Namen vererben 
fih in der Sippe, meift auf ven Enkels). Ganz regelmäßig fo in 
ben vornehmen Gefchlechtern®). Oft auch heißt der Sohn nicht nach 
vem Großvater, fondern nach dem Bater1%). Gefchwifter tragen 
häufig ähnlich gebilvete Namen unter Wieterholung des Stammmorts: 
Richramn et Adalramn, Irmindrud et Beredrud 11), drei Brüter 
Ratmund, Thingmund und Gemmund 12). Auffallend ift bie Häufig. 
jeit gewiffer beliebter Namen in Einer Landſchaft: da zu Zeugen meift 
die Nachbarn zugezogen wurben, kehrt derſelbe Name in Einer Ur- 
Imbe zwei-, oder breimal wieber: brei Witos unterjchreiben Eine 
Urkunde 13), 


1) Zeuß, W. 19, 53. a. 774 und ſtets: 

2) Reugart 84. a. 783. 

3) Banmann ©. 122. 

4) Zeuß, W. 128. a. 774 genetrix mea Atta sive Angilswinda. 

5) So Neng. 558 Ruofrid — Palfrid, das ift aber nicht Doppelnamigfeit, 
jondern Schreibverfioß; bier und oft feheint nicht Doppelname, Verwechslung 
vorzuliegen Wartmann I. 335. a. 830; fonft vgl. die Sanıct Galler Urkunden LI. 102 
und 103 Plidoos unb Perahmar. 

6) Nengart 58. a. 784. 

7) Zeuß, ®. 186. a. 712. 

8) So tft ber Chnuzo von a. 786 gewiß nicht berfelbe, nach dem Chunzers⸗ 
wilgre heißt, Neugart 105. a. 786, oben S. 116. Ebenſo heißen Großvater und 
Enkel Trudoſd 1. c. 109. a. 790; auch im ber römifchen Familie bes Tello, ber 
„Bictoriden”, kehren die Namen wieber, Testam. ed. Mohr I. p. 12. 

9) Bol. Neng. zu 453. a. 868; wie bei ben Franken, 3.8. Merovingen und 
Karolingen. 

10) Cod. Trad. Sang. 140. N. 229. a. 818. 174. N. 297. a. 829. Neug. 
R.614. 2.895 Thancholf Alius Thancholfi. 

11) Reng. N. 571. a. 886., 574. a. 887. 

12) 1.c. R. 557. a. 885. 

‚ 18) Reug. 608. a. 594. Wito.. item Wito...item Wito. 1. c. Sigibert.. 
item Sigibert, wieber Sigibert ... item Sigibert 566. a. 886; ebenfo Ruadbert 


126 


b) Römifhe Eultur in Alamannien. 


In ter Trage ter Erhaltung vor-alamannifcher, aljo Teltifch- 
römifcher, Elemente im Lande und ihrer Zumifchung zum Germanifchen 
ftehen fich die Anfichten fchroff gegenüber: die Einen leugnen fie ganz, 
Andre überſchätzen fie: vorfichtige Kritik wird beites meiden, nad) 
Zeiten, nach Landſchaften unterfheiten, — auch nah Cultur⸗ 
zweigen — und baber zum heil zu witerfpruchvollen Ergebniffen ge- 
langen: aber gerade das entipricht ben Quellen und der Natur ber 
Sade: es walteten in Wahrheit Unterfchieve und die Gleichmacherei 
entfpricht nicht, fie witerfpricht ver Wahrheit: fo wird auch bie fol- 
gende Darftellung ter Wiberfprüche nicht entrathen. 

Nah unferer Kenntniß der wechjelnden Befievelung des Landes 
waren ftärkere Nachwirkungen ber beiden vorgermanifchen Eulturen — 
ber keltiſchen) und ber römiſchen — zu erwarten. 

Allein die keltiſchen Bewohner waren von den Römern, feit 
biefe das Land gewonnen, offenbar durch zahlreiche Anfievelungen, zu: 
mal auch von Veteranen, durchaus verrömert worden: am Meiften 
Keltifches Hat fi noch in Ortsnamen und in der Mifchung vieler 


.. item Ruadpert 561. a. 885; ebenfo zwei Othere in Einer Urkunde 571, 572. 
a. 886. Merolt, item Merolt, Kerhart, item Kerhart in Einer Urkunde 596. 
a. 890 (auf Einem Gut fiten zwei unfrele Muthari); Zeuß, W. 193. a. 754. 
Reginker, item Reginker, Adalo, item Adalo NReng. 652. a. 904. Thiotbert, 
item Thiotbert 661. a. 907. Wolfhart, item Wolfhart 663. a. 907; ebenfo 
664. a. 907 am gleihen Tag unb Ort: die gleichen Zeugen, wenn auch nicht 
ansnahmslos, kehren wieber in Urkunden, bie in bem nämlichen Placttum aus 
geftellt werben. 655. a. 907 item Pernhart, item Sigibert, Wolfhart, item 
Wolfhart 670. a. 909. 671. a. 909. 

1) Gegen ben groben Unfug der Keltomanen Baumann S. 368, wo aber 
auch der früheften und geiſtvollſten Belämpfer biefer Dilettanten zu gebenfen war: 
Lubwig Steubs und Adolf Bacmeifters; über Kelten, Römer und Germanen in 
Germania superior Kiepert S. 529, Mommfen V. &. 31. Ueber die rhätifchen 
d. 5. raſeniſchen (etrusfifchen) Ortsnamen in ben Alpen f. vor Allem 2. Stenb, 
der in ber Schrift von 1854 die zur weit gehenden ‚Raſenismen“ von 1843 zurück⸗ 
genommen, bie ganze Unterfuchung berichtigt und vertieft hat. TH. Mommfen 
und Kiepert haben bie von Steub zuerft anfgeftellten Erklärungen jener Orte- 
namen aus bem Rafenifchen voll anerkanut. — Tappeiner, Stubien zur Antbro- 
pologie Tirols. 1883. — Borzüglih Über die Ortsnamen ber. Feltifcherömifchen Zeit 
Bacmeifter, Alamanniſche Wanderungen (Verodunum, Bragodurum, Vindonissa, 
Julimagus, Casseliacum, Lauriacum, Sumelocenna, Bregobanne, Aquileja, 
Opie, Raetia). 


127 


Stter erhalten. Auch unterfchied man damals oft nicht richtig gere 
manifch und keltiſch: fo erklärt vita St. Eugendi!) ven Drts- 
namen (heute Izernare) Isarna-dori fälſchlich germaniſch ‚Eiſern⸗Thor“ 
ftatt Teltifh: Burg (durum) des Sfarna?). Und fchon vie geringe 
Zahl der Römer?) verhinderte Hier die Eutſtehung eines romaniſchen 
Miihoollst), wie es in Gallien, Burgund, Spanien, Italien erwuchs. 
Bielmehr bleibt das Bewußtfein ber Trennung jehr lebhaft. Daß 
freie Römer in irgend nennenswertber Zahl und Stellung nicht im 
Lande verblieben, erhellt aus dem faft völligen Schweigen ber Gejfege®), 
Formeln und Urkunden) von römifhem Necht: nur bie Cheverbote 
ter Lex zeigen Römiſches, wie benn bie Kirche in zweiter Reihe auch 
bier?) nach römiſchem Rechte lebte. 

Dagegen bringen germanijche Wörter zuweilen in bie lateinifchen 
Tormeln®). Noch a. 851 (858?) werben in Churrhätien unterfchieven 
Nömer und Alaemannen (sic): an beide foll nit, nur an einen 
„Präjectus“ verkauft werden türfen®), der alfo danach nicht Römer 
wäre, allein es follte offenbar nur gefagt werden: „an keinen andern 
Römer oder Alamannen als an Präjectus.“ (S. oben S. 122). Im 
Unterfchied von ver Römerftrafe (via calcata) heißt eine alamannifche 
via barbarica, auch fie — wie häufig eine römiſche — dient zur 
Gränzbezeichnung 19). 

Der von ten Alamannen Iahrhundertelang mit bejonderer Er⸗ 


1) S. unten Belehrung. 

2) p. 154 (ed. Kruſch, Ser. rer. Meroving. III). 

3) Bgl. d’Arbois de Jubainville, recherche sur l'origine de la propriet6 
foneitre (passim). 

4) Ueber die „Walen”, „Wälfchen“ In Alamannien und Baiern Meiten I. 
6.438 f., aber nicht von Gallus, fondern von Voleae D. &. Ia. ©. 80, 83, wie 
Mälkenhoff IV. ©. 100 bargethau. Walah a. 787 (Wartmann I. ©. 105) if 
bach wohl gewiß eher ein Wälfcher als, wie Baumann ©. 374 „ein vollblütiger 
Schwabe“. 

6) Abgeſehen von ber Lex Romana Rhaetioa curiensis ſ. unten, „Das 
Recht in Churrhätien“, daun „Geſetzgebung“ und „Gerichtswefen”. 

6) Wartmann I. N. 9. 10. 

7) Bgl. Könige VII. &. 7, 290. VIII. 

8) So In die von Reichenau B. 13: wano = Anger, daher Ell⸗wangen, 
Feuht-wangen ©. 1089, ekka, Ede, Schabe, ©. 130. 

9) Cod. Trad. Sang. 254. N. 217. Wartmann II. 415. 

10) Cod. Trad. Sang. 246. N.413. Wartmann II. 391. a. 844 denkt ba- 
gegen an bie Römerfiraße; biefelbe via barbarescoa bient zur Gränzbezeichnung 
auch a. 820. 1.c. 147. N. 245. Wartmann I. 126, 253. 


128 


bitterung geführte Kampf gegen Rom, ver kraftvollen trugigen Stammes- 
art entiprechend, hat wohl dazu beigetragen, bie römischen Einflüffe 
von Sprache und Lebensfitte fern zu Halten — fchon der Pactus 
nimmt feine NRüdfiht auf Römer. — Schwerer füllt noch ins Ge⸗ 
wicht), daß in biejen Landen das Römerthum und bie Zahl ver 
Römer und romanifirten Kelten entfernt nicht fo ſtark war wie in 
Gallien: Hieraus erklärt fich die Verwälichung der Franken und das 
Fehlen ber Verwälſchung der Alamannen: taher bie Entftehung bes 
Sranzöfifchen aus dem Vulgärlatein, dagegen die Erhaltung des Ger- 
manifchen in faft ganz Alamannien, ausgenommen nur jene Land⸗ 
ihaften in Ehur- „Walchen“ (d. h. Walen-Land), wo eine ftarke römifche 
Bevölkerung mit der romanifchen Mundart auch in Recht, Beamtung 
und Finanz gar manche römiſchen Einrichtungen beibehielt2). Jedoch, 
entftand auch Fein Miſchvolk, wurben die Alamannen durchaus nicht 
romaniftert 3), — e8 wurde doch gar manches Stüd römifcher Cultur 
ben Nachbarn und ben im Lande verbliebenen Unterworfenen abgelernt. 

Das bezeugen Wörter wie Kirche, Benfter, Kammer, Mauer, 
Pforte, Thurm, Schindel (scindula), Ziegel (tegula) und andere 
mehr‘). Während der langen Zeit, da römifche Befagungen in dem 
jpäteren Alamanniend) — in Rhätien, Vindelicien, Germania 


1) Was bei Stälin (V.) J. S. 148 fehlt, ber doch ſelbſt S. 152 nur „einige 
wenige” römifche Colonen als erbunterthänige Bauern ber Sieger zurückbleiben und 
in ber neuen „Kuechtichaft” deren Vollseigenthümlichkeit fich ſchuell verwifchen Täßt. 

2) ©. unten „Das Recht In Churrhätien“. 

3) ©. die Darftellung der Romanifirung der Germanen und ber Germani- 
firung ber Römer bei Mommfen, R.G. V. ©. 154 und bes Zuſammenbruchs 
bes Römerftats feit c. a. 250, Abriß bes Statsrechts S. 347. 

4) Bol. Stältn (8.) I. ©. 231, ber hernorhebt, daß das Baiernrecht Fort 
fchritte im Bauweſen zeigt: aber Ztegel hatten auch die Aamannen ben Römern 
abgenommen und nachgebildet. Leber die römiſche Bildung in Kuuſt, Kunfl- 
banbwerf, Handwerk, Handel unb ihre Einwirkung auf bie Aamannen vortrefflich 
Stälin (8.) L S. 106 f. Ueber die Römerftraßen in ber Schweiz, in ben Nedar- 
und Donau⸗Landen und ihre Einwirkung auf die Mamannen f. die Ältere Literatur 
bei Koner, Repertorium III. 1. 2.3. (1853). ©. 186 f., neuere oben S. 118f. Der 
germaniſche Hof ift umfriebet von ber Hofwere, dem Holzzaun, |. unten „Zuflänbe”. 

5) ©. die oft aus fernen Ländern flammenden Truppen, bie in Alamannien 
bezeugt find, bei Stälin (8.) I. S. 74 f.: Dalmater, Afturier, Britten, Kalebonier, 
Helvetter, Aquitanter, Kyrenäer aus Afrika; ebenda bie Aufzählung ber bier bauernb 
bienenben Legionen, im IV. Jahrhundert noch Eohorten und Geſchwader aus Urfa 
in Spanien, ans „Sequanien”, Brittannien, Bannonten, Phrygien in ber Notitia 
dignitatum &p. 1977, 1978; über Weſen, Zmwed und Wirkungen bes limes 
Urgefh. II. ©. 421, „die Römer und ihre Spuren in Deutichland.“ 





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129 


superior [Provinzen des Imperators, nicht tes Senats) — lagerten 
vor und hinter tem Limes von Auguftus bis auf Gallienus — etwa 
250 Jahre — wird Vermiſchung in und außer ber Ehe wohl ebenfo 
häufig Hier wie anberwärts vorgelommen fein!) Dies gilt mehr noch 
ald von den Legionaren von ten im Land angeftebelten römiſchen 
Eoloniften. Einigermaßen genauer find wir unterrichtet über bie Ge⸗ 
khichte der beiten Legionen, die fi in Vindoniſſa (Windiſch) abläften, 
ver XXI. und ber XI: tie XXI. (»Rapaxc«), feit Claudius in 
Bindoniffe, ift unter Domitian bort verfchwunden, die XI. (»Claudia 
pia fidelis«), bort feit a. 70, zieht ab unter Trajan?). Andererſeits 
traten ja Jahrhunderte hindurch wie aus allen germanifchen fo aus 
den (jpäter) alamannifchen Völkerichaften Einzelne und ganze Scharen, 
auch unter ihren @efolgsherren, jogar ihren Königen, in manch⸗ 
faltigen Nechtsformen wie auf römifchen Boden über, fo in den römi- 
ſchen Kriegspienft ein?). Maximian (a. 235—238) läßt fich von ben 
Beihlagenen zahlreihe Mannfchaften, zumal Reiter, ftellen. Brobus 
vertheilt c. a. 280 16000 unter den Alamannen ausgehobene Recru⸗ 
ten (tirones) über das ganze Heert). 

Ein Jahrhundert fpäter (a. 377) erkaufen bie Linzgauer von 
Gratian ven Frieden durch Anerbietung zahlreicher junger Mannfchaft 
zur Einftellung in das BHeerd). Die in Rhätien angefievelten Ala- 
mannen, die Rhaetovari, ftellten wie andere alamannifche Völlerſchaften, 
Suthungen, Breisgauer, Bulinobanten, den Römern noch zur Zeit ber 
notitia dignitatum (c. a. 400) Sölbner. Freiwilliger Waffenvienft für 
vie Römer, auch gegen bie eigenen Stammesgenoffen, galt alſo feines» 
wege als ehrwidrig, und unter ten Germanen, bie, zu bittrer Klage 
patriotifcher Römer, in Krieg und Rath hervorragende Stellungen im 


I) Tac. Hist. II. 80 Provinciales sueto militum contubernio gaudebant 
plerique necessitatibus et propinquitatibus mixti (in Syrien). 

2) Dr. Meyer, Gefchichte der XXI. und ber XI. Legion, Mittheil. d. antiq. 
Geſellſch. in Zürich, der ſchon 1853 dreißig Militärſtationen in ber Schweiz nachwies; 
vgl. S. 130 Über keltiſch⸗römiſche Befeftigungen; Stemer, sulle iscrisioni Romane 
del Reno e sulle legioni che stanziarono nelle due Germanie da Tiberio 
fino a Gallieno. 1839; Th. Mommfen, sulle iserizioni della Svizzera, bulletino 
del’ Istituto. 1852. 

3) v. Wietersheim- Dahn I. S. 92. Urgeſch. II. S. 421. D. ©. Ia. S. 339. 

4) Flav. Vopiscus ce. 14. Köpfe bei Raumer ©. 172. v. Wietersheim- Dahn 
16.246. Alamannen neben Landslenten in römifchen Heeren dienend, Rieſe 
IX. 89. XL 27. 

5) Ammian. Marc. XXXI, 10. 17. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 9 


130 


Römer-Heer und ⸗Reich einnahmen!), zählten auch manche Alamannen: 
Latinus, comes domesticorum, Agilo tribunus stabuli, Scudilo 
rector scutariorum?). 

Sehr zweifelhaft erfcheint freilich, inwiefern Teltifchrömifche Be⸗ 
vöfferungsfplitter auch nach ber Eroberung des Landes übrig blieben >). 
Zahlreich werden Neichere, Gebildetere nicht zurüdigeblieben fein, da 
biefe ja fchon vor ber endgültigen Befitergreifung des Landes bie 
immer ſchwächer abgewehrten Einbrüche der Alamannen verjcheuchen 
mußten, wie 3. B. auch bie römifche Beſiedelung BON. Noricum den 
Abzug der Beſatzungen eifrig begleitete. 

Was nun die keltiſch⸗römiſchen Ortsnamen anlangt, hat man‘) 
mit Recht die geringe Zahl im nördlichen Lande hervorgehoben, (Sülchen[?] 
von Sumelocenna, Kellmünz von Coelius Mons, Kifleg von Cassi- 
liacum), (?) im Vergleich mit ven Vielen in Schweiz unt Ehur- 
rhätien: boch weifen bie vielens) mit — Wala zufammengefetten, 
beren manche in — Wald mißverftanden fein mögen, auf bie ungerme- 
nifche Herkunft. 

Mit Recht Hat man bemerkt, daß Römer in dieſen Gegenven häufig 
auch Land erworben hatten: das erhellt aus den zahlreichen Infchriften, 
nach denen ber Errichter eines Denkmals es »in suo« antfftelite. 
Allerdings war dies mehr Grundbefig als Grunbeigenthum, das 
als quiritarifches an Provinzialboden nicht anerlannt wurde ). Aus- 
gevienten”) wurben auch hier wie anberwärts®) Yäntereien zu Erbpacht 
oder beſchränktem Eigenthum unter ver Auflage verliefen, daß auch 


1) ©. G. Ia. ©. 571. 

2) Amm. Marc. XIV, 10. Weber Alamannen als foederati D. G. I. 
©. 478 f., 571, 589; im römiſchem Kriegsdienſt auch häufig ale Anführer ©. 534. 

3) Bgl. die befonnene Darftellung bei Stälin (S.) &. 39, von der ih nur 
in Wenigem abweiche. 

4) Stälin (S.) a. a. O. 

5) Beläge bei Stälin (S.) a. a. O. 

6) Bgl. fr. 11 Dig. de evictionibus et duplae stipulatione von Paulus 
c. a. 220. Lucius Titius praedia in Germania trans Rhenum emit et partem 
pretii intulit: cum in residuam quantitatem heres emptoris conveniretur, 
quaestionem retulit dicens, has possessiones ex praecepto principis partim 
distractas, partim veteranis in praemia adsignatas. 

7) Ueber die Vermiſchung folcher römifcher im Land angefiebelter Veteranen 
und anberer Coloniften mit dem keltiſchen, fpäter au mit alamanniſchen Ein⸗ 
wohnern, Stälin (V.) I S. 24. 

8 3.8. in Ifaurien feit Probus vom 18. Jahr an Flav. Vopisc. Probus c. 16. 


131 


die Erben Kriegsdienfte leifteten, an Nicht- Krieger fie niemals fallen 
ſollten: dieſe „Sränzer“ 1) waren, wie man längft2) erkannt, bie 
geeignetften — weil aus Gründen ver Selbftvertheibigung eifrigften — 
Bertheiniger der ſtets bedrohten Außenlandfchaften. Weber pas Weſen 
und bie gerabe hierfür hochwichtige Wirkung des limes im Frieden 
für die Verbreitung römiſcher Cultur — zumal in ber Vollswirth⸗ 
Ichaft und Technit!) — ward anderwärtst) ausführlich gehandelt. All 
mälig wurbe ftatt bes Tünftlichen vechtsrheiniichen limes ber Rhein 
jelbft wieder die Gränze und hieß nun auch limes®). 

Bar wenig wiffen wir von den Gefchidlen ver keltiſch⸗ römiſchen Stäbte 
in Alamanmien, Straßburg wie Augsburg, Eonftanz, Zürich, Bafel: zwar 
bie römijchen collegia und contubernia®) find bei Einnahme ber 
Städte verjchwunden, aber mit Unrecht bat man völlige Zerftörung 
in der „Völlerwanberung“ angenommen: wann wären fie dann wieber 
aufgebaut worden?7) Bon großer Wichtigkeit war für fie, ob fie 
Site von Bifchöfen blieben orer wurben®) wie Straßburg ober wie 
Diedenhofen, Zürich Königpfalzen. Zahlreicher als in Nordoſtſchwaben 


1) Bgl. die öſterreichiſche Milttärgränge, v. Wietersheim⸗Dahn I. S. 311. 

2) Lamprid. Sever. Alex. 58 attentius eos militaturos, si etiam sus 
rura defenderent. 

3) S. die verfhhiebenen Anfichten über die agri decumates (bei Tac. Germ. 
e. 29) Stäln ©. 22 (flatt der feften Grundſteuer eine veränderliche Naturalliefe⸗ 
rung? Bermeflenes Laud?). Arnold, Urzett. 1879. S. 80, 108. Mommſen, zumal 
über das fpäter alamannifche Vorlaud bes limes, V. ©. 140f. 

4) Urgeſchichte I. &. 422—508; |. dann die ältere Literatur zufammtengeftellt 
und „erfetst” (Kiepert S. 521) durch Hübner, ber römifche Gränzwall in Deutichland, 
Jahrb. d. Vereins von Alterthumsfreunden in ben Rheinlanden 63. 1867 mit 
Karte von Kiepert und jetzt berfelbe, bie Beröffentlichungen ber Lines-Eommiifton. 
Urgekh. IL S. 438. Nitzſch L S. 91; für Württemberg Paulus, archäolog. Karte 
ven W.; andere Literatur oben S. 36. 

5) Incerti panegyr. Constantino dietus e. 2 Rhenum .. toto limite .. 
tutum reliqueras. 

6) Stälin (8.) L ©. 106. 

N) Und ©. 411 fagt derſelbe Schriftfleller (Baumann), der felbft das Fort⸗ 
leben der Romanen bezeugt: „die Schwaben überfamen das neu gewonnene Land 
im Ganzen als menfchenleere Dede ... alle ihre Orte (auch Augsburg?) mußten fie 
neu anlegen, gerabe als ob fie zum erflenmal das Donanguellland als jungfräu- 
fihen, nom Menſchen noch nie betretenen Boden in Befig genommen hätten. ” 

8 So mit Recht Köhne, Uriprung ©. 10: Worms, Speier, Mainz, bie ex 
lichtvoll behandelt, kommen für uns nicht in Betracht und bie Ergebniffe für biefe 
eintjen find nicht ohme Weiteres auf bie ſchwäbiſch⸗ſchweizeriſchen Städte zu 

ertragen. 


9% 


132 


haben fih Römer wie in Noricun (Baiern, Tirol, Oberöftreih) in 
Rhätien erhalten?). 

Die Römer beftatteten auch bier ihre Torten wie in Stalien 
und Gallien in den erſten Jahrhunderten n. Chr. meift durch Ver⸗ 
brennung und Ein-Urnung, im III. und IV. immer bäufiger und 
zulegt durchgängig durch Begrabung?). Die Ajche verbrannter Römer- 
leihen warb (in Urmen) einzeln oder in gemeinfchaftlichen Kammern 
— je in Einer Niſche — beigefekt?). Daneben finden fich römifche 
Stelette unter Steinüberbachungen®). 

Die Mifhung der von den Römern in bie Lande gebrachten, 
feineswegs nur italiſchen, auch äguptifchen®), ſyriſchen und fonftigen 
aftatifchen Religionsvorftellungen mit den vorgefuntenen uriprünglichen 
keltiſchen, ſpäter (in viel geringerem Maß) auch mit germanifchen Namen, 
Bötterbienften, Religionsgeftaltungen tritt hier ebenfo wie in ben übrigen 
dem Reich einverleibten Landen zu Tage‘). Die Infchriften nennen ten 
Jupiter dolichenus, den Sol invictus, Mithra, die bie Kreuzftraßen 
ſchützenden Götter: bivii, trivii, quadrivü, bie feltifche Pfervegöttin 
Epona, ten Danubius: dann alle römifchen Hauptgötter: Apollo 
Grannus, Sirona[?], Visucius [von Befancon?], Taranus (Tara- 
nucnus), Mars Caturix [von Cahors] = Hesus, Senones matronae 
(von Sense), Diana Abnoba (Schwarzwalbgöttin)?). Jene immer zu 
breien auftretenten matronae ober matres find, wie ihre Beigaben 

befunden , oft Göttinnen ber Fruchtbarkeit, des Gebeihens: doch be⸗ 
rühren fie fih in ber Folge, 3. B. in Baiern, als bie „drei faligen 


1) ©. die Beläge zumal aus den Ortsnamen bei Jung, Laudſchaften &. 459. 
Ueber bie Zeltifche, dann römiſche Eultur Roricums vgl. Kämmel ©. 18: ganz 
ähnliches gift für Rhätien (im engeren Sinne) Urban ©. 23), freilich nicht für 
Alamannien (im engern Sinne), Binbelicien, Württemberg, Schwaben, das Ries, 
wärttembergifch Kranken, Buben, wieber auders im Elſaß; Über Fortbauer bes 
Keltifhen unter römiſcher Herrſchaft S. 100, über das Erlöfcden bes römiſchen 
Lebens f. die römtichen Siebelungen bei Memminger, Beſchreibung von Württem⸗ 
berg. 3. Aufl. ©. 10. 

2) Keller, Mittheil. III. ©. 301. 

3) Solche römifche Eolumbarien 3. B. in Schrieshelm Knapp, römiſche Dent- 
male bes Odenwaldes ©. 129. 

4, Schöpflin, Alfatia I. Tab. 12. p. 509. 

5) Mitbras- und IfieDienft im fpäteren Alamannien Urban ©. 28. 

6) Vgl. Urgeſch. UI. &. 459. Stälin (B.) L ©. 109. 

7) Andere Beifpiele der Berörtlihung allgemeiner Gottheiten nad Übrigens 
nicht bloß keltiſcher, auch helleniſcher und römifcher Sitte Stälin a. a. O. S. 112. 











133 


Fräulein“) mit den germanifchen Nornen. — Ueber bie fchwierigen 
Fragen betreff6 ver Fortvauer chriftlicher, kirchlicher, zumal bifchöfficher 
Einrichtungen nach ber Verbrängung ker Römer ſ. unten „Kirche“, 
„Kirchenwejen*. 

Dean?) bat übrigens fcharffinnig auf ein gewifjes Gedeihen ber 
römifchen Provincialen gefchloffen aus ihrer Langlebigkeit, vie (doch 
wenig zahlreichen) Infchriften nennen einen achtzig- und einen hundert⸗ 
jährigen ?). 

c) Ehur-Rhätien im Befonderen. 

In Ehur-Rhätien war bie römifche Bevölkerung fo dicht, daß ein 
großes Gebiet Churo-wala (Wala — Römer) benannt wurbe im 
Unterſchied von einem Tleineren, mehr von Alamannen bewohnten, 
dad von jenem römiichen Hauptlande fogar auch Eirchlich getrennt und, 
ftatt dem Biſchof von Chur, dem von Eonftanz unterjtellt wurbe®). 
Gar manches Stüd der römifchen Einrichtungen blieb hier wie unter 
oftgotifcher Herrſchaft auch nach der Abtretung an das Merovingen⸗ 
reich (a. 536) erhaltend). Rhatien warb zwar fpäter [und fchwächer] 
tomanifch als Noricum®). Aber doch finven fich bier ganze vici 
romanisci: ein merfwürbiger Brief Yuftinians an Narjes a. 565”) 
würde beflagen, daß während des Gotenkriegs zahlreiche vornehme rös 
mifche &efchlechter aus Italien nach Rhätien und Noricum ausgewandert 
feien: fo von der gens ber Titiones allein 120 Köpfe: jedoch vieler 
Brief iſt als Fälſchung nachgewiefen®). Wird doch bafelbft Heute noch 


1) Dahn, Walhall S. 115 (Bavaria I. 1. &. 365). 

2) Stälin [(8.) IL] S. 108. 

3) &enaneres Über die römifche Eultur in Alamannien f. unten „Zuftänbe“ 
nnd »Lex Romana Rhaetica Uuriensis.« 

4) Blumer I S. 13. 

5) Bgl. III. &. 173. Cassiodor VII. 4. ed. Mommfen p. 203. Weber Grad 
und örtliche Begränzung ber Romanifirung Rhätiens f. die verfchtebenen Anfichten 
von Mommſen, die Schweiz V. S. 179; über bie römiſche Berfaffung Rhätiens 
Ronmmfen S. 17, f. unten „Amtshoheit”, „Aemterweien“. ung, Lanpfchaften 
©. 355, won Halban I. &. 3943, Bubdinsky, bie Ausbreitung ber Iateinifchen 
Sprache S. 165, Über Binbelicien Yung, Römifhe und Romanifche Militair⸗ 
colonieen unter Trajan S. 191, oben &. 129f., Über Baden und das Nedarlarıb 
Halbau ©. 34. 

6) Nur 278 gegen 1147 Inſchriften bei Mommjen im Salzburgifchen im 
VII. Jahrhundert. 

7) Bei Cujacius opera III. p. 264. 

8) Dahn, Münchener allgemeine Zeitung Beilage, April 1902. 


134 


romanifch geiprochen. Die „Rhäter” gelten aber troß ber ſtarken Ver⸗ 
römerung als „Alamannen”!), [genauer gejagt: die Heiden tajelbft 
waren Alamannen, nicht Römer]: vielleicht nur tiefe Germanen in 
Rhätien heißen — germanifch — »Rhaetovaric. Das hier gefprochene 
Bulgärlatein der rhäto⸗romaniſchen Mundart zeigt auch damals fchon 
manches Cigenartige: Rhaͤtiſch ift o ftatt u und Wegfall des aus- 
fautenden m?) wie bes anlautenven h°), ferner da ftatt de ſitalieniſch). 
Während römifche Grundbeſitzer am Rhein bei den Uferfranten 
fehr felten find), treffen wir fie bier Häufig unter ven Alamannen 
im Süben®), allerdings meift als Golonen®), aber in Ehur-Rhätien 
auch al8 vollfreie Grundeigner. Die Urkunden von Sanct Gallen 
führen ſolche Grundeigner bier als allgemeine Vorausſetzung an”). 
Nur bier find auch römische Namen überaus häufig: in Einer Ur- 
funte fünf). So erfcheinen in dem römischen Gebiet von Salez 
(Canton Sanct Gallen) neben einander als Verkäufer tie Gefchwifter ®) 
Vigilius, Orficinus, Valerius, Antropia, Veneranda und die Kinder 
ber verftorbenen Fonteja: unter den Zeugen ein Urſus, Bafilius, 
Magnus, Dominicus, Konftantinus, Latinus, Ieroncius, die Aeltern 
biegen Pociarius und Fonteja 1%). Zehn Rhäter aus »Saxu Pilosu« 
befuchen — vermuthlich auf einer Wallfahrt — Sanct Gallen 1). 
Das Strafrecht der fogenannten Capitula Remedii ift, für bie 
Churwalen beftimmt und daher durchaus römifch, entnommen zum 
Theilaus Cod. Theodosianus (IX) und Pauli sententiae receptae 12). 
Nur Spät und theilweile trat Hier Vermiſchung mit den Alamannen ein: 


1) Vita St. Galli p. 13. 

2) Cod. Trad. Sang. 145. N. 239. 240. a. 820. 146. N. 242. a. 820. 
133. N. 218. a. 820. 163. N. 278. a. 826. Wartmaun I. 187. a. 806/807. 

3) Bartmanın 224. a. 817 ac, unc ftatt hac, hune, f. unten bie L. R. Rh.C. 

4 VII.1. ©. 103f. 

5) Wie in Baiern, ſ. dieſe. 

6) Im pagus Arbonensis v. Bt. Galli Ser. II. p. 19. 

7) Zumal bei Binnona, Zellmeger, Schweizer. Sefchichteforfcher IV. S. 232, 
p. 415 neo ad Romanos neo ad Alamannos. — Ganz irrig ſtellt Waitz S. 269 
hierher zu ben Alamannen bie Breonenses (am Brenner). 

8) Cod. Trad. Sang. 383. N. 662. a. 69! ; in allen aubern rhätifchen über- 
ans ähnlich; vgl. v. Schubert ©. 185. 

9) So vermuthet mit Recht Wartmann II. 401. a. 847(? 854?). 

10) Cod. Trad. Sang. 239. N. 406. 

11) Cod. Trad. Sang. 107. N. 178; f. unten bie vielen römiſchen Unfreien 
in dem Teſtament bes Zelle. 

12) (L. V.), f. unten „Gerichtsweſen“. 


135 


aber nicht wegen geſetzlichen Eheverbots: die Lex Romana!) hat 
zwar das Berbot (Valentiniane) der Ehe zwiihen Römern und 
Barbaren — bei Todesſtrafel — aufgenommen: wie bie Lex Ro- 
mana Wisigotorum 2), aber es ift unmöglich, daß e8 im VIII. Jahr⸗ 
hundert noch aufrecht erhalten warb. DBeifpiele von Mifcheben ge- 
währen (vielleicht) jene Fälle, in denen ber Gatte germanifchen, bie 
Gattin ungermaniichen Namen trägt. Die Durchführung biefes Ver- 
bots mit Zobesitrafe war fchon deshalb — was noch nicht beachtet 
ft, — unmöglich, weil ja für den nicht-römifchen Gatten Verbot mit 
Etrafprohung nicht beftand: man Tonnte boch aber unmöglich ben 
römischen Hinrichten und den anbern unbebelligt laſſen. 

Die Lex nennt die nicht Latein Verſtehenden oder SEprechenben 
d. h. alſo die Germanen, zumal eben die Alamannen, gentiles: das 
bedeutet hier nicht Heiden“, ſondern „Barbaren“ >). 


d) Romiſche Statseinrichtnngen in Alamannien. 

Da dieſe Provinzen kaiſerliche waren, walteten hier nicht wie in 
den ſenatoriſchen auf Ein Jahr gewählte Proconſuln, ſondern kaiſer⸗ 
liche Legaten mit proprätoriſcher Gewalt: legati Augusti propraetore: 
auch praesides, rectores heißen ſie). Die Römer ernannten dort 
(in Schwaben) fogar höhere Beamte:). Der römifche Procurator 
unterftüßt ©) den Legaten, zumal in Strafrecht und Finanzhoheit. 


1) IH. 14, 1 aus Cod. Theod. 3, 14, 1. 

2) VL? S. 80. Weſtgot. Stubien ©. 119. 

3) L. R. XXV. 4,6. Lieber das römifche Curia und ben bifchöffichen Hof 
Keller, Mittheil. XII. &. 319. 

4) Ueber die legati exercitus superioris unb bie fpäteren legati Augusti 
pro praetore |. Marguarbt-Mommfen, Haudbuch IV.2 1881. ©. 274, 288 f.; über 
Rhätien und Italia Oblenfchläger, Sitz⸗Ber. d. Münchener Alab. 1874. IV. 1. — 
Au Stelle des procurator et pro legato provinciae Rhaetiae et Vindeliciae 
et Vallis Poeninae (ohne Legion, nur mit Reitergeſchwadern) trat unter Marc 
Aurel c. a. 170 der legatus Augusti pro praetore ber legio III Italica, bis 
Diofletian c. a. 290 Rhätien mit ber dioecesis des vicarius Italiae vereinte; bald 
baranf(P) wirb Rhaetia in Rhaetia prima mit Chur, Rhaetia secunda mit YAugs- 
burg als Provincialhauptſtadt gefchleben. Ueber Verwaltung von Germania 
superior im III. und IV. Jahrhundert Reihe S. 12. Weber die Trennung ber 
kriegeriſchen und Friedens⸗Gewalt unter Dioflettan (burchgeführt unter Gallienus) 
Reiche ©. 6,15; bafelbft Aber ven Zwed: Schwächung ber Statthalter ber Senate 
Provinzen ©. 3. 

51 So einen procurator yobopas Zopsioxevinalag al brepkpirdung, Grab» 
ſchrift in Bithynien, Mommfen, römiſches Statsrecht III. S. 830. 

6) Oder erſetzt auch wohl, Tac. hist. I. 11. 


136 


Ein dux limitis erfcheint in Rhätien feit Poſthumus, Gegen⸗ 
kaiſer wider Gallienus, feit c. a. 2581). Den Inhalt ver Verträge 
Roms im IV. Jahrhundert bildete (ſchon jeit Gallienus) nicht mehr 
Einverleibung alamannifcher Gebiete in das Reich, nur Herausgabe 
ber Gefangenen, Lieferungen von Lebensmitteln, von Bauholz und 
Frohnden für Veſten, zumal aber Stellung von Kriegern: auxiliarii 
milites?): König Suomar heißt vertragsmäßiger Freund?,, König 
Vadomar gehört zur clientela rei Romanaet), wird fpäter Gtatt- 
halter von Phönikes) und bekämpft die Perjer, König Fraomar befehligt 
mit prätorifchem Rang eine alamannifche Cohorte feiner Buchengauer 
in- Britannien. 

Auch zahften die Kaifer gar häufig Iahrgelver an die Alamannen 
für ven Frieden und für jene Stellung von Sriegern: die Juthungen 
verlangen von Aurelian Wiederaufnahme dieſer „Geſchenke“ in ges 
münztem wie ungemünztem Gold und Silber): die Verkürzung ber- 
felben wird als Kränkung, als Rechtsbruch, empfunden und burch 
Krieg vergolten”?). 


e) Nicht alamanniſche Barbaren in Alamannten, Alamannen 
außerhalb Alamanniens. 


Zu karolingifcher Zeit wırden Sachjen und Wenden al® Gefangene, 
Entwurzelte und Verpflanzte, als Geifeln®), letztere auch als freiwillige 
Einwanderer nicht felten angefiebelt, wie zumal Ortsnamen bezeugen ?). 


1) Urgeſch. II. &. 213. Trebellius Pollio XXX, tyranni Posthum. 2. 
Ueber ben römifchen dux Reihe ©. 9. 

2) Ammian. XVIII, 2 auziliatores, XIV, 10 »ut auxiliatores pro ad- 
versariis adsciscamus«, f. aber Dahn, Prolop ©. 286. 

3) Amicus ex pactione |]. c. 

4) l.c. XVII, 2. 

5) Kanaän, Kiepert &. 167. 

6) Bon Wietersheim⸗Dahn, I. S. 235. Dexippus 1. p. 14, 15. 

7) Amm. Marc. XVI, 5. a. 365. Weber bie Berhältnifie zwifchen ben Römern 
und ben unterworfenen Böllern Kühn II. S. 1f. 

8) Bel. VIII. 5. &. 314. 

9) S. Stälin (&.) I. &. 132 und über tie mit „Sachſen⸗“ und „Windiſch⸗“ zu⸗ 
ſammengeſetzten Ortsnamen vgl. Bacmeifter und Hartmann oben ©. 130. Schott, 
über den Urfprung ber Dentfhen Ortsnamen zunächſt um Stuttgart. 1843. 
H. Meyer, die Ortsnamen bes Kantons Züri, Mittheil. d. antiquar. Geſellſch. 
zu Züri. VI. ©. 66f. Ueber Sachſen und Wenden fett dem IX. Jahrhundert 
Weller, Anfiebel. &. 65; letztere meift von großen Grunbherren auf beren Laud an- 


137 


Alamannen fteigen früh zu ven höchſten Kirchen-?) und Reichs⸗ 
Aemtern (Gerold, Praefect von Baiern) auf und beberrichen bie 
Beratungen des Reiche bald als Reichs - Kanzler, bald als Schak- 
Meifter. Fulrad von St. Denis war Alamanne aus dem Elſaß, Vater 
und Mutter Rikulf und Ermingarda?). Anbrerfeits finden wir im 
R. (und X.: a. 936) Jahrhundert zahlreich Alamannen, auch Frauen, 
außerhalb Alamanniens, fo in Italien?), auf Grundeigen anfäffig 9. 


2. Die Strände. 


A. Der Adel. 
a) Die Namen. 


Adalingi und nobiles fehlen im Geſetz, ftatt deſſen aſcheint das Un⸗ 
beſtimmte primi, meliorissimi®), vielleicht, weil dem alten Vollsadel 
neuer Dienftabel an die Seite getreten war ober damals gerate trat®). 
Der Übel, die majores natu, werben vom Herzog und vom übrigen Volt 
unterfjchieden ?). Auch fpäter werben bie „Edelgebornen“, natu majores 
nobilium laicorum, als Wähler ver Biſchöfe bevorzugt, auch wohl 
als zu wählente Bifchöfes). Noch Ende des XI. Jahrhunderts werben 


gefiedelt. In xömifcher Zeit waren Reitergeſchwader aus weiter Ferne, Afrika, 
Spanien, Brittsnnien nach Alamannien verlegt worben Stälin (S.) ©. 25. 

1) Alamannen find Biſchöfe von Trier Miracula St. Chlodisindis Scr. IV. 
p. 237, von Berbun Gesta epise. Verdun 1. c. 44. 

2) Nengart 1. c. 41. a. 764. 

3) Häufig als Grundeigner in ber Lombarbei, 12 Beläge bei Stälin (V.) 
. &. 193. 

4) Beläge bei Stälin (8.) I. S. 358. Neben Alamannen und Franken 
finden fi in Stalien lange nach Untergang ber Oftgoten „Boten“: das find Weſt⸗ 
goten a. 936. Stälin (8.) I. ©. 358. Form. Lang. IX bei Walter I. p. 551; 
aus Südgallien Muratori Antiq. Ital. II. p. 136 si est Robuarius, si est 
Franous, si est Gotus vel Alamannus venditor. 

5) Capit. add. c. 22. L. 68, 4. 

6) D.©. Ia. S. 210. Könige I. S. 62, VII. 1. S. 143. Wilda ©. 422. 
Wenig befriedigend über die „fünf Stände“ [„Rangftufen” jagt Gfrörer I. ©. 185] 
der primates, ingenui, barones de minofledis, liberti und servi Merkel, de 
2. p.5, 29. Gegen Merkels gekünftehte Lehren und Selbfttänfhungen von ben 
Ständen Waitz Götting. gel. Anz. 1850, Stüd 41—43; ©. Meyer von Knonau, 
Denkmäler ©. 53. 

7) L. Al. Leg. III. p. 84 convenit enim majoribus nato populo Alaman- 
horum una cum duci (sic) eorum Lanfrido vel citerorum (sic) populo adunato. 

8 Obwohl das bloße nobilis (neben guten Kenntniffen und Sitten) nicht 
nothwendig (ohne natu) immer edlen Stand bebeuten muf. gl. Form Als, 


138 


in gleichem Sinn abgeftuft primi, medii und extremi(-geringe): Ver⸗ 
treter aller drei Claſſen (der Wähler) follen ven zum Bifchof Gewählten 
zum König geleiten?). 

3u ben majores personae, welche bie Lex mit Herzog Lantfriv 
oder König Chlothachar IV. vereinbaren, zählen auch die Bifchöfe wie 
Herzöge und Grafen?). ‘Daher auch nobilis presbyter?): ter Vor⸗ 
zug edeln Abftamms geht durch Eintritt in ten Prieſterſtand nicht 
unter: anbrerfeits heißen auch Biſchof und Abt‘) als ſolche „mobiles“. 
Nobiles „d. 5. Hochgeborne“ werben in ben Klöftern voransgefettS), 
doch fehen wir auch häufig mittlere Grundeigner fich durch Vergabungen 
den Eintritt fichern‘). Edle Ablunft wird gern an ben Heiligen ge- 
rühmt”).. Nobiles (viri) laici werben oft als Zeugen bei rei: 
laffungen®) und andern Nechtsgefchäften erfortert. Die viri nobiles 
eines Gaues bezeugen eine Schenkung). Urkunden wollen gekannt 
und beachtet fein von omnes nobiles et ignobiles1P). Auch hierin alfo 
ſchwankt der Sprachgebrauch ſtark: wie auch ber Freigelafine ingenuus, 
beißt der bloße Gemeinfreie — zumal als Grundeigner — nobilis; 


N. 6. Bon eblem Gefchleht war au Salomo III. v. Eonflanz, a. 890—920, 
Ekkehard IV. casus St. Galli Ser. IL. Rapolt von Xrier war nobilissimus 
Alamannorum. Neng. NR. 565. a. 825; fo heißt Chuodomar rex nobilissimus 
Eutrop. X. 14 ed. Rühl. p. 75. ed. Droysen. Nobilis V., alta prosapie 
Francorum, Vita St. Pirminii Mone I. c. 10 meint nicht „das eble Voll ber 
Sranfen”, fonbern ein „bobes Geſchlecht nuter ben Franken“. Ebenfo heißt e8 von 
Sanct Udalrich, Gebhart vita c. 1: excelsa prosapia Alamannorum .. daun: 
ex... nobilibus parentibus ortus; aber auch nobiles servi Dei, d. h. bie 
Mönche von Sanct Gallen 1. c.; über bie Selbfleinfhähung der Franken in 
ihrem Reiche, Könige VII. |. S. 114, 132 und VIII. 2. &. 50. 

1) Coll. F. Sang. 3. (erfunbene Formel.) 

2) 1, p. 63. 

3) Neug. 364. a. 856. Ein nobilis diaconus Neng. 433. a. 865. 

4) Ueber nobilis abbas Neng. 548. a. 884 meift Titel (= dominus), bier 
vielleicht aber Würbigung edlen Geſchlechts; ein weltlicher nobilis aus dem Thur 
gan ſchenkt auf ber Reiſe nach Langobardien Neug. 549. a. 884. 

6) Coll. Trad. Sangall. p. 4. Form. Als. 9 jett F. Sangall. ed. Zeumer. 

6) &. unten S. „Bergabungen“. 

7) Vita St. Guntberti A. 8. ed. Boll. Juli II. p. 61 v. St. Chrodeg. 
Ser. II. X. p. 556. 

8) Neug. 341. a. 851. 

9) Neug. 190. a. 818. 

10) Neug. I. 5. a. c. 693. 


- wo 


139 


und servitium bezeichnet wie Unfreiheit jede Abhängigkeit nnd Dienft- 
pflicht auch des Freien !). 

Im Jahre 889 heißen die vornehmften, angefehnften Männer in 
einem Ding die primores populi, optimates concilii: fie wollen 
udthigenfolls ihren Zeugeneid erwahren durch gerichtlichen Kampf vor 
den Königen (e8 gab aber — für Oftfrancien — nur Einen, Arnulf) und 
allen „principes‘‘ 2), das find bie Großen am Hof, im Reichsgericht?). 
Auch in einem vicus giebt es majores natu, aber a minimo usque ad 
maximum) procerum nostrorum praesentia ift der Reichstag ®). 
Die Vornehmen — jetzt meift ter Dienſtadel — heißen proceres; 
dies Wort der Ueberſchrift ver älteren Handſchriften wirb fpäter burch 
das alſo gleichwertbige principes erfegt „cum proceribus“ — nun: 
„eum principibus suis“. Eben bie Großen bes Herzogs: taher hier 
cum proceribus suis wie bei ten Franken vom König: aber freilich 
auch Große tes Bolles). Verſchwinden biefe primi etc. in ben 
fpäteren Quellen’), fo beruht dies einmal auf tem lintergang bes 
alten Adels, tann auf dem Eindringen ter fräntifchen Einrichtungen 
— Boffallität und Beneficialweſen — mit neuen Namen unb ber 
Alles überragenden Bedentung bes Reichthums an Grundeigen und 
unfreien und balbfreien Arbeitskräften. 

Schwierigkeiten macht ter Ausbrud princeps, principes, ba er 
in verjchiedenen Bedeutungen begegnet. 

Einerfeit$ find die principes die Vornehmen. 

Die (angeblich) c. a. 570 zum Chriſtenthum befehrten principes 
Sueborum ) find nicht (die) Herzöge, fondern ber Arel: ob Cunzo „ea- 


1) Bgl. auch (gegen Sohm S. 376 v. Roth und Boretius) Waitz⸗Zeumer 
V. ©. 436. 

2) ©. unten. 

3) Neng. 591. 

4) Coll. F. Sang. 30. 

5) Lubwig bes Deutſchen a. 866. Neug. 437. Bol. Th. v. Sickel I. ©. 176. 

6) L. A. 24, si dux aut principes populi judicaverint. 

7) Ueber die [pätere Betentung von primi, primates, primores, proceres, 
honorati, optimates, prineipes am Hof bes Königs Waitz Seeliger VI. &. 326; 
über optimates Albrccht p. 16; über senior, dominus, dominium Könige VII. 
ſ. S. 478, VIU. f. ©. 261; über die Kolgezeit Watt-Seeliger VI. ©. 57, senior = 
rex ſchon Könige VIII. Ueber biefe Namen: seniores, senatores, meliores, majores, 
potentes, proceres, optimates, primi, primores, primates (primates beſonders 
von a. 750 bis 1100), in ber nächften Zeit Waitz-Zeumer V. &. 468. 

8) Vita St. Galli. Ser. II. p. 13 Nota 22. 


140 


rum partium dux“ eine berzogähnliche Stellung in jenen Gegen- 
ben einnahm, ſteht dahin: Teinesfalles war er — war er überhaupt 
mehr als Kirchenfabel — Herzog von ganz Alamannien. Ebenfo find 
Edelinge die Vornehmen, „principes“, bie ber Wahl Iohanns des 
Dialons von Grabs zum Biſchof von Conſtanz beimohnen (a. 615). 
Principes heißen aber auch bloße Schöffen aus vornehmen Sippen?). 
Wer die principes Chlothachars IV. waren, mit tenen er, wie mit 
bem übrigen Bolt, bie Lex feftftellte, wirb uns beutlich gefagt: 
33 Bilchöfe, 34 duces und 72 comites?), ſelbſtverſtändlich feines 
ganzen Reiches). Die principes, tie mit dem Herzog über ben 
Hochverräther richten — d. h. ob ihm ber Loskauf vom Tode zu ver- 
ftatten jeit) — find ohne Zweifel der Abel). Die principes um 
Karle) find die Großen des ganzen Reichs (zu Worms), nicht nur 
alamannifche. Die principes bes Thur- und Linz-Gaus fowie Rhätiens 
find bie Großen, — primates heißen fie im felben Sat — unter- 
ſchieden von ber reliqua populorum multitudo, den cives, d. h. ben 
Gau⸗Bauern). 

Lehrreich für den Sprachgebrauch bei Benennung der Stände iſt 
eine Sanctgallenſche Yormel®): conventus principum (hohe Kron- 
vaſſallen und Beamte), vulgarium (Gemeinfreie), populares pos- 
sessiones (im Gegenfat zu Krongut), primi de utraque parte scilicet 
regis ... missi et seniores ejus, servi (höhere Kronknechte, servi 
nicht Beamte) et nobiliores popularium (vornehmere Grunbeigner), 
et natu profectiores (Geburtsabel): ganz untechnifch heißen dieſe 
Urtheiler sequestri, richtiger divisores. Alle „principes* = pri- 
mates d. 5. Vornehmen ver drei Gaue Thurgau, Linzgau, Churrhätien 
werben zum Ding im Inquifitionsverfahren entboten®). 


1) Neug. I. p. 607 cum judicio principum et aliorum populorum: b. h. 
Bornehbme und Gemeinfrete ale Schöffen. 

2) (Die Zahlen ſchwanken von 12 zu 800), |. aber über bie Stelle unten 
„Geſetzgebung“ und Brunner, ein verfchollenes Koönigsgeſetz. 

3) L. 1. p. 62. 

4) S. unten „Strafrecht” und „Herzog“. 

5) L. 23 (24). p. 84. 

6) W. U. 66; a. 811; ebenſo coram rege et cunctis principibus 1. c. I. 
p. 115. a. 848. 

7) Mohr I. 35. p. 54. a. 890. 

8) Coll. F. Sang. 10. (IX. Jahrh.) 

9) Neug. 590. a. 890. Den Gegenſatz bilbet die übrige Menge ber Be 
völferung: reliqua populorum multitudo, ebenfo 1. c. 747. a. 963. Weber vir 


141 


Anbrerfeit8 find princeps bie Herricher, d. 5. ter Kaifer, ter 
König, der Hausmeier, der Herzog. 

Dezeichnend für die Zuftände in ben von Germanen beſetzten 
Provinzen des Römerreiche im V. Jahrhundert (und von ba ab bei- 
behalten) ift ber Ausdruck »rerum dominus« !): er tritt zunächſt in 
ten römiſchen Quellen an Stelle des urfprünglichen Imperatore 
oder princeps — Imperator: beveutfam für den an Stelle bes 
Imperators getretenen Barbarenkönig ven »King de facto« ber Eng. 
länder, der ja auch bald wieder tem Imperator weichen konnte. In 
jolhem Sinn fteht princeps = imperator — rerum dominus. So 
rerum domini — Kaiſer, aber auch = germanifche Herricher?). 

Dagegen die principes in ter Lex Romana Curiensis find nicht 3) 
mächtige Kronvafjallen, fondern Könige oder Hausmeier“). Auch nicht 
vornehme Bafjallen Italiens 5), ſondern nur bie Könige ober Hausmeier ®). 
Das erhellt aus ven vielen Stellen, in denen es ohne Zweifel ven 
römiſchen Kaifer meint”). Der Sprachgebrauch tes Geſetzes verfteht 
durchgängig unter tem princeps ven Herrſchers). Daß auch die Mehr- 
zahl — principes — nicht Vaffallen, nur bie Herricher bezeichnet, 
erhellt fchlagend aus ter alten römifchen Vorlage, die doch unmöglich 
Kronvafjallen meinen kann und von Gefuchen an bie principes 
ſpricht). Daß principes nur Eine Berfon — König over Haus- 
meier — bezeichnen kann, erhellt daraus, daß an derſelben Stelle 10) 





illuster, illuster vir Th. v. Sickel I S. 175 (fpäter berichtigt); für bie Folgezeit 
Waitz Jeumer V. ©. 467. 

1) Auch domini, gab es doch oft auch mehrere Kaifer nebeneinander. 

2)L. R. XI. 6, IX. 31 (nur die Vorlage) rerum domini ber Borlage 
= der Raifer: flatt beffen in ber Lex XVII ber judex. 

3) Wie Brunner I. ©. 361. 

4) ©. oben S. 139 Anm. 7. Richtig auch Zeumer L. R. Rh. Cur. p. 299. Ge⸗ 
Naueres unten „Abhängige”. 

5) Wie Schupfer, Lincei p. 57. 

6) S. unten S. 143f. den Beweis; richtig Zeumer N. 9. IX. ©. 38, 42. 


Ueber prineeps = rex auch Waitz III. &.243, in ber Folgezeit Waitz Zeumer 
V. 6.471, hier auch anbere Bedentungen. 


7) DI: 17, 1 (ebenfo Codex Theodos), commendatio ad principem (ftatt 
venia aetatis). 

8) Bgl. I. 1. 3, de constitutionibus principum de mandatis. 

9) L.R. V. 2 (interpretatio). 

10) L.R. Rh. CL. 1, 6. 


142 


bie Einzahl princeps fteht. Ebenfo find die domus principum !), 
in benen der orbentliche Nichter flüchtige Verbrecher entvedt, vie er, 
ohne erft den actor des Hauſes abzuwarten, fofort verhaften foll, 
unmöglich Häufer der Vaſallen, fondern ver Herrfcher, wie bie 
römifche Vorlage (domis dominicis) zwingend beweift. Nur ben 
Herricher kann beveuten die commendatio ad principes?), ebenfo 
bie Verantwortung des Nichters für fein Urtheil ad suum principem?°). 
Ganz ebenfo fteht bei ber commendatio in gleihem Sinn einmalt) 
principes, ein andermal rex®). 

Desgleichen fteht für ven römifchen Imperator ber fränfifche 
Herrſcher unter dem gleichen Namen princeps®). Sa, jo fehr beveutet 
ber Lex »principalis«, was ben König anlangt, taß fie?) das »prin- 
cipale negotium« der Vorlage d. 5. die Hauptſache (ven „petitorifchen An⸗ 
fpruch*) mißverfteht als das »Fredum«, das dem König zu zahlente®). 
Gröblich mißverftanden hat bie Lex vie einzige Stelle ver Borlage®), in 
ber princeps nicht ben Herricher bebeutet zu haben fcheint?%). Bier fol 
auch der princeps 20 Pfund Gold zahlen für unbefugtes Handeln. 
Aber die Vorlage fagt, falle eine Verfügung bei dem princeps er» 


1) 1l.c. 9. Ebenſo fegen IL. 4 und II. 5, 1 als princeps ben Herrſcher 
voraus. 

2) l.c. 15. 

3) l.c. 16. 

4) IL 15. 

5) XXI. 7, 1. 

6) Ebenfo XXIV. 8, 1. 

7) I. 16, 1. 

8) IL 162, IV. 19,1, vgl. 

9) Zweimal giebt die Lex das principale negotium mit >fretum«, prin- 
eipale als faiferlich auffaſſend: aber IL 16, 2 bedeutet es in ber Borlage Haupt- 
Sache (petitorifche Klage) im Unterſchied von ber (poflefforifchen) Nebenfache. IV. 19, 1 
ift die Sache zweifelhaft: bie Lex bachte wieder an den Herrfcher und beffen Ver⸗ 
treter, den judex, ber das Fredum einziebt. Daß hier momentum, beneficium 
momenti bie Befitflage (utrubi) bebeutet, erhellt zweifellos aus IV. 20 >utrum 
vie, db. 5. utrubi: ad recipiendum momentum id est infra anni spatium 
cujuslibet persona agere de presente hoc est de momento sit revestitus. 
Bgl. Epitome Codicis Par. suppl. Lat. 215 (XX, 6) ejus manus sit de posses- 
sione vestita. 20. de causas momentaneas. II. 16, 2. Interpretatio: apud 
duos judices partiri valuerit ut apud unum de negotio principali proponat 
et ab alio sibi momenti beneficium postulet consignari. IV. 19 salvo 
principali negotio. 

10) II. 21. 


— — — 


143 


ſchlichen, ſoll der Unbefugte dem Fiscus ſo viel zahlen, nicht — 
wie die Lex — dem Verletzten ber princeps. 

Ohne Zweifel ift auch der princeps!), ohne deſſen Verordnung 
tein Amt, keine Würde (honor vel dignitas) geführt werben barf, ver 
Herricher wie in ter Vorlage ber Kaifer. Die principes (auch in ber 
Borlage die Mehrzahl) die von ben Verläumbern (calumniatores) zu 
unbegründetem) Zorn aufgehetzt werten, fine, wie in ber Vorlage, bie 
Kaiſer, in ber Lex bie Herricher, ganz unmöglich Kronvaffallen?). Nicht 
die principes find Krouvafſallen, ſondern vie milites qui in obsequio 
principum d. 5. ter Hausmeier over Könige find). Ebenſo kann 
nur ber Herrſcher jener princeps jein, ber verbienten Unterthanen *) 
Anwendungen macht. Anderwärts wirb der princeps d. h. Imperator 
ver Borlage durch ten Richter erjeßt?). Ebeufo bei Belämpfung bes 
roͤmiſchen Mißbrauchs, daß bei teftamentlos Verftorbenen jemand ber 
hanptet, er habe gehört, wie biefer mündlich Gefchente an ven »princeps«, 
bie personae potestati adjunctae oder potentes angeorbnet: hier 
fügt die Lex®) nur: judices aut potentes homines. Ebenſo kann 
princeps nur ten Herricher beveuten — vie Vorlage hat principis 
majestati — an ber Stelle, welche vie Eheerfchleihung bei »suus 
princeps« verbietet”). 

Ein andermal giebt die Lex ben »princeps« ber Vorlage wieber 
mt »fiscus«, zum beutlichen Beweife, was fie unter princeps 
verfteht ). Ebenfo ift ber princeps der Vorlage und ber Lex ber 
Kaifer und ver König, — nicht ein Kronvaſſall — der von ihm gefällte 
Todesurtheile (vielleicht) ans Mitleid aufhebt). Desgleichen ift ver 


ı) L.R. VI. 1. Die Worte aliquid = dignitas per beneficium prin- 
eipis habere merentur geben nicht auf beneficium = Lehen und beweifen daher 
nit fpäten Urfprung: benn bas aliquid iſt Amt und dieſe werben erft viel 
Ipäter Gegenſtand won beneficium. Hiedurch wirb Zeumer’s a. a. O. und Abhandl. 
6.44 Widerfpruch gegen Schupfer verftärkt begründet. 

2) L.R. IX. 29. 

3) L.R. Rh. C. 1. 1, 7. 

4) meruerint de servicio a principem (l. principe) de fisco qui habuerunt 
eoncessum). L. R. Rh. C. III. 19, 2, bie römifche Emphyteuſe wirb bier erfett 
buch fränkiſches Kronbeneficium. 

5) So IV. 4, 2: bei den ungältigen Codiecillgeſchenken. 

6) IV. 4,5. 

7) L. R. Rh. II. 10. 8) V. 5, 

9) L. IX. 30, 3; ®orlage: princeps .. ab irato principe .. pietas do- 
minorum; Lex: princeps .. irati domini domini ordinant ... pietas domini 
sui (d. h. Gnade feines Königs). 


144 


Kaiſer der Vorlage ter princeps — Sönig ber Lex, der räuberijche 
Beamte verbrennen läßt!). 

Sofern ber Kaifer durch ten König erfegt ift, ter König vielfach 
— mit Recht ober Unreht — durch den Hausmeier oder den Herzog 
vertreten wird, mag princeps wie urfprünglich den Kaifer, fo fpäter 
ben König oder Hausmeier und gelegentlich auch ben Herzog bezeichnen. 
So ift der Kaifer der Vorlage, ber König in der Lex, ber princeps, 
bei dem bie dilatores ihr üble8 Handwerk treiben). 

Der rex ter Lex?), ber dem Kaiſer entjpricht, heißt eben in 
andern Fällen princeps. Der princeps, ber über ſchwerere Straf- 
anlagen gegen bonae personae (= majores personae der Vorlage) 
richtet, ift der Kaifer = dem König‘). Der princeps, ber allein bie 
Eurialen entlaften mag, ift ter Katfer — tem König). Der König 
auch tft ter princeps, ven bie Lex, bie Vorlage ergänzend, bie Pro- 
curatur übertragen läßt‘). Gerabezu rex wirb er genannt bei ber 
comendatio bes Hausjohns, welche bie patria potestas aufhebt 7). 

Ohne Zweifel der König ift der princeps, ber in ber Lex®) an 
Stelle des verſchwundenen Conſuls ver Vorlage bei ber Freilaffung 
getreten ift, in Webereinftimmung mit ber germanifchen®).. Auch bei 
der Freilaffung tft der König (= princeps) an die Stelle des Kaifers 
(= princeps) getreten 1%). Der princeps, ber bei unwillentlicher Tödtung 
bie Strafe erläßt, ift felbftverftändlich ver Kaifer, jet der König!1). 
Einmal, wo ber »rex« von ber Lex genannt wird, fehlt das ent- 
fprechente Wort in der römiichen Vorlage12). ‘Da princeps in ber 
L. R. Rh. C. ganz regelmäßig ben Imperator bezeichnet, bezeichnet 
auch principes die aufeinanter folgenden Herrſcher d. 5. Könige ober 


1) X. 3. 

2LR. X. IV. i. 

3) X. 5. 

4) L.R. XI. 8. Bgl. I. 1, 12. 
5) L.R. XIL 1,1. 

6) L.R. XXIII. 5, 2. 

T)Le. 7. 

8) XXIL. 1,1. 

9) Könige VILL. 2. ©. 207. 

10) L. R. IV. 9. 

11) L.R. XVII 2. Bol. IX. 1,4. 7,1. 11,1. Zeumer, Abhandl. ©. 48. 
12) L.R. VII. 4. 


145 


Hausmeier!). Princeps ift aber auch ter Herzog?), auch fonft Höhere 
Beamte®), principes populi, aber nicht Edle. 

Häufiger al® die Lex Alamannorum fpricht die Lex Romana 
von dem König, rex*) oder, wie fie meiftens fagt, dem tem römiſchen 
Imperator entfprechenden princepe. Ganz wie fonft ber princeps 
— Rönig an vie Stelle des Imperators ber Vorlage tritt, heißt ver 
Imperator zuweilen gerabezu rex. &So®) bei Schenkungen aus dem 
Fiscus 9). 

Honorati find (römiſch) vom Herricher Ausgezeichnete, zumal 
durch Amtsverleihung“)). Senator für einen alamannijchen nobilis ®) 
it phrafenhaft und fpät. ‘Die senatores provinciae, welche bie 
Strafe für angemafte Nutzung (Bolzung und Jagd) an Kronwald 
feftftellen follen, find die (vornehmen) Grundeigner der Lanpfchaft?. 
Die milites in Chur!) find die vornehmeren officiales!!). 

Pares find Genoſſen verjchtebener Art: eben je im Einzelfall 
Glieder Einer beftimmten Genofjenfchaft 3. B. des Heeres12) over 
des Gaues, der Nachbarihaft1?). Vor Erlangung bes Königthums 


1) So I. 9, 2, wo bie Vorlage ald den princeps ben Kaifer meint; e8 wird 
bier nach fränkiſchem Recht bie reclamatio ber Wittwen, Waiſen, Geringen an 
ven König VIII 4. ©. 40 gewahrt. 

2) L. A. 82. 

3) 23. 

4) L. R. p. 381, 414, 423, 361, 379. 

5)X. 1.5. 

6) Bgl. III. 19, 2. 

7) L.R. Rh. C. 1.7, de qualemounque actum aut dignitatem per prin- 
eipem honoratus; bie ber Interpretatio (loco citato), h. provinciarum, id est 
ex cariae corpore famen nur noch in Churrhätien vor; über honorati im fpäteren 
Einne Waitz⸗Jeumer V. &. 466. 

8) Stälin (B.) I. S. 335. a. 1075. 

9) Coll. F. Sang. 10 hier provincia wohl = Gau. 

10) L. R. Rh. II. 1, 2. 10, 3. V. 4. 

11) &. biefe. Ueber capitaneus, 3. B. auch crimen, Zeumer, L. Rom. Rhaet. 
Curiensis Legg. V. p. 296 (IX. 1, 1); über >senior«, »senioratus« f. unten 
Abhangige“. 

12) L. 96, die Schlacht⸗ und Waffen⸗Genoſſen L. 90 (93). p. 152; vgl. 44 (95). 
P-105. Wilda ©. 986, Wait ©. 268. 

13) 45, 2, mittit in vicinio pares: mit fara (Merkel L.L. III. p. 76) hat 
dat nichts zu thun, auch nicht an Verſchreibung für parentes (wie einzelne Hand⸗ 
Mhriiten) iſt zu denen, benn in 82 ſteht nur pares: parentes L. 45 (46) find 
die Geſippen — Erben. Ueber pares in gleichem Sinn (Gerihts- und Standes» 
Genoſſen) auch fpäter noch Wai-Zeumer V. S. 463. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 10 


146 


nannten bie Arnulfingen fogar die Unterthanen pares ober amici, aber 
nicht mehr feit a. 7511). 


b) Altgermaniſcher Adel. 


Hier bat ſich der alte Abel lange Zeit erbalten?): Hier kam kein 
Königthum auf, welches wie Chlodovech planmäßig Entgegenftrebenves 
ausmorbete: ber König verſchwindet a. 496 und bie non ferne herrſchen⸗ 
ben Merowingen hatten werer Macht noch Grund, ven Adel auszu- 
rotten, fofern nur der von ihnen eingejeßte Herzog Treue hielt: bie 
primi, meliorissimi haben zwar nicht — wie fonft wohl?) ver Volks» 
adel — das zwiefache Wergeld ver Gemeinfreien, aber boch ein höheres 
al8 die mediani, die Gemeinfreien‘. Ein andermal aber verhält 
fih die Buße für minofledi, mediani, meliorissimi geradezu wie 
3:6:12°), Es ift nativ, aber jehr bezeichnend, daß in venfelben Aus- 
brüden für mindere, mittlere, befte Stuten, mediana, meliorissima, 
(minor wird nur vorausgefeßt) ebenfalls Erſatz von 3, 6, 12 sol. 
vorgeſchrieben wirb®). 

Das paßt nur auf alten Vollsadel: — Hervorragen an Beſitz 
und „politiide Machtſtellung“7) Hat niemals höheres Wergelb be- 
grünbet®), — der allerdings fpäter allınälig verfchwand, nicht damals „erft 
im Entftehen begriffen war“ 9). 

Es läßt fich nach dem Beſtand ber Quellen allerbings nicht an- 
geben, jeit wann und in welchen Fällen die ben Abel bezeichnenden 
Ausdrücke nicht mehr den alten, fondern einen neuen Abel meinten, — 
in ben freilich der alte oft (oder meift) thatfächlich hinübergewachſen 


1) Bol. Th. v. Sidel, Beiträge III. ©. 185. 

2) Kür den Volksadel bleibt Grundlage das vor einem halben SYahrhundert 
verfaßte ausgezeichnete Wert Konrabe von Maurer, der älteſte Abel; zumal auch 
gegenüber von Sybel? ©. 127; vgl. Könige I. 1861. S. 187; anders Landau 
&. 331. Heyne Il. S. 2 läßt Uradel und Königthum zwar richtig ans Einer 
Wurzel, aber unrichtig aus der Anführerfchaft von Auswanbrern entſtehen. 

3) Aber nicht allgemeine Regel wie Waitz ©. 370. 

4) Pactus II. 3. 8. ed. Lehmann Leg. V.1 si primus Alamannus fuerit 
240 sol. conponat, 3) si medianus Alam. fuerit 200 sol.: — das iſt das Grund» 
maß: si baro de minofledis solvat solidos 170. 

5) Pactus III. 21. 

6) l. cc. 25. 

7) Wie v. Sybel ©. 222, 464. 

8) So richtig Wat S. 370. 

9) Wie Davoub Oghlou I. p. 309. 


147 


war: biefer neue Abel beruhte Hier weniger als bei ben Franken auf 
Gefolgfchaft bei König oder Herzog und auf Amt, als auf großem 
Grundeigen. Thatſächlich gingen aus biefen reichen &runbeignern zu- 
gleich auch die Beamten, zumal die Grafen, hervor. Bezeichnend ift, 
daß Berfonennamen mit „Adal“ zufammengefegt find!) Adal ift 
Geſchlecht und bie edeln galten als vie älteften Geſchlechter des Volles, 
das Königliche als das von den Göttern entftammte, als ver halb- 
göttliche Urfprung bes Volles: aber von Priefterfchaft ift dabei keine 
Spur eines Schattens eines Scheins. 

Den Einfluß der beibnifchen Priefter auf bie weltlichen?) Dinge 
— Gerichts- und Kriegs⸗Weſen — überſchätzt man in allen Stüden, 
es bat Priefteradel und Priefterlönigthum bei den Germanen nie ge- 
geben?). Entſcheidend ift, daß nie irgend eine Quelle dem 
Priefter wie doch dem König, dem Herzog, dem Ebeling, dem Grafen, 
vem Befolgen, ja dem gemeinfreien im Heerbann ein erhöhtes Wergeld 
zuſpricht; das genügt. Das Fehlen eines Priefterftandes hat das Ein- 
dringen bes Chriftentbums erheblich erleichtert ®). 

Schon Ammian Tennt einen Adel ter Alamannen unter den Namen 
optimates, primates, primores ), ebenfo optimates Aurelins Victor®): 
das war ber alte echte VBollsatel?), obwohl das Gefchlecht, die Erblichkeit 
niemals in jenen Quellen betont wirb®). Dazu trat dann ber Vorzug 
ver Gefolgichaft (comitatus, comites), deren (ſchwache) Spuren fich bei 
Chnodomar und Andern tamals finden); viel fpäter erft bie Anfänge 


1) Adalecus, Edalecns als Eigenname, Wartmann 354 (a. 800—820'. 

2) So mit vielen Aelteren Stälin (8.) I. S. 24, |. D. G. Ia. ©. 221 und 
neuerdings Schröber 13. 

3) D. G. J. ©. 221. 

4) Ueber die geringe Bedeutung bes germaniſchen Prieſters in Recht und 
Stat vgl. auch Schrader II. ©. 639, der aber Grimm D.M3 I. ©. 83 miß- 
verftanden bat: Grimm nennt nicht den Prieſterſtand erblich, berichtet vielmehr, 
daß der Bater den Sohn ausdrücklich Thor weihen mußte, auf daß dieſer 
beffen Priefter wurde; auch ©. 642 enthält über „adlige“ Priefter und flatliche 
Berrichtungen der Priefter Mißverſtandenes. 

5) XVI. 12, 14,10. XXVIII. 2. XXIX. 4. 

6) Epitome 42. 

7) Könige I. S. 18. D. G. Ia. ©. 210. 

8) Der nobslis, nobilissimus rex Chnodomarius im Gegenſatz zu ben 
optimates bei Aurelius Bictor epitome 42 bebentet ſchwerlich ben Borzug ber 
Geburt. ©. oben ©. 138. 

9) Baufteine VI. 1884. ©. 60. 

10* 


148 


eines Dienftabels der Grafen und Vaſſen, ber in ber fräntifchen Zeit 
bezeugt ift. Jener bel find zur Zeit Juliane bie optimates, bie ihre 
Stellung im Kampf dicht Hinter den Königen einnehmen). Willkürlich 
findet man?) in ber Kopfbevedung bes Königs Chnodomar a. 3572) 
[ftatt des Helmes] das „Adelszeichen“ biefes „Alamannenfürften“ 4): es 
giebt auch bier nicht „Bürften“ neben Königen, Grafen und Evelingen 5). 
Balentinian läßt a. 368 einen alamannijchen Ereling auf dem Scheiter- 
haufen verbrennen ®). 

Sprößlinge des alten Herzoggefchlechts erjcheinen noch ganz fpät 
als mächtige Grafen im Lande: fo Rotbert, Sohn des Herzogs Nebi, 
dann deſſen Neffe Udalrich, Schwager Karls”). Erftaunlich reich be- 
gütert erweiſen ſich noch in Karolingiſcher Zeit altalamannifche Adels⸗ 
geichlechter, wie das des Herzogs Gotefrid in gar vielen Gauen®). 
Daß die reichen Gefchlechter mit großem Grunchefig zum ‘Theil 
alt-alamannifhe find, — fo eben das ehemalige Herzogshaus) — 
bezeugen beſonders die in biefen Sippen ftetS wiebertehrenden Per- 
fonennamen. Bereitwillig ift alfo ven alamannifchen Forfchern bei- 
zuftimmen, bie mit liebenswürdigem Eifer bei manchen ihrer fpäteren 
Dynaſtengeſchlechter Hohes Alter nachzuweifen nicht ermübden.. Nur 
läßt fich — mit Ausnahme des alten Herzogsgeichlehts — nicht 
nachweifen, daß diefe Sippen altgermanifcher Abel waren, alfo 
etwa bis anf Chlodovech zurüdgingen: es werben boch meiſt Ge— 
Ichlechter des neuen Adels ter Großgrundeigner (f. unten meliorissimi) 


1) Ammian XVI, 12 optimatum magna series. Wie auch bei andern 
Germanen. 

2) Stälin (V.) I. ©. 153. 

3) Ammian Marc. XVI, 12 cujus vertici fammeus torulus aptabatur. 

4) Ungenau v. Borries „Helmbuſch“. 

5) Ochſengeſpann als Fuhrwerk der Oroßen? Stälin a. a. O. 

6) Amm. Marc. XXIX, 4. 

7) Stälin (8.) I. ©. 233. Meyer von Knonau, Forſch. XIII. S. 73, über 
die alamannifhen Adclögefchlechter ber Welfen, über Burkfharbiner, Gotefribe und 
ihre Geſchichte Stälin (V.) I. S. 334. und unten. 

8) Bgl. die Zufammenftellung bei Stälin (8.) I. ©. 334, (S.) S. 158; audy 
die badiſchen Zähringer follen von biefem alten Herzogsgeſchlecht abſtammen. 

9) Klofter Marchtbal wird von einem Abkömmling besfelben Salaholf und 
defien Gattin Hitta gegründet. Meyer von Knonau, Mitth. zur vaterländ. Geſch. 
XIII; über diefe Alaholfinger unten. 


149 


gewejen fein, in welche tbatfächlich ja auch altgermanifcher Volksadel 
übergegangen fein wird). 

Diefe großen alamannifchen Gefchlechter verjchwägern fich wieber- 
holt mit dem fränkiſchen Herricherhaus, ihre Glieder erlangen bie wich» 
tigften Bifchofsfige. Die Welfen (Judith, Gemahlin Ludwig I.) find 
ſchon unter König Pippin als mächtig anzunehmen, Hildigard, Karls 
Gemahlin und ihre Brüder Gerold?) und Udalrich, Graf vom Argen- 
und vom Linz⸗Gau, entftammen burch die Mutter Hemma dem alten 
Herzogsgeſchlecht; auch die fpäteren Ulriche, Berchtholde und Burkharde 
gehören alten Adelsgefchlechtern an?) Allein gerade mit dem Welfen- 
haus (mit den „Alaholfingen“) ift in jüngfter (wie älterer Zeit) maß» 
lofer Mißbrauch ver Unkritik getrieben worden‘). 

Familiennamen auch bei nicht fürftlichen Gefchlechtern begegnen 
erit feit Anfang des XI. Iahrhunderts. >). 


1) 3.8. Die Welfen Eticho 1. 
Etiho I. Indith — Ludwig I. 


Eticho ILL. 

viſwof Konrad von Eonftanz a. 935—976. Hist. Welf. Weingart. 
c.4. 5. Ueber bie mit ben Karolingen verjchwägerten Unruoch I—IV., Fürſtenb. 
1.8. L p.3f. a. 802-924; über die alte Stppe ber Hunfriebinge in Borarl- 
berg, Bergmann ©. 63— 70, fpätere Dynaftengefchlechter in Alamannien, Cleß 
U. &. 110. Ueber die gräflichen Geſchlechter der Karolingerzeit überhaupt, aber 
zumal auch in Alamannten, bie Welfen, bie „Etichoniden“, Poupardin, les grandes 
familles comitales à T’&poque carolingienne, Revue historique I. 1900. Planta, 
die churrhätiſchen Herrſchaften 1881. 

2) Urgefch. III. &. 1009. 

3) Ueber viefe alten Adelsgeichlechter ſ. beſonders G. Meyer von Knonau, 
Forſch. 3. D. Geſch. XIII. ©. 69. 

4) ©. gegen Krliger, Anfänge bes welfifchen Geſchlechts 1900 und Friedrich 
Schmidt, Urfprung des Welfenhaufes 1899, überzeugend Witte, 3. f. Geſch. d. 
Ober- Rheins N. F. XVI. 4. Eine Fälſchung iſt die genealogia Arnulfi, vgl. 
Wattenbach IE S. 168. Und was die historia Welforun Weingartensis ed. 
Weilaud 1869 (Schulansgabe) c. 1 von ber großartigen Hofhaltung ver Edeln 
— mit allen vier Hofämtern u. ſ. w. — berichtet, iſt Mebertreibung ber fpäten 
[e. a. 1170 f. Wattenbachs II. ©. 335], und fagenreichen Duelle. 

5) Immedingorum tribus egregia Ekkehard p. 226 zunächſt von Orts. 
Namen der Stammfitze. 


150 


.c) Neuer Dienſtadel. 


Selbftverftändlich giebt es im IV. Jahrhundert, weil noch kein 
mächtiges Königthum, veffen Amt, Landleihe, Gefolgſchaft emporhebt 1), 
auch noch Teinen Dienftatel: bie von Ammian nach ben reges, reguli, 
regales wieberholt?) genannten primates, optimates find alfo alter 
Volksadel, der bier aber (wie anderwärts) fpäter in ber fräntifchen Zeit 
untergebt, mögen auch gar manche volksedle Gefchlechter in dieſen 
neuen Abel übergegangen fein?). Die Ammians fpielen nach ben 
Königen die wichtigfte Rolle: daher verlangen die Römer ihre Kinder 
als Geiſeln): denn fie führen bie römerfeinblichen Bewegungen, 
fie kämpfen dicht Hinter ven Königen), wie fie anberfeitS in ven 
römifchen Waffendienft treten®) oder von ihren Königen als Gefanpte 
verwenbet werden”); ein folcher (Hortari) wird verbrannt, weil er mit 
ben optimates baheim Pläne gegen Rom gejchmiebet®). 

Daß (die Agilolfingen und) die Herzoge der Alamannen als wirt: 
licher Adel ihren Urfprung auf ven Königspienft zurücgeführt Hätten, 
fann man aljo®) nicht zugeben: die legteren waren alter Volksadel ihrer 
Stämme, bevor fie den fränkiſchen Amtstitel erhielten. Das Nichtige 
trifft man) in der Unterfcheivung von „Reichsadel“ (Dienftavel, Amt, 
Baffallen) und (altem) „Stammadel“. 

Von ber alten Gefolgihaft ift in fränkifcher Zeit auch 11) bei 
ben Alamannen feine Spur mehr zu finden, wie fie allerdings in 
ben Tagen Iulians wieberholt vermuthet werben barf12). Gefolgen 
waren vielleicht auch die „wenigen Barbaren,” mit welchen Hunimund, 


1) Könige VII. 1. S. 147. D. G. 1a. ©. 214. 

2) XIV. 10. 16, 12. XXVIII 2. XXIX. 4 Urgeſch. II. ©. 285. 
D. G. Ia. ©. 544. 

3) Bgl. VILa. a. O. 

4) XXVIIL 2. 5) XVI. 12. 

6) XXIX 4. 

7) XIV. 10. 

8, XXILX. 4. D. ©. I.a. ©. 589. 

9) Brunner I. ©. 258. 

10) v. Inama-Sternegg I. ©. 226. 

11) Ueberholt find bie Anfichten von Stälin (®.) I. S. 20 über das Ber- 
hältniß des alten Adels zu ben Gefelgſchaften, er nimmt biefe als Dienfabel 
allzu früh an. 

12) Bgl. Urgefh. I. ©. 294: König Chnodomar hat 200 Begleiter [darunter 
3 „Freunde“ — wohl die Erften der Gefolgihaft], die jein Schidfal theilen wollen. 
Das find die Zahlen ber Gefolgen, |. D. ©. Ia. &.225f., nicht viele Tauſende, 


151 


König der Suaven und Alamannen !), in Paſſau einbringt (a. 457 
bis 468). Am Wenigften darf man ‘Dienerinnen des Herzogs, 
feminae in ministerio ducis?), wegen verbreifachten Wergeldes 
als „weibliche Gefolgſchaft“ (1) oder Frauen ber Gefolgen auffaffen: 
zum Herzog Gebörige erhalten auch fonft verbreifachten und Frauen 
als folche nach Alamannenrecht ebenfalls höheren Schutz. Der 
Adel Hatte wohl wie ber Herzog und ber Graf, deſſen vassi bing- 
pflichtig find), früher nicht wenige Gefolgen, jpäter aber werben 
biefe Vaſſi und andere Abhängiget): ter Herr eines seniskalk hat 
12 Vaſſen im Haufe>). 

Die zahlreichen nobiles, nobilissimi, nobiles (undique) generis 
viri in ben Quellen des IX. Jahrhunderts ®) find, wie dieſe Zeitangabe 
zeigt, lediglich Dienftadel 7): wird babei bie edle Geburt hervorgehoben, 
fo erklärt ſich das völlig daraus, daß dieſer Dienftabel, urfprünglich 
ein Berufsftand, bald zu einem Geburtsſtand baburch geworben war, 
daß die thatfächlichen Grundlagen der Auszeichnung — Landleihe, Amt, 
Vaſſallität — fi) ganz regelmäßig vererbten (jelbjtverftännlich erhebt 
Grafenamt in dieſen neuen thatfächlich mehr als rechtlich bevorzugten 
Dienftadel®). Beſonders die Vaffalität nnd Lehen treten jegt allmälig 
in ben Vordergrund: bie Kaifer-, Königs⸗ und Herzogs⸗Vaſſallen ragen 
an Macht und Ehren hervor: find Ablömmlinge ber alten volfsebeln 
alamannifchen Gejchlechter) in biefem neuen Dienftabel zu finden, fo 
beruht der Vorzug jet nur auf den neuen Verhältniffen, in die ſchon 
ihre Vorfahren eingetreten waren 19). 


wie (der hochverbiente) Stälin (®.) I. &. 7, ber Artovift 15,000 „Gefolgen“ zu- 
Idreibt, und auch Marobod's 74,000 Mann jollen ihrem „Gefolgsfürſten“ gedient 
haben. Könige I. ©. 11. 

1) Jord. Get. c. 53—54. Oben ©. 26, 49. 

2) L. A. 33. 

3) Ebenfo VIII. 2. 6. 

4) ©. darüber unten: „Abhängige”. 

5) T. 79. 

6) ©. die Stellen bei Stältn (8.) I. S. 3852. 

7) ©. Könige VII. 1. ©. 147, 228; VIII. 2. ©. 151. 

8) illuster heißt ber Graf biefer Gaue. Neug. 591. a. 889, vgl. Wart« 
mann 1. 237. 

9) Oben ©. 146, 

10) So ſchon zur Zeit Gregors von Tours; anders ſcheint Stäliu V.) 
L ©. 352 biefen Herienftand zu benfen: aber feine verbienftliche Zufammenftellung 
weift doch Reichthum an Land und unfreten (mehr als 1000 Leibeigne, 120, 93) 
und halb freien Hinterfafien als Grund des Hervorragens nach; fagenhaft find aber 


152 


Der Bericht der fagenhaften Historia Welforum von Weingarten, 
wonach Eticho IL. aus Gram barüber, daß fein Sohn Heinrich Vaſſall 
bes Kaifer8 geworben, fich in die Einfamleiten des Ammerfees zurück⸗ 
gezogen babe, ift unglaubhaft. Damals erblickte man fchon lange nicht 
mehr in ber Baflallität (gegenüber dem Katfer!) eine „Minderung von 
Adel und Freiheit“ 1). 


d) Neuer Abel bes Reichthums. Großgrumbelgner. Uebergang 
zu ben reicheren Semeinfreien. Die Reiheren, bie Mittleren 
unb die Armen. 

I. Allgemeines. 

Während nun aber bei ven Franken, zumal in Gallien, Hofamt, 
Reichsamt und Kron⸗Beneficium (nach Erlöfchen des Antruftionats) 2) 
bie wichtigften Grundlagen des neuen Adels blieben, geftaltete fich dies 
bei den Alamannen anders. Hofamt beiim Herzog hatte doch nicht bie 
hobe DBebeutung eines Amtes am Königshof: Beneficialwefen und 
Kronvaffallität wie berzogliche fpielten allerdings auch hier — zumal 
feit Arnulfingifcher Zeit — eine wichtige, ſtets fteigende Rolle), allein 
neben biefen allerdings kaum entbehrlichen Grundlagen eigneten biefe 
großen alamanniſchen Adelsgeſchlechter ausgedehntes VBoll- Eigen 
(„Allod“ im fpäteren Sinne), das fie zum großen Theil aus der vor- 
fräntifhen Zeit in ihren alten volksedeln Sippen vererbt hatten, felbit- 
verftänblich ftets eifrig bemüht, diefen Grundbeſitz auch durch Schen- 
fung over Beneficium der Krone zu mehren, aber auch durch „Land⸗ 
raub“. Diefe Unterfcheidung von den fränkiſch⸗galliſchen Großen ift höchſt 
wichtig für das Verſtändniß der alamannifchen Verhältniffe. Ungleich 
gewaltthätiger als vie Kirchen betrieben die Weltgroßen5) ven Land⸗ 
erwerb: Achab und Jezabel werben ſie verglichen ®). 

Dagegen übereinftimmenb mit ven fränkiſch⸗galliſchen Dingen find 


bie 4000 Hufen, die Heinrich, ber Sohn bes alten Welfen Eticho, vom Katfer in 
Baiern als Lehen (»pro hominio et subjectione«) erhalten haben foll nad 
Historia Welforum Weingartensis ed. Weiland. &. oben ©. 149. 

1) L. c. 0.4 ratus nobilitatem suam et libertetem nimis esse declinatam. 

2) Könige VII. a. a. O. VII a. a. O. 

3) Könige VIII. 6. ©. 152. 

4) VIII 4. ©. 185. Weber bie Grunpherrfchaften und Hofrechte Blumer I 
©. 42 (meift über fpätere Jahrhunderte). 

5) Ueber ben „Schuß ber wirthſchaftlich Schwachen“ Kent gſoclaleeſchicheliche 
Forſchungen III.) durch Karl Könige VIII. 3. S. 222. 4. 

6) Waitz⸗Zeumer V. ©. 433. Bgl. S. 294. 


153 


foft völlig bie Gründe, bie auch Hier!) den dem Altgermanifchen frem- 
ben?) Unterfchiev von Neich und Arm — nämlich an Grundbefig?) — 
zu dem weitaus wichtigften machten, ja zu dem vielfach auch rechtlich 
wie thatfächlich enticheiventen. Unter Verweiſung auf bie frühere 
Darlegung jener Gründe ift nur hervorzuheben, daß hier weniger als 
in Gallien — zumal im Süben und Weſten — bie vorgefundenen 
römifhent gejellichaftlichen und wirtbichaftlichen Zuftände von 
Einfluß fein konnten, die ja, je weiter öftlich vom Rhein, befto weniger 
(außer in Churrhätien) fort beftanden. Die andern Gründe bes Empor- 
fteigens des Großgrundeigens auch rechts vom Rhein find bereits er- 
tert). Nur die Gründe dieſer Erfcheinung bei dem Großgrund- 
eigen ver Kirchen und Klöfter, und deren Wirkungen find noch zu 
erörtern ®). 


1) Wie Könige VII. 1. &. 197. VII. 2. &. 56, 80. Urgeſch. IV. Bur 
gunden ©. 115. Langobarden ©. 293. 

2) In ben altgermaniſchen Zuſtänden hatte es folche Abftufungen, hatte es 
jumal pauperes nicht gegeben, ba einerjeits jeber mindeſtens ausreichendes Bau⸗ 
land erhielt [Über das erſt fpäte Auflommen des Gegenſatzes von Reichthum und 
Armuth ſ. auch Heyne I. ©. 16.) und ambrerfeits ber größte Grunbbefiger nicht 
höhere Rechte im Stat hatte als jeber Gemeinfreie. Erf aus ben römifchen Zu- 
Händen in Gallien, Stalten, Spanien (vgl. Cod. Theod. XI. 164. a. 324 potioribus 
gegenüber ben medioribus atque infimis) wurben biefe römifchen Unterſcheidungen 
berübergenommen, bis dann viel fpäter auch rechts vom Rhein Die Kleinen gegen- 
Über dem Großgrumbbeflg in Verarmung und Abhängigkeit binabfanten. 

3) Ueber großen und Heinen Grundbeſttz v. Halban, Immobiliar. ©. 138. 
über das Bodenrecht der Capitularien &.290. Bei Waitz⸗Zeumer V. &. 202 tritt 
in ber Unterfcheibung von Abel und plebeji ber Unterfchied von Reich und Arm 
nicht fharf genug hervor, rusticus gehört wie ministerialis im neueren Sinn 
af der nächſten Periobe an; (die franzöfifchen vilains find villani, Dorfleute 
Du Cange VIII. p. 337, doch fteht villanus auch für villicus Dorfmeifter 
f. oben &. 107f.); über ben Sprachgebrauch dieſer nächften Periode ©. 205f. 

4) Diefe Unterjcheibungen finb alfo aus den römiſchen Geſellſchaftszuſtänden 
und aus dem römifchen Leben und Recht, zumal Strafrecht, in die germantichen 
Reiche übernommen worben; daher fie fih manchmal In römifchen Onellen finben, 
in deren Bearbeitungen in germanifchen Reichen aber fehlen. So L. R. Rh. C. 
XVIIL 5 gegenüber ber Borlage, bie nicht nur Geifliche und Sklaven, auch 
unter den Freien plebeji unb nullarum facultatum von splendidiores unb 
dignitatibus noti unterfcheibet. gl. Interpr. I. 5 digna idoneaque, dagegen 
indigna et pauperio r. persona, potens — Dagegen pauper I. 6, 3. 

5) Könige a. a. DO. v. Inama-Sternegg, Große Grundherrſchaften — Wirth» 
Ihaftegeich. I. S. 226. 

6) S. unten „Kirchenweien und Zuſtäude“. Weber das Auflommen anderer 
geiſtlicher und weltficher Serrfchaften, Mächte, Beamtungen neben ben Serzogen 


154 


In der Natur der Sache — t. 5. der relativen Begriffe von 
Reichthum, Wohlftand, — liegt e8, daß dieſe Betrachtung einen feſten 
Unterſchied, eine fcharfe Gränze zwilchen ben drei Schichten nicht 
ziehen kann: ver Adel bes geringeren Reichthums gebt in die oberfter 
d. 5. reichften Schichten der Gemeinfreien über, die ihrerfeits allmälig 
zu ben Aermeren und endlich den Befiglofen herabgleiten. Es find 
taber auch in dieſer Unterfuchung die primi, mediani und infimi 
t. 5. pauperes faum zu trennen. Da bie ‘Dreiglieverung!) auch 
bie Weiber ergreift, Tann fie nicht auf Reichsamt, Hofamt, Gefolgfchaft. 
Heerbann beruhen: fie beruht vielmehr wie bei ten anvern Stämmen 
(f. unten) auf der Abjtufung des Vermögens. 

Das Vermögen alfo gliedert den Freien in ingenuus aut (l. et.) 
pauper, melior homo2). Reich begüterte Gejchlechter find ſchon im 
VI. und VIL3) Jahrhundert vereinzelt anzunehmen. Doch ift auch 
Heiner Orunbbefig noch Ende bes VIII. Jahrhunderts vecht häufig: 
bie Urkunden zeigen faft in jevem Hof Güter kleiner Bauern und da⸗ 
neben folche von großen Grundherren, die auch in anbern, oft fernen 
Marten Land eignen). 


II. Die oberfle Schicht. 


Reiche Geſchlechter Hatten Grundeigen in vielen Gauen zugleich). 
Zu ten potentes zählen auch bie oft neben ihnen (3. B. bei Miß⸗ 
bräuchen der Macht) genannten judices®), Die Schwankungen in 


und biefe befchränfend, zumal zu Ende bes IX. und Anfang des X. Jahrhunderts 
Waitz VIII ©. 416) ſeit Ottos I. Beichränfung der Herzoge durch Begänftigung 
ber Bifchöfe, Aebte, Grafen ©. 418f.; f. unten König und Herzog. 

1) Bluntfhli I. ©. 29 Hält irrig die minofledi flatt ber mediani für bie 
normalen Gemeinfreien. 

2) L. R. IX. 22, oft mit melior gleichbebeutendb nobilis a. 607 vita St. Trud- 
berti c. 3 p. 19 nennt einen vir nobilis ven Exben bes Thals »Aeres vallise d. h. 
Breisgaus (Graf ift Bobbo), er hat venatores und fchenft bem Heiligen 
6 famulos zunächft zur Waldredung (dev Schreiber verlegt St. Trubbert nicht 
nah Alamannien). 

3) Beifpiele aus dem Enbe des VIII. a. 779 W. U. IL. 436. IV. p. 318 
bei Weller, Anfiebel. &. 56. 

4) Bol. Weller, ©. 58. 

5) So im Breiögau, Aargau, in ber Ortenau und bem nur bier genannten 
Sau Safonia (l. Saronia?); über biefen f. bie Literatur bei Neug. 401 a. 861. oon- 
ventus procerum vel (= et) mediocrium Form. Sang. misc. 9, daneben noch 
bie andern pagenses; bie proceres heißen bann primores. 

6) L.R.IV. 4, 5. 


155 


Degriff und Ansprudsweife treten bei biefen an fich ineinander über- 
fließenden Gliederungen befonbers beutlich hervor, fo zumal in bem 
vieldentigen Wort boni homines, bonae personae: das find einer- 
feit8 die Vornehmen, fonft majores personae genannt!). Aber 
andere Male beveutet es nur glaubhafte, ehrbare, taher zumal zu ven 
Gerichtsverrichtungen als Urtheiler, Streit- und Urkunds- Zeugen, zuzu- 
laſſende. Daher giebt e8 auch bonae feminae2). In gleihem Sinne 
wie boni homines fteht homines justi, als Tutoren zu beftellen >). 
Daher honoratus esse apud bonos homines, gefchätt, „bei ehrbaren 
Leuten”. Im gleichem Sinne) fteht oft idoneae personae, d. h. als 
Zengen glaubhafted), alfo oft, ohne jede Beziehung auf einen Stand, 
bertrauenswärbige, verläffige, glaubhafte Männer 3. B. ale Zeugen), 
aber auch — neben dem Richter — für Auswahl eines Tutors, Ver- 
mittelung bei Zurüdgabe von Unfreien 7), unbefcholtene, ehrbare?); eine 
ungenaue Redeweiſe ftellt fie hier den Richtern gleich. In dem Miß- 
verftänpniß des Citirgefeges ®) find die boni homines die glaubhaften 
Zeugen und Eibhelfer, in ver Einfchärfung der Deffentlichkeit ver 
Rechtspflege vie Urtheiler neben dem Nichter1%; bei der Beſtellung 
des Richters ebenfalld die gemeinfreien ‘Dinggenoffenti), ebenſo bie 
glaubhaften boni homines, bie12), tie Geld und Koftbarkfeiten ver 
pupilli mit ihren Ringen anfigeln jollen. Richter ober (vel) boni 
homines follen zwifchen Freigelaffenen und deren fie zurück heifchenven 
Herren vermitteln 132. Boni homines als Urtheiler fest auch vie L. 


1) Bonae personae == majores personae L. R. XI. 8. 

2) L. R. XXIIL 4, 3 bonae famae. 

3) L.R.XXIL °. 

4) L. R. XII. 1, 5. 

5) Ueber idoneus — zeugnißfähig, glaubhaft Waitz ˖ Zenmer V. ©. 446. — 
ebenfo boni-homines ©. 447. boni milites in circuitu habitantes, vollireie 
Grundeiguer W. U. I. 195. p. 228. 

6) L.R. XI. 15, 4 eui fide (sie) reprovata non est: anberwärts z. ©. 
13 honestiores meliores, plus justae: höher fleht alta persona 1. c. Neug. 604. 
a. 893 nach Aufzählung von 19 Zeugen: oaeterique idonei. 

7) L.R. IV. 15. 

8) III. 19, 4. 

9, IV. 8, 1. 

10) D. 9, 1. 

1) L.R.Rh.C. I. 4. 

12) 1. 6, 2, 

13) 1.10, 1. 


156 


R. Rh. C. voraus, es find dann!) nicht Vornehme, fondern Gemein- 
freie, aber ehrbare und auch fo vermögente, daß fie Schaden erſetzen 
fönnen?). Die boni homines, bie von der L. R. Rh. C. gar oft 
eingefchoben 3) werben, wo fie die römiſche Vorlage nicht kennt, find) 
bie freien Gau- und Rechts⸗Genoſſen: fie bilden — als Urtbeiler — 
ben Gegenſatz zu andern Richternd); fie (wie bie curiales) find bie 
vollgültigen Zeugen bei Geichäften über Liegenjchaften®); fie find bie 
guten Nachbarn, vor benen in Ermangelung von judices und Gefippen 
bie Ehe gejchloffen wird”): die bona persona muß mindeftens in- 
genua fein®). Zuweilen aber find die bonae personae nicht nur gut 
beleumunbete &emeinfreie, ſondern fchon höher ftehente, (majores): 
fo wenn bie fchwereren Straffälle 9) bonorum (sic) personarum vor 
bem princeps entſchieden werben follen. Zu biefen höher ſtehenden 
gehören auch bie clerici de bona gente: oder folche, tie Vermögen 
haben, oder als idonei ericheinen: ein folcher foll das Amt ber 
Curialen, ein Clericus, ber inferior persona, das ber collegiati 
führen!). Endlich aber ift eine idonea persona auch — ganz im 
römifchen Sinn 11) — ein Zahlungsfähiger, 3. B. Bürge, Zeuge: — das 
ift fogar die häufigfte Bedeutung: — da dies nun ein relativer Be⸗ 
griff ift, ſchwankt die ganze Abftufung — je nach dem Schulpbetrag — 
und eine idonea persona fanın bald eine major, kann aber audh 
nur eine media persona fein: fo ftart und fo leicht gehen biefe Be⸗ 
griffe ineinander über. 
Ill. Die Mittelfchicht. 

Die medii, mediani !2), mediocres 1) find bie Gemeinfreien, bie 

weber früher vem alten Adel angehörten, noch fpäter mehr als mittleres 


1) IIL 19, 4. 

2) IV. 8, 1. ganz allgemein ehrbare Leute XII. 1, 5. 

3) VIII. 9, 1. neben andern judices. 

4) ©. unten Lex R. Rh. C. 

6) I. 4, 6, 2 und oft. 

6) Wie VIII. 2. S. 61, 74. 4. 

7) IL 9, 1. 

8) VIIL 5, 1. 

9) UL 7,3. 

10) 1. c. ei ingenua aut bona persona fuerit XXIII. 4, 3. 

11) L. R. Rh. C. XI. 8. 
12) XVI. 2, 4. | 

13) Mediooribus et maximis Coll. F. Sang. 24 a. c. 860 mediocribus 

natalibus ortus 1. c. 25 medii, mediani VIII. VIII. 2 v. Amira &. 81. Ganz 


157 


Grunteigen (und fo den neuen Reichthumsadel) erlangt Hatten, noch 
durch Verarmung zu den infimi herabgefunten waren: fie find die 
Träger des Normalmaßes von Recht und Freiheit, dem alten und 
dem neuen Adel an Rechten (abgejehen vom Wergeld) regelmäßig 
gleich, aber an Zahl ſtark verringert, weil großentheils in Abhängig- 
feit, Halbfreiheit, gar Unfreiheit herabgefunten und nicht mehr aus» 
fchlaggebend beim Herzog und in ben Verfammlungen '. 


IV. Die unterfte Schicht. 


Schon in ber römifchen Zeit und ohne jeben germanifchen Ein- 
fluß Hatten fich freie Provinzialen mafjenhaft den Steuerbeamten over 
anteren potentes als coloni oder tributarii unterworfen, Schuß von 
ihnen gegen bie Leiftungen an den Stat zu gewinnen 2): das ging dann 
mit den zeitentiprechenden Aenderungen fpäter auf bie germanifchen 
Reiche über: fchon in ber römifchen Zeit erhielten folche dedititii ihr 
Land nur zinsbefchwert zu lebenslänglichem Niekbrauch zurüd, bie 
Erben hatten fein Recht auf Eintritt in dies Verbältnif. Aber ba 
fi die Armuth regelmäßig wie der Neichthum vererbte, gab es auch 
Rinder, die — durch die Geburt — diefer niederften Schicht an- 
gehörten?). ‘Der technifche Ausdruck ift baro de minofledis. Baro 
ift nicht etwa „Erler”, fondern „Mann“, meift der freie Mann, 
aber einmal auch ber unfreie Mann (servus) im Unterfchiev von 
dem unfreien Weibe (ancilla, serva). Fled, urjprünglich und auch 
damals noch jedes (flache) Grundſtück), Hat fich auch in biefer Be⸗ 
bentung, (zumal aber in der von Hausflur) bis heute in ber baierifchen 
Mundart erhalten®). Die minofledi können bei ben Alamannen 
in Urfprung und Nechtseigenart untnöglich abweichen von ten ihnen 
in Namen und Standes⸗Stellung — fo in ber Werthung bei ven 
Bußen — ganz gleich ftehenten minores, infimi ober pauperes ber 


anber8 bie fpäteren (fett dem XI. Jahrhundert) mediocres — Mittelfreie, Wait- 
Zeumer V. S. 438. Nach Merkel de r. p. 30 find die Vollfreien die »amala« [!) 
umb bie medi follen S. 9. bie „Franken“ fein [!]. 

1) ©. unten Gemeinfrete. 

2, Meiten I. S. 375. 

. 3) Daher snfans minofledis, medianus, meliorissimus = 3:6 :12 
T. F. II. 21. V. 16. 

4) 3. Grimm, Gram. III. ©. 429. Schate ©. 204. Heyne I. ©. 33. 
Weber die minofledi bei Sahfen und Angelfachfen Hermann, Gierke XVII. 
1884. ©. 121. 

5) Schmeller I. ©. 799. 


158 


andern Stammesrechte!). In ber ungünftigen Stellung ber barones de 
minofledis ift alfo gewiß nicht?) fränkiſcher Gewalt-Einfluß zu fuchen, 
ſondern eine bei allen Germanen, auch bei ten Franken ſelbſt, gleich- 
zeitig damals hervortretende vollswirthichaftliche Erfcheinung: Herab- 
finten der mittlern und Heinern Vermögen gegenüber ben potentiores. 
Durchaus nicht find bie minofledi, dieſe vollfreien Kleingütler ®), 
als die Leten zu beuten, bie man dann ganz irrigt) für bie Frei- 
gelafjfenen erflärt: (libertos sive letos), dann wieder barones de m. 
et letos>). 


V. Wirkungen ber ſtändiſchen Gliederungen. 
a) Die Thatfächlicdhen. 


Auch Hiers) find die homines potentes fo wiberjpänftig und fo 
mächtig, daß an des Grafen oder Gentenares ftatt, der fie vor und 
durch fein Gericht nicht zu zwingen vermag, ber Herzog um ben Rechts⸗ 
zwang angerufen werben muß?) (das ift das distringere). Auch hier ift 
von ben Vaſſen) des Herzogs und des Grafen Wiberftand gegen ben 
Nichter zu beforgen. Und als vassus ift wohl?) zu benfen der nur 
einmal im Gefeß1% genannte miles, deſſen Knechte als Räuber von 
Getreide von den Bauern (villani) gefürchtet werden: bie Stelle läßt 
erfennen, baß biefe Armen (miseri) viel bergleichen zu leiden gehabt 
hatten: bie ftrenge Strafe foll bewirken, daß Friede im Lande fei und 
biefe miseri [b. 5. Bauern auf frember Scholle] den Zins ihren Herren 
(das fett nicht nothwendig Unfreiheit voraus) entrichten können: alfo 


1) Bgl. Die oſtgotiſchen: Könige IH. &. 39, die weſtgotiſchen: Könige VI. 2 
&.89, 116, fränfifchen VII. 1 ©.228. VIII. 2 S. 56, 80, burgumbifchen Urgefch. IV. 
©. 115. Sie fiehen unter den mediani wie biefe unter ben primi Alamanni 
unb zablen nur 170, mo jene beiben 200 und 240; P. II. 36—38 ober bei 
Frauen 320 zu 400 zu 480 1. c. 39, 40; vgl. Wait II. 1. &. 264. Brunner I. 
S. 248, 249. 

2) Mit Merkel, p. 8, 9 und Gengler, Rechtsdenkmäler ©. 83. 

3) Mit Merkel, der. &. 5, 29. 

4) &. 30. 

5) Bgl. Über die Leten Könige VII. 1. S. 250. VII. 2. ©. 212 und unten. 

6) Wie fonft VIII. 2 und in Baiern L.B. 25. VOII. 2 S. 69. 

7) L.A. 36, 5. p. 96. 

8 Das werben meift, müffen aber nicht immer freie Vaſſen fein, anders 
Wait II. 3, 2. ©. 141, 142 und Lehmann L. p. 96. 

9) L. 36. p. 96. ü 

10) 1. c. Cod. 18. 


159 


hatte die Unſicherheit biefe wichtigfte Einnahme ter Grundherren ge- 
fährbet. 

Man fürchtet ganz allgemein, — in vielen Sanct Galler Ur- 
funden — Heine und mittlere Freie werden im Lauf ber Gefchlechter 
ihre Sreibeit gegenüber dem Drud ber Großen nicht behaupten können!). 
Die pauperes, inferiores müfjen gegen bie potentes, seniores unb 
beren agentes durch die — oft felbft parteiiſchen — Richter gefchütt 
werden (fhon nach römifchen Recht)?). Die potentes ſchützen auch 
Räuber und andere Verbrecher; die Richter haben Mühe, biefe troß folches 
Schutzes zur Strafe zu bringen?). Schon das römiſche Necht fpricht 
von einem »senior« des Richterst). Schon in römifcher Zeit fürchtet 
man, daß fich die Parteien ftatt an die orbentlichen Richter ver Provinz 
an die Militärbefehlshaber, die tuitio militaris, wenden). Zur Zeit 
Julians (a. 360) gelten als vie gefährlichen rechtbrecherifchen potentes vor 
Allem bie milites®): fo muß das römiſche Strafrecht überhaupt gegen bie 
Unterbrüdung der pauperes und minores durch die potentes einfchreiten. 
Die (fogen.) Capitula Remedii haben bies aus dem Codex Theodos. 
herübergenommen ”). Schon römijche potentes, potentiores zwingen ®) 
Arme (pauperes), zumal ihnen ihr Eigen (unter-billig) zu verkaufen ober 
gar zu fchenten). Als Unterbrüder wird von der Vorlage eine major 
persona, von ber Lex ein »judex« vorausgefegt!‘). Gegen bie 
Trennung einer Ehe unter Verwandten bes IV. und V. Grades durch 


1) Die Bebrlidung ber Kleinfreien fchildern auſchaulich die Worte ber 
Lex R. XXVII. 1, 3 >pro servo tibi volo esse et tu me libera de malorum 
ominum (sic) potestate aut de illorum forcia. Epitome Aegidii: non prae- 
judicat ingenuitati, si pauper potenti coactus acquieverit dicere: »servus 
tuus sum«. Trad. Sangall. 399, p. 20. 418, p. 38. 467, p. 84. (in servitutem 
census redacti, durch einen Dritten: nicht nothwendig Unfreihett. 

2) L.R. Rh. (I. 6, 3, 1-5), auch durch bie agentes ber judices 4. 1. co. 

3) L e. 10, 3. patroeinium, ähnlich tuioio (militaris) 1. o. I. 8. 

4) 1. c.[3). 

6) L.R. Rh. (I. 8. II. 1, 7). 

6) a. 750 (si. . ad militiam in majore potestate venerit; vorher war 
er in parva potestate positus). Die Vorlage ſetzt voraus bie suffragia, welche 
die L. R. Rh. C. II. 26 durch gewöhnliche Schenkungen erjekt. 

7) Bgl. Pfaff, Über den rechtlichen Schuß ber wirtbichaftlih Schwachen in 
der römtfchen Kaifergefeugebung. 

8) Per forcia Könige VIII. 2. ©. 69f. 

9) L.R. Rh. C. II. 1, 9. 

10) L.R. XXIV. 11. 


160 


ben Bifchof rufen die Getrennten ten Erzbifhof an!): der Bifchof 
bittet, ihn nicht zu verleugnen, obwohl die Beſchwerdeführer „edle“ und 
auch vornehme?) Leute find?), die ſich dem Bifchof nicht fügen. Es 
ift Ausnahme, wirb einmal (bei ber Ehevorfchrift für »senatores«) 
tie arme, aber freie und gutbeleumundete Braut von ben viliores oder 
infamia deputatae unterſchieden und zur Ehe verftattet). “Die 
potentes laffen ihre Namen und »titulic (Anfprüce) an fremben 
Häufern andeften, die Eigenthümer von Geltendmachung ihrer Nechte 
abzufchreden®). ‘Die potentes (hier honorati), d. 5. vom Herrſcher 
mit einem Amt geehrten, fegen ſich als Proceßparteien kecklich fogar 
neben den Richter ®). 

Die juniores et pauperes haben fich bei König ober Herzog fo 
oft über Bebrüdung zu beichweren, daß Formeln tafür aufgeſetzt 
werben”). Bezeichnend für die Laufbahn ter Söhne folder vornehmen 
Geſchlechter find die Briefe über Walto und Salomo (II.) von Eonftanz 9). 


B) Die Rechtlichen. 


Wie in allen Stammesrechten ift das Strafrecht infofern ftändifch 
gegliedert, als 3. B. Körperverlegungen an Freien, Leten, Unfreien ab- 
geftuft gebüßt werden‘). Ständiſch gegliedert ift das Wergeld 10) und 
find die Bußen!!), Seinen fehärfften Ausprud findet das Verhältniß 
ber brei Schichten in den Wergeldſätzen von 240, 200 unb 160 solidi, 
alfo 6, 5 und 4, fowie in den Bußen von 12, 6, 3 (=4, 2, 1) 
(dagegen Freie: Leten: Unfreie = 6:4:3)12). Der urfprüngliche Sat 
war 160 gewefen, über welchen bie beiden andern fich erhoben haben. 


1) Conc. Magont. a. 813 c. 54; a. 847 o. 30. Könige VIII. 5, ©. 325 f. 

2) Salomon UI. von Conſtanz, Lintbert von Mainz, Düimmler, Formelbuch 
&. 22, Zeumer N. A. VIII ©. 52. 5. 

3) Coll. F. Sang. 30. 

4) L.R. XIX. 3. 

6) L. R. Rh. C. II. 12, wie fon im Ediet Theoderichs 8 45 verboten 
Könige IV. ©. 65. vgl. Du Cange VIII. p. 114. 

6) L.R. Rh. C. 1. 7. 

7) F. Sarg. mise. 1. 

8) Coll. F. Sanꝑ. 35f. 

9) 3. 8. P. II. 27, 28 letus: servus = 4:3. ©. unten, Strafredt. 

10) P. II. 41 L. 69 baro aut femina (mortuatus, ermordet) qui qualis 
fuerit, secundum legitimum wiregildum suum in novegildum solvatur. 

11) P. II. 36—40. L. fr. 

12) gl. Jaſtrow, Stlaven ©. 29. 


4 


161 


Ständiſche Abftufungen. 
Tür das gleiche Vergehen gegen eine Freie 800 sol. 

.  Unfeeie 15 HP. II. 33. 34. 
ablt ein baro de minoflidis 170 - 
medianus Alam. 200 - \ (= ®ergelb?) 

primus Alamannus 240 - l. c. 3538. 
femina minofledis 170 - 
mediana 400 - }1.c. 39. 40. 

prima Alamanna 480 - 
gegen gemeinfreie (Mann wie Weib) 80 - 

letus 13 -. und 1 Tremisse 
Unfreier Knecht 12 - 

leta 26 - und 2 Termissen 

Unfreie Magb 12 sol). 

Gewiß nicht find die medi, mediani2) erft fpäter eingefchoben >), 
fonbern fie find die alten ®emeinfreien, wie ihr Wergelb von 100 sol. 
— das urfprüngliche Normalmaß — darthut: über fie erhob fich von 
ieher ber alte Volksadel, die primi, fpäter der neue Abel. 

Ganz grunbeigenlofe Gemeinfreie hatte es urfprünglich nicht 
gegeben*): erft fpäter find bie Heinften Grunbeigner, die minofledi, 
wie thatfächlich fo vechtlich unter die mittelgroßen Grundeigner herab- 
gefunten: ver Adel — alter und neuer — hatte ſtets Großgrund⸗ 
eigen beſeſſen. 

Der Unterſchied der Wergelpfähe beruht alfo nicht baranf, daß 
die Sranten das tes Adels herabgejegt hätten®), ſondern darauf, daß 
bie Grundeigner, die ein Minbeftmaß nicht mehr erreichten, im Wer- 
geld herabgefunfen waren, wohl erft nach der Unterwerfung, aber nicht 
durch Wilffür der Franken, ſondern durch die erft feit c. a. 500 auch Hier 
eintretenden VBerhältniffe und durch die Seltenheit, alfo höheren Werth des 
Geldes rechts vom Rhein auch bei ben andern vechtsrheinifchen Stämmen : 
das Wergeld der Mediani, ver gemeinfreien VBoll-Grund-Eigner, war 


1) Irrig hält Luſchin I. S. 74 die mediani für alten von den Frauken herab» 
gebrüdten, bie primi für alter aufrecht geblicbenen Abel. 

2) Primi meliorissimi Cap-add., 22, 39, 43. Wergelb 240 sol. medii 
Wergeld 200 sol. liberi, minoflidi c. add. 22. Wergelb 150 sol.! Freigelaſſener 
80 sol. mediani T. 68 cap-add. 22, 39, 43. 

3) Wie Stälin (V.) I. S. 201. 

4) Oben ©. 153. 

5) Wie Stälin (V.) I. ©. 200. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 11 


162 


das Grundmaß gewefen und ift es geblieben!),. Die Steigerung um 
je 40 sol. ift der Betrag bes großen Friedensgeldes bei ven Alamannen?). 
Das ift aber wohl zufällig: denn ein Trievensgeld mußte boch auch 
bei Töbtung eines minofledis bezahlt werben: in den 160 ftedte alfo 
auch „ein Friedensgeld“*). So tim PBactus c. a. 620. Die Lex Alam. 
(c. a. 720) fennt bie primi nicht mehr, unterſcheidet nur liberi (an 
Stelle der verjchwundenen minofledi) und medianı. 

DBezeichnend ift, baß, wie bie freien Männer, auch bie Pferbe 
mittleren Werthes mediani heißen), bei anvern®) Hansthieren mel- 
lissima (= optima), dann sequestriana (Ruh) verhalten fich wie 
4 zu 3 tremissen®), bei Rindern seunums, optimus bos 5 zu 
medianiis 4, minor nad Schätung”); auch bei Eidhelfern medi electi®). 

Auch bei Alamannen (und Baiern) werben bie minores personae 
— perfönlich freie Arme — cam Leib, Leben, Ehre fchärfer ge 
ftraft al8 die mediani und primi, weil fie an Vermögen nicht zu 
ftrafen waren). Einmal merkwürdig: quaecunque potens aut 
impotens persona foll 60 Pfund Gold zahlen, was der »impotens« 
ſchwerlich Tann!0). Minori personae broht Verknechtung und Einziehung, 
Bornehmeren nur legtere!!). Die Strafverfchärfung wegen niederen 
(obzwar freien) Standes ift ſchon altrömifch 12). Oder für ben pauper 
Geißelung, für den melior Strafe nach Belieben des Richters; viel 1?) 
ſchwerer als Private werben andrerſeits Beamte geftraft, 3. B. ber actor 


1} Segen Merkel a. a. DO. ſchon Waitz Gött. gel. Anz. 1850 danıı Berfafl. 
Geſch. ©. 371. 

2) Brunner I. ©. 248. 

3) Pactus Alam. I. 37. 

4) ©. oben ©. 162. 

5) L. 63, (70) p. 132. P. F. III 25. L. 68, 1 T. 78. 

6) 1. e. p. 136. 

7) L. ec. p. 137. 71 (78). 

8) 1. ce. p. 137. 70 (77). 

9) L. Alam. 39, 3 L. Baj. I. 3, 4. VII. 3. Könige VL2 ©. 116 f. Weſtgot. 
Studien ©. 155f. 

10) Neug. 345a. 852. 

11) L. 39. p. 99. L. R. Rh. 1. 5. Exil und halbe Einziehung — Dagegen 
2 Jahre Bergwerle. 

12) Interpret. (unter Conftantin) I. ſ. digna idoneaque persona erhäft nur 
2 Jahre Eril, bie indigna et pauperior 2 Jahre metalla. Ebenfo L. R. Rh. C. 
L 5. bona — Dagegen minor persona, 

13) L. R. IX. 22. ad judicium judices (sic) damnetur. ®gl. Könige VIIL 3. 
S. 58, 71. Weftgotifche Studien S. 240. 


163 


publicus (aber auch ber eines Privaten!) für Heblerei von Näubern 
und Dieben mit dem Feuertod!). Aber andre Dale hat gerade bes» 
halb ter ärmere minofledus weniger an Buße zu zahlen als im 
gleichen Ball der medianus und der primus2). Das römifche Verbot 
für „Senatoren“, Frauen aus ben viliores vel infames zu wählen, 
wird aufgenommen, wohl für die »senatores« zu Chur?). 

Einen gar erheblichen Unterjchieb in der Beftrafung macht zwifchen 
Vornehmen und minores personae (minofledi) das Geſetz bei ver- 
botenen Ehen: jene trifft nur Einziehung, dieſe werben obenein dem 
Fiscus verknechtet). Das Hinab-heirathen der Tochter oder Wittwe 
in niedrigeren Stand wird mit empfinplichen Vermögensnachtheilen 
gebüßt®). Auch fonft hat Ehe mit Unebenbürtigen Nachtheile im Ge⸗ 
folge: heirathet von zwei Töchtern eines Freien ohne Brüder (denn 
Brüder fohließen die Schweftern vom Grunverbe des Vaters aus) bie 
eine einen Ebenbürtigen (coaequalem) Freien, die andere einen Kron⸗ 
over Kirchen-Colonen (und erſt recht einen Colonen Andrer), fo fchließt 
jene biefe vom Grunderbe aus, nur die Fahrhabe theilen fie zur Häffte®). 

Aber auch was Gerichtsbarkeit und politifche Rechte betrifft, erfreut 
fich dieſer Reichthums- Adel manchen Vorzugs. In Gallien übten fchon 
römifche potentes private vom Stat anerlannte Gerichtsbarkeit über 
abhängige Hinterfaffen”).. Verfrüht ift e8 jevoh, das Recht damals 
„ſchon zum Begriff bes Adels" zu rechnen, bie Hinterſaſſen eines 
Gutes nah Hofrecht zu richten und folche vor dem Grafengericht zu 
vertreten ?). 

Die Zuziehung ber proceres des Könige vor Gewährung von 
Immunität oder andern Rechten (freie Abtswahl, Tauſchvertrag) auch 
bei Beftätigung früherer Verleihungen, die meift nicht ohne Weiteres 
erfolgt, ift Häufig, aber freilich nicht nothwendig). Der Eid einer 
einzigen, obwohl alta persona, foll nicht als Beweis genügen, den 
nach bes Nichters (auch fittlicher) Würdigung, honestiores, meliores, 


1) 1. ce. 
2) P. II. 36—40. 
3) L.R. XIX. 3. 
4) L. 39. p. 9. 
5) Pactus T. 55, 56, 57. 
6) L. 55 (57). p. 113—115. 54 (55). 
7) Brunner I. ©. 6. 
8) Wie Gtälin V. 1. S. 350. vgl. VIL 4. ©. 23. VIII 6. ©. 190. 
9) Th. v. Sidel, Urkundenlehre I. S. 66. 
11? 


164 


plus justae personae foll mehr geglaubt werben!) Der Abel trifft 
mit dem Herzog die Wahl zwifchen Tod, Ausbannung oder Gelpftrafe 
für Mordanfchlag gegen ben Herzog?). 


B. Die Gemeinfceien. 
1) Die Namen. 


Baro bebeutet ven Mann: regelmäßig ven Freien?), aber zu⸗ 
weilen nicht den freien Mann, fondern den (unfreien) Knecht im 
Unterfchied von der unfreien Magb®: daher wirb er wie ein man- 
cipium verjchenft 5). 

Auf der Zutheilung ausreichenden Landes — je nach dem DBe- 
bürfniß, je nach ber Zahl der Köpfe — für Alle beruht e8 aljo, daß 
es in ältefter germanifcher Zeit Arme — d. h. Darbende, Grund» 
befiglofe — nicht geben konnte, (wohl aber verfchievenen Umfang 
bes Sondereigens gab)®). Noch die Lex Salica fett voraus, daß 
jever freie ein Gehöft hat, nur bier kann er richtig gelaben werben. 
Ein Bonnarius ift ein Sleingütler”). Boni homines find gemein- 
freie, zumal aber durch Wohlftand, auch durch Glaubhaftigkeit hervor⸗ 
ragenbe 8), daher werben fie vorab als Zeugen zugezogen‘). Bei Eid⸗ 
helfern fteht mobilis für Gemeinfreie19). Die cives eines Gaues 11) find 
beffen freie Grundeigner: mit ihnen, neben ihnen übt Sanct Gallen 
Nutzungsrechte in den Mark⸗ und Gemeinde-Wälbern und fonft durch feine 
unfreien Familiae und andere Befiger der Klofterhufen (mansi nostri) 


1) L.R. XI. 13. 
2) T. 24: bei ben Franken entjcheibet bei ähnlicher wahlwelfer Beftrafung 
ber König allein VIII 4. ©. 160. 
3) Zunähft Mann — nicht Weib —, dann erft Freier, ſ. auch Waitz 
IV. ©. 333. V. (Waitz⸗Zeumer) S. 462. 
4) ©. oben S. 160. 
5) Neugart 1. o. 13. a. 744. 
6) Anders Schrader II. ©. 666: aber Caeſar's VI. 22 dafür angeführte 
Gründe und Zwede find von bem römiſchen Statsmann erſonnen. 
7) Fickler S. 3. Bonna, buna, Marke, Gränzzeichen, dann Stüd Laub, 
Du Cange 1. p. 700. 
8) = honesti viri ber L. R. Rh. C. II. 9, 1, nicht reich ober vornehm, 
Gfrörer bonus == idoneus ©. 119, 134. 
9) Actum ante bonis hominibus, quorum hie signacula continentur 
Neugart 181. a. 814 und gar oft |. oben ©. 156. 
10) Waitz VII. ©. 88. 
11) &. oben S. 81f. 





165 


aus: das find Dienftbarkeiten, die zum Vortheil bes Kloſters (feiner 
Lente), und ber freien Markgenoſſen die Wälder u. f. w. (aber nicht 
bie Königlichen Mark-Bann-Wälter) belaftent). Cives fteht zuweilen für 
pagenses, die Gerichts-fühigen und »pflichtigen Gaugenoſſen?). Ein» 
mal beveutet cives Laien im Unterſchied von dem Klofter als dem 
andern Vertragenden®).. Obwohl ingenuus auch für Freigelaffene 
gebraucht wirb?), weiß man boch noch, daß es in Wahrheit Frei⸗ 
geborne bebeutet®): ingenuus zuweilen — bonus, ingenua aut 
bona persona®). Leudes in Urkunden Karls (nicht auch fchon 
Pippins) find veraltet, auch a. 883 begegnen fie nochmal, aber wohl 
archaiſtiſch'). Pagenses®) bezeichnet manchmal nur bie Mark. 
genoffen (bie ja ftet auch Gaugenoſſen find): e8 fteht auch cives 
für beide‘). So fteht eine Markgenoſſenſchaft gemeinfreier Bauern 
neben fiscalifhen und kirchlichen Immunitäten 1%). Patriani in 
Chur 19) find bie fonft pagenses genannten Genoffen ter „patria‘‘12). 
Plebs ift Landgemeinde!) im Unterfchied vom Slofter14), bei ben 
Römern — populus: Ammian nennt fo bie Gemeinfreien, die 
(bei Straßburg) zu Fuß kämpfen 16). Plebs illa heißt auch die Gau- 
bevöfferung 1%). Plebs ift auch das Geſammtvolk, ohne verächtliche 
Nebenbeveutung 1). Populus — plebs bei Ammian 1%) bezeichnet 
die Sauleute der Könige Gundomab und Vadomar. 


1) Neug. 596 a. 890. 
2) F. Sang. misc. 9, 10, bie Königsboten rufen von überall her bie cives 
zu einem Gerichtstag, auch wohl die AlmäundeGenofien, f. oben ©. 97f. 


3) Coll. F. Sang. 13. 4) ©. unten ©. 178. 
5) Zeuss, W. 166. a. 837 (servas) ingenuas demittendas ... sint ingenuae 
famquam si ab ingenuis parentibus ... procreatae essent. 


6) L. R. Rh. C. XXIIL 4, 3. 

7) Bgl. Th. v. Sickel I. ©. 130, 203. 

8) ©. oben ©. 85. 

9) Bgl. Coll. F. Sang. 10. Sang. mise. 9 Wartmann II. 483. 

10) Bluutſchli, I. S. 61, 83, Grundeigen S. 92. 

11) L. R. R. C. OD. 1, 2 Cap. Rem. c. 3. 

12) ©. oben ©. 75. 

13) Neng. 570 a. 886 quid .. in illa plebe habere videbimur. 

14) Mohr J. N. 30. p. 47. a. 881. 

15) XVL 32. Bgl. Riefe, X. 16. 

16) L. S1. (84) p. 145. 

17) T. 1. (testes) qui boni testimonii sunt in plebe. Gregarius nur von 
miles = ignobilis Waitz VIII. ©. 488. (ſchon bei Alkuin). 

18) XVI. 12. 


166 


2) Rechtsſtellung. 

Sie ift gleich der der Gemeinfreien bei den andern Stämmen!?). 
Ihr Wergeld, das ber mediani?), bilvet die Regel, die Grundlage: 
pas des Adels, auch das ber Frauen ift eine Steigerung, das ber 
minofledi eine Herabminberung biefer Norm. 

Nur für die Freien gilt das Vollsrecht?). Gemeinfreiheit des 
Thäters und bes Verlegten wird in dem Syſtem bes Strafrechts 
vorausgejegt, Unfreiheit 4) ftetS beſonders behanbelt>). 

Selbſtverſtändlich legt der Heine Freie und der Mittlere felbft 
auch Hand an den Pflug, läßt nicht nur Unfreie wirthichaften®): ver 
Freie ſoll nicht am Sonntag Knechtsarbeit verrichten ?). 

Die zu Fuß kämpfenden Gemeinfreien meint Ammian im Gegen- 
fat zu ben reges und regales zu Roß unter ber plebs miserabilis 
peditum®). reigeborne (ingenui) können auch vom König nicht „ab- 
getreten” werden (concedi), nur ber von ihnen bisher dem Fiscus 
gezahlte Zins (tributum) ift fortab Sanct Gallen zu entrichten). 
Bon felbjtändigem Handeln der pagenses ift faft nie die Rebe: doch 
follen fie gegen Verbot vom Abt ausgeliehenes Gut dem Empfänger 
abnehmen und dem Klofter zur eignen Bewirthichaftung überweifen 19). 
Anderwärts wird die Sippe des Schenkers ermächtigt, mit Gewalt 
ben Beflg dem Klofter wieder zu verichaffen, ben Bilchof, Abt oter 
Praepofitus (gegen bie Urkunde) veräußert hat 11). 

Wohl nahm auch hier die Bevölkerung feit dem III. und zumal 
bem IV. Jahrhundert zu12\. Aber die Zahl ver Fleinen Gemein- 


1) Könige I. ©. 16, 60. III. &. 26. VI. ©. 157. VII. 1.©. 166. VII. 2. 
©. 74. 
2) S. unten Strafrecht, Wilda S. 571. 
3) Bol. Stälin (V.) I. ©. 354. Neugart N. 709 a. 921. 
4) L. 40f. 
5) 3. 8. L. 49 (50) p. 108. 
6) Wohin Stälin (V.) I. S. 231 neigt. 
7) Opera servilia T. 38. Ueber den Grunbbefig ber Gemeinfreien in Ala⸗ 
mannien von ISnama-Sternegg I. ©. 117. 
8) XVI. 12. 
9) Neugart 234 a. 828: fo, als ungenau ausgebrädt, find auch viele ähnliche 
Stellen zu erflären. 
10) Neugart 1. c. 31 a. 760. 
11) 1. c. 112. a. 790. 
12) Stälin (®.) I. ©. 273 oben ©. 36. 


167 


freien nahm wie im ganzen Tranlten- 1), auch im Weftgoten-Peich 2) 
ſtark ab>). Allein von Aufldfung bes Standes ver Gemeinfreien‘) 
barf man boch nicht fprechen: er hat auch in Alamannien bie Noth 
der Sahrhunderte bis heute Überbauert. Vogtei und fpäter Landes⸗ 
boheit hoben vie Semeinfreigeit nicht auf. Gar oft freilich wirb für 
Freie befürchtet, daß die Nachlommen bie Freiheit nicht werben be- 
haupten Tönnen®), daß ihre Kinder durch allerlei Liſt⸗Mittel zur Un- 
freiheit gezwungen werben ®). 


C. Die freien Abhängigen. 


Auch Hier?) find die rein perfünlichen und bie auf Landleihe be- 
ruhenden Abhängigleitsverhältniffe zu unterjcheiven, was freilich nicht 
immer, aber boch oft®) erkennbar ift; nur einzelne Namen, wie accolae, 
casati, weifen immer auf Landleihe, beneficiarii, auch — in fpäterer 
Zeit, feit etwa a. 740 — meiftens vassi, vassalli: bei andern 5. 2. 
senior, ministerialis fehlt e8 fogar an einer Vermuthung für ober 
gegen Landleihe, treten nicht andre Anhaltspunkte Hinzu. Auch laſſen 
gar manche Namen für fich allein nicht zwifchen Freien und Un- 
freien unterfcheiden: fo Vaſſus (ſ. unten). ‘Der Sprachgebrauch ift 
bier ſo ſchwankend und unbeftimmt wie bei ven Gliederungen bes Landes. 
(Oben S. 284f). 

Ein minister (Öottestegan) fcheint von den servi unter 
ſchieden zu werden und zumal auch ministerialis?), Minifterialen 
nennt das Geſetz nicht 10). Ein (einflußreicher) ministerialis ber 


1) Könige VID. 2. ©. 223. 

2) Könige V. ©. 214. VI. ©. 218. 

3) Ueber das Abbrödeln der Gemeinfreien Stälin (®.) I. ©. 351, aber bie 
wirtbfchaftliche Noth wirkte allgemeiner als bas Fallen in ben „ewigen“ (?) Kriegen; 
vgl. C. 1. 2. a. 829 (Ludwig). 

4) Weller ©. 62. 

5) Cod. Trad. Sang. 220. N. 374. Wartmaun II. 399 a. 846. oben ©. 159. 

6) W. U. I. 88. Neng. I. 216. a. 824. si filia nostra libera permaneat .. 
si autem aliquo ingenio in servitutem fuerit subjugata; Zumenbung an 
(Meine) Freie, „vorausgeſetzt, daß fie in ber Freiheit bleiben werben“. W. U. L 133. 
Reng. I. 396. a. 861. 

7) ®ie VII. 1. ©. 200f. VIIL 2. &. 151. 

5) Anders Waitz⸗Zeumer V. ©. 241. 

9) Neug. 451. a. 868. Her, die Rechtsverhältniſſe des freien Geſindes, 
Gierte VI. 

10) Irrig bringt Merkel de r. S. 48 ſchon für jene Zeit ben Ausbrud 
ministeriales mit bem >jus feudale« zuſammen (>»quicumque jure feudali 


168 


Krone fteht neben einem Grafen!). Der ministerialis eines Grafen 
hat Krongut, wohl als After-beneficium 2). Selbftverftänplich haben 
auch Bilchöfe und Aebte wie Könige und Grafen ministeriales. 
Dagegen ift ministerium — aud wohl servitium von Un- 
freien?). Aber auch ein Prieſter — alfo nothwendig frei — kann 
ministerialis bed Königs fein; er erhält ein bisheriges Kron⸗ 
beneficium auf Lebenszeit zu Eigen gefchentt*). Und fogar ein Bifchof 
(von Conftanz) kann bes Königs ministerialis heißen‘). In fpäterer 
Zeit erſt bat fich die Bedeutung von ministerialis geändert‘): mini- 
steriales waren nun ein unfreier Adel: — eine Art Selbftwiberipruch, 
ber fich aber dadurch löſt, daß fie faft alle Ritter wurben, das cingulum 
militare erwarben. Im der alten Zeit aber gab es neben einander 
freie und unfreie ministeriales”). 

Nicht felten find Urkunden mit ministeriales im neuen Sinn 
falih: fo eine von Karl dem Großen. Noch nicht das Hofrecht 
von Burchard von Worms a. 1023—1025 trennt die Minifterialen 
als ritterlich und vornehm von den übrigen Kirchenleuten. 

Bezeichnend ift für die Stellung ver Minifterialen: bie uneheliche 
Tochter eines Welfen wirb mit reicher Ausftattung an Land einem 


obnoxii«) |. das Richtige Könige VILL. 2. S. 194: man Tonnte Minifteriel fein, 
ohne beneficium zu haben, und beneficium haben und Baflall fein, ohne Mint- 
fterial zu fein ober zu heißen. 

1) W. U. I. 166. Neug. I. 583. a. 890. 

2) W. U. I. 174. Neug. I. 648. a. 904. 

3) Bgl. T. 8. servus regis und 33 feminae in ministerio ducis. 

4) Bet feinem Tod Heimfall an den Fiscus. Neug. 522. a. 881. 

5) Neug. 669. a. 909. Andere Ausdrücke für ſolche Dienenbe finb servientes 
W.U.B. 291. I. 374. Trad. Aug. 57, 99 jus et legem ministerialis digni- 
tatis, liberales in einer falſchen Urkunde für Straßburg Mon. Germ. Diplom. 186, 
angeblih von Dagobert II. 

6) Ueber die Wanbelungen der Bedeutungen von minister, ministerialis 
Waitz III. ©. 530. &. 144f. 387. Waitz-Zeumer V. ©. 322. ©. 486f. 508 umb 
die Literatur daſelbſt [zumal Zallinger 1878, 1887.) noch ganz im Allgemeinen 
jeder Dienftpflichtige. Neugart IL p. 552. Züricher U. B. N. 159; erft viel fpäter 
(c. a. 1050) = miles oder = minister in aula ober gegen beneficium. Effeharb 
p. 211 fpricht ſchon von ordo ministerialium; Begebung im biefe bevorzugte 
Schicht des Standes, in das optimum jus ministerialium, erft jetzt. 

7) Nach Schröder (auch noch 3. Aufl. S. 431) ift auf ben Streit über Freiheit 
ober Unfreiheit der Minifterialen „iu einem ernfthaften Buche nicht weiter ein- 
zugehn“: er kennt nur Unfrele: bies ift für bie fpätere Zeit richtig: aber Cap. 
Remedi a. c. 800, ſcheidet noch ausbrüdlich c. 3. freie und unfrele ministeriales. 


169 


Minifterialen des Haufes vermählt, dann deren unfrei geborne Tochter 
freigelaſſen ). Einmal bebeutet ministerialis einer Webtiffin deren 
Bogt?).. Aber nicht nur Kirchen, Klöfter und Weiber haben Vögte. 
Der Advocatus von Geiftlichen ift wohl meift der ihrer Kirche). 
Barum Männer (— volljährige Laien —) Vögte haben und was für 
welche, ift oft nicht ganz Hart), doch ift es ohne Zweifel meift ein 
Schutzvogt, vom König ober Herzog verliehen; es find Wögtlinge, 
homines advocatii, Pfleghafte, die deßhalb ber vogteilichen Genehmi- 
gung bei Vergabungen bedürfen, welche übrigens ben Fortbeſtand ber 
Vogtei nicht berühren). 

In veinperfönlichen Schuß fich begeben heißt oft (nicht ftets) se 
commendare: auch von dem bem fiduciarius Überwiefenen vömifchen 
emancipatus®). Die germanifche commendatio’) ift an ben König 
oder einen andern patronus auch häufig und wirkſam: fie hebt bie 
patria potestas wie bie Verheirathung auf®). 

Syncellites find Genofjen, Gefolgen: fo bie Mönche eines Abtes, 
aber befonvers auch bewaffnete Begleiter — satellites 9). 

Abhängigkeit und faft immer Zins und Frohn-Pflicht begründet 
auch bei Freien Siedelung auf fremder Scholle. Auf Einem Grund- 
befig wohnen zwei Unfreie, zwei Sreie; auch deren Zins (und Frohn?) 
beißt servitium, aber fie fönnen nach dem Tod des Gutsherrn abziehn 19). 
Daher beweifen auch die Zins. und Frohn- Pflicht bezeichnenven Namen 
an fih gar nichts für Freiheit over Unfreiheit.1). Mit ven Grunpftüden 


1) Hist. Welf. Weingart c. 5. Ueber famulus, familiaris, ſpäter — 
ministerialis, Waig-Zeumer V. ©. 490. 

2) Reug. 604. a. 893. 

3) Aber ber Bogt bes Priefters Cozbert Neug. 555 a. 885 fcheint nicht ber 
Kiofternogt von Sanct Ballen. W. U. I. 159. 

4) 3. B. Reugart 232. a. 827. una cum manu advocati mei Hiltipoldi, 
Rachilta 232. a. 827, ein Weib, bebingt fih Wohnung, Nahrung, Kleidung wie 
ein Mönch. — Der Bogt eines Priefters 247. a. 831. 258. a. 834. Mann, Weib 
und Sohn haben einen Vogt 262 a. 834. Vater, Tochter, Enkel, Cod. Trad. 
Bang. 305, 524. Wartmaun II. 537. a. 868. 

5) Neug. 476. a. 874. 6) L. R. XXI. 6. 

7) Könige VII. 2. ©. 171. 8) lc. XXIII. 6, 7. 

9) F. Aug. C. 21. Könige VII. 3. &.497, fo bier auch Zeumer, Form. 
Mari I. 20 in ähnlicher, aber anbrer VBebeutung (Kriegslente). 

10) W. U. 9. a. 764 si vult ammanire = manere. Trad. Sang. 16. 

11) ©. die Schenkungen und Beftätigungen für Lorſch und Bleidenſtadt bei 
Sauer, naſſauiſches Urkundenbuch I. a. 770f. N. 3—36—84, falf iſt N. 1 bie 
Betätigung Dagobert I. von a. 633 für das Klofter zu Trier. 


170 


werben faft immer bie darauf figenven, oft höchft zahlreichen, oft ganz 
wenigen (auch nur Einer) Unfreien (ſ. unten ©. 171) verfchentt !), das 
find häufig bie accolae, die commanentes?). Freie accolae werden 
aber auch neben unfreien servi, ancillae (= mancipia, tautologifch) ge 
nannt?) Die neben mancipia verjchentten accolae find entweder felbft 
unfrei, ober e8 handelt ſich nur um Abtretung ihrer Zinfe und Frohn⸗ 
ben®). Die Zugehörigkeit zum Herrenhof wird auch mit subter aus⸗ 
gebrüdt: ager subter salam. 5) 

Casati find alle in einer casa des Herrn Behauſten“, nicht 
bloß Baffallen ®), 7). 

Zinsleute find auch bie censuarii — tributales, ohne Unter» 
ſchied von Unfreien und Freien®). Censuales find auch die Wachs⸗ 
jinfigen, cerae censuales; werben jene von biefen unterichieben, 
zinfen fie eben Anperes%). Gleichbedeutend ftehen censarii unb 
mansionarii 10). Aehnlich familia tam libera quam servilis 11) 
(XII. Jahrhundert); familia monasterii find meift nicht die Mönche, 
jondern die abhängigen Laien, Zinsleute und vergleichen! Im 


1) S. unten Unfree. 

2) Zeuß, W. N. 39 und oft. 3) Lo. 40, 41. 

4) W. U. 7. Neug. 40. a. 762. Trad. Sang. 10, 15. freie accolae in 
ecclesiae praediis manentes, homines accolae Wait,Zeumer V. ©. 219; vgl 
Weller, Anfiebel. S. 64. 

5) Test. Tellonis p. 13. 

6) Zeuß, W. 52, 741. 

7) Wie Waitz V. ©. 135; fpäter vielleicht Überwiegend, aber nicht aus⸗ 
ſchließlich Vaſſallen. 

8) Coll. T. Sang. 35, 36. Privatrechtlich dopfzinfige find capitales censuales 
W. U. I. 188. p. 219. Weber freie und unfreie censuales und tributarii Wat 
Zeumer V. ©. 234. ©. 238: prima familia ministerialis. Cenſualen reifen 
auch wohl als Kaufleute weit unb lang aus ber Helmath. Waitz⸗Zeumer V. ©. 259. 

9) Walt IV. ©. 341. Waitz-Zeumer V. ©. 294 will in cerearii bie per- 
föutich Zinspflichtigen finden: aber oft figen bie cerearii auf Kirchenland. 

10) Reug. I. ©. 527 vel freilich oft = et. Weber alte und neue clientes 
(letztere = ministeriales) Vai Benmer V. ©. 496. Lieber freie und uunfreie 
coloni und beren Gegenfat zu ben servi und Leten WaiteJeumer V. ©. 218 
und unten „Wirtbfchaft”. Ueber gasindus Graff, VI. ©. 231. Waiy IL ©. 175. 
J. Grimm, R.A. ©. 440. Lexer L ©. 914. Könige VII. 1. ©. 209. Nur 
fpätere Zeiten behandelt Her, bie Hechteverhältnifie bes freien Gefinbes im 
Gierkes Unterfuch. VI. 1879. Weber bie vielen und wechſelnden Bebeutungen von 
homines Könige VII. 1. &. 188. VIII. 2. ©. 169. Waitz Zeumer V. &. 503. 

11) Waitz⸗Zeumer V. S. 205. 

12) F. Aug. B. 37. de ipsa familia ecclesiastica 7 Zaicorum. 





171 


Churrbätien ſchulden die quartani dem Fiscus Schafweite, Fallkenpflege, 
procuratio bannita (d. 5. vom König befohlne), Brüdenzoll und 
»hostisana« : d. h. doch eher Heeresfteuer 1) als hospitium2). Hier 
zahlen bie Stiftsleute an das Stift Beiträge zu deſſen Leiftungen an 
den Fiscug®), census regius. Die tributarii ober beneficiarii ver 
familia eines Kloſters find nicht unfrei und dürfen auch nicht vom 
Klofter einem Dritten als unfreie gegeben werben‘). Tributarii beißen 
alle (einem Klofter vertragsmäßig, nicht dem Stat gelebmäßig) Zins- 
pflichtigen, Freie und Halbfreie, auch wohl Unfreied). Tributarius 
beißt aber auch der Freie, der das tributum, die Grundſteuer, entrichtet ®). 
Bei den tributarii haftet der Kronzins als Neallaft an tem Gut, fo 
daß bei Veräußerung des Gutes ber Erwerber nothwendig bie Zins. 
pfliht übernimmt”). Selbftverftänplich kann aber auch der König jein 
Recht auf diefen Zins Andern verlaufen oder, 3. B. Sanct Gallen, 
ihenten®). Alsvann bleibt aber ver Pflichtige Loch Unterthan tes 
Königs, wird nicht aus dieſem Zuſammenhang gelöft, fo daß das Kloſter 
zwiichen ihn und ben Stat träte) ; nur etwa Schußpflicht und Ge- 
rihtsbarfeit geht auf das Klofter über, aber nicht 3. B. Heerbann- 
reht. Ein dem König von einer Hufe Zins ſchuldender tributarius 
Inn fie nur mit Böniglicher Zuftimmung einem Klofter übertragen 10), 
ſchon weil vermöge der Immunität bes Klofters11) das tributum erlofch12). 

Zu ben tributarii, censuales, zählen auch bie kilstriones (I. gil- 
striones): fie find und heißen zinspflichtige: cum tributis suis taufcht fie 
ein Klofter von einem andern ein, fo aß fie fortab die bisherigen tributa 


1) Hostis = exercitus Könige VIII. 3. ©. 213. 

2) Wie Waitz VIIL ©. 391. Anders Plants, Rhätien ©. 416. 

3) S. Planta, Rhätien S. 528. 

4) Züricher Urk.Buch 143. N. 259. 

5) Neng. 604. a. 893 nicht Unfreie, aber tributaria fteht auch für tributa 
Streit, ob eine Frau tributaria. Züricher U.-8. I. 159. p. 70. Aruulf. 

6) Cod. St. Gall. R. 312. a. 828. 

7) Trad. Sangall. N. 328. p. 303 von a. 829 tributarius Gisalmar unam 
hobam .. ad eoenobium .. contradidit... nomine sed cum partibus regis 
ipsum tributum exigerentur. 

8) ©. unten Finanz, Grundſtener. 

9) Wie Wait IL. 6. ©. 258 annimmt. 

10) Reugart 225. a. 826. 
11) Könige VIII. 6. ©. 168, 187. 

12) Die (mansionarii, tributarii, magister tributariorum), diarii Ww.U8 
a. 764 gehören, wie bie gefäljchte Urkunde, dem XII. Jahrhundert an. 


172 


und servitia bem neuen Herren leiften!). Sie find nicht?) ven Ala- 
mannen eigenthbümlich, wo fie auch nur zweimal (a. 856 und 857) 
begeguen®): das Wort ift gemein germanifch*), fie leiften >servitia« 
und »tributa« 5), müfjen aber nicht unfrei fein. Die gilstriones 
(nostri), Gundwin und Liudo, veräußern 5 Joch an einen Priefter. 

Die wichtigfte und zumal die vornehmfte Rolle unter viefen Ab⸗ 
hängigfeitsverhältniffen fpielen auch bier wie im ganzen Frantenreich®) 
Beneficium und Bafjallität, zumal feit c. a. 7407), da bie beiben 
bis dahin ohne rechtliche Verbindung neben einander bergehenven 
Linien zuerſt thatſächlich, dann rechtsnothwendig in Eins zufammen- 
fielen. Bielbeveutig ift ber Ausdruck Senior: vor Allem bezeichnet 
er den Oberen bes Vaſſus und ven Verleiher eines Beneficiums: — 
aber keineswegs nur dieſe beiten®). 

Durh Annahme von Brecarium ober Beneficium wurbe bie 
perfönliche Freiheit nicht gemindert). Allein unerachtet forgfältiger 
Wahrung ver perfönlichen Vollfreibeit des Precariften drohte ihm doch 
bie Gefahr, allmälig zum Halbfreien oder gar zum Unfreien ber Kirche 
berabzufinten 19). 

Die fogenannte precaria remuneratoria feßt ſtets eine precaria 
oblata voraus, d. h. der Schenter erhält von dem Beſchenkten außer 
bem Gefchentten ebenfoviel oder noch mehr zurüd1i). Ein begrifflicher 
Unterfchied zwiſchen Beneficium und Weberlafjung von Grundftüden 


1) W. U. I. 127. a. 857. Du Cange IV. p. 99. 93. Grimm, RU 4, 
Reug. I. p. 294, 495, 528, irrig Du Cange = gillonarii L. Visig. II. 4, 4. 
(buticularii). 

2) Wie Stälin (8.) I. S. 354 annimmt. 

3) Neugart N. 364. a. 850. Dümge Reg. Bad. p. 71. 

4) Got. gilstr., alth. Kelstar, von gildus gelten, d. h. aablen, auch angel⸗ 
ſächſiſch ſ. Grimm, RA. ©. 495, 528. 

5) Dümge l. c. 

6) Könige VIL 1. ©. 211. VIII 2. ©. 87, 151. 

7) Beneficien-&mpfänger heißen vassi ſchon a. 728. Pard. II. p. 357. a. 757. 
Trad. Sangall. 21. Ueber bie allınälige Berbrängung von Vaſſus durch Baſſallus 
im XI. Sahrhundert Waitz Seeliger V. ©. 521 (leudes verfchwinbet ſ. oben) über 
satelles, cliens, fideles, homo oben S. 167 und Waitz a. a. O. 

8) Ueber den dominus vel senior in der L. R. Rh. Cur. IX. 30, 2 ſ. auch 
Dfenbrüggen, langob. Strafreht ©. 49. 

9, VIII. 2. ©. 151. v. Schwind ©. 2, 

10) Könige VIII. 2. ©. 217. 
11) von Schwind ©. 2, f. unten „Zuſtände“. 





173 


gegen Zins an Unfreie und Liten befteht nicht!); auch an Unfreie 
werben beneficia verliehen und auch Freie zahlen vor beneficia Zins). 
Die römifchen honorati werben zeitgemäß umgeftaltet, fo daß 3. D. 
auch Kronvaſſen darunter fallen mögen?). Die römiſchen seniores 
eivitatis find die „Angefehnften", „Erſten“ Bürger ber Stabt, fein 
Nechtsbegriff: fteht dabei „und die andern Richter“, fo folgt aus 
biefem ſchiefen Latein nicht, daß jene auch Richter fein müffen?). Den 
seniores civitatis*) und den primates civitatis (neben bem defensor 
cum suo officio) entſprechen die rectores loci5). Die ftärffte Wür⸗ 
digung des Seniorats würde liegen in ber Vorfchrift®), daß der Richter 
vor ber Verurtheilung den Senior bes Schulbigen benachrichtige. Allein 
zweifello8 ?) fteht hier senior — princeps — rex: denn bie Vorlage 
nennt ben Kaiſer oder den germanifchen Herrjcher: rerum domini 
wird in jenen römiſchen Quellen des V. und VI. Jahrhunderts 3. 2. 
bei Burgunden, Weftgoten gern und um ber Unbeftimmtheit willen für 
einen folchen gebraucht: und daß senior für fich allein im VIII. Jahr⸗ 
hundert Schon den Frankenkönig bebeutet, ward gezeigt®). Senior wird 
fo allgemein für jeden Webergeorbneten gebraucht, daß auch ter fidu- 
ciarius bei ber römijchen emancipatio fo heißt, dem freilich ber 
Emancipatus als commendirt gilt®). 

Vaſſus bebeutet hier — in der Lex — zunächſt noch jeden uns» 
freien Hauspiener 1%). Aber fchon fett die Lex 11) dingpflichtige, alfo 


1) Anders fcheint es, von Schwind ©. 3. Bel. VII. 5. ©. 78. 

2) L.R.Rh.C. I. 7. de qualemeumque actum, fehlt in ber Vorlage: bier 
nur bonorati provineiarum id est ex curiae corpore aut dignitatem per 
prineipem honoratus. 

3) L. R. Rh. C. II. 17, 2. 

4) 1. o. 19, 4. 

5) u. 6) L. R. X. 30, 2. 

7) &. oben princeps ©. 143. 

8) VIII 6. S. 268. der dominus ber Lex weift auf ben Herrn bes Unfreien. 
Die Borlage lautet: si quando aliquae majores personae aut alicuius dignitatis 
viri vocantur in crimen, judex ad rerum dominos referat, ut de hujusmodi 
personis quid fieri debeat dominorum praeceptio justa constituat: alfo ge. 
freiter Gerichtſtand der Vornehmen vor dem Kaiſer oder germanifchen König, wie 
Könige VIII. A. ©. 34, 43. 

9) L. R. XXII. 6. Sogar senior de testamento fagt bie Lex R. XXVI. 4, 1 
im Siume von heres ex testamento. 

10) L. A. 74, 81,3 si.. dominus. . duodeoim vassos infra domum habet., 

11) 36, 3. &benfo Capit. Remedii c. 3. vassus (dominicus) ingenuus. 
(vel) servus. 


174 


freie Vaffen, voraus. Ein Bogt Wolfhart bat einen Freigebornen 
zum Vaſſallen). Freie und Unfreie erjcheinen nebeneinander als 
Vaſſallen des Bifchofs?). Während fonft ein höheres Wergeld ber 
Baffallen nicht bezeugt ift, hat hier?) ver vassallus servus ein Wer⸗ 
geld von 60 sol. wie der ingenuus de patrianos, ber einfache 
servus von 30 sol., ber vassallus de casa eine ministerio aut 
junior in ministerio von 90 sol., der unfreie wie freie Träger 
höherer ministeria von 120 sol. Unrichtig behauptet mant), das 
merovingifche Neichsrecht zeichne nur Antruftionen aus, nicht Vaſſen >). 
Auch eine Frau kann beneficia erhalten‘). In großen Reichthums⸗ 
verhältniffen wird auch der Vaſſallen des Schenkers gebacht: fo ſollen 
bie Adalharts, wohl eines Verſchwägerten Ludwigs I.7), nach des 
Schenkers Tod Iebenslänglich deſſen Wittwe Swanaburg bienen und 
nach deren Tod, falls fie wollen, dem Abt von Sanct Gallen; falle 
fie nicht wollen, zieht ver Abt die beneficia zu beliebiger Verwendung 
eind). Für die Kronvafjallen gelten theils die allgemeinen Grund⸗ 
füge der Vafjallität, theils beſondere burch die Nechtsftellung dieſes 
Seniors bebingte. Leudes, felten?) in diefen Quellen, find (vorab) 
bie Kriegemannen wie bes Kaifers fo des Kronvaffallen 1%). Auch der 
König kann einem Getreuen nur mit beffen Einwilligung ein beneficium 
nehmen, es einem Slofter zu ſchenken. So das Tehenslängliche 
beneficium eines Grafen!!. So ſchenkt Karl III. Sanct Gallen 
das bisherige beneficium eines Baffallen — unter deſſen Zuftimmung — 
als Eigen!2). Ein heimgefallnes Kronbenefictum dagegen wirb 
vom König ohne Weiteres gegen Kloftergüter vertaufcht 12). Vertauſcht 


1) Neugart 317. a. 847. 

2) Capitula Remedii c. 3. 

3) Cap. Rem. c. 3. 

4) v. Daniels ©. 244. 

5) ®gl. VII. ı. VI. 2, 

6) W. U.I. 110. a. 844 durch repraestatio. 
7) Neugart 305. a. 843. 

8) 1. c. 

9) Oben ©. 165. 

10) 3. 8. F. Aug. 21. 

11) Neug. 654. a. 905 fagt fogar consentiente et perdonate (l. perdonante), 
freilich war e8 ber mächtige Markgraf Burfharb Lubwigs II. 

12) W. U. I. Nachträge D. p. 410. a. 856. Kronbeneflcien anf Lebenszeit bes 
Empfängers W. U.I 115: in Einem Sat bebeutet beneficium Lehen und Wohl- 
that a. 848. 

13) Neug. 562. a. 8885. 


175 


andrerjeits ein Königsvaſſall feine Kronlehen, bebarf er ſelbſtverſtändlich 
ver Verftattung des Königet,. Der Tauſch des Beneficiums eines 
Kronvafjallen mit Klofter Fulda wird von einem zweiten nach Auftrag 
bes Kaifers unter Zuziehung Ortskunbiger geprüft, dann auf deſſen 
Antrag vom Kaifer beftätigt?). 

An Kronvaffallen wird nicht nur beneficium, taneben auch 
erblih Eigen an Krongut vergabt?). Der Lehensherr*) ſchenkt auch 
wohl dem bisherigen Beneficiar das beneficium zu Eigen.) Königs- 
gut wird auch dem Baffallen eines Grafen zu Eigen gejchentt®). 
Rührend ift die Freue, mit der ein Vaffall fromme Stiftungen macht, 
nit nur für fein und ber Seinen, auch für bes Herrichers Seelen- 
heil). Ein Abhängiger bittet ven senior, ihn zum Dienft heran- 

äuzieben, bamit er ihm nicht ganz entfrembet werte®). 

Der Bericht ver historia Welforum (des früher fogenannten 
Anonymus Weingartensis), von dem alten Welfen Eticho, ber fich 
über die Lehenannahme feines Sohnes Heinrich von dem Kaifer ber- 
maßen grämt, daß er ber Welt entjagt und mit 12 Genoſſen in bie 
Bergwilpniß des Ammergaus in Baiern fich zurüchieht, feinen Sohn 
nie wieber zu ſehen, ift wohl gefchichtlich nicht zu verwerthen; fpät 
entitanden und fagenhaft gefärbt, trägt er fremde Anfchauungen in 
bie Vorzeit hinauf). Von diefer wie der folgenden Zeit gilt: nirgends 
eriheint das Stantesrecht durch bie Pflichten der Vaſſallität beſchränkt 
oder gemindert 1). 


1) W.U.L 113, a. 846. 

2) Neug. 482. a. 875. 

3) W. U.I. 101. a. 839. 

4) Neug. 583. a. 889. W.U.I. 166. 

' 5) König Arnulf. Cod. Trad. Bang. 385. N. 665. Böhmer-Mühlhacher 
1085. a. 891. 

6) Neug. 588. a. 889 in perhennem [sic] proprietatem. 

7) W.U.I 136. a. 406. a. 861. 

8) Coll. F. Sang. add. 6. über „Ipithun“ daſelbſt ſ. Zeumer. 

9) Weber die Duelle vgl. Wattenbach II. S. 338. Potthaſt I. S. 796. p. 617. 
Berfaffer [?] Abt Werner geft. 1188 ed. Weiland Monumenta Welforum (Ser. 
zer. Germ. in usum scholarum 1869). 

10) WaitzZeumer V. ©. 451. 


176 


D. Die Halbfreien. 
a) Die Leten.i) 

Mit Unrecht hält man?) vie Leten für Freigelaffene — dem Ur- 
ſprung nah —: freilich werben fie oft biefen gleichgeftellt). Schon 
bie Sprachet) ſcheidet fie von ben Freigelaffenen. Freigelaſſene gab 
es in allen Theilen des Franlenreichs, fo hätte e8 auch überall Leten 
geben müflen: dad war aber durchaus nicht ber Fall®). 

Wie bei Franken‘), Angelſachſen, Sachfen, Frifen, begegnen fie 
auch bei Alamannen”); es ift alfo nicht notbwendig, fie erft durch bie 
Franken bier eingeführt anzunehmen). Schon von den Römern werben 
»Suebi« auch als Leten, Häufig angefiedelt und im Kriegspienft ver- 
wenbet®), zur Zeit des Honorius bezeugt 1). Manti) Täßt die Leten 
erft nach dem Tode des Probus angefievelt werten [?] und betont 12) 
bie Waffenpflicht der Leten, aber dieſe trifft noch mehr bie foederati13), 
Leten find fowohl Alamannen als andere Germanen und — fpäter — 


1) von Wietersheim- Dahn I. S. 318-324. D. G. I a, ©. 209, 522, 568. 
11. ©. 450f. Könige VII. 1 ©. 250. VOII. 2 ©. 212. Stälin (8.) I. ©. 159. 
Albrecht p. 17. 

2) Wilda ©. 667. 

3) L. Al. 95 aduit. 18, 27. 

4) 3. Grimm R.-W.4 I ©. 428. „minbere, Geringere“. 

5) v. Wietersheim⸗Dahn I. S. a. a. O. Buſch II. ©. 10 fieht in den Leten bie 
von Chlodovech befiegten Alamaunen: aber dieſe blieben vollfret, wurben nur 
ſchatzungspflichtig. 

6) 2a. 

7) Pactus DI. 27, 48, 51, 53. bier von Freigelaſſenen — ingenua, dann 
leta, danu ancilla. Lehmann 95 (p. 153) 2, 92, 2 lida neben lisa. 

8) Diefe Meinung Gaupps Anfiht S. 176. Thäringe ©. 147 bat Waitz I. 
S. 154 früher getheilt, fpäter aber aufgegeben, vgl. Boos bie Liten und Aldionen 
nach ben Volksrechten 1874. Lehmann N. A. X. ©. 471. 

9) Notitia dignit. ed. Böding p. 104 praefecti letorum gentilium Bue- 
vorum (zweimal) in ber Auvergne vgl. Meiken I. ©. 532. 

10) Cod. Theodos. VII. 20 c. 12 Arcadii et Honorii; fränfifche bei Trier 
Eumen. panegyr. Oonstantio dietus c. 20. Ueber die Aufnahme von Barbaren 
als Leti ober Coloni Meiten I. S.364. 399, wo er aber trrig fie ale „Ueber 
mächtige” Land und „Anfigung” ertroßen Täßt. 

11) Meiten I. &. 399. 

12) I. ©. 330. 

13) v. Wietersheim Dahn I. ©. 312. 389. 











177 


Romanen!). Daß vie fuebifchen Leten unter Präfecten in Gallien 
Aamannen waren), ift möglich, aber unficher. 

Wenig eingehend behandelt fie das Gefeg?): perjönlich frei, aber 
mit Zins und Frohn befchwertt), fiten fie auf fremder Scholle: ihr 
Schutz⸗ Herr bezieht ihr Wergeld und ihre Bußgelber: fie haben weber 
Ding- Recht noch Waffen: Recht (und »-Pflicht). Aber fie find nicht un- 
frei: nur ungenaue Rede zählt fie zu ten servi, genaue fcheibet fie 
wie von den Vollfreien, fo von ven Knechten®) und von ben (fpäteren) 
Minifterialen. 

Bei den Alamannen beißt ver Lete — als Freier und ale Mann — 
auch baro®). Selbftverftändlich heißt aber auch ven Alamannen wie 
gemein-germaniich ber Mann überhaupt baro’). , Der letus verhält 
fih zum servus bei Verwundung wie 4 zu 38). Biel feltner als 
Unfreie werden Leten — aber doch auch — als AZubehörten von 
Grundſtücken 9) genannt. Der letus wird vielfach dem Freigelaffnen 
gleich, feltiamerweife aber dem Unfreien nach geftellt; auch er kann wie 
biefer „freigelaffen“, d. b. dem &emeinfreien gewiffermaßen (nicht in 
allen Stüden 3. B. bei Leichenberaubung) gleichgeftellt werden 10). Die 
Freilaſſung eines Leten erfolgt in ver Kirche!1) oter vor verfammeltem 


Heere 12). 


Auch Kronknechte und Leten find durchaus nicht daſſelbe 18): Kron⸗ 


knechte find unfrei, Leten halbfrei, und nicht nur die Krone hatte Leten. 


1) Zu eng dod Stälin (S.) S. 71 „Germanen, welche vom römifchen State 


| gegen Verpflichtung zu Kriegsbienften Land empfingen“: es giebt Leten außerhalb 
| des römifchen Reichs und nach feinem Untergang und Leten ohne Lriegsbpflicht 


2) Wie Cramer S. 58. 

3) L. al. T. 95. c. add. 27. 

4, Ueber Kopfzins und Ehebeſchränkungen der „Hörigen” Heusler I. S. 136, 
5) Könige VII. 1. 250. VIII 2. 212. Waitz Zeumer V. ©. 223. 

6) L. Alam. 98, 4 baro . . dagegen servus lesa (= letaP): dagegen an- 


| eilla; erft Tarolingifch (744) Urkunde bei Neugart I. 19 mancipios . . dagegen 


persones ; vgl. v. Maurer, Fronhöfe J. S. 18. Sinb das bie homines (= barones?) 
der Trad. Sangall. N. 7? 
7) L. Alam. pactus I. 33. 37. ©. oben ©. 164. 
8) P. II. 27. 28. 
9) W. U. 18. Neng. I. 67 a. 777. W. U. 1. c. servi, leti, liberti. 
10) P. II. 45. 46. L. 49. 
11) Könige VII. 1. 257. VIII. 2. 207. S. VII. 4. ©. 175. 
12) P. II. 45 in ecclesia aut in heris generationis dimissus, 
13) Wie Dierkel der. p. 37. Grundlos find die Ausführungen Merkels p. 9 
über Die Umwandlung der Abgaben der Leten (an ben König). Unbegründet auch 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 12 


178 


„Hörige” in ben Städten!) mögen bie und ba aus früheren bäuer- 
lichen Leten hervorgegangen fein: noch a. 997 liegen Hufen von Leten 
in Diebenbofen?). 


b) Die Eolonen?). 


Schon in biefer Zeit wurten bie zu einem Gut gehörigen Halb- 
freien — verjchiebener Art — und bie Unfreien mit den von ihnen zu ent- 
richtenden Zinfen und zu leiftenben Arbeiten, 3. B. Handwerk⸗Arten 
aufgezählt‘). Werben wieverhoft®) ftatt coloni calonicae (sic), colo- 
nicae als verjchenft genannt, fo ift wohl nor Allem an mit verfchenfte 
terrae colonicae gedacht. Colonici find Colonen, die (mit ihren 
Grundſtücken coloniae, colonicae terrae) verfchenkt werben‘). Neben 
ben verbliebenen römifchen coloni gab e8 andere frei ober halbfrei auf 
fremter Scholle Sitenbe: es find Die accolae manentes, commanentes 
der Urkunven ”): lantsil, [sic für sidil], lantsazo bezeichnet ſolche Hinter- 
faffen. Später hat dann bie nach römischen Necht lebende Kirche und 
auch ber Fiscus biefe römifche Form nachgebilvet, die aber zuletzt von 
den antern Arten ver perjönlichen und ver auf Landleihe beruhenven 


— — — — — — 


Alles, was er de r. p. 9 aufſtellt über Herabdrückung ber Leten und Frei⸗ 
gelafjenen durch die Franken zu einer Art von Unfreien (»servilis conditio«'; 
über andere Wirkungen bes geänderten Munzſyſtems, wonach jeder gemeinfreie 
Franke dem Abel ber Alamannen gleichgeftellt worben fei, über bie kirchlich Frei- 
gelajienen und die Leten u. |. w. Der Irrthum ber mehreren Aufzeichnungen ber 
Lex hat all diefe Irrthümer herbeigeführt; Die barones de minofledis müſſen bei 
ihm die Leten fein. S. 9. Ganz verkehrt find fahlich (und ſprachlich: "hier aus 
dem Keltifchen -nach Leo (Malb. Gl. I. 42) und Mone) (Urgeich. II. ©. 250) lith 
= halb, halabing! litus = halb Bauer] die Erflärungen Merkels S. 5, 29 über 
die Leten; aber aud Jakob Grimms wechjelnde Deutungen, Grammatik II. ©. 75. 
Geſch. d. D. Spr. II. ©. 773, befriedigen wenig: vgl. v. Wietersheim⸗Dahn I. 
S. 318, 322f., 434, 587. II. 106. I. 456. Zunahme II. S. 124 0.0.0. D. ©. 
I. a. ©. 209—213. vgl. Schmeller, W. B. ©. 15, 47 zornig, träge, ähnlich 
3. Grimm RA.t S. 311, 379, 424. 

1) Sothein ©. 140f. 

2) Mittelrhein. Urkundenbuch I. 274. 

3) Könige VI. ©. 171. VII. 1. ©. 253. VII. 2. ©. 204 f. 

4) Noch häufiger und genauer in der nächften Periode: Iehrreich die Orünbung 
von Klofter Petershaufen a. 983 bei Konflanz durch Gebharb II. Waitz-Zeumer 
V. ©. 213. 

5) Neugart 182 a. 815, W. U. I 17. 

6) Neugart 1. c. c. 66 a. 776. 

7) Oben ©. 167. 


179 


Arten der Abhängigkeit!) verdrängt wurde. Die coloni heißen auch 
originarii2). Ungenau werben fie auch servi genannt, obwohl fie 
ohne Zweifel dem Begriffe nach perfönlich frei waren?). Thatſächlich 
freilich unterſchieden fie fich faft nicht mehr von den Unfreien. Colonen 
erhalten wie Unfreie außer ihrer Scholle Häufig ein peculium: fie 
värfen von Beidem ohne Zuftimmung des Herrn nichts veräußern‘); 
wer wiffentfich fremden Colonen in fein Haus aufnimmt, bat ihn 
nebft dem von ihm in ber Zwifchenzeit geleifteten Zins5) dem Herrn 
wrödzuftellen, „und ter Golone, ber nicht fein wollte, als was er 
geboren, wird in Unfreibeit geftoßen”, alſo in tiefere Stellung. So 
ift wohl das in servitium redigatur bier zu verftehn, bie Rück— 
gabe ift bereit8 vorher ausgefprochen®). ‘Die ganze familia colo- 
naria flüchtet wohl zu einem andern Herrn”), dies ftebt einem Sach: 
verluft (de facultate) völlig gleich. Wer aber einen Colonen feinem 
dern abfpänftig macht, ihn zu fich Iodt®), zahlt für einen Fiscalifchen 
em Pfund Gold, für den eines Privaten ein halbes. Der Colone 
entrichtet von ber ihm überlafinen terra einen Zins, der mercedes 
oder tributum heißt?,. Der Herr fann vor Verjährung feiner Klage 
in 30 Jahren (bei der colona 20) ven Flüchtling, deſſen Rinder 
— denn ber Stand ift erblid — umd die Zinſe der Zwifchenzeit von 
dem Aufnehmer heraus verlangen. Nach Ablauf jener Friften kann 
von dem Aufnehmer nichts verlangt werben; gebiert bie colona vor 


1) VIL 1. ©. 207, 212. VII. 2. ©. 87, 151. 

2 L.R. XVIII. 11. 

3) Könige a. a. DO. Ueber die römifchen coloni und possessores Kuhn 
1. &. 257. Ueber Auflommen und Vorzug der coloni gegenliber den römtfchen 
Unfreien, Metgen 1. S. 301; über die coloni, die cives Romani find, Mommfen, 
dermes XV. S. 390. Ueber den Einfluß tes römiſchen Colonats auf die bänerliche 
Erbfeihe von Schwind ©. 2. Weber ben Unterfchien von (alten) Coloni und 
neueren) Leti Meitzen I. S. 365, ber aber unridtig leti (liti) und laeti „Er- 
Rente”) trennt, f. von Wietersheim⸗Dahn a. a. O.; über die wachfende Ver⸗ 
ſchlimmerung ber Lage ber Coloni ©. 364; über bie mit Reicheland beliehenen 
Beneficiati S. 366, Mommfen, das römiſche Militärweſen feit Diokletian, 
Sem XXIV. ©. 233. 

) L. R. V. 11. 

5) Borlage: tributa, Lex mercedes. 

6) l.c. 9. 

7) L. R. IV. 20. 

8) Borlage: sollieitaverit. L. samardecaverit, V. 9, 2 von smarrire, 
. Dig I. p. 205. 

91 c. und 10. - 

12* 


180 


Ablauf von 20 Iahren Kinder von einem Colonen des Aufnehmers, 
fällt ?/, verfelben mit der Mutter dem früheren Heren zu, ?/,; dem 
Aufnehmer!). Doch foll auch Hier behufs Zufammenhaltung ver Ehe 
ftatt der colona eine Erjagcolona und ftatt ber Kinder beren Werth 
gegeben werben. Hat die colona einen Freien geheirathet, gehört vie 
ganze Geburt dieſem oder deſſen patronus?); bie ancilla wird ber 
colona gleich over ähnlich, beiden ver ingenuus, obzwar alieni juris, 
entgegengeftelit?). 

Die Zurüdforderung des Colonen durch den Herrn wird fogar 
vindicatio genannt, obzwar uneigentlih, da jener nicht Sache, nicht 
Unfreier ift: fie verjährt in 30 Jahren, bie der Flüchtling unbe- 
unrubigt*) bei einem Andern gemeilt: weilte er bei breien je zehn 
Sabre, bat er dem letzten Schugheren zu verbleiben, andernfalls bei 
dem, ber ihn länger al8 die andern hatte. Aber die Kinder ves 
flüchtigen Colonus in 30, ter colona in 20 Jahren nimmt ter ver- 
laſſne Schußsherr als Colonen in Anſpruch. 

Bei Ehen zwiichen Freien (collegiati) und Coloninen oder un« 
freien Mägden folgt das Kind der ärgern Hands). Colonen dürfen 
jo wenig wie Unfreie zu tabularii une andern Statsbeamten be- 
jtellt werben bei Strafe der Einziehung für den Fiscus‘. Sie 
kommen am Häufigften, aber nicht allein auf Kron- und Kirchen- 
Gütern vor”): diefe haben das Wergelb des minofledus und beide nehmen 
vielfach günftigere Stellung ein al® bie der Privaten: fogar an Ueber- 
hebung über tie Heinen Gemeinfreien fehlt e8 nicht. Schon Eonftantin 
muß die Richter mahnen, auch tie Faiferlichen (Unfreien und) Colonen 
zur Nechenfchaft zu ziehen, nicht fie oder bie anterer vornehmer 
patroni aus Scheu vor biefen unbeftraft zu laflen®). 

Kron= und Kirchen-Eolonen werten wieberbolt einander gleich- 


1) ].c. 10 quia colonum duse partes agnicio (sic) sequetur et colona(m) 
tertia. 

2) Vorlage: dominium, Lex dominum: nicht Eigentlimer arg. ingenuum 
juris alieni. 

3) L. R. IV. 8, 3. 

4) L. R. XVIII. Quedo = quieto ordine vgl. Dig W.B. I. ©. 90; 
vgl. IX. 19, 2 quida ordine, 8. 23, 23 quieto ordine. 

5) L.R. XIV. 1. 

6) L.R. VII. 1. 

1) T. 9 liber ecclesiae quem colonum vocant. T. 23 liberi ecelesiastici 
sieut et coloni regis. 

8) L.R. Rh. C. II. 1, 1. 


181 


geftelit?), über ihmen fteht ver liber, t. h. Vollfreie: fie find beide 
nicht?) ebenbürtig Voll⸗Freien, obwohl als frei anerfannt: (Colonen 
Anderer (liberi) werten al® Gatten Freier gar nicht vorausgefegt!), 
baber die Ehe einer Freien mit ihnen jene vom Grunderbe ihres Vaters 
ausfchließt?). Ausdrücklich erkennt das Gefek die Freiheit zumal ber 
Kirhen-coloni an®): tiefe ver Kirche erhalten das gleiche Wergeld wie 
andre (freie) Alamannen?). 

Die Kirchencolonen werten auch in ihren Leiftungen ven Kron— 
colonen gleichgeftellt: Nichtleiftung von Zins oder Frohn®) wird durch 
Kichterfpruch mit 6 sol. gebüßt?), aljo nicht durch Strafgewalt ver 
Kirche; auch zu Frohnden werben fie zwar auf Befehl des Herrn, 
aber unter Vermittelung des judex, der feinen Ring ober ein andres 
Richterzeichen überſendet, aufgeboten: auch hier beproht ven Ungehorfam 
eine Buße von 6, gegen ven Ring des Biſchofs von 12 sol?). 


e) Die Freigelajinen?). 


Ingenui bezeichnet jet ganz regelmäßig wie ten Treigeborenen 
ten Freigelaſſenen 10). Ein Freigelaffener foll jein »bene ingenuus«!?). 
Dei Verſchenkung von Unfreien (homines, casati) wird ein find, 
heigelaffen und vorbehalten, fälfchlich ingenuus genannt 12). Der Frei- 
laſſungsbrief heißt felbft ingenuitas!?). Webertreibend werten Freige- 
laſſene gleichgeftellt „ven von freigeborenen und höchſt edlen (Nobi- 


1} T. 57. 

2) ®gl. L. 89). p. 75 (c.4, 1), 22 (23). p. 83. 

3) L. 55 (57). p. 114. 

4) L. 8 (9). p. 75 liberum ecclesiae, quem colonum vocant, ebenfo 
22 (23). p. 83. 

5) l.c. sicut alii Alamanni ita conponatur. 

6) S. unten wirtbfchaftliche Zuſtände. 

7) L. 22 (23). p. 83 [1]. 

8,1. c. [2]. 

9) Könige VI. ©. 175. VIL 1 ©. 257. VII. 2 ©. 207. Sohm ©. 573, 
bie liberti bes altgermanifchen Rechts z. B. R.-©.2 germ. Abthell. XXI. 2 ©. 20. 
Stock, die Freilaffungen zur Zeit ber Volksrechte (Halle'ſche Doctorichrift 1881). 
®. Eidel, Freiſtat S. 13. Fournier, essai sur les formes de l’affranchissement. 

10) Ingenui = freigelafine, famula = maneipium. Neugart l. c. 88 a. 784. 
Oben ©. 165. 

11) Neug. 440. a. 866. Freilaffung, relaxare ut sint ingenus sicut alü 
‘ensarii Zeuß, W. 191. a. 810. 

12) Neugart 13 a. 744.1. ce. 

13) Zeug, W. 191. a. 810. 


182 


lissimi Alamannorum) Alamannen Abftammenten«!). Freigelaffene, 
fortab wachszinfige Mägde werben ausprüdlich gleichgeftellt ven übrigen 
tributarii censarii, beibe find alfo gleichgeftellt, epistolarii, d. h. „bie 
Letzten, wenn fie unter folcher Bebingung als ingenui“ freigelaffen 
find?). Die Freilaffung gilt als gottgefällig Werk). Freilafjung einer 
vernacula, eines servus gefchieht um des Seelenheils willen‘). Eine 
Schöne Anwendung ver chriftlichen Lehre von der &leichheit aller Men⸗ 
ſchen in Chriſtus mußte die Freilaffungen beförbern®). Unfreie bürfen 
nicht geweiht werben), Häufig werben fie zu dieſem Zweck freigelafien ?), 
aber nicht immer war bie Kirche dann mit folchen zufrievens)! Nennt 
Ludwig I. einen Priefter Engilbert wiederholt feinen servus, ift nach⸗ 
läffiger Ausbrud für libertus anzunehmen‘). Nonne tarf eine an- 
cilla fein 10). 

Treilaffungen follen Sonntags oder an einem Fejttag tes Heiligen 
gefchehen 11), einmal, weil fie meift in ver Kirche vorgenommen werben, 
dann um ber größeren Teierlichkeit willen, und wohl auch wegen jener 
frommen Bebeutung. Die Freilaffung geichieht vor dem Heere ober 
in der Kirche, ober durch Freibrief12), ober durch Schatwurf 13). Frei⸗ 
laffung in der Kirche oder durch Freibrief14) wirb gleichgeftellt, auch 


1) Coll. T. Bang. 16. 

2) Zeuß, W. 166. a. 837, fortab follen fie nur Gott dienen, bem Alles 
untertban 191. a. 810 und oft. 

3) Pro Dei timore et pro animae remedium seu pro eterna retributione. 
Neugart 88. a. 784. Weber bie Häufigleit der Freilaffungen im X. Sahrhunbert. 
Weller, Anfiedel. S. 80. 

4) Form. Aug. B. 21, 34. 

5) Form. Aug. B. 42 sive servus, sive liber, omnes in Christo unum 
sumus, Galater III. 28. Schöne hriftliche Begründung ber Sreilaflung von 50 Un- 
freien auf einmal Coll. F. Sang. 16 illud tempus recolens, quando servus 
liber erit a domino suo [vgl. über biefe Formeln aus Liebe zu Ehriftus, ber 
uns aus der Kuechtichaft bes Teufels befreit bat. 1. c. 17. Dümmler, Formelbuch 
©. 98f.] 

6) VID. 5 ©. 231. 7) Neugart N. 341. 

5) Bol. 1. c. Hohenaltheim Ser. IV. p. 500. 

9, W. U. I. 74. a. 816. 

10) S. unten Kloſterweſen. 

11) L.R. XXIV. 25, 1. die Vorlage hatte die Freilaffung am Feiertag nur 
verftattet, nicht geboten. 

12) Freilafſung in einer Königsnrkunde 3. U.B. I. p. 39 a. 868. 

13) Könige VIII. 2 8. 209 a. a. D. 

14) Tabularii unb cartularii VII. 1 ©. 266. VIII 2 ©. 208. Brunner 
R. G. S. 218. Urkunde L ©. 211. 





183 


bezüglich des Wergelbes von 80 sol. — der Hälfte des urfprüng- 
lichen &emeinfreien Wergeldes: — es bleibt unbeftimmt, ob das her 
Kirche (bei Freigelaffenen einer folchen) oder den Söhnen zu entrichten 
iſt)y. Die Freilafjung zum Vollfreien gejchieht in der Kirche in 
Gegenwart bes Priefters und des Volles, ber Gemeinde; nur Geift- 
liche dürfen die Freilaſſung allein, ohne folche Zeugen, münblich, 
ohne Freibrief, aber nur in ber Kirche vornehmen. Die Lex R.?2) 
übergeht ven Begriff des civis Romanus ber Vorlage neben ben 
Worten >ingenuus« und »plena libertas«. Freilaffung „zum römi⸗ 
ihen Bürger“ behufs Eintritt in den geiftlichen Stand unter Be- 
laffung des peculiums in Gegenwart von vielen Laien und won Geift- 
lihen erfolgt auch in fpäten Urkunden ganz in ven Formen ver L. R. 
Rhaet. Cur. und ber romanifch-merovingifchen?). Jene alten römischen 
Ausprüäde werben offenbar mit oft wenig Verſtändniß wieberholtt). 
Außer der Freilaffung in ver Kirche Tennt auch die L. R.S) die vor 
dem König. Freilaſſung durch Schakwurf®), durch Karl III. (nach 
einer Urkunde Ludwigs des Deutfchen) gefchieht nach Lex Salica, wäh. 
rend er boch nach Uferfrantenrecht lebte). Die Freigelaſſnen lebten 
nach dem Recht ihres Treilaffers ohne Nüdficht auf ihre Ab- 
ftammung®). Zumal auch ber Sohn des Freilaſſers foll die Frei- 
laſſung, die ja den Nachlaß — bei 50 Freilafjungen — erheblich 
mindert?), nicht anfechten können 19). Zum Zwed der Sicherungi1) werben 
fie dem Klofter als zinspflichtig, aber fchutberechtigt überwiejen. Bei 
Belafjung des peculiums wirb ben Freigelafinen oft zugleich mun- 
diburdis und defensio des Klofters gewährt!2). Dft erfolgt geradezu 


1) L. 16 (17) p. 79. 17 (18) p. 80. 
2) IV. 7. 
3) Neng. 341. a. 851 zur römifchen Bürgerin. Wartmann I. p. 95. Hand 
1. ©. 89. Ueber den römifchen Freigelafinen in ber Infichrift bei Mommijen 
Mittheil. X. N. 236 |. Keller, Mittheil. XII. ©. 289 (zwifchen a. 117 und 192). 
4) Reugart 88. a. 784 subjiciuntur cives Romanas (sic), portas apertas. 
5) IV. 9 »princeps«. 
6) Könige VII. 1 ©. 267. VIII. 2 ©. 209. 
7) Sohm, L. Rip. Legg. V. Coll. Form. Sang. p. 243 additam. 2 aud 
noch a. 906. Reug. 658. 
8) So eine Linpria zu Waflerburg am Bobenfee nach ber lex Romana 
®artmann I. p. 95. a. 784. 
9) Zuweilen wirb die Zufimmung ber Befippen eingeholt 1. c. 17. 
10) ColL F. Sang. 16 1. c. 
11) ut alicubi munieipatum (== mundeburdum) et tutelam habesant. 
12) NRengart 88. a. 784. 


184 


Freilaffung in bie erbliche Zinspflicht gegenüber einem Klofter (als 
PMuntwalt) 1). Deßbalb wohl auch wird dieſe Sreilaffung (wie übrigens 
auch fonft) vor dem Altar vorgenommen?) Ein Treilafjer fchenft 
3 freigelaffenen Märchen auf deren Lebenszeit Grunpftüde, vie bei 
deren Tod Sanct Ballen anfallen?). Zuweilen erjegt eine carta tra- 
ditionis an bie Kirche die carta manumissionis: ber trabirte Unfreie 
wird als Freigelaßner — obwohl dies nicht gejagt wird — ber mun- 
diburdis ver Kirche überwieſen!). Treigelaffnen Mägden wirb auf- 
erlegt, fih in tie mundiburdis (municipium!) des Klofters Weißen- 
burg zu begeben und jährlich 2 denare in Geld over Wachs zu zinfen®). 
Zinsfaumfal fol zwar nach dem Recht gebüßt, aber vie Yreiheit um 
beßwilfen nicht verloren werben. Unfreie jollen ingenui werten, wie 
von ingenui gezeugt, follen auch ten Erben des Freilaſſers Teinerlei 
Dienft, over obsequium libertinitatis ſchulden, nur Gott dienen, 
ihr Peculium behalten und bewirthichaften; ver Schug (mundiburdis 
ac defensio) wird Klofter Weißenburg übertragen gegen einen Jahres⸗ 
zins von 4 Denaren, unbeſchadet ihrer Freiheit und bei Zinsverzug (für 
bie Juminaria) follen fie zwar nach dem Gefet büßen, aber nicht etwa 
ihre Freiheit verwirken‘). in Unfreier wird freigelaffen und an: 
gewiefen, fich das Klofter als Schutzherrn zu wählen gegen einen 
Jahreszins in Geld, aber frei von andrem servitium: was er erarbeitet, 
gehört ihm”). Der Freigelafne, nun Nechtsfubject von Familien- wie 
von VBermögens-Rechten, kann Vermögensrechte jeder Art erwerben ®. 
Wie bie mancipia werben auch die Freigelaffnen eines verſchenkten 
Gutes fammt ihrem peculium mit verfchenkt®), aber nicht in Eigen- 
thum, fondern bie bisherigen Rechte des Schenters über fie follen auf 
ben Beſchenkten übergehen. Freigelaſſne find auch in dem Teftament 
bes Freilafjers als Freie zu behandeln. Der Herr Tann ven im 


1) Form. Aug. B. 21, 34. 

2) 34. c. 

3) W. U. L 157. Reug. I. 532 a. 882. 

4) Form. Argentin. 2 f. oben ©. 169, 171. 

5) Zeuß, W. 166. a. 837 

6) Zeuß, W. 68. a. 797. 

7) Zeuß, W. 126. a. 788 der ungeſchickte Ausbrud (condonare manoipium) 
verwiſcht bie Freilaffung: aber ein Unfreier kann nicht in mundeburdis et de- 
fensio, nur in Eigenthum ftehn. 

8) Einbringlich bei ber Freilafiung Form. Aug. 34 sibi vivat, sibi laborat 
(L laboret) atque laboratum suum omni tempore possideat. 

9) Zeuß, W. N. 47, (cum) mancipiis libertis cum peculiare suo.. 


185 


Teſtament Freigelafinen zum Tutor feiner Kinder beftellen!). “Die 
Lex ftraft ten Freigelaffnen gelinver als ten Unfreien für Beleivigung?). 

Wie lang auch in Ehurrhätien die von ber Lex R. freilich noch 
ſehr vollftändig angeführten römischen Normen fich im Leben wirklich 
erhalten haben, ift ungewiß: bie Lex zwar jeßt fie als fortbeftehene 
voraus, aber doch mit manchen Aenderungen, auch wohl Mißverftänt- 
niffen ihrer Vorlage: fo ſoll ver Freigelafine den verarmten Freilaffer 
erhalten ?), aber unter ftarker Aenterung ber Vorlage läßt die Lex 
ven Freigelafinen zweier Freilaffer, nach vem Tod bes Einen tem An- 
tern auch die dem Verftorbnen geſchuldeten Leiftungen entrichten). In 
ſeltſamem Verſehen verfteht tie Lex tie teftamentarifche Vorlage ale 
civis Romani liberti dimissi®,. 

Die römischen Freigelafjnen werben — ver Lehre nach — noch ganz 
nach Gajus gegliedert in cives Romani, Latini und dediticii. Cives 
Romani werben geichaffen durch Freilaffung im Zeftament, oder in ver 
Kirche vor dem Volk (ante plebem), oder vor dem König, der an Stelle 
des »consuls« der Vorlage getreten ift®), bie Freilaffung zum Latinus 
gefchieht durch Freibrief (minuta carta), oder vor ven Freunden ober 
im Gelage; dediticii find folche Freigelafine, tie als Unfreie fchwere 
Strafen (nad) der Vorlage öffentliche Geißelung) erlitten haben, ober 
untilgbare Brandmarkung (durch den Herrn) im Gefiht oder am 
Leibe. Diefer Tann nicht, wohl aber der Latinus zum civis Ro- 
manus erhoben werten”), ber Xeftamente und mit Erlaubniß des Frei- 
fajfers unter Lebenden Schenkungen machen Tann). Iſt ein civis 
Romanus libertus verfehentli zum civis Latinus libertus ges 


1) L. R. XXVI. 3 weggelaſſen tft die Erwähnung bes Fideicommiffes ber 
Borlage). 

2) L. R. XXVI. 11, 4. 

3) L. R. XXVIL 8, 2. 

4) L. R. XXIV. 28, 12. 

5) 1. e. XXV. 1, 2 die Vorlage jpricht von dem Anwachſungsrecht zu Bunften 
des Ueberlebenden bezüglich bes beiden Freilafjern Iettwillig Zugemwenbeten. Wohl 
mißverftanden, nicht abfichtlich geändert hat bie Lex XXV. 2 ihre Vorlage, welche 
die Erbfchaft von Freigelaiinen nach Köpfen, nicht nah Stämmen theilt. Auch 
3, 1). e. iſt geändert: die Vorlage fett die Abficht bes Freigelafinen voraus, 
durch Veräuferungen das Exbrecht des Freilafjers und feiner Kinder zu ſchmälern. 

6) II. 18. 

7) Weil fie testamenti factio haben? Oder weil fie durch Teſtament frei⸗ 
gelaflen find? frägt Zeumer 1. c., wohl eher letzteres. 

8) L. R. XXII. 1.1.6, 4. 


186 


macht, jo fällt fein Nachlaß gleihwohl an ven Patron und beffen 
männliche nicht emancipirte Erben, nicht an die Söhne, die ber Frei⸗ 
gelaffne als civis Romanus gezeugt: denn entſcheidend ift ber status 
tes Erblaffers zur Zeit feines Todes (l. c. 2, 3\. 

Zu römischen Bürgern Freigelafine fallen wegen leichter Krän- 
fung der Kinder ihrer Freilaffer nicht in Unfreiheit zurüd, aber bei 
unbeweisbaren Strafanflagen gegen jene oder ihre Kinder trifft fie 
Zobesftrafe!). Sie vererben ihr Vermögen an ihre Kinder, in deren 
Ermangelung !/s an ihre (männlichen) Treilaffer, Freilafferinnen können 
fie e8 ausbrüdlich vermachen: oder fie vermachen !/, an ihre freien 
Seitenverwandten und Vorfahren, 1/, fällt an ben Freilaffer, ohne 
beffen Zuftimmung fie bei Lebzeiten feine Schentungen?) vornehmen 
tönnen. Der Freigelafine, ver die Gattin oder Tochter feines Frei- 
laſſers heirathet, wird zu Kerker oder Bergwerk (metalla, veraltet!) 
verurtheiltꝰ). 

Unfreie und Freigelaſſne dürfen nicht behufs Ausſagen gegen den 
Herrn und Freilaſſer gefoltert werben‘). Auch Geſtändige nicht in 
ber Unterſuchung gegen Anpere>). 

Aufgenommen find die römiſchen Beſchränkungen ber Zahl ber 
tejtamentarifchen Freilaffungen: wer 2 Unfreie bat, kann beive, wer 
3 kann 2, bis zu 10 je die Hälfte, von 17 kann er 5, von 19 Tann er 6, 
von 20—30 je !/;, von 31— 100 je !/, freilaffen, wer mehr hat, höchſtens 
100, tagegen durch minutae cartae, ober vor ben Freunden, over vor 
dem König Alle®). ‘Die Umgehung jener Beſchränkung dadurch, daß ter 
Herr zwar nicht durch Teftament, fondern durch Freibriefe freiläßt, aber 
erft auf dem Sterbebett 7), wird verhütet: nur bie bei teftamentarifcher Form 
zuläffige Zahl (ber Zeitfolge nach) wird frei. Muß die Zahl ver Frei- 
laſſungen nach ber Lex Fufia Caninea bejchränft werben 8), fo trifft das zu⸗ 


1) L. R. Rh. C. II. 20. 

2) Das bebeutet wohl Die »carta« (sc. donationis) L. R. XVII. 6. 

3) L. R. XXIV. 18, 3. 

4) L. R. XXII. 14. vgl. IX. 3 anders, fcheint e8, Zeumer p. 417 aber 
IX. 3 finden fich ähnliche Ausnahmen: incredulus et paganus; Folter: in tra- 
balium mittere, penas facere |. c. 15. 

5) Mitangellagte? 1. c. 15, 2. 

6) (princeps, wieber ftatt des Eonfuls: abweichend Hanbfchriften zu 1. ante 
judicem vel principem: judex = Graf? 

DL eo. 2. ähnlich) wie fpäter das verbotne Teftament Durch Bergabung unter 
Lebenden, aber auf ben Siechbett erſetzt wurbe. 

8) L. R. XXVL 11, 5. 





187 


nächft die im Codicill, nicht die im Teftament Freigelafinen. Die Frei- 
laſſung durch den Nichteigenthümer ift ungültig, aber ver Unfreie be- 
hält, was ihm der Freilaſſer ſchenkt 1). 

Läßt einer von zwei Miteigenthämern eines Unfreien dieſen ohne 
Willen des Zweiten frei, erwirbt der das Alleineigentbum an dem 
Unfreien, vie Freilaffung ift ungültig?). Wirb ein Unfreier angejchul- 
Digt und vom Richter in Kerker, Ketten oder Folter (Geißelung, tra- 
balium) genommen, wirb er, erweift fich jeine Unſchuld, frei?). Wirb 
eine ſchwangere Unfreie freigelafien, gebiert fie ein freies Kind!). 

Formen und Wirkungen ver Freilaffung gewähren aljo im Wefent- 
fichen eine Abweichungen von tem früher®) Dargeftellten: zuweilen 
wird dem Freigelafinen ein leichter Jahreszins auferlegt an Kirchen 
zu den Tagen ihrer Heiligen ®). 

Gegen tas Geſetz Chlothachars”) fekte hier die Kirche ihre alten 
Anſprüche wenigftens auf das Wergeld erblojer Freigelafiner durch, 
auch der nicht in ber Kirche, fontern per cartaın Freigelaffnen ®). 


1) Sp ganz allgemein si aliquid (in ipeam libertatem dederit) die Lex 
XXV. 5, die Vorlage fpriht nur von ber Erbeinſetzung. 

2) L. R. XXVI. 11, 1. 

3) 1. e. 2, und ber Eigenthümer? Erſatz vom faljchen Ankläger? 

4) L. R. XXIV. 23; Borlage: id enim favor libertatis exposeit. 

5) VO. 1. &. 257—270. VII. 2. ©. 207—212. Schagwurf Neug. N. 440. 
a. 866) in ver Kirche: portas Romanas d. bh. apertas Neug. N. 88. a. 784. 341. 
a. 851. 3. Grimm R.-A.t 1 ©. 459. 

6) Neng. Nro. 88. a. 784 unum trimissum (sic) ad incensum (Weih⸗ 
rau, Du Cange p. 323) ad Sanotum Gallonem (sic) et ad St. Gorgi [sic] 
ad Waszarburuc; jährlich 4 Denare an Sanct Gallen Wartmann 482. a. 861. 

7) Lex Rib. 58. 

8) L. Alam. Chloth. 17. Lantfrib. 15. p. 79 (mach Merkel). 


188 


E. Die Aunfreien.) 
1) Die Namen. 

Die Bezeichnungen find zahlreich und manche jchwankend ?}. 
Casati find meift unfreie, in Häufern des Herrn wohnende Hinter- 
faffen. Curtes haben 11, 12 und 15 Casatae?). Zins und Frohn 
ber servi casati werben fpäter durch das Hofrecht geregelt‘). Wie 
bei den Franken — ſchon unter den Merovingen®) — können Unfreie 
durch die Gunft der Herricher, auch der Biſchöfe zu wichtigen Aemtern 
berufen werten. 

Die familiae nostrae (des Klofters, in eodem pago positae) 
find die Haushaltungen der Unfreien, bie über ven ganzen Gau verftreut 
find®). Familia heißt aber anbrerfeit zuweilen auch die Geſammtheit 
ber Mönche eines Klofters”).. Famulusdi ift ber freie wie der un- 
freie Diener. Daher famulus auch wohl = servus?). Königliche 
Hufen zählen 15 oder auch nur 5, dann wieder 6, famuli10) (und 
dazu zwei Weiber?) und 12 mancipia!!). Junior ift der (hier) meift 
unfreie Untergebene des unfreien Schweinehirten!?2), aber auch jeber 
Unterbeamte, Untergebene heißt jo13). Legibus alicujus (sub) esse 
heißt ihm gehören!. Oft ift vie fcheinbare Unterjcheitung manci- 
pium aut servum aut ancillam nur ungeſchickter Austrud 15). 


1) Weftgot. Studien ©. 62, 155. Könige VI. 2. ©. 186. VII. 1 ©. 271. 
VIII. 2 ©. 213. „Leibeigenfchaft”" Baufteine VI. 188. 4. ©. 1. von Arx J. S 51. 
Bluntſchli 1. S. 39, 41. 

2) Ueber baro P. II. 32 vgl. L. Sal. 30, 4 paro. Wartmann I. N. 2a. 741 
ſ. 3. Grimm, R.A.« I ©. 394, 559. II. ©. 399. I. 394, 559. II. 399, 430, 
435, 443, 490. 

3) W. U. 4. Neug. 17 a. 752. ©. oben ©. 170. Cod. Trad. Sang. 26. 
N. 44. Wartmann I. 48. a. 765 casatas (l. os) II. his nominibus; auch wohl 
halbfreie und freie Hinterfaflen. Neug. N. 17, 46. a. 709 und oft. Könige VIII. 2. 
©. 223. 

4) ©. unten „Zuftänbe”. 5) Urgefch. III. ©. 271. 

6) Neug. 596. a. 890, aber auch halbfreie und bloß zinspflichtige. 

7) Neug. 609. a. 894 cum consensu totius familiae (abbas tradidit.. 

8) L. 79 (83) p. 144. 

9) W. U. I. 166. Neng. I. 583. a. 890 anf 15 Hufen 5 famuli. 

10) Neug. 583. a. 889. 

11) 588. a. 589. 

12) L. 71 (78) p. 138. 

13) Könige VIII. 3 ©. 201 unten „Amtshoheit”. 
14) Wartmann I. 187. a. 806. 7. 

15) L. 20 (21) p. 82. 


189 


Mancipium ift servus. Zwiſchen den gegeneinanter vertaufchten 
2 servi gegen 4 mancipia beſteht fein begrifflicher Unterjchie 2). 
Nennt fich der Schreiber einer fanctgallifchen Urkunde?) mancipium 
St. Galli, fo bebentet das nicht einen Kloſterknecht, fondern in ber 
Sprache chriftliher Demuth einen subdiaconus?). 

Eine Unfreie heißt mancipia, genitio mancipiae*). Unbe- 
ftimmmbar bleibt oft ber ministerialis neben dem servus®). Die neben 
den servi (al8 letztwillig Bebachte) genannten ministeriales find vielleicht 
freie Diener, aber bei der unlogifchen Ausdrucksweiſe der Quelle 
mögen e8 auch Unfreie (Haus diener) fein®). Servitium ift nicht 
nur Knechtesdienſt, auch öffentlicher Amtspienft, durch den ver rebliche 
Unfreie die Freiheit erfiten Tann”). 

Hat ein Mancipium einen servus®), fo ift das Peculienbefit 
für den Herrn. Nur thatfählich kann ein servus felbjt (casatus) 
einen servus haben, d. h. zur Bewirthichaftung hat ver gemeinfchaft- 
liche Herr dem Webergeorbneten einen junior, einen Andern unter- 
geben). Ebenjo beveutet es nur thatjächlichen (Peculien) Beſitz, heißt 
es von einem Unfreien mit feiner Hube!%). 

Bezeichnend ftehen neben servi, lidi, triduani!), liberi, coloni, 
bie sclavi et quicquid hujusmodi est; es find die bier am 
Main angefiedelten Slaven, ähnlich ven colonen geftellt, gedacht 12). 
Servi und ancillae peculiares find bie zu dem ihnen ausgeliehenen 
Sand (peculium) gehörigen, ben Gegenjag bilden die mancipia 


1) Der Laie giebt vier, das Klofter zwei W. U. I. 168. Neug. 585. a. 889. 
892 anf Einem Gut 93 Cod. Laur. 410. 844, aber au nur 30, 25 und 
weniger. 

2) 624. a. 897. 

3) Als folcher erfcheint Rioto 1. c. 612. a. 895. 

4) Zenß, W. 210 a. 788. »inter« mares ao feminas (mancipia) d. h. ſo⸗ 
wohl als W. U. I. 109. Neug. I. 305. a. 843 (ähnlich fleht inter oft für 
promiscue). 

5) L R. Rh. C. 25, 9, 3. ©. oben ©. 168. 

6) L. R. XXV. 9, 4. 

7) L. R. IV. 8-10. 

8) W. U. I. 29. Neug. I. 92. a. 786. 

9) W. U. 11. Neug. 47. a. 769. 

10) 1. c. 13. Neug. 56. a. 771 (774?), richtiger wäre die Hufe mit ihren 
Unfreien. 

11) (l. tributarii?) ober Dreitag-Frohnlente? fonft nicht bezeugt Du Cange 
VI. p. 186. 

12) W. U. I. Nachtrag C. p. 109. a. 816. 


190 


domestica, zur Bebienung im Herrenhaufe!). Servitores find — man- 
cipia, servi, ancillaeꝰ). Vaſſen find urfprüngli unfreie Haus- 
biener, fpäter ftehen neben unfreien Waffen die mächtigften Reichs— 
großen als Ballen. Unfreie find wohl tie a. 757 verfchenften 
Baflen in beneficio nostroꝰ). Verna ift ein im Haus gezogener 
Knecht“) im Gegenſatz zu errungenem Sand. Vernacula juris mei 
terra ift entfprechend „Hausgut“ Erbgutd). Die Bewohner einer 
villa, „Bauern”, find die nur einmal in Einer Hanpfchrift des Ge- 
feges genannten villani: fie beißen auch miseri: boppelt ift ihnen an 
Früchten over Kleidern Diebftahl (durch Unfreie) zu erjegen®). 


2) Entftebung. 

Die Unfreiheit entfteht hier aus den gleichen Grünten wie bei 
allen Germanen”): aljo durch Abftammung®), auch Berbeirathung 
mit einem Knechte, Kriegsgefangenichaft, Vertrag und zur Strafe, 
Während auch bier wohl früher tas Kind ber ärgeren Hand folgte?), 
wird fpäter (a. 926) als alamannifch Recht bezeichnet, daß bie Kinder 
zur Hälfte zwifchen dem freien Vater und dem Herrn der unfreien 
Mutter getheilt werden. Der freie Warfind hat mit einer Unfreien 
von Sanct Gallen 4 Söhne und 1 Tochter gezeitgt: die Tochter kauft 
(richtiger „taufcht”) er los, damit fie (bei der ungleichen Zahl) nicht 
ber Unfreibeit verfalle, gegen ein anbres erwachfene® mancipium 
(Magd?) und 2 Solidi: von den 4 Söhnen werben 2 frei, 2 über- 
giebt er dem Klofter, „wie das Geſetz gebeut”: er theilt „gemäß ver Lex 
der Alamannen“ nach Bertrag mit Abt Hermann unter Mitwirkung 
(»sub manu«) des Kloſtervogts. 

Der Verlauf von Freien, auch von Kintern durch die Aeltern, 


1) Neugart 1. c. 10. a. 744. 

2) Neugart 193. a. 817. 

3) Könige VII. 1 ©. 209. VIII. 2 ©. 151. 

4) Neugart 1. c. 21: zuerft fteht flatt beneficium „Lehen“ im fogenannten 
Sloffar Salomons. 

5) W. U. 3. a. 735. [Neug. 9], daher quantum mihi parentis mei in 
hereditate (sic) dimiserunt. 

6) Cod. 18 zu L. 36. p. 96. Heusler I. S.181 macht Abftufungen und 
rechtliche Unterſchiede umter ben „nichtfreien” Leuten: er zieht babei auch eben 
die Halbsfreien bierber. 

7) Könige a... O. D. ©. I a. ©. 208. 

8) Erblichkeit der Unfreihbeit W. U. 11. Neug. 47. a. 769. 

9) Neng. N. 709. 


191 


ift unmöglich %), fie bleiben frei: aber bie Lex ftellt doch deren Los⸗ 
anf durch fie felbft oder die Aeltern anheim?): ven müflen aljo wohl 
die Käufer annehmen, aber ift ver Verlauf ungültig, ift doch ber Los⸗ 
kauf unnöthig. Auch joll der von vem Richter wegen Steuerſchulden Ge- 
fangene®) feine Freiheit nicht verlieren. Verkauft ter freie Vater ben 
freigebornen Sohn aus Noth, ſoll die Unfreiheit nicht für immer 
dauern, nur bis zur gefeglichen Zeit ber servitus: nach beren Ablauf 
ſoll der Verkaufte ohne Rüdzahlung tes Kaufpreifes wieder frei wer- 
den). Es muß auffallen, daß das Geſetz Valentinian's über ven 
Rückkauf aus Noth verlaufter freier Kinver in die Lex aufgenommen 
ward. Dies zeigt wierer einmal, daß in ber Vorlage altbeftehende 
Dinge, auch wenn fie nicht zeitgemäß waren, beibehalten wurben®). 

Den Freien droht Verkfnechtung durch rechtswitrigen Verlauf als 
Unfreie außer Landes over in der Provinz. Erfteren Falles hat ber 
Berläufer ven Verkauften zurüdzufchaffen und 40 sol. zu zahlen®). 
Kann er ihn nicht zurüdichaffen, zahlt er den Gefippen 160 sol., 
ſdas Wergeld ter liberi minofledi], falls er einen Exben bat, andern- 
falls 200 sol. an ven Fiscus, (weil dann das Gefchlecht ausftirbt?) 
(tie 200 find 160 Wergelt + 40 Fredus). Daraus erhellt”), daß 
bei den Alamannen das Wergeld nur dem Erben (Ablömmling) bezahft 
wurde (Erbenfühne, arvaebot), nicht auch den Magen (Magenfühne, 
aettarbot). Wenn eine freie Frau verkauft wird, gilt das Gleiche, aber 
mit Verdoppelung auf 80 und auf 400 sol., da das Wergeld ver Frau das 
Doppelte des Mannes-Wergelves beträgt‘); wenn innerhalb ber PBro- 
vinz, jo wird vorausgejekt, daß die Verkauften wieber in Freiheit ver- 


1) »Homo enim liber nullo pretio aestimatur«. 

2) L. R. XVII. 10:6 sol., falls der Kaufpreis 5, 12 falls er 10 betragen 
hätte; Hunger oder andere Noth wird dabei vorausgeſetzt. 

3) fiscalem familiam 1. c. 2. in causas fiscales oonligatus, Borlage: de- 
scriptus ex officio fisci inter fiscalem familiam 1. o. 2. 

4) L.R. Rh. C. III. 3: >usque ad legitimum tempus servitutise: was 
beißt das? Die Vorlage bat: non poterit in perpetua servitute deviare, sed ad 
ingenuitatem suam si servitio suo (id est longo tempore: addit. Epit. 
Aegidii: vertragsmäßige Zeit?) satisfecerit, non reddito etiam pretio, revertatur. 


5) L. R. XVIII. 10. 

6) L. 45 (46) p. 106 vgl. P. 3, 12. 
7) Wie Karl Lehmann 1. c. bemerft. 
8) L. 46 (47) p. 106. 

9) 1. c. 47 (48) p. 107. 


192 


fest werben können; daher ift nur von 12 und bei Frauen von 24 sol. 
Buße die Rede!). 

Verknechtung tritt auch ein zur Strafe. Schon wegen Rüdfalls?) 
bei Sonntagarbeit: der Herzog beftimmt den Herrn und den Ort: dann 
wegen Verlegung bes Eheverbots, beidemale alfo bei Vergehen gegen 
bie Kirche. 

Berfnechtung ift ferner regelmäßige Folge ber Zahlungsun- 
fähigkeit, d. h. Schulpfnechtichaft, zumal auch bei der Wergeld- oter 
Buße⸗Schuld. Hier mußte fie fehr oft eintreten wegen Unerſchwingbar⸗ 
feit. Schon die einfache Wergeldſchuld von 160 sol.3) war meift 
unerbringlih: nun Ionnte diefe Summe neunfach, bei Trauentöbtung 
18fach geſchuldet werben. 

Die Unfreiheit entfteht auch durch Selbſtverſchenkung an bie 
Kirche zum Heil der Seele (semet ipsum redimere): niemand barf 
bies verbieten), auch nicht bie Sippe die DVergabung bes ganzen 
Erbes an die Kirhed). Ein Freier commenbirt ſich ale Knecht (pro 
servo) „wegen ver Gewaltthätigfeit böfer Menſchen 6)“, d. h. um ihr zu 
entkommen. Oft erfolgt dieſe Selbftverfnechtung nicht freiwillig, fondern 
durch Drud und Zwang tes „Mächtigen"”),. Man befürchtet, daß 
Heine Grundholden des Klofterd oder doch deren Nachlommen in bie 
Unfreiheit gerathen®). Die Lex ſchützt ben, der fich, unterdrückt, in ven 
Schub eines Andern als Unfreien commenbirt hat, vor ber wirklichen 
Berknechtung: er bleibt frei9). 

Ein »tirannus« ift ein unrechtmäßiger Zwifchenherrfcher, ein An⸗ 
maßer: Ungültigleit der unter ihm vorgenommenen Handlungen wird 
nur bei Verfnechtungen erwähnt 1). Nur ftillfchweigend vorausgefegt 
wird bie früher beanipruchte Unfreibeit einer Klofterbefchenkerin und ihrer 


1) L. 38. p. 98. 

2) L. 39. p. 99. 

3) Bon Riezler I. ©. 133 zu 12000 M. [?] beutigen Geldwerthes ans 
geichlagen. 

4) L. p. 69. 

5) L. R. Rh. C. 17, 1, 3. vgl. Form. Tur. 43. 

6) Oben ©. 158. 

7) Neug. 396. a. 861 oben ©. 159. 

8) Bgl. F. Turon. 43. Zeumer, Abb. S.45; die Vorlage bat ftatt ber ihr 
(hiebei) fremden Commendatio bie Tügenbafte Selbſtbezeichnung als Unfreier 
(aus Notb). ’ 

9) L. R. V. 6. 

10) Neug. 568. a. 886. 


193 


Kinder: wird die Freiheit wieder behauptet, fällt die Schenkung an bie 
Kinder zurüd. Die Zahl der Unfreien und Halbfreten nahm aus 
wirthſchaftlichen Gründen!) in Tarolingifcher Zeit troß aller „ſocial⸗ 
politifchen“ Beftrebungen Karls ftarf zu 2). 


3) Aufhebung). 


Gegen rechtswidrige Inanjpruchnahme von Freigelafinen (over 
Freigebornen) als Unfreie jchütt das Gefeg mehrfach. Der Kläger 
barf fich nicht an ben Freigelaſſnen halten, muß dieſem vielmehr Zeit 
faffen, feinen Freilaffer (benefactor) zur Stelle zu fchaffen, auf daß 
diefer ihn vertheidige. ‘Der abgewielene Kläger hat dem Freilaffer fo 
viele Unfreie zu leiften, als er Freigelaßne verfnechten wollte. Das 
gilt auch von tutores ober beren Erben, welche Treigelaßne des 
Mündels verfnechten wollen. Kann der in Anfpruch genommene ben 
Freilafler nicht finden over erkennt er den Anfpruch an, wirb er 
alferdings tem Kläger zugefprochen, aber nicht zur Beſtrafung; auch 
fonn er fpäter, bat er ven Freilaſſer gefunden, von biefem wieber 
frei geftritten werben. 

Ein freies, als unfrei verlauftes Kind kann nach erlangter Voll: 
jäbrigfeit noch binnen 5 Jahren — alfo bis zum 30. — feine Freiheit 
erftreiten; hat es für. ten Käufer als Unfreier gearbeitet, fol ihm das 
nicht als Beweis der Unfreiheit im Wege ftehen; das Gleiche gilt 
von irrthümlich Sreigelafinen bei Mündigen. ‘Der Käufer forbert zu- 
rüd, was er ihnen (al8 Unfreien) gefchentt hatte, ober was fie aus 
defien Vermögen erarbeitet hatten. Die Lex fügt eine Unterfcheivung 
von Schenkungen ohne oder mit Schriftform bei: das fchriftlich Ge⸗ 
fchentte behält der Befreite. Der volljährige Freie, der in feinen Ver- 
fauf als Unfreier gewilligt, hat kein Anfechtungsrecht®). 

Nach Älterem Recht warb in 16 Jahren vie Freiheit erfeffen. 
Das fol fortab nicht mehr gelten; die Kinder einer folchen und bie 
Mutter bleiben des Herrn, falls nicht der Erzeuger Erſatzſtlaven ober 


T, Könige VIIL 2. ©. 217. 

2) Aber mit Recht enthält fih Stälin (8.) I. &. 354 einer Beflimmung bes 
Zahlen Berhältniffes ber lnfreien zu ben Freien, das Buchner, Geſchichte von 
Batern U. ©. 169, viel zu hoch auf 100 zu 1 angenommen hatte; Bfter wegen 
Schuldknechtſchaft ala wegen ver „befonbers vielen” Kriege, bie Stälin (8.) I. 
S. 227 hervorhebt. 

3) (Abgeſehen von Freilaſſung) ſ. dieſe oben ©. 181f. 

4) L. R. N. 8, 2. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 13 





194 


Colonen ftellt oder jene loskauft; ift der Herr felbft der Erzeuger, 
werben Mutter und Kinder nur durch Freilaffung freit). Aber frei 
wird, wer 20 Jahre offenkundig und in gutem Glauben frei gelebt 
und einen Dienft im Amt verfehen hat?). Wirb ber Unfreie vom 
Nichteigenthümer freigelaffen, muß er zu feinem Herrn zurüdtehren, 
bem ber Sreilaffer 2 gleichwertbige und gleich arbeitgejchidte zu leiften 
bat. Wird aber der Treigelafine durch Erfigung der Freiheit, Verjäh- 
rung der Klage bes Herrn frei, bat ber Freilaffer nicht zu büßen?). 
Wegen Undanks kann der Freigelaffne in das Eigenthum bes Frei⸗ 
laſſers zurüdgebolt werbent). Widerrechtiche Verfnechtung wird auf- 
gehoben und geahndet). 

Im Wege des Vergleich& Löft fich und feine gebornen wie künf- 
tige Nachkommenſchaft ein als Unfreier in Anfpruch Genommener burch 
Ueberlaffung von A Joch Land e). Die Magd eines Klofters und ihre 
beiden Kinder werben aus ber Unfreibeit gelöft burch Weberlaffung 
einer Hufe mit Uebernahme von A Tagen Frohn bei Aerndte und 
Heuſchnitt)). Das jus postliminii des aus ver SKriegsgefangenfchaft 
Zurüdgelehrten wird wiederholt bezüglich feiner Familien⸗ wie Ver- 
mögeng-Nechte anerkannt 3). 


4) Rechtsfiellung, zumal gegenüber dem Herrn.?) 
a) Bermögensredht. Strafrecht. 
Mit Unrecht meint man!‘), vie (urfprüngliche, volle) Unfreibeit 
babe doch die Härte ber römifchen servitus nicht erreicht 1): der ala- 
mannifche Herr hat das Necht ver Töbtung, Züchtigung, Veräußerung; 


1) L.R. IV. 8, 3. 

2) 1. c. 4, der Schlußfats ber Vorlage ift mißverſtanden. 

3) l. c. 9. et cum tale opera quale ille facere potuit, Vorlage: ejusdem 
artificii. 

4) 1. c. 

5) L. R. V. 6. 

6) Neug. 331. a. 850. 

7) 332. a. 850. 

8) L. R. XXIV. 2, 4. XXV. 4,4. 

9) Ueber die Unfreien im Strafreht und Strafverfahren Weftgot. Studien 
155. Könige VIII. 4. ©. 104f. und — Genaueres — unten Gerichtshohelt. Jaſtrow, 
bie firafrechtliche Stellung der Sflaven bei Deutſchen und Angelfachien 1875 
(alamannifh Recht S. 27). Verfahren ©. 29. 

10) Stälin (8.) I. ©. 202. 

11) ©. dagegen Dahn, Reibeigenfchaft Baufteine S. 1f. VI. 1884. 


195 


erft fpäter wird bies durch die Kirche und das Hofrecht!) gemilbert. 
Im römischen Recht tft das jus vitae ac necis bes Herrn aufgehoben: 
der Unfreie ift bei tobeswürbigem Verbrechen vor ven Richter zu 
ftellen; ftirbt aber ver Unfreie zufällig, d. 5. gegen ben Willen bes 
Seren, bei der Geißelung (in trabalio), fo ift das ſtraflos, auch bei 
Sabrlälfigleit?), Der Herr darf den Unfreien wegen Töbtung in (einft- 
weilige) Brivathaft nehmen, ftiebt er bier, haftet ber Herr nicht wegen 
Törtung?). Zobesftrafe bedroht den Unfreien (und ben Yreigelafinen) 
bei Anllagen gegen ten Heren, ausgenommen wegen Gottesläfterung 
und Zauberei‘). 

Es ift nun aber auch fonft häufig im Laufe der Zeit eine Er— 
feichterung ber Laſten der Unfreien wahrzunehmen: eine Wirkung des 
Fortſchritts der Sitte und des Vollswohlitandes, dann wohl auch ver 
chriftlichen caritas, zumal — aber nicht allein — bei Kirchenknechten 5). 
Häufig fcheinen drei Wochentage Frohntage, brei freie gewejen zu 
fein‘). Sie follen fpäter ftatt 3 nur 2 Tage frohnden”?). 

Mit Recht Hat man angeführt ale Zeichen, daß feine unüberbrüd- 
bare Kluft Freie und Unfreie trennte, tie Sleichartigfeit der Namen 
für beide Stände; auch die Knechte tragen die ſtolzen, Muth, Kampf, 
Sieg athmenden Namen. Ein mancipium heißt fogar Adalman®), 
ein anderes Adalgart?), eine Unfreie Adalrada 1%). 

Die ſchon römifche Verpflichtung des Herrn, ven Unfreien zu er- 


1) Könige VIII. 2. &. 104. Landau, ©. 303—311. 

2) L. R. XXI. 3, 1 die Gfeichftellung (»similiter«) ber Hauskinder 1. c. 2 
fcheint fi) auch hierauf zu beziehen. 

3; L. R. IX. 9. 

4) L. R. IX. 3, 

5) Trad. Sang. 373... illi servi sua tributa non magis sicut (et) ante- 
cessoribus nostris reddant et kermaldrum non solvant. chiliiwerch non 
faciant 228 eod. 

6) Sp von den Mägden: Neug. N. 193. a. 817: puellae infra salam 
manentes b. h. die zu bem Haupthof gehörigen tres opus ad vestrum et tres sibi 
faciant dies et hoc quod Alamanni chuvilti-verch vocant, non faciant. Chevilti- 
werch, . 3. Grimm RA. I. ©. 486: er hatte noch gefragt: Was iſt >chuvilti 
Werch?e bie nene Ausgabe antwortet gewiß richtig Nacht-Arbeit. Graf N. ©. 654. 
Stalder II. S. 101. Bol. Kilt:gang, Nachtegang: bie Unfreien werben auch fonft 
vor Naht nach Haus entlaffen: f. unten „Zuſtände“, „Frohn“. 

7) Trad. Sang. 385. 

8) Zeuß, W. 158. a. 833. 

9) 1. o. 160. a. 816. 

10) Uadalrada 1. o. 165. 
13 * 


196 


nähren (auch Schuß ihrer Gräber), war gewiß auch fchon germanifch 
und wurde burch bie Kirche nur vericharft. Unfreie, Eolonen und 
Inquilinen dürfen weber Geiftlihe noch Mönche werten!)., Doch ift 
eine ancilla Nonne ?). 

Unfreie in höheren Hausämtern erhalten ein höheres Wergelo?), 
al8 das regelmäßige von 15 sol, nämlich 40—50*%). Unfreie bes 
Könige, tes Herzogs, ver ‘Kirche 45 sol., alſo das Dreifache. 

Während tie römijche Vorlage Unfreie nicht zu den unbeweglichen 
Sachen zählt, thut dies bie Lex Romana). Terras unb manci- 
pia ftellt freilihd auch fchon die Vorlage häufig zufammen®). &s 
wirb vorausgeießt, daß zu „vollen Hufen“ (pleni mansi) Unfreie 
gehören”). Die Unfreien hatten nur Beſitz (eben jus peculii), nicht 
Eigen an ihren (t. h. bes Herrn) Hufen®). 

Bezeichnend für die Unfcheibbarkeit ver Unfreien und ihrer peculia 
bei VBeräußerungen ift, daß, um Knechte und Mägde zu umfaffen, 
ganz regelmäßig gefagt wird die peculia beiderlei Geſchlechts9). 
Wenn als »portiones« Unfreie aufgezählt werten, find mit ihnen auch 
beren Beculienhufen gemeint!%). Daher gleichgeftellt mancipia et ju- 
menta als Zubehörden von Grunbeigen 11): auch jene find Sachen, 
Rechtsobjekte, nicht Perjonen, Rechtsſubjekte. Man erbt taber ten 
Unfreien wie antere Sachen 12). 


1} L. R. XVIIL 11. Könige VIII 5. ©. 230 ſ. oben „Freilaflung”. 

2) 3. 3. von Lübelau. Neug. 341. a. 851. 

3) In Wahrheit Werth: Geld, f. unten. 

4) T. 74, 79, 98 ce. add. 44. Stälin (®.) I. S. 203 bemerkt treffend, nur 
3 sol. höher als ber Daumen eines Freien ober ein Leithund. 

5) II. 27. VOL 5. XVIII. 1. XXIII. 10: feit wann allgemein? Brunner 
1. ©. 361. Zeumer L. R. Rh. C. p. 290. Auch bei Schentungen werben fie ale 
unbeweglihe Sachen behandelt L. R. VIII. 5 terris vel domo sive in mancipiis 
qui immobilia sunt, d. b. wohl die, welche (als Zubehörben) als unbewegliche 
Sachen gelten. 

6) L. R. XXV. 9, 4. 

7) Neug. N. 445. a. 869 f. unten „Befchäftigung“: fo zu zwei mansi 16 ım- 
freie Knechte und Mägpe 1. c. 505. a. 877; zu 2 gehören 14 (1) 8 489. a. 875 
Aber auch 52 Umnfreie werben in Einer traditio mit Übergeben 496 a. 876. 

8) Anders Meiten, Agrarverf. S. 30, 

9) Zeuß, W. 242 a. 700. - 10) Zeuß, W. 200 a. 847. 

11) Reug. 571. a. 886. mancipiis aeque et jumentis, pecoribus majoribus 
et minoribus Form. Sang. mise. 2. 

12) Ein vom Bater geerbter Knecht Cod. Trad. Sang. 15. R. 23. Wart« 
mann I. 27. a. 761. 


197 


Die Unfreien (mancipiola) gehören zu einer Hufe wie teren 
Hausgeräth (varia supellex)')., Die Herben werben fammt ben un- 
freien Hirten verſchenkt?), ja ber Dirt wird oft erſt nach ver — fo 
viel werthvolleren Herde — genannt. Da fie nicht Nechtsjubielte find, 
Lönnen fie, ganz wie bie römijchen servi peculia, nur thatſächlich — 
nicht rechtlich — Beſitz und Vermögen (des Heren) zur Nutzung haben ?). 
Der Kuecht befigt für ven Herrn). 

Im Strafrecht — e8 iſt ganz ſtändiſch gegliedert — wird nach Ständen 
unterjchteden 5): nicht nur ſtets der Stand des Verletten, auch ver bes 
Berlekers, (3. B. bei Raub aus einer Kirche) und jelbftverftännlich, ob 
ber Unfreie auf oder ohne Befehl des Herrn gehandelt hat; doch auch 
ber ſchuldloſe Herr zahlt bei Kirchenraub des Knechts ein Friedensgeld 
von 4 sol., d.h. !/; des gewöhnlichen fredus von 12 sol®). Un- 
freie Gehülfen des verbrecherifhen Herrn werben gar nicht oder doch 
gelinder als Freie geftraft”), fie gelten als willenloje Werkzeuge bes 
Hermm?). 

Bezeichnend ift, daß zwar bei freien, nicht aber bei Unfreien der 
Leichenraub je nach dem Geſchlecht der Leiche doppelt gebüßt wirb?). 
Daffelbe Vergehen an einem Unfreien wird gelinver, als wenn an 
einem Freien begangen, beftraft1%). Auch bie von Unfreien be- 
wohnten ober benügten Häufer, Scheunen, Speicher, Ställe find 
geringer als die vom Herrn felbft bewohnten oder benüßten geichügt1N). 


1) Reng. 651. a. 904. 

2) Form. Aug. B. 1. pecoribus cum pastoribus. 

3) Dümge, Reg. Bad. p. 67. a. 816 propriolum vel conquestus servi. 

4) Neugart 268. a. ? quam (partem) Ruadger servus meus possidet. 
Auch Ularih cum hoba sua W. U. J. 99. a. 838. Neug. I. 283 ift ein Unfreier, 
„jeine” Hufe nur peculium. Bon Peculienbeſitz ift auch zu verſtehen Neug. 
464. a. 872 quicequid W. servus. . monachorum possidendo habuit. 

5) Ueber die Stänbe im Strafrecht Waitz⸗Jeumer V. S. 200f.; mit Borficht 
find die Fälle zu prüfen, wo wirklich Unfreie Gerichtsrechte in Gerichten won 
Bollfreien zu üben foheinen: oft find es Hofgerichte für Unfreie ober bie „Unfreten“ 
find nur Halbfreie ober (jpäter) Miniftertalen. 

6) L. 5. p. 71, 72. | 

7) L. 34. p. 91 quanti liberi illum sunt secuti ibi raptores. 

8) Bgl. Könige VI.2 S. 199. Weftgot. Studien S. 157. 

9) L. 49 (60) p. 108. 

10) T. 50. Rotbzucht an einer Unfreien nur mit 6 oder 3 sol. an ben Herrn. 

11) L. 76f. (81f.) p. 141f. 


198 


Auch Hier!) büßt der Unfreie durch Geifelung, wo den Freien Ver- 
mögensftrafen oder Verknechtung treffen, 3. D. bei Sonntagsarbeit 2). 

Der Unfreie wird gegeißelt, wo ber freie breimal nur einen Ber- 
weis erhält), erft bei wieterholtem Rüdfall Dritteleinziehung, zulett 
Berfnechtung. Bei Miffethaten durch Knechte (oder Schädigung durch 
gewiſſe Thiere) droht Freienbuße oder leicht ablösbare Todesſtrafe *). 
Mehrere vom Knecht verwirkte Xeibesftrafen werben gehäuft). Es ift 
unlogifch, daß zuweilen auch Unfreie in Geltbuße genommen werben 
(in geringere als Freie) ®). 

Für Wegnahme ver gelauften Unfreien (empta puella) eines 
Andern zahlt ter Thäter 40 sol. (fein Wergelt) unter Rüdgabe; ift 
fie nicht fortgefchleppt worben (non rapta), nur 127); wer eine Un- 
freie fremden Frauengemaches (de genicio) vergewaltigt, büßt mit 
6, fein Gehülfe mit Handanlegung mit 3, ohne Handanlegung mit 
2 sol.2); genauer unterjcheitet tie Lex?) 6 sol. für Notbzucht einer 
ancilla vestiaria (Gewandmagd), ebenfo einer andern „von dem befjern 
Srauenzimmer* (de priore genicio), dagegen 3 für Nothzucht ver 
andern, geringerwerthigen. Ylüchtige Knechte find dem fie zurüdforvern- 
ben Herren fofort bei einer Buße von 12 sol. herausziigeben?%). Was 
ber geflüchtete Unfreie bis zu feiner Zurüdgabe an ben Herrn erwirbt, 
erwirbt er dem Herrn 1). 

Die Lex »Aquiliensise wird angewenvet auf ben, ber einen 
fremden Unfreien zur Flucht oder zum Diebftahl 12) verleitet, ober eine 


1) Bgl. VI. 2. ©. 198. Weftgot. Studien ©. 155. VIL 1. S. 290. VII. 4. 
©. 102, 163. 
2) T. 38. 
3) Corripere L. 38. p. 98: nur bier: vielleicht Kirchenftrafe ? 
4) Wilda ©. 592. Jaſtrow ©. 28. Brunner I. ©. 553. Schreuer ©. 209 
vgl. S. 268 neben Glieberftrafe bes Knechtes nur einfacher Erſatz vgl. 265. 
5) L. 36. Schreuer ©. 257. 
6) 12:40 sol. P. Fr. III. 20. V. 15. Geißelſtrafe für coloni und Unfreie 
die Aemter übernehmen. L. R. VIII. 1. 
7) P. F. I. 23. V. 17. 
8) 1. c. III. 24. 
9) 15, 2. 
10) L. 81 (85) p. 147. 
11) L. 98. p. 156. 
12) Ober zu Päderaftie: nur bie Vorlage. 


199 


unfreie Jungfrau nothzüchtigt). Allmählig kommen für bie Unfreien 
Hofrecht und Hofgericht auf?). 


5) Arten. Befhäftigung. 


Die Arbeitstheilung der unfreien Knechte und Mägde kann auf 
größern Beflgungen nicht unbebeutend gewefen fein, erfcheinen boch 
ſchon früher fogar Köche). Unterſchieden werten Verheirathete auf 
ihren Scholfen (in mansis manentes conjugati servi et ancilae) 
von puellae infra salam manentes, d. h. tie im Haupthof ber Herr- 
ſchaft unverbeirathet arbeiten: fie follen nur 3 Tage frobnen ®). 

Die cotidiana ancillad), die täglich im Haufe und fonft zu 
dienen hat, wird fo ber colona auf geliehner Scholle entgegengeftelit; 
aber auch von einem Beamten des Herrichers wird gejagt, er fteht 
täglich in deſſen Dienft‘). Diefe im Wohnhaufe des Herren mit ben 
Gatten zufammenlebenden Unfreien werben auch als cotidiana familia ”) 
bezeichnet und unterfchieden die infra curtem, von denen draußen auf 
den Hufen, in hobis®). In ober neben dem Gehöft bes Herrn, ber 
sala, curtis dominica, ftebt in größern Befigthümern pas Frauen⸗ 
haus ?). 

Die Mägte hatten in bem Herrenhaus und in ihren Hütten 
für die Herrichaft gewerbliche Handarbeiten zu fertigen; erfteres ent- 
iprach den Frohnden o). Sie fertigen: Linnentücher (camicile) und 
Wolltücher (sarcile) 10 Ellen lang, 4 Ellen breit!!). Die Beßren 


1) L. R. XXIH. 1a.; die Vorlage „verführt” und zwar immaturam. 

2) Könige VIII. 2. ©. 225. Stälin (V.) I. ©. 203 (ſeit wann?) Ein Fall 
Nöfterlichen Hofgerichts, servile judicium, W. U. I. 108. a. 843. Dümge R. 2. 
p. 70. 

3) T. 79. 

4) Neugart 193. a. 817. 

5) Der L. R. Rh. C. IV. 8, 3. IX. 4, 3. 

6) II. 2. vgl. Zeumer bei Waitz V. ©. 210. Täglich Frohnende heißen 
dage-wardi. Einmal bei Zeuß, W. N. 303, aber erft c. a. 1070. 

7) L. R. IX. A, 3. 

8) Urk. St. Gall. III. 306. Wartmann II. 548. a. 870. 

9) genitium, yvvarxsıov alth. >genezze« für bie vestiaria und andre 
puliculae (puellae) L. 75 (80) p. 140. 

10) Trad. Sang. 373 ancillae foris domo non magis nisi duas pisas, sive 
in lana sive in lino sint, operentur: nad) Du Cange = pensum = libra, 
aber auch bier? 

11) Cod. Laur. N. 3655, 3656. 


200 


(priore genicio) verhalten fih im Werthgeld zu ben Geringeren 
wie 2:12). 

Bon den im Haufe gezüchteten Unfreien, vernaculae, wirb oft ein 
angefaufter, emtitius, unterfchieben?). Unfreie Vaſſallen?) und Mägde 
werben auch aus ber sala heraus des Schenkers vergabt*), anpremale 
aber grabe dieſe vorbehalten, „vie bergebrachtermaßen (jugiter) in 
meinem Haufe leben „und mich perjönlich (specialiter) bedienen“ >). 
Aber au das Handwerk warb von ten Unfreien verrichtet: nicht nur 
für den Bedarf des Haupthofs des Herrn und der Nebenhöfe, auch 
zum Zweck bes Berlaufs zum Vortheil des Herrn. Es werben als 
ſolche unfreie Handwerker, welche nach einem Befähigungsnachweis für 
Rechnung ihres Herrn in öffentlichen Werkftätten für Ievermann ar- 
beiten bürfen, genannt: der Zeugfchmied, Goldſchmied, Schwertſchmied, 
Däder, Schwertfeger, Zimmermann, die Gewandmagde). Ferner wird 
— mas auh in dieſem Zuſammenhang)) Hervorzuheben ift — tie 
Arbeit bei der Urprobuction, — Landwirtbichaft im weiteften Sinn — 
wo Unfrete zur Wirtbfchaft zur Verfügung ftehen, zumal®) von ihnen 
verrichtet. Das gilt auch won der Viehzucht: die Unfreien, die als Rinder⸗, 
Schweine, Schafhirten dienen, haben ein dem Herrn zu zahlendes — 
hohes — Werthgeld von 40 sol.?). 

Das Wichtigfte der Bedeutung ver Unfreien für die Vollkswirth⸗ 
ſchaft Ing jedoch in der Beforgung bes Landhaus im umfafjenbften 
Sinne: Getreide⸗, Wald«, Jagd⸗, Fiſcherei-, Berg, Wein-, Garten- 


) LT. 7. 

2) Form. Sang. misc. 22, 23. 

3) Unfreie Baffallen in Karolingenzeit |. bei Brunner II. ©. 274, Wait« 
Seeliger V. ©. 61. 

4) Zeuß, W. N. 17 de intus sala mea. 52. a. 741. 159. a. 740. (7397; 

5) Coll. F. Sang. add. 3 vgl. oben &. 199 und S. 206. 

6) L. Alam. 81, 7. faber ferrarius, Cap. add. 44. T. 79, 80. coquus, 
pistor, faber, aurifex, spatarius. . faber, aurifex, aut spatarius, qui publice 
probati sunt. 

7) ©. unten. 

8) Aber gegen ben Irrthum von Fustel de Coulanges, histoire des insti- 
tutions etc. 1875 p. 304f., bie Aderbauer bei den Germanen feien nur Unfreie 
gewefen, ben Knapp, Hilbebrand, v. Wittich, Grundherrſchaft in Nordweſtdeutſch⸗ 
land, aufgenommen haben, treffend Weller II. ©. 312. Unfrele al® Arbeiter bei 
ber Robung, Arnold, Anfleelungen &. 2761. 

9) L. 70 (77) f. p. 137. 


201 


und Wiefen-Wirthichaft 1), was ihnen wie ten balbfreien und den freien 
Hinterfaffen oblag. Diefe Laften und Leiftungen insgemein heißen 
angaria, urſprünglich perfifch: (Poft-)botendienft 2); die Frohnden find 
auch im VIII. Jahrhundert fehr Häufig Botenfrohnden. 

Zu einem großen Hofgut, curtis, gehörte eine Anzahl von Un- 
freien ober halbfreien Dinterfafjen?), Daher bebaut ein Knecht oft 
eme Hufe!). Die Huben fammt den 6 tarauf wohnenden Unfreien 
werben im Elſaß verichentt®), oder umgelehrt die Unfreien fammt ihren 
Huben®). Zu einer großen villa Matra”) im Elfaß gehören über 100 Un- 
freie®) 31 unfreie Knechte und Mägte (mit Grunpftüden) werben 
auf einmal verfchentt). Das Jahr darauf berjelben Kirche 4219). 

Unfreie werben je mit ihrer Einen Hufe und omne peculiare 
verfchentt11), ſowie mit ihren Kindern, ein andermal mit Kindern, aber 
nicht mit der Frau12): ein casatus mit feiner Hufe und Bier⸗ und 
Getreive- Zins, und 1 Frohntag für jede Zelge 13). 

Einem »casatus« gehören zu feiner Hufe 2 Knechte und 1 Magb !t). . 


1) S. unten „Zuftände”. Weber Aderbau und Frohn der Zinsbauern und 
der Unfreien von Inama⸗Sternegg I. S. 156, 358, 383 und unten „Zus 
flände”. Meber den germanifhen Aderbau unb beffen Entwidelung überhaupt 
Meitzen I. ©. 378—598. Schrader, Reallexikon I. ©. 4. 

2; Schrader, II. ©. 636 para-veredus, Neben (Wege) Boftpierb, ebenda, aber 
Die fränkifchen Hausmeier hatten nicht ſchon Poften a. a. O. 

3) Bol. oben ©. 199: fo a. 752 zur curtis Duringa (Xheuringen) 11, zur 
curtis Hahahusir 15. 

4) Neug. 336. a.850/851 unam hobam ... quam servus meus .. de- 
bitis .. colit obsequiis. 

5) Zeuß, W. N. 1. 

6) 1. o. 

7) Schwerlich das badiſche Maerkt, Osterley p.420. (a. 1275), auf einer 
andern werben AO vorbehalten 60 a. 784. 

8) Zeuß, W. 53. a. 774. 60. u. 784. 

9 W. U. 14. Neug. 63. a. 772. Auf Einem Schenkgut leben 64 linfreie, 
ohne deren Weiber unb Kinder W. U. I. 136. Neug. I. a. 861: barımter nur 
Ein lateiniſcher Name, Venebicta: unter den 62 weiter genannten nur Ein Aaron. 
Dben ©. 125. 

10) L e. 15. Neug. 52. a. 773. 

11) Reugart 1. c. 70. a. 778. peculiare heit — ganz im romanifchen Sinn — 
ſolcher Beflg von Unfreien W. U. I. 29. Neug. I. 92. a. 786. Wiederholt ſteht 
für cum peculiis verfchrieben cum pecuniis, Zen, W. 100 a. 788. 

12) 1. c. 72. a. 779. 

13) 1. o. 77. a. 779/80. vgl. Meiten I. a. a. O. 

14) W. U. I. 24. Neug. I. 77. a. 779/80. 


202 


Iſt er felbft unfrei, was nicht erhellt, hat er eben nur Peculienrecht 
an ſolchem Beſitz. Mit Weinbergen werben 9 Unfreie verfchentt!). 
Ein andermal 9 homines (wahrjcheinlich Unfreie ohne Land) mit ber 
Verpflichtung, bie bisher dem Herzog Liutfrid gejchulbeten census 
(freta, stuofa, haribannus) fortab dem Klofter zu entrichten in 
Erfüllung eines vom Vater tes Herzogs Adalbert (pro animae reme- 
dio) geleifteten Schenfungsverfprechens?2). Mancipia gelten als partes 
fundi, taber als unbewegliche Sachen ſchon c. a. 7743). Zufammen 
mit Herten von Kühen, Stuten, Schweinen, Schafen mwurben beren 
(unfreie) Hirten verfchenft wie mit einem Hof (curtile) ber tarauf 
wohnende (manens) Knecht (servus)‘)., Miteinander werben ver- 
ſchenkt: Gold, Silber, Kleider, Ninter, caballi, animalia, porci, 
berbices, caprae und folgende UnfreieS). 

In Menge tritt Wirzburg an Fulda Unfreie und auch Freie wie 
Halbfreie mit ihren Schollen ab in dem Sühnevertrag zu Retzbach a. 
‚ 815/16%). Bezeichnend für die enge Zugehörigkeit von Unfreien zu 
Grunbeigen ift, daß, wenn befjen Früchte einem frommen Zweck zuge- 
wenbet werben, basfelbe von dem Zins ber Unfreien auf biefem Boten 
gilt: diefe Zinſe erfcheinen ſelbſt als Früchte des Gutes7“). Die Un- 
freien intra curtem, d. h. die im Haupthof Lebenden und Dienenden 
und bie in hobis, d. h. bie draußen auf Zinshufen Angeſiedelten 
werben ®) unterfchieben, aber wohlwollend wird auch deren Veräußerung 
und Entfernung unterfagt: fie follen dem befchenkten Klofter nach dem 
Tod der Niepbraucher verbleiben‘). Daher wechjelt ber Ausprud: 
„eine Hufe mit dem (zugehörigen) Unfreien felbft und all ihrer 
Zubehör" 10), aber ebenfo oft umgelehrt: „ber Unfreie mit feiner (peculia- 
rifhen) 11) Hufe“. 

1) Zeuß, W. N. 8. p. 16. Iebenslänglicher Nießbrauch vorbehalten. 

2) l. e. N. 12. p. 20. 

3) Form. Sal. Merk. 30, ich entnehme dies Zeumer p. 303 |. oben ©. 196. 

4) Zeuß, W. 54. a. 780 ebenfo F. Sangall. misc. 12 eine Herde von 
12 Stuten, 1 Beſchäler nebft Sutter, eine Kubherbe von 12 Stüd mit bem Stier 
„und bem Hirten”, eine Herbe von 60 Schweinen, „mit bem Hirten”. 

5) Zeuß, W. 62. a. 783. 

6) W. U. I. Nachträge B. C. p. 108, 409. 

7) Neug. 455. a. 869. 8) Auch Bier, f. oben &. 190. 

9) L c. 457. a. 870. 10) W. U. I. 56. a. 802. 

11) Daher in folddem Sinn: trado servum meum cum hoba sua Zeuß, W. 
131. a. 767 ebenfo Neugart N. 150. a. 805 trado Sancto Gallo serrum meum 
cum hoba sua in villa quae vocatur Pondorf. vendidi hobas II, Valdolfum 
cum uxore B. cum hoba sua et peculiarem eorum et hobam Domgisi. 


203 


In ten Weißenburger und Sanctgaller Urkunden werben oft ums 
gelehrt zuerft die verſchenkten Unfreien, dann exft bie Hufen, barauf 
fie figen, genannt!) 

Graf Urafrich verfchentt an das Mönchsklofter in Ahdorf das 
„Eigenthum“ (proprietatem) des Hugibald, ebenfo das Eigenthum 
der Freien bafelbft: danach fcheint Hugibald ein Unfreier, fein Eigen- 
tum nur peculium, und da das Eigenthum von Freien nicht von 
einem antern, auch nicht von ihrem Grafen verfchentt werben Tann, 
ift wohl nur das Recht, 3.3. Vogtei, an deren Eigenthum zu ver- 
fieben?). 

Unfreie werben verfchentt zufammen mit 6 Joch (Rindern), bie 
zu diefem Hof gehören: ver Hof (curtis), die villa wird wohl mit 
verſchenkt, obwohl das nicht gejagt ift?). Die auf eine Scholle‘) ge 
jegten Unfreien zinfen einen Theil des Crtrages, ober frohnen bie 
halbe Woche auf dem Herrnland (auch beides). Sie werden mit dem 
Gut, zu dem fie gehören, wie vererbt, jo veräußert, können aber auch 
ohne das Gut wie das Gut ohne fie veräußert, auch von dem Gut 
auf ein anderes, etwa ben Herrenhof, verjett werben). Einmal werten 
10 sol. der »redibitio« eines Unfreien für je 1 Jahr gleichgejteltt, 
d. h. der Werth der Arbeit‘) eines Jahres. 

Schenkt der Eigner eines Knechts diefen tem Klofter und ergiebt 
fich dabei jelbft auf Xebenszeit in servitium bes Klofters, fo kann da⸗ 
mit bloßer Dienft?), es Tann aber auch Unfreiheit gemeint fein. Nicht 
ein Unfreier fcheint Phruopulf, ter Land als beneficium zu feinem 
peculiare hat, das bei feinem Tod dem Klofter anfallen foll, er aber 
foll fidh die mundiburdis des Klofters unter Jahreszins wählen, d. h. 
ter Schenter, fein bisheriger Schußherr (und Eigenthümer des bene- 
ficiums), legt ihm das auf?). 


1) 3. 8. Zeuß, W. 93. a. 776. Cod. Trad. Sang. 251. N. 430. Wart- 
mann I. 13 (anno?) 

2) Neug. 604. a. 894: der Ausbrud iſt freilich juriftifch falſch. 

3) Neug. 324. a. 849. 

4) Mit Haus, Stall nnd Scheune:”servi, domus,”scuria vel grania, spi- 
carium T. 81. Du Cange IV. p. 98. VII. p. 553. 

5) Ueber die Leiſtungen ber Unfrelen nach ber Lex Alam. 22, 1—3. und 
andern Duellen alam. Rechts |. Waitz ©. 226. 

6) W. U. I. 106. Neug. I. 303. a. 842 unius servi debitum. 

7) So Wartmann I 43. a. 764 (Cod. Trad. Sang. 24, 40). 

8) Zeuß, W. 102. a. 788. Aber zweifelig iſt hierin Erfcher servus domini- 
cus resedebat, bei Errichtung einer Schentungsurfunde a. 812. Neugart 176, 177: 


204 


b) Familie. 


Da fie nicht Rechtefubjelte find, können fie nach altem Volks⸗ 
recht fo wenig wie Vermögensrechte Bamilienrechte haben). Aber ſchon 
Conftantin ſchützt die Familie von Unfreien gegen Zerreißung: ſollte 
ein Erbe einen Sclaven, ein Anderer befjen Eheweib und Heine Kinder 
erhalten, muß ſich Iener mit einem Erfaßfclaven begnügen, bie Tren- 
nung zu vermeiden ?). 

Ehe einer Freien mit dem eignen Knecht wird (römifch) an beiden 
mit dem Tode, an tem Knecht mit dem Feuertod geftraft; das Ber- 
mögen ber Frau fällt an die Hinter früherer Ehe, in teren Erman- 
gelung an ihre Verwandten; ihre Unfreien türfen bie Anklage erheben, 
unbeweisliche wird geftraft, bewiejene mit Befreiung belohnt?) Wird 
ber Verlauf eines Unfreien wegen Betruges des Verläufers rüdgängig 
gemacht, verbleibt das von bem Unfreien bei dem Käufer gezeigte 
Kind dem Käufer t). 

Nachdem die Kirche die Ehefähigfeit der Unfreien durchgeſetzt hatte, 
(oder vielleicht auch fchon früher nah Hofrecht), warb verheira- 
theten Unfreien (servi et ancillae conjugati), bie auf zugetbeilten 
Hufen faßen, verftattet, daß jeder bie Hälfte ter pflichtigen Zinfe 
(tributa), und Arbeit, Fuhren, andre Dienfte, Webarbeit leifte, aus- 
genommen Pflugfrohn, aratura, dieſe wohl ter Mann allein®). 

Heirathet eine reigelafine einen Kirchenfnecht, wird fie Unfreie 
ber Kirche. Heirathet aber eine freigeborne Alamannin einen Kirchen- 
fnecht (unwiffentlich), und lehnt fie die Magdarbeit ab (si ser- 
vitium opus ancillae contradixerit), darf fie frei banongehn: eine 
Milde, die eben die Unmilfentlichleit vorausfegen läßt (ihre auf 
dem Kirchenboden gebornen Kinter haben aber als Unfreie bort zu 
bleiben): jedoch muß fie oder für fie ihre Sippe binnen 3 Jahren 
bie Magdarbeit ablehnen, und ihre Freiheit öffentlich vor dem Herzog 


eim Unfreier des Königs oder bes Kloſters, der ben Richter vertritt? Vgl. Du Cange 
VII. p. 142 und Neugart; an Weftgotifches ift aber nicht mit Neugart zu benfen. 

1) Kühne, die Gefchlechtsverbindungen ber Unfreien im fränkiſchen Recht 
(auch über das alamannifhe S. 9, 10, 20, 33), in Gierke's Unterfuhungen 
XXI. 1888. 

2) L. R. Rh. C. II. 23. 

3) L. R. IX. 6. 

4) So in Abänderung ber Borlage L. XIV. 14, 3. 

5) Neug. N. 193. a. 817. 





205 


oder Grafen im Gericht erwiefen, wibrigenfalls fie fich verfchwiegen 
bat!). 

Ein Freier bat ein Mädchen gebeirathet, das damals als Freie 
febte („frei war”), aber fpäter vom Klofter al8 Unfreie in Anſpruch 
genommen warb: um bie beiden Kinder vor ber Unfreiheit zu ſchützen 
(die alfo guter Glaube nicht ausfchloß), überträgt ver Vater tem 
Klofter eine überreih gemehne Hufe Rodland (runcalem hobam 
etiam et amplius continentem), auf ber bie Kinder lebenslänglich 
'al8 Freie) leben und ten Jahreszins von 1 sol. in beliebigem Werth, 
ſowie 4 Tage Frohn bei der Aerndte oder Wiefenarbeit leiften follen: 
verfucht die SKlofterleitung (potestas monasterü) tiefe Bindung zu 
brechen ober fie fortzufchaffen (alienigenare), fällt ta® Eigenthum an 
ben Bater zurüd: verlaſſen fie ſchuldhaft, 3. B. wegen Verbindung 
mit fremden Weibern, das Gut, fallen. Befig und Nutzung an das 
Kloiter?). 

Der Eigenthümer eines Unfreien verbrieft ber Freien, bie er ges 
heirathet , und ben Kindern bie Freiheit, zumal auch Zinsfreiheit für 
ihr Vermögen. Doc jollen fie tem Herren bezahlen (den Zins), 
den fie für bie manus (mundeburdis) fchulden®). In fpäterer Zeit 
folgten nach alamannijchem Recht nicht alle Kinder, nur die Hälfte ber 
ärgeren Hand). 

Eine Urkunde läßt die Kinder einer Kloftermagb mit einem Freien 
zu gleichen Theilen (bei ungleicher Zahl der Weberfchuß dem Kloſter) 
zwifchen bem Kfofter als vefjen Umnfreie und als Freie theilen: »juxta 
legem Alamannorum?): da nun bie Lex feine folche Beftimmung 


1) L. 17 (18) p. 80. 

2) W. U. I. 116. Reug. I. 332. a. 850. 

3) Form. Aug. B. 41 debetum [sic] tuum quod tibi debuunt (sic) pro id 
ubi mannus [... ?] Rozietre »ubi manent« (?). Ueber epistolae concul- 
estariae bes Kloſters bei Heirath einer Freien mit einem Kloſter⸗Knecht Form. 
Als. 18. Könige VIII. 2. S. 292. 19, auch freie Wahl der mundeburdis. Merk⸗ 
würdig in mehr als Liner Hinficht iſt Neng. 661. a. 907. Si uxorie mae 
Engilsindae, quam a rectoribus monasterii in compensationem praesentis 
traditionis impetravi, servilis exactio .. relaxetur, tunc conjux mea mihi 
superstis ipsam traditionem .. tempore vitae suae possideat. si vero servile 
opus agere compellatur, ego potestatem habeam de hereditate mea. Hier 
ift nicht eine wiberrufliche oder bebingte Freilaſſuung anzunehmen, fondern Be, 
ſorgniß vor widerrechtlicher Zurädzwingung in Unfreiheit, wie ja ſolche Ber 
unrechtung oft auch von Seite des Königs oder ber potentes geflirchtet wird. 

4) Bol. Stältn (&.) I. ©. 157. a. a. O. oben ©. 190. 

5) Nengart N. 70a. I. p. 576. 


206 


enthält‘), fo ift für diefen Fall ein Gewohnbeitsrecht der alamannifchen 
Klöfter (Sanct Gallen) anzunehmen 2). 


6) Werth. 


Wegen diefer Mauchfaltigfeit der Verwendung, ja wegen ber Un- 
entbehrlichfeit bei den wichtigften Wirthfchaftsbetrieben bilden vie Un⸗ 
freien einen höchſt werthvollen Theil des Vermögens, felbftverftändlich 
gar verfchieden abgeftuft, nach tem Gebrauchswerth. 

Ein Unfreier (beftimmter Größe!) wird gleich einem Joch Landes 
gewerthet?). Einmal will es fcheinen, als ob bie Fahresleiftung eines 
Unfreien auf 6 Denare gewerthet wirb®). 

Der Schweinehirt wird fchärfer geſchützt als der Roß⸗ (statarius), 
Schaf. (berbigarius) und Kuhhirt (vaccarius): werben fie auf der Straße 
von Zweien gebunden und gehalten, vom Dritten geichlagen, 9 sol. 
Buße; auch bei andern Mißhandlungen das Dreifadhe ver Buße wie 
für andere Knechtes), jene drei anderen Hirten erhalten das Doppelte 
ber Buße der andern Knechte 6). Freilich fteht der unfrele Hirt bei 
ber Bergabung oft hinter Herde und Hund”), aber auch wohl voran. 

Wegen jenes hohen Werthes behalten ſich Schenker und antere 
Vergaber bei ver Veräußerung von Land oft alle oder doch einige dazu 
gehörige Unfreie vor®), vie Klöfter aber wohl auch wegen der Seel- 
forgpfliht). 12 beliebig zu wählende Unfreie nimmt der Schenker 
von ber Landſchenkung aus 1%), während regelmäßig mit den Ländereien 
zugleich ausdrücklich die zugehörigen mancipia verfchenft werben 1). 


1) Auch nicht L. A. 17 (18) 2, wo (umgelebrt) die Kinder einer Freien mit 
einem Kirchenfnecht ſämmtlich Kirchenknechte werben. 

2) Bol. Kühne, Gefchlechtsverbindungen S. 33; daß lex auch = consuetudo 
f. unten „Geſetz“. 

3) v. Arx, St. Gallen I. ©. 53. Cod. tradit Sangall. N. 28. 

4) Denn nad den 6 Denaren beißt e8: in eundom censum id est minus 
servire debitiorum Neugart 303. |. 842 oben ©. 205 Anm. 5; vgl. servitium, 
unius debitum servi. 

5) Bgl. T. Fr. II. 52. 

6) 1. e. V. ©. 200. 

7) F. Sang. mise. 12. Oben ©. 202. 

8) W. U. I. 110. a. 844 absque maneipiis 1. c. 123. Neng. I. 75. 413. 
a. 779. 176. a. 812. 128. 377. a. 858. 301. a. 842 und oft. 

9) Bol. Könige VIII. 5. S. 283. Neugart 100. a. 787 excepto mancipiis. 

10) Neug. 401. a. 861. 
11) So fehr oft in ben Urkunden für Klofter Wifant-fliig von a. 861. 
Neug. 406. N. 329. a. 869. N. 377. a. 858. 


207 


Der Vorbehalt von Unfreien bei Landſchenkungen war aber doch 
fo häufig, daß bie Formulae ihn vorausfegen!). Wegen biefer Schwer- 
entbehrlichleit wird auch Anfechtung ver Schenkung bon Unfreien durch 
die Erben beforgt?}. 


7) Werthgeld. 


Ein Wergeld können die Unfreien nicht haben, da ſie nicht 
Glieder des Volkes ſind, nur ein nach jenen Eigenſchaften (oben S. 206) 
abgeſtuftes Werthgeld?). Ganz richtig unterſcheidet auch das Geſetz 
bei Zödtung eines Freien das Wergeld (weregildum) von dem Werth. 
geld (precium) bei Zöbtung eines Unfreien „oder eines Thieres“t). 

Das Werthgeld des getöbteten Unfreien ift daher an den Herrn 
(nicht — wie das Wergeld — den Erben) mit 12 sol. zu zahlen wie 
für einen Reithengſt. Doch wird Klöftern fpäter zumeilen eine Art 
Wergeld — Werthgeld (30, 36 sol.) für Töbtung ihrer unfreien wie 
freien Hinterfaffen eingeräumt). 

Das Werthgeld heißt treffend „Kopfgeld“, »capitale«. Es fteigt 
von 12 (al. 15), dem Anfa& für ben gewöhnlichen Unfreien (= dem 
Erfagpreis für einen Dengft) bis auf 40 und 50 sol. für einen 
höherer, feinerer Dienfte, Gewerbe, bebeutfamer Vertrauensftellung 
fähigen: nicht nur für die Vorfteher des unfreien Geſindes, Seniftalt 
und Marftalt, auch für Gold- (50 sol.) und Waffenfchmieve (40 sol.), 
ja für Bäder, Köche und fogar für die Hirten der Schaf- und ber 
Scweine-Herten. Breilich fpricht auch beim capitale, houbit-Scha& 
das Geſetz (ungenau) von componere®): bier vergüten, erjegen. Das 
des Kron⸗ oder Kirchen⸗Knechts7) beträgt ftets 458). Lehrreich ift bie 
feltifche Werthung: eine Unfreie = 3 Kühen 9). 

Die unfreien Knechte und die unfreien Mägde find alfo geringer 


1) 3.8. F. Aug. B. 14, 15, 16. 

2) NRengart 291. a. 839. 

3) Könige VII. 1. ©. 278-283. VII. 2. ©. 220f. Jaſtrow, SHaven 
5. 27. Freie: Leten: Unfreie = 6:4:3. 

4) P. Fr. DI. 17. V. 12. 

5) Zenß, W. p. 303. c. a. 1060. Grandidier II. p. 223. 

6) L. 3. p. 69. 

7) T. 8. cap. add. 74, 79, 98. P. Fr. UI. 27—28. L. 67 (74) p. 135. 
vgl. L. 72—74 p. 138—139. 

8) T. 8. 

9) Zeumer bei Meiten I. &. 278. 


208 


gewertbet und minder durch Vermögensbußen gefchügt als Lete und 
Letini). Ober ber Töbter ftellt einen andern Knecht, der aber genau 
beftimmte Körperlänge haben muß: nämlich 13 (offenbar verfchrieben) 
Handbreiten (palmae) mit eingebogenen Daumen und 2 Fingern in bie 
Zänge „und zu bem Werth bes Anbern (12 sol.) füge er noch 3 sol., 
was 15 sol. macht“: jenes Körpermaaß ijt uralt2). 


8) Beräußerung. 


Verkauf der Unfreien, auch ohne die Scholle®), innerhalb der Pro⸗ 
vinz wirb ausbrüdlich verftattet, nur aus ber Provinz hinaus (obzwar 
innerhalb bes Frankenreiches) an bie Erlaubniß des Herzogs geknüpft 
(nad Frankenrecht war fie ganz verboten). Verlauf ohme folche wird 
nah einem auf der Stammesverfammlung vereinbarten Geſetz mit 
dem Friedensgeld und Verwirkung des Kaufpreifes (an den Herzog) 
gebüßt®). Nicht bloß Schuß vor Abfall zum Heidenthum, auch Er- 
haltung der wichtigen Arbeitskräfte bezwedt das Verbot „aus der Pro⸗ 
vinz hinaus“, benn auch an Chriften (extra provinciam) darf nicht 
verkauft werben, alfo- auch nicht in andere chriftliche Provinzen des 
Frankenreiches 8). | 

Dei Berfauf eines Unfreien wirb bie alte römifche Formel wieber- 
holt: non furo, non fugitivo, sed sana mente et omnia corpore®). 
Wer einen Unfreien als verläffig verkauft, bat (in Churrhätien) dem 
Käufer, falls jener flieht, ven Kaufpreis und was der Flüchtling mit- 
genommen, zu erfegen”). Nach der Vorlage hat ter Verkäufer eines 
Unfreien, der eine Runftfertigfeit oder ein peculium deſſelben betrüg- 
(ich angegeben, den Preisunterjchied zu erfegen, oder das Gefchäft 


1) P. II. 4549. L. 49. 

2) Bgl. I. Grimm R.⸗A.“ I. S. 138 („Die Würme”), (wo aber unfere Stelle 
L. 8. p. 75 fehlt) balb represso [hier replicato] police, bald mit erhoben Daumen. 
Was bebeutet bie Borfchrift, der flir einen Unfreien einzutaufchenbe muß wenigftens 
zwei Hände lang fen? Scherzhaft gemeint? W. U. 11. Neug. 47 ober iſt gemeint 
zwei Hänbe Länger? ober bloßer Schreibfehler filr 13 palmae? 

3) Zeuß, W. 72 und oft: cum peculiare suo Verſchenkung meift mit ber 
Scholle. Schenkung eines Unfreten et quidquid idem servus habere visus fuit. 
Cod. Laur. 128. a. 814; einmal 52, dann 32 u. |. w. 

4) L. 37. p. 97 über die Gründe f. unten; er heißt, wenn in’s Ausland 
verfauft: captivus, weil Kriegsgefangenſchaft Unfreiheit begränbet. 

5) L. 37. p. 97. 

6) Zeuß, W. 183 in tempore Carolo. 

7) L. R. XXIV. 16, 1. 


209 


wirb rüdgängig gemacht: baraus macht bie Lex: ber Verkaufte kann 
fich felbft Losfaufen !). _ 

Ein fchöner Zug des Gemüthes ift bie bei Veräußerung von Un- 
freien oft hervortretende Sorge für deren Wohlergehen unter dem neuen 
Herrn. So beftimmt Graf Kataloh für feine dem Klofter fammt bem 
Lande gefchentten Unfreien2): I. das Kloſter darf denen allen (ven servitores) 
nicht die vom Schenter ihnen auferlegten servitia, tributa, functiones 
mehren. Danach haben II. vie verheiratheten (servi vel ancillae con- 
jJugati et in mansis manentes) auf den Hufen Wohnenben Zinfe, 
Spanndienfte (vehenda), andre Frohnden, Webefrohnden zur Hälfte 
zu leiften®). Ausgenommen Pflugfrohn (diefe 6 Tage) bis zur Vollen- 
bung der Pflugarbeit. III. Mädchen, im Haupthof wohnend (eben- 
falls?) 3 Tage für ſich, 3 Tage für das Kloſter). IV. Was bie 
Alamannen Chiltiwerch nennen, follen fie gar nicht leiftend). V. Ver⸗ 
bot, fie wiber ihren Willen aus ber Grafſchaft hinaus oder (auch im 
der Brafichaft) zu beneficium zu geben, wibrigenfalls fie der alsdann 
lebende Erbe des Schenker wegnehmen und andern Frohnklöſtern 
ſchenken fol. VI. Vorbehalt, 30 beliebig gewählte Unfreie von ben 
Schenkungen auszunehmen. 

Wird bei Verſchenkungen von Unfreten gejagt: „fie follen dem 
Klofter dienen (serviant), wie fie bisher mir dienten“, fo beveutet das: 
„nicht ſchwerer als bisher mit Zins und Frohn belaftet”, auch wohl 
unter Belafjung des peculiums®). Auch begegnet die Auflage, daß 
bie verſchenkten Unfreien nur 2 Tage in der Woche frohnen müfjen, 
und nicht zu beneficium gegeben werben bürfen, letteren Balls 
nimmt fie der nächfte Erbe des Schenters als fein Erbeigen in Anfprudh ?). 


1) L. R. XXIV. 14, 3. 

2) Neugart N. 193. a. 817 servitores = mancipia. 

3) Quasebet, 1. quaslibet dimidia d. h. drei Tage in Der Woche (?] 

4) Opus ad vestrum, ſ. Köntge VIII. 5. ©. 7. 

5) D. h. den Abend Über bis zur Nacht fortgefettte Arbeit: |. 3. Grimm R.⸗A.“ 
6.488. Graff IV. 654: Schweizerifch Ehilt-gang, Abend⸗-gang: alt. Kveld, ahd. 
ehiwilti f. oben Reallerikon S. 2 Schraber, ſchwed. quivill, chivil-tid. 

6) Neugart 1. c. 13. a. 744 sic quomodo mihi servierunt, sic in antea 
serviant. 

7) W. U. I. 106. Neng. 303. a. 842. Häufig ift auch ber Tauſch 3. ©. 
unfreter Mägde Neug. 572. a. 886 vgl. 338. a. 850. Weber Thetlung der Un- 
freien, auch bei Vererbung Arnold, Anfiebelungen S. 276f. 


Dahn, Könige dev Germanen. IX. 1. 14 


210 


9) Lron- und Kirchen⸗Knechte!). 


Wie im ganzen Frankenreich find Kron- und Kirchen⸗Kuechte viel- 
fach bevorzugt. Unfreie der Krone?), des Herzöge, der Kirche!) erhalten 
das Dreifache des Werthgeldes gewöhnlicher Unfreier, nämlich 45 ftatt 
15 solt). Zu einem Töniglichen mansus gehören 7 unfreie Kuechte 
und Mägbe: fo ein Ehepaar und befien Kinder und Enkel: folche ver- 
mehrten aljo in Ermanglung anbrer Verfügung bie Zahl der Unfreien 
auf dem von ihren Aeltern und Großältern bewirtbichafteten Gut>). 
Die Zahl ver Kronknechte, servi fiscalis, wirb durch zur Strafe ver- 
knechtete vermehrt ®). 

Der Befig der Kirchen an ven Unfreien wirb durch Vorrechte 
geſchützt; dreifach (wie das ber Kronknechte)”) ift ihr Werthgeld, wie 
Zöbtung wird Raub, Berlauf außer Landes, Weigerung ber 
Herausgabe des Geflüchteten geftraft). Kann ber geraubte nicht 
beigefchafft werben, ift ein &leichwerthiger zu leiften und bie Häffte 
bes Werthgelves in Gold zu zahlen). (Andere Kirchenfachen, geraubte 
ober geftohlene, müfjen mit 27 fachem Erſatz zurüdgegeben werben) 19). 
Sie find fo werthvolles Eigen, daß fie nicht verkauft, nur gegen antere 
vertaufcht werben bürfen!1). 


1) Könige VI. 2. S. 203f. VIII. VII. 1. &. 281, 228—235. L. Alam. 22, 
1-3. W. 63. Sangall. 228, 373, 385. Wait IIL ©. 226. Zeuß, W. 63. 
Bluutſchli I. ©. 49. 

2) Ueber die Krontuchhte, Waitz⸗Zeumer V. S. 225, wo ausgeführt wird, 
fpäter habe fiscalini lebiglich eine höhere, beſſer geftellte Schicht von Unfreien über- 
haupt bezeichner, nicht bloß Lönigliche und auch nicht einem Krongut früher an- 
gehörige [Wait ſelbſt nimmt ja an, baß ſolche wenigftens früher zu einem 
Krongut gehört hätten]: in farolingifcher Zeit jebesfalles aber noch nicht; gegen 
bie Unterſcheidung von servi fiscales unb fiscalini bei v. Wyß 2. f. ſchweizer. 
R. XVIL 6 und Hegel, Kieler Monatefchrift 1854 mit Recht Wal IV. S. 319 
und Waitz⸗Zeumer V. S. 225. 

3) (servi) ecolesiastici werben zumal im X. Jahrhundert nur felten noch 
genannt. 

4) Servus regis s. eoclesiae T. 8. feminae quae in ministerio ducis sunt 
T. 33. 

5) Neug. 521. a. 880. 

6) L. 39. p. 99. 

7) Ueber die vielfache Gleichſtellung von Kirchen⸗ mit Kronknechten Könige 
VII. 1. S. VIII. 2. Waitz IV. 351. Waitz⸗Zeumer V. ©. 228. 

8) L. AL 8, 21. 

9) L. 7. p. 75. 10) L. Alam. 7, 1. 

11) L. 18 (19), 20 (21). p. = 81, 82. 


211 


Dei Loslauf von Unfreien ließen ſich auch bie Kirchen!) gar 
theuer bezahlen: fo erhält Sanct Gallen für eine Magb und beren 
beide Zöchter fowie künftige Kinder eine Hufe und 10 Unfreie2). 
Die Feftftellung ver Leiftungen der Kirchentnechte geſchah früher als 
bei den andern Unfreien wegen ber Tanonifchen Vorfchriften über bie 
Sicherung des Kirchenvermögens!). Während die Capitularien fich 
alfgemeiner Feſtſetzung ber Zinfe und Frohnden ter Kirchenunfreien 
für das ganze Neich enthalten, vegelt fie dies Stammesrecht und zwar 
glimpflich: Die Knechte haben jährlich zu entrichten 15 siclae*) Bier, 
1 Schwein, werth 1 Tremiffe, 2 modii („Mater“) Brod, 5 Hühner, 
20 Eier; ferner von ihrem Aderertrag5) bie Hälfte, wie fie auch von 
ben 6 Wochentagen 3 auf dem Herrengut (in dominico) frohnden 
ſollen. Ebenſo werben die Leiftungen ber Kirchencolonen allgemein 
geregelt, indem fie benen ber Kroncolonen gleichgeftellt werben). 
Die Zinfe der Kirchentnechte beftehen meift in Naturalien: Wachs, 
Brod, Bier, Eier, Hühner, Schweine”). 


3. Die Sippe. 


Wir fahen®), daß bald nach Uebergang zu ſeßhaftem Aderbau 
auch Sonbereigen ver Sippehäupter am Boden zugetheilt wurde, das 
anch vererblich war, falls nicht das vertheilte und das Almännde⸗Land 
wieder verlafien wurde, was anfangs noch häufig vorlam. Daraus, 
daß 2 Sippen (genealogiae) um Land einen Gränzftreit führen), darf 
burchaus nicht gefolgert werben, daß es fein Sondereigen Einzelner an 
Land gab: das Gegentheil erhellt aus zahlreichen Stellen 19). 


1) Bol. Könige VII. 5. ©. 283. 

2) Neng. R. 557 allerdings aus bem »peculiume ber Rosgelanften. 

3) L. Alam. 22. 1. Baj. 1. 13. 

4) Du Cange VI. p. 469 urfpränglich 1/s stater „Eimer?“ 

5) arativum Du Cange I. p. 352. vgl. agrarium ber Lex Baj. I. 13. 
Lindenberg im Gloſſar verficht es nicht von Zins, fonbern von Krohn: davon 
fpricht aber erſt ber Schlußſatz: tres dies: Übrigens iſt ber Tert werberbt: bie 
servi eccolesiastici am Schluß finb doch nichts anbres als bie servi ecclesiae 
im Eingang. 

6) I. c. 22 (23). p. 83. 

7) T. 22 f. unten „Zuftänbe”. 

8), Könige I. ©. 1. D. G. I a. ©. 168. Urgeſch. 2. I. ©. 69. Bel. v. 
SnamaSternegg I. ©. 72, 102. 

9) L. 81 (84) p. 145. 

10) L. 17 (18). p. 80 exadoniare b, 7 idoniare vgl. 43 (44). p. 104. 

14* 


212 


Die Sippe, die parentes, haben Recht (unb Pflicht), die Freiheit 
ihrer als Magb in Anfpruch genommenen, weil mit einem Uufreien 
(unwiſſentlich?) verheiratheten Verwandten zu erweifen!). Aber bie Sippe 
ift Damals noch nicht als juriftifche Perſon, auch nicht als fogenannte, 
„beutfch-rechtliche Senofienichaft" mit Gefammter-Hand conftruirt2). 

Ueber das Beiſpruchsrecht und das Erbrecht ber Gefippen unter 
Ausschluß Lestwilliger Verfügung — ausgenommen zu Gunften ber 
Kiche — unten „Erbrecht“. 


4. Die Vachbarn. 
Die Nachbarn waren urfprünglid) — bei ber erften Nieberlaffung 
— bie Gefippen geweſen?), was ſich allmählich ſelbſtverſtändlich änderte. 
Aber auch fpäter werben die Nachbarn berufen, um als Beftunter- 
richtete im placitum über Zuftände und Geſchehniſſe in Dorf und 
Mark einlich auszufagen*). Genaueres fiehe unten „Gerichtsweſen“ 
und „Zuftände". 


1) Baumann ©. 411 behauptet Vertheilung bes Sonbereigens nicht an 
Einzelne, fondern an bie Sippen: gegen jenen alten Irrthum f. Urgeſch. I. 270 f. 
D. G. I a. ©. 170; das follen die Ortsnamen auf ingen beweiſen: richtig ift 
nur Rüdfihtnahme auf bie Zahl der von bem Sippenhaupt (faramannus) zu ver- 
forgenben Köpfe bet ber Zumeſſung feines Sonbereigene. Mag bei den Germanen, 
fo lang fie nicht won den Slaven getrennt waren, wie bei biefen ftatt Sonber- 
eigens nur Eigen ber „Markgenoſſenſchaft“ am Boden befanden haben, — ſchon wor 
Tacitus gab e8 Sondereigen des Faramannıs am Lande neben ber Almännde unb 
neben bem Gränzwald. D. G. a. a. O. Nah Baumann S. 411 warb bas Land 
unter bie Sippen durch das 208 vertheilt: danach konnte eine Sippe von 6 Köpfen 
mehr Land erbalten, als eine von 60: die Undenkbarkeit ſolchen Verfahrens ift 
längft nachgewiefen. Urgeſch. I. 2. a.a. O. von Wietersheim-Dahn I. ©. 17, 19. 
Könige III. S. 10. VI. 2.©. 52. VII. 1. &. 100 f. (daſelbſt das Erforberliche Über 
sors und Lofung); unerfinblich iſt wie nah ©. 416 bei ver blinden Lojung bie 
Kinderreichen und bie Edeln bevorzugt werben konnten; bie Edeln wurben nur 
infofern bevorzugt, als fie meift viele Köpfe zu verforgen hatten; anders Baumann 
©. 417. 

2) Richtig Heusler I. &. 258. Leber den Sippenverbanb und beflen Wir 
tungen in Kampf, Blutrache, Felbwirtbichaft, Opferverband Schrader II. ©. 771 .: 
un-sibis = a-vonos Hildebrand, Hecht und Sitte auf bem verfchiebenen wirtk- 
ſchaftlichen Culturſtufen I. 1896. 

3) Könige VII. 1. ©. 298. Weber das Erbrecht ber Nachbarn v. Halban, 
Immobiliarr. S. 303, 369 Über deren Eingriffe &. 366. 

4) Trad. Bang. 395, 585. Nur beifpielshalber als ber thatſächlich häufigſt 
Betheiligte, {ft ber Nachbar genannt L. A. 369 vicino suo aut qualiscumque 
persona eum mallare voluerit Trad. Sang. 331 jurnales (Tagwerfe) quas con- 
paravit illos vicinos b. h. Markgenoſſen. 


213 


5. Die Sremden. Die Juden!) 


Außer den häufigen Pilgerfahrten nach Rom?) wird einmal auch 
ſchon eine nach Jeruſalem erwähnt?). Bei den Ungläubigen wurden fie 
dann auch wohl ale Späher angejehen und eingelerkert‘). 

Auch bei Juden werben vom (römiſchen) Necht5) »majores (An- 
gefehnere) ihres Glaubens« unterjchieven. Auch bier betrieben befonvers 
Inden ven Verlauf von Unfreien, ja auch — gegen 2 Verbote — von 
Freien in das Ausland®). Als Sclavenhändler werden auch in fpäterer 
Zeit”) noch Juden vorausgefegt. ‘Der Webertritt zum Judenthum wird 
nit Vermögenseinziehung beftraft: ten Ehrift geworben Juden follen 
nicht die Juden beunrubigen 9). 

Nach ftrengerem römischen Necht darf der Jude chriſtliche Unfreie 
nicht eignen: doch hat bies keine rückwirkende Kraft: er kann fie alfo be- 
balten, aber er darf fie nicht von Chriften (wohl aber von Juden?) 
erwerben, weil fie folche gar eifrig (mit Beichneibung) zum Judenthum 
bekehrten. Ein folcher wird wieder gechriftnet und der jüdiſche Käufer 
verliert ben Kaufpreis wie ven Gelauften®). Der befchnittene Unfreie 
wird frei 19). 

Ehen zwifchen Chriften und Juden find verboten, werben als 
adulterium geftraft, und zwar auf Anklage nicht nur von Verwandten, 
fondern von Jedermann (Popularflagen) 11). Auch das römiſche Necht 
Ipricht nur von den Juden in Churwalchen, „bie bei ven Römern 


1) Könige VI. &.410. VOL. 1. 306. VIII. 2. ©. 240. Weftgot. Stubien 
8.53. Karl Brunner, droit d’aubaine und Wilpfangsrecht 3. f. vergleichende 
Rechte und Statewiffenfhaft III. 1897. ©. 101; über die Fremden im Strafrecht 
Wilba ©. 672 f. 

2) VIII. 2. ©. 240. Zettinger, bie Berichte Aber Rompilger aus dem Franken⸗ 
seiche bis zum Jahre 800. Röomiſche Ouartalfchrift XI. Supplementheft 1900. 

3) Stälin (B.) I. S. 390. a. 902. 

4) So Sanct Willibalb In Emeſa vita p. 336. 

5) L. RC. 11.1, 8. 

6) Annal. Bertin. a. 839. Juden früh in Augsburg? Beweisloſe Ber 
muthung bei v. Stetten (1743). p. 13. 

7) Unter Seinri IV. f. Wait VIII. ©. 295. 

8) L. R. XVI. 2. 2,3. 

9) Wirb biefer frei ober fiscaliſch oder fällt er an ben Verkäufer zurüd? 
Die römifche Geſetzgebung hatte hierin geſchwankt. L. R. Rh. C. IIL 1,5. 

10) L. R. XVI. 3, 

11) L. R. Rh. C. II. ©. 2. IX. 4. 4. 


214 


wohnen und verkehren" 1); dadurch find fie als Fremdlinge, als 
Niht-Römer?), bezeichnet, während bie römifche Vorlage fagte: „pie 
Juden, die Römer find”: — ein beveutungsvoller Unterfchier. Im 
rein jübifchen Fällen türfen fie nach jüdiſchem Recht leben (und vor 
ben »majores« ihres Glaubens Recht fuchen)®); in gemifchten Fällen 
richten vie chriftlichen Richter nach Ehriftenrecht. 

Bemerkenswerth ift ber Unterfchieb der Behandlung von Juden 
und Samaritern (follte e8 deren damals in Churrbätien gegeben haben?). 
Die Lex wendet ſich gegen bie Chriften, bie fie zu Beamten ober 
Vertretern beftellen, die Vorlage gegen jene Ungläubigen felbft: fie 
jollen nicht Richter, nicht actores fein, nicht über Chriften richten, 
(die Vorlage verwehrt ihnen noch andere Aemter, verbietet ven Bau 
von Synagogen, bieje werben chriftliche Kirchen); beide betrafen bie 
Verkehrnng eines Chriften zum Judenthum an ben befehrenden Juden 
mit Tod und Vermögenseinziehung?t). 

Vielfach lehrreich ift Erneuerung der verlornen Beftätigungsurkunte 
für den Juden Gaudiscus und deſſen Söhne Jacob und Vivacius — 
fie haben ererbtes Grundeigen — burch Ludwig I. a. 839%). „Un 
glaublich" fand man die That eines alamannifchen Diafonus Bodo, 
ber, vom Knaben auf im Palaft Ludwigs I. in ber kirchlichen und 
weltlichen Wiffenfchaft erzogen, mit deſſen Erlaubniß mit reichen Ge- 
fchenten eine Wallfahrt nach Rom unternommen, aber unterwegs — offen- 
bar aus Leidenfchaft für ein Iubenmäbchen, um dies heirathen zu 
können — zum Judenthum übertrat, fich befchneiben, Haar und Bart 
wie ein Jude wachſen ließ — alfo beftand befondere Judenweiſe hierin — 
den Namen Elenzar und den Wehrgurt annahm, feinen Neffen eben- 
falls überzutreten zwang, feine andern Begleiter im Bund mit Juden 
an bie Heiden verkaufte und zulest nach Saragoffa (zu ben bortigen 
Heiden und Juden) entfloh®). 


1) L.R. Rh. C. II. 1. 8. 

2) Könige VII. 1. ©. 306. VIII. 2. ©. 243. 

3) Ueber das Sonbderreht der Juden Waitz⸗Zeumer V. ©. 420. Waitz⸗ 
Seeliger VI. &. 518. Heusler I. S. 147; aber bie Zeiten (Bollsrechte und Mittel- 
alter), find mehr auseinander zu halten: „unangefochten” &. 150 waren fie doch 
auch unter Ehilperich nicht: richtig vgl. K. v. Maurer, Krit. Biertel.-I.-Schr. IV. 
S. 564 Ketzer waren fie nicht, wohl aber Bollsfrembe, anbers Heusler ©. 148. 

4) XVII. 1. 3. 

5) Bouquet VI. p. 624. Weber die Juben zumal ale Kauflente, im ber 
nächften Zeit Wal Zenmer V. &. 419. Golbſchmidt, Handelsrecht 3. I. ©. 107 
und bie reiche Literatur daſelbſt. 6) Annal. Bertin. a. 839. 


215 


2. Berfaffung!). Recht. Zuftände. 
A. Die einzelnen Hoheitsrechte. 


1. Sefeggebungs- und Berorbnungss Hoheit. Rechtsquellen?. 
1. Allgemeines. Die Namen. 

Die gefegebende Gewalt für die Alamannen ftand einmal ohne 
Zweifel zu dem fränkischen Reichstag unter Leitung bes Königs: Neiche- 
recht brach Stammrecht: ſowohl Capitularien, die für das ganze Reichs» 
gebiet gelten, wie auch folche, die nur das alamannifche Stammesrecht 
berühren wollten, kamen in erfter Reihe zur Anwenbung?). Aber Hinter 
dem Neichsrecht ftand das Stammesrechtt), wie e8 auf den Stammes- 
verfammlungen unter Leitung bes Königs, meift aber bes Herzogs, 
vertragen (convenit) ober bejchloffen wurdes). Daher kann geſagt 
werben, „Herzog und Volt haben nebeneinanter einen Rechtsſatz in 
offnem Ding feitgeftellt”‘). Wenigftens in ber Zeit ber Löſung von 
ber merovingiſchen Königemacht (ca. a. 638— 700) Hat ber Herzog auf 
den Stammesverfammlungen und mit ihnen bie Geſetzgebungshoheit 
allein geübt”). 


1) Die ſtatsrechtlich anziehendfte Frage, die nach dem Verhältniß zwifchen 
Frankenkönig und Alamannenberzog, ben Rechten des Einen und bes Anbern und 
den Schwanfungen hierin von a. 496 bis a. 746 Tann erft am Schluß Diefer 
Unterfuchungen — nah Prüfung der einzelnen Hoheitsrechte — erörtert werben. 

2) Bgl. Wurftenberger I. ©. 294—309. v. Sybel? S. 366, (mo aber bie 
Lex Alam. S. 362 fehlt) W. Sidel, Freiſtat S. 177. Luſchin I. ©. 34. 

3) Eine Anfammenftellung ber für alle Stämme bes Reiches erlaſſnen 
Capitularien f. bei Bert Legg. I. p. 257. N. 145—147. 173; vgl. Merkel de r. 
©. 49, 50 der fehr mit Unrecht bezweifelt, daß bie Reichsrecht fchaffenben 
Sapitularien Karls über Hochverrath auch für Alamannien galten und, ebenjo irrig, 
Körper- und Lebens-Strafen an Fsreigebornen (nach der Merovingenzeit) für aus⸗ 
geſchloſſen, durch Buße und Wette erſetzt erachtet: und die Sachſen⸗Geſetze mit 
ifrem morte moriatur? 

4) Veber das Verhältniß zwifchen Reichsgefeb und Stammesrecht Befeler, 
über die Geſetzeskraft der Eapitularten, Feſtgaben für Homeyer (Sonberabdrud) 
&. 11, (richtig S. 18 gegen Boretius), richtig gegen Sohm ©. 23. , 

5) Ueber die Borausfegungen des AZuftanbelommens von Stammesrecht 
D.©. I. ©. 657. Könige VII. 2. S. 31. 3. ©. 417, 529; anderer Meinung 
R. Schröder, Neuere Forſchungen ©. 224. 

6) L. Al. 40, 3. 41, 3. 

7) Convenit omnibus majoribus nato populo Alamannorum una cum 
duce eorum Lanfrido vel ceterorum populo adunato, Sanct Galler Eob. a. 793, 
Archiv VII. ©. 756; dagegen Königliche Gefeßgebung Stälin (®.) I. S. 199. 


216 


Diefes Landding oder Stammesbing bat alfo gejeßgebende Gewalt 
und Hilft dem Herzog als ein erweitertes, verftärktes Hofgericht auch 
Urtheil finden: 3. B. wenn ber Beſchuldigte fo mächtig ift, daß ihn 
ber Eentenar, Stellvertreter des Grafen nicht vor fein Gericht zwingen 
fann: dann zwingt ihn ber Herzog im Hofgericht oder doch gewiß auch 
por ein folches Landding). Wer bes Morbplans gegen ben Herzog 
überführt ift, foll fterben oder fich Iostaufen „fo wie der Herzog und 
bie principes populi2) hierüber urtheilen“: bier tft doch gewiß an ein 
allgemeines Landding gedacht ?). 

Die fogenannte Lantfrivianat) erhält die Zuftimmung (des Her- 
3096) ber Großen und alles Volles, aber nicht des Frankenkonigs. 
Das Geltungsgebiet des 2. AL.5) war felbftwerftändlich nicht nur 
Schwaben, die Schweiz, während in ben früher alamannifchen 
Bauen von Worms und Speier mit den Franlen (nach dem Ber- 
fonalitätsprincip, flehe unten Gerichtswefen) das fränkiſche Recht 
als Regel einwanberte: bie dort verbleibenden wenig zahlreichen Ala⸗ 
mannen lebten nach wie vor nach ihrem Necht: das Gleiche muß vom 
Elſaß gelten. So ift es auch zu verftehen, wenn in Ehurrätien römi⸗ 
ſches Recht — zunächft in der Faſſung ber Lex Romana Rhaetica 
Curiensis mit den fogenannten Capitula Remedii — gilt, d. h. für 
die faft alfetn bort lebenden Römer, anders in dem almmannifchen 
Theil ). 

Durchaus nicht erlofchen „ftreng genommen” die Eapitularien eines 
Herrſchers bei deſſen Zop”). Die Beftätigung burch ben Nachfolger 
beweift bies nicht, fie findet fi) auch bei ven römifchen Kaifern®). 
Daß Handlungen der Vorgänger die Nachfolger überhaupt nicht ver- 
pflichten, folgt Teineswegs aus der Mahnung eines Herrichers an 
feine Nachfolger, feine Schenkungen nicht anzutaften‘). So bekräftigt 


1) L. A. 36, 5, daher L. B. 2, 5 f. Baiern. 

2) Oben ©. 140. 

3) L. A. 24. sicut dux aut principes populi judicaverint; ba® aut ſteht 
für et: fo haben e8 brei Handſchriften verftauben, indem fie et festen. Lehmann 
p. 84. 

4) Brunner I. ©. 312. 

5) Gengler, Rechtebentmäler ©. 85. 

6) Plante, Rhätien ©. 369. 

7) Wie Laß, ©. 7. ©. dagegen VIII 3. ©. 21. 

8) L. R. Rh. C. XVIL 1. 2. 

9) Neug. 553. a. 885 vgl. Könige VIIL. 3. ©. 21. 


217 


Ludwig der Deutſche Erlaſſe feines Baters und Großvaters, ohne bag 
biefe boch zu ihrer fortpauernden Gültigkeit folcher Beitätigung beburft 
bättent). Zahlreiche Säke der Lex werben noch vom „Schwabenipiegel“ 
ale ſchwäbiſch Necht aufgeführt2). Auch daß bie fogenannten capitula 
per se scribenda als ſolche nur für bie Herrſchaftsjahre des Er- 
(offers gelten follten®), ift nicht aufrecht zu halten: darüber entfcheibet 
Zwed und Inhalt des Erlaffes. 

Mebrigens bezeichnet »Lex« nicht nur bie Inappe Aufzeichnung 
in der Lex, fondern das gefammte — auch das nicht aufgezeichnete 
gewohnheitsrechtliche — Stammesrecht, deſſen Wahrung gemäß bem 
Berfonalitätsgrundfag ganz beſonders eiferfüchtig verlangt und als 
Hauptſtück der Freiheit angeſehen warb: daher fo häufig Rechtsſätze 
uf pactum (phad) lex, mos, jus Alamannorum zurüdgeführt 
werden, von bemen bie geichriebne Lex*), nicht weiß. Mos, con- 
suetudo, lex werben ſonder Unterfcheibung für Gewohnheits⸗ und 
Gefeßes- (, B. Lex Alamannorum) Recht gebraucht). Wie 
lang fi die — lateiniſch — gefchriebenen leges in Kenntniß und 
Leben des Volles erhalten haben, ift freilich zweifelig®); fo Heißt es 
vom Inquifitionsverfahren”), von dem biefe Lex nichts weiß, »sicut 
lex edocit [sic]«, d. 5. Reicherecht?). Zumal die Formeln berufen 


1) Neng. 346. a. 862. 

2) Bgl. Schwabenfpiegel ed. v. Laßberg S. 226. 

3) So nad Th. v. Sickel L ©. 408. 

4) juxta Alamannorum constitutione: über ben Brautſchatzvertrag Form. 
Collest. Sangall. 18. &. die zahlreichen Beläge bei Stälin (8.) I. S. 357f. 

5) Wartmann III. 693. secundum morem nostrae regionis, juxta Jegalem 
Alamannorum consueludinem Walt-Geeliger VI. ©. 514. vetus consuetudo 


. Pro lege aput (sic) .. Suevos inolevit; aber auch zuweilen unterſchieden: more 


potius quam lege, beneficiario more potius quam jure, 1. c. 514, 517; gegen 
die Unterſcheidung von pactus (ustgefchriebenes) und lex (geſchriebenes) Hecht bei 
Sohm I. 8.159 richtig ebenda; ber pactus Alam. war doch gefchrieber. 

6) Bgl. gegen Stobbe I. ©. 267 Waitz a. a. O.: noch nad a. 916, bie 
Kapitularien noch unter Friedrich L Auch der von Neugart N. 709. I. p. 576 
angeführte Rechtsſatz juxta »legem Alamannorum«, tft ber geſchriebnen Lex 
fremd; (f. obeu Stände, Kinder von Unfreien und Freien). 

7) Könige VIIL 4. ©. 114. 


8) Reng. 604. a. 893. Ueber Gele (visod) und Gewohnheitsrecht Huberti 
Friede und Recht ©. 8; gegen das angebliche ältefte alamanniſche Wetsthum über- 
jengend Zeumer NR. A. XXV. ©. 807. 


218 


fih zuweilen auf die »Lex Alamannorum«, auch in ſolchem — 
weiteren — Sinn). 

Lex jteht aber auch im Sinne fubjectiver Rechte, Befugniffe: 
Sanct Gallen beflagt fich, nicht »talem legem« zu haben wie vie 
anbern Kronklöfter: e8 erhält nun »talem legem«, d. h. das Inqui⸗ 
fitionsprivileg 2). 

Was die Namen angeht, jo tft uns erhalten eine ältere Auf- 
zeichnung alamannifchen Rechts, der pactus, eine jüngere, vie Lex, 
dann für die Römer in Churrhätien die Lex Romana Rhae- 
tica Curiensis und bie (fälfchlich fogenannten) Capitula Remedii. 
In den alamannijchen Formeln?) beißt die Lex oder das Pactum 
constitutio Alamannorum. Ein „Amtsrecht” neben bem Gefekes- 
und Volksrecht hat es auch bier nicht gegeben‘. Merkwürbig beißt 


bie Lex (= Ewva) Francorum sacrificium Francorum’). 


2. Der Paetus Alamannorum®). 


Mit dem vopıpa narpıa der Alamannen bei Agathias 7) ift nichts 
für Aufzeichnung zu beweifen, keinesfalls vie uns im Pactus er- 
baltene gemeint®); und übrigens ift hier wie bei allen Germanen 


1) 3.8. F. Aug. B. 24. Dotalriidfall »secundum legem«. 

2) Wartmanı II. 435. a. 854 [V 

3) „Salomonis” III. 18 ed. Rodinger p. 217 vgl. Dümmler p. 98, 99 
jest ed. Zeumer Form. Alam. 

4) Bol. gegen Sohm S. 102. Könige VII. 2. ©. 34. VIIL 3. ©. 26. 

5) Nengart 147. a. 802 quicquid mihi pater . . legitime et secundum 
sacriicium Francorum dereliquid (sic) in hereditatem. Du Cange VIL 
p. 201 kennt dieſe Bebentung nicht. 

6) Ed. Karl Lehmann Legg. V. 1. praef. p. 3 f. daſelbſt die Literatur; 
bie von Merkel Ausgabe in ben Monumenta unb in de rep. Al. p. 8, p. 36 
anfgeftellte Entftehungsgefchichte beider Quellen iſt völlig wiberlegt von Brunner, 
über das Alter ver L. Al. Berliner Sit. Ber. 1885. ©. 150f. R. G. I. S. 308 
und Karl Lehmann zur Tertkritik und Entſtehungsgeſchichte bes alamanniichen 
Bollsrechts Neues Archiv X. S.470 und im feiner Ausgabe Bgl. Wilda ©. 92, 
Stobhe I. ©. 42 de Roziere Revue histor. de droit frangais et &tranger I. 
p. 70. Waitz, Göttinger Nachrichten 1809, N. 14; weitere Lit. bei 8. Lehmann in 
feiner Ausgabe. — Gfrörer zur Geſchichte Deutfcher Volksrechte im Mittelalter — 
Esmein, nouvelles ötudes sur la lex Alamannorum. — Brunner Über ein 
verſchollenes merovingifches Konigsgeſetz S. 942 ſetzt ben paetus in bie I. Hälfte 
bes VII. Jahrhunderts, noch unter Dagobert, aber nach beffen Königegeſetz“. 

7) I. 7 (gef. S. 80). 

8) Andere Merkel p. 33. 


219 


altes Stammesgewohnbeitsrecht ſelbſtverſtändlich. Die falfräntifchen !) 
Ausdrücke im Pactus (litus, texaca medii delecti, dafür in der Lex 
nominati) deuten auf Entftehung zur Zeit näherer Verbindung mit 
dem Frankenreich bin, alfo etwa im VII. Jahrhundert vor 638. Daß 
ber pactus Privatarbeit fei?), wird widerlegt durch ben Eingang: et 
sic convenit?). 

Nach manchen Kelternt) galten Pactus und Lex nur für jenen 
Theil der Alamannen, der nicht fchon von Chlodovech unterworfen war, 
zumal nicht für das fpätere Oſtfranken; es ift aber nicht nach Land⸗ 
Ihaften, ſondern nach dem PBerfonalitätsrecht zu unterjcheiden; ein 
Aamanne in Paris Iebte nach alamanniihem Recht, warum follte er 
in Wirzburg nach fränlifchem Haben leben müſſen? ‘Danadh5) foll 
dr Pactus das von den Norbichwaben in Sachfen®) beibehaltne 
Recht fein. 

Der pactus und bie bazu gehörigen additamenta (580-638 ?) 
find alfo erheblich älter als bie lex Alamannorum (717—719)). 
Das Chriftenthum hat zwar feine Kirchen erbaut, in benen Frei. 
laſſungen erfolgen, aber zahlreich find noch die Erfcheinungen bes alten 
Ölaubens in Sitten und Gebräuchen. Mans) bat aber neuerlich 
dargetban, daß die T. I und II ver Lex Baj. und die ähnlichen 
ber L. Alam. über Kirche und Herzog zurüdgehen auf ein merovin- 
giſches Königsgeſetz, das für mehrere Herzogthümer fprovinciae) tes 
Reiches gemeinjam beftimmt war?). 

Hoch bebeutfam für bie Auffaffung tes »pactus« ift eine Urkunde 
Ludwigs des Deutfchen von a. 867: noch fo ſpät kommt zum Ausdrud, 
daß unter dem Wort nicht nur tie Nechtsquelle, auch das objective 
Necht, die Nechtftellung, tie gewöhnliche Freiheit des Stammes ver- 
ftanden wird. Diefe Freiheit wird vor allem in der Wahrung bes 


1) Einfläffe ber Lex Salica auf ben Pactus zeigen ſich (vielleicht), I. 1. 2 
jedesfalls II. 31, 32. 

2) 8. Lehmann a. a. O. 

3) Ebenſo wie in ber Lex 41, 3 und Cod. Sangall. N. 731. ©. I. vgl. 
v. Amira 2. 1897. &. 16 (Sonberabzug). 

4) Merkel de r. und auch noch ©. 34. 

5) Merlel a. a. O. 

6) D. ©. J. b. S. 135, 162. 

7) Bgl. Lehmaun a. a. O. ber auch bie Verſchiedenheit ber Ausdrücke in 
pactus und lex für bie nämlichen Begriffe nachweifl, Rosiöre 1. o. p. 80. 

8) Brunner, Königegefeh ©. 932 (S. 1 des Sonberabbrud®). 

9) Aehnlich Über IT. 4 ſchon Meberer L. Baj. p. 79; Genaueres unten. 


220 


Stammesrechts für jeden Stammgenofien!) gefunden: nun Hatte ber 
pactus den Alamannen Teinerlei Konigsſchatzung auferlegt: aber ein- 
zelnen alamannifchen Sippen im Argengan war, wir wiffen nicht, 
wann, noch aus welchen Anlaß — vielleicht zur Strafe für eine ber 
zahlreichen Empörungen a. 638— 746 — ein Zins an den Fiscus als 
ausnahmsweife Belaftung auferlegt, deſſen Abldfung durch 9 Voll⸗ 
bufen und bie zugehörigen Unfreien nun a. 867 verftattet wirb: 
Dabei wird gefngt: „fie follen fortab haben bie plena lex — welche 
gewöhnlich genannt wird Phaath — wie bie übrigen Alamannen” und 
nochmal: fie follen nach jener Abloſung Haben „jener, d. h. (ver Ala⸗ 
mannen) Recht voll wie die übrigen Alamannen“: fie follen haben bie 
plena lex, d.h. ganz danach leben dürfen, ganz bie burch fie gewährte 
Nechtsftellung2). Es ift bebeutfam, daß ber alte Name »pactus« durch 
ben neueren »lex« bis Ende bes IX. Jahrhunderts nicht verbrängt 
ward im Vollsmund, ja daß er jo ganz in das Volsleben eingebürgert 
war, daß er die Lautverfchlebung aus ber Temuis in bie Aſpirata 
mitmachte wie ein germanifches Wort ?). 

Vielleicht auch hatten fie bisher ven Zins an Befiedler von kö⸗ 
nigfihem But ale Hinterfaffen bezahlt, und follen num durch Abtretung 
ihres bisherigen „Untereigenthums" aus ber Stufe ber Eolonen zu ben 
andern vollfreien Alamannen auffteigen. ‘Der pactus ift ber alte 
pactus Alamannorum, ber beren Bollfreiheit ficherte: vielleicht auch 
waren fie »tributarii« bisher gewejen, bie perfönlich frei, von einem 
Krongut dem Fiscus jährlichen Zins zahlten, und die der König dem 
Klofter Sanct Gallen mit der Wirkung abtreten mochte, daß fie jenen 
Zins fortab dem Klofter zahlen mußten, welchem ber König das 
„(Dber-)Eigenthum an dem bisherigen Krongut fchentte. 


1) Oben ©. 217. 


2) Neug. NR. 445 a. 807 quod quidam homines de Argengeove (Argen- 
gan) deprecarentur celsitudinem nostram ut eis lioeret habere plenam legom 
quae vulgo dicitur »phaath« sicut osteri Alamanni et se redimerent de tali 
consu sicut eorum antecessores nostris antecessoribus persolverunt: fie bürfen 
den census ablöfen plenis mansis cum mancipiis ea videlicet ratione, ut 
securi essent de illo censu, quod illorum antecessores nostris antecessoribus 
persolverunt et illarum legem, quas vulgo dieitur Phaath, plenam habuissent 
siout oeteri Alamanni: bisher hatten fie dieſes Recht nicht voll gehabt, d. 5. Hier 
die Schatungsfreiheit. 

3) Ueber phaath, sicut caeteri Alamanni Graff III. p. 325. Aeltere 
Literatur über Phaath bei Neug. 444. a. 867 nicht violentici(l) wie Tſchudi. 


— — — —— 0 - — 


221 


3. Die Lex Alamannorum. 


Die Lex gehört dem Anfang des VIII. Jahrhunderts an; nicht 
Chlothachar IL, ſondern Chlothachar IV. (a. 717—719) 1) iſt der im 
Prolog der Lex Gemeinte?). Bon ben 4 legislatores biefes Pro- 
(oge, Claudius, Chadovin, Ailulf und Magnus, find bie erften 3 
unter Dagobert I. nachgewiefen®). Auch die Lex wird zurüdgeführt 
auf Vertragung (convenit) der Bornehmen — majores natu — ber 
Aamannen, des Herzogs Lantfrid und des übrigen Volles‘), alfo nicht 
anf einem fräntifchem Reichstag). 

Die Lex ift aufgezeichnet zu ber Zeit höchſter Selbſtſtändigkeit bes 
Herzogthums gegenüber dem Königthum, während das Baiernrecht einer 
Periode angehört, da die Krone bereits wieber das Herzogthum mehr ein- 
gefchräntt bat. „Ueberali tritt Hier ver Herzog als die entſcheidende polttifche 
Macht des Stammes hervor: feine Herrichaft heißt regnum und ver- 
erbt nom Vater auf den Sohn: Habe und Gut bes Herzogs find res 
»dominicae«, er bat bie oberfte Gerichtsbarkeit, fett bie judices) ein, 
bezieht die Friedensgelder, fpricht die Friebloslegung aus und entfcheidet®) 


1) ©. bie ältere Literatur über bie Lex Alamannorum bei Meyer von 
Anonan Mittheil. der antiquar. Gefellih. in Zürich XI. p. 54 (mußte noch Merkel 
folgen), Stobbe, Quellen I. 1860. ©. 142. Mertel, Monum. Legg. und de republica 
Alamannorum 1849. Reyſcher, das Bollsrecht der Alamannen in Bauer, Schwaben 
wie es war und ifl. 1842. &. 381 f. — Ganz verfehlt Ofrörer, zur Gefchichte 
Deuticher Bollsrechte ed. Weiß 1865. I. ©. 145 f. — Bon Daniels S. 241 erklärt 
auch die Lex wie ben Pactus für eine Privatarbeit (unter König Pippin (N); gegen 
eine Rarolingifhe Rebaction ber Lex [Merfel, prolegomena feiner Ausgabe 
$11 de rep. p. 42] entſcheidend K. Lehmann in feiner Ausgabe. — Milczewsty, 
Entſtehung und Alter der Lex Alam. (Heidelberger Doctorſchrift 1894) folgt 
Brunner, Lehmann und Schröber [ber aber jet nicht mehr Die Seit Ehlothachars II., 
fonbern richtig des IV. annimmt). 

2) Urgeih. IIL ©. 771. 

3) Bgl. die Beweiſe bei Lehmann unb Brunner: freie Baffl von Herzog und 
Graf, benefeium und c. 38 nach bem Beichtbuch bes Theodor von Canterbury. 

4) Bon Brunner a. a. O.; aber ſchon Dieberer L. Baj. 

5) p. 63. 

6) Die Aufzählung ber 33 Btichöfe, 34 duces, 33 Grafen iſt alſo unrichtig 
in die Lex gelommen, bie auf einer Stammesverfammlung vereinbart wurde, 
wozu jene Zahlen nicht paflen; Brunner I. ©. 312 bezog fie entiweber auf ben 
pastus(?), ber fpäter anf einem Reichstag beflätigt worben fel, ober ohne jeben 
Zuſammenhang mit dem Alamannenrecht ober anf. eine ganz andere Reichsver⸗ 
ſammlung. Konigsgeſetz S. 943 wirb vermuthet, daß die Erwähnung ber vielen 
Biſchoöſe und Herzöge ans jenem verſchollenen Konigsgeſetz (Dagobert I.) ſtamme, 


222 


über bie Verhängung ber Todesftrafe“1). Anbrerfeit8 wird bie Ober- 
hoheit bes fränkifchen Königs über den alamannifchen Herzog an- 
erfannt2. Das paßt Alles nicht auf bie Zeit Chlothachars LI. (a. 
613—628), wohl aber auf die Chlothachars IV (a. 717—719). 

Die frühere Annahme?) allmähliher Entftehung unter 
Chlothachar II, in 3 Abfchnitten (biefe Lex Hlotharii wieder in 
3 Theilen), Derzog Lantfrid und Karl dem Großen ift aufgegeben und 
vielmehr allgemein anerlannt*), daß bie ganzeLex auf einmal unter Chlo⸗ 
thachar IV. erlafjen wurde, ven Karl Martell zum König von Auftrafien 
erhoben Hatte und kraftvoll ftügte5): nicht Chlothachar I., nicht Chlo⸗ 
thachar III. (a. 656—670). Die Lex wurbe zwifchen Herzog Lant- 
friv (a. 709—730) und einer Stammesverfammlung vereinbart®), und 
dann vielleicht unter König Chlothachar und Karl Martell auf einer 
fräntifhen Reichverſammlung)) beftätigt. 

Dem Gegenftande nach gliedert fich die Lex in 3 Theile: ber 
erfte handelt von den Rechten ver Kirche, ber zweite von benen bes 
Herzogs, ber britte von Fällen, „bie oft im Volk vorzulommen 
pflegen“ ®): bei'm erften mögen bie Geiftlichen, bei'm dritten bie rechts⸗ 
fundigen Laien zumeift betheiligt gewefen fein®), angehängt find ein- 
zelne Säte ohne Zuſammenhang. Daß bie felbftftändige Aenverung 
des Pactus in ber Lex durch Lantfriv Grund bes Kriegs von a. 730 
gewejen fei, ift eine grumblofe Vermuthung 19). 


bas auf einer von Auſtraſiern und Neuftriern befuchten Berfammlung ergänzt fei, 
dieſes Geſetz ift dann in ber L. AL ſtärker als in ber L. Baj. umgeftaltet worben; 
au dieſe wichtigen Ausführungen find voll überzeugend. 

1) Mit dem Abel, oben ©. 164. 

2) Brunner I. ©. 311. 

3) Merkels, Legg. V. 

4) Lehmann a. a. O. Brunner a.a.D. 

5) Urgeſch. II. ©. 771. 

6) Wie Rozitre, Waitz und Boretins. 

7) ®te bie große Zahl ber duces, episcopi, comites beweijen würde; vgl. 
Lehmann p. 9. Brunner 1. S. 310f. Aber jet oben ©. 221. 

8) Aehnlich das Ediet Theoderichs Könige IV. &. 45. Prologus: illa quae 
possunt saepe contingere, ebenjo das Baiernrecht. T. VII, de oausis quae 
saepe contingent. 

9 So Brunner I. ©. 312. 

10) Stäling, Breifige ©. 501; Waitz, Götting. Nachrichten 1869. S. 282. 
Berfafl. G. S.94. Die Gründe für die Zeit bei Lehmann p. 5 seq. unb bes 
ſonders Brunner a. a. D. Beniltzung bes Theobor von Tarfus (geſt. a. 690) 
bezüglich ter Sonntagsrube lit. 38. 


— — — nn 








223 


Manche Sätze find ſichtlich, auch wo es nicht — wie zuweilen — 
ausdrücklich gejagt wird, erſt kürzlich unter Einfluß der Kirche aufge⸗ 
ftelit: aus andern Stellen dagegen und ihrer epifchen Ausmalung weht 
der Hauch grauer Vorzeit!). 

Wie fo völlig unter Einfluß und zum Vortheil ber Kirche biefe 
Geſetzgebung erfolgt?), zeigt gleich ber erfte Sag ber Lex, ber bie 
Verſchenkung alles Gutes (und der Freiheit) an bie Kirche gegen 
Jedermanns, auch bes Erben Einfpruch, ſchützt. Daher wirb fo9) 
ſchwer Verlegung des AZufluchtsrechts der Kirchen geahndet, „auf 
daß Andre erfennen, was Gottesfurcht bei Ehriften bedeute, und 
auf daß fie den Kirchen Ehrung erweifen“‘. Als jüngfte Beftand- 
theile betrachtet mans), wie im Baiernrecht, biefe Beftimmungen 
über die Kirche, den Herzog und das öffentliche Recht e). Uebrigens 
fehlt es auch nach BVereinbarung der Lex teineswegs an Rechtsver⸗ 
ſchiedenheiten?): fo weichen in dem ehelichen Güter- und Erb⸗Recht ber 
wieberheirathenden Wittwe die Formeln von Reichenau, Sanct Gallen 
und Eonftanz®) von ber Lex ab: die dos foll an bie Erben bes 
Mannes fallen): doch ift dies vertragsmäßige Aenderung des nur dis— 
pofitiven Necht8 der Lex. Zumeilen wird — wohl aus benfelben Gründen, 





1) 2B. L. 82. Cod. B. addit. 18. vgl. die merkwürdige Uebereinftimmung 
der mandhfaltigften germantfchen, auch keltiſchen Rechte hiermit bei I. Grimm 
RAIL ©. 240. 

2) Ueber das Chrifiliche in der Lex Alam. Hefele, Einführung ©. 211; 
Gfrörer J. S. 145 (aber ©. 167 f. viel Schiefes und gerabezu Unrichtiges). Boretius 


| hiſtor. Zeitſchr. XXL. ©. 148 weift barauf bin, daß ganz gleihmäßig bie 
' Lex Al. die Lex Baj. und bie Capit. de part. Saxoniae voranftellen die Rechte 


fie über Kirche, König und Herzog. 

3) L. 1. p. 63. 

4) L. 3. p. 70. Ueber ben hriftlichen Einfluß auf vie Lex Merkel, de r. 
6.9, 10; aber das über ven fränktfchen, zumal auf das Stanbes- und Gerichte und 
das Amtsweien daſelbſt Geſagte If großentheils unrichtig, ebenfo, daß Lantfrib 
durch ſolche Bevorrechtung ber Kirchen bie GBeiftlichen zum Kampf gegen bie 
Armulfingen habe gewinnen wollen: ©. 11,39; das war ber Zug ber Zeit, bem 
ganz ebenfo bie Arnulfingen ſelbſt folgten: und bie Kirche war vielmehr überall 
ber Aruulfingen beſte Verbündete. Urgeſchichte III. S. 767. 

5) Stälin (8.) I. S. 199. 

6) T. 24—37 (38). 

7) Die Baumann S. 555 mit Unrecht Tengnet. 

8) Form. p. 357, 385, 387, 406. 

9) 54 (55) p. 113, ich entmehme dies K. Lehmann 1. c. 


224 


bie bei ben Salfranken zu der „Malbergiſchen Glofje“ führten‘), — 
in ben lateinifchen Text ein alamannifcher Rechtsausdruck eingefügt: 
fo gewaffnetes Eindringen in ein Haus, »was bie Alamannen haistera 
handi« nennen?): es find viele ähnliche Fälle (or-scardi, puli-slac)). 
Solche Stoffen finden fich (wie bie Malbergifchen) befonvers in ge- 
wiffen Handſchriften). Diefe Lex tft wie jünger, auch vömtfcher 
als das alte Alamannenrecht®). 


4. Die Lex Romana Rhaetica Curiensis. 


Eine in vielen Dingen merkwürdige Aufzeichung, Erläuterung 
und Umarbeitung des römischen Rechts ift biefe »Lex Romana«, bie 
nun, nach allerlei Bermuthungen über Entftehungsart und Entftehungs- 
zeit, endgültig nach Churrhätien und in das VIII. Jahrhundert feftge- 
bannt ift®). 


1) VII 2. ©. 55. 

2) L. 9. (10) p. 76 3. Grimm, RU. J. S. 5. Wörterb. IV. &.550. Wilde, 
©. 560f. Schade ©. 382. 

3) Nach dem Bloffar bei Lehmann p. 1695. S. bie alamanniſchen Wörter 
in dem Geſetz bei Graff, Diutisfa I. S. 334. tel. 10, 49, 56, 60, 63, 65, 69, 
82, 84. | 

4) So Cod. B. additam. 9. zu L. 57. seq. 62 (70) 67 (74) p. 1385. 

5) Stältn (V.) I. S. 200. Weber das Verhältniß der Lex Alam. zur Lex 
Bajuvar. brachte allzu wenig v. Roth, L. Baj. vgl. Dagegen Gengler, Beiträge 
zur Rechtsgeſchichte Baierns J. 1889 ©. 4. Entſtehungszeit und Gigenart D. R. 
Geſch. I. S. 146. jett aber vor Allem Brunner, Königsgefe. Ueber Zeugen⸗ 
und Urkunden-Beweis L. Al. 42, 2 und Verhältniß der Stelle zum Baiern- (X VI. 16) 
und zum Weſtgoten⸗Recht II. 5, 2 (II. 5, 1) gegen Zeumer N. Arch. XXIV. 
S. 109. Königsgefeh S. 932 (S. 1 des Sonderabdrucks): richtig hält er wie 
Merkel, Stobbe, Waitz, Roth und Gengler jene für bie ältere a. 717—719, biefe 
a. 744— 748, anders bezüglich L. B. XVI. 16. L. Al. 42, 2 und L. B. IX. 17. 
L. Al. 42 Zeumer N. Ar. XXIV. ©. 109. Leg. vesig. antig. f. aber Brunner 
S. 950 der auch L. Al. 42, 2 nit aus L. B. IX. 17, fonbern unmittelbar aus 
L. Visig. I. i, 21 ableitet: L. B. VII. 2 iſt erſt unter Zaffilo III. nad ber 
Alchheimer Synode ber Lex B. eingefügt. Ueber L. Al. 39 de nuptiis inli- 
eitis = L. Baj. VOL. 1, 2, 3. Zeumer N. a. XXI. ©. 104. XXIV. S. 614. 
Brunner, Königsgeſ. ©. 954; Reihenfolge: L. Visig. L. Baj. L. Al. Ueber bas 
secundum legem puniatur richtig Brunner Königsgefeh ©. 946: balb nah Ber 
ichtebenheit des Falles, bald ber leges: ſauch nach Gewohnheitsrecht, Dahn] [jenes 
verfchollene Königsgeſetz galt für alle ducatus, vgl. ©. 948 es entflanb unter 
Dagobert I. zwifchen a. 629 und 634) durchaus nicht Eine beftimmte Lex, auch 
nit in der L.R. R. C.: (gegen Wagner und Schupfer richtig von Salis &. 160). 

6) Durch das Berbienft Zeumers in feiner Ausgabe in den Monumenten 
unb feiner Vorarbeiten hierzu, denen Ich was Drt, Zeit und Zwed anlangt, fat 


⸗ 


225 


Ein ftarler Beweis für den rhätifchen Urfprung ber Lex ift, 
baß fie in ben Capitula Remedii, bie fie ergänzen wollen, lex 
nostra heißt!). 

Die fogenannte Lex tft Privatarbeit2) und zwar eines Geift- 
lichen): daher erklären ſich die häufige Hereinziehung kirchlicher Dinge 
in die Vorlage (da8 Breviar) ohne Veranlaffung durch biefe, zumal 
bie Gehäffigleit gegen Heiden‘), wo folhe im Breviar völlig fehltd). 
Auch die zahlreichen ber Vorlage neu beigefügten Berüdfichtigungen und 
Bevorzugungen der Kirche beweifen es e). Die Entftehung ver Lex R. 
ift in die erfte Hälfte des VIII. Jahrhunderts zu verfegen”)., Mit 
Recht führt man!) aus, daß die Lex feineswegs fchon ein hoch ent- 
wickeltes Feudalweſen fpiegelt: die milites®), senior!P), beneficia 
haben nicht fentalen Sinn: letztere find wahre Eigenthumsfchen- 
tungen wie in den bairifchen Urkunden!!), Als Entftehungsort und 
Geltungsgebiet (vorbehaltlich des Perfonalitätsprincipe) ift nunmehr 


ganz beipflichte, f. aber bejonders auch Eonrat I. ©. 286292; ältere Literatur 
bei v. Salis 2. R.G.2 VI. ©. 141. 

1) v. Wyß, Geſetze S. 226. 

2) So auch v. Salis VI. ©. 146, Eonrat I. ©. 292. 

3) Dazu neigte ſchon Haenel p. XXXIIL; ſchwankend v. Salis VI. 147. 
Conrat I. S. 288. 

4) ©. die Beifpiele bei Eonrat I. ©. 288, ebenfo v. Salls a. a. O. ©. 145. 

5) A. a. O. 288 viele Beifpiele. 

6) Vgl. L.R. XXV, 4, 9. 9, 4. 

7) Aus den Gründen Zeumers N. A. IX. gegen Schupfer, Lincei: [bie an- 
geblich erſt dem IX. Jahrhundert angehörigen Hechtserfheinungen begegnen ſämmt⸗ 
lich ſchon im VIIL, denn die milites curiales find nicht ritterliche Vaſſallen, 
j. unten curiales und Stobbe p. 35; das Teſtament Tello's von a. 766 ſetzt fie 
voraus; gegen bie Auffaflung der principes als Kronvaffallen vgl. Stobbe p. 32 
f. befonbers oben VIIL 2, ©. 68], ausgenommen die elevatio regis, bie ich nicht 
anf die Erhebung Pippins beziehe, fondern, wie bie Vorlage, auf jede regel 
mäßige Thronfolge. Anders Zeumer L. R. VIII. VII 4.: allein eine Thron 
befteigung (ascensio) und auch elevatio findet ſich auch bei Merovingen, f. bie 
Beläge Könige VIL. 3. ©. 434f., auch follte doch die Beſtimmung aud in ber 
Folge, bei nicht rechtbrecherifcher Thronfolge, gelten. Daher ift bie Stelle für bie 
Zeitbeftimmung ber Lex überhaupt nicht zu brauden. Zu ſpät — c. a. 750 
flatt c. a. 790 — fett die Entſtehung Stobbe p. 23 (irrig Über elevatio regis 
(VII. 4.) p. 27 v. Salis S. 149: „nicht wor a. 843“, 

8) Zeumer p. 302 gegen Brunner. 

965 ©. 151. 

10) Könige VII. 1. 228. 

11) Wagner a. a. O. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 15 





226 


Churrhätien fat allgemein anerkannt. Anpret) ſcheiden Entftehungs- 
gebiet (Iftrien) und Anwendungsgebiet (Rhätien), aber bie Arbeit wollte 
römifh Recht überhaupt, nicht nur für Rhätien, obzwar hierfür 
befonbers, barftellen. 

Der Verkauf „über das Meer“ 2) beweift nicht für Nähe ves 
Meeres: es warb einfach wie fo oft, auch wo fie nicht paßte, die Vor⸗ 
(age beibehalten). Lag aber das Meer fo nah wie in Ubine, dann 
beftand Tein Grund, bie deportatio in insulam ber Vorlage in ber 
Lex turchaus zu tilgen‘). Das provincielle und locale (römifche und 
barbarifche) Vulgarrecht, die lex loci5), behauptete fich gar vielfach zäh 
gegenüber dem Faiferlichen Reich8- und dem wiſſenſchaftlich ausgeftalteten 
Net‘). Auch find in die Edicte der Merovingen und die Sapitu- 
larien der Karolingen manche Gruntfäge bes römifchen Rechts, zum 
Theil fogar wörtlich, aus der Lex Romana ber Weftgoten oder der 
Interpretatio aufgenommen, auch in Mebereinftimmung mit ver Lex 
Romana Curiensis: 3. B. bie Ungültigfeit erjchlichener Königs» 
befcheibe 7). 

Diefe Lex Curiensis beut willfommme Ergänzung ber knappen 
Angaben des Alamannenrechts über das Nechtsleben im Innern: deren 
reihe Verwerthung hier war nicht nur verftattet, fie war geboten, 


1) Für den hurrhätiichen Urfprung mit Recht Haenel, Hegel, Stobbe p. 17, 21, 
Planta, Sohm, Pertile, Brunner, Zeumer, Eonrat I. ©. 286. für ben iſtriſchen 
Bethmaun⸗Hollweg, Wagner 3. (R.G.2 IV. ©. 55 gegen ihn v. Salis VI. 
&. 167f.) für ven lombardiſchen Schupfer, Atti della reale accademia dei Lincei 
di Roma, Ser. III. Vol. VII. p. 90f.; über Anwenbungsfälle ber Lex in rhä⸗ 
tiſchen Urkunden, Teſtament bes Tello und Sauct Galler Urk. von a. 852 Zeumer, 
Brunner und Eonrat 1. ©. 289; Beziehungen ber Lex zu ben Form. Turon. 
©. 297, Einfluß fränfifchen Rechts Sohm 21 R.G.2 L S. 17. Brunner ebenda 
IV. ©. 260. Zeumer N. A. IX. S. 34, ob aber 14, 1 auf bieL. R. Burg zuräd. 
gebt? Wollte man wie Schupfer folgern, müßte bie Lex in unb für Rom ent- 
ſtanden fein, weil fie L. R. IV. 4, 4. die Anordnung ber Borlage für Rom 
beibehält. 

2 L. R. XVII. 10. 

3) Daß die Möglichlett ber Nühe bes Meeres L. IX. 12 nicht gegen 
Ghurrhätien fpricht, darüber f. unten >paricidium«; ridtig v. Salis a. a. D. 
©. 247 (auch gegen byzantinischen Urfprung S. 171), die commendatio iſt weber 
Iangobarbifch noch byzantiniich [gegen Wagner unb Schupfer ©. 167]. 

4) Ein — foweit ih fehe — unvermwertheter Beweis. 

5) VIL 3. ©. 23. VII. 3. ©. 28. 

6) Vgl. Mittels ©. 455f. ven Halban I. ©. 54. 

7) S. in Ed. Chloth. I. C. I. p. 19 aus L. R. Rh. Cur. I. 3. 


227 


gehörte doch Churrhätien nicht minter zur provincia, zum ducatus 
Alamannorum als etwa ber ganz germanifche Schwarzwald, und ift 
e8 doch höchſt lehrreich zu verfolgen, wie in jener heute noch roma- 
nifchen Bevökerung fi altrömifche Einrichtungen, 3. B. im ganzen 
Städtewefen!), erhalten hatten, mit einer bereits greifenhaften und oft 
ſchon veralteten Geſetzgebung und Verwaltung, vicht neben dem ein- 
fachen, jugendfrifchen, ländlichen Alamannenredht. 

Zuweilen wird das römifche Recht der Vorlage durch germanifche 
Einflüffe geändert: jo die emancipatio durch eine Art commendatio 
an den Käufer als senior, die Beendung ber väterlichen Gewalt 
durch Verhandlung, freilich durch Willenshandlung des Bater82). Germa- 
niſch ift auch die Haftung des Bürgen als Selbftfchulpner ohne Einreve 
der Borausklage 3), fowie die Befreiung des Bürgen und feiner Erben, 
falls der Gläubiger auf ben Hauptfchultner greift®). “Die patria po- 
testas erlifcht durch Commendatio des Hausfohns an ven König (rex) 
oder einen andern Schugherend). 

Aehnliche Verfchmelzung der Cap. Rem. mit dem Germanifchen 
wie in ber L. Romana Burgundionum®) iſt allerdings (zumal im 
Strafrecht) wahrzunehmen, aber weniger auf Abficht zurüdzuführen, 
als auf Bezeugung bes bereits Eingetretenen. 

Wie die Umbildung des Rechts bietet die der Sprache zu einem 
eigenartigen Latein manches Anziehenve: fo ber Wegfall der anlauten- 
ben Aſpirata H und des auslautenden M.: aber auch die Bebentungs- 
änderungen: z. B. jumentum nur noch für Stute”), Die Eigen- 
artigfeiten find nicht italienisch, fondern romanifch®). Selten find ger- 
manifche Wörter wie amallare, fretum (für fredum) (h)ornung. 
Auffällig ift, daß ter doch römijche Verfaffer ver Lex von dem ger- 
manifhen Wort Hornung (die anlautende Afpirata ift auch bier 
im Munde der Romanen erlofchen) fagt?): quem nos arnan- 


1) Meber die curiales der Lex Stobbe p. 27. 

2) L. R. XXII. 6. XXIII 7. 

3) Le 12. 

4) XXIV. 17. 

5) 1. c. XXIII. 7, 1. vgl. XXI. 6. XXIII 7. 1, 2. XXIV. 8, 1. 

6) Bon von Wyß, S. 206. 

7) Bol. Bernhard Schröder, romanische Elemente in bem Latein derL.R.R.C. 
1898; Stobbe p. 17. 

8) Planta ©. 333. v. Salis ©. 156. 

9) Uneheliches Kind, Winkel (Horn)»geboren: f. bie Beläge aus bem 
Frifiſchen, Angelſächſtſchen, Joländiſchen ſowie aus Grimm RU. (jetzt S. 656). 

15* 


228 


qus dicimus«: follte er den germanifchen Urfprung nicht gelannt 
haben, oder das Wort längft in bie Sprache der Romanen fo tief 
eingedrungen gewejen fein? Schwerlich doch war er ein als Alamanne 
geborener Geiftlicher. 

Die fränkiſchen NRechtsausprüde ver Lex (admallare, fretum, 
exfestucatio) zeigen, daß bie Aufzeichnung, die älter als a. 774, nicht 
in Langobardien entftanden iſt). Bei Auffaffung und Anwendung 
des römischen Rechts begegnen begreiflichermaßen viele Irrthümer?), 
wo germanifche Anſchauungen an Stelle der römijchen treten, oder ver 
germanifche Sprachgebrauch zu Mißverftänpniffen führt: fo wenn ftatt 
venia aetatis commendatio ad principem gefeßt, wenn bie dos eine 
Gabe an die Frau wird, wenn Eiohelfer im römischen Proceß auf- 
treten follen?); appellare foll Hagen, stipulatio festucatio fein. 

Zumweilen giebt vie Lex ftatt Begriffsbeftimmungen Aufzählung 
von Unterarten einer Oberart: calumniatores sunt, qui delatores 
sunt etc.‘),. Wenn die alten leges angeführt werten, ift es oft 
danach. So wird aus ber Lex Fusia Caninia die Lex Fufia, hoc 
est Caninea). 

Zumweilen behantelt die Lex ein ganz andres Vergehen als bie 
Borlage: fo die Vorlage das carmen famosum, die Lex tie Ur- 
fundenfälichung®), fo die Vorlage die Freiheitsberaubung eines Freien 
(homo liber), vie Lex bie des »homo« eines Antern?). Zumal bie 
Aubriten ftimmen oft gar nicht zu dem Inhalt ver Lex®). Drollig 
ift die Ausnahme vom Berfonalitätsprincip, welche vie L. R. Rh. C.9) 
aufftellt: bei ihrem Mißverjtänpniß des Gitirgejeges läßt fie im 


bei Graf, v. Richthofen, Schiller und Lüben, Zeumer 1. c. und befien Abhanblung 
S. 5. v. Salis a. a. O. ©. 156 (alta“). 

1) So treffend Zeumer p. 302. 

2) Beifptele bei Eonrat I. S. 287, aber auch abfichtliche Aenderungen. 

3) Courat a.a.D. ©. 288. 

4) IX. 29. X. 4, 1. 

5) L. R. XXVI. 12. vgl. bie Lex Oornilia XXVI. 8, 1. Lex Fafia- 
Fabia L. R. XXVII. 13. Berlefungen (?) bes Römifchen 3. B. Falsicia für 
Falcidia (vielmehr regelmäßige mundartliche Faſſung) Zeumer L. R. Rh. Our. 


p: 298. 
6) L. R. XXVII. 7. 
7) 1. o. 13. 


8) 2. 8. XXIII. 12. de satisdando; vgl. Zeumer Abhandl. ©. 291. 
9) I. 4. 


229 


Zweifel ftatt Bapinian Papian, db. h. die L. R. Burgundionum 
entjcheiben: bier wird alfo vömifch-burgundifch Recht auf Römer 
und in Mifchfällen möglicherweife auch auf Alamannen, Franken an- 
gewendet. Ob beabfichtigte Umkehr der Vorlage in das Gegentheil 
oder (dann freilich gröbfter) Irrthum vorliegt, iſt häufig zweifelig 9. 

Anfichtliche Aenderung trifft wohl ein bei dem fretus, ben ja bie 
Borlage nicht kennen Tann. Eigen ift ver Lex die Vermittlung (pactio) 
bes Richters oder der boni homines zum Schuß des Wiederverknech⸗ 
teten: auch läßt fte die Erfagiklaven dem Freilaſſer, nicht — wie bie 
Borlage — dem Freigelafinen, leiften; anderes übergeht fie: fo daß bie 
Erben des Klägers nicht zu leiften haben, laſſen fie ven ihnen bereits 
(zu Unrecht) überlafjenen frei2). Die Lex denkt 3. B. auch bejonvers 
an Seriegsgefangenfchaft, wo die Vorlage nur Abwefenheit in ber 
Fremde nennt?). Oft fchleppt die Lex aus ihrer römifchen Vorlage 
längft veraltete Vorfchriften mit fort, fo die 3 römifchen Arten ver 
Freigelafinent), Todesſtrafe für Heirath zwifchen Römer und Barbar 5). 
Lang verfchwundene Aemter werben als noch bejtehend fortgejchrieben®). 
Nur ganz ausnahmsweife ftellt die Lex neben eine alte Lex (Fa- 
fia = Fabia) eine neue Beſtimmung?). Aber andrerſeits erſetzt oder 
übergeht auch die Lex gar oft ihr nicht ganz ©eläufiges oder Altes: 
fo droht fie Fälfchern nur mit ber justa lex, »Cornelia« läßt fie 
(bier) fort). 

So wird das S. C. Pegasianum ber Vorlage nicht genannt ?). 
So werben ber judex provinciae und fein officium ber Vorlage 
übergangen 1%). Die technifchen Beamtennamen ber Vorlage werben 


1) So L. R. XXV. 9, 5: hebt das fpätere Teflament das frühere ohne 
ausdrückliche Beſtimmung auf? So felbftverfländlih bie Borlage: umgekehrt 
bie Lex. 

2) L. R. IV. 8, 1. 

3) L. R. IV. 19, 1, dagegen captivitas andy In der Borlage 4. 

4) 22, 1. 

5) 3, 14, 1 aus Cod. Theod. 3, 14, 1. 

6) So (rectores et intercessores L. R. Rh. C. I. 28. dieje beftanben 
allerbings in Chur.) 

7) L. R. XXVI. 13 secundum legem Fafiam puniatur et secundum 
praesentem legem ad aestimationem judicis . . feriendus est. 

8) L. R. XXIII. 13. 

9) L. R. XXVI. 5. Hier auch nicht bie fonft Falsicia genannte Falcidia. 

10) XVII. 11. 


230 


auch oft umfchrieben, doch wohl, weil fie theilweife veraltet waren 1). 
Auch erſetzt fie wohl veraltete oder in Ehurrhätien nicht anwendbare 
Einrichtungen, 3. B. Strafarten, dur andere. So nennt fie bie 
Lex Cornelia de postliminio nicht, bringt aber deren Subalt?). 
Manchmal mißlingen jedoch ihre beabfichtigten Aenderungen: fo fpricht 
fie?) von ver Testamentifactio befjen, „ver Latein weder verfteht 
noch fpricht, aber doch Verſtand Hat, zu begreifen“, was fchwer zu 
beuten, während bie Vorlage bied nur von ber Zeugenfähigkeit jagt: 
folhe Zeugen können immerhin begreifen, um was e8 fich handelt). 
Ebenſo wird exsilium bald übergangen >), bald beibehalten. So ver- 
urtheilt pie Lex Diebe und Räuber nicht mehr — wie die Vorlage — 
zu metalla und opus publicum, jonbern zu carcer oder — höchſt 
unbeftimmt! — alia vincula ©), aber andre Male bleiben vie metalla 
ftehen”). So droht die Lex zwar bie Strafe ver Lex «Cornilia», ſchweigt 
aber von ber deportatio in insulam®). Alte Gewohnheit foll nur 
dann als Recht gelten, wenn fie dem Gemeinwohl nicht widerftreitet). 

Die barbarifche Entartung von Form und Inhalt des römifchen 
Bulgärrechts 19) erklärt fich zum Theil auch aus dem vollen Erlöfchen 
des Unterrichts im römischen Recht 11). 


5. Die fogenannten Capitula Remedii. Die Formeln. 


Ausschließlich Strafrecht und zwar Anberungen bes römifchen im 
ber L.R. Rh. C. enthalten die fogen. Capitula Remedii 12). Sie 
find nicht von Biſchof Remedius (feit a. 800) verfaßt: er, der domi- 
nus, wird in britter Berfon genannt, aber von einer Verfammlung 


1) 3. 8. L. XI. 4. flatt principatus. 
2) L ec. 4, 4. 
3) l. e. 6. 
4) Mißverſtändniß liegt wor 1. c. XXV. 5. 
5) IV. 19, 2. 
6) L. R. XXV. 4, 5. XXVII. 4, 3. 
7) 1. 5. p. 308 für ſtatliches Bergregal beweift das keinesfalls. 
8) L. R. XXVL 8, 1. 
9) L. R. V. 11 fogenannte „gute“, „vernünftige Gewohnheit, f. Brie, 
Gewohnheitsrecht 1899. S. 23f. 
10) Könige VIII. 4. ©. 18—22. 
11) Vgl. Eonrat, der Rechtsunterricht im römiſchen Reiche, Grünhut's Zeit- 
ſchrift XXIII. ©. 10f. 
12) L. R. Rh. C. p. 302, ed. Zeumer M. G. Legg. V. 3. 1887 vgl. Zeumer 
N. U IX. Brunner I. S. 364. Eonrat I. S. 293. Kunftmann, bie Kanonen- 
ſammlung bes Remebius von Chur (Tübinger Doctorſchrift 1836) zur Entftehung 


231 


von Geiftlicden und Vaſſen unter ihm). Man?) behauptet bie 
10 Gebote als Reihenfolge, muß aber c. 2 und 3 — Zauber und 
Meineid — ausnehmen: auch fonft ftimmt es nicht ganz. Sie ent- 
Balten eine Milderung ber Strafen ber L. R. Rh. Chur. Abhängig- 
keit von biefer wird faft allgemein angenommen: fie ift wohl bie 
Lex Romana überhaupt, aber gewiß nicht das Moſaiſche Recht?). 
Die Aufzeichnung war nur für Chur beftimmt, fie fchöpft aus ber 
L.R.R.C.%. Dies >»judicium domini Remidii [sic]« meint ohne 
Zweifel5) eine Urkunde von a. 800—820. Die Entftehungszeit ift 
bienach gegeben: Remedius ftarb nach a. 820. Man ſchwankt daher 
zwifchen c. a. 800 und a. 8209). 

Bon höchſtem Werth find auch bier wie bei ben Franken bie 
Tormelfammlungen, die gleich den Urkunden uns die ftarren Nechts- 
fäte ver leges in lebendiger Anwendung vor Augen führen”). 


ber Sammlung ©. 37. Gehorſamspflicht S. 23; acenfatorifches Princip ©. 24. 
Ueber die Cap. Remedii vo. Wyß, Archiv f. Schweizer Gefchichte III. 1851—1852 
(Remedius Rector a. 784). Anfzeihnung für die Römer in Chur, ähnlich ben 
damaligen Bolls-, aber auch ben (fpäteren) Hofrechten S. 205 f.; vgl. Hegel, Städte 
Geſch. II. ©. 104; wie in ber von ben Cap. voraußsgefegten Lex R. Rh. C. 
engfter Anſchluß (auch in der Terminologie) an bie Lex Romana Visigotorum. 
v. Salis 2. R.G.2 VI. ſetzt die Aufzeichnung irrig tn die fpät fenbale Zeit ber 
Auflöfung der fräukiſchen Reichsverfaſſung S. 159 vgl. über prineipes unb 
judices p. 157. 

1) Brunner I. ©. 364. 2) Conrat I. ©. 293. 

3) Wie Schupfer, Lincei S. 64f. 

4) VIII. 51. XVII. 3. Falsitia auch bier munbartlich. 

5) Wartmann I. a. 354, 424. 

6) Bol. v. Savigny, Bethmann-Holberg, Hegel, Haenel, Stobbe, Planta, 
Bagner, Brunner, Eonrat I. S. 292, Zeumer (vor a. 806 Bertile). 

7) Ueber die Formulae vor Allen Zeumer in feiner Ausgabe M. G. h. Legg. 
Form. U. vgl. Gengler Rechtsdenkmäler ©. 86 die Münchener Handſchrift ber 
Form. Rhenaug. bei von Rodinger, Quellen zur bater. und deutſchen Gefchichte 
Vo. ©. 188. Dümmler, das Formelbuch des Biſchofs Salomon von Conſtanz 
1857; zu ben taroling. Kormelfammlungen Dammert Salomons III. Formelbuch. 
Bluhme, die römiſch⸗germaniſchen Formelſammlungen unb ber Codex Tradit. 
Sangall. Ueber die alamanntjchen, bie fogenannten Elfäffer und die Salomo- 
nifhen Formeln (mit werthuollen Erläuterungen und Zufammenftellungen mit 
Lindenbrog, Sirmond, Markulf, [Alkutn] v. Rodinger p. 29 S. 191 jet ſ. Zeumer; 
auch die vier elſäſſiſchen über Freilaſſung und das bei Bonvallon Revue histori- 
que de droit frangais et étranger IX. 1863 p. 420. Ueber: das fogenannte 
glossarium Salomonis (c. a. 750, fpantih?) Gsotz, k. ſächſiſche Gefellichaft ber 
Biffenfchaften. philol. Hiftor. Elaffe XIII. 1891. ©. 244, 288; zu ben karolingiſchen 
Sormelfammlungen Dümmler NR. X. VIL ©. 401. 


232 


IL. Amts hoheit. Amtsweſen. 
1. Allgemeines. Die Namen.) 


Sehr mit Unrecht führt man?) die Aemter in biefen Germanen- 
ftaten faft ganz auf Römiſches zurüd: fchon im 2. Jahrhundert be- 
jtrafen Vandalenkönige?) ungehorfame Heerführer,; und find die duces 
(Oberfelvherren) wie Armin und Brinno römischen Urſprungs? Gab es 
keine altgermanifchen Vorfteher ver Gaue und (Hunertfchaften) Dörfer ?" 
feine altgermanifchen Unterbefehlshaber ? 

„Herzöge (duces), ®rafen, domestici*) und alle agentes (acto- 
res)“ ift auch bei ven Alamannen die abgeftufte Aufzählungd). Das 
Amt Heißt auch actio (fiscalis actio ad tales clericos non dene- 
getur)®). Daher actores, agentes „Beamte” im weiteften Sinn; 
actor heißt auch der Verwalter, Vorfteher einer königlichen Villa”): 
er ift ber actor fiscalis®). ‘Der actor ecclesiarum heißt judex pri- 
vatus al8 Immunitätsrichter®). 

Die agentes der judices (provinciarum) find auch Steuereintreiber, 
gegen teren Ungebühr bie cives Strafflagen erheben bürfen 10); acto- 
res, d.h. örtliche Unterbeamte (per singulos agros et loca) follen vie 
judices provinciarum felbft beftellen: aber auch 11) private potentes 
haben agentes 12); bei matronae werben fie boransgejegt??) Oft si 
quis judex vel actor14), legterer ift meift 15), aber nicht immer ein 


1) Könige VII. 2. ©. 64. VIII. 3. ©. 31. 

2) v. Spbel? ©. 356. 

3) Könige I. ©. 141. 

4) Ueber Ältere und fpätere domestici WaißZeumer V. ©. 496. Un⸗ 
beflimmbar bleiben die domestiei in bem Palatium des Herzogs (und bes Könige) 
tn ber vita St. Galli p. 12. 

5) Trad. Wiszenb. N, 278. p. 266 agentes einer Kirche N. 10. p. 18, eines 
Abtes, Zeuß, W. N. 16 = custodes ebenjo 12, 20. Hrotsuit [a. 968 Watten- 
bach I. &. 334) orbnet die duces ben principes fiber ed. Köpfe p. 123 prinei- 
pibus fit par ducibus nec fuit impar; ich entnehme dies Waig-Zeumer V. ©. 43. 

6) L. R. XVL1, 4. 

7) Domus principum L. R. Rh. C. IL. 1, 9. 

8)Le. 5, 4. 


4. 
, 4: fehlt in ber Vorlage. 


14) L. RX 3, 1. 
15) Le. 2. 





233 


actor de domos (sic) dominius?), ein ordinator domorum domi- 
nıcarum, 

Allgemeine Bezeichnungen für Beamte des Königs find regiae 
potestates, procuratores et exactores?); judiciaria ift j. potestas 
und beren Gebiet). Judiciariae find auch fpäter noch Gerichts- 
ämter‘). Die potestates neben ben Richtern find andre hohe Be⸗ 
amteS). Bectores heißen die Beamten überhaupt, zumal bie Richter, 
3. B. die VBerwahrer der Sachen eines Abwefenden, Kriegsgefangenen 9). 
Aber auch der Graf heißt rector pagi’). 

Um Sanct Gallen zumal werben wie in Churrhätien germanifche 
Aemter römiſch benannt®); praeses ift der Graf?); militia ift (Bier) 
meift Kriegsdienſt, nicht ganz fo oft wie anberwärts10) bürgerfiches 
Amt!l), Aber doch auch bürgerliches Amt: fo zumal in ver L. R. 
Rh. C.12), Der miles des L. R. Rh. C.13) ift durchaus nicht ein 
Vaſſall, fondern ein dienender Krieger, dem Kaiſer, urfprünglich dem 
römiſch⸗byzantiniſchen, dienend. Der miles unter Arnulf iſt gewiß kein 
„Ritter*14), die gab e8 damals noch nicht. Das cingulum militiae, 
das viel fpäter ten Nitterftand bezeichnet, ift, aber in anderem Sinne, 
don römiſch 16) (Ludwig I. muß e8 ablegen): in viefer Zeit bebentet 
e8 die Schwertleite 16) jedes waffenreif Erklärten. 

Ein allgemeiner Ausprud für Amtspienft verrichten, amten, ift 


1) X. L Interpr. ; über bie rhätiſchen judices Stobbe p. 40. 

2) atque comites Schannat. hist. Worm. bei Stälin (V.) I. ©. 349. 

3) L. R. Rh. C, I. 10, 1. XI. 4, 1 (nicht in der Borlage) alfo nicht nur 
langobarbifch (»Judicaria«) wie Sohm 2. R-©.2 I. 17. Zeumer N. Arch. 
IX. &. 34. 





4) Waitz⸗Seeliger VI. ©. 31. 

5) Interpr. zu L. R. Rh. C. II. 9, die potentiores. 

6) L. R. IV. 19, 1. vgl. 4: cum Judicis notitia. 

7) Reng. N. 459. a. 870. 

8) Vita St. Galli c, 42, 43 praeses tribunus; in ben Urkunden bier 
praeses = Graf, tribunus = Skultheizo. 

9) (Des Nibelgaus) Neugart 1. c. 45. a. 766. 

10) Könige VIII. 3. ©. 36f. 

11) L. R. IV. 19, 4. arg. oaptivitas. 

12) militare vom Civil-Dienft der (Unter-/Beamten in ber Vorlage, nicht in 
ber Lex XL 4. XVII. 9 qui miliciam agebat vel qualecumgue officium 
publicum gerebat. 

13) Wie Schupfer IL. 1, 2. 

14) Fickler p. 3. 

15) In den Codd. Theodos. et Justin. Du Cange U. p. 331. 

16) D. G. 1. ©. 223. 


234 


ambasciare!). Judices bebentet ganz allgemein Beamter, auch Steuer- 
beamter, daher judex vel exactor?). Fiscales judices, b. h. Finanz» 
beamte?). Dann aber ganz allgemein ber zuftändige Nichter, auch 
judex loci, 3. B. bei Beftellung eine® Zutor84). Dux vel Comes 
vel quilibet judex = Beamterd). Bor dem »judex« wird die Ehe 
gejhloffen, in Ermangelung jchriftlicden Vertrages‘). Der judex 
loci?), der verbotne Ehen trennt, ift eben „ber zuftänbige Richter“, 
d. 5. ter des Wohnfiges (forum delicti commissi), wohl meift ter 
Gentenar®). Daneben verhängt ber zuftändige Geiftlide — ter 
Drtspfarrer — über fie bie kirchliche Strafe. Die judices provin- 
ciarum find) einfach aus ver Vorlage nachgefchrieben: gemeint find 
bie Richter überhaupt. Der Judex, ber den (Rirchen-)Eolonen auf 
Befehl feines Herrn (Bifchof, Archidiakon) zu Frohn aufbietet, ift wohl 
ber Kirchenvogt 1%) ober ber fonft major, actor, villicus genannte 
Deamte ver Kirche oder der Großen: Vorſteher und Richter der Grund 
holden einer villa. Judices von Biſchöfen werben wiederholt voraus- 
gejegt 11). Die judices publici in Ehim12) entiprechen den in Cap. 
Rem. !3) und in den Urkunden von Sanct Gallen 4). 


1) Ambasciare vom gallifgen ambactus, ambiens, Glüd Augsburger Bhi- 
logenverfammlung ©. 107, ich entnehme dies Th. v. Sidel U. L. S. 70 anders 3. 
Grimm, R.A. J S. 423 Dig, W. B. I p. 18. Ueber ambasciare in andrem 
Sinn, eine Urkunde nicht nur erbitten, deprecari, fondern erwirken, durchſetzen, 
impetrare Th. v. Sidel U. 1.1. ©. 70. 

2) L. R. XI. 5 centenarius, ullus judex Neug. 633. a. 901. 

3) IV. 12.L. R. privatus judex 13.1. c. iſt bier weber ber judex pedaneus 
noch der Immunitätsrichter L. R. II, 2, fonbern ber zuftändige „ſein“ Richter, 
wie die Vorlage (sui judicis) zeigt. 

4) L. R. XXL. 7. 

5) Coll. T. Sang 2 (erfundene Formel). 

6) L. R. Rh. C. III 7. 3. 

7) L. 39 p. 99. Bgl. Merkel, ver judex im bairiſchen Volksrecht Z. f. R.G. 
1. ©. 159. 

8) Anders, fcheint es, Wait II!, 2 ©. 147. 

9) Sn ber L.R. Rh.C.16, 3. 

10) L. 22 (23) (2) p. 83, ebenfo Trad. Wizzenb. N. 52. 

11) In der Urkunde Theuberihs fir Murbah vom 12. VII. 727. Dipl. 
N. 95. p. 85. 

12) L. R. Rb. C. II. 16. 2. 

13) e. 3. 

14) Ueber das ganz ausnahmsweiſe Hecht des populus, den judex zu wählen, 
in der L. R. Rh. C. v. Salis S. 176. 


235 


Zahlreich find für bie römifche Zeit die Decurionen, Curtalen 
in den Infchriften auch außerhalb Ehurrhätiens bezeugt‘... Die cu- 
riales in Chur find alfo nicht Leute von Chur, fonvern officiales der 
curia?). Aber neben biefen römiſchen Curiales erfcheinen auch 
curiales, die Bauern oder Beamte ber curia, d. h. bes Herrenhofes 
find). Häufig werden bier gewilfe Verrichtungen den Richtern „oder“ 
— nad Wahl der Bartei — den Eurialen übertragen‘). Unterbeamte 
(wie andre Untergebne) heißen auch hier5) wie agentes, actores®), fo 
juniores: an fie find Frohnden und Abgaben von den Amtspflichtigen 
zu entrichten ?). 

Ein (unbeftimmbarer) junior des Biſchofs erhält Land pro ser- 
vitio suo®). Aber einmal ift junior gegenüber einem judex ohne 
Zweifel?) der diefem Richter unterftehende Gerichtöpflichtige 1%). Das 
Amtsgebiet des Grafen heißt comitatus, comitia1!), ministerium!2), 
Das ministerium, d. h. Amtögebiet, meift eines Grafen, wird oft nur mit 
deſſen Namen, nicht mit einem räumlichen bezeichnet13): es ift meift eine 
Grafichaft, ein Gau, Tann aber auch mehr umfaffen*). Minifter be- 
zeichnet — abgejehen vom freien oder unfreien Diener — auch den 
Schuldheiſch, ja ven Vogt 15). Die ministri 16) — 2 — in einem Grafen» 


1) In Köngen, Bürg, Heidelberg, Pflinz, ich entuehme dies Stälin (V.) 
I. &. 9. 

2) L.R. Rh. V. 2. XVII. 11 fo richtig Zeumer p. 299. 

3) Zeumer Z.2 f. R.G.. IX. ©. 20. 

4) 2 B. IX. 32, 2. 

5) Bol. Könige VILL 3. ©. 201. Th. v. Sickel I. ©. 177. 

6) S. oben ©. 232. 

7) Neug. N. 298 a. 840. L. 81 entfprechend den diseipuli bei ben Lango- 
barben, Ofenbrüggen, Langob. Strafr. ©. 136; fiber bie Unterbeamten der rhätifchen 
principes v. Salis a. a. O. ©. 157. 

8) Testam. Tell. p. 15. 

9) L.R.Rh.C. 1.16, 2. Irrig Stobbe, L.-R. ©. 60, fo auch Walter III. 
L e., aber e8 ift sit flatt scilicet zu Iefen, nicht ber unterzeichnete Richter. 

10) Zeumer p. 321 durfte das beftimmt annehmen. 

11) Monach. Augiens contin. in Erchanb. Brev. Per II. p. 329. 

12) Neug. N. 145. Könige VII. 3. ©. 34. 

13) W. U. I. 102 a. 839 Neug. 191 a. 817 Trad. Sangall. N. 104. Stälin 
(B.) 1. ©. 329, 330 (vgl. oben ©. 89). 

14) Dümge, Reg. Bad. N.A. a. 839 ex ministerio Chuonradi comitis, 
ministerii quod Raban comes habet (oben ©. 81). 

15) Ulm. Urf. B. p. 40. Weber officialis, urfprünglich Beamter, fpäter = 
ministerialis Waitz⸗Zeumer V. ©. 493, 

16) Bei Reugart I. p. 607. 


236 


Gericht, find nicht näher beftimmbare Unterbeamte des Grafen. Ge- 
rade deßhalb wird nur ber Name bes Grafen genannt, anders bei 
dem alten feftftehenden Gaunamen 1). 


Enve des IX. Jahrhunderts nennen fogar die Herricher die &e- 
biete auch nach ten Namen ber Grafen?). Ministerium heißt aber 
auch Verpflegung, Aufwartung?). Alle Aemter und Würden werben 
nur vom Herricher (princeps) verliehen, Führung ohne ſolche Ber- 
leihung wird als sacrilegium ſchwer mit Einziehung (und Ercommuni- 
cation?) beftraft‘). Auch Hier wie in Gallien finden wir ehemalige 
Kronknechte als Richterbeamte*). Wie fonft®) droht der König unge- 
horfamen Beamten mit feiner Ungnabe”): fie follen auch Ungehorfam 
ihrer Unterbeamten nicht pulden®). Sigel führten auch fo untergeorb- 
nete Beamte wie der Gentenar). Wie fonft1%), nur in viel weiterem 
Umfang als früher find mit einer beftimmten Grafſchaft beftunmte 
Güter als folche verbunden: fie heißen baher res comitatus unb 
können, da fie keineswegs im Volleigen des Grafen oder gar im erb- 
lichen feines Geſchlechtes ftehen, nur unter beſonderer Erlaubniß des 
Raifers gegen Kloftergüter vertaufcht werten!!). Ein Graf des Zürich⸗ 
gaus verbindet Sanct Galliſche Güter „rechtswidrig mit ber Gewalt 
feiner Graffchaft“12), d. 5. vielleicht unterwarf er fie nicht nur ber 
Amtszuftänpigfeit, fondern verband fie mit der Ausstattung des Grafen- 


1) In ministerio Trumaldi comitis, Cunthardi oomitis, Karamani co- 
mitis Neng. N. 90. In pagis Jagisgowe (Jagſtgau) et in comitatu Hecelonis 
comitis a. 1052 Monum. Boica 29 Nro 385. 

2) Neug. 581 a. 888 in comitatibus Perengarii et Ejsarhardi, aber vor 
ber fteht in pago Hattinhunta et Sulihgeuvva: das waren bie Amtsbezirke dieſer 
Grafen. 

3) Unus episcopus debet ... advenvire, et ideo praepara illi ministerium 
(Coll. F. Sang 35) = servitium vgl. Könige VIII. 5. ©. 91, 96). 

4) L.R.VL 1. 

65) Trad. Sangall. N. 206. 207. Erfcher servus domini (resedebat) ſ. 
Könige VII. 1. ©. 281). 

6) Könige VIII. 6. ©. 15. 

7) S. unten „Geſammteigenart“. 

8) Neug. 603 a. 893. 

9) L. A. 28, 4. 

10) Könige VII. 2. ©. 83. VII 3. ©. 43. 

11) Neugart 284 a. 838 (Kempten). 

12) Neng. 482 a. 875 res quas. .. injuste abstulit G. comes et potestati 
Turigaugensis comitatus violenter conjunzit. 


237 


amts, mit dem Graffchaftsgut!). Die Befikungen eines Grafen, die 
feine dominatio und possessio heißen, find gleichwohl nur feine 
(Amts- ?)beneflcien, daher er fie nur mit Erlaubniß des Königs (per 
nostrum comiatum) vertaufchen kann?). 

Deutlich heben fich die drei Begriffe ab in einem Fall von a. 857°): 
Königsgüter, die zu der Grafichaft eines Grafen gehört Hatten und 
einem Andern als beneficium gegeben waren — fie waren aljo nicht 
Amtsbeneficien des Grafen, unterftanden nur feiner Amtsgewalt 
— werden fpäter mit allem Zubehör einem Diakon zu eigen gefchentt. 
Geht Krongut (res juris nostri, quidquid hactenus ad regiam- 
ditionem pertinebat) fpäter in ven Gebrauch der Grafen über 
(ad usum comitum), fo ift wohl an Amtsbeneficien*) zu denken: 
biefe gehen erft durch Königsfchentung aus beflen Eigenthum in das 
bes Klojters über (der Graf bat dieſe Schenkung felbft erbeten, alfo 
verzichten zugejtimmt): ausgenommen das einem ministerialis bes 
Grafen 5) verliehene After-beneficium. Aber auch manchfaltige 
andre Nubtungsrechtee) kommen dem Grafen als folchem zu: fo hat 
neben dem Zehntrecht bes Eigentümers einer Kirche?) der Graf des 
Klettgaus Zehntrechte in Dörfern ohne Erwähnung von Kirchen darin. 
Auch „niedrig Angeftellte”®): Jäger, Börfter, Meier, Zimmerleute, 
Steinmege (latomi), Weingärtner, Fiſcher“), Handwerker erhalten 
Gütchen als Lohn für ihre Arbeit: ebenfo kann man fagen: ihre 
Leiftungen find Frohnden für empfangenes Kloftergut. 

Zu den Einnahmen der Beamten — auch des Herzogs und 
des Biſchofs — zählen ferner die Bannbußen für Ungehorfam gegen 
ihre Befehle 1). Von den gefammten Einnahmen ber Krone und bes 


1) Könige VIII. 3. ©. 43f. 

2), W.U.I.62 a. 807. 

3) Neug. 367. 

4) Dagegen Eigenthum ſchenkt ber König 1. o. 173 a. 902, 176 a. 908. 

5) W.U. I. 174. Neug. I. 648. a. 904. 

6) Ueber die Auffafiung von Nutumngsrechten und Renten als liegendes Gut 
Waitz Seeliger VI. ©. 31; vgl. aber Heusler, Gewere S. 276, Inftit. I. S. 338. 

7) Neug. 500. a. 876 basilica ejusque diesmatio [sie]. 

8 Sagt Waitt- Seeliger VI. ©. 13, er will dann bavon noch „Lehngut“ 
ſcheiden. Aber der Schulbheifch gehört nicht In dieſe Reihen, vgl. Watt VII. ©. 7. 

9) Piscatores habent feudum a praeposito, Grandidier II 199; aber 
andrerfeits Tann ihnen auch das Fifchereirecht, piscatio, al® beneficium, pisca- 
turae verlieben werben. 

10) Herzog und Biſchof 12, Graf 6. Eentenar 3 sol. L. 22—27. p. 83—87. 


238 


Grafen aus dem Amtsgebiet 1) eines Grafen wird 1/,, (auch 1/,) Kloſter 
Reichenau geſchenkt?), und zwar wird biefer Theil vorabgezogen, das 
Uebrigbleibende unter Krone und Graf je nach deren Anfprüchen ge- 
theilt. 
Trotz bed Rechts auf mansio u. f. w. eines im Töniglichen Auf- 
trag Reiſenden) erbittet fi Bifhof Salomon von Conftanz von 
Reginhard von Straßburg auf ber Reife nach Luxeuil in dem vicus 
Ruffach im Oberelfaß aushrüdlich Aufnahme und Verpflegung für fich 
und fein ®efolge unter Erbietung zur Gegenfeitigkeit*); ebenfo beauf- 
tragt ein Bifchof feinen vicedominus in Bohlingen und dieſer feinen 
Brocurator dafelbft (unter ter fcherzhaftenS) Drohung: „wenn du Haut 
und Hare behalten willft”) für die Verpflegung des nach Rom reifen- 
den Bifchofs von Straßburg zu forgen, vor Allem um ihn zu Gleichen 
zu verpflichten 6). 

Die Bedeutung von honor’?) hat gewechielt. Später beveutet 
honores Amtslehen®). Auffallend nennt Hinkmar?) Frisiam aliosque 
honores, alfo Provinzen wegen ber zum Beneficium gegebnen Rechte 
daran. 


2. Die einzelnen Beamten. 
a) Der Herzog 10). 

Dem Frankenkönig und ten Hausmeiern galt als ver oberfte 
fräntifche Beamte in Alamannien der Herzog: er war es auch über 
ein Jahrhundert a. 500—638, freilich ſchon damals ein gar eigen- 
williger, von den Königsbeamten in Gallien gar verfchievener Beamter: 
von c. a. 638 bis c. 700 hatte das Stammeshaupt die Beamtenftellung 
faft ganz abgefchüttelt und nun währte der Kampf darum, die Beamten- 


1) »Ex ministerio« vgl. VIII. 3. ©. 34f. 

2) Dümge Reg. Bab. N. 4. a. 839. p. 69. 

3) Könige VIII. 5. ©. 92. 

4) Coll. F. Sang. 33. a. 875—888. 

5) Dagegen ernft gemeint ift bie Drohung bes Biſchofs omnibus meis et 
gratia mea privabitur. 

6) 1.c. 34, 35. 

7) ©. Könige VIL 2. ©. 77. VIII. 3. ©. 32. 

8) Waitz IV. ©. 216. Watk- Seeliger VI. ©. 33. Weber honor, früäber 
Amt und Beneficium f. Könige VIII. a. a. O. jet meift beneficium. So 35.8. 
Mahr IN. 31. p. 49. a. 877. 

9) Annal. Bertin. a. 882 honores. 

10) Könige VII. 2. ©. 154. Könige VID. 3. &.115. Urgeſchichte IV. S. 93. 


239 


unterorbnung wieber berzuftellen, noch 40 Jahre, bis das Herzogthum 
befeitigt warb: das ift aber erft am Schluſſe darzuftellen !). 


b) „Bammerboten‘‘ (?) 


Nach der herrichenden Meinung gab e8 ein bejonveres für Ala- 
mannien nach Bejeitigung ver Herzogwürbe gefchaffenes Statthalteramt, 
beffen Träger ven technifchen Namen „Kammerboten“ jollen geführt 
haben: allein höchſt wahricheinlich beruht dies auf Mißverftänpniß 
Effebarb IV., der davon berichtet?2). Sendlinge der Krone, zumal auch 
des Fiscus, Hatte e8 von je gegeben?) und dieſe mochten ebenfo nuntii 
camerae wie missi camerae heißen. ‘Die Kummerboten follen 
„Pfalzgrafen“ und Erſatz des (damals fchon?) verjchwundenen Königs- 
boten gewefen feint. Allein die früheſten Pfalzgrafen bier, 5. B. bes 
von Tübingen, find — foweit ich fehe — erſt Ente des X. Jahr⸗ 
hunderts bezeugt). 

Nach Bejeitigung des lebten Herzogs ließ Pippin das Land durch 
Bertreter verwalten, bie er aus einheimifchen Grafen beftellte: ven 
Ausprud „Sendboten“ vermeidet man befjer, va er alsbald unter Karl 
in anderer Bebentung auftaucht, und ebenfo den Ausprud „Kammer: 


1) LXehrreich über das Herzogthbum im Elſaß im VIII. Jahrhundert Leviſon, 
Heine Beiträge; Adalbert + c. a. 733, Liutfrid a. 934—739, Binder, Eberharb 
ducat und domesticat ©. 369, ©. 373. Bloch, geihichtlihe Einheit ©. 40, 
Ffifter ©. 29. Herzogthum Elfaß, Dagegen Elsgau Leninfon S. 381. Ducatus 
= Amt = Amtsgebiet Könige VII. 1. ©. 72 Levinſon, kleine Beiträge. S. 377). 
Ueber dux als Zitel, nicht Amt Th. v. Sidel. J. ©. 175. Leber den römiſch⸗ 
oftgottihen dux Rhaetiarum oben ©. 63 und unten „römifche Beamte”. 


2) Sagt Ekkehard W. cas. St. Galli. II. p. 83. a. 890 nondum illo tem- 
pore Suevia (= Alamannia) in ducatum erat redacta (b. h. wieder feit 
Burfharb IL c. a. 920), sed fisco regio peculiariter parebat sicut hodie et 
Francis, fo fteht bier wie fo oft Mocus regius für ben Stat Überhaupt: pro- 
curabant ambas camerae (= fisci) quos vocant nuntii, wobei allerdings bie 
Fiscalrechte betont werben: bas Land galt als peculium ber Krone. Stälin (S.) 
©. 127 meint Ekkehard, ber allein den Ausdruck bringt, babe ſich das Wort ge 
bildet, ber fagt aber freilich das Gegentheil. 

3) Könige ſ. unten VIL. 2. VII. 3. ©. 156. 

4) Waitz VII. ©. 176, 177. 


5) Ludwig Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen 1853. ©. 6. 
Ueber den Namen f. auch Wait-Zeumer V. ©. 59. ©. 176. Jahrbücher Heinrich I. 
&.106. Rintelen, Forſch III. S. 316. Wurftemberger I. S. 309-315. Richtig 
Roth v. Schredenftein ©. 133. 


. 240 


boten” 1), da er fpäter für allerdings ähnliche Vertreter ans andrem 
Geſchlecht begegnet. Pippin beftellte zuerft — gleich nach Erledigung 
bes Herzogthums —2) an Herzogftatt, aber ohne dieſen Namen, 
2 fchwäbifche Grafen: — ſchon bie Theilung follte offenbar ihr Auf- 
fteigen zu berzoglicher Macht verhüten — Warin, ber zugleich Graf 
von Thurgau a. 754/55°), und im Linzgau a. 764 blieb), und Ruod⸗ 
barb, der Graf im Argengau ward) (a. 769). Man hält beide für 
Welfen, die (auch)®) im Elſaß anfälfig waren. Die Zuftänpigfeit ver 
beiven Statthalter erjchöpfte ganz Alamannien; die Art ver Theilung 
ift unbefannt?): fie gefchah vielleicht im Anfchluß an bie (3) Gaue 8). 
Nach der vita Sanct Otmars?) von Gallen entriffen fie biefem 
Klofter für fih und Biſchoſ Sivonius von Conftanz (a. 748—759) 
Güter und fetten ven Heiligen gefangen. Vererbung ver Statthalter: 
ftelung fand nicht ftatt: wenigftens finden wir Warins Sohn Iſan⸗ 
bard nur als Grafen von Thurgau bezeichnet 10): vielleicht Tieß bie 


1) Bon Kammerboten follte man bei Neugart 1. c. 46 a. 769 nicht fprechen: 
gemeint ift der Graf bes Argengaus. 

2) Das bat Stälin (B.) I. ©. 241 wahrſcheinlich gemadt: a. 789, elf Jahre 
nach Lautfrids Entfegung find fie ſchon geraume Zeit im Amte, vita St. Othmari. 

3) Neugart N. 18—20 1. c. 43. 

4) Nach 62 wirb er noch a. 775 genannt, nad) Annal. Guelf. cont, ed. 
Bert I. 40 war er 774 geftorben; ich entnehme dies Stälin (®.) J. ©. 24, ebenfo 
feine Gattin Habelindis und feine Söhne Suabo und Ifanbarb. 

5) Neugart, ep. Constant. p. 55. 

6) Denn ihre Stammfige find doch auch am Lech zu fuhen? Wenk II ©. 
570, 593. Stälin (®.) I. ©. 241. Auf das fpäte (fogenannte) Chronicon Ur- 
spergense (Baumann, bie Abflammung ber Kammerbiten E. unb B. Forſch. z. 
ſchwäb. Seh II [1126—1229], vgl. bie Literatur bei Potthaſt I. S. 296 und bie 
Kritik bei Abel Perg Archiv XI.) ift nicht viel zu bauen: danach follen Welfen 
im XI. Jahrhundert Sanct Gallen eine Sühne für ihrer Ahnen Warin unb 
Ruodhard Berunrehtung Sanct Othmars entrichtet haben (Zins aus den Füßener 
Bergwerlen). Ekkeh. IV. ed. Bert. M. G. IL. 87. Ein anderer Warin war unter 
Karl Graf im Lobdengau Stälin a. a. O. 

7) Wealafı. Strabo v. St. Galli. 2. c. 15 comitis quidam W. et R. qui 
totius tunc Alamanniae curam administrabant: fie hatten, ſcheint es, nur ben 
Orafentitel. 

8) Vielleicht Ruobharb (im Elſaß und In ber Bar, wo er a. 769 Graf iſt 
Ratpertus cas. St. Galli Ser. p. 63: Neugart episc. Const. 55, 59. Warin, 
der brei Gaue als Graf bat, Ratpert. 1. c., im übrigen Alamannien. 

9) Walahfr. Strabo (geft. a. 824) vita St. Galli et St. Othmari Monum. 
Germ. Ser. II. p. 24,43. 

10) Neugart Nro. 137, 160. 


241 


Einrichtung der Sendboten unter Karl!) dauernde Vertreter im Land 
über den Grafen entbehrlich fcheinen. 

Das Amt der „Kammerboten” — es werben in unferer Beriobe 
nur noch (für das alamannifch- fränkifche Land) Adalpert und Werinher 
fo genannt?) — tft dadurch von Senpbotenfchaft verichieven?), daß 
es als ortentliches, dauerndes und verwaltendes, nicht als außer- 
orventliches, worübergehendes, überwachendes geftaltet wart). Immer: 
hin mag das Sendbotenamt infofern vorgefchwebt haben, als biefe 
scamerae nuntii« vor Allem bie Rechte des Fiscus in dem Lande 
zu wahren hatten, unter welchem es nunmehr unmittelbar — ohne 
einen Herzog — ftand, was Ekkehard (c.a. 1035) mit feiner herzoglichen 
Zeit vergleicht. Zumal ift zu erinnern, daß ſchon unter Ludwig das 
Amt aus einem außerorbentlichen Auftrag in ein ftändiges einem Ein- 
gefeßnen verliehenes verwandelt wurbed). Wie alle Beamte be- 
ziehen fie ftatt barer Beſoldung allerlei Einkünfte aus Amtsbeneficien 
(im weiteften Sinn), fo daß fie fich gefchätigt finden; verleiht ber 
König ihnen (in ſolchem Sinne) zugehörige Gebiete (dicioni subtracta) 
an Bifchöfe: jo heißt Potamum (Bodman) geradezu eine Stabt 
(oppidum) der Kammerboten 9). 

Alle Hobeitsrechte follten fie nicht mit herzoglicher Würbe üben, 
jondern wie Grafen, von diefen nur durch den größeren Umfang 
ihres Amtsgebiets unterfchieven”). Doch brüdt es ihre hohe Stellung 
aus, daß bie Urkunden, wie früher des Hausmeiers und des Könige — 
nie des Herzogs — fo jett ihren Namen tragen®). Noch einmal — 
ganz fpät — heißt ein Beauftragter missus de camera (et pa- 
latio): allein er tft Graf des Rheingaus, lebt alfo nicht im Palaft, ift 
nur Bertreter des Fiscus (camera) und des Palatiums (rex), ba 


1) VOII. 2. 

2) Ekkehard IV. Scr. II. p. 83. 

3) Anders Merkel de resp. p. 11. 

4) Anders Stälin (®.) I. ©. 339. 

5) Könige VIII. 3. ©. 193. 

6) Camerae nuntiorum juris oppidum. Ekkehard IV. Scr. II. 83. 

7) Nah Merkel der. S. 11 „wurben baburch bie Übrigen Grafen und bie 
geiftlichen Großen unglaublich mächtiger”: aber wicht erft jetzt hatten fie ihre Auf⸗ 
gebote zuzuführen — nur eben jett jenen beiden Statthaltern ober dem König 
unmittelbar wie früher bem Herzog; und die Reichsverſammlungen hatten fie auch 
unter ben Herzögen befuchen bürfen. 

8) Form. Goldast. 42f. und oft, Neugart N. 43 episc. Const. p. 55 wie 
auch der Name ducatus (aber nicht dux) Alamanniae blieb. 

Dahn, Könige ter Germanen. L. 1. 16 


242 


es fih um Einkünfte eines Kronklofter Handelt 1); daraus ift nichts für 
einen Sonverbegriff von „Ranımerboten“ zu beweifen. 

Zenfeits unferer Aufgabe liegt das Gefhid ter „Rammerboten“ 
Erchanger und Bertholt?). 


3. Graf, comes. Pialzgrajd), Markgraf. 

Welche Beamtungen mit Ranteöglieverungen bei den Alamannen 
unter ihrem König wor Chlodovech bejtanden, wiſſen wir nicht genau: 
aber tie Berichte Ammians beftätigen vollauf, was als gemein- 
germanifch ohnehin auch bei den Alamannen vermuthet werben burfte: 
ihre Könige haben bald einen, bald mehrere Gaue, pagi, an deren 
Spite — unter tem König — Leiter bes Gerichts und Befehlshaber 
ftanden, die vermuthlich wie bei andern Germanen „Strafen“ hießen. 
Gewiß nicht haben erft bie Frankens, die (Grafen und tie) Gau- 
eintheilung eingeführt, bie offenbar — wie die Namen bezengen — 
alteingewurzelt fcheint, ober gar erſt Karl ter Hammer und Pippin$, ; 
ſchon a. 630 erfcheint ein Graf tes Gaues von Arbon, ber Kämmerer 
Dagobert 1.7). 

Princeps bezeichnet fonft ven Herrfcher over Vornehme®), aber 
Einmal muß es den Grafen bebeuten: denn es heißt: ber Kläger gebe 
zu dem princeps, „den er hat“, auf daß biefer ihm zu feinem echte 
verhelfe?). Stellung und Ehre bes Grafen erjcheinen fehr Hoch. Auch 
ein Graf nennt ſich wie die Krone und ter Bifchof divina clementia 


1) NReng. 604 a. 893. 

2) a. 917, vgl. Stälin (V.) J. ©. 27. a. 912 (S.) ©. 127, |. unten „Herzog“. 

3) Könige VII. 2 S. 909 —122. VIII. 3 &. 72—94. 

4) Bgl. Sohm ©. 74, 146. 

5) Wie Merlel, der. S.9, 36 meint. 

6) Wie Uffermann. 

7) Ratperti casus St. Gallil.c. Mit Unrecht leugnet auch v. Daniels &. 243 
Baugrafen unter den Herzogen. Stälin (®.) I. S. 326f. verzeichnet die Namen 
von 65 alamannifchen und 4 fränkiichen Grafen in Württemberg; über die Gau⸗ 
grafen Wuſtemberger I. &. 26. Ueber die — fpäten — Grafen von Buchhorn 
(Briebrichähafen) Neug. Episcopatus Constantiensis (1803) p. 198. 

8, Oben ©. 139. 

9) L. 82 (85) p. 147 vadat ad principem, quod (l. quem) ille habet ut 
eum justitiam faciat: denn „ben er bat” kann man boch weber vom König noch 


vom Herzog fagen und von einem privaten (abeligen) Patron doch wohl nicht: 


sut ei justiliam faciate. . 


243 


comes!), während er doch nur clementia regia (im Jahre 817) 
Graf ift. 

Eine Urkunde von a. 744 batirt unter Weglaffung tes Königs 
regnante Carlomanno duce et Pibone comite?), während es fonft 
heißt: regnante Pippino rege sub Warino comite, was nur ben 
Grafen (des Thurgaus) bezeichnen foll, in dem tie Schentgüter Tiegen 3). 
Der Graf heißt illuster virt), vir clarissimus, comes illuster, 
aber nicht mehr comes, vir ıllusterd). Jedoch einen bejonberen 
„Grafenfrieden“ „für alle, die mit dem Grafen zu thun hatten”, gab 
es nicht‘); wenn für ben auf dem Wege zu dem Grafen (wie zum 
Herzog) Getöbteten dreifach Wergeld geheifcht wird”), fo ift das ver 
Friede des Weges zu tem Nechte — nicht gerade zu dem Grafen — 
wie fonft etwa zum Ding ober zum Königspalaft; nur fein Hof ge» 
nießt des gleichen Friedensſchutzes wie der des Herzogs). 

Ungehorfam gegen feine Labung, feinen Bann und fein Sigel 
wird aber nur halb fo fchwer wie ber wider bie herzoglichen gebüßt?). 
Die Zuftändigkeit und die andern Verbältniffe ver Grafen in Ala- 
mannien waren die gleichen wie im übrigen Sranlenreich: auch bie 
Verbindung mit ber Baffallität, mit Kron⸗ und Amts-Xeben, vie be- 
ginnende Vererbung in farolingifcher Zeit war vie gleiche 10), 

Chlodovech Hat vermuthlich die meiften vorgefundnen Grafen in 
ihren Aemtern belafjen. In ver Folge hat die Beftellung gewiß ftarf 
gefchwantt11): doch war fie wohl regelmäßig ein Recht des Herzogs, 
das er nur nicht gegen ben ausgefprochenen Willen des Königs aus: 
üben konnte: zumal Tonnte der König ben vom Herzog beftellten ab- 


1) W. U. I. 80. Neug. I. 193. a. 817. Wait VII. ©. 8. 

2) Rengart 1. c. 13: offenbar nur nachläfftger Ausdruck für comitatum 
gerente; auch Grandidier Alsace I. p. 158: comite regnante (faljch?) 

3) 1. c. 18. a. 754 ebenfo 22. a. 758 sub Chancharone comite (be8 Breis- 
gaus) 24. a. 759 nnd oft. 

4) W. U.L 115. a. 848. 

5) Neug. 635. a. 902. 

6) Waltz 6. ©. 35, 36. 

7) L. A. 29, 2. p. 88 si ad comitem perrexerit et ibi occisus vel plagatus 
{uerit, ille qui hoc fecit omnia tripliciter componat. 

8) T. 29. f. unten Herzog. 

9) 6 flatt 12 sol. T. 28, 3. 

10) Weber missi comitis VIII. 3. ©. 157. 

11) Meitgen I. ©. 469 läßt den Grafen durch den König einfeben. Nach 
Eramer ©. 301 wird ber Graf „von dem Herzog (König)” ernannt: von wen nun? 


16* 


214 


fegen!). Nach Beſeitigung ber Herzege ernennt ver König die Grafen 
bier wie im ganzen Reid. Der König wendet fih an all feine in 
Alamannien beftellten Grafen und erwartet von ihnen Befolgung feiner 
Befehle, wie er ihrer Treue (veritas) vertraut?). Rechtlich „wählbar“, 
d. b. ernennbar zum Grafen war gewiß jeter Freie, nicht nur ter 
primus und medius, thatſächlich aber waren biefe beiden Stände 
zweifello® hiebei fehr ftark bevorzugt, meift aus dem alten, fpäter — 
zumal in Tarolingifcher Zeit — aus bem neuen Abel). Freilich war 
ſchon in Merovingen-Tagen thatfächlich der Sohn dem Vater gar 
oft in das Grafenamt gefolgt‘); allein das beburfte doch ſtets der 
Ernennung durch den König, und tie beneficia gingen wie eine Exb- 
ſchaft nur bei erneuter Verleihung über®). Und thatfächlich wurde ſpäter 
freifich auch Hier tie Srafenwürbe in einem Gau häufig erblich: fo 
ter comitatus von Chur in dem Gefchlecht der Victoriden®): erft bei 
beren Erlöfchen beftellte Karl a. 774 Biſchof Eonftantins von Chur 
zum rector des territurium (sic) Rhaetiarum, d. h. mit den Be- 
fugniffen des Grafen unter Beibehaltung bes eingewurzelten römifchen 
Namens”). 

Udalrich, Bruder der Königin Hildigard, warb Stammoater 
ber Grafen im Argen- und Linz-Gaud). Auch überläßt Graf Apal- 
bert von Thurgau, Albgau und der Bertholdsbar feinem Sohn Burl- 
hard die letztgenannte Graffchaft, die er früher durch einen Bicar 
verwaltet Hatte — felbjtverftändlih unter Erlaubnis des Königs?). 
Regelmäßig hat ver Graf nur Einen Gau = Einer Graffchaft unter 


1) S. unten Herzog. 

2; Neug. 468. a. 873. 

3) Nicht wie Stälin (8) I ©. 219 und v. Sybel? ©. 138 nur ans bem 
Adel vgl. Könige I. S. 23. VII. 2. ©. 104. Zwei Brüder gleichzeitig Grafen 
Neugart 1. c. 8. a. 731. 12. a. 744 und oft. 

4) Viele Beiſpiele ſchon bei Greg. Tur. Urgeſch. IH. ©. 119. 

5) Anders Merkel de r. ©. 48, der auch leider nicht zwiichen Amts und 
andern Beneficien VIL 2. ©. 83. VIIL 3. ©. 23 unterfcheibet. Weber die An- 
fänge ber Bererbung bes Grafenamtes Waitz VII. ©. 9. Abfegung durch den König, 
Erfegung durch andre Geſchlechter: fo erhalten bie Welfen durch Ludwig I. den 
Argen- unb ben Linz⸗Gau, unter Ludwig dem Deutſchen werben fie durch das 
früher bier mächtige Gefchlecht erjett. Meyer von Knonau Forſch. 3. D. G. 
XII. S. 77. 

6) Stobbe, Lex Rom. Utin. p. 8, 9. 

7) Plauta II. ©. 15. vgl. Löning, Kirchen. ©. 225. 

8) Argen und Buchhorn (= Friedrichthafen) Stälin (S.) I. ©. 118. 

9) Neng. 591. a. 889 Anmerl, c. und d. 


245 


fiht). Daher ift es tie Regel, daß comitatus, Grafſchaft und Gau, 
pagus, zufammenfallen?). Seit c. a. 850 verbrängt in ber könig⸗ 
lichen Cancelei ‚»comitatus« und ebenſo deſſen Hauptgerichtftätte ten 
»pagus«?). 

In den älteren Urkunden Alamanniens jteht nur comes, nicht 
Grafio®). Karl III. heißt als Graf bes Breisgaus rector pagi’). 
In Aamannien konnte aber der Graf nicht comes civitatis fein und 
beißen ®): zu wenig zahlreich waren hier die Stäbte, die Lanpichaften 
find nicht als teren »territoria« gedacht wie in Gallien: vielmehr 
war der „Sau“, der hier ja oft der Stadt entbehrte, das Amtsgebiet des 
Grafen. Daß Karl (meift) Einem Grafen nur Eine Graffchaft gab”), 
ſolls) heißen, „daß er ben Umfang ber beſtehenden Grafichaften 
gewahrt und keine, burch Zufügung anderer, vergrößert habe”. Es fol 
aber vielmehr ganz was Andres heißen: nämlich, daß er (meift) nicht 
Einem Grafen zwei beſtehende Srafichaften verliehen, nicht Einen zum 
Grafen mehrerer Graffchaften (= Gaue) gemacht Hat?). Zuweilen 
aber hat doch Ein Graf mehrere Graffchaften oder Gaue: fo unter 
Pippin Graf Warin!Y), Graf Dtto zwei unter Qubwig 11). Seit Karl 
werben ber Linz» und ver Argen-Gau (auch ter Alpgan), ftetS von dem 
nämlichen Grafen verwaltet, ausgenommen in Fällen Löniglicher Un- 
gnade 12). Ebenſo vereinten bie Hunfridinger (Burkhart) zu Anfang 
des X. Jahrhunderts die Grafichaft in Churrhätien mit der im Thurgau 
und im Gau Scherra 1), Warinus, der mit Ruodhard nach a. 749 


1) ©. oben „Land”; Tumbüll, die Grafſchaft des Albgaus, 3. f. d. Geſch. d. 
Oberrheins 46. 1892. 

2) So Neug. 596. a. 890 comitatus = Turgau et Ringau oben ©. 88. 

3) Beläge bei Baumann ©. 436. 

4) Baumann ©. 438. 

5) Wartmann II. 165. comes Alamanniae Wait III. ©.55. Ueber bie 
Namen von Graf und Graffchaft (cometia, comitatus, praefectura, praefectus) 
Waitz VII. S. 2; über comite regnante Grandidier Alsace I. p. 153 oben ©. 243. 

6) VII. 2. ©. 94. VIII. 3. ©. 79, 80. 

7) Gesta Caroli I. 13. 

8 Nah Cramer ©. 305. 

9) Könige VIII. 3. ©. 79f. 

10) Linz. und Argen-Gau Neug. 477. a. 874. 515. a. 879. Coll. F. Sangall. 36, 
dazu Zeumer Anmerk. 7. 

11) Mon. B. XXXI. 1. p. 60. Th. von Sickel II. N. 269. 

12) Cas. St. Galli Ser. UI. p. 63. Neugart, episc. Constant. p. 55, 60. 
Cod. dipl. N. 18, 19. Stälin (8.) I. ©. 241, 243, 246. 

13) Baumann ©. 202. 


246 


zur Verwaltung Alamanniens bejtellt wurde). Dann Udalrich, Karls 
Schwager c. a. 800, Graf vom Breisgau, Hegau, Linzgau, Argengan, 
Thurgau, Untereljaß (obzwar nicht in allen gleichzeitig). Rotbert ijt 
a. 754 zugleich Graf tes Linz und bes Argen-Gaues2). Auch er- 
fcheint verjelbe Dann a. 868 als Graf ter Bertholdébar, a. 875 
(zugleih?) als Graf tes Scherra-Gaus?). Drei Grafihaften zugleich, 
Thurgau, Albgau und Bertheltsbar hat Graf Aralbert!). Seltener 
walten in einem Gau gleichzeitig mehrere Grafen, am bäufigften in 
ben großen Baren®): nicht weniger als vier zugleich a. 786 in ter 
Bertholeisbar®); zwei im Nibelgau ”). 

Einmal wird genannt: ein comes junior, es ijt nicht zu unter» 
icheiven: comite, juniore et multitudine procerum et juniorum, 
benn e8 ftehen®) ver comes senior und ter comes junior neben- 
einanter: alfo zwei Grafen in einem Gau? ?.. 

Der Graf hat unter dem Herzog ten Heerbann über das Auf- 
gebot der Grafſchaft 1%). Auch ter Graf wie ter Herzog hat Dienft- 
Mannen (homines) unter fih 11). Der Graf erhält vom Herzog, ter 
ihn bejtellt, ven Gerichtsbann 12) für ftraf- und bürgerliches Verfahren 
und freiwillige Gerichtsbarkeit, er beraumt gebotne Dinge an1?). Bor 
dem Grafen und ben pagenses wird bie Auflaffung von Grundſtücken 
in villa publica vorgenommen 1%). 


1) Erchanger c. a. 816 Breisgau, Ortenau, Elfaß; Albarich c. a. 855 Albgau 
und Breiegau; c. a. 852 Albgan, Thurgau, Hegau, Scherragau, Klettgau, Tum⸗ 
bält ©. 152. 

2) Neugart 88. a. 784. 

3) Neug. 452 a. 483. 

4) Neug. 591. a. 889. Anm. 474 und Achnliches oft. 

5) ©. oben ©. 92. Neugart R. 106. 

6) Drei in Einer Urkunde in ber Albwincsbar und zwei Nachbargauen ober 
drei ®rafen in Einer Bar 1. c. 193. a. 817. 

7) Neug. 145. a. 802. 

8) Coll. F. Sang. add. 4 a. 894. Zeumer p. 435. 

Le. 5. 

10) (Aber nicht in Einer Grafſchaft). Nah Brunner IL ©. 174 ein „Unter 
graf” = vicarius? 

11) Vita St. Galli. Wie bei den Balern L. B. II. 5. Ser. II. p. 18. 

12) T. 36. 

13) Congregat concilium Form. Alsat IV. 7. 

14) Reugart 1. o. 45. a. 766 consentiente Cozberto comite: warum War 
biefe Zufimmung in jenem Fall erforberlih? S. unten „Bergabungen“. Lieber 
ben Gerichtsbann bes Grafen im Unterfchieb vom Königsbann, ber ihm aber auch 


247 


Neben vem Herzogsbann von 12 fteht ein Grafenbann von 6 sol., 
gleich dem kleineren Friedensgeld des Stammes). Der Graf verhält 
ſich alfo Hierin zum Herzog (und Biſchof) fo zu fagen wie 6 zu 12, 
zum Centenar wie 6 zu 3, db. 5. Solidi bei Ungehorfam gegen ven Be- 
fehl2). Der Graf ober fein missus wird ald Vorfteher des Gerichts 
der Herrichaft fogar vorausgeſetzt: nur in ihrer Ermangelung leitet 
ter Gentenar das Gericht?). 

Ein befonderes Grafending für bie ganze Grafichaft hält ber Graf 
nicht, ſondern er dingt auf ter Dingftätte je einer Hundertſchaft mit 
dem Gentenar zufammen und zwar abwechſelnd alle 7 oder alfe 14 Nächte 
an einer andern Hundertſchaft feiner Grafichaft‘). Allertings Tann 
auch ver Herzog bier®) im publicum placitum erfcheinen und dann 
den Borfig übernehmen. Dieje Rechtiprehung an ben vielen Hun⸗ 
bertgerichten einer Grafichaft erflärt e8, daß ganz regelmäßig ver Graf 
„oder fein Vertreter”) als Gericht haltend vorausgefegt wird. 

Der Graf ift Hier (anders oft im fränkifchen Recht)”) vom judex 
[= centenar]) zu fcheiten, (und der Centenar nimmt an ber Urtheil- 
findung nicht Theil®). Aber der Graf und Eentenar vollftreden bie 
vom Gericht (judex) gefundenen Urtheile felbft, ber Graf bringt fie - 
an die Stammesverfammlung und ben Herzog (abgefehen von Be 
rufung durch eine Partei) nur, wenn er zu ſchwach ift, fie zu voll 


(schon üb) Sohm S. 177 übertragen werden Tann Wait VII. ©. 27; bann 
heißt 1) das jus sub mulota jubendi, 2) die jussio, 3) bie Bannfumme (15 ober 
60 sol. Wait Seeliger VI. ©. 458); ber Bannenbe hat bie districtio, Könige 
VII. 3. S. 414. VID. 6. ©. 48. Urkundung sub comite ober coram comite 
Neug. I. p. 580, sub duce et comite p. 578, 579. Grandidier II. p. 128; sub 
comite A. et sub centenario B. Trad. Sang. II. p. 28 N. 406 und oft. Nach 
Cramer — auf Einer Seite — ©. 301, der Graf und ber Eentenar: „Bor: 
fißender bes Gerichts und Bollftreder des Urtheils (Graf)... ver Eentenar vo ll» 
ſtreckt bie gerichtlichen Urtheile in Civil- und Strafſachen unb war bei ber 
Leitung bes Gerichts betheiligt”. Wer von beiden ift nun Vorſitzender, Leiter 
and Bolifireder? Nah ©. 302 ber Graf: „er bat den Vorſitz, der Hunne den 
MitBorfik, wohl aber lädt er vor ben Grafen”. 

1) L. A. 27, 1. 

2) L. 27 (28) p. 87. 

3) L. 36, 2 p. 95. 

4) L. 36. p. 9. 

6) L.17 (18). p. 80. 

6) Missus L. 36 und fo oft. 

7) VD. 2. ©. 74, 90. VIII. 3. ©. 31, 72, 

8) Bol. DO. Lehmann, Rechtsſchutz S. 80—95. 


248 


ftreden!). Auch in antern wichtigen Fällen, z. DB. bei drohender Ver⸗ 
Inechtung, fcheint?) nur ter Graf, nicht audy ter Gentenar zuftänrig. 

Der Graf wird vielfach thätig bei tem gerichtlichen Kampf um 
Gränzlant: er, nicht ver Centenar, ift zuftäntig bei der vorbereitenden 
Hantlung im Ding: vor tem Grafen des Ganes (comis de plebi 
[sic! illa) bezeichnen tie (Vertreter ber; ftreitenden Sippen beite bie von 
ihnen behauptete Gränze, ter Graf fett Zeichen, wie jene und 
fie beanfpruchen nun und umgehen [fie, tie Parteien und ter Graf], das 
Streitland , treten dann in bie Mitte, heben Hier vor vem Grafen 
Raſenſchollen aus, fteden (Hantelt es fi um Wald) Zweige von ben 
Bäumen hinein, erheben fie von dem Boten?) und geben fie (co- 
mendare) dem Grafen in die Hand: tiefer widelt fie in ein Tuch 
(fanon), figelt e8 und übergiebt fie einem Treuhänder (comendet in 
manufidele) (bi8 zum bereteten Kampfting): dann geloben fich beide 
(durch DBürgen) ten Zweilampf®). 

Sehr mit Unrecht beftreitet man®, ven Finanzbann des Grafen, 
z. B. bei Verwaltung ber Krongüter, Erhebung ver Gefälle der Unter- 
thanen®;). 

Hatten die Grafen auch Feinen feften Gehalt in Geld”), waren 
ihre Einnahmen doch ſehr mandhfaltig und erheblih®) und zu- 
mal um feiner Erträgniffe (utilitas, utilitates publicae) willen 
wurde das Amt eifrig geſucht. Freilich konnte ter König (oder bier 
der Herzog) einträgliche Rechte wie Marktrecht, Zoll, Münze (v. 5. 
Antheile), an deren Crirägen) von tem Grafenamt trennen, und 
3. B. einem Immunitätsherrn verleihen wie umgelehrt folche Rechte 
einem Bifchof nehmen und (wieder! mit dem Grafenamt verbinden. 
Die Beſoldung des Grafen (ober deren Erſatz) ift dieſelbe 1%) wie im 


1) Anders und irrig Merkel der., ©.10, ber ben Centenar von ben Franken 
durch den Grafen erjegen und die Ganeintbeilung erft einführen läßt. 

2) Mehr ift wohl auf L. 38 nicht zu bauen, vgl. VIII. 4. ©. 65. 

3) Hierüber Brunner, Urkunde S. 276 f. 8. Lehmann, bie altworbifche Auf: 
laſſung, 2 f. R.-®.2) V. German. Abtheil. 

4) L. 81 (89) p. 146. 

5) Sohm a. a. O. 

6) Vergl. Könige VII. 2. ©. 116. VIII. 3. S. 88 (ſchon nad Greg. Tur.). 

7) Könige VII. 2. ©. 117. VIIL 3. ©. 43, 81. 

8, Einmal anf 100 Pfund Silbers jährlich geihätt Adam. Brem. IH. 45. 

9) Könige a. a. O. 

10) Daher auch ber gleiche Verzicht in den Immunitätsurkunden auf mansio, 
pastus, veredi, veredarii, Form. Als. 7. 


249 


gefammten Weich: auch bloßer Niekbrauh an Königsgut, worunter 
wohl Beneftcium!) zu verftehen: fpäter wird das Eigenthum daran 
Sanct Gallen gefchentt?). 

Der Graf bezieht an Gehaltesftatt auch einen Theil der Ein- 
fünfte aus feinem Amtögebiet, ver durch Verleihung des Königs ober 
auch wohl durch Gewohnheitsrecht beftimmt ift?): auch Dienfte find 
dem Grafen und deſſen Unterbeamten (juniores) zu leiften®. Hatte 
der Graf urfprünglich von ben Kroneinnahmen nur einen Theil (oft 
1/3), jo behielt er in der Folge das Ganze, feit Amt und Einnahmen 
al8 beneficia galten. Vielleicht bebeutet comiteserum) ven Inbe—⸗ 
griff der dem comes gebührenden Einnahmen ®). 

Ericheinen Pfalzgrafen in ver Provinz Alamannien?), jo find fie 
entweder außerorbentlich, vorübergehend, borthin entjentet®), oder es 
it ihnen als jest orventlichen®) Grafen ihr ehemaliger Amtstitel ver- 
blieben. 

Der Pfalzgraf in Alamannien ift alfo nie ein Centralbeamter 
wie der im Balaft des Frankenreiches, fcheint aber in Vertretung 
des Königs im Gerichtöwefen eine ähnliche Stellung wie dort ein- 
genommen zu haben, wenigſtens nach dem Verſchwinden bes Her- 
3098 (7). Zuweilen fcheint er ben Zeitgenoffen mit den Königsboten, 


1) Ueber die Graffchaft ſelbſt al8 beneficium im fpäteren Recht Wait III. 
©. 183. VII. S. 5 (zunächſt nur das Amt) Graf als ministerialis VII. ©. 7. 
Der Graf oft Baffall des Königs Waitz Seeliger VI. ©. 24 f. 

2) Neug. N. 648 Ludwig das Kind quidquid hactenus ad regiam ditio- 
nem pertinebat et post haec ad comitum usum cedebat. 

3) Dümge, Reg. Bad. p. 77, 93. a. 886, 990 Beftätigungen von N. 14. 
a. 839. 

4) Scarae VIII. 5. ©. 84, mansionatia VIII. 5. S. 94. Botengänge, 
Wachen an ber Dingftätte (mallum custodire), Schiffsfrohnden, Friedensgelder 
beitreiben et quicquid ad partem comitum aut juniorum eorum .. exigere 
poterat Neug. N. 298. a. 840; »iter exercitale« ift Heereszug. 

5) Bei Zeuß, W. p. 299. N. 280. Falls es nicht verſchrieben ift: aber wo⸗ 
für? Fehlt im Inder und bei Du Cange. 

6) Ueber Spuren von Pfalzgrafen in Aamannien unter Ludwig bem Deut. 
ſchen, dann erft wieber a. 1005. Waitz VII. ©. 167, 167. Jahrb. Heinrich I. ©. 
110. Ueber bie mehreren gleichzeitigen Pfalzgrafen Th. v. Sidel I. S. 265. Gegen 
Baumanns erblihe Pfalzgrafen ſchon c. a. 900 in Schwaben V.⸗J. Schr. für 
Württemberg. Geſch. I. S. 25 mit Recht Wait VIII. ©. 492. 

7) Perehthod?? Neug. N. 585. a. 888. 

8) Ruadolf im Apphagau. Neug. N. 356. a. 854. 

9) Oben ©. 242. 


250 


ten fpäter fogenannten „Rammerboten”!), in Eins verſchmolzen, wäh. 
rend doch rechtöbegrifflich ſcharf zu fcheiten ift. Jedesfalles ftand ter 
Pfalzgraf über dem gewöhnlichen Grafen. Späterer Zeit gehört ter 
Pfalzgraf im Heere an?). Auch die Erhaltung bes Pfalzgrafenamtes 
in bem Gefchlecht ter geftürzten Herzöge nach Ente tes IX. Jahr⸗ 
hunberts?) beweift tie milde Behandlung im Vergleich mit Taſſilo's 
und des Defiderius Gefchlecht. 

Eine Markgrafenfchaft — gegenüber dem meift ein andres Theil- 
reich bildenten Italien (Xangobartien) — war Rhätia. Aber Grunt- 
lage bes Herzogthumst, Tann tie Mearkgraffchaft nicht geweien fein: 
das urfprüngliche Herzogthum (bis a. 746) ift ja viel älter, und nach⸗ 
bem wieder ein alamannifches Herzogthum anerlaunt war, ift von ber 
Mark in Rhätien nicht mehr die Nebe>). 

Der marchio von Ehurrhätien, Burkhard, c. a. 910) Heißt bei 
Salomo von Conſtanz dux earundem partium, bei Anteren farblos 
princeps®). Später — nad unferer Periode — erfcheinen mädh- 
tige Markgrafen von Churrhätien). 


4. Missi$). 
Die missi im alten merovingifchen Sinne?) beſtanden auch bier 
jelbftverftändfich fort, auch die Sendboten, Königsboten im Sinne 


1) Waitz VII. S. 175. VII. ©. 175. 

2) Ruabolt a. 854—857. Berchtold a. 892. Erchanger c.a.912. Stälin (S.)I. 
€. 129, 151. 

3) Waitz VII, ©. 65. Waitz⸗Zeumer V. ©. 54. 

4) Reugart nimmt 148 auch 803 einen Grafen einer Marl an: ta aber 
bert (bei Ulm) keine Markgrafſchaft lag, ift wohl der Graf des Gaues gemeint, zu 
bem jene „Marl“ gehörte. Weber bie Graffchaft in Rhätien S. 18, 88; v. Juvalt 
Forſchungen, Hunfreb und Roderich S. 79. Stobbe p. 13. Ueber den (fagenhaften) 
Markgrafen des Rorbgaus, Ernft + a. 865, den Bater ber (fabelhaften) heiligen 
Reginfoindis und feine angebliche Beſchenkung mit dem Kammergut Laufen am Neckar 
j. v. St. Reginsivindis Pertz Ser. XV. p. 339 ift erft nach dem XI. Jahrhundert 
geichrieben: „märchenhaft“, vgl. unten Belehrung Wattenbah I. S. 290. Ein 
Markgraf Rudolf ſchenkt a. 885 neuu Dörfer einem Vassallus Font. Bremen. 
I. p. 238. Weber ven marchio Curiengis Rhaetiae, Burthard IL. unter Ludwig IV. 
a. N. 34. p. 53. a. 889, Neffe Rubolfs von Rhätien und Schwaben. 

5) Wartmann 726, 741. II. 328. 

6) (et comes) Annal. Alam. a. 911. 

7) Neug. 640. a. 903. 654 a. 905. Burkhard illuster marchio; über ihn 
Anmerk. d und el.c. 

8) Könige VII. 2. &. 248. VIII. 3. ©. 156—201. 

9) VII. 2. S. 248. 





251 


Karla!) bis zum Ende bes IX. Jahrhunderts: aber freilich war auch 
bier Schon in den fpäteren Jahren Ludwigs ber große Gedanke Karls aus 
diefer ganz aus feinem Geift gefchaffnen Einrichtung gemwichen?). Wie 
ſchon a. 821 vie Königsboten verfagten, d. h. die verfprochenen gar 
nicht erfchienen, zeigen die lagen von Chur?): erft nach vier Jahren 
erfolgte Abhilfe. Nach langem Zögern fchict Ludwig enblich (a. 831) 
einen Bifchof, einen Abt und einen Grafen, um tem Klofter Pfävers 
gegen bie Beraubungen bes Grafen zum Recht zu verhelfen ®). 

In weiterem Sinn Tann jever Beamte, ja jeder Private einen 
missus, d. 5. Boten und DBertreter entjenden. ‘Daher ganz farblos 
missus ducis, comitis, presbyterid). Aber auch ver internuntius 
eines Königs) muß gar nicht Beamter, kann bloßer Bote fein. Auch 
kann der König zur vorübergehenden Vertretung des Grafen einen missus 
(nicht ven eigentlichen Königsboten) aus dem Palaft entjenden”) 

Missi von Privaten find oft teren zum Abſchluß von Nechts- 
geichäften bevollmächtigte Vertreter). So kann fi) der comes durch 
einen von ihm entjenveten missus auch im Gericht vertreten laffen: 
nach Karla Reform aber ſchwerlich auch in causae majores®). Diejer 


1) VIU. 3. &. 159. ©. das Berzeihniß der echten Sendboten bei Neu- 
gart im Inder p. 65, darunter auch zwei Laien nebeneinander. Die missi bes 
Herzogs ober Grafen find durchaus nicht immer bie Senbboten Karls, wie v. 
Daniels ©. 343 meint. 

2) Ueber ten Verfall ber Einrichtung des Senbboten, zumal früh in Deutjch- 
laud, Watt» Zeumer V. &. 40; aber mit Unrecht wirb bier beftritten, daß ſchon 
Ludwig I. ſtändige missi beftellt bat, vgl. Könige VILL. 3. ©. 190—195. Weber 
das frühe Berfchwinden ber — echten — Königsboten ſchon fett a. 850 und nur noch 
vereinzeltes Borlommen f. Waitz⸗Seeliger VI. S. 450. Krauſe, missi dominici, 
Mittheil. des äfterrr. Suft. XI. ©. 252, 300 f. 

3) Mohr I. p. 26f. 

4) Mohr I. NR. 20. p. 34, vgl. v. Sidel I. p. 172. II. p. 342 über biefe 
Dinge in Chur. Eine Streit⸗Entſcheidung durch Königsboten Form. ed. v. Wyß 
N. 10. 

5) L. 20 (21) 29 (30) 36 eines Abtes Neug. N. 224. a. 828. Missus bes 
Abtes Grimalb von Sanct Gallen ift wohl auch ber missus Ruabpertus, Reugart 
304. 843. 

6) Gibuld, Eugipp. v. St. Severini c. 19, f. oben &. 49. 

7) Trad. Sangall. &. 252. coram R... in vice comitis a parte palacii 
missi 1. misso. 

8) Neng. 401. a. 801, missi potentes, Bollmachtträger, Gewaltträger, Wart- 
mann II. 394. Anhang N. 17. 

9 Wie Waig III. ©. 402: die Stellen bort 3.8. Trad. Sangall. N. 325, 
581 beweiſen das nicht ohne Weiteres. So ber Stellvertreter des Grafen im 


252 


missus comitis, auch ein außerortentlich beitellter Vertreter, ift auch 
wohl beffen, oder auch des Gentenars Beihelfer im Ding. Auf tas 
Außerordentliche des Amtes und auf das im Vergleich mit tem Gen- 
tenar ausgebehntere Amtögebiet zielt der Vergleich ter missi mit den 
Chorepiscopi, ber Gentenare mit ten ortentlichen Pfarrprieftern !). 

Der häufig genannte?) missus comitis erfeßt, wie es feheinen 
will3), den fränkifchen bier fehlenten vicar oder vicecomes!) — 
ohne diefe Namen — oter auch antre Bertreterd). Oft ift wohl ber 
missus eines Grafen befjen (unftäntiger ?) vicarius®;. Gin gewöhn- 
licher Beauftragter tes Grafen ift ter missus, ber die Beurkundung 
(mit-)beantragt ”!. 

Der missus bes Herzogs hat innerhalb ter Provinz breifaches 
Wergelvs) wie ber des Königs): aber ver Herzog kann einen „Send» 
boten“ im Sinue Karls nicht haben, ſchon deshalb nicht, weil es von 
beren Einführung bis Erlöfchen keinen Alamannenberzog gab. 

In ter guten Zeit Herren Karls wird noch mit der Zwangsgewalt 
bes Föniglichen missus — des echten Sendboten — gebroht1%). Und 
auch Hier im Lande ift bis in Ludwig I. Zeit bie erfprießliche Wirk: 


Malus bei Bergabungen Wartmann I. 300. a. 829: ob für Ein Geſchäft ober für 
Alle, vgl. vicecomes und vicarius König VII. 2. S. 22. VIII. 3. ©. 95, erhellt nicht; 
nur Karl III. bebielt als Kaifer die Grafſchaft in ber Bertholdsbar, aber an feiner 
Statt hält das Ding Nuabpert, missus imperatoris in vicem comitis, ber 
auch deſſen vicarius heißt; ich entnehme dies Baumann ©. 441. 

1) De exordiis et incrementis etc. ed. Walter III. p. 527 ed. Knöpfler 
1690. Die Gleichung missus comitis = vicarius = tribunus erhellt doch nicht, 
wie Brumer II. S. 183 meint, aus Wartmann III. p. 486 coram missis Geroldi 
comitis Ruadberto et Ascharia vicariis verglichen mit II eodem N. 578, 
Ascharius tribunus, benn jene Urkunde ift vom 850, biefe von 868 ober 874, 
Ascharius fann inzwifchen tribunus geworben fein. Dagegen kann ſelbſtverſtänd⸗ 
lich ter Graf feinen vicarius als missus entſenden. 

2) Neug. N. 241. a. 829, 495 a. 876. Wartmann III. p. 456. a. 850. R. 
578. a. 868 (874?) Trad. Sangall. W. 325, 581. 

3) ©. unten Bicarius ©. 254. 

4) I. 2. ©. 122. VI. 3. ©. 95, 101. 

5) L. 36, 94. coram comite aut misso, vgl. 1. c. 36. 3—6. Er ift nicht, 
wie Eramer S. 302 meint, ein gewöhnlicher Bote. 

6) So vermuthet Neugart zu 341 a. 651, neben dem missus bes Königs. 

7) Neug. 547. a. 884. Zweifelhaft ift die Bebeutung von missus bei bem 
Grafen (Kerolt) des Zürihgaus Neug. 495. a. 876. 

8) 1. c. 29 (30) p. 89. 

9) Könige VIII. 3. ©. 183. 

10) Zeuß, W. 191. a. 810. 


253 


famteit der Königsboten zu verjpüren!). Ya, zuweilen decken auch 
noch gegen Ende des IX. Jahrhunderts Sendboten Gewalt und Raub 
(an Klöftern) auf und bewirken Abhilfe?). Kommt ein missus (Karls 
a. 791) nah Alamannien (Dönilon im Thurgau), werben Weber- 
eignungen und SZurüdverleihungen vor ihm, dem Richter (centenar ?) 
une Tribuni vorgenommen ?). 

Einen ſchönen Fall der Aufhebung ungerechten Urtbeild eines 
Grafen durch Senpboten gewährt eine Formel!): die wegen angeblicher 
Blutfchande>) eingegognen Büter werben nach Ausjage von 3 Zeugen zut- 
rüdgegeben®). Ein andermal heben zwei Sendboten — ein Abt und 
ein ®raf oder Judex werben beidemale vorausgefegt — eine ungerechte 
Treiheitsentziehung auf, wobei Entichäbigung in Land und Gelb ge 
währt wird”). Aber echte Sendboten werben feit a. 816 und a. 843 
immer feltener: fo find die von 816 von Xubwig »de latere 
vicaria potestate« zur Belräftigung eines Sühnevertrags abgeord⸗ 
neten gleichwohl nicht Senpboten, fondern für Einen Zwed DBevoll- 
mächtigte®). Deßhalb auch nicht ein missus, der nur Eine Aufgabe 
erhält für das Inquifitionsverfahren ®) bezüglich der Güter des Kloſters 
zu Zürih1): er ift fein „Senbbote”, heißt aber doch de camera et 
palatio transmissus, obwohl er &raf des nahen Rheingaus it). 

Nur ein Beauftragter ift ber missus tes Könige (Graf vom 
Thurgau), der im Auftrag des Herrſchers bie beiden Tauſchenden 


1) 3. 8. F. Sang. mise. 9, 10. 

2) Neug. 482. a. 875. Ein Abt und ein Graf als missi a. 875. Neng. 484. 

3) Neugart 113. a. 791. „Bor mehreren Richtern und anbrem Voll“: babei 
ift vor Allem an bie unterzeichnenben Zeugen gebacht: et cetero populo quorum 
hic signacula continentur. 

4) F. Aug. B. 22. 

5) Nach L. Alam. 39 (38). 

6) Bgl. Wait IV. p. 347 Brunner, Inquifition S. 142, aber ich möchte hier 
doch mit Kozidre gegen Zeumer ein non einfdhalten: quod legibus hoc non 
factum fuissit. 

7TFP L. c. 23. 

8) W. U. J. Nachträge C. p. 440. 

9) Könige VIII. 4. ©. 114. 

10) Neug. 604. a. 893 qui ad hoc missug fuerat, omnia tributa St. Fe- 
lieis et Regulae quaerere vel quid injuste in oausa Dei et Sanctorum .. 
actum fuisset legitime corrigere, deinde cum juramento, ita ut lex doeit, 
(sic) destriete (sic) adquisivit (l. exquisivit). 

11) ®al. 1. c. 444 a. 807. 


254 


„reneftirt”, darin liegt die erforberliche Verftattung bes Königs '). 
Auch die legati Karls III. (a. 886) ein Bifchof, ein Abt, zwei Gra⸗ 
fen 2) find nicht missi im alten Sinne. 


5. Viearü3). 


Selten werben bier vicarii erwähnt®): tie wenigen Angaben 
faffen e8 fo zweifelhaft, ob auch hier wie in Galliens) neben einem 
vom Grafen vorübergehend beftellten außerorbentlichen Stellvertreter 
(vicecomes) ein vom Herzog ernannter bauernber orbentlicher Vertreter ®), 
vicarius vorkommt. 

Die Aufzählung in der gekünftelten Vergleichung weltlicher und 
firchlicher Aemter bei Walahfrid Strabo ?) ift werthlos: er nennt in 
Einem Athem die Centenare vicarios®), dann den vicarii (= Grafen?) 
untergeben‘). Die Stellen laſſen beive Deutungen zu: vicarıus 
heißt ohne Zweifel auch jeder Bote (— missus oben ©. 250), Ver⸗ 
treter, Abgefandte!‘) für Einen Auftrag. Andererſeits verwaltet ge- 
raume Zeit Graf Abalbert, ver auch Graf des Thurgaus und des 
Alpgans, durch einen vicarius bie Bertholdsher 11). Das ſpricht für 
ein ftändig Amt: aber vielleicht eben nur in tiefem befondern Fall 
wegen ter Vereinung breier Grafichaften in einer Hand. Dagegen 


1) Neug. 500 a. 876. 

2) Neng. 572, auch nicht ber missus regis von 872. Neug. N. 464. 

3) Könige VII. 2. ©. 122. VII. 3. ©. 95. Th. v. Sidel J. ©. 178. 

4) Ueber vicecomites und vicarii in biefer Zeit und Landſchaft Waitz VII. 
©. 34. Weber comes senior und comes junior nebeneinander oben S. 246. 
Form. Coll. Sangall. additamenta ed. Zeumer II. p. 435. N. 4. (a. 894) 436. 
N. 5. (a. 894); vgl. Wartman II. p. 2%. N. 688 comitum nostrorum vel vica- 
riorum, hier Iebtere al8 Unterbeamte, vicecomes und vicarius find hier und jet 
gleichbebentendb (anders früher unb in Fraukreich Könige a. a. O.), jetzt beftellt fie, 
wo fie vorkommen, nicht ber Herzog, fonbern der Graf ſelbſt; irrig hält Sohm 
&.480 den zuweilen (3. B. Uffermann Wirceb. p. 54) genannten Waltpoto für 
den vicecomes. 

5) Könige VIII. 3. ©. 95. 

6) So Stälin (S.) L ©. 99. 

7) Oben ©. 252. 

8) Centenarii, qui et... vicarii. 

9) Cent. qui sub .. vicariis quaedam minora exercent. 

10) Form. Aug. C. 1. 

11) Neug. 591. a. 889 Anm. d. in comitatus Adalperto (sic) comitis sub 
vicario Odalricho, vgl. Stälin (V.) I. ©. 332, wer hat biefen Bicar beftellt? 
Wohl der Graf unter Genehmigung des Königs. 


255 


unbeftimmbar bleiben andre Bälle: fo follen zwei vicarlı eines Grafen, 
als deſſen »missi< eine Marftheilung vornehmen, durch Einbruch der 
Nacht verhindert, werben fie fpäter purch einen andern missus bes 
Grafen erfegt!). 

Ein vicarius urfundet (a. 330) als Zeuge)2). Der Vicarius 
vertritt ven Grafen des Gaus ber beleguen Sache in Veräußerungs- 
urlunden 3). 

AZuweilen wird in ben Urkunden ber ven Grafen vertretente Bi- 
carinst), aber zugleich auch jener ald »comes des pagus« genannt). 
Hinter vier Grafen in Alamannien werben a. 893 beren vicarii in 
ben Grafſchaften und Amtsbezirfen genannt ®). 


6. Centenarii”) 


Nach der Herrfchenden®) Meinung foll vie Hundertſchaft und ihr 
Vorſteher ur-alamannifche Einrichtung fein?). Jedesfalles war nicht 
die Hundertfchaft, fondern ver Gau ber politifch jelbftftänpige, ver 
ftatliche Verband, die Hundertichaft Hatte zunächft nur die wirthfchaft- 
fiche Bedeutung einer größeren (mehrere Dorfmarlen oder Höferfchaften 
umfafjenden) Gemeinde, wenn auch die Hunvertichaftsverfammlung zu⸗ 
gleich das Hunbertichafts ping war: fpäter bat dann (wie im übrigen 
Frankenreich der König) der Herzog ober fein Graf dem Centenar auch 
politifche und financielle wie gerichtliche Verrichtungen übertragen. Der 
Centenar (centurio) heißt hier wie jegt auch in Gallien 10) vicarius 11), 
ift aber von dem wahren vicarius, bem Stellvertreter des Grafen 12), 


1) Nengart 203. a. 819. 

2) W.U.I. 96. Neug. I. 288. 

3) Neug. 451. a. 868. 

4) Wie der König, Graf, Centurio. Neug. N. 568. a. 886. 

5) Neug. 451. a. 868. 

6) Reug. 603. a. 893. 

7) Könige VOL. 2. ©. 126. VII. 3. ©. 103. cher bie Bebentung ber 
Zahlen-Namen, Landbau. ©. 222. Bol. auch Waitz VII. S. 36; urſprünglich 
ernannte fie nicht ber Graf, das Voll wählte (bev Graf ober) ber Herzog beftä- 
tigte fie. 

8) VIL. 1. S. 84. 

9) VIII. 2. ©. 23. D. G.1. 6. &. 427, vgl. oben ©. 98. 

10) VIII. 3. &. 95, 103. 

11) Trad. Sang. 196, 377. Derjelbe Mann Brunich beißt bald centenarius, 
bald vicarius. Trad. Sang. N. 195, 214, ebenjo bei den Baiern Trad. Frising. 
N. 250, vicar = centenar. 

12) L. Al. 364. 


256 


zu unterfcheiben: er wirb als unter ben comes ftehend bezeichnet 1). 
Hier Heißt er auch tribunus (was fonft?) dem Schuldheiſch entipricht?). 
Später werben auch centenarius und missus?) vielfach gleichgeftellt). 
Nicht beirren tarf an ber Unterſcheidung und Unterorbnung des Cen⸗ 
tenar8 gegenüber dem Grafen, daß auch der Gentenar fpäter wohl 
Cent⸗Graf heißt: Graf bebeutet eben allgemein „Befehler“e). Sein 
Bann verhält fich zu tem des Grafen wie der des Grafen zum Bann 
bes Herzog8”), d. 5. wer fein Sigel oder Gebot nicht achtet, wirb um 
brei sol. gebüßt®). 

Der Centenar wird nicht regelmäßig wie der (König und) Graf 
als Beamter in den Urkunden, aber doch nicht felten?) genannt?0), 
und zwar ſteht ver judex (= Eentenar) in den Gerichtsurkunden gleich 
hinter dem Grafen 11). 

Zuftändig und genannt ift ter Centenar ber belegnen Sache!?) 
oder der zuftändigen Dingftätte1?), was meift — aber nicht unmer — 
zufammenfiel14). Weber feine Thätigkeit in dem Streitverfahren vor 
dem Ding ber Hundertichaft f. unten 1). Bon feinen fonftigen Ber- 
richtungen wiffen wir fehr wenig: Teineswegs Heißt er von dem Be⸗ 
fehl über Hundert Krieger (wie ber ber gotifchen Heere)1%). Daß er 
im Auftrag des Grafen den ergangnen Heerbann verlünbete und has 


1) Sub comite et sub centenario B. ]. c. 203. 

2) VII. 25. 140. 

3) Trad. Sangall. N. 42, 85, 120, 494, 578 sub comite et O. tribuno Vita 
St. Galli c. 21 ed. Meyer von Knonau p. 16 im pagus Arbonensis. Richtig 
Sohm ©. 329; f. unten „Zribunus” und „Schuldheiſch“. 

4) In obigem S. 251 Sinn. 

5) L. A. 36. 

6) VII. 2.©.90. VIII. 3. &. 72. Kluge ©. 143; trrig Weigand I. S. 720. 

7) 3:6; 6:12 sol. T. 28. Epitome 9. 

8) L. A.27 (28), 4. p. 87 si... centenarioni sigillum aut mandatum 
neglexerit, 3 sol. culpabilis, vgl. oben ©. 247. 

9) Als Zeuge häufig Zeuß, W. N. 195. a. 718, Neng. N. 391 a. 860. 

10) Reug. N. 388. a. 860 sub Amalrici centurioni (sie), Kaiſer, Graf und 
Centurio 1. ce. 552. a. 883. 

11) Neugart N. 97. a. 786. 

12) Neng. N. 72. a. 809. 

13) Neng. N. 506. a. 877; sub Pabone comite et sub Hunoldo centenario 
l. o. 325. a. 849. 

14) Neug. 325. a. 849. 

15) „Berichtsweien“. 

16) Könige a. a. O., f. oben ©. 98. 


257 


Aufgebot feiner Hundertſchaft hefehligtet), iſt möglich, aber nicht ficher. 
Nur wird man annehmen bürfen, daß er in nach-merovingifcher Zeit, 
wie im ganzen Frantenreich2), auch bier aufhörte, ausſchließlich Be⸗ 
amter der Hundertſchaftsgemeinde zu fein, vielmehr Organ ber ftat- 
lichen Regierung, Unterbeamter des Grafen auch für Verwaltung, 3.2. 
Abnahme des Treueids, und Finanzhoheit warb: fo mag er auch bie 
Einkünfte für Graf, Herzog, jpäter König erhoben haben. Er heißt 
und ift jegt centenarius comitis wie biefer comes regis (früher 
ducis)?). Daß er aber feit tem VILI. Jahrhundert ftets Schuldheiſch *). 
beißt, ift nicht®) anzımehmen. Hier heißt der Gentenar fchon in me- 
todingifcher Zeit Hunno9): es ift der Centenar der Sanct Galler 
Urkunden 7) 

Durchaus nicht haben die Sranlen ven Eentenar durch den Grafen 
verbrängt®): er begegnet ja in den Urkunden unzähligemale bis in 
das X. Jahrhundert hinein! Hier heißen vie Centenare — wie in ben 
Capitularien alle Richterbeamten, — jett?) ganz regelmäßig judices 19). 
In der vorfräntifchen Zeit wurde ber Eentenar gewiß auch von ber 
Hundertfchaft gewählt und — vielleicht — von dem Gaulönig, in ber 
fräntifhen von dem Herzog beftätigt11). 


1) Eramer ©. 30. 

2) Könige VII. 2. ©. 130. VIII. 3. ©. 106. 

3) Ein Centurio Hotharius nennt fih felbft unter dem Grafen bes Thur- 
gang. Neugart 156. a. 806; obzwar das sub zunächſt nicht hierauf, ſondern auf 
bie Zeit geht. . 

4) ©. unten ©. 260. 

5) Mit Stälin (®.) L ©. 338. 

6) Zeuß, W. aus den Jahren 695—861. 

7) 105, 214. Auch ber centurio Heltar von 873 Neug. 470 iſt ein Kentenar: 
zugleich iſt er der gleichnamige Bogt 471. a. 873, was freilich verboten war: 
. Könige VIII. 5. ©. 243, fchwerlich doch fol ihn centurio als „Vogt“ bezeichnen. 

8 Wie Merlel, de r. ©. 10. 

9) Sohm ©. 148; früher vielmehr zumal bes Grafen. 

10) Trad. Sangall. 108, 144. Freilich heit auch der Graf judex. Oben 
&. 232. Ganz ungeheuerlich find der „Prieſterſtat“ und ber tunginus als Briefter 
bei Hermann, Schöffengeriht S. 122. 

11) L.4 a duce per convencionem populi judex constitutus: mit Wait 
S. 17 ſehe ich in biefem judex ben Eentenar, f. oben S. 255. 


Dahn, Könige dee Germanen. IX. 1. 17 


258 


7. Tribunusf). 


Der Ausprud tribunus wird von den Tirchlichen, theologifch gebildeten 
und fchreibenden Quellen gern angewandt — fo in ben Beiligenleben, — 
um in ber Sprache bes neuen Teftaments und ber Römer einen „Be⸗ 
amten” überhaupt ohne genauere Beftimmung zu bezeichnen: jo beißt 
Chriſtus »tribunus« als Vorfiger des jüngften Gerichts 2). 

Auch an tribunus militum wird babei gebadht. Daher ift un- 
gewiß, ob der »tribunus« Erchanoldus, ver c. a. 650 ben Thurgau 
(Turgovia) verbeerte, ver gleichnamige Hausmeier war, feit a. 640 
Hausmeier, aber für Burgund und Neuftrien, ein »tribunus« im 
römifchen Kirchlichen, gelehrten Sinn war in Churrhätien (unter dem 
praeses Bictor) Waldrame®); dagegen die im Thurgau!) mögen tr. in 
andrem Sinne gewefen fein>). 

So ift wohl ver tribunus zu Arbon zu faffen, tem fein dux 
befiehlt, mit allen Gauleuten Hilfe bei Erbauung einer cella zu leiften. 
Er ift Ortsobrigkeit für Verwaltung ©), nicht Vorfteher des ganzen pagus 
(Arbonenfis)”). Einmal wird vor einem tribunus = centenarius [?] 
„in Billa Chiriheim“ eine Schenkung verlautbart®). Hier wirb aber 
regelmäßig erft a. 890—1000 Tribunus — Centenarius gefett. Das 
berechtigt taber Taum?), dieſe Gleichung von Anbeginn auch nur für 
Alamannien aufzuftellen, noch weniger aber auch für Sallien: werben 
doch auch bei Alamannen tribuni und centuriones gefchieden: burch 
ein »et<, was man nicht 1%) für tautologifch erklären darf1. Auch 


1) Könige VII. 2. ©. 142. VII. 3. ©. 109. 

2) Zeuß, W. 131. a. 767. 

3) Ratp. cas. St. Galli c. 2. Neugart Nro. 72. 

4) 1. c. U. Index. p. 90. 

5) Unbeftimmbar ift ber tribunus Albuin W. U.N. 9. a. 764, ber tribunus 
Ascher Neug. N. 450 a. 868. 

6) Vita St. Galli c. 21 ed. Meyer von Knonau p. 26 „Schuldheiſch“ iſt 
biefer tribunus nur in bem allgemeinen Sinn, ber alle untergeorbneten örtlichen 
Boliftredungsbeamten umfaßt, vgl. Neug. zu N. 72. a. 779, 112. a. 780. Sohm 
&. 239 Pardessus II. p. 543. 

7) ®gl. Signum Fulcherio tribuno Pard. Il. p. 355 (Murbadh) Trad. 
Sangall. 85 (Waltrata uxor donat Waldramno tribuno) 120. 578 (Karolingifdj). 

8) c. 42 (erft unter Pippin). 

9, Wie Stälin (V.) I. ©. 210 Merkel L. L. III. p. 54 Arx. v. St. Galli 
p. 12. Sohm ©. 58. 89. 

10) Mit Sohm ©. 235. 
11) Mon. Sang. II. 21. Ser. II. p. 761. 


259 


jonft ftehen Centenar und Tribunus bier nebeneinanter!). Aber auch 
mit dem Dorfvorfteher — Schuloheifch ift ver tribunus nicht ftets für 
Eins zu erklären um befwillen, daß fpäte Gloffen?) tribunus mit 
scultheizo wiebergeben. 

Nirgenbs ift scultbeizo = Eentenar?), vielmehr biefem unter: 
georbnet: daher fteht er*) Hinter dem judex — centenar, wie biefer 
hinter vem Grafen, alfo ebenfo wie der centenar hinter dem missus 
domni regis?). 

Seit dem VIII. Jahrhundert erfcheint in Elſaß, dem rechtörhei- 
nifchen Alamannien und Rhätien ein Ortsporfteher, der tribunus 
„ober“ Schuldheiſch heißt‘), verfchieden vom Grafen (praeses), wie 
vom Eentenar (scario), allerdings auch wohl vom villicus (ampaht)’). 
Sehr wahrſcheinlich nannten bier die Romanen den alamannifchen 
Schulpheijch »tribunus«®), aber wahrjcheinlich doch nicht®), weil fich bier 
wie im Erarchat Ravenna römische Militairtribunen erhalten hatten, 
fondern weil ſchon merovingifche Ortsvorfteher ver Scharwache (auch 
in Neuftrien) tribuni geheißen hatten 1%); möglicherweife 11) mochte 
auch ein bauernder örtlicher Hilfsbeamter des Grafen (alfo ein folcher 
tribunus = Schuldheiſch) »missus comitis« heißen, mit landſchaftlich 
verjchietener Benennung, obwohl bei missi zunädhft an im Einzelfall 
entſandte Vertreter zu denken fein wird. 


8. Schuldheiſch 2). 
Auch die Schulpheifche werben aus jehr reichen und infofern vor. 
nehmen Gefchlechtern gewählt12). Einheit des Schuloheifchen mit dem 


1) Trad. Sangall. 120. 2) Graff p. 1090. 

3) Wie Stälin I. S. 340 meint; vgl. Unger, Gerichtsverfaſſung S. 252; 
ob Trad. Sangall. 62 (aus bem Sahre 771) ber sculdatio = tribunus, fteht 
freilich dahin. 

4) Neug. N. 112. a. 790. 5) l.c. N. 113. a. 790. 

6) ©. die Beläge Brunner II. ©. 181. 

7) ©. die Slofje bei Brunner a. a. ©. 

8) So mit Recht Brunner a. a. DO. 9) Wie diefer annimmt. 

10) VII. 2. S. 142 a. a. O. 11) So Brunner II. ©. 182. 

12) Könige VII. 2. ©. 138. Ueber den Schuldheiſch (Ortsvorſteher, aber auch 
@utsverwalter Capit. Remedii) mit feiner niebern Gerichtsbarleit und fein Ber 
hältniß zum Eentenar Könige VIIL 3. S.108. Waig VII. ©. 319. Ueber den 
Schuldheiſch neben dem Grafen im Geriht Wait VII ©. 37. 

13) Bgl. die Beifpiele oben für Churrhätien (Follwin) und Meyer von Knonau, 
ein thurgauiſches Schuldheiſchen⸗GOeſchlecht 1877 Fidler ©. 3. v. Wyß, Geſetze 
S. 217. Wartmann I. a. 836. 

17? 


260 


Gentenar Tann man — umerachtet ungenauer fpäterer Ausprüde!) — 
nicht als urfprünglich und nicht als Regel annehmen?), vielmehr ift der 
Centenar Vorfteher der in Dorf- une in Hofer-Gemeindven zerfallenden 
Hundertichaft, dagegen der Schulpheifch Borfteher nur Einer vieler 
Gemeinden: eher ift er eins mit dem zuweilen als Ortsvorſteher ge- 
nannten decanus?). 

Auch für ihn unbrauchbar find bie Gleichungen bei Walahfrid 
Strabo, wonach der centurio (ardhaifirend) — dem vicarius fein 
foll (wa® ganz falfch); unter biefen follen folgen tie decani für ge- 
ringere Sachen: unter biefen conftruirt er „noch geringere“, die col- 
lectarii, quaterniones, duumviri, (Vier⸗leute, Zweisleute) genannt 
werden „Lönnen“, (aber nicht genannt werben), „weil fie das Volt 
(colligunt) verfammeln und fchon durch diefe Zahlnamen zeigen, baf 
fie unterhalb ver „Zehn-leute” (decani) ftehen (!)*). 

Als Bollftredungsbeamter fteht der Schuldheiſch dem Gerichtsdiener, 
Weibel jehr nah. Der Schuldheiſch ift unter ven Urtheilern nicht Richter 5), 
vielmehr ein dem Richter (centenar) untergeorbneter Bauermeifter, Dorf. 
ſchulze und Vollitreder. Er hatte in Ehurrbätien, fcheint e8, die Namen 
ber Gelabenen im Ding aufzurufen und wird daher dem Weibel gleich- 
geftellt). Solche örtliche Vollftredungsbeamte Tonnte wie der König, 
ber Herzog, der Graf, auch jeder Immunitätsherr haben und felbft 
beftellen: fo ver Biſchof von Chur”), auch ein einfacher Grunbherr, 
ohne Immunität, über feine Unfreien und Halbfreien — villicus 8). 
Diefer alamannifhe Schuldheiſch ift vielleicht zuweilen?) auch als 
missus comitis gedacht, der ftatt des Gentenars den Grafen im Ding 


1) Sanct Galler Bocabular, Cod. S. Gall. N. 913. 

2) Wie Stältn (V.) J. ©. 341 vgl. Könige VIIL 3. a. «. O. 

3) Könige VII. 3. ©. 107. VIII. 3. ©. 126. 

4) Form. Alsat. N. 3. Könige VID. 6. ©. 353. 

5) Auch nicht Trad. Sangall. 354 secundum judicium d. h. nach ber 
Urtheilsfindung domni Remedi et Teudones [sic] judices et Vigelii [sio) 
judices et Aureliani scultaizi; neben 2 Urtheilern fteht als Urtheiler auch ein 
sculthaizus ®artmann I. N. 354. a. 800-820. 

6) Bon Brunner II. ©. 185 aus Notkers Ueberſetzung von Martianus Capella 
nuptiae inter Mercurium et Philologiam bargewiefen. 

7) Capitula Remedii c. 1, 3. Wartmann I. N. 354. 

8) Tatian ed. Sievers I. p. 209. Karolingiſche Schuldheiſche Trad. Bangall. 
N. 121, 224: scul (sic) haizi, escul heizo. 

9) So Brunner I. S. 182: aber auf bie Parallele bei Walahfrid Strabo 
de exordiis Walter III. p. 527 {ft auch hierbei nicht Gewicht zu legen. 





261 


vertritt!). Doch find die Schuldheiſche (S tribuni) keineswegs bloße 
Sendlinge bes Grafen, fondern dauernde Ortsbehörven?), vie freilich 
auh missi comitis im weiteren Sinne heißen, ohne es doch zu 
fein). Uebrigens ift in dem Franlenreich, zumal rechts vom Rhein 
— aber auch links, wie die nur wenig verbreiteten Centenare zeigen — 
an eine gleichmäßige Slteterung der Beamtungen (ausgenommen nur 
die Grafen), noch viel weniger zu denken, als folche im Römerreich 
beſtanden Battet): ftammthümliche und landſchaftliche Verſchiedenheiten 
in ben Sachen wie in ben Namen waren fehr häufig. So tritt bei ven 
Alamannen die in Brankreich früher auftauchende Gleichung Een- 
tenar — Bicar nicht auf. Mebrigens Tonnte er ein in feiner Dorfe 
gemeinde gar angejehner und reichbegüterter Grunbeigner fein, wie 
heute der ‘Dorfichiulze5). 


9. Romiſche Amtsnamen und Yemter®). 


Die Namen römifcher Aemter, comes, tribunus, decanus 
haben fich, zumal in archaiftrenver, gelehrter, Tirchlicher Sprache wie 
Walahfrid Strabo's7), in ganz Alamannien erhalten, aber die Aemter 
jelbft im römiſchen Sinne nur in Churrhätien. Und auch bier be 
weift ver römiſche Ausdruck nicht immer ven wirklichen, lebendigen Fort- 
beftand des Amtes 8): daher ift nur mit Vorficht und Vorbehalt ven 
römifchen Quellen für Churrhätien zu folgen. 

Die Lex fpricht ganz wie bie Vorlage?) noch von rectores (ju- 


1) L. A. 30, 2. 

2) Weit III, S. 402. 

3) Mehr jagt auch nicht Strabo In feiner Gliederung; comes: missug = 
episcopus: chorepiscopus, centenarius et vicarius = presbyteris plebeis. 

4) Könige VI. 2 ©. 358. 

5) Ueber Kollevin (von Binomna, Rankevil) Cod. Trad. 200 N. 343. a. 817 
und folgende bis a. 820; er erwirbt ganz maflenhaft Grunbbefit |. oben S. 259. 

6) Könige VII. 2. ©. 147. VIIL 3. ©. 111. 

7) Vo 6. ©. 353. 

8) Gegen bie angeblichen Abweichungen der Gerichtöverfaflung in Ehurrhätten 
von der fonfligen fräntifchen (d. h. alamanniſchen) bei Schupfer, Lincei ©. 57f. 
überzeugend Zeumer N. W. IX. ©. 40. 

9) L. R. XI. 3. Weber die praesides und vicarii feit Diofletian Mommſen, 
Statsrecht S. 357. Reiche, Thellung ber Civil- und Milttärgewalt 1900 ©. 6f. 
hat trefifich bargethan wie biefe, von Diofetian begonnen, von Gallienus vollendet, 
die Schwächung der Statthalter ber Senatsprowinzen bezwedte. Weber bie römifche 
Berwaltung Rhätiens v. Iuvalt, Forſch. S. 13, die fränkiſche S. 14, die erblichen 


262 


dices), provinciarum!), obgleich e8 boch in ihrem Gebiet (und in 
italifchen Landſchaften) nur noch Einen rector provinciae gab. Im 
Churrhätien wird ber Rector provinciae noch an ber Spite feines 
Officiums vorausgejekt?). 

Zuweilen läßt aber bie Lex ben rector provinciae der Vorlage 
weg®). Bier ftehen unter bem praeses (=rector) die tribunit). Der 
erfte praeses ift ber von’ Theoderich*) ernannte Servatus®), ber lebte 
Victor II. Später, nachdem ber römijche rector provinciae lange 
verſchwunden, heißt fo ganz untechnifh jeder Beamte der Lanb- 
ſchaft) = „die Beamten in dem Lande“. 

‘Der procurator vel praefectus regis, der Nutungen am Kron⸗ 
gut erlauben mag®), tft nicht ber rector provinciae, fondern, ohne 
beftimmten technifchen Amtsnamen, ver zuftäntige fiscalifhe actor 9): 
ähnlich unbeftimmt die rectores provinciae!0), Dagegen römiſche 
Beamte find die tabularıi, die auf dem flachen Land wie in ben 
Stätten beftellt werben: »qui rationes publicas tractant« fagt bie 
Vorlage, aber die Lex macht aus ben rationes publicae alle causae 
publicae und umfaßt darunter alle judices publici, d. h. Stats- 
beamte: coloni ober servi bürfen nicht dazu beftellt werben, fie 
werben gegeißelt und bem Fiscus zugefprochen, ihre Herren haften für 


praesides, bie Bictoriben, Enfel bes Iactatus (c. a. 780) S. 69f. Leber prae- 
positi in ben stationes |. Momınfen. Der praepositus ber Statio Züri war 
im Laufe bes II. Jahrhunderts ein Freigelafiner eines (aelifchen) Kaiſert, Mommſen 
Mittbeil. X. N. 236. 

1) Ueber den römiſchen judex provinciae Diehl p. 133. 

2) L. R. VIII. 2. 

3) L. R. XVII. 2. 

4) Weber die duces limitum und beren tribuni oder praefecti Mommfen, 
Statsreht S. 359. Ueber ben römifchen dux und befien Uuterbeamte auch (a. 568 


bis 751) Diehl p. 160; Über die Trennung ber Eivil- unb ber Milttär-Aemter 
fett Dioflettan Mommfen ©. 355 Reihe ©. 6f. 


5) Cass. Var. I. 4. 
6) Ratp. cas. St. Galli c. 2 Ser. 1I. und Tellonis testam., befien Echtheit 
mir unzweifelhaft ſcheint, geft. a. 773. Eichhorn episc. Cur. in Rhaet. Cod. 


prob. p.4. f. bie reichen Literaturangaben bei Merkel de r. S.41 und die Ur- 
tunben bei Neugart N. 597, 640, 643 unb in ben trad. St. Galli. 


7) In ber Mehrheit, rectores provinciae Coll. F. Sang. 12. 
8) Coll. F. Sang. 10. 

9) Anders Waig IV. ©. 122. 

10) 1. c. 12 a. c. 870. 





263 


ben von jenen verurfachten Schaden‘). Die dem Richter unterftellten 
consiliarii, domestici und cancellarüi find römifch und nur in Ehur- 
rhätien erhalten?.. Der Richter muß wie nach Uferfrantenrecht ) 
einen amtlich beftellten Schreiber im ‘Ding neben ſich haben‘). Se- 
cutores (sequitores ber Vorlage) find Henkersknechte, vie den dela- 
tores bie Zunge abjchneiben 5). 

Verſchwunden find in ber Lex bie römischen viarum curatores 
(Gemeinbebeamte) ber Vorlage ®). 

Der judex privatus ber römifchen Quellen ift urfprünglich 
„ohne Zweifel“) der römiſche judex pedaneus: dagegen in ber L. 
R. Rh. C. ift e8 der Immunitätsrichter®), als folcher wird er ander- 
wärt8®) ausbrüdlich als actor ecclesiarum bezeichnet 10). 

Milites, militia, militari wird von (urfprünglich römifchen) Sol- 
baten und Civilbeamten gebraucht. Aber die milites, qui in obsequio 
principum sunt!!), find Vaſſallen und andre Krieger der Herricher. 
Biele Borrechte römischer Soldaten (und Eivilbeamten) ſind beibehalten: 
fo beerben bie des gleichen officium ihren erblos verftorbnen Came⸗ 
raden mit Ausfchluß des Fiscus 12). 

Merkwürdig ift der römische Urfprung bes Rechts eines miles, 


1) L. R. VIII. vie Weberfchrift nennt auch noch bie loco (logo)graphi 
censuales, id est scribae. 

2) L. R. Rh. C. I. 11, 2. 

3) L. R. 59, 88. VII. ©. 201. 

4) Lex Rom. Our. I. 11, 2. 

5) L. R. X. 4, 1. 

6) L. XXVII. 11, 3. 

7) Wie mir Amtsgenofje Jors freundlich vwerfichert. 

8) Den Schupfer, Lincei S. 32 mit Unrecht in Ehurrhätten beftreitet: vgl. 
im Allgemeinen Könige VIII. 5. &. 190 unb für Ehurrhätien die Capitula 
Remedii, Zeumer Ar. IX. S. 17. Auch Immunitäteridter L. R. Rh. C. I.8 
judices aut fescales (sic) sint aut privati vgl. C. II. 1, 6. 

9) II. 16, 2. 

10) 11. 16, 2 (judex privatus) hoc est privatus qui actor ecclesiarum est. 

11) L. R. Rh. O. I. 1, 7 über miles curialis irrig Schupfer, Lincei p. 57; 
er hält fie für byzantiniſch, dann Tangobarbifche Königshof-Baflallen (?); richtig 
Zeumer N. IX. ©. 19, 30, ber mit Recht hervorhebt, Daß es auch Zins⸗ 
pflichtiger eines Hofes curia ſ. Könige VIIL 2 S. 26 bebeutet und daß im Teſta⸗ 
ment Tello's das Entiprechende begegnet. Ueber die manchfaltigen und (jpäter) 
wechielnden Bebeutungen von ourialis Wait-Zeumer V. ©. 495. 

12) L. R. V. 4 (follten bier bürgerliche Beamte gemeint fein?) ähnlich ben 
Enrialen. 


264 


auf fiskaliſchem Boden Gebäude zu errichten ober fruchttragenves Ader- 
land zu ſchaffen, — Rodungsrecht — geſchützt gegen jeden, voraus. 
gefegt, daß ein Anbrer ihm nicht zunorgelommen war!): man batte 
das bisher für germaniich gehalten 2). 

Nicht völlig Harzuftellen ift, wie lange fich bie ftäbtifche Ver⸗ 
faſſung und Verwaltung — und wie viel davon — in rhätiſchen 
Städten wie Chur erhalten hat. Die Fortführung der Namen in 
ben Formeln und Urkunden beweift Teineswegs ben Vortbeftand ber 
Einrichtungen). 

Die Lex läßt doch zuweilen bie von ber Vorlage noch voraus- 
gejegten ftäbtiichen Beamten aus‘), ober auch bie ftatlichen Unter- 
beamten werben umfchriebend). Aus ben primates civitatis und dem 
defensor cum suo officio, die nach der Vorlage die tutores bei Er- 
richtung des Vermögensverzeichnifjes beiziehen follen, macht bie Lex 
furz ©) bie rectores loci. 

Lehrreich tft, wie bie Beftimmungen bes römifchen Rechts über 
bie hier nicht mehr vorkommenden defensores civitatum auf bie 
»judices in patria«, d. b. bie Richter Im Gau übertragen worden, 
auf die fie freilich nicht paßten: benn die Grafen wurben boch nicht 
wie weiland die defensores burch bloße Wahl der Genofjen (boni 
homines) beftelit, höchſtens bie centenarii?). 

Mit der Euria beftand auch das ganze Elend der Eurialen fort, 
bie fich durch Flucht ihren erbrüdenven Pflichten zu entziehen trach- 
teten, aber mit Gewalt barin feftgehalten wurben. Man wirb als 


1) Denn ohne Zweifel if L. R. Rh. C. II. 21 zu leſen in terra domi- 
nica wie Cod. B., nit dominicalem edificium. 

2) Bgl. Brunner I. ©. 205. Vgl. Befeler, Bifang und Könige VIIL 3 ©. 6; 
daß ber miles Eigenthum gewinnt, ift Übrigens nicht gefagt. 

3) Vgl. Könige VO. 2 ©. 147. VIII. 3 ©. 111 v. Savigny I. ©. 322. 
Ueber ftäbtifche Selbftverwaltung in ber ſpäteren römtfchen Zeit Liebenam, ©. 463, 
beren Niedergang S. 476 [behandelt bie Beamten nur in bem griechtfchen Städten 
S. 538]. 

4) So L. R. VIII. 2 bern curator, defensor, bie principales eivitatum. 

5) Vorlage numerarii (rectorum) Lex VIII. 8, qui judicem vel actorem 
publicum obescunt (sic). 

6) R. Rh. C. II. 19, 4. Interpret. L. R. Rh. C. I. 6 iſt ba8 paeis 
auch auf defensor zur beziehen: d. pacis aut assertor pacis, das iſt nicht etwa 
ber ftäbtifche ober Tirchliche defensor; vgl. Könige VL? &. 350 [nicht germanifchen 
Urfprungs). 

7) L. R. Rh. C. I. 10, 1. 


265 


curialis geboren: der Berufftand war längft erblich und ver Eurial 
fann nicht zu andern Aemtern übergehen ober befördert werben‘). 
Um bie Eurialen ganz ihrem Laftdienſt zu erhalten, bürfen fie nicht 
fiscaliſche oder Privatgüter pachten, ober fich für ſolche Pachtungen 
verbärgen: ein folches Gut verfällt tem Fiscus). Immer noch 
werben bie Eurinlen mit jedem Mittel in ihren erbrüdenven Amts», 
d. 5. vor Allem Finanz Pflichten feftgehalten; auch Verbrecher, fo Ur- 
tundenfälfcher, verlieren zwar bie Ehre des Amtes — er wird neben 
ver gewöhnlichen Strafe aus ber dignitas ber honorati geftoßen — 
aber in der Laſt bes Amtes werben fie erhalten?) und bamit fie nur 
dieſem bienen, bürfen fie (auch fonftige) Grundftüde außerhalb ihrer 
eivitas nicht pachten?®). 

Der Richter darf den Curialen nicht begünftigend entlaften: bei 
Amtsunfähigkeit wegen Armuth ift ber Herrſcher (princeps) behufs 
Entſcheidung zu benachrichtigen). Der Euriale, der feine Stadt ver- 
fäßt und in einer Andern in vie Curie tritt, bat in beiden die Cu⸗ 
riallaft zu tragen®), und bie verlaffne Stabt erzwingt bie Rückkehr'), 
fogar 18jährige Können im Fall des Bedürfniſſes zur Euriallaft ge 
gezwungen werben 9). 

Weniger um ber Eurtalen felbft willen, als um fie dem Stat zu 
erhalten, follen bie Richter nicht leichthin Todesſtrafe, Folter, Geiße- 
fung über fie verhängen: judices super curialem pacienciam de- 
bent habere: bei Geldſtrafe des Richters und feines Offteiums 9. Erſt 
durch zwölf eheliche Kinder wird ber Euriale feiner Curiallaſt ledig 19). 

Und die Befeitigung folcher Zuftände und Einrichtungen im Rd» 
merreich durch einwandernde Germanen ftellt man immer noch als 
Zerftörung herrlicher Eulturblüthen bar! 


1) XVIL 8. 

2) L. R. XVII. 4. 

3) L. R. IX. 15 nam de curia sua non exeat. 

4) X. 2. 

5) L. R. X. 1, 1 ber Ausbrud: judices publiei .. alios euriales iſt 
unlogiſch wie auch fonft: er beweift nicht etwa, daß die judices auch curiales 
biegen ober waren: alios ift zu ftreichen. 

6) 1. ce. 1, 2. 

Le. 2, 2. 

8) L c. 3. 

9) Dies hat bie L. R. XU. 1, 4 mißverftanden und den Richter an bie 
Eurie ftatt an ben Fiscus zahlen laſſen. 

10) 1. c. 5 und er foll gleichwohl honoratus fein apud bonos homines. 


266 


Das Bermögen einer verbeiratheten Curialentochter fällt nad 
ihrem Tod an bie Eurie, nicht an ben Wittwer, tem e8 durch Schen- 
fung (carta) oder Zeftament zugewandt ift!). Die Wahl der Eurialen 
joll öffentlich vor vielen ehrbaren Leuten und anderen Eurialen ges 
fchehen: die Wähler haften für Beruntreuung des Gewählten?). Schon 
längft galt als wichtigfte Aufgabe ver Curialen die Einheifchung ver 
Statsftenern?). Sie heißen daher auch judices publici, fiscales, 
causas judicant vel exigunt: zwiichen dem Richten in Steuer- 
ſachen und der Steuereintreibung wird kaum noch unterfchieden‘), 
fie werten auf höchſtens („wegen Seltenheit von Curialen“) 3 Jahre 
gewählt. Auch Collegsati5), die in eine andere Stabt übergefiebelt, 
werben mit ihrem Vermögen zurüdgebolt: ihre Kinder mit einer Colonin 
ober Unfreien folgen der Mutter, und Kinder mit einer Freien werben 
als Collegiati geboren®). 

Zur Strafe entfegte Geiftliche werben, wenn fie Vermögen haben, 
oder befjerer (freier) Herkunft find, gezwungen, Eurialen, wenn arm 
ober niedriger Abſtammung, collegiati zu werben, was böchit be- 
zeichnend ”). 

Nicht jeder curialıs ift geborner fiscalis, er ift zum fiscalis zu 
beftellen von feinem Dberbeamten (senior), ber ihn nicht in eine 
andre Art von Amt befördern darf). “Diefer senior eines Eu- 
rialen ift nicht etwa Kaifer over König, ſondern bes Curialen vor: 
gefeßter Beamter: dem Kaifer over König würde nicht verboten werben 
können, jenen zu andern Aemtern zu beförbern?). 

Unrichtig” alfo definirt die Lex!) jeden Eurialen als Fiscal- 


1) L. R. XII. 1, 6. Doch mande Namen — wohl auch Aemter — ber 
Enrialen find verſchwunden, fo ber »exceptor« ber Borlage 1. c. 7. 

2) L ce. 2, 1. 

3) Daber 1. c. curiales qui fiscum (b. h. Steuer) exigent (f. exigunt.) 
ebenfo XVI. 1, 4 fiscalis judex = curialis. 

4) L. R. XII, 2, 3 daher judiciaria vel cura (ſies curia) daher auch 
judices vel actores, Berwalter. 

5) Ueber diefe tief unter ben Eurialen, ben Unfreien nahe flehenden ſ. Könige I. 
S. 257, Könige IV. ©. 174 Edict. Theod. $ 64 Du Cange II. ©. 106, II. 
S. 15f. f. ihre Geringfhägung L. R. XVL 1, 4. 

6) XIV. 1. 

7) L. R. XVI 1, 4; die judices (db. 5. bier curiales), die fie nicht auf- 
nehmen wollen, werben in Geldſtrafe genommen. 

8) L. R. XVII 8. 

9) L. R. XV. 8. 

10) hoo est curiales (sic) qui fiscales causas peragit L. R. V. 2. 





267 


beamten, fie waren in lineas gegliebert nach ber Vertbeilung der Ge- 
ihäfte: das (beibehaltne) Erbrecht des Eurialen fteht dem zu, der bie 
Gefchäftsgruppe des Verftorbenen übernimmt: auch Geiftliche können 
Curialen fein). 

Curialen, vie fiscalifche Aemter (Verrichtungen) haben, bürfen dieſe 
nicht aufgeben, auch nicht um Nechtsfachen ver Kirchen zu führen ?). 
Ein als Curial geborner Diakon muß dies Amt wieder übernehmen, 
oder einen Erſatz⸗Curialen ftellen (pro se vicarium det). Die Tochter 
eines Curialen darf bei Verluft von einem Viertel ihres Vermögens 
nur einen Eurialen beirathen; Geiftliche, als Eurialen geboren, werben 
zur Curie zurüdgezwungen?). 

Während ſonſt Beamten Veräußerungs- (und Erwerbs) Gefchäfte 
verboten waren, mußte man ben elenden Eurialen ven Verlauf ihrer 
Güter verftatten, »pro fescale debita (sic), d. h. um bem Fiscus bie 
ansfallenne Steuer zu bezahlen‘). 

Die L. R. Rh. C. fett den Fortbeftand der Curialen überall 
voraus: pupilli (d. h. hier wohl minderjährige) bebürfen für Ver: 
änßerungen ver Zuftimmung des judex publicus ober der Eurialen®). 
Auch das alte „fiscalifche” Elend der Eurialen beitand fort: fie 
bürfen nicht, fich diefen Laften zu entziehen, ihre Grunbftüde heimlich 
verlaufen und entfliehen: vielmehr werben fte zu dem öffentlichen Dienft 
zurüdgezwungen (ad servitia publica revocentur) und ber Käufer 


1) Wie aus 5 1. c. erhellt. 
2) L. R. XVII. 11 curiales, qui fescales acciones habent. 


3) XX. 1. si honorem non habent: ein geiftlichese Amt? auch aus bem 
Aſyl der Kirche ftellt fie der Archipresbyter [Könige VIII. 5 ©. 235] vor ben judex 
euriae. Hier kann ich Zeumerd Auslegung p. 405 und Abhandl. S. 19 nicht 
folgen, wonach nicht won Curialen, fondern von Hofleuten und beren Bor» 
fteher (judex) die Rebe fei: bie Borlage fpriht nur von ben ſtädtiſchen 
Curialen; der Zufammenhang der Lex weift nur auf folde: von fiscaliſchen 
Höfen und deren Borfteher, judex, ift nicht die Rebe: ber judex curiae iſt jener 
auch fonft wiederholt genannte judex fiscalis: ber nächſte Sat (Gebot auch an 
Biſchof, Presbyter und Diacon „bie als curiales geboren“ (ganz wie oben XIX. 11), 
ihr Bermögen in ber Curie und ihre Söhne Eurtalen werben zu laffen), denkt 
nur an ſtädtiſche Eurtalen: unmöglich Tann der Say unmittelbar vorher an 
Domänen und Yiscalhöfe denken. 

4) L. R. XVII. 9. 


5) III. 1, 3. Gonftantin hatte die Zuftimmung bes Ehemanns minder⸗ 
jähriger Frauen für genügend erflärt. 


268 


verwirkt den Kaufpreis!). Und wie bie Euria fekt die Lex Romana 
bie altrömifche Eintragung in die Gefta voraus ). 

DBeftellung und (jede) Schenkung bebürfen ver Zeugenform und 
Eintragung in bie Gefta, kann verbleibt fie ver willfürlih ver- 
lofinen Braut, die das von ihr Gefchenkte zurücdfordern kann. Die 
Lex nennt bie Eintragung dote firma accipere: bie minberjährige 
Tran foll beider Formen bei ber Dos. Beitellung nicht bebürfen?). 
Bor ben Eurialen geſchieht die adoptio). 

Die viri curiales (in Rom und) in jeder Landſchaft (omnis 
regio) nehmen ZTeftamente und Codicille entgegen®). 

Mißverftanden bat die Lex) die Beftimmung ver Vorlage über 
bie 3 zur Gültigkeit der gesta erforberlichen Eurtalen: fie fpricht 
von omnis carta und verlangt noch andere Zeugen. Zuweilen ge- 
jchweigt aber die Lex Romana ber Eintragungen in bie gesta, wo 
bie Vorlage fie forvert: fo bei Schenkungen von Liegenſchaften?). 

Weitgebende Rechte haben die Römer in Chur bei Beftellung der 
Richter, auch der Unterbeamten der Richter): ohne Erlaubnis ber 
»patriani« darf er folche nicht aus einem fremden Gau mitbringen: 
bei Tod oder Entfernung dieſes Richters müffen jene noch brei Sabre 
bei dem Nachfolger bleiben, um Tügenbaftes Vorbringen aus ber Zeit 
bes früheren Richters widerlegen‘) zu können. 


10. Andere Beamte 10). 


Wie bei Baiern und Langobarben!i) Heißt auch bier — aber 
änßerft felten — ber villicus gastaldus12). ‘Der Gerichtöfchreiber ift 


1) An den Fiscus IIL 1, 8. 

2) L. I. 22. 

3) L. R. Rh. C. III. 5, 1, 2, 3. 

4) L. R. V. 2 ante curiales vel plebi gistis (gestie) adfiliatus. 

5) L. R. IV. 4, 4. 

6) XII. 1, 7. 

7) L.R.Rh.C. I. 27 V.5 nennt bie Vorlage neben den judices publiei 
bie curiales, bie Lex läßt biefe bier weg. 

8) L.R. Rh. C. I. 11, 2. 

9) Dismentire, neufranz. d&mentir f. Du Cange II. p. 119. 

10) Könige VII. 2 ©. 244. VII. 3 ©. 201. 

11) &. Du Cange. 

12) Wartmann I. N. 276. (Trad. Sangall. 297) 297. a. 826. II, p. 39. 
Anbang 15. Ueber villiei in ben Frohnhöfen Meitzen, Agrarverfaflung ©. 57 
bis 61; fie hießen auch centuriones (= centenarii), Urkunde von Babft Paſchalis 
Mon. Legg. II. p. 69. 


269 


ans dem Recht der Uferfranten berübergenommen!), Notariü find 
urfprünglich römifche Schreiber, tie tironifche notae zu fchreiben ver- 
ftehen, fpäter exceptores genannt?). Notarii giebt e8 bier wie über- 
al. So im Elfaß®). Notarii heißen nicht nur bie königlichen Kanz- 
leifchreiber, alle Urkunvenjchreiber, auch von Bifchöfen und in ven 
Gauen bei den Grafen‘). Exactores haben die gleichen Verrich- 
tungen wie in Gallien®). Auch ein Kloftervogt beftelit fich einen 
exactor®\. Auch Namen und Verrichtungen ber berzoglichen Fiscal- 
beamten entiprechen — jelten werben fie erwähnt — ven König. 
lihen”T). Der apparitor ift römifch®): er entjpricht dem germaniichen 
Frohnboten; ftatt secutores?) ift vielleicht zu leſen persecutores 1), 
Ein Grundeigenthümer lebt im Forft, ift aber nicht nothwentig Förfter 13). 
Wird mit dem Wald zugleich der Förfter veräußert12), jo kann biejer, 
muß aber nicht unfrei fein: auch Abtretung, Webertragung tes Dienft- 
verbältniffes eines Kreien kann gemeint fein (saltuares, magister 
foresti, forestarii, forstaere, custos nemoris). Sie erhalten Amts- 
lehen, ihre Pflichten werben genau beftimmt, Webergriffe geahnbet 13). 

As Haus» und Hof-DBeamte nennt die Lex!) den Seniſkalk, 
Mariſkalk, Koch (cocus) und Bäder. Der Seniflalt1) Hat Bier 
zweifellog bie Unfreien in dem Hauſe feines Herren unter fich: er 
ſelbſt kann frei oder unfrei fein1%). Hat er 12 Vaſſen des Herrn im 


1) Oben &. 263. L. R. Rh. C. 59, 88 über ben »professor« Laß, ©. 31; 

2) Bgl. Th. v. Sickel L S. 330. 

3) a. 826 Vadalgarius notarius Zen, W. Nro. 38. 

4) Bol. Th. v. Sickel L ©. 83.| 

5) Könige VIII. 5. ©. 234. 

6) Dies wirb freilich verboten, aber in einer höchſt bebenklichen Urkunde 
Neugart 204. a. 819 exactores von Privaten Zeuß, W. p. 310. 

7) Waitz VII. ©. 311. VID. ©. 221f. Einen thesurarius nennt bie Vita 
St. Desiderii Cadurcensis Migne 87 p. 221. 

8) L. R. Rh. 1. 8. 

9) p. 380 f. Zeumer S. 452. Oben ©. 263. 

10) Mein Belag verloren; vgl. Über die Korfibeamten v. Berg ©. 85. 

11) Schöpflin I. p. 225 Grandidier II. p. 201. 

12) 81, 3 und bes Herzogs? 

13) ſ. VIL 3. ©. 1386. 

14) L. c. seniscalcus, si servus est. Nah Brunner I. ©. 235 Altknecht 
und major. 

15) L. 74 (79) p. 139. 

16) 1. c. 8. ©. oben ©. 200. Weber Klofterbeamte f. unten Kloſterweſen. 
Ob der vicedominus Munhing a. 787 Neugart 99 des Bifchofs von Conftanz 
oder des Grafen vom Hegau Beamter, ift ungewiß, eher das Erftere (= oeconomus). 


270 


Hanfe unter fidh, beträgt fein Werthgeld tas Höchfte des Unfreien, 
40 sol.: ebenfoviel das bes Mariflalt von 12 Roſſen, tes Kochs, 
ber einen junior unter fi bat, nes Bäders, bes Zimmermanns, 
Gold⸗ oder Waffen-Schmiebs, bie öffentlich geprüft find 1). 

Ohne Zweifel hatten die Herzöge in Baiern und Alamannien 
von c. a. 638—700 ihre befonvere Eancelei, verſchieden von ber ter 
Hansmeier. 

Unbeftimmbar bleibt fehr oft die Amtszuftänbigleit des „Magifter”?2). 
Capitanei find einmal Bornehme?), dann aber auch gewiffe oberfte 
Hausbeamte *). 


c) Amtsmißbräude). 


Das Disciplinarftrafrecht des Königs) (und Herzogs) befteht auch 
bier. Karl beftraft feinen eignen Schwager Udalrich wegen Untreue 
mit Entziehung feiner Aemter und Einziehung bes Vermögens: erft 
ipäter wird er begnabigt 7). 

Gerade die Grafen, welche die öfter zu ſchützen hatten, bes 
taubten fie nicht felten®). 

In Churrhätien fpiegeln die römifchen Quellen die alten römifchen 
Uebel im Aemterwefen in Androhung der alten Strafen. Mehrere 
Zitel ver Lex Rh. bezweden ven Schuß ber Provincialen gegen ben 
Drud der Beamten?,. Der König fürchtet, durch Unrecht feiner Be: 
amten die Gefinnung bes Volles von fich abzuwenven 10. Beamte 


1) R. v. Side U. L. I ©. 74. 

2) „Magifter heißt damals jeder, ber einem Amt und deſſen Perfonal vor- 
gefet if, und ihm ftehen die discipuli (auch juniores, Dahn) gegenüber... erfl 
aus weiteren Zufäßen ergiebt fich, weilen Amtes Meifter gemeint iſt“ Th. v. Sidel I. 
©. 9. 

3) S. unten „Herzog”. 4) Du Cange II. p. 134. 

5) Könige VII. 2. ©. 88. VIII. 3. ©. 58. 

6) DO. Lehmann, Rechtsſchutz S. 101. 

7) Mon. Sangall. I. 13. 

8) Neug. 182. a. 875. Klage bes Abtes beim König über Raub bes Grafen 
formelhaft! Form. Murb. 4. p. 330 (a. 774— 787). Bei dem Aufſtand Thentbalbs 
a. 744 waren viele Unfreie vom Klofter Murbach entlaufen und die Grafen als 
Beneflciare bes Königs ſchützen fie nun in ber angemaßten Freiheit 1. c. 5 p. 331. 
D. Lehmann, Rechtsſchutz ©. 55. 

9) Ausbrüdtich der Titel L. R. XI. 4 ne damna provincialibus infligantur. 
gegen Ueberb.ſteuerung 5. 

10) Coll. F. Sang. 5 ne populus noster per malivorum (sic, 1. male- 
volorum) hominum occulta et nobis inoognita molimina abhorrescat a nobias. 


271 


durften nach älterem Recht während der Amtszeit weber durch Kauf 
noh durch Tauſch noch durch Schenkung erwerben, fo ftart war 
bie Beforgniß der Erpreffung unter dem Anfchein ſolcher Gefchäfte. 
Balentinian III. hob dies auf, bedrohte aber die Erpreffung oder Er- 
liſtung (malo ingenio) unter faljhem Anfchein mit Verluft des Er- 
werbs und — gleichwohl — Bezahlung des Preijes!). 

Die actio de repetundis geht auch gegen bie Erben ber Richter 2): 
aber >in poenam heres non succedit?): auch die Kinder des zum 
Tote Berurtheilten erben beflen Nachlaß 4): die Wittwe hat daher ihre 
etwaige Schwangerfchaft fofort ven Richtern over Curialen anzuzeigen 
behufs Wahrung des Erbrechts des Nachgebornen): die Frau bes 
Verurtheilten zieht ihr Vermögen (dos, [gemeint ift der germanifche 
Muntfhag] donatio ante nuptias) heraus ©). 

Gerade die »judicese — in ber Vorlage nur ber rector pro- 
vinciae — mißbrauchen ihre Stellung, Aeltern und Mädchen durch 
»forcia« und »minacia« zur Verlobung mit ihren Söhnen ober 
ſonſtigen Günftlingen zu zwingen: folche Verlobungen find ungültig, 
aber die Braut darf die Brautgefchenke behalten”). Auch Unterbeamte 
ber judices und actores erzwingen per forciam aut per suatima [?]®) 
Urkunden zu ihren Gunften®). Auch hier werben exenia durch bie 
Deamten erpreßt 10). 


Ausbeutung der Untertbanen durch Gewalt oder Lift ber Be 
amten ift fo häufig, daß fie mit Feuertod bedroht wird!: ber 
Herrſcher urtbeilt über fie. Aber andrerfeits müffen auch die Domänen- 
verwalter gefehlt werden gegen Beläftigung durch die rectores pro- 
vinciarum anf Anftiften von beren Unterbeamten !?). 


1) L. R. XVII. 9. 

2) L. R. IX. 21. 

3) 1. c. 30, 4. 

4) 1. c. 32, 1 ansgenommen bei crimen laesae majestatis. 

5) 32, 2. 

61. e. 3. 

7) L. R. Rh. C. II. 6. 

8) (Suumtimorem? ſ. unten Sprad"Romanifches). 

9) L. R. VIIL 8. 

10) L. R. XI. 3. vgl. Könige VIII. 2. ©. 88. VIII. 3. ©. 58. 

MI.RX 31. 

12) Die L. R. X. 3, 2 bat das nicht recht verſtanden: >qui ante publicum 
actum fecerunt = principales? 


272 


II Heerbaun!). 


In vorfränfifcher Zeit hat der Gaufönig ven Heerbann über feine 
Gauleute, aber nicht die Entſcheidung über Krieg und Frieden: biefe 
fteht dem Gauding zu und kann auch gegen ven Willen des Königs 
ausfallen?). Führen mehrere verbündete Gaue oder Volkerſchaften 
Rrieg, fo werben ein over zwei Dberfeloberren gewählt. So a. 357 
Chnodomar und Serapio?): ganz wie weiland Armin oder VBrinnot). 
Seit der Unterwerfung Hat ber Frankenkönig (oder deſſen Vertreter, 
ber Hausmeier) ben übergeorbneten Heerbann, ber Herzog ben unter- 
georbneten, d. 5. der König kann das Alamannenheer aufbieten, auch 
ben Krieg befchließen 5), ohne Befragung bes Herzogs oder ber Stam⸗ 
mesverfammlung: dieſe haben unweigerlich Heerfolge zu leiften. Da⸗ 
bei kann der König das Aufgebot felbft und allein befehligen. Das 
„ganze Neichsheer pflegt der König felbft zu befehligen, fogar der noch 
Wehrunfähige zu begleiten: fo Ludwig das Kinde); aber bei Abwehr over 
Beſtrafung bes Nachbarn bietet auf und befehligt ver Herzog (meift 
allein) und im Reichsheer das Aufgebot feines Stammes, ober ber 
König kann den (Unter-)Befehl dem Herzog wie biefer feinen Grafen 
übertragen: aber freilich über ein Jahrhundert (ven c. a. 638— 746) 
entzogen fich Herzog und Stamm regelmäßig biefer Heerfolge und be» 
fämpften vielmehr vie fränkifchen Könige und Hausmeier. 

Ohne Zweifel durfte der Herzog, ohne Töniglichen Auftrag abzu- 
warten, einen Vertheidigungskrieg gegen alle Angreifer führen”) ohne 
Kriegserklärung. 

Nach Befeitigung ber Herzogwürbe bot der König das Alamannen- 
Heer unmittelbar auf durch feine Bertreter®) (missi) und konnte ben 


1) Röntge VII. 2. ©. 251. VIII. 3. ©. 212. — v. Sybel? &. 396. — Baltzer, 
zur Geſchichte des D. Kriegsweſens — Leoy, Beiträge zum Kriegsrecht bes Mittel» 
alters Gierfe, Unterfuhungen XXIX. 1881 — Delbrüd, Gefchichte ber Kriegskunſt 
1. 1. Römer und Germanen 1901/02. 

2) So a. 357 gegen Babomar Ammian XVIII. 2. Urgeſch. II. S. 383. 

3) Ammian a. a. ©. Urgeſch. II. ©. 337. 

4) Könige J. ©. 66, 134. Urgeſch. II. ©. 64, 124. 

5) Ueber ben Beginn der Feindſeligkeiten (Kriegserflärung?) Levy S. 8; 
über Kriegögefangene S. 58—71. 

6) Watt VIII. ©. 172. 

7) Ebenso felbftverftändlih im Deutſchen Reich: vgl. F. Keller, ver Einfall 
ber Saracemen in bie Schweiz um bie Mitte des X. Jahrh. Mittheil. d. antiq. 
Geſellſch. zu Zürich XI. 1856. 

8) ©. 3. B. oben ©. 251. 


273 


Oberbefehl jelbft führen over beliebigen — Alamannen oder Andern — 
übertragen. 

Nah dieſen Grundſätzen erklären fi) völlig bie gefchichtlichen 
Berichte über alamannifche Heerfahrten. Gewiß zählten auch Ala- 
mannen zu jenen wilden Weberrheinern, die Chlodovechs Enkel, Sigi- 
bert I. (a. 574, 575), gegen feine Brüber anfbot!): fie waren gefürchtet, 
auch wegen ihrer Unbotmäßigleit. Auch fpäter gerieth das alamannifche 
Aufgebot bei dem Feldzug Chilvibert II. gegen bie Langobarben in 
Stalien (a. 585) in Streit mit ven Franken im Lager, woburch ber 
Erfolg vereitelt warb 2). 


Bei dem Feldzug DagobertI. gegen bie Wenben a. 631— 632 bilden 
bie Alamannen unter ihrem Herzog Ehrobobert mit langobarbifchen 
Hilfstruppen ein beſonderes Heer, das flegreich kämpft, während bie 
Franken auf andrem Kriegsſchauplatz geichlagen werben?). Sie fehlten 
auch nicht, als Sigibert IH. a. 640 alle feine Gaue rechts vom 
Rhein a. 640 wider Radulf von Thüringen aufrieft). Daran fchließt 
ih die Zeit, da die Alamannen nicht unter und für, fonbern gegen 
bie Franken kämpfen zur Abwehr der Verſuche der Hausmeier, fie 
wieder an das Neich heran zu zwingen). Dies gelang völlig erft 
König Pippin, der, nun ohne Herzog, im Lande ſchaltend, gewiß auch 
die Alamannen zu feinen beiden Feldzügen in Stalien®) aufbot (a. 755, 
756). Das Gleiche that Karl in feinen Kriegen gegen bie Sachjen ?), 
gegen Taffilo 9), gegen bie Anaren?), gegen die Böhmen 19). 

Ludwig der Deutfche bietet a. 834 neben ben Baiern und Anbern 
auch die Alamannen zur Befreiung bes Vaters auf 11): aber als er fie 
a. 839 gegen dieſen geführt hatte, fallen fie von ihm ab, nachdem ber 


1) Commovet, Greg. Tur. IV. 50. Urgeſch. IIL &. 158, 160. 

2) Banl. Diacon. III. 22. Urgefchichte III. &. 364. 

3) Fredig. IV. 68. p. 155. Urgeſch. III. &. 632. 

4) Fred. VI. o. 87. Urgeſch. III. &. 651. 

5) ©. biefe Kämpfe Pippins unb Karl Martells. Urgefch. III. &. 735. 

6) Urgeſch. III. 8851. 

’) a. 778—779 Annal. Lauriss, gegen Annal. R. Francor. p. 53. Poeta 
Saxo I. v. 420 ed Jaffi p. 556. Bgl. Abel I. S. 314, 597. von Simfon 
S. 18, 357. 

8) a. 787 1. o. Urgeſch. III. ©. 1007. 

9) 791 a. 796. Annal. Lauriss. 

10) a. 806 Annal. R. Fr. p. 122 Enharbi. 

11) Annal. Bertin. a. 834. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 18 


274 


Bater den Rhein überfchritten?: fpäter gewinnt er fie — wohl biefe 
Abgefallnen — zurüd?). 

Alamannen werden aufgezählt (neben Fraulen, Baiern, Thüringen 
und Sachen) auch unter Ludwig bem Kinde?). 

Zum Schutze Sachjenst), auch gegen Lindwit von PBannonien®), 
gegen Zwentopfuf, werben fie fpäter geführt ©). 

In ber Zeit der Gaufönige konnte auch Ein Gau Krieg führen, 
nicht nur Raubfahrten”): folche unternahmen bie Gefolgichaften, wie 
gerade von Alamannen (3. B. a. 368) bezeugt ift®): der Gau lehnt 
dann etwa die Verantwortung für folche unverhinderbare Räubereien 
ab. Dagegen ift jchwer zu fagen, ob der plünbernde Einfall ala- 
manniſcher Scharen in den ultrajıtranifchen Gau von Anenches 9) 
(Wiflisburg, Kanton Waadt) von a. 609610 eine bloße Raubfahrt 
war oder zu dem gleichzeitigen Angriff Theudiberts II. auf Theude⸗ 
rich II.10) gehörte. 

Durchaus unbegründet ift die!) Blieverung bes Heeres nad 
Zehnfchaften, Hunbert- und Zaufenpfchaften: fie begegnet nur bei den 
Dftgermanen 12). 

Nicht zu verwenden für Stärke ver Bevölkerung und Gliederung 
des Heerbanns Alamanniens nad) ver Zehnzahl ift es, ſpricht Ermoldus 


1) 1. c. a. 839. 

2) a. 841 1. c. 

3) Monum. Boica XXX. 1 p. 382. 

4) a. 820. Böhmer-Mühlbadher N. 715; a. 820 Annal. R. Fr. p. 153. 

5) 873 Annal. Fuld. ad. h. a. 

6) a. 815 Chron. Moissiac. 

7) Wie Cramer ©. 52. 

8) Anm. Marc. XXVII. 10 

9) Fred. c. 37 p. 138; Amiet, bas Schlachtfeld von Wangen, Anzeiger für 
Schweizer Geſchichte 1879 (Wangas, Ortsname, Krusch. Fred. p. 138, danach 
{ft Urgeſch. III. &. 587 zu berichtigen). 

10) Fredig. c. 37. 

11) Auch von Cramer ©. 34 wieberholte. 

12) Bgl. Könige VIII. 2. ©. 252. Auch Meisten I. S. 141f. nimmt bie bei 
Weſtgermanen nirgenbs bezeugte Gliederung bes Heeres in Hunberticheften an. 
„Heer“ 3.8. in ber L. Baj. IV. 23 (42 Schilde) find nicht ein Heer (<= exercitus) 
I. ©. 143, fonbern eine Schar, caterva. Gegen bie Slieberung bes Heeres in 
Hunberticgaften entfchteben auch Müllenhoff IV. 1. S. 175. Nur je hundert neben 
den Reitern berlaufende Fußlämpfer erwähnt Tacitus ©. c. 6 aus Einem Gau: 
auch das fchließt aus, daß ber ganze Gau nur 1000 Krieger geftellt habe. Aber 
bei den Oftgoten hätten Mommfen, Hermes ©. 499 und Lubo Hartmann, italien. 


275 


Nigellust) von milia centenis accumulata viris (Alba Sueborum). 
Selbſtverſtändlich kommen hiebei nicht in Betracht die brei Jahrhunderte 
fpäter auftauchenven „Regionen“ zu 1000 over 2000 Mann-Keiterei 2), 
denn in Hundertſchaften waren tiefe Heere auch damals nicht ge- 
glievert. Bielmehr gliedert fich das Heer noch immer nach Sippever- 
bönden®). Das war das Natürliche, ja das faft Unvermeidliche, da 
ja die Gefippen zugleich bie Nachbarn waren), alfo das Dorf und 
bie Hunbertfchaft innerhalb des Gaues als Sammelort gegeben waren. 
Für den Gau, beifen Aufgebot ver Graf befehligt, oder noch weitere 
Berbänte warb ber Sammelplag vom König) oder vom Herzog ®) 
beftimmt und zwar, wie es feheint, gewöhnlich ein Krongut (»fiscus«). — 
Denn bei Diebftahl im Heer wird vorausgefegt, er habe in einem 
Krongut — alfo wohl dem Sammelort — ftattgefunden ”). 

Wehrpflichtig find auch hier®) alle wehrfähigen Freien, nicht nur 
bie Grunbeigner. Grundfäglich find auch Kirchen und Klöſter nicht frei 
von der Wehrpflicht ihrer (freien) Binterfaffen, nur burch allerbinge 
immer häufiger ertbeilte®) Privilegien 19). 

In fpäterer Zeit wird bei ben Sriegsleiftungen ver Klöſter oft 
unterjchieden zwifchen Römerzügen und andern Kriegen: fo wirb von 
Klofter Maurmünfter im Elſaß für jene das Doppelte verlangt it). 


Königreich ©. 128 den millenarius == tusundi-faps VI. 2. &. 208 bei Eaffiobor 
nicht bezweifeln follen, da er bei Weflgoten und Banbalen als Truppenführer 
zweifellos bezeugt iſt: bie „Steuerhufe“, millena = jugum bat damit nichts 
zu thun. 

1) IIL ed. Dümmler, M. G. h. Poetae Latini II. p. 5—91. 

2) Watt VII. S. 179 a. 1015. 

3) P. D. 45 in heris generationis D. ©. I. a. ©. 184, 224. Auch bie 
Erinnerung, baß vor der Heeres-Bolle-Berfammlung auch Rechtsgefchäfte, 3. 8. 
Sreilaffungen, vorzunehmen find, bat fih voll Iebendig erhalten 1. c. vgl. Sohm, 
©. 38. 4) ©. oben ©. 212. 

5) L. Al 26 (27) p. 86. In exercitu ubi rex ordinaverit exercitum. 

6) 1. c. si dux exereitum ordinaverit. 

7) L. 26 (27) p. 86 si dux exercitum ordinaverit et in illo fisco aliquid 
furaverit. 

8) Bol. VII. 2. ©. 252. VIII. 3. ©. 214. 

9) Beſchränkte Wehrpflicht einer fanctgallifgen cellula Wartmann II. p. 318; 
ähnlich bes Kloſters Wiſenſteig W. U. B. I. N. 136 p. 160 (Ludwig ber Deutiche, 
aber ob echt?) Ueber Triegerifche majores locorum von Sanct Gallen Ekkh. c. 48 
scuta et arma polita gestare incoeperant cant. p. 161 ministeriales, cellerarii 
erwerben beneficia und umgärten ſich mit dem Schwert contra consuetudinem. 

10) Richtig Baltzer S. 150, (aber meift nur über die Zeit nach a. 900). 

11) Schöpflin I. p. 226. 


18* 


276 


Die constitutio de expeditione Romana!) ift jegt ale bewußte 
Falſchung des Kloſters Reichenau behufs Milderung feiner Wehrlaft 
bargewiejen?) und?) ebenfo die Urkunde Irmengarbs von a. 853 für 
das Kronklofter Erftein im Elſaß. 

Im eignen Lande follte bas Heer nur Waffer, Holz und Pferbe- 
futter (Gras, Heu und Hafer) verlangen‘). Hostis bebeutet auch 
bier das eigne Heer®). 

Wir erfahren, die Wehrpflichtigen entziehen fich gern der Heer- 
fahrt gegen bie Heiden durch Ausflüchte: (Pilgerfahrt nach Rom, Be 
ſuch ihrer fernen Seniores, Krankheit), um in Wahrheit daheim wilde 
Fehden zu führen®). 

In Tarolingifcher Zeit werben die fränkiichen Heereseinrichtungen 
auch die Erleichterungen Karls”) eingeführt. Zuweilen befreit ver 
König nur bie geringeren Binterfaffen, bie tributarii, nicht auch bie 
nobiliores beneficiati ber Wehrpflicht?). Aber allzu früh fegt man?) 
auch Bier 1%) die Umwandlung bes Heerbanns in ein Vaffallenheer an. 
Schon bie fo häufige Verwendung von beneficia zu Gehalt und zu 
Aderban fchließt die Annahme?!) aus, beneficium fei ſchon urſprüng⸗ 
ich nur als Kriegsfold gegeben worben12): Jahrhundertelang hat es 
gar keine Beziehung zu Kriegsdienſt. Allerbings ftieg die Bedeutung 
ber Reiterei im Volksheer ſtark ſchon feit a. 720, 7402). Zum 
Reiter- (fpäter Nitter-) Dienft waren uripränglih nur die größeren 
Grundeigner verpflichtet: ven Maßſtab Hiebei fennen wir nicht: man 


1) Monum. Germ. I. p. 3. 

2) Bon Scheffer. Boichhorſt 3. f. d. Geſch. d. Oberrheins u. F. IIL ©. 175. 

3) Bon bemfelben a. a. DO. IV. ©. 297. 

4) Könige VOL. 2 ©. 272f. VII. 3. ©. 260-262. Weit IV. ©. 528, 
Spätere Erweiterungen VIII. ©. 109. 

5) pugna ... infra propria oste L. 25 (26) p. 85. 

6) Coll. F. Bang. 42. 

7) VII 3. S. 223. &. die alamanniſchen Aufgebote in ben Jahren 778, 
791, 796, 806, 818, 820, 832. Urgeſch. III. &. 283f. unb oben VIIL 3. 
S. 223-235. 

8) So Ludwig L, Kempten, v. Sickel II. N. 320, 348, verloren if Lubwige 
praeceptum de tributariis fir bie Kloſter 1. c. N. 363. 

9) 2. B. Wirth I. ©. 534. 

10) gl. VII. 3. ©. 286. 

11) Baltzers ©. 14. 

12) Bgl. ſchon römifch-fanontiche beneficia Könige VIL 1. ©. 212f. 

13) Könige VIII. 3. 8.273 für das X. Jahrhundert Waitz VIII. ©. 112. 


277 


ging uriprünglich wohl von ben karolingiſchen Sägen!) aus?). Die 
Umwandlung des Fußheeres in ein Neiterheer hat dann fpäter auf die 
Ausbildung der Minifterialität, auf das Auflommen des Ritterftandes 
und ber ritterlichen Vaſſallen eingewirkt?). 

An Stelle des alten Tarolingiichen Aufgebots aller Wehrpflich- 
tigen*) tritt erft fehr allmälig das Aufgebot nur der Großen, — Her⸗ 
zöge, Biſchoͤfe, Aebte, Grafen, Kronvafjallen — bie dann bie vertrags- 
mäßige) Zahl von ihren Reifigen, Baffallen und Minifterialen zuzu⸗ 
führen oder zu ſenden haben‘. Im Zuſammenhang damit fteht es, 
geräth die alte fränkifche”) Heerbannbuße fpäter in Abgang oder 
wird fie nicht mehr dem König, fondern dem Lehensheren von bem 
Atervaffallen bezahlt ®). 

Mit Unrecht behauptet man?) aber, nur noch Lehenland, nicht 
Allod Habe fpäter die Wehrpflicht begründet: war boch jeder Wehr- 
fähige auch ohne Allod ober Lehen auch fpäter noch wehrpflichtig 19): 
nur thatſächlich — nicht begrifflid — warb bie alte Heerbannpflicht 
durch die Heerfahrtpflicht der Vaſſallen erfekt. 

Im Deere waltet der erhöhte Heerfrieve: Verbrechen werben bier 
mit Gelbftrafen bis zu 600 sol., 50 Hieben, dem Tode 11) bedroht 12). 
Auch geringe Vergehen, während bes Heerfriedens begangen, werben 
breifach gebüßt 12): Hat ber König das Heer aufgeboten, wirb Dieb- 
ftahl dreifach höher (27fach) gebüßt 1), als in einem vom Herzog auf- 
gebotnen (neunfadh). 

Wer Ichlachtflüchtig im Kampf feinen Waffengenofien (parem 


1) Könige VIII. 3. ©. 223f. 

2) Bol. Waitz VIII. ©. 123, aber hier meift fpäte Fälle. 

3) Nicht umgelchrt: fo richtig Waitz VIIL ©. 125 gegen Barthold, Kriegs- 
verfaflung. 

4) Könige VIIL 3. ©. 214. 

5) Nicht mehr wie früher alle Waffenfähigen (Waitz VIII. ©. 133) in dem 
Tehenvertrag ſelbſt: anders Waitz ©. 143. 

6) Weis VIE. S. 126. 

7) Könige VIIL 3. ©. 285. 

8) Walt VILL ©. 147. vgl. aber fon Könige a. a. ©. 

9) Baltzer ©. 20f. 

10) Könige VIII. a. a. D. 

11) Streiterwedung mit folgenbem Todiſchlag. 

12) L. A. 26, 27 ebenfo im Baiern-Recht II, 4—6; vgl. Schreuer ©. 72, 
154. Brunner II. ©. 583. 

13) L. 25 (26) p. 86 VIII 2. S. a. a. O. D. 06.1 ©. 250f. 

14) ]. e. 26 (27) p. 86 


278 


suum) verläßt, währen tiefer aushält, zahlt nach feiner Rückkunft 
160 (al. 80) sol.!). Ludwig das Kind bebrohte angeblich die Heer- 
fänmigen mit dem Tode?). 

Altberühmt ift der Alamannen Heldenſchaft?). Schon Teuchterer 
und Suthungen‘ waren als Neiter berühmt, beide zählten fpäter®) 
zu den Alamannen, vie gleich bei ihrer erften Nennung a. 213 als 
ein zu Roß wunderbar Tämpfenves Voll gerühmt werben‘). Marimin 
läßt fich zumal Reiter von den geichlagenen Alamannen ftellen. Daß 
biefe bie hier gemeinten Germanen waren, erhellt aus feinem Zug 
von ihnen weg nach Bannonien”,. Die Iuthungen ftellten Claudius 
Mannichaften gegen Sahrgelver®). 

Die Zumuthung des Probus, fich des Waffenrechts, der Selbft- 
hilfe, des Kriegsrechts gegen andre Völter zu begeben und ftatt deſſen 
die Römer um Schuß anzugeben, wiefen bie Alamannen ab, unb bie 
Römer felbft erkannten, das wäre nur burchzuführen „wenn ganz 
Germanten zur Provinz gemacht würde‘). Und im IV. Jahrhundert 
rühmt ebenjo Ammian 1%) die alamanntichen Reiter: „noch tobt haften 
fie auf ihren todten Roffen”; wie zur Zeit Caeſars die Sueben mifchen 
auch die Alamannen unter die Reiter bebente Yußlämpfer!!. Aber 
das Recht des Vorftritts wird den Schwaben 12) erft in Quellen des 
XL— XIV. Iahrhunderts 13) beigelegt: freilich als ein althergebrachtes. 


1) L. 90 (93) p. 152. Welchem? Doch wohl dem zunähft Stehenben und 
Berlafinen. 
2) Liudprand IL. 3, ich entnehme bies Waitz VIII. ©. 108. 
3) Wie ber Deutfchen Tapferkeit Überhaupt. S. bie Stellen bei Waitz VIII. 
©. 95 und ben furor teutonicus bei Effeharb. 
4) Dexippus I. 40,000 Reiter neben 80,000 zu Fuß. 
5) Tac. Gum. c. 32. 
6) Aurelius Victor (c. a. 380) de Caesaribus ed. Schröter 1829—31. 
7) Herodian VII. 28. Capitolin. X. 4. XIII. 3. 
8) Dexippus 1. 9 S. oben ©, 42. 
10) I. V. 4. 
11) XVL 2. vgl. Urgeſch. II. ©. 284. 
12) Und Baiern Bernold. Chron. a. 1075. Ser. V. p. 385. Ansberti hist. 
de exped. Frid. ed. Fontes Austriac. V. Chroust Fageno, Ansbert. a. 1. W. 
1892. ©. P. Stälin, Eorrefponbenzblatt bes Vereins für Kunft und Alterthum 
in Ulm II. 6. S. 43 unb bie Stellen bei Waitz IV. ©. 181 (aus bem Enbe bes 
XI. Jahrhunderts). 
13) Im Rolanbslteb c. a. 1175 wegen Auszeichnung im fpantfchen Feldzug 
(Im Strider) vgl. Merkel de rep. S.43 unb im Sawabenfpiegel < c. a. 1270 (?) 
als Belohnung für Karls tapferen Schwager Gerold. 


279 


Allein die dabei erwähnte »Lex« ift nicht etwa bie Lex Alaman- 
norum, eben nur „Recht”, „Privileg“. 

Der barritus wird auch bei Ammian!) nur von Kelten an- 
geftimmt2). Beſondere Schen hatten die Römer vor ben hoben 
Daum-Barriladen und -Verhaden, durch welche die fchmalen Zugänge 
zu den finftern Urwälbern gefperrt werben: ſogar Julian bringt feine 
Zruppen nicht in einen ſolchen Walh?). 

Das anichaulichite Bild alamanniichen Gewaffens gewähren bie 
Zobtenmitgaben in den Neibengräbern, in ven Zobtenbäumen, meift 
aus der Eifen-, feltner aus der Bronze- Zeit: Langſchwert, Kurzfchwert, 
Dolch, Speer- und Pfeil-Spigen, Art!) und auch Bogen!) und Pfeil 
(aus Eibenhoh). 


IV. Gerichtshoheit. Gerihtswejen®. 
A. Alamannenredt. 


1. Gerichteverfafſung. Arten und Zuſtändigkeit ber Gerichte. 
Berfonalttätsprincip. 
Die Gerichtsgewalt, richtiger Gerichtshoheit, im fränkifchen und 
im Deutfchen Reiche (bed beginnenden X. Jahrhunderts) war, ab- 
gefehen von ben geiftlichen Gerichten und ben Hofgerichten des Eigen- 
thümers über Unfrete, eine einheitliche, ftatliche: und warb auch fpäter 
bie Ausübung Andern, wie fchon früher den Grafen, fo jekt den 
Vaſſallen, übertragen, fo bleibt fie doch auf bie ftatliche zurüdführbar”). 


1) XVI. 43. 

2) Unbere Züge ans dem Kriegeweien ber Alamannen XVI. 12. 47, 48, 
50, 61. 

3) 1. c. und XVII. 10. 

4) ©. unten Zuſtände. Weber die Bewaffnung ber Alamannen unb ihre 
Zeilförmige Schlachtorbnung („Eberkopf“) auch hier — wie ſchon bei Ammian zwei 
Jahrhunderte früher a. 357 — unter Buliltn bei Capua a. 556 |. Agathias IL. 5, 8. 
Ueber die Schug- und Trug Waffen Walk VIIL ©. 118f.; aber meiſt aus fpäterer 
Zeit ritterlichen Gewaffens. 

5) Bel. Stälin (S.) I. S. 113. Haßler, Totenfelb. 

6) Könige VII. 3. S. if. VIO. 4. ©. 1f.; vgl. Sohm ©. 297 v. Sybel? 
S. 374. Lehrreich Joh. Meyer, Bundesverfafſung I. S. 297. Das Recht der 
L. R. Rb. C. wirb unten unter B. bargeftellt. 

7) Anbers in all dieſem Waitz VIIL S. 1, 2. — Sehr mit Unrecht hatte 
Zöpfl R. A. IL &. 10 aus bannus allodii ein Gerichtsrecht jedes Grundeigners 
gefolgert! auch ber „Burgbaun”, d. h. ber au eine Burg geknüpfte, übrigens erft 
unter Otto I., wirb beſonders verliehen, Watt 39. 


280 


Das orventliche regelmäßige Ding ift die Berfammlung ber Hunbert- 
ſchaft unter Borfig des Eentenars — judex!) als regelmäßigen ober 
eines außerordentlich entſandten (missus) Vertreters des Grafen, ver 
aber abwechſelnd felbft auf den verſchiednen Malftätten feines Gaues 
erfcheint und das Hunbertichaftsgericht abhält: als folder Dingvor⸗ 
ftand heißt auch er judex?). 

Die Gerichtsbarteit des Schuldheiſch und bes berrichaftlichen villicus 
entfpricht ver des Centenars, bie aber als die regelmäßige vorauszuſetzen ift. 
Beiondere Orte für das Grafending, von dem für das Öuubertichafts- 
Ding verfchieven, hat es nicht gegeben: auch ber Graf hielt Gericht 
am Ort eines Hundertſchaftsdinges?). »Actum publice in %.«, regel⸗ 
mäßig in den Urkunden, bebeutet ven Dingplag ober den Errichtungs- 
ort, wo Graf, Centenar, Klofterbeamte, gelabne Zeugen anweſend find. 

Sauverfammlungen Tommen fo wenig wie bei ven Franken 
vor*): ausnahmsweife, zumal behufs Gutheißung der Aufzeichnung ober 
Aenderung des Stammesrechts, werben Verſammlungen des ganzen 
Volles unter Vorfig des (Königs oder) Herzogs erwähnt®), fo zu 
Zweden ver Gefetgebung®). Aber felbftverftänblich konnte ver König 
auch in Alamannien fein Hofgericht abhalten, wobei nicht immer 
leicht eine Stammesverfammlung von einer VBerfammlung für das 


1) &. oben ©. 233, 242, 255. 

2) &. oben &.257. So find wohl bie widerſtreitenden Anfichten von Fustel de 
Coulanges, hist. de la France II. p.395 unb Opet[79. &.83 zu vereinen; vgl. auch 
KönigeVII. 2. &.126, 142. VIII. 3. ©.103, 109. Thudichum, Gauverfaſſung &. 13. 
Cramer p. XVI nimmt burdgängig „Zehnſchaften“ und „Zehntner” (decaniae 
unb decani) an, ein „Syflem ber Zehntichaften“, das bann freilich unvollſtändig (t) 
erfcheint”. Schröber? ©. 172 und 3. |.R.-©.2 IV. ©. 225 findet bei den Aa 
mannen (mie mit Recht bei den Baiern) einen Rechtiprecher, „ber erfi im VIII. Jahr⸗ 
hundert bem Grafen untergeorbnet wirb“: „er erfcheint als ber von ber Gerichte» 
gemeinde gewählte Ceutenar ober Hunno“: ber judex ber Onellen ift allerbings 
sft ber Eentenar (aber auch ber Graf kaun judex heißen), wo iſt aber von jenem 
Rechtſprecher“ umb beflen früherer Unabhängigkeit vom Grafen irgend etwas in 
den Quellen gejagt? 

3) Eichhorns 8 76, 8 419. 

4) Richtig gegen Hermann, Schöffengericht S. 225 über das Hunbertfchafts- 
und das Grafengericht (folemot) und gegen Rogge Gerichtsweſen S. 82 Opet, 
Brocefeinleit. &.81, vgl. Sohm &.278; über das Gerichtsgebiet &.328 v.&Sybel 2) 
S. 385. 


5) ©. unten „Herzog“. 
6) Hicher auch Morbverfuch gegen ben Herzog? 


281 


ganze oftrheinifche Theilkönigreich zu ſcheiden ift!). Das Königs- 
gericht, an ſich in allen Sachen zuftändig, foll doch nur ergänzend 
eintreten 2). 

Curia fchlechtbin beißt (auch) das Neichsgericht?). Das Tonnte 
auch über Alamannen überall gehalten werben, wo ber König und 
feine Fürften fich befanben®). 

Aber auch in Alamannien gab es gewiſſe Kronvillae, in benen 
häufiger Königsgericht gehalten wurbe: Ulm®), Waiblingen). Königs- 
Ihuß gewährt das Necht gefreiter Gerichtsbarkeit vor dem Königsgericht 
oft ſchon im erften, immer aber in fpäterem Rechtsgang ’). 

Die Anklage eines Freien gegen einen andern Freien wegen tobes- 
würdigen Verbrechens (zumal Hochverraths) geht — wohl nach Wahl 
des Anklägerse — an König oder Herzog: in Ermangelung bes Be⸗ 
weiſes Tann ber Beklagte gerichtlichen Kampf verlangen ?). 

Verklagung vor dem Herzog wegen Tödtung, Diebftahls, anbrer 
Rechtöverlegung (neglectus) wird vorausgefegt). Ob ver Vertreter 
eines Grafen im Mallus — fein missus oder ber Centenar — zu⸗ 
gleih »tribunus« war ober nur als folder — mit einem Verlegen⸗ 
heitsnamen — fo hieß, ift zweifelhaft 19). 

Der »judex suus«, vor bem ber Kläger in öffentlichem Ding 


1) Bgl. das Königsgericht Ludwigs bes Dentichen von a. 856 zu Ulm über 
Conftanz und Sanct Gallen Ratpertus Ser. II. p. 69; zu Forchheim a. 859 nur 
ein colloquium mit einigen feiner Räthe: cum quibusdam consiliariis suis, 
dann aber wird ein Gerichtstag angefagt (condicto plaoito) und bie Grafen 
werben befonbers entboten nach Ulm Annal. Fred. a. 858. Ser. I. p. 371. 

2) Bgl. Bethmaun⸗Hellwig U. ©. 18. 

3) Cas. St. Galli. cont. p. 160. 

4) ©. die ſchönen Worte Sriebrich II. bei Franklin IL. p. 64: cum ibi sit 
Alamanniae curia, ubi persona nostra et principes imperii oonsistunt. Das 
Königsgericht iſt alfo am keine Dingftätte gebunden: im Kriege kann es in 
Zelten tagen. Doch wird regelmäßig bie Stätte des Heimatgerichts bes Angeflagten 
gewählt, Waitz VIIL. ©. 14. 

5) a. 856. Ser. II. p. 69. a. 858. Annal. Fred. 1. c. I. p. 371. a. 912/913. 

6) Placitum 1. e. I. p. 404. 

7) Brnmmer, Zeugen unb Inquifitionsbeweis ©. 58. Ganz etwas anderes 
iſt es, wird vom Köuig Columba fichres Geleit, defensio, gewährt. Jonas vita 
St. Galli Ser. II. p. 6. 

8) T. 44 cum tracta spada se idoneare. Weber Gerichte ber missi in 
diefer Zeit Waitz VIII. &. 12, fie gelten nicht als Pfalzgerichte. 

9) Andre Handſchriften leſen judicem L. 42. p. 102. 

10) Wartmann I. 43. a. 704. 


282 


(in mallo publico) zu Hagen bat, ift eben ver im gegebenen Falle 
zuftänbige: wer bas ift, ob Oraf, ob Centenar, wirb nicht gefagt?): 
permuthet wird als Bellagter „ver Nachbar“, aber tas Gleiche gilt von 
jevem Beklagten. Au dem erften ®erichtötag (in uno placito) foll er feine 
Klage vorbringen?) (mallet causam suam), der Bellagte aber?) feine 
Eidhelfer und Bürgen bezeichnen und dem Bertreter bes Grafen (ober 
felbftverftänplich diefem ſelbſt, falls er erfcheint), oder dem Centenar 
Bürgfchaft (Sicherheit, wadium) leiften, daß er am zweiten Gerichts. 
tage erfcheinen und mit ber erforverlichen Zahl von Eibhelfern ſchwören 
werbe. 

An dem zweiten Gerichtstag hat er dann zu ſchwören ober, falls er 
nicht ſchwört, nach dem Gefe zu leiften (componat), auf daß er fich 
nicht entziehe: entzieht er fi, Hat er ftets das Friedensgeld (bem 
Königsbann) von 60 sol. zu leiften®). Dagegen für fonftiges ım- 
gehorfames Ausbleiben vor Gericht wird nur ein Friedensgeld von 12 sol. 
bezahlt). 

Schiedsrichter, arbitri, werben erwähnt behufs Schäkung®) des 
Schadens durch weidenbe over tes Werthes getöbteter Thiere?). Selten 
begegnet urkundliche Ermächtigung zur Selbfthilfe — ohne Nichter- 
ſpruch — bes Klofters bei Vertrags: Verlegung ober -Anfechtung 9). 
Bon „richterlicher Bedeutung tes germanifchen Priefterthums“ 9) kann 
jo wenig die Rebe fein, wie von priefterlicher des Richter- und bes 
Königthums 19). 


1) L. 36. 2. p. 94. 
2) Opet, Proceßeinleitung ©. 79. 
3) Nach Aufforderung burd ben Kläger: »contestare«, nicht geloben Cc. 
Altheim, c. 1. 20. 
4). 0. 
6) 1. c. p. 96. Weber Pfänbung und Leibhaft bes Ungehorfamen Schöpflin 
I. p. 227 justo ac legitimo judicio corpore ae bonorum confiscatione (zu nächſt 
nur Frohnung) atque cippo (Blod) quoadusque satisfaciat constringatur. 
6) L. 67 (74) p. 133. 
7) 1. e. p. 136 über Gerichteſchreiber und Gerichtsbiener Sohm S. 530, 
ſ. unten. 
8) Zeuß, W. 259. a. 713, Selbſtpfändung Huberti ©. 17. 
9) Schraber II. S. 639 uub 686. 
10) Wie Schröber. 


283 


Das Perfonalitätsprincipt). 


Das Perfonalitätsprincip galt ſelbſtverſtändlich auch bier2): läßt 
ein (nach Uferfrantenrecht lebender) Karolinger durch Schatzwurf nach 
ſaliſchem Recht frei, fo war ber bisherige Herr vermutlich Salier?). 
Das Alamannenrecht lebte gemäß dem Perjonalitätsprincip im Deuts 
fchen Reiche des X. Jahrhunderts und ber folgenden bis ins XIV. 
fort). Deßbalb leben auch Alamannen in andern Landſchaften, auch 
Frauen, nach AlamannenrechtS). Auch außeralamannifche Rechte fichern 
dem zugewanberten Alamannen (wie Burgunden und anderen Stämmen 
bes Reiches) in ber Fremde, z. B. in NRipuarien, fein Stammesrecht 
vor Gericht®): daher Hat der Uferfrante, ber einen folchen Ala- 
mannus töbdtet (gleichviel wo) deſſen Wergeld von 160 sol. zu ent- 
richten”). 

Dance Stelle bezeugt die Feithaltung des alten Grundſatzes 
gegenüber dem thatfähhlichen®) Vorbringen des Territorialprincips, 
deſſen Gründe früher?) erörtert wurben 19). 


1) Stouff, &tude sur le principe de la personalite. Revue Bourgui- 
gnonne 1894. 

2) Könige VII. 3. &.2. VIII. 4. &.11. Gaupp, über Stammesrecht, Terri- 
torialrecht unb professiones juris, 3. f. D. R. XIX. 1859. Schon Merlel, der. 
©. 36 (wie jett wieber Brunner I.) läßt das Berfonalttätsprinctp nur von ben 
Sranten ben übrigen Germanen zuführen: e8 warb aber gezeigt VIII. 3. ©. 11f., 
daß es ebenfo und ebenfo früh bei Oft-Wefl-Soten, Burgunden und Bandalen galt. 

3) Muratori Antiq. So Lothar I. I. p. 847. a. 843. Wat-Zenmer V. ©. 161 
gewährt feine Erklärung; auffällt auch, daß Kaiſerin Adelheid erflärt, nad Sali⸗ 
ſchem Recht zu leben, a. a. O. ex nacione mes; man vermuthet, daß falifch im 
ſolchen Fällen nur „fränkiſch“ bebeuten ſoll (??), nicht ſaliſch im Gegeuſatz zu ri⸗ 
puariſch. Waitz⸗Zeumer ©. 177. 

4) Waitz⸗Zeumer V. ©. 162. Folgerungen aus dem Perſonalitätsprincip 
für Ehen won Angehörigen verſchiedener Stämme Waitz-Zeumer V. S. 160. 

5) Beifpiele aus Piemont, aus bem Matlänbifchen bei Stälin (®.) I. 358, 
qui (l. quae) lege Alemannorum vivere visa sum, Muratori, Antig. Ital. II. 
p. 135. 

6) L. Rit. 31, 3: denn das meint die lex loci, wo er geboren fl. 

7) 1. c. 30, 4 (ber Bogius bier ift ber Bajuvarius). 

8) Daß ſchon a. 496 die Lex Salica als Territorialrecht in bem von den 
Sranlen bejegten Alamannten eingeführt warb auch für bie bier bleibenden Ala⸗ 
mannen, wie Schröder und ihm folgend Weller ©. 43, iſt um fo weniger an- 
zunehmen, als biefe Franken meift nah benachbarte Uferfranten, nicht ferne Sa⸗ 
Tier waren; das Perfonalitätsprincip bleibt in Kraft Bis lange Über den Sachſen⸗ 
fpiegel hinans. 9) VIII. 4. ©. 25-32. 

10) 1. c. ea tamen ratione, si dominus Francus sive Alamannus aut alte- 


284 


Nach dem Auflommen ver Hofrechte erichien teren Anwendung 
anf die Glieder einer folchen hofrechtlichen familia auch als Aumen- 
dung einer Art von Perjonalitätsprincip. Webertragungen tes Hof. 
rechts einer familia nach deren Wahl auf eine andere ift damals noch 
felten !). 

Spät ift eine Ausnahme vom Perfonalitätsprincip, wonach Zu- 
gewanderte nach Jahr und Tag nad bem Ortsrecht [eben bürfen?). 
Die Anwendung des römifchen Rechts (außerhalb Ehurrhätiens: aber 
wie mangelhaft deſſen Verſtändniß auch hier war, zeigt die Lex!) in 
Algmannien, zumal auf dem Land, außerhalb ver Bifchofftäbte, muß ſchon 
wegen des meift völlig fehlenven Rechtsunterrichts gar fchwierig ge- 
wefen fein?). 

Die Neuordnung bed Rechtsunterrichts durch Yuftinian drang 
kaum in Italien‘), gejchweige in Rhätien durch. 

In den bifchöflihden Schulen ward freilid — aber befonvers 
erft im XI. Jahrhundert — auf Ausbildung ber Geiftlichen in Rechts: 
kenntniß großes Gewicht gelegt und biefe fo eifrig angeftrebt, daß 
Päbſte und Eoncilien das Uebermaß (zumal behufs Geldverdienſtes) 
befämpften 5). 


2. Streit-Berfahren®). 
a) Allgemeines. 

Die urſprünglich völlig freie Wahl zwifchen Nechtsgang und 
Tchdegang”) wirb durch die karolingiſche Reichsgeſetzgebung befchränft 
— mit geringem Erfolg. Die Zeit ift bier fo wenig wie bei ten 
Franken genauer feftzuftellen: Rückfälle find noch fpät Häufig. Die 


rius eujuslibet nationis („Stamm”: alfo Burgunde, Thüring, Yrife, Sachſe, 
Baier: an ſlaviſche Unterthanen iſt wohl nicht gedacht) sit: si autem Lango- 
bardus aut Romanus fuerit ... sicut inter eos antiquitus est constitutus. 

1) ©. einen Fall Waitz-⸗Zeumer V. ©. 302. 

2) Waitz⸗Zeumer V. ©. 287, 314. 

3) v. Savigny II. ©. 459, Rechtöunterricht. Conrat, ber Rechtennterricht 
im römiſchen Reich I 1891, von Halben, das römifche Recht In den germanifchen 
Bolksſtaten I. 1899. 

4) Bol. Eonrat bei Grünhnt XXIII. ©. 426. 


5) Waitz VIII. &. 22. 
6) Könige VL. 3. &. 10f. VIII. 4. ©. 83—133. 


7) Bauſteine II. S. 76. a. 1880. D. G. I. a. ©. 228. Mit Unrecht befireitet 
fie v. Sybel? ©. 91 bei Gliedern verſchiedener Sippen vgl. Stälin (G.) L 
S. 103. Ofenbrüggen, alam. Strafreht S. 14 v. Wächter Beilagen S. 99. 


285 


Erinnerung, daß das Gericht urfprünglic Vollsgericht (nicht Königs⸗ 
[> Herzogs] Gericht) war, tft nicht völlig erlofchen: zwar beftelit ber 
Herzog den Richter, aber im Einvernehmen mit dem Voll. Daß nicht 
ber Graf ober judex allein handelnd das Urtheil gefunden, darüber 
f. Sranten!): auch bei Alamannen ?) (und Baiern) gilt das dort Gefagte. 
Die Schöffeneinrichtung warb von Karl eingeführt: aber baneben 
wird das Urtheil immer noch auch von ber Gefammtheit gefunden?) : 
noch Ende des IX. Jahrhunderts finden fich Hier ftatt der Schöffen 
Rahinburgen und — mitwirkend — der Umftand, bie pagenses‘). 
Was die Art der Beftellung ver Schöffen anlangt, ift in Ermanglung 
von Nachrichten über Aenderungen Fortbeſtand ver Tarolingifchen Ein- 
richtungen anzunehmen: wir fahen®), aus welchen Gründen bie ur- 
prünglich lebenslängliche Verrichtung fich bald thatfächlich vererbte — 
mit der Vererbung des größeren Grundeigens: folcher zum Schöffen- 
bienft verpflichtender und berechtigenter Grunbbefit heißt alodium. 
placiti, fpäter Schöffengut®). Die Schöffen find Gau⸗Schöffen, Graf- 
ſchaftsſchöffen — deßhalb heißen fie „Schöffen bes Brafen””), — nicht 
auf bie Hundertſchaft ihres Grundeigens find fie befchräntt. ‘Den 
Schöffen (Urtheilern) fteht alſo die Urtheilfindung zu®): einfeitiges Ur- 
theilen bes Richters Tommt freilich auch vor, wird aber z. B. ben 
Schöffen verboten. Ob der Richter ben Urtheilsvorſchlag Hatte, er- 
hellt nicht Mar. 

Die Zahl der Schöffen in ben einzelnen Placita jchwantt von 3, 
(einmal 99%, bis zu 42, 59. Letzteres feltne Ausnahme). In Chur 


1) Könige VDL 3. ©. 28. 

2) Joh. Meyer, Bunbesverfafiung I. S. 297. 

3) Wie bei ben Baiern f. biefe; Trad. Sangall. 214: coram frequentia 
populi und fo dfter. 

4) Form. Aug. B. 40 plurimi ibi sistentes. Das fränftiche Schöffenweier 
bat bier fo wenig wie bei den Baiern fefte Wurzeln gefchlagen, Brunner, Herkunft. 
ber Schöffen &. 10, zumal über bie Unechtheit von Schöpflin Alsatia I. 34. 
N. 28. a. 7568; ganz bobenlos Gfrörers I. ©. 205 Annahme bes alten „Ge⸗ 
ſchworenengerichts“ und deſſen Aufhebung durch bie Frauken. 

5) Könige VID. 4. ©. 58-81. 

6) Beläge bei Waitz VIII. ©. 59. 

7) Grandidier II. p. 128 comes cum laudatione judicum (== scabinorum) 
suorum f. Könige VIII. 4. a. a. D.; anders Sohm ©. 442, 448. 

8) Grandidier II. p. 246 in placitis comitialibus mea recepi soabinorum. 
judicie. _ 
9) Wartmann III. N. 779 p. 1. 
10) Grendidier II. p. 128. 


286 


unter Burkard Romani et Alamannus. Der Umftand!) ift zwar 
jest und Hier nicht von aller Mitwirkung ausgefchloffen, aber fie bes 
fehräntt ſich auf Beftätigung bes gefundnen Urtheil® oder Bezeugung 
einzelner Hanblungen, 3. B. Eibleiftung, Uebergabe: Teineswegs aber 
warb das Urtheil auch jet noch — wie etwa in altgermanifcher Zeit 
— von ber Gefammtheit gefunden?). Von ben scabini werben tie 
»testes«, die nur unterftüßen (juvare judicium), einmal gegen 30, 
ſcharf unterjchieben. 

Man bat gemeint, feit Verzeichnung bes alten Rechts unter manch- 
faltigen Neuerungen fei e8 als befonvere Verpflichtung bes judex an- 
geſchaut worben, zu wachen, daß bem Urtheil genau die (gefchriebne) 
Lex zu Grunde gelegt werbe: nach biefer (gefchriebuen) Lex — vor 
Allem?) — foll er „wahrheitgemäß“ urtheilen, b. h. urtheilen laſſen, 
etwa das Urtheil vorfchlagent). Allein es ift doch wohl das Stammes- 
recht überhaupt, nicht nur das gefchriebene gemeint: verweifen doch 
bie Urkunden fo oft auf bie »Lex«, wo nur Gewohnheitsrecht ge- 
meint fein kann, weil bie Lex nichts barüber enthält. Wie bei 
ben Baiern erfcheinen auch hier zuweilen in Einem Ding mehrere 
‚jJudices®). Ein angefochtnes Urtheil wird von andern Richtern unter- 
fucht®). 

Schwierigkeiten macht nun zwar bezüglich ver Stellung von comes, 
‚judex und centenar ber ſchwankende Sprachgebrauch ber Quellen: 
Löſung ift aber möglich bei unferer Annahme”), daß judex bald ven 
‚Grafen, bald ven Eentenar bezeichnet: dann ift ein dritter Beamter — 
eben ein von beiden verjchiebner »judex« überfläffig, auch die ihm 


1) Könige VII. 3. ©. 55. VIIL 4 a. a. O. 

2) Anders Sohm ©. 443. 

3) Ueber bie Lex Alamannise = GStammesreht Überhaupt, auch das 
ungeſchriebene Gemohnheitsrecht umten |. „Anfechtungsftrafen” unb oben ©. 217: 
— nicht nur die gefchriebne Lex; Dfenbrüggen, Strafreht &.9 v. Wyß 3. f. 
Schweizer Recht IV. ©. 125. 

4) L. A. 41, 1 causas secundum legem veraciter judicet. 

5) Trad. Sangall. 120 coram praesentibus judicibus et cetero populo, 
in der Formula Isonis, Rosiere p. 474 cum judicibus et reginburgis et aliie 
populis multis tagt ber comes; bie Sache wirb abgeurtheilt a judioibus nostris 
vel reginburgis nostris vel judicibus constitutis et aliis pagensis plurimi 
ibidem sistentibus. 

6) L. A. 41, 3 f. unten „Rechtsmittel”. 

7) Oben S. 255. 


287 


zugewieſene Nechtsbelehrung over Urtheils-VBorfchlagung ift dann dem 
Centenar als judex zuzutheilen. Dies ift nım darzulegen. 

Als das Regelmäßige fegen die Quellen zwei Beamte in dem 
Hundertſchaftsding voraus: ten Grafen (over beffen außerorbentlichen 
Bertreter, feinen missus) und ben Gentenar. 

Nur ausnahmsweiſe Tann ftatt des Stellvertreters des Grafen 
der Eentenar handeln, der aljo dann allein thätig ift!). Daß ver Graf 
oder deſſen Stellvertreter allein banvelt, ohne ben Gentenar, kommt 
Dagegen nicht vor: nur, daß ber Graf (wie Übrigens auch ber Gen- 
tenar) allein ein gebotnes Ding anberaumen mag?). Daß alle 
drei — gemeinſam banbelnd — neben einanber ftehen, Tommt nicht 
vor). Regelmäßig handeln Graf und Eentenar zufammen. So feßen 
bie Lex) und die Formeln voraus): ebendies bezeugen bie Urkunden ®). 
Das Nebeneinander?) wird nun verjchieden erklärt: am Einfachften 
fo®), daß der Graf, der in verſchiednen Hundertfchaften feines Gaues 
Gericht hielt, deren Beamten zur Seite haben mußte, welcher dann 
aber auch — ausnahmsweiſe — in Notbfällen ftatt des fehlenden 
Stellvertreters des Grafen felbft allein Gericht halten burftee Dann 
ift er felbft Richter, nicht nur als Beifiter de8 comes oder missus?): 
barım tft ihm Bürgſchaft für Ausbleiben zu ftellen 1%): darum be- 
ftimmt Er den Tag bes gebotnen Dings: darum hat er Zwangsrecht 
(distringere) mit einem Bann von 3 Solibi!!). 


1) 36, 3 ad misso comitis vel ad illo centenario. 

2) 36, 2 quale dies comes aut centenarius voluerit. 

3) Irrig Wait II. 6. ©. 146: bie Stellen 36, 4 und 5: (si) semet ipsum 
non praesentaverit aut comiti aul centenario aut missum comiti in placitum; 
Daun: quod comes ad placitum ve} centenarius ve/ missus comitis distringere 
non potest fielen nur bie drei Möglichleiten nebeneinander mit: „ober“, 
nicht mit: „und“. 

4) 36, 1. 

5) Rheinauer Yormel Roziere N. 398 in publico mallo .. in praesentia 
comitis .. vel (= et) centurionis ... ceterique populi. 

6) Trad. Sangall N. 332 sub .. comite et .. centurione N. 638 sub 
A. comite centurio Zeuß, W. N. 192 W. comito [sic] H. centenario. 

7) Anders zu deuten find bie 2 judices und 1 scultaisus als Richter 
Wartmann I. 354. a. 800—820: fie find Urtheiler. 

8) Berhmann 9. I S. 425. 

9) So richtig gegen Sohm S. 405, 418 Brunner II. S. 174 arg. L. Alam. 
36, 1—3. 10) 0. 3. 

11) L. A. 27, 3 si quis se non praesentaverit auf comiti auf centenario 
36, 2 centenarius qui praeest; vgl. Stälin (S.) I. S. 99. 


288 


Deftritten ift nun aber, was ber >judex« war, der an anbern 
Stellen als der orbentliche Richter genannt wirb an Stelle des Grafen 
und bes Gentenars'). Es frägt fich, ob judex hier einen befonberen, 
von jenen beiden verſchiednen Beamten bezeichnet, oder ob das Wort 
auch Hier — wie fo oft in ben gleichzeitigen Quellen — nur den 
„Beamten“, den „zuftändigen Beamten“, die „orbentliche Behörde“ 
im Allgemeinen ausbrüden foll, gleichviel, welche dies im gegebenen 
Valle ſei. Diefe Annahme wird?) durch ben Sprachgebrauch?) voll 
gerechtfertigt. 

Diefer judex tft der allgemein vorausgefegte orbentliche Richter: 
„der Richter des Orts“ a loci judicibus®): wenn einer den andern 
vor Gericht belangen will (mallare) über irgend eine Sache, foll er 
ihn in dem offnen ‘Ding belangen®) „vor feinem (v. h. dem orbent- 
lichen“) Richter (»ante judice suo«), auf baß jener Richter ihn zum 
Recht anhalte nach dem Gefege‘). Diefer judex ift vom Herzog 
unter Zuftimmung bes Volles beftellt, über die Rechtsfachen zu richten: 
fein Anderer nehme fich heraus, dies zu thun). Diefer Richter fol 
nicht fein lügnerifch, meineibig, beftechlich, dagegen gottesfürdhtig — 
bas find Winke für die Wahl bes Volks und bie berzogliche Einfeßung 
— er foll nur nach dem Geſetz urtheilen ohne Anfehen ver Perfon. 
Urtbeilt er (aus Habgier, Mißgunft ober Furcht) gegen das Geſetz, 
tft er bußfällig (12 Solibi) und erfaßpflichtig: aber auch grumblofe 
Schelte feines Urtheils macht bußfällig®), „denn fo tft vereinbart von 
bem Herzog und allem Bolt in offnem Ding”. Das ift offenbar ver 
vom Volt gewählte, vom Herzog beftätigte Eentenar?). Dagegen 
nicht diefen ortentlichen Land-Richter meint ber Ausdruck judex dba, wo 


1) Falſch ift die Urkunde W. U.B. N. 213 p. 252 bie neben bem princeps 
und bem comes noch einen nicht unterzubringenben provincialis judex nennt. 

2) L. A. 90: conviotus ... ante judicem; vgl. 22, 2. 36, 3. 39, 1. 
4, 1—3. 

3) Oben ©. 255f. 

4) 39,1. L. A. 

5) in ipso mallo publico debet mallare. 

6) ut ille judex eum distringat secundum legem. L. A. 36, 3. 

7) 1. c. 41, 1. Ut nullus causas audire praesumat, nisi qui a duce per 
convencionem populi judex constitutus sit, ut causas judicet. 41, 3 illius 
qui ad judicandum constitutus est. 

8) L. A. 41, 1—3. quia sic convenit duci et omni populo in publico 
concilio Opet. ©. 82. 

9) ©. oben S. 255, Eentenar. 


289 


biefer unter „jeinem Herren“ fteht: der Herr ift nicht etwa ber Herzog, 
jondern ein Privatmann oder eine Kirche, bie folche »agentes« mit 
richterlicher Gewalt über ihre Unfreien und Hinterjaffen beftellen?). 
Diefer judex — verjchieben von Graf und Eentenar — foll nun nad) 
den Einen ernannt geweſen fein, als beſonderer Richter, das Urtbeil zu 
fällen, das Necht zu weifen?), ober dadurch das Urtheil zu beftimmen ?), 
ober doch — wie der norbifche logsögumadr, ver frieflfche Aſega!) — 
durch die Nechtshelehrung auf die Urtheilfindung durch das Volk zu 
wirten®). Dies ift völlig unbeweisbar. Vielmehr ift ver judex nur 
ber „Nichter im Allgemeinen“, dem Sprachgebrauch der Quellen, auch 
ber Lex Alamannorum, entfprechend und zwar eben ber centenar: 
daher fteht ebenfo oft neben dem Grafen der judex®) wie ber Cen⸗ 
tenar, niemals ber judex neben dem Centenar, weil eben ber judex 
felbft der centenar: und ebendeßhalb fteht niemals die Dreizahl: Graf, 
centenar, judex neben einander; mit Recht hebt man?) hervor, daß 
für einen folchen Rechtsweifer doch ein befonberes alamannijches Wort 
müßte beftanden haben, daß aber ein folches den Gloſſen und allen 
Quellen fremd ift®). 

Man?) hält daher mit Necht ben judex für ben centenar: 
wird boch in der Stelle!%), welche die Bildung des Gerichts burch 


1) 1. c. 42, 2. si quis legitime tributum antesteterit per jussionem 
judieis sui. 3. si sigillum aut signum qualiscunque judex per jussionem 
domini sui transmiserit et eum venire jusserit aut ambulare in aliquam 
utilitatem. Leber bie Gerichtsbarkeit (auch Züchtigungsrecht) des Herrn über Un⸗ 
freie und Halbfreie Waitz- Zeumer V. ©. 216; über das Hofrecht biefer Zeit v. Inama⸗ 
Sternegg, Hofſyſtem S. 44; viel zu früh fett grumdherrliche Gerichtsbarkeit an 
Gfrörer L S. 54, deſſen „drei Rechtsſyſteme“ anf Selbfttäufchung beruhen. 

2) Hermann, Schöffengeriht ©. 222. 

3) Merkel, 2.5.8. ©. I. S. 137, 166. 

4) Baufteine II. ©. 460. 1880. 

5) So v. Maurer, Gerichtsverfaflung S. 22. I. Grimm R.-U.* II. S. 397 
ähnlich wohl Schröder oben ©. 280. 

6) Trad. Sangall. 108, 144, 186, aber bas iſt Alles Tarolingifh. Einmal 
144 wird eine Sache zuerft vor dem Grafen, dann (postea) vor dem judex 
benrfundet. 

7) ®ait IL. 6. ©. 149. 

8) Watt II. 6. ©. 149 bemerkt, judex kommt in ben zahlreichen fangallifchen 
Urkunden (abgeſehen von dem romantichen Rhätien) überhaupt nur fünfmal vor, 
was ſchon dafür fpricht, er babe auch einen anderen Titel — eben Centenar, 
HSunno — noch geführt. 

9) Walter 8 119. Waig IL 1. ©. 150. 10) 36, 1. 

Dahn, Könige der Germanen. DL. 1. 19 


290 


judex und centenar behandelt, unmittelbar fortgefaßren: jeder bat 
fih vor jenem »judex« zu ftellen: das kann nicht ein neuer britter 
— bisher nit genannter — Beamter, nur einer ber beiben 
eben genannten und Tann bier auch nicht der Graf fein, ver ja ohne 
Mitwirkung des Volles vom Herzog ernannt wird, während ber 
Gentenar, ber alte Vollsbeamte, in Uebereinkommen mit dem Volt, 
vom Herzog beftellt wird. Eine Handſchrift (Codex B) nennt ger 
rabezu ftatt des judex bier den centenar: auch werben 68 1—3 die⸗ 
felben Verrichtungen, das distringere, bald von dem judex, bafd von 
comes unb centenar gebraucht, fo daß jenes nur ben zuftändigen 
Richter im Allgemeinen bezeichnen will?). 

Der Gentenar foll?) auf die Urtheilfinpung fo ſtark eingewirkt 
haben (wodurch? durch Nechtsweifung?), daß ihm das judicare bei 
bem und bie Berantiwortung für das Urtheil aufgelegt wird; folche Mit- 
wirkung bes Richters bei der Urtbeilfindung fol dann altgermaniſch 
(?) gewefen und ver Graf erft durch die fränkiſche Reichsgewalt als 
Wahrer ihrer Gerichtshoheit — des Gerichtebannes — beigefelit 
worben fein: das geht doch nur, wenn man ben judex = centenar 
von Anfang als einen Rechtsweiſer faßt, der das Urtheil vorfchlug, 
was nicht nur unbeweishbar, was Beftftehendem wiberftreitend ift>). 

Die Zuftändigfeit des Grafengerichts ruht auf den Tarolingifchen 
Brunblagen‘), aljo bie alten casus majores des Strafrechts, tanı, 
wo es fich um Freiheit handelt: eine fchöne Stelle bei Ekkehard läßt auch 
ben König einen Mann als Unfreien nur in Anfpruch nehmen „nad 
gefegmäßigem Urtheil des Grafen mit Ueberführung des Gegners ®)“. 


1) Mit Unrecht hält Merkel a. a. O. ben Centenar ebenfo wie ben dux 
unb ben comes für fränfifche, d. 5. erſt von ben Franken eingeführte Obrig- 
fetten. Lebteres tft ſchief; denn ber fräntifhe dur iſt Doch ohne Zweifel nur 
von ben Franken a. 496 an Stelle des Alamannenkonigs gefebt worben und ala- 
manniſche Ganrichter, Gaugrafen bat e8 and fchon vor ber Frankenherrſchaft 
gegeben, mag ber Name »comese fräntifch fein (graßo iſt nicht alt-alamannifch) 
oben ©. 245. 

2) Nach Waitz II. 6. ©. 151. 

3) Dahn, Baufleine II. 1880 S. 460 (Geſetzſprecher). 

4) Könige VIIL 4. ©. 65. Legg. II. p. 57 si dux vel alii eomites vel 
advooati vel qui vice eorum funguntur plaeita habuerint et seeundum quod 
lex habet in fures et praedones et alios nooentes judieis exercuerint. 

6) 3.1. D. A. XD. p. 19 vgl. 3. f. Schw. R. XVII: nur nach Kichterſpruch 
der prineipes Bann bes Königs, aber nur über Unfreibeit (ich entnehe letzteres 
Waitz VIII. ©. 62). 


291 


Die ordentliche Gerichtsbarkeit ift daher bis in bie nächfte Periode 
hinein bie gräffiche geblieben. Der Herzog fogar zählt als Richter 
zu ben comitesi), und boch ift fein Gericht nicht das ordentliche: 
bies ift vielmehr vor Allem das breimal jährlich tagenbe2) karolingiſche 
magnum placitum?). 

Auch über Grundeigen, 3. B. Gränzſtreit, entſcheidet das Grafen- 
gericht). So werben in Immunitäten furtum, violentia®), teme- 
ritas®) tem Vogt, der bier dem Grafen entipricht, überwiefen. Auch 
der Schuldheiſch, ver alte Dorfvorfteher”), ericheint als Richter auf 
Löniglichen oder Laien⸗, feltner auf Kirchen- Gütern: wie bei ven 
Weftgoten®) find äffentliche; Verrichtungen auf biefen urfprünglich rein 
privaten Beamten übergegangen). Den Gerichtsbann erhält er in 
geiftlichen Immunitäten nicht vom Biſchof oder Abt, fonvern vom 
Vogt 19). 

Das Ding des Schulpheifch und feiner Schöffen tft kein echtes 
Ding; nur ausnahmeweife erhält es auch in fchwereren Straffachen 
Zuftänbigkeit 11); feine weitere Gerichtsbarkeit in den Stätten, 3.8. 
Straßburg gehört der Folgezeit an12). 

Wie in ber Urzeit13) fchreitet der Stat gegen Verbrecher regel« 
mäßig nicht von Amtswegen, nur auf erhobne Klage ein und erfennt 
dann meiſtens anf bie gejetliche Buße, wozu auch das Wergeld gehört. 


1) Legg. II. p. 57 si dux vel alii oomites. 

2) Schöpflin I. p. 227. 

3) Könige VIII. 4. ©. 58. 

4) Neug. I. N. 747. p. 604; N. 749. p. 606. 3. f. Schweiger 8. XV. 
p. 86. 

6) W.U.B.N. 255. J. p. 319. 

6) Dfenbräggen, alam. St. S. 197. v. Wyß, 3. f. Schw. AR. XVIII. 
&. 116. 

7) Könige VII. 2. ©. 138. VIII. 3. S. 198 oben S. 259. 

8) Könige VI. 2. ©. 344. 

9) Bgl. Waitz VII. ©. 77 gegen Heusler ©. 85; doch iſt nicht mit jenem 
ſchlechthin zu jagen, ber Schultheifch iR an bie Stelle bes Centenars getreten, ben 
W. überhaupt zu früh verſchwinden läßt, ſ. oben. 

10) Straßb. Stadtrecht o. 11: hier Heißt er causidious, bie bier alfo 
nicht „Partei” ober Anwalt. 

11) Bgl. Schöpflin p. 191. 

12) Stabtrecht c. 10, ebenſo bie Thätigkeit ber prascones, Kerlerwärter, Büttel 
c. 17. co. 99. 

13) D. ©. I. 9. &. 229. Opet, Gefchichte ber Proceß⸗Einleitungs⸗Formen I. 
1891 in Gierke, Unterfugusgen 1891, über mallare und mannire ©. 82. 

19* 


292 


Nach dem Alamannenrecht fchreitet der Stat von Amtswegen nur ein 
wegen einzelner, meift gegen ven Stat gerichteter Verbrechen und zwar 
in der Regel nur durch Eintreibung des Friedensgeldes (fredus) wegen 
bes Friebbruche81), felten mit ber Tobesftrafe 2). 

Nah dem Grundſatz des Genofjengerichts und GBenofjenrechts ?) 
nehmen alle (taber placitum etc. generale, commune collo- 
quium [gemeinfreien]) Genofjen tes fraglichen Rechtskreiſes an deſſen 
Gerichtsverſammlung Theil: fie jelbft over von ihnen und aus ihnen 
gewählte finden unter Borfig und Bann des „Richters” das Urtheil. 
Auf Stammesgenofjenfchaft der Urtheiler, ausfchließliche Anwendung 
bes Stammrehts‘) und Ebenbürtigkeit (Standesgenoffenichaft) wird 
fchwerftes Gewicht gelegt. 

Auch bei Alamannen (und Baiern)®) beftand daher ber Ding- 
zwang für alle Freien‘) bis auf Karls Erleichterungen”), was fich 
daraus erflärt, daß bie alte Vollsverfammlung zugleich Heeresverfammt- 
(ung gewefen war, in ver jeber Wehrpflichtige fchon deßhalb erjcheinen 
mußte, weil aus berfelben fofort in ben bier foeben beichlofinen Krieg 
gezogen werben Tonnte. Dies war fpäter vergeflen: aber nun warb 
ber Grund, ber daneben auch wohl früher gewirkt hatte, allein hervor⸗ 
gehoben, daß jeder, auch ver Geringe (pauper), ficher fein follte, hier 
ben Gegner zu treffen, ber fein Recht verlegt hatte ®). 

Die Hervorhebung ber »vassi« foll bier nicht etwa bie Ding- 
pflicht auf biefe befchränten, nur auch biefe, welche fich leicht über- 
heben mochten, erft vecht beranzwingen. 


1) DOfenbrüggen, alamanı. Strafrecht ©. 20. 

2) ©. biefe unten und Oſenbrüggen ©. 39. 

3) D ©. IL a. S. 200-203. 

4) Könige VIII. 6. ©. 122f. 

5) L. Bajuv. II. 14. 

6) Anders, Opet, Proceeinleitung, folgend Ernft Mayer, Bötting. gel. An- 
zeigen 1891. ©. 330. Richtig Wilda ©. 139 (nah L. Al. 36, f. unten Opet 
©. 80 gegen Rogge und Hermann, Schöffengericht. — Baudouin, la participation 
des hommes libres au jugement dans le droit francais, Nouvelle Revue his- 
torique du droit frangais et &tranger XII. 2. 1888. 

7) Könige VILL. 4. ©. 58. 

8) L. Al. 36, 4 qualiscsumque persona sit aut vassus ducis aut comitis 
aut qualiscumque persona, nemo neglegat ad ipsum placitum venire, ut in 
ipso placito pauperes conclament causas suas vgl. L. R. I. c. omnes liberi 
eonveniant constitutis diebus ubi judex ordinaverit et nemo sit ausus con- 
tempnere venire ad placitum, qui infra illum comitatum manent sive regis 
vassus sive ducis, omnes ad placitum veniant, bei einer Wette von 15 sol. 


293 


Die Dingpflicht alfo dem Grafen gegenüber umfaßt alle Freien 
ber Grafichaft: das ift der populus, 53. B. des Alpgausi), und zivar 
muß jeder Gaugenoſſe fich vor ber gräflichen Gerichtsftätte jever Hun- 
bertfchaft ftellen?). 

Der Herzog kann auch Verfammlungen wie des ganzen Stammes 
jo mehrerer Gaue anorbnen und den Vorfig felbft einnehmen) oder 
etwa einem Grafen übertragen: und folche Verfammlungen können auch 
Gericht halten. ine folche größere Verfammlung ift die der Freien 
von Mortenau und Breisgau unter Anweſenheit mehrerer, aber Vor- 
fig nur Eines Grafen: auch bier werben Urtheile wie anbere Be- 
fchlüffe erlaſſen *). 

In diefen gemeinfamen, allgemeinen, communia, generalia 
placita werben Urtheile gefällt, fo Verwaltungs- und andere Bejchlüffe 
gefaßt und Wahlen vorgenommen?). 

Zwifchen Rath, Schiepfpruch und Gerichtsurtheil wird bei ven 
Ausſprüchen dieſer Verfammlungen weber in Begriff noch in Ausprud 
ſcharf unterſchieden ). Auch Hier werben ungebotne und gebotne”) 
Dinge getrennt, es war bei ber Häufigkeit jener (alle 14 ober 
8) Tages) für biefe felten Bebürfniß ?). 

Die Zahl der ungebotnen (echten) Dinge ſteht ziemlich auf 3 feft, 
aber die Zeit ift in verſchiednen Lanbfchaften gar verfchieden: in Ala- 
mannten oft im Zuſammenhang mit den großen Feften — wie ja auch 
ſchon in beibnifcher Zeit mit den beiden Sonnwenben, dem Frühlings 
(Sat-) und Herbft (Dank⸗Aerndte⸗ Opfer, denen chriftliche Befte oft 
angepaßt wurden: jo zu Drei König, Montag nach dem Sonntag 


1) Neug. I. p. 354 coram populo Alpegovense. 

2) Anders Sohm S. 280 v. Wyß 3. f. Schweizer Geſch. XVLILL, ſ. aber 
Bethmann-Hollweg II. ©. 16. 

3) S. unten „Herzog“. 

4) Grandidier, Alsace p. 110. 

5) Unrichtig baber fcheibet Sohm S. 469 Lanbtage und Gerichtstage. 

6) consilium, judieium, beibe zuſammen ober jebes getrennt, aber boch auch 
wohl causam judscio dimisso, consilio tractemus, Casus St. Galli p. 153, alfo 
ſtatt Gerichtsurtheils Schiedſpruch ober Vergleichs⸗Vorſchlag. Gegen Sohms S. 63 
Unterſcheidung von Gericht, Königs und Volls-Gericht vgl. Könige VII. 2. ©. 34f. 
aber auch Karolingiſchj VIII. 3. ©. 26f. Waitz VIII. ©. 3. Treffend Seeliger, 
hiſtor. Bierteljahresfchrift 1899. 

7) Coneilia coongregare Form. Alsat. N. 7. 

8) L. Al. 36. 

9) Nach Eramer S. 301 werben auch die ungebotenen Dinge geboten. 


294 


Invocavit (weißer Sonntag) und Mitte Moit); übrigens verichwinbet 
ber Unterſchied von ungebotnem und gebotnem ‘Ding, wirb bie Zeit 
nur ungefähr — zur Zeit der Heuärndte — beftimmt und ber Tag 
noch durch den Frohnboten?) angejagt. 

Unbeftimmbar bleibt, wie weit Karls Erleichterungen und Be- 
ſchräänkung bes Centenars auf bie leichteren Fälle!) in Alamannien 
burchgeführt werben Tonnten. 

Der Tag für das ungebotne Ding ift der Samstagt) (oder ander- 
wärts ein andrer, feft ſtehender), alle vierzehn Nächte, nach Bedürfniß 
in unrubigen Zeitläufen alle fieben Nächte. 

Die römiſche Gerichtszeit in Churrhätien fchließt jekt mit dem 
MittagS) (wie germanifch: „bei klimmender Sonne“), früher mit 
Sonnenuntergang. — (Ein Echt⸗Ding tagt zu Züri an einem Sonn- 
tag)). — | 

Die Kirche, aber auch der Stat®) verbietet Tagung ober Ladung 
oder Eidung an Sonn, Feier⸗ und Fafttagen). Das Alamannen- 
vecht wie andere germanifche verlangt drei Tage für gerichtliche Frift 10). 

In Tarolingifcher Seit drangen in das Gerichtswefen vielfach auch 
fonft fränkiſche Einrichtungen 11), fo an Stelle der alle 7 ober 14 Nächte 
gehaltenen Dinge die fränkiſchen echten Grafen-Dinge 12), fowie bie 
our Graf oder Eentenar (Schuldheiſch) gehaltnen gebotenen. 


1) Schöpflin I. p. 28 hi autem sunt legitimi dies, quando plaeitum 
eelebrabitur: proxima feris post epiphaniam, secunda feria post albas et 
quinta feria post medium Majum. 

2) (praeco) 3. Grimm RU. ©. 823. 

3) Könige VIII 4. ©. 58f. 

4) L. Al. 36, p. 94. Bl. Stältn (8.) I. ©. 216. 

5) 3. f. Schw. R. XVII. p. 86 unter Herzog Burkharb.. 

6) Interpret. I. 6. 3.1. 7. 

7) Sachfenfpiegel ed. Homeyer II. 61. 3. Grimm N.⸗A.e II. ©. 440. 

8) Edictum Pist. c. 33. p. 497. 

9) Schöpflin J. p. 128: haec. . . res impediunt plaeitum: si .. ipso die 
quando placitum debuit fieri vel publica vocatio vel publieum jejunium 
fuerit et... sio XIV. die, quando juramentum deberet fieri fuerit jejunium; 
aber viele Bergabungen an Sonn⸗ und Feier Tagen : |. oben Aum. 7. 

10) Efteharb IV. Sor. II. 86 invadit loca lege Alamannica cum advocato 
episcopus tribus diebus uti jus era homines fisei juramentis sancto Othmaro 
vindicantes; über bie germaniſche Gerichtggeit I. Grimm R.A. IL ©, 813. 

11) Karls: VIII. 4. ©. 58. 

12) Sohm &. 364. 


295 


Hier ſcheint das Gerichts-Iahr!) mit dem erften März begonnen zu 
haben: wenigftens läuft bie Srift für gerichtliche Geltendmachung von 
Rechten von biefem Tag an: man?) vermuthet, daß am 1. März bie all- 
gemeine Stammesverfammlung der Alamannen Statt gefunden habe ®). 
Das Steuer- und Verwaltungs⸗Jahr dagegen begann wie in fpätrömifcher 
Zeit bei Langobarden (und Baiern?) am 1. September‘): bei ven 
Alamannen fehlt jede Angabe. 

Derjelde Graf hält an verichiebenen Orten Gericht, wohl je nach 
ber Hundertfchaft, in ber bie beftrittnen ober zu vergabenden Güter 
lagen). Oft Tiegt noch nach alter Sitte die Dingftähte im Freien, 
3. D. in einem Walde‘), aber auch häufig in Stäbten: fo in ber 
eivitas Zürich”). 

Der mallus®), zugleich Opferftätte?), ftand nach Herkommen feft. 
Zumeilen giebt diefe uralte Gerichtsftätte ber ganzen Grafſchaft ven 
Namen 10). „Malftätten“ bießen fo bis ins vorige Jahrhundert Ravens⸗ 
burg und Wangen, früher auch Lentlicch und Lindaun1). Der Graf 
hält Gericht in einer villa und zwar in dem palatium biefer (Königs-) 
villa12), Ausprüdlich werben als malla publica nur bezeichnet bie 
bes Herzogs, des Grafen und des Vogts 13), 

Die wichtigfte Malftätte Unter-Rhätiens, wo bie Mehrzahl ber 
rbätifchen Urkunden ausgeftellt worben, tft Binoma, heute Rankwil bei 
Feldkirch!). 


1) Bgl. VIII. 4. S. 94 und Ruhl daſelbſt. | 

2) Watt IIs 2. &. 179, der aber nicht zwiſchen dem allgemeinen und bem 
Gerichts. Fahr unterfcheibet. 

3) Bgl. Gfrörer II. ©. 120. 

4) Th. v. Sidel I. ©. 227. 

5) S. Neug. L passim. Walt VIII. ©. 53. 

6) Zayf p. 452. a. 882, actum in pago Turgave in silvula quae vocatur 
H. coram multitudine populi. 

7) 0. Wyß, p. 33; vgl. Neug. J. p. 580. 

8) I. Grimm II. &. 411. 

9 D. G. J. a. S. 204, Sohm ©. 57, 374. 

10) Waitz VII. ©. 24. VIIL ©. 53. 

11) Neugart 1. o. 11. a. 744. 

12) Form. Ang. B. 40 in palatio >nostro« flatt regis. 

13) Waitz VIII. S. 3. Heißt auch bas Gericht eines Abtes publicum et 
plenarium placitum, Grandidier II. p. 894, fo wirb er wohl bie Brafichafts- 
rechte gehabt haben. 

14) Cod. Trad. Sang. 42, N. 73 Wartmann I. 729, 774. Ruſch, das Gau⸗ 
gericht anf ber Mufiner Wiefe 1870. 


296 


Sanct Gallen hat „Stationen“, d. h. Güter, auf denen Recht 
geichäfte im Ding gefchloffen werben: jo Wafferburg, auch wohl Buch⸗ 
horn (Friedrichshafen) für die Bodenſee⸗Ufer ). 

Einmal erfahren wir, daß Zinspflichtige (Freie) die Frohn trugen, bie 
Gerichtsftätte zu bewachen: fie wird ihnen a. 840 erlaflen?). ‘Der mallus 
ift mallus publicus, und nur in voller Deffentlichkeit für alle Freien 
unbefcholtnen wehrfähigen Männer barf verhandelt werden?). Eine 
gewiſſe ſichernde Deffentlichleit (consessus publicus) der Rechtſprechung 
batte ſchon das römische Recht worgefchrieben *). 

In dem mallus werben auch Traditionsurkunden errichtet 5) und anbre 
Handlungen ver freiwilligen Gericht8barkeit®) vorgenommen; außerbem 
werben in ben 2 ungebotnen und ben gebotnen Dingen Geſetze verfündet ?): 
aber auch Berwaltungsfragen (3.3. bezüglich per Almännde mehrerer 
Dorfmarken) werben hier erledigt: endlich war das Ding auch Opfer- 
feft®) und biente dem Tauſchverkehrꝰ). Webrigens heißen placita 
nicht nur die von weltlichen Beamten, auch von einem Geiftlichen, 
z. B. einem Archipresbyter im Inquifitionsverfahren, abgehaltenen Ver⸗ 
fammlungen 10). 

Der Richter (bier Kirchenvogt) überſendet fein Sigel ober ein 
anderes Zeichen zum Erweis, taß ein Befehl!) von ihm ausgeht 
(aber auch ein Zeichen des Biſchofs): Ungehorfam hiegegen wirb mit 


1) Wartmann II zu 557. 
2) Bouquet VIII. p. 366 mallum custodire. Neug. N. 298. a. 840. 


3) Ueber den mallus publicus L. A. 36, 2 si quis alium mallare vult 
de qualumque oausa, in ipso mallo publico debet mallare. Trad. Sang. 11 
in mallo publico admallatio, Belangung vor Gericht F. Bang. misc. 5 und oft. 
Abhaltung bes Dings Bluntſchli IL. S. 39. Weber ben Gang bes gerichtlichen 
Berfahrens im Allgemeinen, |. die Lex R. Rh. C. und bie Urkunden in 2. f. 
Schw. R. XVII. ©. 74, 86f. (Bürth), Über Feftftellungsflagen, Hübner Immo: 
biltarproceß S. 65; aber pofleffortfche (rein?) Klagen S. 51. 


4) Interpr. I. 6, (3). Weber ben Gerichtsort, bie Gerichts. und Zengen⸗ 
Deffentlichleit Bewer. &. 29. 


5) Neugart L co. 11. a. 744. 

6) &. dieſe unten. 

7) K. VII. &. 32. VI. 4. 58. Urgefh.1. ©. 99. D. ©. I. a. ©. 203. 
8, D. G. J. a. ©. 204. 

9) Urgeſchichte 12 S. 99. 

10) Neng. 480. a. 874. 
11) 3. ®. Ladung, Bethmann-Hollweg I. ©. 67. 


297 


6 (oder 12) sol. gebüßt!),. Dreimalige Labung ift wie früher 2) 
Regel). 

Ergreifend in ihrer Schlichtheit ift die Begründung der Pflicht 
bes Richters, den NRechtszwang zu üben (distringere): „auf baß bie 
Armen nicht Unrecht leiden noch bes Rechtes (legi) darben, daß fie 
nicht dem Herzog ober bem Volk des Landes fluchen, fonvern in allen 
Stüden Rechtszucht (disciplina) walte, die Widerſpänſtigen (rebelli) 
fih des Böſen enthalten und bie Guten Frieden haben‘). Jedermann 
ſoll vor Gericht erfcheinen, Recht zu geben, auf daß das Heimatland 
(patria) ohne Erzürnung Gottes gefchügt werbe und jene Wider 
fpänftigen (rebelli), vie bisher Raub verübt, dies nicht mehr thun 
lönnen. Der Herzog (und der Richter) ſoll mehr Gott als den 
Menſchen zu gefallen trachten, auf daß nicht Gott folche Vernach⸗ 
läffigung des Rechtsſchutzes an der Seele des Herzogs vergelte. Jeder 
freie Mann foll vor Gericht erfcheinen, auf daß hier die Armen ihre 
Klagen erheben mögen“). 

Der Richter darf zwar freie Grundholden ergreifen, aber richten 
erft nach Anzeige an ven Heren, der fie vertreten darf. 

Vertretung vor Gericht ift fonft Ansnahmsrecht®),. Einmal er 
ſcheint Iſenhart offenbar als Bevollmächtigter Gerolds, des Schwagers 
Karls, ohne daß dies gefagt wird”). Wohl aber darf ſich ber 


1) L. 22 (23) p. 83. Someyer, das Gerichtsweſen nach dem Nichtfleige 1857. 
&. 411. Ueber distringere (secundum legem) zum Rechtsgehorſam zwingen L. 
36, 2. p. 94, ſ. VIII 4. S. 7. Opet, ©. 85, Hübner Immobiliarproceh ©. 231, 
davon verfchieben Selbfipfänbung, Huberti, ©. 17. Richtig auch v.Sykel? ©. 115: 
doch ift dies nicht »tuome, ſondern „Baun“, D. G. J. a. S. 200. Könige VII. 
3. ©. 55. 

2) Könige VII. 3. S. 66. VIII. 4. ©. 83. 

3) Schöpflin I. p. 227, Ladung auf 14, 8, 3 Tage. Immerwahr, Berfchwei- 
gung, bringt unter dem „Fränkiſchen“ auch alamannifches Recht Über Zeitablauf 
S. 18, Aufgebot S. 14 und Wirkung ©. 26. 

4) L. 36, 2. p. 95. 

5) 1. ce. 3. p. 96. 

6) Könige VIII. 4. S. 100f. und (für biefe Zeit) Laß &.8, Giercke 30. 1891. 
Zutäffigleit S. 4; Urzeit ©. 5; causidieus = Sachwalter S.7, aber auch = Partei, 
ſ. oben ©. 291; der advocatus als Fürſprech Waitz VIII ©. 81; über bie Namen 
actor, assertor, advocatus, causidicus, defensor, patrocinator, professor 
(= Gerichtichreiber) , dann judices, juridiei, arbitri, scabini S. 56, Otto Leh- 
mann, Rechtsſchutz S. 31f. L. R. Cur, IX. 30, 2. 

7) Ego. J. dono .. quidquid G. comes ibidem habere viletur Cod. 
Laur. N. 400. a. 780. 


298 


Richter in der Hegung bed Dings vertreten laſſen. Der Vogt wie 
ber Herzog und ber Graf kann fi einen Stellvertreter — für 
Einen over mehrere Fälle oder dauernd — beftellen!), das find tie 
oft genannten vacarii2). Häufig find Strafen für gerichtliche Ver⸗ 
folgung unbegrünbeter Anſprüche?). 

Zuweilen darf ber Geſchädigte (3. B. Eigenthümer eines geftohlenen 
Pferdes) bis zu einem gewiſſen Betrag mit 2 Zeugen (oder auch allein) 
eiblich Ichäßen, aber nicht darüber hinaus (3. B. nicht über 6 sol. ein ge- 
wöhnlich Pferd), der Dieb Hat dann das 8 oder Yfache zu leiften t). 
Streng formaliftifch wird bei dem Verfahren ftetS wiederholt »sicut 
lex habet«). Bei unrichtigem Urtheil wird Arglift oter fahrläffiger 
Irrthum vermuthet ®). 


b. Beweismittel. 
a) Unſchuldseid und Eidhelfer 7). 

Das regelmäßige Beweismittel im bürgerlichen und im Straf⸗ 
verfahren iſt der durch Eidhelfer bekräftigte Unſchuldseid des Beklagten 
und Angeklagten). Den Unſchuldsbeweis führen durch Eid oder 
Kampf beißt (se) idoneare?). Die Eidhelfer find »nominati«, d. h. 
nom Gegner beftimmt, over »electi«, vom Hauptſchwörer gewählt 19): 
fie ſollen Gefippen, parentes, over Ebenbürtige fein 1t). 


1) Legg. IL p. 517. 

2) ©. diefe oben ©. 254. 

3) Ueber oontradicere überhaupt L. 1. p. 63. 2. p. 60. 3. p. 67, 68. 17 
(18). p. 80. 45. p. 104. Add. 18. L. 54 (56). p. 113. 66 (Ood. B.). p. 129. 81 
(84). p. 147. 84 (87). p. 148. 108. p. 156, 

4) L. 61 (69). 62 (70). 67 (68). p. 131. 74 (75). p. 135. 136. 

5) L. 20 unb oft 3.18. bei ber Klage um Fahrhabe, Bethmaun⸗Hollweg L 
&. 50. 
6) Otto Lehmann, Rechtsſchutz L. Al. c. 41, römiſcher Einfinß ©. 41. 

7) Könige VOL. 3. ©. 10, VIIL 4. S. 120 f. v. Wächter, Beilagen N. 23. 
©. 82. 

8) Ueber Ein, Gottesurtheil und Kampf als Beweismittel Dahn, Gottes» 
urthelle, Bauſteine IE, 1840. ©. 1. Fehdegaug unb Rechisgang S. 76, Richarb Löning 
&.3f. über L. Alam. ©. 116, Recht unb Pflicht zum Eih &. 283, 299. Beweis- 
vorrecht des Bellagten 125—128 (aber unrichtig) gegen Brunner Zeugen, 5. 380. 
Hübner, Immobiliarproceß ©. 100, Siegel &. 176, Sohm ©. 573; mit dem Eib 
ſich entfchlagen Dfenbrüggen, alam. Str⸗R. ©. 263. 

9) &o ift auch Pact. II 33 flatt adunare zu leſen. 

10) Waitz, das alte Recht ©. 182. 
11) Legg. II. p. 58 septem suae conditionis. 


299 


. Das Verfahren ift je nach bem Werth ber Streitfache verfchieven: 
überfteigt er nicht 1 sol, wählt ber Hauptichwörer Einen beliebigen 
Eibhelfer, erreicht fie 2 Saigen!) über 1 sol., bezeichnet der Kläger 
3 electi, von biefen darf der Bellagte 2 zurüdweifen, den Dritten 
muß er als Eibhelfer annehmen: das heißt alfo, weigert dieſer bie 
Eidhilfe, wird Beklagter ſachfällig?). So bis zu 3 sol.: erreicht ber 
Streitwertb 2 Saigen = 2 Denaren über 3 sol., foll ber Kläger 
wieder die Eibhelfer wählen, ver Beklagte zwei zurücdweilen bis zu 
6 sol., bei 2 Saigen über 6 sol. muß ber Bellagte mit fünf vom 
Gegner erwählten Eidhelfern ſelbſt als echter fchwören, mit dem 
gleichen Recht, zwei zurückzuweiſenꝰ). Bei Grundftreitigleiten zwifchen 
Kirchen 7 oder 14 Eiphelfer‘). Die Form bes Eides wirb®) genau be- 
ftimmt: die Eidhelfer legen je die Schwurhand auf den Reliquienichrein ©), 
bee Hauptfchwörer feine Hand oben auf bie Hände Aller: er allein 
Ipricht die Schwurformel, daß ihm fo wahr Gott helfe und (vel) jene 
Ueberbleibfel zu jenen Händen, fo wahr er unfchulbig in dieſer Klag⸗ 
ade). 

Aber der Eid wirb auch noch wie in heidniſcher Zeit 8) geleiftet 
anf bie jet vom Briefter beſonders biefür geweihten Waffen?). 
Der Eid wird dann auf das Schwert gefchworen, zumal, wenn dadurch 
der gerichtliche Kampf vor dem König gelobt wird). 

Die Zahl der Eidhelfer fteigt aljo mit dem Betrag der Streitfache: 
bie Zuläffigkeit des Eides wird aber von bem dominus abhängig ge« 


1) S. Muünzweſen, Könige VILL 55. 59—73. 

2) L. 6. p. 72. 8. v. Maurer, das Beweisverfahren nach deutſchen Rechten, 
Munchener kritiſche Ueberſchau V, &. 200. Berfahren im Binbicationsprcceß über 
Fahrhabe E. Hermann, Brundelemente ©. 165—170. 

3) Lo. 6,3, 

4) 3. f. ſchweizer. Recht XVII (dreimal). 

6)6,4 Le 

6) Casra. Du Cange DI. p. 144. 

7) Bgl. Brunner, Schwurgerichte S. 50, 60f. 

8) Bgl. v. Wietersheim Dahn I. ©. 450. 358, Urgeih. UI. S. 320, Karls 
Gefandte und bie ber Dänen. — Svend Grundtvig, om de goliske folks vapen- 
ed, danske Videnskap. Selak. Forhandl. 1870. 

9) In arma sua sacrata, in ferramenta sua P. Li. L. 86 (89). p. 140: 
L. Al. 92, anbre Sandfchriften verbefiern das — chriſtlich — in: sacramenta 
Dfenbräggen, Strafreht S. 92, &. 160. 

10) Wartmann, N. 673. p. 275 optimates ejusdem coneili (Ding) appre- 
hensis spatis suis devotaverant (1. devoverunt?), se haec ita affirmaturos 
esse coram regibus et cunctis prineipibus ueque ad sanguinis effusionem. 


300 


macht!). Oft?) find es fünf, der Hauptſchwörer iſt ber Sechfte. Bei 
Anklage wegen Tödtung eines Herzogsbotens haben 12 vom Kläger 
bezeichnete (nominati) und 12 vom Beklagten gewählte (electi) zu 
hwören?). Abftufungen von Bußen und Zahl der Eibhelfer auch 
nah Stand (primus, ingenuus, litus, servus), Geſchlecht (Ala- 
manna) find regelmäßig zu Grunde gelegt bei (faft) allen Vergeben 
oder Schäbigungent). 

Gegen Ende des Gefekes wird die Zahl ver Eibhelfer für ver- 
ſchiedne Fälle abgeftuft: fie fteigt von 1 bis 80°), für Leugnung einer 
Zöbtung 11 (al. 12) nominati und ebenfo viele advocati, bei einem 
Wertb von 4 Tremiffen (11/, sol.) und Einem von 31/, und 2, 6 
und 1/; sol. mit fünf nmominati oder gerichtlichen Kampf‘). Bon 
12 Eidhelfern follen 5 mominati, 7 advocati fein”). 12 nominati 
bet Hochverrath®). Bei Morbllage (mortuatus) „24 electi over 80, 
wie er fie finden mag”). Bei Körperverlegung Eid over 3 „Zeugen“, 
testes 10). Der Ehemann ſchwört (mit Eidern) in Vertretung ber Fran 11). 
Der [— jeder —] Geſippe einer Freien bat das Recht, — (und gewiß 
auch bie Pflicht) — für die wegen Hererei Ergriffne und Gefolterte 
ben Unfchulvsbeweis zu führen durch Eid ober Kampf (cum spata 
tracta), worauf ber Beſchuldiger 800 sol. zu büßen hat12). 

In Ermangelung von 5 Eidhelfern darf die Wittwe für ihre 
Nechte gerichtlichen Kampf gegen den nächften Erben bes kinderlos 


1) L. 26 (27) p. 86 secundum qualitatem pecunise juret 27 (28) p. 87 
secundum quod debuit solvere, ita juret. Weber Die Größe ber Eide, d. 5. bie 
Zahl der Eidhelfer nach ben Volksrechten, |. die Tabelle bei Stegel, Geſchichte bes 
deutſchen Gerichtsverfahrene 1837, Anhang ©. II. 33—53. 12 bei 12 sol, 6 bei 6. 
P. D. 11, 12. L. 57, ober auch 24 sol = 2 Eibhelfer, 1. c. P. 11. 

2) 3.8.1. o. 

3) 1. 0.29 (30) p. 89. 

4) P. I. 33—53. 

6) T. 76. 

6) L. 86 (89) p. 150. 

7) L. 52 (53) p. 110. Nicht 6, wie K. Lehmann 1. c. ben Cod. 4—9 vorzieht: 
denn wicht foll der Sauptichwörer ber 12 fein, fonbern ber 13: cum 12 sacra- 
mentalis; dagegen 1. c. 54 (55) p. 113 fünf nominati ober gerichtlicher Kampf. 

8) L. 23 (24) p. 84. 

9) L. 69 (76) p. 131. P. IL 41. 

10) Pact. I, 1. 

11) P. D. 32. 

12) P.UI, 83 sisit et priserit (saisir, prendre) et inclinata 1. clida == 
oleia, Hürde, Du Cange II p. 365, miserit. 


301 


verftorbnen Gatten verlangen !). Gefreite Beweisführung burch allei- 
nigen Eib ohne Eibhelfer Hat die Wittwe bezüglich ver von ihr bes 
haupteten Morgengabe2). Eivhelfer find auch die idonei sequentes?). 

Allmälig wirb auch bier *) der Eidbeweis wegen Gefahr des Mein- 
eids zurüdgebrängt: gegen 3 oder 4 voll glaubhafte Zeugen finbet fein 
Unfchuloseid ftatt. Anprerfeits fol ein Zeuge, der zwei oder dreimal (I) 
ber Zeugenlüge überführt ift, nicht zum Zeugniß zugelaffen werben>). 

Der Gefahr des Meineivs des Hauptſchwörers, auch bes fahr- 
läffigen ver Eibhelfer, begegnet jo das Verbot des Schwörend gegen 
Zeugniß von drei (oder vier) im Volt gutbeleumunbeten Zeugen, bie 
weder Falſchſchwörer, noch trügerifch, noch beftechlich, fondern wahr- 
baftig find (boni testimonii in plebe), auf daß nicht auch Andere 
— die Eidhelfer — zu Falſcheid verführt werben ®). 

Testes find oft Eiobelfer”): venn zwifchen ihnen und Zeugen 
wird nicht immer deutlich unterſchieden 9). 

Der Berfaffer ver Lex R. Rh. bat unter dem Einbrud bes ger- 
maniſchen Verfahrens gar irrig vermeint, vie größten römischen 
Suriften hätten ber Bartei den Sieg zugefprochen, welche bie größere 
Zahl von boni homines als Zeugen oder Eidhelfer für fich Habe, 
bei gleicher Zahl aber folle obftegen, wer fih auf eine Stelle „Pa- 
pians“ — nicht Papinians, fondern der Lex Romana Burgundio- 
num — berufen Tann ?). 


1) L. 54 (55) p. 113: wer kämpft für fie? Der nächfte Schwertmag ober 
— nad ber Wieberverheiratfung — ber zweite Gatte? 

2) L. 54 (56) p. 113. 

3) L. 44, Cod. 18 p. 104, bagegen nur Gefährten, Genofien, Helfer bie pares 
L. 44 (45) ebenda. 

4) L.al.42, 1. VII. 4. &. 120. 

5) L.42 p. 103. Wilda S. 978f., Ofenbrüggen S. 390, Brunner, Zeugen- 
und Inquiſttions⸗Beweis S. 49. Forſch. zur Geich. d. D. und bes franz. Nechts 
S. 139, Königsgefeg S. 22; ſchon früher das Weftgotenrecht, Weſtg.Stud. S. 278 
Ausſchließung bes Eides buch Urkunde v. Betbmann-Hollmeg L ©. 34, 56, durch 
Gerichtszeugniß S. 57. 

6) L.42 p. 103. 

7) Cum 6 medius electus (l. eleotis) Watt, das alte Recht S. 172), 
juret Paet.1. 2. 3. 4 (bier nur 3 tiber) II. 2 und 4 (hier 12); vgl. P.L 1. 

8) Bgl. P. I fech8 ober fleben »testes«e: Zeugen, nicht Eibhelfer finb ge 
meint T.42 quod illi testantur qui boni testimonii sunt in plebe, non per- 
juratores, non fallaces, non peeuniarum acceptores, sed (qui) veritatem 
volunt dicere. 

9) L. R. Rh. I, 4. p. 307, f. oben ©. 229 unb unten das Recht ber L. 
R. Rh. C. 


302 


ß) Zeugen?). 

Zeugen werten vom Grafen unter Berufung auf ben Treue-Eit 2) 
gemabnt®). Testes find bald Urkundzengen‘,, bald Eithelfer®), viel 
feltner Xhatzeugen: das find bie Urkundzeugen auch, fojern auch fie 
befunden, taß fie die traditio gejehen und gehört, bie vestitura bes 
Empfängers geichaut®) Haben. Echte Zeugen begegnen zufrüheft häufig 
im Inquifitionsproceß”?). 

An Zeugen werben fech8 ober fieben verlangt®): ihre Glaub» 
würbigfeit ift zu prüfen?) Die Dreizahl ver Zeugen ift allerdings 
auch fränkiſch (ſaliſch)10): allein fie muß im Pactus nicht hieraus ent- 
lehnt fein. 

Das Ziehen der Zeugen am Ohre — baierifche Sitte 1!) — wird in 
ber Lex ber Alamannen nur einmal ganz am Enbe!2) erwähnt, weß⸗ 
halb man 12) darin ein baierifches Anhängfel vermutet. 

Ein ſchönes Beiſpiel echten Zeugenbeweiſes (nicht Eidhelfer) ge⸗ 
währen die Vornehmen der drei Grafſchaften Thurgau, Linzgau und 
Churgau, bie a. 890 ſchwören, daß fie geſehen Haben und genau 
wiſſen, daß u. ſ. w. 14). Zeugen (testes) und Urtheiler (judices) ſind 
auch bier ſcharf zu ſcheiden 25). 


1) Könige VIL. 3. ©. 10. VIIL 4. ©. 124. 

2) Könige VIIL 6. ©. 21. | 

3) Gebannt: banniti sunt in fidem suam et juramentum 3. f. Schw. 8. 
XVL. p. 73. 

4) L. 1, 2. p. 65. 

5) 1. c. p. 67 oben ©. 301. 

6) Neug. 406. a. 861 und oft. 

7) Brunner, Inquiſ. Könige VII. 4. ©. 114. 

8) T. 1. 

9) T. 42. 

10) Thomssen, Vorganisation judiciaire de la Loi Salique 1882. p. 503. 

11) 3. Grimm R.A.« J. S. 198. Könige IX. 2. 

12) 91 (94) p. 153. 

13) 8. Lehmann 1 o. und Neues Archiv X. ©. 491. 

14) Neugart N. 596 [Iugnifitiousproceß). 

15) Form. Goldast. N. 92; ich entuchme bies Stälin (8.) I. ©. 341, ber 
aber nicht genug fcheibet. Weber ben Urkundenbeweis f. unten freiwillige Ge 
richtsbarkeit, Urkundenweſen. 


303 


y) Gerichtlicher Kampf. 


Neben tem Eid fteht der gerichtliche Kampf als Beweismittel!) 
für die Unfchulo einer ber Hexerei befchulpigten und dafür in Selbit- 
bilfe gefolterten freien Frau: es ift nicht gejagt, ob der für fie auf- 
tretende Gefippe das Wahlrecht zwifchen beiden bat oder nur kämpfen 
muß (und darf), falls er nicht 12 Eibhelfer findet?) | 

Ein constitutum placitum kann ein gebotnes Ding fein, aber 
es kann auch das nächte (oder ein anderes) ungebotne Ding ale 
Kampfding vereinbart werben?). 

Bei unbewiejener Anklage eines Freien durch einen Anbern wegen 
toveswürdigen Verbrechens Tann (muß aber auch ?) der Beklagte fich 
durch Zweikampf reinigen‘): auch der Streit um bie Felbmarf®) 
zwifchen Angehörigen von zwei Sippen wirb durch Kampf entjchieben: 
— hier verfagte das orbentliche Beweismittel des Eides, weil bie 
vielleicht uralte Ziehung der Gränze vor dem Willen der Streiten- 
den lag®). 

Es werben bie Wahrzeichen der Webereignung (termini terrae) 
möglichft beibehalten, nur daß Rafenfcholle und Baumzweig nicht über- 
geben werben vom Verbüßer dem Erwerber, fonvern beide Parteien 
übergeben fie dem Grafen”), ver fie in ein Tuch (fanon) legt, figelt 
und einem Treuhänder zur Aufbewahrung bis zu bem Tag bes Kampf: 
gerichts übergiebt: darauf geloben fie fch gegenfeitig den Zweilampf 
(pugnam duorum), aber nicht mehrere aus jever Sippe. Vor Be: 
ginn des Kampfes legt der Graf die Wahrzeichen in die Mitte ber 
Kämpfenven, beide berühren fie mit ihren Schwertern und rufen Gott 
an, ven Sieg demjenigen zu geben, ber im] Recht. Dieſes Wahr- 
zeichenwefen ift uralt: gefämpft wirb mit Schwertern, spathae, nicht, 
wie fonft im Frankenreich, mit Holzkeulen (fustis). 

Der Sieger erhält das beftrittene Land, der Beſiegte zahlt für 
feinen Widerſpruch 12 sol. Sekt gilt ver gerichtliche Kampf aller- 


1) Stegel ©. 215. Dahn, Bauſteine IL ©. 76. Fehbegang und Rechts⸗ 
gang II. Könige VII. 3. ©. 68. VIII. 4. &. 131. 

2) P. II. 33. cum tracta spada se idoneare L. 81 (84) p. 147. 

3) L. 81 (84) p. 147. 

4) T. 48 (44). 

5) Bethmann⸗Hollweg I. S. 58. 

6, D. G. LI a. S. 239. Banfteine II. S. 126. 

7) S. oben S. 248. 


304 


dings als Gottesurtheil: anders in heibnifcher Zeit‘). Meift ift ver 
gerichtliche Kampf?) Zweilampf?). 

Das feierliche Umgehen bes beftrittuen Landes in Gegenwart bes 
Grafen findet, wie oft bei ver Auflafjung, auch vor dem gerichtlichen 
Kampfe ftatt‘). Gerichtlicher Kampf vor dem König und allen prin- 
cipes, d. h. dem Neichsgericht an dem Reichstag, wird angeboten, ben 
angebotnen Zeugeneib zu erwahren 5). 

Der gerichtliche Kampf begegnet auch um ven Muntſchatz ber kinder⸗ 
loſen Wittwe‘), bei Gränzftreit”), Wiederaufnahme der abgeurtheilten 
Saches). Der Kampf ift fonft ſtets Nothmittel: überrafchend ift es 
baber, wird einmal bei jedem Werth von mehr als 61/, sol. bie 
Wahl zwiſchen 5 Eibhelfern ober gerichtlichen Kampf gewährt®), frei- 
lich Tettterer wohl nur in Ermangelung von (3) Eidhelfern. 


d) Gottesurtheil. 

Von den echten heidniſchen Gottesurtheilen begegnet hier kaum 
noch eine Spur 10), nur von den chriſtlich gefärbten, von den Franken 
und der Kirche eingeführten, fo von dem Kreuzurtheil 11): dieſem unter- 
warf bie heilige Lioba zu Biſchofsheim all ihre Nonnen, nachdem im 


1) Baufteine IL. ©. 120f. a. D. ©. I. ©. 245. 

2) Auch Stälin (8.) I. ©. 217 faßte noch ben gerichtlichen Kampf von je 
als @ottesurtheil T. 44, 84, 89, 94 f. aber D. G. I. a. ©. 245f. 

3) T. 44, 84, 9. 

4) L. 81 (84) p. 145. 

5) Neng. 591. a. 889; bei reclamatio ad regem Wartmann II. N. 673. 
p. 273. 

6) L. 44 (46) p. 113. 

7) 81 (84) p. 146. Nicht L. 85 (86) p. 85, 33. p. 90, 44 (45) p. 105, 90 
(93) p. 182. 

8) 91 (94) p. 153. 

9) L. 86 (89) p. 150. 

10) Ueber Urfprung und Zwed ber Bottesurtheile treffend Kägi, Alter und 
Sertunft S. 6f. Siegel ©. 234. Dahn, Baufleine II. 1880 ©. 1f. Bgl. Beth⸗ 
mann⸗Hollweg I. &. 31. Bgl. v. Rodinger, Ouellenbeiträge zur Keuntniß des 
Verfahrens bei ven Gottesurtheilen des Eiſens, Waflers, geweihten Biffens, Pſalters 
a. a. O. ©. 322. Zahlreiche Arten ber Gottesurtheile im einer Rheinauer Hand⸗ 
ſchrift ſ. bei Runge, Mittheil. der antiq. Gefellih. in Zürich XII. 1858-1860, 
aber erfi aus bem XI. Jahrhundert; vgl. v. Rockinger, Formeln für Erorcismus 
unb bergl. hierbei. 

11) Könige VIII. 4. ©. 128f. Kägi ©. Alf, über purgatio canonica unb 
vulgaris ©. 42. 


305 


Klofterteih ein neugeboren Kind gefunden worden war: mit aus- 
gefpannten Armen mußten fie ftehen, bis vie Heilige den ganzen Pſalter 
laut zu Ente gelefen: wobei fich aber leiver wohl mehrere Mütter des 
Einen Kindes müſſen herausgeftellt haben‘). Erdichtet ift vie Feuer⸗ 
probe ber Kaiferin NRicharbis?). 

Die wiederholten päpftlichen Verbote ber Eifen» und ber Keffel- 
Probe, 3. B. Stephans®), blieben gegenüber dem Bebürfniß ver Praxis 
— bei dem Derfagen bes Eides in vielen Fällen — ohne Wirkung: 
während Rom und bie gebilbete, höhere Getftlichleit biefe Gottver- 
fuchungen verwarfen, erkannte fie bie mitten im Leben ſtehende nie- 
dere als umentbehrlih an — auch behufs Vermeibung bes Meineibs*) 
— und umgab fie mit chriftlichen Formen, Erorcismen und bergl.®). 
Auch Streitigkeiten unter Kirchen, 3. B. über Zugehörigkeit von Pfar- 
reien®), werben daher unbebenklich durch Gottesurtheil entjchieven 7). 


c. Artheilfindung®). Rechtsmittel. 


Auch bier ift die Einrichtung der Schöffen weder früh noch all- 
gemein burchgeführt worden). Die Urtheilfinder find die pagenses!'). 
Einzelne beſonders Rechtskundige (nicht Schöffen) werden neben Graf, 


1) Rudolfi vita St. Liobae. Bolland. Acta 88. 28. Sept. 
2) Anzünbung eines Wachshemdes, Grandidier I. p. 310. 
3) Jaffé III. p. 335, aber unter Bermifchung mit der Folter: confessionem 
extorquere. 
4) Capitulare a. 817 c. 10. p. 211. 
5) Dahn, Baufteine II. a. a. ©. 
6) Grandidier II. ©. 224. p. 291. 
7) Im Allgemeinen Annal. Alam. a. 911 Waitz V. ©. 55. 
8) Könige VII. 3. S. 28—38. VIII. 4. ©. 52f. Siegel ©. 147. W. Sidel, 
Kreiftat ©. 161. 
9) Könige VIII. 4. &. 67, 71. Bgl. die Iehrreichen Beläge bei Stälin (V.) 
I. Goldast. Form. N. 99 ©. 342: zwar ſchon a. 807 in Rhätien, aber in 
andern alamannijchen Gerichten fehlen fie noch a. 963: nur ber Graf, prin- 
eipes (Bornehme), ber populus und einige legem scientes find im Ding 
zugegen und thätig: letztere find nicht Schöffen, fondern dem Asega vergleichbare 
beſonders rechtskundize Dinggenofien. Neug. N. 747, 749. Meber bie geringe 
Berbreitung der Schöffen in Aamannien Opet, Proceßeinleit. S. 86, ber aller- 
dings Eine Stelle Wartmann I. S. 187 anführt; in einer andern (Form. Aug. 
Coll. B. 40) find nicht Schöffen, fendern raginburgen gemeint und bie mehreren 
judices bei Neugart N. 749 müſſen nicht Schöffen fein: N. 705 findet wie in 
altgermanifcher Zeit D. ©. I. a. S. 200—205 das ganze Ding das Urtheil. 
10) Trad. Sangall. 49 ante Cozberto praeside et ante paginses nostros 
ſ. oben ©. 165. Aber die von Stälin (B.) J. ©. 216 für bie Rechtsfindung durch 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 20 


306 


Bornehmen (principes) und dem übrigen Bolt im ‘Ding angeführt‘). 
In welcher Weile die Scheite eines rechtswidrigen Urtheils erfolgt, 
wird nicht gefagt: unbegründete wird mit 12 sol. (an ten ſdurch die 
Scelte vor Audern] beleidigten Richter) gebüßt?). 

Darüber, ob ver judex falfch geurtheilt Hat?), ift aljo tie Be- 
rufung au andere Richter zuläffig, was aus ter Beftrofung ber un⸗ 
begrünteten Berufung erhellt. Das Gefek ſtraft nicht nur den wiſſent⸗ 
Lich) unrichtig urtheilenden, auch ken fabrläfftg over aus Mangel an 
Rechtokunde nicht veraciter urtheilenden: mir bewußt ungerechtes ober 
gerechte® Urtheil, fahrläſſig ungerechte Urtheile giebt es für das Geſetz 
nicht: der Richter muß das Geſetz kennen, das wird fingirt: urtheilt 
er ungerecht, fo tft das Folge eines dolus. Dieſen altgermaniſchen Ge⸗ 
danken bat das Baiernrecht®) verlaſſen. das unwiſſentlich ungerechte 
Urtheil iſt hier nur ungültig, nicht ſtrafbar; das Burgundenrecht ) ſtraft 
das unwiſſentlich ungerechte Urtheil mit 30 sol., ven beftochnen 
Richter aber auch bei gerechtem Urtheil mit dem Tote. 

Die Urtheilfchelte gegen ven Centenar (non recte judicas«) 
zieht bie Sache an andere Centenare (ahis judicibus) des Gaues: 
[aber an welche”) ?] dieſe jcheinen dann zufammen ben Urtheilvorſchlag 
gemacht zu Haben ®): aber nicht das Gleiche kann man?) annehmen 
bei Trennung verbotner Ehe1%). Der abgewiefene Urtheilſchelter und 
ber von ben Angerufnen mißbilligte Centenar zahlen fich je 10 sol. 


das Boll angeführten Stellen T. 38 oonventus quod conplacuit cunetis Ala- 
mannis und T. 41 convenit duci et omni populo in publico concilio handeln 
nicht vom Urtheilfinden, ſondern vom Rechtſetzen. 

1) Neng. R. 747, 749. a. 963, fiub aber nicht und beißen nicht judices. 

2) L. 41. p. 101. 

3) 3u L. Al. c. 41 Otto Lehmann ©. 96 richtig. 

4) „Unwiffentlich“ bei Lehmann S. 96 ift Drudfehler. 

5) II. 17. 

6) 81, 1. praefatio secunda. 

7), L. 41. 

8) Daraus macht Eramer &. 305 bas „Eolleg ber Summen“. 

9, Mit Eramer S. 302. 

10) L. 39, a loci judiolbus: fonft mäßte es beißen Zocorum: judicibus tft 
nachläfftger Ausbrud für judiee: benn Ein locus hatte nicht mehr als Einen 
Centenar : an comes et centenarius iſt babei wohl nicht zu benten. 


307 


d. Inquiſttionsverfahreun ?). 


Auch bier war ber Inquifitionsproceß2) zu Gunften des Fiscus 
und bevorrechteter Kirchen?) eingeführt. Wie andere Klöfter und 
Kirchen erhielten damals Ende des IX., Anfang bes X. Jahrhunderts 
das Inguifitionsrecht Chur, Straßburg und Sauct Gallen: e8 war 
Vorrecht, aber auch Pflicht: keineswegs Hatten ober hielten alle geift- 
Lichen Anftalten als ſolche!) Ingnifitionsgerichte, fpäter freilich war es 
nicht mehr Vorrecht der Töniglichen (3. B. Sendboten⸗) Gerichte). 

So leiten ein Graf und ein Kronvaffe eine Inquifitio zu Gunften 
Neichenau’s®), Die Namen ber Urtheilfinter find erhalten: bie Be⸗ 
klagten werben gewaltfamer Entwerung überführt, fügen ſich aber 
nicht, fondern fliehen aus dem Ding, worauf die Grundftüde Bis zur 
Enticheivung durch den König gebannt werben”), Auch in dem fo 
ftart römischen Rhätien wird dieſer (germanifche) Inquiſitionsproceß 
burchgeführt: fo fitt a. 806/7 Humfrid, vir inluster, Graf beider 
Rhätien, zu Gericht im Hof Rankwils), im offnen Ding Aller Rechts: 
fachen zu hören und Rechtsentſcheidung zu befchließen‘). Und er führt 
das Inguifttionsverfahren durch: — es handelt fi) um Fiscalgut, in 
dominico — nach genommenem Augenfchein finden die Beiſitzer auf 
feine Umfrage das Urtheil. Anſchaulich wird ein folches Grafengericht 
geſchildert 9%. Der Graf, vir inluster, figt in ber villa mit ben 
Richtern, Gentenaren, Ragimburgen und vielem anderen Volk (dies, um 
das Urtheil zu vernehmen). Der Kläger behauptet, der Beklagte habe 
ihm Sachen (causam, chose) wiberrechtlich genommen, ber Graf unter: 


1) Könige VIII. 4. ©. 114. Ueber das außerorbentliche Verfahren mit 
Zengenbeweis (nicht Eid) vor bem Herzog L. Al. 42, 1. Brunner, Forſchungen 
&. 133, Konigsgeſetz S. 953 gegen Zemmer N. Ar. ZXIV. S. 209, 109. 

2) Könige VIIF. 4. ©. 114. 

3) Sanct Gallen, durch Ludwig ben Deutſchen a. 873 Neng. R. 468, „wie es 
die andern Krontlöfler und Sronbeneficta haben“. Wartmaun II. 435. (m. 884). 

4) ©. Brunner 0.0.0. ©. 101. ooactum saoramentum, Noth-Eid, Zwangt- 
Eid, Karl III. Wartmaun N. 661; IE p. 264, 

5) S. unten. 

6) W. U. I. 75. a. 816. 

7) Le. dijudicatum est ut enedam res in interdictu banni juasae 
fierent. 

8) ad campos, Bergmann, Beiträge zu einer kritiſchen Geſchichte des Vorarl⸗ 
bergs (1853) ©. 55f. 

9) Urkunde zu Bremer 18. Wartmann I. 187. 

10) Form. Aug. B. 40. 


20* 


308 


fucht ven Thatbeftand forgfältig durch Ausfage ter Nachbarn unter 
Bürgſchaft und Eid: ter Bellagte kann nicht leugnen, nicht fich ver- 
theidigen und fest ben Kläger vor bem Grafen (tur Wadium) wieder 
in fein Recht: er bekennt fily in Allem entwert (exuatum)!. Der 
Kläger wird „nach dem Recht der Alamannen” wieder in fein Recht 
eingefegt „in unfrem” (b. 5. dem Töniglichen) palatium und ehrt heim. 
„Anfechter” biefes von uns und unſern Judices, reginburgen und 
andern zahlreichen dort erfchienenen Gauleuten gefundnen Urtheils?2) 
zahlen dem Fiscus (in publico) 60 sol. (d. 5. ven Rönigsbann) und 
dem Angegriffnen ben doppelten Sachwerth. Unterzeichnung von 
7 Zeugen, dem Grafen und ben Urtheilern. 

Eine inquisitio geht auch der vestitura eines Klofters vorher?). 
So ergeht Befehl einer inquisitio, dad Recht Sanct Gallens gegen- 
über tem Fiscus von Zürich feitzuftellen: ter Graf vernimmt vie 
glaubwürtigften pagenses*), Häufig wieterhoft. 

So wird im Wege des Imgquifitionsproceffes durch eitliches 
Zeugniß ter Ein- und Um⸗Wohner die Zehntpflicht von 6 Dörfern 
feit ven Tagen Karls I. feitgeftelitd). Ebenfo (durch Sendboten) cum 
sacramento bie rechtswidrige Entreifung Sanctgalliicher Güter durch 
den Grafen des Zürichgau’s®). 

Entbehrte ein Klofter des Inquifitionsporrechts, fo fand es nicht 
leicht einen Vogt, weil ihm dann bie Beweisführung erfchwert war”). 
In Fiscalfachen (in dominico) gilt allgemein Inguifitionsverfahren 9). 
Es ift auch Inquifitionsverfahren, daß eine Mark zwifchen vem Fiscus 


1) Du Cange III. p. 383 flatt exutum. 

2) Et aliis pagensibus plurimis ibidem sistentibus: Zeumer, Umſtand 
im Unterfchieb von ben raginburgen; Watt II. 2. ©. 166. 

3) Neugart 187. a. 816 vgl. 189. a. 816 inquisitio über gewaltfame Ent- 
werung Sanct Gallen durch einen Gangrafen unb einen Sronvaflallen; vgl. 
197. a. 817. 


4) Neugart 208. a. 821. 234. a. 828. 


5) Durch einen Erzpriefter des Biſchofs von Conſtanz 480. a. 574 in einem 
placitum populo eircumquaque cöngregato: cum sacramento et fide data 
vieinos quosque interrogans rei veritatem invenit . . omnes cum juramento 
et üide data testificati sunt etc. 


6) 482, a. 875. 
7) So Hagt ein Sanct Galler Karl bem Dritten Neug. 468 a. 873. 
8) Wartmann I. 187. a. 806, 807. 


309 


und ben privaten Örunbeignern theilt. Königsboten vereibigen bie als 
Zeugen zu vernehmenben !). 

Das juramentum coactum bes Klofters Sanct Gallen für 
feine von ben Herrfchern Ludwig dem Deutſchen und Karl III. ge- 
währten Privilegien ift im Inquifitionsverfahren ergangen?).. Bei 
bem Eid auf die Weberbleibjel im Inquiſfitionsverfahren beruft man 
fih a. 889 auf den Vorgang unter Karl II). 

Die Zeugen im Inquifitionsverfahren müffen aus ber Nachbar- 
haft fein, — 3. B. je aus Einem von drei betheiligten Gauen — da 
fie aus eigner Wiffenichaft Gewohnheitsrecht, Erfikung, unvordenkliche 
Zeit, Gränzen beſchwören müflen. Die Zeugen, Gaugenoſſen b), 
ſchwören bei dem Treueid, ben fie dem Kaifer geleiftet haben®). Der 
Graf orbnet Augenfchein der Gränzzeichen an, nach deſſen Ergebniß 
die Beifiger das Urtheil finden. Placitum = concilium ift bas 
Ding des Inguifitionsverfahrens?). 

Einen lehrreihen Ball des Imgquifitionsverfahrens gewährt die 
Klage von Sanct Gallen gegen Graf Udalrich, wo burch Eid ber 
Großen breier Gaue genan feftgeftellt wird, welche Nutungsrechte das 
Kloſter »potestative legaliterque«, d. h. kraft Eigenthums und eignen 
Rechts, von Rechts wegen, durch Gewohnheitsrecht (solitos usus), 
welche nur pachtweife, d. h. alfo gegen Pachtzins auszuüben hat. Jene 
ihwören, daß fie wiflen, wie das Klofter, deſſen familiae und mansi 
gewiſſe Rechte ftetd ausgeübt haben ®). 

Sehr merkwürdig ift das Protokoll in einem folchen Inquiſitions⸗ 


1) Coll. F. Sang. 10 secundum jusjurandum quod utrique (beibe Parteien) 
antea in reliquiis Sanotorum commiserunt: fie bezeugen nach eignem Gedaächtniß 
und Angabe ber Borfahren ben Umfang bes nicht zur Mark gehörigen, — alfo 
nicht mit Nutzungsrechten beſchwerten — hier in dieſem Sinn immunen Kronlandes. 

2) Neug. 602. a. 893. 

3) Neng. 591. 

4) Meng. 596. a. 890 primates omnes de illis tribus collecoti comitatibus 
eum juramento et fide testificati sunt, se vidisse et bene nosse quod de 
legitimis ourtilibus usus omnes isti ut praedioti sunt et nobis ad mona- 
sterium nostrisque mansis in nostris territoriis in pago . . commanentibus 
cum illis eivibus essent.... communes. 

5) Wartmann I. 187. a. 806, 807 convocatis illa testimonia qui de ipso 
pago erant. 

6) per ipsam fide et sacramento, qua nostro damno data haberent. 
ben Zeugen S. 302. 

7) Reug. 591. a. 889. 

8) Neug. 596. a. 890. ©. 302. 


310 


verfahren von a. 889. In einem placitum vor bem Grafen Burk⸗ 
hard ver Bertholtsbar wird behauptet und beſchworen von 20 Zeugen, 
welche primores populi beißen, daß tie Grafen, Ahnen und teren jet 
febenve fünf Ablömmlinge das Recht haben, das Vermögen der Kirche zu 
Leffingen zu verwalten, one Widerſpruch einer geringeren ober unter- 
georbneten Perfon. Und da auch hienach noch einzelne von jenen, bie 
als Erben (Eigenthümer) and Berwaltungsberechtigte jener Kirche gelten 
wollen, fchwagend und murrend wiberfprachen, da haben bie Vor- 
nehmen biefer Verſammlung ihre Schwerte gezogen und gelobt, fie 
würben das vor ben Königen und allen Großen betheuern bis zum 
Vergießen ihres Blutes: d. 5. der angezweifelte Eid foll vor dem 
König durch gerichtlichen Kampf aufrecht erhalten werben?). 

Bielfach lehrreich ift die alamannifches und Iangobarbiiches Recht 
berührenve notitia testium in einem folgen Proceß von a. 813/8142). 
Betheiligt find der Alamanne Erchanbold und zahlreiche Langobarben: 
Sanct Gallen ift von jenem Land in ber Veroneſer Elaufe gefchentt: 
por den Königeboten Karla wird verhandelt: Biſchöfe und Laien (Lango⸗ 
barden) bezeugen, daß fie ben Schenker eine Urkunde überreichen fahen 
den Vertretern von Sanct Gallen und felbft ihre Hänbe baranf legten: 
viele Zeugen beftätigen, abweichend von dem fonftigen germanifchen Be- 
weisverfaßhren, bie Ausübung von mancherlei Nutrechten®), Gebühren- 
rechten durch das Kloſter. Schwer wiegt babei das Zeugniß des 
ftäptifchen Gaftalden‘). Nachdem biefe Zengniffe ftarl gegen ben der⸗ 
maligen Beſitzer ber beftrittenen Gruudſtüde, ben missus Odalhart 5), 


1) Neug. 592. a. 890; es fehlt aber au bekiaumten Sechtöbegriff für bie 
Beiuguifie des Geſchlechts: qui essent a progenitoribus suis in rebus ejusdem 
eoolesiae possidendis aut ordinandis potentissimi .... testimonium quod 
solummodo parentes subtus scriptorum hominum et hi ipsi polestatem 
haberent ordinandi ecclesiam in L. absque ullius inferioris aut wuppositae 
personne contradictione. Et his ita patratis, cum adhue quidem de illis 
qui se in illa ecelesia Merodos uc despossteres haberi voluerunt, alii garriemdo 
alii mussitando oomtradiverent, optimates ejusdem concilii appreihemeis 
spatis suis devoyaverunt, se haee ita affirmaturos esse coram regibus et 
cunotis principibus usque ad sanguinis efusionem, ſ. oben ©. 34; es if 
wohl Eigenthum an ber Kirche in Frage („heredibusr). 

2) Reugart 179. 

3) dominare, Eigenthum ansäben, leborare, bewirtbichaften, aber auch 
Bfltchten erfüllen, mansionaticum facere Könige VII. 5. & 94. 

4) S. Langobarben und Urgeſch. IV. ©. 294. 

5) Vielleicht Pfalzgraf Abalhart Annal. Lauriss. a. 823, 


311 


ausgefallen, muß dieſer dem missus Tolxoh Wadium) leiſten, fich 
vor dem Kaiſer im Reichsgericht zu ſtellen: zwei Bürgen verbürgen ſich 
für ihn bis zum Betrag von 1000 mancosi?). 

Meiſt find die inquisitores Königsboten®), aber eine inquisitio 
ohne Königsboten fcheint der Feftftelung ver Rechte Sanct Gallens 
zu Grunde zu liegen‘). 

Ein ſpaͤtes — wichtiges — Imquifitionsverfahren war das von 
Konrad II. veranlaßte, per sacramentum regale die Krongüter in 
Baiern feftzuftellen 5). 


3. Freiwillige Gerichtsbarleit. Urkundenweſen 6). 


Der Werth ver Schriftforn für den Beweis und zur Verhütung 
fpäteren Streites?) wird gar oft in ben Urkunben®) und Yormeln ®) 
hervorgehoben 1%. Auch auf alte „Sitte und dermaligen Brauch“ wird 
der Gebrauch der Schriftform zurückgeführt 11). 


1) Könige VIII. 4. ©. 86. 

2) Könige VI. 5. 59; 20 engen ber Urkunde und 4 missi find thätig. 

3) Th. v. Sickel I. ©. 358, 

4) Mohr I. N. 35. p. 54. a. 890. 

5) Meichelbeck I. p. 221. Breßlau I. S. 4791. 

6) Könige VE. 2. &. 147. VIII. 4. &. 116. Urkunden für Mamannten 
von a. 779—889 Stälin (V.) I. ©. 248. Die in W. U. wieberbolten und ver 
befierten Urkunden ans Neugart unb Anbern find nah Erſterem berichtigt. 
Bluhme, die römiſch⸗germaniſchen Fonnelfaramlungen und ber Oodex traditionum 
Sangallensium; über Orbre. und Juhaber Papiere damals fhön Könige VIII. 4. 
©. 198 $. zur Geſchichte des Urkuntenweiens anfer Brauner vgl. Hensier I. ©. 36, 
211 Aber bie ambasciatores. XTreffenb warnt Seeliger bei Waitz Vi, &. 306, 
bie Intervention der ambasciatores Adel wirllich anzunchmen, wo fie bie Ur 
kunden erwähnen — and (zwei) einjährige, bretiährtge, ſecht jährige Ktuber werben 
jo genannt; «8 war eine Ehrenbezeigung, eine Betheiligang am Berbicuft bei 
frommen Werten beabfichtigt. 

7) Neng. 546, 572, 574. a. 884, 886, 887. W. U. 104. Meng. I. a. 839. 
necesse est propter fatura tempora jurgia subjicienda scripturae vinculo 
eonligare. Reugart 304. a. 843 quioquid . . inter partes .. sani vonsilii 
deffinitum fuerit, necusse est propter vitanda suttedentibus tewporibus 
jurgia, vonsoriptionis vineulo oonfirmare; dgl. N. 644. a. 904. 

8) Wartmann II. 9. 713, ;32, 

9) Von Sanct Gallen F. Sangall. mise. 11. vgl. Zeumer N. a. VIII. 

10) Könige VIII. 4. S. 198. 
©. 456. 

11) Zeuß, W. 158 a, mon erat veterum et presehtium est consuetude 
ut quisquis a quolibet aliquid commutare aut emete voluerit, per sofip- 


312 


Die PBrivaturkunde muß von Zeugen „firmirt“ 1) und muß datirt 
fein 2): mehr wird über vie Weſensform nicht gejagt: öffentliche Schreiber 
wie in Italien find daher bier nicht anzunehmen). Negelmäßig be- 
dürfen Gefchäfte der Urkundenform nicht, aber wohl Veräußerung von 
Kirhengut an Laien: wer nit im Streit um Kirchengut eine Ur- 
funde vorlegen kann, verliert ohne Weiteres den Beſitz an die Kirche®). 
Dagegen macht die als echt anerfannte Urkunde vollen Beweis: wird 
fie angefochten, darf doch ber Anfechter nicht ſchwören, vielmehr ber 
Urkunvenkläger mit den Urkundszeugen die in der Urkunde berichtete 
Thatſache beeiven, wonach ver Gegner jachfällig wird und bie Leugnungs⸗ 
buße zu zahlen Kat). 

Dei Anfechtung der Echtheit einer Urkunde erfolgt conlatio 
cartarum, b. h. Vergleich ber angezweifelten mit zwei unbeftritten von 
dem genannten Kanzler ver erften herrührenven®). 

Die Zuftimmung ber fideles, der proceres zu Töniglichen Ber- 
leihungen von $llofterprivilegien (Ende des IX. Jahrhunderts) wirb ber 
Veierlichfeit halber erwähnt”), rechtsnothwendig war fie nicht. Wie 
Gefeßes) verpflichten auch Nechtegefchäfte die Nachfolger des handelnden 
und urkundenden Herrſchers wie biefen jelbft: auch Urkunden für Ala- 


turarum seriem roboretur; bie Urkunde wirb in 2 Eremplaren ausgeftellt. 176 
(ohne Jahr). 

1) Ueber firmare praeceptum Tb. v. Sidel I. &. 189. Merkel, das firmare 
bes baterifchen Volksrechts 3. |. D. R. ©. IL a. ©. 101. 

2) L. 1, 2, 16—18. 42. (43). Ueber Nothwendigkeit ber Datierung L. AL 43 
Tb. v. Sickel I. S. 218; bald römifcher Kalender, bald vom erften bis leiten bes 
Monats, Regierungsjahre des Königs (mie bes Herzogs, (über ben Hansmeier 
f. unten), Geburt Chrifti, römifche Imbictton S. 221, Über bie oft wechſelnde 
Epoche des römifchen Herrſchers ©. 222. Weber die Datirung ber Kloſter⸗Urkunden 
tm IX. Jahrhundert |. auch Boſſert, Cod. Lauresh. ©. 36; bier ſehr oft mehrere 
Urkunden vom felben Tag: »tempore quo supra« 115, 116, 120, 121. 

3) So mit Recht Breßlau I. ©. 480. 

4) L. 18. 

5) VIII 4; über bie alamannifche, zumal auch bie rhätifche Rechtsgeſchichte 
ber Urkunde Brunner, 1880 ©. 235, 245f., 253, über bie traditio cartae ©. 261. 
Bol. Breßlau L. 2, 2. a. a. O. Über ben Urkundenbeweis im älteren germanifchen 
Recht Überhaupt II; Über die fränkiſche Privaturlunde &. 486. 

6) Lud. I. a. 816. D. 196. Boretius 98. 

7) Neug. 602. a. 893. | 

8) Weber bie ber Zeit nach unbeſchränkte Verbindlichkeit ber Geſetze und 
andern Erlaſſe ber Herrfcher für Deren und ber Beamten Nachfolger oben ©. 216 
und Tb. v. Sickel I. S. 177. 


313 


mannien legen ſich ausbrüdlich auch für bie Nachfolger bes verleihen» 
ven Königs Gültigkeit beit). 

Der Herrſcher läßt nur um der Sicherheit willen eine Schen- 
fungsurfunde auch von feinen brei Söhnen unterzeichnen?). Nur ver 
Borficht Halber werben frühere Schenkungen bejtätigt, ihre Anfechtbar: 
keit auszuſchließen ). Dabei werden bie Originale — cartae mi- 
nutae*) — vorgelegt, zeritörte erjegt). 

Testamentum ift jede Urkunde, 3. B. donationis®). Brevi- 
cula ift ein kurzer Brief (des Herrſchers)7). Offne und gefchlofine 
(signatae, db. h. sigillatae) Briefe werben gleichzeitig an Verſchiedene 
abgefanpt). Die über den Verlauf errichtete Urkunde beißt felbft 
venditio ). 

Die Urkunden werben unterzeichnet von ben handelnden Perfonen)), 
alfo z. B. dem Verſchenker oder Vertaufcher und deſſen Vogt, auch 
wohl von Ehefrau und Ehemann, dem Beſchenkten, z. B. dem Abt 
und dem Vogt bes Kloſters, welche die Ausſtellung ber Urkunde er- 
wirft haben, einer Anzahl von SKlofterbeamten, dann von einer jehr 
verſchiednen Zahl von andern Urkundenzeugen 11): zulegt nennt fich der 
Schreiber, meift ein Geiftlicher, auch wohl als Vertreter bes zunächit 
zur Schreibung Berufenen, 3. 3. das Bräpofitus 12), zulett wird nach dem 
Regierungsjahr des Herrichers und dem Tag ber Ausftellung ver Graf 
bes Gaues ber belegenen Sache, regelmäßig zugleich ber für das 
placitum (oft aber wird in dem befchenkten Klofter gehantelt und 


1) Bgl. Könige VIL 2. ©. 43. Neugart 1. o. 78. a. 780. 

2) Neug. 367 a. 857. 

3) Neugart N. 226. a. 826. N. 633. a. 901 (Arnulf. N. 644. a. 904. 
(Ludwig). 

4) L. R. Rh. C. XXII. 1, 2. 2, 1. Du Cange V. p. 404. 

5) Durch apennis Könige VIII. 4. ©. 205f. = pancarta Th. v. Sidel I. 
&. 359. Erſatz einer verlornen Kaiferurfunde Mohr I. p. 36. N. 22. a. 836. 

6) Zeuß, W. J., Neugart N. 37, 40, 39. a. 763 umb oft. Könige VIII. 4. 
S. 200. Th. v. Sickel L ©. 185 über Benennung ber Arten ber Urkunden 
©. 184. 

7) Coll. F. Bang. 26. 

8) Coll. F. Sang. 36 Dilmmler, Formelbuch ©. 133 Th. v. Sidel, Urkunden’ 
Ichre &. 402 Du Cange »aperire«, I. p. 309. 

9) Zeuf, W. N. 44. 

10) Th. v. Sidel a. a. D. 

11) Ueber Mitunterfehrift etnwilligenper Zeugen Bluhme ©. 206. 

12) scripsi et subsoripsi. 


314 


geurkundet) zuftändige genannt‘). Einmal wirb unterjchieven: im 
comitatu Adelberti coram comite Gozberto (biefer als Ber- 
treter ?) 2). 

Der erfte Unterzeichner ift meift ber Schenker (ober fonftige Ver⸗ 
anlaffer der Errichtung der Urkunde) ?), der letzte ber Schreiber ber 
Urkunde: Ego... rogatus scripsi et subscripsi. Und fo faft ftete. 
Statt des Ausführlicen »qui hanc traditionem (chartam) fieri 
rogavit« fteht fürzer: auctor hujus cartulaet). Die Schenker felbft 
unterfchreiben bie Urkunte auch als Zeugen>). 

Nah dem Schenker und vor dem Grafen werben oft bie Ge- 
fippen des Schenkers als Zeugen benannt®); der Notar unterfchreibt auch 
wohl al® Zeuge, alfo zweimal”). 

Sn den Urkunten wechjelt häufig der Sprecher: ter Schenler 
beginnt, das Slofter fährt fort (»habeas«, »teneas«) und der Schenter 
fchließt dann wieder). Daher mahnt eine Formel, den Wechfel ver 
redenden Perfonen deutlich zu erkennen zu geben ?). 

Der Schreiber ift meift bei Kloſterurkunden ein Rlofterbeamter 
oder »clericus« !®), ein diaconus, subdiaconus, lector (diaconus 
et) bibliothecarius 11), 

Dei Köonigsurkunden fehlt nicht der anulus bes Herrſchers 12). 


1) 3. B. 41. a. 866 und ſo faft fett: actum ... . publice praesen- 
tibas istis, quorum hic signa nobantur 444, nomina continentur a. 867. 

2) Züricher U⸗B. p. 16. a. 844. 

3) Neugart 1. c. 38. a. 762 qui hanc traditionem .. fieri rogavit: aber 
39. a. 763 ego episcopus Eddo hoc testamentum a me faotum relegi et sub- 
scripsi und 42 a. 764 ftebt ber Schenler zuletzt. 

4) Reng. 471. a. 873. 

5) toutes Zen, W. N. 2 

6) S. unten Verzicht [auf das „Sacheurecht“, „Exrbrecht” „Beiſpruchrecht“] 

7) ®artmann I. 101103. 223. 

8) Neugart 248. a. 831: ego... . oondohavi; bann: si tu ipse re- 
dimere velis. Ueber ben Wedhfel ber in der Urlunde rebenden und handelnden 
Berfon, bald ber Scheuler, bald ber befihentte Abt (überwiegend biefer) |. Wart⸗ 
mann I. 17 (ohne Datum) F. Aug. B. 37. Zeumer N. 4. VIII ©. 494. 

9) F. Bang. misc. 3 (vgl. Zeumer N. 4. VIII. S. 544) die Ortsnamen 
in 4 finb gewiß ebenfo erfunden wie bie Perfonennamen „Eumelns” unb 
„Eputidet“ unb 5 1. c. „Pindar“ (auch wohl Unbelf unb Stelf). 

10) Nengart 1. o. 36. a. 762 and oft, auch Diakone 44. a. 765, 45. a. 766, 

11) 453. a. 867 praesens assistens rogatus scripsi et Bubscripsi al® Zeuge 
l. c. 481 a. 875. 

12) Urber anulus, Sigel, des Könige, des Herzoge, Richters bei den Ur. 
funben Th. v. Sidel J. ©. 193, 196, über sigillum In ber Lex Alam, ©, 198; 


315 


Seltener ift der Urkundenſchreiber von beiden Vertragenden er- 
jucht!). Weil diefe Handlungen freiwilliger Gerichtsbarkeit im mallus 
oder boch vor einer Mehrzahl von Zeugen gefchehen, heißt es regel⸗ 
mäßig »actum publice« 2). 

Für fein Grundeigenrecht beruft fich das Klofter auf das „Zeugniß 
bes ganzen Volles" und „vor tem Grafen und allem Voll“ wird bie 
Vergleichsurkunde errichtet?). 

Der inluster vir Herzog Lintfrid ſchenkt publice in Straßburg 
(7 Zeugen), was er bei Theilung bes Vatererbes mit (contra!) feinem 
Bruder Eberhard in Batenando⸗Villa erworben‘). Bei einer großen 
Schenkung anweſend ift eine zahlreiche Meenichenmenge; die Namen 
ber Hervorragenden werben aufgeführt). 

Es heißt aber and) ohne Nennung ber Zengen coram multi- 
tudine populi et testibus idoneis®). Auch an Ort und Stelle 
kann die Vergabungshanblung ftattfinden: actum publice in eadem 
silva, db. 5. das placitum wird bort gehalten”). Aber auch im Atrium 
einer Kirche — fehr oft im Kloſter Sanct Gallen — wird geurktundet®). 
Die Schenkungen an Lorſch geichehen ftets in diefem Kloſter felbft?). 
Meift wird im den Urkunden ver mallus des Grafen genannt, in dem 
das Gefchäft verrichtet wird 1%). Aber auch andere Grafen als bie ber 


über bie Unterfchrift des Herrſchers S. 192f.; signacula ber Zeugen Neugart 
78, a. 780. 

1 Rengart 214. a. 830. 

2) So Rengart 1. c. 27. a. 760 unb oft coram frequentia populari 
(populi) 158. a. 806, 484. a. 875 Zeuß, W. N. 2, 3. 

3) Neug. 353. a. 854. 

4) Zenf, W. 21. 

5) Neug. 673. a. 909. 

6) Neng. 600. a. 892. 

7) Raıg. 481. a. 875. Über bie Unsflellungsorte Überhaupt Th. v. Sidel I, 
S. 231. 

8) Neugart 156. a. 806 und fehr oft, aber doch coram frequentia (populi) 
163. a. 807. 

9) Cod. Laur. N. 36, 57, und meift: hiebei fehr oft; dono .. domatum que 
in perpetuum esse volo et promptissima voluntate oonlirmo 84. a. 766. 

10) Beläge bei Baumaan ©. 4: in publioo mallo ooram Adalperto co- 
mite .. placitum in pago qui dieitur Para (Bertholbsbar) in villa... Durro- 
heim coram Burgbardo comite a. 889; aber waıh bie Antähruug feiner Segen 
wart allein fol dies bebeuten, ebenda ©. 441, ober bie Antührung bes Grafen ale 
erften Zeugen fol ihn als ben ber belegnen Sache bezeichnen S. 442. a. 786, 
, wobei andy wohl am Schluß wieberholt wirb: sub ... comite: and) breimal: a. 


316 


befegnen Sache; beives fällt regelmäßig — aber nicht immer — zu- 
fammen. Oder fonft al® Zeugen 3. B. der Albwinsbar und ber Ber- 
tholdsbar 1). 

Am Schluß der Vergabungs- und andern Urkunden wird jo zu- 
weilen der Graf nicht (wie im Eingang oder vor dem Ende) des Er- 
richtungsortes, fondern des Ortes der belegnen Sache genannt?). 
Liegen die Güter in mehreren Gauen, werben alle Srafen, mangel- 
bafterweife wird auch wohl nur Einer genannt?): nur ber des Er- 
richtungsortes over nur ber ber begabten Kirche). 

Die Könige ehrten zuweilen ihre Vornehmen, inbem fie deren 
Urkunden al8 Zeugen unterjchrieben. So Pippin a. 7005. Zu Ur- 
kundenzeugen wurden nur Sachverftänbige, nächfte Nachbarn ver ver: 
äußerten Grunbftüde genommen‘). Austrüdfich beißt e8 bei einer 
Schenkung Aarganifcher Güter, daß bie Zeugen tem Aargau angehören”. 
Bei Schenkungen werden Nachbarn) wie Erben beigezogen, um beren 
Verzicht auf Geltendmachung von Näherrecht (etwaige Nachbar⸗Loſung) 
unb beſonders auch Beifpruch verurfunden zu können). 

Aber Biſchöfe und Aebte ſchickten auch gern bie Urkunden über 
Beſchenkungen ihrer Kirchen an Amtsbrüber, die ber Errichtung nicht 
beigewohnt Hatten, aljo in leergelafine Stellen ihre Namen nicht als 
Zeugen einzutragen, fondern um ihre Kenntnißnahme (und etwa Billi- 
gung) auszudrücken 10). 

Treffend bemerkt1!) man, daß bie oft ungenügenve, weil zu un— 
befttimmte Bezeichnung ber Güter in den Urkunden im Streitfall durch 
bie Ausfagen ber zahlreichen Zeugen — ortskundiger Nachbarn — 


— — — — 





885 in publico mallo coram .. dann als erſter Zeuge, und am Schluß. Neug. 
N. 201. a. 819 comitis (ber Bertholpsbar) in cujus concilio (= mallo, placito) 
actum est: bier zugleich ber ber beleguen Sache. . 

1) Neugart 194. a. 817. 

2) sub comite... notavi comitem Baumann &. 438; füllt beides zuſammen, 
wird e8 wieberholt: f. oben Anmerf. 4. 

3) Beläge bei Baumann ©. 439. 

4) A. a. O. 

5) Neugart 1. c. 26. 

6) Neugart zu 120. a. 793. 

7) Neug. 400. a. 861, f. oben Nachbarn ©. 212. 

8) Trad. Sang. 117. 

9) Form. Rhenaug. al. Roziere 239 absque oontradiotione ullius proxi- 
morum aut vicinorum meorum. 

10) ®gl. Grandidier I. p. 278. a. 7665. 

11) Neugart 1. oc. 19. a. 754. 


317 


ergänzt wurde. Die Urkunde kann auch an Einem Ort »acta et 
levata«, in einem anbern »firmata et perpetrata« fein!). So wird 
die Urkunde zuerft nur vor dem Zeugen errichtet, dann aber im offnen 
Ding erhoben und befräftigt2). 

Das cartam levare, wobei bie carta mit bem Dintenfaß (atra- 
mentarium), ber Feder und Anderem 3. B. Handſchuhen, beſchwert, 
vom Boden erhoben wurbe®), findet fi damals bei allen Stämmen 
und auch bei ven Römern‘). 

Einmal wird berichtet, bie Urkunde fei nach der Errichtung im 
Klofter (vor 17 Zeugen) fpäter im offnen ‘Ding vor vielem Volt auf- 
gehoben und nochmalbefräftigt worbenS). Die Austellung und Unterfchrift 
der Urkunde foll auch die traditio des Grundſtücks erjeßen‘). Zeugen 
wieberholen ihr Urkundszeugniß vor ten „mächtigen missi” (missi 
potentes) bes Kaifers”). Zeugen, bie weder unterjchreiben Tonnten 
noch unterkreuzen, genehmigten durch Berührung ber Urkunde bie 
Unterfchrift ihres Namens durch den Notar). 

Eine traditio wird wieberbolt, weil fie non perfecta nec litteris 

fuit mandata), oder auch es wirb erft nachträglich eine Urkunde 
über einen früher gefchlofinen Verkauf (des verftorbnen Vaters) aus⸗ 
geſtellt 19). 

Zuweilen wirb neben ter charta donationis eine charta tra- 
ditionis errichtet, und zwar am!) gleichen Tag an zwei verichiebnen 
(nahe benachbarten) Orten. Anders, wenn fchon ver Vater fein Gut 
dem Klofter übergeben (tradidit) hatte und die Söhne dies nachträg- 


1) Neug. 586. a. 889. 

2) W.U. I. 58. Neug. I. 148. a. 803 carta levata et firmata. 

3) Th. v. Sidel, Brunner, Urkunde, Könige VIIL 4. &. 198, daſelbſt ge 
nauere Angaben. 

4) Stälin (B.) J. &. 358. a. 848, 936. Zuweilen wirb ausdrücklich bezeugt: 
in ipsa casa fuit ipsa carta levata, über festuca und arrha Heusler I. ©. 76. 

5) levata atque iterum firmata worden Nengart 148. a. 803. coram fre- 
quentia populi 158. a. 806; vgl. 200. a. 819. 

6) Wartmann I. 291. a. 825 per hanc paginam quem ad vicem traditionis 
scribendam rogavi. 

7) Nengart 205. c. 820. 

8) Mabillon II. 22 über manus mittere in cartam, tangere, contenta 
ratihabere Neng. 341. a. 851; Th. v. Sidel, I. S. 317. Beiträge IV. ©. 603. 

9) Neng. 344. a. 832. 

10) Zeuf, W. 150. a. 712. 

11) Beläge bei Neugart ]. c. 11. a. 744. 


318 


lich beftätigen, und es per beneficium zurüd empfangen!). Manch⸗ 
mal ericheint außer dem Schreiber nır Ein Zenged, aber die Zahl 
der Zeugen fteigt auf 52: ta wird füglich gefprochen von multitudo 
populorum quorum hic signacula continentur?). 

An Einem Gerichtstag und zum Theil nor ben nämlichen Zeugen 
wurden oft mehrere Rechtsgeichäfte gefchloffen. Wir haben nicht felten 
mehrere in vemfelben Placitum errichtete Urkunden 4). 

Die Zeitrechnung (nah Chriſti Geburt, nach Regierungsjahren 
ber Serrfcher) ift mandhfaltig>). 

Die Weißenburger Urkunden rechnen, wachen Thenderich IV. 
a.737 geftorben ımd bis a. 743 ein nener König nicht erhoben war®), 
einfach nach tem Zobesiahr des Kömigs?): oder nach dem Tod Karl 
Martells — ſolchen Eindruck hatte ver Mann binterlafien! — umd 
zugleich nach ben NRegierungsjahren Karlmannd in Auftrafien®). 
Karls Regierung wird von 768 ab gerechnet, obwohl er zugleich als 
Kaifer genannt wird). Manchmal wirb erft von ber (IL) Salbung 
am die Regierungszeit Karls gerechnet!%. Auffällt Karls Bezeichnung 
als (gubernator Romanorum et) inluminatio Saxanorum !i), 

Seit dem Wieberanflommen von Theillönigen für Auftrafien oder 
doch Alamannien (Pippin a. 806, Ludwig a. 817) rechnen bie Urkunden 
bier nicht mehr nach dem Kaiſer, fondern nach tem Theil⸗König 12). 
Aber auch wohl nach beiden 1). Seit a. 806 rechnen die Urkunden 
auch nah Pippins Kömigsjahren in Alamannien 10). Auch die Herr- 


1) l. e. 45. a. 766. 

2) Zeuß, N. 33. 

3) Meng. 451. a. 868. 

4) W.U.L 25, 26. Neng. I. 81, 82 vom 11.1 782. 

5) f. oben S. 312, Th. o. Stel, L ©. 2201. 

6) Urgeſch. IIL &. 807, D. ©. I. 6. ©. 234. 

7) a. UL post obitum Th. regis Zeuß, W. R 17: alſo a. 740. 

8) Zenß, W. 235, a. 842 anno primo past obitum Carlo Majoro reguante 
domno Carlomanno duee Francorum, bagegen wur pomt obitum Caroli ma- 
joris domus (»majore donno«) 241. a. 842. 

9) L c. 20, anno 40 regnante imperatore nostro C. Francerum sege. 

10) So Nengart 46. a. 769 (Karlmanns). Weber ben Kalfernamen Karls 
ſchon vor a. 800 (3.8. a. 791) in Urkunden Mabilles IL 4, Nengart 104. 

11) Neugart 142. a. 801 (echt?). 

12) Nengart 264. a. 834 und oft feld a, 806. 

13) 265. a. 835 und oft feit a. 817. 

14) Neugart von 157 ab. Weber ‚Datierung einer Urkunde mit 2 Tagen Neu⸗ 
gart 151. a. 806. 


319 


ſchaftjahre in Italien, Oft-Francien, Gallien werben gehäuft angeführt). 
Zuweilen werben bie Regierungsjahre in verſchiednen Landen und bie 
als König und als Kaifer gehäuft. So bei Karl III. a. 883 in Ala⸗ 
mannien, in Italien und als Kaiſer?). Selten regnante ... sub 
dominatione E. comitis (et advocati sui, b. 5. aber bes Klofters 
zu Zürich)?). Selten ift ver Name des Königs in der Urkunde ans- 
gelaffen‘). Offenbar Schreibverfehen ift es, wird Ludwig das Kind 
por feinem Vater aufgeführt). Nur ausnahmsweiſe batiren die Ur- 
kunden auch nach dem Regierungsjahr des Babftes®). 

Manchfaltig find bie für Anfechtung von Urkunden gebrobten 
Strafen”): dieſe fürgermanifchen knüpfen an bie römifchen an®). Da 
wird 3. B. anfer Gold und Silber (2 Unzen und 5 Pfund) an Klofter 
und Fiscus Leiftung gleichwerthuoller Güter (neben Rückgabe ver ent- 
riffenen) auferlegt — mit höchſt zweifeliger ‘Dimchführbarteit). 

Man 10) erklärt als Nechtsgrund der Strafdrohung einen Ber: 
trag: allein der Bedrohte bleibt fehr oft völlig unbeftimmt: vielmehr 
liegt folgen Unbekannten gegenüber eine ganz einfeitige Nechtshand- 
fung vor. Denn erft ein — einziges — Beifpiel einer gerichtlichen 
Verurtheilung in eine folche private — Strafe hat man!) gefunden. 


}) Reng. 568. a. 886. 

2) T. Sang. mise. 2. 

3) Neug. 589. a. 889. 

4) Zeuß, W. 202, es iſt Dagobert III. a. 713, wie bie Namen ber Zeugen 
ergeben; vgl. 18, 192. 28, 218. Der Name bes Königs fehlt auch Zeuß, W. 219: 
gemeint tft, wie aus ben Namen bes Abtes und ber Zeugen erhellt, Karl a. 790. 

5) Neug. 619. a. 896. 

6) Neug. 382 sub rege Ludovico anno primo Nicolai papae: b. b. 858/59, 
nach Pabſt Stephan VI. in Reichenau, Neng. 59. a. 892, nach Pabſt Kormofus 
608. a. 892. 

T) Weber die Anfchtungeftrafen, poena temporalis und poena spiritualis 
Th v. Stihl L S. 200; regelmäßig in den Imperatorem- unb ben ofigotifchen 
Berorbnungen, Dagegen erfi in fpäteren fränkiſchen Urkunden (Siigren &. 100), 
3. 8. 600 Golbfol, davon 2 Drittel der Kirche, ein Drittel dem Fiocus; über 
Bertbeilung ber Buße zwiſchen bem Berletten ober Bebroßten und bem Fiscus 
Siögren, S. 113; häufig wirb eine britte Perfon dazwiſchen geſchoben, Siögren, 
&. 136. Weber das Anathem, auch vom Herrſcher gebrobt, &. 203. 

8) Köwige VIII. 4. &. 204. Siögren ©. 89. 

9) Bgl. Könige VIII. 4. ©. 204, Neugart 747. a. 802. 

10) Sibgren &. 104. 

11) Alfred Schulte, Langobarbijche Treuhänber, &. 124, 125, 132 3. f. R. G.⸗ 
©. 170 (a. 797; Cod. Car. N. 897. a. 1028, ber Erbe bes Vergabenben focht bie 
Berfügung an. 


320 


Bei einer großen Schenkung foll vie Anfechtungsftrafe an ben Fiscus 
600 Goldſolidi betragen !). 

Ganz regelmäßig werben die Strafbrohungen gehäuft: Ex—⸗ 
communication, Geldbußen an Fiscus und Klofter, Doppelerfag 2). 
Der Berechnung wird ber burch einftweilige Beſſerungen gefteigerte 
Werth zu Grunde gelegt?). 

Einmal befteht die Strafe für die Anfechtung nur in Ausſchluß 
von ber Kirche zu Sanct Gallen bis zur Befferung*), oder nur die 
Strafe Gottes im Allgemeinen wird gebroht®). 

Die Tirchlicden Strafen zu verhängen, konnte der Urkund-Errichter 
bie Kirche nur auffordern, nicht Tonnte er fie felbft herbeiführen ®). 
Die Anfechtungsftrafe ift 3. B. „Gott und beffen Heiligen” im Klofter 
zu Qucern zu zahlen”). 

Der Herricher droht für Anfechtung feiner Schenkung eine Strafe 
von 2000 Mancofi®) balb an ben Fiscus, halb an ben Angegriffnen 
zu zahlen. 

Von ber Vertragsftrafe heißt es, fie jet inscripta in rebus 
publicis, d. h. in actis, in biefer Urkunde, nicht etwa in ber Lex 
Alam., wie eine andere Stelle fagt?). 

Die Anfechtungsftrafe wird auch wohl in einer befonveren car- 
tula feftgejtellt 1). Ober e8 wirb auch jede Urkunde antern Inhalts 
über das Schenkgut im Voraus für ungültig erflärt1i). 

Beionters bösartig find die Verfluchungen im Teftament bes 


1) Neugart 155. a. 805. 

2) Neugart 1. c. 3 und fehr oft: Doppelerfag fehr häufig W. U. I. 34, 89, 
116. a. 791, Neng. I. 105. a. 788, Zeuß, W., N. 35, oder 1) Zorn ber Dreieinig 
teit, 2) Ausihluß aus ber Kirche, 3) Herausgabe und Eutrihtung bes gleichen 
Werthes an das beichentte Klofter, 4) 3 Pfund Gold und 5 Pfunb Silber, halb 
an das Klofter, halb an den Fiscus, Zeus, W., N. 2, Bluhme ©. 214, feltener 
anathemisatus sit neben duplex restitutio, Neug. N. 330. a. 849. 

3) Zeuß, W., N. 43 und fehr oft. 

4) W. U. 6. Neug. 31. a. 760. 

5) W. U. 17. Neug. 66. a. 776. 

6) Bgl. Siögren ©. 147. 

7) Der dreifache Werth des Schenfguts, daneben an ben Fiscus 3 Unzen 
Gold nnd 9 Pfund Silber, Neng. 518. a. 879. 

8) L. Könige VIII. 5. ©. 59, nicht Mark, wie Neugart 522. a. 881. 

9) W. U. 1. 63. Neug. I. 166. 

10) Zeuß, W., N. 36. 

11) Zeuß, W., N. 39. 


321 


Biſchofs Tello!): dem Anfechter foll ber Schöpfer der Welt Feind 
werben, befonters der Zorn Chriſti drohn, die Dreieinigkeit fol ihn ver- 
fluchen, am jüngften Gericht foll er zur Linken mit den Gottlofen ftehen, 
von ber Erbe verjchlungen wie Dathan, Abiron und Corah in bie 
Tiefe der Hölle ſtürzen, wie Judas fich aufhängen, mit Leib und 
Seele in die Gehenna fahren, die Sünden des Bifchofs und 
feiner Geſippen follen auf fein Haupt fallen, mit dem Teufel 
und beffen Dienern ſoll er verdammt fein, bei ver Auferſtehung follen 
ihn im Seuerpfuhl die 7 Todesverbammniffe treffen: 1) Trennung von 
ben Heiligen, 2) Verſtoßung vom Antlig Gottes, 3) Tauchung in bie 
Hölle, 4) Vergeltung feiner Thaten, 5) keine Reue, 6) endloſe Dual, 
7) enblofe Beftrafung. — Daneben noch 20 Pfund Gold und 40 Pfund 
Silber an die Kirche! — 

Ein andermal foll ver Leſer einer Urkunde mit Anfechtungsabficht 
vor Vollendung der Lefung erblinden. Sehr manchfaltig find auch 
jonft die BVerfluchungen ber Anfechter in vem Xeftament des Tello2), 
daneben Geldſtrafen (fiebenfach). 

Wie gedankenlos man oft bei ver Vertragftrafe verfuhr, erhellt 
barans, daß nur eine »multa«, ohne jede Angabe des Betrages, auf- 
erlegt wirb®), wobei nicht etwa ſtets ein gefetlicher ober gewohnheits⸗ 
vechtlicher Betrag als gewollt gilt. 

Selten beruft fich eine Urkunde auf die »Lex>: aber das thut 
ein Graf (des Hegau’s): ftatt ber üblichen vertragsmäßigen Anfechtungs« 
firofe*), droht er dem Anfechter das, was bie Lex Alamannorum 
enthält). 

Selbftverftännlich ift auch ber Inhalt der Urkunde von Einfluß 
auf deren Form: die Urkunden beiim Tauſch von Fahrhabe (4. 2. 
unfreien Mägben) werben viel kürzer und formlofer gefaßt®). 

Die Urkunden enthalten meift Xand-Viebertragungen im Ding mit 


1) p. 17, 18. 

2) p. 17. 

3) Neng. 451. a. 868. Weber die Schreibfehler in ben Urkunden, TE. 
v. Sickel I. S. 342. 

4) z. B. ben vierfachen Werth, Neug. 543. a. 883. 

5) Neug. 547. a. 884 reddat hoo quod in lege Alamannorum continetur 
(ebenſo N. 246. 2.830, 276. a. 837, 288. a. 836, W. U. I. 96), aber bie gefchriebne 
Lex enthäft nichts hierüber. 

6) 3. ©. Neng. 582. a. 888. 

Dahn, Könige ver Germanen. IX 1. 21 


322 


barauf folgender Betätigung burch den Grafen oder Vogt!) mit dem 
Königsbann ?). 

Schutzurkunden werben nicht nur bei Verleihung des Königsſchutzes 
im Allgemeinen oder ber Immunität ausgeftellt, auch für einzelne 
tönigliche Verleihungen, 3. B. Erlaß einer Abgabe?). 

Biele Eigenthümlichkeiten weifen auf die — römifch gedachten — 
Urkunden in Churrhätien unter der Herrfchaft ver dortigen Lex: aber 
besgleichen zahlreiche für romanische Grundholden von Sanct Galfen, 
nad römischen Sormeln‘). Zumal bie rhätifchen Urkunden fchleppen 
veraltete Claufeln fort. 

Dezeichnend ift in einer alamannifchen Urkunde vie Anführung 
ber aquiliana und arcadiana stipulatio®) ftatt der Berufung auf 
L. Alam. ). Ganz verftänpnißlos und unlateinifh (und grammatil- 
[08) werden bie Ausbrüde älterer römijcher Formeln gehäuft”). Ein- 
mal wird ber Grund des gedankenlos unzähligemal®) wieberholten 
»stipulatione subnixa« angegeben: „weil fie die Feſtigkeit aller Ur⸗ 
funden gewährleiftet"). Was dieſe stipulatio subnixa betrifft, ift 
wohl eher eine römifche Notariatsformel (stipulatio dupli) anzunehmen, 


1) Neug. I. N. 504, 616. 

2) Bol. Eftehard, Z. f. D. A. XII p. 19. 

3) Neug. 575. a. 887 praeceptum tuitionis. 

4) Römiſche Kormeln Neugart N. 14, 15 lex Arcadia 8 C. Th. de pactis 
2, 9 (nit C. 3. L c. de festibus 4, 4, wie Stälin (B.) I. ©. 226 richtig be 
merft de stipulatione subnexa, Pardessus, bibliotheque de l’&cole des char- 
tes II. p. 432. a. 744; vgl. Über bie römifhen Bewohner bier bei Wale⸗ 
ſchwauden“ Stälin a. a. O., Romani aber viel früher in ber Gegend von Arbon 
v. St. Galli, f. oben ©. 118f. 

5) Neugart ]. c. 14. aquiliani arcacani Leias (sic.), (»Arcadia«e Bluhme 
&. 214), (f. bie Anmerkung p. bis Neugart p. 21) 15 1. e. fruniscor flieht bier 
für fruor; fo gewiß richtig Neugart. 

6) 1, 2. 

7) 3. 8. bei ber Freilaſſung T. Aug. B. 42 portas apertas, cives Romani, 
vias ... quaslibit.... pergas. 

8) stipulatione subnixa oft N. 14, 15, 17: 29, aber nicht immer in ben 
Weißenburger Urkunden, cum stibulatione (sic) subnixa, Neugart ]. c. I. 10. 
a. 744, noch a. 861, 882, 904, Neug. 400, 401, 650 in unglaublichen Latein; 
fchriftliche Stipulatton Bluhme S. 202. 

9) Cod. Trad. Sang. 246. N. 419. Wartmann II. 391. a. 844. Noch 
archaiſtiſcher 1. c. 239, N. 406, Wartmann II. 401. a. 847 (?), 854 ). Aquilia 
Archadia legis stibulationis subnixa, quae omnium cartarum adcommodat 
firmitatem. Cod. Trad. Sang. 145, N. 239. a. 820. Aquiliani Arcaciani (sie) 


323 


als der belannte germanifche Gebrauch 1), taber auch kein Wunber, 
daß fich bier nur einmal?) eine Spur von einem angebunden gewefenen 
stipes zeigt. 

Die barbarifche Verarbeitung des römischen Rechts in ver Lex 
Romana und in ben Formeln muß wahrlich vor Ueberjchätung ber 
Kenntniß des Römifchen, fogar in Ehurrhätien, gefehweige im nordöſt⸗ 
lichen Alamannien, warnen. Hier gab es fpäter feine (freien) Römer 
mehr: die Anwenbung des römiſchen Rechts beichränfte fich auf bie 
Kirchen in zweiter Reihe?), nicht warb e8 damals auch fchon auf bie 
einzelnen Geiftlichen als folche angewandt?) ; aus Mißverftand find freilich 
römische Formeln auch auf Germanen angewendet worben. „Unterweilung 
in den Stammesrechten auf Grund einer allgemeineren auf dem römiſchen 
Necht fußenden Einleitung” 6) ift in Landen wie Alamannien gewiß 
nicht, kaum im der Palaſtſchule Karls anzunehmen. „Benutzung un« 
verftanbener Phrafeologie römifch-rechtlichen Urſprungs beweift weder 
Kenntniß noch Benugung ber römifchen Rechtsquellen" ®). 

Anziehend ift ver Vergleich des churrhätiichen mit dem fonjtigen 
romanischen QVulgärlatein?). 


legis stipulatione subnexa, qui omnium cartorum (sic) adcomodat firmitatem 
146. a. 242. a. 420; auch hier fehr häufig >dubla terra<, d. h. das Doppelte au Land 
als Anfechtungsftrafe. 

1) Zweifelnd Kausler im W. U. p. IX. 

2) Teftament Fulrads W. U. 18, Neug. 67. a. 777. 

3) Könige VII. 3. ©. 1f., VII. 4. ©. 11. 

4), A. a. O. S. 8. 

5) Fitting, 3. VII. S. 89 und Bologna ©. 31. 

6) So treffend Eonrat I. ©. 31; vgl. Stobbe I. S. 264, 265. „In ber Lex 
Alam. tft eine fichere Beziehung zum römtichen Necht nicht nachweisbar” Eonrat I. 
S. 2; vgl. v. Sav. 1I. 95, über bie Verwandtſchaft als Ehehinderniß 39, 1 (im 
L. Bajuv. 7,1) 8. Lehmann, L. AL p. 98, 99 N. A. X. &. 500, 501; gegen bie 
von Merkel angenommenen Beziehungen zum xömifchern Recht fehr richtig Conrat 
1. c.; vgl. Walter I, $ 154. Ueber bie capitula secundum Lodoici imperatoris 
filius Lothari imperatoris (mit Entlebnungen aus ber L. Rom. Cur. Conrat I. 
S. 284), Pertz, Legg. I. p. 523, Boretius, Capitul. d. Langob. R. ©. 102f. 
3.5.8 62 X. ©. 239. 

7) 3.8. forcia, menacia L. R. Rh. C. XI. 4, minare = neufranz. mener 
saupire = savoir, sapere XXIII. 13. intrigare, ſchädigen 1. c. 22, strata: hoc 
est via privata, qui (sic) non est strata publica 1. c. 23, ausare, oser, wagen 
1. c. 27 »fraganarius, hoc est prodigus« XXV. 4, 7 (von fracassare, verberben, 
d. h. fein Vermögen? Die, I. p. 146. Du Cange II. p. 583, favellare, fprechen 
(Latinum) L c. 6. X. 4, 1 male civinca Romana (flatt civis) XXV. 10, 1, am- 
bascia p. 319, casa p. 357, caballus p. 313, cablare IX. 13, 2, comestabulus 


21* 


324 


Selten begegnet auch in den alamannifchen Urkunden von 
650— 900 ein germanifches Wort !): baro (im Gegenſatz zu mulier) 2), 
(h) ornung?), fehr oft amallaret) von mallus. Sprach. und Schreib- 
Fehler find auch in biefen häufig). 

Anziehend mahnt eine Formel den Schreiber, vie (germanifchen) 
Namen der Unterzeichner im erften Fall zu bringen, weil fie in ben 
casus obliqui entweder zu ſtark aus ihrer Eigenart fallen ober für 
bie Iateinifche Deckination nicht paffen, aljo nicht Adalberti, Adalgozzi, 
fondern Adalbert, Adalgozzo®). 





p. 442, cosire p. 442, tumba = tombe L. R. XVIH. 5, quedo ordine = 
quieto == ſpaniſch quedo, italien. cheto (Die, L ©. 96). XVIIL 8, roncale p. 
442, lavendorias cosire p. 442, pagalia firmitatis if eine Bertragsurtunde, bie 
Sicherheit gegen Anfprüche gewähren foll, palatio, Beilegung, von pax, wicht von 
paeisi; vgl. Nengart zu 323. a. 849, aber andy Du Cange. VI. p. 89 (von pa- 
gare, payer), firmitas concambii ift, wie concambium 347, a. 853 allein, Tauſch- 
urkunde 371. a. 858 unb oft; pullida = puella L. AL 85, 2, L.R. Rh. C. 
IL 11, Dig, ®. B.L »pulcella«; trabalium, Folter, Geißelung: daher travail 
p. 307, 371, 408, 417, 436 capullare, beſchneiden, L. B.X.4, 1, (f. ans Benebig, 
Könige VIIL 5. &. 355), rebustura = repositorium = thesaurus. X. 9, ata — 
avia, atto, ato = avus L.R. V. 1, 4,5; vgl. Diey, L p. 318, samardacare — 
sollieitare. V. 9, 2 von marrire, smarire, verberben Diez 1. o. 205 (neu eng- 
liſch to mar), prendere V. 5, casa V. 911, nur verberbt aus in contencione ift 
inconteneionosa res VIIL 5, 1; tima = timor, ital. tema, fpan. tema; causa 
= res = chose. IX. 11, 2, cablare == colligere (accabler?) IX. 13, Die L 
p. 75, pagare = payer. IX. 19, 1. Die I. p. 232. Ganz romanifh wirb bie 
Bräpofition de, auch da, zur Bezeichnung bes Genitivs gebraucht: L. R. Rh. C. IEL 
192, parentes de utos parvulos = istorum parvulorum (und fehr oft), in vicem 
de testamento = testamenti. Ebenſo a (b. h. ad) zur Bezeichnung bes Dativs 
N.4, 1.1.c. N. 4, 5: a potentes homines dare = potentibus hominibus; ferner 
duminter (interdum) IV. 8, 1 = altitaltenifeö und provencaliſch domentre, fran- 
zöflfed mentre, fpanifch mientras. Die, W. B. J. 220. 

1) So Neug. 531. a. 882 cartam pacationis allevare quod tiutiscoe (sic) 
Suonbuch nominamus. 

2) IX. 2 1. 

3) IV. 6. 

4) 3.8. IX. 26 und häufig. Ueber bie Befonberheiten rhätifcher Urkunden 
Wartnann I. 165 (a. 802), (u für o wie im Rumänifchen), f. unten. 

5) Ponteficium ftatt potestas, Zeuß, W. 198. a. 230, successores, flatt 
antecessores 205. a. 699, non flatt notum, Zeuß, W., vel bebeutet in Einer Ur⸗ 
funbe 208. a. 787 ſowohl „ober” wie „und“, Form. Aug. B. 34 Signa testium 
7 ve (ober) amplius tempora regis ve? (und) nomen ejus. 

6) Coll. F. Sang. 11. 


325 


4. Strafredt. Strafverfahren!). 
A. Allgemeines. 
1. Ständiſche Gliederung. 

Der Zwed der Rechtspflege im Strafverfahren wie im Bürger- 
lichen ift2), jedem feine »justitia« zu wahren oder wieber zu verfchaffen: 
das ift nicht die abftracte „Gerechtigkeit“, fondern ber Inbegriff ver 
ihm zuftehenden Nechte jeder Art?). In biefem Sinn ift ber Zweck 
zumal des Strafrehts und Strafverfahrene ber Schu bes Friedens ). 
Der Zorn Gottes, der Unrecht bebrobt, foll fern gehalten werden vom 
Lande: durch ungerechte Urtbeile, Verſagung bes Rechtsſchutzes würde 
andrerſeits Fluch und Haß ber Unterthanen auf den Herzog gezogen 
werben. Ä 

Realiſtiſcher wird bie ſchwere Beftrafung des Korndiebſtahls be⸗ 
gründet in Einer Hanbfchriftd): anf daß Triebe im Lande ſei „und 
bie armen Bauern ihren (Grund⸗) Herren den Zins entrichten können“. 

Der dem Weibe ftärter als dem Manne gewährte Richterſchutz ift 
weder auf chriftlihe noch auf fränkiſche Einflüffe zurädzuführen ®) : 


1) Könige VIL 3. S. 13,55. VIIL 4. S. 133. 174. Bluntſchli L ©. 73. 


Lex 3, dazu Woringen ©. 115. Lex 32, dazu Woringen ©. 54, 168. 
„hun ’ „ 59, 102,166. „ 3, „ „ „54. 
” 5, m n n 14T. . ” 35, n n n 9. 
n 23, " n n 68. n 36, n n ” 108 
” 28, n n „ 102. n 45, m " „ 147 
„29, n „ 60. „50, „ 1 „ 81. 

31 „ 103, 93. „ 69 71 


n L ” n  ,‚s mM n n . 
Dfenbrüggen, alam. Straf-R. und ebenbarüber auch im langobarbifchen S. 121, 
176. Wilda a. a. O. Reiche Literatur bei Löffler S, 32 (aber ohne Seranziehung 
bes Alamaunenrechts). 

2) Könige IV. S. 173. 

3) S. unten bürgerliches Recht: ähnlich wie die Engländer »law« brauchen: 
>] will have the law of him«, fagt Shylod. 

4) Ueber Friede, Friebbruch, Hecht, Rechtsbruch und Fehdegang Könige VIIL 
4. 1-9, Wilda ©. 156Ff., 265; Huberti, Gottesiriede und Lanbfriebe I. S. 57. 
Sriebe = Gehege S. 55 (PP). Ueber Fehbegang oben S. 284 und W. Sidel, Frei⸗ 
ſtal S. 151, Bauſteine II. S. 76, Siegel S.8, über Blutrache ©. 24, Oſen⸗ 
Brüggen, Hausfriede 1857, Deutfche Rechtsalterthümer in ber Schweiz 1855 ©. 16, 
©trafredht 1860; arma Du Cange VII. p. 227; über pausare (poser), Rechtsfhug 
bes Haufes, von Halban, Immobiliarproce ©. 344, (Otto) Lehmann, ber Rechts⸗ 
Ihn gegenüber Eingriffen von Statsbeamten 1883 S. 95 (Lex Al. 41). 

5) Cod. 18 1. c. 

6) Wie Stälin (S.) I. ©. 108. 


326 


bei ben Franken, tie das Chriſtenthum Tänger bekannten, finvet fich 
davon feine Spur: auch der Schu der Gräber ift nicht erft chrift- 
ich t), eher ift der Schuß ber Armen, — Arme hatte es in altgerma- 
nifcher Zeit nicht gegeben — auch ter Unfreien, won ber (fränkifchen) 
Kirche aus hieher verbreitet worben. 

Das gefammte Strafrecht, zumal bie Abſtufung ber Strafen, ift 
ftänbifch gegliedert 2). Das Vollsrecht ift nur für die Freien). Der 
Unfrete Hatte Tein Wergeld, nur ein Werthgelp®), dieſes warb aber 
bei Verlegung ober Tödtung höher berechnet als ber gemeine: Tauſch⸗ 
werth, weil ber Thäter außer dem Erfat die Strafe für bie Ber- 
unrechtung des Herrn tragen follte: jo ift ber Werth bes gewöhnlichen 
Unfreien nur 12 sol., aber er tft mit 15 zu vergelten, ein befferer 
(40 sol.) mit 509). Später zählt man dann auch bie Unfreien (ge- 
wiffermaßen) zum Bolt oder doch zu den auch um ihretwillen vom 
Stat Gefchügten, und fo wird allmälig aus dem Werthgeld ein — 
ſcheinbares — Wergeld, das aber nicht den Erben des Unfreien, — 
er bat Feine — fondern dem Herrn zu zahlen ift. 

Geißelung trifft den vermögenslofen Unfreien, wo ber Freie eine 
Dermögensftrafe zahlt oder bie Freiheit verliert, z. B. bei Feiertage- 
entweihung. Oder e8 erfolgt noxae datio, Hingabe burch ven Herrn 
zu Verftümmelung ober Leibesftrafe „bie aber in ver Regel (?) mit 
Geld abgekauft werben Tonnte” 6. Während bei Leichenausgrabung 
Freier die des Weibes doppelt jo hoch, ale die des Mannes gebüft 
wird (80:40 sol.), findet bei Reichen Unfreier folcher Unterfchied nicht 
ftatt: in beiden Fällen 12 801.7). Verkauf von Kirchenknechten außer 
Landes wird mit 45 sol. gebüßt?). Aber auch die Stanbesfcheibung 
von Leten und Freien findet im Strafrecht Ausdruck: gebroht werten für 


1) Wie Stälin I. ©. 108. 

2) Weſtgot. Studien ©. 167, Könige VII. 3. ©. 10. VII. 4. ©. 163, Bao 
tu8 II. 27, 28. Vergeben von Unfreien unb gegen Unfreie, Jaſtrow ©. 28 (Ber- 
fahren ©. 29), Haftung bes Herrn für Schaden durch Unfrete, S. 43 durch Thiere 
©. 48. 

3) Oben ©. 164. 

4) Oben ©. 188. 

6) L. Al. 8, 79, cap. add. 5, 5. 

7) Wilda ©. 660. 

7) T. 50. 

8) 1.c. 8, auch der Magb? 


327 


einen blutwedenden Schlag gegen eine Freie 2 sol., eine Letin 1 sol. 
1 tremisse, eine Unfreie 1 sol.?). 

Im Gegenfat zu ten Unfreien haben ein wahres Wergeld bie 
Halbfreien, aber nur bie Nächftgefippten — die Kinder — erhalten 
einen Theil davon, das Webrige der Schutzherr (ver Freilaffer) 2). 


. 2. Erhöhter Friede). 
a) Perfonen. 
a) Die Weiber. 

Das Alamannenrecht zählt zu jenen in ber fittlihen Anſchauung 
feiner entwidelten Gejegen, welche die Frau, weil waffenlos, mit 
höherem Schuß als den Dann umfrieden: bie Ermorkung ber freien 
Frau wird mit 2880 sol., bie des Mannes mit 1440 sol. gebüßt?). 
Das doppelte Wergeld wird fogar für das im Mutterleib getöbtete 
Mäpchen bezahlt: 24 zu 12: ift das Geſchlecht noch nicht erlennbar, 
12: wird mehr verlangt (weil für ein Mätchen), bedarf e8 bes Eides 
mit Eidhelferne): auch Ausgrabung ber weiblichen Leiche (einer Freien) 
wird ftrenger geftraft®). 

Die beiden Geſchlechter werden einander zuweilen, z. B. im Schuß 
burch das Strafrecht, gleich geftellt, 3. B. gegen Leichenberaubung ”), 
aber als Thäter unterfchieven: 3. B. ver Mann zahlt je nach ven drei 
Ständen 170, 200, 240, das Weib 320, 400, 4809. ‘Dagegen 
wird die Letin doppelt fo hoch gewertbet al8 ver Lete (bie unfreie Magb 


1) T. 57. 

2) L. Al. 17, Wilbda ©. 670. 

3) Könige VIII. 4. ©. 7, 163, D. G. J. a. ©. 350. L. Al. 26—30, fredus 
und bannus v. Woringen &. 90, 122. erhöhter Friede ©. 63, aber überholt find 
Die „Friedensverbindung“ und bie „Befammtbärgfchaft” wie das Meifte über bas 
Strafrecht der L. Al., f. oben ©. 325 Anm. 1 Ofenbrüggen, Strafrecht ©. 47, 
Friedbuch ©. 20. 

4) T.49. Ueber den erhöhten Schub ber Frauen (auch nach Balerurecht) 
Woringen &. 57, I. Orimm R. A4L ©. 558. Weinhold, Frauen S.124. Ofen 
brüggen Straf-R. S.47, 69, Brunner II. ©. 614, P. II. 44—48. L. Al. 45—49, 
54,2. 59, 88, 95, 1, Scheuer ©. 73, 101. Weibliches Geſchlecht: Männer 170, 
200, 240, Weiber 320, 400, 430: P. II. 36—40: zu zahlen als Thäter oder zu 
empfangen als Berlegte? Erſteres, weil ein Weib als Verletzte vorausgeſetzt wird. 

5) L. 88 (91) p. 150. Wilda S. 718f. 

6) T. 51. 

7), P. II. 43 und 4". 

8) 1.c. 36—40. L. 60. 


328 


gleich bem unfreien Knecht), ähnlich wie bei ben Sranten, Magb umb 
Sengft Höher als Knecht und Stute, 


ß) Herzog. Biſchof. 
Auch das höhere Wergeld des Herzogs, des Biſchofs und ihrer 
Zugehörigen) mag man unter ben Geſichtspunkt geſteigerten Brieben®- 
ſchutzes von Perſonen rüden. 


b) Räume Sachen. Berbältnifie. 


Des Königs Gut im Lande wird mit erhöhtem Frieden gefchütt. 
Diebftahl auf einem Königshof wird mit Doppelerfak und dem Königs⸗ 
bann von 50 sol. beftraft?). 

Diebftahl am Herzog wie an ver Kirche wird mit 27fachem Er» 
fa gebüßt?), an ven bei ber Kirche Hinterlegten Sachen mit Ifacher 
Strafe des gewöhnlichen Diebftahls an ben Eigenthämer (dem mittel- 
baren Befiter tes bürgerl. Geſetzbuchs) und 30 sol. an die Kirche?). 
An den Dingfrievens) fchließt ſich der Wegfriede: — auch ber Weg 
zum und vom Herzog®). 

Der Fluß, der als Straße dient, fteht ebenfalls im Straßen- 
frieven?). Auch im Heere waltet erhöhter Friedes). Der ältefte 
einen Raum ſchützende Friede ift der Hausfriebe). Ermorbung im 
eignen Haufe ober mit argliftiger Nachftellung wird mit 9 fachen Wer- 
gelb bedroht. 

Der Bruch des Hausfriedens burch wiberrechtliches gewaffnetes 
Eindringen in ben Hofraum eines Freien wird mit 3, in das Haus mit 


1) &. unten „Herzog“, „Kirche“. 

2) T. 31 (32) pro fredo in publico. Ueber den Königefrieven Wilda S. 254, 
bier gewiffermafien erſetzt durch ben Serzogsfrieben S. 260 (L. Al. 29, 2; Amte- 
friebe des Königegeſandten L. AL 30, Wilda &. 261. 

3) L. Al. 27, 31, 32. 

4) T.5; Raub ebenda: nur Buße an den Eigenthlimer und 18 sol. au bie 
Kirche? Ueber dem Kirchenfrieben L. Al. 5f., 23, Ofendrüggen, Straf. über bie 
L. 4, wo man nad 21 breifaches Wergelb erwarten follte, Wilda ©. 249. 

5) Wilda ©. 233. 

6) L. 58 (66) p. 129 Wilba ©. 780. Weg Wehrung als Raubverſuch? P. 
V. 5, L. 58 (57), Brunner II ©. 563. Schreuer S. 66. Herabwerfen vom Roß P. 
IH. 22. V. 7, L.59, Wilda S. 179, Schreuer S. 67. 

7) L. 65. 

8) Wilda &. 238, Könige VIIL. 4. ©. 163. 

9) Dfenbrüggen, der Hausfriebe 1857, D. ©. I. a. S. 250f. 


329 


12, in Hof und Haus eines Biſchofs oder Pfarrers mit 36 und 
18 sol. bevroht!). Eindringen in ein frembes Gehöft 6 sol., in 
eine fremde Scheuer 12 sol.2); viel härter wird geftraft das Ein- 
bringen und Wegnehmen von Sachen, bie einer Kirche anvertraut, und 
von biefer in eines andern Haufe geborgen waren?). Weilt aber 
„iein Mörder“, d. 5. ver ihn angehende, ber den Gefippen bes Ver—⸗ 
folger8 getöbtet bat, in einem Hof oder Haufe und wirb für ihm nicht 
nicht Ding⸗Bürgſchaft geftellt, bleibt die Verfolgung in jenen Raum 
ftraflos ®). 


3. Straferhböhungs- und Strafmilberunge-Grünbes). 


Straferhöhungsgrund iſt Rüdfall‘). Als Strafmilderungsgrund 
fcheint Zorn, Aufregung zu gelten: wenigftens werben Scheltworte, 
bie gegen Abwefende oder nicht in einem Zank (sine rixa) fallen, 
anders bebantelt, d. h. wohl ſchwerer geftraft als in rixa). 


4. Mitſchuldiges). 


Strafbarfeit ver Gehilfen wird abgeftuft nach dem Maß ber Theil⸗ 
nahme an bem Verbrechen?), nicht nach bem Maß des Schabeng, 
fondern der Schuld 19). 


1) T. 97. 10,11, Wilda ©. 243. 

2) P. Fr.V.3. 

3) L.F. 5, 9, 10. 

4) P.Fr.V. 3. &.158 nisi humicida suus ei in curte aut in casa 
fuerit et pro ipso nullus offerit drietum (directum, barliber vgl. VIH. 4. ©. 7), 
si sequenter ipsum ourrit, hoo non erit ad requirendum; vgl. auch Brunner 
I. ©. 158. Stälin (S.) I. S. 103. 

5) Weber Bruch erhöhten Friedens oben S. 327; Über geringen Stanb (Un- 
freihett) oben S. 188f. 

6) Bei Sonntagsarbeit L. 38. p. 98. 

7) P. U. 31, 32. L. Sal. 64, 2. 30,4. 

8), Könige VIL. 4. ©. 165 Ofenbrliggen ©. 64, 74, erlaubte Hilfe für Flücht⸗ 
linge ©. 123, 175. 

9) L. Al. 34. p. 91 (qui eum seouti sunt) cap. add. 42 Wilde ©. 612, 
623 vgl. ©. 627 zu L. ALL. ce. 45. 

10) Richtig gegen Rogge S. 63 über die Strafbarleit des Verſuchs Wilde 
S. 300, 603: »praesumtio« ift bie Darlegung bes böfen Willens ohne Rüdficht 
auf den Erfolg. 


330 


5. Rothbwehrt.. 


Notbwehr fcheint dem Germanen fchon begrüntet bei ter Kunde 
von einer Nachftellung, von einem zu befürdhtenten Angriff). Als 
Nothwehr für Antere erfcheint es, wird Hilfe für Fliehende verftattet?). 


6. Begnabigung®.. 

Im Wege ver Begnadigung wirb wegen Hochverraths eingezogenes 
Eigen, da® zu beneficium verliehen war, dem Eigentbümer zurüd- 
gegeben). Dahin gehört) auch das Necht des Herzogs, ftatt 
ftrengerer geringere Strafe — gewiljermaßen — zu verhängen. Selbft- 
verftänblich kann der König wie ter Herzog begnabigen von ter von 
Herzog, Stammesverfammlung, andrem Gericht verhängten Strafe. 


B. Tie Berbredgen?:. 
1. Raubs, 

Der Raub zahlreich unterjchiebener Hausthiere wird mit abge- 
ftuften Bußen geahndet: Hengft, Reitpferd im Durchichnitt 12 sol., 
anderer Pferde 6, Stieres 3, Hundes vom Hof- bis zum Jagd⸗Spür⸗ 
Hund 1—12. 

Wegelagern wirb mit 6, gegen Xeten mit 4, Unfreie 3 sol. ges 
ftraft, aber auch von freien, letifchen, unfreien alamannifchen Weibern 
verfieht man fich der Wegelagerei?). 


1) Könige VIII. ©. 165 Dfenbrüggen ©. 70. 

2) L. Al. 98 (Lantfr.) Wilda S. 600 Ofenbrüggen, Strafr. ©. 155. 

3) Dfenbrüggen, alam. Str.R. ©. 123, 175. 

4) Könige VIII. 4. ©. 166. Ofenbrüggen ©. 86. 

5) Neug. 592. a. 890. 

6) S. unten Strafarten. 

7) Könige VIII. 4. ©. 133—144. Oſenbrüggen ©. 74f. 

8) Könige a. a. DO. ©. 133. Ofenbräggen, ber Nacht-⸗Schach, 3. f. D. R. 
XVIII. 1858. 

9) P. II. 53. L. 58. 3. Grimm RA U. ©. 1%. Ofentrüggen, Straf 
recht ©. 371. 


331 


2. Diebftabl. Hehlereit). 


Diebftahl?) verpflichtet zu neunfachem Erfag?). Man unterſcheidet 
großen (über 5 sol.) und Heinen Diebitahlt). 

Wer ein Mühleifen (ferrum 5) molinarium) ftiehlt, bat außer 
ter Rüdgabe ein gleichwerthiges zu leiften und 6 sol. Diebsbuße zu 
zablen®). 

Auffällt, daß auf Diebftahl eines »scopus« 7) durch einen Knecht 
Verluſt Eines Auges fteht oder Löfung durch den Herrn mit 10 sol. 
und Doppelerjaß 8). 


3. Sahbefhähigung®. 


Hier tritt in den zahlreichen und mandhfaltigen Schuabeftimmungen 
für Aderbau und Viehzucht deren hohe Bedeutung als Grundlagen ber 
ganzen Volkswirthſchaft deutlich hervor. 

Zaunbrud, Slurfrevel10) werden forgfältig behandelt. Schon das 
Beſchneiden fremden Zaunes wird mit 3 sol. gebüßt!!). Wer fremde 
Aerndte heimführt, zahlt 12 sol., wer von ber vom Eigenthümer be- 
reit8 begonnenen nimmt, 3 sol.12). 

Bruch oder Diebftahl einer medulla13) 3 sol. Bruch over Dieb- 


1) Könige VIII. 4. ©. 135. 

2) T. 87. 

3) L. Al. 69, 70, 96, 104, 72, 1, 99, 6, 11, 15, 16. Wilda ©. 873, 898. 
27 facher für Königegut, 32, aber auch 5, 2. 7, 1. an befonbers befriebeten Stätten 
und Saden L. 104, Wilda ©. 880. 

4) Merkel, L. p. 132. Köflin, krit. Ueberſchau III. ©. 176. Ofenbrüggen, 
Straf⸗Recht S. 301. Eine Art Munbraub ©. 350. 

5) Richt servum wie Du Cange VIII. p. 90. 

6) V. 13. pro lexaga f. 3. Grimm bei Merlel L. Sal. p. VIII. 

7) Ein Maß Wein [?) Du Cange VII. p. 362 ſ. Zuftände, Eultur. 

8) L. 36 nur Cod. 18. Ueber Diebftahl von Kirchengut L. Al. 21 Wilde 
©. 88 f. unten „Kirchenmefen”, Wilda &. 526 von Sachen, bie einer Kirche an- 
vertraut find, L. 6. Weber Hehlerei von Dieben und Räubern im Haufe 
L. IX. 22. 

9) Andere Berbrehen gegen das Bermögen Oſenbrüggen ©. 126 Zaum- 
Sprung, lang. Str.-R. S. 136. Capitale = Schadenerſatz v. Wortngen a. a. O. 

10) L. AL 54, 3. Wilda ©. 933. 

11) P. Fr. IlI. 19. V. 14. 

12) P. Fr. IV. L. Al. addit. c. 28 Wilda ©. 926. 

13) P. F. V. 2? Nach Lehmann p. 26 ein unbeſtimmbares Holz-Werkzeng, 
nah Du Cange V. p. 326 ein fcheibenartiges. Vgl. I. Grimm, Geſch. d. D. Spr. 
S. 483, 722. 


332 


ftahl eines Wagens!) (mit Rädern), fo daß die Arbeit einen Tag ver- 
hindert wirb?), 3sol., wenn Binterräber 6 sol., wenn eine Egge 3 sol.?), 
Einſchnitt in einen Zaun⸗Abſchluß im Walde für Schweine‘) oder 
andres Vieh 22 sol.; für zorniges Eindringen, um eignes Vieh zu 
fuchen, ohne e8 zu finden, ſechs sol., ebenſoviel für Eindringen in ein 
frembes Geböft®). 

Der gezähmt gehaltne Wifent, Büffel, ver (zum Anlodeen wilder) 
rufende Hirſch (quod brugit) wird bei Töbtung ober Diebftahl mit 
12 sol. gebüßt: Tief ver Hirſch ohne Fußfelfel®), ?/, sol.; Tief er mit 
Feſſel, Hatte aber noch nichts erjagt (sagittatum), 1 sol.; war Roth⸗ 
wild (ruirus feranus) mit ihm erjagt, 3 sol., Schwarzwilo (niger) 
6 sol. Man verwendete alfo den rufenden Hirfch nicht nur zur Hirſch⸗, 
auch zur Wildſchwein⸗Jagd (??). Bei Todtung einer nicht gezähmten 
Hinde 1 Tremiſſe, mit Tußfeflel 1/2 sol, war mit ihr Rothwild er- 
legt 3, wenn Schwarzwilb 6 sol, bei Diebftabl Yfacher Erfap. 
Tödtung oder Diebftahl eines Bären over Ebers, bie alfo auch an 
ben Höfen gehalten wurben, 6 sol.?). 

Für handzahmes Vieh?), alfo auch männliches Hausfchwein, 
(verres, nicht aper) und alle Leittbiere?) bei Tödtung 6 sol., bei 
Diebftahl 3 sol. und den achtfachen Betrag des befchworenen Werthes, 
für Tödtung eines zahmen Rehs (capriolus) eine saiga, für Diebftahl 
neunfacher Erfag 1%). Für Tödtung ober Diebftahl eines Kraniche 
3 sol., für eine Gans neunfacher Erfag: für Ente, Huhn, Schwan, 
Nabe, Krähe, Taube und Kukuk ift ein gleichwerthig Stüd zu liefern 11), 
für den Habicht, der die Wildgans ober ven Kranich fchlägt, 3 oter 
6 sol.12). Xöbtet ein zahmes Schwein (Männchen) ein anderes, fo 


1) 1. 0. 3 de rotas de davante (Borberräber). 

2) L e. ut diem opera tricet Du Cange VIII. p. 178. 

3) Du Cange IV. p. 203. 3 sol. erpix-herpix. 

4) Buricas 1. c. V. 3 vgl. bie Aumerkung bei Lehmann p. 26 und Jalob 
Grimm bei Merlel: „Bauer“ — Käfig, Verfchlag; anders Graff III. ©. 178. 

5) Le. und L. T. 5, 9, 10. 

6) treudis, fehlt bei Du Cange und Schade, vgl. L. Rib. 42. 

7) V. 6, 7. 

8) pecum manualem (Du Cange V. p. 237), qui dieitur alatus? doch 
gewiß »ad latus«, nicht, wie Lehmann p. 29 von ala = volatilia. Bgl. Du Cange 
I. p. 159. 

9) ducaria Du Cange II. p. 200. 

10) V. 7. 
11) 1. c. 8. 12) 1. c. 9. 


333 


ift das Tödtende hinzugeben oder mit 3 sol. zu Löfen!). Tödtet Roß, 
Hausichwein oder Rind einen Freien, ift das ganze Wergeld, wenn 
einen Unfreien, das halbe Werthgeld zu entrichen?). 

Wer den Hengſt (missarius — admissarius) einer Roßherde 
nimmt und verfchneibet, zahlt fo viele solidi, als Stuten zur Herbe 
gehören ?). 

Wer ein Rind aus frember Herde nimmt und zähmt, gebe es 
mit einem gleihwerthigen zurüd, ift e8 getöbtet 3 sol.; für eine mitt- 
lere Stute 6, für eine befter Art 12 sol). 

Springt ein Pferd über fremden Zaun und ſpießt ſich an einem 
Pfahl, Hat der Zauneigenthümer ven halben Werth zu erſetzen: fo 
wirb in einer gewiffen ungefügen Billigleitserwägung der Schade ge» 
theilt, eine Beweisführung über Verichulden oder Unfchuld vermieden): 
der Zaun foll Teine gefährlichen Pfähle enthalten: Fahrläſſigkeit fcheint 
bier nicht nur vermuthet, vielmehr Unſchuldsbeweis ausgefchlofien zu 
werben. 

Eigenmächtige Pfändung ſchädigender Thiere (Schweine, Rinder, 
Kühe, Widder) wird nach dem Pactus®) mit 40 sol. gebüßt, anders 
entjcheidet bie Lex”): hier find 12 sol. zu zahlen, der Pfänver behält 
die Thiere ein Jahr, hat aber jedes verlorene dem Gepfändeten burch 
ein gleichwerthiges zu erſetzen. Schäbigen bie Thiere in Wiefe ober 
Sat, foll der Geſchädigte deren Eigenthümer herbeirufen, auf daß er 
ben Schaben einfehe: er Hat ven Betrag zu erfegen, den Schiebsrichter 
feftftellen oder der Gefchäpigte eiblich zu erhärten wagt ®). 


1). ce. 10. 

2) ]l. o. 12. 

3) P. F. III. 13. L. T. 61 hat der Beftohlene ben Werth zu beweiſen: be⸗ 
hauptet ex 12 sol. mit zwei Zeugen, bann zahlt ber Dieb das Achtfache, bie Hälfte 
in Gold, die Hälfte in beltebigem Gelb. 

4) P. Fr. IL 25. L. T. 68, 1 (bier für den Stier) anbers III. 26 (6 sol. 
und adtfacher Erfab). 

5) P. Fr. III. 18. V. 13. 

6) V. 4. 

7) L. T. 67. 

8) foris mina, minare, führen, franz. mener, Du Cange V. p. 391; vgl. 
Könige VIL 1. ©. 86 minare vestigium et die domino ejus ut veniat videre 
quale damnum fuit eto., dann quantum tu fermare (Könige VIII. 4. 121) 
ausus fueris. 


334 


Wer das Bauft-Pfand eines Andern töbtet (wohl Roß oder Rind), 
zahlt 6 sol., für Schwein oder Widder 31). 


4. Brandftiftung?). 


Dei Branditiftung wird als Erfag eine nach dem Rang bes ver- 
brannten Gebäudes bemefine Buße entrichtet‘). Auf Branbftiftung 
von Schweineftall und Scheune bis zum Wohnhaus fteht Buße von 
3—40 sol. neben Verpflichtung zum Wieberaufbau*). Beſondere Be 
ftimmung ftraft den „Nachtbrand“S): bei nächtlicher Brandſtiftung 
(focus, franz. feu) in Wohn-Haus oder Sal (sala) find außer Erſatz 
40 sol. zu leiften: bei andern Gebäuden innerhalb ter Hofwere (infra 
curte), Scheuer, Speicher, Keller nur 12: geringer noch ift der Schuß 
von Haus, Scheuer, Speicher bes Unfreien®). 


5. Gewaltverbreden”). 


Bei der Heimfuchung begangene Verbrechen werben neben jener 
beſonders gebüßt®). Unter den Geſichtspunkt verbotner Gewalt fällt 
auch die Verlegung bes Wegfrievens‘). So die Wegfperre gegen ben 
Reiter 10). 

Schon zorniges Ergreifen ver Hand oder des Gewandes (drap- 
pus) wird mit 6 sol. gebüßt!1), nicht fchwerer das Herabwerfen vom 


1) P. Fr. III. 6; rechtswidrige Pfändung eines Dritten an gezähmtem oder 
ungezähmtem Bieh 7 1. c. für Pferd 1 sol, Hund (? veltus) 1/, sol, Rind 
1 Tremisse. 

2) L. Al. 83 Ofenbrüggen; alam. ©. 46, langob. Strafredht S. 154. 

3) L. 76, 77. Gilt die bei Branbftiftung herbeigeführte Tödtung als Morb? 
IL. 76, 77. &o Schreuer ©. 51. vgl. Brunner II. 656. 

4) T. 81. 

6) L. 75 (80) p. 140. 

6) 77 (81) p. 141. Wilde ©. 943. 

7) Ofenbrüggen, langob. Str.⸗R. ©. 143 zu L. Al. III. 7. 

8) P. 5. L. 9, 10—12. 44 (45) Wilda ©. 954, 958. Schreuer ©. 49 gegen 
die durch Tödtung S. 63 „qualiflcirte Heimſuchung“ Wilda’s S. 958, Ofenbrüggen 
©. 24, 358, richtiger Schrener „qualificirte Tödtung“ (nicht gerade „Tobſchlag“, 
wie er ſagt); über haistera handi L. Al. 10, 59, 1. J. Grimm, R.A.« J. ©. 5. 
Wilda ©. 560, 561 Über Hausfriebenshrudh f. oben ©. 328. Wilde ©. 241, 
706, 954. 

9) Zwiſchen zwei villae L. 56 (58) p. 115. ©. oben ©. 328. 

10) Schlag gegen Roß oder Relter ſ. unten L. Al. 67, 71. Wilda ©. 780. 

11) P. Fr. III. 3. 








335 


Pferd!); erfolgt zutem das Wegnehmen des Pferdes, muß es {os 
fort nebft einem gleichwerthigen und mit 12 sol. Buße zurückgegeben 
werben?). 

Wer einen Freien bindet und über bie Gränze ber Provinz (foris 
marcha) als Unfreien verkauft, bat ihn mit 40 sol. Buße zurüd zu 
ſchaffen; kann er ihn nicht finden, bat er fein eigen — bes Thäters — 
Wergeld verwirkt?). 

Verlauf von freien Männern und Frauen als Unfreier (außer- 
halb und) innerhalb bes Landes wird mit abgeftuften Geldbußen 
bebrobt?®). 

6. Körperverlegung). 

Außerordentlich manchfaltig find auch in biefem®) Stammesrecht bie 
Unterfcheidungen der einzelnen Bälle ver Körperverlegungen und ent- 
ſprechend die Abftufungen der Bußen?). Aus manchen viefer Be⸗ 
ffimmungen weht uns der Hauch grauer Vorzeit an. So find hoch 
alterthümlich die Unterfcheivungen, ob bei einer Kopfwunbes) das 
Gehirn bloß gelegt wird, ob ein Knochenfplitter aus tem Kopfe ger 
fchlagen wird und zwar ein fo fohwerer, daß er, über die Heer-Straße 
auf einen (ebernen) Schild geworfen, hörbar auffchlägt ), ob ein Knochen 


1)1. c. II. 22. L. T. 58, 59. 

9) L. T. 59. 

3) P. Fr. III. 12. II. 34. Wilda ©. 797, 798. Merkel L. Al. p. 60. Ofen- 
Brüggen, alam. Strafe. &. 273, langob. Strafreht ©. 77. 

4) 80, 160, 400, 12, 24 sol.; von Kirchentnechten außer Landes 45 T. 
46-48, 8 (96-98) addit. c. 34. 

5) Könige VIII. 4. ©. 137. Weber die Unterfheibung von Vorſatz, Fahr⸗ 
Läffigleit und Zufall hiebei J. Al. 82, 6. Wilde &. 547. Ofenbrüggen, Ungefähr- 
Thaten, Berfahren gegen abweſende Todtſchläger, D. Nechtsaltertbämer in ber 
Schweiz I. 1858. III. 1. Löffler I. 1. &. 39f. ©. 101. 

6) Bgl. D. G. La. ©. 235f. und daſelbſt die Begründung ber Erſprieß⸗ 
lichkeit folch genauer Regelung, gerabe megen bes fo lange Zeit verftatteten Fehde⸗ 
gangs: beide Bethelligte follten im Voraus willen, was fie bei Wahl bes Rechts: 
gangs zu fordern, was zu leiften hatten: fonft würde fih durch Markten bie Ber: 
handlung gar oft zerichlagen haben und num boch ber Fehdegang eingetreten fein. 

7) Weber die genau abgeftuften Körperverleßungen und anderen Schäbigungen 
f. die Iufammenftellung bei Stälin (®.) I. Pactum I—V. L. 55 (57)108 (109). 

8) Pact. Alam. I. 1. Kopfwunde bis auf bie Hirnſchale L. Al. 59, 3 big 
in bie Hirnſchale 59, 6. Wilde S. 738f.; Arzt heiſchende Wunden L. Al. 65, 
5.6. 59, 5. 7. Addit. 4. 8. Wilda ©. 736. Knochenbrüchige Wunden L. Al. 65, 
18. Addit. 8. Wilda ©. 743. 

9) 1.c.8 3. L. AL 57, 4. 69, 465. 3. Grimm R. A.« I p. XV. S. 109. 
IL. 185, 484. Schreuer ©. 16. 


336 


im Kopf zerfchlagen!) wird, ob bei Augenverlekung die Bupille in 
ter Höhle geblieben oder; heransgetreten?), ob das Ohr?) gefpalten‘) 
oder abgehauen oder gehörunfähig geichlagen®), ob ber Arm ober 
oder unterhalb des Ellenbogens durchbohrt wird). Uralt ift auch 
bie Anfchaunng, die dem Begriff des tau-dragil unterliegt: „Thau⸗ 
Schleifer“, d. 5. durch bie Verwundung trat eine Verkürzung be 
Fußes ein, excurticare id est bicurtit”), fo daß er bei'm Gehn 
tur das Gras den Thau abftreift). Ganz genau wirb dann 
unterfchieden abbauen ober lähmen ber fünf Finger (wie 2:1) und 
zwar bei jedem wieder das erfte, zweite u. ſ. w. Glieb®): mancare, 
lähmen, erhöht die Buße von 6 ober 3 bis anf 20 sol., pertruncare, 
abbauen, auf 40 (over 12 Eibhelfer)1%. Abhauen bes Fußes 40, 
Lähmen 20 sol.: Tann ber Verletzte noch außerhalb bes Gehöftes 
(villa) umbergehen und auf feinem Feld (campus) mit feiner Stehe") 
dann 25 sol. (oder 22 Eibhelfer) 12). 

Wunden, bie verunftalten 12) oder Schwund verurſachen, werden 


1) 8 4. Lex 57, 3. 

2) 1. c. und L. 57, 13, 14. 

-3) Ueber Obrverflämmelung, scarti, Scharte L. 57 (60) p. 118 f. Graff VL 
S. 258 Schade ©. 728; über „Glasauge“ (quod Alamanni dicunt) L e. 57 ei) 
p. 119; melus daſelbſt iſt — malus, Xugapfel f. Du Cange V. p. 389 (fig 
Herold bafelbft), daher Addit. 9 id »est affut«; ebenda zu muctus id est >r038« 
zu »pressus« f. Du Cange VI. p. 492 franz. ↄde prös«; über ben Markzahn = 
Eckzahn L. 57 (63) p. 120, über balg-bruft, pellis rupta, L. 57 (64) P- 122 
Schade &. 37. Blut ftopfen, id est zivirste dene L. 65. p. 123 über töbtliht 
unbe, hr&övo-vunt, Seitenwunbe, gora-vunt 1. c. abortus, verwurf, 73 P- 134 
poledrum, id est volon. 1. o. p. 126. 

4) simaverit Du Cange |]. c. 3 und Lex 57, 8. 

6) 1. c. 4 und Lex 57, 9. 

6) L ec. II. 8 1—6 wie 6 zu 3 sol. L. AL 57, 31, 32. 

7) L. AL]. c. p. 127, 132 addit. 9. 

8) L. AL 65, 31 Wilde ©. 748. 9. Grimm RAT. ©. 131. IL 6. 19. 
D. Myth. &. 1026. : 

9) P. II. 16—23: Daumen 12, ber 2 Finger 10, ber britte 3, ber vierte 5, 
der fünfte 10, die Lähmung meift bie Hälfte: aber bei bem britten in 
Fällen 3 (Schreifebler?) vgl. L. 57, 4150; P. II. 26, 29, nochmal vom 
Daumen L. 57, 63, 64. 

10) P. II. 15, 24. L. 57, 38. 

11) stelzia, gralla Du Cange VII. p. 594. 

12) 1. 0. 25. L. 57, 61, 65. j 

13) Narbenlaffenbe, entſtellende Wunben L. Al. 60, 1,3. 61, 1, 2. 62, 2° 
64, 5. Wilba 746, | 


337 


höher gebüßt!), ebenfo durchbohrende?) Leibwunden, oder Armwunden, 
zumal lähmende?) over verjtüämmelnde‘®). | 

Blau- und Blut-Hiebe werden mit gehäuften Einzelbußen be⸗ 
brot), dagegen werben zwei mit Einem Dieb herausgeſchlagne 
Zähne nur wie Ein Zahn vergolten®), daneben gehäufte Zahnbußen”). 
Für bintlofen Schlag gegen eine Freie 2 sol., eine Letin 1 sol. 1 tre- 
misse, eine Unfreie 1 sol., einen Freiens) bei blutigem Schlag, fo 
daß tas Blut die Erbe berührt, 11/. sol., wenn ber Schäbel fichtbar 
und gefchoren wird. 

Die Handbuße ift gleich der Summe ber Bingerbußen®); bei Ver: 
letzung des „längſten“ Fingers wirb unterjchieben, ob er noch gebogen 
werben kann, fo daß er den Schilvriemen fallen und eine Waffe von 
der Erde aufheben mag). Das Abhaden aller Zehen wird nur etwas 
geringer gebüßt als leichte Lähmung bes Fußes !1). 

Verwundung oberhalb des Ellenbogens ober der coxa12) ober dem 


1) L. 57 (27, 37—38) Schrener ©. 80. 

2) P. II. 5 (7) 6 (8) 9 (10) 13. L. 57 (55, 56), (35, 36), (32, 63), 64, 4, 
65, 3—5. addit. 3, 46, 16. Wilda ©. 742. In revo placare, Todeswunde, 
12 sol.; ober 12 medii electi @ibhelfer P. II. 11. L. 57, 54, 55. Gegenſatz: ut 
in revo placatus [sic, ftatt plagatus] non sit, 6 sol. ober 6 ſolche Eidhelfer 1. c. 12, 
L. 57, 53 hr&o = Leiche P. II. 11, daher heute noch baterifch hrech⸗Brett, Dahn, 
Bavaria I. ©. 350. Ueber hr&va-vunt Schreuer ©. 9, ©. 17; (über Stihwunden 
S. 16); noch feine allgemeine Lebensgefährbungsbuße: hrövavunt fol nur Ber 
letzung ber inneren Organe, „Leibwunde” (?) fein. 

3) Dauernde Unbrauchbarleit eines Gliedes L. Al. 65, 9. 23. Wilde ©. 748, 
des Auges 61, 3. 4. Addit. 1. Wilda ©. 771. 

4) L. 57 (62). 

5) P. V. 1, 5. L. 57, 1. 2. Schreuer ©. 8. Ueber puli-slac L. Al. 59, 1. 
Wilde S. 733, 773. Ofenbrüggen ©. 237 über biutfiteßende Wunden (59, 2) 
©. 735. 

6) L. 57, 20, 24, 25. Schreuer ©. 23, 24. 

7) p. 118 1. oc. 57, 23. Schreuer ©. 23. 

8) Aber nur minofledus, vgl. L. T. 57 (puli-slac). 

9) P. Al. II. 16, 24:12 +10 +3+5 + 10 = 40. Ich entnehme 
dies Schreuer S. 20 vgl. 266 über die Fingerbußen ©. 22, 25; die L. ändert 
hierin ben P. wegen ber einzelnen Yingerglieberbußen, währenb bie Hand⸗ ober 
Unterarm-Bußfe als Wergeldtheil ftehen biieb. 

10) L. 1. c. p. 126. 
11) P. II. 25 über ben Unterfchenkel und Oberſchenkel Schreuer S. 21. Buße 
der großen Zehe 6 sol., da8 Doppelte ber Buße für Ein Glied Schreuer S. 22. 
Ueber einzelne Zehen L. 57 (64, 65) Schreuer ©. 19. 
12) Du Cange II. p. 603 Schreuer ©. 16. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. „9 


338 


jeniculum wird doppelt fo ſchwer als unterhalb gebüßt. Unter- 
fchieven wird, ob das Glied durchbohrt — dann 6 sol. — oder nur 
ber Nerv getroffen ift, jo daß »wasilus«, Wunbfaft2), humor, eindrang. 
dann 3 8ol.?). 

Mertwürbig iſt, daß ein Schlag, der dem Reiter galt, aber das 
Pferd traf, gebüßt wird, wie wenn er ben Reiter getroffen hätte ®). 


7. Zödtungd): Mord), Todtfhlag, Körperverlebung mit 
tödtlihem Erfolg. 


Mord an freiem Mann oder Weib?) wird mit Yfachem Wer: 
geld®) gebüßt wie Diebftahl mit Yfachem Era), und Waffen und 
Gewand, Rauba!P), die der Mörder dem Getöbteten abnimmt, bat er 
als furtiva (neunfach) zu vergüten. 

Hat ein Freier einen andern getöbtet, ihm biutbefledte Sachen 
abgenommen und ben Gefippen (parentes) des Erfchlagenen gebracht, 
foll dies nicht als Leichenberaubung geftraft werden 11), im Gegenfas 
zu dem Berauben einer Leiche im Grab 12); behält er fie aber, zahlt er 
40 sol. (die Hälfte der Grabraubbuße) 13). 

Wird ein ®emeinfreier mit Vorbedacht im eignen Haus überfallen 
und getöbtet, ift eine Geldbuße von 1440 sol. verwirkti4: übrigens 
wird Morb des Gemeinfreien mit heimlicher Nachftellung auch außer- 


1) P. UI. 5, 7—12. L. 57, 31f., 62. 

2) Schade S. 1102. 

3) P. II. 9. durchbohren, transpungere wirb ſtets höher gebüßt. 

4) L. 64 (71) p. 133. Ueber aberratio ietus L. AL 75 DOfenbrüggen ©. 144, 
der aber bier Verſuch annimmt, vgl. ©. 151. 

5) Könige VIII. 4. ©. 138, Wilda ©. 689, Ofenbrüggen, Proceß gegen ben 
abweienden XTobtichläger, Deutſche Rechtsaltertbämer in der Schweiz III., alam. 
Straf. ©. 93. 

6) Wilde S. 706, Giftmord L. Al. addit. c. 22, Wilde 968. 

7) Quod Alamanni mort-todo dicunt ©. 3. Grimm, R.A. ©. 179. 

8) Die Wergelber ber Cap. Remedii v. Wyß ©. 222. (Doppelte Bußen für 
Frauen auch bier?) ©. 225. 

9) L. 61. 

10) Franz. robe, Du Cange VII. p. 29. Weber Heimlichkeit (und Leichen- 
ausraubung) bei'm Morb (L. AL 49, 1) Ofenbräggen, Iangob. Strafreht S. 621. 
Schreuer S. 34, 147. 

11) P. II nihil est ad requirendum. 

12) l. o. 43, 48, 79. 

13) ©. unten ©. 341. 

14) T. 45. 


339 


halb des Haufes ebenfo geftraft!) und ber fo verübte Morb einer 
gemeinfreien Iran mit bem Zweifachen: 2880 sol.2): das waren in 
den meisten Fällen unerjchwingliche Summen, an beren Statt Schulb- 
verfnechtung trat. 

Ermordung ber nächlten Verwandten (Vater, Bruder, Vaters» 
bruder, Bruderſohn, Mutter, Schwefter) wird mit Verwirfung des 
Vermögens an alle Verwandte, ausgenommen Kinder und Enkel („Erben“ 
in diefem Sinn), fowie mit fchwerer Kirchenbuße beftraft?).. Mord—⸗ 
verfuch — fchon Mordplanung — gegen Herzog wie Bifchof wird 
gleich jchwer geahndet). Dom Mord unterfchieven wirb Todſchlag 
3. B. im Raufbanbel®). 

Eine gewiffe Anerfennung oder doch gelinde Ahndung von Blut⸗ 
tache und Fehde, jowie weitgehende Berüdfichtigung von Reizung und 
Aufregung liegt vor, bleibt der Hausfrievensbruch®) ftraflos, wenn 
die Genoffen (pares, al. parentes, Gefippen) des Erfchlagenen ben 
Todtſchläger in das Haus verfolgen und ihn bier tödten: nur das 
einfache Wergeld, nicht Hausfriedensbruchsbuße ift zu entrichten; aber 
nur, wenn bie Verfolgung fofort in ber Erregung geſchieht: bleiben 
die Genofjen im Freien bei „ihrem“ Todten, verfolgen ven Flüchtigen 
nicht in fein Haus, legen die Waffen nieber und fchiden dann erft in 
die Nachbarfchaft, fcharen Genoffen um ſich, dringen tann erft in das 
Haus und töbten jenen, ift neunfaches Wergeld wegen bes Taltblütig ge- 
planten Hausfrievensbruches fällig”). 

Verlegung einer Schwangeren, fo daß das Kind tobt geboren 
wird (ober vor der 9. Nacht fttrbt®), |. unten S. 340), wirb mit 40 sol. 
gebüßt 9). 

Verſchuldeter Tod eines Neugebornen wird angenommen, wenn es 


1) T. 49. 

2) 1. co. 

3) L. 40. p. 100, Lex Rib. 69, 2, Ofenbrüggen ©. 225. 

4) S. unten Statsverbredhen ©. 343. 

5) Mehrere Töntungen in Einem Raufhandel L. 25, 2, Schretter ©. 112. 
In Lex Al. 41, 1 (Tobtjchlag auf der Straße, Verfolgung in das Haus) Wilde 
©. 272. 

6) Oben ©. 328. 

7) L. 44 (45) p. 105. 1; vgl. Pactus 5, 3. 

8) 1. c. 2, bie Satsfolge iſt verichoben. 

9) P. UI. 30. L. 70. Ueber Tödtung von Schwangern, von ungebornen 
Kindern (L. Al. 77, 51), Wilda S. 720. 


22* 


340 


nicht 9 Nächte (8) tie Geburt überlebt nach einer vor der Geburt er- 
folgten Verlegung der Mutter ?). 

Die Abtreibung durch die Mutter?) erklärte Sanct Pirmin, ein 
Haupt-Belehrer ter Alamannen?), als Zöbtung‘). Schwer wirb ge- 
ahndet Tödtung in der Kirche. 

Merkwürtig ift die Unterfcheivung ber Tödtungen durch verfchiepne 
Arten von Xhieren®;: bei Tödtung des Freien burch Roß, Eber, Rind 
zahlt der Eigner das Wergeld des Getödteten, wie wenn er felbjt ihn 
erichlagen hätte, bei Tödtung bes Unfreien erjegt er aber nur Das 
halbe Werthgeld des Unfreien dem Herren”). In graue Vorzeit hinauf 
reicht das Recht bei Tödtung eines Freien durch einen (fremden) Hunt: 
bie Sippe erhält das halbe ober nach ihrer Wahl das ganze Wergelc: 
(eßterenfalles muß fie aber dulden, daß ber getöbtete, entbalgte Hund 
9 Fuß über ber Hofthür, durch vie allein fie aus und eingeben darf, 
aufgehängt wird, bis er verfanlt und das Gerippe herabfällt; bei 
früherer Entfernung muß fie bie Hälfte bes empfangenen Wergefbes 
herausgeben: dieſer uralte Nechtsfag foll die Sippe einbringlich ab- 
halten, jenes ftrenge Recht voll zu verlangen 8). 

Töptet ein zahmer Eber den eines andern, ift ber Tödtende bin» 
zugeben ober mit 3 sol. zu Löjen®). 

Richtet ein verpfänbeter Knecht ober ein Saul Schaden an 
(Tödtung), fo ift zu unterfcheiven zwiſchen wiberrechtlich genommenem 
und vertragsmäßig gefeßtem Pfand, in jenem Tall hat der wiberrecht- 
liche Pfänder, in diefem ver Verpfänder die Buße zu zahlen 1). 


1) L. 70 (77) p. 137. 

2) Kinbsabtreibung burch Andere, L. Al. 94, Dfenbrüggen ©. 228. 

3) Geſt. c. a. 755, Potthaſt II S. 1529; f. aber ber ben geringen Werth 
ber vita Rettberg II S. 51; vgl. Dümmler und Holder-Egger bei Wattenbache 
I. 275. 

4) Ich entuchme bie Merkel zu L. Bajuv. VIII. 19. 

5) (L. Al. 4: 60 sol. ber Kirche, 60 dem Fiscus, Wergelb an bie Sippe), 
Wilda ©. 529, f. unten „Kirchenweien“. 

6) Ueber Haftung für Thiere, Wilda S. 588, über noxae datio L. Al. cap. 
add. 37, Hunde &. 592, f. aber auh I. Grimm R.A. S. 235, der bie Aehnlich⸗ 
keit mit dem norbifchen Recht hervorhebt und auch bieburch das hohe Alter darthut. 

7) P. II. V. 12. 

8) T. 102. 

9) P. Tr. III. 15. V. 10. 

10) L. 83 (86) p. 147. 


341 


8) Grab⸗ und Leichen⸗Freveli. 


Ausgraben einer Leiche wird mit AO ober 80 s0l. gebüßt, je 
nachdem es eine männliche ober eine weibliche Gemeinfreie) ift: daß 
auch nach dem Tode das Weib doppelt gefchüßt wird, ift hochbebeut- 
fam?), während bie Leichen Unfreier ohne Unterjchieb des Gefchlechts 
nur mit 12 sol. Buße gefchüßt werben. Leichenberaubung wirb mit 
80 sol. gebüßt?). 

Geftraft wird auch, wer Todte in fremder Erbe ohne Erlaubniß 
bes Eigners beitattet: wer „feinen“ Tobten, b. 5. deſſen Beftattung ihm 
obliegt, in fremder Erbe begräbt, zahlt 12 sol. ober ſchwört mit 12 Eid⸗ 
helfern, daß er es nicht aus böfer Abficht gethan; wer eine ihm 
frembe Leiche, zahlt 40 sol., ein Unfreier 12 sol. ?). 


9. Beleidigung). 


Ein Weib, das einen Freien (nicht bei einem Zank) »subdo- 
lus« 6) fchilt”), zahlt 12 sol. oder der Gatte ſchwört fie mit 12 Eidern 
freis). Schilt ein Weib das andere gegenwärtige ohne gleichzeitigen 
Streit ober ein abweſendes „Here“ (stria) ober Kräuter⸗Hexe (erbaria), 
zahlt es ebenfalls 12 sol.?). 

Die gewaltfame Verjcheerung eines Freien an Har ober Bart 
(nicht Scheerung zum Mönch) ift vor Allen Ehrverlegung, bie mit 
12 oder 6 sol. gebüßt wird 19). 


1) Ofenbrüggen, langob. Str.-R. ©. 152. 

2) T. 48, 49, 50. p. 108. 

3) Neben der Rüdgabe Wilda &. 711, 973, 978. P. II. 43, 44, 45. L. 49 
(50). Ofenbrüggen, langob. Strafrecht ©. 152. Schreuer ©. 112. 

4) P. Fr. III. 20. V. 15. Lehmann p. 32 vermuthet mit Hecht, daß es fich 
bier um Belämpfung heidniſcher Beſtattungsweiſe handelt. 

5) Ueber bie Ehrverlegungen Köftlin Z. f. D. R. XV. 1855: über L. A. 53. 
S. 164; L. 66, ©. 166. L. 28 S. 107. L. 21 &. 177. L. 58 ©. 199. L. 61 
&. 200. 

6) Du Cange VU. p. 627. 

7) Lex Sal. 30, 4. 

8) P. II. 32, im Zank wird wohl gelinder geflraft. 

9) P. II. 31, 642. L. Al. add. c. 21. Wilda S. 790 über Zurücknahme 
der Schmähung Ofenbrüggen, S. 105, 258, 263, langob. Strafreht S. 77. 

10) L. 57 c. 29 (65) 1, 2. 66. p. 122. I. Grimm R.A4 ©. 395. Wilde 
S. 777 [ob auch Körperverlegung?] 


342 


10. Geſchlechtsverbrechen!j. 


Notbzuht an einer Unverheiratheten (auf einem Wege zwifchen 
zwei Villae) wirb mit 40, an einer Berbeiratheten, weil auch bad 
Recht des Ehemannes verlegt wird, mit 80 sol. gebüßt?), au ber Un 
freien nur mit 6°). 

Entführung einer freien Ehefrau wird unter Rückgabe mit 80 sol. 
geahndet, beläßt fie ver Dann tem Entführer, mit 400 sol‘); ſtirbt 
fie, bevor ver Gatte fie zurüd verlangt, jevesfalls 400. Hat ber Ent: 
führer vor dem Loskauf Kinder mit ihr gezeugt und fterben biefe, ift 
beren Wergeld an den (erften) Ehemann zu bezahlen: — eine voße, 
offenbar uralte Rechtsanſchauung 6); leben fie, fo ſtehen fie nicht in 
Muntichaft des Erzeugers, fondern bes erften Ehemanns ihrer Meutter‘) 
Bei Entführung fremder Braut find feltfamerweife viel mehr, nämlid 
200 sol., bei ver Rückgabe zu zahlen, ober fie ift (bei Einwilligung 
bes Bräutigams) wohl auch bier mit 400 sol. zu Löfen, ebenfoniel 
zahlt der Entführer, wenn fie bei ihm (sub eo) ftirbt?); grundloſe 
Berlaffung der eignen®) büßt nur mit 40 sol., Entführung einer nicht 
verlobten Freien — weil kein Bräutigamsrecht verlegt ift — mit nut 
40 sol. (nebſt Rüdgabe). 

Dei Ehebruch und Blutſchande fteigt die Buße mit der längeren 
Dauer ?). 


1) L. Al. 86. 3. Grimm, über die Notmmmft an Frauen 3. f. D. 8. I 
©. 77. Schreuer ©. 86. Könige VIIL 4. ©. 137. Ofenbräggen S 118. 

2) T. 58. Wilda ©. 806; über die Geringheit ber Buße S. 836, 784, 835. 
Ofenbrüggen Iangob. Strafreht S. 80. Schon Entblößung L. AL 58. Wilde 
©. 784. L. 49-54. p. 115. 

3) T. 59: noch dazu am einer gefchicteren Kleiderſchneiderin. 

4) T. 51. Wilda &. 850 über Zugehörigkeit ber Kinder S. 842. 

5) Aus ber aber keineswegs mit Dargun, Mutterrecht und Raubehe bei 
Biere, Unterfuch. XVI 1883 zu folgern tft, daß auch bei den Germanen Mutier 
recht galt: benn es handelt fich ja bier nicht um eheliche Kinder! ©. dagegen 
richtig K. Lehmann, N. Ar. X. ©. 497. 

6) 1. c. 

7) L. 51 (52) p. 110. 

8) L. Al. 53, Wilda ©. 806. 

9) L. 46, 50, Brunner II ©. 664, Schreuer ©. 87. 


343 


11. Meineib!. Berläumbung. 


Beſonders fehwere Strafe dem Meineid drohen unter kirchlichen 
Einfluß die Capitula Remedii?) und deshalb ähnlich den malefici 
et sortilegi?). 

Wieberholtes (zwei oder breimaliges!) Falſchzeugniß entzieht bie 
Zeugnißfähigfeit %). 

Der Lex Al. tft die Talion bei falfcher Anklage frembd>). 


12. Amtsvergeben®.. 


Dem Richter wird die Erfüllung feiner Pflicht eingefchärft, aber 
ohne Strafe für Suftizverweigerung’). 

Das römiſche Necht hatte dem beftechlichen Richter pecuniam in 
sportulo tollere) Schwertftrafe gebroht®), ebenfo dent, ber eine ma- 
trona burch ben apparitor herbeiführen läßt®). 


13. Statsverbrehen?!!). (Hochverrath. Landesverrath. Berwandtes). 


Auf Landesverrath in Heranrufung eines fremden Volles zu feind- 
lihem Einfall fteht Todesſtrafe, Verbannung ober von Herzog und 
Adel beftimmte Gelbftrafe. 

Meint die Einladung an ein fremdes Volk (gens extranea) in 
ber Provinz (Alamannien), hier zu heeren und zu brennen ti), auch etwa 
Reichsangehörige (? 3.3. Baiern) oder nur Reichsfremde? Das Gleiche, 
begangen von einem Alamannen, aber bezüglich anbrer Neichstheile ift 


1) Könige VIII. 4. S. 142, Ofenbrüggen ©. 116, 153. 

2) Bgl. v. Wyß, Geſetze S. 233, ſ. unten. 

3) ©. 219. 

4) L. 42, 103. p. 102, Oſenbrüggen, Strafrecht S. 389. 

5) Ofenbrüggen, Talton ©. 184, anders bie L. Baj. VIII. 17. Ueber faljche 
Anflage L. A. 44, Ofenbrüggen, Iangob. Strafr. S. 159. Ueber bie calumnia 
nad) den Cap. Remedii, Wyß, Geſetze ©. 226. 

6) ©. oben S. 270f., Amtsmißbräuche, Könige VII. 2. ©. 88. VIII. 3. ©. 58. 

7) Bel. Kohn, Juſtizverweigerung S. 155. 

8) L. R. Rh. 1. 6, ſ. unten. 

9,1. c. 8. 

10) Könige VII. 4. ©. 143, Ofenbrüggen S. 162, langob. Str.R. ©. 53. 

11) L. 24 (25) p. 85. Weber Landesverrath (Merkel, L. Al. Hloth. 25, Oſen⸗ 
brüggen S. 394, langob. Strafr. S.23, Wilda S. 984—990) L. 24 (25) Schreuer 
©. 155; auffällt, daß die dadurch, 3. B. durch Brandſtiftung, Geſchädigten wegen 
Einziehung des Vermögens bes Berräthers leer ausgehen: — vieleiht aber ward 
boch dieſer Anfpruh vor ber Einziehung befriedigt. 


344 


hier nicht vorgefehn, obwohl es nach dem Perſonalitätsgrundſatz auch 
nah Alamannenreht zu ftrafen wäre. Schon bloßer Mordplan 
gegen ben Herzog!) ift Hochverrath. 

Der Ungehorfam gegen ein Gebot, zumal die Rabung, von Herzog, 
Graf, Centenar wird abgeftuft mit 12, 6, 3 sol. gebüßt?), Verfäumniß 
bes ungebotnen Dinges mit 12°), Ungehorfam gegen gerechten Richter: 
ſpruch mit 12 sol.“), während ber Richter für (wifjentlih ?)®) un- 
gerechtes Urtheil ebenfo viel und Schadenerſatz zu leiften bat. 

Für Anfechtung oder Verlegung Töniglicher Verleihungen wirb 
eine Buße für den Gefchäbigten und eine oft ebenfo große Brüche 
(mulcta) an ben Fiscus gebrobt®), aber nur durch Privatverfügung ?). 

Falſch ift Die Urkunde, welche bie Verlegung eines Klofterprivilegs, 
ebenfo die, welche den überfordernden Klofteruogt mit crimen laesae 
bebroht®). 

Als Verbrechen gegen ben Stat läßt fich auch auffafien Heer- 
Flucht?) und Bruch des Heerfriebens 10). 


C. Die Strafen‘), 
I. Allgemeines. 

Auch Hier12) begegnet willkürliche Strafbeftimmung, aber nicht, 
wie port bei ben Franken, durch den König allein, durch den Herzog 
allein, fondern durch Herzog und Abel: 3.3. auch bie Höhe einer 
Geldſtrafe. Aber der Nichter (Herzog) Hat auch bie Wahl unter meh- 
reren Strafarten!?): 3. B. Tod oder (ſchwere) Gelkftrafe für Morb- 


1) L. 24, Wilda ©. 990. 
2) T. 28. 
3) T. 36. 
4) T. 41. 
6) 1. c., ſ. oben ©. 306. 
6) Trad. Sangall. 10, 11 sociante fisco multa conponat 4 una oum fisco. 
5,6, 7, 12, 15, 16, 22, 24 und fo faft immer, |. oben ©. 319. 
7) ©. oben ©. 320f. 
8) W. U. I. 78. a. 817, W. IL 8. a. 761. 
9) L. Al. 93, Wilda S. 988, Ofenbrüggen S. 399. Ueber Beſtrafung ber 
Feigheit Tac. Germ. co. 6, 12, W. Sidel, Freiftat ©. 28. 
10) Wilda S. 238. 
11) Könige VII. 4 ©. 144—162; Öffentliche Strafen Ofenbrüggen S. 39. 
v. Wächter Beilagen (bie römifchen Strafen ©. 66) 
12) ®ie VII 4. ©. 160. 
13) L. Al. 25 Wilda ©. 518. 


345 


anfchlag gegen ven Herzog nach Wahl des Herzogs und des Adels 1), 
Tod oder Verbannung für Landesverrath?), Heerfriedensbruch mit 
Tödtung?): wird bier der Wahlberechtigte nicht genannt, find wohl 
auch jene gemeint. 

Häufig findet fich die Wahl zwiſchen zwei Strafen in Geftalt des 
Löfungsrechts: 3. B. der Herr kann das Auge feines diebiſchen Knechts 
durch Zahlung von 10 sol. retten®). 

Dan) vermuthet mit Recht, daß bie (ſchwere) Beftrafung gewiffer 
— zumal von ber Kirche verfolgter — Verbrechen (Blutſchande, Ehe⸗ 
Bruch) erjt aus dem Neichsrecht in das Stammesrecht®) übergegangen 
fei, aber paricidium war gewiß von jeher — ſchon in Heibenzeit — 
ſchwer ftrafbar ”). 


II. Die einzelnen Strafen. 


1. Brügelftrafes). 
Wie in allen Stammesrechten trifft tie vermögenslofen Unfreien 
Beißelung®), z. B. bei &etreibebiebftahl, und zwar für jedes manipel 
2 Streide 19). 


2. Gefängniß it). 


Auch Hier!) meinen carcer, vincula, custodia faft immer 
Unterfuchungshaft, jehr felten Gefängnißftrafe 13). 


1) T. 23 (24) p. 83. 

2) L. c. 24 (25). 

3) T. (20) 25. 

4) Cod. 18 zu L. 36. p. 97. 

5) Wilda ©. 521. 

6) L. AL 25. 

7) L. A. 39, 40. Anders Wilda a. a. O. 

8) Könige VIII. 4. ©. 144. Weſtgot. Stublen ©. 186. 
9, Wilde ©. 512. L. Al. 78, 2. 

10) L. 36. Cod. 18. p. 96. 
11) Könige VIII. 4. ©. 146. 
12) Wie Könige VIII. 4. a. a. O. 

13) Oſenbrüggen, alam. Strafreht &. 96. Waitz⸗Seeliger VI. ©. 588. 


346 


3. Ein- und Aus-Bannung!). 


Verbannung ift bier — zuweilen — anders als exilium im 
Trantenrecht?) Ausbannung nur aus dem Herzogthum: ohne Zweifel 
Ausweifung aus ber Provinz?) droht dem empörten Herzogfohnt). 


4. Bermögensftrafen). 
a) Sriedensgeld. Bann‘, 

Das Frievensgeld für Rechts- und Bann⸗Bruch in jchweren Thaten 
wider König oder Stat beträgt wie bei ben Franken 60 solidi?). 
Neben dieſem Königsbanngelb ftehen Tleinere Friedensgelder von 40 ®), 
meift 129) und 4 sol.19). 

Eine Proceßbuße von 12 sol. (— dem Heinen Friedensgeld) ift 
zuweilen für Ableugnung zu bezahlen 11). 


Das Strafgeld, die Wette, wird tem State, fisco, bezahlt: 
nichts andres bebeutet e8, wenn fie dem Richter judici bezahlt wird) 12, 
ber nur einen Theil für fich behalten tarf. Anders, wenn ber Richter 
fetbft ver durch unbegründete Urtbeilfchelte Verletzte tft: Hier ift ihm 


1) Könige VIII. 4. ©. 148. 

2) VII. 4.©.148 a.a. DO. Ueber Ein- ober AusBannung, exilium L. 24, 
25, 33, 50, 57, 65. Schreuer ©. 154, 269. Waitz⸗Seeliger VI. ©. 585. 

3) L. 35. p. 92. 

4) Dagegen L. 24 (25) p. 85 in exilio exeat ubi dux (nicht judex) 
miserit könnte vielleiht auch Einbannung in der Provinz gemeint fein; das 
römifche ift felbfiwerftäublich gemeint in der L. R. Rh. DI. 1, 7 f. unten. 

5) Könige VIII. 4. ©. 150f. v. Wächter, Beilagen Nro. 22, ©. 80. 

6) Könige VIII. 4. ©. 151. 

7) L. A. 4. fredo solvat in fisco . .. quare contra legem faeit, ®ilba 
©. 469 vgl. ©. 31, 1. 36, 3. Später in Tarolingifcher Zeit fchrieb man 37, 4 
bannum ſtatt fredum f. Lehmann bafelbft. 

8) Wilda ©. 464. 

9 Wilda S. 455. 12 sol. für Gerichtsungehorſam, Berlauf von Unfreien 
außer Landes L. 37. p. 97 und viele anbere Bergehen. 

10) Wilda ©. 463: er Hagte Über das Schwanken in ben Hanbfchriften, f. jet 
die berichtigte Ausgabe von Lehmann zu L.1, 3, 4, 8, 31, 34, 36, 2. 37, 46, 
87, 89. 

11) L. p. 72. 64, p. 148 bei Verbrechen des Knecht, Ableuguung bes Befites 
gegenüber ber Eigenthumsbklage. 

12) Trad. Sangall. 8. 


347 


nicht Wette, fondern Buße zu entrichten‘), Auch bei bloß idealer 
Concurrenz werben bie Friedensgelder gehäuft). 


b) Sub). 


Nicht zu verwechleln find die dem Verlegten zu zahlenden Bußen 
mit dem Friedensgelb (Bann, Wette), das dem Stat — König, Herzog, 
Graf — zu entrichten ift: das Kleinere Frievensgeld und bie ſchwerere 
Buße find gleih: 12 sol‘). 

Das größere und Kleinere Frievensgeld ver Alamannen und Baiern 
beträgt 40 und 12 sol. fowie eine Grundbuße von 12: bei ven Franken 
(ſtatt 12) 15 und (ftatt 40) 60 sol. In einzelnen Hanpfchriften ber 
oberbeutjchen leges bat fräntifcher Einfluß — jenes verfchollene Könige» 
geſetz — die fränkiſchen Zahlen eingeführt >). 

Ohne Grund führt man‘) bie reiche Gliederung ber Körper: 
verlegungen und ihrer Bußen auf ein urfprüngliches Talion⸗Syſtem 
zurüd”). 

- Einmal fällt die Buße an ben burch eine Hanblung nur Gefähr- 
teten, nicht auch fchon Geſchädigten: an den fortlämpfenden Neben- 
mann bes Schlachtflüchtigen 9). 


1) L. Al. 41, 3. Wait II 6. ©. 329 vermiſcht Wette (Strafgelb) und 
Buße; vgl. Ofenbrüggen alam. Strafreht S. 73, Berbältniß zur Buße ©. 76, 
Maſchke ©. 14. 

2) P. II. 36, 39. L. 12, 46, 50—53. Bgl. Schreuter S. 116, 266. 

3) Könige VID. 4. S. 150. D. ©. I.a. ©. 235 Oſenbrüggen S. 31; bie 
alamannifche Mordbuße, langob. Strafrecht, gerichtliche Buße, Gelöbniſſe S. 62. 
Hensler II. ©. 230. 

4) ©. 12 sol. für ſchwerere, 6 für leichtere Wunben Pact. I. 1; f. das Syſtem 
ber firen Bußen oben wie bei Weflgoten, weflg. Studien S. 178, 212 Schreuer 
©. 34 über Einzeltaren — im Verhältniß zum Sachſchaden — Schreuer ©. 39, 
aber ſ. P. II. 43, 44. L.48, 57 von 3 bis 800 sol. Weber bie Wunbbufen von 
11/o, 3, 6, 12, 40 sol. L.69, 2—7 Addit. 1, 2, 16, 17. 60, 1,2, 3 (Obr), 61, 
1, 2, 3. 62, 1, 2 Maſe) 63, 1, 2, 3-8, 11, 35. 64, 3, 4. 65, 3—9, 24, 25, 
27, 31, 36, 37. Wilda ©. 762; auffallende Uebereinſtimmung mit dem Friefifchen 
©. 764; 69, 1, 2 Wilda S. 736, 766; ogl. bie Zufammenftellung S. 768; I. Grimm 
R-A V. ©. 184. L. Al. 65, 13—21. Add. 10—15; 63, 3—8, 1. Wergeld, 
Königsbann 160 sol, Grafenbann 12 sol., Hengft, Reit- und Streit-Roß 12 sol., 
Jagdhund 12 sol., Zuchtthier 12 sol., mittleres Pferd 6 sol., Schäferhund 3 sol., 
befieres Rind 5 Tremifien, mittleres Rind 4 Tremiſſen. 

5) Bgl. Brunner, Königsgeſetz ©. 945. 

6) Stälin (S.) I. ©. 104. 

7) ©. ben wahren Grund oben S. 335 Anm. 6. 

8) T. 93 : 160 sol. 


318 


Erichwerend wirkt, wenn tie Hälfte tes venwirkten Geldes in 
Gold bezahlt werten muß, nur tie Hälfte in andrem Gelt, „wie er 
e8 hat”, 

Die Compofition wird beftimmt nur nad) dem Erfolg, ohne Rüd- 
fiht auf das innere Verhalten?). 


e) Insbefondere Wergeld?.. 


Das Wergeld ift Bußel, nicht, Schadenerſatz!). Die Grund—⸗ 
zahl des Wergelbs beträgt 160, ver Buße 12 SolibiS) bei ven Ala- 
mannen. Aber in fchweren Fällen wird es erheblich gefteigert: fo 
bedroht den Mord 6) des Freien (oben ©. 338), teilen neunfaches 
Wergeld (9>x<160 — 1440) ?). 

Auf die Höhe des Wergelds wirken außer dem Stand ein Ge— 
Ihleht (Frauen), Amt, geiftliche Weihe). Das Wergeld tes Biſchofs 
ift gleich dem tes Herzogs’. Neben dem Wergelo iſt nicht auch noch 
Wundgeld zu zahlen 19). 


1) L. 8, p. 75. Diebftahl von Kirchenfachen 61 (69) solvat medietatem in 
auro valentem pecunia (sic) p. 131; fehr oft in den Urkunden, f. unten Juflänbe. 

2) Löffler S. 35 (richtig gegen Bewer ©. 41) Ungefährwerl S. 39; bafelbft 
reiche Literatur über das germantiche Strafrecht ©. 32. 

3) Könige VII. 4. ©. 151 D. G. J. a. ©. 235f. Löffler S. 34. A. B. Schmidt 
Schabenserfat, über Buße und Wergeld, Erfak und Strafe S. 1ı—3 [L. Alm. 86 
©.9) Brume, 3. f. R. ©.2 german. Abtheil. III. S.10 G. Meyer v. Knonau 
Dentmäler ©. 53. 

4) So richtig Schreuer ©. 217 gegen A. B. Schmibt. Ueber alamannifche 
Mordbuße Ofenbrüggen langob. Strafrecht S. 62. 

5) L. 46, 2. addit. c. 22, 39. Wilda S. 421; über L. AL 5 (vgl. Schwaben- 
Spiegel ed. Laßberg &. 330), Ofenbrüggen, Strafrecht S. 71; über fränkiſchen Einfluß 
auf Wergeld und Bann ber Lex Wilda S. 95. Dahn D. ©. Ia. ©. 211, 272, 
302, 358, 403. 

6; mortuatus, P. II. 41 im Unterſchied vom Tobtihlag mit Borbebadht 
unb Leichenverbergung f. oben S. 338 f. 

7) Ueber Häufung von Wergeldern P. 36, 39. L. 12, 46, 50-53 Schreuer 
&.116; aber L. 49 ift zu leſen novigildas flatt — wie Codex 7 — novem 
widrigildas. 

8) Ueber bie Abftufungen des Wergelbes Dierlel de r. S. 9, 30, 35, wo 
aber die Abweichungen ganz irrig aus Münzänderungen unb bie primi, d. h. 
der Abel, für bie ingenui erflärt werben; bie medii follen bie Franken, bie 
(halbfreien) leti aber bie (oollfreien) barones de minofledis ©. 8 fein, bie Ehlothachar 
ben Sreigelaffnen und ben fränfifchen leten (zwifchen fr. liten und al. leten 
beſteht aber fein Unterſchied) gleichgeftellt habe. 

9) L. Al. 12, 16. Wilda ©. 327. 

10) L. 25, 33. Schreuer ©. 78. 


349 


Bei den Alamannen wird das Wergelb nur dem Erben (Ablümm- 
ling) bezahlt, Exrbenfühne, nicht auch den andern Gefippen (Magen⸗ 
fühne) ?). Ä 

Zumeilen aber bleibt unbeftimmt, wen das Wergeld zu entrichten 
ift: dem König oder dem Herzog oder ber Biſchofskirche für ben 
Biſchof, dem Biſchof oder ter Pfarrkirche für ven Pfarrpriefter2). 
Aber nicht deſſen Erben: er hat — gleichfam — Teine Sippe mehr?). 
Buße und Wergeld fallen bei Erblojen an ben König‘). 

Zuweilen verwirkt der Verbrecher fein eigenes Wergeld, indem er 
gleichſam fein Leben losfauft). 

Der Schlachtflüchtige zahlt, zurüdgelehrt, dem im Stich Gelafi- 
nen®) 160 (al.) 80 s0l.). Das iſt alfo das volle (al. halbe) Wer- 
gelb: vielleicht ift auch Hier an Löfung des Lebens bes Flüchtlings 
oder an ven Werth des beprohten Lebens des Andern gedacht. Auch 
das Wergelb ift zuweilen in Gold zu zahlen). 


d) Einziehung®),. Verwirkung des Erbredts. 


Einziehung ift Begleitftrafe, bei Todesurtheil und Eril!%). Aber 
auch als alleinige Strafe (oder mit anderen als ZTobesftrafe) tritt fie 
auf: fo wegen Verwandtenmordes, verbotner Che, Entführung 11). 
Dritteleinziehung des Vermögens bei Sonntagarbeit im 4. Rüdfall 12). 


1) L. 46 (47) p. 106 und bazu 8. Lehmann ]. c. 

2) L. 11 (12) 12 (13) p. 77 nach weflen Wahl? 

3) L. 11 (12) 14 (15) p. 76—78. 

4) Ober an ben Herzog? Stälin (S.) I. S. 104. Ueber bas felbfiftänbige 
Wergeld für das im Mutterleib von einem Dritten getöbtete Kind P. II. 30 (11) 
vgl. L. 70 Schreuer ©. 53. Das Wergeld ift auch zu entrichten in dem dunkeln, 
tertverbrebten Fall P. II. 35: wiregildum cum ea, [b. h. stria? So Lehmann 
l. c.] desolvat: vielleicht wiregildum suum? (ebenfo 41 secundum legitimum 
wiregildum suum) Merfel willkürlich: »cum D. C.«, verneunfadht bei Morb 
l. e. 41. 

5) P. Fr. III. 12. P. II. 36. L. 16, 45, 60 vgl. Brunner I. ©. 248. 
Schreuer ©. 133, 191. 

6) Welchem? wohl feinem Nebenmaun im Keil. 

7) L. 90 (93) p. 152. 

8, König und Kirche L. Al. 8; 69, 1. 70. 

9) Könige VIII. 4. ©. 154. L. Al. 25, 38—40 Ofenbrüggen, alam. Straf 
reht ©. 101. 

10) L. 24 (25) 25 (26) p. 85. 

11) L. A. 39, 40. 

12) L. 383. p. 98 hereditas bier = Bermögen, Wilda S. 520. 


350 


Zur Strafe für infidelitas wird einem Baffallen des Königs 
fein Eigenthum entzogen, dann bei nachgewielener Unfchuld zurüd: 
gegeben und die darauf folgende Mebertragung an einen Dritten vom 
König urkundlich befräftigt?). 

Wegen (verfuchten) Hochverraths des Grafen Udalrich vom Argen- 
und Linz-Gau und deſſen Gattin Peretheide wird beren ganzes Eigen 
in Alamannien und Elfaß eingezogen, aber ſpäter im Wege der Be 
gnabigung zurüdgegeben 2). 

Wegen Theilnahme an einer Empörung wird repräftirtes (jo- 
wie umgetaufchtes) Gut vom Fiscus eingezogen, aber im Gnadenweg 
auf Bitten des Klofters dem Schulbigen) zurüdgegeben. 

Als Vermögensftrafe ericheint zunächit auch die Verwirkung tes 
Erbrechts). Auch die unfchuldigen Nachlommen (heredes) des Ber: 
wandtenmörbers verwirken ihr Erbrecht zu Gunften jener anderen Ber- 
wandten). 


e) Aehrfacher Erſatz. 


Die Vermögensſtrafe kann auch beſtehen in mehrfachem, 3. B. 
neunfachen®), Erſatz des Werthes. 

Geſteigerte Geldſtrafen bedrohen Verletzung der herzoglichen Ver⸗ 
treter (3 fache) oder des herzoglichen Vermögens (27facher Erſatz des 
Diebſtahls wie an Kirchengut)). Für Raub nur zweifacher, für 
Diebſtahl — wohl wegen ehrloſer Gefinnung und Gefährlichkeit — 
neunfacher Erfaß 8). 

Häufig wird hier wie in dem Edict Theoberih8%) Erſatz nicht 
in Geld, fondern in einer gleichwerthigen Erſatz⸗Sache, 3.8. Unfreien, 
geleiftet 19). 


1) Neng. 424. a. 864. 

2) Neug. 592 a. 890 pravo consultu contra regalem majestatem nostram 
deliquisse: oben &. 270. 

3) W. U. I. 175. a. 904: bat in der Zwifchenzeit ber Figeus ben Zins 
(von dem freilich nicht bie Rede) bezahlt? 

4) Bei Empörung eines Herzogfohnes T. 35. 

5) L. 40. p. 100. 

6) L. 5. p. 71. 

7) ©. oben ©. 331. 

8) L. Al. 5, 2 Wilda S. 570, aber 8 und 9Yfacdhen. L. Al. 74, 1 Dfen- 
brüggen, langob. Strafredt ©. 118. 

9 S. Könige IV. ©. 10. 

10) L. V. 8, 10 und fehr oft. 


351 


5. Verknechtung i. 


Treffend hat man?) bemerkt, daß die Verknechtung zumal für ſolche 
Miſſethaten gedroht wird, welche erſt unter Einfluß der Kirche den 
Charakter der Strafbarkeit erhalten haben oder nach kirchlichen Grund⸗ 
ſätzen durch Strenge getilgt werden ſollten: z. B. Sonntagsentheiligung, 
Blutſchande, Ehebruch?). Verknechtung trifft ſchon die Sonntagsarbeit). 

6. Ehrenfirafen 5). 
Eidunfähigkeit tritt ein wegen wiederholten Balfchzeugniffes®). 
7. Xobesftrafe?). 

Zobesftrafe bedroht nur Landesverrath®), Bruch des Heerfriebens 
durch Empörung mit Tödtungꝰ), Mordplan gegen den Herzog 1%) und 
Biſchofsmord. Nicht erft Karl bat die Todesftrafe bet den Alamannen 
eingeführt 11). 

Tobesitrafe für infidelitas trifft Erchanger, Berthold und Liutfrid12). 


5. Bürgerliches Recht 13). 
I. Sachen⸗Recht. 
1. Eigenthum. 
a) Allgemeines. 
Auch der Herricher nennt fein gefammtes Erundeigen 14) »hereditas 
nostra«, doch nur a potiori: eignete er Doch auch erworbenes Landis). 


1) Weſtgot. Studien &. 199. Könige VIII. 4. ©. 155. 

2) Wilda S. 518. 

3) L. Al. 38, 4. 39, 2. 

4) Im Rüdfell T. 38. 

5) Weftgot. Studien S. 190. Könige VIII. 4. S. 155 Brandmarkung auch 
hieher? Dfenbrüggen, alam. Strafredht S. 94f. 

6) Wilba S. 978. 

7) Weſtgot. Studien S. 205. Könige VIII. 4. ©. 158. 

8) T. 26. 9) T. 26. 

10) T. 23 (24) p. 84. Beginn der Ausführung ift nicht erforberlich. 

11) Wie Stältn (8.) I. S. 361, ber auch nicht bie Bertragftrafen für Anfechtung 
son Schenkungen an Kirchen unter die öffentlichen Strafen ftellen ſollte. 

12) Annal. Alam. a. 916. 

13) Rechtszuftände bei den Alamannen in ber vorfränfifchen Zeit, Hirſchberg 
©. 510f. 

14) Ueber bie Namen bes Grundeigens: proprietas, allod, hereditas, f. VIII, 
2. ©. 17. 

15) Neug. 581. a. 888 particula hereditatis nostrae 514. a. 878. W.U.I. 
153, hereditas ift meift Grundeigen: auch W.U.I. 153. Neug. I. 514. a. 878, 


352 


Das Volleigen wird mehr bejchrieben, als begrifflich bejtimmt in ben 
Worten: (proprietas) sicut lex et justitia unicuique homini de 
proprietate sua concedit habendum!). Diejes Volleigen und bas 
barans folgende Necht freier Verfügung, zumal auch der Mebertragung 
bes Eigenthbums, brüdt aus das formelhaft immer wieberholte: »manu 
potestativa«?). 

Eigenthumsübertragung ift auch gemeint mit den Worten dono . 
perpetualiter ad possidendum 3). 

Es wird oft unterfchieven Ererbtes, Trapirtes und Errungenes 4) 
im engern Sinn, d. h. durch Arbeit, Bemächtigung, Rodung: anderer- 
jeits „alles Eigen”, d. h. jeder Art in 8 Orten). 

Zur Erklärung des oft erwähnten Miteigenthums, condominium, 
consortes, bedarf e8 durchaus nicht der Annahme eines befonberen „ger- 
manifchen Gefammteigentgums", vielmehr ift einfach Miteigenthum zu 
idealen Theilen — ganz wie im römifchen Recht — gemeint: denn sors 
ift auch ®) bei Alamannen”?) und Baiern ®) = pars = portio. Solde 
condomini find 3. 3.9) fehr oft Miterben: 3. B. mehrere Söhne, 
bie hier, wie- wir aus ben Urkunden lernen, gar häufig noch lange 
nach dem Tod des Vaters die ererbten Grunpftüde nicht (real) ge- 
theilt, ſondern ungetheilt befeffen und bewirthichaftet Haben. So jchenten 
zwei Brüber Land und Unfreie Xorfch, wohl ungetheiltes Vatererbe 1). 


denn das Erbrecht war angemafit: hereditatem injuste invasam quasi heredi- 
tario jure sibi vindicavit. 

1) Grandidier II. N. 153. a. 986. 

2! Manu potestativa nemine contradicente, fonder Einſpruch W. U. I. 60. 
Neug. I. 155. a. 805. a. 843, m. p. trado, concedo, contrado Du Cange VL 
p. 441. 

3) Cod. Laur. NR. 72. a. 769 und oft. 

4) Neng. 453. a. 868. 

5) l.c. 455. a. 869. 

6) Zeuß, W. 230. a. 778. Ueber bie Gründe, welche, zumal in den Bergen, 
die ungetheilte Bewirthichaftung empfehlen mochten, |. Meiten I. S. 530. Huber, 
die Gemeinſchaften in der Schweiz (Gierke's Unterſuch. 54) führt ebenfalls das 
„Hausvermögen” ©. 7. zuräd auf lange Zeit unvertheilt bleibenbes Erbe S. 5, 
folgt aber meift Gierke bei den Arten ber gefammten Hand („Banıtlienverband”. 

7) Wie bei Vandalen, Oft- und Weft-Goten und Burgunden Könige I. 
S. 206. III. ©. 6. VI2. ©. 62. Urgeſch. IV. S. 115. 

8) Sangall. 155, 360 (was iſt bier swascara? Nicht privilegium wie 
Graff VI. p. 520); ); gl. Schabe S. 905. Fehlt bei Du Cange. 
9) L.B. IL Trad. Trad. Patav. 62. 
10) Cod. Laur. N. 288, a. 791 (auch 292. a. 808?) 302. a. 783. 


353 


In anderen Fällen erhellt freilich nicht deutlich, unter welchen Berfonen 
und ans welchen Rechtsgrund gemeinſames Eigenthum (zu gedachten 
Theilen) an einem Walde befteht!). Es kann ebenfalls Erbgut fein 
oder gemeinfamer „Bifang*, fehwerlid Markgenoſſenfchaft?). 

Bolle Wiverlegung des Irrthums, es habe auch in ber Zeit ber 
Lex Alamannorum nur die Sippe, nicht der Einzelne, Grundeigen- 
tum haben können, bringen die zahlreichen Urkunden, in benen Eine 
Hand — auch eine Frau — alleinhandelnd Grundeigen überträgt?), 
auch in ber meift verwertheten Stelle ver Lex) ift nicht nothwendig 
gejagt, daß gerade zwei ganze Gefchlechter die Recht s ſu bjecte bes 
Gränzftreites find, nur daß Angehörige zweier Geſchlechter ftreiten 
und zwar durch Kampf enticheiven: bas erklärt, daß es bier zum 
Kampfe kommen Tann und foll: denn unter Angehörigen Einer 
Sippe ift der Kampf ausgefchloffen: dies feheint befriebigende Er⸗ 
Härung der Stelle. Auch die Vererbung nach der Kopfzahl ber Erben 
ſchließt „Sefammteigenthum“ ter Sippe aus (verfchieven vom »con- 
dominium» ber »consortes«, oben ©. 352). 

Die häufige Mitwirkung gewifjer Perfonen bei Veräußerung von 
Srundeigen beruht durchaus nicht auf Gefammteigen ver Sippe, fonvern 
theil® auf condominium, theils auf Beifpruchrecht 5), theils auf Munt⸗ 
[haft und Vogtei 6). 

Aber auch die Nechtsverbältniffe der Almännde gründen keines» 
wegs auf „Geſammteigenthum“ der Dörfler: vielmehr befteht Allein- 
eigenthum ber Dorfgemeinde als universitas personarum, belaftet 
burch bie binglichen an bie Gehöfte gelmüpften Nugungsrechte (jura in 
re aliena) ber Hofeigner”). 


1) Neug. 461. a. 871 de eommuni silva quantum ad portionem nostram 
pertinet. 

2) 3. Grimm a. a. O. II. ©. 64, eircuitus, Beunde, Meiten I. &. 136. 

3) Bgl. Über bie Frage Brunner, zur Geſchichte des germantichen Wart⸗ 
rechts; — von Dultig, das Deutiche Grunderbrecht. — v. Halban, Entflehung des 
Deutſchen Immobilter-Eigentbums I. — Haufen, agrarhiſtoriſche Unterfuchungent. 
— Helmolt, die Entwidelung der Gränzlinie aus dem Gränzſaum im alten 
Dentichland. — Wahre vindieatio an (ohne Willen) verlomer Fahrhabe, 
Hermann, Grumnbelemente der altgermaniſchen Mobilisroinbication &. 1f. 

4) c. 83. 

5) Deßhalb oft Zeugen, Opet, Stellung ber Weiber ©. 26. 

6) B. auch Bewer ©. 16, 18f. 

7) Bgl. auch Thudichum Gauverfaſſ. S. 236—271, 314, Gegenfag: Sonber- 
eigen ©. 315. 

Dahn, Könige der Germanen. RL. 1. 23 


354 


Bon Beſchränkung des Grunbeigens durch „Obereigenthbum“ bes 
Königs (oder Herzogs), durch ein „Boden⸗), Berg-, Jagd⸗, Waſſer⸗ 
Regal” befteht auch Hier?) nicht die Spur eines Schattens eines 
Scheine. 

Es ift?) ſchlagend nachgewiefen, daß bis ins XI. Jahrhundert 
ber König nur auf feinem eigenen Grundbeſitz Bergbau trieb, von ven 
Bergwerken anderer Grunbeigner aber lediglich einen (ſchon im 
römifchen Recht nachweisbaren) Zehnten erhob, ter ben Charakter einer 
dffentlich-rechtlihen Abgabe trug, nicht aber auf der Vorausſetzung 
eines Obereigenthums ober Berg. over Boden⸗Regals beruhte. 

Gar nichts beweift für das Bergweſen die — rein theoretifche — 
Beibehaltung der römifchen Strafe ad metalla in ver L. R. Rh. C. 


b) Yeränßerung und Erwerb von Grundeigend). 
a) Formen. 


Die finnbilvlichen Wahrzeichen ver Uebereignung find die gleichen 
wie überall®): Handſchuh (wanta)”), manicia (a. 848), Meſſer 
(Sachs?)8); oft vertritt ein Theil, ein Stüd das Ganze: fo der Baum⸗ 
zweig (ramus) den Wald, die Raſenſcholle (zurf = Torf) die Wiefe ?). 
Sogar ein Biſchof (Ratpert) überträgt einem andern Biſchof Grund- 
eigen durch das Wahrzeichen eines Meſſerleins 10) (vor Zeugen): beive 


1) Auch Eramer ©. 291 ftellt, Schröder folgend, ein „Bodenregal“ auf: er 
verfieht darunter das Recht bes Königs, „unbebautes“ Land in „Befit“ imicht 
Eigenthbum?) zu nehmen: danach durfte er alfo jebem Privaten beffen Wald weg- 
nehmen. Es fol wohl bebeuten „berremlofes” Land. 

2) Bgl. Könige VII. 5. ©. 122. ©. unten „Finanzhoheit“. 

3) Gegen Schröbers Annahme eines Bergregals und Obereigenthums bes 
Königs von Zycha, das Hecht bes älteften deutſchen Bergbaus 1899, 529f. 

4) C.1.5, f. diefe. 

5), Könige VIII. 4. ©. 181f. 

6) 3. Grimm R. A. S. 153f., Bewer ©. 35f. 

7) Ein Schenker überträgt Eigenthum cum sua wanta Neug. 519. a. 884 — 
guanta, gant, Handſchuh, I. Grimm, Grammatik III. ©. 451 (R. 44 ©. 209 
führt unſere Stelle an), Diez, W. B. I3 p. 228. Ueber die Arten ber Auf- 
laſſung nach altheidniſchem Recht mit facralen Formen Richard Schmidt, Affe 
tomte &. 27f. 3. Grimm R. 44 I. ©. 662. lieber die festuca notata (midht no- 
data!) 3. Grimm R. A.«; als Wahrzeichen bei Alamannen Form. Lang. IX. 
Walter III. p. 551. I. &. 153, 168. 

8, ©. die Beläge bei Stältn (V.) I. ©. 358. 

9) L. Al. 81 (84) p. 746. 

10) Neugart 69, 3. Grimm, R. A. J. ©. 235. 


355 


waren Germanen und damals (a. 778) lebten Geiftliche in zweiter 
Linie noch nicht nach römiſchem, fontern nach ihrem Stammesrecht . 
Der Beräußerer erklärt feierlich feinen Verzicht, fein Hinausgehn aus 
dem Bejit?). Ä 

Der Erwerber umgeht an tem Tage bes Gütertaufches feinen 
Erwerb mit dem Probft und dem Vogt des Klofters, fowie in Bes 
gleitung von Voll und Zeugen). 

Einmal wird vor der Auflafjung das zu ſchenkende Land dem 
Boten des Klofterd gezeigt und „confignirt”: wohl nur tautologifch, 
nicht Befigübertragung ®). 


P) Beiſpruchſsrecht. SalmannenS). 


Daraus, daß bei Verträgen über Grundeigen außer dem Eigen- 
thümer als hauptjächlich Handelnden oft auch deſſen Miterben, cohe- 
redes, häufig Brüber®), genannt werben (daher cum manu fıilii, 
fratris trado), darf nicht gefchloffen werten, daß das Grundeigen nicht 
Einem, nur der Sippe zugeftanden habe: die Erben müfjen nur ein- 
willigen, mithandeln, damit fie nicht fpäter die Veräußerung des 


1) Könige VIII. 4. ©. 18. 

2) Resignare, exire, Bewer ©. 7. 

3) Cod. Trad. Sang. 312, N. 537 Wartmann II. 557. a. 872, ähnlich 562. 
l. c. a. 841—872 post vestituram et consessum. 9. Grimm a.a. O. I p. XIV. 
©. 119, 122f., 3295. II. &.74. 

4) Cod. Laur. 4. a. 780. Unerflärt, wie I. Grimm R. A.« ©. 209, 335, 
271. U. ©. 89 haben auch alle fpäteren, Schade ©. 18 eine Art der Uebergabe, 
Zahlung, Laffen müſſen: ben Ausbrud vandelanc, handelanc, andelanc bei ber 
Salung: das nächſt Liegende — Hanblangung — tft fprachlich ausgeſchloſſen nach 
Grimm a. a.D.: allein aud fachlich: denn da e8 neben [andern Sachen Meſſer, 
Raſen, Zweig festuca notata] tbatfähhlich auf das Pergament gelegt und mit all’ 
dem aufgehoben wird, muß es auch eine Sache, Tann nicht eine Hanblung fein. 
ergl. Form. Lang. IX. Walter III. p. 551, adtractus per andelangum (ver- 
fhrieben andolagnus) Zeuß, W. 233. a. 713. 

5) Dahn, Rechtsbuch S. 140, 254. — Alfreb Schulte, die langobardiſche Treit- 
band und ihre Umbildung zur Teſtamentsvollſtreckung, Gierle, Unterſuchungen, 
Band 49. 1895. Heusler I. ©. 215. 

6) 3.8. Nengart 323. a. 849: hier wirb Streit Über Grunbeigen burch Ber- 
gleih unter Schenkung an Sanct Gallen, 'gefchlichtet (jactatis inter se causis) 
351. a. 854 cum heredibus et comparticibus nostris. Beftätigung ber Schen- 
fung des Baters durch den Sohn, Neugart 264 a. 835; wielleicht ber Aeltern durch 
die Tochter und beren Bogt unter bem bieherigen Zins von 1 sol. 266 (a. ?) 
Beifpruchsrecht, abgefchwächt zu bloßem Vorkaufsrecht, Thudichum, Ganverfafjung, 
©. 200. 


23* 


356 


Grundeigens, vermöge ihres Beiſpruchrechts), anfechten können: und 
oft figen die Brüder auch auf dem noch ungetbeilten Vatererbe. 

Alle Quellenftellen, die man für ein folches „Geſammt⸗Eigen⸗ 
thum” der Sippe angeführt Hat, laſſen fih genügend erklären aus 
dem Beifpruchsrecht der Erben, auch etwa des Gatten: ber Verzicht 
auf dieſes foll unvertennbar und öffentlich vor Gericht und vor ben 
Urkundzeugen ausgejprochen werten, jede künftige Anfechtung aus» 
zufchließen: deßhalb werben auch gerade dieſe Beifpruchsberechtigten 
bald als Mithandelnde, Mitveräußernde, bald als Zeugen, ja auch als 
Salmannen?), verwendet: daher wird fo oft gejagt: „ich veräußere ohne 
erhobnen Beifpruch (nemine contradicente) der gegenwärtigen Erben, 
Geſippen.“ 

Jene Annahme eines nur der Sippe, nicht dem Einzelnen zu⸗ 
ſtehenden Grundeigenthums wird völlig ausgeſchloſſen durch die ſo 
häufige Formel: „ih — allein — veräußere: potestiva manu“. End 
lich aber iſt doch das ſo häufige und unzweifelhafte Alleineigenthum 
der Weiber unvereinbar mit dem Eigenthum nur der Sippe, das 
dann nur durch Männer vertreten und nicht beliebig veräußert werden 
könnte. (S. oben S. 353). Dies vorausgeſchickt werden die für jene 
Meinung angeführten Stellen ſich leicht anders — und richtig — er⸗ 
klaͤren laſſen. 

Die völlig freie Verfügung des Eigenthümers über ſein Grund⸗ 
Eigenthum wird als fein geſetzliches Recht ausdrücklich vorausgefekt®). 
Es ſcheint, der Widerſpruch zwiſchen dem freien Veräußerungsrecht des 
Grundeigenthümerst) und der Sitte, „vie Hand“ von Erben, Gatten, 
Nachbarn beizuzieben, erklärt fih tarans, daß das fränkiſch⸗römiſch⸗ 
kanoniſche Recht die freie Verfügung des Eigenthümers begünftigte, 
aber das alamanniſche Beifpruchsrecht noch nicht in der Volks⸗ 


1) Dahn, Grundriß S. 60, 100. 

2) 3. Orimm, R. A. II. ©.585. Dahn, Grundriß S. 290; Alfreb Schulte, 
die langobarbifche Treuhand und ihre Umbilbung zur Teftamentsvollfiredung 1895. 

3) Neng. 319, 520. a. 880: quioquid exinde faoere voluerit habeat 
postestatem, sicut lex unicuique de proprietate sua coneedit; ebenfo von 
Kirchen: 520 siout lex et justitia unieuique eccleeiae de suis propriis causis 
concedit habendum. 

4) Meigen I. ©. 455. Weber bie Zeit, ſeit ber bie Verfügung bes Grunb- 
eigners durch Die Rechte ber Sippe beſchränkt wurbe, Urgeſchichte 12. S. 80f. 
D. G. J. a. ©. 185, 260, 267 v. Wieteröbeim- Dahn I. S. 35, 48. Ficker, Erben⸗ 
folge I. p. XIV. Meigen UI. ©. 51. Zu fpät jetzt volles Sonbereigen au Grund⸗ 
ftüden an Thubihum, Gauverf. S. 181f. 


357 


anſchauung verbrängt hatte, weßhalb es auf jenem Wege unfchäblich 
gemacht wurde. Obwohl bie Lex das volle Recht der Schenkung von 
Grundeigen an die Kirche unter Ausſchluß jedes Beiſpruchsrechts ber 
Gefippen anfgeftellt Hatte, ließ bie vorfichtige Kirche auch nach Erlaß 
der Lex bie Gefippen immer noch ausprüdlich verzichten ?). 

Dffenbar wegen jenes Beifpruchsrechts bes nächſten Exben fchenten 
Gatten mit ihrem Sohne?). Wahrſcheinlich Hatte die Lex deßhalb 
ausprüdlich das Beilpruchsrecht aufgehoben, weil bis dahin bie Rechts⸗ 
Veberzeugung im Bolt ven Borberungen ber Kirche und ihren römifch- 
Tanonifchen Lehren hartnäckig wiberftrebt hatte: biefer Widerſtand folfte 
jetzt gebrochen werben. 

Dei der Schenkung des Herzogs Lintfrid von a. 737 unterfchreibt 
einwilligend die Gemahlind). Ein ambermal vertaufcht ein Ehepar 
communi manu‘). 

Maurus und Audovara holen bie Zuftimmung ihrer Söhne zu 
einer Landſchenkung eind). Ein Schenker zieht Vater und brei Brüder 
als Zeugen zu, offenbar um jo deren Beiſpruch auszufchließen‘). Ein 
Bater läßt zu einer Landſchenkung feine drei Söhne ausdrücklich bei- 
ftimmen”). Ein Vater mit feinen Söhnen verkauft an ein Ehepar und 
beiten Sobn ®); hier — bei Veräußerungen an Laien — war ja das 
Beifpruchsrecht von ber Lex nicht bejeitigt. 

Ein Graf ſchenkt bei feiner Klofterftiftung reiche Güter mit Zu- 
ftimmung und mit ber Hand feines Sohnes). Ein Vater läßt feine 
vier Söhne die Tauſchurkunde mit unterzeichnen 19). 


1) L. Alam. ]. c. 

2) Cod. Trad. Sang. 246. N. 419, Wartmann II. N. 391. a. 844. Sehr 
oft ſchenken zwei Batten zufammen. Auch an Lorſch ein Wittwer, wohl für bie 
Seele feiner Frau. Cod. Laur. 297. a. 771, R. 296. a. 767. 

3) l.c. 10. p. 19. 11. p. 19. 12. p. 20. 

4) Reug. 517. a. 879. 

5) Maurus ®ermane? ober bebufs Verhinderung ber Anfechtung einer do- 
natio inofficiosa? Wartmann I. 259. a. 820. 

6) Nengart 1. c. 45. a. 769, 46, ähnlich 72. a. 779, W.U. I. 10. 

7) Nengart 106. a. 786. Ebenſo oft: 112. a. 790. 

8) Cod. Trad. 99. N. 163. a. 802, ebenjo 103 N. 172. a. 803. 

9) Neug. 406. a. 861. Una cum voluntate et consensu filii mei et 
cam manu ipsius (bier ift weiter unten zu leſen potestativa manu). @inmal 
nur Zuſtimmung des älteren Sohnes, falls auch Rudolfus junior ein Sohn des 
Scheukers Rubolf W. U. I. 136. a. 861. | 

10) Neug. 373. 6. 858. 


358 


Ein Vater fchenkt Land »cum manu« feines Sohnes!) aus dem 
gleichen Grund, aus bem ber nächfte Erbe gern zum Salmann gewählt 
wurde, Aber auch ohne (fichtbare) Verwandtſchaft verfchenkt der Eigner 
»per firmam manum« (= fidelem manum) eines Treuhänders an 
das Klofter: da werben beide ald Schenker genannt ?). 

Graf Liutfrid Holt bei Landſchenkung das „Zeugniß“ feiner Söhne 
ein?). Der Vater vergabt »cum manu« des Sohnes, der aus ber 
»repraestatio«®) auch Nechte (Folgerecht gegen gleichen Zins) erwerben 
jolld). Ungewöhnlich ift, daß auch die Tochter des Schenters (als 
erſte Zeugin) unterjchreibt 6). 

Ein Bruder zieht den Bruder zu, weil jelbftverftänblich auch 
Brüder beifpruchsberechtigte Erben find”). 

Einmal vergabt ein Schenker auch das Gut feines Brubers (pa- 
riter una traditione), ohne daß Vollmacht oder andrer Rechtsgrund 
angegeben wird 8). Worausgefegt wird hiebei theilweife durchgeführte, 
aber noch zu vollendende®) Erbtheilung zwifchen biefen beiden und 
einem britten Bruder 10). Auch eine Mutter läßt bei Landſchenkung 
ihre beiden Söhne einwilligen11). Mutter und Sohn „übergeben mit 
gemeinfchaftlicher Hand“ 12). 

Eine Frau (Wittwe) Holt bei Verſchenkung von Land an Klofter 
Weißenburg ihres Sohnes Zuftimmung ein). 


1) Neug. 536. a. 882. 

2) Zeuß, W. 100. a. 788. 

3) Neug. 635. a. 902. 

4) ©. unten „Zuſtände“. 

5) Neug. 650. a. 904. 

6) Neug. 606. a. 894. 

7) Daher tradere cum manu fratris mei (nec non cum manu Aarperti) 
Neugart 317. a. 947 und ähnlich oft: per manum fratris mei 283. a. 838, 279 
a. 837, 

8) Auch umterjchreibt ber Bruder nicht, Neug. 400, 401. a. 861; das si 
unus noster (nostrum) non venerit, dann ambo venimus meint wohl revenire 
von einer Wallfahrt, Reife ober dergleichen. 

9) Oben ©. 353. 

10) 401. a. 861. 

11) Neugart 227. a. 826 una cum voluntate filiorum meorum: beide 
unterfchreiben mit; ebenfo Zeuß, W. 261. a. 717, 262. a. 723: bajelbft Über bas 
Erbredt. 

12) Neugart 277. a. 837 communi manu tradiderunt. 

13) Zeuß, W. N. 6 p. 14. De libeldute (sic! libello) dotis mene, mes, 
bie ihr der Mann secum (l. secundum) more legum zu beſitzen übergeben hatte. 


359 


Die von der Mutter vollzogne Schenkung erfennen die Söhne 
dadurch an, daß fie die Urkunde auszuftellen bitten und vom Boden 
erhebeny. Eine Wittwe ſchenkt mit ber Hand ihres Vogtes (cum 
manu advocati mei) und Zuftimmung ihrer Söhne?) Ehefrauen, 
auch Wittwen, eignen alfo und veräußern häufig Grundftüde?). 

Ein Salmann empfängt »per wadium« vom Eigenthümer Grund- 
ftüde, um fie zum Heil der Seele des Eigners dem Kloſter zu über- 
eignen‘). Der Salmann einer Wittwe trabirt für das GSeelenheil 
ihres Mannes). Als Salmann für (in elemosynam) eine ſchenkende 
Frau handelt auch Willibald‘). Ein Salmann fcheint auch zu fein 
ber Freilaffer von Mägten, bie ihm deren Eigenthümer zur Sreilaffung 
übereignet hatte”). 

Seltener ift Auflaffung an Salmannen mit ter Verpflichtung zu 
weiterer Uebertragung an das Klofter®). Zwei ſolche Salmannen haben 
fange verabfäumt, bie ihnen für das Kloſter aufgelaffnen Güter dieſem 
zu übereignen. 

Die amici, beren oft als zuftimmenber bet Nechtsgefchäften er- 
wähnt wird, find wohl meift auch bie Geſippen: in Fällen, ba fie 
neben ben heredes genannt werben, Nachbarn und Freunde, beren 
Zuziehung rechtlich unerheblich 9), aber gebräuchlich und wegen bes Be- 
weifes 10) beliebt war. 

Bezeichnend ift, daß als Anfechter des Heirathguts der Wittwe 
wie bie Geflppen, bie Nachbarn des Mannes beforgt werben: theils 


1) Cartam levare, f. oben ©. 317, Neug. 337. a. 850, anbremale heißt es: 
wir übertragen in Gegenwart unferer Söhne 339. a. 851. 

2) 358. a. 854, 

3) Zeuß, W. 169. a. 711 aviola mea Guntrudis Irmburga mulier nobiles 
tradidit mihi (als Salmann) partem proprietatis quod habuit in pago Ali- 
Bacense. 

4) Zeuß, W. 134. a. 783 ut ego tradidessem in elemosyna ejus; vgl. 
143. a. 746 quidquid mihi per wandio (sic) suo tradidit ... trado. 

5) Germuthlich) Zeuß, W. 216. a. 788, das eigne Seelenheil beißt lumen 
meum 217. a. 783. 

6) Zeuf, W. 236. a. 801. 

7) Zen, W. 166. a. 837; ähnlich 1. c. 168. a. 819, Hier ift der Empfänger 
vielleicht ein Mönch des Klofters; bie Freilaſſung wirb nicht ausdrücklich verfügt, 
doch Zinspflicht wie oben. Ein Salmann für Orumbeigen ]. o. 175. a. 821, zwei 
für Einen Berftorbeuen 1. e. 180. a. 811. 

8) Neng. 391. a. 860. 

9) So Coll. T. Sang. add. 4, 5. 

10) &. oben. 


360 


weil bie Nachbarn, felbft oft Gefippen‘), ein Erbrecht, theils weil fie 
Nutzungsrechte an der Mark hatten?) 

Handelt der Schenker mit Bater und Vogt, fo ift er over find 
beide?) Vögtlinge). Als Bogt ift zu vermuthen ber als Nicht: 
Gefippe zugezogne®). 


2. Beſitz 6). 


Die Formen ber Befitzergreifung und Beſitzübertragung ſind die 
gemeingermaniſchen). „Nach Alamannenrecht“ (lege Alamannica) 
ergreift auch ein Biſchof (f. oben S. 355) mit feinem Vogt Befig von 
fiscaliſchem Boden auf drei Tage und nimmt bie Inſaſſen (homines 
fisci) eiblih für Sanct Othmar zu eigen®). 

Eine Form der Befigeinräumung befteht in dem feierlichen Scheiben 
des Veräußerers, während ein Vertreter (Knecht) des Erwerbers ein- 
zieht ®). 

Klagt der Eigenthümer, ver feine Fahrhabe bei!) einem Andern 
findet, und beftreitet dieſer (micht feinen Befig, aber) des Klägers Eigen- 
thum, fo bat er nach Meberführung vor Gericht die Sache oder eine 
gleichwerthige herauszugeben und 12 sol. Buße zu zahlen!!), obne 
Unterfchieb freiwilligen ober unfreiwilligen Befigverluftes, alfo — in- 
fofern — der römifchen vindicatio entjprechent. 

Heißt es bei verſchenkten Grundftüden nur: quod R. habet12), 
fo muß dies nicht nothwenbig bebenten: in beneficio 12); fo wird ein 


1) Oben ©. 212. 
2) T. Sang. 16. mise. 
s) Cod. Trad. 92. R. 154. 
4) Ebenfo vielleicht, wenn eine Wittwe taufcht „mit ber Hanb ihres Sohnes 
unb ihres Bogtes“, Neug. 569. a. 886. 
5) So bei einem Prieſter W. U. I. 135. Neng. 404. a. 861. 
6) Dahn, Rechtsbuch S. 132. — Champeaux, la vestitura ou saisine 
p. 7 (meift fpätere Zelt). — d’Arbois de Jubainville, le saisie dans la loi sali- 
que, Nouvelle Revue de droit frangais et &tranger XII. 3. 1888. 
7) 3. Grimm, R. A.« I. 55—84. II. 85f. 143. 
8) Muratori, Antiq. Ital. II. p. 138. 
9) Neug. 129. c. 797 servus.. domus Dei ingrediatur et ego egredior. 
10) >post«, preußtich Laudrecht: „hinter ſich haben“. 
11) L. 84 (87) p. 148. 
12) Zeuß, W. 22. 24: quicquid Engiltrud habuit de medietate in ipsa 
marca. 
13) Wie allerbinge X. 9. quod J. habuit in benefieium. 


361 


Unfreier verſchenkt mit allem, was er in jener marca „bat“, d. h. für 
ben Heren inne hat!). 


3. Pfandrecht?. 


„Ohne Fauſt kein Pfand“?), d. h. an Fahrhabe giebt es nur 
Fauftpfand t). 

Ueber Pfändung ſchadender Thiere gelten Ähnliche, aber doch auch 
andre Grundſätze wie im Wejtgotenrechtd). Wer eine Herde pfäntet 
und rechtswidrig einfperrt, zahlt 12 sol., giebt ferner die Thiere heraus 
und hat fie dann auf ein Jahr für den Eigenthümer zu pflegen unter 
Erſatzpflicht für jetes in biejer Zeit eingebenbe®): vielmehr foll ver 
Geſchädigte (ftatt zu pfänden) bie Thiere aus feiner Wiefe oder Sat 
führen”), ven Eigenthümer holen und den Schaven durch Schiebsrichter 
ſchätzen laſſen oder eiblich felbft ſchätzen. 

Pfändung für einen Andern ift verboten). Bei dem genommenen 
Pfand geht die Gefahr auf ven Pfänver über, bei dem gejeßten bleibt 
fie bei dem Berpfänder?). 

Eine merkwürdige Landverpfändung „auf tauſend Sabre“, d. h. 
alfo vorher nicht durch Schuldzahlung einlösbar, beruht vielleicht auf 
einem Lefefehler 19). 


U. FSorderungs-Nehtil). 


Nicht felten erhalten die Nechtsgefchäfte in ben Formeln und Ur: 
kunden irrige Bezeichnungen. So wird ein Verkauf fälſchlich Schen- 


1) 1. oc. 27, wahrſcheinlich gleichen Sinn bat 31: hobam integram, ubi 
supra Reginharius manet. Ueber ben Peculienbefig der Unfreten für den Herrn, 
ſ. oben Unfreie. 


2) P. II. 6—10. IV. 4. L. Al. 67 74, 83 (86). 

3) Dahn, Rechtsbuch ©. 190. 

4) T. 74. 86. 

5) Weſtgot. Studien ©. 81. 

6) L. 67 (74) p. 134; vgl. Wilda, das Pfändungsrecht, 3.[.D.R. I. ©. 167. 
7) (Minare, franz. mener), Glosse addit. 9 minata id est Ki-triben. 


8) P. III. 7. Ofenbrüggen, langob. Strafe. S. 145, über Pfändung bei 
unleugbarer Schuld, Stegel ©. 35. 


9) L. Al. 86. Wilda S. 556. 
10) Neng. 604. a. 893. M. ftatt III (?). 
11) Könige VIII. 4. &. 185. Bluntfchli I. ©. 112. 


362 


fung genannt‘). Das Vermächtniß Tello’8 heißt cessio?). Ein Ber- 
gleich wird oft ungeſchickt ausgedrückt?). Beilegung, Vergleich wirb 
unklar angeführt*). 

Arch aus Kauf und Zaufch gemifchte Gefchäfte begegnen, z. B. 
ein Theil des Saufpreijes für Land wirb in einem Roß und einem 
Pallium, zufammen 100 sol. werth (neben 1 Pfund Silber) entrichtet. 
Und zwars) fo oft, daß fogar in eine Verfaufsformel (carta ven- 
ditionis) neben Geld Rinder, Roſſe und andere Sachen aufgenommen 
werben), 3.8. 70 sol., dann Pferte, Saumpferde mit voller Aus- 
rüftung ”). 

Zandftreit wird oft durch Taufch beglichen®). Aber Taufchurkunten 
werben erft feit Ende des VIII. und im Laufe bes IX. Jahrhunderts 
häufiger und fo auch ihre Belräftigungen durch ben König‘). Eine 
unklare Häufung von Kauf und Tauſch, in Wahrheit Taufch, beftätigt 
Ludwig ber Deutfche!%. Commendare umfaßt neben ver Hinterlegung 
noch zahlreiche andere Gefchäftel!). Weber repraestatio, f. unten 
„Zuſtände“. 


1) Neugart 119. a. 792 precio vel preciato, 200 sol. Nicht Kauf, Wart- 
mann I. 296. a. 826, Taufch liegt vor 1. c. agrum-precium recipit venditor... 
unu (sie) bove et una espada. 

2) Mohr I. p. 18 v. Saviguy ©. 314. 

3) 3. B. F. Bang. mise. 5 ber Streit umter zwei potentiores um einen 
Wald * beigelegt, indem ber Beklagte dem Kläger 5 Joch causa reconciliationis 
abtritt. 

4) causa pacalia von pacare, ausgleichen, beilegen: vier Brüder geben 
Grundftüde Sanet Gallen, um bie (in mallo publico) erhobene Klage des Bogtes 
damit zu befchwichten, den Streit beizulegen, Neugart 103. a. 819. 

5) Form. Aug. B. 13. 

6) 1. c. 39. 

7) Neugart 1. o. 12. a. 744, Dagegen reiner Tauſch 35 a. 761: nur ein 
Schwert und ein Roß für brei Güter und einen Unfreien: in Wahrheit wohl 
Schenkung. 

8) Neugart 280 a. 837. 

9) Rheinauer Cartular N. 2, 3. a. 844, 852 v. Wyß N. 11. vgl. Th. 
v. Sidel I. ©. 136. 

10) a. 856. Neugart 364. 

11) Anders freilich das römiſche Recht: fr. 24 D. 16, 3 quid est enim aliud 
commendare quam deponere? Ueber commendare, anvertrauen, empfehlen, 
auch einfach übergeben vgl. Weſtgot. Studien ©. 104. So L. 81 (84) p. 146: 
aber eben bort auch anvertrauen c. in manu fiddele; ebenfo L. 5 p. 70: einer 
Kirche; auch bänerliche Leibe heißt wohl commendatio Heusler II. &. 167—186. 


363 


Das verzinsliche Darlehen war befehränft ober verboten). Aber 
ganz unverzinslich ift das Darlehen auch eines Kloſters nicht, das fich 
bis zur Tilgung der Schuld jährlich 33 siclae (civada — Getreide) 
pro censo ‚an Zinfes ftatt” entrichten läßt und zwar auch von ben 
Erben des Schuldners?). 

Aus dem Verſchwinden älterer Bormeln folgt nicht nothwendig 
das Verſchwinden folcher Geſchäfte aus dem Xeben, aus bem Fort- 
führen alter Sormeln nicht nothiwendig die Fortdauer folcher Gejchäfte 
und Formen in dem Leben?). Dies gilt zumal auch von ben rhäto- 
romanischen Verträgen ?). 

Höchft merkwürdig ift ein Inhaberpapier, das bei einer repraestatio 
ausgeftellt wirbd): bie Nüdempfängerin erhält auch noch einen Hof 
(eurtile) als Klofterbeneficium, beides auf Xebenszeit, nach ihrem Tod 
ſoll aber beides (unter dem bisherigen Wachszind und unter Aus» 
Ichluß des Rückkaufs) haben auf Lebenszeit „jede Perfon, ver ich 
dieſe Trabitions-Urkunde werde gegeben haben”, nach deren Tod Rück⸗ 
fall beider Güter an das Klofter®). 

Die häufigfte Anwendung findet Verbürgung und Pfand, wa- 
dium, bei dem gerichtlichen Verfahren: ver Beklagte hat dadurch Sicher- 
heit für fein Erfcheinen an dem Schwurtag zu leiften”). Das Klofter 
leiht einem zweifachen Wergeldſchuldner 100 sol., zumal um deſſen 
6 Bürgen zu befreien®). 

Für Worberungen aus Vergehen — Schädigung von Sachen, 


1) Könige VID. 4. ©. 196. Das kanoniſche und capitularifhe Zinsverbot 
wirb in Alamannien wieberholt von Hatto von Baſel (gefl. a. 836) d’Achery, 
spicilegium I. 1723 (&. 585). 

2) Unam carratam eivitalem, Du Cange II. p. 345. Neugart 87 a. 784 
id sunt XXXII. siclae . : bie, fonft ein Flüſſigkeitsmaß, ſcheint bier ein 
Trockenmaß. 

3) Bgl. Th. v. Sickel I. S. 136. So z. B. stipulatione subnixa im Cod. 
Lauresh. N. 93. a. 765 und faſt Immer. 

4) Bgl. über biefe unten das Recht der L. R. R. C. Fickler p. 3f. Schen- 
fung von Donatus an Follevin, a. 821 (doch wohl bes Schuldheifch Bollevin bei 
Wartmaun N. a. 836), von Alonius (Alboin?) an benfelben a. 822, eine® Aders 
durch Cianus und Valentia an Solinus, Ehevertrag ber Ferlindis mit Richard 
von Toblacum nach a. 840 (nicht Toblach!) Alle body eher Urkunden als Kormeln. 

5) Vgl. Brunner zur Gefchichte bes Inhaberpapiers In Deutichland 1878, 
jet Forſchungen 1894 S. 631—661. 

6) Neng. 630. a. 899 cuicumque cartam hujus traditionis dedero. 

7) L. 36, 2. p. 95 vgl. Form. Aug. Coll. B. 40. Form. p. 362. 

8) Nengart 87. a. 784. 


364 


Tödtung von Thieren — ftellt das Geſetz Bußen auf, die zum Theil 
uralt find: jo!) das Maß des Wertberjages getöbteter Thiere burch 
Beichütten mit Getreibe 2). 
III. Familien⸗Rechtd). 
1. Bäterlicde und Alters-Muntfchaft®). 

Eheliche minberjährige (verwaifte) Kinder ftehen in ver Munt⸗ 
ſchaft ihres nächiten waffenfähigen (ebenbürtigen) Schwertmagen. So 
vertauſcht ein Großvater dem Söhnlein ſeines verſtorbnen Sohnes 
übereignete Güter als Muntwalt 5) 

Drüber verfügen über Güter eines Bruders in Muntſchaft, vor: 
bebaltlich feines Nechts, fie als Zinsgüter des Mlofters zu übernehmen, 
nachdem er zum Unterſcheidungsalter gelangt (ad intelligilem aetatem). 
Rückfall, wenn der Abt das Gejchäft anficht ober das Verleihungs⸗ 
verbot verlegt®). 

Der Bogt (Alterömuntwalt) des Neffen (pueri) des Bifchofs von 
Gonftanz ift nicht dieſer Prälat, fondern ein Graf Erchanger: jener 
war Spindelmag”), dieſer (wohl) Schwertmag. 

Der Knabe wird mit 12 Jahren jchwertreif®), abweichend vom 
altgermanifchen NRecht?). 

2. Geſchlechts⸗Muntſchaft 10). 

Als Regel gilt, daß bie Weiber, folange fie leben, in ber Ge- 

ſchlechtsmuntſchaft 11) ihres nächften waffenfähigen (ebenbürtigen) Schwert- 


1) S. oben Strafrecht &. 331, 350. 

2) L. 82 Cod. B. add. 18, 44; vgl. I. Grimm RAIL ©. 240; (auch in 
ber Edda), uralt auch ber „Schatte bes Zaunus“; Schadenderſatz bei Verträgen 
R. Löning, Vertragsbrud 1876 U. B. Schmidt, Schabenserjag ans Bergehen ©. 22, 
27, 31, Spießen am Zaun ©. 38. 

3) Könige VIII. 4. ©. 208. 

4) Könige VIII ©. 208f. Weflgot. Studien a. a. O. Bluntſchli L &. 109. 
Mit Recht lengnet auch Schraber II. ©. 576 „Mutterrecht” bei Inbogermanen ; über 
die Fälle und Wirkungen der Munt Heusler L ©. 113, 120, II. ©. 480: aber 
nit nur durch commendatio entftcht fie, 3. B. nicht Die wäterliche, eheliche. 

5) Urkunde St. Gallen III. 315. Wartmann IL 557. 

6) Wartmann I. 359 a. 816—837. 

7) Neug. 673. a. 909. Waldo filius sororis mene. 

8) Nengart N. 305. 

9) Bel. ©. 253, 233 D. ©. Ia. Sohm ©. 545, 

10) D. G. la. ©. 134 Opet, bie Geſchlechtevormundſchaft in ben fräntifchen 
Boltsrechten, Mittheil. d. Inſtituts für öſterreich. Geſchichteforſchung IIL. Er- 
gänzungsband Heft 1. 1890. Heusler II. ©. 508. Roß p. 68. 

11) Opet a. a. DO. leugnet fie ganz für bie Franken, nicht für bie Mlamannen 


365 


magen (ober bes Gatten) ſtehen. Demgemäß übernimmt Bifchof 
Udalrich von Augsburg, in zweiter Reihe nach feinem (alamannifchen) 
Stammesrecht lebend, die Muntfchaft Über feine verwittwete Mutter !). 
Ehefrauen ftehen bei rechter Ehe in der ebelihen Muntichaft ihres 
Gatten: aber ftreng durchgeführt ift diefer Grundſatz nicht. 

Die (ebeliche) Tochter fteht in ter Muntſchaft ves Vaters, welches 
Necht bei der Verlobung der Bräutigam zu erwerben hat2). Der 
Regel entfpricht es, vergaben Mädchen mit ber Hand ihres Vaters, 
nur in deſſen Ermangelung des Großvaters?) oder des Bruders. 

Eine alamannifche Wittwe Handelt una cum manu ihrer beiten 
Söhne und ihres Vaterst): eine andere Alamannin mit ihrem „Vor⸗ 
ſchützer“6). Nichtigermaßen ift der Sohn einer Wittwe deren Mumnt- 
walt®). 

Zumeilen ift aber ber Vogt (nicht gerade Muntwalt) nicht ein 
©efippe, fei e8, daß folche fehlen, fei es, daß das ganze (pfleghafte) 
Geſchlecht unter einem Vogte fteht: fo ift der Vogt einer Wittwe oft 
nicht ihr Sohn”). 

Der Bogt einer Ehefrau ift vermmthlich auch ter ihres Mannes: 
bie Öatten find Vögtlinge, homines advocatitii: dabei muß der Vogt 
nicht Vogt einer Kirche fein®. Bier Schweftern haben zweit Munt- 
wolte, offenbar nicht ihre Brüder ?). 

Der Bogt der Frau ift es, nicht die Frau, der bie Errichtung 
der Schenfungsurfunde beantragt und biefe als Exrfter unterzeichnet 19). 
Mutter und Tochter ſchenken cum manu ihres Vogtes, der kein Ge- 


S. 24; vgl. Ficker S. 502. Rofin, Formvorfchriften für die Veräußerungsgeſchäfte 
der Frauen, Gierfe VIII. 1880 beichräntt fich auf das langobarbifche Recht. Hier 
Zwed Schuß der Frau vor Nöthigung ©. 41. 

1) Gerhardi v. St. Udalrici.c. 1. 

2) L. 53 (54) p. 111 Lehmann, Berlobung und Hochzeit nach ben nord⸗ 
germanifchen Rechten 1882 ©. 103. 

3) Neug. 423 a. 864. 

4) Wartmann I. 299. a. 826. 

5) furi-skioszso, [Muntwalt |. unten Wartmaun I. 300. a. 826) fehlt bei 
Stimm, Gramm. und Schabe; nur alamannifch? 

6) L. c. 320. a. 829. 

7) Neug. 337. a. 850, 851. Eine Kran (Wittwe) ſchenkt mit Zuftimmung 
ihres Bogtes, der nicht ihr Sohn, Neugart 262. a. 822. Ganz regelmäßig ſchenken 
Frauen cum manu advocati sui 266 (a.?) und oft. 

8) Neug. 597. a. 890. Ebenfo W. U. I. 110. 

9) Neug. 376. a. 858. 

10) NReugart 252. a. 838. 


366 


fippe fcheint und cum manu bes Sohnes ber Tochter; biefer ift nicht 
Bogt beider Frauen, — weil Spindelmaget). — Aber andererfeits 
fchenkt eine Frau ohne Mitwirkung irgend eines Muntwalt® ober 
Vogtes 2). 

Zwei Schweftern verſchenken all ihr Grundeigen (dem SKlofter zu 
Lucern), ſonder Erwähnung ihres Muntwaltsd). Eine Verwandte 
unbeftimmbaren Grabes ift fabea*)' 


3. Berlobung. Chefchliefung). 


Chehinterung iſt Verwandtichaft oder Verſchwägerung noch im 
IV. Grad). Der Bifchof findet auh im V. Grad noch ein Hin- 
berniß 7). 

Berboten ift tie Ehe (abgejehen von Vorfahren und Abkömm⸗ 
lingen) mit Schwiegermutter, Schwiegertochter, [Stieffohpn]), Stief- 
tochter, Stiefmutter, Tochter von Bruder oder Schweiter, Gattin 
(Wittwe) des Bruders, Schweiter des Gatten und unter Gefchwifter- 
findern. Der Richter trennt fie: fie verwirken ihr Vermögen, minores 
personae auch ihre Freiheit an ben Fiscus®). 

Dei dem Verlöbniß muß der Muntſchatz (meift 40 sol.) bezahlt 
werben (fall8 nicht der Muntwalt verzichtet), font ift die Ehe ım- 
gültig, die Frau muß unter Buße von 40 sol. (ftarb fie vorher, von 
400 sol.) zurüdgegeben werben: bie Kinder ftehen in ber Munt ves 
mütterlichen Muntwalts 9). ‘Den Gegenftand bes Kaufes bildet aber 


1) Neug. 410. a. 862. 

2) Zeuß, W. 133. a. 774. 

3) Neug. 525. a. 881. 

4) Wie wohl flatt fabra zu lefen. So Zeumer F. Aug. B. 24 nad) Du Cange 
III. p. 385 fabea = puella. 

5) Könige VIII. 4. ©. 208f. Bon Scherer, über das Eherecht bei Bene- 
dictus Levita und Pſeudo⸗Iſidor 1879 (Berhältniß von Verlöbniß und Ehefchlieung; 
©. 14; Ehe (nah Volksrecht) nur unter Freien, kein Concubinat S. 52; Ber: 
wandtenehe S. 27; Pſendo⸗Iſidor ©. 43f. 

6) T. 39. p. 99, aus Brev. Alar. (ebenfo im Baiernrecht); vgl. Karl Leh⸗ 
mann, Neues Arhiv X. ©. 500f., Ausgabe der Lex p, 8, 9. Wilba ©. 856, 859. 

7) Form. Als. R. 17, jett |. Zeumer. 

8) L. 39. p. 99. 

9) T. 54. 


367 


nicht die Braut, ſondern bie Meuntfchaft)1; für jedes bei vem Dann 
verftorbne Kind ift das Wergeld zu zahlen?). 

Wahrung ber Ehre, des Rufes bes Mädchens bezwedt es, bafı 
der Bräutigam, ver das Verlöbnik einfeitig aufbebt, eine Andere zu 
beiratben, (neben ber Buße von 40 sol.) mit 12 Eidhelfern fchwören 
muß, daß er nicht ein Gebrechen (vitium) an ihr gefunven ober Uebles 
von ihr gehört oder fie verſucht (temptatam), ſondern nur Liebe zu 
einer Andern ihn bewogen habe). 

Entführung einer Verlobten wird mit 200 sol. bei der Rückgabe, 
bei verweigerter Rüdgabe mit 400 sol. gebüßt*). 

Zuweilen fteht, wie e8 fcheinen will, sponsa für uxor5). Von 
kirchlicher Trauung als Wejensform der Ehefchließung begegnet feine 
Spur. 

Auch die Unlösbarkeit per Ehe hat das Chriſtenthum noch keineswegs 
burchgejett: fie kann ftetS durch Vertrag, ja auch gegen ven Willen 
der Frau aufgehoben werben, zahlt der Mann unter Rückgabe des 
Trauenguts 40 sol.®). 

Die Gefippen ver (kinverlofen) Wittwe Haben wohl Einfpruch 
gegen Eingehung einer neuen umebenbürtigen (coaequalis) Ehe”): 
nicht die Gefippen des verftorbenen Gatten; jebesfalls (nach einer 
Handſchrift Cod. 18) geht bie Berufung ber Wittwe an ben Herzog 
wegen Beftreitung der Vermögensrechte durch die Gefippen: (vielleicht 
auch gegen die Behauptung ber Unebenbürtigfeit?)%): dabei nimmt 


1) Ueber fie Dahn, das Weib im altgermantichen Recht und Leben, BaufteineVI, 
1884, ©.161. Brissaut, quelques observations sur le mariage par achat. — 
Brunner, kritiſche Bemerlungen zur Gefchichte des germantichen Weiberrechts. 2. 
f. R.-.2 XXI Für die „Raubehe“ (eine geranbte, d. b. Kriegsgefangene tft aber 
unfrei, baber eheunfäbig) zieht Schrader II. ©. 652 fehr mit Unrecht Armin und 
Thusnelda heran: Segeft war nicht Armins Baterbruber, Könige I, ©. 127. 
Gegen uralte Raubehe und Kaufehe auch Hilbebrand, Recht und Sitte J. 7. 

2) L. 53 (54) p. 111. 

3) L. 52 (53) p. 111. Bgl.Sohm, Trauung und Verlobung 1876, ©. 5, 24. 

4) T. 52, f. oben ©. 342. 

5) T. Ang. 5, 6; vgl. Zeuner, N. X. VII. ©. 501. 

6) P. Fr. UI. 3. T. 51. o. add. 29, 30: letzteres iſt fchwerlich gemein «ger- 
maniſch; finnlos verberbt: si reportat aliquid, potestatem habeat fomina ipsa 
(1. maritus?) habet 12 sol. solvat. 

7) L. 54 (55) p. 112. 

8) Wolff, über die Wieberverbeiratbung ver Wittwe und L. Al. 54, 1, 2. 
L.R.Rh.C. II. 19, 2. III. 9, 17, 3. VIII. 6, 3. XVII. 5. XXI. ©. 380 (1896). 


368 


fie, aus jenem Vermögen fcheitend, (si de illa hereditate exire 
voluerit) mit die dos legitima von 40 (nicht 400) sol., beftehend in 
Gold, Silber, Unfreien ober anderen Sachen, außerdem Alles, was 
ihr die Gefippen (parentes) verjprochen haben (placitaverint) !) und 
Alles, was fie aus dem Vaterhaus mitgebracht bat, jofern es nicht 
verbraucht 2) oder verkauft ift. 

Beitreitet der nächſte Erbe des kinderlos verftorbnen Gatten, alfo 
Bater, Bruder, Neffe die von ber Wittwe verlangte dos, darf fie mit 
fünf nominati (f. Eidhelfer) ſchwören oder durch gerichtlihen Kampf 
entfcheiven. Wer kämpft für fie? Der neue Gatte ober ihr nächjter 
Schwertmag? Wohl biefer: benn in ber Folge heißt es: das fo Er- 
fteittene wirb nach tem Tod ver Fran nie zurüdgegeben (an vie Erben 
bes erften Mannes), fonvern verbleibt für immer dem zweiten Gatten 
und beffen Kinvern®). 


4. Eheliche Muntichaftt). 


Der Mann iſt das Haupt ber Ehe, er bat bie ehelihe Munt- 
ichafts), er ift und Heißt ber Herr, senior, der Fraut). Auch tie 
Kaiferin nennt ihren Gemahl in biefem Sinn — nicht als Kaiſer — 
ihren senior”). 

Eine Ehefrau taufcht daher Land mit ber Munt ihres Gatten 
(cum manu mariti mei), eine Wittwe mit ber ihres Muntwalts 
(Vogtes) 2). 

Obwohl nur die Frau bie rechtswidrig Bereicherte, klagt das ver⸗ 
fürzte Klofter gegen beide Gatten, d. 5. die Frau wird burch ihren 


Eindringen bes Ehezwangs aus dem langobarbiichen (?) Recht in bie Cap. Remed. 
v. Wyß, Geſetze S. 224. 

1) Du Cange VI. p. 342. 

2) Manducare Du Cange V. p. 214, franz. manger. 

3) L. 54 155) p. 113. 8. Lehmann führt I. c. Die Abweichungen ber ala» 
mannifchen Formeln von Reichenau, Coll. B. 24, 25 Lgg. V. p. 357 Sanct Gallen 
12, 16, 18 1. c. p. 385, Conftang IIL 18 l.o. p. 406 an. Ueber bie Rechtsver⸗ 
bältniffe der Unebelichen, Wilda, 3. f. D. R. XV. 18585. 

4) Könige VIII. 4. ©. 208, Bauftelne VI a. a. O. 

5) ©. oben ©. 364. Walt, Abhandlungen I. &. 369. 

6) Senior = dominus = maritus, auch Neug. 643. a. 803, wo Neug. ge 
wiß richtig prioris (mariti) flatt patris lieſt; ebenfo 571. a. 886. 608. a. 894. 

7) Grandidier II. p. 308. a. 992. 

8) Neugart 153. a. 805 (Eigenthum une für Lebenszeit der Batten, ber 
Wittwe und ber Kinder beider). 


369 


ehelichen Muntwalt vertreten, der ja auch ben Fruchtgenuß an ihrem 
Bermögen hat!). 

Der Ehemann ſchwört für die der Beleidigung geziebene Frau ?). 
Richtig tradirt eine Ehefrau mit der Hand ihres Gatten: fie joll das 
Rückkaufsrecht haben, aber nicht ihr Dann, ver nach ihrem bis zu 
jeinem Tod die repräftirten Güter befigen foll®). Richtig ftimmt ber 
Ehemann einer Schenkung der Frau, für deſſen Seelenheil fie (auch) 
geichtebt, ausprüdlich zu‘). 

Ehefrauen verfügen über ihr Vermögen, z. B. in Schenfungen an 
die Kirchen, unter Mitwirkung, alfo Zuftimmung ihres Gatten, Mäb- 
chen und Wittwen unter Zuftimmung eines Geſchlechtsmuntwalts >). 
Die fehlende ausprüdliche Zuftimmung des Ehemannes zu einer Land⸗ 
verſchenkung wird baburch erjett, daß er in ber felben Urkunde auch 
eignes Land verichentt®). 

Tauſcht umgelehrt ein Ehemann „mit der Hand“ feiner Frau’), 
handelt es fich vielleicht um deren vorbehaltnes Frauengut: doch fehlt 
ihr Zeichen. Ein andermal wirb fo verfahren, weil ans dem vom 
Manne geichloffnen Geſchäft auch fie Rechte erwerben joll®). Immer 
durchgeführt in allen Folgerungen wirb aber auch hier bie Weberorb- 
nung des Mannes nicht. 

Eine Ehefrau ſchenkt ohne Mitwirkung des Mannes, behält aber 
biefem Gutfolge und Rückkauf vor?). Die Gattin (Wittwe?) des Grafen 
des Linz» und des Argen- Gaus erwirbt durch Fönigliche Schenkung 
Land zu volffreier Verfügung, ohne daß ihres Gatten (oder Wittwen- 
Bogtes) Zuftimmung gedacht wird!). 


1) Neug. 478. a. 874. 

2) P. II. 32: mit Eibern. 

3) Neng. 643. a. 903. 

4) 1. c. 571. a. 886. 

5) Neugart R. 12, 86, 256, 549. 
.6) Neugart 297. a. 840. 

7) Neng. 679. a. 911. 

8) Cod. Trad. Bang. 419. R. 718. a. 905. 

9) Url. St. Gall. IV. 372. Wartmann II. 633. a. 872—883. 
10) Reug. 505. a. 877. 


Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 24 


370 


5. Eheliches Güuterrecht!) 


Es beſteht Güterverbindung 2): d. h. das Eigenthum beider Gatten 
bleibt unberührt, nur erwirbt der Dann kraft ber ehelichen Munt⸗ 
fchaft am Frauengut Mitbefig, Fruchtmitgenuß und alleinige Ver— 
waltung ?). 

Außer dem gejeglichen Muntgeld an den Muntwalt (von 40 sol 
in Gold, Silber, anderer Fahrhabe) begegnet noch Ausftener, Heirath- 
gutt), Morgengabe. Das eheliche Verwaltungs» und Nießbrauch⸗Recht 
bes Mannes ergreift alles (nicht vorbehaltne) Frauengut: bei unbeerbter 
Ehe fällt dies aber mit dem Tode des Mannes an die Wittwe. Die 
alamannifche Braut erhält vom Mann ober deſſen Sippe eine Braut- 
gabe®), irrig dos genannt, dos legitima®). Cartae dotales find vie 
Formeln Salomonis”): die Beſchenkte ift tie Brauts), nicht veren 
Muntwalt. Aus libellus dotis wird Ein Wort gemacht?). 

Die der Frau vom Mann gegebne dos behält fie auf Lebens: 
zeit, — bei beerbter wie bei unbeerbter Ehe — verkauft fie biefelbe 
nicht ven Gefippen des Mannes (nach beffen Tod) um angemeffnen 
Preis. 

Das Geben Heißt dotare: fo das Muttererbe des Mannes, einen 
umzäunten Hof mit einem (Wohn) haus, werth 12 sol., einer Scheuer, 
wertb 5 sol., 5 Joche Wald, 25 Joche Pflugland und Wiefen (das 


1) Bluntſchli L S. 102. Schröder, ehel. Güter. I. S. 1,11, 72. R. ©.3 
&.403, Könige VIU. a. a. 0. Beſonders Heusler IL S. 328, dem ich mich hier 
meift anjchließe. 

2) Die unglüdlich fogenannte „Verwaltungsgemeinſchaft“ bes bürgerlichen 
Geſetzbuchs: bie Verwaltung ift ja aber nicht gemeinfam und bas bamit gemeinte 
Berwaltungsrecht bes Mannes am Frauengut befteht ebenfo bei ber Gütergemein⸗ 
ſchaft. 

3) Dahn, Rechtsbuch S. 212, Grundeigeu ©. 185. 

4) Beides umfaßt T. 56 quicquid parentis ejus ei legitime placitaverint. 
Das eingebrachte Frauengut wird unterſchieden L. 54 (53) p. 112 quidquid de 
sede paternioa secum adtulit (uxor). 

5) Vgl. bie vier Güter mit 76 Hufen im Breisgau, Die Ludwig ber Dentſche 
a. 862 biefür Karl III überweift für befien Braut Richildis, Grandidier, histoire 
de l’&glise de Strassbourg II. pieces justificatives N. 133, 

6) Neug. 421. a. 864. Formeln bei von Wyß N. 12, 13, 

7) III. N. 14,18 v. Rodinger p. 214, 215. 

8) Quod uxori meae in libera dote donari Zeuß, W. 53. a. 774, ebenio 
bei den Uferfranten. Auch ber Bater ſchenkt dem Sohn für beffen Braut eine dos 
»secundum Francorum morem« Grandidier II. p. 308. a. 992. p. 25. 

9) Quod ex libeldote uxori condanari (sic), Zeuß, W. 128. a. 774. 


371 


»inter« bebeutet: „theils, theils“): gehört noch mehr zu jenem Mutter- 
Erbe, foll auch das zur Dos weiter gehören: 2 Unfreie draußen im 
Lande (in provincia), 4 Rinder, 2 Kühe, 20 Stüd Kleinvieh (pecora), 
das Geräth in Haus und Feld, auch das Holzungsrecht. Beide Gatten 
follen dies gemeinfam gebrauchen (Eigentbum aber bat die Frau: do- 
tavi ei) und ber etwaige Sohn erbt Eigenthum; fehlt ein folcher, foll 
das Gut Sanct Gallen anfallen). 

Die vom Mann der Frau gegebne dos vererbt fich bei beren 
Tod auf den Sohn ?). 

Ein Sohn verfchentt daher, was der Vater der (verſtorbnen) Mutter 
ad dodidem (!) gegeben?). 

Dbiges gilt vorbehaltlich anderer Beredung bei Beſtellung der 
>dos«4), die übrigens ſehr häufig iſt. So kann bedungen werben: bie 
dos gebt nur in der Frau lebenslänglichen Nießbrauch über und fällt bei 
ihrem Tod dem Mann oder beffen Erben and). Oder bie Frau foll 
bie dos wie das andre Vermögen des Mannes gemeinichaftlich 
mit dieſem, alſo nicht an der dos Alleineigentbum Haben, erft als 
Wittwe den alleinigen lebenslänglichen Nießbrauch nach beerbter wie 
unbeerbter Ehe, unter ver Auflage einer jährlichen Todtenmeſſe für 
ven Berftorbenen®). Oder die »dos« der Frau ift das ihr vom 
Manne behufs ihres Unterhalts als Wittwe Gegebene: daher foll pas 
Eigenthum daran erft nach ihrem Tod an das beichentte Klofter über- 
gehen: ihre Zuftimmung wirb nicht erwähnt, fie wird burch das Ver- 
waltungsrecht des Mannes, das alfo über ihr Leben hinaus wirkt, 
entbehrlich gemacht”). 

Stirbt die Fran in unbeerbter Ehe vor dem Manne, Hat er all 
ihr Vermögen ihren Geftppen herauszugeben: „ſoviel ihnen nach dem 
Geſetz gebührt” 8); überlebt fie den Mann, nimmt fie die Betten?) 
heraus: oder fie theilt mit feinem Erben 1%), Aehnlich wie bei den 


1) Neug. 614. a. 895. 
2) Zen, W. 222. a. 755. 
3) Neugart 182. a. 815. 
4) Bgl. Form. ed. Zeumter II. p. 357, 385, 406. 
5) Form. Aug. B. 24, 25: »secundum legum« (?). 
6) T. Sang. 16. 
7) Neug. 554. a. 885. 
8) P. Fr. III. 1. quicquid per legem obtingat. 
Ir Lectuaria, Du Cange \ V. p. 54. 
10) 2. 1.c. 


24* 


372 


Weftgoten die Morgengabe !) wirb bier ber Betrag ver dos geſetzlich 
feſtgeftellt?). 

Auch die Morgengabe?) wird auf Werth ven 12 sol. in Golbd, 
Silber, Unfreien, Roſſen beftimmt. Die Wittwe bat das Vorrecht des 
Naft⸗Eides: — hoc dicunt Alamanni nasta-hait — d. 5. allein, ohne 
Eiohelfer, durch Eid auf ihren Bufen, eine ihr vom verftorbnen Gatten 
zu eigen gegebne Morgengabe zu beweifen *). 

Die Lex) handelt nur von unbeerbter Ehe und zwar nur von 
ber Wieberverheirathung der Wittwe: es wirb vorausgeſetzzt, auch bie 
Unbeerbte bleibt in bem Haushalt bes verftorbnen Gatten bis zur 
Wieberverheirathung: alfo zweifellos Beifig®) der beerbten Wittwe. 
Diefe bat bei Wieververheirathung an ber ihr in eriter Ehe gegebenen 
»dos«, Brautgabe, nur mit ihrem Tod erlöfchenden Nießbrauch: vie 
dos fällt dann an ihre Finder erfter Ehe, die aus zweiter erhalten 
nicht8 davon, auch wenn bie dos”) nicht in Grunbftüden befteht®). 
Jene Brautgabe ift den Kindern verfangen®). daher bie Kinder fchen 
bei ihren Lebzeiten über fie für den Todesfall ber Mutter verfügen, 
3. B. Güter daraus!) ihren Frauen zum Wittwenbefig beftunmen. 
Während ver Ehe wird das ganze Vermögen beiber Gatten — nicht 
nur bie Drautgabe — gemeinſchaftlich verwaltet und genoffen; gleich⸗ 
wohl beftebt nicht Gütergemeinichaft: — denn was vom Mann, was 
von ber Frau berrührt, wird ftreng geſchieden —: eher eine Art Güter⸗ 
verbindung 11), die freilich nicht ftreng burchgeführt wird: bleibt bie 
Ehe unbeerbt, werben bie beiden Maſſen wieder geſchieden: keinesfalles 


1) Weſtgotiſche Studien ©. 116. 

2) L. 54 (55) p. 112, Heusler, Imflitutionen II. S. 328 auf 40 sol 
(nicht 400°). 

3) Morginaghepha‘, f. &runbriß bes D. Privatrehts &. 198, L. 54 (55) 
2. p. 113, unzugänglich blieb mir Oliveerona, om Makars Gifteraett i Bo ed. 
5. 1882. 

4) Bel. Graff I, ©. 152, Die wahrſcheinlichſte Erffärung bei I. Grimm R. A.« 
II. &. 560, Tobten (goth. naus) = Eid; über ben hiedurch zugleich erbrachten 
Beweis echter Ehe, |. Grundriß; dagegen nastula P. 54, 3 ift Neftel, Fibula. 

5) 55, 56 wie Bactus IIL 1. 

6) Dahn, Grundriß ©. 204. 

7) (»Pecunia«) T. 56. 

8) Bol. bie Urkunden mit Formeln bei Heusler a. a. O., bie hiemit völlig 
übereinflimmen: secundum legem Alamannorum. 

9) Dahn, Grundriß S. 214. 

10) Wartmann N. 22, 86. 

11) Anders freilich Heusler a. a. O. ©. 330. 


373 


geht aber bei beerbter Ehe das Vermögen aus ber eriten Ehe auf 
Kinder aus der zweiten Ehe des Weberlebenven über: es bleibt ven 
Kindern der eriten Ehe verfangen 1. Die Frau wirkt bei Verfügungen 
des Mannes über fein eigen Vermögen mit wegen ihrer echte, bie 
auf dem Örundeigen des Mannes verfichert find („an Eigen und Erbe 
gelegt“). 


IV. Erb⸗Recht?). 
1. Allgemeines. 

Allod ift zunächſt noch ganz im alten Sinn?) Erbgut im Unterfchieb 
von Errungenem, nicht Eigen im Unterjchiev von beneficium 4). Unter- 
fchieben werbend) Errungenfchaft, Erbgut‘) (beive im Eigenthum) und 
von „mächtigen Männern“ Empfangenes, d. h. wohl beneficia ober 
anbres Leih⸗Gut). 

Allodium fteht aber einmal gleichbedeutend mit ber fonft bei Ein- 
ziehung genannten hereditas = VBermögen?). 

Oft werben Erbgut und Errungenfchaft unterfchieven, aber dann 
doch beide verfchentt, und Allod bebeutet zuweilen ſchon nicht mehr — wie 


1) Sütertrennung in ven Gebirgslanden der Schweiz, Heusler II. ©. 329: 
immerhin bat auch bier der Dann, als eheliher Muntwalt (Ehevogt) am Frauen⸗ 
gut Mitbefis, Fruchtmitgenuß und Verwaltung, Dahn, Grunbriß a. a. O. 

2) Zönige VIII. 4. &. 211. Bluntſchli I S. 113. Opet, bie erbrechtliche 
Stellung ber Weiber in ber Zeit der Volksrechte, Gierke, Unterfuhungen XXV. 
(ba8 alamanniſche Recht ©. 657, 66). Glason, le droit de succession dans les 
lois barbares 1885. Ficker, Unterfuchungen zur Crbenfolge ber oſtgermantſchen 
Rechte IV. 2 1899 f. aber 8. v. Maurer, krit. Bierteljahrsſchrift XXXI. ©. 92, 
v. Amira Ööttinger gel. Anzeigen 1892 1. 

3) Könige VIU. 2 ©. 17. VIIL 4 ©. 185 = terra paternica L. 55 (57) 
p- 114. 

4) W. U. 10. a. 769 Reng- 46. Zeuß, W. 23; erſt wiel fpäter Bolleigen 
(gegenüber beneficium); gleichbebeutend fteht legitima paterna hereditate Neng. 
593 a. 89%. 

5) &rft 2. 904, 906, 907. 

6) W. U. L 32. Neug. I. % a. 786 tam de alod parentorum nostrorum 
vel de gqeolibet attraeto. 1. e. 34 und 105 a. 788 bat eim Prieſter mit eignen 
Sünden einen Weiler erworben: (alod) patermicum vel maternicum W. U. I. 36 
Meng. I. 85 a. 780. 

7) Neng. 651 =. 904 quidquid .... a potentibus homisibus et?) legi- 
timis heredibus accepit aut3) omnimoda sagaeitate et industria aequisivit. 
Bei einem Weibe nur Erbgut und Errungenkhaft, Errungenes amd vom Schwieger⸗ 
water Empfangenes 659 a. 906. 66 a. 997 Errungenes und Grerbies 666 a. 907. 

8) L. 44 (Cod 18) p. 104. 


374 


früher) — nur Erbgut, fondern alles Eigen, auch errungenes 2), ım 
Unterjchied von beneficium und precaria. 

Im Nachlaß werben unterfchieven von Vater oder Mutter Er: 
erbtes oder von biefen (oder dem Erben felbit) Errungenes?). Es ift 
auffallend und erklärt manches ſonſt ſchwer Erflärliche von consortes 
und Aehnlichem, wie häufig Söhne nach Beerbung des Vaters nod 
gar lange auf dem ungetheilten Vatererbe figen bleiben (oben ©. 352): 
fo bat auch bei Verheiratfung der Gatte noch unabgefchichtete Meit- 
erben (Brüder), die etwa bie Wittwe im Genuß ihres Brautichates 
(dos) bedrängen könnten 4). 

Auch das kommt häufig vor, daß zunächit nur ein Stüd der Exrbichaft 
getheilt wird, andres ungetheilt bleibt. Brüber (Söhne eines Grafen} 
haben getheiltes und noch (adhuc) ungetheiltes Eigen, d. h. Erbe). 
Die Brüder Wago und Chabaloh fiten zum Theil auf ungetheiltem 
Erbed), Brüder fchließen die Schweftern vom Grunderbe des Ba- 
ters aus”). 

Wohl zumal, obzwar nicht allein, an Xiegenfchaften in dem Nach 
laß bes Vaters ift gebacht, werben bie mehreren Brüder — von 
Schweftern ift nicht die Rede — gemahnt, das Erbe zu theilen umb 


1) Könige VIII. 2 ©. 17. 4. ©. 185. 

2) Neugart 283 a. 838 omnem alodem meam quam in Alamannia nune.. 
habere visus sum... de paternica portione sive de conquestu meo. 

3) Neugart 1. c. 10 a. 744 de eorum paternico vel maternico seu con- 
quisto vel comparato 85 a. 783. 163 a. 807. Schenkung nur des Muttererbes 
Neugart 224 a: 826. 

4) Coll. F. Sang. 12. Getheiltes und ungetheiltes VaterErbe, Bater-Erbe 
und Errungenfhaft W. U. I. 109. Neug. I. 305 a. 843. 421 a. 864 au 
bier burhaus nicht „Geſammteigenthum der Sippe”: Die consortes find einfad 
Miterben Neug. 139 a. 800. „Noch“ (adhuc, ungetheiltes Erbe W. U. L 63, 
Neng. 166 a. 809, quod cum consortibus (Miterben) meis adkuc in commune 
visa sum possidere. 

5) W. U. 60 Neug. I. 155 a. 805. 

6) Neugart 185 a. 805 tam devisa inter nos quam etiam ea quae in 
commune adhuc habere videmur.... partita et non partita. Bezeichnend if 
bet der Erbtheilung ber ſtändige Ausbrud: res quas .. contra [„gegenüber”“] fra- 
tres meas vel..conira coheredem meum..mihi partiendo sors legitima 
contulit Form. Aug. B. 6 quod frater meus contra me in portionem accepit. 
W. UV. 40. Neug. I. 118 a. 792. quod contra fratrem meum in portionem 
accepi 3. B. Neugart 355 a. 850. 

7) L. 54 (56) p. 114. T. 48, 57 terra paternica, Alod, odal, L. 55, 57. 
p, 114. Vorzug bes (ehelichen) Mannesftammes bei Orund-Güterfolge oft W. U. 
I. 123. Neng. I. 413. a. 856. 


375 


nicht vor vollzogener — gleicher — Theilung zu vergeuben (dissipare), 
wohl auch an Fremde zu veräußern). 

Da „ver Todte den Lebenden erbt2)“, erbt ber Water des nach 
der Mutter bei der Geburt verftorbnen Kindes durch diefes hindurch 
den Nachlaß ver Mutter — jo das von biefer früher ererbte Ver⸗ 
mögen ihres Vaters: es genügt ber Zeugen-Beweis, daß das Kind 
die Augen geöffnet, die Dede des Haufes und bie vier Wänbe befehen 
bat — ganz wie fpäter in ven Nechtsbüchern des XIII. Sahrhunderts?); 
ungeſchickt ift ber Ausbrud: „wenn es nur jo lange Zeit — Einer 
Stund — gelebt bat, fo daß es u. ſ. w.“ Auf die Länge ber Zeit 
kam offenbar nichts an, eine Stunde war durchaus nicht erforberlich ®): 
der 3. B. abwefende Vater braucht von Geburt und Top (beider) gar 
nicht zu willen. 

2. Geſetzliche Erbfolged). 

Wie alles germantiche Erbrecht ift auch das alamannifche nur auf 
ven Todesfall angewendetes Bamilienrecht: e8 giebt — urjprünglid — 
feine legtwillige Verfügung‘). Zu Grunde liegt biefer Bamilienerbfolge 
das — allerdings mit Abweichungen — gemein weſtgermaniſche Paren⸗ 
telenſyſtem). 

Bei dieſer Beerbung iſt der Hauptunterſchied, ob ſie an die Erben 
im eigentlichen Sinn, die Abkömmlinge, oder an bie Magen erfolgt®). 
Wird die posteritas von den legitimi heredes unterjchieden, fo find 
biefe die Vorfahren und die Seitenverwanbten?). 

Beftritten ift bie Beſchränkung der Töchter bei Beerbung bes 
Baters neben Brübern: das Wichtige ift wohl: Söhne fehließen bie 
Töchter vom väterlichen Grundeigen aus 19). 


i) L. 85 (88) p. 149: acqualiter, acequali. 

2) Dahn, Grundriß ©. 283. 

3) L. 89 (92) p. 151. 

4) Dahn a. a. O. 

5) Könige VIII. A. ©. 211, v. Amira über bie Erbgränze, Götting. gel. Anz. 
1892. J. S. p. 250, über Vetterſchaft — und keine — ©. 254. 

6) Tac. Germ. c. 20 heredes tamen successoresque sui cuique liberi et 
nullum testamentum. 

7) Dahn, Grunbriß ©..273. Weber das Erbrecht der Nachbarn als ver- 
mutheter Gefippen, gegen von Sybel ©. 45, f. VI. ©. 62; vgl. Heusler II. ©. 51, 
richtig auch Ross, p. 48—52, über genealogia ©. 46. 

8) Heusler II. ©. 573. 

9) Neug. 501. a. 876. 

10) Ich folge zum Theil Opet, ©. 65, erbrechtl. Stellung: aber hereditas 


376 


Erben nur Töchter, wird Fahrhabe nach Köpfen getheilt, ebenſo 
Liegenſchaften, aber bie in niebrigeren Stand Heirathende verwirkt 
ihren Theil an biefen an bie andern 1). 

Die Wittwe nimmt Ausſteuer, auh Mitgift, Muntſchatz umt 
Morgengabe und behält fie auch bei Verrüdung bes Wittwenſtuhls, 
falls fie nicht unterhalb ihres Standes heirathet?). Außerdem erbält 
fie oft ein Witthum, ſchon bei Lebzeiten des Mannes auf ein Grund⸗ 
ſtück deſſelben gelegt: dies aber fällt bei Wieberverheirathung over Tod 
ber Wittwe an bie Erben des Mannes. Erſt allmälig entwickelt fidh 
Das ausfchließende Folgerecht Eines Sohnes bei Banergütern). Die 
Geſippen Haben „ihren“ erichlagenen oder natürlichen Todes Ber: 
ftorbenent) zu begraben (fossa) und — nach ber Sitte — Todtengaben auj 
ihn zu legen®); werden ihmen deſſen blutige Sachen von dem Todt⸗ 
ſchläger überbracht, gilt dies nicht als Leichenberaubung ®). 

Bon den fpäter zu den Alamannen zählenden Tenchterern?) be: 
richtet Tacitus®) ein Vorzugsrecht des erftgebornen Sohnes, aber auch 
ein ſolches — eine. Art Heergewäte — an Streitroffen des „Zapferften“, (? 
fchwer beftimmbar: Anerkennung durch bie Brüber? deshalb unmwahr- 
fcheinlich:) das im Alamannenrecht der Lex nicht erjcheint®). 


paterna foll bie ganze Erbfchaft des Vaters bedeuten, materna ber Tochter (ma- 
teraum im Tochterbeſitz [?))- 

1) T. 57: nur als Beiſpiele bes niebrigeren Standes werben Kron⸗ umb 
Kirhhen-Eolonen dem Freien (Vollfreien, liber) entgegengeftellt; faft wörtlich auf- 
genommen in ben fogen. Schwabenfpiegel ed. v. Laßberg $ 325; vgl. Eichhorn 
8 65 Bluntſchli, Züri I. S. 114. 

2) T. 55, 56: fällt dann Alles an die Erben des Mannes? 

3) Damals noch lange nicht Regel wie Lamprecht, D. Wirthſchaftsleben J 
©. 946. Dultzig S. 13f. (Gothein, Wirthſchaftsgeſchichte S. 298), Untheilbarkeit 
S. 16: allein das Mithanbeln ber Söhne, Brüber bei Beräuferungen erflärt ſich 
nicht aus Gefammteigentbum der Hausgenoſſen &. 47, fonbern ans bem fo zu 
befettigeuben Beiſpruchsrecht (richtig auch Opet, Gierke XXV. a. a. O., f. oben 
S. 352f.), Ross, p. 54, aber nicht aller Gefippen zugleich, fonbern suecessio in 
retractum: wo e8 vorkommt, beruht es ſtets auf befonberen Srünben, unvertheilte 
Erbſchaft, Vertrag. 

4) P. 42 mortuum suum. 43 L. 49 mortuo tam oceiso quam qui sua 
morte morit. 

65) Buperius mortuum .. in terra mittere. 

6) Lo. 44, ſ. eben ©. 338. 

7) Oben ©. 15. 

8) Gum. c. 32. 

9) Bgl. Ross, p. 102, aber damals noch kein Vorrecht ber Erfigeburt, wie 
Ross, p. 106. 


377 


3. Letztwillige Verfügung). 


Nachdem man aus dem römischen und dem fanonifchen Recht die 
legtwillige Verfügung?) kennen gelernt hatte?), war fie auf die Dauer 
nicht mehr auszujchließen; zumal bie Kirche fie aus idealen und aus 
fehr realen Gründen begünftigte: fie bringt im Kampfe mit dem alten 
Bollsrecht bald offen, bald vervedt, bald unmittelbar, bald mittelbar, 
auch in einer Art von Erbertrag allmälig durch. 

Dei einer Königsſchenkung erhält ver Beſchenkte freie letztwillige 
Berfügung, nur in deren Ermangelung ſoll das Schenkgut Sankt 
Gallen zufallen ). 

Sehr merkwürdig ift die offenfichtige Umgehung des Verbots legt- 
williger Verfügung durch einen Vater zu Gunften feines jüngften 
Sohnes: er fürchtet, deſſen Stiefbrüber werben feine Hilflofigteit 
mißbrauchen: befhalb überträgt er ihm fehon unter Lebenden Grundeigen: 
nach des Vaters Tod follen die Dheime oder andere Gefippen es für 
den Knaben bis zu beffen Reife verwalten. Um aber das Geihäft zu 
fichern, foll ver Knabe die Güter erwerben durch einen Wehrgurt mit 
Erelfteinen over ein Roß im Werth von 60 sol.: „und das ſoll zum 
Zengniß fein zwilchen mir und ihm und feinen Brübern, auf daß 
niemand ihm jenes Erbe entziehen könnes)“. Im ver folgenden Formel 
repräftiet ver Sohn das Empfangene an den Vater anf vefien Lebens⸗ 
zeit zuräd®). 

Lettwillige Verfügungen — auch über Liegenjchaften — werben, 
um fie zu decken, mit Nechtsgefchäften unter Xebenden verbunden: fo 
verfügt bei einem Tauſch mit Sanct Gallen ein Grundeigner ben 
Uebergang von Land an feinen Sohn unter Xebenven, aber nach bes 
Sohnes Tod an deſſen Sohn: und mit der Hand eines andern Enkels 
fchenkt er die Güter Sanct Gallen: in Wahrheit aber fchließt er einen 
Tanſch mit dem Klofter”). 

Undeutlich wird®) ein Bruder von dem andern beerbt »more 


1) Dahn, Rechtsbuch ©. 254. Grundriß ©. 304. Heusler IL ©. 117, 
625, 642. 

2) Testamentum condere iſt techniſch, Leviſon, Heine Beitr. S. 340. 

3) Zu dem Teſtament Tello's von Saviguy I. &. 314, oben S. 321. 

4) Neug. 521. a. 880: dem er es ſelbſtverſtändlich auch vermachen kann. 

5) Coll. F. Sang. 13. 

6) l. co. 14. 

7) Neug. 464. a. 872. 

8) Neng. 491. a, 875. 


378 


Alamannorum jure hereditavice — alfo Sippen: Erbfolge 
und doch gejagt: »hereditas, quam mihi frater meus vitam dis- 
cedens dedit<: — alfo lettwillige Verfügung. 

Nein thatjächlich wird ein Teſtament erſetzt durch eine Lirkunte, 
die neben Schenkungen an Sanct Gallen befagt: „alles anpre, was id 
bort (in Merzhaufen) eigne, will ich, foll mein Sohn Irfing baben*!. 

Zahlreiche Vergabungen find zwar infofern weder Teſtamente noch 
Erbverträge, als ver Bedachte, 3. B. das Kloſter, ſchon jegt — alle 
purch Nechtsgefchäft unter Lebenden — Eigenthum erwerben foll: allein 
bie vertragsmäßige Verpflichtung des Klofters, das Gut nicht nur tem 
bisherigen Eigenthümer zu Befit, Verwaltung und Fruchtgenuß zu 
repräftiren, auch der Wittwe ober mehreren oder allen Nachkommen 
des Vergabers ebenfalls zu belafien, Hat ver Wirkung nach ben Inhalt 
legtwilliger Verfügungen, bie ter römifchen Subftitirtion und bem 
Tipeicommiß ähneln 2). 

6. Das Recht der Lex Romana Rhätica Curiensis. 
I. Berfahren?). 
1. Allgemeines. — Das bürgerlige Verfahren. 

Eine gewiffe Anerkennnng des Fehdegangs bringt bis in bie Lex 
Romana: Heimſuchung und Hofbrand wird von ber Vorlage unbebingt, 
von ber Lex nur bann mit dem Tode beftraft, wenn es gefchieht 
„ohne Urfache” 2). 

Uebrigens ift über biefe Abweichungen ver Lex von ber Vorlage 
ein für alle mal zu bemerken, daß in gar vielen Fällen, im welchen 
wir Mißverftänpniß in ber Lex annehmen, ebenfo gut abfichtlide 
Aenderung vorliegen kann, wie in ben minder zahlreichen, im benen 
wir Abficht, Grund und Zwed der Aenderung erfennen können. 

Im Uebrigen wird unbefugte Selbfthilfe geahntet: Wegnahme ohne 
Nichterfpruch wird (neben der Rückgabe) mit Leiftung gleichen Werthes 
bebroht: aber auch der gewaltfamen Entwerte verliert bie Sache, Die 
er ohne Richterfpruch wieder an fich reißt. Letzteres fügt vie Lex’) 
der Vorlage bei. 


1) Neugart 111. a. 790: der Sohn billigt bie Schenkung. heres iſt jetzt auf 
römiſch nicht mehr nothwendig Geſammtfolger, Leviſon, Meine Beiträge ©. 342 
»heres unius rei«. 

2) ©. unten: „Zuftände”. 

3) Stobbe L. R. p. 52. 

4) L. R. XXVII. 4. 2. 

5) IV. 19, 3. 


379 


Wer unter Vorgeben eines obfieglichen Urtheils oder unter Um— 
gehung des Rechtswegs fich in Beſitz jest, ohne gehörige Ladung bes 
Beſitzers, verwirkt feinen etwaigen Anſpruch. (Römiſch). Vormünder 
haften ven Mündeln bei folhem Vorgehen). 

Ganz felten werben bie Gauleute aufgerufen, felbft Unrecht (eines 
Abtes) abzuftellen: wohl nicht ohne Weitres mit Gewalt, erft nach 
Richterſpruch, den fie erwirken follen 2). 

Das Perjonalitätsprincip wird auch in Ehurrhätien durchgeführt ®), 
aber vie Nechtsgleichheit muß doch manchmal jeltfam empfunden worden 
fein: dem alamannifchen Stenerfchulpner darf ber actor fiscalis das 
Rind vom Pfluge fpannen, dem römiſchen nicht ®). 

Deffentlichleit der Nechtspfleges) ſchärft auch das römische Necht 
ein‘). Die Gerichtszeit wird für die Römer nach römiſchem Recht auf ven 
Bormittag beichräntt 7) (früher aber auf Sonnenuntergang) (Eonftantin). 
Am Sonntag dürfen wie private fo ftatliche Anfprüche nicht gerichtlich 
verfolgt werden). Am Sonntag ruhen auch alle Nechtsgefchäfte, 
ausgenommen Emancipatio, Manumissio und Freilafjung?). Außer- 
dem find römiſche Gerichtöferien: I) vom 23. Juni bis 1. Auguft, 
Ernteferien (messivae), II) vom 21. Auguft bis 15. October, Wein- 
fefeferien, vindemiae, III) Ofterferien: 7 Zage vor und 7 Tage nach 
Dftern, IV) Weihnachten, V) Heilige drei Könige, VI) Tag der Ge- 
burt und VII) des Regierungsantritts des Herrjchers. Die frühere vier- 


1) L. R. IV. 19, 2; die Lex übergeht Die von der Vorlage jenen gebrohte 
Berbannungsfirafe. 

2) W. U. 6. Neug. 31. a. 760. 

3) L.R. Rh. C. II. 28. 

4) Läßt Ludwig ber Dentfche, ber Uferfrante, einen Unfreten „nach faltichem 
Recht” durch Schatzwurf Könige VII. 1. S. 267. VIII. 2. ©. 209 frei, Neug. R. 
440. a. 866 vgl. N. 658. a. 906, fo muß der Herr bes Unfreien Salfrante ge 
weien fein, oben ©. 183. 

5) ©. oben ©. 295. 

6) L.R. Rh. O. I. 6, 2 non in remoto loco se abscondat (judex) neque 
ipse solus judicium donet (die boni homines fügt die L. ihrer Vorlage wieber- 
bolt bei), jeber ſoll durch bie geöffneten Thüren (aber römifch: bes Richter- 
Hanfes) eintreten bärfen. 

7) L. R. Rh. C. 1. 7. 5 Pfund Strafe für den Kläger, der fpäter ben Richter 
aufſucht; wohl gemein arifh P. sp. III. 61, 3. 4. Grimm R.A.« ©. 439. 

8) L. R. VIII. 3 bei Strafe bes sacrilegiums. 

9 L.R. Rh. C. 11. 7: die Borlage fügt bei: bie Errichtung ber Gefta 
hierüber; das Schweigen ber Lex deutet wielleicht auf beven Verſchwundenſein. 


380 


monatliche Friſt wird gekürzt (vom 1.—22. Auguft feine Ferien!. 
Während der (AO tägigen) Faften ruben alle Straffachen ?). 

Der Kläger hat in ber patria (Vorlage: provincia) des Be: 
Hagten zu klagen). Zumal Wittwen, Mündel, Waifen, Geringe, 
Kranke follen nur in ihrem Gau zu Recht ftehen, vorbehaltlich) ihres 
Reclamationsrechtsd). Webrigens ift ver befonvere (Königs) ſchutz für 
Mündel, Wittwen, Waiſen (Kranke) nicht exrft germanifch, ſchon bie 
Interpretatio fchärft ihn ein®). 

Regelmäßig klagt ver Kläger bei dem Wohnortsgericht bes Be— 
HMagten”?). Aber ein Nicht-Beamter (privatus patrianus) Tlagt gegen 
einen miles (ein vornehmerer Beamter, ministerialis), bei deſſen Bor 
gefetsten®), der miles gegen jenen bei dem orbentlihen Gau-Richter‘). 
Schwierig ift die Auslegung der Stelle ber L. R. Rh. O.!), weißt 
auf Grund ber Interpretatio die Zuſtändigkeit ber Höheren und mieberen 
Gerichte für tie Römer regelt. Nach der Vorlage gehen geringer: 
Straffachen an die judices mediocres, d. 5. die defensores oder 
assertores pacis1!), an ben rector provinciae (ben judex ordi 
narius) bie fchwereren Straffachen im Inſcriptionsproceß. Daraus 
macht die Lex I. Civilffagen und geringere Straffachen: minores 
causae gehen an bie privati oder mediocres judices, II. majores 
(und? oder?) unter Hochgeftellten (altae personae) gehen an bi 
seniores principes, d. h. richtiger Anftcht nah an Hausmeier old 
König, nicht an hohe Vaffallen. Beftritten ift num der Begriff der 
privati judices: man denkt an Kirchliche Immunitätsgerichte: allein 
das Gefeg fpricht ganz allgemein, keineswegs nur von Kirchen, auh 
paßt mediocris judex nicht für einen Bifchof: es find wohl bie 
römifchen judices pedanei!2). Die causae majores unter mi- 


1)1.e. 9,3. 

2) L.R.IX. 25 pro reverentia relegionis (sic). 

3) L. R. XIX. 1. 

4) VII. 4. &. 40. 

5) L.R. Rh. C.1. 9, 2. 

6) Hienach L. R. Rh. C. 1. 9. 

7) L.R.Rh. C. II. 1, 45. 

8) Epitome Aegidii: ille causam audiat, oui militat: affo z. B. auch 
Hausmeier ober König. 

9) L.R.Rh.C. IL. 1, 2, 

10) II. 1, 6. 

11) Ueber biefe Könige VI2 ©. 350. 

12) So meint Amtsgenofie Ibrs vgl. oben ©. 234. 


381 


noOres personae gehören nicht vor die Beniores principes nach dieſer 
Stelle: wohl aber nady 1. c. XI, 8: quicumgue persona de 
crıminale causa accusatus fuerit aut de homicidio aut de ma- 
gnis criminibus, de ipso crimine ad principem (in ver Einzahl, 
alfo zweifellos der König oder Hausmeier, auch II 1, 6) dicendum 
est, ut bonorum personarum judicia ante principem (Ein- 
zahl) finiantur: freilich wieder bonae personae: allein das find 
doch wohl nur ehrbare, aljo mediocres, nicht altae personae. So 
würde bie Caſuiſtik erichöpfenn fein !). 

Das Weib ift in eigner, nie in frember Sache procekfähig 2). 
Metronae werden gegen willfürlide Vorführung geſchützt?), ihre 
actores (in ber Vorlage auctores) follen zur Rechenfchaft gezogen 
werben. (Beides römiich). 

Während im germanifchen Proceß die (freiwillige) Vertretung regel⸗ 
mäßig ausgefchlofien ift, läßt fie ver römijche ganz allgemein zu; jeber, 
nicht nur der Miterbet), überhaupt wohl consors, Miteigenthümer, 
Rechtsgenoß, jeder Freie Tann unter Nachweis fchriftlichen Auftrags 
die Proceßvertretung übernehmen; nur milites dürfen weber als Ad⸗ 
pocaten noch als PBrocuratores auftreten5): der römiſche Unterfchieb 
bon procurator und cognitor, mündliche Uebertragung vor dem Nichter, 
ift beibehalten: auf den Erben geht die Verrichtung nicht über, der Erbe 
des VBertretenen hat dem Vertreter das von dem Verftorbnen Verſprochne 
zu leiften (nichtS wird gejagt über Fortdaner der Vertretung in biefem 
Tall), die actio judicati geht für und gegen den Vertretenen, nicht 
gegen ben Bertreter (vorbehaltlich bes Unterſchiedes bezüglich des cautio). 
Unfreie können nicht procuratores fein, Frauen, freigeborne und „gute“ 
(bonae), für fih und ihre Kinder‘). Der procurator Tann nur foldhe 
Geſchäfte führen, die ihm urkundlich oder vor Zeugen oder durch ben 


1) Aber freilich denkt das entiprechende Capit. de just. fac. c. 2 O. I. 
p. 176 nur an Bifchöfe, Aebte, Grafen und potentiores. Bgl. VIII. 3 und bie 
Literatur daſelbſt, Brunner, Erbpacht, Niffl, Gerichtsftand, Stobbe, L. Rom. ©. 41 
unb Zeumer, p. 313: alsdaun find doch Immunitäts⸗Richter gemeint. 

2) L.R.IX. 1, 2 die Borlage in sua suorumque causa. 

3) L. R. Rh. C.1. 9. 

4) Des meint L.R. Rh. C. V. 10, 1, wie Zeumer gewiß richtig vermuthet, 
unter heres suus. | 

5) 2, 3.1. c. 

6) Ueber die infames, als procuratores und cognitores und ihre Eib- unb 
Zeugniß-Unfähigtelt. 1. c. 3, 4. L. R. XXI. 4, 1, 2. 


382 


König, princeps, übertragen findt), Ausgefchloffen ift Vertretung im 
Strafverfahren, wo Todesſtrafe droht?) 

Zum Tode foll niemand abweſend verurtbeilt werben, fagt hie 
Borlage: die Lex macht daraus „in allen ſchweren Fällen“>): im 
leichteren läßt fie den preimal gehörig Gelapenen*) und Ausgebliebenen 
verurtheilen. Advocaten aber (nicht etwa Vögte) dürfen nicht Laien 
oder niedre Geiftliche, nur Biſchöfe und Priefter in Straffachen ver- 
treten). | 

Advocaten, die fich bei Uebernahme von Rechtsftreiten übermäßige 
Zuwendungen fchriftlich verfprechen laſſen, follen dieſe nicht erbalten 
und vom Verkehr mit ehrbaren Leuten, fowie von ter Gerichtsftätte 
ausgeſchloſſen jein®). 

Bor der Vernehmung joll der Richter den erfchienenen (Zeugen) 
ven Eid abnehmen, daß fie die Wahrheit fagen werben: ver Richter foll 
dann glauben ben honestiores, meliores, plus justae”). Auch 
römifche Procepftrafen find in Geltung. 

Während die Vorlage den Sat: »lis infitiando crescit in 
duplum« nur für einzelne Fälle aufftellt, verallgemeinert ihn vie Lex: 
auch für ten Verkäufer, ver nach fchriftlichem Kaufvertrag zu wenig 
übergiebt®). Bei plus petitio®) (bei ver Leihe) wirb der ganze An« 
ſpruch verwirkt. 

Den Kläger, nicht den beklagten Befiger, trifft die Beweislaſt: 
doch muß biefer erflären, ob er kraft urfprünglichen ober Traft ab- 


1) 1. o. 5. bie Borlage fagt nur evidenter commissae, bie Lex führt 
Zeugen, Urkunden, den König an; Schäblgung bes Bertretenen wegen Beftechung 
(sportulum) tft unwirkfam 1. c. 5, 3. 

2) L. R. XXVII 11, 1. 

3) L. R. XXVIL 11, 1. 

4) per verbum oder per sigillum, hierüber ſ. L. Alam. 22, 2 oben 27, 
1—3 L. Rom. Visig. IL. 1, 18, 19, auch Sohm ©. 115. Brunner, Schwurger. 
©. 79. 

5) L.R. XVIII. 11. 

6) L.RRh.C.D. 9, 1. 

7) L. R. XI. 13 nisi si minor numerus seit. Brunner, Zeugen- unb 
Inquiſ. ©. 43. 

8) L. XXIII. 25; Conrat 3.5.8. ©.2 Germ. Abtheil. &. 239 hat gezeigt, 
daß 25 und 26 1. c. auch in einer Handſchrift der Capitularien fich finden Cap. 
ed. (Boretins) Kraufe I. p. 336 c. 11—13. Ic entnehme dies Zeumer p. 419. 

9) tempore, qualitate, quantitate L. R. XXIII. 11, die Vorlage auch loco: 
währenb biefe commodare und commendare, weitget. Studien, ©. 104 neben- 
einanberftellt, jagt bie Lex nur praestare. 


383 


geleiteten Erwerbgrundes befige!), Im Uebrigen ift aber das römiſche 
Recht im Beweisverfahren ſtark germanifirt: an Stelle des (römifchen) 
Schiedseides der Vorlage wird ganz allgemein ber Unſchuldseid mit 
Eiphelfern angeorbnet mit Vorzug ber „mehreren und befferen“2). 
Drollig ift die Auslegung bes Citirgefeßes in der L. R. Rh. C., wo⸗ 
nach ftatt der Mehrheit der 9 Yuriften bie Mehrheit der Zeugen oder 
Eidhelfer entjcheiden foll3); außerdem verwechlelt fie „Bapinian“ mit 
„Bapian“, d.h. ber L. R. Burgundionum: beren Entſcheidung ſoll 
vorgeben). 

Bezüglich der Schulpicheine (cautiones) weicht die Lex Romana 
von ihrer Vorlage vielfach ab: einmal unterjcheidet fie, ob die Parteien 
propingui vicini, Nachbarn, waren: bie Vorlage, „wenn der Schufpner 
am Wohnort des Gläubigers ftirbt“ (praesente creditore): dann foll 
ver Gläubiger fie binnen zwei Jahren nach dem Tode bes (abweſenden) 
Schuldners bem Richter vorlegen, ftirbt der Schuloner auswärts, in 
fünf Jahren, leben beide, in 12 Jahren Einklagung over Erneuerung; 
gerieth ver Schuloner in Gefangenfchaft (nach der Vorlage: peregri- 
natio), foll der Gläubiger die Urkunde) an des Schulpners Thür- 
pfoften anſchlagen vor deſſen Erben oder Geſinde (familia) nach der Vor- 
Lage kraft Richterſpruchs: Daburch wirb der Lauf der Verjährung gehemmt. 
Die Einrede bes Nicht-Empfangs hat der Schulbner nur binnen 5 Sahren, 
nach jüngeren Rechten Ahättens ®) jchreibt der mahnende Gläubiger beit Ab- 
weſenheit des Schulpners feine Hausmarke an bie Thür des Schufpners. 
Einfeitige Aufzeichnungen des Gläubigers über ihm zuftehende Schuld» 
forderungen beweifen nicht”). Urkunden, erpreßt (per forciam) im 
Haufe des Schuldners oder im Kerker oder in Ketten, find ungültigs). 
Werben über ein Gejchäft, mehrere (widerſprechende, unklar ausgebrüdt!) 
Urkunden ausgeftellt, find alle ungültig 9). 


1) L. R. XI. 15, 3. 
2) L. R. XXIV. 1, 1 qui meliores aut plus justus (as) personas habuerit 
ipse juret. 
3) I. c. 1.4. XI. 13: qui majorem numerum habuerit de bonos homines. 
4) ©. oben ©. 228. 


5) Wie Zeumer richtig vermuthet, vielmehr eine Abſchrift L. R. Rh. C. 
1I. 25. 


6) ©. die Literatur bei Zeumer. 


7) Breves, in Ermangelung von cautiones L. R. X. 7. 
8) L. R. XXI. 8, 2. 
9) L.R. XI 12. 


384 


Bolljährige!) konnen bie von ihnen ausgeftellten Urkunden nicht 
anfechten bei Meibung ber Iufamie, ver Klagabweifung, ber etwaigen 
Bertragsftrafe und des Schavenerfakes; das Gleiche gilt für Unfreie, 
welche vie Namen ihrer Herren in bie Urkunden fchreiben und bie Ber- 
tragserfüllung weigern. 

Der Beweisführer muß?) Echtheit ver Beweisurkunde beichwören?) 
fonft gilt fie als falfch, d. h. beweisunträftig®). 

Der im Freiheits⸗ oder Vermögens⸗Proceß beffagte Freie erhklt 
eine Frift von 9 Monaten, wenn er Über Meer Beweismittel fucher 
muß 5). 

Dei Biscalftreiten hat ber beilagte Private 6, der beklagte Fiscat 
nur 4 Monate Frift für die Klagbeantwortung ®). 

Im Befisftreit (de momento) obſiegt nad gewaltfamer Ent- 
werung (per forciam tollere), wer ben größeren Theil des Jahret 
hindurch im Beſitz gewejen”?). 

Das römifche Recht ftraft ben, ber Eine Sache petitorifch ver 
ven Einen, pofjefforifch vor den andern Richter bringt®). Die Lex het 
ben gewiß häufigen Fall vor Augen, baß ber ftatlihe (publicus) und 
zugleich der Tirchliche Immunitätsrichter (privatus: hoc est ecclense 
actor) angerufen wird, während ver Kläger doch nur Einem, bem 
Richter ver belegenen Sache®), unterfteht: das Geſetz ſtraft num [mie 
die Borlage) mit Anfpruchverluft und Verluft von 1/, des im be 
Gebiet des ftatlichen Nichters (judex civitatis) belegenen Vermögen. 

Aber biebei Hat die Lex zweimal die Vorlage gröbich mißver⸗ 


1) Gewiß ift mit Stobbe, Lex Utin. &. 12 majoribus flatt minoribus 38 
Iefen, wie die Borlage II. 28 L. R. Rh. C. zeigt. 

2) Mit 12 Eibhelfern nad) Lex Salica extravag. B. e. 3 ed Behrend 
p. 122, ich entnehme dies Zeumer p. 286. 

3) Ueber das Berfahren — bürgerlich ober ftrafrechtfich — bei der Behauptung 
der Urkundenfälfhung (ohne ober mit ihscriptio) IX. 15, 2. 

4) L. R. XI. 14. Brunner, Schwurgerichte S. 65, carta und notitia, er 
schrift für Mommfen ©. 582f. — audiatur et altera pars, feine heimliche Ir 
Mage XI. 15. 

5) L. R. Rb. C. UI. 6; bie Erwähnung bes Meeres beweiſt in ſolchen 
Aufammenhang burhaus nicht die Entflefung ber Lex am Gechrand (von 
Arien ober Stalten): einfache Abſchrift aus der Vorlage. 

6) L.R.Rh.C.D. 5, 4. 

7) L.R. XXVII. 11, 2. 

8) So iſt — beiſpielweiſe — bie Iuterpretatio zu verfichen. 

9) sub illum judioem . . ad illam civitatem ... in cujus finibus 1& 
de quo (sic) agitur, fuerit constituta L.R. Rh. C. I. 16, 2. 


385 


ftanden, indem fie »principale negotium« (das petitorifche Verfahren, 
wie wir fagen würden) mit bem Fredus verwechielte, weil ber Fredus 
an ben princeps d. h. ben König fiel!). 

Schwerlich ift dabei an das „Fretum“ an den judex zu benten, 
das bei einem Verfahren wegen pervasio zu entrichten ift 2). 

Das momentum ift bie vorläufige Beſitzeinweiſung). Das 
Interdietum utrubi (utrum vil! ver Epitome) ift in Geltung ®). 

Die Richter follen die vor fie gebrachten Sachen erſchöpfend er- 
ledigen, ten Verdacht der Beſtechung zu vermeiben 5). 

Der Richter darf erft nach burchgeführtem Verfahren und Gehör 
bes Beklagten entſcheiden: auch eine vom Kläger erfchlichene (Taiferliche, 
tönigliche, berzogliche) Enticheivung Hilft ihm nichts). 

Gegen Erfchleihung Töniglider Beſcheide und Verzögerung ber 
Juſtiz wird oft geeifert”); binnen Iahresfrift foll ver Beraubte Hagfo8 
geftellt fein; andrerfeits foll binnen gleicher Friſt Hagen, wer gegen 
Minderjährige oder eine Urkunde auftreten will, fowie in allen Sachen 
unter 100 sol.®). Jene Proceffrift läuft von der Slagftellung an 
auch gegen bie Erben bes Klägers). Doch foll der Richter nach 
Ablauf diefer Friſt eine Nachfrift von 4 Monaten gewähren lönnen, 
eine längere auch der König nicht; ber Richter haftet für ben durch 
Verzögerung angerichteten Schaden 1%). Auch richterliche Urkunden, durch 
Zwang ober Beſtechung erwirkt, find ungültig 13). 

Das Urtheil foll beiden Theilen gehörig verlündet werben, wonach 


1) L. II. 16, 2 und IV. 19, 1. Ueber bie Trennung bes petitoriichen 


(revestire . . beneficium) und bes poffefforifchen Verfahrens L. R. IX. 16 (ba« 
neben unde vi). 


2) Le. 2. 

3) L.R. XXVI. 13, 2. 

4) IL 16, 2. IV. 20. 

5) L.R.Rh.C.LD. 16, 1. 

6) L. R. IV. 19, 5. Gegen erichlichene Beſcheide bes Herrſchers [von 
Chlothachar IL] Cap. p. 19 L. R. R. C. I. 3—5; fie muſſen fchriftlich vorgelegt 
werben, Glauben zu verbienen 6 1. o.; aber wiederholt Übergebt bie Lex bie in 
ber Borlage erwähnte Erjchleihung eines Beſcheides des Herrfchers, aljo des Kaiſers 
(princepe), fo IV. 19, 5, 20. 

7) L.R. Rh. C. II. 4. 

8) 1. c. 1,2. 

9 L o. 5, 3. Hier bezeichnet heres ven Erblaffer. Bel. Du Cange IV. 
p. 152. 

10) 1. 0. 5,1. 2. 
11) L. R. XXIII. 2. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 5 


386 


es Recht ſchaffti). Proceß- und andere »Koften darüber hinaus kömen 
nicht eingeflagt werben?). Der Verurtheilte bat zwei Donate nah 
bem Nichterjpruch außer der Hauptfjumme 2 vom Hundert berjelbes 
zu zahlen; geräth aber ber Kläger in Annahmeverzug, nachben der 
Verurtheilte ihm am Urtheilstag fogleich die Zahlung der Hauptſumme 
anbot, (was boni homines bezeugen), ift nur die Hauptjumme zu 
zahlen ?). 

Durch cessio bonorum kann fich ber Schulpner nur dann be 
Zahlung entziehen, wenn er beweift, durch höhere Gewalt all fein 
(andres) Vermögen verloren zu baben®). 

Res litigiosae dürfen während bes Nechtsftreits nicht veräußert 
werben). 

Die breißigjährige Verjährung ift nur in Sachen des Poſtliminiums 
und der Minderjährigen ausgefchloffen ®). 

® Stirbt der Bellagte während des Verfahrens, erhalten bie Erben 
eine Friſt von 4 Monaten zur Ermittelung der Sachlage”). 

Wie im fpäteren römiſchen Neich die militaris tuitio®) von 
Eingriffen in das Verfahren abgehalten werden muß, fo ähnlich im 
ganzen Brankenreih?) und hier auch der mannichfaltige Eingriff ber 
Großen. 

Gleichmäßige Nechtspflege für potentes (und beren actores) wie 
inferiores wird nach ver römifchen Vorlage eingefchärft: jetzt treien 
ber »senior« und bie »pauperes« hervor 10). 

Den Mißbrauch, die Namen, tituli, und Anfprüche von Bor 
nehmen an Häufern und auf Grundſtücken anzubringen, um dadurch 
bie Eigenthümer abzufchreden, ven fchon das Edict Theoderichs ahndet 


1) L.R. IV. 14. 

2) 1. c. 15. 

3) 1. c. 16 mit Aenberungen ber Vorlage. 

4) L. R. IV. 17: bezeichnenderweiſe fügt die Lex feindlichen Einfall bei, läht 
aber ben in Chur unpaffenben Schiffbruch weg: ein weiterer Beweis gegen bie 
Seimath der Lex in Italien ober Upine. 

5) L.R.IV. 5. 

6) L.R. XVII. 7. Verjährung unter An und Abweſenden in 10 nnd 
20 Jahren L. R. XXVII. 10. 

7) L.R.XL 7. 

8) Vgl. Könige II. ©. 116. VI. 2. ©. 503. 

9) L.R. Rh. C. 1. 8. 

10) L.R. Rh. C.1. 6, 3. 4. 
11) Oben ©. 160. 


387 


beftraft das Geje an ben einverftanpnen Vornehmen (potentes) oder 
Nichtern mit Verluft von Amt und Würden, an den Thätern mit 
©eißelung, Metalla und Berluft des etwaigen Anfpruches?). 

Die vom Herrfcher durch Amt oder fonft Ausgezeichneten follen 
ſich nicht als Proceßpartei neben dem Richterſtuhl nieverlaffen 2). 
Andrerjeits muß ben Richtern verboten werben, in eigner Sache zu 
richten ?). 

Unbefugtes Sportelnehmen wird an Richtern mit dem Tode 
bedroht). 

Aber während fonft im Frankenreich bei ftrenger Strafe®) ven 
Richtern verboten ift, Gelb von ben Parteien zu nehmen, rechnet bie 
Lex Romana gewifje Bezahlungen ganz einfach zu ben Verfahrens- 
Koften, wie etwa die Koften ber Verpflegung an ten Gerichtstagen®). 

Rechtsfachen höher Gejtellter follen vor dem Herricher (urfprüng- 
fich dem römischen Kaifer) entjchieven werben 7). 

Wer den Richter ungerechten Urtheils bezichtet, darf nach dem 
Urtheil einen anderen Richter angehn®). 

Nah römischen Recht wird fogar wiederholte Klagftellung zu- 
gelaffen, nur wiederholte Verurtheilung mit Verbannung, Einziehung, 
metalla gebüßt 9). 

Der Richter Hat vor dem Herricher (principem suum) zit ver- 
antworten, weshalb die Parteien nach feinem Urtheil noch einen andern 
Richter angingen 19). 

Verboten wird aber, rvechtsfräftig entfchiedene ragen durch 
„allerlei Urkunden over andre Trügereien“ nochmal aufzurühren: burch- 


1) L.R. Rh. C.D. 12. 

2) L.R. Rh. C.I. 7. Oben ©. 160. 
3)1l.c. U. 2. 

N L. R. Rh. L. 6. 

5) Könige VIII. 3. ©. 65. 


6) L.R. IV. 15, 1: (sumptus litis) in quantum (bie Kläger ſtreitend mit 
ben Bellagten) in suum victum expendiderunt aut quantum pro hoc ad judices 


conducendum pro sua justitia dederunt. gl. Stobbe L. Utin. &. 60. Weit 
IV. ©. 421. 


7) L.R.Rh. C. X]. 18. 


8) L. R. XVII. 11. ganz unbeſchränkt. Anders bie Capitularien. Könige 
VII. 4. ©. 40. 


9) L.R. Rh. C. 1. 5. 
10) L.R. Rh. C. II. 16, 1. 


25* 


388 


aus unftatthaft ift das nach 2 Jahren, wenn nicht Krankheit ober 
GSefandtfehaft 1) nach auswärts entfchulbigt. Ä 

Gegen Verunrechtung durch einen Nichter finvet binnen 2 Ian 
Beſchwerde bei veffen Nachfolger ftatt2). 

Ambascia forastica b. 5. amtliche Entfendung in das Auslant 
oder doch in die Ferne?) verlängert die (zweijährige) Frift für An 
fechtung von Urtheilen ®). 

Reclamatio an den König (principem) ift, abgeſehen von ben 
Konigsſchützlingen, nur bei Nechtöverzögerung ſtatthaft. So in Ueber: 
einftimmung mit Capitulariend) und in Umänverung ber Interpretatio 
bie L. R. Rh. C.®). 


2. Das Strafverfahren. 

Zuftändig ift bei ſchweren Verbrechen?) pas Gericht Der begangenen 
That, nicht das bes Wohnorts des Verbrechers. 

Jedes fohriftliche Strafverfahren (inscriptio, subscriptio)®) muß 
binnen Sahresfrift beendet fein: Verlängerung können bie Gegner nit 
unter vichterlicher Genehmigung vereinbaren: ift binnen jener Friſt ber 
Beweis nicht erbracht, erfolgt Freifprehung: ver Ankläger wird infam 
und verliert 1/, feines Vermögens ®); tft er fchon ehrlos, wirb er ver⸗ 
bannt 19). Hat aber auch der Ankläger die scriptio, weil unerweislid), 
zurüdgezogen, Tann ber Richter doch das Strafverfahren fortführen 
und verurtbeilen 1). 

Wer Anklage wegen Tödtung erhebt, muß ſchriftlich (subscribere) 
vor dem Richter für den Fall ver Unburchführbarkeit die dem An 
geflagten drohende Strafe 12) übernehmen, auch fonft eine Buße, fall 


1) L. R. Rh. C.I. 13, 1. 

2) L.R.XVU. 6. mit vielfacher Abweichung von ber Borlage: jeme ſebt 
einen pauper ober parvulus voraus, biefe läßt ben Herrſcher (rerum domini) 
anrufen. | 

3) L.R. Rh. C, I. 13, 1. 

4) Du Cange I. p. I. p. 215. 

5) VII. 4. ©. 46 Cap. a. 829, c. 15. 

6) I. 1, 5. 

7) L.R. XI. 1. capitanium crimen aut unde homo mori debeat. 

8) L.R.IX. 1, 4. 15, 2. 

9) An wen? L. R. IX. 26. 

10) si talis persona est, quem infamare vel notare non possint; ab 
weichen oben bie Zalton IX. 1, 4. 15, 2. 

11) L. R. IX. 27. 

12) Eine Anwenbung bei violentia IX. 7, 2; bei falsum IX. 15, 2. 


389 


er nicht auf ven Unſchuldseid des Beſchuldigten die Klage aufgiebt!); 
ebenſo bei Anklage fremder Knechte?). 

Dei Enapitalanklagen foll ber Richter Angellagten und Ankläger 
in custodia, Unterfuchungshaft, nehmen, da ben falichen Ankläger 
Talion (oben ©. 388) trifft). Aber die Unterfuchungshaft (carcer) 
ſoll nicht länger dauern al8 nothwendig‘); Männer und Weiber find 
hierbei (und in ver Strafhaft? custodia) zu trennen®). Den Kerker⸗ 
wart trifft bie Strafe des entjprungenen Häftlinge‘). Sonntags ift 
er vom Richter unter Bewachung heranszulaffen, auf daß er Geſchenke 
„von Chriften“ empfangen und gebabet werben kann?). 

Dei ſchweren Anklagen (Tödtung) kann der Richter den Angeklagten 
foltern lafjen®); bie Lex denkt babei an Geißelung®): gejteht der 
©efolterte nicht, verliert der Ankläger (an ihn?) fein Vermögen ober 
hat eine verwettete Summe verwirkt oder bie boppelte Folterung zu 
erleiden; bet Anklage und Folter fremder Knechte ift ein Erſatz⸗Knecht 
zu Stellen. 

Die unfreien Hausgenofjen können in Streitfachen der Gatten 
wegen Lebensnachitellung ober Ehebruchs (der Frau) gefoltert werben 1). 
Schwangere bürfen weder gefoltert noch gefeffelt werben). 

Berufung in Straflachen ift in brei Monaten geftattet, auch dieſe 
beißt appellatio 12). 

Schwere PVerbrechensanklagen gegen Vornehme find an ben 
Herricher zur Entfchetvung zu bringen ?). 

Geringere Verbrecher werben zur Ofterfeier begnabigt: aber nicht: 


1) L. V. IX. 4. si ei per sacramentum non crediderit. 

2) Ueber die Folgen ergebnißlofer Folterung ſ. Folter. 

3) L.R. XI. 6, 1 oustodia neo carcer: gleichwohl beide Unterfuchungs- 
haft; über appellare bier — interpellare Brunner, Zeugen- und Inauif. ©. 58; 
bie Borlage ift unflar wiebergegeben. 

4) L.R.IX. 1, 5. 

5,1. co. 2,1. 

6) 1. c. 2. 

7) L o. 3. 

8) L. R. IX. in trebalio mittere ſ. IX. 10. Könige VIII. 4. ©. 117. 
Du Cange VII. p. 168. 

9) Daher dubla pena in trebalio vgl. IX. 10. 

10) L. R. IX. 4, 3. 
11) L. R. XXI. 15. 


12) L.R. XI. 6, 3: anders 2 (= interpellatio) j. Brunner, Zeugen unb 
Inquiſ. S. 58. 


13) L.R. XI 8 vgl. II. 1, 12 Zeumer, Abhandl. ©. 40. 


390 


sacrilegi, Münzverbrecher, Menfchenräuber, Grabfchänter, Blut 
ſchänder, Giftmiſcher, Zauberer und Mörder 1). 

Die gaudia publica, bei denen Gnadenhandlungen erfolgen, 
find2): ordinatio regis vel natalis sius (sic), triumphus de hos- 
tibus, subjugatio rebellium?®); aber die elevatio regis ift nicht‘, 
auf Pippins®) Erhebung zu beziehen, fondern auf jede normale Thron 
folge, wie ja die Borlage auch vorausfegt. 

Deffentliche Freudenfeiern wurben gehalten bei der Erhebung des 
Königs auf den Thron oder bei Hochzeit (des Königs?) ober erfter 
Bartabnahme (eines Königsfohnes ?): gleich ftehen andre Feſte, tie ſich 
auf die Richter (Beamten) beziehen; babei follen von bem Voll feine 
Geſchenke oder andre Ausgaben (expendia) verlangt werben; es ill 
zweifelhaft, ob bie Hochzeit und Bartabnahme ſich wie tie Thron 
erhebung auf den König (und fein Haus) bejchräuft oder, wie bie andern 
gaudia®), ſich auch auf die Richter (Beamten) bezieht: aber bie erft- 
malige Bartabnahıme”) eines Sohnes bes Richters — noch flaum 
bärtige Richter gab es doch nicht! — war ſchwerlich ein gaudium 
publicum. 

Liebenswürbig ift der Irrthum ber Lex bezüglich ver Begnabigung: 
hat ber princeps (in Vorlage und Lex: alfo Raifer und König, grati 
domini) ein Tobesurtheil gefältt, foll es nicht fofort vollzogen werden, 
fondern erft nach 30 Tagen (— unter einftiveiliger Verbergung bei 
Berurtheilten —), ob etwa inzwifchen bie Milde ver Herrſcher, „die 
Freundin der Gerechtigkeit“, zu Hilfe lommt. Daraus macht bie Lex: 


1) L. R. IX. 28. 

2) Nach einer Gloſſe zu L. R. 8, 4, 1. 

3) Haenel V. p. 459, ganz ebenfo L.R. Rh. C.8, 4, 1. 

4) Mit Zeumer NR. U. IX. ©. 36 f. 

5) Ganz unmöglich iſt e8, mit v. Daniels ©. 244 unter dux Pippin als 
»dux Francorum« zu verfteht. 

6) L. R. VIII. 4. aut alia aliqua gaudia. 

7) Diefes Feſt Gregor. Tur. X. 16. Urgefdh. III. &. 494, (mie Zeumer 
L e. und Waitz IV. &. 106 glauben), meint Johannes: aber in bem Fall bes dux 
erzwingt nur ber Beamte die Gaben, er veranftaltet nicht das Fell. Anders 
Stobbe L. Ut. p. 28: weber Maskerade (nad Du Cange I. p. 572) ned 
Haarabſchneiden liegt vor: Hbrigens tft ähnliche Sitte altrömiſch (Petronius] 
f. Kruſch, Ser. Mer. I. 2. p. 935; über die chriſtliche Umgeſtaltuug Du Cane® 
L p. 572 über das Germaniſche J. Grimm RW. ©. 202 (bei Annahme zum Bahı 
ſohn;) aber auch ohne dieſes: Pippin durch Liutprand Urgeſch. W. S. 814; Bi 
bie herksmmlichen Gaben bei Hochzeiten ber Fürſtentöchter 1. 0.4 S. 413, Zeumer, 
Deutſche Stäbtefteuern ©. 57. 


391 


wielleicht fommt zu Hilfe bie Milde des Herrſchers „oder eine 
Höcft gerechte Freundin"). 


II. Straj⸗Recht?) 
1. Die verbrechen. 
a) Raub. Diebſtahl 8). 

Die vier römifchen Arten des furtum (manifestum (hanphaft), 
nec manifestum (umnleugbar), conceptum (die Deube beim Dieb ges 
funden) und oblatum) (zugeftedt), auch furtum usus, und Anftiftung, 
Hilfeleiftung Hiezu find — mit mancher Verwirrung — von ber Lex 
angenommen‘). 

Der Erbe des DBeftohlenen Tann Hagen, ber bes Diebes haftet 
nicht; will der Herr des unfreien Diebes nicht haften, hat er ihn aus- 
zuliefern, ebenfo, ward er nach dem ‘Diebftahl veräußert, ver Erwerber; 
wird er nach dem Diebftahl freigelaflen, haftet er wie ein Freier; 
auch ver Gehilfe oder Anftifter haftet mit ber actio furti: bei f. mani- 
festum Herausgabe der Deube und vierfacher Erſatz, bei f. conceptum 
Herausgabe und zweifacher, bei f. oblatum Herausgabe und drei⸗ 
facher; wirb ein Hausfohn ober Unfreier beftohlen, Hagt ber Vater 
oder Herr; der Beſtohlene hat ven beiim Suchen ber Deube an—⸗ 
gerichteten Schaden doppelt zu erjegen. Geftohlene Früchte find wie 
gefällte Bäume boppelt zu erfeßen, bei Diebftahl einer Urkunde (carta) 
deren (einfacher) Werthbetrag; ver Herr haftet nicht für ben ohne fein 
Wiffen vom Unfreien begangenen Diebftahl. (Nach der Vorlage gilt 
das nur vom flüchtigen Unfreien)S). 


b) Menſchenraub. 
Raub einer Ehefrau (und Bruch des Treueides gegen ben Senior) 
ftrofen die Capitula Remedii mit ber Raubbuße und als Strafe bes 


Eidbruchs mit Geißelung‘). Raub von Kindern wird mit bem Tode 
beftraft”). 


1) L.IX. 30, 3 Vorlage subveniat pietas dominorum, donec justitise 
amica: Lex: forsitam (sic) supvenit (sic) pietas domini sui ve justissima 
amsica. 

2) Stobbe, L. R. p. 52 über boni homines p. 44; über bie curiales oben 
©. 264 und v. Salis ©. 162. 

3) ©. oben ©. 331 und VII. 4. ©. 133f. 

4) L.R. XXII. 13. vgl. Cap. Remed. 1. c. 

5) Bgl. L.R. XXIV. 28, 1— 11. Rirchenraub ſ. O. Remed. 1. c. 

6) C.8. Schreuer &. 267. 7) L. R. Rh. C. IX. 14. 


392 


c) Violentia. Zöbtungt). 

Violentia gegen einen Freien wirb mit dem Tode beftraft: brauchten 
beide Gewalt (von Unfreien verübt), wirb ber Angreifer?) mit » metalla« 
geftraft, ver beauftragende Herr mit Verluft ber Aemter und infamin?,, 
ebenfo Richter, die folche Angeklagte entipringen laffent). 

Zödtung in Nothwehr für Leben oder Beſitz ift ftraffreiS). Bei 
ungewollter Töbtung begnabigt ber Kaiſer, jegt der König‘). Wiſſent⸗ 
lihe Tödtung des Kindes burch die Eltern wirb als homicidium 
geftraft?). 

Verwandtenmord (paricidium) wird wie nad älterm rö miſchen 
Recht mit dem Schlangenfad und Verſenkung ind Meer (oder andres 
Gewäſſer) beftraft, „auf daß ber Leib nie ein Grab erhalte“ 8); vie 
Möglichleit ver Nähe des Meeres fpricht nicht gegen Churrhätien 
al® Gebiet der Lex, wohl aber bie Möglichkeit der Meer⸗Ferne gegen 
Stalten oder Iftrien. Auch die Vorlage enthält beides. 


d) Geſchlechtsverbrechen 9) 

Ehezwang durch die judices wird geahndet mit 10 Pfund Gold, 
Exil und Amtsverluſt auf (nur) 2 Jahre. Die Geheiratheten und teren 
Verwandte haben zu Eagen bei andern Richtern ber gleichen und in 
beren Ermangelung einer anderen Stadt 19). 

Der Ehemann darf die im Ehebruch ergriffene rau nur töbten, 
wenn er den Buhlen im Haufe findet!1). 

Die Frau eines Gaftwirths, bie felbft in ber Schänke bebient, 
kann fo wenig wie bie bier bebienende Magd wegen Abulteriums 
verklagt werden 12). Nur der Gatte und bie ber Fran nächft verwandten 


1) Könige VIII. 4. ©. 138; oben ©. 338. 

2) L.R.KX. 7, 1. 

3) 1. o. 3. 

4) de carcere IX. 8. 

5) L. R. X. 11. 

6) L. R. XVOIL 2. IX. 1, 1, 4. 7, 1. 11, 1. Zeumer, Abh. ©. 48. 

7) IX. 11, 1. Cap. Remed. 1. c. 

8) L. IX. 12; der Affe fehlt auch in der Vorlage. 

9) Köntge VIII. 4. &. 137 oben ©. 342. Ueber Entführung, Ehebrud, Noth- 
zucht, geſetzwidrige Ehe, ſ. auch Cap. Rem. 

10) L. R. Rh. C. III. 11. 

11) L. R. XXIV. 27, 1. 

12) L. IX. 4, 1: wohl aber bie nicht bebienenbe tabernaria: ba® non iſt, 
wie bie Borlage zeigt und die Logik verlangt, zu ftreichen, 





393 


Männer können die Anklage wegen Ehebruches erheben‘). Päderaſtie 
wird mit dem (Öffentlichen) Feuertod geftraft 2). 

Fremden freien Gehilfen und Begünftigern ver Entführung droht 
Der Feuertod: doch Tann?) die Anklage nur binnen 5 Jahren erhoben 
werben, fpäter wird die Ehe giltig und bie Nachlommenfchaft ehelich. 
Aber Entführung einer Gott Geweihten wird mit bem Tod, auch an 
zer Einwilligenden, geftraft und ſchon die Aufforderung zur Ehe: 
si de matrimonio vel dicere ausus fuerit®). 


e) Sachbeſchädigung. Branbftiftung. 

Abſichtliche Branditiftung wird mit (gefehärfter) Tobesftrafe>), 
Tahrläffige mit Doppelerſatz gebüßt. 

Sachſchädigung mit zufammengerotteter Schar wird doppelt ge- 
büßt, jedes dabei verübte Verbrechen als folches geftraftt). Schaben 
bei (durch) Brandftiftung, Hauseinſturz, Schiffbruh, Raub wird, im 
erften Jahr eingeflagt, vierfach, fpäter einfach gebüßt”).. Bezeichnend 
für den Einfluß germanifchen Fehdegangs ift, daß vie Tobesftrafe für 
Billen- Brand mit zufammengerotteter Schar („Heimzucht“), welche 
die Vorlage unbedingt mit dem Tode bebroht, von ber Lex nur ge- 
ftraft wird, wenn es gejchieht „ohne Grund“, sine causa?). 


f) Urkundenfälſchung. 


Statt des dort und damals wohl nicht vorkommenden carmen 
famosum behandelt die Lex?) die Urkundenfälſchung wie das Ver⸗ 
brennen, Radiren von Urkunden; bie Vorlage ftraft dies an dem album 
curiae ſchãrfer 19). 


1) 1. o. 2: nachträgliche Beſtrafung bes Ehebruchs nach erfiem Verfahren. 
2) L.R.IX. 4,5. 

3) L.R.IX. 19, 1. 

4) 1. o. 20. 

5) L.R. XXVII. 5, 1. mala pena = poenis gravissimis interfici ber 

Borlage. 

6) L. R. XX VI. 3. 

7) 1. e. 4: die Borlage fagt „bis“ (ex), die Lex „durch“ (per). 

8) L.R.l.e. 4, 2 f. oben ©. 378. 

9) XXVIL 7. 
10) L. R. XXIII. 17. Anmerk. 


394 


g) Beleidigung. Convitium. 


Der Berfaffer (oter) und Verbreiter von famosi levelli (sic), 
d. h. zur Schäbigung frember Ehre wird, kann er nichts beweiien, 
gegeißelt !). 

Aus dem maledictum, convicium publice factum macht die 
Lex: sine causa maledicere und ftraft e8 mit Ehrlofigfeit (contu- 
melium) over Geißelung?). 


h) Calumnia. Falſche Anklage. Falſches Zeugniß. Meineid. 


Delatores find, die durch heimliche Anklagen beim Herrſcher (prin 
ceps) Unfchuldiger Vermögen over Leben bebroßen: bie Strafe des 
Zungenausreißens oder Erwürgens war doch wohl — wie bas de 
brechen — veraltet). Daher fällt auf, daß man bie fcharfen Strakn 
Conſtantins gegen bie Angeber (delatores) aufnehmen zu müſſen 
glaubte *). 

Zn engem Zufammenhang mit Beftrafung der Angeber fteht das 
Verbot, aus dem eingezogen Vermögen ber Hochverräther ſgenauer 
crimen laesae) von dem Herrfcher etwas zu erbitten: denn bie An 
geber gerabe bei biefem Verbrechen handelten aus Berechnung Au 
Antbeil an dem einzuziehenden Vermögen). 

Der zornige Vorwurf eines Verbrechens ift noch nicht »accusatio«: 
binnen 3 Tagen kann ber Beſchuldiger eiblich ben Vorwurf zurũd⸗ 
nehmen: nach dieſer Friſt muß er den Beweis erbringen), vencere 
— convincere, ober die Strafe erdulden, bie dem unſchuldig Dr 
zichtigten würde gebroht haben”). 

Darin liegt eine Art Talion®). Ueberaus Inienhaft ift vie De 
griffsbeftimmung, vielmehr Befchreibung ver calumniatores®). DA 


1) L.R.IX. 24. 

2) L. R. XXVII. 8, 1. die Vorlage droht nur infamia. 
3) L. R. X. 4, 1. 

4) L. R. X. 4 1. 

5) L.R.X. 4. 

6) Du Cange VIII. p. 339. 

)L 


) L.R.IX. 1, 2. vgl. 27 und Cap. Remedii. 

8) L. R. Rh. Cur. IX. 1. 3, 4. 15, 2. XI. 6. 11. Cap. Remediü e. Il. 
9) L. R. XXVI. 6, qui alteri homini causas conturbant pro mal 
ingenio aut qui falsitatem de altero hominem ad judicem portaverit 1 


alterum hominem sua culpa noceat. 


| 





395 


Geſetz zählt 5 Arten von calumniatores auf und ftraft alle mit In⸗ 
famie und Verbannung !). 


i) Amtsverbrechen 2). 


(Amtsverbrechen und) Verbrechen von Beamten werden erheblich 
ſchwerer geſtraft: z. B. Geißelung, dagegen Teuertob®). 


k) Hochverrath, erimen laesae majestatis®). 


Hochverrath (concitare ad seditionem) wird ganz unbeftimmt 
„mit den fchwerften Strafqualen” bebrobt>). 


Dei crimen laesae majestatis®) gelten fchärfere Beftimmungen 
für Anzeige und gegen die Erben’); Nebenftrafe ift Vermögensein- 
ziehung?). 

Ein traurige Zeitbild gewährt ein Geſetz von Arkadius und 
Honorius, wonach ein Unterthan, ber aus Furcht fich eingebrungenen 
Beinden anjchließt und mit ihnen im Reiche plündert, ftraflos 
ift und nur feinen Raub dem DBeraubten herauszugeben hat! Das 
karolingiſche Recht würbe das anders behandeln! (infidelitas?)®). 


1) Verbrechen gegen bie Religion. 


Sehr bezeichnenb ift, daß die Lex das crimen laesae majestatis 
der Vorlage erfegt durch Gottesläfterung ober Heidenthum: nur um 
biefer willen darf Knecht over Freigelaffner Herrn ober Freilafler an- 
Hagen: auf jeder andern Anklage wiber dieſe fteht fofortige Todes⸗ 


1) L.R. IX. 29, Auftraglofe Führung fremder PBroceffe, neue Klage nach 
rechtskräftiger Abwelfung, Klage um fremde Sachen, Klage (grundlofe) Im Namen 
des Fiscus, Aufreizung der Herrfcher durch falſche Anflagen wider Unſchuldige. 
Ueber calumnia f. no XXIII. 8, 1; nicht, wer über Streitende ein Gutachten 
abgtebt (justitiam dieit: boch nicht der Richter), aber wer eine Partei auf Bitten 
oder beſtochen im Stich Täßt; über Falſcheid und Falſchzeugniß Cap. Remed.l. c. 

2) Könige VII. 2. &. 88. VIII. 3. ©. 221, 235. 

3) L. R. IX. 22; aber auch am Actor eines Privaten‘, wegen Vertrauens 
mißbrauchs. 

4) Könige VIII. 4. S. 143. 

5) L.R.IX. 23. damnis gravissimis turmentis (sic). 

6) Deflen Kortbeftand im Franlenreih VIII 4. ©. 143. 6. ©. 18. 

7), IX. 3. IX. 32. 

8) X. 4. 

9) L.R. XV. 1, 2. 


396 


fteafe wie auch bei Unbeweisbarkeit jener verftatteten Anklagen ). Das 
religiöfe verdrängt bier das politifche Intereffe. 

Neben dem vom Stat felbft geübten chriftlichen Aberglauben 2) 
beftand ber von ihm verfolgte griechifch-römifchskeltifche und germa- 
nifche fort: die Zauberei in ihren antilen Sormen wirb mit bem Tode 
bebroht. 

Die Lex ftellt die Zauberer, malefici, (hier nicht Vergifter, vie 
homicidae ftehben daneben) den fchwerften Verbredern — homicidae 
und Grabſchänder — gleich: Scheipungsgrund für bie Frau?), Todes 
ftrafe für die malefici (et mathematici, Ajtrologen)‘). Auch tie 
Befrager von divini — harioli oder aruspices qui auguria colli- 
gunt werben mit bem Tode bedroht ). Sacrilegium ift auch Sonn- 
tagsentheiligung 9). 

Beraubung hriftlicher Gräber (tumbae) wird mit bem Tode 
beitraft”). 

Gar gelinde aber find im Vergleich mit ven fränfifchen bie bei- 
behaltnen älteren römifchen Strafen für heibnifche Gebräuche: fo 
für Opfer für die Götterbilver, idola, wobei gewiß an keltiſch⸗römiſche 
gebacht ift: nur Verluft der testamenti factio und eine unbeftinmte 
„Beſtrafung“s). 


1) L. R. IX. 3. 

2) VIII. 6. &. 310, 333$. 

3) L.R. Rh. C. IIl. 16. 

4) vel incantatores vel missores tempestatum (Bauſteine I. 1879. &. 290) 
vel qui per invocationem demonum mentes hominum turbant . . sacrificia 
demonum celebraverint: incantationem (l. incantationibus) demones invo- 
caverint.... 

5) IX. 13, 1, 2. über cablant für colligunt f. Zeumer 1. c.: wohl nicht 
verſchrieben für oolligunt, fonbern romaniſch cabalare, (Diez, WB. J. 75 ge 
heimnißvolle Erflärung bes alten Teftaments vom bebräifchen Kabalab): das beweift 
aber nicht Urfprung ber Lex in Stalten, wie Schupfer, I. 26, III. 18, denn es be- 
gegnet auch in Spanien, Bortugal, Frankreich ſ. Diez a. a. D.; aus ber Lex 
Rom. Visig. übergegangen in bie Bußorbnungen, vgl. Waflerfchleben, Buß⸗ 
orbnungen ©. 393, 481. 

6) VIII. 3 vgl. VI. 1. Cap. Remed.l.c. 

7) L. R. XVII. 5; die Vorlage unterfcheibet Geiſtliche (Grabverluft und 
deportatio), Unfrete (Tobesftrafe), ebenfo arme und geringe Freie, Vornehme (halbe 
Einziehung und Infamta). Sollte L. R. V. 1 nicht das sacrilegium ber Vorlage 
mißverfländlich mit excommunicatus sit inter homines wiebergegeben feln? 

8) Die Lex XVI. 2, 1 hat den Uebertritt zum Judenthum bier mweggelaffen, 
der dann 3 mit Einziehung bebroht wirb. 


397 


2. Die Strafen‘). 
a) Allgemeines. 


Wie längft unausführbar gewordne römijche Beftimmungen noch 
fortgeſchleppt werben, zeigen bie Strafe ad metalla, der praefectus 
praetorio, ber rector provinciae?). 

Manchmal aber werben veraltete Einrichtungen durch lebende er- 
feßt: fo erfegt die Lex insula oder ordinis amissio durch Todes- 
ftrafe, die insula auch durch exilium ober carcer, das metallum und 
die Geißelung durch bloße custodia). 

Römische Strafen werden auch wohl gehäuft: 10 Pfund Golb, 
Eid und 2jähriger Amtsverluſt“). 

Zuweilen wird die römische Strafe (fiscalifch!) verſchärft; jo fügt 
die L. R. Rh. C.5) der zweijährigen Verbannung balbe Vermögens- 
einziehung bei. 

Jugendliche (adulescentes, infantes) follen wegen geringer Ver⸗ 
gehen (minutae culpae) ihren Herren, Vätern ober Verwandten zu- 
geführt werben, bie in Güte ein Geſtändnis erwirken follen: mißlingt 
bies, bürfen fie gefoltert ®), d. h. gegeißelt und bei fo ermittelter ſchwerer 
Schuld dem Richter überwiefen werben. 

Minderjährige werben bei fchweren Vergehen wie Volljährige be- 
ſtraft 7). 

Strafklagen des Mannes gegen die Frau wegen jchwerer Ver⸗ 
breden — capitanium crimen: bie Vorlage nennt als Beiſpiele 


maleficium und adulterium — erlöfchen beim Tode des Mannes 
ober der Fran). 


1) Könige VI. 4. ©. 144; oben ©. 345. 

2) L.R. Rh. 1. 5, 6. (%. 

3) R.XXVL. 6, 7. 8, 2. 

4) Kür ergwungene Ehe L. R. III. 11. 

5) L 5. 

6) L. R. IX. 10 mittant eos in trabalio f. IX. 1, 4. 

7) L.R. XXUI 9, 1; eher Mißverſtändniß als abfichtliche Aenberung ber 
Borlage Tiegt vor 1. o. 2. Mandat an einen Minderjährigen, zwifchen zwei 
Minderjährigen, Gefhäftsführung eines Minderjährigen ohne Auftrag; ber vom 
Minderjährigen beftellte Bürge haftet 1. o. 4, aber nicht der Minderjährige 1. o. 56. 

8, L.R. Rh. C. III. 13, 1. 


398 


Auch!) das römische Recht ſchon überläßt oft dem Richter bie 
Wahl der Strafart 2): metalla neben carcer wahlmeife ?). 

Zuweilen willtürliche Beftrafung durch ben Richter: fo) für 
Aufreizung des Volles zum Aufruhr). 

Freiheitsberaubung wird mach der Lex Fabia und außerdem 
nach Willfür des Richters geftraft®). 

Den Umftänden anzupaffente Strafe wird dem Richter bei Be 
leidigungen überlaffen ?): aber auch die Wahl zwilchen Tod und Exil 
bei Calumnia®), zwifchen infamia (contumelium) und Geißelung ?). 


b) Die einzelnen Strafen. 
a) Exilium. 

Verbannung und VBermögenseinziehung trifft ben tutor für Ber- 
führung der Mündel 10). In antern Fällen wird Verbannung aus bem 
Nömifchen beibehalten, halbe Eonfiscation beigefügt !1). 

Die Lex 12), nicht mehr die Vorlage, unterfcheivet auch ein ob- 
timum (sic) exilium. 


B) Bermögensftrafen (Poena dupli). Mehrfacher Erfap. 
Geldfirafen (Fredum). Einziehung. 


Römiſch ift die poena dupli für Raub 139): aber au Doppel 
erjat des Tutors für entwenbetes Mündelgut!t) und bei gewaltfamer 
Wegnahme (pervasio) von Grundftüden 1%), bei Zurücknahme von Ge 
ſchenken 19). 


1) ®gl. VIII. 4. ©. 160. 

2) So zwiſchen Ertl, Inſula, amissio ordinis L. R. XXVL. 6. 

3) L. R. XXIV, 18. 

4) L.R.IX. 22 ad arbitreum judices (sic) damnetur. 

6) 1. c. 23 ad siditionem (sic) coneitare populum: damnis gravissimis 
subdetur turmentis. 

6\) L. R. XXVII. 13, 1. 

7) L. R. XXVII 5, 2. 


8) 1. c. 6. 

9) 1.c. 81. 

10) L.R.IX. 5 

11) L.R. Rh. C. 1. 5 

12) L. XI. 4. 

13) L. R. Rh. C. I. 1, 3. 


14) L. R. XXIV. 27, 2. 
15) L.R.Rb. C. II. 24. | 
16) suffragia: hier Rüdgabe und gleicher Werth an ben Fiscus L c. II. 26. 


399 


Häufig find Orbnnungsftrafen von 5 Pfund Gold für DBeamtet), 
Zehn Pfund Gold Strafe für Gefegesverlegung ver Beamten?): auch 
5 Pfund Gold für Klageftellung nah Meittag?). 

Einmal von ven vier Malen, va bie LexR. das fredum nennt, 
ift es Mißverftänpniß von principale negotium‘), die drei andern 
Male ift e8 das fredum judicis?). 

Einziehung droht ale Strafe für Amtsanmafung ®) und für Amts- 
mißbrandy?). 


7) Todesſtrafe. 


Ein crimen capitanium iſt (zumal arg. aut.) ein tobeswir- 
Diges®). (Sraufame) Todesſtrafe heißt mala pena?). 

Geſchmolzenes Blei wird in den Mund gegofjen ben Unfreten, 
Treunden, Nachbarn, Ammen, bie bei Entführung einer Freien als 
Anftifter, Gehilfen, Begünftiger mitgewirkt haben 10). Willigte pie Ent- 
führte ein, werben beide (mit dem Tode) beftraft; hat bie wider Willen 
Entführte nicht um Hilfe gerufen, verwirkt fie das Erbrecht gegenüber 
ihren Verwandten; Unfreie, welche bie gütliche, heimliche Beilegung 
zwifchen ven Aeltern und dem Entführer anzeigen, erhalten bie lati« 
niſche Freiheit, werben Latini. 

Teuertob 11) beproht Raub und Raubtheilung. Tobesftrafe verfchie- 
dene Arten von Zauberwert 12). 

Auf Münzfälfhung (durch ben monetarius) fteht Teuertod. Der 
Anzeiger wird belohnt 13). Todesſtrafe für Sportelnehmen der Richter 14), 


1) Nach römifchen Recht: L. R. Rh. C. 1. 7, 10. 

2) L.R.V. 5. 

3) Römiſch: L. R. Rh. C. 1. 7. 

4) II. 16, IV. 19, 1. 

5) IV. 8, 1. 15, 2. Weber principale negotium ber Vorlage, das bie Lex 
zweimal II. 16, 2. IV. 19, 1. auf ben Herrfcher und das Friedensgeld bezieht, 
ſ. »Fredum« auch Finanzhoheit; ber 1. c. 5 weggelaffene princeps ber Vorlage 
ift ber Kaiſer. 

6) L. RR. VI. 1. 

7) L.R.XI. 4, auch vierfacher Erſatz 1. o. 5. 

8) L.R.IX. 1. 

9) L.R. XXVI. 5, 1 = poenis gravissimus interfici ber Vorlage. 

10) L. R. IX. 19, 1. (0b noch praftifdh?) 

11) L. R. VII 1. 

12) L.R. Rh. C. IX. 13, 

13) L. R. IX. 17. auch auf bloßer Beſchneidung oder zu leichtem Münz⸗ 
gewicht fleht 18. der Tob. 14) L.R. Rh. 1. 1. 6. 


400 


auch unehrerbietige Vorführung bon matronae 1): diefe zumal von 
Conftantin gehäuften Tobdes-Strafen für geringe VBerftöße waren gewiß 
veraltet. 


III Bürgerlihes Recht?). 
1. Perfonenregtd). 

Ueber neugeborne, in Kirchen andgefegte und aufgenonmmene 
Kinder wiederholt die Lex*) Ältere Beftimmungen von Concilien 5) und 
Formeln ®); der Aufnehmer erwirbt fofort Eigenthum, wenn er bie 
Aeltern oder den Herrn des Kindes Tennt, anbernfall® nach Anzeige 
an Bifchof oder Geiftliche vermöge einer epistola colleccionis?). 
Aber für nicht ausgefette, zur Aufziehung übernommene Neugeborne 
gilt basfelbe: ver Vater oder Herr muß fie, verlangt er fie zurüd, 
aus dem Eigenthum bes Aufziehers Löjen®). 

Das Gefeg®) kennt den Ausfchluß der 30 jährigen Verjährung zu 
Bunften der Minderjährigen ober des Poftliminiums: auch fie Dürfen 
nach ber Rückkehr oder ber Volljährigkeit noch 3 ober 5 Jahre Hagen: 
alſo doch nur Verlängerung ber Friſt. Ebenfo die Wiebereinjegung 
der Minverjährigen in ven vorigen Stand 19). 

Kehrt ein Verbannter zurüd, erhält er fein ganzes Vermögen 
wieber, auch was feine minderjährigen Kinder veräußert haben, nicht 
aber, was ein volljähriger Emancipatus veräußert, auch vermacht 
hat; ift der Heimgelehrte Verfchwender, wirb für bie Vermögensver⸗ 
waltung und bie Kinder ein tutor ober curator beftellt1!). 

Merkwürdig ift bie germanifche Aenderung an ber römifchen 
venia aetatis, daß fich die (römifchen) Jünglinge babei bem Herrſcher 
commendtren müffen 12); burch ſolche commendatio (auch in den Schuß 


1)1.c.19 1. 

2) Stobbe L. R. p. 61. 

3) Könige VIII 4. ©. 175. 

4) V. 7. 

5) ©. dieſe bei Zeumer J. c. 

6) Könige VII 4. ©. 208. 

7) Form. Tur. 11. Andegav. 49. Könige a. a. 0. 

8) L. c. 8. 

9) XVIII. 11. 

10) XXIII. 9, 7. vgl. 10, wo nur bie Vorlage, nicht bie Lex Minderjährigkeit 
(ansſchließlich) vorausſetzt. 

11) L. R. IX. 33. 

12) L. R. Rh. C. II. 15, 16, 1. 


401 


eines andern patronus) fcheiben fie aus ber patria potestas ]. c. ij. 
Als furiosi gelten (nur?) vor Alter kindiſch Gewordene, über ihre 
Tage Gekommene?). Ebenfo naiv ift auch die Auffaffung des gericht- 
Lich erklärten Verſchwenders 3). 

Das römifche Recht bes Codex Theodosianus und ver Lex 
Romana Rhaetica Curiensis entſchuldigt vielfach Formfehler ber 
rauen: 3. B. Unterlaffung der Eintragung in die Eurialacten ®). 

Das Senatusconsultum Vellejanum gilt regelmäßig, aber nicht 
für die Mutter als Vormünderin ihrer Kinber®). 


2. Sachenrecht 6). 


Alle Sachen umfaßt die Angabe: quid ad vitam hominis per- 
tinet im testamentnm Tellonis’”). 

Mißverftanden hat die Lex die Vorlage bei Erwerb des Eigen- 
thums durch Unfreie und Erſitzung 8). 

Wird von A eine Sache (Liegenfchaft) mit dem Gelde des B 
erworben, aber im Namen des A und ihm übergeben, erwirbt A das 
Eigenthum, B hat nur die Klage auf Erftattung des Gelves®). 

Den im eignen Boben gefundnen Schat behält ver Finder ganz, 
von dem in fremdem Boden gefundnen gebührt 1/, dem Grundeigner 10). 
Merkwürdig ift die Beibehaltung eines Geſetzes Julians, das offenbar 


1) l. c. XXIIL 7, 1. ebenfo XXIV. 8, 1. davon vwerfähteben das commen- 
dare rem 1. c. 2. Weſtgot. Studien ©. 104. 

2) L. R. XXIV. 15. hoc est furiosus, qui multum senex est, qui ille, 
qui in nimiam aetatem est. Stobbe, Privat⸗Recht I. 3. Ausg. S. 342. Heusler 
I. ©. 205. 

3) prodicus (sic), hoc est sine sua mente. L. R. IX. 33. 

4) 1. c. III. 1 seq. 

5) Was fie nah L. R. IU. 17, 3 werben kann. Die Borlage läßt fie nur 
ben Kindern für die von ihr erbetnen Vormünder haften, anders bie Lex XXIV. 9 
(mißverflänbli. Bürgen neben kann fie natürlich). 

6) Könige VIII. A. ©. 181; oben ©. 351. 

7) Mabillon Annal. Il. p. 707. L. R. Rb. Cur. p. 297. L. R. XXV.9, 4 
Itegt zu Grunde Paul. Sent. III. 28, 51. 60—63; fo vermuthet gewiß richtig 
Zeumer p. 297, 432, Abhandl. ©. 36. 

8) L. R. XXVII. 2, 1—2. 

9) L. R. XXIV. 16, 2. 

10) L.R.X. 9 de tensauris (sic): gleichbedeutend rebustura = repostura, 
b. h. quod reponitur, ital. repostura Du Cange VII. p. 133; im folgenben 
Xitel 10 bat bie Lex irrig ebenfalls den Schaf gefunden, während bie Vorlage 
von Bergihäten und vom Schürfen handelt. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 36 


402 


bie Aufführung von Häufern in beruntergelommenen Stäbten bezwedkte, 
wonach wer in einer Stabt anf Statöhoben (terra publica) ein Haus 
baut, Eigenthum baran erwerben foll!). 

Ausführlich find die DBeftimmungen über Wafler-Anlagen: wer 
eine Schleufe (clausura) anlegt, in ber das Kind, ber Diener (famulus), 
ein Vieh eines Andern ertrinkt, Hat ein gleichwerthiges Thier zu leiften 
und Wergelb und Werthgeld ber Menfchen zu leiften2); wie ſolche 
clausurae find Mühlen (molinum) fo anzulegen, daß fie nicht ſchaden, 
andernfalls müſſen fie unfchäblich gemacht werben: babei muß ber 
Eigenthümer des andern Ufers zur Berftattung ober zum Verkauf be 
wogen werben: eignet ber Anliegende beive Ufer, bat er nur für Un- 
ſchädlichkeit zu forgen®). 

Die römischen Wafferleitungen foheinen erhalten, aber die viarum 
curatores werben nicht mehr erwähnt. Die Lex bvenft‘) nur an 
Schädigung, nicht, wie bie Vorlage, auch an Sperrung der Straßen 
Verläßt ein Fluß fein Bett, wächft es ben Ufereigenthümern und zwar 
fteuerfrei an: basfelde gilt von Austrodinung eines Sumpfes, der in 
Wieſe oder Aderland gewandelt wird 5). 

Miteigenthbümer theilen ben Gewinn ober Verluft aus der ge 
meinfamen Sache, vorbehaltlich fahrläffiger Schäbigung ober Diebftahls 
bes Einen); bei Verkauf fremder Sache boppelter Wertherfag 7), ebenfo 
bei betrüglicher Angabe (mentiri) bed Antheils eines Miteigenthümers 
burch ben Andern 9). | 

Die Klage des in Kriegsgefangenfchaft Gerathenen gegen die Ber- 
wahrer (auch die amtlichen, rectores) oder Entwender feiner zurüd- 
gelaffnen Sachen verjährt auch in 30 Jahren nit). Zurückgekehrt 
fordert er ſie von jedem Beſitzer, auch falls fie diefer vom Fiscus (prin- 
ceps der Vorlage) over vom Richter erhalten hatte). Ein plumpes 
Mißverſtändniß begegnet aber hiebei ver Lex: während bie Vorlage 


1) L.R. XIV. 1, 1. der Fiscus trägt / ber Wieberherftellungstoften von 
Häufern 2. antiqua publsca habitatione: etwa Hänfer ber @emeinbe? 

2) L. 79 (83) p. 144. 

3) L. 80 (83) p. 145. 

4) XXVII. 11, 3. 

5) L. R. XVLL 10. 

6) L. R. XXIV. 13. 

11. eo. 14,1. 

8) 1. e. 14, 2. 

9) L. R. IV. 19, 1. vgl. 4. 

10) V. 5. jus postliminii. 


403 


dem Inlänber (von biefem ſchweigt die Lex ganz!), der den Gefangnen 
Eostauft, falls diefer ben Kaufpreis nicht erjegen Tann, zwingt, fich 
ftatt deſſen mit fünfjährigem Dienft des Losgelauften zu begnügen, 
wenbet bie Lex bied auf ben Auslänber an, ber ihn gefangen hat, 
als ob bie Lex biefem zu gebieten Hättel Erſatz für Nahrung und 
Kleidung, dem Heimkehrenden gereicht, kaun nicht eingellagt werben; 
Weigerung, dem kriegsgefangenen Heimgelehrten feine Sachen heraus⸗ 
zugeben, wirb mit Exil, bei possessores!) mit Einziehung geahndet. 
Wer fremde Güter mit Gewalt an fich geriffen, bat außer der Haupt- 
fache die Früchte, die vom Tage der Befikentreifung an bei orbent- 
licher Bewirthichaftung zu gewinnen waren, doppelt zu erjegen (einfach 
die Proceßkoften: dieſe auch der abgewiefene Kläger); ter redliche Be- 
figer fremder Sachen nur die Früchte von ber Rechtshängigkeit an2). 
Beräußerungen von Liegenjchaften gejcheben auch nach ver L.R.Rh.C. 
vor boni homines?). 

Das germanifche Beilpruchrecht, das für Römer nicht gelten 
ſoll, fcywebt ver Lex R. vor, wenn fie aus ben allgemeinen >con- 
sortes« ter Vorlage nur bie heredes macht, während bie Vorlage 
wie consortes auh propinqui vom Anfechtungsrecht ausfchließt*). 

Verpfänden kann der Schuldner nur Sachen, alfo Feld, Wiefe, 
Haus, Peculium ber Unfreien, Unfreie, nicht Bran, Kinder, Colonen (bie 
Vorlage nennt die Concubine, deren Kinder, den Alumnus und bie 
Sachen täglichen Gebrauchs), fälfchlich fügt die Lex auch bie Un- 
freien bei®). 

Löft der Fauſt⸗Pfand⸗Schuldner nicht das Pfand binnen berebeter 
Srift, kann der FSauftpfandgläubiger nach breimaliger Mahnung (ac- 
cessio) über das Pfand beliebig verfügen: alfo wie veräußern ®), fo 
als Eigen behalten (Lex commissoria veritattet)”), jedoch ®) das Kind 
ber verpfänbeten Unfreien, das Junge des verpfändeten Thieres (nu- 
trimentum), das nach ber Verpfändung geboren wird, gehört bem 


1) Könige VOL. 1. ©. 104. 

2) L. R. IV. 15, 1. 

3) VII. 5, 1. 

4) III. 1, 6. 

5) L. R. XXVII. 13, 2. 

6) Dann mit Herausgabe ber hyperocha L. R. XXIV. 10, 1. 

7) Aber ven Kauf ber Pfandſache burch den Gläubiger verbietet bie Lex 
l. ©. 10, 3. 

8) L. R. XXIV. 41. 


26 * 


404 


Pfandſchuldner:). Der Bauftpfanbfchufpner Tann die Pfandſache einem 
Dritten erft dann verlaufen, nachbem er fie aus dem Pfandrecht bes 
Slänbigers gelöft Hat?). Der VBerpfänter hat vem Pfaudglänbiger 
bie Beſſerung des Pfandes zu vergüten®). 

Die »Lex Commissoria«, auch jchriftlich errichtet, wirbt) ein 
andermal für unwirkſam erflärt: der Schuloner Tann die verwirkte 
Pfandſache immer noch buch Zahlung der Schuld zurüdgewinnen®.. 

Nur fehr dunkel brüdt vie Lex®) das jus offerendi des Pfant- 
glänbigers aus. 

Schon im IV. Jahrhundert verbot das römifche Recht Schürfung 
unter fremden Gebäuben nach Metall oder Marmer?). 

Ein Wafferleitungs- und ein Wege⸗Recht erlöfchen durch zwei⸗ 
jährigen Nicht⸗Gebrauch 2). 

Die vom Herrſcher (princeps) verjprochenen beneficia, bie auf 
bie Erben übergehen follen, falls ber Bebachte vor ver Verleihung 
jtirbt, find nicht »beneficia« im technifchen Sinn: denn genau fo 
heißt e8 in ber Interpretatio?). 


3. Sorderungsredt 10). 
a) Allgemeines. 

Ganz eigenartig ift bie Umgeftaltung der stipulatio durch bie 
Lex in eine Art ver festucatio mit finnbilplicher Handlung und be 
gleitenden Worten: als Hauptoortheil wird dabei hervorgehoben, taß 
dadurch Schriftform (carta) und Bürgen erfpart werben 11). 


1)L ce. 5. 

2) 1. c. 10, 2. 

3) 1. c. 10, 4. 

4) Im Widerfpruch mit XXIV. 4. vgl. aber XXIV. 10, 3. 

5) L.R. Rh. C. III. 2. 

6) XXIV. 10, 5. 

7) L. R. X. 10. 

8) L. R. XXIII. 23. 

9) L.R.C.I.2, 2, es find einfache Schenkungen; ebenſo Zeumer J. c. und 
NA IX. S. 42. Beneficium iſt auch L. R. XXVLD. 12 (Borlage) nicht Lehen, 
fonbern Wohlthat: Die Lex hat babei nur fehr mangelhaft ausgebrüdt, daß es 
fi um Verleihung auf Zeit (ad tempus), nit um Schenkung (carte do- 
nationis, epistola, rogaturia [sio]) handelt; vgl. zu ber Stelle Brunner I., ba- 
gegen ©. 201 (precaria oblata). 

10) Könige VIII. 4. ©. 195; oben ©. 361. 

11) L. R. XXIV. 2. Possunt inter se ipsa causa sine soripta et sine 
fidejussores per stipula finire. stipula, hoc est, ut unus de ipsos levet 


— 


a 





405 


Don zwei Verträgen unter benfelben DVertragenden über biefelbe 
Sache geht ver Iüngere vor). 

Auffallend ift, daß der Gläubiger, ber bei Einklagung ver Schuld 
nicht gleich felbit eine Gegenforberung des Schulpners (aufrechnend) 
in Abzug bringt, feine ganze Forderung verliert 2). 


b) Die einzelnen Schuldverhältniſſe. 
a) Aus Rechtsgeſchäften. 
1. Kauf. 

Merkwürdig ift, daß das römiſche Recht bei Verkäufen auch 
mittelwerthiger Sachen — nicht nur von Grunbftüden — Zuziehung 
der Nachbarn als Zeugen verlangt (— si quid in usum venditur —), 
um Verkauf fremder Sachen zu verhüten?). 

Wer wifjentlich eine einem Andern vermachte Sache kauft, hat fie 
dieſem herauszugeben‘). 

Bei Hingabe an Zahlungsftatt foll die Sache zu ihrem vollen 
Werth angejettt werben®). 


2. Leibe. 


Macht ver Entleiher von der Leihſache vertragswidrigen Gebrauch, 
bat er bei Untergang hiebei eine gleichwerthige zu leiften, z. B. er 
nimmt das geliehene Pferb wider bie Abrede mit in die Schlacht ®). 


festucum de terra et ipsum festucum in terra rejactet et dicat: per ista 
stipula omne ista causa dimitto; et sic ille alter prendat illum ipsum fis- 
tueum et eum salvum faciat et iterum ille alius similiter faciat: si hoc 
fecerint et aliquis de illos aut de heredes eorum ipsa Causa removere 
voluerit, ipsum fistuoum in judicia coram testes presentetur ; vgl. Brunner, 
bie fränfifch-romanifche Urkunde, Forſchungen IV. 11, ©. 629 Rechtsgeſch. d. Ur- 
tunbe I. ©. 223 Th&venin, contributions & l’histoire du droit germanique 
1879; von Salis 3. f. R.-&.2 VI germ. Abth. ©. 112. 

1) L. R. XXI. 1. 

2) L. R. XXIV. 6, wegen plus petitio. 

3) L.R.Rh. C. II. 1, 2. 

4) L.R. XXVL 4, 2. 


5) L. R. X. 10. Könige IV. (Ediotum Theoderici) ©. 10 f. war an⸗ 
genommen, es ſei germanifch, daß flatt Erfages in Geld eine gleich wichtige 
Erſatzſ ache 3. B. ein Unfreier zu leiſten ſei: aber das begegnet auch in fpät- 
tömifhen Quellen vgl. L.R. XXIV. 3, 1, 2 und oft f. oben. 

6) L. R. XXIV. 3, 1. 


406 


3. Auftrag. 


Der mit dem Berlauf einer Sache Beauftragte hat bei Berluft 
ben Werth ober eine gleichwertbige zu leiften 1). 


4. Geſchäftsführung fonder Auftrag. 


Die Vorlage läßt den tutor, ber die Geſchäfte des mündig ge- 
worbnen Münbels fortführt, als Gejchäftsführer ohne Auftrag haften, 
bie Lex als actor, beftellten Berwalter?). 

Während die Vorlage die Verwendungen auf Beftattung eines 
Fremden als bevorzugte Forberung gegenüber dem Nachlaß aufftellt. 
ſpricht die Lex nur die Verpflichtung ber Erben (genauer: ber Sippe; 
zur Bezahlung und das Recht eivlicher Angabe des Betrages aus?) 


5. Darlehen. 


Im Widerſpruch mit Kirchenverboten und Eapitularien läßt bie 
Lex Vertragsfreiheit bezüglich des Zinsfußes zu: der Schuldner darf 
ben vertragen Zinsfuß eivlich feftftellen®). 

Doch dürfen beiim Darlehen bie Zinfen das Gapital nicht über- 
fteigen und nur jährlich 1/4oo betragend). Die Befreiung von ber 
Berzinfung wegen jchwerer Heimſuchung (tribulatio) oder Wanderfchaft 
oder Unterbrüdung burch den Richter oder böfe Dienfchen ift abweichend 
von der Vorlage (infirmitas) geftattet). Der Beauftragte, ver für 
einen Andern gelauft bat, Tann von bem Benauftrager außer dem 
verausgabten Preis deſſen Verzinſung verlangen”). 

Die Lex läßt wie die Vorlage bei fruges humidae (Wein und 
Del) und anderen annonae für 2 modii einen britten als Zins zu, 
alfo 11/, vom Hundert, von Gelb dagegen nur 1 vom Hundert bei 
Verluft des ganzen Anfpruchs bei Mebrforberung 9). 


6. Schenkung. 
Schenkungen von Gelb (und andrer Fahrhabe) bevürfen ver Schrift. 
form nicht, wohl aber von Grundſtücken und Unfreien, welche bie 


1) L.R. XXIV. 3, 2. 
2) L.R. XXIIL 5, 4. 
3) L. R. XXIIL 27. 

4) L.R. XXIV. 6, 1. 
5) L. R. XXIV. 10, 6. 
6) 1. 11. 

7) lo 12. 

8) L.R. Rh. O. I. 30. 


407 


wömifche Vorlage als Fahrhabe anftebt: wer ſolche ohme Urkunde 
30 Jahre befigt, wirb bei der Rüdgabe wie wegen Raubes (violentia) 
beftraftt),. Zumal Schenkungen an die emancipirten Kinder (und deren 
Nachkommen) mögen vom Vater wegen Undanks zurückgenommen werden?). 
Die in der L. R. wieberholt erwähnten Schenkungen des princeps, 
d. b. nach ber Vorlage bes Kaiſers, nach ber Lex bes Königs (arg. 
ex fisco) find echte Schenkungen, bie freies, volles, erbliches Eigen?) 
übertragen, wie aus all dieſen Stellen erhellt, wie die meroningifchen +) 


und alt-arnulfingifchen®), unerachtet des Ausdrucks beneficium®) und 
der Belohnung von servitium als Beweggrund”). 


Eine Art Anwachſungsrecht ftellt das Geſetz bei folchen Königs⸗ 
ſchenkungen auf: find zwei socii donationes, d. 5. ſchenkt ver König 
zweien Eine Sache, foll bei erblofem und teftamentlofem Tod des Einen 
der Ueberlebenve deſſen Theil erhalten, der ja font an den Fiscus 
ftele®). 


1. Seewurf. 


Sehr dunkel drüdt die Lex die Gedanken ver Lex Rhodia de 
Jactu au8?). 


1) L.R. Rh. C. DI. 27; die Vorlage verlangt außer Schriftform und Ueber⸗ 
gabe Eintragung in bie Geſta. Brunner, Urkunde I. S. 130. Ueber Schenkungen, 
fofort erfüllte, von Todes wegen (Könige VILL 4. ©. 197), unter Bebingungen, 
(unmödglidhen, unfittliden) mit Verlegung ber Falsitia Zeumer, Abh. L. R. S. 20 
VIII. 5 und L. p. 300; Zeugen — Schrift — Geſta — Form, Schenkungen an Bevor- 
munbdete, von Liegenfchaften und Unfreien, Öffentliche Mebergabe vor boni homines, 
Schriftform, fohreibensuntundige Schenker, Vorbehalt des Nießbrauchs mit stipu- 
latio L. R. VIO. 5; Schenkungen eines Kinderlojen an Freigelaſſne können, 
erhält der Schenker fpäter Kinder, zurüdgenommen werben VIII 6, 2; die Mutter 
kaun Schenkungen an bie Kinder wegen Undanks nicht mehr zurücknehmen, hat 
fie den Wittwenſtuhl verrückt 1. c. 3. 

2) L. R. VIII 6, 1. 4. Aufhebung ber emancipatio 7. 

3) L. R. X. 1. quodquod de fiscale causa (im Sinne von chose = res) 
per verbum regis ad qualecumque (sic) hominem donatum fuerit, liceat ei 
in perpetuum possidere rem, ganz ebenfo wie anbere Schenkungen bes Herrſchers 
X. 4 in perpetuo ipsa donatio fermam obteneat (sic) fermitatem. 

4) Könige VIII. 2. ©. 116. 

5) Könige VII. 1. ©. 228. 

6) fiscale X. 5. 

7) L. R. II 19, 2. 

8) L.R. X. 5. 

9) L. R. XXIV. 7 liberare = erleihtern. Mit Unrecht folgert man 
Schupfer L S. 56 Wagner, 3. f R.⸗A. IV. germ. Abtheil. S. 56, bierans bie 


408 


8. Abtretung. 


Bei der Abtretung von Forberungen wirb Curial⸗ Schrift- ober 
Zengen- Form um bes Beweiſes willen empfohlen, nicht al8 Weſens⸗ 
form!) erfordert). 

Bon den Gebanfen ver Lex Anastasiana tft bie Lex?) a. 730 


fo frei wie ihre Vorlage (lange vor Anaftafius). 


9. Bürgfchaft. 


Germaniih*) ift die Haftung des Bürgen als Selbftichulcner®) : 
bie Lex hat aber fidei commissum und fide jussio verwechfelt und 
bebanbelt®) dieje unter jenem Namen. 

Greift der Gläubiger gleichwohl zuerft auf den Hauptfchulbner, 
wird der Bürge (und werben beffen nach germanifchem Recht nicht 
haftende”) Erben) frei®). 

Germaniſcher Einfluß bewirkt hiebei auch, daß die Schuld bes 
Mitbürgen nicht auf beffen Erben, ſondern auf bie lebenden Mit- 
bürgen übergeht; bie Vorlage fpricht bier vom beneficium divisionis: 
ganz anders bie Lex ?). 

Wer fremde Schuld zu zahlen übernimmt, befreit baburch ben 


Schuldner 19). 
Gegenfeitige Bürgenftellung ift gebräuchlich bezüglich der Quarta 
Falsicia, [sic] und der Schenkungsurkunde 11). 


Entftehung ber Lex in ber Nähe des Meeres: bie Lex nimmt auch hier die Bor 
lage einfach auf, fügt aber bie Flüſſe und Seeen nen hinzu; vgl. Bruumer 
ebenda, v. Salis VI. ©. 168, Zeumer, Abh. S. 34, Lex p. 306 und 423. 

1) Dahn, Grundriß ©. 19f. 

2) L. R. IV. 18, 2. 

9) L. R. UL 1, 1,4, 7; auch der Verkauf eines Unfreien kann nur au- 
gefochten werben, wenn er »fugitivuse III. 4. 

4) Bgl. die Literatur bei Zeumer p. 411. 

5) L. R. XXI. 12. XXIV. 17. 

6) XXI. 12. 

7) Dahn, Grundriß ©. 161. 

8) L. R. XXIV. ©. 17. ©. die Literatur bei Zeumer zu XXL. 12. 

9) Bgl. Capitul. ed. Boretius-Kraufe I. p. 336. Zeumer p. 410. — Heusler 
I. p. 260 behandelt bie® nicht. L. R. XXIII. 26. Nach der Borlage haftet, wer 
fih als Bürge der Frau für eine dos verpflichtet, nicht, ebenfo nach 2 ber Lex 
III. 15. 

10) L. R. XX. 1, 1. 

11) L. R, XXUI. 12. ° 


409 


B) Horderungen aus Vergeben. 

Dei Schädigung durch ein Thier erfolgt Hingebung (noxae datio) 
des Thieres oder Schabenvergütung: wird ein Thier durch ein anderes 
getöbtet, Erſatz durch ein gleichwerthiges, insbeſondere Verbot, reißenbe, 
wilde Thiere an begangenen Orten zu Balten bei Haftung des Herrn 
oder bes Wächters; warb das Thier gereizt, fällt die Haftung fort!). 


4. Samilienredt?). 
a) Hauskinder. Patria potestas?). Peculienredt. 

Adoptio und arrogatio werten ganz in römifcher Weife unter: 
ſchieden!). 

Der Begriff der Agnaten und Cognaten wird falſch beſtimmt: 
durch Einfluß ber Begriffe Schwert- und Spindel⸗Magen, damals ſchon 
wie fo oft fpäter; übrigens irrig auch fchon bie Vorlage>). 

Wiederholt ftellt vie Lex den Hausſohn an bie Seite bes Un- 
freien): zunächſt in Haftung des Vaters wie bes Herrn für fremde 
Sachen, die für diefen verwendet wurden, und für Schulden des Pe- 
culiums. Das jus vitae ac necis über ben Unfreien ift ja auf» 
gehoben. Stirbt der Hausjohn oder wandert aus”), hat ver Vater 
für obne veffen Wiffen dem Sohn geliehenes® (anvertrautes, com- 
mendare) Gut nicht einzuftehen. 

Der Hausfohn Tann aber haben ein peculium castrense und 
quasi castrense (Erwerb als Advocat)®), über dies verfügt er frei?). 
Die patria potestas erlifcht durch Kriegsgefangenfchaft, durch Exil 10). 
Sehr merkwürdig tft nun aber1i), daß die germanifche Aufhebung ber 


1) L. R. XXI. 22, 1, 2, 3. 

2) Könige VIII. 4. ©. 208; oben ©. 364. 

3) Stobbe L. R. p. 64. 

4) L. R. XXI. 6. 

5) L. R. XXVI. 8, 3. 

6) XXI. 7, 1 sic est ille filius sicut et servus, ebenfo XXIV. 8, 1. 
7) de ipsa patria migrare l. c. 2. 

8) L.R. Rh. C.I. 11, 1. II. 9, 2. 

9) L.R.XXV. 4, 1. 

10) Die Lex XXI. 6 erwähnt nur das bes Baters (die Vorlage auch das 
des Sohnes) und fligt die peregrinatio bes Vaters hinzu. Die breimalige eman- 
eipatio ber Borlage iſt auf eine einmalige befchränft. 

11) ©. die Literatur bei Zeumer p. 409, zumal Stobbe, L. Utin. p. 67. 
Beiträge S. 6, Sohm ©. 342, 547. von Salts 3. f. R.G.2 germ. Abtheil. VII. 
S. 171, 19. 


410 


väterlichen Muntſchaft (durch Scheiben aus ber Were) Hier auch durch 
Heirath auf die Römer übertragen wirb!): allerdings wirb babei 
in römifhem Sinn der Vater als ter Handelnde gedacht: Er giebt 
bie Braut, Er entläßt (dimittet), während umgekehrt bie römiſche 
emancipatio germanifirt it: ber Entlafine wird dem Fiduciar com⸗ 
menbirt 2), welcher „Senior“ bes Kindes wirb. 

Dem König (rex) ober einem andern Schugherrn (judex) com- 
menbirt alfo ber Vater den Hausfohn und entläßt ihn dadurch aus 
ber väterlichen Gewalt ?). 

Sehr beachtenswerth ift, daß bie römifche patria potestas erlifcht, 
commenbirt fih ber Hausjohn felbft dem König oder einem andern 
Schutzherrn (patronus), wozu aber ohne Zweifel Zuftimmung bes 
Vaters erforberlich iſt). Wolgerichtig wird die Collationspflicht des 
römifchen emancipatus bei Beerbung bes Vaters zugleich mit einem 
nicht Commendirten infofern übertragen, als ber Vater den Unterfchieb 
zu Gunſten des nicht Commendirten ausgleichen muß: Hier nicht, wie 
im römifchen Recht, weil nur ber emancipatus für ſich erwerben 
Tann, fondern weil dem Commenbirten vom Vater mehr zugewentet 
ward): eine ber merkwürbigen Verſchmelzungen von römifchen und 
germanifchen Rechtsgedanken, an denen tie Lex fo reich. 

Wieberholt läßt die Lex bie väterliche Gewalt durch Heirath bes 
Hausſohns erläfchen®). 

Die emancipatio tft daneben aber auch ganz im römiſchen Sinn 
erhalten”), vesgleichen bie adoptio 9). 

Emancipatio und die nun gleichwirkenve Verheirathung des Haus- 
fohnes bevarf deſſen Einwilligung?). 

Untlar ift, ob die Lex R. eine Anbeutung von Altentheil ent« 
hält, die, der Vorlage fehlend, vielleicht dem Germanifchen entftammt. 


1) siad.. filios uxores dederint, ut in sua potestatem vivere ipsorum 
eos dimittat. 

2) dat ad alium seniorem et eos ei commendaverit. 

3) L. R. XXIV. 8. über commendatio v. Salis ©. 171. 

4) L. R. XXIU. 7, 1. 

6) 1. o. 2. 

6) XXL. 9. XXIIL 7, 1. XXIV. 80, 1. 

MP L. R. V. 1, 1. 3. 

8) Dieſe wird won ber Lex begrifflich beflimmt L c. 2 qui ante curiales 
vel plebe gistis (gestis) fuerit adfiliatus. 

9) L. R. XXIV. 25, 2. Ueber Nießbrauch und befchränktes Verwaltungs: 
recht des Vaters am Muttererbe ber emancipirten Kinber L. R. VIII. 9, 10. 


411 


Während die Vorlage bie Abtretung bes Grundſtücks an die Erben 
nur wegen Unerjehwinglichkeit der Steuerfchuld kennt, fügt vie Lex 
binzu eine Schuld aus dem Ertrag an bie parentes (eltern) ober 
andre Verwandte auf Grund von Erbtheilung (?)'). 


b) Unmiünbige. 


Die Lex unterfcheivet richtig tutores legitimi, testamentarii 
(meift Sreigelafine) und dativi2), verwechjelt aber tutores und cura- 
tores®), vielmehr: fie behandelt pupilli und minores gleich ®). Hier hat 
fi die römifche Vormuntſchaft (tutela) der volljährigen Mutter über 
bie Kinder erhalten), welche ja Weftgoten und Burgunden — unter 
Preisgebung der Gefchledhtsmuntjchaft über die Weiber — auch für 
fih angenommen baben®). 

Aber, abweichend von ber Vorlage, forvert die Lex Zuftimmung 
ber seniores vel judices zu biejer Uebernahme: die Mutter bat dann 
die gleiche Nechenichaftspflicht wie andre Verwalter von Waiſen⸗Ver⸗ 
mögen?) Auch muß bie Mutter dann an Eides Statt verfprechen, 
ben Wittwenftuhl nicht zu verrüden; thut fle e8, bat fie den Kindern 
al das von ihr verwaltete Vermögen herauszugeben, wofür das bes 
zweiten Gatten als Pfand haftet ®). Verbieten die seniores vel judices 
die Uebernahme burch bie Mutter, follen fie einem guten und ver- 
möglichen Mann unter den Erben (Verwandten) ver Kinder bie tutela, 
in deſſen Ermangelung einem Andern berartigen in der Provincia über- 
tragen). Unter mehrfachen Mißverftehen ber Vorlage beruft bie Lex 19) 
in Ermangelung Anderer den väterlichen, dann den mütterlichen Grof- 
vater (in beren Ermangelung bie beiden Großmütter) zur Tutel. 
Lehnen dieſe ab, die Teftamentserben (testamentarii) oder Freigelafine, 


1) XI. 1. si. . laboratum a (== ad parentesP) reddere debet. 
)L.R. XXU. 7. 
3) l. c. 8. 
4) Was aber nicht byzantiniſchen Urfprungs, fo richtig gegen Wagıter unb 
Schupfer v. Salis S, 167. 
5)L. R. Rh. C. II. 17, 3. 
6) L. L. Visig. IV. 3, 3. Weftgot. Studien S. 128f. 2. Burg 59, 85, 1. 
Stobbe, Lex Utin. ©. 62. 
7) L. R. XXI. 6, 2. vgl. III. 17, 3 und Zeumer bafelbfl. 
8) L.R. XVII. 5. 
9) L. R. Rh. C. UI. 17. 
10) 1. o. 18. 


412 


bie auf treue Verwaltung vereibigt und bei Ablehnung von Beerbung 
ber Kinder ausgeſchloſſen werben. 

Die tutores haften ven Mündeln für jenen durch nachläffige Ver- 
waltung zugefügten Vermögensichaden unter gefeglicher Verpfändung 
ihrer Güter!). Dies gilt zumal von Zumenbungen bes Herrſchers 
(a principe de fisco) von Fiscalgut an die Aeltern der Mündel 2). 
Sehr bezeichnend wirb hier das »jus emphyteuticum, quod ex 
fisci bonis (die Aeltern) meruerant« umgewandelt in: si parentes .. 
per suo servitio a principem de fisco habuerunt concessum: 
die römifche fiscalifche Emphyteuſe ift Hier durch fränkiſches Kronbene⸗ 
ficium erſetzt. 

Die L. R. giebt genaue Vorſchriften*) über Sicherung und Ver⸗ 
waltung von Münbelgut: Gold, Silber, Gelb find verzinsbar an⸗ 
zulegen, — troß der Canones und Eapttularien! —] über verbrauchbare 
Sachen, Grunpftüde: folche follen für Geld angeichafft werben. 

Unmünbige Waifen — ihre Unmünbigfeit muß durch Zeugniß ber Cu⸗ 
tialen bewiefen werden — als Bellagte find durch einen »curator« zu 
vertreten (ber ift für Mädchen ver Vaterbruder); für Knaben beftellen 
ben tutor bie seniores civitatis zufammen mit ben („andern“) Richternt). 
Wer mit dem Vater des Unmünbigen ſchwere Feindſchaft Hatte, darf 
bie Zutel nicht übernehmend). Der veruntreuende Tutor fchulbet 


Doppelerfag ®). 
c) Minderjährige. 


Unter fehr erheblicher Aenverung ver Vorlage läßt vie Lex ben 
volljährigen Bruder den minderjährigen wider eine gegen beide ge- 
richtete Klage vertreten”). Die Lex ftellt auf: Schabenerfag-Anfpruch 
ber Minderjährigen gegen Vormund und Anbere®); in integrum 


1) L. R. Rh. C. III. 19, 1. 

2) Le. 19,2. 

3) R. IT. 19,4. 

4) Ueber seniores civitatis 2 oben ©. 145, 153, 264: e8 finb bie majores, 
meliores, boni viri, troß des ſchiefen Ausbruds nicht nothwendig auch Richter 
L.R. Rh. C. IU. 17, 2. 

5) L. R. XXIV. 27, 1. 

6) 1. e. 2. 

7) L.R.XXV.1, 1. 

8) L. R. Rh. C. XII. 13. 


413 


restitutio bis zum vollendeten 28. Iahre!). Jahrgebung für Iüng- 
linge im 20. Jahr, Mädchen im 18. Jahr2), aber jene müſſen fich 
babei dem Herricher commendiren?). 

d) Berlöbnif. 

Aufgenommen find die römifchen Unterfcheidungen beim Ver⸗ 
löbniß von osculum interveniens und non interveniens. Erſteren 
Falles behält die Braut, ftirbt ber Bräutigam vor ber Eheſchließung, 
bie Hälfte des ihr von ihm geſchenkten, die andre fällt an feine Erben, 
wie Alles, was ihr ante osculum gefchenft war; ftirbt die Braut 
por ber Eheichließung, fällt in beiden Fällen Alles von ihr dem Bräu- 
tigam Geſchenkte an ihre Erben). 

Zahlreiche Unterfcheidungen ftellt pie Lex auf, falls ein Mäbchen 
von der von ihren Verwandten gefchlofinen Verlobung mit beren 
Willen zurüctritt ober ftirbt: begünftigt wird die Jugend (vor dem 
10. oder 11. Jahr verlobt): Hier ift nur ta von dem Bräutigam 
Geleiftete zurädzugeben: in anderen Fällen aber — und ftetS von ber 
Wittwe, die zurüdtritt von ihrer (neuen) Verlobung — ift das Em- 
pfangene auch von den Verwandten oder Vormündern vierfach zurüd- 
zuerftatten®). Die vom Vater Verlobte kann nach deſſen Tod nicht 
zurücktreten, auch nicht ver tutor das Verldbniß Löfen®). 

Berfäumt der Bräutigam die Eheichließung binnen 2 Jahren 
nad dem Berlöbniß, trifft die Braut und deren fie num anderweitig 
verbeirathende Verwandte kein Nachtbeil ?). 

Der Bormund muß die Yungfräulichleit der Mündel vor ber 
Vermählung behaupten®): bat er fie verführt, trifft ihn Verbannung 
und Vermögenseinziehung. 


e) Ehehinderniſſe. Verwandtſchaft. 
Töchter in Gewalt der Aeltern — nicht bloß des Vaters — 
können nur mit deren Zuſtimmung heirathen ?). 


1) Lo. 14, heres ſteht bier für res; vgl. 1. c. 17, 2, fo gewiß richtig 
Zeumer. 

2) 1. c. 15. 

3) (ad principes se commendare) f. oben &. 410. 

4) L.R. Rh. C. UI. 5, 5. 

6) L.R. Rh. C. III. 5, 6. 

6) l.o. 7. 

7) L. R. Rh. C, DIL. 5, 4. 

8) L. R.IX. 5, adprobare: befchwören ? 

9) L. R. XXIV. 18, 1. 


414 


Derboten und ungültig ift für Römer die Ehe unter Verwanbten 
bis zum III. und IV. Grab: doch wird fie auch in biefem Falle 1) 
anf Antrag ber Frau oder ihrer Verwandten von Herricher genehmigt?). 
Nur fehr allgemein verbietet L. R.*) Beifchlaf oder Ehe mit einer 
„naben Verwandten” ober der Wittwe eines folchen. 

Todesſtrafe bedroht Ehe mit Stiefgefchwiftern®). Ungültig ift bie 
Ehe mit der Schwefter der Gattin, ber Wittwe des Bruders, dem 
Bruder des Gatten. 


f) Eheſchließung. 

Das Wefentlihe bet ber Eheſchließung ift — immer noch — 
nach altrömifcher Anfchauung die feierlide deductio in domum 
mariti: baher ift bie Ehefchließung auch in Abwejenbeit des Mannes 
burch deductio von Seite feiner Verwandten und Freunde möglich, 
aber nicht in Abwejenheit ver Braut). 

Ehen werben auch ohne Urkunden (über dos, donatio) gültig 
geſchloſſen vor Verwandten oder Nachbarn: ber Lex eigen ift, ab- 
weichen von ber Vorlage, die Ehefchließung vor dem Richter‘). Bon 
bem Recht des Herrſchers, Mäpchen und Wittwen zu verbeiratben, bei 
Gregor von Tours häufig erwähnt, unter ven Rarolingen nicht mehr 
geübt, weiß zwar noch die L. R. Rh. C.”), aber nicht ihre Vorlage. 
Eheerfchleichung bei'm Herrſcher wirb mit VBermögensverluft, Exil und 
Ungültigleit der Ehe geahnbet®). 


1) Alfo unter Ohm und Nichte «—B und GeſchwiſterKindern: a—b. 
O—-— © 
(di 9 No 
Oa / \ 


20 Dd. 
Aber vergl. bie Verbote 1. c. 12, 3 (?). 

2) L. R. Rh. C. III. 10. Dagegen Alamannenredht bis ins IV. nach S.366. 
das Kirchenrecht bis Ins V. Glied, Rönige VIII. 4. ©. 209, 

3) XXIII 4, 1. 

4) II. 12. L.R. 1. 

5) L.R. XXIV. 19,1; fie ſchließt die deductio marsti in domum puellae 
(überflüffigermaßen!) aus, 

6) L.R.Rh.C. II. 7, 3. 

7) I. 3. mandatum prineipis. 

8) L.R. Rh. C. III. 10, vorbehaltlich nachträglicher Genehmigung von Fran 
ober Berwanbten. 


415 


g) Dotalrecht i. 


Erheblich geändert iſt bie Vorlage im Dotalrecht: bie Lex?) 
ſpricht vornehmlich von den Dotalurkunden: das in dieſen Zugewendete 
ſoll nicht durch neuere Urkunden geändert oder veräußert werden und 
ſoll nach dem Tod der Gatten auf deren Kinder übergehen: die Vor⸗ 
lage erwähnt auch das Verbot der Schenkung unter Gatten (refusio 
similitudo donationis est), die Lex nicht. 

Völlig geändert (oder mißverftanden?) hat bie Lex die Vorlage 
bezüglich der dos auch fonft: diefe fagt, ter Mann kann nicht die dos, 
bie ohnehin der Wittwe gebührt, diefer als Fideicommiß für einen 
Dritten auferlegen: bie Lex verfteht unter dos ben (germanifchen) 
Muntſchatz oder eine donatio propter nuptias des Mannes an bie 
Fran und fagt das Nichtsfagenpe, daß er dieſe »dos« im Teſtament 
beftätigen kann 8). 

Die Lex meint zuweilen den germaniſchen Muntſchatz, wo ſie 
bie römiſche dos ber Vorlage beibehält‘). 

Eine römiſche dos — im Unterſchied von gewöhnlicher Schen- 
fung — Tann die Frau bem Manne wie vor, auch nach ber Ehe— 
fchließung beftellen; vie Früchte find bes Mannes eigen, auch bie bes 
Sceivungsjahres:). Schenkungen auf ven Todesfall find auch unter 
Gatten gültig bei genauer Angabe des Schenfguts®). 

Die Wittwe hat an der vom Mann beftellten dos oder andern 
Gaben nur Nießbrauch, kann nichts davon veräußern: bei Wieberver- 
betrathung oder Tod fällt jenes Vermögen an ihre Kinder”), In 
Begünftigung diefer Gefchäfte follen donatio propter nuptias und 
dos, fall® fie nicht 200 sol. betragen, ohne Tradition und ohne In- 


1) Stobbe L. R. p. 64. 

2) L.R. Rh. C. II. 13, 2. 
3) L. R. XXVL 1, 1. 

4) L. R. IX. 323, 

5) L. R. XXIV. 29, 1. 12. 


6) 1. c. 21,1, bie befanute Formel malo me habere quam te, te quam 
heredes mei ift auch bier (wie in ben merovingifchen Formeln) arg mißverſtanden: 
sistut volo habere sicut et me et sic te quod heredes meos«. Zeumer 1. c. 
bemerkt mit Recht, ber Ausbrud superior lex geht bier nicht auf eine frühere Be⸗ 
flimmung ber Lex felöft, fondern auf deren Quelle, Pauli Sentent. II. 24. 


7) L.R. XXI. 1. 





416 


finuation (ligare, ligatio) gültig fein: ebenfo folche für minderjährige 
vaterlofe Bräute?). 


h) &hefcheibung 2). 

Das Ehefcheivungsrecht der Lex ift nicht kirchlich, ſondern römifch: 
bie Frau kann die Ehe löſen durch repudiatio, beweift fie, daß ter 
Mann Mörder, Zauberer (maleficus) oder Grabſchänder ift?). 

Kann die Frau eines dieſer drei Verbrechen beweilen, mag fie 
repubiiren (wieder heiratben) und dos und all’ ihren Erwerb behalten. 
Andernfalls verliert fie al ihr Vermögen (an den Mann?) und wird 
mit Exil beitraft: fie bleibt Ehefrau und kann auch jet noch wegen Ehe- 
bruchs vom Mann verfolgt werden. Das gleiche echt fteht bem 
Manne zu, Tann er beweifen, daß die Frau Mörberin, Zauberin ober 
Kupplerin (conciliatrix) ift, andernfalls Tann er nicht wieber heirathen 
und verwirkt alles ber Frau Gegebne an diefe: heirathet er wieber, 
erwirbt fie all fein Vermögen und die dos ber zweiten Srau: fie fann 
nach zwei Jahren heirathen. Gelingt dem Mann jener Beweis, Tann 
er fofort wieder heiratben und erhält Alles zurüd, was er der Schul: 
bigen gegebent). 

Grundlofe Verklagung des Ehemanns (behufs repudiums) wird 
an ber Fran mit Vermögensverluft und Eril beftraft?), Wahnfinn 
und Aehnliches ift Fein Scheibungsgrund®). 


i) Wieberverbeiratbung ber Wittwe). 


Auf Verlegung des Trauerjahrs fteht Infamie und Verluft aller 
Zuwendung bes DVerftorbenen an bie Kinder und bei unbeerbter Ehe 
an bie Erben des Mannes). 

Dei Wieberverheirathung ber Wittwe nach dem Trauerjahr behält 
fie den Nießbrauch an den Zuwendungen bes erften Gatten, barf aber 
(bei Meivung des Erjages aus ihrem Eigenthum an die Söhne und 


1) L.R. Rh. C. II. 5, 8: de villas verborben aus sui illa ber Vorlage? 
So Zeumer 1. c. 

2) Könige VILL. 4. ©. 209. 

3) III. 16. L. R. Rh. C. 

4) L.R. Rh. C. III. 16. 

5) L.R. Rh. C. III 16. 

6) L.R. XXIV. 18, 2. 

7) Könige VIII. 4. S. 210, oben ©. 367. 

8) L.R. Rh. ©. III. 8. Ueber bie fogenannten poenae secundarum nup- 
tiarum des binubus III. 8. VIII. 6, 3. 


417 


Töchter) nichts davon an Fremde veräußern; bei ihrem Tod fchließen 
die Söhne die Töchter aus; bei Tob der Söhne ober ver Töchter wird 
deren Exbtheil unter ber Mutter und den andern Söhnen ober Toch⸗ 
tern getheilt?). 

Wittwen unter 25 ahren dürfen nicht nach eigner, nur nach des 
Vaters und, iſt dieſer geſtorben, nach der Verwandten und des Richters 
Wahl zu neuer Ehe ſchreiten. Die Befürchtung der Vorlage, die Ver⸗ 
waudten wollen fie beerben, und bie Anrufung des Richters um deß⸗ 
wilten, fehlt in ver Lex?) 


k) Eoncubinat. 


Die Kirche muß noch neben ver Ehefrau die Eoncubine und eine 
Art Erbrecht diefer und der Baftarde neben der Wittwe und deren 
Kindern hulben®). 

Auf den Kopf geftellt wird bie Vorlage durch die Lex bei Rege⸗ 
[ung des Concubinats. Paulus verbietet ben Eoncubinat dem verhei⸗ 
ratheten Mann (ne ab uxore separet eum dilectio concubinae), bie 
Lex dem Unverbeiratheten „für biefe Zeit!”4). 

Concubinen und veren Kindern darf der Mann neben einer Che, 
frau oder ehelichen Kindern ober Enkeln nur Az, fehlen folche, 8/1, 
feines Vermögens zuwenden. 

Ein Vater foll feinen unehelichen Kindern ®/, (ftatt 1/42 ober 1/,) 
feines. Vermögens zuwenden bürfen, wenn er fie zu Eurialen ober 
Fiscalen beftimmt?). 


5. Erbregt®). 
a) Allgemeines. 

Revennmünbige Kinder beerben ven Vater ohne Weiteres”). Do- 
tirte Töchter haben bei Beerbung bes Vaters mit ben Brüdern bie 
dos einzuwerfen®). Die fhwangere Wittwe wird bei ihren Verwandten 
untergebracht; das zu rechter Zeit (db. h. nicht zu fpät!). geborne Kind 


1) L.R. Rh. C. III. 9 
9) L.R.Rh.C. I 7,1. 
9 L.R IV. 6. 


4) L.R. XXIV. 19, 2. 
5) L.R. XVII. 11, deourio = curialis == fiscalis actor. 
6) Könige VIII. 4. ©. 211; oben ©. 373. 
7) db. B. ohne oretio L. R. IV. 1. 
8) l. oc. 2. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 7 


418 


erhält die Erbſchaft des Vaters Bis zum 15. Jahr, dann erft ſolles 
pie curatores etwaige Broceffe erledigen 1). 

Fühlt ſich eine freie Frau nach der Scheibung ſchwanger, bet fie 
dies binnen 30 Tagen dem Mann anzuzeigen, daß er Wächter ſchide 
(custodia ventris nomine), bei deren günftigen Zeugniß bas Kind 
den Vater beerbt; umterläßt die Frau die Anzeige oder verwehrt fie 
die custodia, beerbt das Kind den Vater nicht?) (fünf Hebanımen be 
obachten bie Mutter bi6 zur Geburt und begengen, daß das Kind nick 
im Chebruch gezeugt (d. b., daß es ausgetragen) ift und nicht unter 
geſchoben: ſchieben fie felbft unter, trifft fie der Tod). 

Das jus liberorum ber Ehefrau wird mit allen Einzelheiten ımt 
Unterſcheidungen beibehalten?). 

Der Wittwer hat das Vermögen ber verftorbiien Fran ben Fin- 
bern zu erhalten, darf nichts davon verfchenten, beerbt aber ein Kind, 
mit dem er fich in jenes Vermögen getheilt: biefer ihm zufallende 
Theil ift den Gefchwiftern des verftorbenen Kindes zu wahren. Des 
Gleiche gilt von der Wittwet). 

Der Wittling kann von den Erben des verftorbnen Gatten mich 
Erfag der während ver Ehe verbrauchten Fahrhabe (Früchte) fordern). 
Böllig mißverftanden (oder abfichtlich geändert?) hat die Lex das 
römtfche Anwachfungsrecht 9). 

Der vom Richter für eine Erbtbeilung beftellte Schiedsrichter 
kann nur einmal theilen. Das von ihm unvertheilt Belaſſne mäffen 
bite Erben jelbft theilen”). 

Die Vorlage läßt die Erben nur bei Tod, bie Lex auch bei Aus- 
wanberung des Schulpners haften, falls diefe fein Vermögen erhalten 
baben?). 

Die Aufzählung der den Nachlaß ausmachenden Sachen?) ift wohl 
Paulus 10) entnommen!t). 


ı)l.e 3. 

2) Anders die Vorlage; das Eingefchaltete ( ) fehlt ber Vorlage XXIV. 22. 

3) L.R. V. 1,1. XXVL 10. 

4) L.R. XVI. 7. 

5) L.R. XIIIV. 1 (die Vorlage änbernb). 

6) L.R. XXVI. 9; ftatt deſſen: Verwirkung wegen Weigerung ber Erb 
theilung. 

7) L.R. XXIII. 24. 

8) L.R. XXUL 5, 1. 


9) L.R. XXV. 9, 4. 
10) Sententiae III. 28-63, 11) So Zeumer 1. 0. 


419 


Bezeichnend macht ‚vie Lex aus ber hereditas der Vorlage eine 
terra). 


b) Lestwillige Berfügungen. 


0) Allgemeines. 


Die L. R. Rh. C. eifert für freie letztwillige Verfügung, babei 
für Bebenfung ber Kirche). | 

Knaben und Mädchen erreichen vie Teſtamentsfähigkeit mit ber 
Mündigkeit?). Teſtamente können alfo nicht machen infantes, aud) 
aboptive®). 

Stumme find geſchäftsfähig, Wahnfinnige nicht ®),. ausgenommen 
in lichten Zwiſchenzeiten ). Zaubftumme können. Teſtaments⸗ und 
Familien⸗Erben werben”). 

Berluft ober Beſchränkung ber testamenti factio erfolgt wegen 
Inceſts). 

Bezeichnend iſt die Abweichung der Lex von der Vorlage in der 
Begründung ber Teſtirfähigkeit der Blinden: jene ſagt: „weil fie, was 
Recht (directum) tft, hören und verftehen Tönnen“; dieſe: „weil fie 
Zeugen zuziehen und beren Zeugniß vernehmen Tönnen”). Der Kriegs. 
gefangne teftirt nicht In der Gefangenſchaft 10), wohl aber der Verbannte 
(exilium) ober Kerkerfträfling 1!) und ber gerichtlich als Verſchwender 


1) L.R. XXIII. 20 mit flarfer Abweichung auch fonft; ähnlich 21 facultas 
aut terra bei der hereditatis petitio (Erfat ber Verkürzung bes Miterben — 
mit Auslafiungen!) 

2) ©. die drei Stellen bei Conrat I. S. 388. 

3) L R. XXV. 3, 2 behnt das (gegen -bie Vorlage) bei Maͤdchen auf alle 
Urkunden aus. 

4) XXII. 9. 

5) L. R. XXIV. 15, als furiosi gelten nur wor Alter finbifch Geworbene 
„Über ihre Tage Gekommene“, |. oben S. 401 und Stobbe, Privat. L ©. 342, 
Heudler I. S. 205. 

6) L.R. XXV. 4,3, 

7), L. R. XXVL 1, 2; daß fie Fidelcommiffe entrichten müſſen, Täßt pie 
Lex fort. 

8) L.R. Rh. C. DI. 12, 1. 

9) L.R. XXV. 4,2. 

10) 1. 0. 4. 

11) 1. co. 5; nach ber Vorlage aber wicht bei Iehenslänglicher Strafe: fie ſcheint 
vorauszuſetzen, daß zu metalla und anf insula ſtets nur anf Zeit verbannt 
wird; nad) ber Vorlage können fie auch aus Teflamenten erben: bie Lex ſchweigt 
bierüber. 


27? 


420 


Erklaͤrte). Abfichtlich änbert bie Lex bie Vorlage bei beren Rege 
lung ber Erbtheile nach unciae (zumal bei Ueberfchreitung ber ge 
machten unciae): fie läßt vor Allem bie Kirche bebenfen und vie &e- 
fippen?), das Uebrige mag an Andere fallen. Wie testamentum für 
carta, wird umgelehrt carta für Teſtament gebraucht’), das römifche 
Zeftament als carta, Urkunde verftanven, ja carta flieht — Erbiheild. 
Zum Teſtament gehören 7 Zeugen, ber Errichter unterfchreibt als 
achter, ein achter ftatt des ſchreibunkundigen Errichters, ter aber felbft 
ein + machen muß®). 

Teftamente durften — jo ſcheint es — nur in lateinifcher Sprache 
verfaßt werben: thatjächlich wurben ja alle Urkunden (wie Formeln) 
nur Iateinifch errichtet, Die Lex fchreibt das vor; bie Vorlage, tie 
ja nur Lateintundige voransfegt, erklärt bes Lateind Unkundige als 
Zengen gleihwohl für zuläffig‘). Im Ermangelung von engen 
genügt das testamentum holographum?), Das Xeftament wirt 
erfegt durch ein Codicille), „firmirt“ buch 7 ober 5 Zengen®), aber 
darin kann nicht ein andrer als der früher in einem Xeftament Ein 
gefeßte berufen werben. 

Mißverftanden ift die Vorlage bezüglich ber Unterfcheibung ber 
Stadt Rom mit ihren censuales und curiales anderwärts 1e). Ein 
vor zehn Jahren errichtetes Teftament muß von dem Teftator erneuert 
werben, fonft erlifcht e811); der Erbe bat unter Umftänden bie Wahl, 


1) L,.R. XXV, 4, 7 prodicus id est fraganarius, ein nuerffärtes Wort; 
es ift aber an fraoassare verberben, zerfiören (Du Cange III. p. 385, Diez, 
W. B. J. p. 146), (sc. fein Vermögen) zu benlen. Nach ber Borlage nur nach Beſſe 
rung (und Aufhebung ber Pflege?). Bollfiänbig geänbert wird bie Vorlage zu 
L.R. le. 8: jene erflärt das Teſtament Mangels Erfennbarleit des Erben für 
ungültig, biefe verbietet einem von zwei Erben vor ber Erbtheilung zu teflirem. 

2) Zufammen 6 Uncige? 12? L.R. XXV, 4, 9 nullare Borftellung einer 
Art von Pflichttheil? 

8) L.R. Rh. C. Gaj. I. 2. L.R. XXV. 6 oartas faoere, b. h. testaments. 

4) 1. c. equales cartas ad totos tres. 

6) L.R. XVIL 9 mit Aenderung der Vorlage; das Ed, Theod. und andere 
weftrömifche Quellen verlangen nur 5. Ueber bie Teflamentserrihtung L. R 
XXV. 9,4. Zeumer L c. p. 297, 432. Abhandl. ©, ss 

6) L.R. XXV. 6. . 

7) L. R. XVIIL 4. 

8) Codicellus: hoc est alia carta in vicem de testamento 1. c. 4, 1. 

9) Bgl. 4,3, 

10) L. R. IV. 4,4. 

11) 1.o. 6. 


an 


way ti 


421 


ob er aus dem Teſtament, einem Codicill ober Fideicommiß antreten 
will: bie Lext) macht aus dem Fideicommiß der Vorlage (die auch 
Codicill, nuncupatio und Fideicommiß durcheinander mengt), eine 
slonatio. 

Ein Teftament zu Gunften männlicher Ablömmlinge wirb troß 
Tormfehlern, 3. B. mangelnder Eintragung in bie Geita, aufrecht er» 
halten 2). 

Der Hausfohn, der im ZTeftament als Erbe eingejettt werben foll, 
muß vor (oder in) tem Teſtament emancipirt werben). 

Die Teitamentseröffnung erfolgt vor den Zeftaments- Zeugen ober 
honesti viri und vor Gerichtt), die Zeugen haben ihre Sigel (Lex: 
Unterfchriften) anzuertennen, vie Vermächtnißnehmer und die reis 
gelafinen nehmen Abjchriften, die Urfchrift wird, wieder vom Nichter 
verfigelt, im Archiv „des Heren“ verwahrt®). 

Der Erbe kann die Erbichaft nicht erwerben, tritt er fie nicht in 
Jahresfriſt nach dem Tode des Erblaffers und nach DVerlefung bes 
Zeftaments vor ben Verwandten an). 

Das römifche Verbot, daß die Erben bie Erbfchaft antreten 
(„theilen“, fagt bie Lex), bevor fie die Ermorbung bes Erblaffers 
durch feine Unfreien an biefen nach gerichtlicher Unterfuchung gerächt 
haben, ift beibehalten”). Während die Vorlage das Erbe ben ein« 
geſetzten Erben entreißen läßt (aufertur) wegen einer Handlung wider 
das Teftament, fpricht die Lex allgemein von einer fchweren Be⸗ 
feidigung des lebenden Erblaffers und giebt dieſem das (felbftwer- 
ftändfiche) Necht der Enterbung burch Aenderung des Teftaments!®). 
Tür Teftamentsfälihung, Entwendung, Zerftörung wirb die Strafe ver 


1) lc. 7. 

2) L. R. Rh. C. I. 22, auch fonft Bevorzugung ber männlichen Erben unter 
Conſtantin. 

3) L. R. XXVI. 4, 1 abweichend von ber Vorlage. 

4) L.R. XXVL 6, 2 Vorlage. 

6) Lex R. XXVI. 7 (mit Kürzungen ber Borlage, 3. B. bezüglich ber 
Tageszeit zwifchen 8 und 6 Uhr); regestorio, domenioo (== archio, arcivo); über 
registorium == archivium Könige VIII. &. 104. Zeumer 1. e. vermutbet mit 
Recht das biſchöfliche Archiv. 

6) L.R. XXV. 9, 2 (mit Yenberungen). 

7) L.R. XXV. 8. 

8, l.c. 9,1. 


423 


Lex Carnilio (sie) gedroht, and Anfliftern und Gehilfen ). Sage 
auf Deransgabe binnen eines Jahres 2). 

Dans mach ber Keftamentserrichtung ber Witiwe geborne Kins 
kann es, falls fie es nicht Änbert und es fo übergeht, anfedhten ®). 
Grundloſe Entesbung ber Kinder durch tie Matter ober der Wittwe 
durch ben Gatten ift amfechtbar, aber Kinber Ionnen das Teſtament 
ber Aeltern nur binnen 5 Jahren anfechten, dann Verjährung erft in 
30 Iahren‘); ebenſo Anfechtung eines »dispeocionsum« [sic]?), 
Zeftaments wegen Verlegung dev Quazxta »Faliscia«®) in 5 Sabren”. 

Durch Uebergehung eines Netherben wird das Teſtament micht 
hinfällig, erhaͤlt er anderswie den Pflichttheil 9). 

Uebergeht der Teſtator ein Kind (Tochter), indem er ein andtes 
und Einen Fremden je zur Hälfte einſetzt, fordert das übergangne von 
ben beiden Bedachten je’i/s; find zwei Brübder und Ein Fremder be 
dacht (je zu %/,), fordert das Uebergangne von jevem Bruder ?/,, vom 
Fremden 11/, fettes Theiles%); auch bie Wirkung der Geburt ven 
Kindern nach des Vaters Tod hat die Lex 10) eher mißverftanden, als 
abſichtlich ändern wollen. 

Nur der Sohn, nicht auch die Tochter muß bei Meidung ber 
Ungültigkeit des Teſtaments ausdrücklich eingeſetzt oder enterbt werden; 
nach Errichtung des Teſtaments ober nach dem Tod bes Erblaſſers 
geborne Kinder heben das Zeftament auft!). 


U)LR. XXVI. 8 1.2 

2) 1. c. 2. 

3) L.R. XXVL 6, 2. 6,1 ſagt das Selbſtverſtändliche. 

4) L. R. Rh. C. II. 17, 1—3 ſetzt aus Verſehen 13 Jahre. 

5) Berachtenden, dispectus, falſch, die Erflärungen bei Du Cangel. p. 41, 
richtig »despeotus« p. 31; zahlreiche Einflüffe des Roͤmiſchen (Vulgät⸗Satein) auf 
Dies Latein. | 

6) f. unten. 

7) 1. c. 18, auch einer dos, 18; bie Kender gegen eint dos für ben zweiten 
Gatten. 

8) L.R. XXV. 3: Das iſt wohl, was gejagt werben wollte Duelle fehlt. 

9) So die Vorlage. Die L. R. XXV. 6 hat das nöllig mißverflanben ober 
geändert: fie Läßt im zweiten Hall den Fremden ganz frei nud fpricht von „feiner 
Hälfte“, während er doch nur 1/5 erhalten follte uud davon nun nur 1/ = 1 
des Ganzen behalten barf. 

10) XXV. 7. Ste unterſcheidet nicht, ob der Bater das zu erwartende Kind 
einfekte. 

11) L. c. 10; über bie »Falsicia« 11 unb oben. 


423 


B) Fideicommiß. 

Das Fideicommiß in der Vorlage wirb von ber Lex ſehr oft 
anberüdfichtigt gelaffen und durch das gewöhnliche Teftament erfegt?). 
Aber ftirbt der Fideicommiſſar, der beauftragt war, einen Unfreien 
frei zu laflen, bevor dies gefchehen, werden feine Erben zur Frei⸗ 
Laffung gezwungen?) 

Völlig geändert hat bie Lex die Vorlage bezüglich des Fidei⸗ 
commiffes: dieſe fpricht won der bem Erben fideicommiſſariſch auf⸗ 
ezlegten Verpflichtung, eine Unfreie frei zu laffen und beifen Saumfal: 
gebiert fie ein Kind, tft dies frei: die Lex nennt ftatt des Fideicom⸗ 
miſſes biebei ein Freilaſſungs verſprechen bes Hesm?). 

Die Beftimmungen ber Vorlage über das mündliche Fideicommiß 
Bat die Lex) zum Theil wörtlich beibehalten, zum Theil geändert: 
auch läßt fie nur durch Teftament (die Vorlage durch Fideicommiß) 
fremde Sachen vermachen: in Abweichung von ber Vorlage ſoll ber 
Erbe ftatt der fremden ähnliche eigne Sachen leiften, gemäß jenen 
Princip der Erfafagen®). 


‘) Quarta Faleidia. 


Eine große Rolle fpielt in dieſem vulgärlateiniſchen Römerrecht 
bie Lex Falsicia, wie fte bier ganz regelmäßig heißt, und mit vielen 
Mißverftänpniffen vorgetragen wird. So werben bie Lex »Falsicia« 
und der Pflichttheil neben einander behandelt 9. 

Kinderloſe Gatten können fich gegenfeitig (in Einer Urkunde) zu 
Erben einfegen, vorbehaltlich der Falſiciſchen Quart). 

Bet der Falcivifchen Quart darf nicht zur Laft gerechnet werben, 
was (5.2. bie Mutter) der Erblaſſer dem Sohn bei Lebzeiten ge⸗ 
ſchenkt hat). 


1) L. R. XXVI. 1f., 4 auch 6, 1 änbert hierin die Vorlage. 

Le. 11,3. 

3) L. R. XXIV. 23, 

4) L.R. XXVL 1,3. 

51.2, ſ. oben @. 406. 

6) L.R. XXVL Zeumer, Neues Archiv IX. & 24, über bie verſchiedne 
Berehuung, Conrat I. ©. 289; auch bie Schenkungen, wobet XXIII. 12 bie 
Ueberfchrtft >»de satisdandum« und bes Paulus Sententia durchaus nicht paſſen, 
Zeumer a. a. O. 

2) L. R. XVII 3. bie Borlage denft au Die querela inofficiosi und ſpricht 
vom >jus liberorum«. 

8) L. R. XXV. 9,3; vgl. XXVI. 6. 7,1. 


418 
erhält bie Erbſchaft bes Vaters Bis zum 15. Jahr, dann erſt ſollen 
bie curatores etwaige Proceſſe erledigen). 

Fühlt fich eine freie Frau nach ber Scheibung ſchwanger, bat fie 
dies binnen 30 Tagen dem Mann anzuzeigen, daß er Wächter ſchicke 
(eustodia ventris nomine), bei deren günftigem Zeugniß bas Kind 
ven Vater beerbt; unterläßt pie Frau die Anzeige oder verwehrt fie 
bie custodia, beerbt das Kind den Water- nicht?) (Fünf Hebammen be- 
obachten bie Mutter bie zur Geburt und bezeugen, daß das Kind nidht 
tm Ehebruch gezeugt (d. h., daß es ausgetragen) iſt und nicht unter 
gejchoben: fchieben ſie ſelbſt unter, trifft fie der Tod). 

Das jus liberorum ber Ehefrau wird mit allen Einzelheiten und 
Unterfcheidungen beibehalten ?). 

Der Wittwer bat das Vermögen ber verftorbnen Fran ben Kin⸗ 
bern zu erhalten, darf nichts davon verfchenten, beerbt aber ein Kind, 
mit bem er fich in jenes Vermögen getheilt: biefer ihm zufallenve 
Theil ift den Gefchwiftern des verftorbenen Kindes zu wahren. Das 
Gleiche gilt von der Wittiwe®). 

Der Wittling kann von ben Erben des verftorbnen Gatten nicht 
Erfag der während ver Ehe verbrauchten Fahrhabe (Früchte) forbern>). 
Bölltg mißverftanden (oder abfichtlich geänbert?) hat vie Lex das 
römische Anwachſungsrecht 9). 

Der vom Michter für eine Erbtheilung beftellte Schiedsrichter 
kann nur einmal tbeilen. Das von ihm unvertheilt Belafine mäffen 
bie Erben felbft theilen”). 

Die Vorlage läßt bie Erben nur bei Tod, die Lex auch bei Aus- 
wanderung des Schulpners haften, falls dieſe fein Vermögen erhalten 
baben?). 

Die Aufzählung ver den Nachlaß ausmachenden Sachen) ift wohl 
Paulus 1%) entnommen11). 


1) leo 3. 

2) Anders die Vorlage; das Eingefchaltete ( ) fehlt ber Vorlage XXIV. 22. 

3) L.R. V. 1,1. XXVL 10. 

4) L.R. XVL. 7. 

5) L. R. XIV. 1 (bie Borlage äubernd). 

6) L. R. ZXVI. 9; flatt defien: Verwirkung wegen Weigerung ber Erb 
theilung. 

7) L. R. XXIII. 24. 

8) L.R. XXIII. 5, 1. 

9) L. R. XXV. 9, 4. 

10) Sententiae III. 28—63, 11) So Zeumer lo 





419 


Bezeichnend macht ‚vie Lex aus ber hereditas der Vorlage eine 
terra). 
b) Letztwillige Verfügungen. 
a) Allgemeines. 
Die L. R. Rh. C. eifert für freie letztwillige Berfügung, dabei 
für Bedenkung ber Kirche?). 

Knaben und Mädchen erreichen bie Teſtamentsfähigkeit mit ber 
Münpigfeit 3). Teſtamente können alfo nicht machen infantes, auch 
aboptive®). 

Stumme find geichäftsfähig, Wahnfinnige nicht S),. ausgenosumen 
in lichten Zwiſchenzeiten ). Taubſtumme können Zeftaments- und 
Familien⸗Erben werben”). 

Verluſt oder Beſchränkung ver testamenti factio erfolgt wegen 
Incefts®). 

Bezeichnend ift die Abweichung der Lex von ber Vorlage in ber 
Degrünbung ber Zeftirfähigleit ber Blinden: jene jagt: „weil fie, was 
Necht (directum) ift, hören und verftehen Tönnen“; viefe: „weil fie 
Zeugen zuziehen und beren Zeugniß vernehmen Finnen“). ‘Der Kriegs: 
gefangne tejtirt nicht in der Gefangenſchaft 10), wohl aber ber VBerbaunte 
(exilium) oder Kerleriträfling 1!) und ber gerichtlich als Verſchwender 


1) L. R. XXIII. 20 mit flarler Abweichung auch fonft; ähnlich 21 facultas 
aut terra bei der hereditatis petitio (Erfat ber Verkürzung bes Miterben — 
mit Auslaffungen!) 

2) ©. die drei Stellen bei Conrat I. S. 888. 

3) L.R. XXV. 3, 2 dehnt das (gegen -bie Vorlage) bei Maͤbchen auf alle 
Urkunden aus. . 

4) XXII. 9. 

5) L. BR. XXIV. 15, als furiosi gelten nur vor Alter kindiſch Gewordene 

„über ihre Tage Gelommene”, |. oben ©. 401 und Stobbe, Privat. I ©. 342, 
Hensler I ©. 205. 

6) L.R. XXV. 4,3. 

7) L. R. XXVL 1, 2; daß fie Fidelconmmiſſe entrichten müſſen, Täßt bie 
Lex fort. 

8, L.R.Rh.C. DL 12, 1. 

9, L.R. XXV. 4, 2. 

10) 1. 0. 4. 
11) 1. 0. 5; nach der Borlage aber wicht bei lebentlänglicher Strafe: fie ſcheint 
vorauszuſetzen, daß zu metalla und auf insula ſtets nur auf Zeit verbannt 


wird; nach ber Vorlage können fie auch aus Teftamenten erben: bie Lex ſchweigt 
hierüber. 


27? 


426 


Berpienftlich bat man!) zahlreiche roͤmiſche Wörter zuſammen⸗ 
geftellt, bie im Betrieb von Ader, Gaxten-, Wein- und Haus⸗Ban, 
fowie für Geräth, Gewert, Handel von den Alamannen, wie natürlich 
bon andern Germanen (über bie Goten VI.? ©. 5), offenbar früh — 
fammt ven Dingen — berübergenonmmen wurden: och, Flegel, Mutt 
(medius), Schapfe (scaphium), Räfe, Wein, Moft, Inh, Torkel. 
Dörfer, Kifte, Kufe, Küfer, Pfiſter (pistor, Bäder), Pacht. Bund, 
Straße, Kalt, Mörtel, Ziegel, Mauex. Bforte, Thurm, Kanımer, 
Fenſter, Stall, Schreiben und Schrift. 

Man darf nun aber anprerfeits jenen römiichen Einfluß auf 
Siedelung und Wirthichaft nicht überfchäken. 

Es war grober Unfug, wenn man?) alle Land- und Gemeinde 
Berbältniffe Hier aus vömifchen ober keltiſchen Wurzeln abgeleitet bat. 
Vieles bezieht fich auf Aehnlichkeiten, bie fich aller Orten finden, was bie 
„Dentichen“ (foll heißen: Alamannen) aber wirklich gelernt over entiehut 
haben, das find häusliche!) Einrichtungen und Bequemlichleiten, Kunſt 
fertigfeiten und Anderes, was die Arbeit erleichterte, die Cultur ver 
befferte. Auf die Grundlagen ber länblichen Benölleruugszuftände er- 
ftredite es fich nicht t). | 

Die Siebelungs- und Gemeinde» Verbältniffe ter hiebei Vor⸗ 
gebrungenen unterſcheiden fich vielmehr nicht grundſätzlich von denen 
ber in alten Sitzen Gebliebenen: in beiden Fällen Dorf-, daneben 
Hof⸗Siedelung, in beiven Fällen Sonbereigen®) und Almännde und 
Markgenoffenfchaft, nur daß in den neuen Sigen früher ſich Groß⸗ 
grunpbefig in Einer Hand verfammeln ließ), wenn man auch durch⸗ 
aus nicht”) im Allgemeinen jagen kann, die „Ausgewanderten“ ver- 
fügten über mehr Land als die Daheimgebliebenen: Elfak®) war z. B. 
boch gewiß bichter bevölkert (Ichon von ben zurückgebliebnen römiſchen 
Eolonen) und Kleiner zerftädelt wegen ver höheren römischen Landes⸗ 


1) Stältn (S.) &. 75. 

2) Mone, lirgefchichte bes badiſchen Landes J. 

3) Schon a. 358 bezeugt bier Ammian auf bem rechten Rheinufer bei ten 
Aamannen römifchen Hänſerbau. Urgeſch. ILL. & 238. 

4) So vortrefflih Weis ©. 387. 

5) Das bie Germanen wahrlich nicht erſt durch Eroberung Galliens erhielten: 
dann hätten es ja bie Nechtöchetnifchen auch bamals noch nicht erhalten Binnen! 

6) So richtig gegen vn. Inama Sternegg, Hoflyfiem, Waitz S. 389. 

T Mit Waitz a. a. O. 

8) Bgl. Witte, zur Geſchichte bes Deutſchthums Im Elſaßz, Forſch. zus 
D. Landes und Vollksgeſchichte X. 1897 S.400f. 





427 


verwertbung als etwa ber Schwarzwald ober die rauhe Alb oder das 
Nies ober die Hochalpen. 

Die wirtbichaftlichen, bäuerlichen Verhältniffe, die Siedelungen, 
das Leben tin ben Dorfichaften und Höferfchaften wurbe dann auch 
fpäter durch bie fränkifche Oberberrichaft, auch durch Einführung des 
Chriſtenthums bei den vechtsrheintfchen Stämmen nicht geändert. In 
biefen Dingen beftanden bie uralten Einrichtungen zunächft fort, bie 
nur während ber Ausbreitung und Verfchiebung der Wohnfige vorüber- 
gehend ins Schwanken gerathen waren. Sobald die Herrſchaft in dem 
neu bejegten Gebiet gefichert war, wurden auch bie alten Formen der 
Anfievelung und Bewirtbichaftung wieber aufgenommen. Erſt fpät 
hat das Auflommen von kirchlichem und weltlichem Großgrunbbefit !) 
und das Einbringen fränlifcher Immunitäten, Beneficien, Vaſſallität 
hierin Aenderungen gebracht. 

Den Römern fehienen freilich noch zur Zeit Ammians bie Ufer 
des Bodenſees bei Bregenz wegen ber „grauenhaften“2) Urwälder un- 
wohnlich,. ja unzugänglich 3). 

Walafrid Strabo (geft. a. 849) rühmtt) das Silber ber weißen 
Alpen Sueviens und ben Steinreichthum (cautes) in „Alamannien”. 
Er iſt ſelbſt Alamanne®). 

Das Lob des Klima's von Rhatien hat aber Hrabanus Maurus 
(geſt. a. 836)9 aus Iſidors Beſchreibung von Campanien ab- 
geſchrieben; ihm folgt Emmerich von Ellwangen (geſt. a. 884)7). 

Im Gegenſatz zu dem reichen Italien (Brescia) nennt noch fpät 
ein Bifchof von Eonftanz jenen Sprengel ein Höchft armes und ödes 
Land ?). 


1) &. unten v. Inama⸗Sternegg ©. 80f. Meiten I. S. 338. eher 
S. 171, 250 (Großgrimbeigen römiſcher possessores). Weber bie Fortſchritte ber 
Boltswirtbichaft in karolingiſcher Zeit, Iehrreih von Imama-Sternegg I. S. 4051. 
428; alammaumifche Etebelungen aus dem VII. und VIII. Jahrhundert Stälin (8.) 
I. ©. 225. 

2) Deshalb „Drcarins” ? 

3} Ammian Mare. XV. 4; lacus rotundus et vastus quem Brigantiam 
(t. Brigantium) aceola Rhaetus appellat, fo Pliniut, Hist. natur. IX. 29 (17). 
Ueber das rheinifche Germanten in ber römiſchen Literatur Rieſe 15M ©. 20f. 

4) carmina od. Dümmler Poetae Lat. II. 1884 p. 401. 

6) 1,c. 207. p. 414. 

6) XII. 4. de universo. 

7) p. 574 ed. Dümmler f. diefen. 

8) Coll. F. Sang. 40 pauperrima et arida provincia. 


428 


2. Stebelung?). 


Hat man?) die Frage aufgeworfen: waren bie Germanen Wander 
birten? fo ift fie zu beantworten: ja, wie alle Völler nicht von Anfang 
feßhaften Aderbau trieben, aber fie wurben früh zugleich wandernde 
Aderbauer: infofern ganz treffend: „Balbnomaben“®). 


Die Hamen. 

Auch Hier verliert Alod erſt ſpät feine urfprüngliche Bebentung: 
Erbe im Gegenfat zu errungenem Gut und erhält die von Volleigen im 
Gegenſatz zu Beneficumt). 

Alod begegnet fo in ber »Lexe®), dann in ben Sanct Galler 


Bergabungen 9). 

Noch a. 826 bedeutet alod nicht den Gegenfat zu beneficium, 
fondern zu comparatio: von Erbgut und von Errungenfchaft?). 

Alod im Sinn von ererbtem Grunbeigen Heißt auch vernacula 
terra). 

Im freien, nicht mit Zins und Frohn belafteten Eigenthum ver- 


1) Ueber Anflebelung und Seßhaftigkeit der Alamannen v. Inama-Sternegg 
I ©. 20, 57, 94, 211. v. Sybel2 &. 30f. Ueber die Formen ber Anfiebelung 
und bie Bewirtbichaftung, Thubihum, Gauverfafl. S. 154, Roſcher IL ©. 62 
fehr Lang exkluſiver, erft ſpät mehr intenfiver Aderban. Kaeınmel, Anfänge, S. 279f, 
Ross, p. 4. Amold, Stubien S. 120. Gotthein, Wirthichaftsgefchichte bes Schwarz 
walbs I. 1892; von Halban, Entfiehung bes Deutichen Immobiliareigenthums L 
1894. Meiten, I. 425—429. lieber die Agrarverfaflung, Sohm, S. 9—38, richtig auch 
Ross, no primitive coommunism p. 60f. Ross, the early history of landhol- 
ding among the Germans 1883; ba8 Meine Buch zeichnet fih durch ficher zu 
treffenden Stun und meiſt richtige Quellenauffaſſung aus: ſelten greift es da⸗ 
neben, wie bei ber Aufftellung ber Siebelungen ber Unfreien als Vorbilber für 
bie ber Freien p. 82 und bei ber Dreiglieberung im beneficiarü, free tenants 
(beides fiel oft zufammen) und serfs. p. 102. 

2) Much, 3. f. D. Altertbum XXXVI. 1892, 

3) Frans, S. 717. Roſcher, II. ©. 44. Richtig auch Meiken, Agrarnerf. S. 25 
(aber irrig Über Taufendfchaften). Hildebrand, Recht und Sitte L S. 43 über 
Hirtenleben, urfprünglichen Aderbau und Grundeigen ber Germanen S. 43, 140. 

4) 3.8. alodem meam quam in justa vestitura in proprium (zu eigen) 
habere visus sum. Cod. trad. Sangall. p. 204. a. 837; aber auch ſchon fräßer; 
ſ. oben ©. 3521. 

5) 53. qualeumque, früher: habet aloda, früher: habet ad dandum. 

6) 14. wo Waitz S. 287 gegen den Herausgeber unzweifelhaft richtig flatt 
bes Eigennamens » Alodaes« »alodaes« aliquas de rebus suos lich. 

7) Zeuß, W. N. 38—41 und oft. 

8) Neugart I. 7. a. c. 718. 8. a. 731. 





429 


bleibender Grundbeſitz heißt hereditas (>= Grundeigen) absoluta !): 
nicht Erbgut, fondern im germanifchen Sinne von: „pas Erbe” — 
Grundeigen). Hereditatis suae juchos XXX == Grundeigen, Erb⸗ 
grundeigen ?). 

Area ift bald ein umbebantes Grundſtück, bald ein Adermaß‘): 
wohl meift erfteres®), 

Solum ift unbebanuter Boden, im Gegenfa zu casae®), neben 
prada (= prata)?) orte (== hortus), alpes (Almen). 

Wie von je bei allen Germanen®) erjcheinen Hof-Sievelung und 
Dorf-Sievelung gleichzeitig neben einander, begreiflichermaßen find aber 
ans jener Zeit DorfrNamen nicht eben häufig erhalten). Dorf, 
porp ift urfprünglich eine Schar von Menfchen (turba, Topßn), nicht 
eine Menge von Häufern 19). 

Auf das Beftimmtefte muß man der Lehrei!) widerſprechen, wo⸗ 
nach bie Germanen nur Dorffievelung gelannt, bie Hoffievelung erft 
von den Kelten entlehnt hatten: dies wirb witerlegt burch Tacitus 12) 
und burch die Häufigkeit der Hofflevelung in Gegenven, in denen jetes 


1) Reug. 633, a. 901. 

2) So Neug. 460. a. 870 quidquid paternae ac acgussitae hereditatis, 

3) Neug. 560. a. 885. 

4) Du Cange I. p. 375. 

5) So W.U.I 167. a. 890. 

6) Cod. Trad. Bang. 42, 73, 239, 406. Wartmann I. 72. a. 774. II. 401. 
a. 847 (7) 854 (P). Was heißt >juso a vicum«? Wartmann II. 458. a. 858 
(865 ?). 

7) An Könige VIII. S.95 iſt nicht zu denken. Neugart 244. a. 830 Jäß 
es unerflärt. . 

8) D. G. La ©. 161. 

9) Bgl. Stälin (S.) I. ©. 110. Heilbronn, Stödenburg, Lauffen (Biber 
burg in ber Schenfung Gotefribs an Sanct Gallen) c. a. 700 oben ©. 69 über 
erhaltene römiſche Stebelungen oben ©. 131f.; richtig von Inama⸗Sternegg I. 
©. 45. Was Meitzen dann II. &. 78, 79 gegen Tacitus vorbringt, iſt durchaus 
nicht überzeugend, und daß in ber Mehrzahl ber germanifchen Lanbfchaften Dörfer, 
(nur?) in Weffalen Höfe angelegt find, nicht richtig. Taeitus befchräntt Die Hof 
flebelung nicht anf Lanpfiriche, ſpricht allgemein von ganz Germanien. Auch 
Agrarverfaffung ©. 40f. verfiht Meiten den ausfchließlich keltiſchen, nicht ger 
mantfchen Urfprung ber Hofflebelung, „ausgenommen in Ulpenlagen, in benen 
feine andere Art der Stebelung möglich If" — ein wichtig Zugeflänbniß gegenüber 
bem älteren Werk. 

10) Heyne II. S. 3. 
11) Von Meiten I. 120, 226, 370. 
12) Germ. c. 16: colunt diversi ac discreti ut fons ut nemus placuit. 


480 


feltiiche Vorbild fehlte, z. B. in Stanbinavien: bie!) für Dorffieve- 
fung angeführten Alanen find nicht Germanen und bie für Hoffievefung 
angeführten Sugambern?) waren boch nicht Kelten, ſondern Ger⸗ 
manen! Und follen auch bied) uralten Einzelhöfe in den Alpen keltiſch 
fein? Schon das Zaunrecht jet Einzelböfe voraus). 

Hoffievelung oder boch ſtark abgetrennte Lage bes Hauſes beimeift 
auch die uralte Beitimmung®) über bie Aufhängung bes tobten Hun- 
des‘), fonft wären die Nachbarn buch Aufhängung des Aaſes wit- 
geftraft. 

Der Maßſtab für bie Zutheilung bes Sonbereigens an bie ein» 
zelnen Stippe-Häupter war nothwenbig das Bedürfniß, b. h. bie 
Zahl der Sippegliever, dann auch der halbfreien und umfreien Ab⸗ 
hängigen und dem entſprechend bie ber mitgeführten Weide⸗Thiere?). 
Unrichtig lehrt man®), nur bie Edelhöfe feien Einzeffiebelungen und je 


1) Bon ihm S. 520. 

2) ©. 226. 

3) Bon ihm S. 419 ſelbſt angeführten. 

4) Auch 2. Rib 43, 70,4; fo felbft Meiten I. S.566: aber biefe ripnerifchen 
follen beibehaltne keltiſche ſein. Weller IL. &. 332 will keinen Gegenfat zwiſchen 
Hofe und Dorf-Siebelung gelten, muß aber dann doch Dörfer aus. Einzelhöfen 
erwachlen laſſen; er nimmt urſprüngliche GSiebelung nach Hundertſchaften 
(100 Krieger?) au, dann nad Stppichaften und erfi ganz ſpät Sondereigenthum 
Des Hausvaters. Aehnlich wie Meiken I. ©. 370. Baumanı ©. 41 (f. unten 
„Laudmaß“, „Ebeihofe”). Michtig Hoſ- wie Dorf⸗Siedelung urgermaniſch v. JInama⸗ 
Sternegg I. S. 43 Ross, p. 1. Die Ergebniſſe v. Inama's Über den rein ger⸗ 
maniſchen Urſprung bes Hoffyſtems, Hofſyſtem S. 7f. find Durch Meitzen burchaus 
nicht erfhlittert. Richtig auch Lamprecht I. 1. S. 7. Ross, p. 25, aber unsidktig, 
daß Reiche nur in Hofftebelung, in Dörfern nur Arme, und zumal daß nur Reiche 
in Hofftevelung lebten, Heyne I. &. 9, 24. II. ©. 23. Elarb Hugo Meyer, Dentice 
Bolkskunde S. 80. Crome ©. 29. 

6) P. Fr. HL 14. V. 11. 

6) &. oben ©. 340. 

7) Bol. ſchon Könige I. v. WirterskeinDekn L S. 167. Urgeſch. L2 S. 87. 
Könige VII. 1. ©. 100f. VIII; zuftimmenb v. Inama⸗Sternegg. KHoffoftem, &. 56, 
79, 112; jebe Sonderwirthſchaft der Einzelnen leugnet Weller, Auſtedel. ©. 11. 
Kuh Meinen I. ©. 156 muß trok ber flarfen Betonung ber gleichen Lamb» 
zumellung Unterſchiebe nach dem Bedürfniß, ber Zahl ber Geſtppen und ber Um 
freien aunchmen. Dagegen richtig Rons p. 2857. Abweichend von ſeinen fe 
gefunden Anfhanungen für die Theilung durch Loos Ross p. 15, ugl. aber p. 27, 
wo er anbres annimmt (nach ber Zahl der Siebler); richtig gegen Landgemeinſchaft 
unb über marca p. 20. 

8 Baumam ©. 41. 


431 


eine Dark für fi gewefen; für die Urzeit iſt auch nicht Eim 
tolcher Hall nachzuweiſen. Biel zu früh wird bier Großgrundbefitz bes 
Adels norausgefekt!), den erft ver nette Dienftadel erwarb, ber, nicht 
Schon?) ver alte Bollendel (ale folcher und von Nechtswegen, f. oben), 
nur thatfächlich je nach Bebürfniß ver Zahl der zu Ernährenben mehr Land 
al8 die Gemeinfreien erhielt: die Eiferfucht dieſer wärbe in ber Urzeit 
folche Bevorzugung des Adele nicht geduldet haben, beffen einziges 
Vorrecht das höhere Wergeld war?). - 

An Bertheilung durch das blinde Los — wonach eine Sippe bon 
20 Köpfen weniger erhalten Eonnte als Ein Hageſtald — iſt alfo im 
alle Wege wicht zu denken, man müßte denn Verlofung gleicher Städe 
unter je gleich ftarten Sippen annehmen, was für jene Tage allzu 
tünftlich. Daß „Los“ nur heil, nicht sors, iſt ober boch fein fan, 
erhellt aus ber Bezeichnung des Erbtheils als 2082). 

Eher noch ale das Aderland wurbe ber Raum für bie Gofftätte, 
ben Toft, jedem gleich zugemefjend). Man theilte das Sand früher weit 
dem Seil, jpäter mit der Nutbet). 

Weberans viel Stoff zur Erffärung bee Art der Anflebelung ge- 
‚währen die Ortsnamen). 

Lehrreich, obzwar nicht in allen Dingen überzeugend, ift bie 
Unterfhheidung®) über die Anftevelung in Gewanndörfern durch gleich- 


1) Richtig von Inama⸗Sternegg a. a. O. 

2) Wie Baumann meint. 

3) Jenen Irrthum hat K. von Maurer, Adel, ſchon vor mehr als 50 Sahren 
widerlegt; ugl. Könige L ©. 19. Leber bie Altefte Lanbzırtheilnng bei ben Ger⸗ 
manen Caeſar B. G. VI. 22: an bie tippen, nicht am Einzelne, und gemeinſame 
Aderbeftellimg mit Erndteveriheiluug Schrader I. &. 13 (aber fo alt find bie Hoch⸗ 
äder in Baiern nicht), vgl. Dagegen Hartmann, Oberbater. Arhio XXXV. &. 115. 
2. Ranke, oben ©. 425. Anders ſchon zur Zeit des Taeitus, richtig auch Ross 
p. 48-52. 

4) Anders zum Theil Heyne II. S. 11. dagegen Schraber I. ©. 14. vgl. bie 
sortes Vandalorum, Gotorum Könige I. &. 206. II. &. 6. VI. ©. 12f. 

5) Wie Sanuflen, agrardiftor. Abhandl. L ©. 1, 77, 100, 124. vgl. Crome, 
Sof und Hufe ©. 7, ber aber mit vielen Vorgaugern (vn. Sybel u. a.) Sonder 
eigen an Srunbfillden Überhaupt Iengmet: auch am Hof? Richtig biegegen Zacher, 
bei Erſch und Gruber, Eneykl. I. 61. 360. a. 275; über das Sprachliche bei Sof 
anb Hufe Heyne II. 12. &. 31. Crome ©. 48. 

6) Heyne II. ©. 12. 

T) Bgl. Bud, Oberbentfches Flarnamenbuch 1880, beſoubere p. XXII. 
©. oben S. 114. 

8) Meitzen I. ©. 432. 


432 


ftehende Genoffen und bie abhängiger Zinsbanern durch Großgrundeigner 
in Weilern!) von wenigen Gehöften und im Gegenſatz zu dem wicht 
in Befig genommenen Land, ven Königshufen“ des Nordens ). Auch 
bier war bie Anfievelung nach Sippen erfolgt: daher wifien die Gloſſen 
bie Nachbarn — contribules, vicinos — mit „Runelinge” zu über- 
tragen?) d. 5. die Gejchlechtlinge. 

Wie die Gefippen früher nebeneinander geivandert waren, wurben 
fie nunmehr einander Nachbarn: daher die »genealogia«*) zufanınen- 
hängendes Rand befigt; aber im VII. Jahrhundert beftand längft erb- 
liches Sondereigen bes Samiltenhauptes (faramannus). Schon Taritus 
fagt®): (im Gegenjak zu dem Cäfarifchen: „keiner hat ein beftimmtes 
Ackermaß oder Eigenthums⸗Gränzen“) „alabald theilen die Bebauer 
bie Heder untereinander”. ‘Daher vermuthete man uralte, obzwar 
nicht mehr nachweisbare Verwanbtichaft der Nachbarn unb räumte 
biefen ein Erbrecht an Grunbeigen ein), pas fonft an bie Tochter hätte 
fallen müffen?). 

Zu der trrigen Annahme bloßen Eigenthums ber Sippe haben 
verführt die Markgenoſſen (commarchani) und bie fo häufigen Fälle 
unter den Miterben (Brüdern) lange Zeit unvertbeilten Batererbes. 


1) Oben ©. 109. 

2) Meiten, Hufe ©. 19. 

3) Graff IV. ©. 442. Schade ©. 524. Große, die Formen ber Familie und 
bie Formen ber Wirthichaft 1896. Bgl. Weller, Aufiedel. S. 33; das Geſchlecht 
iſt zugleich die „Mark“ (fol heißen Almännde, Dahn) Genofienfhaft; zu L. Al 
45, 2 vgl. L. Baj. 12,8. Aber gegen Arnold (— »ingen«) and Lamprecht, fränf. 
Wanderungen 3. d. Aachener Geſch⸗VBereins 1882. Bohnenberger, ſchwäb. Alb. 
&. 20—21. Hartmann, Beſiedel, Württemb. Nenjahreblätter XI. 1894. 

4) L. Alam. 80, 87. Ueber L. Al. 80, Streit zweier Genealogiae b. 5. 
Glieder zweier) über bie Adergränge oben S.96. Ross, p. 21. Meitzen L S. 455, 
vicinium ber Flur p. 45, 2. über L. Al. 87 v. Inama⸗Sternegg, Hofſyſtem 
©. 52, 63. Was aber Meigen L ©. 455 ſelbſt gegen das Eigentkum unr ber 
»genealogia« S. 454 anführt, wiberlegt feine Annahme: bie commarchani finb 
gar nicht (mothwenbig und als ſolche) Gefippen; über das (wechfelnbe) Berhältniß 
des Grundeigens zur Sippe Roſcher II. ©. 229, 

5) Germ. c. 26 agri pro numero culiorum oocupantur, quos mox inter se 
partiuntur. 

6) Ueber Rechte an gemeinfamen Grunbfläden nad L. Al. 71—76. 80, 93. 
Meiten S. 471. Erbtheilung unter Brübern |. oben S. 352. Dagegen: Undivided 
inheritance, aber ſtets Theilungsflage flatthaft Ross p. 30. 

7) &o wenigſtens nach faltfhem Recht, das erft Ehilperich I. aufhob, Könige 
VII 4. &. 212. vgl. Ross p. 48-52. 


433 


Daß die Söhne nahe dem Vater ſich anbauen, zeigt die Gränzangabe: 
„bis zu Aubomar”, dann „bis zu den Kindern bes Aubomar“1). 
Zwiſchen dem VI. und dem VIII. Jahrhundert fand nun aber mit 
ber Zunahme ber Bevölkerung erheblicher Ausbau im Stammland 
und Ausdehnung ber Sievelung in bie Nachbarfchaft ſtatt). Davon 
verſchieden ift bie (fpätere) Anlage neuer Orte durch bie Großgrund- 
eigner, damals noch nicht einen „Berrenftand“3). 

Die Anfteblung nach „Zehntmarken“ — je 10 Höfe — ift eine 
reine Einbilvung®): auch bei ven Franken follen bie subreguli 
Gregors „Zehnter”! 5) gewefen fein: der fränkiſche Zehnter Heißt aber 
nur decanus und ift etwa ein Dorfichulze, aber fein subregulus®). 
Daß die in Alamannien jpäter häufig genannten „Senten“ folche „Zeben- 
ſchaften“ feien, ift ein ganz ungeheuerlicher Ierthum”): jebermann 
tennt fie als Hunbertichaften (centenae). 


3. Gebäube. Arten. 
a) Allgemeines, 


Im Hausban, zumal bei ver Dachung, fpielt Heute noch das im 
Rande häufige Schilf eine wichtige Rolle?). 


1) Cod. Trad. 246. N. 419. Wartmann IL 391. a. 844. 

2) Weller, Anftebel. S. 51, der erft in der fränfifchen Zeit „ernftlichere” [7] 
Befiebelung aunimmt. Ueber die nachwachlenden Söhne (umter Beibehaltung ber 
Almännde (Mark) für die neuen und bie alten Höfe) Weller ©. 47: (aber weit 
weg von ben Vätern wanderten babei die Söhne meift nicht), über villa, locus 
(unb marca in verſchiednem Sinne) ©. 48. bis 50 und unten; Arnold, Anſiedel. 
©. 241. 

3) Bgl. die „Weiler“ oben &. 432). Wie Arnold ©. 439; Über bie bis ing 
XI. Jahrhundert fortvauernden großen Robungen und Ortsgrünbungen durch 
bie Klöfter und bie weltlihen Groß⸗Grundeigner ©. 439. 

4) ©. Eramers ©. 40. 

5) S. 50. 

6) ©. die richtige Erflärung ber Stelle Gregors Könige VIL 1. ©. 25f. 

7) &ramers an vielen Stellen f. oben ©. 103. 

8) Ennod. panegyr. oben ©. 50f. ulvis liberata gratulatur (Alamanniae 
generalitas, d. h. die im Oftgotengebiet Eingewanberten) terram incolens, quae, 
hactenus dehiscentibus (Haffenb, lückenhaft) domiciliis solidiori schoeno 
emergebat beneficia. Weber ben alamanniichen Hausbau Henning ©. 9f., zu⸗ 
mal Im Schwarzwald &. 15; zwar werben fränliih und alamanniich bier 
als oberdeutſch zuſammengefaßt ©. 8, 139, aber doch auch unterſchieden ©. 130, 
Biber das Schwarzwalbhans im Befonberen S. 17. Gemein⸗weſtgermaniſches ©. 151; 
über bie Salle ©. 153; über das alamanntfche Haus auch Weller, Anfiebel. S. 25; 
Meigen, d. D. Haus ©. 28f. Sanet Gallen S. 192, fonft in ber Schweiz 

Dahn, Könige der Germanen. IL 1. 28 


434 


Symmahus!) nennt das Land unwirthlich, ohne Stäbte, tie 
Häufer aus Ruthen geflochten?), bie Dächer aus Raſen bergeftellt. 

Noch im X. Jahrhundert überwog bebeutend ber Holzbau: °) 
Sanct Gallen fogar ift noch a. 890 von Schinbeln (tegulae) gebedt: 
boch finden ſich fchon in Dörfern Steinkicchen und in Privathäufern 
wenigftens fteinerne Söller (Solaria)‘.. Gemäß dem Holzbau beißen 
viele Orte — „Zimmern“ 5). 

Noch a. 835 wird bie Stein⸗Kirche, der Stein-Söller von dem 
Holzhaus (casa lignea) beſonders unterfchieben 9). 

Gebrechlicher?)) Holz- (und Schilf-, Hütten-) Bau warb übrigene 
ſchon zu Ammians Zeit bei den nahe den Römern Nievergelafinen 
durch forgfältigere Herftellung nach römifcher Weife — alfo wohl Stein- 
bau — erſetzt 8). 


©. 146 ; über das alamannijche Haus Tafel V. N. 3. 4; (Berbreitungsgebiet, Carte), ein 
Mittelglieb zwilchen dem fränkiſchen und dem alamannijchen? S. 10. das ſchweizeriſche 
Zafel I. N. 8—12 (Berbanblungen des D. Geographentags 1882). Lehrreich über 
bie Bauart der Häufer bie vita St. Trudberti ec. 11 ed. Mone Ducllenfammt. 
L p. 19—21, aber erft für das IX. Jahrh., gefchrieben, nicht im VII. Jahrhundert 
(a. 607 oder a. 643), fondern nach a. 816; jet beſonders Heyne L und Stephant 
der ältefte beutfche Wohnbau und feine Einrichtung J. 1901. 

1) Oratio II. Valentiniano diota a. c. 310. 14 ed. Migne squalente, in- 
hospita regio, invenimus, ignaram vetustatis urbium ac virgeis domibus et 
tectis herbidis. 

2) Meringer, Etymologieen zum geflochtenen Haus, Feſtgaben für Heinzel 
1898 ©. 173 [3. B. Wand ©. 177); Hänfer aus Flechtwerk und Zweigen Heyne L 
&, 20. 

3) Gemein⸗germaniſche: Urgeſch. I. S. 55 D. G. Ia. S. 153 Dahn, Grunbriß 
©. 61. Henning S. 167. Heyne I. S. 14. Marimin (a. 235—238) verbrennt ihre 
Holzhäufer (f. oben S. 39) Meringer, Steinbau erft Durch bie Römer S. 179. — 
Einfluß der Stein⸗Kirchen (jpäter) Meiten I. S. 600. 

4) Beläge bei Stältn (8.) I. ©. 401. 

5) Baumann S. 397, aber biefe Enbungen auf en, n, find nicht Datine, 
fonbern Ablative, richtiger Locative Plural. 

6) Cod. Laur. N. 37. a. 835. 

7) Ammian Marc. XVII. 2 saepimenta fragilium penatium. 

8) Ammian marc. l. c. domicilia ouratius ritu Romano constructa; fabel- 
haft und abgefhmadt iſt ber Rath ver Diutter bes fabelhaften Krokus, (oben S. 40) bie 
großen Baumerle ber Römer zu zerftören, da er doch ſchönere nicht herftellen könne 
Cramer ©. 82 meint, biefe Häufer, nach römifcher Weiſe erbaut, Amm. X VILL 7] 
feten Weberbleibjel „römifcher Eultur”: dann würde fi Julian wohl nicht 
über bie römifche Wetfe gewundert haben. v. Wietersheim⸗Dahn L ©. 4722.69. 
Ia. S. 545. 


435 


Nach der Unterwerfung (a. 496) drang auch in der Bauweiſe 
fräntifcher Einfluß ein?!). 

Gewiß haben die Alamannen wie andere Germanen bie ihnen 
fremden Römerftäbte anfangs wie gemanerte Gräber?) vermieden und 
auch nach der Einnahme lieber verbrannt als bewohnt. Das Stäbte- 
weſen, fo echt griechifch-römifch, auch bei Goten, war mit altger- 
manifcher Lebensfitte und Wirthichaft unvereinbar. Mit Fug auch 
ſcheuten fie diefe zugleich al8 Veften bienenden Netze (retia), in denen fie 
die überlegne Kriegskunft der Römer wie in Mäufefallen — ebenfo wie 
bie Kelten in Gallien — würbe gefangen haben. Allein das gilt doch nur 
für die erften Jahrhunderte, für die Zeiten und Gegenden, zu und in benen 
ein fieghaftes Wiedervordringen ber Nömer zu befürchten ftand: wo dies 
durch Landabtretung, Bertrag oder Ohnmacht ausgefchloffen war, fehen 
wir überall die Germanen wie auf bem flachen Land auch in den — 
endgültig gewonnenen — Römerftäbten wohnen: fo Vandalen in Afrika, 
Goten in Italien und Spanien, Franken und Burgunden in Gallien, 
und fo denn auch Alamannen in Augsburg, Conftanz, den elſäſſiſchen 
und fchweizerifchen Städten, wie Baiern in Regensburg, Freifing, 
Salzburg, Paſſau: — dies ift bisher nicht erfannt worben. 

Gegenüber dem fräntifchen Haus ver Lex Salica c. a. 480°) 
zeigt das Haus ber Lex Alam. c. a. 620, 720 erhebliche Verbefferung. 
Das Gefet 4) unterfcheibet bie stuba, heizbare Stube (neuengl. stove) 
ben Sat (sala, die Halle), — den Hauptraum für Malzeit und Gelage 
mit dem Hochfig des Hausherren, — ben Reller (cellaria) für die Vor- 
räthe, die Scheune (Scheuer, scuria), den Speicher (spicaria), Korn- 
böden (grania), den Schaf» und den Schweineftall (ovile, porcaritia), 
die Räume für die yovarxeta 5) finde) — bei größeren Nieberlaffungen — 
getrennt: in folchen größeren ftehen wohl THeinere Hütten, 3. B. 
ber Unfreien neben dem Haupthaus: aber alle haben nur ein Erb- 
geihoß, feinen Geſchoßbau. Treffend bat man”) bemerft, das Dach 
war nicht durch eine Zwiſchendecke verfchalt, da das nen geborne Kind 


1) Bgl. Henning ©. 15. 

2) Ammian Marc. XVI. 2. oppida ut circumdata retiis busta. 

3) Meiten I. ©. 582. 

4) T. 81. 

5) T. 80. Doch heißen fo auch die umntertrbifchen, Tellerähnlichen Räume, in 
denen unfreie Mägde zur Webarbeit angehalten wurben. 

6) T. 97. 

7) Stälin (®.) I. ©. 230. 

28* 


436 


den Dachbalken ſehen mochte). Den römifchen Urfprung bes Stein- 
baus bezeugen noch heute in unferer Sprache gar viele Ausbrüde?.. 


b) Das gefammte Anwefen. 

Auch hier wie anderwärts®) wird forgfältige Prüfung des Sprad- 
gebrauches der Quellen ergeben, daß er höchſt unbeftimmt, ja vielfach 
wiberfprechend ift, fofern namentlich das nämliche Wort bald das 
Ganze, bald einen Theil des Ganzen bezeichnet‘). 

Als Wohnftätte des Alamannen wird vorausgejegt feine (eine) 
villa, zu ber gehört fein Felde). Villa und gleichbebeutenp curtis, 
curtile®) ift ein ganzes (bäuerliches) Anwefen, das eine Mehrzahl von 
Gebäuden verjchievener Arten und Zwede umfaffen mag. 

Der allgemeinfte Name für alle Arten von Gebäuten ift aedificia. 
Dagegen bebeutet domus ein Wohnhaus”): das von ber Herrſchaft 
bewohnte ift die domus salica, wie das von hier aus unmittelbar 
bewirtbichaftete Land die terra salica®). Domus — casa, Wohnhaus, 
bagegen alia aedificia 9): deutlich tam domibus quam aedificiis!®, 
daher heißt auch das Klofter als Wohngebäude für die Mönche do- 
mus), 

Heufchober, fenilia, ftehen neben vem Wohnhaus für das Geſinde. 
domus familiae 12). 


1) T. 92. videre culmen domus. Henning ©. 147. 

2) ©. oben ©. 426. 

3) Oben ©. 84f. 

4) ©. unten easate, villa, curtis. 

5) P. II. 25. L. 57, 61, 65. foris villam ambulare .. in campo suo 
ambulare. 

6) Derfelbe Ort Heißt curtis, palatium und villa Th. v. Sidel I. S. 234. 

7) Cod. Lauresh. N. 81. a. 766. N. 207. a. 766. 

8) Unten ©. 448f. Geſchenkt alle aedificia, ausgenommen bie »domum 
(salios) Cod. Trad. Sang. 324, N. 557. Wartmann II. 575. a. 873. [874 P], 
ebenfo excepta terra salica in ber Gegengabe: tam domibus quam caeteris 
aedificiis Neugart 648. a. 904, ebenjo 637. a. 902, 

9) Wartmann Il. 425. a. 853. 

10) L c. 510. a. 865. tam domibus (Wohnhänfern) quam aedihiciis W. U. 
1. 155. Neng. I. 516. a. 879. Form. Sang. miso. 2. quam caeteris aedificiis 
1. c. 157. Neug. I. 532; ecolesia cum curte et domo 1. c. 162. Reug. I. 581. 
a. 888. tam domibus (Wohnhäuſer) quam aedificiis W. U. I. 133, Neng. L 
396. a. 861. 

11) So Zeuß, W. 174. a. 808 ſtehn domus et aedificia nebeneinander 175. 
a. 820, find jene bie Wohnhäuſer. 

12) v. Rockinger p. 211. Du Cange III. p. 434. 


437 


Einmal wird unterjchieben ein Wohnhaus (domus ad inhabi- 


tandum) für bie Herrin, ein Heufchober und — wieder — ein (Wohn) 
Haus für das Gefinde (domus familiae), daneben Hürden, Verfchläge 
für das Vieh). 

Aber domus, meift nur ein Theil der villa, fteht auch für bie 
ganze villa entiprechend ben vielen alamannifchen Ortsnamen auf 
-husen??). 

In dem Haufe (domus) wird bann die »Sala« befonbers unter- 
fchieden, fowie Scheuer, Speicher, Keller (aber auch biefe Liegen inner. 
halb der Hofwere infra curte®),) dann bie stubat). 

Aber Wohnhaus Heißt auch casa: 1/, ver casa stabilita. dem 
orbentlich ausgejtatteten Wohnhaus gehören Speicher, Ader- und Wies- 
Land 5). 

Die casa hat mehrere Ausgänge (ustia), bie Thür eine Schwelle 
(limitare)$). Das Wohnhaus tft der vornehmfte Beſtandtheil bes 
ganzen Anweſens, der curtis (f. nnten): daher casa (Wohnhaus) cum 
curte (Gehöft) ceterisque aedificiis?). 


Ziemlich gleichbedeutend mit casa fteht casale®). Aber casales 
find nicht Bewohner einer casa — biefe heißen casati — fonbern 
wie casola, casula®), Heine Häufer, Hütten, wie aus vielen Stellen 


hervorgeht 19). 


1) Coll. F. Bang. 12. caulae pecorum vgl. Heyne I. ©. 42. 

2) F. Aug. C. 7 villa, quem (sic) Domo vocant; nicht nothwendig Domo 
d’Ossola wie Roziere; über villa = palatium oben ©. 107, 110, 

3) L. 75 (80) p. 140. 

4) Was die Sloffe Cod. B. add. 30 fälſchlich mit Schafſtall wiedergiebt, 
denn es folgt erſt: ovile Schaf» ober Schweineſtall; davon werben Scheuer und 
Speicher des Unfreien unterſchieden scuria, spicarin Du Cange VL. p. 373, 
553. vgl. oben ©. 435. 

5) Zeuß, W. 258. a. 786. 

6) P. Fr. III. 14. V. IL 

7) W.U. IL 132. Neng. I. 394. a. 861. 

8) Casae unb casalia nebeneinander, W. U. 7. Neng. 40. a. 763 (casale 
cum curtile) in villa bibaresheimomarca Zeuß, W. 121. a. 784, Casale cum 
XX jugis. Neng. 352. a. 854. 

9 Wartmann I. 254. a. 820. -Casae cum oasales == oasulis. Neugart 
66. a. 766. 

10) &. au Du Cange II. p. 198. Ganz regelmäßig nebeneinander casae 
et oasales, Hänfer und Hütten, z. B. Cod. Trad. Sang. 80. N. 136. Wart- 
mann I. 138. a. 795. 


438 


Neben casa bedeutet alfo casalis !) nicht ein Familienglied, Haus⸗ 
genoffe2), ift vielmehr ein Hänslein. Manchmal verwechieln auch bie 
Schreiber casa mit causa — res, zumal Zubehörben?), res — Ber- 
mögen). 

Iſt casa (regelmäßig) nur Ein (Wohn-) Haus, fo ift casata?., 
sc. terra (regelmäßig) ein ganzes Anwefen, vom Zaun umbegt, Wohn- 
haus, Speicher und Scheune, [auch Hütten der Binterfaffen und Un- 
freien], wie noch heute in Italien. Dazu können Obftgärten (poma- 
zium) und anderes Feld und Land und curtis (ſ. unten) gehören 9): 
alſo gleichbeteutend mit villa. Daher casa cum curte caeterisque 
aedifictis?): jene casa und dieſe Zubehörden zujammen bilten eine 
casata. Daher giebt es auch halbe casataes). Casticia?) ift wohl 
eber casata als casa!P). 

Auch curtis erfcheint im verjchiebenen, bald engereni1), balk 
umfaſſenderen Bebeutungen 12). Regelmäßig ift curtis = villa, das 
gefammte Anwefen mit Wohnhaus des Herrn, antern Gebäuden 1) 
und zugehörigen Grundftüden und Unfreien. Daher können auch tie 


1) W.U.I. 132. Neug. I. 96. a. 786. 

2) Wie Du Cange II. p. 199. Ebenfo 1. c. 37 und 108. a. 789 casa cum 
casale: das ift fein Häusler, fondern ein Häuslein: arg. cum omnibus uten- 
silibus eorum. 

3) Causae — res. Neug. 648. a. 904. Neug. 609. a. 894, causas, quas 
habere visus est in pago R. 

4) Codex Tradit. 251. N. 430. Wartmann I. 13 (anno?) und oft im ben 
Weißenburger Urkunden. 

5) F. Sang. mise. 2 gleid) casata iſt casada. 

6) Neug. 372. a. 858. 

7) Neug. 394. a. 861, das bebeutet wohl auch casa casalis mit Zubehör 
von mansi u. f. w. 400. a. 861. 

8) Neng. 381. a. 858. 

9) Zeuß, W. 144, 757. 

10) Casticium, „ein .. noch micht genauer erlanntes Wort, wahrſcheinlich 
ein Nebengebäude zur Aufbewahrung von Vorräthen, vgl. das ſchwäbiſche Kaften, 
Kaſtenknecht [?), fo Boflert zu Cod. Laur. N. 17. a. 842; anber8 Du Cange IL 
p. 211: doch eher von casa (aber neben edificia 1. c.). 

11) (Domus) Bauernhaus ift ein Theil des Bauernhofs (curtis, villa), 
Henning S. 9, 20, aber beider Namen jchwanlen: baber kaun ein Hof (eurtis) 
auch im einer villa verichenft werben. Cod. Laur. N. 36. a. 787. 

12) L. Baj. X. 15. XII. 10 »hovestatte«, v. Inama, Hoffyftem S. 60. 

13) Daher curtis curia, anbers als mansus, urſprünglich nur das Wohn: 
haus bes Freien, nicht auch bes Unfreien Hütte, vgl. Heyne I, ©. 13. Crome 
©. 46. 


439 


(ideale) Hälfte einer »curtis« (Hofftätte) mit ven Bäumen, bie (ideale) 
Hälfte des Wohnhaufes (domus) und 17 Hufen abgetreten werben). 
Einmal wird baher für ein curtile, d. h. Land mit Gebäuben?), 
boppelt ſoviel Pflugland gegeben. (Diefelbe Nieverlaffung heißt villa, 
wilare unb curtis?).) 

Alfo ift curtis regelmäßig umfaffender als casat.. Im ber 
curtis als deren Beſtandtheil fteht Wohnhaus (casa) und Scheuer®). 
Auch ein halber Hof (medium curtae) mag eine casa dominicata 
und fünf Huben von Unfreien umfafjen®). 

Gleichbedeutend mit curtis, cortis, fteht meift curtile”), cor- 
tile, verkleinert curticella). Einmal?), verjchieven von casa, 
Wohnhaus, das ganze Anwejen, auf bem man leben (nicht nur 
wohnen) mag; aber zuweilen wird unterfchieben: eine curtis regia 
bat ein curtile (Hofgebäube?)1%. Daher kann innerhalb ver curtis 
ein ganzer Nebgarten liegen 11). 

Zwei curtilia tragen brei Wohnhäuſer auf 5 Tagwerken 12) 
Daher curtim cum casa caeterisque aedificiis et cum omnibus 


1) Reng. 645. a. 904. Curtile cum domo et foenile, Gehöft mit Wohn- 
haus und Heufchober, W. U. 172. Neug. I. 627. a. 897 oft im Sinn won „Hof 
unb Haus”. 

2) Curtalia et aedificia W. U. I. 82. Neug. I. 204. a. 819 mansos in- 
dominicatos cum casis (Wohn häufern), aedificiis et superpositis (Erbban?) I. 
85. c. a. 823, W. U. 

3) 3.8. villa Roholueswidare. Neug. 513. a. 878 = curtis Rohel l. ce. 
544. a. 883. Loca cum ourtis et domibus Neug. 538. a. 883; zu ber Hufe ge 
hört von Rechtswegen eine curtilis 543. a. 883, d. h. in biefem Kal, nicht in 
jedem: e8 giebt auch Hufen ohne Hofgebäube, 

4) Casae und curles werben unterfchieben: zweimal: casae cum curtis 
caeterisque aedificiis: es erhellt nicht, worin; Neug. 482. a. 875, ebenfo 485. 
a. 875 und oft; zu einer curtes, d. h. bäuerlichem Anweſen gehört eine domus, 
Wohnhaus und caetera aedificia 512. a. 878. 

5) ober Stall, scuria P. T. V. 3. 

6) W.U,I 152. Neug. I. 496. a. c. 876. 

7) Reng. 622. a. 897 Du Cange LI. p. 587. 

8) 629. a. 898. 

9) Curtile ad commanendum et casa disuper, Zeuß, W. 228. a. 695 bie 
711 (annus fehlt). 

10) W. U.I. 176. Neug. I. 653. a. 905. 

11) Zenß, W. 147. a. 743 hobam unam cum casali et vinea infra ipsa 
curte. 
12) Zeuß, 182. a. 811. 


440 


appendiciis!): bier ift das Gehöft, d. h. das ganze bäuerliche An- 
wejen gemeint mit Wohn- und Wirtbichafts- Gebäuden und allem zu- 
gehörigen Lanb?). 

Zu einem foldhen Hof, curtile, gehört von Nechtswegen (jure 
regali), ein Wohnhaus (domus), ein Heufchober (foenile), Weingut 
mit „Marken“, d. 5. Nutungsrechte und Antheile an der Almännbe>). 
Dei Schenkung bes (ererbten) Grundeigens (hereditas) wird ber Hof 
(curtis) mit ben (übrigen) Gebäuden (hedificiis, sic) ausgenommen‘). 
Zu einer curtis können aber auch andere als Wirthſchaftsgebände ge 
hören: daher curtis cum ecclesia, fie ijt Zubehör des Hofs wie 
andere aedificia®). 

Aber auch umgelehrt: ecclesiam cum curte et domo: bier 
ift die Kirche die Hauptfache ®). 

Eine curtis tft ein umzäuntes Stüd Land, ein abgefchlofiner 
Lanbbefig, nicht bloß ein Hofgebäude: vielmehr gehört zu dem um« 
zäunten Land ein (Wohn-) Haus, domus, und eine Scheuer (scuria)’). 
Diefe Umhegung fpielt auch im MNecht®) eine wichtige Rolle, oft er- 
wähnen ihrer die Urkunden. 

Das ganze Gehöft ift fo umgeben von ber Hofwere, tem ge- 
ſchloſſnen Pfahl-Zaun, sepes: innerhalb deſſen läuft nachts bellend ver 
Hofhund, — Tagüber liegt er an ver Kette — bewachend das »atrium«, 
d. 5. die Eingangshalle?); zumal das curtile indominicatum ifl 
circum septum, umzäunt 19). 


1) Neug. 504. a. 876. 

2) Ebenfo 512, 878 eurtis cum domo (Wohnhaus) caeterisque aedificiis. 

3) Neng. 627. a. 897. 

4) Neug. 507. a. 894. 

5) Neng. 553. a. 885. Cum curtibus, domibus, alissque aodificiis scelesia. 
Neng. 579. a. 888, cum curtibus et aedificiis, 583. a. 889. 

6) Neng. 581. a. 888, hobas cum ourtibus et aedificiis 1. o. 583. a. 889. 
ecclesiam et casam et curiam Cod. Laur. N. 385. a. 800, Dagegen 4 partes 
einer Kirche, 430. (a. 779°) 

7) Neug. 614: ber Werth dieſer Holzbauten wirb nur auf 12 unb 5 sol. 
veranfchlagt; v. Inama⸗Sternegg, Hofſyſtem, ©. 59. 

8) Pactus IIL 20, Zaunredht Dfenbrüggen, laugob. Str. ©. 136, f. oben 
©. 331, 333. 

9) L. 82. Cod. B. add. 18. p. 144. Meiten I ©. 584. Cum curte clausa 
et Form. Aug. B. 7 aedificiie. Curtile cum clausuru (sic) ad ipso curtile 
pertinente, Zenf, W. 133. a. 774. Curtis olausa, Neugart 306. a. 844. Form. 
Bang. misc. c. 18,19 und oft. 

10) Zeuß, W. 127. a. 820. Daher curtes cinctae W. U. 1.29. Neug. L 92. 


441 


Innerhalb des umzäunten Hofes, curta (= curtis) clausa, ftehen 
alſo mehrere Gebäube (aedificia)1). Zubehörben des Hofes find Streden 
Korn» und Gras⸗Landes, genügend zum Unterhalt bes Vieh82): da- 
neben, außerhalb ber curta; aber in berfelben villa liegen 2 hobae 
vestitae mit 10 Unfreien. 

Curtae clausae find aber auch wie burch Gehege, fo durch 
Rehtsfag zuſammengeſchloſſen?). Ein „Eiter- Zaun”, für das Recht 
wichtig, Vride⸗Zaun genannt‘), umgiebt wie das einzelne Gehöft oft 
die ganze Yelbflur, die Dorf- Mart. 

Gleichbedeutend für Königshöfe fteht curtis regia und villa regia, 
aber auch locus®). Ulm iſt curtis regia®) —= villa regia”), ebenjo 
Beiblingen®), Bodman?), Nörblingen!); Ilnau tft villa und curtis1t), 
Saarburg ift a. 819 castrum12). 

Zürich iſt eine curtis regia, bie Ludwig ber Deutſche dem Klofter 
Zürich ſchenkt fammt dem Urigan und Anbrem 1%), dieſelbe curtis heißt 
villa 14), 

Wie locus allein, begegnet auch locus curtis; wohl Ueberſetzung 
von Hovi-stat, auch ein Ortsname 12). 

Aber villa kann auch umfaffender fein als curtis — man 


a. 786. Curtale (= curtis) cireumeinetum W.U. I. 31. 8. 56. Neug. L 9. 
a. 786. Casa cum courte et cum omni clausura Neugart 107. a. 789. 

1) W.U. I. a. 838, ebenjo 99. a. 838. 

2) Granum vel foenum eolligendum seu ad nutrimentum pecodum (sio) 
sufficientes. - 

3) Neugart 1. c. 10. a. 744. 

4) Seyne II. ©. 19. 

5) Pauea loca ın Alamannia ad usum usque in finem vitae suae er» 
bittet Karl III. von Arnulf 1.c.; eine bavon iſt villa Alamanniae Nidinga, Her- 
mannus Augiensis (+ 1054) chronicon de sex aetatibus mundi Ser. V. p. 67 
seqg. ad, a. 888. 

6) Annal. Fuld. a. 892. 

7) Neug. 364. a. 856. 

8) a. 894. 

9) Annal. Fuld. a. 897. 

10) a. 898. Monum. Boioa. 28. N. 85. 

11) Neng. 324. a. 849. 

12) Zenß, W. 22. 

13) Neng. 349. a. 853. 

14) 366. a. 857. 

15) Nach Meng. 441. a. 866 area nuda, aedificiis vaoua. Man ların baber 
fagen: unius curtis Jooum, in Joco qui dieitur P. Neng. 586. a. 889. Neng. 
324. a. 849. 





442 


fießt, wie ver Ausdruck ſchwankt! — In einer villa wirb eine curtis 
verfchentt, zu diefer gehören eine casa und andere Gebäude, mit Mauer 
und Zaun umfchloffen!),. Daher können auch unterfchieden werben: 
curtes, loca, villae und vici2). 

Zu einem Königshof (villa) gehört ein curtile, da8 2 Ioch um⸗ 
faßt?). 

In einer villa, wo mehrere Grundeigner wohnen, hat Einer von 
ihnen einen ganzen wilare, d. h. curtis (clausa)®). 

Eine curtis (= villa) dominica cum aedificiis et sepibus 
bene vestita umfaßt 80 Tagwerke mit 18 Knecht⸗Hufen (ebenfe 
hoba dominica, dagegen hobae serviles); zu jeder Hufe gehören 
45 Tagwerke Wiesland, zu jever Hufe 5 Wagenfuhren und 14 Hufen 
zu rodendes Wald-Tand (ad exstirpandum); unbeftimmbar bleibt ber 


Umfang einer »area«?). 

Area ift meift (und fo wohl auch hier) fein Maß, ſondern 
ein unbebautes Stüd Land. Areales neben domus und casae®). 
Aula fteht für curtis?). Ein campanus ift ein Glockenthurm (neben 
ber Kirche)s). Machera, verſchrieben für maeria?), ift ein Maier- 
Gut = majoria. 

Zu größeren Gütern gebörige Kleingrundftüde heißen dann prae- 
diola, haben aber ihre eigenen Namen 19). 


1) 1. c. 324. a. 849. 2) Neug. 654. a. 905. 

3) Neug. 653. a. 905. 4) Neugart 193. a. 817. 

5) W.U. I. 147. a. 873. 

6) Zeuß, W. 52. a. 741. W.U. IL 147. a. 873. 

7) Wartmann I. 257. a. 820. 

8) Sehr felten: Zeuß, W. 244. a. 775; vgl. Du Cange II. p. 56. Ueber 
flet, let, oben mino-fledi, Schmeller Sp. — Heyne I. S. 33 und bie Literatur 
daſelbſt; vgl. auch Henning ©. 139, 140f. 

9, W.UV. 18. a. 777. 

10) Villa... Pfruwanga cum praediolo Paverna vocitato, ih entnehme 
dies Stältn (V.) I. S. 300. Eine Reihe felten genannter, zum Theil fchwer bent- 
barer Ausbrüde bringt bas testamentum Tellonis bei Mobr I. p. 16—18, Ta- 
bulata, Bretterhäuslein Du Cange VII. p. 9, torbaus, eine Art Speicher 1. c. 
125, Bareca, Hürbengefledht I. p. 577, stuta, Stutenflall VII. p. 622, sondrum, 
©runbftäd(?) VII. p. 525 muricia sala, gemauerter Herrenhof (Du Cange ſchweigt), 
scala (fructifera) ift wohl ein Stüd Land; von ben 16 VBebeutungen bei Du 
Cange VII. p. 328 bie 8; specius, ein Adermaß p. 141, Pfahlwerk (?). Bielfah 
anders Mohr I. S. 19; falſch über solarium, caminata, bareca, sondrus: er folgt 
lediglich den heutigen Bebentungen im Romaniſchen ftatt bem Vulgärlatein bes 
VIIL Jahrhunderts; über skreona Wadernagel, Meine Schriften III. &.337, 407, 
Heyne I. ©. 46. 


443 


4. Aderbau). 

Daß bei dem Uebergang zu ſeßhaftem Aderbau einzelne Sippen 
derſelben Gruppe noch nomabifch im Gau umberzogen, ift nicht?) an- 
zunehmen: bas wäre mit bem Beſitzſtand ver Angefiebelten unvereinbar 
und für die Schweifenden wohl vernichtend gewefen. 


Schon vor Römern und Germanen hatten vie Kelten bier im 
Land Feldgraswirthſchaft betrieben®), welche die Germanen ebenfalls 
— ohne Entlehfnung — als uralten Brauch‘) pflegten, in's Land mit 
brachten und lange fortjegten, bis fie allmälig zur Dreifelderwirth⸗ 
ſchaft übergingen 5). 

Der Aderbau kann ſchon Ende des III. Jahrhunderts am Nedar 
nicht mehr ganz unbeveutend gewefen fein‘), da Probus den Unter- 
worfenen eine Schakung wie an Kühen und Schafen an Getreide 
auflegte”). Auch Julian verlangte von den Alamannen Verjorgung 
feiner Eaftell-Befagungen mit Getreides), und Honorius ließ bei einer 
Mißerndte in Italien von Alamannien aus Korn nad Rom kommen: 
alfo auch die langen Kämpfe bes IV. Jahrhunderts Hatten diefen Betrieb 
nicht vernichtet). Freilich warb ſpäter das Umgekehrte Regel!%): wie Goten 
und anderen Germanen leiftete Rom Alamannen „Ehrengefchente”, d. h. 


1) Bon Inama-Sternegg I. S. 163. Urgefhichte IV. ©. 93. Feldgemeinſchaft 
Landau, S. 52, 62. Lamprecht, D. Wirthſchaftsleben im Mittelalter I. 1885. 
Meiten I. ©. if. (Ross p. 2.) über abweichende Bewirtbichaftung in ben Alpen- 
lindern L ©. 481, 485; Schatzmann, bie fchweizerifche Alpenwirtbichaft. 

2) Mit Meitzen I. ©. 153. 

3) Stälin (S.) ©. 14. 

4) Weber deren weite und lang währenbe Berbreitung Ross p. 8, Hanflen 
I. ©. 271. Meiten I. S. 67. Ueber bie wilde Felbgraswirtbichaft — Adercultur 
von Einem Jahr, darauf vieljährige Grasnutzung — Hanfien agrar.- hifter. 
Abhandl. I. S. 124. Koppelweibde, Frans S. 712f. Schrader I. S. 15. v. Inama⸗ 
Sternegg, Hofſyſtem S. 22: doch bei Hoffiebelung Feine eldgemeinfchaft noch 
Wechſel der ganzen Feldmark ©. 31. Wenn aber Meitzen I. ©. 7 fagt: „urſprünglich 
war alle Wirthichaft des Menſchen, alle Sorge für ben Unterhalt ber Familie eine 
Sanbwirtbichaftliche”, wird man doch überall Jagd und Viehzucht vor ber Land⸗ 
wirtbfchaft, d. h. Bewirthſchaftung des Landes annehmen müſſen. 

5) S. unten. 

6) Anders Arnold, Anfiebel. ©. 525. 

7) Flav. Vopise. oe. 13, 14. 

8) Urgefh. II. ©. 312f., ähnlich Valentinian Urgeſch. a. a. DO. ©. 361. 

9) Claud. in Eutrop. I. 406. 

10) Urgeſch. II. ©. 195. 


444 


Zahlungen an Getreitei); ganz genau waren tiefe „Seichente" m 
voraus feitgeftellt?); indeſſen beweift das nicht etwa Abnahme bes Ader 
baus bei ven Alamannen, nur Zunahme ihrer Bevölkerung?) unt 
Abnahme der römifchen Widerſtandskraft. 


Große Fortſchritte in Bildung und Wirthichaft find wohl jet 
ber Unterwerfung unter die Franken bis auf Karl ven Großen nidt 
anzunehmen): zumal im Aderbau ift die alte Feldgraswirthſchaft 
beibehalten. 


Den UVebergang zur ‘Dreifelverwirthfchaft, auch Zweifelderwirth⸗ 
ſchafts), fest man richtig erft zu Ende der Karolingenzeit unt 
zwar zunächft nur auf ben ben Kleinbefik allmälig auffangenten Groß 
gütern der Krone, der Kirche und bes Weltadels an). Gewiß zwar 
ift fie Hier älter als ihre frühefte urkundliche Bezeugung”), aber mit 
Unrecht nahm mans) fie ſchon für die Urzeit (Cäfar) an: auch ve 
Tacitus Worte?) gehen nicht darauf 19). 

Jet wird bie „Dreifelderwirtbichaft" — Zuſammenlegung ver 
Aderftüde je Eines Hofes zu einer Zelge!) — allgemein üblich 12), 
Die Es-ke, von itan, eſſen, ift das Eß⸗Land, das ben Hofgenofien 
das Eſſen, die Nahrung gewährt 12). Denn man!) bezieht bie trei 


1) Wohl auch Gelb, deſſen Ausbleiben als Vertragsbruch alsbald zormig 
gerächt wurde. Anm. Marc. XXVL 5. f. oden ©. 41. 

2) certa et praestituta ex more munera. 

3) ©. Landnoth. 

4) Stälin (S.) J. ©. 109. 

5) Hauſſen ©. 124. 1880. Heyne II. ©. 11. 

6) Stälin (S.) I. S. 169. Man (Meiten I. &. 614) beftreitet noch unter 
Karl ber Dreifelberwirtbichaft weite Verbreitung: doch finbet fie fih jchon früher 
in den Schweizer Thälern. 

7) a. 771. Cod. Laurish. 662. a. 771. 

8) Stälin (V.) J. ©. 17. 

9) Germ. c. 25 arva per annos mutant et superest ager. 

10) Bgl. Hanflen, Unterfuhungen I. &. 124, 127. Arnold, Urzeit J. S. 221 
Anfiebel. &. 5631. 

11) Zeigen — pflügen, Zelge, Pflugland, Thudichum Gauverf. S. 158. Heyne 
IL ©. 12. 

12) Ueber bie Aderbeftellung — Pflügung für bie Sommerfat im Frühling, 
Juni (Brachmonat) für die Winterfat, Pflügung und Befäung im Herbft für bie 
Winterſat — f. Stälin (®.) I. S. 396. 

13) Heyne II. ©. 10. 

14) Neugart 77. a. 779, 780. 


445 


Zelgen (bier Deich), Eſch!) nur auf die Dreifelderwirthſchaft?). Die 
Zelgen gliedern tie Wanne in brei Theile: Herbitiat, Frühlingsfat 
und DBrade?). 


Jetzt erſt erfolgt die entiprechende Vertheilung ber Gewanne®). 
Daß dabei der Flurzwang jchon durch die rüdfichtsloje Anlage ver 
Wege — über fremde Felder Hin! — nothwenbig gemacht warb, tft 
überzeugend bargewiefen >). 


Der Flurzwang bat fich (für den Weinbau) in Schlefien und 
Südtirol bis heute erhalten. 


Die ftarle Verbreitung (in den drei Jahrhunderten von 500 bie 
800) der eifernen (breiten) Pflugichar®) beweift bie Erjegung des Keffel- 
fangs ber Lex Salica (c. a. 470)7) durch die Feuerprobe ber neun 
glühenden Pflugicharen in ven Eapitularien, 3.8. von 8038); e8 wirb 
aljo vorausgefegt, daß in jeder Dingftätte 9 eiferne Pflugfcharen 
ohne Weiteres zur Verfügung ftanden: welchen Wertb man auf fie 


1) Ueber Eſche (wgl. L. Baj. 9, 11 esziscsun) als Feld ber Dreifelber- 
wirthſchaft Thubihum ©. 158. Meisten I. ©. 477, II, 75 Esk im gleichen Sinn 
Im Friſiſchen ©. 41. 

2) ©. aber Meiten I. a. a. O. 

3) W.U. I. 24. Neugart 1. c. Ueber Dreifelderwirtbichaft, DreisZelgen 
Wannen, Seebohm S. 376) und Flurzwang |. auch Baumann ©. 417, aber er 
denkt fich Doch das „Ettergart⸗Land“ allzu ſchmal; Egert fol nach Bud, Flurnamen⸗ 
buch ©. 53 gallo⸗romaniſch fein; Übrigens heißt auch das einfache Eiter wie (ge- 
flochtener) Zaun, fo auch umzäuntes Land, Schade S. 154, f. aber Schmeller I. 
&.130, 12 ©. 941 (anbers Schade S. 124, terra antea arata, &-geert, früher 
bepflügt, jetzt Brache, Übergengend ©. 942 (gärt, e-gärt vgl. Fraas ©. 712. Ueber 
„Brache“, weil im Sommer umgebrochen (aber nicht befäet), Heyne II. ©. 15 über 
»trat«, betreten vom Vieh; Schmeller It &. 677. Weber ven Uebergang aus ber 
alten wilden Feld- und Gras⸗Wirthſchaft durch Einführung der Winterfat zur 
Dreifelder-Wirthfchaft mit Winter, Sommer und Brach⸗Feld Weller II. S. 340, 
ber treffend die Frohnpflicht im Frühjahr, Juni und Herbft (Wartmann I. N. 39) 
anführt. Anfiebel. S. 61. — v. Miastowsli, Verfaſſung der Land», Alpen⸗ und 
Forſtwirthſchaft in ber deutſchen Schweiz 1878 S. 12 Dreifelderwirthfchaft in ber 
Schweiz im VIII. Jahrhundert; Winterfrucht: Welzen, Dinkel, Roggen; Sommer- 
feucht: Safer oder Gerſte, baneben 1/; Brache ©. 13. 

4) Meiten, Vollshufe ©. 9. 

5) Bon Meiten I. S. 66. 

6) Ueber ben Pflug, feine Namen und Geſchichte Schmeller I. p. 449. Meiten 
a. 0.0. Heyne U. ©. 35. 

7) o. 143, 163, 561. 

8) Cap. II. 1, p. 113. Medela L. Al. 92. Karrenrab? So Meiten I. ©. 459. 
Veftanbtheile bes Wagens, beren Namen und Geſchichte Heyne II. ©. 29. 


446 


legte, erhellt daraus, daß bie Klöfter fich oft den Zins ftatt in Geh 
in Pflugſcharen (vomeres) erlegen ließen !); oft wird Pflugland vou 
andrem unterjchieben?). 

Lehrreich ift Die Abſchätzung der Arbeitsfräfte: um einen Weinberg 
und vier Ioche Aderland zu beftellen, genügt Ein Mann?). 

Das (freilich erft fpäter bezeugte) „Gewende“ ift jenes Maß von 
Aderland, nach deſſen Pflügung die Rinder ruhen und meift gewenbet 
werben, entiprechend dem römifchen actus®). Ungermanifch, römiſch 
find die Feldraine >). 

Als Erzeugniffe werden ſchon von Plinius®) Haber, Roggen, 
Gerfte, Walzen genannt und das aus letteren beiden gebraute Bier; 
Haber- und Hirfe-Brei gelten auch ſpäter als Opferfpeife?). 

cherno Heißt in ven ehren noch ungelöftes Korn®), aber 
anderwärts ift?) cherno Spelt. 

Die Aerndte wird gegen Einbringen durch Unbefugte fcharf ge 
ſchützt 10). 

Raum und Art der Grundſtücke wird als für Gebrauchszwecke ge⸗ 
eignet gewährleiftet1). 

Dei dem doch noch fehr urjprünglichen (ertenfiven) Betrieb tes 
Feldbau's find die häufigen Klagen über Bungersnöthe Leicht er 
klärlich 12). 


1) S. unten Zins. 

2) So im Cod. Laur. N. 55 a. 766 und häufig: terra aratoria-silva 414. 
a. 766, ebenfo von terra ad stirpandum 14. a. 801. 

3) Wartmann II. 534. a. 868. Cod. Trad. Sang. 298, 614. 

4) Meiten I. ©. 277. 

5) Meiten I. ©. 459. | 

6) Plin. histor. nat. X. 27. 

7) Ueber Namen und Verbreitungsgeblete von Waiten, Roggen, Dinkel 
(Spelt, siligo) v. Miaskowski S. 12f. Winterfrucht, Safer und Gerfle Sommer 
frucht Heyne IL ©. 13. 

8) Neugart L c. 77. a. 779, 780. 

9 W. U. L. 24. 

10) P. IV. 12 sol. 

11) Zeuß, W. 148. a. 748. duo ourtilia ubi potes casa (Wohnhaus) et 
scuria super ipsas stabilire et ortus excoli et 20 jurnales de terra et de 
prata ubi potes colligere 7 carrada feni. 

12) Ueber Hungersndtbe von a. 709—910 Curſchmanun (1900) S. 90-—104. 
Urfahen ©. 18; unter ben ©. 47 aufgezäblten Wirkungen fehlt bie Aufgabe bes 
Grundeigens. 


447 


5. Hubai). Mansus. 


Alle Hier in Trage kommenden Ausprüde: „Hufe“, „Boch“, „Tag⸗ 
wert”, »mansus«2) bezeichnen durchaus nicht ein in allen Fällen 
gleiches Landmaß. | 

Hufe ift jo viel Land, ald zum Unterhalt Einer Familie erforver- 
(ich): es leuchtet ein, das dies Maß in verſchiednen Landſchaften nach 
der Bodengüte ein jehr verjchiepnes iſt. Werner können die Hufen 
knapp ober voll‘) bemefjen fein. 

Die Hufen find wie ungleich groß, jo ungleich fruchtbars) und 
überhaupt, 3. B. auch wegen ber fernen ober nahen Lage, ungleich 


1) Ueber Begriff und Namen ber Hufe Watt, Hufe S. 10, jetzt Ab« 
banblungen ed. Zeumer I. 1896 ©. 123. v. Maurer, Thudichum, Gauverfaff. 
©. 158. Einleitung S. 53. Meigen L ©. 74. „es ergab ſich für den einzelnen Ort 
ein gleiches, für bie verſchiednen Ortfchaften aber ein fehr verfchtebenes Hufen⸗ 
maß”; über das Verhältniß von Hufe, Morgen, area und carrada ©. 108. Ueber 
Hufe (gahaban), Morgen, Tagewerk, Joch, Juchart, (jugum) pertica, aripennis 
Heyne II. ©. 12. aber mansus ift nicht nur Kolonen-, auch Freien-Land. Gegen 
Meten IL S. 33—173 „Hufenverfaffung” Weller II. ©. 338, v. Inama- 
Sternegg 1 S. 77 folgend; ſ. aber auch Könige VI? S. 100 VII. 1 Urgef IP. 
©. 69f. VII. 2. ©. 12, 26, 28. Lamprecht zur Localgeſchichte der Urzeit S. 61. 
Ueber die Volkshufe Meitzen S. 2f., ©. 16f.; vgl. aber L. Visig. X. 1. 14. 
Weſtgot. Studien S. 89f.; mit Hecht zieht er ©. 21 zur Berechnung bes Umfangs 
die Heerbanngefete Karls heran VIII. 2. ©. 221; über bie örtliche Verſchiedenheit 
(auch des Fußes) ©. 25; ber römiſche war — 0, 296; über bie Königshufe, 
mansus regalis, Meiten (a. 813 Cap. de justitiis faciendis 19 de villieis quid 
facere debeant. 

2) Auch sors 332 a. 773; ſ. Boſſert zu Cod. Laur. 327 a. 773 sortes 12. 
. 446, a. 769; er ftellt die 12 Stellen bes Cod. zujammen und findet barin ben 
Antheil am Neubruch, ber jedem mansus oder jeber Hufe erblich zugetheilt wurde, 
baber »sortes hubannae«; richtig gegen Waitz II? S. 224 Antheil an bem Dorf, 
faft = huba oder mansus: allein deutlich werben sors und huba unterfchteben; 
an „Verloſung“ ift auch bier wie oben S. 430 nicht zu denken. 

3) Waitz a. a. O. 

4) hobas tres pleniter emensas Neug. 394 a. 861. 

5) Eine Hufe mißt fo viel Land, als (zur Ernährung einer Familie nöthig 
und) mit Einem Pfluge zu beftellen iſt, Waitz, Hufe 1854, Meiten, Anfiebel. 
a. a. O.; Erome ©. 14, 48: aber bie Familien baben nicht überall gleiche Volks⸗ 
zahl und bie Nährkraft ber Grundſtücke iſt nicht überall gleich, alfo auch nicht bie 
Größe der Hufe (das erkennt auch Erome ©. 51). Ueber vie landſchaftliche Ver⸗ 
fchiebenheit bes Umfangs ber Hufe (aratrum, 50 Aripennen = 25 Morgen = 
1/g Hufe) Meiten 1. S. 534. Hufner, hobarii, mögen alle heißen, bie auch nur 
Eine Hufe eignen ober vom Klofter erhalten, 3. B. Züri U.B. I. 197 p. 89. 


448 


werthuoll !): baher bie eiferfüchtig gewahrte Betheiligung aller Hufener 
an beſſerm und ſchlechterm, näherm und entlegnerm Land. 

Zu der Hufe gehören ein Wohnhaus (domus) und andere Ge— 
bäude (aedificia) 2), ſowie Vieh. 

Zu zwei Hufen gehört ein kleiner Wald als Zubehör, zu fünf 
Hufen ganze Marken Waldes (marchae selvaticae)?) im Gegenſatz 
zu terra arabilis®), terra culta. Die Hufe gehört zum Hof, curtis 
(j. oben ©. 438). Daher giebt der Bräutigam ter Braut 7 Hufen 
„au ihrem Hof", d. h. dieſe follen fortab zu dem Hofgut gehören). 
Eine Hufe heißt nach ihrem (unfreien) Befiger®). Die Hufe enthält 
eine Mehrzahl von Tagewerken, jornatae, jurnales, Morgen, Socke, 
juga, juchera?). 

Morgen ift, was an Einem Bormittag gepflügt werben kann, Tag- 
wert, jurnale, gebt auf den (ganzen) Tag, ber aber tamals nur his 
Mittag gerechnet ward; fie waren auch innerhalb berfelben Flur nicht 
gleich groß; auch = 1 Hufe, aber oft auch Hufentheile. Der Meorgen 
ift die Grundeinheit ber (10 jugera — 1, Hufe ®) Ölureintheilung?. 
Das Joch ift, was mit Einem Pfluggefpann von Rindern in jener 
Friſt gepflügt werden mag. Aber anderwärts werben auch jucha unt 
jugera unterſchieden 19). So gab e8 denn große und Heine Tagwerket!). 
Drei Hufen Pflugland betragen einmal hundert Tagwerfe (jurnales)12). 
Danach wäre aljo 1 Hufe = 33 Tagewerken. Ungefähr ähnlich ift 
einmal Eine Hufe = 40 Joch (mit curtis und Wohnhaus) 13). Da—⸗ 


1) Daher auch „Eine Hufe für Einen Unfreien” Zeuß, W. 103. a. 756. 

2) Neug. 578. a. 888. 554. a. 885. 

3) Neug. 482. a. 875. 

4) 483. a. 875. hobae possessae Form. ed. von Rodinger p. 211 find 
wohl in Eultur gertommene, wie mansi vestiti oben ©. 437. 

5) Coll. F. Sang. 12. 

6) Zeuß, W. 179. a. 748. 

7) Neug. 1. 7. Jauchert c. a. 718. 

8) Aber bald auch = 1/4 Hufe vgl. auch v. InammSternegg J. ©. 503, 
Meitzen I. ©. 108. 

9) Meiken a. a. O., Ross p. L ©. 77, 111. 

10) Neng. 652. a. 904: 52 juchos atque 14 jugera silvae: Thubidhum 
Bauverf. &. 158. vgl. Du Cange IV. p. 433, 445. 

11) Neug. 369 a. 858 accepimus ... unum jurnalem maximum. 

12) Neugart 1. c. 84. a. 783. erativa (sic) terra. 

13) Neug. 646. a. 904. 


449 


gegen erhellt aus eimer Altern Urkumbei), daß eine Hufe auch nur 
(mindeftens) 20 Joche enthielt?). 

Wieviel Land zur Erhaltung einer alamannifchen Bauernfippe 
erforberlich war, ift ſchwer feftzuftellen und bedingt von ber Güte bes 
Bodens. Man?) hat nachgewiefen, daß 2 jugera (50,38 Ar— 25, 19) 
1 Ing. italiſchen Bodens, mit Weiten ober Dinkel beftellt, nicht 
zur Erhaltung einer Bauernfamilie ausreichten, nur zu ber Eines 
Träftigen Mannes: vielleicht das Doppelte (4 Joch) war alfo erforber- 
(ich zur Erhaltung Eines Mannes, 20 jug. zur Erhaltung einer Bauern- 
familie von 5 Köpfen auf dem ungleich fchlechteren alamannifchen‘). 


Bon den regelmäßigen 2 jugera Sonbereigens®) hätte aber auch 
um Rom eine Banernfamilie nicht leben können, ohne bie ausgebehnten 
Nugungen (zumal Weiberechte‘) für das zahlreiche Vieh) am ager 
Romanus, ganz ‚entfprechend ber germanifchen Almännde, bie auch 
für Wirthſchaft und Unterhalt ter alamanniſchen Bauern unentbehr- 
lich war. Die deutſche Hufe umfaßt oft fogar etwa 60 Joch, das 
umbegte Land etwa 2 jugera. Das germaniiche Sondereigen, Hofgut, 
ähnelt dem römiichen heredium von zwei Yugera”). 

Wie eine Hufe zu einer Mark, gehört umgekehrt zu einer Hufe 
auch eine ganze „Mark“, d. 5. ber Inbegriff der ver Hufe an ber 
Almännbe zugehörigen Rechte 9). 

Schwankend ift auch das Verhältniß ber Hufe (huoba) zum 


mansus?). 


1) 530. a. 882. 

2) Bol. Neug. Aum. a. und o. zu beiden Urkunden und Zeuß, W. 125. 
a. 788. 

3) Meiten &. 259. 

4) Meitzen I. ©. 252, Boigt, Rhein. Mufeum N. T. 1868. 

5) Meitzen a. a. O. 

6) Römiſch oompasoua; Weber, bie römifche Agrargeichichte in ben Be 
ziehnungen zum State- und Privat-Recht 1891 S. 120. 

7) Meiten I. &. 271. 

8) Neng. 368. a: 858 hobam . .. cum omni marcha ad eandem tantum 
(b. 5. ansfchliehfiches Nutzungsrecht diefer Hufe) hobam pertinente. Ueber Hufen- 
fand unb Mmännbe ganz In Uebereinſtimmung mit D. ©. Ia. S. 166 v. Wietere- 
heim-Dah J. &. 5 und Urgefch. I. 2. Aufl. S. 71 (Lanbnoth S. 10) Meitzen, 
Bollehufe S. 30. 

9) Weber das Sprachliche Kluge &. 141 I. Grimm RU. II. S. 60: zum 
Begriff gehört, wenn nicht bas Eingehegte (capere), doch das gemefiene (arg. plena 
huobe); oft if fie == mansus (baher mansus gloffirt durch huoba). 

Dahn, Könige ber Germanen. IX. 1. 29 


450 


Ueber ven Begriff des mansus tft bereit gehandelt !j: urfpräng- 
lich: — wie Hufe — fo viel Land, als zum Verbleiben (manere), 
d. h. Unterhalt einer Familie erforderlich, daher auch keineswegs überall 
gleich groß; es hat der mansus fein beftimmtes Maß, tft aber Häufig 
Eine Hube und biefe oft = 40 Joch?). Aber au Ein mansus — 
3 Hufen®). Daher heißt ein mansus »ad commanendum«, b. h. 
ausreichend, zu bleiben), zu leben. 

Dezeichnend für bie nicht feft beftimmte Größe des mansus heißt 
es: 1 mansus, auf welchem ein Unfreier ein (Wohn⸗) Haus, casa, 
eine Scheuer (scuria) und einen Garten beritellen Tann). 

Bon dem mansus im engern Sinn = Grund und Boden wir 
unterfchieven das darauf ſtehende Gebäube®). 

Die mansi beißen wie bie Hufen nach ihren Eigenthümern (over 
Befigern) ?), doch wirb zuweilen ber Ortsname®) beigefügt. 

fe und mansi führen auch verſchiedene Bezeichnungen nad 
ber Art ihrer Bewirtbichaftung: mansi absi, vestiti?), indomi- 


1) Könige VIL 1. ©. 100f. VIII. 2. S. 28f. Ueber bie verſchiedenen Be 
dentungen von mansus richtig Weller, Anflevel. S. 60: I. Hausplatz, verfchieben 
von Gebäuden, Bärten, Höfen II. Hausplag, Hof und Gärten, verfchleben von 
Hufe == Aderlanb III. Das ganze Bauerngut = II. + Hufen, verfihteben von 
ourtis, curia, == Herrenhof IV. Mansus = Hufe. Ueber bie Hufen, (Könige 
bufe S. 20), Meitzen, Feſtgabe S. 1—60 (zuerſt a. 813), die Marken mb ben 
Ausbau Landau S. 1—43, &. 153. 

2) Stältn (S.) J. S. 157. 

3) Beifpiele für dieſe Schwankungen bei Stältn (8.) I. S. 357. 

4) Zeuß, W. 150. a. 712. 

. 5) Zeuß, W. 83. a. 786. Daher au mansum cum casa et ouria et 
40 jurnales de terra Cod. Laur. N. 328. a. 786, 2 mansos et 1 hovestat et 
1 pomerium N. 352. a. 809. 

6) Cod. Laur. N. 135. a. 788 unb oft cum edifieio superposito; mansus 
cum aedificio, cum curti et aediflcio superposito 243. a. 835 indomnicatus 
cum casa desuper et 12 hubas et 2 petias (pieces) de silva 337. a. 772. Ber- 
ſchrieben fieht Cod. Laur. N. 150. a. 773 mansus cum mansis (für campis®;; 
felten flatt huba hubestat: fo 151. a. 775 eine Hufe und 12 Tagwerle Liegen 
in db. h. gehören zu einer villa 215. a. 774, ebenfo 254. a. 778. 

7) 3. B. Neugart 191. a. 817. 

8) Heimbach, de Puahheim eto. Was für eine Art von Grundſtücken iR 
eine harde? Zeuß, W. 209. a. 788 forastum unum et porcionem meam de 
illa harde. 

9) Ueber mansi abei (unangebaut ober doch nicht mit einem Bauer Kefekt 
und vestiti Könige VIII. 5. ©. 283; mansus absus wird in ben Salomonifden 
Bloffen verbeutfcht mit Leger-huob, f. Schmeller I. ©. 1452. Liger Matte ik 


451 


nicati, salici, bann mansi ingenuiles, lediles, censiles!), ser- 
viles, 

Terra salica ift nicht etwa nach ſaliſchem Recht zu beurthetlenves, 
fondern von ber sala dominica, dem Haupthof bes Herrn, unmittel- 
bar bewirthichaftetes Land2): auch auf folddem mögen zinspflichtige 
Unfreie fitzen). Irrig alfo erklärt man*) fie als „frei von jebem 
Dienft": das tft nur eine Folge bes Begriffs. 

Der Unterfchied von Salland und durch Hinterjaffen bewirth- 
Ichaftetem wird bier häufig klarer noch als bei Franken bezeugt). 

Die terra salica — mitten in Alamannien — ift Land, das zur 
sala gehört, d. h. dem Hauptbof®). 

Ein Königshof in Feldkirch Tann daher folche terra salica haben 7), 
auch eine Kirche®), die doch nach Tanonifchem und römifchem Necht Lebt. 

Die mansi ingenuiles°), lediles, serviles heißen felbftverftänb- 


eine nie umgepflägte. Weber das Verhältniß bes Herrenhofs, ber curtis dominica, 
zu ben Ziushufen, mansi censuiles, v. Suama-Sternegg I. S. 303, 9721. 
Lamprecht D. W. 2. J. 2. ©. 740. | 

1) Könige VIL 1. &. 220f. VIII. 2. &. 130, 176. 

2) Bon Inama⸗Sternegg; Salland-Stubien ©. 73. 

3) Neug. 455. a. 869, 

4) Neugart 244 a. 830. 

5) Waitz, Hufe S. 50. L. Alam. 83, 1 domus . . vel sala. Mohr, Codex 
diplomaticus Curiensis p. 12 salam cum solario supter caminata sala 
muricia T’rad. Sangall. 38. Sala mea cum curtile circumeinotum . . et terram 
salicam (quae?) ad ipsam salam colitur 143 hobas quinque excepto ea 
quae in usus proprios colere videtur, quod dicitur hoba siliga = salica. 

6) 1. c. 30 »Juches« Neugart 70. a. 70. lieber terra salica mauches Be 
bentliche bei Meiten IL S. 500; allerdings bat biefe salica mit den Seliſchen 
Franken nichts zu thun. Aber sala iſt domus, Sal., Halle. 

7 Neug. 668 a. 909. Ein Frohnhoſ a. 770 bei Schäfer ©. 1. 

8) Neug. 629. a. 898. baptismalem ecolesiam cum terra salica et illuo 
pertinentibus hobis. @ine Kirche vererbt: in partem hereditariam possedi 
635 a. 902. Dentlich erhellt ber Begriff von terra salica Cod. Trad. 22. N. 36. 
Wartmann I. 38 (a. 703) sala mea cum ourtile succinotum . . et terram 
salicam . . quae ad ipsam salam colitur; fo verbefiert gewiß richtig Waitz, 
Sufe S. 48. W.U. I. 9. a. 764. gleichbebentenb casa dominicata Neug. 115. 
a. 791, ebenfo t. salica, dagegen hobae d. h. nicht ſelbſt bewirtbfchaftete 531. 
a. 882. ebenfo t. s. baneben 2 mansi mit 16 Unfreien 505. a. 877. 461. a. 873. 
Bezeichnend casa salica cum terra sua salica W. U. I. 98. a. 838; Ähnlich 99, 
838, ww, aber zu fegen iſt cum terra salica: banın: infra domum mancipia sex: 
denn cerra salica infra domum ift unmöglich. Umſchrieben wirb terra salica 
mit. quae in usus proprios colere videtur W. U. I. 44. Neug. I. 125. 

9). Ueber Fret-Hufen, Freien⸗ut, ingenuorum liberum praedium, pro- 

29* 


452 


lich urfprünglich nach tem Stand bes Empfängers: ba fie aber hie 
nach leicht, ſchwerer, am fchwerften belaftet waren und dieſe Belaftung 
auch beiim Uebergang an Beſitzer andrer Stände (meift), blieb, blieb 
auch die Bezeichnung wie eine 'gefchichtliche Eigenſchaft. Thatſächlich 
bilvete eine hoba, casa dominicata, salica, den Gegenſatz zu hobae 
(hobones) serviles. Dazu mag gehören eine curtis,. bie zur Hälfte 
(Realtheilung? »medium«) vergabt wird. Unfreie wie Halbfreie 
wohnen meift al8 »>casati» in einer entſprechenden casa. 

- Den Gegenfak [servus qui in casa habitat coloni de curti! 
bilven folche qui sunt sine terra, faft die Ausnahme). 

Häufige Beifpiele von mansi vestiti und absi, beide serviles?), 
von casae indominicatae, Privatlirchen, Mühlen, gemeinfamer Wal⸗ 
bung, ſehr vielen Weingärten, gemefjen nach »picturae«, b. h. per- 
ticae, bietet das Breviar Karls betreffend die Fiscalgäter ?). 


In dem Augsburger Bisthum verhalten fi) a. 810 die inge- 
nuiles zu ben serviles wie 1031 zu 466°). Nicht zu verwechleln mit 
mansi absi — nicht befiebelte5) — ift aber meift — (dd) — unbebaut 
fiegendes Land. Freilich verwilberten leicht foldhe hubae incultae®). 
Sie geben in Debland über bei Verheerungen: vinea deserta, mansi 
devastati (von Weißenburg)?); gar manche mansi werben bei Be- 
fihtigung als absi erfunten®): ceteros omnes invenimus absos 23 
nah dem Ungarn-Einfall von a. 926 »Walahsee est curtis do- 


prietas liberorum jet auch Waitz⸗Zeumer V. &. 509f. Frei waren auch bie 
(fehr frühen, ſchon römifchen) Erbpächter. Beſonders Brunner, d. Erbpacht. b 
Formelſamml. v. Angers und Tours unb fpätern Verpacht. d. Gemeinbegäter V. 
©. 69 v. Salis L.R.C. S. 141 VL S. 51, 41 in Alamannien, abgeſehen von 
hätten, nur etwa in kirchlichen Emphytenſen; Mansi beneficiales, Grandidier 
DI. 154, find zu beneficium gegebite. 

1) Irrig hiezn Neugart 496 a. 876 „mit Frohn ober Zins belafleten“: das 
waren oft auch Hufen von Freien, Zinsbauern. 

2) Testam. Tellonis p. 14; persona sola p. 15 ift aber ein liuver 
hetratbeter. 

3) Bon Weißenburg, Zeuß. W. 275. Ebenfo oft Ood. Laur. hubae indo- 
minicatae, Dagegen serviles. 

4) Könige VIIL 5. S. 283 C. I. 1. p. 252. 

5) Oft werben unterſchieden terrae cultae ae incultae, wobei häufig falſch 
interpungirt if, z. V. Neugart 433. a. 865. 

6) Cod. Laur. N. 425. a. 880, 

7) ed. Bossert 8. 12. 

8) Ceteros omnes invenimus absos 23 und Buchau Zeuß ©. 353. 


453 


minica a paganis desolata«. Auch Krongut bat (dann) verlaffne 
Hufen). 
6) Andre Mafe2). 


Im Elſaß rechnet man?) auch (wie in Baiern) nach perticaet): 
jo werben drei Joche und 1 Pertica gegen 3 Ioche vertaufcht®). 

Pertica ift urfprünglich die 12 fußlange Meßruthe®), die Doppelte 
Breite (24 Fuß) wird für die Heerftraße angenommen”). Seltener im 
Codex Laureshamensis®), 


Diefelbe Urkunde rechnet nach Hufen und nach aripennae°); 
gleichzeitig vechnet man in Sanct Gallen nach Tagwerken, jurnales 


tres, vertaufcht gegen 1 Joch 1%): dies Eine Ioch kann an zwei Orten 
liegen. 

Auch Feldmaße nach dem Ertrag begegnen: eine Wiefe, von ber 
man zehn Karren (carradae) Heu gewinnen mag!i). Ein ager mo- 
dialis ift wohl ein Ader, ber einen modius trägt12). In gleichem 


1) W.U.B. I. 101. a. 839. Eremus tft Wüſtland, Oedland, früher der 
eremus Helvetiorum zwiſchen Main unb ben (Schweizer-?) Alpen; unbebautes 
Walbland, fo bie Vogefen, der Norbwald. S. die Beläge bei Stälin (V.) L 
&.95, ber aber nur Waldgebirg darunter verfichen will. Im Schwarzwald 
gab es noch im IX. und X. Jahrhundert weite Einöden: liber constructionis 
monasterii ad St. Blasium, Mone, Onellenfammlung L 1867 p. 81 (5). 

2) Landau S. 43. Thudichum, Gauverf. S. 158. Heyne I. ©. 12. 

3) Zeuß, W. 236. a. 742. 

4) Du Cange VI. p. 287. 

5) Neug. 422. a. 864. Nebeneinander in einer Weißenburger Urkunde 
Zen, W. 244. a. 713 perticae legitimae ad brachium mensuratae, baun tisae 
duae (= toise?) et duae pedes ad manus mensuratae; pioturas ſteht oft 
verſchieden für perticas Zen, W. 275 unter Karl d. Gr. 

6) Könige VIII. 

7 Meiten I. ©. 285. 

8) P. T. 57. 

9) Z. B. N. 146. a. 777 vgl. Meringer ©. 184. 

10) Neng. 629. a. 898. Weber das keltiſche arepennis (weber ari- noch ara- 
pennis am Kopf-Enbe), Zimmer bei Meiten I. ©. 278: ber Umſang wirb fehr 
verschieben angegeben: nach Greg. Tur. L 6. 5 = 1 Stabium, f. aber Zimmer 
am a. DO. und Meiten S. 279: Schwankungen von 2880 bis 1872 Fuß (aber 
auch bie Fußmaſſe eben ſchwanken!) (Meng. 606 noch a. 894) vgl. das weſtgotiſche 
Acht L. R. Recisw. X. 1, 14. VIII. 4, 25 Weftgot. Studien S. 89, baraus im 
Baiernrecht I. 14, 2. Meigen ©. 37. 

11) Zeuß, W., N. 2. Wiefenmaßß VII. carradae feni Zen, W. N. 4, 5. 
20, 21 und oft. ' 

12) Testam. Tellonis p. 17 und oft. 


454 


Sinn wird gerechnet nach onera!), aber fehr felten bei Getreidefeldern 
nah Scheffeln des Körnerertrags?). 


Getränkmaß ift die sicla, 3. B. cerevisiae, Trodenmaß tas 
Malter, maldra, d. h. was auf Einmal gemahlen werben mag (3.8. 
panis). 

Ein Troden- 3) wie Flüſſigkeits- Maß ift metreta, metrata. Ein 
viel größeres (wie bie ſchwere Strafe bei Diebitahl ehrt) iſt scopus 
(Schoppen), fonft nur Flüſſigkeitsmaß. 

Sehr felten werben »sortes« 5) verſchenkt; bier nicht bie Theile an 
"den Gewannen ®), ſondern Zubehörden zu ber Nieberlaffung: an mansi, 
prata, silvae, aquae’). 

Kein Adermaß ift campus, er kann verſchiedne Größen Haben®). 
Ein unbeftimmbar Adermaß, urfprünglich ein Aderfeld, ift frugale®). 
Unerflärt ift ein Adermaß mitus10) und eine haftuna. 


7. Zubehör. 


Der damalige Landwirthichaftsbetrieb wäre ganz unmöglich ges 
weien ohne bie überaus manchfaltigen Zubehörven von halbfreien 
und unfreien Arbeitsfräften, von Herden, Geräthen, aber auch von 
Vorwerken, Wirthichaftsgebäuben und von Nutungsrechten an Almännbe 
und Marl. Genau und erfchöpfend führen daher Formeln und Ur- 


1) Teftament bes Xello p. 13. onora XX. inter agru et pradu (sie) 
onora VI. Cod. Trad. Sang. 398 N. 685, ebenda IX. libras ferru valente (?) 

2) Cod. Trad. Sang. 240 N. 419. Wartmann II. 391. a. 844 ager. VL 
ager. V. ager. U. modiorum, ager. I. modii. 

3) 3. 8. für Getreibe bis zu 10 Manipeln L. 36 nur Cod. 18. p. 9%. 
f. Du Cange V. p. 371, wo unjere Stelle fehlt; über manipulum 1. c. p. 223. 

4) Über 1. o. fcheint es Getreide⸗Maß. 

5) Meringer ©. 184. 

6) Wie Meiten I. a. a. O. 

7) 219. a. 768. Wart. 

8) 3. 8. 12 legitimas jurnales Zeuß, W. 108. a. 766; unverſtändlich iR 
ber Schluß ber verberbten Stelle: (campus) .. . pro petras uuatrouuatus 
est et disignatus: mit Steinen abgemeflen (?) und begränzt? 
| 9) S. Fickler S. 3 (= 1 englifh acre, glei 40960 Kup?) fehlt Bei 
Du Cange. 

10) Zeuß 181 (ohne Jahr). 





455 


kunden alle dieſe einzelnen Zubehörden forgfältig auft): alle Zubehörde 
beißt omne cum quo vestiti sunt?). | 

Im Codex Lauresh: ift ftändige Bormel: »cum mansis, pratis 
(campis) silvis, aquis jaquarum decursibus] (felten auch vineis) 
stipulatione subnixa.« 

Zu einer legitima casata gehören als appenditiae Wälder, 
Wege?), Almen (alpes, jelten), ftehende Gewäfler und Wafferläufe: 
ansprüdlich ausgenommen bei ber Veräußerung werben Weide- und 
Holzungs-Rechte*); auch eine Sandgrube ift Beftanbtheil (oder Zu- 
bebörbe?)®), dann Gefinde und Rechte auf Zinfe von Freien und Un- 
freien). 

Auch Nebengebäube jever Art: Mühlen, Bäckereien”), anbre offi- 
cinae?), 

Dann die Herben: zu hubae vestitae gehören omnis facultas 
eorum (l. earum) cum mancipiis et armentis suis cum omni 
utensilio®). 

Doch wird gelegentlich auch Vieh, das dann nicht Zubehörbe bes 
&runberbes, ver hereditatis, proprietas, beſonders verſchenkt 19). 

Peculium ift einmal (römifch) der dem Unfreien überwiefene Beftg: 
gleichbebeutend offenbar mit peculium, peculiare ber Unfreien fteht 
agentia 11). Aber auch der Viehbeftand heißt gelegentlich »peculium« 
(pecus) des Herrn. 


1) Könige VIII. 5. ©. 25 furz gefaßt. Weber bie Zubehörben einer Curtis 
Nengart 1. o. zu 17. a. 752. Dagegen 2 mansi und Zubehör, et quilquid ad 
ipsos pertinet Cod. Laurish. 346. a. 766. 

2), W.U. 4. Neng. 17. a. 752. Ebenfo formelbaft in ben Trad. Fuld. 
tam in agris quam silvis, pratis, campis (domibus) et familiis 3. ®. 45 
Dronfe 4, 125 und oft cum omni utilitate 54 Dr. 40, 22. 

3) perviae, Wegerechte unb Wege Cod. Laur. 3. a. 784 (und fonfl). 

4) Neng. 373. a. 858, 

5) Zeuß, W. 125 a. 788. 

6) loea cum ecolesiis familiis ac mancipiis (kaum: „freied und unfreie® 
Gefinbe”), zumal auch cum censibus b. 5. Zins rechten W. U. I. 163. a. 889. 

7) farinariae Reug. 306. a. 844. 

8, &. unten Hanbwerl: courtis olausa mit Zubehörben, Speicher, Fäſſer 
Neugart 84 a. 783. 

9) W. U. I. 98. a. 838. 

10) Rengart 297. a. 840. 

11) Cod. Trad. Sang. 76. N. 129 Wartmann I. 133. a. 792 (mancipia 
cum hoba una et agentia (@eräth, Habe) eorum, sicut visi fuerunt habere) 
fehlt bei Du Cange I. p. 139. Seltfam fteht [neben praesidium] peculium und 


456 
Zu dem Landgut gehören auch die Wirthichafts-Geräthe utensilia, 


ferramenta, aeramenta!). 

Einmal aber ift aeramentum vielleicht Geld, nicht Erzgeräth?;. 
Doch nur ganz felten wird auch alle8 Gold und Silber als Zubehör 
einer Befitung mit verfchentt®). 

Ganz wie bie Geräthichaften (utensilia) werben die Nutzungsrechte 
an ber Almännde als Zubehörden ver Häufer, an benen fie haften, 
behandelt!). 

Bei der formelhaft wiederholten Aufzählung der Arten von Zu⸗ 
behörben von Landgütern erfcheinen zumeilen auch »quaesita et in- 
quirenda«, b. h. bereit Erworbenes, (3. B. ſchon gehobne wie erft 
ſpäter entdeckte Bergſchätze), aber auch alles Andere fpäter noch zu Er⸗ 
ringende, künftige Errungenjchaft®). Selten erfcheinen unter den Zu⸗ 
behörben pilae®). 


8. Großgrundeigen. 


Schon Libanius7?) unterfcheibet in ben von Julian burchzogenen 
Landen: große Dörfer, bie vielen Eigenthümern gehören, von bemen 


peoulia utriusque sexus, aljo Unfreie, obgleich auch mancipia jhon genannt - 
find, Zeuß, W. 52. a. 741, auch Die Mägde im Haupthof (puellas . . infra domo 
mea) und ein offenbar unfreier vasallus. 

1) Neug. 570. a. 886. W. U. I. 98. a. 838. 

2) Wie meift Du Cange I. p. 118. Zeuß, W. 206. a. 805 de aeramento 
omnem portionem meam quod est in illa patella (Schale, Du Cange VL 
p. 208) hoo sunt libras centum: fchwerlich doch Erzgeräthe von ſolchem Werth; 
auch an Salzpfannen iſt hier wegen jener Gelbfjummen kaum zu denken; ebenfo 
207. a. 791 in una patella quae ad monasterium W. pertinet libras (et in alia 
patella de St. Leudegario et de St. Maximino de Treverim (Trier) similiter 
libras C.). 

3) Zeuß, W. 240. a. 699. 

4) W. U. 1. 37. Neug. I. 108. a. 790. cum omnibus utilitatibus, Rukunge- 
rechten, quam in ipsam supradietam marcam . . legitime pertinet: daher wirb 
eine casa umb ein casale als Gegenftanb ber Veräußerung genanıt.; cum 
appenditiis et adjacentibus Anıbus illuc rite pertinentibus: W.U.L 163. 
a. 889. 

5) So verftehe ich ben Unterſchied Neug. 576. a. 888. W. U. L 110. a. 844 
vielleicht aber auch quaesitum et ad inquirendum I. ce. 113. a. 846: Zubehörden 
auch von Sachen und Rechten, die erft fpäter eriwiefen werben. quaesitis atque 
inquirendis Neug. 579. a. 888. 583. a. 889 und oft. 

6) Bon den 10 DBebeutungen bei Du Cange VI. p. 320 entipricht am 
eheſten 4: agger, moles, via strata, (Deich? neben molinae). 

7) Ed. Reisle Cod. U. p. 50. 


457 


jeder nur ein mäßiges Stüd Land befitt, und ambere Dörfer, bie Einen 
Heren haben und von Hinterfaffen und Eolonen bebaut worben: biefe 
find die von Einem großen Grundeigner angelegten „Weller" — aber 
fchon a. 360, was alfo wohl auf römifchen, nicht auf alamanniſchen 
Urſprung hindeutet. 

Urſprünglich — nad der ſiegreichen Anſiedelung — hat jeder 
Freie ausreichendes Grundeigen: nicht Geſammteigenthum der Sippe, 
Sondereigen bes »Faramannus«, aber beſchränkt durch die Beiſpruchs⸗ 
und Erb⸗Rechte der Geſippen, die zugleich die Nachbarn. Den Schein 
des Geſammteigens erwirkt das häufig lange nach dem Tode des Vaters 
fortgeſetzte ungetheilte Vatererbe!). 

Die Gründe der Verarmung wirkten wie bei den Franken in 
Gallien?), aber nicht jo früh und ſtark, weil keine römiſchen Verhält⸗ 
niffe beftanden. Doch auch hier Unfähigkeit, mit der überlegnen Bil- 
bung und Vermögenstraft der Kirchen und Klöfter den Wettbewerb 
auszuhalten, zumal biefe planmäßig den Landerwerb betrieben?®). 

Der mittlere und ber Kleine Grundbeſitz überwiegt auch noch in 
ber Tarolingifchen Zeit: doch fehlt e8 auch Hier Teineswegs an Groß⸗ 
grundbeſitz der Kirchen, Klöfter und Vornehmen wie in ben andern 
rechtsrheinifchen Ländern ®). 

Das Eigentbum der Großgrumbeigner, zumal ber Kirchen), war 
oft über viele Groß⸗Marken zertreut®). 

Am zahlreichiten find bie Landſchenkungen von Privaten an Kirchen 


1) Oben ©. 352. 

2) Ueber die Bertheilung bes Grunbeigens im VIIL und IX. Jahrhundert, 
Die Urfachen ber Vermehrung bes Großgrunbeigens und beren foctalpolitifche 
Wirkungen v. ISnama-Sternegg, Grundherrichaften S. 25, 42, 73; bäuerlicher 
Befitz Landau ©. 40. 

3) Ueber die Entwidelung der Grundbefitzverhältniſſe v. Inama-Sternegg 
I. ©. 274, dann bei Banl IL. 2, S. 3f.; über bie Agrarverfaffung und Landes⸗ 
Eultur ©. 8. v. Sybel? ©. 432 hat verfrühbt Großgrundbefitz als Grund⸗ 
berrfchaft angenommen, abgefeben von ben ganz romaniſchen Ländern. Meiten 
I. ©. 166 fett allzufrüh — ſchon in Tarolingifcher Zeit — ein Obereigentbum an, 
Das erft die Sfoffatoren bei der Emphytenſe in Italien aufgebracht haben; auch 
wirb bie oft gewaltfame rechtswinrige Aneignung des Almännbewaldes — ſchon 
um ber Jagd willen — durch die Großgrundherren nicht angeführt. 

4) Bon Inama-Sternegg, Wirtbfchaftsgeichichte I. a. a. D. Großgrund⸗ 
befitz a. a. O. 

5) S. dieſe unten. 

6) Bol. Weller, Anfiebel. S. 66. 


458 


von a. 850—900, dann werben fie, wenigftens in einigen Gegenden, 
jeltner, nicht aber die Ergebungen in Schuß, auch mit Zins und Frohn?). 
Sehr häufig wird (3. B. an Lorſch) alles Eigenthum in einer Mark ver- 
fchenkt?).,. Der Großgrundeigner Hat nicht größere, nur zablreichere 
Hufen als der Heine?), die Hufe bes ingenuus ift nicht größer als 
pie bes servus oder letus. 

Erft allmälig und thatfächlich geftalten ſich die Großgrunbeigner 
zu einer Art Stand‘). 

Aber mehr als Hundert Joch Aderland, 140 Walbland find nicht 
felten). 

Es giebt zahlreiche Beifpiele großen über mehrere Gaue verfireuten 
Grundbeſitzes mit vielen (1000, 120, 193) Unfreien im fränkifch ge- 
worbnen und im alamannifch verbliebnen Lande). Auch das Grund⸗ 
eigen ber Kirchen in Alamannien ift wie das ber gallifchen ”) weit 
über ferne Lande verftreit. 

Königsboten verhandeln a. 813/14 über Rechte von Sauct Gallen 
in ber Veroneſer Elaufe®) und das Klofter taufcht italifche Befigungen 
für Alpgauiſche 9). 

Den Reichthum eines vornehmen Alamannen an Land, Unfreien 
und Herden bezeugt bie »dos«, bie ein vir clarissimus feiner Braut 


1) Bgl. Waitz VII. ©. 184, ber anführt: Trad. Sang. a. 900920 nod 
c. 60, von a. 920-1000 nur 40, 1000-1100 gar nur 5 folder Schenkungen; 
ber durch Gregor VII. und bie Kreuzzüge gefteigerte religiöfe Sinn führt bau 
zu Enbe bes XI. Jahrhunderts wieder zu Mehrung folder Laudvergabungen. 
Ueber ben gewaltigen Grunbbefig ber Klöſter ſchon im Farolingifcher Zeit Waitz 
Seeliger VII. ©. 186: Kleinere eignen 2—300, mittlere 1000-2000, große 
3—8000 Hufen: St. Marimin vergabt auf Einmal 6000, Benebictbenren zählt 
8700, Gandersheim gleich bei ber Gründung 11000. Zwei Brüder fchenten 
a. 840—876 ben ganzen Emmenwalb bem Klofter zu enzern Font. Bern I. p. 228 
N. 50 coram optimatibus loci. Zegernfee verliert angeblich 11000 Bauernhöfe. 

2) Cod. Laur. N. 295. a. 780, 296. a. 767 und fehr oft. 

3) Bol. Meiten I. ©. 76. 

4) Bol. Roſcher IL S. 269. 

5) Neng. 373 a. 858 unb oft. 

6) Stältn (V.) L ©. 352f. 

7) Könige VII. 3. ©. 293f. VIIL 5. ©. 281f. 

8) Neugart 179. 

9) Neug. 474. a. 873. Bol. das Berzeichuiß ber Beſttzungen ber Groß 
münfterlirche zu Zürich (fälfchlich auf Befehl Karle) U-B. Züri I. p.9 und bes 
ber Zinfe an Züri aus dem Aargau und Luzern; cbenba N. 160, bie Schen- 
tungen an Reichenau p. 17 a. c. 850. 





459 


(auf Lebenszeit) giebt): eine Villa mit allem Zubehör, 100 Joch 
Pflugland, 100 Joch Wiesland, 80 perticae lang, 20 breit, 150 Joch 
Eigenwald, bie gemeine Weide- und Wald -Nugung in ber Marl, 
eine Mühle befter Art und eine Schleufe?2), 60 Unfreie, einen 
Wagen mit Wagenpferb und Begleiter, 20 Kühe mit Stier, 30 Stuten 
mit Beſchäler, 120 Schafe, 80 Ziegen mit ſehr fcharfen Hunden, 
Sänje, Enten, Hühner ausreichend, Lauben und 12 Pfauen. Ein 
anbermal eine villa mit allem Zubehör, außerdem 30 Knechten, 
30 Mägven, einem Baßgänger?) mit gold⸗ und filber-gefchmücdkten 
Wagen‘). 

Bon fremder Scholle entrichten bie Bauern®), villani, miseri, 
vd. 5. Klein-Gütler, ihren Grundherren Zins (vectigal)®): das ift deren 
wichtigfte Einnahme, daher ſchwere Strafe des Kornbiebftahls durch 
Knechte der milites (b. h. vassi). 

Schon ganz wie in fpäten Jahrhunderten beißt ber Verleiher bes 
Zinsguts die „Herrihaft“ N). 


9. Almännde Marl. Gränzzeichen. Bifang. 
a) Allgemeines. Die Kamen. 

Das Wort Mark bebeutet (abgefehen von der Markgrafichaft) ®) 
einmal bie Dorf⸗9 oder Höfer⸗Mark, d. h. die Almännde je Einer 
Dorf- oder (bei Siebelung in Eindphöfen) Einer Hoffchaft: wir nennen 
fie die Almaͤnnde⸗Mark: zweitens aber ein viel umfaſſenderes Gebiet, 
d. 5. auch eine Art Almännde, aber von mehreren Dorf. ober Höfer- 
fhaften (auch Dorf- und Höferfchaften): dieſe „Große Markt“, wie 


1) F. Sang. mise. 12 und 1, 6. 

2) molinum optimum et clausuram structurae gurgitis ad illud. 

3) caballus ambulatorius, cheval d’amble, Du Cange I. p. 220 (nur bei 
ambulator). 

4) Easeda, hier natürlich nicht Streitwagen wie Du Cange III. 314. 

5) Nicht nothwendig umfreie: vielmehr finb bie Räuber ſolche, Cod. 18 zu 
L. 36. p. 97. 

6) ©. unten. 

7) Neng. 652. a. 904 de dominico. Daher etwa auch ber Fiscus, aber 
auch bas Kloſter Neng. 621. a. 896 (?) domnicum (== dominicum) sc. opus 
„berrichaftlih” 3. 8. Coll F. Sang. 35. 

8) Oben S. 95 und Könige VII. (vgl. Neng. 306. a. 844) 2 ©. 12. 

9) Ueber bie Dorfmark In Englanb (»open field«) Seebohm &. 1f., 105. 
Beweis für germanifche Urgemeinichaft; richtig auch Über Mark auf dem Feſtland 
Ross p. 20. 


460 


wir fie nennen wollen!), beruht urfprünglich nicht auf rechtlicher Feft⸗ 
ftellung, fonbern ift tbatfächlih aus ber Art der Nieverlaffung er- 
wachjen: nicht immer ift es leicht, beide Arten zu unterfcheiden 2). 

Sogar innerhalb alter NRömerftäbte erwuchſen nun in biefen 
Landen Almännden, 3. B. in Eonftanz?). Sehr oft find bei zunehmender 
Bevölkerung alte Großmarken in Dorf- und Höfer-Almänden aufgetbeilt 
worden): allein anderwärts finden fich zuweilen noch viel fpäter große 
Markgenoſſenſchaften mit gemeinfamem Befig und Genuß: 3. B. war 
noch 1840 ber Hardtwald fieben Dörfern gemein®). 

Almännden und Großmarken der Alamannen wurden weniger als 
das Sontereigen bes gefallnen Königs und der Großen von den Franken⸗ 
Königen angetaftet‘). Schwankend ift freilich auch hiebei wieber bie Ans- 
drucksweiſe der Urkunden”). Doc darf man annehmen, daß, wenn bie 
marca erwähnt wird, um baburch bie Lage eines Dorfes, einer villa 
zu bezeichnen (3.3. villa A in marca B), vie Groß⸗Mark gemeint 
ift: denn ein Dorf liegt nicht in feiner Almännde, es eignet vie 
Almännde, die fih an das Dorf und beffen Sonvergüter nachbarlid 


1) Sole Groß⸗Marken find In Oberbeutichland viel feltener als Almäınden, 
Meiten I. S. 476f. In der Schweiz beichränfen fih bie Wald: und Weide⸗Rechte 
meift auf die Almännde, gehn nicht auf eine weitere Marl a. a. O.; v. Inama⸗ 
Sternegg, Grundherrſchaften ©. 6. 

2) Treffend Meiten I. S. 573; bei grundherrlichen Anfiebelungen ftub bie 
Merkmale von Almännde und Mark fchwer feftzuhalten, d. h. bie Willfär bes 
Grundherrn entfcheibet über folche Nutzungen und kann fie auch wieber nehmen. 

3) Gothein S. 70. Heyne II. Beiſpiele noch ans ſpäterer Zeit. 

4) Meiken 11. ©. 73. 

5) Weller, Anfiebel. S. 50. Bgl. Lamprecht, D. W. ©. 1. 1. ©. 286. Lieber 
ben gewaltigen Umfang mancher Groß⸗Marken Meigen IL S. 71; nur Groß 
Marten, gar keine Almännben in manchen Theilen Weflfalene S. 77; ganz 
anders in England a. a. D. ©. 138. Beebohm p. 368-376 the open — field 
system in England and in Germany compared, the boundaries or marchae 
(ſehr lehrreich). 

6) So auch Meitzen J. S. 598. 

7) Ueber den Sprachgebrauch in Schwaben bei Mark und Almännde Meitzen 
L S. 477; aber auch au Wald und Wieſe Sondereigen von Bauern, v. Inama⸗ 
Sternegg, Hofſyſtem S. 55. Ueber bie Mitgliedſchaft der Mark und deren Ber⸗ 
hältniß zum Gau Meitzen I. ©. 128; richtig mit I. Moeſer, osnabr. Geſch. L. 9. 
gegen Bluntſchli I. S. 86 und Thubihum, Gau und Markverfafiung ©. 131 
und Geſchichte Des deutſchen Privatrechts S. 69-76 Meiten ©. 153, 162: er unter 
fheibet die „Gemarkung“, bie Dorfmark (bie Almäunbe) von ber „gemeinen Mark“ 
außerhalb jener. 


461 


ſchließti). Es ift aber im Einzelfall zu prüfen, ob nicht boch ber 
engere Verband gemeint ift, wie 3. B. wenn es ſich nur um Einen 
mansus hanbelt2). 

Denn auch ein andrer Sprachgebrauch ift wohl zu beachten, nad 
bem marca nicht bloß die (Dorf-) Almännde, auch die Sondergüter 
bes Dorfes umfaßt?). Sehr häufig im Elſaß in villa vel in marca, 
auch find bort die Ortsnamen (villa) oft mit marca im Auslaut 
zufammengefeßt). Das ift zufammen bie „Doriflur”, wie wir beute 
fagen, und welche ſchon vie Lex Salica und meroningifche Evicte kannten. 
Eine marcha kann fein und in Einer Urkunde heißen: 1) ein wilare, 
2) eine auwa, 3) ein reod (Ried): alle brei »vici« oder »villae« >). 
Und ganz ebenfo Tann auch die Großmark das ganze Gebiet ver zu 
ihr gehörigen Dorf- und Höferfchaften, deren Sonvereigen wie Al- 
männden umfaflen. 

Nach dem Gefagten (oben ©. 97) ift ganz erklärlich, daß eine 
Großmark in Folge der Gefchichte ver Anſiedelung: auch in einen zweiten 


1) Bezeichnend marchae . . ea loca (Hofgliter) circumeuntes Neng. 431. 
a. 865, ebenfo an jenen Orten ober in ber fie umgebenden Marl Wartmann II. 
512. a. 865. Für marcha — Almäumbe fteht wohl andy confinium, Rengart 
304. a. 843 in confinio Ratpoticella — baun: in eisdem marchis, freilich 
anbern. 

2) Neugart 400. a. 861 in marcha et in mansa ((. manso) 406. a. 861 
marca ipsius villae in fine (= marca) vei in villa quae dieitur Zen, W. 
148. a. 748. Bernbar bat in ber Mark Fraukenheim — in dieſem Sinne — nur 
zehn Tagwerle Zeuß 184. a. 773; in gleichem Sinne finis = marcha: 185. a. 825, 
alles was dem Schenker auch als Zubehör zu jener Mark (d. 5. zu feinen Rechten 
in ihr) gehört. Im tertia villa vel marca Zenf, W. 151. a. 840. Hieher gehört 
auch „was ich in jener Mark babe a liberis hominibus”, Neugart 172. a. 809. 
(doch wohl — de) d. h. nicht Die (freien) Menfchen, nur deren Zinfe und Frohn (bie 
in ber Dorfmark?) trete ih ab. Pflugland und Wiejen, arvea (sic) terra et prata, 
378 Joch, gehören zu ſechs Höfen, curtilia, in Einer Mark, Neug. 625. a. 896. 

3) Mark und locus, wilare, führen ben gleichen Nauen: Keberatswilare 
mereha in loco qui dieitur Keberatswilare Neug. 373. a. 858. Bgl. 374. a. 858 
marcha ad ipsum (se. looum Votinpereh) pertinente in ipsa marcha ve? in 
ipsa fine 388. a. 860 marcha nnd fines unterſchieden ober- pleonaftifch? 380. 
a. 858 in Ch. marcho et in omnibus finibug ejus. in marcha ad ipsam villam 
pertinente 384, a, 859, unbeſtimmter 387. a. 860 quod in loco C. et circa 
ipsum comparando aoquisivit. 

4) 3.8. Zeuß, W. 72 folg., 76 fieht inoeps für deinceps f. Du Cange 
IV. p. 321. ' 

5) Cod. Trad. Sang. 142. N. 234. Wartmann I. 249. a. 820, f. auch bie 
verſchiedunen marchae ]. o. I, 257. a. 820. 


462 


Sau binüberreihen kann: Glieder der Großmark find tie Dörfer 
und Höferfchaften mit ihren Sonbergütern und Almännben, nicht bie 
einzelnen Menfchen oder biefe doch nur als Eigner ihrer Höfe und 
ber darangelnüpften Nutungsrechte an ber Dorf-Almännde 1). 


b) Die Almänndemark. 


a) Allgemeines. Wbgränzung. 

Viel wichtiger für das Wirtbfchaftsleben als vie allmälig zurüd- 
tretende alte Großmark — meift ber alte Gränzwald?) — ift die Al 
männbemart?): fie wird baher viel häufiger erwähnt. 

Es ift weder nöthig, noch auch nur möglich, zur Erklärung bes 
Nechtsbegriffs der Almännde das fogenannte „Sefammteigenthium“ und 
bie fogenannte Genoſſenſchaft des — angeblid — germanifchen Rechte 
heranzuziehen: vielmehr fteht, wie anvderwärtst) ausgeführt, bie Al- 
männde im Alleineigentbum der Gemeinde, belaftet durch bie binglichen, 
an ein Gehöft gebundnen Nukungsrechte (jura in re aliena) ber 
Hofeigner: denn es ift unmöglich, daß ein Wal 61 Nechtsfubjecten 
(60 Bauern + dem Dorf) in solidum, nicht zu ibenlen Theilen, 
gehöre. 

So fprechen denn auch die gleichzeitigen Quellen®) nur von Ge 
meinfchaft der Nutzung, nicht von Gemeinfchaft des Eigenthums 
ber Almänndegenoffen. 

Von ber Mark Heißt es: an ihr ift Allen Alles gemein: aber in 
was? In Holzung, Schweinemaft und Viehweide, fofern nicht Hier ein 


1) Meigen J. ©. 153, 162 unterfchetbet die Gemarkung“, d. h. die Dorf 
almännbe von ber Großmark, bie er „gemeine Marl” nennt: aber gerabe bie 
Almännbe beißt oft communis marca. Die Almänndemark heißt communis 
marcha Form. Sang. misc. 18. Zeumer p. 388 usum lignorum seu materiae 
pascuarium in communi marcha, ber @emeinbewalb, communis saltus Wart- 
mann Trad. 8. Gall. II. N. 426, omnem utilitatem id est in pascuis, in 
aedifioationibus, in lignis caedendis et in omnibus rebus quibus homo in 
communi saltu uti potest. Die Großmark iſt befonbers alter Gränzwalb zwifchen 
ben verſchiedenen Siedelungen f. D. ©. Ia. ©. 168—171. 

2) ©. oben. 

3) Ueber die Gemeinde und ihr Berhältniß zum Orundeigen Roſcher IL 
S. 189. Ross p. 87. 

4) Grundriß ©. 127. 

5) Das bürgerliche Geſetzbuch vom 1. J. 1900, in das leiber biefe Lehre ın- 
Har eingebrungen, darf man boch wirklich nicht zur Anslegung jener (richtig ge 
dachten) Urkunden anrufen! 


463 


Markgenoſſe (civis) ein Stüd Land mit eigner Band bebaut ober 
mit Samen befät bat oder auf feinem Sonbereigen etwas mit feiner Er⸗ 
laubniß beftellt ift ober er von feinem Vater ein von Nukungen un- 
belaftete® (immune hier in dieſem Sinn) Gehölz oder Walpftüd er- 
erbt Hat, als Sonbergut over mit feinem Miterben gemeinfam ı). 


Beſtimmte Abgränzung ber Almännde wie von Sonbereigen ber 
Almänndegenofien, fo von anderen Almännden war unentbehrlich, und 
auch ihre Gränzen werben wie bie ber Sonbergüter, wenn angezweifelt, 
genan feftgeftellt (certis nominibus et signis subnotantur). 


Gränzen?) für Almännde, wie Sonbereigen bilden Wälber ®), 
Quellen, Hügel, Grabbügel, aber auch eine Eiche und eine (Nömer) 
Strafet). 

Eine Gränze Sanct Galliſcher Nutungsgebiete bildet die Mittel. 
linie des Nheinwirbels®). 

As Gränzen für Statsgebiet®) und Richengebiet ) dient ein 
Heiner Fluß, ein Bachb). 


Die Gränzen 3. B. zwilchen Krongut und Markland bilden Berge, 
Hügel, Blüffe, Teiche?), Kanäle 19). 

Anziehend tft bie Gränzbezeichnung: „unter dem Berge bis zur 
Weide (salice) bis zur Barbaren -Straße, bis zu den Mönchen, bis 
zu Audomar und deſſen Söhnen“11). 


1) Coll F. Sang. 10. | 

2), 3. Grimm RU L ©. 78, 94, 103, 118, 160, 238, 340. II. 50, 
182, 514. 

3) marca iſt urfpränglich Gränze, erſt fofgemeife Wald. So Kluge S. 216. 
Hildebrand, Recht und Sitte I. S. 76. Dann vgl. I. Grimm R.⸗A.« II S. 10. 

4) caminus caleis W. U. I. 126 atrata publica Zeuß W. 205. a. 785. 
213. a. 729. 

5) Mohr IL N. 35 p. 55. a. 890 in medium gurgitem Rheni.. 

6) fines dominica faun bier nicht wie fonft bie Outs herrſchaft ſein, denn 
dieſe iſt die bejonbers genannte ecclesia. 

7) Zeuß, W. 212. a. 819. Zeuß, W. 194. a. 718 super fluvio Aquila 
ubi Theotbach ingreditur in Aquila, beſonders zur Ortsbezeichnung ber Lage 
der villae 205. a. 699. 

'8) Coll. F. Sang. 10. Sonder⸗Grundeigen wirb begränzt de utraque illius 
fiuvioli parte ooncaptum. 

9) W. U. I. 126. 

10) Zeuß, W. 213. a. 729. 

11) Cod. Trad. Sangall. 246. N. 419 pie via publica ale Gränze au 

fonft 239. N. 406. Wartmann II. 401. a. [847? 854°]. 


464 


Wohl um die gemeinten Hufen ficher feftzuftellen, werben beren 
frühere Befiger aufgezählt!). 

Der Umfang bes Grundeigens wird befonbers häufig durch recht. 
gemäße Beilhiebe (an Gränzbäumen) bezeichnet2). 

Die zweifelhafte Gränze wird gemeinfchaftlich von ven Nachbarn 
feftgeftellt durch Bäume „von Berg zu Thal”, in welche Kreuze ge 
ſchnitten wurden ?). 

Bei Grunbveräußerung wirb bebungen, daß ber Veräußerer nicht 
ipäter innerhalb ber feftgeftellten Gränzzeichen (infra denotata signa) 
bauen (Bäume fällen) oder roden barft). Seltener als Gränzbäume 
find Gränzfteine 5). 

In der Stabt (aber auch fonft)*) wird die Umgränzung eines 
verfanften Haufes durch die Namen der Nachbarn bezeichnet und durch 
bie »strada publica«”): aljo gehörten auch in der Stadt die Straßen 
nicht den Angränzern. Auf dem Lande wird die strada publica häufig 
als Gränze angeführt®). 


1) Neug. 496 et haec sunt nomina eorum, qui in illis temporibus ipsas 
hobas possederunt. 

2) W. U. I. 119. Neug. I. 346. a. 853 deystimis securarum ([. securium) 
adnotationibus . . circumdatum Meiten I. &. 80. Heyne II. ©. 5. Bel Du Cange 
VIL p. 392 fehlt biefe Bebentung. Die Gränzen werben von ben Diener, 
Knechten ber Nachbarn gemeinſchaftlich abgeftedt nad bem SHerlommen sieut 
Adala . . contra vos habet. finem de illos arbores qui corticem illorum 
palebant W. U. I. 143. Neug. I. 451. a. 868 von Berg ©. 43. 

3) Neug. 451. a. 868 fagt, roch zu feiner Zeit habe man dies in Al 
mannien geübt unb „Lochen“ genannt: bie Bäume erjeken (b. h. die Gräm- 
merfer) bie Pfähle. Ein fchönes Beiſpiel von Bäumen als Gränzzeichen ge 
währt Neitg. 466. a. 872 usque ad abietem, in qua ego ipse signum termin 
imposui . . . banıt usque ad fagum Adalyozi supermus sitam et ab ipsa fago 
Adalgosi usque ad summitates stagnorum. Bgl. Vita St. Trudberti (IX. Jahr 
bunbert) c. 12. 

4) Neugart 323. a. 849 incidendi vel exstirpandi facultatem. 

5) Gränzzeichen an Steinen und Bäumen Wartmann I. 187. a. 806, 807. 
Meiten J. ©. 86. Verſteinung meint wielleicht auch das verberbte campus .. pro 
petras (f. petris?) uuatrouuatus (determinatus?) et designatus Zeuß, ®. 
108. a. 766, 

6) Zeufi, W. 215. a. 840. 

7) Zeuß, W. 153. a. 781. 

8) 1. o. 158. a. 833. &. oben ©. 119, 127. 


465 
ß) Bifang. 

Mehrung und erfte Erwerbung von Sondereigen mochte geſchehen 
burch in alter Zeit unbeſchränkte Nobung!) im Gränz-, fpäter auch 
im Almännde-Wald 2), zumal bei Scheiven bes heirathenden Sohnes aus 
ber väterlichen Were und Anlegung eines neuen Gehöftes: geſchah 
die Rodung offen („die Art ift ein Aufer und kein Dieb“), fo bedurfte 
fie nicht ber ausbrüdlichen Verftattung der Gemeinde: dieſe galt als 
ſtillſchweigend ertheilt, erfolgte kein Einſpruch, ber unterblieb, fo lange 
jede Lichtung tes Urwalbs als ein Eulturfortfchritt der Gefammtheit 
empfunden warb: viele Jahrhunderte traf bie Robung nur ben Gränz- 
wald, bie Großmark (oben ©. 459). 

Seit fie auch bie Almännde ergriff, warb wohl bald ausbrüdliche 
Berftattung der Gemeinde erforberlih?). Das fo durch Rodung neu 
gewonnene Sonbereigen heißt bifang °). 

Difang und Rodung berühren fich nab, durch Robung kann und 
foll meiftens bifang entftehen. Gleichbedeutend mit bifang fteht con- 
paratio, concaptio, comprehensio). 

Bifang‘) ift Tateinifch dieſe concaptio, captura”), Dagegen 
petiola®) nur „Stüd” (neufranz. piece), 3. B. von Wiefen, bie hier 
faft immer nach Heu⸗Fuhren, carradae, bemefjen werben 9). 

Gleichbedeutend mit Bifang fteht auch bizuma!P), biunda, 
beundett), hagen, Umbegtes 12). 


1) Könige VILL. 4. S. 187. v. InamwSternegg I. S. 81—83. Künftige 
Mehrung des Grundeigens an einem Ort mag wie burch Rechtsgefchäft, fo durch 
weitere Robung erfolgen. Beides meint W. U. I. 119. Neug. I. 346. a. 853 si 
quid amplius in eo loco justa conquistione adquirc. Ein Bifang von 
30 Hufen Cod. Laur. 418. a. 832 zu 14 N. 436. a. 871. 

2) Wald⸗Almännde Ross p. 30. 

3) Bgl. Arnold, Anfiedel. S. 26. 

4) Könige VIII. 4. ©. 187. 3. Grimm R.A.« II. 64. Ross, p. 28. 

5) W. U. IL 107, 122. Neug. I. 304. a. 843, 361. a. 855 omne quod in 
praefato loco conprehensum vel' elaboratum habuit. 

6) C. Laur. N. 171. a. 868. 

7) Cod. Laur. N. 21. a. 855. 

8) Ebenda 24. a. 782 und 337. a. 772. 

9) 3. 8. N. 30. 846. 42. a. 820. 43. a. 855. 

10) Umzäuntes? Wohl verberbt aus bizunja, Schade S. 73. Bud, Blur 
namenbuch. 11) Schade ©. 71. 

12) Schade, ©. 363; über Größe und Art ber Hage, Arnold, Anfiebel. S. 250, 
260. Ueber ven Bifang gerabe in Alamannien, zuerfl von Große, dann auch von 
Klein⸗Eignern Heyne II. ©. 16; über biunda, beunde I. ©. 12. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 30 


466 


Aus dem „Bifang“ des Klofters verleiht es drei Hufen zu erb⸗ 
lichem Beflg: ausnahmsweife wird bier den Beliehenen verftattet, ſich 
anderwärts einen Herrn zu fuchen, wobei nur ber Beſitz wieder as 
das Klofter fällt‘). 


1) Nußungsrehte an ber Almännde,. 


Sehr lehrreich ift die Aufzählung ver Rechte, die Sanct Gallen 
von feinen justae et publicae traditiones (b. h. feinen rechtmäßigen 
Land» Erwerbungen durch Öffentliche Auflaffung) und rechtlich erworbnen 
Höfen zufommen: nämlich folder Gebrauch, wie er jevem freien Ma 
von feinem Eigenthum rechtmäßig zufteht in Feld, Weide, Wald, Hof 
fällung, Schweinemaft, Wiefen, Wegen, Gewäflern, auch Wafler: 
abläufen, Fiſchereien, (alſo Fein Fiſchereiregall) Ausgang und Einganz 
(Wegerechte). 

Die ein Mindeftmaß von Grundeigen — eine Hufe — erreiden 
und bie bis heute manchenorts allein „Bauern“®) heißen, im Unter: 
ſchied vom Söldner, Rotjäten u. |. w., find die vicini, municipes, con- 
finitimit), Nach⸗Gebüren, Geburen), auch contribules®), in Gloſſe 
Kunelinge, „Seichlechtlinge””), zum deutlichen Beweis, daß auch hier 
wie ganz allgemein®), wie zumal auch bei ben Franken ®), die Anfiee 
lung nad Sippen erfolgt war19). 

Blieb nur die perfönliche Freiheit gewahrt, fo warb durch Er- 


1) W.U. I. 122. Neug. I. 361, a. 855. dominum non habeat nisi sb 
batem ..; et si iterum alibi dominum elegerint, tune .. res... ad monsste- 
rium redest. Trad. Fuldensis, 8. Dronke IV, 13. Weber apprisio ©. 11, 
Blumer I. S. 10; von Inama-Sternegg, I. S. 81—83, Hoffuften ©. 61. 

2) Ueber freie und grumbherrliche Dorfe und Mark⸗Genoſſenſchaften, zum 
fpätere Trennung von Gemeinde und Nutzungs⸗Genoſſenſchaft Realgemeinde 
Almännbeverband), bejonbers auch Heusler S. 262—293, 

3) Au wohl „Alt-⸗Bauern“; über die Verforgung bes Nachwuchſes um 
ber fpäter Anziehenben, der „Neubauern“, und beren befchräntte Almännde⸗Nutzuugen 
oft gegen Entgelt an die „Realgemeinbe” ber Altbautern, Dahn, Grundriß S. 1%, 
Meisten I. S. 1693. 

4) 1. c. 50. 

5) Trad. Frising ed. Meichelbeck. N. 12. a. 763; (f. „Baiern“). 

6) junctos = kapuron Graff IIL ©. 19. 

7) Trad. Sang. generali contribulium .. conventus II, p. 395, 

8) Graff IV. ©. 442. 

9) Caesar, b. G. VI. 22, Könige L ©. 40, Urgeſch. 12 S. 10, N. &. 82, 
Deutſche Geſch. Ia. ©. 151, 164, Ib. ©. 437. 

10) Edictum Chilperici o. 3, a. 573—575, Könige VII. ©. 1, 103. 





467 


pfehlung in Schug und Gewalt eines geiftlichen oder weltlichen Seniors 
an der Dorfs oder Höfer-Verfaffung und an ven Rechten ver Bauern 
an Almännde und im Mark⸗Ding nichts geändert. Daß in folchen 
Fällen der Senior die Rechte an ver Almännde auch neben ven Bauern 
üben durfte, wird regelmäßig durch Vertrag berevet!) worden fein, 
von ſelbſt aber verftanb fich das keineswegs?), und daß die Bauern 
fie in foldem Fall ganz verloren, ift nirgends bezeugt und wirthſchaft⸗ 
lich unmöglich. Der Senior mochte dann feine Nußungsrechte an 
der Almännde zur Ausübung auch feinen Unfreien übertragen — rich» 
tiger: fie burch dieſe ausüben laſſen: daß aber bieje Unfreien um deß⸗ 
willen in bem Dorf» oder Höfer-Ding die gleichen Rechte wie bie 
freien, nur fchughörigen Bauern erhielten, ift undenkbar: das Miß- 
verftänbniß entftand baburch, daß ber Senior, ſelbſt Glied des Gemeinde⸗ 
Dinges, fich bier durch feine Unfreien vertreten laffen Tonnte?). 

Den großen Grundherren — Kirchen wie Laien — gelang es 
freifih oft, die Nugungen ver Bauern an ben von jenen eingefrie- 
beten Streden bes Gemeindewaldes (Bifänge) anszufchließent), allein 
fie vermochten doch faft nie5), den Bauerſchaften die ganze Mark ab- 
zugewinnen, bie für beren Wirthichaftsbetrieb ja unentbehrlich war, 
und folder Betrieb trug den Grundherren wichtige Einnahmen. 

Die zugehörigen Grunpftüde und Nugungsrechte an ter Almännde 


„ find an Befig (vielmehr Eigenthum) am Haupthof gefnüpft®). 


1) ®erabe nur dies und nicht mehr beweift auch Trad. Sang. N. 680, wo 
das Stift nur bebanptet, jene Rechte erworben zu haben: de justis et publicia 
traditionibus unb durch Zeugen nur beweift, daß bas Stift die gleichen Nntzungs⸗ 
rechte habe wie bie Bauern ber Almännbegemeinbe: quod ... usus omnes isti 
nobis ... cum illis cswibus . . essent communes, wie jeber Freie fie vermöge 
feines echten Grundeigens bat: sicut unusquisque liber homo de sua proprietate 
juste et legaliter debet habere: in Feld und Weibe, Walb und Holzungsrecht 
und Schweinemaft, an Wiefen, Wegen, Waſſern und Wafferlänfen, Fiſcherei; „wir 
ſchneiden ferner nach Bebarf zum Gebrauch des Kloftere Holz in jener Marl (pagus) 
zu Waflerleitung und Schindeln, auch Schiffsholz, unferen Nothbebarf über ben 
See beranzufahren, und auch die Schweineherbe vom Klofler warb zur Weide in 
jenen (Gemeinde) Wald getrieben. (Exitibus et reditibus: Ausgang und Ein- 
gang. Die gewöhnliche Bedeutung iſt: „Ertrag unb Einkünfte” ſ. Du Cange 
ſ. 5. v.: aber nicht bier: Exitus = Weg. So I. Cap. ad. L. 8. c. 9.) 

2) Wie Waitz ©. 394. 

3) &o richtig Waitz S. 393 gegen Eichhorn 3. f. geſch. R. W. I. ©. 190. 

4) Bol. Lamprecht D. W. L. J. 1, S. 387 f. 

5) Anders Weller a. a. O. ©. 67. 

6) W. U. I. 172, Neng. I. 627 a. 897. Cum omnibus quae ad posses- 


30* 


468 


Mant) meint wohl, der Königshof habe nie an ver Flurgemein⸗ 
ſchaft Theil genommen, trete von Anbeginn als „völliges Sondereigen“ 
auf: aber das ift juriftiich fein Gegenfag: auch die Höfe mit Almännde⸗ 
recht und Flurgemeinfchaft find Sonbereigen. 

Man fchreibt daher: „ein Theil des Gemeindewaldes“ (d. 5. bie 
Nutzung daran) „gehört zur Hufe“2). 

Das Rodungsrecht an Almännde und Gränzwalb ſtand jedem 
freien Hofeigner zu, injofern?) den Nutzungsrechten (Weide, Holzung) 
gleih. Häufig wird erft noch zu robender Wald) verfchentt. Die 
Grundherren legten gerabe zum Zweck ber alsbaldigen Rodung bie 
„Bifänge“ and). 

Das Bewußtſein, daß das Eigenthum an ber Almännbe bem 
Dorf, nicht den nugungsberechtigten Bauern, zufteht, hat ſich Har und 
zäh erhalten: es findet feinen Ausbrud barin, daß jene Nugimgen als 
ans „Gunft und Gnade“ (dev Gemeinde) gewährt Kingeftellt werben, 
daher fein Eigentbum au an urfprünglichem Almännde-Wald, ver in 
Aderland verwandelt ift, nur wechjelnde Nugung®). Daher wirb auch 
wohl für das Holzungsrecht an das Dorf ein Zins bezahlt”). 

Bon hoher, in verſchiednen Verbindungen immer gleicher Beden⸗ 


sores ipsius curtis jure legali (Daher curtis legitima) pertinere debent: legalis 
terminatio ift aber „bie gefegliche, Ib. b. rechtmäßige Umgränzung“, 1. ce. 173 
a. 902, ebenfo 1. c. 166 a. 890. Ueber bie firenge Gebundenheit ber Nutzungs⸗ 
rechte an ber Almänude an einen Hof, Verbot der Veräußerung ber einen ohne 
ben andren, ja fogar Verbot ber Theilung des Hofes und Sonbereigens, Meiten J. 
S. 490. Weber bie (fpäteren) Almännbeverhältuiffe im Schwarzwald und im Eifak, 
Gotthein a. a. O., Meiten I. ©. 473; Jagd und Holzung ſtehen verfchiebenen 
Rechtsſubjecten zu: 3. B. Herrihaft und Dorfgemeinbe. 

1) Heyne II. ©. 3. 

2) Cod Laur. 7. a. 852 hubam et 50 jurnales et prata ad carradas 
et quantum de silva ad hubam pertinet; dagegen Privatwalb 54 a. 839. Bei 
der gar oft twieberbolten formelhaften Aufzählung: cum mansis, campis, silvis, 
aquis, N. 82 a. 766 und fehr häufig find silvae fowohl Privatwälber als Hechte 
am Almännbewalb. 

3) So Weller II. ©. 343. 

4) Stirpus = stirps Cod. Laur. N. 83 a. 790, 14 a.a. 801, 15 a. 860, 
ähnlich 48 a. 800, terra culta et inculta, Ross, p. 10. Häufige Robuugen noch 
Ende des IX. Jahrhunderts, Z. U.B. I. p. 61, Nro. 141 a. 880, proprietatem, 
quam labore proprio de incultis silvis exstirpavi. 

5) ©. unten ©. 476f. v. Inama-Sternegg I. S. 207, Lampredt D. W. L 1, 
©. 123; ſchwache Anfänge der Forſtwirthſchaft, Rofcher II. S. 501. 

6) Meiten I. ©. 476, 477, 487. 

7) ©. 487. 


469 


tung ift bier legitimum, in ber fpäteren Bezeichnung: „ehehaft“: 
3. B. ehebaftes Weiderecht, aber auch ebehaftes Gut. Eine hoba 
mit einem »legitimum curtile« ift ein Gehöft, anerkannt als aus» 
gerüftet mit allen hergebrachten Rechten in und an ber Almännbe ober 
Marti). 

Eine casata legitima2) ift ein Grundſtück mit Wohnhaus, 
welches die Rechte an der Gemeinde⸗Mark hat?). 

Eine arealis (sc. terra)‘) legitima ift ein (in dem Recht ale 
Sonbdereigen anertanntes?) mit ven Rechten an ber Mark ausgeftattetes 
Grundftück mit Wohnhaus (casa) und Speicher) (eine arealis vacua 
ift ein Grundſtück ohne Gebäude [dagegen arealis cum aedificio con- 
structa]), ebenſo eine molina legitima, d. h. eine Mühle an einem 
Platz im Rhein) ift eine „bereite“, d. h. mit allem Verfehene, leiftungs- 
tüchtige Mühle. 

Die portiones der Schenker »in villa« find bie Sonbergüter, 
vielleicht auch bie Antheile an ver Mark”). | 

Daher mag man fagen: „meine Errungenfchaft mit all ihrer 
Marl”, d. h. mit all ihrem Mark⸗Recht, mit allen Nußungsrechten, 
3. B. einer Neurodung an der gemeinen Mark). 

Daher werben neben den nemora propria oft bie usus saltuum 
communium vergabt). 

Da die Mark großentheild aus Wald befteht, werben Mark und 
Wald auch verbunden 19). 

Aehnliche Bedeutung bat die Unterfcheidung von silvae und sil- 
varum marchae, d. 5. Wälder im Sonbereigen und Nußungen an 
den Mark⸗Wäldern 11). 


1) W. U. J. 160, Neug. I. 543, 885. 

2) ©. oben ©. 4377. 

3) Neug. 599 a. 891. 

4) Bol. ariola 1. c. 169 a- 711. oben ©. 442. 

5) Granica = granea, franz. grenier, Du Cange N. p. 98. 

6) Zeuß, W. 167 (ohne Jahr) eine molina parata. 

7) Zeuß, W. 137 a. 756, Portionem meam in Gerlaigovilla 145 a. 756, 
d. 5. auch in ber zugehörigen Marf. 

8) W. U. I. 60, Neug. L 155 a. 808. 

9) Coll. F. Sang. 8. 

10) Silvae marka; baneben fteht ber Hof, curtile, Nengart 284 a. 838; 
marca silvae, Martwalb, auch vita St. Trudberti co. 14. 

11) Reng. 608 a. 909, ebenfo 570 a. 886, ebenfo silvis propriis et usu 
communium (b. 5. ber Genofien) 651 a. 904. 


470 


Daher kann ber Schenker an einer marca silvatica — Marl: 
wald — drei Theile nur von feinem Antheil verjchenken !). 

Sogar zu einem Weingarten und Wältchen gehören von Rechts- 
wegen marchae). 

Den Markgenoffen fteht gemeinfame Nutung zu an ber Marl, 
aber nicht am benachbarten Krongut: bahin gehörten an Wäldern außer 
dem Holzungsrecht (ligna aut materiam caedere, d. 5. Recht auf 
Hau und auf den Bau) das Yagdrecht?). 

Eine aufßerorbentlihe Verſammlung von Bornehmen, Fiscal 
beamten und Gemeinfreien berufen Königeboten, missi regis, Ludwigs 
bes Deutichen a. 871, behufs Vertheilung einer beftrittenen Mark 
unter dem Fiscus und ben privaten Grundeignern der Nachbarfchaftt:. 

Die Nugungsrechte der Gauleute an verſchenktem Krongut müffen 
ausdrücklich ausgefchloffen werden: — alfo beftanten fie gar häufig — 
nur bittweife mögen fte folche üben>). 

Diefe Nutungsrechte an der gemeinen Mark waren für ben Land⸗ 
wirthfchaftsbetrieb fo werthdoll, ja jo unentbehrlich, daR fie bei Grund⸗ 
veräußerungen ganz regelmäßig als mit veräußert angeführt werben ®). 

Der hohe Werth des Antheild an ber Marknutzung erfcheint im 
einer Urkunde, die jagt: „jenen Zins (an Sanct Gallen) habe ich unt 
bat mein Gejchlecht deßwegen übernommen, bamit wir Verkehr (fa- 
miliaritas) und Gemeinfhaft an den übrigen Gütern Sanct Galle 
baben bürfen, an ben Weiden, Wegen, Wäldern und andern Nutungen 
(utilitatis).” Gedeihen, ja Möglichleit der Wirthichaft beruhte auf 
ſolchem Antheilsrecht?). 

Daher wird bei Veräußerungen ganz vegelmäßig neben dem Be⸗ 
ſitzthum in dem Dorf oder Gehöft das in ber zugehörigen Mark auf 
bas Genauefte angeführt). Aber es wird auh wohl — kürzer — 


1) Zeuß, W. 69 a. 824 tres partes de illa marca silvatica portione 
videlicet sua. 

2) D. b. wohl Rechte am der gemeinen Marl, Neug. 554 a. 885. 

3) Coll. F. Sang. 10. 

4) Coll. F. Sang. 10. 

5) Coll. F. Sang. 5. 


6) F. Sang. misc. 18 und oft. usum lignorum vel materiae, pascuarium 
[Metberecht] in communi marcha sicut mihi et progenitoribus meis competit. 


7) W. U. I. 138. a. 866. 
8) Neug. 512. a. 888 und faft im jeber Urkunde. 


471 


gejagt: „Alles, was ich in jener Mark eigne” 1), wozu dann auch bas 
in ber villa oder ber curtis Befefine gehört. 

Gegenüber ter mit Nutungsrechten ber Märker befchwerten Mart 
wird ber Umfang des von folchen Nubungen völlig freien, bier in 
biefem Sinn „immunen“ 2), Kronlandes durch Inquifitionsverfahren®) 
feftgeftellt; nur precario etwa mag durch Sonbervertrag eine folche 
Dienftbarkeit für den Nothbebarf eingeräumt werben von dem Kron⸗ 
beamten ®). 

Wie Rechte an der Almännve Tönnen auch Laften, Pflichten 

gegenüber ver Gemeinve®) an die Hufe gebunden fein: fie wird gewiffer- 
maßen wie ein Nechtsfubject angejehen, zumal die Pfarrhufe, ver 
Widem, ohne es boch zu fein; aber ver Bebauer hat um ber Hufe 
willen, für die Hufe, wie Rechte fo Pflichten. 
Auch die ganze Alpen» (Almen-) Wirthichaft in der Schweiz, im 
Allgäu (ebenfo in Ober⸗Baiern und Zirol)®) beruht auf dem Al« 
männbeiyften”). Ausprüdlich werden als mit vermacht die Almen an- 
geführt). Doch fällt die im Ganzen feltene Erwähnung von Almen ) 
auch im Gebiet der Schweiz und andern Hochlands auf: offenbar ge- 
hörten fie meift als Almännvetheile zur Mark der im Hochgebirg 
häufigen Höferichaften. 

Freilich feheint die Benugung ver Almen bis in die Hohenftaufen- 


1) 1. ce. 524. a. 881. 

2) Die immunitas regis a. 871 Coll. F. Bang. 10 iſt bie Freiheit bes 
Kronguts von allen Nutungsrechten ber Märler. 

3) ©. oben ©. 307f. 

4) Coll. F. Sang. 10, gemeint ift ber fiscaltfche Actor, |. Könige VI2 ©. 343. 
VIII. 3. ©. 151 und oben Amtshohelt S. 262f. 

5) Nicht nur gegenüber dem Stat, Könige VIII. 5. ©. 75—101; 122. 

6) „Alpen“ d. h. Almen im Binftgau, Venusta vallis, Neng. 597. a. 890, 
ber aber nicht von venustus, fonbern von ben Benoften heißt. 

7) Meiten I. ©. 479; Ktem, bie Alpenwirthſchaft in Obwalden, Geſchichts⸗ 
freund XXL ©. 168; von Inama⸗Sternegg, Unterfuhungen über das Hofſyſtem 
im Mittelalter in befonderer Beziehung auf Deutſches Alpenland 1872 vgl. 
flatiftifche Monatsfchrift IX. 1883), Über bie ſchweizeriſchen Alpengenofienfchaften. 
Heusler I. &. 303. v. Miaskowsky, die Agrar-Alpen- und Forfl-Berwaltung ber 
Deutihen Schweiz 1878 ©. 12f.; bie ſchweizeriſche Almäunb in geichichtlicher 
Entwidelung, Schmollers Forſch. III. 4. 1879 vgl. Über Die burgundiſchen Alpen 
L. Burg. tit. 28. 

8) Im Teftamente Tello's p. 17. 

9) Die alpes neben ben silvae Neug. 373 a. 858 find wohl Almen f. oben 
©. 469; andere Weibegründe im Thal Ross p. 2. 


472 


zeit eine fehr ungeordnete gewejen zu fein!) Gefeke und Urkunden 
berichten nicht eben viel davon?). Sie werben ausprüdlich als Zu 
behörden neben marchae, prata, campi?) genannt. Einmal wir 
1/5 des Käs⸗Ertrages und des Graſes von Almen (alpes) verkauft 
und die ganzen Almen werben (zu Eigen?) übergeben‘). 


10. Dienftbarleiten. 


Die Nutungsrechte der Gemeinvegenoffen an ber Almännde?, 
beruben auf gemein-germanifchem Gewohnheitsrecht, anf ber Dorf 
verfafjung, oft auch auf befonverer Sakung, bie jene® Allgemeine 
für den Einzelfall beſtimmt bat. 

Sanct Gallen zählt die ihm zuftehenden Nutungsrechte auf: je 
nach Bedarf Waflerfhöpfung, Ziegelbrennen, Holzung, zumal aud 
von Schiffsbauholz für bie Fahrt auf dem See von Ludwig I. bis 
Arnulf a. 890, ausgenommen gewifje beſonders genannte Wälder, tie 
im Banne des Königs find‘); der neue Graf des Linzgaus will has 
Klofter all diefe Nutungen fortab nur noch gegen Pachtgeld ausüben 
laſſen. 

Daneben ſtehen Grund⸗Dienſtbarkeiten und Reallaſten7) verſchied⸗ 
ner Art, die durch Vertrag, Erſitzung, örtliches Gewohnbeitsredt, 
auch etwa burch Reichsgeſetz eingeführt finv®). 

Waldnutzung an einem an bie Felder (campi) ftoßenden GBehälz 
baben die Slofterleute je nach Bebarf?); fie bürfen auch ihre Scheit- 
und Bau-Holz (ligna et maderame, sic) ſchlagen und bei genügen 
ber Eichelmaft die Schweine eintreiben, aber nicht frembe. 

Der König räumt dem Gefinde (familia) einer Kloſtercella das 
Recht ein, Bau- und andres Holz zu fällen und das Recht der Vieh: 


1) Meiten I. ©. 480—485. 

2) Schatmann, bie Alpenwirtbichaft in ber Lanbichaft Oberbasli, Schweize⸗ 
riſche Alpenwirthſchaſt II. !feit 1859). 

3) Neng. 553. a. 885. 

4) Cod. Trad. Sang. 103. N. 172. a. 803; ebenfo Wartmann I. 174. 
Zweifelig, ob wilare auf bem Säntis eine Sennhütte? So Neug. 447. a. 868. 

5) Oben ©. 466f. 

6) Mohr I. N. 35. p. 54. a. 890. 

7) Ueber biefe Zinfe und Frohnden ſ. unten. 

8) Könige VII. 3. &. 176. VIU. 5. ©. 75. 

9) Neugart 1. o. 72. a. 779 quantum possent exartent in eorum com- 
pendio; Neugart meint Abjchnitt, aber doch wohl eher zu ihrem Nutzen, Bebarf. 


473 


weide in dem Kronwalb für die Rinder, Schafe, Schweine und 
Ziegen, bie zu dieſer cellula gehören, ähnlich wie das Weiberecht an 
der Almännde auf bie im Dorf gehaltenen Thiere ſich beichränft!). 

Holzungsrechte werden unterſchieden: Brennholz?) und Bauholz 
für Zäune und Gebäude), „Recht auf den Hau und Bau“. Ber: 
tragsmäßiges Holzungs- und Bau⸗Recht in fremdem Wald befteht 
entgeltlih, ausnahmsweife unentgeltlich 9). 

Ein Wegerecht beftebt nur „bei ofjner Zeit“ 5). 

Das Recht darauf wird z. B. durch Zeugeneib im Inquiſitions⸗ 
verfahren feftgeftellt ®). 

Die Fleifchnahrung beftand ganz überwiegend in Schweinefleifch: 
daher fpielt auch bier wie bei Goten und fonft im Meich?) bie 
Schweinemaft?) in fremden Eich- und Buch⸗Waldungen eine hoch 
wichtige Rolle. 

Die Zahl der zu mäftenden Schweine wirb feftgeftellt®). 

Das Recht darf oft nur in Jahren reichlichen Eichelertrags aus⸗ 
geübt werben: e8 ift an beftimmte Hufen gefnüpft!‘. Oder auch bie 
Maft beſchränkt fi auf die im Hof!!) erzielten, „fo oft es Eichel- 
lefe giebt.” Es wird regelmäßig dafür (porcos crassare) ein Pacht. 
zin® bezahlt, einem Klofter aber erlaffen 12). 


1) W. U. I. 132. Neng. I. 394. a, 861. 

2) Cod. Trad. Sang. 419 in silva usus ad focos N. 718. 

3) ad sepes et ad aedificia. 

4) Zeuß, W. 196. a. 787. 

5) ad illu (sic) tempus quando ad ipsu (sic) agris (sic) vadit sine 
damno Wartmann I. 296. a. 825. 

6) Neug. 596. a. 890. 

7) Könige VO. 3. &. 147. Weſtgot. Studien ©. 97. 

8) Esca (arg.: et erba) Cod. Trad. Sang. 398. N. 685. a. 896 anbermärts 
ein Adermaß [?] eine „Efie”, d. b. Fütterung [?]. Daher heit es von einem 
Walde geradezu: zur Schweinemaft, ad pastum porcorum F. Sang. misc. F. Sang. 
mise, 4. 

9) Kartular von Rheinau 21. a. 888. 

10) Reug. 462. a. 871 ad unamquamque hubam decem porcos saginandos 
in proprietate mes... quando ibi glandes inveniri possunt. Daher quando 
esca est, poreum solido valentem et quando esca non est, arietem bonum 
Neug. N. 54. vgl. Könige VII 5. &. 123. Friſchlinge find bald bebingungsloß, 
bald nur dann zu Liefer, wenn bas Jahr Eichelmaft gewährt. Vgl. F. Aug. B. 17. 
sive escas in anno flat, sive non fiat mit Wartmann I. 58. a. 770. 

11) Cod. Trad. Sang. VI. 419. N. 718. a. 905, wie auch fpäter nur über 
wintert Vich Recht auf die Sommerung hat. 

12) Zenß, W. 196. a. 787. 


4714 


Sanct Gallen erhebt bei Verona — fo weit verftreut lagen ber 
Kirchen Güter und Rechte!!) — das glandaticum, d. h. tie Gebühr 
für Verftattung der Eichelmaft in den dortigen Klofterwälbern 2). 

Lehrreich ift die Vergleichsverhandlung betreffend das Holzunge, 
das Schweinemaft- und Viehweide⸗Recht an einem Klofterwalv?); es 
frägt fi, ob jene Befugniffe ven Berechtigten (»cives« d. h. ben Nach⸗ 
barn, Gaugenoſſen) zuftehen aus eignem Recht oder als vom Kloſter ge- 
währte Precarien. Auf Gebot des Königsboten*) werben aus den Gauen 
je 10, 7 und 6 Vornehme, bie nächſten Nachbarn — (und primores; 
— gewählt und vereidigt. ‘Diefe gränzen dann die Streden ab, auf 
welchen nur mit Erlaubniß des Abtes jene Nußungen geübt werben 
bürfen, und jene, auf welchen fie alle Gauleute ebenfo üben bürfen 
wie bie Klofterlente (familie), jedoch unter Aufficht des Kloſterförfters. 
ber fie von wüften Mißbrauch — zu der Leute felbft und des Kofters 
Schaden — abhalten foll; bei Ungehorſam foll der Hlöfterliche Verwalter 
bes Ortes (ber provisor = procurator, nicht der Förfter) den Grafen 
oder den Vicar und bie andern (betheiligten) proceres anrufen, bie 
Nuger zum Recht zu verhalten; nügt auch das nicht, erfolgt Berufung 
an ben Saifer®). 


11. Andere Frucht und Cultur⸗Arten: Garten, Obfl- und Wein⸗Bau. 
Waldungen. Berg und Salinenweſen. Wieſenbau. 


Bohnen⸗, Linſen⸗, Erbſen⸗, Wicken⸗Bau iſt ſpät bezeugt®), aber 
als viel Älter anzunehmen. Solche „Schmalſat“, auch Hirſe, Rüben, 
Kraut, Kohl, Flache und Hanf wurben von jeher, aber nicht im Pilng- 
land (Echt), im Garten oder im Bifanc angebaut”). 

Der Garten am Haufe wirb der älteften Zeit gefehlt haben‘, 


1) ©. unten Kirchenvermögen. 

2) Neugart 179. a. 813, 814. 

3) Form. Sang. mise. 9. 

4) Unter Karl, nicht unter Arnulf, fo richtig Zeumer 1. c. 

5) Aehnlich notieia 10: ber Erbe eines Grafen ruft von überall her bie 
cives = pagenses zufammen: durch Eid und Bürgfchaft wirb feftgeftellt, daß bie 
von ihm beanfpruchten Güter von je feinen Vorfahren geeignet, dann zu Beneſicies 
gegeben und von bem jeßigen Beſitzern zu Unrecht als Eigen in Anſpruch ge 
nommen find; fie werben zu Herausgabe Aller verurtbeilt, ber Sieger beläkt 
ihnen aus Mitleid einen Theil. 

6) NReugart 125. a. 797, wenn nicht flatt siliga, siliqua, salica zu leſen ik. 

7) Heyne IL ©. 17. 

8) Senne II. S. 62—120. 


475 


nicht fehlt er der Lex Alamannorum, und gebricht der bildenden 
Kunſt der Zeit das Pflanzenzierftüd, fo beweilt das Zauber» und 
Heilpflege-Wefen doch von jeher die Beachtung der Pflanzenwelt!). 

Daß das Gefe der Obftgärten gejchweigt2), beweift doch nicht 
beren Mangel z. B. im Elfaß?), in der Südſchweiz“). Das Pfropfen 
(propinare) hatte man fchon von den Römern gelernt. 

Spuren bes (römifchen) Weinbaus fehlen in Württemberg), Wein- 
bau ift aber bier Ende des VIII. Jahrhunderts (a. 766) vielfach be» 
zeugt ). Das Getränkmaß war wie des Bieres, der Preis doppelt. 

Im Elſaß werden gar oft Weingüter erwähnt”). 

Geprieſen wird der ſtarke Elfaffer Sigoltsheimer Wein). 

Weinberge im Thurgau find fpäter häufig?). 

Weinbau am Bodenſee wie im Thurgau bezeugen auch die Zinſe 10). 

Nebgärten zählen zuweilen fogar zur Almännde, meiftens aber 
nit 11). 

Bei der hoben DBebeutung der Viehzucht war ber Bedarf an 
Wiesland groß. Aderland (territorium arabile) wird nach Sochen, 
Wiesland nach Fuhren (carradae) berechnet 12). 


1) Ueber die Wichtigkeit der Obſt- und Baum-Zucht für Befeftigung ber 
Seßhaftigfeit Schraber II. ©. 582. 

2) Stältn (8.) I. ©. 231. 

3) Hter 59. a. 773 umzäunte pomaria Zeuß, W. 16, 173. a. 820 und oft: 
Obſtbau in Württemberg erft (?) fett Anfang bes IX. Jahrhunderts, fo Stältn (S.) 
1.&. 169. Ein Obftgarten, pomerium, auch im Enzgau, Weinberge am Hänfigſten 
im Elfaß, bei Zeuß, W. Cod. Laur. N. 95. a. 812, im Gardachgan 213. a. 818, 
wo 243. a. 835? 


4) Neugart N. 7. 

5) Stälin (V.) I. ©. 105. 

6) Stälin (S.) I. S. 169. 

7) Zeuß, W. N. 2, 12. 52. a. 741, umzäunt Neng. 554. a. 885. 

8) Mon. Sangall. 22. ed. Yaffe p. 652. (»vinum abundat!« a. 882 
St. Gallen: annales brevissimi Ser. I. p. 69) bier wurben bie Mönche gar 
„inzängig”, |. das Lob des Elfäffer Weines bei Ermoldus Nigelus bajelbft 
a. 836. 

9) Neug. 606. a. 894. 

10) Neugart 225. a. 826: si fertilitas vini fuerit. Weinpflanzungen im 
Breißgau: unum plantarium vinearum Neugart 246. a. 830. 

11) S. oben ©. 402. 

12) Neug. 367. a. 857. 


476 


Auch einzelne Wiefen, pratae, haben ihre befonderen Flurnamen !) 

Kleine Wieſen find pratella?). 

Zwiſchen Pflugland, terra arabilis, Wiesland, pratum, und 
Waldland, selva, wirb genau unterfchieben, boch auch dies nach Hufen 
vermeſſen ?). 

Der alte Gränzwaldt) ift theils durch NRobung®) verichwunten, 
— aber erjt im VIII. und zumal im IX. Jahrhundert — zum Teil 
Almännde-Wald, zu erheblihdem heil Großmark geworben®). Un 
dem Dorf-Almännde-Wald”) haben bie Dorfgenoffen, an dem Groß— 
markwald deren Genofien, d. 5. in beiden Fällen nur die Hofeigner, 
Nutzungsrechte. 

Auch in zwei Marken kann derſelbe Mann Rodrechte an Wäldern 
haben s). Wald und Sumpf bedeckten noch im X. Jahrhundert weite 
Strecken des Landes?) 

Die Robung wird befonders auch von ben fleißigen, zur Arbeit 
verpflichteten Benebictinern betrieben: fo wirb ein Walpftüd dem Kloſfter 
überlaffen „um einen Anger (Wiesanger?) daraus zu machen“ 10). 

Zwei stirpes ad exstirpandum 1!) können nur zwei abzuholzende 
Wald ſtücke, nicht blos zwei Stämme fein2). 

Den Gegenfag zu jenen Almänndewälbern bilden im Sonbereigen 
ſtehende 13) des Königs, des Herzogs, ber Kirchen und weltlicher Privat⸗ 


1) Neug. 451. a. 868 prata quae dieitur maraha, prata quae dieitur 
Chela. Raſen, quod Alamanni zurf, corvo (Torf) dieunt.L. 81 (184; p. 145 
bier im Text, nicht in Additamenta. 

2) Zeuß, W. 127. a. 820. 

3) Neugart 296. a. 839 (wa8 heißt huba de silva esiimata? wohl = 
mensurata, ebenda 426. a. 871 vgl. Cod. Lauresch. 414. a. 766). 

4) D. ©. Ia. ©. 168. 

5) Robung durch Walbbrand, Fraas S. 720f. 

6) Oben ©. 459. 

7) Walbbeflg ber Dorfgemeinden, v. Berg 8.116. Reinharbt J. ©. 42. 

8) Cartul. von Rheinau 8. a. 860. 

9) Ueber Verbreitung unb Namen ber Wälder Arnold, Anfiebelungen S. 49, 
ber Sümpfe ©. 512. 

10) Zeuß, W. 197. a. 787 ut faciatis unum angrum. 

11) Zeuß, 186 [a.?] 

12) Du Cange VI. p. 601 fehlt biefe (duas stirpes ad stirpandum: 
Bebentung. 

13) Neng. 554. a. 885 silvulam . . aliorum potestate segregatam, wie ein 
umzäunter Weingarten. ©. bie ſcharfe Scheidung von Privat: unb von Mark 
Wald Form. ed. v. Wyß, N. 3, N. 26, ebenfo bie Theilung von Krom, Ge 
meinde⸗, Biſchofs⸗ und Klofter-But 32—39. 


477 


leute: ſie alle können, müſſen aber nicht Bannwälder ober eingeforitet 
fein. Ein Walbregal beitand bier fo wenig wie anberwärts !). 

Zwifchen silva und forestis wirb in ben Vogeſen unterfchieben?): 
legtere, silvae conservatae, find nicht „geichonte”, fonvern eingehegte 
Wälder?), gleichbeveutenn fteht forstis (sic) perfecta®). 

Auf Sonder- wie auf Almännde-Wältern mag die Dienſtbarkeit 
ber Schweinemaft Tiegen?). 

Dft blieben zumal Wälver wie andere Grunpftüde‘) unvertheilt, 
wurden gemeinfam beſeſſen und bewirthichaftet (von Miterben): das 
war wohl häufig wirthichaftlich vortheilhafter?). 

Auch bier?) begegnet nicht die Spur eines Schattens eines 
Scheins von Berg⸗ oder Salinen-Regal: durchaus nicht fiscalifche, 
ſondern Höfterliche 3. 3. — von Condate — werben oft erwähnt ?). 

Gleichbedeutend mit patella, Salzpfanne, fteht stadivum 19). 

Bedeutend war die Salzeinfuhr aus Baiern, Tirol, Salzlammer- 
gut11). 

Bergbau auf Erz, Kupfer, Eifen warb betrieben im fränkifchen 
Schwaben, auf Silber in Württemberg 12). 


1) Könige VIIL 5. a. a. O. 

2) Zeuß, W. 192. a. 713, ähnlich 196. a. 717. 

3) Neugart 244. a. 830. 

4) Zeuß, W. 1. 

5) Zenß, W. p. 11. N. 4. silva . .. . ad porcos crassare. 

6) Oben ©. 352. 

7) Coll. F. Sang. 10. 

8) Bel. VOL 3. ©. 79. VIII. 5. ©. 109. 

9) Karl III. a. 854. Bouquet VIII. p. 394 bei Pont d’Hery, salinae 
Eriensis, ſ. vita St. Eugendi, geft. a. 510 p. 161. Kochfalz holten jene Mönche 


aus Furcht vor den firaßenränberiichen Alamannen nicht ans biefen nahen Salz 
werfen, fondern vom Mittelmeer ber. 


10) Urkunde Karls des Einfältigen von a. 903. Grandidier II. p. 316. vgl. 
Du Cange VII. p. 571 (= sedes), Schuß des Kloſters gegen künftige, wohl zumal 
Laienäbte. 

11) Zirol: (Hall, Monum. Boica 31, 79). 

12) Stälin (V.) a. a. DO. Ein Eifenerzbergwert bei Füßen Rudhart S. 343 
(aber viel Legendenhaftes Über Sanet Magnus ©. 341). 


478 


12. Biehzucht i. 


Lange Zeit war neben, ja urſprünglich weit ver Aderbau?) Vi 
zucht die Gruntlage®) der Volkswirthſchaft der Alamannen wie 
Sermanen: (Marimin (a. 235—238) und Probus (276—281) tra 
ihre zahlreichen Herden weg). Flavius Vopifens* nennt (c. a. 3 
beite: jene wohl am Nedar, biefe auf ter Alp. 

Anfprechend vermuthet man ®), bie erftaunfich hohe Buße für Vi 
biebftahl (auch in ber Lex Rib. tit 18, 36) berubte auf der Schwien 
feit der Bewachung bes hirtenloſen Viehs der Einddhöfe. 

Auch in Tarolingifcher Zeit findet fi) noch Häufig ein Ueberwi 
ber Viehzucht über ven Ackerbau, auch abgeſehen von ver Alpenwi 
ſchafte), und zwar Kleinvieh felbftverftändlich viel zahlreicher”), a 
Rinder und Pferde. Der Hirt wird vom Recht fchärfer geſchö 
und vom Verkehr höher gewertbet, als andere Knechte. Dem unfram 
Schaf- und Schweine - Hirten kommt das gleich hohe Werthgelb!) J 
wie dem Seniſkalk, Mariflalt und den feineren Handwerkern, 2. 
bem Golb- over Waffen- Schmied. Auch vie reiche Fälleglieverung be 
Thierverlegungen beweift die hohe Bebeutung ber Viehhaltung: te 
Weide gewährte die Almännde und die Großmark in Wal un 
Wiefe; eingehegte Zufluchteftälle in den Walbungen heißen puriae. 
Caulae find PViehftälle, eigentlih nur Schranten?). Pflege und gute 













1) Roſcher I. &. 477. 

2) Caeſar B. G. IV. 1. Strabo VIL 1. 8 3. 

3) Bgl. Meitzen I. a. 459. Ueber ven Uebergang von Überwiegenber Fleiſch 
zur Pflanzen-Nahrung vgl. au Schraber II. &. 573, über Viehzucht, Hackbau und 
Aderbau, vor ber Seßhaftigkeit I. ©. 11. Heyne, das Deutihe Nahrunge 
mejen. 1901. 

4) 0. 13, 14. 5) Meiten I. ©. 566. 

6) Meigen I. ©. 479. vgl. oben ©. 471. 

7) Ueber das hohe Alter und bie allgemeine Verbreitung ber Schweinemef 
in ben Almännde- und andern fremden Wälbern oben ©. 473 unb Cxrem 
©. 50. 

8, Oben S. 207 (capitale, f. Unfrete). 

9) v. Rodinger p. 211. Du Cange III. p. 432. L. 68 (75) p. 135. Gloss 
addit. 9 sueige, Schwaige, heute noch in baieriſcher Mundart ein Biehhof: z. 8 
Menterichweige bei Münden vgl. Schmeller, Baier. WB. II. ©. 627; f. vi 
geſetzliche Werthung ber verfchlebenen Thierarten. Im Jahre 762 zählt man ü 
Einem vicus 589 Häupter verſchiedenen Viehs Stälin (B.) L S. 398; Ak 
Bienenzucht, Wachs und Honig VIII. 5. &. 82; (mehr ale 8 Fäfler Honig jährlit 
für Reichenau), Honig gehörte zur Oſtarſtuofa VIII. 5. &. 102. Könige VIII. : 

&. 102. 


4719 


Fütterung werben eingefhärft. Erwähnt werden Mäftung von Schafen 
mit wohl gelüftetem Getreide (ventilamen) und deſſen Mifchung mit 
Salz!), von Schweinen mit Roggen fowie mit Sigala?) und Gerfte, 
„Berauſchung“ (inebria illum) mit einer Mifchung von Mebl und 
Thierfutter?), von Geflügel mit Gerftenmehl, Ein edles Roß foll nicht 
mit Schalen von Bohnen und Widen ober mit Cichenblättern‘), 
fondern mit Waizen (far) gefüttert werben). 


Deräußert werben ganze Herben®) von Stuten, Rindern, Schafen, 
Ziegen, Schweinen mit Hengft, Stier, Hunden und ihrem unfreien 
Hirten”); ebenjo gehören zum Wagen und feinen Pferden vie Fahrer 
und die Fußläufer (pedissequi)®). Peculium tes Herrn ift der Vieh- 
ftand des Hofes). Kine halbe Stuteret (equaritia) (und eine ganze 
Küherei, vaccaritia,) werben verſchenkt 10). Jede Viehgattung hat ein 
höher gewerthetes Leitvieh!). Der Beichäler wird auf wenigftens 
12 sol. gewerthet und 8» (ober 9) fach erfett 12); ebenfo die Mähre 13), 
bie wieder vom caballus medianus unterfchieden wird 14. Einen 
ſolchen guten Zuchthengft läßt fich ein italtenifcher Biſchof aus Con⸗ 
ſtanz ſchicken 13). 

Neben gewöhnlichen Pferden werden für eine Wallfahrt nach Rom 
Saumroſſe mit voller Ausrüſtung erworben 1%). Zur Reiſe der Roſſe 


1) Coll. F. Sang. 35. 

2) Du Cange VII. p. 471. 

3) Du Cange III. 634, 3. B. auch Hundefutter, eine Art Meiſche⸗ 

4) Ober „Cerrae“ blättern? fehlt bei Du Cange. 

5) Coll. F. Bang. 40. 

6) Das Wort troppus (T. 72) für Herbe iſt wohl Bulgärlatein, neufranz, 
troupeau vgl. Du Cange VIII. p. 194. 

7) Coll. F. Sang. 12. ductores (auch Leit-Thier). 

8) ad essedam |. oben ©. 459, v. Rodinger S. 211, Wyß, alam. Formeln 
16. N. 36. 

9, Wartmann 1. 283. a. 824 excepto mancipios meos et peculium meum. 
peeuniis ftatt peculiis fleht oft offenbar verfchrieben, auch Cod. Trad. Sang. 98. 
N. 164. 

10) Neug. 324. a. 849. 

11) T. 72. 

12) L. 61 (69) p. 131. admissarius. 
13) &. Grimm W. B. VI. ©. 1467. 
14) L. p. 132. Du Cange V. p. 320, 
15) Coll. Form. Sangall. 39. 

16) Neugart I. 12. a. 744. 


480 


nah Rom gehören auch Deden von Häuten (rufiae) und Filz (Alte 
jowie Sattelgurten (stradurae)!). 

Die alamannifchen Rinder find ftattlicher als bie in Noricum 
und follen gegen dieſe eingetaufcht werben?). 12 Kühe und cm 
Zuchtftier bilden zufammen eine Herde). Die Leitluh (ductrix) wit 
auf 12, die gewöhnliche Melkkuh auf 6, die Galtkuh auf 3 sol ge 
werthet und vom Dieb Yfach vergoltent); für hKerbeigeführten Zfır- 
abortus 1 sol.; jeltfam find die Beftimmungen über rechtämitrz 
Pfändung einer Herbed). 

„Herden und Schweine“ werben unterfchieven, erftere umfafle 
alfo (Hier) dieſe nicht‘). Die Schweineherve befteht aus 4 Stud; in 
(unfreie) Hirt muß einen abgerichteten Hund (canis doctus), ein Het 
und einen Untergebenen (junior) haben: dann beträgt fein Werthgit 
40 sol.?); der orbentlihe Schafhirt bat 80 Schafe feines Herccu“ 
Suetqua find Schweineweiden 9). 

Ueber die Schweinemaft in den Eichen» und Buchen⸗Wäalden 
f. oben ©. 473. Es wird auch wohl „fo viel Wald“ zur Möftn 
gewährt, als für 20 Schweine genügt 19). 

Zuweilen wird das Geflügel (volucris) (auch gemäftetes) ar 
trüdlich genannt1!); außer Gänfen, Hühnern, Enten werben auf ans 
Edelhof auh Pfauen erwähnt 12). 


1) Neugart 1. c. 12. a. 744. 
2) Cafftobor III. 50. Könige III. ©. 161. 


3) Vaccaritia, Glosse addit. Wie bei ben Norbgermanen (z.B. „ein de 
gehört eine beſtimmte Zahl zum Vegriff einer Geſammtheit: fo hat aber auch X 
richtige seniskalk wenigftens 12 Vaſſen im Haufe bes Herrn unter ſich. L 
75 seq. ©. 135. 


4) 1. c. 65 (72) p. 133. 

5) 1. c. 67 (73) p. 133 oben ©. 361 über das Werthgelb bes nuhe® 
Rinder, Schweine, Schafhirten ſ. S. 207. 

6) Zeuß, W. 227. a. 718. Ueber Herbenteht L. IL 76. IIL 101. 98 
brüggen, Iangob. Strafreht ©. 143. 

7) L. 71 (78) p. 138. 

8) 1. ec. 72 (79). 

9) Neugart 13. a. 744. Du Cange VIL ©. 647. 

10) Zenß. W. 146. a. 747. 

11) Coll. Form. Sang. 8, 9. 

12) Oben ©. 459. 


481 


13. Jagd i. Fiſchfang?). 

Selbſtverſtändlich galt auch Hier?) ver Grundſatz ver Jagdfreiheit!), 
d. 5. ber Grunbeigner Tonnte vermöge feines jus arcendi alle Anvern 
abhalten, fein Grundſtück zu betreten und bier zu jagen; er allein 
hatte alfo die Möglichkeit, bier zu jagen; in dem Almännde und in 
vem Gränz- Wald beftand urfprünglich unbefchränttes Jagdrecht aller 
Almännde- Berechtigten). 

Bären, Wölfe, Wildeber find häufig und zu fürchten). 

Die Jagd auf Ure, Bären, Wölfe, Wilpfehweine, Hirfche, Gemfen, 
Rehe warb eifrig betrieben. Die Arten ber verwendeten Hunde werben 
im Geſetz verſchieden gewerthet; zahme Hirfche?) bienten wohl zur 
Anlodung der zu fangenvden oder zu erlegenden; Sperber und Habicht 
ftoßen auf das Wildgeflügel. 

Die hohe Werthung der Jagd und ber Jagdhunde zeigt das Ge- 
fe in ber Unterjcheivung vieler Arten und Zwecke: da begegnet ber 
Hatzhunds) und zwar ber erfte Läufer), und ber zweite, der Leit- 
hund 10), ein guter Eber- oder Bären-Hund, oder ver Kuh over Stier 
faßt, ver Windhund, veltrus!!), der Hirtenhund, der den Wolf beißt 12) 
und das Thier ibm aus dem Rachen reißt und auf erhobenes Gefchrei 


- Bis in bie zweite und dritte Villa rennt, der Hofhund, der ben Hof 


‘s 


vertheidigt. Die Schätung fteigt von 3 bis 12 sol., während das 
Werthgeld eines gewöhnlichen Unfreien auch nur 12 sol. beträgt; wer 
ben Hofhund töbtet, zahlt 1 (oder 37) sol., wenn er nicht feinen Noth- 


1) Thudichum, Sauverfaffung ©. 315. 

2) Roſcher II. ©. 468, Wafferreht p. 42. Ross, p. 45. 

3) Könige VII. 3. ©. 81, 94. VIII. 5. ©. 109122. 

4, Dahn, Grundriß ©. 103. Rechtsbuch S. 165. 

5) Bgl. oben ©. 470. 

6) Bei Sanct Gallen Vita St. Galli p. 7 o. a. 650; p..9 bas hübſche 
Bärenwunder bes Heiligen. 

7) Mit und ohne Fußſchelle L. 96. p. 154, treudis; fehlt bei Du Cange. 


&. oben ©. 332. 


8) seusius f. Grimm W.⸗B. IV. 3. S. 1274, Hetzhund, romaniſch segugio 
Die W.⸗B. L ©. 290 (L. Burg. segutius, L. Baj. canem seucum, quem leiti- 
hund vocant, ſpaniſch sabueso, nicht von secutus, nicht Sause-hund wie Müllenhoff 
bei Wait zur L. Sal. &. 293, von Segusium, Susa fo Diez. [?] 
9) cursalis qui primus currit. 
10) doctare II. duotore] qui hominem ducit. 
11) Glossa 30 uuindus, f. Die 1. c. I. ©. 339, keltiſch. 
12) Addit. 9: bizit. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 31 


482 


ftand befhwört!): dann darf er ſich durch einen gleichiwerthigen jungen 
Hund, catellus?) löſen?). Uralt find die Beftimmungen eines 
Zufagest): bat er den Hofhund Nachts, da Alle fchliefen, währent vie 
Hunde bellend ven Vorhof (atrium) bewachten, außerhalb des Schattens 
des Zaunes5) getöbtet, fo foll er in Gegenwart bes Cigenthümers 
und bes Richters den Hund am Schweif erheben, ihn fo mit jeder 
Art von Früchten (Getreide) bejchüttene) und allein, d. h. ohne Ei 
belfer, ſchwören: „ich habe dies für mein Haupt bezahlt”, dann hat er 
nur dem Richter 3 sol. zu zahlen, geht im Webrigen frei aus”). 

Der Habicht, ver die Wildgans fchlägt, warb auf 3, ber ven 
Kranich fchlägt, auf 6 sol, gewerthet®). 

Die Fifcherei war in ben Klöftern und fonft für die Geiftlichen‘) 
bon großer Bedeutung wegen der Faftengebote 19). 

Theoverich der Große ließ fih Donaufarpfen und Rheinlacht 
kommen 11). 

Mühlen und Fiſchereien werben oft zufammen als Zubehoͤrder 
genannt 12). 


14. Haudwerke. 
Die in der Römerzeit reich entwidelten Gewerke, 3. B. Töpfereien, 
Ziegeleien, find ſchon beßhalb nicht fpurlos verſchwunden, weil nicht 
wenige Unfreie und Freigelaſſene, vie fie betrieben, im Lande bfieben, 


1) L. 78 (82) p. 143, über die uralte Erſatzform hiebei |. oben S. 340. 

2) Du Cange U. p. 224. 

3) Der aber (bon?) jugum transpassare taun: Addit. 9 »id est über 
soriten«: was heißt hier jugumP 

4) add. 18. 

6) extra umbram sepies. 

6) Ueber diefes uralte Maß ber Buße 3. Grimm N.A.e II. S. 2408. 

7) L. Cod. B. 82. add. 18. 

8) P. Fr. III. 14. V. 9. 

9) V. St. Galli p. 15 und an vielen Stellen: Ottern treiben bem Heiligen 
einen mächtigen Fiſch in bie oft erwähnten Retze. 

10) Das zeigt deutlich W. U. I. 108. a. 843 vgl. 112. a. 845: 4 demarios 
aut precium eorum in piscibus denis [sic]; f. ſchon bie vita St. Galli; über bit 
Fiſcherei⸗Frohn für die Klöſter ſ. unten Zins und Frohe. 

11) Cassiodor XII. 4. destinet carpam Danubius, a Rheno venist 
anchorago. 

12) Neng. 579. a. 888. 583. a. 839. 654. a. 905. 668. a. 909. 679. a. 9il. 
Ueber Wafferrecht, Ross p. 42, Geffden, zur Geichichte bed Dentichen Wafierreitl 
8. f. R-©.3 german. Abth. XXI. ©. 173 (gar keine Briontgeioäfier im der Uneit 
©. 181??). 


483 


wie bie Perfonen-Namen und heute noch bie zahlreichen Dunkelharigen 
und Dunkeläugigen bezeugen). 

Das Gefetz zeigt uns verſchiedene Handwerke im Betrieb: be- 
trächtliche, ziemlich reich geglieberte Arbeitstheilung hat bie alte Natural. 
wirthfcheft?) Tängft verbrängt; gewiß bat hiezu erheblich beigetragen 
das Beifpiel der Römer, das die Alamannen Iahrhunderte lang jen- 
feit des limes vor Augen batten, nach Durchbrechung bes limes aber 
das Berbleiben römifcher, von folchem Gewerk lebender Sclaven und 
Eolonen. 

Auch die Gräberfunde?) zeigen uns manchfache Gewerke in ar⸗ 
beittheilender Thaͤtigkeit. 

Unfreie Zimmerlente, Gold» und Waffenſchmiede werben fogar 
Öffentlich geprüft und exhalten dann für beren Herrn ein Werthgeld 
von 40 sol). 

Diele Haudwerker gelten Tpäter (na Marktrecht) als Kauflentes). 

Sanct Gallen verfügt im IX. Jahrhundert Über Schneider, 
Schufter, Mühlen [Waffer- und Hand-Mühlen]‘) und Müller, Bäder, 
Walter, Waffenfchmiede, Schildmacher, Bierbrauer, Glasbrenner, bie 
alle Wohnungen in ben Kloftergebäuben hatten”). Diefe find wohl 
meift Unfreie, aber nicht alle Handwerker find unfrei. 

Ein Klofter läßt fich von feinen Zinsbauern als Jahreszins zwei 
Schweine liefern; biefe Zinslente find nicht Unfreie®). 

Selten werben als Zubehörben Werkftätten (efficinge) und (fari- 
nariae?) genannt 19). 

Unklar bleibt eine Art ver offieinae, Werkanlagen, Werkftätten, 


1) &. oben S. 120. Stulin (B.) I. S. 107, ber mit Recht bie fafl uns» 
erflärliche Zahl von römiſchen Münzen, die man beftänbig findet, als Beweis für 
den Wohlftand bes Landes auführt: freilich mag biezu bie Erbeutung in bem 
ganzen III. und IV. Jahrhundert erheblich beigeſtenert haben. 

2) D. Geh. Ia. &. 156. Urgeih. I. &. 59. 

3) Hafles, Zobtenfelb S. 20. Stälin S.) L ©. 119. 

4) L. 74 (19) p. 139. 

5) Gothtin &. 437. 

6) Eine Mühle wirb (neben 2 Zagwerlen, jurnales) verſchenkt Cod. Laur. 
31. a. 791, ebenfo N. 37. a. 835. 41. a. 808. 235. a. 780; (ds Ort Mulnen 
== molendinum 154. a. 777) Mulinſtat 164. a. 775, tn biefem Codex häufiger. 

1) &. den Bauzif. 

8) Reug. 568. a. 866. 

9) Neugart 1. e. 10. a. 744. 

10) 160. a. 806. 
31* 


484 


als Zubehörbe oder Beſtandtheil, bie spurinia, al. spurina !) heißt. 
(Caldariae baneben find Keffel). 

Eine wichtige Rolle fpielen die Mühlen mit ihren befonters 
hiefür geeigneten?) Stätten: baher molinarem /ocum unum?). 

Mühlen waren einträglih: ein Mühlſtein, von ben Erben 2, 
werben als Jahreszins auferlegt*). 

[Mühlen werben oft Klöftern gejchentt5), eine Halbe Mühle 
Sanct Gallen‘). Aber ebendeßhalb werben Mühlen bei Schenfungen 
zumeilen vorbehalten”): fie waren wohl unentbehrlich für den Selbft- 
gebrauch und einträglich bei Uebernahme ver Mahlung für Anber; 
freilich gab es hiefür auch Gemeinde-Mühlen. 


15. Handels). Wege Märkte Werthungen. 


Seit den NRömertagen war ein wichtiger Markt Augsburg, ven 
damals fogar bie fernen Hermunduren regelmäßig befuchten ®). 

Der Zufammenbang ber Tirchlichen Meffen und ber Handels 
Meſſen d. h. Jahrmärkte 10) befteht auch hier umd beruht auf den früher 
erörterten Grünben!!). 

Die Vorlage ber L. R. freilich fett bie Fortdauer ber Neichspoft 
(cursus publicus) voraus, bie doch im Frankenreich und auch im 


1) F. Aug. 24. Du Cange ſchweigt, nad Roziere eine Art Rauchfang 
fumier [?], unerflärt auch Die Art Heiner Werkftatt (Schmiebe?) officiolum Zen, W 
225. a. 712. 

2) Auch wohl ausſchließlich berechtigten? Doch ift Mühlenzwang, Mühlen 
bann jlinger. 

3) W. U. 1. 120. a. 853. 

4) Cartular von Rheinau ed. Meyer v. Knonau 21. a. 899; vgl. U. B. 
p. 75. a. 898. 

5) 3. 8. Neug. 606. a. 894. Neubruch und Mühle 406. a. 861. 

6) Neugart 112. a. 790, eine farinaria 160. a. 806. 

7) Neug. 490. a. 875. Ueber Mühlenrecht L. 80 (83) p. 145. 

8) Hauptwerke Heyd, Gefchichte des Lenantehanbels im Mittelalter L II. 1879. 
a. Schulte, Geſchichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwiſchen Beh 
beutfhland und Italien mit Ausfchluß von Venedig (aber meift für fpätere Zeiten: 
I, IL. 1900. 

9) Tac. Germ. ce. 43. 

10) VIL 3. &. 121. VIII. 4. ©. 238. 

11) Stältn (V.) I. S. 402, 423, führt als Beiſpiel an bie heute noch in 
Zurzach am 1. September, [bem Gebächtnißtag ber heiligen Verena (aus Aegypten) 
(c. a. 300, unter Diokletian) vita gefchrieben c. 1020. A. 8. ed. Bolland 1. Sept. 
I. p. 164. ed. Waitz Ser. IV. p. 457) gebaltnen berühmten Mefien. 


485 


Churrhätien längft nicht mehr beftand; vielmehr find auch Hier biefe 
mutationes und mansiones!) wie in @allien erlofchen; fie waren 
oft Militairftationen, Wirthshäuſer und Herbergen zugleich ge 
wejen2); wohl aber beftand auch in biefem Theil bes Frankenreiches 
wie überall?) die Verpflichtung der Untertbanen zu Pfert-, Wagen- 
und Fuhr⸗Frohnden, deren Erzwingung ober Erjchleichung durch (echte) 
evectio‘) mit 1 Pfund Gold für jeves Pferd, am einverftanvenen 
rector provinciae und feinem officium mit 2 Pfund beftraft wird®). 

Klöfter erlangten oft Marktrechte, fo das Heine (cellula) Eflingen 
fchon unter Karl; Ludwig der Deutfche nahm c. a. 826 deſſen Mer- 
catus in feinen Schuß ®). 

Auch ſchickten die Klöfter ihre Mönche behufs des Einkaufs aus- 
ländiſcher Erzeugnifle oft weit in bie Fremde). 

Ganz befondes handelseifrig waren jchon in Merowingentagen ®) 
bie Frifen: wie bis Saint Denis Tamen fie bis nah Wimpfen am 
Nedar. Den bort von ihnen erhobenen Zoll ſchenkten Ludwig und 
Lothar Worms); Frijen Tauften Elfäffer Wein auf dem Rhein 10). 

Die Heerftraße (strata) ift 24 Fuß breit11); viae publicae werben 
fo oft zur Beitimmung ber Lage von Grundſtücken gebraucht12), daß 
die Formeln dies vorausſetzen 13). 


1) Dr. Meyer, Mittheil. VII. ©. 130. 
2) Schraber II. ©. 637. 
3) VIII. 4. ©. 96. 
4) a. a. O. 
5) L. R. VIII. 2. 
6) tuitio 6 Neugart NR. 439; ich entnehme dies Stälin (B.) I. ©. 403. 
7) 57 (59) 4. p. 116. Breitfiraßen, Pläte in Stäbten, nAdreıa L. 44 (45) 
p. 104; oft viis, exitibus et regressibus b. h. Wegerechte, Dienftbarkeiten, nicht 
nur Eigenthum an Wegen. W. U. I. 113. a. 846 und regelmäßig. Ueber 
Straßenrecht, römiſches und altgermantfches, |. zum beutfchen Straßenweſen 1889 
Gaßner S. 21, 23, 34, 36. Ross p. 41. 
8) Neugart J. 263. a. 834 agrum superius, alterum inferius viae 
publicae. 
9) F. Aug. B. 13. 
10) Stältn (8.) I. ©. 402 führt Tuotilo von Sanct Gallen an Ekkeh. IV. 
Ser. DI. p. 97. 
11) VIIL 4 a. a. ©. 
12) a. 829. Schannat. Hist. ep. Wormat. II. 5. 
13) Ermold. Nigell, ich entnehme bies Stältn (V.) I. S. 402. 


486 


Unbeftimmbar bleibt aber bie via barbaresca (bei Ranhwil!) 
als Grenzbezeichnung !). 

Auffallenverweife wird ein Öffentlicher Weg (via publica! wie 
Privateigen gegen ein curtile vertanjcht2). 

Die römifchen mansiones und mutationes waren Rachtguertiere 
und Ausipannungen, d. h. Geipannmwechiel-Stätten der Reichepoft ge 
weien, vie bier auf ben zahlreichen Legionenftraßen?) in vollem De 
triebe geweien war, aber wohl bie Zeiten des Galliennst) ſicher mich 
überbauert bat5). 

Der Taujchhanbel®) über wog noch geraume Zeit ben Kauf gegen 
Geld: doch darf man ven Münzen nicht „ausſchließlich“ ben Zweck bei⸗ 
(egen, ven Werth ver Zaufchgegenftände”) zu berechnen: Hatte man 
boch ſchon längft römiſche Münzen gern zu nehmen gelernt: jene Ab⸗ 
ſchätzung hätte ja auch für Waare gegen Wanre (3. D. Vieh gegen Ge 
treive, Waffen gegen Hoffe) gefchehen mögen un das Geſetz berechnet 
alle Baun-, Frievend-, Wer- und Buß⸗Beträge na gemünztem Geh. 
Endlich galten die fränkiſchen Münzgefeke und Münzorbnungen and 
in Alamennien, ſofern nieht Ausnahmen durch Stammesrecht bejonbers 
aufgeftellt wurben ®). 


1) Cod. Trad. Sang. 147. N. 245 vgl. Wartmann I. 253. a. 820. (fchwerfid 
bob Römerftrafe). 

2) Zeuß, W. 127. a. 820, aber vielleicht iſt nur eine Wegegereihtigiaät 
gemeint, (freilich fchlecht ausgebrüdt). 

3) Urgefch. IL ©. 454f. Stälin (8.) I. ©. 98; über bie Peutingerſche Tafel 
S. 100—104. 

4) Urgeſch. D. ©. 207f.; über bie mittelalterlichen Ganbelswege nach Italien 
jest zumal Aloys Schulte. 
| 5) Nübling, Uims Handel Im Mittelalter 1901, reicht wicht in dieſe Zeiten 
Himanf; wenig and daB (fir ſpätere Berhättmifie grundbauende) Wert von Schulz 
vben &. 184; Über dem (eich meift fräteren bis a. 1000) Handelobetrieb am Ober 
rhetn Gotthen &. 1—60. 

6) Mit Stkfin S.) J. ©. 111. 

7) Zacttus Germ. a. 100 c. 5. 

8) ©. unten Finanz⸗ Münzweſen. Lehrzeich ift bie Zufanmmewflellung ber 
Kaufpreife in alamannifchen Urkunden bei Stälin (B.) L S. 403, wobei freilih 
oft die nähere Bezeihnung bes Brauch werths fehlt: 3. B. ein Plerb (was für 
eins?) a. 816 wie 895 ein Pfund, ein Schwein a. 773 ein solidus, 1 Friſchling 
1—4 Denare, (nad v. Inama-Sternegg L ©. 522. 10), 1 Bodefell a. 878 1 sol, 
1 Malter Getreide (mas fllr eins?) a. 856 2 Denare, 1 Seidel Wein (Laudwein? 
a. 875 2 Denare, Bier 1 Denar, ein Haus a. 895 (welchen Umfangs?) 12 sol. 
eine Scheune 5 sol, ein Mantel a. 838 3 sol., eine Pflugſchar a. 827 4 Denare. Anbre 
Werthangaben ftelle ich im Folgenden zufenmen : ein Wohnhaus (domus) = 1 Pfunt 


487 


Veränderungen im Gelpwerth des Getreives find von c. 700 
bi8 900 fomwenig nachzuweifen als in dem gewöhnlichen Maß von 
Zins und Frohn?). 

Die geringeren Buß⸗ u. f. w. Beträge des Alamannengeſetzes be- 
weiſen nicht fo foft?) geringeren Wohlftand im Vergleich mit ven 
ſüdlicheren (Baiern) und weftlicheren Stämmen (Franken und Gallien), 
als vielmehr geringere Menge und daher höhere Kaufkraft des Geldes 
im Lante?). 

Beſtreitet man bie höhere Kaufkraft des Geldes rechts vom Ahein‘), 
fo verfennt man, daß die meiften Wergelder doch innerhalb des 
Stammlandes zu entrichten waren ®). 





Stier (!), Speicher und Schener — 11 sol. == 138 M., zwei Rinder = 4 Baigae, 
zwei aubee ie 1/s sol.: mau erfenset bite habe Kauftraft des Geldes gegenüber Gaus 
unb Gabe F. Sang. misc. 18; f. auch v. Inama⸗Eternegg L ©. 191, 195, 469, 
510 unb bie Tabellen ©. 500f. 

1) 6 Denare = 3 Malter Korn Wartmann, Zins von nur 1 Malter ]. co. 
583 a. 874. TI. 562. a. 891 — 872 ober 2 Denare = 1 Malter 1. o. 598. a. 876. 
600. a. 876, 18777] 2 Denare ober 2 SBühner und 4 Malter 1. 0. 601. a. 876. 
4 Dear = 1 Scheffel Hafer 1. c. 678. 2. 883890. Nachſteheude Preiobeſtiamungen 
entnehme ich Soeiheer, Forſch. IV. VL Ställe (S.) I. ©. 171 aus e. a. 800. 
Weizen 1 Modius = 60 Liter = 3—4 Deuare (nach v. Inama⸗Sternegg 1 Denez), 
Sektoliter 1 Mt. 81 Pf. Roggen 1 Mt. 36 Pf., Gerſte 9 Pf., Hafer 45 Pf. [In 
Preußen 1821—50 etwa das Siebenfadel. Ein Rind 6 sol. = 191/5 Mt., [in 
Frankreich a. 1862 320 ME) Ein Bocksfell = 1 Shi. = 3,3 Mt., Hemd, 
(beftes) 2—6,6 ME., Hut 2—4 sol. = 7—13 Mt. Danach iſt der Werth des 
Geldes lange nicht wie gegenüber dem Vieh ober Getreide geſunken, alſo find jene 
viel mehr im Preis geftiegen. 

2) Wie Stälin (S.) I. ©. 112. 

3) Oben VIIL 5. 8. 60.8.6. IT a©. 711—713 vgl. auch die Feftftellung 
der Stüdzahl einer Herbe und ihres Werthes ſowie bes ber einzelnen Städe In 
ber L. Rib. 18, 36 vgl. 86 und bie vielfach abweichenben Taroldugifcgen Preife 
Könige VIII. 5. &. 61—73 und Soetbeer Forſch. 3. D. ©. VL ©. 30f.; ein 
Schwein A Denare, ein Schaf 4 Denare, ein Malter Kom 2 Denare, ein Rind 
60 Denare. 

4) Buſch II. ©. 21. | 

5) Er will in dem mino-fledus ben normalen Vollfreien finden — warum 
daun — mino? 


488 


16. Leben und Bildung). 
a) Tracht. Nahrung. 

Die Männer färben im IV. Sahrhuntert (a. 366) das Har rot?) 
mit einer Art Seife. 

Daß auch vie Alamannen wie alle Germanen?) Mäntel trugen, 
ben die Römer sagum nannten, bezeugt zum Weberfluß ausdrücklich 
Sftport); noch ſpät (a. 982) wird das sagum genannt). Statt ber 
Mäntel tragen fie auch Pelze, pelisses, pelicias („bie übrigens im 
Sommer viel billiger feien, als im Winter“)®). 

Vom Ausland eingeführte Prachtgewande find mit Seide eingefaßte 
Linnengewande?). 

Der Biſchof von Brescia ſchickt dem von Eonftanz c. a. 875 ein 
citronenfarbiges 8), ein foharlachrothes und ein faphirblaues Mäntelein 
(palliolum) , zwei Gefichtstücher. Dazu zwei grüne Palnzweige, 
Manveln und Räucherwerf). Er erbittet fich dafür einen guten Zucht. 
bengft gegen volle Bezahlung 19). 

DBelehrend über bie Lebenshaltung find bie Verpfrünbeverträge: 
ein offenbar wenig begüterter Mann bebingt fich jährlich 2 Zeinen-, 
2 Wollgewande, ausreichenvne DVerlöftigung in Brod, Bier, Gemüfe 
und Milh, in Fleiſch nur an Fefttagen!l); jedes dritte Jahr einen 
Mantel, Handſchuhe, Schuhe, Beinbinden, Seife und Bäder, wie fie 


1) Haas, Urzuftände Alamanniens, Schwabens unb ihrer Nachbarländer 
1865, Cless, Landes⸗ und Eultur-@eichichte von Württemberg L., Caraccio, i 
Germani e loro oultura 1890, Römtfche Berichte, Würbigungen über ben Cultur⸗ 
grab Riefe X. 29. 

2) Amm. Marc. XXVII. Urgeſch. II. &. 351. 

3) Tac. Germ. co. 17. 

4) Origin. XIX. 23, 6. Alemanni sagati. 

6) Gerhardi vita St. Udalriei Ser. IV. p. 390. 

6) 1. c. 19; daſelbſt auch ein Handtuch und ein Kamm genannt, freilich 
in ber necessitas paupertatis 1. oc. 23. unverftänbfid 24 enorgie — figurae? 
[fo Zeumer] quedam similitudo. 

7) Sogenannte (tramo-serica), Glossa Salomonis. 

8) Coll. F. Sang. 39. dium oaedrinum ]. diacedrinum, dtaxtrrütvog |. Zeumer 
l. c. Du Cange IH. p. 95. Dümmiler, Formelbuch ©. 140. 

9) Du Cange VII. p. 104. timiama, I. thymiama 1 c. Salben unb 
Arzeneien. 

10) Ueber die Tracht, (Linnen, Wolle, tunica, camisia, (»chemise«), pallium, 
calciamenta, fasciolae orurales, (Beinbinven), manicae (»manche«), wantae 
(»gant«) pilei, f. auch Stälin (8.) I. ©. 393. 

11) So heute noch die bäuerfihe Koft in Batern, Dahn, Bavaria I. ©. 437. 





489 


Kranken bejonvers nötbig, auch Bettſtroh (stramentum) nach Be⸗ 
barf 2). 

Tür den Jahresbedarf einer Frau galten als erforderlich: 20 Malter 
Korn, 10 Spelt, 10 Hafer, im Winter zwei gute, im Sommer zwei 
geringere Ferkel?). 

Dagegen die Verpflegung eines reifenden Biſchofs und feines 
Gefolges erheiſchtꝰ) vier Malter Brod, 30 Wagen-Zuhr (— 30 situlae) 
Dier, A Römmerfrifchlinge und 1 Lamm, 1 Schwein und 11/, Jung⸗ 
ihwein-Spedrüden, 1 Gans, 2 Enten, 4 Hühner, einen Fiſch (wenn 
vorhanden), Holz für ben Herb, (anbere) Gefäße zur Bedienung, 
Feder⸗ und Kopf-Fiffen für das Bett, 3 Malter gebrofchnen und ge- 
füfteten Waitzen für die Pferbe, Heu für die Roſſe des Bifchofs, 
ber Vaſallen und Unfreien je ein Bündel. So die Anweifung an 
ben Bicebominns; die des Vicebominus an ben Procurator weicht 
vielfach ab: zumal aber beftehlt man vorherige Mäftung der ausge- 
wählten Thiere und Anbaltung ber Unfreien zu ben erforderlichen 
Reichniffen und Leiftungen von z. B. Holz‘). 

Gemein germanifches Getränt war längft das Gerftenbier. Iulian 
verſpottet dieſen „Gerften-Wein“). 

Miscida®) ift, ta es neben dem Biere genannt wird, wohl eher 
ein (Miſch“⸗) Getränk (Meth ?) als ein Gewebe?). 


b) Beitrehunng. Runen. Religiöfes. 


Dean rechnet noch wie zur Zeit des Tacitus) nach Nächten®). 
Was wir über Gdtter-Slanben und «Verehrung ber Alamannen ge: 
fegentlich vernehmen, ftimmt mit dem uns von ben Germanen über⸗ 


1) Coll. F. Sang. 13. 

2) Wartmanı 336. a. 830. 

3) Coll. F. Sang. 34. 

4) 1.c. 35. Bgl. Dümmler, Formelbuch ©. 132, f. aber bagegen Zeumerl. c. 

5) eig olvöv and xpıäric. Miropogon co. 1. Heyne II. Getränf. 

6) Fehlt bei Du Cange. 

7) Cod. Tradit. Sangall. 251. NR. 430. Wartmann I. 13 (anno?) annimi- 
zilus, ein ®ewebe, Du Cange IV. p. 299 ift wohl nicht mit Wartmann zu 
denten. 

8) Germ. e. 11. 

9) P. IL 30. L. 70. p. 137; über bie Bedeutung ber Neunzahl biebei 
K. v. Maurer, Über die Waflerweihe bes germantichen Heibdenthums Abhandl. ber 
bater. Alab. 1880 vgl. unten „Belehrung“. 


490 


haupt Bekannten!) überein: Agathias weiß, daß fie nicht bie gleiche 
Religion haben wie bie (Tatholifchen) Franken, vielmehr gewiffe Häsme 
verehrten, Quellen, Hügel und Schluchten, benen fie Pferde, Binder 
und vielerlei Anderes opfern. Aber er meint, ber fräufiiche Einfluß 
ziehe jet jchon die Verjtändigeren zu dem fränlifchen Glauben herüber 
und biefer werde in Bälde wohl Alle gewinnen ?). 

So tiefes Einbringen in orientalüch-griechiiche römische Bildung — 
„Myſterien“ — wie bei Agenarich, dem Vater Serapions®), war frei 
Lich Seltenfte Ausnahme: er war lange in Gallien als Geiſel feftgehalten 
und in „griechifche”, d. h. ägyptiſche Seheimlehren eingeweiht worden. 

Bor der Schlacht werben im IV. Jahrhundert wie von ben Sueben 
Arionifts‘) Die Borzeichen befragt, bei deren Ungunſt wird ber An⸗ 
griff unterlaffen®): aber daß Priefter hiebei thätig And, wirb nicht 
gejagt. 

Der Herenglanbe ift fo lebendig, daß nicht nur Weiber einander 
Hexe“ over Kraͤuterhexe“ jchelten ©), auch Maͤnner freie Frauen als folche 
ergreifen und foltern: tritt ein Gefippe für fie mit 12 Eidhelfern 
ober in gerichtlichen Kampf anf, hat ber Verleker 800 sol zu zahlen, 
wird aber ihre Unfchuld nicht bewiefen, bleibt ſolche Selbfthilfe wider 
bie Here ftraflos, was fi mach ber Auffaffung des Wolkes) bis in 
bie Gegenwart erhalten hat). Wird fie nur ergriffen und unterſucht 
(prisa et temptata) ohne Yolterung auf der Hürde (clita, clinata), 
beträgt bie Buße nur 40 Statt 800 sol) 9). 

Ganz befonvers zäh Halten fich heidniſche Bräuche im Heilmefen: 
auch gegenüber ver allmälig auflommenven Heilkunde in ben löftern, 
zum Theil bleiben beſtehende erhalten 19). 

1) Bgl. die Norbendorfer Spange: „mit theuerem Lohne lohnt Wuotan 
Freundſchaft“. 2) Agath. I. 6, 7. 

3) Ammian Marc. XV]. 12. 4) Könige I. S. 101f. 

5) Ammian Marc. XIV. 10. dirimentibus auspisiis vel sangsedi pro- 
hibente autoritate sacrorum. 

6) P. U. 31—33. 

7) Hier iR ohne Zweiſel ftatt sine ya leſen sive. 

8) Wilde ©. 965. 

9) 1. 0..85: Hier mark ber Text verberbt fein: denn neben 40 ſtehn — unter 
gleicher Boransiekung — 5. Was bedentet dafelbſt ooutrastere eulpabilem? 
Der A bat die Frau bem B gegenüber für unfchulbig erklärt, aber ohne Erfolg? 
Nun ftebt B da: bat A mit der Frau zufammen (Lehmann: cum [stria]) bas 
Wergeld zu zahlen (oder weregealdum suum?) 

10) Dahn, Bavaria L 1860 ©. 364. Wolfftetrer, Volbatranſheiten undb Volbe⸗ 
mebicin, ebenda S. 444 (beibe zunächſt für Oberbaiern) Höfler, ©. 473%. 





491 


c) Kun. Aunfkbandwerk. Wifenfhaft. 


Die Pflegeftätten für Kunft und Wiffenfchaft waren faft ganz 
ausichlieglich die Kloſter). In Sanct Gallen goß man eherne Glocken. 
Nach dem noch erhaltuen Bauriß (Gerungs) warb a. 830—835 ber 
Neubau des Kloſters Hier ausgeführt?). Eingehend warb der Unter: 
richt in der Mufil betrieben?). 

Walahfrid erzählt, daß manche fchlichte Leute, welche die Evangelien 
nicht lefen, die Prebigten kaum verfteben konnten, von ben Bildern 
ber Leiden Chrifti und andern zu Thränen gerührt wurben 4). 

Zange vor biefer firchlichen®) Kunft fehlte es übrigens — wenig- 
ften® was Dichtung und Gefang betrifft — doch auch nicht ganz an 
weltlicher, vollsthüsmlicher. Zu beachten ift auch das Zeugniß Iulians 
für die Freude der rechtsrheinifchen Germanen an vollgmäßigem Ge⸗ 
fang. 

Und ohne Zweifel ber heibnifchen Zeit gehören an bie in ala- 
mannifhen Gräbern gefundenen Saiteninftrumente‘). Poffenreißer 
(satirici), durften fogar die Mönche in Sanct-Gallen beluftigen?), 
fo werben fie auch au dem bergoglihen Hof und in ven Abelshäufern 


nicht gefehlt haben. 


1) Mufit, bildende Kunft, Kunſthandwerk (Golbſchmiede) in den Kiöftern 
Stäfin (S.) I. &. 170. 

2) Stälin (G.) J. ©. 400. 8. Keller, Bauriß bes Kloſters Sanct Gallen 
1844. 5. Keller, Mittheilungen ber autiquariihen Eeſellſchaft in Zürich XII. 
1858 S. 272. 

3) Ueber Notler ben Stammler: (media vita in morte sumus) Ratpert, 
Marcellus, Tuotilo, die Sequenzen und Lats, Flöte und Pfeife neben der Orgel 
Stälin (8.) I. ©. 404. 

4) Walahfrid Strabo, de exordiis et incrementis rerum eoolesiasticarum 
Copitul. U. 8. e. 8. 1897. Ein wenig überſchätzt aber wohl ben Culturgrad ber 
Alamannen Caraccio, i Germani e la logo cultura p. 166: biefe Aoſſerliebe Darf 
nmicht verallgemeinert werben: auch ber Einfluß ber „Renaiffance” unter Karl 
(Monod, la renaissanoe Carolingienne, seanees et travaux LII. p. 137) war 
bier weber fo ſtark noch fo bauernb wie links bes Rheins. — Denk, Gefchichte bes 
gallifch-fränkifchen Unterrichts- und Bilbungsganges. 

5) Misopogon o. 1, &dedsanev tor xal tod brrtp röv “Piyov Bapßdpouc 
äypıa pin, Xcter nenompeva rapanıhora Tois wpüypos Tv Tpayb Bodvrmv 
spviämv Adovras xal ebppawvonkvoug Ev tois eisen. 

6) Fleiſcher, die Mufllinfrumente des Alterthums und Mittelalters in 
germaniſchen Ländern, Baule Grundriß III? ©. 567f. 

7) Ekkeh. IV. casus St. G. Ser. IL p. 85. 


492 


Biſchof Bernold von Strafhurg (a. 822, 17. IV. 840), ein Sache, 
verwendete auch das Deutfche zur Unterweifung des Volles, d. h. er 
prebigte beutfch 1). 

Zumeilen begegnen voulgär-lateinifche, in bie romanifchen Sprachen 
übergegangene Wörter: fo menare, franz. mener, pausare, fram. 
pauser, ruhen laflen, josum — jusum, franz.?2) dessous?). 

Wie für Kunft und Kunſthandwerk find auch für die Wiſſenſchaft 
bie einzigen Pflege- und Unterrichte-Stätten bie Kirchen und Klöfter: 
bier fehlte ein Aachen mit feinen auch weltlichen Zweden bienenben 
Pfalzfchulen: wir erfahren nichts von geiftigem Leben am alamannifchen 
Herzogshof, der übrigens auch feften Wohnfiges entbehrte. 

In Ausführung von Capitularien beftehlt Hatto von Baſel (ober 
Karl) und Reichenau geft. a. 836, daß Alle das Vaterunfer und bas 
Glaubensbekenntniß deutſch (barbarice) und lateinifch lernen 9. 

Die Söhne der Vornehmen, ber nobiles, lernten in ven Klöftern, 
ohne Mönche werben zu follen, Wiffenfchaften und Küufte, 3. B. in 
Sanct-Gallen bei Zuotilo, auch Mufit®). 

Gelegentlich tritt wohl Geringſchätzung der des Latein unfundigen 
Deutfchen durch die Iateinifch gefchulten Mönche bervor®). 

Die fieben freien Künfte wurden auch hier nad Sanct-Auguftins 
Eintheilung (Grammatik, Dialektit, Rhetorik, Mufil, Arithmetik. Geo⸗ 
metrie, Aſtronomie) gegliedert und gelehrt”). 

An Büchern werben 3. B. erbeten Auguſtins civitas Dei, 
Rhabans Kommentare zu dem Pentateuch und ben Maflabäern, 
Dictys und Daretes über die Zerſtörung Xrojas?),. Im Jahre 841 
zählte die Bücherei von Sanct Gallen 400 Nummern, ein Abt 
ſchenkt 339). 


1) Ermold. Nigell. Eleg. 1. v. 141 (mit Stältn (B.) J. ©. 389) (Vita Hlud. 
c. 48) vgl. Ebert II. S. 177. Wattenbach 6. S. 279; bie Stelle ift aber nicht ven 
einer bentfchen Bibelüberfegung zu verfiehn. Dümmler I. ©. 322. 

2) L. 44 (45) p. 105. dessous vgl. Du Cange VI. p. 227. N. p. 478. 
Wadernagel, Umbentfhung fremder Worte, Kleine Schrljten III. 

3) Braun, I. 436. ©. 446. 

4) Neug. Episc. Const. p. 145. 

5) Ekkeh. IV. Ser. II. p. 94. 

6) Ekkeh. (IV.) IX. 80. 

7) Ekkehard IV. Ser. IL p. 9. 

8) F. Aug. C. 10, 15, 17, allgemein libri 22. S. bie Berzeichnifie ber 
Bücher in ben Klöftern Sauct Gallen und Reichenau Stälin (8.) I. S. 409. 

9) Weidmann ©. 9f. 


493 


Wunthar, Decan und Priefter zu Sanct Gallen, verfpricht mehr 
zu fchreiben, wenn ihm bie Oberen mehr Pergament geben wollten?) ! 
Die Kenntnis tes Griechifchen, noch zur Zeit Karls felten?), war feit 
feinen Tagen in Klöſtern wie Sanct Gallen, Reichenau, Fulda 
häufiger geworben: fratres Ellinici nannten fi die der Sprache 
Kundigen?). 

Auh was an Geihichtsanfzeichnungen in biefen Sahrhunderten 
geſchah, ift fat ausſchließlich — abgefehen vom Hof — in ven Mlöftern 
geleiftet worden ?). 

Nr eine gewiſſe (freilich wohl recht urfprüngliche) Heilkunde, 
mit allerlei Aberglauben, auch Zauber verquickt, fcheint auch volks⸗ 
thümlich überliefert worden zu fein. Schon der Pactus fekt Zu- 
ziehung bes Arztes bei fchwereren Wunden, fowie zur Entſcheidung 
ber beitrittenen Schwere voraus >). 

Die Wundärzte werben bei ber Neigung des Stammes zu 
„Schwabenſtreichen“ ber Beichäftigung nicht ermangelt haben ®): erwähnt 
wird, daß fie mit der Nabel oder mit Linnen-Lappen”?) das Gehirn er- 
reihen, Wunden ftopfen®), Blut durch glühend Eifen ftillen®); auch 
Stelzfüße kommen fchon vor 19). 


1) Cod. Sangall. N. 70. p. 250. 

2) Dahn, Paulus Diaconus 1876. ©. 78. 

3) Griechifche Bücher hier Weidmanı ©. 9. Einfluß von Schotten, Antgel- 
ſachſen ©. 5. v. Arx, Cod. 8. Gall. Mso. 381 p. 9; griechiſche Buchſtaben in 
den Formatae Th. v. Sidel I. S. 311. Weidmann S. 11; fogar Runen ©. 12, 

4) Ueber die Annales Alamannici Henling in feiner Ausgabe, Mittbeil. 
zur vaterlänbifchen Geſchichte XIX. p. 224f., 347. Waitz in Schmidts Zeitichr. 
II. ©. 51, urjpränglih ans Murbach in ben Vogeſen, fortgeführt von a. 860 bis 
926 in Sanct Gallen, dann Die Annal. Sangallenses breves a. 708—815, 
ferner die Rugtenfes und Ahenaugienfes bis a. 939. Stälin (8.) S. 605f.; über 
die elfäfftichen Geſchichtſchreiber Reuss, de scriptoribus rerum alsaticarum 
a. 897 (Ermoldus Nigellus, Nitharb p. 5. Heiligenleben p. 7). 

6) I. 1, 2, 3, 4. L. 57 (59) p. 117. vgl. Scheuer ©. 27. 

6) Ueber die Bezeichnungen ber Wund⸗Arten Höfler ©. 470f. 

7) Auch felbenem, serie Du Cange VII. p. 496. 

8) Stuppare Du Cange VII. p. 605. scopare VII. p. 361. 

9) T. 59. ut medicus cum pinna (Du Cange VI. p. 327 hat nur biefe 
Stelle) aut cum fanone cervellam tangat.. focus .. Du Cange III. p. 412. 
$. Grimm, Gramm. II. p. 492 ferrum calidum . . ad coquendum venas vel 
sanguinem stagnandum L. 65. 

10) C. add. T. 17. 


494 


Später haben dann mehr wiffenichaftlihe Heilkunde befonvers 
Inden (und Araber) gepflegt: aber auch Mönche wie Iſo von Sand 
Ballen mit feinem Garten für Heilkräuter) und Walahfrid von 
Reichenau. 


d) Sittliche Zuſtãnde. 


Ziemlich gröblich ſchilt Sanct Bonifatius die „Alamannen ober 
Baiern oder Franken fleiſchliche dumme Kerle“, die, wenn ſie in 
Rom etwas geſehen haben, was er in Germanien verbot, z. B. zu 
Neujahr heidniſche Aufzüge (choras) auf offener Straße oder öffent⸗ 
lichen Verlauf von Amuletten und andern Zaubermitteln, meinen, bort 
in Rom hätten es die Biſchöfe verftattet und fie fchelten nun daheim 
über ihn: er bittet ven Pabft um Abftellung in Rom?). 

Als Straßenräuber fürchtete man bie Alamannen in den Klöftern®). 
Ob der Vorwurf der Trunkſucht in ber höchſt rhetorifchen Stelle bei 
Salviant) vie Alamannen oder bie fo oft mit ihnen verwechfelten 
Alanen trifft, fteht dahin; übrigens war und iſt der „Uebertrunf” 
nicht nur alamannifch, ſondern gemeingermanifch: es wirb alſo ber 
Vorwurf wohl nicht ganz unbegründet gewejen fein! 

Es befteht Rechtspflicht ver Gaftfreumbfchaft gegenüber dem 
wegfährtigen Dann), und bie ben Alamannen fpäter von andern vor- 
geworfne Faljchheit und Noheit®) wiegt jo wenig ſchwer, wie ähnliche 
Vorwürfe gegen Sachſen (arm, hart, rauf) und Baiern (fe und 
frech). 

Hũgelalter und Brennalter find nicht zu ſcheiden: in Einem Grabe 
findet ſich wohl ein beftattetes Gerippe und daneben eine Achen-Urne?). 


1) &. den Grundriß Gerunge bei Mabillon Anal. Bened. IL. p. 570. 

2) Epist. UI. p. 301. 

3) Vita St. Eugendi (gefl. a. 510) p. 161. 

4) De gubermatione Dei ed. Halm. M. G. kist. austor. antig. L 1. 
XIV. 88 59--68 1877, 

5) Ofenbrüggen, alam. Ctrafrecht S. 350, 351. 

6) cassa fallacia — Bueritatem, seritmtem, ©. bie Beläge bei Wai- 
Seeliger V. &. 158. 

7) Stälin (8.) I. &. 21; daſelbſt über Die Steiureiben uub bie Tobten- 
Mitgaben (Waffen, Schurud und anderes.) — Pauly, wärktemberg Jahrbücher 
1837. Schreiber, Taſchenbuch für Geichichte uub Alterthum im Süddentſchland 
1839. Weber das (meift) ältere Brand», das (melft) jüngere Hügel-Wiex, aber asıcdh 
beider Zufammentreffen in Einem Grab Stälin (S.) & 11. Urgeih. IV. ©. 94, 
(f. bafelbft die Abbildungen). Ueber die Beflattung zur Tarolingifhen Zeit, ber 


495 


Ehriftlihe Exrbbeftattung, nicht heidniſche Verbrennung ber Leichen, 
berrfcht lange vor ber Lex?). 

Vorausgeſetzt werben dem Tobten in's Grab mitgegebene?) Tobten- 
gaben (auch unvechtmäßig fremde Sachen) ®). 


B. Grundeigenverhältniffe. Die Vergabungen. Die Nüdgewähr, 
1. Allgemeines. Einleitung. 

Die unmittelbar für die Vollswirthfchaft und die Gefellichaft, 
mittelbar aber auch für bie Verfaffung und bie Nechtszuftände wichtigfte 
Veränderung in jenen Jahrhunderten (von a. 600—a. 900) war bie 
Umwandlung ber mittleren und einen, unabhängig auf ihrer Scholle 
figenden Freien zum Theil in unfreie, viel häufiger aber in halbfreie 
oder auch volffrei bleibende, aber zins⸗ und frohn-pflichtige Hinterfaffen 
von Kirchen und Klöftern, in viel geringerem Maß auch von welt- 
lichen Großen (zumal Grafen) durch Vergabung von Grundeigen, 
Nüdempfang unter Uebernahme von Zins ober Frohn (oder beiven) 
und Stellung unter Schugrecht und Schußpflicht (Vogtei) des Klofters. 

Nah Tauſenden zählen die Vergabungsurkunden, bie traditiones, 
bie und in allerlei wechfelnden Formen, aber ber Urfache, dem Zweck, 
der Wirkung und dem Wefen nach Eins, viefe Nechtsgefchäfte vor 
Augen führen. Es ift eine ber wichtigften Aufgaben für Erforjchung 
ber Rechts» und ver Eultur- Zuftänte jener Zeit, biefe Dinge erſchöpfend 
zu erfaffen und Mar zu ftellen bis in das Einzelfte. 


Zeit der Lex, die Reihengräber (250 in Württeniberg allein), nur Erdgräber, fein 
Leichenbranb mehr, und bie Ichrreichen Tobten-Mitgaben |. befonders Stälin (S.) 
I. S. 112—116 (auch über bie Todtenbäume bafelbft) Haßler, das alamannifche 
Zobtenfelb bei Ulm, Verhandl. d. Vereins f. Kunft und Altertbum in Ulm und 
Oberſchwaben 1860 von Hölber, Zufammenftellung ber in Württemberg vor- 
kommenden Schäbeliormen 1876. 

1) L. 49 (50) p. 108. 

2) P. II. 42, 

3) P. . 42 (49) si quis super mortuum suum .. 168 .. in terra 
miserit, beren Entwenbung aus bem Grab (fossa) mit 80 sol. gebüßt wirb, 
Wilbda &. 973. P. J. 42 si quis superius mortuum suum de alienas res qua 
valuerit solidos, in terra miserit, solvat solidos 40. et si tremissis aut duos 
valuerit, solrat sulidos 12 aut cum 12 medicus electus jurit: b. 5. wenn 
jemand feinem Todten frembe Sachen als Tobtengabe mitgegeben bet zu jemen 
Beträgen. Ueber bie reichen Ergebniffe der Gräberfunde in Alamannien für 
Waffen, Geräth, Kleidung, Gewerk und die gefammten Eulturzuflände |. Linden 
ſchmit, Handbuch ber Deutſchen Alterthumskunde I. 1880, ergänzt 1889. 


496 


Denn durch diefe Umwandlung warb bie bisherige Grundlage 
nicht nur des Heerbanns, auch ber Gerichtsverfaffung und Gerichte. 
wie Verwaltungs⸗Zuſtändigkeit aufgelöft, ver Geſammt⸗Charakter des 
Statsweſens warb geändert, der Zuſammenhang all’ biefer Hinter: 
faffen mit ver Statsgewalt thatfächlich abgefchnitten, dieſe Statsgewalt 
erfeßt durch die Schußgewalt bes Vogtes und fo ter Lehnſtat unver: 
meiblich gemacht. Lehrreich zeigt die ftäte Mehrung biejer Einkünfte 
ber Kirchen im IX. Jahrhundert z. B. das Verzeichniß der Zinfe an 
Zürich aus Aargau und Luzern?). 

Rein vollswirthichaftlich betrachtet, wirkte der gewaltige Land⸗ 
erwerb ber Kirchen günftig: benn beren Güter wurben ungleich 
befier, pfleglicher, einfichtiger verwaltet als die ber Heinen unt 
mittleren Bauern vermöge ber Veberlegenheit an Kenntniffen, Be 
triebscapital, Arbeitskräften unb vermöge der vom Tanonifhen Recht 
gebotenen ftändigen Weberwachung; dieſe bewirkte auch in ben fo Hän- 
figen Zällen, in denen Befig und Fruchtgenuß dem vergabenvden Dauer 
zurückverliehen ward, ben gleichen Vortheil, wie bei unmittelbarer Be 
wirtbfchaftung durch die Anftalt; nur etwa bie Srongüter, zumal unter 
Karl, mochten fich der Behandlung ver Kirchengüter vergleichen Laffen. 

Auh war (damals) „unter dem Krummſtab gut leben“: jebes- 
falles beffer denn als Hinterfaffe und unter dem Schwert der ge 
waltthätigen Weltgroßen. 

Allein diefe Vortheile kommen nicht in Betracht gegenüber ber ftat- 
lichen Schäblichkeit der Entwidlung: der Zerftörung des echt germanifchen 
Statswejens und der Entfremdung all biefer Schäglinge von dem ge- 
fammten Staatsleben in Reichstag, Gericht und Heer: fie hatten — that- 
ſächlich — gar feinen Stat und feinen König mehr: nur den privaten 
Schugheren: nur dieſe weltlichen und geiftlichen Herrn Hatten noch 
Stat und Neid, nur fie waren — um fpätere Ausbrüde fchon für 
damals zu brauchen, da fie Alles Harftellen — „reichsunmittelbar“ 
unter ihrem Lehnsheren, dem König, geblieben: jene Hinterfaffen waren 
„mediatiſirt“: auch dem Stat gegenüber vertrat fie ihr Schutzherr: 
damit hatten fie das dem Manne werthvollſte Gut, ihren Stat, ver- 
foren. Unb diefer Stat batte Hunverttaufende von Männern, von 
Stügen an jene Großen eingebüßt, die num ihren Xroß, ihre Unbot- 
mäßigfeit, ihre Herrich- und Hab-Gier gegenüber tem Stat gerate 
burch bie Kräfte dieſer völlig von ihnen Abhängigen gar oft und etwa 


1) 3. U.-8. N. 160. p. 72. a. 893. 





497 


ein Sahrtaufend lang burchzufegen vermochten: der König hatte kein 
Bolt mehr, nur (meift wiverfpänftige) ablige Vaſallen. 


2. Beweggrünbe ber Bergaber. Auflagen an das Kloſter. 


Der Beweggränte zu biefen Bergabungen gab es mancherlei, und 
gar oft wirkten in Einem Ball ihrer mehrere zuſammen. 


a) Religiöſe. 


Alles Ernſtes gelten bie Heiligen im Himmel als die befchenkten 
Rechtsfubjectel). — Ein Schenter ſchenkt „aus großer, nicht Heiner Furcht 
por ber ganzen Hoͤlle“2). — 

Bon ber Heiligenbeftechung in ihren plumpften, roheſten, gerabezu 
unfittlichen, wie in ihren feineren Formen warb bereits gehandelt ®). 

Man könnte ale Wahrfpruch über das Ganze fegen: „denn wie 
das Waſſer das Teuer, Löfcht Almofen die Sünde). 

Aber zuweilen bat die Begründung in ihrer frommen Einfalt 
etwas Rührendes>). 

Dies Religtöfe wird nun aber ſelbſt in ſehr verfchiebenen 
Färbungen und Geftaltungen ausgebrüdt: oft fo, „auf daß die Mönche 
in ihren Gebeten des DVergabers ober feiner Vorfahren over Gefippen 
fürbittend häufig gedenken mögen“, ober zum Seile wie ber Seele bes 
Schenters, fo ber Seelen ver Erblaffer des Schenters®). 

Zum eigenen Seelenbeil”), fowie zu Gunften von eltern, Ge 
ſchwiſtern und andern Gefippen®), auch für dad Seelenheil des Könige 
und feiner Nachfolger, bie ihre mundiburdis gewähren), „anf daß es 


1) Nicht die Kirchen als jurifl. Perfonen: vgl. Gierke, Genoſſenſchaftsrecht IL. 
©. 528. Heusler, Inftit. I. ©. 316. 

2) Zeuß, W. 131. a. 767. totam jehennam non parvum set plurimum 
formidans. 

3) Urgeſch. III. ©. 523. Könige VIII. 5. S. 292, 310, vgl. jebt auch 
Bernontlli, bie Helligen ber Merovingen: das ftoffreiche Buch trifft in vielen 
Stüden, obzwar nicht immer, das Richtige und oft mit mir zuſammen. 

4) Zeuß, W. 144. a. 757. 

5) So iſt eigenartig und fehön Die harenge bei Zeuß, W. 24. omnes seiontes 
venite ad aquas properate et bibite ad monssterium . . Uuisenburg. 

6) Neugart 452. a. 868. 

7) &o am Häuflgften: »pro remedio animae«, pro eternam beatitudinem, 
ſehr oft Zeuß, ©. N. 1 und folgende; auch zum Seelenheil eines Nicht-Ber- 
waunbten [?] in elemosyna Rodingi W. 199. a. 806. 

8) Nengart, faft in jeber Urkunde. 9) Neng. 417. a. 863. 

Dahn, Könige der Germanen. IL 1. 32 


498 


bie Mönche (noch) mehr erfreute, für bie Vorfahren ver Herrſcher und 
biefe felbft unabläffig zu beten“ 1). 

Wird unter biefen, zu deren Seelenheil geftiftet wird, neben Ge⸗ 
fippen auch Ludwig L genannt, fo läßt dies alfo vielleicht auf Ber 
ſchwägerung bes Schenter® mit biefem fchließen, aber nicht nothwendig: 
auch andere Unterthanen beftinnmen oft fo2). 

Arnulf bewilligt, daß eine Heine Abtei, abbatiola, abbatiuncula, 
bie er einem Priefter gefchenkt?), von biefem Sanct Gallen gefchentt 
werde, zum Seile der Vorfahren, des Königs felbft und ber Seele 
bes Prieſters t). 

Karl III. fchentte Sanct Gallen zum eignen Seelenheil und zum 
Gedenken feiner Aeltern, d. 5. im Gebet ver Mönche). 

[Außer der Sorge für das Seelenheil (remedium animae) brängt 
ben Herrfcher zu frommen Schenkungen die Tönigliche Sitte®).] 

Es wirb gerabezu „eine Hufe für die Seele unferes Bruderd 
gegeben“ 7). 

Faſt drollig wirkt >pro animarum nostrarum refrigerio« — 
d. 5. „Abkühlung“ im Tegefeuer?). 

Einmal läßt gar ein Schenker 200 Kloſterſchweine in feinem 
Eihwald weinen „zum ewigen Nachlaß feiner Sünben“ 1?) 

Aufrichtig erklärt ein Schenker feine beiden Beweggründe: Be 
haltung des Sruchtertrags im Leben und zugleich Belohnung nach bem 
Tode: daher Vergabung an das Klofter, aber (muß man hinzudenken) 
Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs 19). 

Schenkungen an Kirchen erfolgen zugleich aus Srömmigleit und 
zur Belohnung treuer Dienftei!). 


1) W. U. I 174. Neug. I. 648. a. 904. 

2) Neugart 305. a. 843. 

3) Neug. 577. a. 888. 

4) Neug. 613. a. 896. 

5) Neng. 513. a. 878 pro commemorstione parentum nostrorum. 

6) Neug. 520. a. 880 regum in eo morem decenter implemus; and 
Geſchenke an Laien entiprechen ber Tatferlichen Sitte, imperialem morem, und 
fleigern Treue und Eifer, 522. a. 811. 

7) W. U. I. 56. a. 802. 

8) W. U. I. 60, 174. Neng. I. 155. a. 805. 166. a. 809. 648. a. 904. 

9) Zeuß, W. 273. a. 846. 

10) Neug. 387. a. 860; 

11) Neug. 654. a. 905. 


499 


Ein Schenker bebingt aus, daß bei feinem Tode fein Name „in 
das Buch” eingetragen werde, behufs regelmäßiger Fürbitte!). 

Das beichentte Klofter wirb oft zu frommen Handlungen für das 
Seelenheil des Schenlers und der Seinen verpflichtet: meift nur im 
Allgemeinen zur Fürbitte, aber einmal werben auferlegt täglich brei 
Meſſen für die Todten und eine für bie Lebenden, fowie wöchentlich 
breit Pfalterien für die Todten 2). 

Schenkt ein Vater pro filio, fo gilt das dem Seelenheil des Ver⸗ 
ftorbenen®). 

Eine Ehefrau Hatte dem Gatten per wadium übertragen, was 
er jet für ihr Seelenheil dem Klofter fchentt‘). 

Schenkung zur Sühnung begangener Sünden gefchieht auch oft>), 
auf daß der fromme Gott „von unfern Sünben” nachlaffe‘). Kurz, 
auch in elemosynam patris ete. zum Seelenheil oft”). Auch wohl 
ganz Kurz nur: »divino amore compunctus®), conpunotus trado°) 
Dei gratia conpunctus !), divino compuncti intuitu 11). In gleichem 
Sinn — unter Anführung von Bibelſprüchen — „auf Mahnung ber 
heiligen Schriften 12). 


1) Zeuß, W. 52. a. 741. Ebenfo Eintragung „tn Das Buch bes Lebens” 
im Kofler; über confraternitates ſ. unten Kirchenweien Zeuß, W. 192. a. 713 
ita ut nomen meum in ipso monasterio in librum vitae ponatis vel 
recenseatis; ebenjo 195. a. 718: daun ut monachi vestri me recipere in 
eorum orationes dignentur tam ipsi quam eorum posteres (sic), ebenfo 
202 a. 

2) Neng. 606. a. 894. 

3) Zeuß, W. 85. a. 792. 

4) Zeuß, W, S6 a. 787. 

5) Neug. 527. a. 882. 

6) Zeuß, W. 191. a. 810. 

7) Auch wirb geſchenkt für das Seelenheil der Aeltern, Geſchwiſter und aller 
Borfahren Cod. Trad. Sang. 231. N. 394. Wartmann IL. 414. a. 851. Zehnmal 
im Jahr foll für den verflorbnen Gatten (senior) der Schenkerin, ja für alle ver⸗ 
ſtorbne gläubige Chriften und beren Verwandte gebetet werben Grandidier II. 
p. 309. 

8) Neng. 452, 453. a. 868. 

9) Neng. 344. a. 852. 10) 1. c. 346. a. 853. 

11) 1. c. 513. a. 878. Ob requiem animae meae trado ad manasterium 
Neug. 624 a. 897 pro amore salvatoris trado 627. a. 897 cogitans stabilia 
esse futura (bagegen: „ſchwankend das Weltliche“ iſt ausgelafien) et desiderans 
praemia aeterna 630. a. 899 1. c. 631. a. 899 pro remedio animae vel parentum 
meorum ad lumen meum Zeuß, W. 227, 232. a. 713, 718. 

12) Neug. 337. a. 850. | 


32* 


- wu — — — 


500 


Sehr oft wirb ganz Im Allgemeinen bie Vergänglichkeit, Unfiher 
heit des Irdiſchen als Beweggrund ber frommen Schenkung angefüht, 
praesenti diffidens instabilitati, fowie die bibliſche NWergeißumg". 

Auch das nahe bevorftehenbe jüngfte Gericht, was Chriftus ja Het 
für das noch mit lihm lebende Geſchlecht geweisſagt hat und daher 
immer wieder nahe geglaubt ward, veranlaßt die frommen She 
tungen). 

Zu den religiöſen Beweggründen zählt auch gewiffermaßen die 
Vergabung vor Antritt einer Pilgerfahrt, zumal nach Rom, und ii 
Auszug zur Heerfahrt für ben Fall der Nichtwieberfehr. 

Stirbt der Schenker auf der Wallfahrt nah Rom, follen die 
Früchte des laufenden Jahres — nur biefe noch — feiner Bitte 
zufallen ®). . 

Bor der Reife zu den Schwellen ver Apoftel jchenft man, igne 
ans varios itineris eventus, unter Vorbehalt des Rüchalls be 
glüdlicher Rüdkunft‘). 

Der Schenter behält fich Ueberlaffung des Schenkgutes für da 
Hall der Rückkehr von einer Romfahrt vor auf Lebenszeit, dann ſel 
erſt vie Inveftitur bes Kloſters burch die Erben folgen®). 

Stirbt ein Rompilger auf der Reife, fo foll das Ruckgewaͤhrte 
dem Kloſter zufallen und bie Wittwe nur bie Aerndte des Sterhe 
jahres beziehen”). 

Schenfung an bas Mofter vor einer Reife (Wallfahrt): bei Aid 
kehr Rücktauf um 1 Denar, andernfalls Befik und Nießbrauch M 
Eigentfum dem Klofter verbleibend®). 


1) oredulus voei qua dantibus dieitur dari Neug. 607. a. 894. 

2) Zeuf, 52. a. 742 mundi terminum ruinis erebrescentibus appropir 
quantem indicia certe manifestantea etc. Form. Aug. A. 13. Markuli I 
8, B. 1. Weltuntergangserwartung als Grund frommer Schenkuug auch im WM 
735 Zeuß, W. N. 9 p. 16. (a. XV. Remed. IV. 720-737. (frömmigkit P* 
zemedio animae, Tobesfurcht Neug. N. 147 umb oft), amd wegen bee dreher⸗ 
Weltuntergaugs. S. Mone, Anzeiger, Url. a. 803 -823 Stältn (8.) I en. 

3) Reng. 419. a. 864. 

4) Neug. 324. a. 849, ähnlich 329. a. 849 si sospes ad propris M 

iar. 

5) Neugart 1. o. 12. a. 744: ut mihi in praestitum illas res conoodasi." 
manu vestita (monachi) possideant. 

6) S. unten. 

7) Wartmann II. 497. a. 864. 

8) Neng. 510. a. 878. 


501 


Zwei Brüder, offenbar im Begriff zu Feld zu ziehen, ſchenken 
Sanct Gallen das von ihren Brüdern Geerbte, unter Rüdgewähr; 
beive fellen ober ber allein zurücklehrende foll zinfen: erwerben fie 
im Feldzug (in patria militia) fo viel, daß fle jener Güter entbehren 
mögen, follen dieſe fofort dem Kloſter anfallen?). 

So bedingte Traditionen find nicht felten: fo eines Bifchofs, 
für den Ball, daß er aus bem Feldzug nicht heimkehrt?), wie bei 
Pilgerfahrten nad Rom?). 

Sehr verfohievene Fälle werben bei Bergabungen vor Aufbruch 
in den Krieg over zu einer Romreiſe unterſchieden“): 1) Bei Heim- 
kehr bloßer Scheinzins von 1, Rücklauf um 4 Denare. 2) Bei Top 
fern der Heimath ?/, ber Güter an bie Mutter zu Nießbrauch mit 
Zins von 2 Denaren, 2/; mit gleichem Zins an Wittwe und Kind 
mit Beerbung ber Mutter und 4 Denaren Zins. 3) Rückkauf durch 
Sohn oder Tochter bei Verbeirathfung um 1 sol. 4) Eintritt der 
Brüder bei Sterben ber umverbeiratheten Kinder bei Wohlverhalten 
gegen biefe, Rückkauf um je 1 Pfund Silber. 5) Hat einer der Brü⸗ 
ber bie Kinder nachweisbar fchlecht behandelt, NRüdkaufsrecht nur des 
Unſchuldigen um 2 Pfund. 6) Sind beide fchulbig, Rückkauf durch 
den Better binnen 6 Jahren oder binnen andern 6 Jahren burch bie 


Neffen). 
b) Virthſchaftliche Aoth. 


Wirthſchaftliche Noth wird häufig allein ober zugleich mit reli⸗ 
giöſen Vorſtellungen als Grund der Vergabung und der Begebung in 
den Kloſterſchutz, was meiſt, obzwar nicht immer, zuſammentrifft, 
ausdrücklich angegeben, wie ja in Gallien oft ſogar der Eintritt in 
Knechtſchafte). Oft verbindet ſich damit der Eintritt in das Kloſter 
ale Mönch, oder doch als Pfründner mit dem Recht auf oft ganz 
genau geregelte lebenslängliche Verpflegung. 

Dft wird die Noth ale Vergabungsgrund ausbrüdlich genannt: 


1) W. U.L 47. a. 797 fehlt bei Neng. L 

2) Neug. 673. a. 909. 

3) Unten „Pilger“. 

4) Coll. F. Sang. 8. 

5) Ganz ähnlich 9 1. c. 

6) Könige VII. 1. ©. 275f. Mit Unrecht beftreitet Waitz V. ©. 243, daß 
auch Ergebung in völlige Unfreiheit vorlam: werben doch fogar Formeln biefür 
entworfen. Bgl. Lorſch und Schröder, Urkunden R. 2. 


502 


„diefe Urkunde warb errichtet gegen (contra) 41/, Pfund, weil ihm 
bie Noth zwang” 2). 

Bezeichnend drüden ben Beweggrunb ber Vergabung aus bie 
Worte „fürforgend für unfer Alter und, die es zu begleiten pflegt, 
die Dürftigleit”. Der Schenter beftimmt bie 30 Joch für das 
Hofpitium des Kloſters (domus peregrinorum): deßhalb wird and 
von allen SKlofterbeamten bier nur ber hospitarius als Zeuge auge 
führt. Der Schenter will felbft in ba8 hospitium (domus hospitum) 
aufgenommen werben und bier lebenslänglih Nahrung und Kleidung 
erhalten, wie ver erfte der bortigen Unterbeamten?), das beißt jährlich 
ein Linnen- und ein Wollen-Gewand und alle brei Jahre einen Man- 
tel, falls der alte abgejchabt ift, Schuhe und die übrigen Aufwenbungen 
wie die Andern im Klofter?). 

Auch Beweggrund eines Taufches ift: Zufannnenlegung bebufs 
„Minderung der Armuth“: das etwa Kleinere foll durch Höheren 
Werth ergänzt werben‘). 

Auch andre weltliche Zwede fehlen nit. Dffen wird ber — 
uralte — Grund Eöniglicher Schenkungen ausgejprochen: „wir machen 
unfere Getreuen ohne Zweifel baburch eifriger in unferm Dienft“ 9). 

In den Gedanken der Zeitgenoffen wird nicht Har unterfchieben, 
was bie Wiffenfchaft als Beweggrund und Zweck einerjeits, als Auf⸗ 
Inge (modus) over als Bebingung (conditio) andrerſeits und endlich 
als Gegenleiftung auseinanberhält. „Auflage“ bei einer Königsſchenkung 
an ein Klofter ift, daß jährlich am Krönunge und fpäter am Todes⸗ 
Tag bes Königs für ihm gebetet werbe®). 

Dei einer andern gebeut ber Herricher, daß von ben Früchten 


1) Zeuß, W. 82. a. 786. 

2) Neug. 470. a. 873. Bicut primus illorum juniorum. 

3) Ein andermal hat das Klofler zu Ieiften: Neug. N. 42 ut tempus vitae 
meae de ipso monasterio accepiam substantiam: id est victum et vestimentum 
et calciamenta: das wirb banız oft genaner ausgemacht: jährlich 2 Linnen⸗ umdb 
2 Wollen-Kleider, ausreichende Nahrung (annona) in Brod, Bier, Gemäfe, Milch, 
an Fefttagen Fleiſch, jebes dritte Jahr einen Mantel (sagum). 

4) Coll. F. Sang. 11. Armuth ale Beweggrund auch eines Taufchgeichäfts 
Neug. 526. a. 882 providens paupertati et opportunitati mao gegen einen 
Scheinzins, aber Rückfall ans Klofler nach beider Gatten Tod. 

5) Neng. 867. a. 857 (fideles nostros) eo procul dubio in nostro servitio 
promptiores reddimus: aud einen Dialon. 

6) Neng. 562. a. 885 memoriale nostrum sacris orationibus reeitetur. 





503 


des Schenkguts acht Mönche (homines) unabläfftg ernährt werben 
mäfjen, bie ebenfo unabläfftg für fein Seelenheil zu beten haben‘). 

Als Auflage bei einer Landſchenkung Karls III. an Sanct Ballen 
wird die ftändige Verpflegung von 12 Pilgern bem dem Klofter ges 
börigen Hoſpitz auf dem Berg Sanct Victor beigefügt „zum Seile 
meiner Seele”?). j 

‚ Oft wird der Verwenbungs-Zwed der Schenkung auch von Pri- 
vaten ausgedrückt: „zum Unterhalt der Mönche”, „für bie Armen“). 

Einmal follen bie vollen Früchte des „Sallandes”*) des Schenkers 
unb bie zugehörigen Zinſe der Unfreien besfelben von deſſen Wittwe 
und Bruder, fowie vom Abt beliebig unter Arme oder Geiftliche ver- 
theilt werben; fehlt es in einem ber beiden Jahre an Früchten, follen 
bie des britten herangezogen werben®). 

Ueber die Beweggründe auf Seite der Kirche warb anberwärts®) 
bereitS gehandelt. Das Streben, bie zerftreuten Beflgungen abzu- 
runden, führte häufig zu Zaufchgefchäften. Ohne Zweifel war ein 
gar ftarter Antrieb das Verlangen nah Macht und Neichthum: 
— beide durch Land» mehr als durch Geld⸗Beſitz gefichert. Doch 
barf auch der edlere, fittliche Zweck nicht geleugnet werben, bie Seelen 
von ſolchen Abbängigen leichter und ficherer für ein chriftliches Leben 
zu gewinnen”). 


3. Gegenleiftungen bes Kloſters. 


Viel häufiger als reine Schenkungen find Vergabungen, bie von 
bem Empfänger eine vermögenswerthliche Gegenleiftung verlangen, bie 
freilich ſehr verfchteben geftaltet werden, auch als Auflage (f. oben 
©. 502) erjcheinen mag. Die Fälle find manchfaltig. Sehr häufig be- 
fteht die Gegenleiftung in ber Aufnahme bes Vergabers (und etwa auch 


1) Neug. 520. a. 880. 

2) Neng. 553. a. 885. 

3) Bgl. luminaria: W. U. I. 174. Neng. I. 648. a, 904. 

4) ©. unten. 

5) Neug. 455. a. 869. 

6) Könige VIII. 3. ©. 281. 

7) Vermehrung ber „Hörigen” durch bie Kirche bei Meiten I. &. 600 meint 
wohl nur ſolche — meift nicht unfreie — Zinsfente: vielmehr begänftigte ja bie 
Kirche die Verminderung ber Unfreien durch bie gottgefällige Freilaffung. 


04 


feiner Geftppen) in das Kloſter als Meönch!) over Aufnahme feines 
Sohnes ale Möndh?). 

Bon zwei Schentern behält fih nur Einer ven Eintritt im das 
Klofter vor?) 

Auch erhält wohl der Schenler für das überlafne Eigenthum 
Kloftergüter zu lebenslänglichem Nießbrauch unter Vorbehalt feines 
Nechtes zum Eintritt in das Klofterleben‘ oder unter Vorbehalt ven 
Verpflegung für fi, bie Söhne und feinen Bruder, bei Eintritt in 
ven Mönchsftand>). 

Bar demüthig macht ein Schenker feine Aufnahme ins Klofter 
abhängig von ber Würbigung bes Abtes: wird er „wegen feiner LZafter“ 
nicht aufgenommen, follen wie bei feinem vorgängigen Tod feine 
Brüder das Schentgut um 2 Pfund in beliebigem Werth zurücktanfen 
können: andernfalls verfällt Alles für immer dem Klofter®). 

Auch wird wohl dem Klofter die Entfcheivung überlaffen, ob ver 
Schenker in irgend einem Dienft (ministerio) bes Klofter8 Nah—⸗ 
rung und Kleidung erhalten fol: dann tritt an feine Stelle in Beſitz 
Fruchtgenuß und Zinspflicht bes rückgewährten (»repraestatum«) Gutes 
feine Ehefrau”). Ober auch das Klofter prüft, ob das Leben bes 
Schenkers den Eintritt in das Kloſter rechtfertigt: bis dahin Fine 
pflicht ®). 

In andern Fällen wollen ber Bergaber und die Seinen nicht ale 
Mönche, nur als Pfrünbner®) (von praebenda, praebendarius) ver 
pflegt in die Kloftergebäube aufgenommen, auch zu vertrauten Verkehr 
(familiaritas) mit Abt und Mönchen zugelafien werben. 


1) Schentung alles Gutes an das Klofter (Luceru) bei „Berlafien ber Welt 
Neugart 322. a. 848. W.U.10. Neug. 46. a. 769 et me ipsum ad ipsum 
monasterium monachum trado 1. c. 339. a. 851. 

2) Auf bes Baters Verlangen W. U. I, 58. Neug. I. 148. a. 803. 

3) W. U. I. 130. Neug. I. 390. a. 858. 

4) Meng. 334. a. 850. 

5) W. U. I. 98. a. 838. 

6) Wartmaun II. 529. a. 867. 

T) Neug. 354. a. 854. 

8) 389. a. 860. 

9 Zumeilen bleibt in ben num folgenden Fällen unklar, ob dies ober jenes 
gemeint ift. Nicht Aufnahme in das Klofter kann gemeint fein mit praebends 
et stipendium inter fratres, ba e8 fich um ein Ehepar — auch eine Frau — handelt 
W. U. 1 147. a. 873; dagegen Aufnahme eines alten Prieſters wohl ale Mind 
W. U. I. 74. a. 817, zweifelhaft Cod. Trad. Sang. 135 Reug. 323. a. 819. 





505 


Es wird auch wohl ausdrücklich unterfchienen, ob der Vergaber 
nur tbatfächlich das Klofter befuchen und dort vertraut weilen ober 
bie Welt verlaffen und fich der Zucht des Mönchslebens unterwerfen 
will: Beides foll ihm freiftehen!), Schenker beningen fich aus fami- 
liaritas mit dem Abt und den Mönchen und mit biefen gemeinfam 
Nutung an Wald und Weide nach Nothbebarf: auch unter die mun- 
diburdis des Klofters treten ſie). Sehr oft befteht bie Gegen- 
leiftung bes Kloſters in ber Aufnahme bes ſich „commenbirenden“ 
Schenkers in ven Schuß, bie Vogtei, des Kloſters. 

Das Klofter übernimmt ganz regelmäßig bie mundiburdis über 
ben DVergaber: das ift oft auch zu vermutben, wo es 1icht?) aus- 
drücklich gefagt wird, übrigens auch ohne Tanbvergabung, z. B. über 
Greigelafienet); aber Wahl auch eines andern Muntwalts bei Frei⸗ 
laffungen®). Gewährt wird ber Schuß burch ben Klofternogt®), wird 
auch ver Name advocatitii erft fpäter gebraucht. 

Zumal als Gegenleiftung für dieſe Schubpflicht, Vogtei, der 
Kirchen wurben Zinfe und Frohnden auch von Freien vertragsmäßig 
übernommen. 

Hinterfaffen, die von ber dem Klofter geſchenkten Scholle Ieben, 
werben bem Klofter „commendirt” und verwirten ben Nießbrauch, wenn 
fie jene verlaffen). - 

Wahl zwiſchen Eintritt in das Klofter ale Mönche) und bloßem 
vertrauten bort Wohnen und in Ehren daſelbſt Leben ®). 

Vergabung bes ganzen Bermögens an das Klofter behufs Auf 
nahme bes Vergabers over feiner Kinder auf Verlangen in das Klofter, 


1) Wartmann II. 512. a. 865. 

2) Cod. Trad. Sang. 305, 524 Wartmann II. 537. a. 868. 

3) Wie Trad. Sang. 425. p. 44. 

4) Form. Argent. 2. p. 337. Aug. 21, 356, 34. p. 360. 

5) Züricher Urk.B. I. 206. p. 97 muntpurdium . . . ubicumque plaouerit 
eligant. 

6) Bgl. Heusler, Inſtit. L S. 133. Straßb. Urkunbenb. I. 78. p. 61 ad- 
vocati quorum subditi seu censuales. 

7) Testam. Tellonis p. 16. coloni de curte p. 18. 

8) Aufnahme in das Mlofter und anf Antrag bes Schentere Cod. Trad. 
Sang. 76. N. 129. Wartmann I. 133. a. 792. 


9) Neug. 431. a. 865 ad monasterium venire, familiariter morari atque 
cum honore ibi manere. 


506 


wobei die NRüdgewähr!) (f. unten) erliſcht. Sinb die Kinder ber Auf: 
nahme unwürbig, Rüdforberung bes Vaters; werben fie nach ber Auf⸗ 
nahme ansgeftoßen, fällt alles Vermögen bes Vaters an das Klofter, 
fo daß fie Mangel zur bußfertigen Nüdlehr ins Klofter zwingt. 

In folchen Fällen tritt ver Pflegling wohl ftetS unter bie mun- 
diburdis bes Klofters, doch wird biefe felten, nicht immer erwähnt?). 

Außer dem Seelenheil?) wird bie lebenslänglihe Verpflegung 
(nodrigamentum, nutrimentum, viotus et vestimentum) durch das 
Klofter als Beweggrund ber „Schenkung“ angegeben‘). 

Ein BPriefter Pero bedingt fih für feine Gabe aus: jährlich ein 
Linnengewand und einen Wollmantel bis zum Tode bes BPriefters 
Engelbert in Manzell (bei Friedrichshafen), nach beffen Tod foll Bero 
an beffen Stelle treten und bie bortige Bafilika (die aljo Sanct Gallen 
gehörte) und all ihr Zubehör auf Lebenszeit erhalten. ‘Dabei wirb 
für den Fall des Rücktritts des Klofters von tem VBertragd) — ber- 
gleichen Tam alfo vor! — Rückgabe bes Schenkguts vorbehalten ®). 

Dber auch nur (contra) »nutrimentum nostrum« ohne nähere 
Angabe 7) oder gegen lebenslänglichen Unterhalt, Wohnung und Kleidung 
„wie Eines Mönches“ 8). 

Aber ein anderer Schenker bebingt ſich für ben Eintritt ins 
Klofter bie Doppelte, ja, wie e8 fcheint, die dreifache Verpflegung 
ber (andern) Mönche aus 9). 

Bielfach lehrreich ift die Land-Vergabung Kunbarats für feinen 
Sohn Albing, „auf daß biefer im Klofter Nahrung (victum) und Be 
Heidung (jährlich) erhalte, Zutritt zu dem Wefectorium und feinem 


1) Coll. F. Sang. 6, ähnlich 7. 

2) Wartmann II. 425. a. 853. 

3) gl. 51. 1. c. a. 772 pro Dei vel mercede et vel (52) pro missas et 
orationes meas. 

4) Reugart 1. c. 15. a. 744, 745 (fehr abgänftig gegen ſolche Berträge 
Badianus zu Golbaft. 1. c. 22. a. 758, der bemerkt, wie biefe Art der Aufnahme 
von Knaben von ber Regel Sanct Benebicts c. 59 de filiis nobilium vel pau- 
perum qui offeruntur abweicht; Könige VILI. 5. ©. 263. 

5) l. c. 29. a. 760 ad tempus vitae meae de ipso monasterio accipiam 
substantiam id est viotum et vestimentum et calciamenta 1. c. 42. a. 764. 

6) Neug. 627. a. 897. ei . . rectoribus monasterii haee statuta aliquando 
displiceant et sus mihi auferre velint. 

7) sine ullae refragatione personae. 

8) Zeuß, W. 148. a. 748, 

9) Neng. 233. a. 827. W. U. I. 94. a. 834. 


507 


Schüfjeltheil!) bei dem Male ber Brüder”: ferner foll er nach er- 
longter Reife und Würbigfeit unter biefe aufgenommen werben. 
Der Bater räumt fofort den Beſitz einem einziehenden Knecht des 
Kloſters). Ein anderer wird vom Vater gemäß ber „Einrichtung 
der Megel”®) Bott dargebracht (obtuli) unter einer Landſchenkung: 
baburch erwirbt er das Recht, unter die Mönche aufgenommen zu 
werben und ein mönchifch Leben zu führen ®). 

Der Schenter bebingt fich Lebenslängliche Verpflegung im Klofter 
aus und für feine Enkelinnen und veren Nachlommen 33 Ioche Klo: 
ftergut, aber al8 Zinsgut. Das bebeutet, daß biefe Joche bei Aus- 
fterben an das Klofter zurüdfallen®). 

Die Gegenleiftung bes befchenkten Kflofters Tann auch in Ver—⸗ 
pflegung außerhalb des Klofters beftehen. So erhält eine Schen- 
Zerin jährlich A Fuhren Korn, 2 Spelt, 2 Hafer, einen Brifchling, 
in Jahren guter Schweinemaft 1 sol., fonft 8 Denare werth, im 
Fahr eine tunica im Werth von 1 sol., im andern eine linnene, fo- 
genannte smoccho®), werth 2 tremisses”). 

Manchmal wahrt fih ein Vergaber reiche Gegenleiftungen®); fo 
fange er Laie bleiben will, bat ibm Sanct Gallen jährlich zwifchen 
dem Tag Sanct Galls und dem Sanct Martins zu entrichten 8 
Silberfol. und Kleider oder Vieh, einen Knecht und eine Magd zu 
ftelfen, reift er nach Italien over in den Palaft, jährlich einmal einen 
Reiter und ein gut beladen Roß, und zwar haben dies bie (Slofter)- 
Berwalter (praepositi) breier beftimmter (Klofter)-@üter zu leiften. 
Will er aber, was ihm ftets frei ftehen foll®), ins Klofter eintreten, 
gebührt ihm eine heizbare (caminata) Sonverzelle, wie fie jonft zwei 
Mönche bewohnen, jährlich 1 Wolle, 2 Linnen-Gewand, 6 (par?) 
Schuhe, 2 (par) Handſchuhe, 1 warme Mütze, 1%), Bettzeug, alle zwei 
Jahre eine Bettdecke. 


1) Neug. 490. a. 875. 

2) Privitatem, Neugart 129. a. 797. 

3) D. h. St. Benebicts c. 39. 4) 276. a. 837. 

5) Neug. 423. a. 864 »reddiderunt«, 

6) Schabe, ©. 835. Unterfieib, Hemd, von (amjfehmiegen: auch angelſ., 
altuorb., ſchwed. ſ. Grimm, Gramm. III. ©. 447. 

7) Neng. 427. a. 864. 

8) Neugart 187. a. 816. 

9) locum patulum oongrue habere. 

10) Du Cange U. p. 44. (camalaueum I. camelancum), Müße aus 
Kamelhaar. 


508 


Ein Kranker fchenkt unter der Bedingung lebenslänglicher Ber: 
pflegung im Kloſter oder beffen nächſt gelegenem Hof mit‘) 
Nahrung und Kleidung im Ball der &enefung. 

Nur einmal ſetzt eine Formel den Fall eines Verpfrünbenertrags 
mit einem Weltgroßen ?). 

Einem Bergaber geftattet das Klofter, vie rüdgewährten Güter 
auf feine Lebenszeit einem Dritten zu überlaffen, ber fi im Ver⸗ 
pfründungsvertrag zur Ernährung verpflichtet, vorbehaltlich des Heim⸗ 
falle an das Klofter im Fall des Todes ober bes Eintritts im das 
Rlofter zur Ernährung). 

In einem Verpfründungsvertrag behält fich der Bergaber Rüd- 
forderung vor, wenn ber Verpfleger das Verſprochene nicht gewährt 
und davon „auf demüthig Bitten“ nicht abgeht®). 

Dean kann alfo folche »traditiones« nicht als reine Schenkungen an⸗ 
febn: oft wird außer der vermehrten »repraestatio« Einkauf in bie 
Marknutzungen des „beſchenkten“ Kloſters bezweckt ®). 

Dem Kloſter wird einmal überlaſſen, ob es dem Schenker einen 
Gegenwerth zuwenden will ©), dann alſo Wahl bes Klofters zwiſchen 
Schenkung und läftigem Vertrag. 

Gegenleiftung zu Gunften eines Dritten verlangt Ludwig I: 
er ſchenkt an Klofter Kempten eine (Karl übereignete) Cella, bafür 
leiht der Abt einem Capellan des Kaiſers auf Lebenszeit Cellae unb 
Hufen aus bem Kloftergut (ex ratione monasterü)?). 

Einmal fcheint eine Gegenleiftung des Kloſters (tributum do- 
minicale) an bie Erben voransgefeht; beträgt biefe mehr als ber 
Zins, foll das But in ven Fruchtgenuß bes Klofters fallen®). 

Ausnahmsweiſe erfcheint ein Frohn und Zins bes (geftifteten) 
Kloſters (Wiefenfteig) an den Sohn des Stifter). 

Ein Stifter legt dem, der die Schuepflicht (Vogtet) übernimmt, 


1) Neugart 317. a. 847. 

2) Coll. F. Sang. 15. vel ouique libet (sic) potenti viro. 

3) Cod. Trad. Bang. 133 N. 222 a. 817 si ipsas res alioui se ipsum 
ad nutriendum plagitare (l. placitare, paoto tradere) voluerit. 

4) Coll. F. Bang. 16. 

5) So ausdrücklich gefagt W. U. I. 138. a. 866. 

6) Neug. 398. a. 861 si illis placuerit, tantum mihi prooreationique 
meae in O. praestent quantum illis in U. tradidi. 

7) Neugart 292. a. 839. 

8) W. U. I. 70. Reng. I. 178. a. 813. 

9) W. U. I. 136. Neug. L. 406. a. 861. 


509 


auf, jährlich einmal bei ber Neife zum Königsbienft und nochmal, 
wenn er im gleichen Jahre zu Felde ziehen muß, ein belabnes 
Saumroß mit Führer zu ftellen; ben andern Erben (coheredibus) 
haben bie Mönche nichts zu leiften. Nach jenes vom Water beftellten 
Sohnes Tod follen die Mönche unter deſſen Erben den ihnen als ber 
Würbigfte ericheinenden wählen. 


4. Vorbehalte. 

Neben den Bergabungen bes ganzen Vermögens!) fteben zahl- 
reiche Gejchäfte mit Vorbehalten?) und Ausnahmen: zumal auch Vor- 
behalt des lebenslänglichen Nießbrauchs für ben Vergaber oder deſſen 
Frau oder Gefippen?). 

Der Schenker behält ſich den Eintritt in das Kloſter vor‘), 
alsdann Anfall des Eigentbums an das Klofter, andernfalls Rückfall 
(wenigftens von Beſitz und Nutung) an ihn®). 

Zuweilen behält fi) der Bergaber für feine‘) und feiner Kinder 
Lebenszeit pas Eigenthum an dem Schentgut, auch deſſen Unfreien, 
vor, entrichtet aber dafür tem beichentten Kloſter (Sanct Gallen) einen 
Jahrzins an Wein, Getreide, Klein- und Jung⸗Vieh?). Er erhält das 
Schenkgut burch precaria zum Nießbrauch zurüd®). Stänbiger Aus- 
druck ift dabei in vestram dominationem in meam vero ra- 
tionem?). 

Der Vergaber wahrt die Nukung (gegen Zins von 2 Malter) 
feinen ehelichen Nachlommen, in beren Ermangelung feinen Aeltern, 
nach dieſen feinen drei Schweftern und beren (ehelichen) Nachkommen 
unter Ausichluß des Rückkaufsrechts Aller 19). 


1) 3. 8. oben &. 506 alles gegenwärtigen Befikes und Tünftigen Erwerbes 
Wartmaun II. 445. a. 855, 856. Aller Beſitz in Alamannia unb darüber binaus 
auch Land in Francia Neugart 305. a. 843. 

2) Ueber Vorbehalte ber Rüdgewäbr (Repraestatio) |. unten. 

3) Bei dem Tod Heimfall an das Klofter, fo 3. B. in Züri, 3. U.B. L, 
N. 142. p. 61, z. B. a. 881, begleichen Im Teflament Tello's; bie Regel in vielen 
Fällen Mohr I. p. 17. 

4) Oben S. 504. 

5) Neng. 381. a. 868, ähnlich 380. a. 859, doch nach Prüfung ber Mönche: 
si . . utilis probatus fuerit, ut monachicam vitam agere possit. 

6) 1. o. 38. a. 762, 83. a. 782. 

7) Rengart I. 1, 7. a. c. 718 und oft. 

8) Bgl. Könige VIII. 4. Neugart ſehr oft. 

9) Rechnung 1. o. 36. a. 762. 

10) Neng. 453. a. 867. 


510 


Vorbehalt des Nießbrauchs für ben Schenker, deſſen Söhne um 
in beren Ermangelung Brüber!). 

Vorbehalt zu Eunften ver ganzen Nachkommenſchaft, Yahreszins 
von 4 Denaren ober einer Pflugfcher (alſo — 4 Denare) Rüdlanf 
gegen 10 sol: ſehr merkwürdig ift bie Drohung, weigert das Mofter 
deren Annahme, befreit fich ber Zinfer, indem er ben Zins im bie 
Kirche over auf den nächften Ader wirft2). 

Borbebalt des Nießbrauchs für die Lebenszeit ter mitfchententen 
GSattin®); dabei fällt auf, daß viefe, obwohl als Mitfchenferin ge 
nannt, nicht, wie bie einwilligennen Söhne, mit unterzeichnet. 

Dft behält fich das gemeinfam vergabende Ehepar Beſth unb 
Fruchtgenuß bis zu beiver Tode vor t). 

Borbehalt des Mundſchatzes (dos) der Frau für deren Lebens 
zeit bei Schenkung alles Gutes an das KlofterS). 

Vorbehalt für die Wittwe und teren (auch Stief- ?)Rinder 9). 

Oft bezieht fich der Vorbehalt nicht auf Befitz, Verwaltung und 
Sruchtgenuß, fondern auf gewiffe Sachen, bie au im Eigenthum 
bes Bergabers bleiben follen, auch wohl für das Weberleben |ves 
Baters”). 

Vorbehalt ber terra indominicata und eines Wald⸗Thals ). 

Manchmal bilvet den Gegenftand ver Schenkung alles Vermögen), 
manchmal nur das Ererbte1%), manchmal umgelehrt nur das Er- 
rungene 11). 


1) Neugart 135. a. 798. 
2) Neugart 184. a. 815, f. unten. 
3) Nengart 112. a. 790 (und ber Tochter) 149. a. 804, ber Tochter allein 
205. a. 820. Borbehalt bes Nießbrauchs für Frau, Tochter, deren Ablönımlinge 
und Seitenverwanbte gegen Zins von 2 Denaren unb mit Rückkauf um 10 Solidi 
Neug. 501. a. 876. 
4) Zenß, W. N. 2. 
5) Nengart 25. excepto tudem (l. dote) a. 759, 760 [anbers 26. a. 760], 
254. a. 832. 
6) Neugart 305. a. 843. 
7) Neugart 114. a. 791. 
8 Zeuß, W. N. 3. 
9) Oben ©. 506, 509. 
10) 3. ®. omnem hereditatem propriam quam in G. marcha habuit 
Neug. 449. a. 868. 
11) 3. B. Neug. 447. a. 868 adquisitum meum quem adquisivi inter 
R. et A., id est jurnales XX. 


511 


Andremale wird nur das Erbgut, nicht die Errungenichaft 
vergabt!) (excepta conquistione sua); nicht felten?) aber werben 
auch Batergut und Errungenfchaft gleich behandelt?) und bei bem 
Erfteren gleich Vertheiltes und noch nicht mit ben Miterben Ge⸗ 
theiltes 4); ober es wird auch gefchenkt alle künftige Errungenfchaft vom 
Tag der Schenkung bes bisherigen Vermögens an?). 

Vorbehalt einzelner Hufen‘) fammt den barauf wohnenden Un- 
freien?) ober der Dienfte der verfchentten Unfreien auf Lebenszeit bes 
Schenkers ®). 


5. Auflaffung. Beſitzübertragung. 


Die Beſchenkten ſind 1) Gott und (et) 2) Sanct Gallus oder (seu) 
3) bie rectores des Klofter8%). Für den Abt handelt nach kanoniſcher 
Vorſchrift der Klofteroogt: auch für ben Veräußerer, ber Vögtling ift, 
handelt nur deſſen Vogt. 

Der Abt Tann daher auch ungenannt bleiben in ber Urkunde: dann 


1) F. Sang. mise. 14, 15. 

2) Reugart 302. a. 842. 

3) 1. oc. 305. a. 843 seu ex paterna hereditate seu ex adquisito ... seu 
ad huc adquirendis. comparatus, Errungenfchaft: oft Zeuß, W. 72. a. 788, 
ebenſo 73. a. 776 tam de alode parentum quam de qualibet adtractu (= lucratio 
78. a. 791); gleichbebentenb mit alod tam de paterno quam de materno 74- 
a. 788. 

4) 1. c. sive divisum habeam cum meis coheredibus seu indivisum 
Nengart oft ſ. oben &. 352. 

5) Zenß, W. 88 (ohne Jahrangabe). Bezeichnenb für bie Errungenſchaft: 
quiquid . . proprio sudore adquisivit Neug. 344. a. 852, gleihbebentend Schenkung 
bes künftig durch Robung zu Gewinnenden 1. c. 160. a. 806 und ſehr oft, anbers 
Errungenſchaft durch Kauf 362. a. 855: quidquid potero pretio adquirere. 

6) 3. B. eines Neubruche, novale, Neng. 165. a. 808, umgelehrt: Ber- 
gabung nur eines Neubruchs 1. c. 320. a. 848, durch Tauſch 392. a. 860. 

7) Reugart 305. a. 843 cum mancipiis quae in illis sunt und 30 anbern 
zu wählenben Kuechten ober Mägben. 

8 Zen, W. 241. a. 742. Dunkel iſt ber Vorbehalt Cod. Trad. Bang. 38. 
N. 47. Wartmann 51. a. 768: Schenkung bes ganzen Erbes, heredis (l. here- 
ditatis) mei (l. meae) omnia: banı: et si mihi oportuerit, quod januas apertas 
volo habere et si mihi adtingeritis, in ipsus censum maniat, (sic) si non, 
ulterius parentis meus non nisi mater mea: janua aperta, bet ber Freilafjung. 
Unklar au bie Verbindung bes Vorbehalte von Zehnten mit bem von Unfreien 
W.UL 62. a. 807. 

9) Neugart 296. a. 839. S. Könige VIIL. 5. ©. 281. Bluhme, bie traditiones 
monasterii St. Galli Beders Jahrb. III. &. 200. 


912 


vertreten ihn ber praepositus unb „deſſen“, d. 5. bes Rlofters Bogt); 
nur ungenauer Ausbrud ift e8, wirb auch ber Vogt bes vertauſchenden 
Laien als (Mit-) Erwerber des Tauſchguts bezeichnet: er erwirbt nur 
für ven Vögtling 2). 

Einmal ift Ruatpert zugleich Vogt des Kiofters und der NRüd- 
emtpfänger, ber Nepräftisten, ex banbelt für beibe?): das ift auffallend: 
aber doch find es fchwerlich zwei gleichnamige Vogte: da die Schenkerin 
vorher ihr Srundftüd übereignet Hatte, war fie vielleicht unter bie 
Vogtei des Klofteruogts getreten *). 

Das Verfügungsrecht des Schenters als Eigenthümers brüdt aus 
manu potestativa 5). 

Ein erkrankter Schenker beauftragt einen Priefter, zufammen mit 
deſſen Vogt bie traditio an- das Klofter vorzunehmen‘). Das Mlofter 
kann aber auch die Vergabung an eine ihm gehörige Kirche ober an 
eine feiner villae vornehmen laffen”). 

Deßhalb kann geradezu gefagt werben, ber Schenfer, ver Sauct 
Gallen befchenten willens, trabirt an Altorf, einen Hof Sanct 
Gallens 8). 

Sehr oft wird verhandelt in atrio ecclesiae, monasterii: meift 
ber beiheiligten, aber auch anderer), in Sanct Ballen vor dem Altar 
ſelbft des Heiligen 1). Dann erfolgt oft Niederlegung der Urkunden 
auf den Altar und fo in den Gewahrfam und Schu bes beſchenkten 
Seiligen1!), aber auch in der verfchenkten Billa12), auch in einem 
Wald (16, silvula) kann vie Vergabungsftätte fein 12). 


1) advooati sui Neug. 543. a. 883. 

2) Neug. 499. a. 876, 

3) Wartmann II. 460. a. 888. 

4) Bgl. die mundiburdis II. 425. a. 853. 

5) Neugart 165. a. 805 und oft. Weber den mithanbeinben Beilprude- 
berechtigten ſ. oben ©. 367. 

6) Neug. 464. a. 868. 

7) &. Aum. 8 (NReug.). 

8) Neug. 638. a. 902. 

9) Meng. 506. a. 877, 585. a. 889. 

10) Neug. 438. a. 866, 506. a. 877. 

11) Bgl. Burdharbt, Gauverhältuifle ©. 5. 

12) So 469. a. 873: iſt dabei ſtets ein placitum im Ort vorantgefehk? 
Schwerlich. 

13) Cartular non Rheinan 23. a. 892: in dieſen Rheinauer Urkunden häufig 
oasada (flatt casata). 


R 


513 


Einmal wird ausdrücklich das Handeln unter freiem Himmel 
erwähnt?). 

Ein Tauſch geichieht in ver Königspfa zu Bodman?). 

An Sonntagen werben Urkunden häufig ausgeftellt, von Geift- 
Lichen wie Laien, in ber Kirche, vor dem Altar (auch fonft in Kirchen), 
weil ta viel Volks zufammenlief und Zeugen leicht zu finden waren?) 

Dei Bergabungen find zu unterfcheiven folche, in benen ber Graf 
sur urkundet — nur beichräntt auf feinen Amtsbezirk‘), — und folche, 
in denen er felbft vergabt, was felbftverftändlich auch auf feine Alfo- 
dien in den Grafichaften Anderer gehen mag). 

Ausführlich fchildern die Urkunden, wie bie Schenter (vier Brü⸗ 
Der) vor dem Grafen‘) ihre DVatererbgüter zuerft dem Klofter auf 
Laffen?), dann einem Vertreter des Klofters auf drei Tage und brei 
Nächte ven Befitz übertragen, nach deren Ablauf fie durch beneficium 
des Klofters fie wieder empfangen; dies gefchieht vor dem Grafen und 
ven pagenses, d. h. vor 11 Zeugen®). 

Das feierliche Umgehen ber zu erwerbenden Grunbftüde, das aus 
dem privaten in das Öffentliche Recht bei Erwerb ber Gebietshoheit °) 
übertragen worden war, findet auch bei privatem Eigenthumserwerb 
immer noch Statt 19). 

Dft, (ja meift?) find die Formeln wirklichen Urkunden entnom- 


1) Neug. 351. a. 885. actum publice sub divo (ein Tauſchvertrag). publice; 
fehr oft auch publice in atrio eoolesise: fo beibes 552. a. 895. in publico 
mallo 544. a, 885. Bergabung auf ber Infel Reichenau coram frequentia populi 
et idoneis testibus, an einem Sonntag Neng. 494. a. 876. 

2) Neng. 516. a. 879. 

3) Cod. Trad. Sang. 69. N. 117. Wartmanu I. 113. a. 787. Neug. 455. 
a. 869 unb oft. Das Berbot, an Sonntagen placita zu halten, wirb oft verlekt 
zb. v. Sidel I. S. 243. 

4) ministerium VIII. 3. S. 79. 

5) Beifptele von beiden Fällen Stältn (B.) I. S. 330. 

6) Daher sub comite, d. h. in befien Grafſchaft die Büter liegen. So fehr 
oft bei Nengart. 

7) NReugart L co. 45. a. 766 exuti de omni re paterna nostra revestivimus 
Wolframnum monachum.. 

8 Nur die Wiederverleihung bes früher Geſcheukten 48. a. 769. 

9) Urgeſch. ILL. ©. 113. 

10) Reug. 464. a. 872 quidquid in ipso die concambii in eadem marcha 
cum praeposito (des Mlofters) C. et advocato P. comitante populo et testıbus 
circuivi. Zahlreiche Beläge bei 3. Grimm RAIL S. 119. II. ©. 74. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 33 


514 


men, um baun wieber anbern. Urkunden zu Orunde gelegt zu wer 
ben !), andere aber find nicht nach wirklichen Urkunden verfaßt). 

Die Kirche fichent fich wohlweislich, vuvch Geſetzesvorſchrift, ben 
Urkundenbeweis ihrer Rechted). 

Mit der Urkundenform wird bie Zengenſorm — Urkundzeugen — 
verbunden. 

At freilich die Urkunde verbrannt ober verlogen‘) und verſagen 
auch die Urkundzengen, fo barf ber Erbe mit fünf Eidhelfern ſchwoͤren, 
daß fein Vater eine folche nie errichtet habe). 

Formelhaft werben mindeſtens 7 Zeugen, meift Mönche, voran 
geſetzt ). Aber auch 7 Raten aus ber familia (Geſinde) des SMofters 
und alle älteren Brüber”). 

Ein andermal fordert die Formel nur 5 Zeugen neben dem 
Bergaber?). 

Einmal beanftanden?) zwei Zeugen bie Abgränzung bes Schenl: 
guts, worauf der Nechtsbeamte im Balaft des Könige 10) eime »in- 
quisitio« anoronet, bie ben. Veſtand beflätigt. 

Auch unvollſtaͤndige Urkunden begeguen, in beuen 3. B. Zahl und 
Namen ver verichenkten Unfreien erſt noch auszufüllen find 2), Die 
Urkunde muß gehörig batirt fein 12). 


1) 3. 8. Wartmann I. 367. a. 837, ber Formul. Sang. mise. 21 und oft, 
von Zeumer nachgewieſen. 

2) 3. B. die erſten 5 der F. in der oolleotio Sang. ed. Zeumer, dem 
fogen. Formelbuch Salomos III. von Couſtanz. 

3) L. 17, 18, 19 (19, 20) p. 81. Schriftſorm bei Bergabimg an bie Arche 
L. 1. p. 63, bie Schrift- und Urkunds⸗Zeugen⸗Form znfammen beißt firmitetem 
facere, Brunner, Urkunde ©. 288. firmare fundum heißt ein Grunbftüd durch 
Urkunde übertragen Zeuß, W. 227. a. 718 f. oben S. 312. und IX. 2. „Vaiern“. 

4) Bgl. VIII. 4. &. 295. 

5) L co. p. 67. 

6) Form. Aug. B. 3. 17, 21, 34. 

T) Lo. 37. 

8 Coll, F. Sang. 6. Zengenferm bei Bergabung an bie Kirche L. 1. p. 63. 
(Urkunde). Die Kormel einer Schenkung an die Kirche gemäß L. A. I. 1 bei 
v. Rodiuger p. 198. 

9) non reote voluerunt habere sicut in testamento (Urkunde), ebenfs 
205 a. 609 pleniter. expressum est Zeuß 196. a. 717. 

10) ille qui in palatio reotum agit, der Pfalzgraf?- (Otalar). 

11) Zeuß, W. 67. a. 773 nachgetragen in einem breve 65. a. ? 

12) &, oben S. 313. Einmal nur ganz umnbeflimmt „zu Zeiten Karle* 
(tempore: Gazolo) Zen, W. 183. Weber Abweichung von „Datum“ und „Actum“, 


515 
Außerorbentfich felten Haben fich Urkunden über Schenkungen und 
Taufe unter Laien erhalten, vor Allem wohl, weil fid nicht fo ge- 
fichert lagen wie in Klofterarchiven: amsnahntäweife Bat fich zuweilen 
ein folches im einem Kloſterarchiv gerettet '). 


' Ganz vereinzelt fteht neben ben zahlloſen Schenkungen an Kirchen 
auch einmal eine am die Tochter?). 


6. Rechtswirkungen der Uebertragung. 

Regelniäßig wird durch die Vergabung übertragen volles Eigen⸗ 
thum?) zu freier Verfügung‘), auch zu Veräußerung, ſofern fie kanoniſch 
verftattet ift, zu Befig, Verwaltung — unmittebbar oder mittelbar 
durch Vaſallen, Beneficiare, Precariſten — und Fruchtgenuß. Der 
Beraͤußerer haftet dem Erwerber für Uebergang des Eigenthums und 
ungeftörte Ausübung all ber aufgezählten Rechte: dies wird voraus- 
geſetzt, Abweichungen müffen ausvrücklich vertragen werben. 

Johama von Pürs (de Purie) in Nhätien, bie, allein halldelnd, 
eine Wieſe verkauftd), iſt ANömerin‘): fie foll das Doppelte ander: 
wärts leiften”), Tann fie ven Käufer nicht im Befitz vertreten. 

Ein Vergaber Hat (ohne vorbehaltnes Rücklaufrecht) einen Theil 
des Outs feiner Tochter übertingeit. Dagegen Hagen Abt und Vogt 
bes Kloſters, aber auch bie rectores loci, b. h. vie weltlichen Orts. 
behdrden: Centenar, Schuldheiſch gegen die Tochter und deren Gatten: 


boppelte Ortsangaben Th. v. Sidel I. &. 235. Ueber bie Rechnung nach Könige 
oder nach Hausmeier⸗Jahren oben ©. 318 Th. v. Sidel I. S. 239 und unten 
„Befammtelgenart“. Oäufung der Regterungsiahre in Francia, in Italia, als 
rex, als imperator Th. v. Sidel I. &. 249; daſelbſt über Wartıtanı I. N. 57. 
Bterfache Rechnung jeit a. 800: nach regnum in Francia, in Italia, imperium 
unb Indicetion (1. September) vgl. Th. v. Stdel I. &. 254; über griechtfche 
und Beda'ſche Inbiction S. 273 (gegen Stumpf). 

1) &o Cod. Trad. Sarg. 64 N. 110. Wartmann I. 125. a. 790. 

2) Nengart 105. a. 786. 

3) ponteficium, fo oft verfchrieben für potestas Zeuß, W. 61. a. 774. 

4) Unter Lebenden. Letztwillige iſt beit Kirchen ausgeſchloſſen; Bei rämifchen 
Lauten ale Erwerbern anch Lektwillige. 

5) Die Alamannin Hildburg handelt cum manu Waltherii Wartmann I. 
257. a. 820. 

6) Cod. Trad. Sang. 145. N. 240. a. 820. Wegen ber fonft bier befonbers 
üblichen poena dupli, 3. ®. J. c. 146. N. 242, ganz techniſch: >»solvat dubla 
terrac Wartmann I. 264. a. 821 und hier oft. Rbmerin aud) Bona Cod. Trad. 
Sang. 147. N. 645. a. 820, Juliola Wartmann I. 293. a. 825. 

7) Neug. 478. a. 874, zur Sühne, aus Reue. 


33* 





516 


verurtheilt geben fie das Entzogene dem Kloſter heraus und bazu vier 
weitere Joch ij. 

Oft wird ausdrücklich das Land „wie es bearbeitet und einge 
hegt iſt“ — im Unterſchied von ber nicht urbar gemachten Mark — 
als Gegenſtand des Vertrages bezeichnet?) oder das Land, das bar 
Schenkerin in einem Dorf ober Gehöft (locus, villa, vicus) und mw 
ver Markt dieſes Ortes eignet. Mit der Hauptfache wird vergakt 
bie Zubehör ®). 

Ein Schenker giebt fo zum Grundſtück 2 Ochſen, 2 Kühe, 2 Kal⸗ 
ber, 30 Stüd Hein Vieh und 7 Bienenfhwärme>), auch bie ferr- 
menta und vestimenta®). 

Die precaria?) bezieht ſich für die Aufzählung der Zubehörven 
auf die Schentungsurkunde®). 

Aber auch andere Rechte als Eigentbum bilden den Gegenftant 
ber Vergabung: 3. B. was ber Schenker bisher von einer Hufe, tem 
mansus eines Knechts, einem Weinberg einem Dritten ſchuldete. Aub 
was, felbftverftännlich unter Zuftimmung des bisher Berechtigten ®, 
eine Iran (Wittwe?) bei Verföhnung mit ihren Brüdern nach teren 
Schiedfpruch (arbitrio) als Erbtheil erhielt); ; oder was ein Bruder 
als Miterbe des Anvern 1%) von ten eltern empfängt und was ber 
Schenker etwa von biefem Bruder felbft erbt 11). Die Verſchenkung ven 
Freien ift unmöglich 12): gemeint ift bie Abtretung ber Leiftungen viefer 
Freien an Zins und Frohn, bie fortab an das Klofter erfolgen follen. 


1) Neugart 275. a. 837 sicut ibi elaboratum conprehensum habeo. 
2) Neugart ehr oft 3. B. 284. a. 838. 
3) ©. oben ©. 460f. 
4) W. U. I. 94. a. 834. 
5) Zeuß, W. 72. a. 788. 
6) &. die precariae auch bei v. Wyß N. 15, 25, Dagegen traditiones 
N. 14, 16. 
7) Wartmann I. 332, 333. a. 830 sicut in cartula sonet (I. sonat). 
8 Was allerdings nicht gefagt iſt: aber intimare debusmus Tann hier nicht, 
wie Du Cange IV. p. 404 allein beibringt, „anzeigen“ heißen. 
9) Neug. 660. a. 907. 
10) quod contra frattem meum in portionem accipere debeo. 
11) seu quod in ipsa portio fratris mei mihi in hereditatem proveniet 
Neugart 303. a. 842. 
12) Oben &. 166, 197. Was dieſe „Schenkung“ von Freien bebeutet, zeigt beut 
lich Neugart 298. a. 810, wo Lothar eine Schenkung von ſolchen Durch Pippin umb 
Ludwig beftätigt: fie follen, was fie bem Fiscus zu entrichten gewohnt tvaren, 


517 


Eigenthum und Nießbrauch werben durch einander gemengt?). 
Aber zuweilen überträgt der Herrfcher Eigentum an dem von feinem 
Vorgänger nur zu Nießbrauch (auf Lebenszeit) gegebenen Lan 2) 
oder das Eigenthum auf Lebenszeit wird in erbliches verwandelt. 

Merkwürbig wird einmal dem Kloſter an einem Gut nur ber 
immerwährende Nießbrauch — nicht Eigenthum — übertragen, wäh. 
rend der Schenker fich und feiner Sippe an einem andern ven zins- 
Cofen Niepbrauch für immer (b. 5. bis zum Ausiterben) vorbehält: über 
pen Heinfall an das Klofter nach jenem Ausfterben ift nichts gejagt: 
es galt wohl als ſelbſtverſtändlichs); ad opus habere Heißt auch bloß 
Beſitz und Nutzung, nicht Eigenthum, das Hatte das Klofter be- 
reits‘. Auch Dienftbarkeiten und Realrechte werden übertragen: fo 
wird eine immerwährende Wegegerechtigleit eingeräumt ®). 

Die Mönche von Sanct Gallen zählen auf die Arten von Land 
und bie Rechte, vie fie feit Ludwig I. (bi8 auf Arnulf a. 890) im 
Thurgau, Linzgau und dem Nhätien von Chur geeignet. Außer ben 
gewöhnlichen wird genannt das Recht, Holz zu fchlagen, die Schweine- 
maft (zweimal erwähnt) — beides in fremden Wäldern, denn in ben 
eignen verftand es ſich von felbft — und Sifchereien, Holzung nach 
Bedarf, zumal für Wafferleitung und Ziegelbrennerei, jowie für Laft- 
Tchiffe auf dem Bodenſee: weder Bitten noch Pachtgeld (absque pe- 
titione et absque conductione) können verlangt werben, ausge 
nommen gewiffe Tönigliche Bannwälder. „Seit aber König Arnulf 
dem Grafen Udalrich vom Linzgau den Kronhof Luftenau gefchentt 
Hat, will biefer in Luftenau felbft und im ganzen Gau uns jene 
Nupungsrechte nur gegen Pachtſchilling ausüben Laffen®); fogar bie 
Ziegel, die wir bereits geftüdelt (fissas) hatten, bie Baſilika des 


fortab dem beſchenkten Klofter entrichten: ut illud quod ad partem publicam 
(Könige VIL 3. ©. 79. VIII. 5. &. 2) facere consueverant ad praedictum 
monasterium fuissent (l. faciant). 

1) So mea sub usufructuario proprietas Neug. 580. a. 888: in Wahrheit 
legt Nießbrauch vor; das Klofter hat das Eigenthum an bem »benefioium« und 
die Eigengewere an dem anbren jebt verliehen Gut (in vestitu . . monasterii). 

2) ]. c. 381. 

3) Neug. 495. a. 876. 

4) Zeuß, W. 128. a. 774. 

5) Zeuß, W. 127. a. 820 de curtile nostro dominicato exire in silvam 
ad aquam et ubicumque voluerint servitores (monasterü) usque ad aevum. 

6) non nisi sub conducendo fruendum voluit concedere Neug. 596. 
a. 5%. 


518 


Heiligen pamit zu beden, bat ex ung mit Gewalt bavongeführt und 
ſein Haus in Luftenau damit beden laſſen“. Da beruft ber Abt 
bifchgf ein Ding und läßt im Iuguiftipmsberfahren duxch alle Vor⸗ 
nehmen (prineipep) ber brei Gaue die Nugungsrechte und bie Grängen 
ber Gphiete feftftellen, in benen das Kloſter fie zu üben Kat. 

Bei dieſem Anlaß werben durch bie gleichen Zeugen im gleichen 
Verfahren quch hie Gränzen non zwei Gauen (Thurgau und Kheingen) 
feftgefteltt 1). 

Boy jener Regel ber freien Verfügung bes Klofters über un. 
mittelbgre up mittelhare Dewirtbichaftung bes Berliehenen burg 
Denefiziare findet ſich num aber außerorbeutlich Häufig eine merkwürdige 
Ausnahme, bie für bie Zuſtände im Ganzen, zumgl aber für ben 
frommen Beweggrund ber Vergabung, höchſt bezeichnend ift: in über 
aus zahlreichen Fällen wird bei ſchwerer Strafe, zumgl bes Rückfalle 
des Gutes an ben Verleiher oder deſſen Erben, dem Klofter verboten, 
das But als beneficium oder fonft wie einem Anbern zur Bewirth- 
ſchaftung zu verleihen: es muß in unmittelbarer Bewirtbichaftung, 
manchmal im unmittelbaren Beſitz bes Abtes felbft verbleiben. 

Stellen wir erft die Thatſache feft und unterſuchen dann tie 
Beweggründe. 

Der Schenker legt dem Kloſter die Werpflichtung auf, das 
Schenkgut felbft zu bewirthichaften, eq nicht in cegsym ober in be- 
neficium auszuleihen 2). 

Ein VBergaber verlangt, daß ber Abt ſeſbſt das Schenkgut be- 
fige?). 

Berbot ber Verleifung bes benmeficium bei Meitung bes Heim- 
falls an den Schenker behufs Schenkung an andere Kirchen). 

Ein Schenter bebroht tie Benefictrung ober Entfremdung von 
dem Stiftungezweck [hospitium) (over Borentpaltung bes augbebun- 
genen eignen Unterhalts) mit ber Nüdforberung bes Cigenthums 6). 

Einmal fol, falls der Abt das Schenkgut seculariter in bene- 


1) Neug. 596. a. 890; Über bie Ingnifition oben S. 307f. 
2) Reugart 134. a. 797. 


3) Er bebingt fih dafür vom Abt Tebenslänglih Nahrung und Kleidung 
aus, Wartmann I. 284. a. 824. 1. o. 288. a. 826. 


4) W. U. I. 105. Neng. I. 301. a. 842. 
5) Neug. 470. a. 873. 


519 
fieinm giebt, der alodann lebende nächfte Geſtppe das Gut um 30 sol. 
rũcktaufen, aber nur anf Lebenszeit t). 

Bei Hingabe des Schentguts zu beneficiam ſoll ber nächfte Erbe 
bes Schenkers (wie felbftverftändfich dieſer felbft, wenn ex noch lebt) 
Eigenthum wie Befik und Fruchtgenuß „winbictren” (vom Erben: vind:- 
eare lioeat) Können, d. 5. fonver Entgelt abnehmen, wobei auch 
der Zins erlöfchen muß 2). 

Ein Schenker, ver ihm vom König geichentte Güter Sanct Gallen 
fchentt, erwirkt ein Berbot des Königs, fie zu beneficium zu 
geben bei Strafe bes Heimfalls an ten Fiscus?). 

Der König verbietet auch Sanct Gallen, von ihm felbft Ge⸗ 
fchenttes zum Sonvergut bes Abtes zu ziehen ober zu beneficium 
zu leihen ®). 

Einmal verbietet der König dem Kloſter, bei Meidung des Heim⸗ 
falls an ven Fiscus, Güter zu beneficium zu geben, bie er°) einem 
Laien gefchentt und biefer dem Klofter in Tauſch gegeben Hatte®): 
dies Recht hatte der König wohl vermöge feiner mundeburdis über 
das Klofter: deßhalb wird auch des Königs Erlaubniß für das Tauſch⸗ 
geichäft Hervorgehoben. 

Aber auch ganz allgemein verbietet ber Kaiſer dem Fronklofter 
(Buchen), Güter zu beneficium zu geben ober fonftwie dem Gebrauch 
der Klofterlente zu entziehen”). 

Verbot, gefchenttes But zu beneficium zu geben, ohne Straf: 
broßung®); bie Aebte reißen folches auch wohl zu ihrem Privatnugen 
(ad suam peeuliaritatem) an fich. 

Wie das Geben zu beneficium wird bie Vertanfchung bes ge 
ſchenkten Gutes dem Klofter verboten 9). 


1) W. U. I. 68. vor a. 817. 

2) Rengart 303. a. 842. Ebenſo 223. u. 827. W. U. L 91. Wartmaun I. 
330. a. 830. Ebenſo 333. a. 830. Neug. 159. a. 806. 250. a. 836. 418. a. 863. 
606. a. 894. 

3) W. U. I. 155. Neug. I. 516. a. 879. 

4) W. U. I. 172. Neng. I. 613. a. 806. 

5) a. 875. Meng. 489. 

6) 1. c. 516. a, 879. 

7) W. U. I 82. Neng. L 204. a. 819, bagegen voll free Berfligung quie- 
quid exinde pro opportunitate vel compendio facere decreverint, libesam.. 
in omnibus habeant poteststem faciendi quicquid elegerint 1. c. 85, cbenſo 
86, a. 823. 87. a. 823. 95, 96. a. 836, 

8) Meng. 613. a. 895. 9) W. U. 10. Neug. 46. a. 769. 


920 


In den Weißenburger Urkunden erhält das Klofter meift volifreie 
Verfügung, alſo auch zu beneficiare. Auch findet fi bier ber 
Rückkauf felten vorbehalten. 

Aber zuweilen wirb auch Weißenburg verboten, das Schentgut 
durch Ausleihe zu gefährben 1). 

Einmal Verbot bes beneficiare durch das Klofter, aber Borbe- 
balt des beneficiare für ben Schenter?). 

Was nun die Beweggründe dieſer Verbote betrifft, fo werben 
fie jelten, aber boch zuweilen und dann beutlich genug ausgefprochen. 

Es war einmal ein fehr realer, praktiicher: fchon bamals Hatte 
bie Erfahrung gelehrt, was fpäter die Gefchichte etwa eines Jahrtau⸗ 
ſends beftätigt bat, daß alles Beneficial- und Leben-Wefen einen 
unbemmbaren Zug zur Allobiflcation Bat, d. h. zum Webergang des 
vollen Eigentums auf ben Beneflciar: wie in den größten Fürften- 
leben (1806), fo in den Heinften Bauerlehen (1849): es war nun 
aber bie Abficht ver Vergaber, dieſen Webergang ihrer Güter an an 
bre Laien zu verhüten: Land und unfreie Leute follten in ber befferen 
Pflege der Kirche verbleiben. 

Dazu kam als idealer Beweggrund ber ftarle religiöfe Zwed ber 
ganzen Vergabung: Gewinnung der Heiligen im Himmel unb ber 
Fürbitte der Mönche auf Erden, Freilich war es nun ja logifch be 
trachtet gleichgültig, ob ein Sanct Gallus gefchenktes Land von deſſen 
Mönchen unmittelbar oder für deren Vermögen von einem Beneficiar 
bewirtbfchaftet wurde: aber vie naive — fehr unlogifche — Sinnes- 
weife der Zeit zog doch vor, daß ber Heilige ftet8 bie Verwenbung 
bes Landes burch feine Mönche vor Augen babe Und vor Allem: 
bas unabläffige Gebet ver Mönche für ven Schenker wurde unficher, 
war das Gut ihrem unmittelbaren Genuß entrückt: weber fie noch ver 
laienhafte Bewirthfchafter, der gar oft das Gut völlig vom Kloſter 
löfte, gedachten mehr jener Pflicht und ber fromme Zwed bes Opfers 
war — zum Schaben ber Seele bes Vergabers — vereitelt. 

Die dem Kloſter gefchenkten Güter dürfen deßhalb nicht von 
biefem als beneficium verliehen, müſſen in Selbftbewirthfchaftung 


1) Zeuß, W. 128 ad illorum opus habeant (monachi) et non in nau- 
Fragium ponant, aut aliunde nisi ad ipso loco sancto ad serviendum (Ruck- 
fauf um 600 sol.). 

2) Cod. Trad. Sang. 135. N. 223. a. 819. ®erbot bes beneficiare nur 
ante traditionem factam Zeuß, W. 172. a. 830; die repraestatio felbft geſchieht 
in benefieium, ebenfo 173. a. 826, 176 (ohne Sabr). 


521 


behalten werben: offenbar um folche Entfremdung von dem frommen Zweck 
zu verhüten, auch wohl um gute Behandlung für Land und Leute (Un⸗ 
frete, die deßhalb auch nicht veräußert werben bürfen) zu fichernt); fo 
verliehene Güter kamen dem Kloſter leicht abhanden, dann warb bie 
Seele des Schenkers benachtheiligt?). 

Diejer Beweggrund bes Verbotes wird deutlich ausgefprochen®): 
er wäre unlogiſch, fall auch bie anderweitige Verleihung bie Nutzung 
bem Klofter wahrte: aber nach alter Erfahrung war das nicht der Fall, 
bie anberweit verliehenen Güter kamen vom Klofter gar leicht ab, 
auch durch Verfchlenderung der Aebte felbft, zumal auch durch ven 
Kloftervogt ©). 

Sehr bezeichnend wird ber Abt, der das Schenkgut ausleiht, für 
die Unterlafjung der Sorge für das Seelenheil des Schenters verant- 
wortlih am jüngften Tages) ober es heißt: „wir Bitten euch um ber 
Liebe Gottes willen, daß nie ein Laie das Schenkgut befite, fonvern 
es foll dienen für unfere Seelen, wie wir e8 Gott allein abgetreten 
haben“ ©). 

Auch Theile des gefchenkten Gutes darf Tein Abt ablöfen, „auf 
daß immerbar auf bem Ganzen für das Seelenheil des Stifters 
und der Seinen (auch Ludwigs I.) gebetet werbe“ 7). 


7. Tauſch 8). Bortbeile des Klofters. 
Die Vergabungen, die ja felten reine Schenkungen find), be- 
ftehen oft in Zaufchgefchäften 1%): es ift anziehend, zu verfolgen, wie 


1) Neng. 457. a. 870. 

2) W. U.1. 51. a. 798. Neug. 159. a. 806 sed pro mea mercede ad spsum 
monasterium perenniter permaneat. 

3) ita ut nulli ungquam hominum nec in prestitu nec in quolibet 
beneficio cedantur (bona), sed pro mea mercede ad ipsum monasterium 
perenniter permaneant: Cod. Trad. Sang. 82. N. 138. Wartmann I. 153. 

4) ©. unten Bögte, Mißbräuche: in folhem Fall Rüdgabe ber Urkunde (an 
ben (bie) Erben des Schenkers) und bes laſtfreien Schenkguts Cod. Trad. Sang. 69. 
N. 117. Wartmann I. 113. a. 787. 

5) Zeuß, W. 178. et anathemam in conspectu altissimi. 

6) Cod. Trad. Sang. 98. N. 164. 

7) W. U. 109. Neug. I. 305. a. 843. 

8 Waitz⸗Seeliger V. &. 119 coommutatio, concambium, conplacitatio. 

9) Oben &. 497, 503. 

10) Nicht Tauſch, fondern Verlauf und theilweiſe Schenkung Itegt vor Neug. 
363. a. 846. Aus Schentung, Taufch und lebenslänglichem Nießbrauch zuſammen⸗ 
geſetzt iſt das Geſchäft Ludwigs I. a. 839 mit Klofter Kempten Neugart L 237. 


922 


fein auch hierbei bie weit überlegene Klugheit und wirtbichaftlicke 
Uebermacht der Kirche deren überwiegenden Bortgeilt) zu wahren ver- 
fießt. Nie giebt bie Kirche in reiner Schenkung Land bin?), das war 
ja kanoniſch verboten: fie gab eigemes Gut nur zu Riefbraudg, um 
es nach Ablauf der Frift vermehrt zurück zu erhalten), in Ueberein⸗ 
ftimmung mit vielen Ticchlichen Borfchriften, wenn auch fchwerlich (im 
barbarifchen Abendlaude) gerabet) ftetd in bewußter Auwendung ber 
Conſtitution Leo's von a. 470: fo fol ber Laie nur auf Xebens- 
zeit, die Kirche fofort für immer Eigenthum erwerben, bie 
auch ihre Unfreien von dem Tauſch ausnimmt. Im biefem immer 
wieberfehrenden 5) Unterfchied — „Ewigleit” des Rechts ber Kirche, 
Zeitlichkeit — Höchftens bis zum Ausfterben des Blannesftammes — 
bes Rechts des Laien — lag ver unzählige Male wiederkehrende, übrigens 
is ver Linfterblichleit ber Kirche und ihrer Seilgen begründete gemal- 
tige Bortheil. 

Einmal Taufe von einer casata und 76 Jochen gegen genan 
ebenfoviel [unter Vorbehalt von 36 Unfreien für bie Mutter ter 
Schenker], aber nur auf Kebenszeit). 

Ein weiterer Vortheil für bie Kirche befteht tarin, daß fie fid 
wohlweislich ausberingt”), daß bie heimfallenden Güter mit allen 
vom Nießbraucher, Precariften, Vafallen, Repräftirten angebrachten 
Beſſerungen ihr unentgeltlich anfallen: dieſer und feine Erben haben 
weber Erſatzanſpruch noch Hecht ber Wegnahme, 3. B. von Bauten ®). 

Je länger aljo die Kirche ven Sruchtgenuß entbehren mußte — un- 
günftigften Falls bis zum Ausiterben des Maunftammes bes Ver⸗ 


1) Statt oommodum ſteht veritas monasterii Zeuß 186. a. 712. 

2) Daher iſt auch Neug. 361. a. 855 bie Gegenleiſtung vielleicht nur ver 
jchwiegen. 

3) Lex Alam. IL. 1, 2. 

4) &. Rönige VII. und VIH. 

5) Neugart 100. a. 787. 

6) Wartnann II. 514. a. 865. Ebenſo Neug. 560. a. 885. So Bei bem 
Tauſch mit Graf Adalbert von Thurgau unb Alpgau von 873 Reug. 774 umb 
oft, auch der Taufe 1. c. 459. a. 810 erſcheint hochſt vortbeilhaft für bas 
Klofter. 

7) 3.8. Zeuß, W. 167 (ohne Sahr): cum omnibus emelioratis: und fo 
ganz regelmäßig 173. a. 830. emeliorata et superposita 176 (ohne Jahr). 

8) W. U. 1.30, 49. Neug. I. 93. a. 786. 133. a. 797 unb ganz regel- 
mäßig. 


523 


gabers, aber unter fortdauernder jährlicher Zinslaft — befto länger 
war für bie Kirche ſonder Entgelt gensbeitet worden: auch biefar 
wichtige Vortheil ift noch nicht gewürbigt. 

Selten verlangt beim Tauſch der Laie Gleichheit der Firchlichen 
Leiftung!), vielmehr erhält die Kirche gar oft das Doppelte an Pflug- 
land 2). 

Selten giebt das Kloſter „genau vermeſſen“ fo viel es em- 
pfängt?.. Vielmehr ſoll die Kirche nach kanoniſchem Necht hiebei 
ftet8 nochmal fo viel empfangen, als fie giebt — andernfalls kann 
fie das Geichäft anfechten: — aber das konnte doch nicht immer burch- 
geführt werben‘). | 

Erhält Lorſch für 125 einmal nur 110 Zagwert®), fo werben 
biefe jo viel wertbuoller geweſen fein. 

Nie findet fih zu Gunſten bes Laien bei Taufchverträgen ber 
Kirche deren regelmäßiger Vorbehalt: „wenn, was ber Laie giebt, min- 
beren Werthes fich erweiſt als die Leiftung des Kloftere, ſoll er verpflichtet 
jein, nachträglich das Fehlende zu ergängzen®). 

Einmal wird aber bie Vererbung an die Nachlommen gewährt 
zum Entgelt dafür, daß das geliehene Land gar wenig nüß ift”). 

Veterlich werben von beiden Seiten bie bewährteften und „treites 
ften" Männer beigezogen, feftzuftellen, daß beide Tauſchenden je 
10 Hufen Teiften und erhalten®). Aber parüber hinaus wird dem 
Aoſter geſchenkt: fonft brächte ja der Vergaber vem Heiligen kein 
Opfer. 

Tauſch?ꝰ), nicht Schenkung, liegt auch vor, erfolgt die Hingabe 
bes Eigenthums gegen Verleihung von Kloftergut zu beneficium 19, 


1) Reng. 639. a. 903 ea ratione, ut e contra in concambium alias res 
meis (f. meas) aequaliter mensuratas recipiam. 

2) Neug. 441. a. 866 concambium: dupliciter tredidi arabilis terrae. 
&o Fulda Trad. Fuldensis 23 Dronke IV. 35. 

3) So Cod. Trad. Sang. 86. N. 145 Wartnaun I. 141. a. 796 nos illi.. 
ad menguram virgae tantum dedimus quantum . . ab illo accepimus. 

4) Bgl. Waitz Seeliger V. ©. 117 unb bie Gtellen bafelbfl. 

5) Cod. Laur. N. 461. a. 854. 

6) Neng. 12. a. 895. 

7) Neug. I. p. 634. (Gebharb von Conſtanz a. 873—875). 

8) W. U. 1. 104. Neug. I. 296. a. 839. 

9) campio W. U. I. 120. a. 853 iſt nicht Lohmkämpfer (!), fondern Tauſch 
(cambium). 

10) Reng. 457. a. 870, wobei freilich ber Bortheil auch auf Seite bes Kloſters 
zu Tiegen pflegt: bier unbeſtimmbar. 


524 


Kauf, nicht Schenkung liegt vor, verlangt Abt Wolfvin von feinem 
Klofter für Grundſtücke 100 Pfund, die ein Graf dem Klofter bes 
zahlt Hat). 

Für das hingegebene Eigenthum wird bald nur ein beneficium 
an andrem Kloftergut erlangt?), bald aber erbliches Eigen?): beides 
iſt Tauſch. 

Auch im Wege des Vergleichs wird ein Tauſch vereinbart. Drei 
Brüder haben wider Recht, zwei aber jedesfalls in gutem Glauben, 
Güter des Kloſters Weißenburg, die ihre Aeltern dieſem geſchenkt 
hatten, beſeſſen: nach dem Tod bes Einen geben bie Andren fie reu- 
müthig und gar demüthig dem Kloſter zurück, erhalten aber einen Theil 
rückgewährt, wobei dem Klofter*) (per wadium) weitgehende Rechte 
(Schweinemaſt, Holzung, Bauten) in dem zurückgewährten Wald ein⸗ 
geräumt werben und zwar frei von dem von Andern hierfür bezahl⸗ 
ten Zins). 

Ein Grunbeigner, vom Kloftervogt auf Herausgabe eines Grund⸗ 
ſtücks (hereditas, nicht nothwentig Erbgut) belangt, überläßt tem 
Klofter einen Theil feiner Privatkirche, um fortab jebe gerichtliche 
Derfolgung jener hereditas aus ter Welt zu fchaffen: alfo im Ber- 
gleichsweg ®). 

Defgleichen verlangt ein Vergaber als Gegenleiftung bes Kloſters 
Verzicht auf bisherige Anfprüche auf Güter im Thurgau gegen ben 
Schenker und deſſen Erben”): erneut das Klofter folche, follen vie 
Erben die gefchenkten Güter ohne gerichtliches Verfahren zurücknehmen 
bürfen; anbrerfeits foll das Kloſter den Beſitz gegen Dritte felbft- 
ftändig vertbeidigen. 

Gar oft wird fo der Anfpruch eines Klofters auf Grunbftüde®) 


1) 1. c. 402. a. 871. 

2) Neng. 554. a. 885. 

3) 1. o. 555: freilich konnte auch ein beneficium vererben. 

4) Illas nenias -vel res: nenias tft wohl verborten: ſchwerlich doch — nugas 
Du Cange V. p. 586. Zeuß, W. 197. a. 787. 

5) Die Urkunde fpricht erft im Namen ber Brüder, dann in bem ber 
Mönche: au ein Tauſch und ein Kauf (Arg. 70 denarios meros) anderer Güter 
wird abgefchlofien. 

6) Neug. 515. a. 879 ad destruendam deinceps omnem mallationem 
ipsius hereditatis. 

7) Neugart 160. a. 806. 

8) Neug. 375. a. 858 ab advocato monasterii pro illa haba (hoba) inter- 
pellati sumus. 


525 


im Vergleichswege durch Meberlaffung anderer und Vebernahme von 
Zinspflicht abgefunden?). 

Bei einem Tauſch von Unfreien giebt ver Laie 4, das Kloſter 
nur 2, boch fehlt uns bie SKenntniß des Werthes der Einzel. 
nen?). Ebenſo ift andremale gar oft Vortheil oder Nachtheil für bie 
Kirche aus ber Zahl der angegebenen Joche allein nicht feftzuftellen, 
da Werth und Güte nicht erkennbar find?) 

Ebenfo fteht e8 bei einem Tauſch von a. 897, da Sanct Gallen 
378 Joche und 6 Höfe (cortilia) giebt und 397 und 5 Höfe erhält: 
dabei wird gejagt, ver Laie giebt zu 377 noch 20, „auf daß bas 
Gotteshaus auf bes Laien Koſten bereichert werte”; das ift alſo we— 
fentlicher Beweggrund®). 

So erhält Sanct Gallen das Dreifadhe an Pflugland für eine 
hingegebene curtis, aber die Werthung beider Taufchgüter entzieht fich 
unsd). Ebenſo, ob werthentiprechende Schätzung ober reigebigfeit, 
Milde vorliegt, wenn a. 826 zehn Scheffel Korn nur 1 Tremiſſe gleich 
gewerthet werben ®;. | 

Im Jahre 875 erwirbt Sanct Gallen gegen eine vollgemeßne 
Hufe mit Haus und Hof 60 Hufen Pfluglande”). Im gleichen Jahr 
giebt jemand all fein Eigen dem Kloſter, erhält von dieſem ebenfoviel 
in einer andern Mark, giebt aber dies fofort dem Klofter zurüd!). 

Ein Tauſch ſoll nicht angefochten werden um beffenwillen, baß 
ber Laie Beſſeres, das Klofter aber Umfangreicheres bingegeben 9, : 
man erfennt das planmäßige Streben der Kirche, ihr Land vor Allem 


1) D. ec. causa paeis atque conventionis. 

2) W. U. I. 168. Neng. I. 585. a. 892. 

3) So werden In Einer Urkunde vom Klofter in einer Landſchaft 5 Joche 
gegen 5, in einer anbern nur 27 gegen 80 gegeben Neug. 535. a. 882. Ein 
Königsmanfus gegen Einen Kloftermanfus 1. c. 537. a. 882, 10 gegen 10. 540. 
a. 883. 

4) ©. oben ©. 523. Neug. 622. a. 897, nicht genau flimmt bamit bie 
Tauſchurkunde — 625, (bie Neug. jeltfamerweife hinter bie jüngere Be- 
ſtätigungsurkunde Arnulfs geftellt hat): fie zählt auf beiden Seiten 6 Höfe; 625 
heißt e8 praeter aequalis mensurae restitutionem . . de suo addidet (ber 
Laie) juchos viginti. 

5) Neng. 586. a. 889. 

6) Wartmann I. 298. a. 826. 

7) Neng. 485. a. 875. 

8) Wahrfcheinlich doch gegen Rückgewähr als Zinsgut, was aber nicht gefagt 
if. 1. c. 486. a. 875. 

9) F. Sang. mise. 11. 


526 


in der Güte zu fteigern, 3. B. gerobetes für ungerobetes zu erwerben. 
Einmal erwirbt das Klofter Rebgut und Aderland gegen (getiobeten) 
Wald !). 

Ungerovetes Klofterland wird gegen gerobeted unter Zins von 
1 Matter Korn Hingegeben?). Berner werben gern Wohngebänte 
gegen häuſerloſes Land eingetaufcht: erhält einmal ein Briefter tat 
Doppelte an Aderland ohne Haus, fo giebt er dagegen ein ganzes 
»curtile< 3). 

Ein Laie erhält 17 Hufen, wie er fle gegebeh, (befchwert mit 
bem Jahrzins Eines Huhnes), aber nichts für bie Halbe Hofftätte mb 
das Halbe Haus, die er außerdem Birgegeben‘): oft fcherifen bie 
Srommen nach einem Tauſch, was fie eingetaufcht hatten — wohl anf 
Zureden der Mönche! — dem Klofter zurüd, und ihren anderweitige 
Landerwerb dazu), wahrlich ein glänzendes Gefchäft! 

Einmal wird bei Tauſch ber bisher gezahlte Zins von ben nım 
nen erworbenen ®ütern bezahlt‘). 

Viel feltener ift reiner Verkauf an die Kirhe”), wohl aber be 
gegnet neben dem Tauſch des Grundeigens Verkauf ber im ber 
Mark und im Markwald zuftehenden Rechte um 30 sol®); gar felten 
giebt das Klofter durch Kauf erworbene, bezahlte Grundftücke zu 
Nießbrauch zurüd?), da e8 ja dann für ven Kraufpreis einftweilen 
nur die nuda proprietas erwerben wiürbe. 

Der Taufch bezweckt auch wohl, — gar oft wird es ausbrücklich 
gefagt — bie weit zerftreiten und unbequem gelegenen Güter zumal 
ber Kirchen und Klöfter abzurunden, zufammenzulegen. Karl empfahl 
und begünftigte das planmäßig 19). 


1) Cod. Trad. Sang. 298. 514. Wartmann II. 533. a. 868. 

2) Neug. 411. a. 862. 

3) W. U. J. 159. Neng. I. 555. a. 885. 

4) Neng. 645. a. 904. Wirb bei einem Länbereientaufch Eigenthiem de 
'tempore in tempore ad possidendum übertragen, jo gebt das wohl auf bad 
folgende agnicionibus vestris Neug. 352. a. 854. 

5) Neug. 227. a. 826. 506. a. 877. 

6) W. U. I. 148. Neug. I. 479. a. 874. 

7) So — um 200 sol. — W. U. I. 41. Neug. I. 119. a. 792. 

8) Wartmann II. 514. a. 865. 

9) Zeuß, W. 226. a. 716: bier fogar, wie e8 fcheint, zinsfrel. 

10) Bon Inama-Sternegg I. &. 301. 


527 


Die Kirche zu Chur vertaufcht ihre entlegenen Befitzungen im 
Elſaß gegen näher gelegene‘). 

Auch für. Grabftätten (in oder Hart am ber Kirche) geben Freie 
Srundftüde an Klofter Neichenau?): die auferwedte Seele galt jo 
beſſer gegen bie Hölle geborgen. 


8 Rüdgewähr (Repraestatio). 
a) Nechtsetgerart ber Berebung. 
Allgemeines. 


Regelmäßig erhält ver Vergaber bei ber Rückgewähr das Gut 
mit Zins oder Frohn oder mit beiden?) belaftet zuräd: beide ruhen 
als Reallaften‘) auf dem But, folange das Verhältniß — auch mit 
ben Öutsfolgern — dauert: bie Neallaft erlifcht rvegelmäßig®) durch 
Rückkauf over Anfall an das Klofter. 


Der ins, 


Zins wird bei Rückgewähr als Regel vorausgejegt®). Schriftform 
wirb dabei für die Hingabe und für die Rückgewähr verlangt. 
Jedoch manchmal wird bei der Rüdgewähr jede Zinspflicht aus» 


1) Mit dem Erzlanzier Liutward unter Genehmigung Karls III. Mohr I. 
R. 30. p. 47. a. 881. Beflätigt won Arnulf a. 888. N. 32. Ut res suas pro 
oportunitate locorum inter se commutarent, Cod. Laur. N. 65. a. 891. 

2) Dümge 68. 


3) Zins und Frohe, tributa (census) et servitia W. U. I. 127. a. 857: 
aber zuweilen bebeutet servitium, proservire auch Zins, zinfen; audre — fpätere — 
Beläge Waitz⸗Seeliger VI. ©. 39. 

4) Oft wirb das Hinſchaffen bes Zinfes, — eine Wagenfuhr Kom — an 
Das Aloſter eingefhärft W. U. 16. a. 775: denn Reallaft, nicht Dienſtbarkeit liegt 
vor: oft nah Wahl ar einen befiimmten Klofterhof ober an bas Kloſter ſelbſt 
Bartmann I. 249. a. 820 Cod. Trad. Sang. 140 N. 230 et ipsas maldras ad 
P. deducam in den Speicher 1. o. 69. N. 117. Wartmann I. 113. 

5) Ausnahme: Erlbſchen zur Strafe wegen Nicht Erfüllung bes Kloſters. 

6) L. Alam. II. 1 bei terrae oblatae: si quis res suas ad ecolesiam 
dederit . . et post haec ad pastorem (l. a. pastore) ecolesiae ad beneficium 
susceperit . . diebus vitae suae, et quod spondit persolvat ad ecolesiam 
censum de illa terra; merfwürbig: censemus tibi denarios 4 Cod. Trad. Bang. 76 
N. 129. Wartmann I. 133. a. 792, das beißt bier nicht „wir zinſen bir“, fonbern 
wir legen dir ben Zins won 4 den. auf. 


528 


brüdlich ausgefchloffen): baffelbe muß angenommen werben, geſchweigt 
bie repraestatio der Zinspflicht 2). 

Bon einem Neubruch, novale, wirb erft nach 6 Jahren nah 
ber Meberlaffung Zins verlangt). 

Immerhin find das feltne Ausnahmen: beftanden boch die Haupt- 
einfünfte ver Klöfter in dieſen tributa, tributaria!). 

In der Zinslaft lag keinerlei Ernievrigung: fogar der Biſchof 
von Conftanz zahlt feinem eignen Klofter Sanct Gallen, deſſen Abt 
er ift, einen Jahrzins von 1 sol. für einen Hof, ben er ſich bei ber 
Schenkung von Pfeffers an das Kloſter für Lebenszeit vorbehalten 
bat, ein Zins, ber nach feinem Tod ähnlich auf feinen Neffen über- 
gehen foll®): wird dieſer Bifchof, foll er das vorbehaltne Gut Sanct 
Gallen auflaffen, aber (auch) auf Lebenszeit rückgewährt erhalten: ent- 
zieht Sanct Gallen dem Neffen jenen Hof, fol er das ganze Klofter 
Pfeffers zu erblidem Eigen erhalten, was alfo Sanct Gallen zur 
Strafe herausgeben muß. 

Den Zins bezahlen ber Rückempfänger und nach deſſen Tod ber 
Gutsfolger: oder der Schenker felbft wenvet das Nüdgemährte einem 
Dritten — einem Priefter — zu, ber dann lebenslänglich den Zins 
(von 1 sol.) zu zahlen Hat®). 

Oder ein Vergaber läßt einen Hinterſaſſen (Unfreten) an feiner 
Statt an das beſchenkte Klofter zinfen 7). 

Siebelt der Zinsmann auf ein ander Grunpftüd bes Kloſters 
über, zahlt er ven alten Zins fort®). 


1) Bolle Zinsfreiheit Schöpflin I. p. 226 [Maurmänfter). Neug. 415. a. 862 
absque censu vgl. fpätere Fälle bei Waitz-Seeliger VI. ©. 126. Neug. 491. 
a. 875 (aber die Gutsfolger müſſen zinfen): zins⸗ und frohnfreie Rüdgewähr: eiw- 
mal zahlt der Rüdempfänger nicht nur keinen Zins, fondern erhält jährlich ein 
Wollgewand und alle 3 Jahre einen 3 solidi wertben Mantel 1. c. 281. a. 838. 

2) Neugart 231. a. 827. 

3) Bgl. Neug. 604. a. 893 ad opus monasterii, d. 5. zum Bortheil, zum 
Einkommen bes Kloſters pflichtig, gehörig. 

4) Neug. 673. a. 909. 

5) Neugart 183. a. 815 vgl. 194. a. 818. 

6) Wartmann I. 209. a. 812. 

7) W. U. I 25. Neug. I. 81. a. 782. 

8) So In Straßburg frembe censuales Straßb. U.B. I. 78. p. 61. 


529 


Denn Genjualen bürfen mit Berftattung bes Klofters auch 
anderswo — auch nicht anf Kloftergut — wohnen !). 

Zuweilen wird nur bie Zinspflicht, aber nicht ber Zinsbetrag 
feftgeftellt 2): dann entjchieb fpätere Vereinbarung ober auch das bei 
biefer Kirche Uebliche: das waren für Sanct Gallen 2—4—6 Denare; 
für Weißenburg oft 6 Denare?): dies erhellt aus der häufigen Um- 
ſchreibung: censum, id est, duos denarios®). 

Es Hatte fih in dem Beſitz beftimmter Klöfter ein gewohnbeit- 
vechtlihes Maß der Leiftungen auch freier Zinsbauern gebilvet, auf 
das dann im Einzelfall verwiefen wird in Ermangelung anberweitiger 
Seftftellung 5). 

In den Formeln wird ver Betrag bes Zinfes behufs Ausfüllung 
im Einzelfall jelbftverftändlich ausgelaſſen 9): einmal?) ift auch in ber 
Urkunde für mehrere Zeilen Raum gelaffen, jenen Betrag nachträg- 
lich einzufegen. 

Der Zins des Rüdempfängers ift oft geringer als ber ber Guts⸗ 
folger. Einmal zahlen 2 NRüdempfänger je 1 sol., aber ver Ueber- 
lebende 29). 

Die Nachkommen haben außer dem Zins des Schenkers jährlich 
an beffen Todestag 1 sol. zu entrichten ®). 

Dber der Rüdempfänger ift zinsfrei, aber bie neuen Gutsfolger 
zahlen 2 Denare over 1 Malter Korn 10); der Ehemann, der Wittwer 
hat viel höheren Zins für vie Nüdgewähr zu leiften als bie (ver⸗ 
gabenve) Frau. 


1) 3. 8. 427. a. 864. 4, wobei bie Wittwe ben »praediotus« census fort- 
zahlen foll: er ift aber nicht praedictus! 

2) Zen, W. 272. a. 861 und oft. 

3) So 3. B. 430. a. 865 und oft, aber auch censum hoc est dimidium 
solidi 431. a. 805. 

4) Wartmann I. 271. a. 821 sicut et alii liberi homines servilia (ba8 
ift alfo fein Widerfprucdh) nobis exhibent, ita et illi W. U. I. 28. Neug. 90. 
a. 785. 

5) 3. 8. Form. Aug. B. 2, 31. 

6) W. U. I. 98. a. 838, 

7) W. U. 1. 45. Neug. I. 126. a. 797; der Rüdempfänger 2 Denare, ber 
Bruber als Gutsfolger 1 sol. Neug. 386. a. 859. 

8) W. U. I. 65. Neug. I. 165. a. 809. 

9) Wie Neug. 491. a. 875. 

10) 40 Pfund in 4 Jahren ftatt jährlih 1 Denar Neug. 571. a. 886; bie 
Zuziehung ber Aeltern und bes Bruders ber beſchenkten Aebtiffinnen neben beren 
Bogt als Zeugen iſt unweſentlich. 

Dann, Könige der Germanen. IX. 1. 34 


530 


Oft fteigt der Zins nach dem Tode bes Rückempfängers zu Laften 
jedes weiteren Gutsfolgers. Mehrfache Subftitution mit ftets ge- 
fteigertem Zins t). 

Zins und Nüctaufepreis find oft gleich, meift aber beide höher 
für die Nachfolger als für den Schenker: Beifpiele von beiten fint 
häufig in den Urkunden von Sanct Gallen und von Weißenburg. 

Verſchiedner Zins wird daneben auch entrichtet vom zurückgewähr⸗ 
ten und vom empfangenen Gut: dort 4 Denare — 2 Malter, bier 
1 sol. = 6 Malter?). 

Zumeilen wird beftimmt, zu welchen Zweck ver Zins zu ver- 
wenden tft: oft zur Beleuchtung) over zur Aufnahme von Pilgern 
(hospitiolum). 

Eine Tremiſſe Jahreszins für Weihrauch ber Kirchen zu Sant 
Gallen und der zu Sanct Georg zu Wafferburg bei Lindau wird bei 
ber Freilaffung einer Magb auferlegt‘). 

Nicht immer ift leicht zu unterjcheiden, ob ber Zins auf Privat. 
recht wie bei ber Rückgewähr ober auf ftatsrechtlicher Auflage berubt. 
Wenn aber ein Königsbeamter, procurator fisci von Hagenbach, den 
Zins für das Klofter einheiſcht, geichieht das, weil es ein Tönig- 
liches ift®). 

Der berlömmliche Zins wird den Argengauern nur gegen Ab- 
tretung von 9 mansi nebft deren Unfreien erlaffen unb ihnen gleiches 
Recht wie ben übrigen Alamannen eingeräumt‘): jener Zins war 
wohl bei ber Unterwerfung (einer Empörung?) auferlegt und dadurch 
die Gleichftellung mit den übrigen Alamannen entzogen worden”); ber 
Zins an ben Fiscus feheint einmal aus firafrechtlichen ober doch po⸗ 
litiſchen Gründen auferlegt, auch Zins aus dem Eritgau wirb a. 867 
auferlegt ®). 

Eine terra tributaria, von ber Zins an Conſtanz entrichtet wird 


1) Cod. Trad. Bang. 231. N. 394. Wartmann II. 414. a. 851. 

2) Neng. 548. a. 884. 

3) Zins ad illuminandam ecclesiam Zeuß, W. 51. a. 831, nicht bloß bei 
Wachszinſigen, Könige VIII. 5. ©. 82. 

4) Neugart 88. a. 784. 

5) Zeuß, W. 51. a. 831. 

6) Neng. 444. a. 887. 

7) Ganz irrig Herrgott, nach ber Lex Alam. habe ganz allgemein bas 
Recht befinden, folhen Zins abzulöfen. Weber Paotus noch Lex wiflen 
bievon; f. unten „Finanzweſen“. 

8) 1. c. und Stälin (S.) L ©. 155. 


531 


.(de qua census ad Constantiam persolvitur), ift ein aus privat⸗ 
rechtlichen, nicht ftatsrechtlichen Gründen jenem Biſchof zinspflichtiges 
Butt). Doch auch, wenn Zinfe und Frohnden fortab nicht mehr 
dem König ober Grafen, fondern Sanct Gallen zu entrichten find, 
ftegt nicht ein Wechfel des „Untertfanenverhältniffes" (1) vor, nur 
privatrechtliche Abtretung von Leiftungen aus den Grunpdftüden?). 

Der Erlaß der Leiftungen — Frohn wie Zins — an Grafen 
unter Aufrechterhaltung der dem Fiscus gebührenden 3) ift der Urkunde 
Ludwig I. a. 8164) nachgebilbet. 

Die „Kernmaldrus“ genannte Abgabe wird fortab erlaſſen 5), wohl 
ebenfalls nicht eine Stats-Steuer.. 

Eine Heirathsgebühr ift in biefer Zeit Alamannien, foweit ich 
fehe, fremb®). 

. Auch die Gebühr oder Strafe für Heirath eines Abhängigen mit 
einer dem Klofter Fremden (»buteil«, Antheil des Baues, d. h. des 
Herrenhofs)7), gehört in Alamannien erft der nächften Periode an). 
Bon dem Beſthaupt, mortuarium?) begegnen nur jeltene Erwähnungen, 
capitegium 9). Todfall jever Art ericheint in biefer Zeit noch faft 
gar nicht 11), zuerft in Gallien (letere wohl urfprünglich Teltifch), nicht 
in den Urkunden von Sanct Gallen ober Zürich 12). 

Auch andere Beſitzänderungsabgaben werben im Herrn-%) wie im 
Mann-Fall erft in der nächften Periode entrichtet 19). 


1) Neug. 627. a. 897 census bier nit Grundſteuer, aber = tributum. 

2) Trad. Sangall. 49 sicut debuimus rogi et comiti servire, ita ipsam 
terram ad ipsum monasterium proserviamus (die8 techniſch). 

3) Coll. F. Sang. addit. 3. 

4) Bei Wartmann I. 226. 

5) Trad. Sang. 373. 

6) Die Urkunde für Reichenau bet Leichtlen S. 54 ift falſch. 

7) Zenß, p. 273. 

8) Codex Edelinus c. a. 1265. 

9 Dahn, Grundriß, Reallaften. 

10) W. U. L 251. p. 310. Neugart I. p. 634. 244. p. 301. exuviae mor- 
tuorum, jus capitale Zeuß p. 273 (XII. Jahrh.); richtig wohl ein abgeſchwächtes 
Erbrecht ober jus peoulii ber Herrichaft. 

11) Doc ſetzt bie Aufhebung bei Neugart I. p. 634 den früheren Beſtand 
des Todfalls voraus. 

12) Vgl. Wal. Zeumer V. &. 275 (erft a. 1143 in Baiern). 

13) Schöpflin I. p. 183 N. 233. a. 1103. Straßb. U.B. L N. 79 p. 63. 
Grandidier I. p. 126. 

14) Waitz⸗Seeliger V. S. 37. 


34 * 


532 


Auch pflegte damals nicht im Thron» und im Lehen⸗Fall bene- 
fieium zu erlöſchen)y. Doch werden allerdings beneficia Häufig 
ausprüdlich nur auf Lebenszeit des Empfängers verliehen. 

Augsburg giebt ein beneficium anf Lebenszeit gegen Jahreszins 
von 40 Den. „wie andern Colonen ber Kirche” 2). 

Aber ebenfo häufig find wererbliche, zumal bei der Rückverleihung 
etwa mit Beſchränkung auf beftimmte Erben?): Vorzug bes erfigebornen 
Sohnes). 

Theilbau, colonia partiaria, fommt bier (noch) nicht vor; aber 
oft Wein-Zins im Elfaß, bei Mikärnbte abldsbar in Gelb >). 

Bon höchfter Wichtigkeit bei den Bergabungen tft eine Berekung, 
ein pactum adjectum, wodurch das Eigentum empfangende Klofter 
fich verpflichtet, Befig, Verwaltung und Nießbrauch ©) des Gutes dem 
früheren Eigenthümer auf Lebenszeit (oder auch für die Wittwe oder 
beftimmte Gefippen und Erben) zurüd zu übertragen gegen Entrichtung 
von Zins ober Frohn an das Klofter und — fehr Häufig — unter 
Vorbehalt des Rückkaufs des Eigenthums durch den Vergaber und bie 
vertragsmäßig feftgeftellten Folger in das Gut. 

Das Nechtögeichäft der Zurückverleihung von Beſitz, Verwaltung 
und Nießbrauch heißt repraestatio, was wir mit Rüdgewähr ver- 
beutfchen”?): eine Art davon, wobei ver ehemalige Eigenthümer nunmehr 
als Beneflciar oder Vaſſall das Gut ale Beneficium erhält, heißt 
beneficium (fpäter feudum) oblatum?), im Unterfchied von beneficia 
(fpäter feuda) data?). 


1) Waitz⸗Seeliger V. ©. 76f. 

2) Traditiones Aug. 157. p. 120. Züri. U.B. p. 27. N. 77 beneficium 
temporibus vitae suae p. 87. N. 194. Trad. Sang. III. 804. p. 22. 

3) Trad. Sang. II. N. 526. p. 176. p. 22. III. N. 804. 

4) (Später) II. N. 386. p. 7. 

5) Bol. Watte eumer ©. 310. 

6) Ueber die vestitura, Gewere, des Rüdempfängers richtig Seeliger bei 
Watt VI. ©. 6 gegen Heusler, Gewere S. 54, Infttt. II. ©. 21 vgl. auch Bewer 
©. 10. 

7) Neng. 89. a. 785. 91. a. 785. 135. a. 798, fehlt in biefer Bebentung 
bet Du Cange VII. p. 1:3. 

8) Könige VII. 1. ©. 226. VIII. 2. ©. 139. Auch Arnold, Anfiebel. a. a. O. 
tft nicht darauf eingegangen, zumal nicht anf bie Rechtsfragen. 

9) Beneficia oblata: T. 2 si quis liber res suas ad ecclesiam dederit.... 
et post haec a pastore ecclesiae per beneficium susceperit ad victualem 
necessitatem conquerendam diebus vitae suae. Neugert (Dipl. Al. N. 12, 
(a. 744). Kein Beifpruch des Erben bei Schenkungen an Kirdden (L. Al. 1). 


533 


Das Inftitut erheifcht wegen feiner weiten Verbreitung, überaus 
häufigen Anwenbung und tief eingreifenden Bedeutung für die land» 
wirtbhichaftlichen Zuftände genauere Zerglieverung feiner Merkmale, 
ale es bisher gefunden Bat. 


Rechtscharakter der Beredung. 


Ueber den Rechtsbegriff der Berebung vor ober bei ber Vergabung 
fprechen ſich die Quellen nicht aus: doch ift offenbar die Rückgabe, 
nie des Eigenthums, nur von Beſitz, Verwaltung und Nießbrauch 
gewollt: das Eigenthum verbleibt dem Klofter, nicht als materielle 
Gegenleiftung zu faffen wie etwa bie Aufnahme in das Klofter ober 
Uebernahme ver Verpflegung!) ift die repraestatio, vielmehr nur 
unter Bedingung der Uebernahme biefer Auflage der Rückgewähr er 
folgt die Vergabung, es ift dies bie Bedingung, unter welcher allein 
das Eigenthum übertragen wird. Cine Gegenleiftung ift vielmehr bie 
Zinfung ober Frohnung des Nüdempfängers, wenn fie nicht (was 
jehr Häufig der Fall) lediglich Anerkennung des Eigenthums des Klofters 
bezwedt 2). | 

Juriſtiſch unrichtig ift alfo die Häufige Wendung nach erfolgter 
Auflaffung: „es war feine Bitte und unfer guter Wille), daß er 
Beſitz u. ſ. w. zurüd erhalte” (ejus fecit petitio et nostra bona 
voluntas): bie Rüdgewähr ift nicht Freigebigkeit, fle ift vielmehr Er- 

füllung der Bedingung für bie vorhergehende Auflaffung. 
Die Rückgewähr erfolgt regelmäßig *) »statim«, wie fie denn vorher 
bedungen ift: zuweilen freilich erſt „ſpäter“, »postea«®): dann ift fie 
alfo nicht als Bedingung ber Auflaffung vorausgemacdht, fondern ein 
von biefer völlig getrenntes Geſchäft; indeſſen fcheint gar oft nur das 
Selbftverftändliche gefagt werben zu follen, daß bie Auflafjung ber 
retraditio vorausgehen mußte. 

Selten find reine Schenkungen von Privaten‘) ohne Vorbehalt 
ber Rüdgewähr, oft wird biefe erheblich fpäter gleichwohl gewährt”). 

In den Weißenburger Urkunden fehlt oft die Rückgewähr, ber 


1) Oben ©. 501f., 504. 

2) ‚Recognitionszins“ f. unten. 

3, So Zeuß, W. 48. 195. a. 718 pietas nostra conoessit. 
4) Wartmann II. 512. a. 863. 

5) Zeuß, W. 77. a. 786, 

6) 3. 3. Neug. 67. a. 671. 675. a. 909. 910, 677. a. 910. 
7) Neug. 657. a. 905. 676. a. 910. W. U. I. 131. a, 860. 


534 


Zinsfag und der Rüdlauf (aber nie bie Anfechtungsftrafe): oft wird 
ber Nießbrauch bei der Auflaffung in ber Urkunde ſchon vorbehalten, 
baher repraestatio nicht ftatt finbet?). 


b) Der Rechtsact der Nüdgewähr Die Urkunden. Precaria. 


Auf daß die Nüdgewähr erfolgen kann, muß bie Auflaffung an 
bas Klofter vorhergehben: find es boch zwei Nechtögefchäfte, über bie 
zwei Urkunden errichtet werben. 

Zwar oft wird über Auflaffung und Nüdgewähr nur Eine Ur- 
funde errichtet?), aber dann wirb bie repraestatio boch gern noch 
einmal beſonders wieberbolt, als Beweisurfunde für den Brecariften, 
während jene das befchentte Klofter decken foll®). 

Zuweilen verwirren bie Urkunden die vielen Formeln ber Ber- 
gabung (traditio) mit der der Rüdgewähr®). 

Solche Verwirrung ift dadurch nahe gelegt, daß ber Sprad. 
gebrauch in den fräntifchen und ven alamanniſchen Urkunden abweicht. 
Precaria ift urfprünglich bier wie bet den Sranten5) eine Urkunde, die ber 
Precarift, — bier ber Nüdempfänger — dem Berleiher ausftellt. ‘Der 
alte Begriff der precaria ift noch nicht vergeffen: noch a. 860 Ver⸗ 
leihungsanertenntniß®), noch a. 8607) wird wie a. 7738) der fünf. 
jährigen Erneuerung ®) der Precarie gevacht: fie ift im IX. Jahrhundert 
noch Regel, fpäter nicht mehr!%): beneficia dagegen gelten im Zweifel 
als auf Lebenszeit verliehen. 

Anders aber (jpäter) bei den Wlamannen: bier heißt precaria 
bie Urkunde über bie repraestatio 11). 

Die Alamannen nennen bie bei ben Franken praestariae ge- 


1) 3. 8. Zeuß, W. 99. 0.786. - 
2) Bgl. Nengart 176, 177. a. 812 vgl. Cleas I. ©. 154. 
3) So Coll. F. Bang. 21 vgl. wie bie Berfonen ber Sprechenden wechſeln, 

f. oben Zeumer h. 1. Auffallenderweiſe fehlt bei ber Rüdgemähr dann etwa, Neug. 
628. a. 898, bie Unterfchrift bes Empfängers. 

4) Form. Augiens. Coll. B. 3, 5, 7, 15, 17 Zeumer p. 349, 51. Sangall. 
3, 15, 23. Zeumer p. 380. Coll. Sangall. Salomon. 7, 9, 14. Zeumer p. 403. 

5) Könige VII. 1. ©. 215. VIII. 2. ©. 148. 

6) Neng. 388. a. 773. 

7) Nro. 55. 

8) Könige VIL. 1. ©. 214. 

9 Richtig Walt Seeliger VI. ©. 124. 

10) Neug. 590. a. 889. 

11) ©. Zeumer zu Form. Aug. B. 3. gegen Roziere zu 3 und 17. 


535 


nannten Urkunden precariae, die fräntiſchen precariae aber tradi- 
tiones, donationes, cartae donationis oder ähnlich. Gegen bie tra- 
ditio und deren Urkunde ftellt dee Abt aus eine precarii firmitas‘). 

Bei jüngeren Sormeln?) beißt der Leihbrief precaria, ebenfo 
bie Verleihung und dann alfo precaria sc. terra, ebenfo terra eccle- 
siastica, zu Precarie gegebenes urfprüngliches Kircheneigen 3), aber 
noch a. 772 fteht precaria auch im Sinne von epistola, carta, nicht 
von terrat), ebenfo die vom Rüdempfänger ansgeftellte Anerlennungs- 
urkunde ð). 

Ein mächtiges Anlockungsmittel der Klöſter zu dieſen Geſchäften 
und in ber That ein mächtiger Vortheil für ven Rückempfänger dabei 
war nun aber, daß dieſer außer dem rüdgewährten Gut Häufig 
andres (bisheriges) Kloftergut, — freilich auch nur zu Iebenslänglichem 
oder fonft zeitlich beſchränktem — beneficium ober Nießbrauch empfing 
und zwar zuweilen das Doppelte des Rüdgewährten®). 

Aber freilich wohl auch”) mit dem echt des Klofters, das Re⸗ 
präftirte einzuziehen. Nach dem Tob oder ber Weltentjagung (Eintritt 
ins Klofter) des Schenters jollen feine Frau und fein Sohn jenes 
zweite Gut Tebenslänglich genießen. Der Schenker übernimmt auf 
Lebenszeit die Verpflichtung, in 2 Heinen Bethäuſern (oratoriola) 
für das Meffelefen, die Pſalmodirung und die Beleuchtung®) zu for- 
gen, wofür er jährlich vom Decan erhält 3 Maſtſchweine, A Fuhren 
Kom, 2 Winterwaigen, 2 Hafer. Eine Hufe und beren Unfreie 
(mancipiola) waren von der Vergabung ausgenommen. 

Zuweilen beißt das rüdgewährte Gut traditio, das neu Hinzu 
empfangene Kloftergut allein beneficium®), aber ftreng burchgeführt 


1) Neug. 363. a. 846. 649. a. 904. 651. a. 904 unb eft. 

2) Roziere 347 - 360. 352. 361. 366 —- 367. 

3) Cod. Trad. Sang. 40. 68. Wartmann L. 67. a. 172. 

4) Zeuß, W. 228. a. 695—79. 

5) Neug. 105. a. 788. 

6) Beifpiele: Zeuß, W. 198. a. 830 (darunter eine cella Sancti Pauli). 
Zeuß, W. 151. a. 840, aber eine Beränßerung ber Nießbrauchgüter, Heimfall 
mit allen Befferungen, ebenſo 156. a. 855. Ebenſoviel ober zweifach zu Ichen® 
länglichem Nießbrauch Neugart 166. a. 809 ober als Brecarte 1. c. 99. a. 787. 

7) Neng. 651. a. 904. 

8) luminaria, bier nidt in bem Sinne wie Könige VIII. 5. &. 302. 

9) Neug. I. p. 577. N. 710, 3. 8. Trad. Sangall. II. p. 163. N. 549, 
550, 643. 


536 


wirb dies durchaus nicht 1); für beides begegnet ebenfo oft precaria mie 
beneficium 2), und ebenfo fteht ususfructus für jenes, dieſes oder 
beide; die Urkunde wie das Land heißt fpäter precaria, praestaria, pre- 
cariae cartula, auch wird widerſpruchsvoll „Kigenthum und Niek- 
brauch” verliehen?). 

Repraestare wird auch gejagt, wenn das Klofter von dem Einen 
(Kifibolt) empfangne Güter In des Vergabers Auftrag einem Antern 
verleiht ®). 

Eine repraestatio wirb aufgehoben durch Vertrag: die Schen- 
ferin und Nüdempfängerin giebt ben Befig und Fruchtgenuß bes 
von ihr zurädempfangenen Schenkgutes mit beren Vogt an das Klo⸗ 
ftee: dafür übernimmt dies „in Erwägung ihrer Armuth“ ihre Ver⸗ 
pflegung (sustentaculum vitae); ausgenommen wirb bie Hälfte eines 
Nebgartens, ven ihr Bruder, ein Mönch des Klofters, lebenslänglich 
befigt: von ber andern Hälfte ſoll die Schenkerin jährlich den Zehnt 
beziehen und als Berpflegung — es ift ein Verpfründevertrag — 
jährlih 6 Malter Korn, 6 Hafer, halb Ende Auguft, Halb am Mar—⸗ 
tinstag, ein Maftichwein zu Weihnachten, 2 Rinder, Schafe, Schweine, 
Ziegen (wie viele?), „wie fie zufammen mit denen ber Herrſchaft (cum 
dominicis: bier das Klofter) unterhalten werben“. DBefucht fie, um zu 
beten, das Klofter, erhält fie Unterkunft und Verpflegung für Einen 
Tag und Eine Nacht: der Vertrag gewährt ein anfchaulich Bild ver 
Wirthichafts- und Lebens⸗Weiſe ber Zeit). 

Eine reiche Aufzählung von Nepräftationen an Geiftliche und 
Laien von Weißenburg findet fi in dem Breviarium rerum fis- 
calium Karls). 


1) gl. Trad. Sang. II. p. 11. N. 390. 

2) 1. e. IH. p. 27. N. 810 und oben. 

3) Zürtcher U.B. p. 65. N. 152 in meam... . sub usufructuario (se. 
jure) proprietatem. 

4) Neug. 396. a. 861, ähnlich W. U. I. 133. Berwidelt Tiegt der Fall 
Url. St. Gallen ILL. 306. Wartmann IL. 548. a. 870: Vergabung von Gütern, 
Rüdempfang durch bie Enkel, Wieberlibergabe durch den Entel an bas Kofler 
mit Borbehalt von Beſitz und Nießbrauch gegen Zins. 

5) Neug. 621. a. (896?) 

6) Zeuß, W. 275. 


537 


o) Das Recht des Rüdempfängere am But. 


Das Recht des Nüdempfanges an dem Gut wird fehr verfchie- 
ben bezeichnet: bald als beneficium!), als terra precaria 2), bald als 
ususfructus, oft in unllarer Häufung ber Begriffe. 

Ganz gleichbeveutend mit repraestare fteht beneficiare und 
precaria,°) feltner usufructuario jure ad tempus vitae reddere 
per precariam, sub usufructuario recipere‘®). 

Die rüdgewährten Güter bleiben im Eigenthum des Kloſters, 
fallen nicht in das Eigenthum bes jest damit Beliehenen zurüd, 
— baber ihm Beſitz nur »usufructuario®) jure< gewährt wird — 
nur in Defig, Verwaltung und Nukung: anders bei Zaufch: Bier er- 
wirbt der Laie die bisherigen Kloſtergüter als proprias res potesta- 
tive (Eigengewere) possidendas ®). 

Nur ganz ausnahmsweife fcheint einmal lebenslängliches Eigen. 
thum des Rückempfängers gemeint zu fein, wenn nicht nur unge. 
ſchickter Ausdruck vorliegt”). 

Verringerung oder Veräußerung des Rückgewährten wird — wie 
bei jedem Nießbrauch — ausdrücklich verboten, vorbehaltlich des durch 
bie Bewirthſchaftung und den Gebrauch Geforberten®). 

Noch völlig fremd ift dieſen Jahrhunderten ver erft durch Miß- 
verftändniß der Gloffatoren im XII. Jahrhundert aufgeftellte Unter: 
fhieb von Obereigentfum, dominium directum, bes Klofters und 
Untereigentfum, dominium utile des Rüdempfängers, den man alfo 
ganz unrichtig®) fchon im jene Zeiten hinauf trägt: fpäter hat man 
ibn freilich wie auf alle beneficia ober feuda auch auf die oblata 
angewendet. 

Der Rüdempfänger darf auch wohl das Gut Andern als Pre 


1) ©. unten. 
2) Könige VII. 1. a. a. O. VIII. 2. ©. 98, 116. unb unten. 
3) Neugart 248. a. 831. 

4) 268. a.? Zeuß, 195. a. 718. 

5) W. U. I. 167. a. 890. 

6) W. U. I. 148. Neng. I. 479. a. 874, 

7) Neng. 663. a. 907. proprietatem et terram censualem: aber vielleicht 
tft uur gemeint das frühere Eigenthum bes Rüdempfängers und bazu Bisheriges 
un ihm unter Zins verliehenes Kloftergut. 

8) Form. Aug. B. 2. nisi quantum ad usum pertinet eas in colendi 
et in usu habendi. 

9) Könige VII. 3. S. 79. VII. 5. S. 109; f. unten Finanz, Regalien. 


538 


carie leihen, die dann einer Sanct Gallifchen Kirche jährlich 2 De- 
nare ober 1 Malter Korn ober 3 Hühner entrichten, während er 
berjelben Kirche 1 Denar zinft: bas Verbältnig dauert bis zum Tod 
ber After-Beneficiaten !). 


d) Guts⸗Folgerecht und Nüädlauf. 


Sehr oft behält fich der Bergaber und Rückempfänger (aber auch 
der Vergaber ohne Rückgewähr) das Necht vor, das Vergabte binnen 
beftimmter Friſt zurüczulaufen, er allein oder auch — nach feinem 
Tode — eine andere genau beftimmte Berfon. Unſcheidbar hiemit 
verbunden ift vie Aufzählung ber Perfonen, die nach biefem Tod in 
das rüdempfangne But (unter gleicher ober anderer Belaftung) folgen 
follen: erft nach ihrer Aller Tod Rückfall von DBefit, Verwaltung 
und Nießbrauh an das Kloſter. Der Inhalt dieſer Verträge ift 
manchfaltig und Höchft lehrreich für die Anfchauungen und Lebensverhält- 
niffe ber Zeit. 

Juriſtiſch ganz irrig faßt man?) diefe Hingabe mit Rüdkaufs- 
recht?) al8 bloße Verpfänbung: Webergang bes Eigentbums wirb 
ausgefprochen. 

Es begegnen folgende Fälle, deren Beiſpiele leicht vermehrt wer- 
ben könnten. 

a) Folge in das Gut. 


Am bäufigften Folgerecht für eine Anzahl ‚Leiber“ („A, 6 Augen“) *). 

Eine Schenkerin erkennt an, daß fie gewiffe Güter umrechtmäßig 
(injusta machinatione) in Anfpruch genommen, aber, von Präpofitus 
und Vogt überführt, Habe herausgeben müffen: bieje erhält fie jetzt 
zu eigen (gegen Ueberweiſung anbrer Güter) anf Lebenszeit zinspflichtig 
zurüd®). 

Eintritt der ganzen ehelichen Nachlommenfchaft in Nießbrauch 
und Zinspflicht®): das fogenannte „Erbrecht“ ”). 


1) Cod. Trad. 429. N. 738. a. 909. 

2) Weit V. ©. 293. 

3) Trad. Sang. 402, 418, 419, 436. 

4) 3. 8. Wartmann 317—19. Sohn, Enkel, Eidam Trad. Sang. 136. 257. 

5) Meng. 358. a. 854. 

6) Wartmaun II. 430, 431. a. 854. 448. a. 856 und oft; babei oft aus 
brüdlicher Ausichluß bes Rückkaufsrechts 495. a. 864; aber auch Rückkauf um 
6 Denare bei 4 Denaren Jahreszins 451. a. 856, 857. (Gcheinpreis, f. unten). 

7) In Baiern bis 1848 Regel, Baier. Land⸗Recht IV. 7. 8 6, ebenfo Form. 


539 


Selten Gutsfolge der Kinder, ihrer rauen und (aller?) Nach⸗ 
fommen!). 

Folge nur ber Abkömmlinge, nicht andrer Erben, in das Zinsgut?). 

In ben Formeln 3. B. von Augsburg?) werben bie Fälle fäuberlich 
gefchieden: Nro. 8 Folgerecht aller Ablömmlinge, aber nicht andrer 
Erben, 11 Ausbedingung ber Verpflegung, Verpfründenertrag, 12 Aus- 
bedingung des Rechts des Eintritts in das Kloſter. 

Nüdempfang zu Nießbrauch auf Lebenszeit des Vergabers (ver 
beiden vergabenden Gatten), auch noch bes Sohnes und ber Tochter, 
feltener auch noch ver Entelt). 

Folge bald aller, bald nur der männlichen NachlonmenB). 

Anwachfungsrecht mehrerer gleich naher Erben bezüglich mehrerer 
rüctempfangener ®üter ®). 

Auswahl des Rücdempfängers unter feinen Töchtern für bie Tolge 
in Gut (und Zins)”) oder unter allen Gefippen gegen ben Zins, bem 
dann um 1 solidus erhöhten ®). 

Solgerecht des Bruders und feiner Nachkommen‘): einmal nach 
dem Tod des Bruders Folgerecht des wahrfcheinlih unmündigen 
Sohnes des Vergabers 10); Folgerecht der Schwefter, nach beren Tod 
ber Bruderſöhne des (geiftlichen) Schenters 11). 

Gutsfolge und Rückkauf der Schwefter ver Schenkerin 12). 

Folge der Wittwe bes Eheſohns und befien Nachlommen: bei 


Aug. Coll B. 8. Zenmer p. 352. Meng. 388. a. 860. 165, 167. a. 809. 
W. U. 1. 63, 65. 

1) Neugart 182. a. 815. 184. a. 815; für Kinder, in beren Ermangelung 
für einen Briefter auf Lebenszeit 194. a. 818 für Nachlommen, Bruber und 
Bruderskinder 253. a. 832. 

2) Form. Aug. B. 8. 

3) Aug. B. 8—12. 

4) Neng. 42, 131, 149, 182. 

5) Urk. St. Gallen III. 305. Wartmann II. 547. a. 869. 562. a. 841—872. 
(565. a. 567 ebenſo). Sp nur ber (ehelichen) männlichen Nachkommen. W.U.I 
123. Neug. L 413. a. 855. mares videlicet tantum ex legitima procreatione 
geniti, feminae autem . . non possideant, sed mares tantum. 

6) Neug. 248. a. 831. 

7) Neng. 239. a. 829. 

8) Nengart 146, leider nur verftlimmelt erhalten a. 802. 

8) 1. 0. 493. a. 875, 876. 

10) 1. o. 494. a. 876. 
11) Neug. 413. a. 862 (nicht 860). 
12) Wartmann II. 521. a. 866, 867. 


540 


beren Ermangelung follen Präpofitus, Vogt oder bie »populi«, d. h. 
bie Nachbarn, den bezeichnen, ver bem Nüdempfänger der Nächite 
(proximus) war, und biefer foll das Gut unter gleicher Zinglaft er- 
balten!). 

Folgerecht (in ein beneficium) ber Wittwe bes Schenters?). 

Die Zinsgüter — Pflichten und Rechte daraus — follen auf bie 
Wittwe und beren Rinder zufammen übergehn, eine merkwürdige Art 
„Verwaltungsgemeinſchaft“: nach dem etwaigen Rückkauf aber follen 
fie zufammen bie »manus potestativa«, d. 5. Eigenthum haben, bas 
vorher an dem Zinsgut dem Klofter zuftand; fehlen Erben, beibt bas 
Zinsgut der Wittwe als ſolches (trog Rückkaufs)?). 

Vorbehalt bes lebenslänglichen Nießbrauchs und Wolgerecht für 
Wittwe, Schweftert) und Mutter des Schenters®). 

Die Wittwe foll den Niekbrauh an dem bem Gatten Zurück⸗ 
gewährten verlieren, wenn fie ven Wittwenftuhl werrüdt®). 

Gutsfolge der Neffen des Vergabers?). 

Vorbehalt des Folgerechts der Mutter bes erblos verfterbenven 
Schenkers, nach biefer des Bruders, ber Schweiter®) und deren 
Kinder unter gleihem Zins wie der Schenler. 

Auch theilweis (2/,) der Wittwe (Gattin?), (1/s) ver Xöchter 
unter gleicher Zinspflicht®). 

Der Sohn foll folgen, nachdem er Priefter geworben, und dann 
zweifach den Zins bes Vaters zahlen 1%), die nächſt Subſtituirten brei- 
fach; auch eine Stiftung pro vita monastica bed Neffen !!) wirb 
errichtet oder auch Verpflegung wird für den Sohn bes Stifters uns 
bedingt, Eintritt in das SKlofter bedingt vorbehalten 12). 

Vorzug eines Bruders oder andrer Geflppen, ber Geiftlicher 


1) Cod. Trad. Sang. 223. N. 379. Wartmann II. 398. a. 816. 
2) Zeuß 180. a. 810; zwei Salmannen. 

3) W. U. I. 109. Neng. I. 305. a. 873. 

4) Neug. 427. a. 864. 

5) Neug. 421. a. 864. 

6) Zeuß, W. 204. a. 851. 

7) Cod. Trad. Sang. 220. N. 374, Wartmann II. 399. a. 846. 
8) Neugart 303. a. 842. 

9) (2 +2 Denare) Neug. 409. a. 873. 

10) Neugart 212. a. 845. 

11) 313. a. 846. 
12) 370. a. 858. 


941 


wird in der Nachfolge 1): oder auch bie beiden Töchter des Schenters 
follen den zinspflichtigen (1 Malter Korn ober 2 Denare) Nießbrauch 
an dem Gut haben, wenn fie Nonnen werben: wird bie Eine nicht 
Nonne, ſoll die Andre in deren Necht eintreten 2). 

In Ermangelung von Geflppen werben auch Ungefippen vom 
NRüdempfänger als Bolger in den Nießbrauch des Zinsguts berufen). 

Die Gutsfolger find als folche nicht Gefammtfolger im Sinne 
ber römiſchen Lniverfaliucceffion des Erben: — fowenig wie heute 
noch der Anerbe des Bauernguts als folder‘). 


B) Vorbehalt bes Rüdtaufsrechts. 
Allgemeines. 

Rückkaufsrecht bald nur des Vergabers 6), bald auch der Kinder. 

Rückkaufgeld fehr Hoch: — gleich drei Wergelvern des Schenters ®) 

Dagegen Rückkauf tes Vergabers um 2 Denare”?); feltfam wird 
einmal gleicher Zins fortbezahlt nah Rückkauf ver alsdann folgeberech- 
tigten Schweftern: bei Rücklauf erlifcht fonft felbftverftändlich ver Zins). 

Jahreszins 1 Denar, Rückkaufpreis für den Schenfer und beffen 
Mutter 1 sol., ein Fremder (jcheint es) zahlt 2 Denare Zins und 
1 Pfund Rückklaufpreis 9). 

Ganz ausnahmsweiſe behält der Schenler Rückkauf nicht des 
Vergabers, nur feinen Erben vor 10). 

Vorbehalt des Rückkaufs für ven Sohn durch Vertrag, (plagitare) 11) 
auch für die Schwefter 12) und beven Nachlommen, aber um höheren 
Betrag?) 

Vorbehalt des Rückkaufs (um 1 sol. oder 1 libra) auch für Rin- 


1) Cod. Trad. Sang. 92. N. 154. Wartmann I. 209. a. 812. 
2) Neng. 393. a. 860. 

3) Neug. 430. a. 865. 

4) Dahn, Grundriß ©. 97. 

5) Form. Aug. B. 9, 10. 

6) }. o. 107. a. 780. 

7) Neug. 491. a. 875. 

8) ]. c. 492. a. 875. 

9) Neug. 595. a. 890. 

10) Trad. St. Gall. IV. 372. a. 872-883, 
11) Neugart 320. a. 848. 

12) 329. a. 849. 

13) Neug. 358. a. 854. 


542 


der, Mutter, Bruder, Bruderskinder, Schweftern und Schweiterfin- 
ver, Mutterbruder (und deſſen Kinder) 2) des Schenkers; aber auch Be- 
ſchränkung des Rückkaufs auf den Schenker begegnet, unter Ausſchluß 
fogar feiner Wittwe, die nur in ben Niekbrauch mit dem Zins folgt?). 
Der Rüdlaufpreis des Schenkers beträgt nur 30, ber feiner Gefippen 
100 Pfund). 

Anderwärts wirb ben Erben das Rückkaufsrecht ausprüdlich ab- 


geſprochen: fo in der großen Schenkung Gerolds an Sanct Gallen‘); ' 
oder dem Schenker ab⸗, beffen Erben zu-gefprochen>). 


Rüdlauf des Schenlers um 80 sol., des Sohnes bes Schenkers 
um das Wergeld 6); des Schenkers um 3 Pfund, feines Sohnes um 
30 sol.?). 


Rückkaufsrecht nur ber Kinder bes ſchenkenden Ehepares, nicht 
der Kinder aus einer etwaigen fpäteren Ehe eines der Gatten ®). 


Auffallend ift der Vorbehalt des Rüdkaufs für ten Sohn, wann 
biefer zur Ehe fohreiten will, fowie für beffen Ehefohn und zwar um 
das Wergeld, während ver Schenker felbft nur mit 50 sol. ven Jahres⸗ 
zins von 5 sol. zurückkauft. Seltſam ift, daß ber Sohn nicht foll 
rückkaufen bürfen, wenn er feinen Ehefohn bat, vielmehr fol dann das 
Schenkgut an das Klofter zum Fruchtgenuß fallen. Bei Geburt eines 
Eheſohnes Rückkauf auch andrer Güter ?). 


Rückkauf für die Schenkerin, deren Sohn und die nächften Erben 
ihres (offenbar verftorbenen) Mannes um 40 sol., nah Wahl auch in 
Pferden, Rindern, neuen Tüchern 19). 


1) Neug. 397. a. 861. Zins und Nüdkaufpreis find meift für bie Gefippen 
bes Schenters höher als für ihn felbft. 

2) 399. a. 861. 

3) 50 dem Kofler St. Gallen, 50 inter ceteros monasterio (? oeteras 
:monasterii basilicasP), boch nicht bie Mönche? Beichränfung auf 5 Jahre, jcbet 
Jahr 20 Pfund (et annua eorum X annorum agatur (?). Stark verberbter Tert 
401. a. 861. 

4) Neugart 97. a. 787. 

5) 273. a. 837. 

6) W. U. I. 42. Neug. I. 120. a. 793, Wergelb auch Cod. Trad. Bang. 
‚p. 49, aber oft auch in beiden Fällen gleicher Preis: fo 44 und 125. a. 7197. 

7) W. UV. I. 98. a. 838. 

8) Neug. 571. a. 886. 

9) Neugart 193. a. 817. 

10) Neug. 597. a. 890, alfo daun Rüd- Taufch” ſ. unten f. 543. 


543 


Rückkauf nur ver Söhne, nicht der Enkeli). Rückkauf des Enkels, 
wann er bad 7. Jahr erreicht bat, d. h. durch feinen Muntwalt?). 
Dover e8 wird ber Wittwe bes Schenkers anheimgeftellt, das Rückkaufs⸗ 
vecht deſſen Neffen und Nichten zu übertragen, „falls dieſe ihr liebe⸗ 
voll gedient" ?). 

Das Rückkaufsrecht ſoll von ver Wittwe bei Berrücung bes 
Wittwenftuhls auf vie Gefchwifter des Gatten übergehen‘). 

Rüdlaufsrecht des Bruders unter der VBebingung bes Wohl. 
verhaltens gegen ben Schenter®). Zwei fchenlende Brüder behalten 
gegenfeitig dem Weberlebenben das Rückkaufsrecht um 400 sol. vor®). 

Das Rückkaufsrecht des einen Bruders und Schenters foll bei 
deſſen Wegfall dem andern anwachſen). 

Abt Gozbert fchenkt feinem Kloſter Güter: I. Rückkauf um 1 sol., 
durch feinen Vetter um 2 Pfund in zwei Sahren; II. andre mit Zins 
von 2 Denaren, Rückkauf um 1 sol, durch einen Andern um 10; 
III. andre mit Rückkauf durch den Schenker oder beffen Sohn um 
1 Denar; IV. andre mit Rüdlauf um 1 sol.s). Dagegen Berbot 
jeves Rüdlaufs) oder Zins (6 Denare) und Rückkauf (30 sol.) für 
Schenker, Söhne und Söhne Eines Sohnes 19). 

Eine Kranke behält fich vor, bei Genefung das Gut gegen Jahres⸗ 
zins von 4 Denaren (zum Niepbrauch) zurückzuheiſchen ober (wie auch 
ihr Sohn) um 10 sol. zurückzukaufen; ftirbt fie an der Krankheit, follen 
drei Männer — vermuthlich ihre Söhne? — das Gut unter dem 
gleichen Sahreszins bis zum Tod des Längſtlebenden erhalten 12). 

Ah Rücktauſch wird uneigentlich Rückkauf genannt. Einmal 
Löft der Sohn bes Schenkers von feinen Aeltern, dem Kloſter ge 


1) W.U.1. 111. Neug. 307. a. 844. 

2) Wartmann I. 332. a. 830. 

3) Neug. 607. a. 894. si (ipsi) amabiliter deservierint, freilich um 30 sol, 
während die Gatten nur A Denare zu zahlen brauchen. 

4) Neugart 250. a. 831. 

6) Neug. 386. a. 859. 

6) Neugart 155. a. 805. Rückkauf für nur 1 Pfund 165. a. 808. 

7) Reng. 400, 401. a. 861. 

8) Neng. 600. a. 892. 

9) 601. a. 892, 

10) 605. a. 893. 

11) Neugart 299. a. 840, nicht, wie verfchrieben fteht, a. 830. 


544 


ichenttes Land durch Uebereignung andrer Grunpftüde ein! Der 
census, ber abgeldöft wirb burch letztwillige Zuwenduug eines Grund» 
ſtücks (Nücdtaufch), muß bisher an das Klofter bezahlt worben fein?). 

Auch theilweifer Rücklauf begegnet. Merkwürdig ift der Rücklauf 
um 2 sol. Capital und 2 sol. Jahreszins für das nicht Zurückgekaufte?). 

Zuweilen wirb eine Frift für Ausübung bes Rückkaufrechts vor- 
geſtreckt; jo für den Bruder bes Vergabers binnen 1 Iahres‘), für 
Andere 3 Iahren®), A Iahren®), 5 Jahren”); durch die Gefippen nur 
binnen 10 Jahren und um 2 Wergelver, währen Schenker zu beliebiger 
Zeit um 10, beflen Sohn (auffälliger Weifel) um 5 sol. zurüdtaufen 
joll®); in 8 Jahren oder nach vollenvetem 12. Jahr der Kinver®), in 
10 Jahren 19). 

In andern Fällen wird der Rücklauf von jeder Befriftung aus- 
drücklich befreit1i). 

Der Rückkaufpreis von 30 sol. darf auf 3 Jahre vertbeilt, aber 
ber Zins muß in jebem ber brei Jahre entrichtet werben 12). 

Einmal wird ben Nachkommen unentgeltlicher Wiberruf gewahrt 13), 
anbermale ber Rückkauf ausprüdlich ausgefchloffen 14) oder auch bem 
Vergaber gegen Scheinpreis 15) gewährt, der Wittwe und dem Neffen 
aber als Folgern verfagt 1%) oder auch — feltfam! — der Wittwe ver- 
ſagt, dem Neffen verftattet17). 


1) Neug. 395. a. 861 (»redimo«), ebenſo ber Neffe 297. a. 839, ebenfo ein 
Entel, wodurch ebenfalls ber Zins erlifcht 459. a. 870 um 8 Joch Land, 511. 
a. 878, ebenfo um 2 ober 3 Hufen 305. a. 843. W. U. I. 109. Der Bruder als 
Folger taucht das Schenkgut gegen einen gleichwerthigen Weiler (wilare), nad 
Neug. 449. a. 868 bier eine Sennhütte auf dem Säntis (Sambitis), ein. 

2) W. U. I. 160. Neug. I. 543. a. 885. 

3) Nengart 241. a. 829. 

4) W. U. I. 98. a. 838. 

5) Neug. 421. a. 864. 

6) l. c. 228. a. 826. 

7) 1. ec. 386. a. 859. 

8) W. U. I. 106. Neug. I. 303. a. 842. 

9) W. U. I. 109. Neug. I. 305. a. 843. 

10) Neugart 303, ebenfo a. 842 (um 2 Wergelber) 320. a. 849. 

11) Neugart 254. a. 852. sive in hoc anno vel quando voluero. 

12) W. U. I. 24. Neng. I. 77. a. 779, 780. 

13) Zeuß, W. 136. a. 746 (a. III. Chilberich III.). 

14) 1. c. 140. a. 756. Neug. 358. a. 854. 529. a. 882. 

15) ©. unten. 16) 1. 0. 532. a. 882. 

17) L co. 539. a. 883. Weitere Beftimmungen über den Rückkauf: Berzicht 


545 


Rückkauf nur für ben Ball, daß das Klofter in tie Gewalt eines 
Andern (als des Königs) übergeht und dieſer des Schenfers Verfügung 
mißachtet und verlegt!). Der Ort des Rückkaufs wirb genau ver- 
einbart 2). 

Dft ift ter Zins ober ber Rückkaufpreis nicht nur an das Be—⸗ 
ſchenkte, auch an andere Klöfter, jo an Sanct Gallen, Eonftanz und 
Reichenau, zu entrichten). 

Zurüdgelaufte Güter und bie Rückkäufer felbft heißen fortab liberi, 
vgl. libertas); babei ift aber nicht an (früher) unfreien Stand zu 
benfen. 

Auch gejchenkte Unfreie (ohne Grundſtücke?) Tönnen gegen Jahres⸗ 
zind (von einem Rind zu 5 sol.) zurüdgenommen werben >). 

Wohl aus Verfehen wirb ver Betrag des Rüdkaufpreifes über- 
gangen, der Rückkauf aber gewahrt®). 

Weigert der Abt die Zulaffung des vertragenen Rückkaufs, kann 
ihn der Berechtigte herbeiführen, inbem er das Gelb in bie Kirche 
(basilica) oder vor deren Thüre oder auf den nächften Acer wirft). 


(Ausihluß) Neug. 502. a. 876. 514. a. 878. 557. a. 885. 558. a. 885. 616. a. 896, 
649. a. 904. 650. a. 904. 663. a. 907. W. U. I. 153. Rüdfauf durch den Ber- 
gaber, defien Söhne, Sohnesenfel und Töchter um 1, durch Brüder und Brübers- 
föhne nur binnen 5 Jahren um 10, burch fernere Verwandte um 12 Pfund 
Neug. 452. a. 868; ähnlich 453. a. 868, nur mit Bevorzugung ber Witte. 
Rücklauf der Nachkommen um gleichen Preis: 4 Denare 618. a. 896. Rückkauf⸗ 
preis bet einer fehr großen Schenfung: dreimal das Wergelb des Schenkers, Aus» 
Schluß der Gutsfolge und des Rückkaufs auch des Sohnes W. U. 1. 33. Neug. 
97. a. 786. Umgelehrt: ber Schenker zahlt jährlih 2 Denare Zins ohne Rüd- 
kaufsrecht, der Sohn zahlt nicht Zins und bat ein Recht bes Rückkaufs um einen 
halben Solidus Neug. 273. a. 837; ſtirbt ber Schenter Tinberlos und ohne Rück⸗ 
kauf, foll der Nießbrauch an beffen Seitenverwanbte fallen 285. a. 837. 

1) Neug. 431. a. 865. 

2) Neug. 608. a. 894 ad altare, quod est in Masingen (aljo nicht im 
Klofter Sanet Gallen ſelbſt) vel ad ostium ipsius ecclesiae (St. Gallen) vel 
in ipso atrio; Dagegen in mallo publico 400, 401. a. 861. 

3) Neug. 421. a. 864. 

4) Neugart 244. a. 830. 

5) W. U 1. 20. Neug. I. 68. a. 778. 

6) Neug. 594. a. 890. 

7) Nengart a. 815. N. 184. a. 816837. N. 268 [a.?). Si abba redi- 
mationem facere non consenserit, . . liceat ei ipsam redimationem projicere 
in basilicam vel in agrum propingquum et habeat inde redemptum. Das 
gilt auch von bem Scheinpreis, f. unten, ben ber Abt wohl oft nicht gelten 
Lafien wollte! 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 35 


546 


“ww; 





Der Rüdfaufpreis, den der Rüdempfänger felbft zu zahlen über: | 


nimmt, ift fehr oft ein bloßer Scheinpreis1); feltener, aber doch aud 
noch häufig, bei Rückkauf durch die Gutsfolger, unter Bevorzugung 
ber näheren Gefippen. 

Während der Schenker bei Rüdlauf 1, fein Sohn 2 sol. zahlt, 
follen feine andern Geſippen ein ganzes Wergelb zahlen müſſen 2); ober 
Scheinrückkauf des Schenker um 1 sol., dagegen bes Bruders als 
Butsfolgers um 100 sol.®). 

Einmal Rücklauf des Schenters um 1 sol., nicht feiner Wittwe, 
feines Enkels (Sohn fcheint vorverftorben), erft wenn biefer einen Ehe⸗ 
ſohn erhalten, um 30 sol.®). 

Der Schenker 1 sol, dagegen die Enkel 8 Pfund Gold unt 
Silber oder den gleichen Werth in neuen Seiden-Gewanben >). 

1 solidus für ven Schenker, für deſſen Erben um 80 und 160 sol. 9). 

Scheinrückkauf ift e8 auch, wenn brei Güter um ben einmaligen 
Jahreszins von 4 Denaren (von ben Söhnen um 6) zurückgelanft 
werben können ’?). 

Der Schenker um 1 sol, anbere nad) feinem Tod (binnen eines 
Jahres) um 10 Pfund?). 

Der Schenker und fein Sohn kaufen zurüd um 1 und 2 sol, 
während ver Bruder und deſſen Sohn das halbe Wergeld zahlen unt 
bis dahin ftatt 2 Denar (wie jene) als Zins die Schul (b. h. tem 
Jahreszins) Eines Knechtes leiften müfjen. Andre, ferner Stehente, 
faufen nur gegen das ganze Wergeld und zwar nur binnen 7 Jahren 
zurück ?). 

Rückkauf gegen beftimmten Preis!) Heißt „cartam redimere". 
In andern Fällen behält der Schenker für fih, Sohn und Tochter 


1) 3.8. 1 sol. 4 Denar. Neug. 253. a. 832. 256. a. 833. 257. a. 834 1 sl 
532. a. 882 und jehr oft. 

2) W. U. I. 22. Neug. I. 75. a. 719. 

3) 1. c. 386. a. 859. 

4) W. U. I. 157. Neug. I. 532. a. 882. 

5) Neug. 455. a. 869. 

6) Neng. 329. a. 849, aber nur binnen 10 Jahren. 

7) Neug. 348. a. 853. 

8) Neugart 268. a. ? ähnlich 184, 228, 397. 

9) Neugart 296. a. 838, was heifit (unius servi debitum) adsque diebus” 
ohme Frohntage? ähnlich wie ber Preis und ber zweifache Jahreszins (je 1 Denar 
l. c. 307. a. 842. 

10) Zeuß, W. N. 17 ducentis solidis. 


547 


ven lebenslänglichen Niekbrauch vor gegen einen Zins von 2 sol. zum 
Meortinsfeft, deſſen Verſäumniß aber nicht Verluft des Nießbrauchs, 
nur die gefeglichen Straffolgen bewirken foll. 


e) Rüdfall an das Kloſter. 


Die Rückverleihung foll erlöfchen und Beſitz und Fruchtgenuß 
an das Klofter heimfallen, gerathen ver Rückempfänger over deſſen GOuts⸗ 
folger in Unfreiheit). Ebenſo bei Ausfterben des Gefchlechts2); ein- 
mal auch fchon, falls der Sohn des NRücdempfängers ohne Ehefohn 
ftirbt?). 

Oft wird eingefchärft Rüdfall ohne Schädigung, PVerfchlechterung t) 
vielmehr mit allen Befjerungen; melioratae redeant®). 

Zuweilen verbleibt Ein gefchenktes Gut dem Klofter, ein zweites 
wird zurüd und anderes Kloftergut gegen Zins mit gegeben). Läſtig 
muß gewejen fein ver Rüdfall der Thiere an das Klofter gleich nach 
dem Tod bes Schenkers, obwohl das Gut auf die Wittwe überging ”). 
Oder auh: Eine Hufe foll bei dem Tod des Schenters gleich, 
bie dos feiner Gattin nach deren Tod in das Eigentbum des Klofters 
übergeben). 

Der Rüdempfänger kann das feinen Erben vorbehaltene echt 
jederzeit turch Verzicht zu Gunften des Klofters aufheben?). Alfo er: 
werben dieſe Dritten durch den Vertrag mit dem Kloſter Fein Recht, 
wenn fie nicht ausbrüdlich, etwa als Salmannen, beitreten 19). 

Der Rückempfänger behält ſich Verfügung vor über 13 Joche 
Wald, die ihm das Klofter außer dem Rückgewährten verleiht: alles 
Anbre fällt bei feinem Tod an das Klofter ii). 


1) Neng. 396. a. 861. 
2) 405. a. 861. 
3) Neng. 193. a. 817. 
4) Cod. Trad. Sangal. 28. Wartmann I 0. a. 766. 
5) Neug. 160. a. 806. 405. a. 861 und jehr oft. 
6) Neugart 242. a. 829. 
7) 243. a. 830. 
8) Neug. 554. a. 885. 
9) 217. a. 824. 
10) Oben ©. 353. 
11) W. U. I. 178. Neug. I. 670. a. 909. 
35* 


548 


f} Zins. 
a) Bins-Betrag in Geld oder Haturalien, 


Was den Betrag des Zinfes betrifft, fo ift vor Allem zu unter 
ſcheiden ber bloße „Kecognitionszins“, ber lediglich behufs An- 
erfennung des Grunbeigentbums bes Kloſters entrichtet wird (An- 
erfennungszins)2); und ber Realzins, ber eine dem Werth bes Gutes 
entfprechende vermögensrechtliche Leiftung enthalten ſoll (Entgeltzins): 
jener Tann verſchwindend gering fein). 


Auch Kopfzins (ohne Landleihe) und Landzins find zw unterfcheiten, 
zuweilen werben beide gehäuft®). 

Ebenfo wie bei dem Kaufpreis5) entzieht fi) uns oft die Wür- 
bigung der Zinslaft und Frobnlaft wegen Unfenntniß des Werthes tet 
Landgutes®); doch ift fie offenbar auch bei Realzins meift gering geweſen. 
Mancherlei Heine Gegenleiftung ber Herrnhaft erleichtert noch die Luft 
von Zins und Frohn: fo wird nicht felten von ber Herrſchaft ben 
Pflichtigen bei der Zinsablieferung ein Schmaus zugefichert”). Biſchofe 
und Äbte treffen Vürforge gegen Erſchwerung ber Lage ihrer Abhängigen. 


1) Bäuerliche Laften Rofcher II. ©. 287. Zinfe Ross p. 98. Arnold, Reihe uxt 
Rente, Studien 1582. Ueber Zins Joh. Meyer, Bunbesverf. I. S. 235. Memminger, 
bie Geſchichte der Bauernlaften 1900. Weber und zum Theil gegen Lampreit 
D. W. Leben I S. 923 (Scheidung von Erbzins und Erbpacht) f. Zenmer 
bei Waitz V. ©. 303; in diefer Zeit ſcheiden die Quellen noch nicht. 

2) Ausdrücklich heißt e8 von einem foldhen „Recognitionszins“, er wert 
bezahlt >pro commemoratione« d. h. zum Gedächtniß bes höheren Rechtes bei 
Klofters, Zeuß, W. 49. Anerkennungszins Zenß, W. 172. a. 830, ob recor 
dationem hujus facti, jährlich zu Martini 2 sol. 

3) Anerkennungs⸗, Dagegen Bergeltzins Wait-Seeliger V. S. 8. 126: rnedt 
hoch: 500 Schäffel Gerfte, 50 Schäffel Bohnen, 25 Frifchlinge, 1 Roß zu 20 eol, 
Schild unb Speer zu 5 sol.: Vergeltzins Trad. Aug. 157. p. 120. Bart. 
mann III. p. 693. 

4) 1 Denar Neug. 560. a. 885, ebenfo Zürich, U.B. N. 206. p. 97. Bart: 
mann II. 497. a. 864. (Rüdfauf um 1 Pfund) oder 1 Denar und Rückkauf nm 
6 Denar II. 510. a. 865, fehr oft 2 Denare W. U. I. 287. p. 338. Nadhträge 
p. 412, 

5) Zeuß, W. p. 273 (fpät‘. 

6) Oben ©. 525. 

7) Bei Memminger, Bauernlaften S. 15—26 findet fi (neben mancen 
Irrigen in ber Theorie) häufig ein ſehr Harer Blid in das Praftifche ber ba 
maltgen bäuerlichen Leiftungen, freilich zuweilen mit Uebertreibung der Schwert 
der Laften vermöge bes angeblichen „Bodenregals“. 


549 


Udalrich von Augsburg (a. 923—973) beftätigt die Kergebrachten 
Rechte feiner Kirchenleute und verhütet jeve Erfchwerung ihrer Laften!). 

In St. Trond rühmte man die ehrende und wohlgeorhnete Be— 
handlung der Familie bei ven ‘Deutfchen?). 

Treie, Halbfreie und Unfreie?) zinfen abgeftuft®). 

Gelegentlich wird (im Codex von Lorſch) der Sahreszins einer Knechts⸗ 
hufe angegeben: 1 Frifchling zu 3 Denar, 15 situlae Bier, 2 Hühner, 
30 Eier (ftatt deſſen 1 Schäffel Korn) over 1 Frifchling zu 6 ‘Denar, 
5 situlae, 1 Huhn, 15 Eier. Mägde liefern ein Camifol, 10 Ellen 
lang, 5 breit5) oter ein Schwein zu 1 sol. oder 30 Denar over 5 Ellen 
oder 12 Denare oder 1 Unze Silber over 2 Tremiffen oder zu Mar- 
tini 10 Schäffel Hundefutter), 3 Hennen, 2 Schäffel Getreide, 1 
Schwein zı 6 Denaren, zu Pfingften 1 Widder zu 6 Denaren, nochmal 
6 Denare in Geld und 3 Tage Wachenfrohn. Die Traditiones Ful- 
denses verzeichnen zuweilen den Beftand ber Güter an Unfreien und Vieh. 

Auch die Trad. an Weiffenburg zählen Zinfe und Frohnden an 
bie Kloſterkaſſen auf?). 

Die Leiftungen von Zins gefchehen meift in Naturalerträgniifen 
des Gutes: Bier, Brod, Frifchlingen, Korn, Spelt, Hafer, Wibbern, 
Rindern, Pflugfcharen; aber auch weiße Meßhemden, albae, auch Gelb: 
bie Naturalleiftungen bürfen nicht unter einem vertragenen Geldwerth 
ſtehen. 

Alles zu Nahrung?), Kleidung, Gerät, Heizung, Beleuchtung, 


1) Waitz⸗Zeumer V. ©. 302. 

2) Vita Oudalrici ed. Watt, Sor. IV. c. 3. p. 390. tractabat ... (familiam) 
honorifice et Theutonicorum disciplinato more. 

3) Auch Waitz⸗Zeumer V. S. 302 gelangt zu bem Ergebniß, daß dieſe Ber 
laftungen nicht brüdenb waren; [ebenfo für den Elfaß Hanauer, les paysans de 
l’Alsace au moyen äge). 

4) Aber über bie firirte Bedeutung von mansı ingenuiles, serviles ſ. oben 
©. 451. 

5) Cod. Laur. N. 468. a. ? 472. 

6) brennae, Du Cange I. p. 740. Du Cange II. p. 53. 

7) So 76-88. 

8) Sehr genau &. Boffert II. 1—32. Wir verzeichnen bier nur Ginzelnes: 
1 bracium facere, brauen, neufranz. brasser; Pflugarbeit, halb für den Herrnhof, 
zweimalige Wagenfrohn carrucae; meift 3 Wochentage Frohn, Nachtwachen im 
Reihendienſt, 4 Rinder, 2 Leute mit Wagen für den Heerbann, camisilia der Weiber, 
bald aus eigner, bald aus herrfchaftlicher Wolle oder Leinwand mit genauer Längen- 
angabe;, Wagenfuhren (23), 29, 30 Pferde, dagegen fehr befchränfte barefridos 
3. 9. und meift Müpifteine; auch unbejchräntte. 


950 


landwirtfchaftlicher Arbeit), Lebensführung, Genuß, Gebrauch Verwend⸗ 
bare kann Gegenſtand bes Zinjes fein. 

Dabei bat ver Pflichtige oft die Wahl, ob er ten Zins in Gelb 
oder in beftimmten oder auch in beliebigen?, Naturalien entrichten 
will, andererfeits mag er ben Naturalzins in Geld entrichten?). 

Zins in Wache oder Geld ober anderen Werthen im Betrag 
einer Xremiffe‘,. 

Eine Tremiſſe in jedem beliebigen WertbS). 

Man fieht, Geld war felten, baber auch ganz geringer Zins 
(1 Xremiffe) in beliebigen Werthen entrichtet werten darf: ja, auch 
Frohnarbeit ®, ftatt Geld darf geleiftet werben”). 

Merkwürdig das althochtentiche feo in Bedeutung von Werth, 


1) frischinga qui valeat tremissi; duos boves septem saigas valentes. 
Beläge bei Neugart N. 23, 24, 36, 54, 162. 3.8. Einmal im Jahr hospitium 
Einer Nacht für ben praepositus (bes verleihenben Kloftere) mit 20 Pferden Straßb. 
Urkb. 51. N. 62 (und 25 sol). Ein Müplftein, ber Erbe zwei ale Jahreszins 
Zürcher U.B. L p. 75. a. 898. Andere einmal einen locum ad molendinum 
faciendum, Mühlanlage, (nicht Mühlfteinbruch (Cod. Laur. 401. a. 805. 


2) Yahres-Zins nur 1 saiga Cod. Trad. Sang. 90 N. 151 valente in cui 
potuerit, ebenfo 1 sol, bie Nachfolger 2. 1. c. 92. N. 154. Zins in Wachs 
ober Geld oder andern Werthen im Betrag einer Tremisse F. Aug. B. 21. 


3: Wachszins (oft bei Grandidier) Züricher U.-8. J. 208. p. 98. 


4, W. U. 6. Neug. 31. a. 760. 1 tremisse im jebem befichigen Werth 
W.U.L 6. Neug. 31. a. 760. Jahres-Zins von 1 sol. >in quo potuero« Cod. 
Trad. Sangal. 28. N. 46. Wartmann I. 50. a. 766. saicam in quo potuero 
l. c. 54. a. 709. 1 sol. in cera aut in quidquid esse potuerit W. U. I. 61. 
Neug. 159. a. 806. Andre Beifpiele von Naturalzins v. Inama-Sternegg D. 
©. 186. Waitz⸗Seeliger VI. ©. 31. 

5) W. U. I. 34. Neug. I. 105. a. 788, ebenfo 1 sol. in quid potuimus 
45, 126. a. 797 und oft 57. l.c. 1 sol. in quidquid potuero, ebenfo bei 1/2 sol. 
W. U. I. 83. Neug. 207. a. 820; bei 1 saiga 84 unb 214. a. 822. 

6) 1 tremisse in qualecumque pretio aut in opere 1. c. 53 unb 143. 
a. 802. 

7) Cod. Trad. Sang. 76. N. 129. Wartmann I. 133 a. 792. Anmerf. una 
seica valente in cui poterit Cod. Trad. Sang. 90. N. 151. Wartmann I. 156. 
a. 799. W. U. I. 67. Neug. 1. 175 decem modii de grano aut in alia pecunia 
ipsis valente d. 5. ober in Gelb ober andern Saden gleichen Werthes. 2 sol 
in qualecumque pretio potuerimus Neug. 176. a. 812. 1 tremissem in quali 
pretio potuissem 194. a. 818. 2 saigae auch In Getreide 194. a. 818. Ebenſo 
unam seigam (sic) in quocumque pretio potuerim W. U. I. 64. Reng. I. 
167. a. 809 in quocumque pr:tio potuerint W. U.I. 65. a. 809. Reug. I. 105. 


551 


Gut (woher feod, feudum)!;: vier Denare in Geld aut in alio feo), 
2 sol. in beliebigen Werthen?). 

Nah Wahl in Silber, Korn oder weiblicher Webarbeit®), in 14 
Pfund Eiſen oder 4 Denaren ober beren Werth in guten Fifchent), 
1/, sol. in Silber over in Wachs und lebenden Thieren ober in Korn®), 
ganz beliebig in jedem Werth. 

Der Zins⸗Denar wirb auch in Wachs (Kerze, Licht) entrichtet”). 
Ein Zins von 1 Denar nah Wahl in Hafer. 

Nachſtehende Zufammenftellung 8) zeigt einmal ben im Ganzen ge- 
ringen Betrag der Laft und, ba fie nach ber Zeitfolge geordnet iſt, 
das Gleichbleiben von Mitte des VIII. bis Anfang tes X. Yahr- 
hunderts. 

Die Zinsbelaſtungen bei ſolchen beneficia und repraestita 
oblata find mäßig: 3. B. 20 situlae, 1 Malter = 25 Schäffel Brod, 
1 Friſchling im Werth Einer saiga — 1/, Tremiffe?). 

Zuweilen ift nicht Bier, fondern bie Gerfte zur Bierbereitung 
zu liefern 19). 

Sehr felten ein Zins von 80 Schäffel Sat!). Zins von einem 
beneficium receptum 12): jährlich zwei Fuhren guten, noch nicht aus- 
gebrofchenen Korns (de grano bono non scusso), 1 Fuhre Spelt 
(auch Hafer); giebt e8 Eichel-Aerndte, quando esca est, Zins von 


1) Neng. 176. a. 812. 

2) W.U. I. 110. a. 844. Mägde eines fulbiſchen [Trad. Fuld. 82. Dronte 
44, 18). Gutes Tiefen jährlich (je Eine) 15 mappae, Schweißtücher ? Du Cange 
V. p. 255 mensalia und manutergia, was genez genannt wirb b. h. yuvarıslov, 
db. 5. was barin gefertigt wird. 

3) 1. c. 112. a. 845. 

4) 1. e. 114. a. 846. 

5) L o. 122. a. 855. 128. a. 858. brei Malter Korn ober 6 Denare ober 
ben Werth von 6 Denaren in Eifengeräth, Mäühl⸗Eiſen, audrem Eifengeräth 
(Ferramenta) Du Cange III. p. 442 „was von ben breien wir am Lelchteften 
aufbringen Können”, Neug. 375. a. 858. 

6) Neug. 587. a. 889 unum denarium in lumine; nur in Wache 630. 
a. 899. 

7) Neug. 624. a. 897. 

8 S. Münzweien Neugart 1. o. 30. ec. a. 760. 30 siglae, 40 Brode 
1 Friſchling im Werth 1 Tremissa, 3 Frohntage Eines Unfreien 36. a. 762. 

9) L ce. 31. a. 760. 

10) W. U. 9. a. 764 de erano (I. grano) ad cervisa siolas XXX. 
11) Im Elfaß: Zeuß, W. 264. a. 766. 
12) »repraestatum« Neng. 65. a. 776. 


952 


1 Schwein!), im Werth 1 sol.: giebt e8 feine, 1 guten Widder. Nach 
bem Tod ber beiden Schenkerinnen (Mutter und Tochter) Heimfall an 
das Kloſter, fonter alle Streitwirren 2). 

Noch geringere Zinfe: 10 Schäffel Getreite, 10 siglen Bier, 
10 Brod und 1 Frifhling zu 1 saigad), dagegen von ber öfter: 
lichen Precaria 15 siclae Bier, einen Malter Brod, 1 Frifchling zu 
1 Tremiffe*); von 1 Hufe 15 siclae Bier, 1 Malter Korn, d. h. noch 
nicht aus den Aehren gelöfter Spelt; 15 siclae, 30 Brodes), 37 Fuhren 
Heu, de prade carradas; dazu cupinia ®), spicarium [nicht Speicher”) 
20 Schäffel Hafer, 1 Malter Korn, 1 Friſchling, nur werth eine saiga 
(Zinstag der des Heiligen)®), jährlich zu Weihnächten 4 Denare?). 
Selten ein Zins von 300 Pfund Wache 19). 

Dagegen Gerold (von Baiern) zahlt von den großen von ihm 
Sanct Gallen gefchentten und ihm rückgewährten Gütern einen Jahreszins 
von 20 sol.11), ebenfo ein Diakon von 20 Silberfol. 12). 

Zins von 20 Denaten (zu Martini) in Gelb ober in Wache ober 
Kleidern oder Vieh 13). 

Wohl nur ein ungeſchickter Austrud ift es, wenn ein Zins von 
6 Denaren in jedem Werth (vel quod illis valet pretium), auch in 
Grundftüden (!) ftatt in Geld entrichtet werben barfit). Diefer Zins 
würde das zinspflichtige Grundftüd im Lauf ber Jahre aufgezehrt Haben. 


1) 1. ec. 54. a. 773 meift ©egenleiftung für verftattete Eichelmaft in fremdem 
Bald. 
2) sine ulla marritione ſ. Du Cange V. p. 287 (vgl. neutenglifch to mar:; 
außer dem üblichen Zins an Bier, Brod, Friſchling, Pflugfrohn drei Tage. 
3) l. ce. 71. a. 778. 
4) 72. a. 779. 
5) 83. a. 782. 
6) S. Du Cange U. p. 660 (Kufen, Fäfler)- 
7) Du Cange VII. p. 552. 84. a. 783. 
8) Ebenfo 86. a. 784, dazu 30 siclae Bier und 2 Malter Kern. 
9) 1. c. 903. a. 786. 

10) Zeuß, W. 206. a. 785, zu Oſtern zu entrichten; ber bie damals wie 
höhere Bebentung von Honig und Wade Könige VIIL a. a. D. Bienemmärter, 
apiarii, cidalarii Wait-Zeumer V. ©. 214 find nicht zu verwedhjeln mit Bienen- 
Weiden Zibalweibe, apium pascoua, Schmeller IV. ©. 226, jo richtig Zeumer 
&. 217 zu Waitz V. ©. 217. 

11) W. U.1.33. 1. c. 97. a. 786. 

12) 99. a. 787. 

13) Zeuß, W. 258. a. 786. 

14) Zeuß, W. 78. a. 791. 


553 


20 siclae Bier, 20 Brobe, 1 Frifchling zu 1 saiga, in jeber Zelge 
1 Joch Pflugfrohn — (das jcheint Sitte gewefen zu fein: sicut mos 
est) —, außerdem noch an anbrem Ort und 2 Ioche Heuen!), 12 
Tagwerke (eine Wiefe zu 12 Heufuhren); jährlich” 2 Rinder zu je 7 
saigae?). 

Oder auch: drei Malter Korn jährlich, ein Widder im Werth einer 
saiga®) nur jedes andre Sahrt). 

Zins nah Wahl 30 Schäffel Getreibe oder ein Wollgewand für 
den Abt). 1 sol. von einer Kirche (und deren zugehörigem Lande) ®). 

1 Silberſolidus und eine Wagenfuhr geveinigten Getreides). 

Zins und Frohn: 5 Malter Hafer, 1 Joch pflügen, zu rechter 
Zeit (d. 5. der Aerndte) einbringen (intus ducere) und 1 Tag Gras 
mähen und zwar auf bem dem Pflichtigen nächt gelegenen Hof des 
Kloſterss); 10 Schäffel Korn, je 1 Ioch Aderfrohn, je 1 Tag Aernbte 
— und 1 Wiesmad-Frohn?). 

Wahlweiſe 4 Denare over 3 Malter Getreide und eine Pflugfchar 9). 
4 Denare fehr häufig!!), 2 Denare oder 1 Malter 12), 6 Denare (für 
Weihrauch) 13). 

Zins von 1/, sol. in Silber oder (nach Wahl des Pflichtigen) in 
succis (eine Art Gewandſtück, zumal von Geiftlichen) 14) oder in Korn 
oder in (andern) Kleivern?). Von Einer Hufe in guten Weinjahren 
ber ganze Weinertrag, doch höchſtens bis zu 15 siclae, und 1 Frijch- 
ling zu 1 Tremiſſe, in fchlechten entweder 7 Malter Korn over 30 


1) Neugart 113. a. 791 vgl. 116. 

2) 134. a. 797. 

3) Unten, Münzweſen. 

4) W.U.I. 52. Reng. I. 138. a. 799. 

5) W. V. J. 63. Neug. I. 166. sareile (Du Cange VII. p. 309): aber was 
heißt ex lana eorum? Wohl ver Wolle der Höfterlichen Schafe. 

6) 140. a. 800. 2 sol. 105. a. 805. i sol. 162. a. 807. 165. a. 808 und oft. 

7) 149. a. 804. 

8) Cod. Trad. Sang. 143. N. 235. a. 819. 

9) inter ambos 2 d. 5. zufammen 2 1. c. 152. N. 256. a. 821. 

10) Neng. 212. a. 821. 

11) 217, 218 a. 824. 

12) 220. a. 825. 

13) 221. a. 825. 

14) Du Cange VI. p. 644. 

15) Wartmann I. 283. a. 824. Ein suocus — 4 Denaren 291. a. 825.1. c. 


554 


siclae Bier oder 2 Pflugfcharen!); anpremale 1 Denar oder 1 Mlalter 
Korn?). 1 Tremiffe oder 6 Schäffel Korn?). 

Als Iahreszins wird auch verfprochen reditus unius serviß), 
db. 5. was dem Schenker jährlich ein Unfreier zinft®). 

Eine Schenterin fchentt einem Unfreien eine Hufe nach ihrem 
Tode: folange fie lebt, leiftet fie dem Klofter als Zins fo viel, als ihr 
ber Unfreie leiftet®) oder unius servi frehta absque diebus et feminae 
operibus”), d. b. ohne Frohntage und ohne Frohn von Mägten in 
weiblicher Arbeit®). 

Ein Zins in jährlich zwei „albae‘, d. H. weißen Meßgewanden 
für Klofter Bobbio?, zur Meife von Sanct Johann. 

Zins: 6 Malter Hafer und 1 Malter „Kerno“ 10). Sollen be- 
zablt werben XII. sol. in bono pretium valientem, fo heißt das, 
ber Betrag von 12 sol. in vollem Werth 11), Statt bes Zinjes jähr- 
ih einmal Bewirthung der Mönche im Klofter mit Bier und Brod 
(unter Vorbehalt des Eintritts in das Klofter) 12). 

Jährlich 4 Denare oder deren Werth in Hühnern oder Korn!?); 
4 Denare ober zwei Malter Korn; 6 Denare für Weißenburg 14, fehr 
oft Zins von 2 Denaren auch für den Sohn). 


1) 251. a. 851. 

2) 228. a. 826. 

3) 223. a. 826. So auch 1. c. 308. a. 827: 3 Denare ober 8 Schäffel Korn 
und 2 Hühner ober L c. 332. a. 830. 4 Denare ober 2 Malter Korn ober eine 
Pflugſchar im Werth von 6 Pfund, ebenfo 335. a. 830. 2 Denare = 1 Malter 
10 siolae Bter = 6 Denaren 361. a. 837. 

4) Neugart 244. a. 830. 

5) Ober zwei 250. a. 831. Dasfelbe 329. a. 849 servi unius geldum d. $. 
Gült, Zins, nicht Werthgelb. 

6) Cod. Trad. Sang. 95. N. 160. 

7) Neug. 430. a. 865. 

8, Schwierigleit macht frehta. Wenig genügend find Neugarts Erflärungen: 
ein Adermaß, ober bie Aderarbeit auf bemeflenem Grunbftüd, befier Werth — ber 
Jahres⸗) Arbeit eines Unfreten: benn ein althochbeutfches freht bebeutet VBerbienft 
3. Grimm, Gr. 13 ©. 94. Schade I. ©. 222. 

9) Neugart 306. a. 844. 

10) ©. oben ©. 551. Cod. Trad. Sang. 233. N. 379. Wartmanı II. 398. 
a. 846. 

11) Cod. Trad. Sang. 254. N. 217. Wartmann II. 415. a. 551 (8587). 

12) Wartmann II. 432. a. 854. 

13) Wartmann II. 425. a. 853. 431. a. 854. 

14) Zeuß, W. 272. a. 861. 

15) Neug. 502. a. 876. 


555 


Sehr glimpflich kommt ab Erferich, der ein als Erbgut ange- 
maßtes Grunpftüd, auf Klage des Kloftervogts in offenem Ding ver- 
urtbeilt, herausgeben muß, es aber zurüderhält gegen Jahreszins Eines 
Dodfels im Werth von 1 sol.; feine Nachlommen geben Bockfelle für 
2 sol. 1). 

Jahreszins von 2 Denaren oder 4 Hühnern?, ift vielfach üblich. 

Mertwürbig ift. bie Beftimmung, wonach die Söhne der Schen- 
ferin, falls fie das Zimmerhandwerk (fabricare) erlernen, als Iahres» 
zins zwei Schweine der Herrjchaft (in dominium) zu liefern haben, 
andernfalls 4 Malter Hafer und 1 Malter Spelt?). 

Drei Malter Zins und 6 Tage Frohn ad forinseca opera, 
b. 5. nicht auf dem Hauptgut, auf entlegenen Vormerken ?). 

Zins ein Malter Hafer). Zins 2 Schäffel Hafer oder 2 Hühner®). 

Vielfach lehrreich ift eine Urkunde Ludwigs des Kintes”), bie 
einen Bertrag zwijchen Conftanz und Sanct Gallen beſtätigt. Da 
ber Biſchof zugleich der Abt von Sanct Ballen war, find es offerbar 
bie Klofterbeamten, bie rectores, ministratores, procuratores, die den 
Kampf gegen ven Bifchof- Abt führten. Arnulf Hatte ven Ort Berg 
und bie bort dem Fiscus gebührenden Zinfe (nicht ftatliche Steuern) 
Conftanz gejchentt. Manche dieſer Zinspflichtigen, censarii, hatten 
aber ihr Erbe Sanct Gallen trapirt und zinften bortbin: die Biſchöfe 
von Eonftanz trieben nichtöpeftoweniger einen zweiten, noch fchwereren 
Zins von ihnen ein: daher Streit zwifchen Bisthum und Klofter. 
Diefer wird von ben beiderfeitigen Leuten und Verwaltern (mini- 
stratoribus ftatt administratoribus) unter DBeftätigung tes Könige 
dahin beigelegt, daß die Zinslente, vie feit den Anfängen Arnulfs ihr 
Gut Sanct Gallen trabirt oder zugetaufcht haben, dem Bisthum zurüd- 
gegeben werten. Dagegen jene, bie fchon unter Karl III. ober im erften 
Jahr Arnulfs®) vom Klofter in Zinsgewalt (in vestitura jure census) 
ohne Vorbehalt des Rückkaufrechts (absque licentia redemptionis) 


1) W.U.I. 153. Neng. I. 514. a. 878. 

2) Neng. 557. a. 885. 659. a. 885. 

3) Neug. 568. a. 886. &. oben ©. 551. 

4) Neug. 600. a. 592. 

5) Nıng. 616. a. 896. 

6} 618. a. 896. 

7) Neug. 633. a. 99. 

8, ? Es fehlt fcharfe Zeitgränge: ex principio .. Arnulfi, daun in principio 
patris nostri (Arnulfi). 


556 


aufgenommen fine ober fich eingetaufcht haben, follen ausſchließlich in 
Schutz (mit Zinsrecht) des Klofters ftehen, Beamte tes Königs oter 
Biſchofs fie nicht (mit Zinsanfprüchen) behelligen. Solche, tie nur einen 
Theil ihres Grunderbes rüdfauflos tem Klofter vergabt, einen antern 
frei (absolutam) behalten haben, zinfen auch nur dem Kloſter, aber ver 
Biſchof hat ihnen gegenüber das dem Bisthum zuftehende Inquifitions 
recht !), ebenfo gegenüber foldhen, bie ſich den Rüdfauf vorbehalten 
batten und nun nach ihrer Wahl dem Klofter zinfen ober zurückkaufen 
bürfen. Zuletzt beftätigt der König bie Immunität Sanct Gallens: 
insbefontere follen nicht die Statsbeamten (comes, centenarius, ullus 
judex), nur bie Kloſtervögte über bie verflagten Kloſterhinterſaſſen 
(homines) richten. 

2 Denare oder 1 Malter Korn ?), vererblih; 8 Denare Zins?), 4 
Denare vererblich“). Der Kornzins von 4 Malter tarf in Mißjahren 
in 1 „solidus denariorum‘‘ entrichtet werben 5). 

Eine feltfame Gegenleiftung begegnet a. 907. Der Schenker bat 
für feine Schentung eine Unfreie bes Klofters zum Eheweib erhaften®; 
er entrichtet jährlich 2 junge Hühner (pullos gallinatios), die Wittme 
jol einen Malter Hafer von dem (auf Lebenszeit beider Gatten‘ 
repräftirten Gut erhalten: wird fie aber bei Lebzeiten des Gatten vom 
Klofter zu Magd⸗Dienſt angehalten, foll er frei über fein Erbe ver: 
fügen, d. h. das Klofter fein Necht an dem Gut verlieren. 

Die Rechnung nach onera ift auf Rhätien befchräntt, ebenfo tie 
nach Pfund Eifen) und ftatt modus fteht bier modiale®) und semo- 
zale, d. h. semodiale®), d. h. vier casatae (cum casola), bie ſechs 
Schäffel tragen (?). Dasfelbe umgeftellt ift modiu seme!®,, Hier 


1) Oben VIII. 4. ©. 114. 

2) Neug. 649. a. 904. 

3) 650. a. 904. 

4) 663. a. 907. 

5) Neug. 660. a. 907. 

6) Neug. 661. uæori meae, quam a rectoribus monasterii in com- 
pensationem praesentis traditionis impetravi. 

7) ®gl. Cod. Trad. Sang. 201. N. 314. a. 818. 219. N. 373. a. 819. 146. 
N. 242. a. 820. 148. N. 247, 248. a. 820 und oft. Wartmaun I. 293. a. 625. 

8) l. oc. 145. N. 239. Wartmann I. 267. (a. ?). 

9) So treffend Wartmann I. 254. a. 820. 

10) So gewiß richtig Wartmann I. 258. a. 820 gegen Du Cange VII. 
p. 405 (= onus), ber aber unfere Stellen gar nicht kennt; semodiale auch im 
der rhätiichen carta I. 296. a. 826. 


957 


wird häufig ber Ertrag in Schäffeln als Maß für Aderland ver- 
mwanbt!). 
B) Ort und Beit der Bins- Entrichtung. 

Regelmäßig ift der Zins an das Hauptllofter felbft zu entrichten: 
dies wird zuweilen ausdrücklich verfprochen, bis dieſes anders verfüge 2), 

Andre Male aber ift die Leiftung an eine cella, ein hospitium, 
einen Hof bes Klofters abzuführen?), an eine dem Hauptllofter ge: 
börige basilica®), ebenjo ver Nüdlaufpreis®), an eine dem Zinsgut 
meift näher gelegene, von der Hauptkirche abhängige, meift in beren 
Eigenthum ftehenve®). 

6 Seitel Wein ober 6 Malter Korn find vor Weihnachten an 
eine Billa des Klofters zu überbringen”) [oder vie Mönche von Reichenau 
find jährlich am Tag Sanct Benebicts (21. III.) zu bewirthen ®)], 
nicht an Sanct Gallen felbft, an eine ihm gehörige cella®), an eine 
Kirche oder cella des Klofters 10). 

Zinstag ift häufig der Martinstag (11. Nov.) 11), nach Vollendung 
von Aerndte und Ausdruſch (?), vielleicht in Erinnerung an heibnifche 
Aernbtefefte, zu welchen Naturalien beizubringen waren 12), Für Sanct 
Gallen Häufig ter Tag, bie „Meſſe“, des Heiligen, der 16. October 13). 


1) I. o. I. 264. a. 821. 267. [a. ?] 289. a. 825. 293. a. 825. 
2) W. U.1. 20. Neug. I. 68. a. 778. 


3) W.U.9. a. 764. falfch batirt, da Pippin nicht a. 752, fondern a. 751 
(November) König warb. 


4) 399. a. 861. Neug. 400, 401. a. 861 ebenfo. 
5) 400. a. 861. 643. a. 903. 

6) Neug. 476. a. 874. 

7) (Reallafl) Neug. 493. a. 875, 876. 

8) 1. o. 494. a. 876. 

9) Neug. 558. a. 885. 


10) 3. B. Neug. 624. a. 897, ebenfo 628. s. 898 ad ecclesiam quae est 
in Watawilare, ebenfo 630, 631, 632. a. 899, ebenfo 649. a. 903. 642. a. 903. 
662. a. 907. 663. a. 907. 


11) 3. 8. Neng. 624. a. 897. 660, 662, 663. a. 907, zumal fllr Weißenburg 
Zeuß, W. 99. a. 786. 272. a. 861 und fehr oft. 

12) Könige VIl. 3. ©. 160—165. VIII. 5. ©. 102. vgl. bie Drifchel-teg 
in Oberbatern, Bavarla I. S. 371—374; zu Georgi (23 IV) Banftetne I. S. 222. 
Neug. 36. a. 762. 


13) W. V. I. 110. a. 844. Neug. 476. a. 874. 608. a. 894. 


958 


Ebenfo ver Tag des heiligen Alexanvers, des Schugpatrons eines 
andern Kloſters). Ober Zinstag ift der ter Kirchweihe 2). 

Selten begegnet ver Pfingftfonntag ale Zinstag?) oder Weih— 
nachten®). 

An drei Octobertagen ift von einer „Repraestatio‘‘ Brod, Bier 
und andrer Nothbedarf ten Mönchen von Sanct Gallen zu leiften®), 
bei Nichterfüllung oder Vertreibung ter Klofterleute aus ber (durch 
die Stiftung für Pilger und Arme bebachten) Sanct Gallen gehörigen 
Kirche fällt das Gut an das Klofter, das es beliebigen feiner ministri . 
leihen mag ®.. 


y) PBinsverzug. 


Zingverzug wird fehr verſchieden behantelt: oft gar gelinte, bis zur 
Saumfal mehrerer Jahre nur Nachzahlung ter einzelnen Jahreszinfe 7,, 
ohne irgend welchen Nachtheil, nur bie gejegliche Buße (de lege mea 
compono) tritt ein, nicht Abmeierung®). Zinsfaumfal foll die Freiheit 
nicht verwirten?). 

Häufig fagen vie Urkunden, die Pflichtigen follen „verfuchen“ 
(tentare, studere), zu zinfen, was vielleicht anteuten foll (was in 
anderen Fällen austrüdlich gejagt wirt), daß Verluft des Gutes over 
gar der freiheit durch Zinsverzug nicht eintreten ſoll 19). 

Anderwärts ift manches in tiefe Verträge herübergenonunen aus 
der römifchen Verpachtung von Statögütern mit ihrem Heimfall bei 
zweijährigem Zinsverzug und Verkaufsrecht ih. 


1) Neug. 571. a. 886. 

2) Neugart 202. a. 819. 11 Kal. Oct. id est ad dedioationem praefatae 
ecclesiae. 

3) Coll. F. Sang. 16 (4 Denare in jedem Werth, unverſchuldete Saumſal 
vorbehalten). 

4) W.U.I. 30. Neug. 93. a. 786. 

5) Neug. 641. a. 903. 

6) Dagegen eine andre rüdgewährte Billa hat jährlih am Martinstag allen 
Brüdern von Sanct Gallen und ber übrigen familia ,?) einen Schmaus mit 
allem Ueberfluß zu leiften zum Andenken bes erften unb zweiten Gatten ber 
Repräſtirten und biefer felbit. 

7) Neug. 452, 668. 

8) Zeuß, W. 255. a. 801, ähnlich wohl 264. a. 765 si cinso negliens (sic) 
apparuero cum fide facta cinsum restituero. 

9) Zeuß, W. 191. a. 810. 

10) Zeuß, W. 166. a. 837. 173, 176. a. 826 (ohne Jahr). 

11) Meitzen I. ©. 338. 


959 


Zinsverzug von 4 Jahren (Zinstag St. Remedius, 1. October) 
verboppelt ven Zinst). 

Bei breijähriger Zinsfaumfal oft Anfall an das Klofter?). Aber 
auch das Gegentheil wird bebungen?). 

Auch ter Rutfcherzins *) erfcheint ſchon: der verfäumte Zins be- 
trägt im zweiten Jahr das Doppelte, im britten das Dreifache, im 
vierten fällt da8 Beneficium dem Klofter beim®); andermals aber 
durchaus kein Nuticherzins, nur Zahlung zweier rüdftänbiger Jahres⸗ 
zinfe mit dem dritten zufammen®). 

Doch es begegnet auch häufig Verwirkung an das Klofter fchon 
bei dem erften Zinsrückſtand“'). Ebenſo gerathen die Gutsfolger in 
Zinsverzug 8). Strafen, ganz allgemein bei jeder Zinsfaumfal, si 
neglectum fuerit censum ®). Ebenſo bei rechtswidriger Entrichtung 
an einen “Dritten 19). 

Heimfall an das Klofter bei jeder Art von Nichterfüllung ober 
Anfechtung 11). Einmal fürchtet aber umgelehrt ver Schenker Rücktauſch 
von Seite des Klofters und behält fich für biefen Fall Widerruf vor 12). 


1) F. Aug. B. 37. 

2) Cod. Trad. Sang. 34. N. 57. Wartmann I. 61. a. 771 (7749). Ebenfo 
Neug. 36. a. 762. 

3) Neug. 248. a. 831 de ipsas res exspoliati esse non debeatis. 

4) Dahn, Grundriß &. 130. 

5) Neugart 1. c. 55. a. 773. 86. a. 784, fon im dritten W. U. I. 65. 
Neug. 36, 165. a. 762. 

6) W. U.I. 146. Neng. I. 460. a. 870. 

7) Neug. 91. 130. (a. 785?) a. 797. Waitz⸗Seeliger VI. S. 125, richtig 
gegen v. Roth Feud S. 190. Wartmann I. 308. a. 827. I. 27. 47. Anmerf. 

8) W. U. 5. Neug. 23. c. a. 158. 

9) Das erfte Mai? So: Neng. 176. a. 812. Cod. Trad, Sang. 233. N. 379. 
Wartmann I. 398. a. 846. secundum legem Alamannorum ®artmann II. 522. 
a. 867, welche Beflimmung? anders die Strafe für Anfehtung seoundum ea 
quae in lege Alamannorum continentur 524. a. 867 ſ. unten. 

10) Url. St. Gallen III. 305. Wartmann IL 547. a. 869, ähnlich I. 182. 
a. 805 (803). 

11) Cod. Trad. 99. N. 166. 

12) Der Belag aus Wartmann I. ging mir leider verloren. 


560 


8) Krohn. 

Frohn !) und Zins?) zugleich bei ber Rückgewähr find felten, meifl 
nur bei Schein - Zins: aber doch zuweilen vorbanten, jo außer trei 
Maltern 1 Tag Grasfchneiden, bei jeder Pflügung 1 Joch pflügen und 
befäen, aber mit tem Satkorn ber Herrichaft?). 

Census fteht au für Srohn‘). Neben Naturalgins auch Frohn 
Eines Unfreien von 3 Tagen im Jahr übernommen >). 

An Trohnden werben übernommen (neben Zins) zwei Tage zur 
Getreive-Aerndte und Grasmahd und für ven erften Frühling 1 Tag 
Pflugarbeit und im Juni brachareidterum (? Arbeit in ver Brache: 
Drache reuten) und im Herbft Pflügen und Säen®). 

Als Frohn bei einem Tauſch (neben Jahreszins von 2 Matter) 
in jeber Zelge (Esche, aratura), welche (in dieſem Jahr) beackert wird, 
ein Tagwerk Pflugarbeit”). 

Außer Zins in Geld, Hühnern und Eiern wird verfprochen 
servitium (vor allem Verpflegung, auch fonft Dienft), wann em 
Senior (ber Abt), ähnlich wann ein Mönch auf das Zinsgut TommtS). 

Die Trohn ift regelmäßig bemeifen durch Vertrag ober Gewohn- 
heit, nur ausnahmsweife ungemeffen: fo ſchulden vie tributarii ein- 
mal ungemefjene [b. b. je nach Bedarf] Botenbienfte zu Pferd 9). 


1) Ueber ben Begriff der Frohnden |. Dahn, Gruntriß ©. 133. Könige 
VII. 3. ©. 146. VII. 5. ©. 84f. Ross p. 11. Ueber bie Dienfte ber Sinter. 
faffen in England Seebohm, ©. 40f. 

2) Ueber die Verbindung von Zins und Krohn ſ. auch Waitz-Zeumer V. 
S. 214, häufig aber auch nur das Eine ober Andre. 

3) Neug. 652. a. 904 semen de dominico. &benfo 546. a. 884, während 
andermals der Pflichtige auch das Satkorn (alfo Zins neben ber Krohn) ſtellen 
muß: cum semine nostro seminare W. U. J. 39 Neug. I. 116. a. 791. Sat- 
frohn mit dem Sat-Korn des Pflichtigen Cod. Trad. Sang. 223. N. 379. Warı- 
mann II. 398. a. 846. 

4) Cod. Trad. Sang. 223. N. 379. Wartmanu II. 398. a. 846: ut. . cen- 
sum... persolvam id est ut ad proximam curtem St. Galli unum juchum 
arem et Cum semine meo seminem annis Singulis in unaquaque zelga. (Räd- 
kauf um 2 sol.). 

5) Neugart 1. e. 24. a. 759. 36. a. 761. 

6) W. U.7. Neug. 40. a. 763. 

7) Neug. 517. a. 879 in unaquaque aratura jurnalem ... .. aramus. 

8 Zeuß, W. 115. ohne Jahr. 

9) Coll. F. Sang. 36. Außer Geldzins eine Botenfrohn zu Pferd: Zeuß, W 
50. (a. 833—860) Botenfrohn zu Pferb häufig L. Al. 22 (23) p. 83: bag eine 


561 


Frei von Zins und breitägigem Frohn haben mansi ingenui 
dem Abt Neiterdienfte zu leiſten oder Roſſe zu leiten!), andere haben 
beliebige Ritte auszuführen und Zins zu zablen?2). Erſt in ver Folge 
zeit wird biefer Reiterdienſt ber Triegerifche ber Minifterialen und 
Lehen⸗Vaſallen 9). 

Ungemefjen find die Frohnden (Getreide-, Gras-Schneiden „und das 
Andere, et reliqua“), wenn ftetS bei Bedarf zu leiften‘. Unb zwar 
ift die bemefjene Trohnlaft nicht allzu fchwer®): drei Tage Frohn in 
ber Woche find ein Häufig vertragenes Maß: außertem in Notbfällen 
14 Nächte (im Jahr) ®). 

Das Maß der Frohn: jede Woche in jeder Zelge 1 Tagwerk 
und jährlih 6 Zage; „wann es noth thut“, draußen zu arbeiten in 
Aerndte oder Grasfchnitt, find 2 Unfreie (ad opus vestrum) zu ſchicken, 
bei nöthigem Brüdenbau oder Neubruh”) 1 Mann auf fo viele Tage 
als nöthig und zwar mit mitgebrachter Verpflegung (cum sua provenda), 
die fonft oft vom Frohnherrn zu liefern tft; das Verhältniß vererbt 
auf alle NachlommenS). 

Dreitägige Frohn in der Woche wird wentgftens für Sanct Gallen 


Glofſe: >equistaree: d. h. Reitboten: quod . . pergam equitando ubicumque 
preepositus praeeipiat; vgl. Könige VILI. 5. S. 249. 

1) Schöpffin I. p. 227. 

2) Wartmann II. p. 176. Nro. 562. 

3) Grandidier II. p. 127. mansi, bie mit Roſſen dienen: Boten mit Be. 
gleitung Schöpflin I. p. 197, 198; Netfepflichtige heißen itinerarii Ekkeh. Sang. 
c. 40 homo... . terrarum et urbium gnarus (ob aber technifch?) ; auch Friege- 
rifche wie Boten-Dienfte — zu Pferd — und Kloftervertheibigung werben milites, 
aber gleihwohl pauperiores bes Kloſters auferlegt Neug. I. p. 634 (v. Gebeharb 
v. Eonflanz); ich entnehme dies Wait-Zeumer V. &. 326; Über scara, scaramanni 
Könige VIII. 3. &. 275, jett oft glei ministeriales im neueren Sinne = uns 
freier Reiter, Zollinger, Ministeriales und milites ©. 6f. Boten⸗Frohn Berittener 
Form. Als. 23. 

4) quando opus fuerit W. U. 12. Neug. 69. a. 770 in passiato faciam, 
D. b. in pace (?) So Du Cange VI. p. 196, ber nur biefe Stelle anflhrt. 

5) Ueber die Arten ber Frohnden, zumal ber nächften Pertobe, Wai-Zeumer 
V. ©. 210; die Gegenleiftung befteht in ber Koſt >quia dignus est operarius 
cibo suo« ©. 215, daher praebendarii fon im Cap. de villis o. 31. Könige 
VII. 5. S. 25. Neugart I. p. 634. 

6) Zeuß, W. 63. a. 774 si necessitas fuerit ad majora opera XIV. noctes 
veniant ad ipsa opera: nad) Nächten wirb gerechnet nach alter Weiſe und weil 
Die Frohn mit Tagesanbruch begann. 

7) novas facere gebt boch nicht auf pontes (masc.) ? 

8) Cod. Trad. Sang. 69. N. 117. Wartmann L 113. a. 787. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 36 


562 


als Regel vorausgefekt, die Beſchränkung auf 2 Tage muß daher be 
fonders auferlegt werben!). Diefe häufige Dreitägigfeit der Frohnden 
bezeichnet (fpäter! der Name triduani2). 

Auch die Holzungsfrohnden find nicht ungemeffen: bebarf es ter 
Beihaffung von Holz, werben nur 4 Unfreie aufgeboten, bie an 
jenen Wochentagen frohnpflichtig der Herrichaft gegenüber (ad domi- 
nicum sc. opus) finb®). 

Auch fonft wird das Frohnmaß bei Verſchenkung von Unfreien 
auf 2 (ftatt der üblichen 3) Wochentage beſchränkt“). 

Es bilvete fich bei einzelnen Klöftern ein gewiſſes objectives Ger 
‚wohnbeitsrecht oder doch eine Gepflogenheit, die dann als Vermuthung 
wirkte, über das Maß ber Frohn: fo bei Sanct Gallen 1 Joch Pflug: 
frohn in jeder Zelge, „wie e8 Sitte iſt“, auf dem Herrichaftsgut zu pflügen 3). 


Die Frohnden find meift Pflug-, Korn- und Gras-Schneibe- Arbeit e. 
Frohnden werben wie nach Tagen auch nach Adermaßen berechnet”. 


Selten Schentung von Sand „cum omni factura‘‘: wahrfchein- 
lich Frohnpflicht, beziehungsweile Recht auf Frohn®). 
Ein Schenker veripricht, fortab dem Klofter die servitia zu [eiften, 


1) Neugart 303. a. 842 ita dumtaxat, ut ipsa mancipia non cogantur 
in ebdomada tres dies laborare, sed tantum duos. 

2) Waitz⸗Zeumer V. S. 311. Zwei Frohnden, unbeflimmt welcher Art: 
wohl zwei Frohntage, duas angarias Zeuß, W. 267. a. 719. 

3) Coll. F. Sang. 35. 

4) Neugart 303. a. 842. 

5) »sicut mos est in domnico arare« geht auf bie Zelt, nicht bie Art. Cod. 
Trad. Sang. 71. N. 120. Wartmann I. 120. a. 789, außerdem noch (vertrags- 
gemäß) 2 Tage Aerndte und 2 Wiesmahd⸗Frohn. 

6, W. U. I. 24. Neug. I. 77. a. 779, 780 arare, scarare, (nicht Säen, wie 
Neug.) amadere Du Oange I. p. 211 von Mähen, ebenfo Aerndten — ſammeln, 
neufran; ammasser; Aerndten ift fonft colligere, fenatio Heumachen, W.U.I 
25. Neug. 81, 82. a. 782. Einige felten vorlommenbe Frohnden erwähnt Lothar L 
a. 840. Bouquet VIII. p. 366 de itinere exeroitate (Heerbann) seu scaras 
(Könige VIII. Heerbann) aut mallum oustodire f. oben ©. 296 aut narvigia 
facere: Schifffahrt- und Fifcherei-Frohn Neugart I. p. 634. 1 Zoch pflügen, ürndten. 
(oollegere) und einführen (intus ducere) W. U, 1. 34. Neng. I. 105. a. 788. 

7) Neugart 106. a. 788. concambium: ad pertica Du Cange, s. h. v. 
Könige VILI. mensurata saicadas (f. secatas) XXIII.: wie Zinfe nach Ertrag 
einer Wiefe: mit einer Fuhre Heu Cod. Trad. 223. N. 379. 

8) So Zeuf, W. 97. a. 784: vineas eto. cum omni factura, zweifelub 
Du Cange IH. p. 393 oder = agentia? — Zubehör? 


563 


bie er bisher dem König ſchuldete, was unmöglich ohne königliche Ver- 
ftattung (von ber aber nichts verlautet) gefchehen konnte !). 

Auch freie Zinsbauern leiften Frohn wie Zins: opera, servitia 
sicut alia liberi homines nobis exhibent?). 

Selten hat ein Laie Rechte auf Frohn anbrer Xaien?).. Aber 
auch fchwerere Frohn wird zuweilen übernommen. Frohn für be- 
ftimmte Zeit bis Aernbte und Heuung 2 Tage und im Frühjahr ein 
Tagewerk Pflügen und im Juni brache veuten (brachareidterum) und 
im Herbſt pflügen und fäen‘). 

Aber umgekehrt wird auch eine Kirche von dem Schenker ver- 
pflichtet, dem Erben des Schenker Frohnleiftungen zu machen, zum 
Beiſpiel fo oft er zum Dienft bes Königs ausziehen muß, ein be- 
ladnes Saumroß mit Führer zu ftellen 5). 

Bei der Frohn wird begreiflichermaßen Werth darauf gelegt, daß 
fie auf dem dem Pflichtigen nächft liegenden Klofterhof geleiftet werden 
darf ®). 

Lehrreich ift der Vergleich der Belaftung römiſcher Coloni mit 
Frohn: jährlich 6 Frohntage: 2 aratarii, 2 sartorii, 2 messarii?). 

Wefentliche Aenderungen find auch in ber Frohn⸗ (wie in ber 
Zins⸗ oben S. 548f.) Laſt in ben 150 Jahren unfrer Urkunden nicht 
etwa eingetreten: nur hin und wieber eine Heine Erleichterung, wohl 
Ausprud einer gewiffen Hebung des Volkswohlſtandes. 


h) Beneficia, Baffallen, zumal bei der Rüdgewähr. 


Ueber das Eindringen der fränkifchen Beneficien und Vaſallität 
im Allgemeinen ift bereits gehamdelt®): hier follen dieſe Einrichtungen 


1) W.U.1.83. Ang. I. 207. a. 820. 

2) Wartmann I. 272. a. 821. 

3) So W. U.L 97. Neug. I. 281. a. 838, wo bei Schentung an Sanct 
Ballen vorbehalten werben bie Rechte auf Drei Tagarbeiten, Pflugfrohn und brei 
Karren⸗Fahrten Wiesmahb, wenn nicht jurnales und carradae hier Raummaße 
find, was ungleich wahrjcheinlicher. 

4) Neugart 1. ce. 40. a. 763. 1. o. 546. a. 884 außer jener Pflügung in 
jeder aratura Sat-Aerndte und Einführungs⸗Frohn. 

5) a. 861. Sattler, Geſchichte bis 1260 ©. 671. 

6) Cod. Trad. Sang. 69. N. 117, 233. N. 379. Wartmann I. 113. II. 398. 
a. 846. 

7) Mommfen, Decret des Commodus, Hermes XV. S. 390, ungefähr eben- 
ſoviel: doch ſcheint dies ein feltenes Mindeſtmaß ter Laft. 

8) Oben Abhängige ©. 172. 


36* 


: 564 


zumal im Zuſammenhang mit der Rückgewähr erörtert werten ; auch 
hierbei empfiehlt fich wie bei Zins und Frohn die Darftellung im Wefent- 
lichen nach ber Zeitfolge der Urkunden. 

Obwohl auch Hier das DBeneficialweien in Karolingiſcher Umge⸗ 
ftaltung einprang, erhielt fich doch Bier die alte merowingifche Land⸗ 
ſchenkung, die wahres Eigenthum, proprietas, übertrug: allerdings ift 
das Eigenthum früher unveräußerlich: foll e8 veräußert werben, 
bedarf es der Berftattung bes Schenkers (König ober Kirchen), aber 
boch überträgt dann ber Befiger, — nicht der König — das Eigen- 
tbum: ganz folgeftreng, da ber Befiger, nicht der König, Eigenthümer 
iftt): auch Vererbung findet nur unter Genehmigung des Verleibers 
ftatt, ver aber oft auf ven Heimfall verzichtet: alsdann wirb auch wohl 
ausdrücklich fortab unbefchränktes, vererbliches Eigenthum gewährt 2,. 
Daß diefe Güter von Beneficien verſchieden waren, erhellt daraus, daß 
beneficia in ſolche (freifih nur lebenslängliche und unveräußerliche) 
proprietas umgewandelt werben ?). 

Beneficium ift zunächft „Wohlthat”, aber auch Verleihung‘). Werten 
praedium und beneficium unterjchieven, ift jenes Volleigen®) ; denn 
jetzt gejchieht da® ganz vegelmäßig®); ebenfo werben gefchieren hereditas 
und proprietas von beneficium, erjt jpäter auch allodium von bene- 
ficium, noch jpäter allodium von feod?,. 

Ein wiberbegriffliher Rechtswiderſpruch ift e8, nennt man das 
»beneficium«®) eine „einfeitige Leiftung, bie aber dem Empfänger 
befondere Verpflichtungen auferlegt 9)". 


1} v. Roth, Ben. ©. 49, 177, 200. 

2) Mühlbacher N. 754. Allerdings erſt 888. 

3) Mühlbacher N. 1576, allerdings erft 881. Allein grade biefes Feſthalten 
in noch fo fpäter Zeit, da fonft bie Lehen anderwärts fo alleinberrihenb geworben, 
zeigt, wie tief gewurzelt bier und in Baiern bie alte Form ber Landſchenkung war. 

4) Neugart I. cc. 45 a. 766 per beneficium monachorum (in res paternas) 
reintravimus. 

5‘ Annal. Alam. a. 911 predium atque benefioium ejus inter illos 
distribuerunt. Aud bei Eflarb IV. a. 917P). 

6) Annal. Alam. a. 911. 

7) Ueber Urfprung, Alter (zuerft Anfang des X. Jahrhunderts) und Bedeutung 
von fe—od |. Watg-Seeliger V. S. 131 (nicht Teltifh wie Sullivan daſelbſt), nicht 
von Gotiſch faginon, gebrauchen, wie Kern daſelbſt, ſondern fe-od, Lohn-@ut, wie 
Dig W. B5 ©. 140 Könige VIL 1. S. 218 f., VIIL 2117 f. 

8) Walk VI. ©. 8. 

9) Ueber terram jure beneficiario, beneficiali, beneflcii, possidere ſchon 
in Karolinger-Tagen Waitz Seeliger S. 2. Ueber bie Häufung ber Ausbrücke bene- 


= nr 


. .m 


565 


Umwandlung von beneficium in Eigenthum erfolgt durch Vertrag 
(Verzicht des Verleihere) 1). Andrerſeits iſt einfeitige Entziehung bes 
benefhicium burch ben Verleiher nicht Necht, fondern Nechtsbruch, 
ebenfo wie bie einfeitige Allodification durch den Empfänger, die fo 
alt ift wie bie beneficia und precariae überhaupt 2).! 


- Ebenfo wider den Rechtsbegriff nennt man auch?) die Hingabe 
zu »Precarium« ein zweiſeitiges, die Dingabe zu beneficium ein 
einfeitiges Rechtsgeſchäft: beide find zweifeitige, denn fie find Verträge 
und beide begründen auf beiten Seiten Pflichten wie Nechte. 


Wohl wird zuweilen beneficium von andern Arten ver Landleihe 
unterfchievden, aber Teineswegs* immer: wir finden gar oft die 
»repraestatio« an gewöhnliche »censuales« ebenfo al8 beneficium 
wie jure usufructuario und ähnlich bezeichnet: erft ſpäter tritt bene- 
ficium ganz überwiegend mit Vafallität verbunden auf®), früher auch 


ficium, precaria, concambium, ususfructus v. Roth Feubalftat S. 144. Zu ber 
Ausführung bei Waitz V. S. 112—139 Über Die Namen, welche Lehen bebeuten, hat 
Seeliger vorzligliche Ergänzungen und Berichtigungen gefligt, denen ich meiſtens bei- 
pflichte: doch muß Ich (gegen S. 113, ©. 128) in vielen Fällen Einheit von precarium, 
beneficium (und ususfructus) annehmen: ſ. die vielen Beifptele oben S. 504, 508f. — 
3. B. Martens 1. 39 (St. Amanb) precario more jure beneficii .... usufructuario 
tenere. Trad. Sang. U. p. II. N. 390 res per precariam . . recipiam et quasi 
pro beneficio possideam p. 103 N. 487 res.: »habueritis sub usufructuario 
ordine beneficiare .... (als) precariam; das rüderflattete But heißt ganz regelmäßig 
beneficium == precaria f. oben ©. 534f. und ). c. U. p. 163 N. 549 res monasterii 
mihi concedant in beneficium 550 res (repraestitae) in -beneficio; weitere Bes 
läge 643, 676 Neng. I. N. 710 Züri U. B. I. 60 N. 141, I. p. 87 bei Walk 
S. 113, 130. Beneficium heißt wie das hingegebne und zurlidgegebne, aber auch 
Das daneben aus Kloſtervermögen gegebne Gut. Richtig Seeliger ©. 131 gegen 
Brunners I. S. 121 II. 251 Scheidung zwiſchen precaria, Zinsgut, und bene- 
ficium, ſchon feit ber fräntifchen Zeit. 

1) Straßb. U. B. p. 49 N. 58. 

2) Könige VIL a. a. O., VII. a. a. ©. 

3) Waitz VI a. a. O. 

4) Wie Waitz VI2 ©. 5. 

5) Ueber die frühere und die fpätere Berbinbung von beneficium und Baſſalli⸗ 
tät Waitz V. S. 258. Hiezu aber und gegen Schröder? ©. 162 VI. ©. 48 treffend 
Seeliger⸗Waitz; richtig auch Brunner II. ©. 274, f. oben S. 167f. — über bene- 
fiium und andre Arten von Leihen; gewiß gab es im X. Jahrhundert folche bene- 
ficia ohne homagium; gegen bie Einheit von jus beneficii unb jus hominii bei 
Walt richtig Seeliger ©. 56; jus hom. iſt nur ein Theil des jus ben. 


566 


für Pacht und zumal für das neben dem vepräftirten Gut!) von bem 
Kloſter Gewährte?). 

Richtig führt man?) aus, daß beneficium im 10. Jahrhundert 
nicht nothwendig neben ter realen auch perfönliche wafallitifche Ab⸗ 
hängigfeit begründete, wenn auch beibe meift zufammentrafen. 

Ebenfo Häufig wie Grundſtücke find Nutungsrechte, Erträgnifie 
von Grundftäden Gegenftände ver Beneficien, auch Zinfe und Frohnden 
von Freien: dann beißt es wohl abgefürzt Freie und Halbfreie werben 
„beneficirt“ 9. 

Auch Kirchen fammt ihren Gütern und Rechten werben zu Beneficien 
einem Geiftltchen, gegen Uebernahme ber geiftlichen Pflichten), gefchentt. 
Das alte®) Verbot, Zehnten an Laien zu vergeben, wird unabläffig verlekt. 

» Die Rüdgewähr erfolgt in beneficium vel in censum’); zumal 
auch das repräftirte Gut Heißt beneficium: es wird verboten, es 
Andern zu beneficium zu geben®). Man) meint, bei ver beneficiatio 
warb Gefahr für die freiheit ver Zinslente beforgt: aber diefer Grund 
wird biebei nie — wie fonft wohl — ausgeſprochen: man fürchtet 
vielmehr Allodification. 


Es haben daher umgekehrt vie Kirchen und Klöfter eifrig getrachtet, 
ausgeliehne beneficia wieder felbft in Befit und Verwaltung zu bringen 
wegen ter Gefahr widerrechtlicher Allobification 10%). Außer dem Re⸗ 


1) Ueber dieſes ſelbſt Seeliger (bei Watt ©. 6), der treffend beneficium und 
Eigenthum auf Lebenszeit unterſcheidet. 
2) Oben ©. 535. 
3) Seeliger gegen Waitz. W.Seeliger ©. 10. 
4) Watt Seeliger VL ©. 27 f. 
5) Vieber beneficia ber Geiftlihen Wait-Seeliger VI. &. 15. 
6) 3. 8. wieberholt Co. Trevir. a. 888 c. 2 2 Mittelxhein Urk. B. I. p. 133. 
7) Cod. Trad. Sang. 273. N. 171. Wartmanı II. 562 a. 841— 872. 
Seltener fofortiges Nutunge- und Verfügungs-NRecht bes befchenkten Aoſters, 
Zen, W. N. 4 p. 12. 8. p. 13. Schenkung zweier Gatten eines einem Halb⸗ 
freien (?) Withari zu beneficium gegebnen Gutes unter Vorbehalt lebensläng- 
lichen Nießbrauchs als bemeficium bes Kloſters (alfo wirb jener Withari wohl 
Alter-Beneflciat, f. auch habere visus est) und bes Rechtes, zugehörige Unfreie frei 
zu laffen, 1. o. a. p. 17 äbnli a. 737. N. 10. p. 18: quo modo B. in beneficio 
habuit. 
8) Cod. Trad. 69. N. 117. Wartmann I. 113. a. 787. 
9) Waitz⸗Zeumer V. &. 258. 
10) ©. die Fälle bei Waitz-Seeliger V.S. 102, Murbach, Weißenburg, Zürich, 
Pfeffer, Reichenau, Sanct Gallen, Straßburg, Lorſch, aber au, wie fruͤher, 


567 


präftirten erhält der Vergaber eine Hufe Klofterguts als »Bene- 
ficium« 1). 

Im Gegenfat dazu beißen precaria data folche Güter, welche 
das Klofter dem Empfänger verleiht, ohne feinerjeits etwas von ihm 
erhalten zu baben?). Dann fol ver Zins nach Kräften (in quantum 
possit) vermehrt werben?). 

Auch die rücgewährten wie bie neu bazu gegebenen Güter werben 
wohl als beneficia verliehen‘). 

Sehr oft erhält fpäter der Klofterbeneficiat das beneficium vom 
Klofter zu eigen ober als precaria®), aber nur auf Lebenszeit: barin 
(ag überhaupt bei biefen Gejchäften der Hauptvortheil für bie Kirche, 
daß bie von ihr gewährten Rechte Fury befriftet, die von ihr erworbenen 
für immer dauernd waren. 

Selbſtverſtändlich können auch Frauen berartige unkriegeriſche wie 
fpäter ja fogar Triegerifche®) beneficia erlangen. 

Willfürlich fcheivet man die drei Klaſſen ber beneficiarii, free- 
tenants und serfs: freetenants, auch serfs fonnten beneficiarii 
werben; auch waren bie (viel jüngeren) Weiler - Gründungen mit Un- 
freien durchaus nicht Vorbilder für bie viel älteren Anftevelungen ber 
Freien”). 

Herzog Liutfried verkauft a. 737, was ber Water bes Käufers 
von ihm als beneficium erhalten Hatte), dem Sohn ?). 

Lehrreich: Schenfung des Allods an bie Kirche, Nüdempfang als 
beneficium = ususfructus gegen Zins von jährlich 20 siglae 1°) 


Berbote der Schenter, zu verleihen (ebenda) ober doch nur an bie familia bes 
Kloftere Züri U. B. 156 N. 269. 

1) T. Sang. 14, 15. ©. oben ©. 540. 

2) Bgl. über fie Brunner I. S. 211. Waitz⸗Seeliger V. ©. 128 und bie 
Literatur daſelbſt (Albrecht, v. Roth, Heusler). 

3) W. U. I. 138. a. 866. 

4) Daranf gebt W. U. I. 147 a. 873 utrasque res illis in beneficium 
praestare. 

5) Wartmann II. p. 71. a. 857 Ludwig ber Deutfche für Sanet Gallen. 

6) Waitz⸗Seeliger VI. ©. 89, 91, 129. 

7) Ross p. 82. 

8) Zen W. N. 35; da Thenberich IV. bier 18 Regierungsjahre zugefchrieben 
werben (er hatte — geftorben a. 737 — beftenfalls nur 17), muß flatt a. 721 
a. 720 als fein erfles Jahr angenommen werben, vgl. Urgeſch. III. ©. 777. 

9) Zen, W. 162. 

10) Du Cange VIII. p. 469. 


568 


Bier, 40 Broden und 1 Frifhling im Werth von 1 Xremiffe; bie 
Urkunde Heißt auch bier precaria!), die Söhne follen in das Ber: 
hältnis nach Wahl (dagegen Verpflichtung ber Söhne 26) eintreten: 
andernfalls und bei Zinsverzug fällt das beneficium dem Kloſter heim?). 

Zuweilen wird ber eheliche Sohn zum Eintritt in das Beneficial- 
Verhältnis gezwungen ®): in Ermangelung eines folcdhen fällt das 
beneficium an das Klofter heim mit Ausfchluß jedes Nechtsftreits*). 
Andermals wirb bei Strafe ber Nichtigkeit die Verleihung an ben 
Sohn des zuerft Belehnten verboten®), andermals erhält der Sohn 
bie Wahl, ob er Gut und Zins übernehmen will®). 

Unterſchieden werden praestare und beneficiare, beides aber 
dem beſchenkten Kloſter verboten”), da der gleichwohl vergabende Abt 
für die Seele des Schenkers verantwortlich gemacht wird). ‘Dagegen 
wird auch oft dem Klofter völlig freie Verfligung über das beneficium 
eingeräumt. 

Wird ein Benefictalgut gefchenkt, foll ver bisherige Vaſſall fortab 
an das Klofter leijten®), aber e8 Tönnen auch die Unfreien auf einem 
vom Schenker zu beneficium verliehenen, jeßt verfchentten Gut vor- 
behalten werben 19). 

Es kommt auch vor, daß das Schentgut von dem Klofter auf Wunfch 
der Schenterin einem Dritten als beneficium „um ter Schenferin 
willen“ (pro beneficio feminae, donatricis) gegeben wird 11). 

Die Hingabe von Allod und ber Rüdempfang als beneficium 
oblatum 12) minderte an fich, wie wir fahen (oben ©. 175), bie Frei⸗ 


1) a. e. 758. 

2) Neugart 1. c. 23: die precaria 24 fügt brei Yrohntage eines Unfreien 
bei a. 759; nur Gelbzins (3 sol.) 26. 

3) 1. c. 36 a. 762. 

4) Sine ulla marritione Neugart 1. c. 30. a. co. 760. 

5) 1. 0. 36 a. 760. 

6) 83 a. 782. 

7) l. e. 61. a. 774. 

8) Zeuß, W. 53. a. 774 rationem redditurum in die judieii pro anima 
mea. Solche Berbote find gerade in ben Weißenburger Urkunden häufig 63 a. 783. 

9) Zeuß, W. 58 a. 776. 

10) 1. o. 60 a. 784. 

11) Neugart 1. c. 86 a. 784. 

12) Neugart 69 a. 778. Rapertus episcopus mihi (Remigio ep. Argen- 
tinensi) per suum cultellum coram testibus monasteriolum tradidit, barauf 
erhalten es bie Brüder des Scheukers auf Bitten zurüd (ipsos revestivi, per 





569 


heit nicht), fo auch nicht die Rechte über die auf dem Gute fiebeln- 
ben Hinterfaffen: warb aber freilich alles Allod eines reichen Pre- 
cariften hingegeben, fo erlofchen früher häufig die durch Grundeigen 
bevingten Rechte (3. B. Gerichtsrechte); erjt fpäter warb zuweilen hierin 
Deneftcialland dem allodialen ausprüdlich gleichgeftellt 2). 

Der Eigentbümer kann auch Laien zu beneficium geliehene Güter 
ver Kirche zu Eigen ſchenken, fie gegen Zins jenen vepräftiven und 
nah dem Tod jener Laien auch ben Nießbrauch ver Kirche anfallen 
lafien®). ‘Die repraestatio erfolgt meift sub jure usufructuario®), 
aber auch oft als beneficium. 

Die Schenkerin empfängt als Gegengabe » beneficia bes Klofters« 5), 
d. b. Stlofter-Güter zu beneficia. | 

Auch Laien zu beneficium gegebene Güter Tann der Eigenthümer 
dem Klofter ſchenken: das Klofter tritt dann an feine Stelle gegenüber 
bem Beneficiar, bis das beneficium — aus irgend einem Grunde — 
erlifcht). Andererſeits erhält ver Schenker bisheriges Kloftergut neben 
bem ihm repräftirten zu beneficium®). 

Die Vaſſallen des Schenfers follen nach deſſen Tod von ben 
beneficia der Wittwe dienen, nach deren Tod dem Abt, falls fie 
wollen, und nach dem Tode der Baffallen je Einer ihrer Söhne”). 

Ein beneficium (in villa) trabirt der Benefictar dem Klofter 
und erhält es zu Nießbrauch zurüd, auffallenderweife fonder Erwähnung 
ber Zuftimmung des Sentors 8). 


precariam ipsis beneficavi) auf Lebenszeit, aber fpäter geben fie das benefioium 
ex alodo Remigii zurück. 

1) Ein Beifpiel von einem vornehmen Grafen a. 797 bei Stälin (B.) 1. S. 351. 
Neug. N. 134. ©. oben ©. 175. 

2) Wie Karl auch bei feinen Erleichterungen ber Heer⸗ und ber Gerichts⸗Laft 
that. Könige VII. 

3) W. U. I. 59 Neng. I. 154 a. 805. 

4) W. U. 1, 63. Neug. I. 166 a. 809. S. oben S. 537f. 

5) Wartmann I. 25 a. 820 f. oben ©. 537, 540. 

6) Neugart 244 a. 830 und oft. 

7) W. U. I. 109. Neng. I. 305 a. 843. Ausgefallen ift (hinter servile) 
opus faciant (illis sicut debent). 

8) Zeuß, W. 254 a. 851, 255 a. 801 fteht in benedictione für in bene- 
Reio; Hänfung von ususfruotus unb beneficium 257 a. 724, 258 a. 786 unb 
oft. Ueber die Abtretung eines benefioium fammt deſſen Träger (Baffallen) durch 
ben Seren an einen Dritten ſ. Waitz⸗Seeliger V. S. 77; bie Fälle find nicht 
immer folgeftreng gebacht, zumal was das Erforberniß ber Zuftimmung bes Abzu- 


570 


Dft erfolgt öffentlicher Verzicht (werpire) 1) des Beneficiaten auf 
bas Gut behufs anderweitiger Verfügung des Herrn. 

Eine juriftifch wohl nicht ganz Har burchbachte »Novation« ift 
es, erhält ein Schenker nicht nur fein Schenfgut, auch was er bereits 
al8 beneficium vom Klofter hatte, »per precariame« zu Beſitz und 
Nutung?). 

Auch erhält ver Meberlebenve wohl ftatt des Hingegebenen ale Zins⸗ 
gut nur andres Kloftergut ald beneficium: — ein Gejchäft im ber 
Mitte zwifchen repraestatio und Tauſchꝰ). 

Dber die Schenkerin erhält außer ver repraestatio ein Klofter⸗ 
gut als beneficium, beide auf Lebenszeit gegen Wachszins (1 Denar 
an eine Klofterkirche oder Kloftervilla, Rüdlauf ausgejchloffent). 

Eine Rüdempfängerin erhält auch früher taufchweife Hingegebenes 
al® beneficium auf Lebenszeit zurüdd). Der Rüdempfänger erhält 
außer dem Zinsland ein Gut vom Kloſter: für beide — proprietas 
et terra censalis — Ein Zins -von 4 Denaren?). 

Sn anderem Sinne fpriht die Lex Rom. Rhaet. Cur. von 
beneficia: hier find fie oft „Wohlthaten“, d. 5. Schenkungen vollen 
Eigenthums”). 

Unklar bleiben bie beneficia, bie vom Herrſcher verfprochen, 
aber noch nicht übertragen find: ftirbt der Bedachte vor ber Leber 
tragung, haben bie Erben ein Recht darauf: wegen bed engen An- 
ichluffe® an vie Interpretatio find eigentliche (germanifche) Beneficien 
nicht anzunehmen ®). 

Das Beneficium ber L. R.) ift wohl meift ein dem Fiscus zins⸗ 
pflichtiges Erbgut, das vererbbar geliehen war 1%). 


tretenden betrifft; vgl. W. U.B. I. p. 334, Trad. Sang. 386 p. 7; erft fpäter wirb 
freie Verfügung des (eigentlichen) Lebenträgers häufiger, Grandidier, IL p. 170. 

1) Schon Martulf I. 131. Die, W. 8. II.s p. 333. Schade Sp. 1128. Du 
Cange, querpore, IV. p. 128. 

2) Neugart 433. a. 865. 

3) Neug. 593. a. 890. 

4) Neug. 630. a. 899. 

5) Neug. 643. a. 903. 

6) 663. a. 907. 

7) Zeumer p. 302. 

8) Sp treffend Zeumer L. R. Rh. I. p. 2, 2. p. 306. 

9) I. 2, 2. X. 8. Zeumer L.? R. G. IX. p. 4244. 

10) ®gl. UI. 19. 2. XIX. 2. 


571 


Die Kirche widerftrebte zwar dem Erblichwerden wie ber eigent« 
lichen beneficia fo all’ viefer Leihen, aber auf die Dauer fonder Erfolg !). 


i) Anfehtungsfirafen bei ber Rückgewähr. 


Die Debrohung der Anfechtung von Urkunden im Allgemeiner 
dur Strafen ward bereits erörtert 2): bie Strafen ver Anfechtung von Ur- 
Funden über Vergabung und zumal Rüdgemwähr find noch zu betrachten. 

Richtig bemerkt man?), das die Lex. Alam. eine Buße für An- 
fehtung von Urkunten im Allgemeinen gar nicht aufftellt, dieſe 
vielmehr in ber Urkunde felbft hätte ausgefprochen werben follen®). 

Mit Unrecht behauptet man), die L. Al. I. 2 angebrohte Strafe 
für Anfechtung einer Schentung einer Kirche fei im einem gefammt- 
fränkiſchen Capitular erfolgt, daß in bie L. Al. und L. Baj. I. 2 
aufgenommen, in bie andern Leges nur zufällig nicht aufgenommen 
fei®); daſelbſt I. 2 wird nicht die Anfechtung einer Urkunde, fonvern 
bie Entziehung des Beſitzes (subtrahere) mit 30 sol. bedroht (ab- 
gefeben von dem Friebensgelv), das Geſetz felbft verweift, was bie 
mulcta betrifft, auf beren Tejtftellung in ber Carta. 

Als Strafen für dieſe Anfechtung werben in ven Urkunden oft 
gehäuft 1) Zorn Gottes und der Heiligen, jüngftes Gericht, 2) Ent- 
richtung des gleichen oder poppelten?) &utswerthes, 3) Strafgelb an 
den Fiscus, 4) an das Klofter®). 

Oder auch: die Anfechtung der Schenlung an die Kirche durch 
den Schenker, deſſen Erben over Andere wirb mit Strafgericht Gottes ®) 
bedroht 19): dann 1) durch Ercommunication!!), 2) Bezahlung der in der Ur⸗ 
Funde auferlegten Buße (30 sol., fraglich, ob die im Codex B. angebrohte 
Buße von 30 sol. an die Kirche vaneben hergeht?), 3) tem gejeglichen 


1) Waitz Seeliger VI. &. 78. 

2) Oben ©. 319f. 

3) Zenmer F. Sang. misc. 22. 

4) Bgl. R. Loening, Vertragsbruch ©. 592. 

5) Loening, Vertragsbruch ©. 593. 

6) ©. Dagegen 8. Lehmann, praef. p. 6. Alfred Schulze, Treuhand ©. 124. 
7) Auch des vierfachen 1. o. 117. a. 792. 

8 So Zeuß, W. 103. a. 756 und fehr oft in ben W. Urkunden. ©. oben 

©. 320f. 

9) Dahn, Baufteine II. S. 227. 
10) L. 1. p. 65. 
11) Ueber beren Ansbrud Brunner, Sitz. Ber. S. 1521. 


572 


Triedensgeld, außertem Rückgabe und Vereitelung des Verfuchs 1). Ind 
befondere die Anfechtung durch ven Erben (Sohn) des Schenkers ward ge 
fürchtet, zumal wenn dieſer das gefchentte Land per beneficium zu 
lebenslänglidem Niepbrauch (gegen Zins) zurüd erhalten hatte: dann 
iprach gegen die Schenfung, die der Sohn beftritt, der das Gut als 
freies Erbe in Anſpruch nahm, der äußere Thatbeftand: aber er wir 
vom Eide durch tie Urkunde und den Eid der Urkundszeugen aus- 
geſchloſſen 2). 

In den Weißenburger Urkunden wird die Anfechtung oft num mit 
tem Zorne Gottes bedroht: Sanct Peter foll tem Frevler das ewige 
Licht entziehen, weil der verweigerte Zins für das Licht in ber Beters- 
kirche dienen jollte?). 

Sehr oft wird, zumal in den Weißenburger Urkunden, die Ans 
fechtungsftrafe nur angebeutet, nicht ausgeführt, mit ben Worten: si 
quis vero etc.*), das Weitere abzujchreiben aus ber zu Grunde ge 
legten Formel. 

Frau Wolfgundis ermächtigt Klofter Weißenburg bei Verlegung 
feiner beurkundeten Rechte, fie und ihre Unfreien aus tem vepräftirten 
Land und ten Häufern ohne Richterfpruch zu vertreiben ®). 

Nur Einmal begegnet das Auffallende, daß die Gauleute das 
bem Kloſter gefchenkte Gut demjenigen entreißen {und dem Klofter zur 
Seldftbewirthichaftung zurüdgeben) follen (wohl nach Richterſpruch, 
nicht mit Gewalt), dem es ber Abt wiber die Schenkungsurkunte 
al8 Zinsgut geben würke®). 

Gegen rüdfällige Bebenfung ber Verwandten fchreiten tie ber 
ſchenkten Heiligen nachdruckſam ein. Ein Schenker, der nachträglich 
das Schentgut dem Klofter entziehen und feinen Gefippen zuwenden 
will, wird im Schlaf von ben beiden Schuäheiligen des Klofters unter 
Befehl und Vorſitz ver heiligen Marta vor den Altar gefchleppt unt 
jo lange geprügelt, bis er herzlich gern auf die Zurüdnahme verzichtet; 
am andern Morgen zeigt er dem Abt und ten Mönchen feine blau ge- 
Schlagenen Schultern 7). 


1) Vgl. Zeumer, N. Arch. VIII ©. 486. 

2) 1. c. p. 66, 67. 

3) Zeuß, W. 51. a. 831. 

4) Zeuß, W. 135 (ohne Jahr) und fehr häufig. 

5) Zeuß, W. 229. a. 713. 

6) W. U. 6. Neug. 31. a. 760. 

7) W.U.8. a. 764. Fälſchung aus dem XII. Jahrhundert. 


573 


Diefe Heiligen waren doch nicht ganz frei von unbeiliger, ja 
unchriftlicher Rachſucht. 

Um jede Anfechtung durch zwei Neffen auszufchließen, vergabt 
ber Oheim das Schentgut an biefe felbft als Salmannen!), bie es 
dann dem Klofter weiter übereignen unter Vorbehalt des lebensläng- 
lichen Nießbrauchs bes Oheims2); ober Vater und Sohn vergaben 
einem Salmann behufs Webereignung an das Klofter 3). 

Selten wird das Recht vorbehalten, das Grundſtück zinsfrei zurück⸗ 
zufordern, wenn das Klofter das Hecht des Schenkers beftreitet ober 
verlegt ®). 

Andererſeits unterwirft fich wohl auch das Klofter für Vertrags- 
bruch empfindlichen Bertragsftrafen: fo verftattet der Abt dem Schenker 
Widerruf und freie Verfügung über das Schenkgut, wenn das Klofter 
ihm ein zu Nießbrauch gegebenes Kloftergut entreißen will®). 

Wird der Sohn geiftlich oder verläßt er das zurücdigewährte Gut 
durch feine Schuld, bleibt die Schenkung befteben; werfen ihn aber 
die Mönche hinaus ober verläßt er es ſchuldlos, nimmt er das ganze 
Schenkgut mit®). 

Einmal heißt e8 bündig: Tein Vornehmer oder Geringer foll an- 
fechten oder verlegen, ber an Gott Theil haben will”). 

Den Grund, aus bem bie Klöfter gern die Tönigliche Beſtätigung 
folcher Zaufchgefchäfte nachjuchten, verräth fehr naiv Abt Salomon 
(a. 897): er fürchtet gewaltfame Entreißung bes vom Kloſter ein- 
getanfchten Gutes durch den König. Im biefem Fall foll pas vom 
Kloſter Gegebene dieſem beimfallen®). 

Seiner klugen, gewinn⸗ſuchenden Abficht?) berühmt ſich das 


1) Oben S. 353. 

2) Zeuß, W. 72. a. 788. 

3) Zeuß, W. 86. a. 787. 

4) W. V. J. 63. Neug. 166. a. 809. 

5) Wartmann I. 333. a. 830. 

6) Cod. Trad. Sang. 246. N. 419. Wartmann II. 391. a. 844. 

7) Zeuß, W. 273. a. 846. 

8) Neug. 625. a. 896. ut nos praefatas res... . absque violatione- 
regiae potestatis inconvulsas obtinere poterimus: nur unter biefer Bebingung 
fol Other das Kloſtergut behalten: quod si per vim regiam aliqua violentia 
in praedicta illius donatione (iſt aber feine!) fuerit illata (quod fieri non 
sperat!!} monasterium . . . suis rebus legitime revestiatur. Vorbehalt Tatfer- 
licher Beftätigung bei Tauſch iſt nothwendig 626. a. 897. 

9) ©. oben ©. 521f, 


974 


Klofter unverbolen: „Allen fei fund, daß (der Laie) nicht eher jenen 
Tauſch bei uns burchzufegen vermochte, bis er zugeftanven hatte, daß 
nach feinem Tod das von uns Gegebene wieder an das Klofter zurüd- 
fallen ſolle.“ Alſo erwirbt das Klofter jett das von bem Laien Ge 
gebene und nach befien Tod auch Tas nur auf deſſen Lebenszeit ihm 
Gegebene zurüd!). Die Klöfter verftehen trefflich, fich abzurunden: fie 
geben jehr fern gelegene Güter gegen nähere hin). 

Ein Hauptvortheil für vie Mugen Kloſterleute lag, wie wiederholt 
gejagt, darin, daß ihre Begenleiftungen mit dem Tod' des Empfängers 
erlofchen, alle vepräftirten und bie vom Klofter dazu gegebenen Güter 
alsdann dem Klofter unbelaftet heimflelen und ebenfo beim Tauſch: bie 
Segenleiftung des Klofters war vorübergehend ?), der Gewinn nach Ab- 
lauf kurzer Frift dauernd‘). 

Das will fagen der wichtige Sat: „Die fromme Schenkung foll 
glänzen, fo lange die Welt fteht“ 5). 

Wenig chriftlich muthet auch an die Verfluchung, ver Xefer ber 
Urkunde, ber in Anfechtungsabficht Tieft, foll erblinden, bevor er zu 
Ende lieft®). 


VI Finanzhoheit. Finanzwefen”). 
1. Allgemeines. Die Namen. Andere Ausbrüde. 


Auf dieſem Gebiet wie etwa bei ver Amtshoheit®) macht Schwierig- 
keiten das Nebeneinander ber Töniglichen und ber berzsglichen Wechte; 
es ift nicht immer Mar, ob ber Tönigliche ober der herzogliche Fiscus?, 
gemeint ift. 


1) Neug. 625. a. 897. 

2) 626. a. 897. duo loca a monasterio valde remota. 1. c. ebenfo 634. 
a. 902. zwei loca für Ein Grundſtück »de optima terra«. 

3) Denn felten (fo l. c. 631, 632. a. 899, 900, aber die Erben viel ſtärker be⸗ 
faftet als ber Repräftirte, 6 Malter: 1 Denar) follen alle Rechtsnachfolger, meik 
nur Einer ober einige barin folgen. 

4) Neug. 630. a. 899. recipiant diebus solummodo vitae eorum W. L. 
1. 147. 

5) Kartular von Rheinau 4. a. 855. 

6) Coll. F. Sang. 21. vgl. Zeumer N. 9. VII. ©. 535. 

7) Könige VII. 3. ©. 79. VIII. 4. S. 1. Bgl. jetzt auch E. Mayer, Zoll, 
Kaufmanuſchaft und Markt (Feflgaben für Konrad von Maurer 1893. &. 378). 

8) ©. oben ©. 2327. 

9) Meiten I. &. 456 ſcheidet Eigenthum bes Herzogs als foldden und „bei 


975 


Privatrechtlich find die auf Vertrag, z. V. Vergleich, beruben- 
den Zehnten wie bie für die Eichelmaft!). Auch ver Erbichaftszehnte?) 
beruht auf Vergleich. Aber die Rechtönatur der Einnahmen mancher 
Art ift nicht immer durchfichtig, ob fie Öffentlicher oder privatrechtlicher 
Art und Grundlage find. 

Viscalifche Hufen fcheinen?) auch folche genannt worden zu fein, 
von denen die gleichen Leiftungen wie von wirklich fiscalifchen gefchulbet 
wurden. 

Camrera ftebt bei Herzog und König für Tisenst), ebenfo werben 
fiscus, aerarium, scrinium, thesaurus>) für bes Herzogs wie des 
Könige Vermögen gebraucht, werben bie gleichen Namen und Ausdrücke 
unterſchiedlos auf beide Arten angewendet, ob es ſich um Leiftungen 
an den Stat oder etwa an ein Bisthum oder ein Kloſter banbelt. 

Erſt ſeitdem die Krone nicht mehr wie in Karolinger Zeit an 
Ein Gefchlecht gebunden war, aber doch erft fpät (im XI Jahr-⸗ 
hundert, nach dem Außsfterben des fränkiſchen Haufes mit Heinrich IL.), 
wird es nöthig und üblich, Krongut und Hausgut des Löniglichen Ge- 
ſchlechts zu fcheiden. rüber trat das wohl in den Herzogthümern 
ein, boch fehlen beftimmte Beläge. Doch wird unter Konrad II. für 
Baiern, vielleicht fchon unter den DOttonen in Sachjen, zwifchen Reichs⸗ 
gut und Herzogsgut ſcharf unterfchteven, Verzeichniffe werben über bie 
Neichsgüter aufgenommen). 

Gar viele Leiftungen an ben König (und ben Herzog) beruhen 
durchaus nicht auf ftatsrechtlichen, lediglich auf privatrechtlichen Titeln, 
auch wenn fie tributa heißen”). 


Fiscus“: das müßte dann der Fönigliche fein: denn zwifchen bem Eigenthbum bes 
Serzogs und des herzoglichen Fiscus befteht kein Unterfchieb. Könige VII. 3. 
©. 85. VIII. 5. ©. 2f.; vgl. Hensler I. ©. 308. 

1) Könige VI. 2. ©. 280. VII. 3. &. 147. VIII. 5. ©. 22. 

2) Wartmann II. N. 9. p. 389. N. 610. p. 220. 

3) So Waitz⸗Zeumer ©. 231. 

4) Ludwig d. Kind bei Waig VIII ©. 218; vgl. daſelbſt camera ducis, 
camera episcopalis, abbatis. 

5) ©. Könige a. a. O. thesaurus = Fahrhabe. Ueber das Finanzweien 
des Reiches und der Herzogthlimer in biefer Zeit, zumal aber erſt im X. und XI. 
Jahrhundert Waitz VIII. ©. 216. 


6) Waitz VI. ©. 244. 
7) Beifpiele bei Walk VIIL ©. 385. 


576 


Publicus bebeutet „ftatlich“, 3. B. ein judex!), befonders aber 
„fiscaliſch“: publicum heißt ſchon römifch jeve Abgabe?); daher aud 
curtis publica = nostra, b. h. regis: fo Worms, Regensburg ?). 
Publicae causae — fiscales — dominicae causaet), villa publica 
= regia (oft), in villa publici®) Valchin-chova. 

Wie bei Franken bebeutet »in publico« fo viel al® in fisco, 
z. B. bei Wetten‘). Fiscus aerarium regis”) = palatinus!®). 

Der judex publicus, dem eine Anfechtungsftrafe zu zahlen ift, 
meint den Fiscus?). 

Fiscus heißt auch zuweilen bie dem Fiscus zu zahlende Steuer 19). 

Tributum, census, »fiscus« (unde fiscus exit) ift eine Abgabe 
von Gruntftüden (villa, terra), vor Allem bie Grunpftener an ven 
„Fiscus“11). 

Fiscus = feudum gehört erft der Folgezeit an 12). 

Aber der Fiscus beißt auch respublica 12). 

Seit Tarolingifche Theillönige Alamanniens beftehen, ift deren 


1) L. R. Rh. C. 11. 16, 2. III 1, 3. im Gegenfay zum privatus, d. h. 
actor ecclesiae II. 16, 2. 

2) Bgl. Dr. Meyer, Mittheil. VII. ©. 137. 

3) Th. v. Sickel I. ©. 233, ebenfo palatium publicum ©. 234. 

4) L.R. XI. 9. 

5) 1. c. 1. publica. Neugart 1. c. I. 3. a. 670. 10. a. 744 ober follte ge 
meint fein publici jurss? 

6) L. A. I. 2. Könige VII. 31 (32) p. 89. 

7) Cod. Trad. Bangall. p. 84. 

8) Dümge, Reg. Bad. p. 76. 

9) Wartınann II. 458. a. 858 (865?) 

10) L. R. Rh. C. III. 1, 1. res publicas, unde fiscus exit, == tributum 
aut census, quod de ipsa terra exit; res publica iſt hier nicht Statsgut, fonbern 
dem Stat fleuerpflichtige res. nec fisous nee tributus, tautologiſch L. R. XVIL 10. 
fisous = census regi, fisco solvendus L. R. Rh. C. p. 448 vgl. Zeumer zu 
Waitz V. ©. 232. 

11) L. R. Rh. C. III. 1, 2, ebenfo ouriales qui fisoum dare debent. 1. c. 8. 
Aber ganz trrig hält Merkel de r. S. 43 »fiscus« flets für eine Art Abgabe wie 
vecotigal telonum u. f. w. f. über bie Bedeutungen von Fiscus VIL.3.&.a. a. O. 
VID. 5. ©. a. a. DO. ber „Fiscus“, von beffen Ertrag Die Krone (der Fiscus im 
diefem Stun) 1/, an Reichenam ſchenkt iſt vielmehr ein Krongut, cujus voca- 
bulum est Sasbach : das iſt doch leine Abgabe. Dümge, Reg. Bab. N. 4. Ludwig 
a. 839. 

12) Waitz⸗Seeliger VI. ©. 135. 

13) Neug. 501. 


977 


Fiscus gemeint: fo bei Gelbftrafen, auch Vertragsftrafen!) und Ein- 
ziebungen. 

Fiscus Heißt aber auch ein einzelnes Krongut, eine villa regia, 
fo Zürich fiscus regius?). Fiscus noster — villa nostra?). 

Fiscus noster = villa nostra, in fisco regali Rotunda villa 
(Motweil), biefelbe villa beißt curtis regalis‘). 

Auch locus fiscalitatis nostrae >). 

Aber auch ber ganze Schuffengau heißt fiscus noster: gemeint 
ift das in biefem Gau gelegne Krongut; die darauf Wohnenven heißen 
fiscales, nicht nur die Fiscal-Beamten®). 

Auch Hier (wie VIII. 6.) nostrum opus”) gleichbedeutend par- 
tibus palatii nostri?). 

Fiscalgut (3. B. Eolonen) wirb doppelt fo hoch gewerthet bei Be- 
ftrafung von Verletzung wie privates ?). 


2. Die Einnahmen. 
a) Die Arongüter10), 
Der Unterfchied zwifchen palatium und villa regis ift auch hier!) 
ſchwankend: Bodmann heißt palatium 12), aber anverwärts 13) auch villa 
(ſehr oft find beibe basfelbe, Bobo ift eine uralte Siebelung !*). 


1) 3. B. Neng. 501. a. 876. 

2) Neugart 208. a. 821. W. U.I 165. a. 889. 

3) a. 779. 

4) Vita St. Galli Scr. II. p. 21. Neng. 119. a. 792. Form. Als. N. 10. 
a. 878. 

5) Mon. Boica 28. N. 71. a. 889 (Arnulf) fiscus regalis. 

6) In fisco nostro qui dieitur Suizingauue [Schuſſengau] Urkunde Ludwigs 
von a. 816 ed. Dümge, Reg. Bad. p. 67. W. U. I. 74. a. 816, bagegen ein 
eines Yiscalgıt heißt propriolum |. o. 

7) Dümge Reg. Bad. p. 69. a. 839. 

8) Neng. N. 191. a. 817. 

9) L.R. V. 9, 2. Stälin (8.) I. S. 173 bemerkt, baß bei ben Reichstheilungen 
(bis Ende bes VI. Jahrhunderts) ber oſtrheiniſchen Lande als bloßer Anhängfel von 
Auftrafien gebacht wirb, fo baß fie für Einkünfte wenig in Betracht kamen, aber 
ber Heerbanı der „Ueberrheiner” ſpielte ſchon unter Sigibert I. gegen Chilperich 
eine gefürchtete Rolle, Urgeſch. III. ©. 167. 

10) Könige VII. 3. ©. 89f. VID. 5. ©. 12f. Wurſtemberger I. S. 261f. 
11) gl. VII. 6. 
12) Neugart 292. a. 839. 
13) Annal. Bertin. a. 839. 
14) Bgl. Tb. v. Sickel I. ©. 132. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 37 


578 


Eine villa publica war auch Ueberlingen (Iburinga)!), viel- 
leicht in abminiftrativer Abhängigkeit von ber benachbarten Königspfalz 
Bodman ?). 

In Feldkirch eignet die Krone einen Hof (curtis) und eine basiliea: 
beiden ſtehen zahlreiche Rechte (Zehnte) und Grundſtücke (Almen) zud). 

Zu einer königlichen villa gehören viele mansi). 

Mans) läßt ſchon Chlodopech beträchtlichen Grunbbefik in Ala- 
mannien einziehen für fich und feine Großen; jevesfalls das Gut des 
Konigshauſes; vielleicht rühren jchon aus jener Zeit bie zahlreichen 
Krongüter im württembergifhen Franken ®). 

Doch gaben ja auch fpäter zahlreiche Erhebungen ber Alamannen 
von c. a. 650—740 Anlaß zu foldhen Einziehungen. 

Die Krongüter der Karolingen im Lande waren zahlreich”). 

Krongüter verbleiben im Eigenthum des Fiscus, auch wenn fie 
ipäter, wie fchon in Merowinger- Tagen, als Amtsbeneficien®) in 
Nugung der Grafen übergehen‘): als Kigenthümer Tann ber König 
fie — auch eine Kirche ift darunter — Sanct Gallen fchenten. Theile 
davon Tann ein ministerialis des Grafen (als beneficium) befigen: 
fie ſollen ihm verbleiben. 

Ein mit Krongut zu eigen Befchenkter darf jenes doch nur mit 
Erlaubniß des Königs an Sanct Gallen weiter verfchenken 1%), fo daß 
in Wahrheit der König auch diefe Schenkungsurkunde außftellt: wohl 
weil auch dies ein Kronklofter war; [denn bei Schenkungen zu eigen 


1) Neugart 1. c. 53. a. 773 und Langenargen 54. a. 773. 

2) So treffend Schäfer, Ueberlingen ©. 1. Ood. St. GalLL N. 56. a. 770, 
auch in vita St. Galli Wattenbach J. ©. 120: von Wetti, alfo c. a. 816-823, 
nicht ſchon im VIII. Jahrhundert. 

3) Neug. 668. a. 909. 

4) Neug. 414. a. 862. vgl. Über bag Krongut v. Inama⸗Sternegg I. S. 125. 

5) Stälin (S.) &. 67. Er zählt ©. 345 in Württemberg allein ber Kron- 
villen 30 auf, darunter Ulm, Rotweil, Heilbronn I. 259-266. 

6) Bei Weller, Anfiedel. S. 70; Heilbronn (Heiligbrunne) war ein aftes 
palatium, Jäger, Geſchichte ber Stabt Heilbzoun 1828 ©. 261. 

7) ©, Stälin J. & 154; au Kirchen, Möfter, Capellen waren hier wie 
anberwärts VIIL 5. ©. 260. Lönigseigen. Schäbigungen von karolingiſchen 
Krongltern in Alamannien a. 790. Neug. N. 110. 

8) Könige VIIL 3. ©. 43. 

9) Neng. 648. a. 904 res juris nostri (b. 5. regis) . . . quioquid in his 
locis ad regiam ditionem pertinebat et post haeo ad comitum usyum cedebat. 

10) W. U. J. 171. Neug. I. 613. a. 895, 


979 


wird (meift) bie freiefte Verfügung eingesäumt!).] Daher beilen 
Zaufbgeihäfte auch (oft) vom Köntg beftätigt werben ?). 

Auch Hier?) ift es meift ſchwer, oft unmoͤglich, ſtatsrechtliche 
und privatrechtliche Begründung einer Abgabe ober Leiftung ſcharf zu 
ſcheiden. 

Die einem Mongut und Amtsbeneftchum geſchuldeten tributz, 
die mit jenem auf das beſchentte Kloſter übergehen, find wicht fiat 
fihe Steuern, ſondern privatrechtliche Zinfe 2). 

Zebnten und Neuntel ber Einnahmen der Krone find nicht kirch⸗ 
liche, ſondern aus Eigenthum fließenpe®). 

Ueber bie Einnahmen bes Herzogs (wie des Königs) aus Zehnten, 
kirchlichen umb weltlichen, ſ. Kirchenzehnten. Zwiſchen decimae unb 
deceimationes beſteht fein Unterfchien®). 

Auch alles Geräth (utensilia) gilt als Zubehör des Kronguts: 
es fallt auf, daß zwar dies (und ftetS die Unfreien), felten aber das 
Vieh ausprüdlich aufgezählt wird”). 

In welchem Umfang und mit wie langer Nachwirkung bie Bor- 
fchriften Karls über die Bewirthſchaftumg der Krongüter?) in Alamannien 
durchgeführt wurben, entzieht ſich unſerer Kenntniß: — wahrfcheinlich 
weder völlig noch auf geraume Zeit?). 

Der Zins von erworbenem (gepachtetem) Fiscalgut ift pünktlich 
zu entrichten 1%): nur dann verbleibt es auch den Erben (Emphhtenfe, 
Erbpacht). 

b) Die Stenern. Anmittelbart 11) und mittelbare (Zölle). 


Sb es ben Römern gelungen ift, ihr Steuerweſen in biefem: ent« 
legnen und unfichern Borland überall: burchzuführen, ift nicht zu ent- 


1) W. U.I 166. Reng. I. 598. a. 890. 
2) Le. 170. I. 894: 
3) Bgl. Könige VII. 3. &. 146, 154. VIII. 5. &. 76, 122. 

4) W. U.I. 174. Neug. 648. a. 904. 

5) em fisco, ebenfo beliebige privatrechtliche und ſtatorechtliche ex ministerio 
comitis Ch. W. U. I. 102. a. 839. 

6) Walt VIII. ©: 361. 

7) Nung.. 608. a. 909. 

8) Könige VIEL 5: S 20%: 

9) Wein- und Obfl-Baw auf Kronpliterr Neug: 533. a: 882. 

10) L. B. XIX: 2. 

11) Aönige VIE 3. &. 96. VIII & 29: lieber bie früheften erzwingbaren 
Abgaben — für Opferffe. — S. Stimm, WW S 412. Urgeſchichte I. 
Könige a. a. O. 

37* 


580 


ſcheiden, aber unmwahrfcheinlich: wohl aber war dies — und zwar auf 
bie Dauer — geichehen in Oberrhätien, wo bie Steuerzahler deshalb 
noch unter Otto II. quadrarii!) heißen: e8 Handelt fich vor Allem um 
bie Grunbftener. 

Possessor ift in Rhbätien wie früher der grunbfteterpflichtige freie 
Örunbeigner?). Hier werben auch erwähnt die (römifchen) Steuer⸗ 
fiften, polyptica, und zwar in ber Lex, nicht in der Vorlage’). Hier 
zeigt uns bie Lex auch fonft noch gar manche römiſche Steuervor- 
ſchrift erhalten. 

Wiederholt wird eingefchärft, daß ftenerpflichtige Grunbftüde nur 
mit ber Steuer belaftet übergeben können: ber Erwerber bat fofort 
ben fiscaliihen Stenerbeifchern den Erwerb und fein Berfprechen, bie 
bisherige Steuer zu entrichten, mitzutbeilen: erft baburch wirb ber 
frühere Eigner fteuerfrei ®). 

Wer die Steuerfhuld von feinem Grundſtück ober eine andere 
öffentliche Leiftung nicht entrichten Tann, ſoll e8 an feine leiftungs- 
fähigen Erben abtreten >). 

Wer fünf Jahre offen (inter praesentes) ein Fiscalgut ohne 
Beſteuerung unangefochten bejeffen, wird gegen Beſteuerung fortab 
geihügt®). 

Der Zins felbft heißt fiscus und ruht wie eine Realfaft auf vem 
Boden?) 

Dei Verlegung ber Vorſchrift verliert der Eine das Grundſtück 


1) Fehlt bei Du Cange. Mohr N. 48. p. 70 quartani W. U. 8. N. 184, 
189 beides gleichbedeutend unb gewiß nicht „ein Lanbmaß”, wie Waitz VIIL 
©. 390 arg.: »liberi homines sive quartani<. Weber bie römifche capitatio 
plebeja und humana f. 2eo (1900) und Meiten I. S. 340, 349; fie iſt in Ala⸗ 
mannten kaum je erhoben worben (abgejehen vom limes); über das fpätere römifche 
tributum Seebohm p. 289, über munera sordida p. 295. 

2) Könige VII. 3. ©. 104 L. R. IV. 5. 

3) L. R. XL 5. 

4) L. R. XI. 2. vgl. III. 1, 2. XVII. 9.; basfelbe gilt von privaten bem 
Fiscus geſchuldeten Pachtgelbern. 

6) L. R. XI. 1. über Aehuliches bei einer Art Altentheil 1. o. Zeumer. 

6) L. R. IV. 12 a. fürzt die Vorlage, bie fogar eine von einem Aundern 
erſchlichene kaiſerliche Schenkung (constitutio) für ungültig erffärt. Die Friſt hängt 
mit ber Sjährigen römifchen Finanz⸗Periode zuſammen. 

7) L. Rom. Our. IUI. 1, 2 (wer) de res publicas (= fiscalis) und fiscalis 
= census fisco solvendus exit, conparare voluerit (von bem bisherigen Be 
figer), non potest ipsam facultatem emere sine tributum aut sine censum, 
quod de ipsa terra exit. 


581 


ber Andre den Preis (an den Fiscus). Indeſſen Handelt es fich 
hierbei auch um Pachtgelder, die von Pächtern fiscalifcher Güter, 
alfo aus privatrechtlichen Gründen, dem Fiscus zu bezahlen find und 
um andre, privatrechtliche Zinfe2). 

Der burch Theoderich von ben in fein Neich aufgenommenen 
Aamannen ?) erhobne Pöpos, census, war ohne Zweifel die gewöhn- 
liche (alt-römifche) Grundftener, bie in feinem Neich alle Grunbeigner, 
Germanen wie Römer, entrichteten‘). Ebenſo übrigens auch bie 
Franken in jenen Theilen Galliens, in denen fich die römifchen Steuer- 
einrichtungen überhaupt erhalten hatten: fie fträuben ſich oft), aber 
fonder Erfolg. 

Chlodovech erhob von den zuerft a. 496 von ihm Unterworfenen 
Schatung®): unbeftimmbar, welcher Art, ob etwa Grund⸗ oder 
Kopfftener: für beibes würde ber Ausdruck (ber vita St. Chroth.) 
ſprechen (eos terram que eorum constituit sub tributo), aber fte 
ftammt erft aus dem X. Iahrhundert”). Dieſe Abgaben hoben jedes⸗ 
falls die Freiheit nicht auf?). 


1) L. R. Rh. III 2. 

2) Wachszins eines Grafen Ekkeh. Sangall. o. 21. p. 87; ein anberer Graf 
freilich weigert ven Zins, motus rubore .. quasi homo sit censarius |. c. 

3) Na Agath. L 6, 7. 

4) Hterüber Könige IH. S. 139 f. 

5) Könige VII. 3. ©. 96. VII. S. 29. Urgeſch. III. &. 97. Greg. Tur. V. 
28, 44. IX. 30. Anders unb irrig Buſch III. ©. 12. 

6) VitaSt. Chrothildis reginae: Alemannos tributarios fecit. Greg. Tur. IL 
(Æruſch. Merov. II. p. 344. 30) fagt nichts davon. 

7) Rein willkürlich erklärt Cramer S. 226 biefe Schatung [hist. Francor. 
10 (15) terram eorum sub jugo tributarios feeit) für Eine mit ber steora, 
stopha, ostarstofa, dem modius regis: aber bie Grundſteuer tributum, census 
warb nur vom Land erhoben (vgl. VIII. S. 30. VII. 3. &. 108), was keine 
wegs bei all dieſen Leitungen ber Hall war, wie allerbings manchmal vom mansus 
ingenuilis, fo Cod. Lauresh. III. NR. 3672, 3675 unb das Oftergelt von den Hufen 
Zeuß, W. p.305 N. 312; Über ben Urfprung ber Oftarfiuofa Könige VII. 3. VIIL 6; 
aber jener census wird von ben Oſtfranken — nicht Alamannen — entrichtet. Ueber 
bie ostarstuofa für Wirzburg Könige VIII. a. a. DO. Wait II. ©. 560. VIII. 
©. 368, fie wird für Wirzburg noch von Otto III. beftätigt, Waitz VII. S. 166; 
auch für bie Main- und Rhein- Wenden Wait-Zenmer V. ©. 158. Ueber biefe 
Storea, Ostar-stuopha, und beren allmälige Berwanblung aus einer Statsfleuer 
in einen grundherrlichen Zins wegen häufiger Abtretung bes Rechts von der Krone 
an Kirchen (Wirzburg) unb Klöfter Weller, Anflebel ©. 43. 

8 Gegen Stälin (B.) L S. 185, &. 347: bie Abtretung biefer »liberi« be- 


982 


Daß allen Alamannen von Chlodovech Land⸗Schatzung anferkegt 
werben jet, berichten, wenig glaubhaft, fpäter prabfrebige Teäufiike 
Quellenij. Dafür fpricht nur etwa, daß fpäter freie Alamannen dem 
Fiscus einen Iahreszins ſchulden von Laub, das nicht im allen Füllen 
zweifelfrei als verliehenes Kronland ericheint (f. unten). 

Daß bei Unterwerfung ſpäterer Erhebungen durch die Aruulfingen 
von a. 689 ab auch periönlich Freibleibenden »census« auferlegt 
wurben, ift wohl möglich, aber nicht nachweisbar: auch aus andern 
Gründen konnen Freie — auch abgeſehen nom Kirchenzehnt — ſchatzungk⸗ 
pflichtig ſein. 

Wenn bier wie in Churrhätien 2) Freie von ihren Hufen dem Feat 
zinfen, fo iſt wohl nicht nur am erhalten gebliebeue römiſche Grund⸗ 
fteuer zu denken, fonvern an ehemals römiſch⸗fiscaliſche, Tpäter herzogliche 
ober Tönigliche?) Güter, bie unter Zins zu Eigen oder auch nur ale 
Lehugut gegeben worben waren: naher heißen fie beneficia®). 

Noch unter Heinrich IV. wird ber Berfuch, Grunbftener zu er 
beben, d. 5. neu einzuführen, als Gewalt aufgefaßtS). Andererſeits 
wird Grunbftener von Freien in Alamannien von Ludwig I. und 
Karl II. an bis Otto I.®) oft erwähnt”). 

Wie wiederholt bemerkt, ift aber bei vielen Abgaben an ven König 
nieht Die Hechtönatur zu eriennen: außerhalb Churrhätiens ift für 
bie Öffentliche Grunbftener nicht zu vermuthen, — vorbehaltlich bei 
Beweiſes — find vielmehr Eigentum over andere privatrechtliche 


beutet nr Abtretung ihrer „Leiftungen“, nicht bes Eigeutbums an ihnen (arg. 
»liberi hominis«). 

1) Geste Frano. ©. 10, 15. histor. Fr. p. 2362 vite St. Remigii p. 29 
(von Hiulmar) gesta Francorum c. 10 tota illa terza vastata sub tribute ser- 
vire fecit. c. 15; vielleicht iſt an bie röwmifche Orunbfteuer zu denken: doch auf 
biefe warb Blich vom Rhein keinesfalls durchgeſetzt. Merkel, de republice A. 
p. 6. folgert zu viel aus deu unglaubhaften Stellen. 

2) ©. Auer, Lex V. 1. c. p. 448. 

8) Daber TEL 1, 2 res publicus. 

4) Lex Rom. Eur. I. 2, 2. VL.I.X. 5 (ogf. Zeumer LELR G. X. 
S. 42, 44, vgl. IH. 19, 2. XIX. 2; and In Vale foldhe beneficia Brumme 
Berliner Sitz⸗Ber. 1886. ©. 1184 1. 

5) &. die Stellen bei Waitz VIU. ©. 389. 

6) v. Wyß, p- 30, aber vicht Heiucich IL — W. U, LM 213, p. 253 halte 
ich für falſch. 

7) ©. eben ©. 589. 


083 


Grundlagen!) anzunehmen: »census« und »tributus« bezeichnen 
beide Arten?), alfo gewähren biefe Ausprüde keinen Aufiehlug 9). 

Solche privatrechtliche Abgaben werden von Freten entrichtet, bie 
auf Krongut fieveln: biefe Zinfe ſchenkt Ludwig a. 839 Metchenan?). 

Berner: auch die ftatlichen Steuern wie bie privaten Zinſe be- 
ftanden oft in Naturalten: fo im Oftfeanten®): fo daß auch hierin 
fein Unterfcheidungsmittel Liegt: aber begrifflich find beide von ber 
Rechtsgefchichte doch zu fcheiden®). 

So wird boch unterfchieven 1) was dem Grafen, 2) was bem 
Fiscus a) als census, b) als tributum gefchuldet wird von 47 mansi: 
nur 1) wird Sanet Gallen geſchenkt, 2 a) und b) dem Fiscus ge- 
‚wahrt”), Weber census noch tributa noch Frohnden, zumal Pflug- 
frohnden, noch andere Keiftungen, functiones, dürfen mehr eingeheifcht 
werben. 
Aber oft bleibt auch hiebei 8), wie gejagt, Grund und Urfprung von 
census (seu tributum) dunkel: fo bei dem, ben jährlich der Eritgan, 
Apphagau, Allgau und Breisgau dem Fiscus zahlten‘). So tft nicht feft- 
zuftellen, worauf die Schakung freier Leute im Argengau (de Argen- 
gevve) berubt, ber, im Unterſchied von ben übrigen Gauleuten, zu 
bezahlen war und zwar mehrere Menſchenalter hindurch: ausprüdlich 
wird dies als ausnahmsweiſe Belnftung, abweichend von ber ben übrigen 
Alamannen durch das »Pactum« gewährleifteten Freiheit bezeichnet: und 
nun kaufen fie fich unter Ludwig dem Deutſchen a. 867 von biefem 
census, wie ihn ihre Vorfahren entrichtet Haben, los, indem fie bem 
Fisens neum volle mansi mit den dazu gehörigen Unfreien überweiſen; 


1) So auch Waitz II. ©. 256. IV. ©. 1186. 

2) Census und tributum gleichbebentenb: cenaus seu tributam Bämge 
Reg. Bad. p. 69. a. 39: aber auch unterjchieben tem ex censum guam ex tri- 
butum vel alia qualibet re, Neng. N. 191. a. 817. 

8) Bel. v. Sybelꝰ ©. 425. 

4) Diunge 08. 

5) W. U.IL 166. a. 960 in Honig und Kleinvieh (paltenae, sine Schafazt?); 
übex biefe steora, Steuer [unb Ostar-stuofa?) ſ. oben ©. 579, — Sifteropfergaben 
und unten. 

6) Schärfer ale Wei V. ©. 248 thut. 

7) W. U. L 79. Beng. 1. 191. 

® ©. oben ©. 579. 

8) Dümge Reg. Bad. p. 69. Lubwig L ſchenkt ihn m. 889. Reichenan; 
ebenfo bei dem von 47 mansi, theils an bie Grafen, theüls au den Fiecns, ent 
richteten: tam ex censum quam ex tributum ve} alia qualibet re Reugart 1. c. 


584 


fortab follen fie vor jenem census ficher fein und bie gleiche Rechts⸗ 
ftellung Haben wie bie übrigen Alamannen, „was man gewöhnlich ihr 
Phaath [= pactum] nennt)“. 

Phaath erffärt man?) richtig aus pactus — Recht, Gefeg ſdann 
auch vertragener (hier ift ber pactus Alam. gemeint) Zins, aber nicht 
nur Pachtꝰ). Sie waren bisher nicht bloße coloni®): denn fie ver 
fügen boch offenbar als Eigenthümer über die neun num aufgegebnen 
mansı. 

König Pippin hatte Sanet Gallen gefchenkt „freie Männer“ im 
Dreisgau in der Weile, daß dieſe freien Männer fortab dem Kloſter den 
bisher dem Fiscus entrichteten Zins zahlen follten®). 

Aber wie der König Tann auch der Privateigenthümer handeln. 
Ein freier Alamanne hat all feine Güter Sanct Gallen gefchenkt: bie vier 
Söhne übertragen auch ihr Recht und laffen e8 dem Klofter auf zu Eigen, 
jedoch fo, daß fie durch Precaria®) des Klofters die Güter zu Nießbrauch 
zurüd empfangen und dann dem Slofter biefelben Zinfe und Dienfte 
leiften wie bisher dem König und beffen Grafen: wenn ihre Söhne 
und andern Schwertmagen wollen, können fie in ben Vertrag gegen- 
über dem Klofter eintreten. Der Zins fol nach Möglichkeit in wilden 
Thieren entrichtet werben: foweit dies nicht möglich, wollen fie dem 
Klofter ebenfo zinfen und Lienen wie die andern Gauleute dem König 


1) Neugart N. 445. a. 867. Sangall. N. 527. II. p. 140. quod quidam 
homines de Argengawe deprecarentur celsitudinem nostram ut eis lioeret 
habere plenam legem quae vulgo dieitur phaath, sicut ceteri Alamanni, 
et se redimerent de tali censu, sicut illorum antecessores nostris antecesso- 
ribus persolverunt: nämlich fie entrichten zum Tauſch neun mansi ea videlicet 
ratione, ut securi essent de illo cengus et illorum legem quae vulgo dieitur 
phaath plenam habuissent sicut ceteri Alamanni. ©. oben ©. 220. 

2) v. Lexer III. ©. 223. 

3) Wie v. Maurer, Kronböfe I. ©. 405. 

4) Wie Merlel ©. 53. Weller UI. &. 334. verfteht bie Urkunde Lubwigs 
von a. 867. für Die Argengauer von Erſetzung bes römiſchen Rechts durch bas ala 
manntfche, aber es handelt fi um Losfauf von einem census. 

5) Liberos homines in pago Brisichava .. eo .. modo ut idem liberi 
homines et posteritas eorum censum quod ad fiscum persolvi solebant, parti 
praedicti monasterii exhiberent atque persolverent. Neug. 234. a. 817. 
Ludwig I. für St. Gallen Trad. Bang. N. 312. Diefe nennt Walahfrid Strabe 
gerabezut tributarios: v. St. Galli IL 11. tributarii .. quae vectigalia annua- 
tim regis redditibus inferre debebant. o. 15 tributa quae Pippinus fratribus 
(i. e. monachis) concesserat. 

6) Oben ©. 565 f. 


985 


ober Grafen zinfen und bienen!), von Krongut, nicht von ihrem freien 
Eigen; denn an bie Grundſteuer aller Sreien von ihrem Allod ift bier 
— in Wamannien und damals — wohl um fo weniger zu benfen, 
als das »proservire« offenbar noch mehr bebeutet als »censum« 
solvere; zwar liegt die Sache nicht Har. Doch fcheinen auch hier 
folde »tributariie gemeint, welche, perfönlih frei, mit Zinspflicht 
an ben Fiscus belaftetes Gut eignen, unbeftimmbar, woher bie 
Zinspflicht rührt: vielleicht aus einer Belaftung bei Wieder » Unter- 
werfung nach einem der häufigen Aufftände2). Daß nicht alle Güter 
Grundſteuer zahlten, gebt doch wohl auch daraus hervor, daß es bei 
einzelnen als etwas Beſonderes hervorgehoben wird ®). 

So bleibt unbeftimmbar das tributum von 21 Freigebornen an 
ven König, das diefer Sanct Gallen abtritt?). 

Unbeftimmbar ber census, den ein Vaſſall von Sanct Gallen 
dem Töniglichen Fiscus ſchuldets) und den Karl IH. ihm und deſſen 
Erben erläßt. Darüber wirb ein praeceptum tuitionis ausgeftellt®). 

Die census regiae potestati cedentes und bie pflichtigen cen- 
sarıi ?) find wohl privatrechtlicher, nicht ftatsftenerhafter Natur. 

Die Sahres-census und -tributa, bie Ludwig L aus alamannifchen 


1) Tradit. Sangall. N. 49. nos post haec exuti de omni re paterna nostra 
revestimus Wolframnum monachum et missum ipsorum per tribus diebus 
et per tribus noctibus et per beneficium ipsorum monachorum reintravimus. 
Das kann nicht heißen: „wir wurden reveftirt“, ſondern will jagen: „auch wir 
übertrugen” (revestimus) unfer durch bie Handlung bes Vaters (biefe war anfecht- 
bar durch das Beifpruchsrecht der Erben) uns nicht entzogenes Necht auf ben Ver⸗ 
treter ber Mönche unb traten banın burdh beneficium (Rüdgemähr, oben ©. 563) 
derfelben wieder in ben Beſitz des Gutes; et in ea ratione tradimus ut sicut 
debuimus regi et comite (sic) servire ita ipsam terram ad ipsum monasterium 
proserviamus et per beneficium ipsorum monachorum per cartulam precariam 
post nos receperemus .. et ipsum censum in silvaticas feras, quantum pos- 
sumus consequi, solvamus et quantum non possumus, quod oeteri paginsi 
nostri faciunt regi aut comite, ita et nos ad ipsum monasterium faeiamus; 
ihre Söhne follen dann ipsas res proservire atque possidere in benefioio 
ipsorum monachorum. Bgl. dazu von Wyß, 3. |. ſchweizer. R. XVII. 17. 

2) ©. oden ©. 582. 

3) Neugart, Urkunde von 831: ex eisdem locis census 11. p. 6. annalis 
ad publicam persolvebatur, wenn bier Stats⸗Grundſteuer gemeint if. 

4) Neugart 234. a. 828. 

5) Ad regium jus pertinebat .. ad regiam partem reddere debuit. 

6) Neug. 576. a. 887. 

7) Bon a. 901. Neug. 633. 


586 


Gütern bezog, davon er 1/, ober 1/,, Reichenau fehenktet), waren nicht 
Steuern, ſondern aus Eigenthbum u. f. w. fließende Zinfe: bie Neuntel 
und Zehntel biefer Einnahmen follen vor der Vertheilung unter tem 
Fiscus und ben Grafen vorweg abgezogen und dem Klofter zugeführt 
werben). 

Zuweilen nähert ſich dann bie feſtſtehende (Geld⸗) Steuer tem 
nach bem Jahresertrag berechneten Zehnt?). Auch bierin zweifelhaft 
tft der vielumftrittene Medemt). De ex wie an ben König (Herzog?) 
an Biſchöfe (3. B. von Freien) 5) entrichtet wird, fteht der Urſprung, 
ob fiscalifch oder privat⸗ rechtlich dahin, vielleicht fiscaliſch und daun 
beneficirt. 

Der dem König von Grundeignern im &au®) geſchuldete Jahres⸗ 
zins7) Tonnte vom König®) ganz ober theilweije einen Klofter geſchenkt 
oder einem Grafen als eine Art Amtseinkommen überwiefen werben ?). 

Lebrreih für viefe Verhältniffe ift eine Urkunde von a. 82610) 
Ein tributarius Gislamar hatte eine Hufe Sanct Gallen gefchentt 
(contradidit), da aber auf biefer ein trabutum an ben König rubte, 
mußte Zuftimmung des Königs erfolgen, weil ohne folchen nicht tas 
(tributfreie: denn Sanct Gallen hatte längft Immunität, auch für 
allen Neuerwerb) Eigenthum auf das Klofter übergeben konnte. Nach 
biefer ertheilten Zuftimmung vepräftirt das Klofter die Hufe (gegen 
Zins) der Tochter des einftweilen wohl verjtorbenen tributarius. 

Bon den mittelbaren Steuern — Zöllen — und den Gebühren 
gilt im Allgemeinen das früher Exörterte!). Die römilchen Ein- 


1) W. V. I. 102. a. 839. 
2) Ad nostrum vel oomitum nostrorum jus-opus |. c. == pars. 
3) VIII. 5. 
4) Mai pis? Graff LI. &. 708. Schade &. 584 und I. Grimm daſelbſt [1/, ?} 
5) Unrichtig Über >meden« (nicht meden) Waitz VII. &. gegen Grimm. 
a. Schr. V. S. 809. Nach Meilen J. S. 597 tft ber Medem eine (falkiche) 
Grundſtener au den König, beſtehend in ber VIII. Garbe von Kornulaud [??], wer 
heben von Zins und SBtuofa. Ueber bie Berbreitung bes Medem Erasmer 
©. 291, aber weber war er Entgelt für ben Gemeinden Aberlaftenes uubibaustes 
Land, noch betrug er Reis minbeften® 1/, des Grtrages. 
6) Pagenses, oben S. 85, 164. 
7) Consus de mansis Wirtemb. Url. 8. N. 79. a. 817. 
8) Quod anais singulis Üsoo in ferrii (ic) salebent Cod. St. Galli N. 312. 
9) Biele Beifpiele von a. 750==900 bei Sanet Ballen N. 312-662. 
10) Nengart 226. 
11) Könige VII. 3. &. 119 f. VIII. 5. S. 39 f. Wetzel, Das Zolluecht ber 
Deutſchen Könige von ben Älteften Zeiten bie zur Golbewen Bulle, Gierke, Unter 


587 


richtungen 1) Itegen auch bier zu Grunde. Der Vinſtgau war von 
den Römern zollamtlich zu Gallien geichlagen?). 

In Zürich war eine römiſche Zollitation zur Erhebung tes gal- 
Itichen Eingangszolles von 21/, Procent?) fowie eine fiscalifche Töpfereit). 

Die Tarolingiihen gehäuften Bezeihnungen für vielerlei Zoll: 
Arten) verjchwinvden®) und werben burch nen anflommmenbe erfekt, 
5 B. pedagium — Brücken⸗ und Fähr-Gelp. 

Aber daß bie Karolingifchen Gränz⸗, d. h. Einfuhr- und Ansfuhr- 
zölle7) ſelbſt ganz verſchwunden feien ®), ift nicht anzunehmen: gerabe 
für Alamannies find noch ans ſpäterer Zeit, unter Otto II. und Kon⸗ 
rab II., bei ven Clufen und bei ver Brüde zu Ehiavenna Zölle be- 
engt?): Dagegen bie Zölle ver Rheinfchiffe1%) waren Yinnenzölle, da 
damals ver Rhein von ber Quelle bis zur Mündung nur durch Reichs⸗ 
gebiet floß. | 

Reich ergiebig waren dieſe Brückenzölle (des Königs) anf den Straßen- 
durch Alamannien nach Italien!!. Den Brüdenzoll über ven Lech 
bei Augsburg ſchenkte ver Biſchof Sauct Afra 2). 

Der gefcheiterte Berfuh Karls, Zölle nur von Kanfleuten, nicht 
von andern Reiſenden, gun erheben 13), wird in biefer Zeit nicht wieber- 
holt, wohl aber fpäter burchgeführt1). Im biefer Zeit (und noch 
unter Otto L) warb ber Zoll beiim Kauf entridhtet1®). 


fnchungen 43, 1893: Über ben germanifchen, privaten ober römiſchen, ſtatsrecht⸗ 
lichen Urſprung ©. 7, ohne Zweifel richtig für diefen vgl. Könige VII. a. a. O. 
VID. a. a. DO., die Merovinger haben das vorgefunbene Nömijche zu Grunde ge 
legt. Zollcapitularten S. 12. Arten ber Zölle S. 3, aber nicht befonbere Wafjerzölle: 
dieſe find Gebühren oder gewöhnliche Zölle S. 3, 9. 
1) Über Möntifche und fränktſche Ze Gaener ©. 31. 
2) Urban ©. 14. Warum? 
3) Keller, Mittheil. XII. S. 289 (Juſchrift). 
4) D. 8. P.: d.h. Doliare Stationis Publioae Mouumfen, Mittheil. X. 
5) Amige VOL 56. B. a. a. O. 
6) Waitz VIIL S. 298, wo portatious als Fährgeld dargeſtellt wird, weder 
won porta noch von portus, ſ. aber Könige VIII. 4. ©. a. a. O. 
7) Könige VOII. 4. ©. a. a. 0. 
8) Waitz VIIL ©. 294. 
9) Waitz ſelbſt a. a. O. 
10) Neug. IL. p. 23. 
44) Elfen, Chiavenua Wei VIII. ©. 1. 12) a 4. O. 
13) Könige VIII. 5. S. a. a. O. 
14) Unter Konrad III. Waitz VIII ©. 287. 
15) Mohr (Eher) N. 49. p. 71; Grandidier I, 197. 


588 


Merkwürdig ift in ber (echten) Urkunde für den Biſchof von Chur 
von a. 8431) die Fälfchung?), wonach hinter 5 Töniglichen ein biſchöf⸗ 
liches Schiff auf dem Wallenſee ohne Zoll und Zins benutzt werben 
barf,. 

Für einen einzelnen Händler aus Italien erbittet Alkuin Zoll⸗ 
freiheit bei Nemedius von Chur (geft. c. a. 820)4). 

Ludwig das Kind verleiht Zollfreiheit auf dem lacus Rivanus 
dem Bifchof von Chur für jedes (fünfte) Schiff nach vier Töniglichen®). 

Defonders einträglih waren bie mit Marktrechten verbundenen, 
meift gleichzeitig vom König an Kirchen, Klöfter, weltliche Nieder⸗ 
laſſungen verliehenen Markt⸗Zoll⸗Rechte 6). 

Eine Marktſteuer von Weinverkauf kennt ſchon dag Capitulare 
de villis”?). 

Die Äbte von Sanct Denis haben feit Karl a. 808 ein Markt⸗ 
recht (vd. h. die Marktzölle und Gebühren zu erheben) in ber cellula 
Hetfilingen (ERlingen) im Nedargaue am Nedar, beftätigt von Lubiig 
dem Deutſchen, ber fie in feinen beſonderen Schuß nimmt®). 

An einen vicus einer Kirche ift ein Mtarktrecht?) gebunden, bas 
zufammen mit zwei Bauplägen 10) am Ort von Fulrad Sanct Denis 
geſchenkt wirb11). 

Zum Vortheil des Verkehrs wird erbeten ein Marktrecht Sand 
Gallens zu Rorſchach in Betreff des nah Nom oder nach Italien 
Reiſenden 12). Später verleihen auch Biſchöfe und Fürften Marktrechte 
ohne Bewilligung des Herrſchers. 


1) Mohr I. p. 41. R. 26. 

2) Nachgewiefen von Böhmer-Mühlbacher I2 p. 453. N. 1096. 

3) Beflätigt Durch Lubwig ben Deutfchen a. 825..Mohr R. 28. p. 43. 

4) Monum. Alec. p. 709. a. 791—804, 

5) Mohr N. 28. p. 45. 

6) Könige VIL 3. ©. 124. VIII 5. S. 41. Weber das Marktweſen uub 
fetne Gebühren (zumal in ber Folgezeit) Mohr I. R. 49. p. 71. U.B. J. R. 210. 
p. 248. 

7) c. 62. p. 185. Könige VIII 5. 

8) W. U.I. 141. a. 866. Neug. N. 439. 

9) Du Cange V. p. 288. 

10) 1. c. sessis — sedibus Du Cange VII. 495, 359. W. U. 19 andre 
Faſſung, fogenanntes kleines Zeftament Fulrads lief cum fossis eorum b. $. 
ber Salzpfanıten, patellae. 

11) W. U. 18. Neug. I. 67. a. 777. 

12) Wartnaun IIL p. 16. N. 796 (aber erft unter Otto L) 


589 


Die auf altem Recht!) beruhenden Zollfreiheiten ber Pilger 2) 
werben von ben Zollherren nicht ſtets berüdfichtigt. 


c) Autbringende Hoheitsrechte?). 
a) Strafgelder. Gebühren Einziehung. 


Wie im ganzen Reich bilden auch hier gar häufige Einnahmen bie 
Bermögensftrafen : jo das große und das Kleine Friedensgeld von 60 und 
12 sol. *), bie theils dem Töniglichen, theils dem berzoglichen Fiscus zu 
entrichten waren). 

Der Bann von Herzog, Graf und Gentenar beträgt 12, 6 und 
3 sol.®), aber von 638— 700 und auch fpäter bis zur Befeitigung ber 
Herzogſchaft z0g ber Herzog wohl Manches ein, was dem König 
gebührte. Auch Hier wird Anfechtung von Schenkungen mit einer 
Brüche an den öniglichen Fische bebroht ”), die manchmal auch wohl 
ganz unbeftimmt bleiben®). Zweifelhaft ift, ob auch in biefen Jahr⸗ 
Hunderten ſchon wie in viel fpäteren Gebühren auch für Diplome von 
König oder Herzog für die Kanzlei erhoben wurben?). 

Schon Chlodovech zog gewiß das Gut bes gefalinen Königs ein 10); 
Das Gleiche geſchah (a. 746) bei Befeitigung des Stammesherzogthums 
mit dem herzoglichen Hausgut, das durch infidelitas verwirkt war. 
Die Königsländereien in Alamannien waren aber fchon zur Zeit bes 
Pactus zahlreih 11). Karl ver Große erwähnt 12) die Erwerbungen von 


1) Könige VII. 1. a. a. ©. VIIL 2. a. a. ©. 

2) Watt VIII. S. 310. 

3) Könige VII. 3. ©. 129. VIII. 5. ©. 55. 

4) ©. unten „König und Herzog“. 

5) L. 3441, p. 9—101. 

6) L. 27, epitome 8. p. 9. 

7) In Privaturkunden: Mone, Anzeiger 1838 p. 439 cogente fisco exsolvat; 
f. oben ©. 3195. 

8) Cod. Trad. Sang. 231. N. 393. Wartmann II. 409. a. 850. |. oben 
©. 3i8 f. 

9) Wie allerdings auch damals fchon Taren für Privaturfunden Legg. I. 
p. 121, 361. vgl. Th. v. Sickel J. a. a. O. 

10) Dagegen fehlte in ſolches bei den a. 536 Abgetretenen. Anders Stälin (B.) 
©. 171. 

11) L. Alam. 23 coloni regis 31. ourtis regis vgl. Ildef. ab Arx. Ser. II. 
p. 62 und Stälin (8. I. ©. 34. 4—346. 

12) Neugart, Nro. 110. a. 790. 


590 


Krongut in Alamannien durch feinen Vater und feinen Ohm Karmann, 
ver ebenfalls infidelitas in großem Umfang ftrafte?). 

Bolle oder theilweife Einziehung breht bei Sonntagsarbeit unt 
bei Verlegung ter Eheverbote?). Nicht Recht, Willfür ift es, zieht 
ber Fiscus nicht nur das noch von einem Hochverräther befefine, auch 
das früher von ihm rechtsgültig einem Klofter gefchenkte Gut ein; 
dies giebt Ludwig I. nach burchgeführter inquisitio®) zurüd. 


ß) Münzhoheit. Münzwefene. 


Das Münzfnftem war im Weſentlichen das fränkiſche6): alſo ein 
Pfund Gold = 72, 84 Solidi, eine Tremiſſe feit c. a. 550 — 


1) Urgefch. III. ©. 847. Bouquet V. p. 753. a. 7%. Fredig. cont. 115. 

2) L. 38, 39. p. 98, 99. Form. Aug, Coll. B. Form. p. 357. 

3) Könige VIIL 4. ©. 114, Neugart 196. a. 818. 

4) Könige VII. 3. ©. 135. VIII 5. ©. 59. D. G. Lb. S. 713. Merkel 
de rep. &.9, 30, 36, f. aber bagegen Waitz, Abhandl. I. S. 277; über bie saiga 
Soetbeer Forſch. II. ©. 325; Lelewel, numismatique du moyen-äAge I. 1835. 
Ueber merovingifche Münzen im Elſaß a. 520-752. Lelewel I. S. 43; über bie 
monetarii S. 57—61;; über die Münzflätten &. 7982; über Tarolingifche unter 
Karl S. 98f. Ludwig I ©. 108; über bie Münzarten ©. 111; Müngen ber 
„Barone” (?) in Deutſchland feit a. 870. ©. 118, 121, 135. von Verftett Berfuuh 
einer Münzgefchichte des Elſaſſes. — Beyſchlag, Münzgeſchichte Augsburgs. — 
Bilfinger, römiſche Münzfunde in Baden. 3. f. d. Gef. d. Oberrheins N. T. 
IV. 1889. — Engel et Serrure, trait& de numismatique du moyen-Age L 
1891. — Grote, Münzſtudien VIL VIII. Ueber rhätifche Münzen, v. Suvalt, 
Forſch. ©. 58. Röomiſch⸗alamanniſches Münzweſen, Wurftemberger I. S. 60. 
Hilliger, hiſtor. Vierteljahresichrift ed. Seeliger ILL. 2. 1900. Prou, les monnaies 
carolingiennes 1896. Pfaffenhofen, bie Münzen ber Herzoge von Alamaumien 
(anno? mir unzugänglich). 

5) Könige VIL 3. unb VIII 5. a. a. O. Das karolingiſche Munzſyſtem 
Hilliger, ©. 162; bie Eapitularten Engel et Serrure p. 65. von a. 803 unb 
a. 816 ©. 161. Ueber das alamanniſche Münzweien Das Wergelb und bie ge- 
ſetzliche Schätzung von allerlei Fahrhabe L. 75, 78, 79, 99, 16, 70, 72. Wilbe 
S. 337 f. 

1 obolus = 1/; Denar Waitz VIII. S. 295 

1 saiga — 1/4 tremisse = 1 Denar 

2 saiga — 1/g tremisse == 2 Denar L. 6,.2. p. 72. 

1 tremisse = 1/5 sol. = 4 Denar 

1 solidus = 3 tremisse, = 12 Bene 
vgl. Wait Über pie Münzverhältniffe in ben älteren Rechtsbüchern bes fränkägggen 
Neiches 1861 S. 18-(Abhandi. L) Verf; Geſch. IL 3, 2 ©. 317f. IV 2, & 79. 
Selten erjeint 1 siclus == 2 Denaren Cod. Laur N. 472.[aP} Du Cange.IL 
p. 470. Trad. Sang. 39, 84. 1 röm. Pfund Golb, bei Kark:b: Gr. die Erunb⸗ 


991. 


1/5 sol. — Yae. Yası Bfund Gold. Aber Schwankungen find häufig 
und nicht immer in Bebeutung und Begründung zu erklären). 

Andre Quellen?) rechnen nach Pfunden Goldes und Talenten 
Silbers: 1 talentum = 1 libra = 1 pondus; 71/, Pfund find aber 
fpäter = 150 sol., alſo 1 Pfund = 20 sol.?) 

Das Pfund pondus, libra, talentum bleibt lange das Tarolin- 
giſche = 20 solidi (sicli, Schillinge), der solidus zu 12 ‘Denaren, 
alio 1 Pfund — 240 Den.*). Geprägt wurden nur Denare, nummi, 
Pfennige und Hälblinge, oboli; Pfund und Schilling waren meift nur 
Nechnungswährungen. Gold warb nur gewogen, nicht gemünzt: 
fhon im IX. Yahrhundert nur ausnahmsweiſe (in Baiern bie Särer). 
Gold verhielt fich zu Silber wie 1:12, fpäter wie 1:89). 

Eine wichtige Rolle in der Gefchichte des Münzwejens ®) fpielen 
gerade bie Herzöge”) und andere Große von Alamannien. 

Seit c. a. 850 und 900 fcheinen die Herzöge®) ganz alige- 
mein? das Münzreht als Ausflug dieſer Herzogſchaft geübt zu 
haben 101. Später haben dann häufige Verleihungen bes Münz⸗ und 
Präge-Rechts auch an alamannijche Biſchöfe 19 ftattgefunden: fo follte 
ber von Straßburg in jeber feiner villae münzen bürfen 12). 


lage bes Münziyftems, hatte 327,45 Gramm Gold, daraus wurden 50 000 Denare 
geprägt. 1 heutiges Pfund Gold hat 500 Gramm Gold = 1392 Marl (R.Banb⸗G. 
& 14) beziehungsweiſe = 1395 Mark (K⸗Münz⸗G. 8 1 Werth incl. Schlagichab). 
Das. röm. Pfund verglichen mit dem heutigen Pfunb Gold alfo: 327,45 g mit 
500 g: entipricht einem Werthverhältniß von 919,59 Marl zu 1392 Marl. 1 röm. 
Denar = 1,827 Pfennige — circa 14/5 Pfennig. 
1) So bie Vita St. Galli p. 12. 
2) Bgl. Waitz VIII. ©. 374. Hilliger S. 169. Leninfon, Kleine Beiträge 
©. 383. 
3) Cap. Burchardi vgl. Wait Zeumer V. ©. 230. 
4) Waitz VIII. ©. 334; (daſelbſt ein fpätes Privileg für Augsburg: 1 Pfund 
= 270 Denare). 
5) Waig VIII ©. 337. 
6) Könige VL. 5. a. a. O. 
7) Plaffenbofen, die Münzen der Herzoge von Alamannien. — Soetbeer VI. 
33. 


8} Wer nicht auch Die Grafen, wie Grote VIII. ©. 37. 
9) Nur der von Kärnten nicht, nach Grote VIIL ©. 161. 
10) Beftritten, ob erft Hermann I. ober ſchon Beruhard I. vgl. Dannenberg 
&, 343, 1%, folge hierin. Waitz VIII. ©. 323. 
11) Salgmon n. Conßanz, Soetbeex VI, ©. 36. 
12} Grandidier. IL. p. 258. Daunenberg © ;10. Spätere Straßburger, 
Danussherg ©, 364. 


592 


ga, die Biſchöfe münzen ohne Lönigliche Verleihung: fo der von 
Augsburg. 

Straßburger Münzen werden anderen Münzftätten (Seh) al 
Mufter vorgefchrieben ). Wenn bie Bilchöfe von Augsburg den 
Namen des Königs gar nicht nennen, — autonome Bifchofsmünzen?) 
— fo erflärt fich dies aus dem Regensburger Vorbild?). 

Unter den Herzögen find e8 nur die alamannifchen, nicht bie 
baierifchen, Lothringifchen, fächfifchen, die mit dem Namen tes Königs 
prägen‘). 

Bon den Bilchofsmünzen erhebt oft der VogtS) einen Theil des 
Schlagſchatzes für fic. 

Ueber die jest auch berzoglichen, bifchöflichen®) monetari, 
ihre Gebühren, [farolingifch 1 sol. des Schlagichakes], bleiben bie alten 
Beitimmungen — doch mit mancherlei Aenderungen — in Kraft?) 

Münzänderungen, meift Münzverfchlechterungen, fowie Min 
fälſchungen, fowie deren Strafbebrofungen blieben fo Häufig wie 
ehedem 8). Auch nach saigae wirb immer noch gerechnet). 

Die Saiga 10) war der alte Silberbenar der Nömer, früher 34, 
feit Nero 96 —= 1 Pfund Silber: 12 Saigen = 1 Solibus, 4 Seigen= 
1 Tremiſſe, 1 Saiga = 3 fränkiſchen Denaren!!). 

Diefe alten „Säge-Münzen“, nummi serrati, von je den Ger⸗ 
manen beliebt, biteben bei biefen in Gebrauch, auch nachbem fie mic 
mehr römiſche Währung waren. Eine Saiga war — 3 fraͤnkiſchen 


1) Grandidier II. p. 166. 

2) Dannenberg ©. 8. 

3) So treffend Waitz VIII ©. 326. 

4) Waitz a. a. D. 

5) 3. 8. in Straßburg, wo er über Münzfälfchung richtet wie anbermärt 
ber Graf. 

6) Könige VIII. a. a. O. Wait IV. ©. 83. 

7) Waitz VIII. S. 342f. 

8) Könige VII. 5. a. a. O.; ſagenhaft ift bie Verwarnung Karls am feinen 
Sohn Pippin Watt VIII. ©. 342; anziehend die (fpätere) Entwidelung im Streß 
burger Recht a. a. DO. 344f. 

9) 3. 8. a. 797. W.U.I. 44. Neug. J. 125 und oft. Stälin (B.) L S. 3#. 

10) = Säge? wegen bes gelerbten Randes, serrata, Tacitus Germ. e. °. 
Stälin (S) I S. 111. 

11) [P] Stälin (S.) J. S. 111. Nach Mommfen römifches Münzweien &. 900 
1 xömifches Golbpfunb = o. 328 Gramm — 858 Mark, 1 conſtantin iſcher Gel 
fl = oc 5 Gramm = c. 12 Marl, 1 römiſches Silberpfund = c. 329 Gramm 
oc. 65 Mark, 1 biofletianifcher Denar — c. 4 Gramm = c. 58 Pfennige. 


593 


Denaren: fpäter ward ein Silberſolidus zu 12 Denaren ange 
nommen). 

In der meroningifchen Zeit aber hat es einen Silberſolidus nicht 
gegeben, nur den Goldſolidus, auch bei den Alamammen?2). 

Die Lex Alam. nennt ben denarius gar nicht: erft ein fpät- 
farolingtfcher Zuſatze) nennt denarfus und saiga und zwar als ba6- 
felbe. 

Der pactus Alam. kennt bie alte saiga — 1!/,. bes solidus, 
bie Lex gefchiweigt ihrer ®). 

In Gold rechnete man auch nach unciae, z. B. bei ven An⸗ 
fechtungsftrafen. 

Die Münzen eines gezahlten Kanfpreifes werben oft als gültig 
und volfwichtig amerfamnt>). 

Die Münzen eines Strafgelves müſſen fein®) fauter Gold, aurum 
obvictum, Rein-Golv’?). 

Wenig Sicheres wiffen wir von ven Münzftätten in Alamannien 9). 

Man?) Führt aus, daß von den Römerorten zwar nur Sumlorenne, 
Zülchencapelfe, bei Rottenburg und Tapddouvov 1%), Garten bei Freiburg, 
ihre Namen bewahrt, aber zahkreiche andere noch im IV. Jahrhundert 
gemünzt haben. Jedoch eine merovingiſche Münze im Kempten ift un- 
genügend bezeugt unb nicht wahrjcheinlich 11). 


1) Soetbeer IL. ©. 355. Digot III. ©. 320. v. InammSternegg I. S. 192. 
L. Baj. 12, 12. 17, 2. 

2) So richtig Soetbeer II. 320. &. gegen Merkel. 

3) Leg. IIL p. 132. 

4) Merkel a. a. O., Ueber eine saiga — fägenbes Schwein Nengart 167 
a. 809; aber ba es heißt in quocumyue pretio; tft hier doch wohl an die Münze 
zu benfen. 

5) Zeuß, W. 218 a. 715. vgl. 239 solidos probatos (al. probas) atque 
pensätos. 

6) (Statsarchiv Luzern) Wartmann II. 734. a. 904. 

7) Statt abrysum Du Cange VI. p. 18. 

8) Engel et Serure I. p. 89, 109, 118. nennen unter ben vielen Münz- 
ſtãtten bes Frankenreichs von alamanıtfdren (und burgundiſchen) zumal Straßburg, 
Züri, Conſtanz, Orb, Windiſch (wiederholt), Chr, Ulm [Hall ? Waitz VIII. ©. 332), 
Avenche, Bafel, Senf, Contreville (Bogefen), Grand (Bogefen), Bontpierre (Bogefen), 
Sahıt "Maurice. 

9) Weller, &. 333, 

10! Ptolem. II. 11, 15. 
11) Baumann, Kempten &. 111. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 38 


594 


Die Herzog Kunzo (Gunzo) zugefchriebnen „SGunzenpfenninge‘') 
find noch „verbächtiger" als der „Herzog“ felbit. 

Karolingiſche Mümftätten waren in Alamannien — fie — 
por allen Straßburg?) und Ehur?). 

Die Zahl der Münzftätten‘) warb allmäligs) groß, zumal af 
dem linken Rheinufer: aber bis c. a. 910 war bie ber rechtsrheinifhe 
gering 9). 

Uebrigens ift oft ſchwer zu unterfcheiden, ob die Münzen in 
Namen oder nur in Anerlennung ber Oberboheit bes Königs ven 
Herzog oder Bifchof oder fonftigem Münzherrn geprägt find’). Oft 
wird das Münzrecht zugleich mit dem Marktrecht verliehen, zuweiler 
befonders, auch ausgenommen, vorbehalten 8). 

Auch wo ein Marktrecht einem Klofter (Saint Denis in ein 
Nedar-Cellula) verliehen war, wurden boch die Münzen nım von be 
Krone (ad curtem) geprägt). 

Richtig erklärt man 10) die geringeren Bußſätze dieſer Geſetze ans 
bem geringeren Gelbumlauf; bie Preife bei Befchäbigungen find offen 
bar höher veranichlagt um bes Strafzwedes willen 11). 

Die weifen Müngorbnungen Karls12) wurden fchon bei 
feinen nächften Nachfolgern durch zahlreiche Verleihungen von Min; 


1) Merlel, de r. ©. 37. 

2) Ster gravis et levis moneta? Schon unter Karl? (pondus Carli 
Walt IV. ©. 64. 

3) Lelewel, numismatique du moyen-äge I. p. 111f. Stälin V.L6.2% 
Bol. v. Berſtelt, Verſuch einer Munzgeſchichte des Elfafjes (merovingiſche Trimkt 
zu Straßburg). 

4) Ueber Münzftätten in Königspfalzen Könige VILL 5. Hilliger ©. 16l. 
Th. v. Side I. S. 234. Köln als Münzflätte Karls. 

6) Vgl. ſchon Könige VIII. 5. ©. 

6) Könige VIII. 4. S. Waitz IV. &. 79, aber au VII. &. 327; äte 
das Gepräge Dannenberg ©. 15f., über Halb» Bractenten zu Zürich und Bald 
ion c. 1020. ©. 2. 

7) Waitz VII. ©. 346. 

8) Grandidier I. p. 197 (fpät). 

9), C. I.1.a. 818. c. 7. Legg. L p. 153, nad) Boretius. 

10) Stälin (V.) L ©. 233. vgl. oben ©. 335 f. 

11) Dannenberg, die Deutfchen Münzen ber ſächfſiſchen und fränkiſchen Kelle 
zeit (1876) behandelt erſt die Kolgezeit; Th. v. Sickel Acta II. p. 347 het ba 
früheren (Beiträge IL. S. 30) Widerfpruch gegen Soetbeer Forſch. VL © V 
(frühefte Münzrechtverleihungen) aufgegeben. 

12) Könige VII. 4. 


WM 


NT 


7° 


595 


rechten an Kirchen vereitelt, 3. B. von Ludwig dem Deutſchen an 
Straßburg !). 


y) Kein Boden», Wald», Jagd⸗, Fiſcherei-,, Berg- und 
Salinen-Regal?). 

Auch hier gab es wie im ganzen Srantenreich 3) Tein ſolches „Dber- 
eigenthum” und Regal). 

Die Einbannung der Wälder geichah wie bei ven Franten 5). 

Die forastis®), in der 40 Joch Bauland (terra culta) liegen und 
in welcher ver König den Klofterfnechten einer cellula Holzungs⸗ und 
Weide-Rechte gewährt, ift ein folcher königlicher Wald”). 

Irrig meint man®), jever Wald babe ſchon damals Forft ge- 
heißen. 

Daß die Krone nicht das Recht auf alle Wälder hatte, erhellt 
daraus, dag nur einzelne als Lönigliche Bannwälder — ausnahms- 
weife?) — bezeichnet und andre Wälder im Eigentum von Privaten, 
Klöftern, Gemeinden äußerft häufig erwähnt werben 19). 

Gegen ein Waldregal entfcheidet die Stelle 11), die nur einzelne 
beftimmte Wälber als königliche Bannwälber von der Nutzung Sanct 
Gallens ausnimmt (quae in regio banno sunt). 

Durchaus nicht Schon ein Jagd⸗ oder Wald⸗Regal ift das feit dem 
X. Jahrhundert immer häufiger geübte Recht des Königs, Wälder zu 
bannen, zu „forften“, d. 5. zunächft bie Kron⸗Wälder, dann auch 


1) Grandidier I. p. 258. 

2) Könige VIL 3. &. 79. VIII 5. &. 109. 

3) VIII 5. ©. 109. 

4) Auch Meitzens Anffaffungen fließen L S. 123, 130, 591 ein Boden, 
3. B. ein Wald-Regal aus; ber König hat in feinen — fiscalifhen — Wäldern 
freilich das Jagdrecht und zwar nicht bloß die hohe Jagd, wie ©. 130. 

5) Trad. Sangall. 680. p. 281 nemoribus, quae in regiobanno sunt: 
von Berg, Geichichte ber Deutichen Wälder 1871. Bernhardt, Geſchichte bes Wald» 
Eigenthums 1872. 

6) Neug. 394. a. 861. 

7) Bgl. Merkel, de rep. p. 47. Thudichum, Gauverfafl. S. 133. 

8 v. Berg, ©. 85, |. Grimm W. B. Kluge, ©. 86 (foras ober Föhre?). 
Schade, &. 214, ebenfo Schmeller. Bernhardt IS. 50, anders Bernhardt I S. 53. 

9) Neug. 596. a. 890. Gegen Walbregal auh Grimm R.A. J. ©. 346. 
v. Berg ©. 76; über Walbeigentbum ©. 129, 157. Bernharbt I S. 43 über bie 
Karolingiſchen Baunforfte ©. 54f. 

10) ©. oben Schweinemaft; abweichend Meitzen I S. 571. 

11) Mohr I N. 35. p. 54. a. 890. 

38* 


596 


beſonders Belehnter: erſt allmälig, unter Einfluß der Vorftellung vom 
Obereigenthum bes Königs an allem Reichsboden, erwächft ein wirt: 
liches Jagdregal ). 

Entſtehung der (ſpäten) Baunforſte aus den heidniſchen heiligen 
Hainen iſt nicht nachzuweiſen?). 

Nur herrenloſes Oedland gehört der Krone. So erkennt gerate 
für Wamannien ein Bürftengericht?). Doch verftattet fie oft ftill- 
ſchweigend Robung ). 

Bon Bergregal findet ſich troß häufiger Erwähnung von Gold⸗, 
Silber, Kupfer, Eifen-Gewinnung (auch aus Rheinſand) feine Spur). 

Sowenig wie ein Dergregal giebt es ein Salzregal: ein Herzog 
hat a. 720 Privateigen an zwei Salinen im Elſaß (eine in Marfal), 
bie er an Weißenburg um 500 sol. verlauft®). 


Gegen ein „Salzregal” zeugen bie zahlreichen VBergabungen von 


1) Ueber bie Karolinger, Könige VIE. a. a. O. Waitz IV. ©. 112; ſfalſch 
ift Die Urkunde Karls für Osunabrüch). 

2) Mit I. Möfer und I. Grimm R.⸗A.« 345. D. Mythol. I. S. 64, wergl. 
v. Berg S. 76. Bernhardt I S. 21, 47 über Bannforſte in Alamannien, Bogefen, 
Sagenau, Weingarten v. Berg S. 287—295. 

3) Beleler, Neubruch ©. 17: aber bie »Lex« Alam. enthält nichts davon. 

4) Beſeler, ©. 18. 

5) S. Ottfrieb bei Stälin (8.) I. S. 398. Gegen Schröder, ber ſchon 
für die Merovingenzeit ein Bergregal annimmt, f. bie maßvolle unb vor 
ſichtige Darftellung bei Waig VIE. S. 270, ber bie „erfien Spuren” umter 
Heinrich IT. c. a. 1020 feftftellt und frühere Stellen wiberlegt;. über zahlreiche 
Bergwerke von Privaten, Könige VIEL 45; über fiscalifche z. B. im Ser, Weit 
S. 371; über fiscaliſche und private Salinen viele Stellen, &. 273 Regalität 
nimmt, Arnbt folgend, ech Gothein, Geichichte des Bergrechts Im Schwarzineib 
©. 594, 613 an: aber bie Beläge find alle aus fpäterer — feubeler — Zeit. 
Für Bergregal im Sinne Schröbers and keinerwegs Zycha (1899), der für 
jene Zeit zwar „ein“ Bergregal [?] aber nicht das (fpätere) Bergregal aunehuen 
wil S. 12 (viel fpäter, früheſte Spuren von Gewerkſchaften f. bei Opet, bes 
Gewerkſchaftsxrecht nach deu Deutſchen Bergrechtsquellen, Zeitſchrift für Bergrecht 
ZXXIV. 1893. ©. 6ſ. 

6) Zah, W. 213. a. 729. in vioo Marselo dono (fehlt bas Objcch ad 
sal fasiendum une oum sesso m seden? (Ga Du Cange VIL p. 396: Benplas, 
Yier wohl Salbnengebãude), vel offieina oonstraste cum portu, cum emmelis 
estatili et omnibus utensilibus ad rationem hujusmodi meoeseitatis perti- 
nentibus; de una frente ourrunt canali; in alio vieo ad sal facriendum 
(fehlt Object). 





597 


Salzpfannen burch Private ohne eine Spur von ftatlicher Verſtattung 
bierbei). 

Pfannen zum Salzſieden gehören zu einem vicus2). 

Auch bier eignen Private Saltnen wie Weiden und „Berge“, 
wie wohl beſonders Almen ?). 

Gegen das Fifchereivegal enticheivet, daß ganz regelmäßig zu den 
Ausflüffen des Eigentbums ver Untertbanen, 3. DB. Sanct Gallens, 
ganz wie Holzung und Weiberecht auch das Fiſchereirecht aufgezählt 
wirb als ein Recht, wie es jedem freien Mann kraft feines 
Eigenthums zuiteht®). 

Der Wafjerbann ift offenbar ein befondres Recht), zufammen mit 
einem Zollrecht, Ftichereirecht in einem fiscaliichen Gewäſſer ®). 

Ein (ausjchließendes) Fijchereirecht gewährt der König dem Kloſter 
Rheinau im Rhein in einer beftimmten Strede je am britten Tage 
Tag und Nacht, unterhalb berfelben ohne Zeitbeſchränkung; ein 
Vifchereiregal kann hieraus felbftverftänplich nicht gefolgert werten. 
Der Rhein ift Rumen publicum’?). 

Ludwig I. fchenft a. 817 dem Marienkloſter zu Laufanne den 
Fiſchfang in der Gihl (Tela) bei Bürglen?). 

Ein Fiſchereirecht im Zurichſee ſcheint durch Erfiguing oder in 
unvorbenklicher Zeit?) erworben 19). 


d) Andere Einnahmen !i), 
Von der gemeinen Grundſteuer, die in Geld ober Gutsfrüchten 
beitebt, ift verfchieden ein Zins in anderen Dingen, 3. B. in wilben 
Thieren 12), ferae silvaticae, was auf befonberer Beredung beruht, denn 


1) Oben ©. 596 und 4 Fülle bei Waitz⸗Seeliger VI. &. 22. 

2) Fulrads, W. U. 18, Neng. 1. 67. a. 777. 

3) Trad. Sangall. 328. 

4) Mohr I.R. 35. p. 53. a. 890. talem usum qualem anusquieque liber 
homo de sus proprietate juste et legaliter decet habere in päscuis, pisca- 
tonibus, silvie. 

6) Grandidier II. p. 198. 

6) W.U.B. IN. 180 p. 209 piscatio ad regiam potestatem pertinens. 

7) Neng. 438. a. 870. 

8) Fontes Bern. I. p. 226. N. 46. 

9 Dahn, Grundriß ©. 22. 

10) Reug. 482. a. 875. piseationis usum illius loci. 
11) Könige VII. 3. ©. 154. VII. 5. ©. 122. 
12) Oben ©. 584. 


598 


in Ermangelung wilder Thiere ift ber gewöhnliche census ber Gau 
leute zu leiften!): Hier tft gewöhnliche ftatliche Grundfteuer durch 
Vertrag „novirt“. Im andern Fällen beruht aber bie vom Gewöhn⸗ 
lichen abweichenve Leiftung, 3. B. in Wein?), anf ehemals (nit er- 
fennbaren) privatrechtlichen Verhältniffen: fo, wenn?) Wein nur in 
guten Weinjahren zu leiften ift, in ambern Jahren ftatt befien 30 
Siklen Bier und 7 Malter Korn. 

In Franken und im Tauber⸗, Jagſt⸗, Mulach⸗, Nedar-, Kocher: 
und Gollach⸗Gau ward bie Oftarftuofa in Honig, Linnentüchern (?) und 
anderen Dingen entrichtet. Pippin und Karlmann fchenkten davon ein 
Zehntel an Wirzburg. Die Urkunde — alfo vor 748 ausgeftellt — 
ift verloren, aber brei fpätere Beftätigungen von a. 8894), 923 und 
993 5) bringen den wejentlichen Inhalt): 

Die Oftarftuofa aus Gegenftänden, die zumal für einen Opfer 
ſchmaus paffen: Honig, Eier, Hühner, Lämmer, Holz, allerdings and 
Gewande und (jpäter) Geld, fol”) fchon von Chlodovech auferlegt fein; 


1) Cod. St. Gall. N. 49. 

2) 15 Siklen, bazu ein Friſchling im Mindeſtwerth von einer Tremifie 

3) l.c. N. 328. 

4) W. U. I. 165. a. 880. 

5) Bol. Stäfin (8.) J. S. 155, 348. 

6) Decima tributi quae de partibus orientalium francorum vel de sclaris 
ad fiscum dominicum annuatim persolvere solebant, quae secundum eorum 
linguam steora vel osterstuopha vocatur... sive in melle sive in paltenis ! 
seu in alia qualibet redibitione. Ueber paltenis f. Rubhart, Aeltefte Geſchichte 
Baterns ©. 708: aber im ber einzigen Stelle bei Du Cange VI. p. 123 (histor. 
Fuldens. p. 31) fteht paltenas neben Widdern und Schafen, und berartiges peft 
beffer zu den fonfligen Reichniffen ber Oſtarſtuofa Könige VII. 3. &. 160. VIIL 
5. ©. 102; gegen bie Zurüdfährung von stuopha auf stoup (flauf), Becher, 1. 
J. Grimm, Ra. 4. Aufl. 1899. I. ©. 414 unb bie Nachträge in biefer neue 
Auflage: jedesfalls eine zu Oftern bei dem alten Frühlingsopfer und Frühlingk 
bing, fpäter etwa März ober Mai-Feld, zu entridhtenbe, urſprünglich wohl in Bei⸗ 
trägen zum Opferſchmaus beſtehende Abgabe: vgl. noch (noo freda nec stophe 
neo heribanno) Dümge Reg. Bad. p. 1. ca. 670—673, modium regis quod 
alias Stuff (1. stuof, Korn) nuncupatur bei Stälin a. a. O. ©. 348, bei Du Cange 
tributarius Romanus et Stopharius nominatur qui censum regi solvit.; Du 
Cange VII. p. 605, 596; baß biefe altgermanifche Laft auch römifchen Colonen 
anferlegt warb, begreift fi, ba fle auch anf Slaven ansgebehnt wird; über stop 
unb andere Leitungen an ben König v. Inama-Sternegg I. ©. 131. 


7) Nah Stälin f. S. 67. 


599 


bagegen fpricht Doch, daß fie auch den nunmehr im Württembergifchen 
Franken angefiebelten Siegern auferlegt !) wird. 

Dem Herzog Liutfrid von Elſaß — nicht dem König — ſchulden 
c. a. 737 neun homines Fredum, Stuofa und Haribann (d. h. Zins) 
biefür. Unklar bleibt abermals, ob dem Herzog als folchem oder, wie 
wahrfcheinlicher, aus privatrechtlichen Gründen 2). 

Die Oftarftuofe entrichtenden Slaven find offenbar im Nordoften 
von „‚Frankonien“ (Bamberg) zu fuchen?). 

Der »modius«, „Schäffel”, regis warb natürlich in gebrofchenem 
Getreide entrichtet, nicht, wie ver Zehnt, als zehnte Garbe. Anders bie 
alte, echte stuofa. Durchaus nicht ift fie bie a. 496 von Chlodovech 
auferlegte Grundſteuer: dann müßte fie alles bamals unterworfene 
Land treffen. 

Der heribannus, ben man nur von Grundeigenthum zu zahlen 
hat, nicht von Precarienbefigt), Tann die gewöhnliche Heerbannbuße 
fein, — die Urkunde ift jünger als Karls Erleichterungen®), — aber 
auch der Beitrag nur der Grundeigner als Kriegsſteuer %): Teinesfalles 
beweift die Stelle, daß die Wehrpflicht grundſätzlich nur die Grund- 
eigner traf. 

Aber immer noch Heerbann heißen bie Naturalfeiftungen ver zu 
Haufe Bleibenden, zumal der Abhängigen, baher servilia mansa”), 
wie früher ganz allgemein, aber nicht ausfchlieplih. ‘Diefe find 
gewiß nichte) neu eingeführte Heerftener, ſondern Weberbfeibjel 
der Einrichtungen Karls?). 


1) Merkel, de r. S. 39 meint, nur bie censuales entrichteten bie Stuofa, 
bie Freigeboruen fredum und Heerbann. Aber 1) baß Die bie stuofa entrichtenben 
censuales hiefen, verfteht fih: denn fie war ein census, Grimm, R.⸗A.s ©. 
414; 2) daß Freigeborne bie stuofa nicht entrichteten, iſt wicht erweislich: 3) cen- 
sualis und ingenuus if fein Gegenſatz; 4) auch freie censuales hatten fredum 
und Heerbann zu entrichten: Über bie Doppelbebeutung von haribannus VIII. 
3. ©. 224f. 

2) Zeuß, W. N. 12. p. 20. 

3) De partibus orientalium Francorum vel de Sclavis Mon. Boica 28, 
N. 71. a. 889. Arnulf. 

4) Neugart 179. a. 812—814. 

5) Könige VIII. 3. ©. 223. 

6) Könige VID. 5. S. 92. Kötzſche S. 234, 

7) Schöpflin I p. 199. 

8) Könige VIII. 3. S. Waitz IV. ©. 525. Zeuß, W. p. 271f.; fürKhä⸗ 
tien (fpätere) Beläge bei Planta p. 528. Mohr N. 99. p. 140. bei Waig VII. 
©. 159. 9) Wie Walt a. a. O. meint. 


600 


Einige Zeit hindurch (im IV. Jahrhundert) bilveten bie (vertrag 
mäßigen) Geſchenke“ Roms eine regelmäßige Einnahme biefer Könige". 
Man meint?), fie wurden an das AU-Ding aller Alamanuen entrichtet 
(das gab es aber nur, feit Ein König waltete) und von biefem an tie 
einzelnen Könige vertbeilt; viel zu fünftlich gedacht: vie Römer ſchatzten 
jedem bejchwerlichften König. 

Dann empfing wie ber König fpäter auch wohl ber Herzog Ges 
Ihente von fremden Fürſten wie von Untertbanen®). Fremde über: 
feeifhe Gaben werben gern entgegengenonmen.. So ſendet ein 
Biſchof (?) Salomon Ludwig dem Deutichen (vor a. 876) ein lauch⸗ 
grünes Heines Pallium und eines von Glanzftoff, Palmzweige mit 
ihren Früchten, Cynamom 4, Galgant, Cariofil, Maſtix, Pfeffer, 
Feigen, Granaten, einen Elfenbeinkamm, Seidenwürmer, vermicularii, 
cocci, (lebende) Cicaden, Papageien (aves psitacos), eine weiße Amſel 
und ven langen Stachel eines Meerfiiches (Schwertfiich ?) 3). 

Auch der Herzog ließ fi wohl wie ver König‘) für Verleihung 
oder Beftätigung von Beneficien Gelb bezahlen: freilich hatte er nur 
wenigere und geringere zu vergeben. 

Zuweilen haben bie (pflichtmäßigen) „Geſchenke“ ber Kiöfter an 
ben König fehr geringen Vermögenswerth, ſollen nur bie Zugehörigkeit 
ausprüden ”). 

Biſchöfe, Vögte und Weltgroße erheben zu allerlei, zumal and 
Kriegszweden, fogenannte Bitt-Reiftungen®) von ihren Abhängigen: 
bies wird befonvers häufig von den Vögten, aber auch von ben Bi- 
fhöfen, Aebten, Herrichaften ſelbſt mißbraucht. 

Zu dem ordentlichen wie aufevordentlichen Einnahmen zählen aud 
bie Gefchenfe ber Klöfter an ven König?) (und den Herzog?), falls er 
bei ihnen Hof Hält oter mit Bitten angegangen wird, 3. B. unter 


1) Ammian. XVII. 10. XXVL 5. 

2) Albrecht p. 5. 

3) Könige VII. 3. ©. 160. VIH. 6. S. 101; über bie Zmangsgefchente, 
zumal zu gewiſſen Feſtzelten f. oben Oſtarſtuofa. 

4) Könige a. a. O. 

5) v. Dümmler, Formelbuch ©. 122. zu Coll. F. Sang. 29. 

6) Wait VIII. S. 409, z. B. für Schwaben. 

7) So da8 von Reichenau Neng. 437. a. 866. 

8) Ueber die Namen und ben Urfprung „freimilliger" (?) Steuern: Beben, Roth 
beben, Precarten, Zeumer, Stabtfieuern ©. 10-46; bereg wiberrehtiiche Erzwin⸗ 
gung yigt W. U. B. I. N. 222 p. 263 petitionum .. importusites. 

9) Könige VIII. 4. 


601 


Ludwig dem Kind!) und fpäter von Sauct Gallen?). Aber auch 
als Kriegsleiftung?) Waffen und Rofle‘). 

Nicht freiwillige Gefchente, pflichtmäßige Abgaben ver Klöfter find 
die häufig erwähnten jährlichen von je zwei Pferden mit Schilpen und 
Lanzen (Sanct Gallen) oder ein Pferd, ein Schild, eine Lanze 
(Reichenan) 5). Das jährliche »donum« Neichenau’s Heißt »servi- 
tium« ®). 

In ähnlicher, nur nicht fo ausgebehnter Weife wie an ben König 
werben wohl auch an ben Herzog von Kirchen und von Laien „freie 
willige Ehrengeſchenke“ bargebracht, die aber thatfächlich allmälig als 
gefchufvete aufgefaßt werben ”). 

Die Verpflegung (servitium) bes Königs und feiner Beamten bei 
ben Reifen im Weiche durch bie Kirchengüter beruht Teineswegs auf 
feinem Eigenthum ober anbrem Recht am Kirchengut: das gleiche Necht 
bat der Herzog und bat auch gegenüber Laiengütern der König: viel- 
mehr ift dies ſchon merovingifch®). In den eignen Pfalzen des Königs 
ift das Maß ber Leiftungen in Sachſen, Baiern, Franken verfchieden 
beftimmt®). Aehnlich vermutlich in ben herzoglichen: für Alamannien 
fehlen die Angaben aus ber ftaufifchen Zeit, weil damals zwifchen 
Kron- und Herzoggut nicht unterfchieven warb 19). 

Sankt Gallus fchuldet als Grunbeigner dem Biſchof von Eon- 
ftanz das mansionaticum 11), früher wohl dem Fiscus. 

In Chur Idfen bie Stiftsleute die Weinlieferung an die — von 
ihnen zu verpflegenden — Königsboten durch eine Geld⸗ und Viehskeiftung 
an das Stift ab12), das dafür jene Weinleiftung übernimmt. 


1) Dronke N. 652. 

2) Ekkeh. p. 146, 248. 

3) Könige VII. 4. 

4) Wartnann IL N. 706. p. 308, nach Ludwig bem Deutfchen 1. c. N. 434. 
p. 53. Weng. L S. 338. 

5) VIII. 5. a. a. O. vgl. Ställe (9) I. & 349, atatuimus, ut annuatim 
dona (!) veniant ... regia dona .. secundum oonsuetudinem aliorum mana- 
steriorum, Ratperti casus St. Galli Mon. Germ. Ser. II. p. 69. 

6) Neug. N. 417 (437) a. 863. 

7) Könige VII. 3. VIII 4. 

8) Könige VIL 3. 

9%) Wei VOL. ©. 231. 

10) Bermuthet Weit gewiß mit Recht. 
11) Könige VIL 3. ©. 146. VIIE 5. &. M. Neugart 179. a, 813 814 
12) Die ourtis dominica, Planta Rhätten ©. 528. 


602 


Sehr Häufig wird in den Weißenburger Urkunden bem Aloſter 
freigeftellt, da8 servitium!) vem König in Naturalien oder beftimmten 
Geldanfchlag zu entrichten 2). 

Die Oftfranten benachbarten Slaven zahlten dem König eine 
Schatzung, beren zehnten Theil ſchon König Pippin (und beffen Rad: 
folger) der Bifchofskicche zu Wirzburg überwiejen®): er beftand in Honig, 
paltenaet) (?) und andern Leiſtungen (oben ©. 598). 

Zu Schagungen an ten Alamannenberzog verpflichtete Wöller gab 
e8 nicht wie bei ven Slaven an ben fächftichen®) Herzog Gelegenheit: 
auch Forderungen, wie fie anderwärts die Markgrafen an vie Marl. 
faffen haben®), kommen Hier (auch in Rhätien) nicht vor. 

Dann ift zu erwähnen das Beuterecht des Königs: d. H. nicht auf 
alle von dem Heer gemachte Beute, nur anf einen — reichlich bemefjenen 
— Antheil. Giebt König Gibuld Sanct Severin Gefangne frei, fo 
find das auf den Theil des Königs Fallende over ihren Herren Abge⸗ 
faufte?). 

Bon (andern) den römiſchen Provinzialen auferlegten Steuern und 
Zöllen find in Alamannien bisher nur felten Spuren gefunden 
worben 8). 

Nur in Churrhätien bat fich auch hierin manches Römiſche er- 
balten: fo werben als sordida munera aufgezählt‘): Mehl—⸗ und 
Brod⸗Lieferung für pas Heer, Kall-, Butter-, Kohlen⸗Lieferung, Stel 
lung von Poſtpferden und Boltwagen, Verpflegung von burchziehenven 
Truppen, Baufrohenden an Staats- ober Kirchengebäuden, Brücken⸗ 


1) Könige VIII. 4. 

2) Zeuß, W. p. 274. 1/s carrada ober 10 Den., p. 275. Pech ober 10 Den. 
ober eine carrada. 

3) W. U. I. 165. a. 889. 

4) Du Cange VI. p. 123. fehlt unfere Stelle: in der einzigen, bie er an⸗ 
führt, histor. Fuld. p. 31. ſtehen fie zwifchen Widdern und Schafen, alfo wohl 
eine Art Kleinvieh, oben ©. 598. 

6) Watt VIII. ©. 372. 

6) ©. 391. a. a. O. 

7) Eugippius vita St. Severini e. 19. oben ©. 50. 

8) Urfprung und Bedeutung bes Namens decimates, Zehntlanb, finb be⸗ 
firitten. Bgl. v. Saviguy, über bie römifche Steuerverfaflung, Abhandl. d. Ber 
Iiner Akab. 1822. 1823. Stältn (V.) I. &. 90. 

9) Cod. Rh. VI, 16. de extraordinariis sive sordidis muneribus 18 a. 3%. 


603 


und Wege-Frohnden, Einziehung von Gelb ftatt Aushebung von Re⸗ 
eruten?). 

Vectigal bebentet nicht bloß Zoll, auch Fahrzeuge zu Land und 
Schiffe, Pferde, auch Fuhrfrohnden, die der Unterthban dem Stat zu 
leiſten bat 2). 

Der Privatunternehmer eines Werkes des öffentlichen Wohles 
miethet die Arbeit von den Unterthanen: er wird vom Richter angehalten, 
den verjprochenen Miethlohn zu bezahlen. Davon tft zu unterfcheiden 
ter Beamte (actor), ber von ben zur Stellung jener Fahrzeuge u. ſ. w. 
oder zu Fuhrfrohnden verpflichteten Unterthanen folche einbeifcht: wer 
bier mehr forbert, als Geſetz oder Gewohnheit beftimmen, ober, be- 
ftochen, die Einen zu wenig, bie Andern zu ftart belaftet, wird mit 
tem Tode beftraft; man fieht, wie arg biefe römijchen Finanzmiß- 
Bräuche — ſchon unter Conftantin — überhand genommen hatten. 
Auch foll ein folcher actor hiermit nte länger als drei Jahre betraut 
werben?). 

Hier warb auch von dem Handelsverkauf die alte römijche Ge- 
werbefteuer, auraria, nach Hundertſteln bes Kaufpreifes erhoben 4): aber 
nur bei gewerbemäßigem Verkaufb). 

Spät und vereinzelt ericheint ein Bannrecht des Weinverfaufs e). 
Im Elſaß gab es (fpäter) auch Bannfchenken”. 

In Rhätien wird gewährt Folgerecht des Fiscus bei Verluft ber 
testamentifactio8) und Mangel an gefeglichen Erben. 

Gütereinziehungen in Alamannien trafen wie a. 496 und fpäter, 
zumal auch im Breisgau, wohl Theutbald und beffen Anhänger?). 

Eingezogene Güter wurben zu Beneficium gegeben 1). 


1) Temo, Du Cange VIII. p. 48. 

2) Epitome Aegidii vectigalia sunt naves, carra vel reliqua vehicula, 
quae fisco praestantur. Epitome Cod. Par. Suppl. Latin. 215. sunt, quae 
fisco vehiculorum subventione praestantur (conductae). 

3) L. R. IV. 11. de vectigalibus et commissis. 

4) Wie im Oftgotenreidh geſchah III. ©. 147. 

5) L. R. X. 1., wo flatt auraria auri ſteht. 

6) Grandidier II. p. 291 bannum — ad vendendum vinum Schöpflin I. 
p. 225 von St. Stephan, bis es wieber Moft giebt [Selbftrafe für Verlauf durch 
Andere]. 

7) Grandidier II. p. 185, 194, 

8) I. 123. 

9) Neugart N. 41, 234, 298. Hahn, Pippin &. 209. 

10) Reichenau, Neug. 592. a. 890. 


604 


Justicia bebentet ſehr oft nicht Gerichtshoheit ober Nechtöpflege, 
fondern (fubjectiv) „Serechtfame", zumal finanzielle ?), 3. B. eine Mäny 
oder Zolfe@erechtfame: jo noch vor kurzem in Baiern bei den „Real 
gewerken”: eine Mühlen-, Apotheker⸗Gerechtſame. 


3. Die Ausgaben ?). 


Bei der Unterwerfung durch Probus übernehmen die Ala⸗ 
mannenkönige Schakung an Getreide, Kühen und Ochjen 3). 

Zu den häufigen Ausgaben ber Könige gehören auch die Gefchente 
an andere Könige, fie zu gewinnen ober bei guter Stimmung zu er 
halten. Wie Ludwig der Süngere Ludwig dem Stammler a. 878 
ganz offen fchreibt: er ſchickt ein Pferd (pro arrabone, offenbar als 
arrha) „zur Bekräftigung ber Freundſchaft, arrha confirmatoria bet 
fürzlich (Nov. a. 878) gefchloffnen Vertrages, einen Sattel, einen Bor- 
hang, ber, in feinem Gemach aufgehängt, ein ſichtbar Freundſchafts⸗ 
zeichen, alle böfen Einflüfterungen abwehre und als Zeichen unjerer 
Sorge um eure Geſundheit: dann Gewürz, Räucherwerf und Heiltränte“ ). 

Treigebigleit, »milte«, ift — auch abgefehen von ber frommen 
Pflicht gegenüber ber Kirche — Königepflicht, daher ein Konigstitel, 
wie invictissimus, oft largissimus 5). 

Verleihung von Geſchenken aus dem Fiscus gefchieht per ver- 
bum regis®). 

Unaufbörlih riefeln auch in Alamannien die Schenkungen ber 
Könige an Kirchen”), beftehend in®) Land, in Zinsrechten, in Antheilen 
an ben der Krone gefchulbeten Abgaben jeder Art. So fchenlte 


1) Bgl. für fpätere Zeit Waitz Seeliger VL &. 508. 

2) Könige VII. 3. ©. 168. VII. 5. ©. 124. 

3) Flav. Vopiso. c. 13. 14. 

4) Du Cange I. p. 400 ohne Erklärung biefer Stelle. 

5) Bon Arnulf Neug. 600 folg. 893f.: daher fagt derſelbe L co. 613 regio 
more munifioentiae nostrae largitione ditamuns. 

6) R. X. I. Mit Mirchlichen beneficis bat das nichts zu thun, wie Weit IV. 
©. 189 meint. 

7) Aufammenftelung ber Kiniglichen Schenkungen an St. Gallen bei &. Keyer 
v. Knonau, Sanct Gallen Mittheil. XIII. S. 226. Ludwig ber Deutſche ſcheult 
dem Klofter Zürich ven Hof Zürich, das Ländchen Url, den Forſt Albig, verſelbe, 
Dentmäler I. ©. 102. 

8) Schenkung ſchon bes Herzogs Gotefrid a. c. 708 an Has Aoſter St 
Gallen. Neugart NR. 106. 


605 


Ludwig I. Reichenau einen Teil des dem Staat zu entrichtenden census 
aus vier Gauen?), ein Zehntel alfer Kroneinnahmen aus Heilbronn, 
Zanfen und andern Krongütern ?). 

Dem Kirchenzehnt unterwarf auch die Krone ihre Einnahmen?). 

Häufig verfchentt die Krone an Bisthümer und Klöfter Zehnt⸗ 
rechte, als Eigenthümerin von Kirchen‘): Schenkung von fiscaltichen 
Zehnten und Neunteln aus alamanniſchen Bauen und fisci (Sasbach) 
an Reichenau und zwar wird das Ganze ben Klofterbeamten eingehänbigt; 
erft nach Abzug für das Klofter foll das Uebrige zwifchen ver Krone 
(Kronzehnt) und den Grafen (Grafenzehnt) getheift werben >). 

Lothar I. beftätigt ver Cella Leberau die Schenfung einer Strede 
ber Vogejen aus ber Mark des Fiscus Kinzheim, mit Fischerei, Vogel 
fang und Weiberecht im ganzen Vogejenwalb, der aljo fiscalifch war®); 
auch anberwärts liegen im Elſaß reiche Krongüter, 3. B. Erftein an 
der 37). 

So erhält Wirzburg! / der oſtfränkiſchen Oftarftuofa (in 17 Gauen), 
wie auch bie Erträgniſſe (conlaboratus) von (26) Krongütern 9). 

Neben Schentung von Sachen, ganzen Marten, werden Zehnt- 
rechte und die „Heerbannſteuern“ ber Gaulente?) der Kirche über⸗ 
wiefen. (So Wirzburg von Karlmann L, Pippin und beren Nadh- 
folgern.) 

Die Schenkungen der Herrſcher auch an weltliche Getreue ge- 


1) Allgau, Appbagau, Breisgau, Eritgau, Dinge R. B. p. 69. 

2) Stältn (B.) I. S. 377, Bergabungen der Karolinger in Vorarlberg, Berg- 
mann ©. 81. 

3) Könige VIII. 5. ©. 288. fogar auch zuweilen von Münzen. 

4) Schon Pippin und Karlmann Wirzburg, Waitz VIII. ©. 225. 

5) Ludwig I. a. 838. W. U. I. 117. 

6) Grandidier II. b. 238; für falfch ober boch verfälſcht halte ich bie Schen- 
tung Lothars I. für Granfelden im Elſaß a. 848, Schöpflin I. 83, für falfch feine 
Schenkung an St. Stephan zu Straßburg von 845, Wiegand, U. B. v. Straßburg, 
3. f. Gef. d. Oberrhein N. F. IX., für falfch die Beſtätigung Lothars I. von a. 
810 für Straßburg bei Grandidier II. b. 212. vgl. Wiegand U. B. I. p. 19. 
N. 24.,. fr falſch Die Urkunde für Schwarzach Grandidier 1. c. 184., Lubwig I. 
von a. 840, und fir ſalſch deſſen Urkunde von a. 839 für das Nonnenkloſter zu 
Lindau, Monum. Boica 31, 85. 

7) Bouquet VIII. 386. 

8) fisci = villae W. U. I. 165. a. 889. 

9) Könige VII. 5. ©. 182. 1. e. 164. a. 889, vgl. 80. a. 823. 


606 


icheben auf Eingebung Gottes oder zur Belohnung von Verdienſten!) 
und werben im Jenſeits vergolten?). 

Lothar I. ſchenkt a. 843 Krongut, die villa Kinzheim im Elſaß 
mit 40 mansi, dem Grafen Herlangar zur Belohnung und unter 
Bedingung der Treue?). 

Arnulf giebt einem Grafen tes Linzgaus den Königshof Luftenan 
zu Eigen?®). 

Die Tugend der Dankbarkeitd) ift alte Königspflicht, und Be 
ſchenkung von Kirchen fronmmt dem Seelenheil ſchon wegen des dadurch 
gefteigerten Gebeteifers, der Fürbitte der Geiftlichen und Mönche). 

Auch in dem ganz römifchen Ehur verdrängt das fränkiſche Kron- 
beneftcium bie veraltete römifche Fiscal-Emphytenſe?), aber auch Kron- 
ſchenkungen zu Eigen find nicht jelten®). 

Ein Getreuer erhält vom König Krongut zu Eigen auf Lebens: 
zeit gejchenkt, bei feinem Tod Anfall an Klofter Anblau®). 

Einem beſchenkten Priefter wird verftattet, das Schenfgut einem 
beliebigen Klofter — aber nicht einem Laien oder einzelnen Priefter — 
zu übertragen 19%): ein anderer barf es nur Sanct Gallen oder Reichenan 
ſchenken 11). 

Amtsbeneficien, die von Nechtswegen als eine Art Gehalt mit 
einem Grafenamt verbunden find, Tann ber Graf gegen andere (eines 
Klofters), ſelbſtverſtändlich nur unter DVerftattung bes Könige, um- 
taufchen 12). j 

Den Gegenstand der Zuwendung Tann jeder erbenkliche Vermögen‘ 


1) Königsſchenkung zur Belohnung treuer Dienfte, Neug. 519. a. 880. propter 
fidelitatem et instantissimum .. obsequium. 

2) Neug. 489. a. 875. pro Dei nutu vel pro mercede aeternae retri- 
butionis sev etiam pro merito bonae fidelitatis. 

3) Schöpflin IL. p. 79. 

4) In jus proprietatis Mohr I. N. 35. p. 54. (a. 890?). 

5) Neugart 577. a. 888. 

6) 579. a. 888. 

7) L. R. Rh. C. OI. 19. 

8) Neng. 637. a. 902. und oft. |. oben ©. 352f. Grandidier II. p. 308. 
curtem, quam genitor noster Hirchangarius apud dominum suum Lutharium 
.. servitio suo promeruit, gemeint ift bie Schenfung 1. c. p. 222 a. 843, 

9) Grandidier II. N. 153. a. 986. 

10) Neug. 576. a. 888. vgl. 519. a. 880. 
11) 1. c. 577. a. 888. 
12) Mon. Boica 31. a. N. 81. a. 838. 


607 


werth bilden. Ludwig das Kind verleiht das Recht, jährlich in fis- 
caliſchem Steinbruch Mühlſteine zu brechen 1). 

Auch dingliche Nugungsrechte an Krongut werben ſchenkungsweiſe 
eingeräumt: jo ein Holzungsrecht im Kronwald, aber nur anf Dürr- 
holz und Fallholz?). 

Mit Holzungs⸗ und Weide⸗Dienſtbarkeiten belaſtet der König einen 
andern Kronwald). 

Ein Steinbruchrecht an Krongut gewährt jährlich 10 Mühlfteine‘). 

Zu ben Ausgaben — und zwar zu ben allerichäblichften®) — 
zählen auch die zahlreichen Immunitätsverleihungen feitens der Krone 
an faft alle Kirchen und Klöfter: fie enthalten ebenſoviele Verzichte 
auf Steuern, Gebühren, Strafgelver, Naturalleiftungen jeder Art. 

Ueberweifungen ber Einkünfte aus beftimmten Gebieten find häufig 
bie jüngeren pofitiven Bejtanbtheile der Immunitäten, welche ur- 
fpränglih nur das Negative, die Befreiung von der Steuer⸗ u. |. w 
Pflicht, enthielten. 

Karl beftätigt Sanct Denis Zuwendungen, bie aus eingezognen 
Gütern unrechtmäßig an das Klofter gelangt waren ®), alfo ein Der: 
zicht auf vie Eigenthumsklage. 

Ludwig I. gewährt (auf bie Klage Hrabans über Mangel an Ge- 
wanbzeug) dem Slofter Fulda Zollfreibeit für deſſen Kaufleute (vd. 6. 
bie für es einkaufen) im ganzen Reich'). 

Einmal wird nur der census verfchenft®), der bisher dem Grafen 
entrichtet wurde (von 47 Mansı), nicht, wa® als census, tributum 
oder ans andrem Nechtögrund dem palatium (= fiscus) ge- 
ſchuldet wir. 

Zollfreibeit für Reichenau und deſſen bienende familia für bie 
Schiffe, Wagen und Saumthiere (saugmaria) und zwar nicht für 
Waaren, fondern für Verzehrgüter?). 


1) Wartmann II. N. 740. p. 344. 

2) Neug. 653. a. 905. talique usu silvatico ut qui illic sedent, sterilia 
et jacentia ligna diligenter colligant: alfo zugleich eine Pflicht für Walbpflege. 

3) forastis, Neng. 394. a. 861. 

4) Neug. 653. a. 905. 

5) Könige VII. 6. ©. 162. v. Sybel ©. 484. 

6) Reugart 110. a. 790. 

7) Schannat, Hist. Fuld. p. 116. 

8 Bon Lubwig an St. Gallen a. 817. Neug. NR. 191. 

9) Diümge, Reg. Bad. p. 76. necessaria.' Die Urkunde Lubwigs I. von 
a. 816 für Kloſter Reichenau (Immunität und freie Abtwahl) Nengart 188. VILL 


608 


Späte Fälfchung fcheint die Immunität für Buchau von a. 8191). 

Noch a. 904 erbittet Straßburg von Ludwig dem Kinte Beflätiv 
gung feiner alten Zollbefreiungen 2). 

Freiheit von Grund- und anbrer Steuer wirb gewährt dem Aus- 
trodner eines Sumpfes und dem Erwerber eines verfafiuen Flaf- 
bettes 9). 

Die römiſchen Biscalgüter find von jeher inmmum*), ebenfo bie 
fräntifchen Krongüter 5). 

Der Inhalt ver Immunitätsurkunden für bie alamannifchen öfter 
Reichenau, Sanct Gallen, Ellwangen, Faurndau®) bietet nichts Be 
ſonderes: Gerichtsbarkeit des Abtes über alle feine homines, Verbot 
an dieſe, ®raf oder missus ober andre ftatliche Richter anzugehn 
(gegen Immunitätsgenoffen, aber gegen Abt oder Vogt felbft). Gegen 
biefe Mißbräuche ftand der Zug am missus ober König frei. Der 
Abt Hat auch die Polizei (jura regiminis) und die früher dem ideas 
geſchuldeten Leiftungen fallen nun an ihn”). Dem Biſchof follen fe 
nur canonice, nicht serviliter in weltfihen Dingen gehorfumen 3). 

Der Biſchof foll nur behnfs der Weihen umd ber „Eorrectn“ 
wiberfanonifcher Thaten ericheinen®). Gern ließen fich Klöfter Im⸗ 


5 und 6, gewährt nichts von bem Wegelmäßtgen Abweichendes (auf den Gktreit 
über die Falſchungen von Reichenau gehe ich hier nicht ein), ebenſowenig bie Ju 
munttät für St. Gallen won a. 818. 197. 

1) Neugart 204. oxtagium = stagium Du Cange VIL p. 573. nenfran. 
6tage, fpäter Beſatzungspflicht der Bafallen. Ueber bie Urkunden für Mofa 
Rempten, Monum. Boica 31. a. 60. 61. 79. Th. v. Sidel IL ©. 171. 174. 
Baumann, Kempten S. 118. 

2) Grandidier II. p. 317. 

3) Nach römiſchem Recht. Nec fiscus nec tributus L. R. XVII. 10. 

4) Cod. Theod. XI. 16. 5. a. 343. privatas res nostras ab universis 
muneribus sordidis placet esse immunes; anch deren Pächter und Colonen. Ueber 
bie Immunttätsbrtefe für Ellwangen a. 814, Buchau (echt?) 819, Wirzburg a. 822, 
Reichenau a. 815. 896. 892.909, Stäftn (8.) J. S. 357: umerht Mon. Boica 2%. 
RN. 5 für Kempten a. 814, Qubwig, Lang. Reg. L 5 und SSırtge VII. 6. ©. 
a. a. D.; das Immunitätsgebiet heißt hier >»Mundate, Stklin a. a. O. 

5) Könige VIIL. 5. ©. 537. 6. S. 172. 

6) ©. Stälin (8) I. &. 374f. 

7) Arnulf für Reichenau a. 802, Dümge L. c. p: 82. 

8) Form. Ahat. 9'(jeht). 

9) Form: Alsat. 8 (jekt). 





609 


munitäten nach bem Vorbild anderer verleihen. So Sanct Gallen 
nach dem von Reichenau). 

Auch Hier?) findet ſich, daß freie und nicht zur immunen Sirche 
(Wimpfen) gehörige Nachbarn (oder Infafen) vom König der Immu⸗ 
nitätsgerichtSbarleit der Kirche unterftellt werben, was offenbar von 
dieſen Leuten nicht als Schädigung, fonvern als Vortheil, ald Be 
günftigung angefehen wurde wegen ver Nähe ver Nechtshilfe und ber 
häufig befier als bie gräfliche geübten Nechtspflege?). 


4. Finanzbeamtet). 


Aufichläffe für Alamannien gewährt bierüber nur die Lex Ro- 
mana3). Als Steuereinheifcher werben vor Allem verwendet bie Euria- 
len‘). Andere Stenereintreiber beißen tabularıi7), auch actores 
(fiscales)®). Der actor eines Privaten wirb dem Pächter (conductor) 
und procurator gleich geftellt (in ver Stellvertretung), auch dem servus 
unb colonus?). 

Die exactores fiscales haben das ſteuerſchuldende Grundftück zu 
verlaufen: ihnen ift auch ber Erwerb bes pflichtigen Grundſtücks vom 
Erwerber fofort anzuzeigen 19). 


1) ©. die Beläge aus Reugart bei Stälin V. I. ©. 375. 

2) Achnliches ohne Immunität früh bezüglich der Krongüter bei Weſt⸗ 
goten VI2. 

3) Schannat, hist. Norm. Cod. Prob. N. 8, ich entnehme bies Stälin V.I. 
S. 350. Eine Schenkungs- und Immunttäts-Verleibungs-lirfunde ſ. Form. Als. 
N. 7; über das Unmaß foldher Selbftberaubnng ber Krone, zumal Ludwigs, auch 
hier (vgl. VIII. 6.) Stälin V. I. S. 343. Immunitätsverleihungen an mehr 
als 20 alamannifche Kirchen und Klöfter von a. 775 bis a. 900 bei Merkel, 
de r.©.46f. S. die Aufzählung zahlreicher kirchlicher Immunitäten bei Stälin 1. 
S. 155. 

4) Könige VII. 3. ©. 175. VIII. 5. ©. 134. 

5) Weber die Finanzverrichtungen bes Grafen, Centenars, Schuldheiſch, ber 
villiei und majores wach Reicherecht Könige VII. 3. &. 175. 5. ©. 134. 

6) L. R. XI 2. 1. ouriales, qui fiscum exigunt, baber bie Vorlage zu 
3 curiales = exactores; fie haften für ben Ausfall. 

7) L. R. XII. 2. 

8) L. R. Rh. C. II. 28. IV. 11. 

9) 1. c. 29., aber vorbehaltlich ber actio de peculio: >si nihil de rationibus 
suis domino debuerit«. 

10) L. R. XI. 2, 2. 3. 1. Ihre Strafe, haben fie zu viel Steuern erpreßt, 
f. unter Finanzmißbräuche. 

Dann, Könige der Germanen. IX. 1. 39 


610 


Reine Berufung (over boch Teine aufſchiebende Wirkung derſelben 
in Fiscalllagen !). 

Geht der zweimal abgewiefene Kläger den britten Richter an, 
verliert er feinen (etwaigen) Anfpruch an ven Beklagten?). Rechte: 
winrige Beftreitung einer teftamentarifchen Erbeinſetzung (mittelft Be⸗ 
rufung) wird am Kläger und am ungerechten Richter mit 20 Pfunt 
Gold geftraft?). 

Ein vermögensrechtlicher Anfpruch von Beamten gegen bie Unter: 
thanen in ihrem Amtsbezirk ift auch das Recht der Förfter auf Fütte- 
rung ver Jagdhunde und Yagpfallen*). 


5. Finanz Mißbräuches). 


Die elende Finanz⸗, zumal Steuer⸗Noth bes Römerreiches tritt 
noch in zahlreichen Geſetzen der L. R. grell zu Tage: ſo in der oft 
wiederholten Unterfagung, Grundſtücke ohne Uebernahme ber Grund—⸗ 
ſteuer (census) zu erwerben 9). 

Schon Eonftantin hatte manche Yinanzmißbräuche mit dem Tode 
bebrobt?). 

Die advocati fisci, qui fiscum (d. h. Steuerleiftung) regis ex- 
igunt, follen weder zu wenig, noch zu wiel erheben). 

Aber fie beifchen von den potentes zu wenig und belaften dafür bie 
Armen über Gebühr?). Beſchwerde hiegegen geht an ven judex (nicht 
einen Fiscalbeamten) in 5 Monaten, bei Abwefenbeit ber Lleber- 
bürbeten in 12 Monaten 1). 

Die zu viel erhoben, werben mit dem Tode beftrafi. Den Ge 
ſchädigten ift vierfacher Erfakß zu leiften. ‘Die judices provinciarum, 
bie es wifjentlich gebulbet, zahlen ihnen 30 Pfund Gold 11). 


1) L.R. XI. 9. 

2) 1 o. 10. 

3) 1. c. 11. Ueber Gehalt der Beamten und deſſen Erfak |. Könige VIL 
3. ©. 168, 175. VIIL 5. ©. 132. 

4) Könige VIII. 4. W.U.B.I.N. 184, 180, p. 214, 220 procuratio bannita 
(d. 5. gemäß Baungebot) falehonum. 

5) Könige VII. 3. VIII 5. ©. 139. 

6) L. R. XVII. 9. III. 1, 2. X1. 2, 1. 

7) L. A. IV. 11. 

8), L. R. X. 6. 

9) L. R. XIM. 1, 1. 

10) 1. e. 2. 

11) L. R. XL 3. 


611 


Der Richter darf nicht im Namen des Fiscus Güter einziehen 1) 
ober ergreifen, muß vielmehr Forderungen des Fiscus, z. B. wegen 
Steuern, an den Kaiſer verweilen, ad rerum dominos?). 

Noch immer, wie in römischer Zeit3), werben Güter wider Necht 
weggenommen burch Anheftung von »tituli« des Fiscus ober Anderer). 

Det Anfage öffentlicher Freubenfeiern bei Thronbefteigung, Bart- 
abnabme des Könige, Hochzeit feiner Tochter, feines Sohnes ober 
Freudenfeſten der Richter wurden ven Untertkanen unter dem Namen 
von Geſchenken Ausgaben abgezwungen >). 

Aderknechte und Pflugrinder dürfen bei Strafe nicht für Steuer- 
ſchulden gepfänbet werben 9). 

Aber auch im Frankenreich fehlte es nicht an Mißbräuchen, zu- 
mal der Finanz-Beamten: beſonders auch Zollrechte wurden habfüchtig 
mißbraucht, die beilfamen Vorſchriften Karls”) nicht mehr befolgt. 


VI. Kirchenhoheit. Kirchen- und Klofterwejen®). 
1. Allgemeinee. Die Namen). 


Auch hier 1%) werben bie Rechtsſubjecte des Kirchenvermögens ſehr 
verſchieden bezeichnet und wenig juriftifch gebacht. ‘Daher werben als 
die Beſchenkten und folglich Verfügungs-Berechtigten — oft in Einem 
Say — ganz verjchieben benannt: 


1) soribere, vgl. Edictum Theodorieis 88 2—4, 26. Könige III. ©. 152. 

2) L. A. IX. 32, und die Vorlage, von ber Lex geändert (vielleicht aus 
Mißverſtändniß). 

3) S. über die Oſtgoten in Italien Könige III. S. 37—41. 

4) Coll. Sang. 3. (erfundene Yormel). 

5) L. R. VIII. 4. durch Ausfchreibungen, ex descriptione. 

6) So nach Eonftantin bie L. R. Rh. C. 11. 28.; flatt servus ift zu leſen 
servos und .flatt aratis ricius aratorius. 

7) Könige VII. 3. ©. 68. 5. ©. 139. 

8) Könige VII. 3. ©. 182. VID. 5. ©. 143. 

9) Könige VII. 3. S. 221. VIIL 5. S. 143. Stälin (V.) J. ©. 185f. Sohn 
LI. S. 83. Die Kirhe in Alamannien Gfrörer I. S. 156. Kirchliche und weltliche 
Sinfhärfung der Sonntagfeier in Rhätien v. Wyß, Gefete S. 219. Egli, 
Airchengeſchichte der Schweiz bis auf Karl ven Großen. Gelpde, Kirchengejchichte 
Der Schweiz I. 1856. II. 1861. Verhältniß ber Kirche zum Stat Cleß I. ©. 243. 
Die Kirchen der L. Al. J. S. 214. Haud, Kirchengeſchichte Deutichlande I. 1887. 
II. Karolinger-Zeit 1900. Kirchenverfaffung Joh. Meyer, Bundesverfaſſ. I. (1896) 
®. 321. 

10) Bgl. Könige VII. 3. S. 293. VIII. ©. 281. 


39* 


612 


Die Kirche Sanct Galle, der Abt Othmar und deſſen Mönche‘), 
ober ber Heilige felbft und ber Abt?), ober nur die Mönche ?), oter 
die Sungfrau Maria t). 

Der Abt oder (vel) die ganze congregatio®), die Baſilika 
Sanct Petri ober da8 monasterium; ber Begriff ter jwriftifchen 
Perfon, der >universitas personarum«, tritt nur in jener »con- 
gregatio« hervor. 

Als die Verfügungsberecdhtigen werben oft bezeichnet bie basilica 
oder (vel) deren custodes, agentes®), servitores. 


Die Heiligen gelten fo ernitlich als Nechtsfubjecte des Vermögens 
ihrer Kirchen, daß es bei Gränzangaben heißt, wie von Menfchen: 
„auf einer Seite liegt (das Gut) Wilbert, auf der andern liegt bie 
heilige Maria, auf ver Mitte Sanct Peter, auf der vierten Seite Sanct 
Georg“). 

So ſoll Sanct Peter die defensio und mundiburdis über die 
feinem Kloſter zu Weißenburg geſchenkte Sanct Martins-Kirche haben: 
alſo nicht Sanct Martin oder das monasterium?). 


Karl bezeichnet als den Beſchenkten den Heiligen (Varanus) ſelbft 
und den Abt (Fulcad)9). 


Auch bei Gewährung von Zuflucht werben ald bie Gewährer 
neben einanber genannt: Sanct Gallus, Abt Werdo und die Mönche 19). 

Trabirt wird 1) Gott, 2) dem Abt, 3) ven (andern) Leitern des 
Klofters (Vogt und Präpofitus) 11). 

Sanct Cyriacus und die „Mönche“ in dem neu geftifteten Klofter 
des Heiligen 12) find die Nechtsfubjecte. 


1) NReugart ]. c. 10. a. 744. 83. a. 782. 
2) 1. 0. 36 a. 762. 
3) 62 a. 775. 
4) 1.c.69 a. 778. dulecissima domna mea, heres mea sancta Maria, bie 
Hellige der Kathebrale von Straßburg. 
5) Zenß W. 39. 
6) Zeuß W. 141. a. 746. 143. a. 746. 
7) Zeuß W. 263. a. 763. 
8) Beides Zeug W. N. 41 oder 3) Die Basilica ober 4) bie omnis congregatio. 
9) W. U.I. 23. a. 779; bafelbft (wie früher) pontifieium ftatt potestatem 
habeat. 
10) Neugart 87. o. a. 784. 
11) W. U. I. 104. Neng. I. 296. a. 839. 
12) Meng. 406. a. 861. 


613 


Aber auch bie in dem Kloſter geborgenen Weberbleibfel gelten, 
wie biejes felbft als die Beichenkten?). 

Auch hier haben die Reliquien bie gleiche Bedeutung wie überall 
in ber Zeit2). Reliquien in großer Zahl in einer Kirche geben Anlaß, 
bier ein Klofter zu grünben?). 

Ein Ort wird zum Klofter geftaltet, „weil feit langer Zeit ſchon 
viele Weberbleibjel von Heiligen dort verwahrt werben“ 4). 

Auch Karl war ein eifriger Neliquienverehrer 5). 

So ſchenkt Königin Hildigard dem SKlofter zu Kempten die Ste- 
fette von Sanct Gorbian und Sanct Epimachus e). 

Daher werben bei Schenkung einer Kirche bie bortigen Leber- 
bleibfel ausprüdlich als mitgeſchenkt bezeichnet ?). 

Auch Heine cellulae eines Klofters bergen koſtbare Ueberbleibiel®). 

Sechs cellae, zum Theil mit Reliquien, werden im ZTeftament 
Fulrads Sanct Denis gefchentt?). 

Ludwig der Deutfche nimmt brei cellulae des Sanct Dionys- 
Klofters, in denen Ueberbleibfel von Heiligen ruhen, in feinen Schuß 19). 


1) Zeuß W. N. 47 dono ad ipsam ecelesiam sancti Petri seu et reli- 
quorum pignora quae ibidem constructa [ad?) sunt! Falls nicht vielmehr 
pignorum zu lejen, fo baß bie Kirche nach dem Namen auch dieſes Heiligen, wie 
nach dem St. Peters, bezeichnet werben fol. 

2) Form. Als. N. 9 (jet Zeumer 1. c.) locum in quo ex multo jam tem- 
pore plurimae Sanctorum reliquiae continebantur . . monasterium, immo 
coenobium esse decernimus: („Alein-Leben”, „Zufammen-Leben“). 

3) VIII. 6. ©. 310. „Um den fo heiligen Beſitz von Reliquien fich zu 
verſchaffen, galt auch ben frömmften Mäunern Meineid und Diebftapl für zuläffig.“ 
„Diefe Heußerung iſt wieberholt gerügt worben, zuletzt Katholik 1875. ©. 443, aber 
fie ift wahr, ich babe einige Beifpiele In den Sitz.⸗Ber. d. Berliner Alabemie 
v. 4. XII. 1884 zufammengeftellt”, Wattenbady® I. ©. 242. „Reliquien waren zum 
Gedeihen ter Klöfter nun einmal unerläßlich.” Wattenbache I. ©. 253. 

4) Coll. T. Sang. 4: erfundene Yormel, aber deshalb nicht minder beweis- 
fräftig. 

5) W. U. I. 36. a. 788. 

6) Baumann, Kempten ©. 113. 

7) W. U. I. 109. Neug. I. 305. a. 843. 

8 So W. U. I. 141. Neng. I. 439. a. 866. Sanct Vitalis, Veranus, 
Georgius. 

9 W. U. 18. a. 777. 

10) Neug. 439. a. 866. 


614 


Eine Kirche, die Reliquien birgt, wird vom König beſonders ge- 
ebrt und reich beſchenkt). 

Die Ueberbleibfel wurden in koſtbaren Sarlopbagen verwahrt. 
So bie bes Hl. Pelagins zu Eonftanz in einem mit herrlichen Evel- 
fteinen geſchmückten Golbfarg 2). 

Ueber die Namen ver verichievenen Arten von Kirchengebäuben 
warb anberwärts3) gehandelt: nur über cella, capella und ähnliches 
ift noch Einzelnes nachzutragen. 

Cella bebeutet gar Verfchietenes: 1) eine Heine Kirche, Capelle für 
nur Einent), Geiftlihen ober Mönch, 2) dies und den dazu gehörigen 
Wohnraum, 3) beides und die für Hinterfaffen und Vieh erforderlichen 
Wohn- und Wirthſchafts⸗Räume nebft Zubehör. 

Zu einem großen Klofter gehören viele (davon getrennte) cellulae®). 

Cellula heißt auch ein kleines Klofter = ecclesia ®;). 

Eine cella wird einem Klofter (Reichenau) gefchentt ad stabi- 
liendum ibi servitium Sanctae Mariae’), alſo eine Eapelle aus⸗ 
ichließlich für den Mariendienft. 


1) Neug. 629. a. 898. Weber bie Werthſchätzung ber Reliquien |. W. U. 8. 
a. 764, aber die Urkunde iſt ihrem ganzen Stile nad offenbar eine Fälſchung 
aus dem XII. Jahrhundert. Die Reliquien von Weißenburg zählt auf ber Codex 
Edelinianus bei Zeuß W. p. 335—339, allerdings aus dem XIII. Sahrhunbert. 

2) Salome III. Ekkeh. IV. Scr. II. p. 88. 

3) Könige VIIL 5. ©. 252; vgl. auch über sacerdos, laicus, zuweilen wicht 
Late, fonbern Weltpriefter Neug. 192. a. 817; plebs iſt ohne verächtliche Neben- 
bedeutung die Latenfchaft in der Gemeinde f. oben ©. 165. 

4) So ridtig, Baumann ©. 187—188, alfo nicht ein Meines Gut, fonbern 
eine Leine Kirche, Eapelle, fo Neug. 66. a. 776. arg.: »ubi sanctus requies- 
scit«. 

5: W. U. I. 86. a. 823. 1. c. 87. a. 823. oellulas vel basilicas ber 
Kirche von Wirzburg. 

6) Neug. 629. a. 898. 

7) So Eßlingen Neng. N. 439. Ueber das Klofter zu Kempten (jeit a. 752) 
Baumann, Kempten ©. 111; über cella im Unterfchteb von monasteriup VII. 
5. ©. 259 und Baumann a. a. D.; auch fie fanden oft im Eigentbum her Krone 
unb wurben am Klöfter verjchentt; fo Stettwang im Augſtgau au Kempten\a. a. D. 
©. 118. Ueber capellum == capella = cella Neug. 325. a. 849. und bie Aumpert. 2: 
offenbar war cella oft zugleich eine Beine Kirche und Wohnraum, z.B. ubi 
domum et capellum habere videtur presbyter (zu Eigen). Ratpotonis '. cella 
1. c. 215, dagegen 326, bas Klofler cum cellulis sibi subjectis, darunter . heit 
Eine »Cella« Sanct Ursicius, eine audre Vertima Sanct Pauls a. 849. 


615 


3u einer cella, d. h. in ben dazu gehörigen Häufern, wohnt das 
Geſinde, die familia der cella?). 

Zu einer cella gehört eine Salzpfanne, patella 2)®). 

In einer cellula Sanct Sallens leben Unfreie des Klofters mit 
Vieh jeber Art (Rindern, Schafen, Schweinen, Ziegen), für welches 
fie Weiberechte, wie für fich Holzungsrechte im Königswald erhalten *). 

Eine cella fann daher bald nur ein Kirchlein, ober ein Kirchlein 
mit Grundſtück und Haus, auch wohl lebiglich ein Häuslein (mit Grund⸗ 
ftüäd) ohne Kirchleind), aber bejtimmt für Unterhalt und Dienft bes 
Kirchleins fein; diefe Bedeutung — ganz Heines Bauergütlein — wirb 
fpäter häufiger. 

Die capellae — oft gleichbedeutend mit cellae — haben ohne 
Zweifel wie größere Kirchen Zehntrechte, Grundeigen, Unfreie und 
Bermögensrechte aller Art 9). 

Drei capellae mit reichem Zubehör (auch von Zehntrechten), vie 
einem Löniglichen Nonnenklofter in Zürich gehört hatten, ſchenkt Ludwig 
ber Deutfche einem Priefter Berold »ob amorem« feiner verftorbnen 
Tochter Hildigarb (aber nur anf deſſen Lebenszeit), der Webtiffin ?). 

Reichtum, Macht und Anſehen, fromme Berehrung ver Kirche 
find auch Hier jehr hoch: gegen das alte und fo wichtige Beiſpruchs⸗ 
recht ber Erben wird freie Verfügung des Grunbeigens zu Gunften 
ber Kirche anerkannt). 

Vom Prieftertfum wird höchſt ehrerbietig gerebet®). 

Sehr lehrreich über die Anfchaunngen ver Zeit find — troß ber 
granfamen Worterflärungen — die Ausführungen eines Sanct Gallers 
über bie 7 Namen bes sacerdotiums 10). 


1) Neug. 382. a. 858/59. 

2) W. U. I. 132. Neug. I. 394. a. 861. capellam et ipsam villam; auch 
eine capella bat terra salica d. h. zum Haupthof unmittelbar gehöriges Land. 
W. U. 1. 121. Neng. I. 356. a. 854. 

3) Und ein stadivum, Geräft, Geftell zum Betrieb? (Du Cange ſchweigt.) 
W. U. I 124. a. 856. 

4) Neng. 394. a. 861. 

5) So z. B. Neug. 404. a. 872. 

6) So die an ber Brenz, Neug. 487. a. 875. 

7) Reng. 366. a. 857. tituta ſteht verfchrieben für titulus = ecelesia, Neng. 
682. a. 900. 

8) Oben ©. 357 L. Al. I 2. 

9) Cod. Trad. Sang. 231. N. 394. Wartmann IL 414. a. 851. siad.. 
honorem presbiteratus promotus fuerit et ejus honoris arcem fungi coeperit. 

10) Coll. F. Sang. 44. 


616 


Bezeichnend für dieſe Anfchauung der Zeit ift bie Sreilaffung, „auf 
daß ber Freigelaſſne GBeiftlicher werde und, von Weihe zu Weihe em- 
porfteigend, fo immer wirkſamer Fürbitte für ben Freilaffer bei 
Gott leiſte“: alfo Hilft die des Biſchofs mehr als die bes Diakonst)! 

Ganz kirchlich gebacht und gewiß von Geiftlichen verfaßt ift vie 
Schilderung ber Fehler und ber Zugenben, die der Richter nicht haben 
und haben foll, und bie Einfchärfung der Verantwortung vor Gott 
und ben Menfchen 2). 

Ausführlich und mit abftrufer Theologie über Kleidung, Scheerung 
und Naftrung von Mönchen und Geiftlichen fchreibt Notler in bem 
Brief an feine Schüler Waldo und Salomo®). 

Die Sprache in ben Briefen biefer Geiftlichen ift (abgefehen auch 
vom Schwulft) oft von anwidernder Süßlichleit und gegenfeitiger Be- 
räucherung. 

Nur ſtarker Einfluß der Kirche konnte bewirken, daß Sonntags- 
arbeit mit fchwerften Strafen bebroht wird) unter Berufung auf das 
weltliche Geſetz und bie Heilige Schrift): an Unfreien mit Geißelung, 
an Freien im Rückfall mit Einziehung eines Drittel bes Eigen, ſo⸗ 
gar mit Verknechtung 9). 

Die hohe Stellung der Kirche und alles Kirchlichen drückt fich 
ſchon darin aus, daß ihr Recht im Gefeßbuch vor allem Andern 
ſteht)). Es wird vorausgeſetzt, — thatfächlid — daß nur Edelinge 
bie Biſchofs⸗Würde erfteigen®), feine Geftppen werben ven berzoglichen 
gleich geftellt: ohne jene Vorausfegung wäre die Bevorzugung gemein- 
freier Gefippen bloß wegen bes Ranges ihres Biſchof geworbenen Ge⸗ 
noffen noch viel erheblicher. 

Auch Hier) war die Zahl ver Kirchen fehr groß 19). 


1) Coll. F. Sang. 17: er fleht dann Gott näher und vertrauter, vieinius 
et familiarius. 

2) L. 41. p. 101. 

3) Coll. Form. Bang. 28. 

4) L. 38. p. 98 quia hoc lex prohibuit et sacra scripturs in omnibus 
testavit; bei brittem Nüdfall VBerfnechtung: qui noluit Deo vaoare, in sempi- 
ternum servus permaneat. 

5) Coll. F. Bang. 24. 5.2. 

6) F. 38. 

7) ®gl. honor ecolesiarum VII. 6. ©. 319. 

8) T. 12. 

9) Set. VIII. 6. — 

10) Stältn V. I. ©. 367 zählt von a. 741. bis a. 912. nennunbbreißig. 


617 


Die Kirche, wie bie einzelnen Geiftlichen, leben in erſter Reihe 
nach kanoniſchem, in zweiter Reihe die Kirche nach römiſchem!), bie 
Geiftlihen nach angebornem Stammes-, erft nach Gregor VII. eben» 
falls nach römischen Recht). 

Erſt der Folgezeit gehört an der Satz, daß Verharren (einjähriges) 
im Kirchenbann bie Acht ober boch Verwirkung von Eigen und Lehen 
nach fich ziehen folle®). 


2. Belehrung. Reſte des Heidenthums ). 


Auf die viel umftrittene Geſchichte der Belehrung) ift Hier nicht 
näher einzugehn: noch immer werben dabei Legenden und Heiligenleben 
kritiklos ausgefchrieben. In Trage kommen bie Heiligen: Romanus 
(+ a. 460) und Lupicinus (+ a. 480), Fribolin (F a. 530), Columba 


1) juxta Romanae legis edietum. S. bie Stellen bei Eonrat I. ©. 254. 

2) v. Sapigny II. ©. 206., Könige VIII. 6. VII. 3. 

3) &. die Stelle bet Waitz⸗Seeliger VI. ©. 519, 527. 

4) Könige VII. 3. S. 193., VIII 5. ©. 158. 

5) Jäger, Geſchichte der Stadt Heilbronn 1828 ©. 171. — Egli ©. 51. — 
Hefele, Geſchichte der Einführung bes Chriſtenthums 1837. — Broſi, das Ehriften- 
thum in Helvetten zur Römerzeit. — Bolfterli, Einführung des Chriſtenthums im 
heutigen Canton Luzern; Leben und Wirken bes h. Meinrat 1861. — Broſſert, bie 
Anfänge bes Chriſtenthums in Württemberg 1888, bie Kirchenheiligen Württem⸗ 
bergs 1884, 1885. — ©. über die kirchengeſchichtlichen Werke non Hettberg, Gelpke, 
Friedrich, Lütolf, Greith (1867) und Ehrard (1873) die ftets treffende Beurtheilung bei 
Meyer v. Knonau, Denkmäler S. 57. — (Get Haud I.©. 85. 1887. II. 1900.) 
über Columba unb Gallus S. 57f. — Urgeſch. IV. ©. 91. 

6) Kritiflos nimmt mit vielen Aelteren Merkel de r. ©. 34 die vita Sanct 
Fridolins (angeblich unter Chlodovech, geſt. a. 536) bin, ähnlich Lütolf S. 268. 
Heer N. A. XIV. f. aber Stälin (8.) II. ©. 167, Nettberg DI. S. 29, Meyer von 
Kuonau, Allgem. D. Biographie VII. ©. 385 „freche Fälſchung“ [ans dem XL 
Jahrh.]) und Anzeiger f. Schweizer Geſch. 1889 ©. 376f. und Wattenbach I. 
S. 121: „ih Tann darin nur eine Erfindung jehen, wie fie auch fonft zur 
Einführung erbichteter Legenden vorkommen“; reiche Literatur bei Pottbaft II. 
S. 1322, der für die Echtheit eintritt. Weber die vita St. Fridolini G. Meyer 
vo. Knonau, Denkmäler S. 59 unb in Casus St. Galli Ekkeh. IV. Mittbeil. d. 
biftor. Vereins v. St. Gallen XV. XVI. ©. 229: trrig nur, was aus ber Ber. 
fegung ber Lex unter Chlothachar II gefolgert wird. Stälin (S.) I ©. 84, 
Kritik der Legende des h. Fridolin im Breisgau. Kritillos (gegen Rettbergs 
Kritik) Litolf, Die Glaubensboten der Schweiz vor Sanot Gallus 1871 ©. 65; über 
Sanct Beatus, über bie »Thebacer« &. 125, 143—183, 207f., zu früh werden 
bier S. 75 angefebt Eucharius, Valerius und Maternus; über bie frühe Chriſtia⸗ 
ntfirung von Rhaetia prima S. 95, [Urban ©. 29]; über Sanot Romanus und 
Lupieinus im Yura ©. 250. 


618 


(+ a. 598)9, Gallus (f a. 630)2), Trudbert (F a. 607? 643?) 
Magnus (F a. 655)°), Pirminius (F a. 755)*), Bonifatins" 
(+ a. 755), Othmar (+ a. 759), Reginfwinthis®) (+ a. 837), Meinrad 
ir a. 861)?). 

„Einzelne“ Chriften mag es freilich fchon unter Conftantin L 
im Rheinthal gegeben haben ®), aber das waren wohl meift Römer®. 

Die Wahricheinlichkeit von Chriftengemeinden im Zehntlanb vor 
a. 250 wird oft überſchätzt 19). 


1) Ueber Sanct Columba, Sanct Gallus, Sanct Othmar v. Arz. L 
&. 23. Ueber die Briefe Columba’s Guudlach N. A. XI. XV. XVIL GSechsf 
N. A. XVII. 

2) Sanct Gallus (nit Columba) hatte während bes mehrjährigen Ber 
weilens unter den Alamannen deren Sprache zu fprechen erlernt, V. St. Galli 
p. 9, was bie Belehrung erleichtern mußte. 

3) Die vita St. Magni nennen (+ 655) Rettberg II. ©. 147 unb Wetten 
bachs I. ©. 284 einen „Wechſelbalg“ und eine „häßliche Betrügerei“; f. daſelbſß 
die Wiperlegung ber Vertheibiger und weitere Literatur; richtig au Baunıarn 
Allgäu I. S. 93, Ältere Gefchichte des Stiftes Kempten ©. 110. 

4) Vita St. Pirminii a. 724—754. c. 4. p. 31 (Mone); er predigt Iateinifch 
und in Alamannien fränkiſch. Weber bie Heiligen Fridolin, Columba, Gallus, 
Trudpert, [über fein Todesjahr Baur, Freiburger Didcefan-Arhio XL 1877) 
Pirmin viel durch bie Kritik Ueberholtes bei Hefele, Einführung &. 243— 334; über 
®irmin, Mabillon, Veter. analecta ad. 1723. p. 601 „gejchichtlich werthlos“ Rett 
berg II. ©. 51. Wattenbachs I. ©. 275. 

5) Ueber bie zu bem Kreife des Bonifatius gehörigen heiligen Gefchwifter 
und Belchrer Sankt Willibald, Wunibald, (geft. a. 760) Sancta Walpurgis umb 
(niet verwandt) Sancta Lioba oder Liobegyth A. 8. O. st. Bened. cet. 
Mabillon II. p. 330 A. 8. ed. Bolland. September VII. p. 748. 

6) S. die „märchenhafte” Kirdhenfabel von ber h. Reginfwinthis, augeb⸗ 
lichen Tochter bes angeblichen Markgrafen (c. a. 870 „leuchten bergiſchen Mark 
grafen“ [unter Lubwig I. (I) A. 8. ed. Boll. Int II. p. 91), Ernft vom Nordgan 
bet Stälin (V.) I. ©. 253, 389. ermordet von einer Magb aus Rache für einen 
vom Markgrafen gezlichtigten Diener, ihren Bruder. 

7) Heiliger Meinrab, Meginrab von Klofter Einflebeln Stälin (S.) I. &. 106 
und 2. Schmid „ber heilige Meinrab in ber Uhnenreihe bes erlaudten Hanſes 
Hohenzollern“ (!) 1874. 

8) &o nad) Sozomenos H. eccles. II, 6, Stälin (8.) I. ©. 163. 

9) Wie die ſchon von Arnobins genannten, advers. nationes I. p. 433 (a. c. 
295, Teuffel S. 924) „bei den Alamannen”. 

10) So von Hefele, Einführung des Ehriftentbums 5. 42, 63, daſelbſt die Ältere 
Literatur S. 9—16, f. bagegen Körber, die Ausbreitung des Chriſtenthums im 
ſüd⸗weſtl. Baben 1878 ©. 12f.; über Chriſtenthum und Kirche hier im ber römiſchen 
Zeit, Egli ©. 6, in ber merovingiſchen und karolingiſchen Zeit Stälin (B.) L 
©. 285f., (S.) I. ©. 83f. 





619 


Freilich war ſchon vor der Eroberung tes Landes durch die Ala- 
mannen unter ber provincialen Bevölkerung das Ehriftenthum einiger- 
maßen verbreitet, welche Verbreitung aber obne Zweifel durch bie bis 
ins VII. Jahrhundert beidnifchen Alamannen aufgehalten wurbe?). 

So hat wohl etwa in Kempten eine chriftlich-romanifche DBe- 
völferung die „Völkerwanderung“, d. b. bier das III. Jahundert über- 
febt und fich erft allmälig unter ven Alamannen verloren: bieje aber 
blieben Heiden 2). 

Nefte des Ehriftenthums mögen fich im Elfaß nach Nieberlaffung 
ber Alamannen noch erhalten haben 9). 

Ehriftlich-römifche Infchriften find bisher weder in Baden, noch 
in Württemberg gefunden worden, wohl aber in ver Schweiz, 3. B. 
zu Augft (V. Sahrhundert) %). 

Gibulds) foll Artaner geweſen fein‘), aber die Quelle fagt ta- 
von nichts und von gotifcher Einwirkung auf die Alamannen ver- 
lautet nichts; er war Heide wie wohl faft fein ganzes Voll”). 

Venantius Fortunatus (+ a. 603) bezeugt die Verehrung ber 
Heiligen Afra zu Augsburg®), woraus aber ein Bifchoffig zu Auge- 
burg nicht folgt. 

Das Ehriftenthum hatte in dieſen Landen nicht nur germanifchen, 
auch viel älteren Teltifchen, Teltifch-römifchen und von ben römiſchen 
Heeren und Sieblern mitgeführten orientalifchen Götterglauben zu be- 
kämpfen ?). 

Ohne Zweifel waren bie Alamannen im VI. Jahrhundert noch 
allergrößtentheil® Heiden 1%) und ihr Glaube Teiftete zähen Widerſtand. 


1) Stälin (8) I. ©. 113. 

2) Baumann, Kempten ©. 110. 

3) Lorenz und Scherer &. 7. Ueber Einführung des Chriftentbums im 
Eifaß Grandidier I. p. 29f., zum Theil von ber Kritit ber Quellen überholt, aber 
immer noch brauchbar; über St. Amant, erften Biſchof von Straßburg im IV. Jahr. 
hunbert p. 65; über St. Maternus, wieder erwacht, nachbem er 40 Tage im Grab 
gelegen ©. 45. 

4) Baubo und Rabovera, alfo Germanen, Le Blant, Inscriptions I. p. 490. 

6) oben ©. 49. 6) Nah Haud I. ©. 90. 

7) Eugipp. v. St. Severini 19. 

8) Vita ed. Krusch. Ser. red. meroving. III. 1896, p. 55. 

9) Prinzinger, ber vorchriſtliche Sonnenbienft tm beutichen Sübdoften, Mittheil. 
d. Geſellſch. f. Salzburgiſche Landeskunde 1878. — Oſterhage, vorchriſtliche Reli⸗ 
gionsäbung in Gallien. Programm d. Humboldt⸗Gymnafiums zu Berlin 1895. 

10) Wie Agathias II. bei ihrem Feldzug in Italien (a. 553) bezeugt; ſ. unten; 


620 


Rückfall ins Heidenthum wird bier noch c. a. 740 gefürchtet! 

Wie zahlreich und zäh fich die heidniſchen Vorftellungen erhalten 
haben, zeigen lehrreich die Angaben einer Kalenberinfel des XV. Jahr 
bunderts vom Simplon?) Auch Hier?) beginnt das Jahr mit dem 
1. März. 

Heidniſche Heilgebräuche haften heute noch in unfrem Landvolk“. 

Gar wenig und nur trübes Licht verbreiten über Götterglanben 
und Götterdienft der Heiden die Legenden ber Bekehrer: wir erfahren 
nur deren gewaltthätige Zerftörungswuth gegenüber ven Heiligthümern. 

Und dann wundern fich bie Einpringlinge, daß bie Heiden folche 
Frevel gegen bie Götter nicht dulden wollen! Ein Bergdämon und ein 
Wafferdämon Hagen in nächtlichen Rufen über die Uebermacht bes 
heiligen Gallus, ber fie aus ihren Tempeln vertrieben: der Seebämon 
vermag nicht einmal, deſſen Fijchnege zu zerreißen). 

Der Bericht des Agathins®) über das Heidenthum ber Alamannen 
entbält nichts von dem Gemein» Germantfchen irgend Abmweichendes: 
Verehrung von gewifjen (tıva)?) Bäumen, Flußwirbeln, Hügeln und 
Telsfchluchten, Opfer von Rindern, Roſſen und vielen andern 
Thieren bringen die Alamannen Bukilins in Italien bar, auch von Ge 
fangenen, ven Tlußgott bes Po zu gewinnen®), fie plünberten und 
verbrannten damals fchonungslos die Kirchen ?). 

Die Bekehrer zu Anfang des VII. Jahrhunderts, St. Columba 
und St. Gallus, trafen bei Bregenz brei eherne vergolbete Götter 
bilder 1%), Gallus warf fie in den von ihm gefegneten (b. h. wohl 
erorcifirten) See11). 


gegen Berwertbung ber rbetortichen Stelle bei Arnobius disput. I. 6, die Als 
mannuen neben Berfer und Skythen ftellt bei Friedrich IL. S. 57. II. ©. 392. \. 
G. Meyer v. Knonau, Denkmäler S. 58: bafelbft über bie früheften Biſchdfe von 
Windiſch ©. 59. 
1) Vita St. Pirminii (hierin glaubhaft) ed. Mone c. 4. p. 31. 
2) Rung, Mittbeil. d. antiq. Geſellſch. XII. 1858—60. 
3) Bgl. Könige VIIL 5. 
4) ©. oben S. 49. 
5) Ueber Bötterweien der Sueben und Alamannen Ublanb VIII. ©. 298. 
6) geft. vor a. 582. 
7) Eichen. f. unten ©. 621, Claudian. Anm. 6. 
8) Agath. I. 7. 
9 II. 1. 
10) tres imagines aereas et deauratas (Wotan, Donar, Zin?) Vita 
St. Galli ed. Pertz Monum. Ser. II. 7. 
11) Ratpertus casus St. Galli I. c. 61 „bas Meer”. 


621 


Als Sanct Eolumba von Bregenz aus bie Belehrung ber Heiden 
und die Reinigung bes bereits eingebürgerten, aber arg verwilberten 
Chriſtenthums betreibt, weiht er aufs Neue bie burch Teberifchen ober 
gar heidniſchen Gottesdienſt befledte Kirche ter heiligen Aurelia 1). 
In Arbon trifft er einen Chriftenpriefter germanifhen Namens 2). 

Er zerichlägt die große Opferkufe®), die 26 Maß Bier faßte, 
das die Alamannen ihrem Gotte Wodan, „ben Andre Mercurins 
nennen”, opfern wollen. 

Schon Tacitus bat wohl bie Tempel» und Bilb-lofigleit des ger- 
manifchen Götterbienftes — im Gegenſatz zu dem römifchen — einiger- 
maßen übertrieben*): jedesfalles zeigen fpätere Berichte, daß bier, wie 
noch fpäter bei ben Norbgermanen, HeiligthHümer auch außer ven Hainen 
bes Tacitus: Gebäude (freilich meist nur aus Holz) und allerlet Götter- 
bilder, nicht fehlten®). 

Sanct Gallus verbrannte denn auch die (offenbar hölzernen) 
Weihthümer (fana)®), in denen die Alamannen ven „Dämonen“ opferten. 

Häufig wurben dann von ben Belehrern auch hier, wie anberwärts 
an ben zerftörten heibnifchen Cultſtätten bie älteften Kirchen des Landes 
erbaut”). 

Die heibnifchen Priefter haben bei ten Alamannen fo wenig für 
Staat und Recht Bedeutung gehabt, wie bei andern Germanen ®). 

Sehr mit Unrecht bat man?) die geehrte, gefürchtete und ge- 


1) V. St. Col. ed. Pertz Monum. Ser. II. 7. Ueber biefe nur noch in 
Straßburg gefeierte Heilige Slvefons ab Arx. 1. c. Potthaft? II. p. 1188. 

2) Willimar 1. c. 

3) V. St. Columb. ed. Krusch. vas magnum quod vulgo cupam vocant, 

4) Urgeſch. 12. ©. 134. 

5) Vgl. die Holggebäube um die Irminful, Urgeſch. II. ©. 967. ©. I. 6. 
©. 295. 

6) Walahfe. Strabo Mon. Ser. II. p. 7. Acta ord. St. Bened. I. 
Saecul. II p. 232 Stälin (®.) I. S. 102 führt eine ſchöne Stelle Clandians 
e. a. 400 an, welche bie Haine im herfunifchen Walde fehilbert: de laud. Stilich. 
I. v. 228—231 .. lucos vetusta religione truces et robora, numinis instar 
barbarici . . 

7) Boffert, Blätter für württemb. Kicchengefch. 1888. ©. 43, Weller Anfiedel. 
S. 45 (Heilbronn: Sanct Martin fränkiſch, Sanct Michael = Ziu alamanniſch [72). 

8 D. ©. I a. ©. 221, insbefondere Über die Burgunben f. bieje; das bei 
Stälin (V.) I. S. 162 angeführte Steinbilb eines heidniſchen Priefters (??), gefunden 
zu Wilbberg, zur Zeit in ber k. Altertbilmerfammlung zu Stuttgart, wage ich 
nicht zu verwertben. Sattler, Gefchichte bis 1260, Tafel 1. 

9) Stälin (8.) I. 162 gegen ben angeblichen Heinenpriefter auch Stäliu (S.) 


622 


ſchützte Rechtöftellung der chriftlichen Geiftlihen, vie auf ganz be⸗ 
fonderen Gründen und Zweden tes fränkiſchen Staatschriftentkums 
berußte, auf ähnliche Vorzüge ber heibnifchen Priefter zurückgeführt. 

Heidniſche Priefter werben bier gar nicht erwähnt: vielleicht, aber 
nicht nothwendig, waren folche die Vogelſchauer, bie (a. 354) ben 
Gauen von Gundomab und Vadomar vom Kampf abriethen 1). 

Auch vor der Schlacht bei Capua (a. 554) werben bie Weisſager 
(pävreıs, nicht „Prieſter“, iepelc) befragt, aber ihre Warnungen wicht 
befolgt 2). 

Bonifatius und Gregor haben a. 737—739, zumal bie Tobten- 
opfer?) (mit Leichenſchmäuſen) zu belänpfen *) und wie das Heidenthum 
(gentilitatis ritum) auch in Alamannien bie Seßereien ber Brit- 
tannen®). 

Vebrigens hatte der Apoftel ver Deutſchen von dieſen eine herz⸗ 
Sich fchlechte Meinung: „fleifchliche Leute, dumme Alamannen ober 
Baiern oder Franken“ nennt er fie®). 

Zäh dauerte das Heidenthum auch unter ber kirchlichen Dede" 
fort, wie fich neben ven Belehrten zahlreiche offene Götternerehrer und 
Opferer erhielten. Noch im VIII. Jahrhundert befämpfen fie Papft 
Gregor II. (a. 731— 741) wie Bonifatius 9). 

An Stelle Zins, des Schwertgottes, trat Häufig Sanct Michael, 
der Schwertengel, auch an den alten Euftftätten?). 

Zeufeld-Sagen erzählt der Mönch von Sauct Gallen 1%), ver aber 


S. 74, aber auch er folgert aus ter Ehrung ber chriftlichen bie ber heibnifchen 
Briefter. 

1) Amm. Marc. 14,10. 

2) Agath.. II. 6. 

3) Jaffe, Mon. Mag. p. 104. 

4) Jaffe, Mon. Magont p. 103 a. 737—739 Epist. IIL p. 292. Stälin (B. L 
©. 197. 

5) Epist. ed. Würbtwein p. 108. 

6) Oben S. 494. Merlel de r. ©. 8, 35, aber ein Koncil von Meb ven 
a. 625, das er anführt, giebt e8 nicht; das einzige Metzer Eoncil ift von a. 5M 
und enthält nichts Davon, Cc. Merov. M. Germ. h. Legum. III. 1. ed. Maasser. 
1893. p. 176. 

7) Cap. v. 742, 743. ſ. VIII. 6. ©. 146. Ueber bie von Merkel ©. 65 
verwerthete vita St. Pirmini f. oben ©. 616. 

8) So Baumann S. 2005. Ueber die Miihung von Heidenthum umb 
Shriftenthum in biefen Landen Lamprecht I. &. 347. 

9) c. 22f. 

10) c. 25. 


623 


einmal (auffallenderweife) neben die wunberhafte bie natürliche Erklärung 
eines Todesfalles ftellt). 

Er glaubt feft an einen »schrat«, der alle Züge elbiſchen 
Weſens zeigt). 

Noch unter Elothachar I. lebten, fogar im Frankenreich, gar viel 
Heiben, 3. B. in Arras. Die Biſchofskirche hier war feit Attila's Tagen 
halb verfallen, Schlangen und fogar ein Bär hatten ihre Lagerftätte 
barin, den Sanct Vedaſt ausbannte; auch diefem Heiligen gelang bie 
Delehrung nur ſehr allmälig?). 

Im Volle ward der Glaubensunterfchien nicht allzu ſchroff em- 
pfunden?): ganz gemüthlich zechen Chriften und Heiden mit einander; 
ein Franke Hozin lädt Chlothachar J., deſſen Höflinge und St. Vedaſt; 
aber freilich vie Bierfrüge, die in der Mitte des Hauſes ftehen, find 
für Ehriften und Heiden gefondert und die heibnifchen nach heidniſcher 
Stttet) geweiht, wohl mit Bier⸗Runen: ber Heilige befreuzt fie und 
fie zerfpringen, worauf viele Heiden fich tanfen laffen. Anders freilich 
als das Leben vie Leges und bie Kirche. 

Die Lex) tennt Biſchöfe, presbyteri, Dialone, Regularmönche 
und Kleriker und hebt unter dieſen folche hervor, die in ber Kirche 
von der Stufe des Ambons herab (nach Verlefung der Epiftel) over bes 
Pultes (pulpiti) ein Gradual anftimmen ober die lectio abhalten. Und 
fie kennt paganos®) nur noch außerhalb ber Grenzen des Landes. 

Sn den alamannifchen Wochentagen (Montag, Ziestag, Donars- 
tag, Treinstag, Sonntag)”, erhalten fich die Götternamen. 

Die (heidnifche) Benennung des Montags wird in ber Ehriften- 
heit „beſſer“ durch secunda feria erjegt®). 

Die L. R. Rh. Cur. vollends, von einem Geiftlichen verfaßt, 
verfolgt mit Gehäſſigkeit das Heidenthum, wo bie römijche Vorlage 


1) o. 23 dazu Wattenbach im feiner Weberfegung, 2. Aufl. 1877 &. 25. 
3. Grimm D. Myth. S. 447. Schmeller Wörterbuch s. h. v. 

2) Vita St. Vedasti prima ed. Krusch c. 6. 

3) Meber die Norbenborfer Wuotansinfchrift neben einer Spange mit bem 
Kreuz in Einem Grabe f. Jahresber. d. hiſtor. Vereins f. Schwaben VIII. u. IX. 
Dietrich In Haupt. 2. D. Altbertbum XIV. &. 76. Oben ©. 494. 

4) gentili ritu sacrificata V. St. Vedasti ed. Krusch ce. 6. ed. v. Schu⸗ 
Bert p. 218. 

5) 16. 

6) t. 37. 

7) Fiſcher wärtt. Biertelj. H. IX. ©. 170. 

8) Neugart 320. a. 848. 


624 


nicht8 gegen bie Heiden enthält, z. B. nur von crimen laesae ſpricht!; 
e8 entiprach aber ver geltenden Volksfitte nicht jener Haß. 


Der Borwurf des Heidenthums berechtigt fogar den Freigelafinen, 
gegen ben Freilaſſer zu Magen 2). 

Das Heidenthum war auch in dem benachbarten Baiern zur Zeit 
des Bonifatius) noch fehr ftart verbreitet. Die Bekehrer Sanct 
Willibald, Sanct Wunnibald, Sancta Walpurga und Lioba eifern 
bort und anderwärts dagegen; jchwerlich war e8 in Alamannten anders t). 


Die Belehrer und auch noch fpäte Nachfolger haben oft über 
heidniſche Auffaffungen der Kirchenlehren, auch Ehrifti, zu Hagen. Bei 
Gregor von Tours erfcheint er vor Allem als Herr und Herrfcher, bei 
den Angelfachfen gar als „Eveling” und fieghafter Held, als Be 
zwinger ber Hölle). 


3. Die Sprengel. Die Biichdfes). 


Sacerdos heißt nicht nur ber Bifchof, auch ber Pfarrer”), ver 
pastor eeclesiae®). Biſchöfe und Aebte heißen principes®), gratia 
Dei alle Geiftliche 19). 


1) ©. die Beifpiele bei Conrat I. ©. 288. 

2) L. R. Rh. Cur. 12, 1, 2 (aus Cod. Theod. 12, 1, 2. 

3) Ueber bie verfchtebenen vitae St. Emeramni von Arbeo unb Anbern, 
Wattenbach IE ©. 123 (unbraudhbar die von Arnulf, Graf von Cham. c. a. 1036. 

4) Vita St. Willibaldi und St. Wunnibaldi Mabillon Acta II. p. 178. 
Walp. A. S. ed. Bolland. februar III. p. 523. Liobae (gefl. a. 779) auctore 
Rudolfo Fuldensi geſt. 865 ed. Waitz Mon. Germ. hist. XVI. 1. p. 121. 
v. Schubert ©. 181 läßt erfi a 696 die Agtlolfinger Durch Sanct Rupert. taufen, 
aber follte Garibald, dem c. a. 555 eine merovingiſche Königs-Witwe vermählt 
wird, Heide geweſen fein? 

5) Seeberg, S. 98, 99. 

6) Könige VII. 3. ©. 220, 231. VII. 5. &. 201, 208. Ueber bie Tird» 
liche Organifatton der Schweiz Egli S. 83, 92f., Neber, Kirchliche Geographie und 
Statifttl, die Landkirchen und bie Schuöheiligen 1864, 1865, 1868 (Schweiz I.) 
S. 135, Deutihland S. 153, Brelsgau S.306, Rothenburg S. 310. — NRüfchler, 
die Gotteshäufer in ber Schweiz 1868. — Dändliker I. ©. 103. 

7) L. I. p. 64. 8., qui ad eandem ecclesiam deservit. 

8) L. 2. p. 67. Bifchof auch = pastor ecclesias L. 11 (12) p. 77. 

9) Neug. 343. a. 852. 

10) Könige VIII. 5. S. 209. auch bei niebern Laien Du Cange IV. &. 104. 
IU. [vtel früher als Du Cange III. p. 48. angtebt) Neugart 77. a. 779— iM. 
74. a. 779. Dei dono vocatus episcopus; oft quamvis pecator. 


625 


Die Bezeichnung venerabilis (und inluster vir)!) fommt regel- 
mäßig nur Königen, Biſchöfen und Aebten, nicht Grafen zu. 

Bifchof Remigius von Straßburg nennt fi) servus servorum 
Dei), auch servus servorum Sancti Galli?). 

Karl Heißt der Bifchof der Bilchäfet). Die Biſchofskirche heißt 
titulus episcopalis®). Parochia ift dioecesis wie Pfarrei®). 

Als alamanniſche Bisthümer kommen meift in Betracht das von 
Augsburg (a.590), Eonftanz (c. a. 580), Bafel (c. 715)7), Chur (a. 452),, 
Speier (a. 650), Straßburg (a. 630)%), Worms (a. 697), Wirzburg 
(a. 741). 

Die frübeften in biefen Gegenden bezeugten Biſchöfe find Bu- 
bulcus von Windifch, in dem burgundifchen Eoncil von Epaon®), und 
fein Nachfolger Grammatius 10) a. 535, auf fränkiihen Concilien 
a. 535, zu Clermont a. 541, a. 549 zu Orleans!!): fie ftanden 
unter Befancon: ob fich aber in dem ganzen V. Jahrhundert Bifchöfe 
zu Windiſch erhalten haben 12), tft doch recht zweifelig 13). 


1) Neugart 100. a. 787. 

2) Neugart 1. c. 69. a. 778; fo fhon Sanct Auguftinus (nad) Grandidier 
bier) |. unten gratia Dei. 

3) Meng. 617. a. 896. 

4) Allerdings nur bei dem Mönch von Sanct Gallen c. 25. 

5) Coll. F. Sang. 6. 

6) Bgl. VIII. 5. L. 10 (11) p. 76. 12 (13) p. 77. 

7) Die Bischöfe von Bafel fett a. 618. Konftanz a. 549 [?]. Lauſanne a. 573. 
Sitten a. 549 in Fontes rerum Bernensium I. 1883. — Trouillot, monuments 
de l’'histoire de l’ancien &v&che de Bäle I. — ©. die Bifchofsliften für (Octo- 
durum, Sitten, Genf, Aventicum-Lanfanune), Baſel, Windiſch, Conftanz bei 
Egli S. 132. das Verzeichnis ber (Schweizer) Gotteshäufer von a. 381—800 ſo⸗ 
wie bie Excurſe S. 111f. — Jetzt zumal Haud I. S. 89. über Windiſch, Augft 
und Chur als Bifchofsfige ſchon zur Römerzeit (auch Augeburg?). 

8) Grandidier, histoire des &v&ques de Strassbourg. — Fritz, das Terri- 
tortum bes Bisthums Straßburg und feine Gefchichte 1885. 

9) Labb& C. IV. p. 73. 

10) Harduin Ce. II. p. 1183. 

11) Rettberg II. ©. 103. 

12) Wie Jahn II. S. 369. 

13) Ueber die angebliche Verlegung bes Biſchofsſitzes von Windiſch nach Eon- 
ſtanz Weingart, episcopatus Constant. 1803. dissert. VI.) Stälin ®. 1. ©. 
187. Sohn 87. über die hohe Bebeutung des Bisthums Conſtanz ebenda [und 
gegen die angebliche Abgränzung zwilchen Burgund und Churrhätien durch Dago- 
bert I. oder II. ebenda, Bater und Sohn]. Ueber Solomo J. [(a. 838—871), LI. 
(a. 875—890), III. (a. 890—919)) von Eonftanz, Ludwig p. 58 (über Bubulcns 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 40 


626 


Chur!) gehörte bis a. 843 zum Erzbisthum Mailand, weil zu 
bem Königreich Italien, feit a. 843 zu Mainz, weil zu Ludwigs Reich) 

Das Bisthum Augsburg hatte zu Ende des VL Jahrhunderts yı 
dem Erzbisthum Aguileja gehört, e8 taucht erft c. a. 740 wieder auf?) 

In karolingiſcher Zeit werten bie Bisthümer gegliebert in Ardi- 
biaconate, diefe in Decanate (Archipresbüterate), jpäter Landcapitel ge 
nannt‘): fchon a. 774 ließ Heddo von Straßburg dieſe Eintheilung 
feiner Diöceſe von Pabſt Hadrian feierlich beftätigen®). 

Die kirchlichen und ftatlihen Vorjchriften für Wahl unt Er 
nennung ber Bilchöfe®) galten felbftverftändfich wie für das ganze 


zu Windiſch. Meyer von Kmonau zu Ekkehard) Marimus (a. 550553?; n 
Conftanz, ebenda. Leber Salomo III. unb Ekkehard IV. Dammert Ford. 
3. D. Gef. VIII. S. 327. Heidemann ebenda VII. (vor a. 890). Ueber bie 
Gränzen des Bisthums Konflanz Neugart, episcopatus Constant. Abhandl. 1. 
p. 10; über bie politifhe Glieberung IL, IIL, IV. über bie Firchliche IV. über 
das Eindringen des Chriftenthbums V. [Folge der Bifchöfe von Bubulens Bis 
Rubolf]. 

1) Afınio erfter nachweisbarer Bifchof von Chur Mohr II. ©. 5. Nüſchler L 
(das Bisthum Chur) 1868. 


2) ®gl. Mobr I. ©. 41. N. 25. 

3) Ueber bie (19) Biichöfe von Augsburg von Sozimus (a. 580?) bis ha 
rich, Braun, Gefchichte ber Bifchdfe von Augsburg, I. 1829. &. 30. (über bie 
ältere Zeit viel Unfritifches). 

4) Bgl. VIII. 5. ©. 238. 


5) Grandidier, hist. de l’&glise de Strassbourg II. Urkunde N. 66. Ueber 
bie Mirchliche Gliederung bes Landes, das Verhältniß der Capitel zu den Humntaren, 
ber Archiviafonate zu ben Gauen Richters Dove 88 1375. Hinſchius II. 88 bof. 
Stälin ©. I. S. 160: aber dagegen Baumann a. a. D.: BVerzeichniſſe aus dem 
XIII. bis XVI. Jahrhundert find nur fehr worfichtig zu verwertben; anbers Merkel 
de rep. p. 35. Das Zufammenfallen der Bisthums- mit den Gau. Gränzen 
if. oben &. 91] bat zuerft hervorgehoben Kremer, Bejchreibung des rheiniſchen 
Franziens 1778: aber gegen bie Uebertreibungn f. Stälin V. I. &. 277; Karl 
der Große hat (wohl gefliſſentlich bie neuen Erzbiethümer über bie Gebiete mehrerer 
Stämme ausgebehnt, nie Erzbistum und Stammgebiet zufammenfallen laſſen. 
Ueber das Alter biefer Gliederungen (nach den fpäten Regiftern [X V., XVL Jahr- 
hundert) der Archidiakonate und Decanate in fehr löblicher Borfiht Stältn B. 
1. S. 368. Schon Wiarba zur Lex Salica S. 76 und Rettberg II. S. 24 bemerken, 
daß die hohe Zahl der Biſchöfe in der Lex nur im ganzen Frankenreich, nicht in 
Auſtraſien allein vorfommen fünnte; vgl. Eichhorn 8 39 S. 254 (jefst aber 
Brunner, verfchollenes Merovinger Eapitular). 

6) Könige VIL 3. &. 230. VIII 5. ©. 216. 


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627 


Reich fo in Alamannien!), wurden aber hier fo oft wie im ganzen Reich 
nicht eingehalten. 

Der freien Wahl burch Geiftliche und Laien follte auch bier bie 
Bitte an den König um Beftätigung folgen: und manchmal wird das 
Recht der freien Wahl ausprüdlich zugefichert: fo Chur durch Karl, 
freilich unter Beftätigung bes Herrichers 2). 

Der zum Bifchof gehörig Gewählte foll dem König vorgeftellt, von 
diefem geprüft und günftigen Falls dem Erzbifchof zur Einfegung empfohlen 
werven?). | 

Aber vie Regel ift auch bier die Einfegung der Bifchöfe burch 
ven König, freie Wahl Ausnahme. Lehrreich hierüber ift ein (erfun« 
vener) Befcheidt). Domherren wenden fich an ven König — voll Sorge, 
wer (und welches Stammes, gentis) von biefem zum Bifchof beftelit 
werben würbe: ein Unbelannter oder von fremder Sprache oder Sitte 
könne ihnen nicht entjprechen. Der König antwortet, er wolle zwar 
Fraft feiner Macht (zu feinem Seelenheil) der Kirche das Recht ver- 
Leihen, aus ihrem Klerus und ihrem Bisthum (parochia) ven Bifchof 
zu wählen, zunächft unter den Kanonikern von freier und ebler Geburt 
(ingenui et nobiles homines)5), von ten erforberlihen Kenntniſſen 
und guten Sitten: wählen follen bie Geiftlichen und bie edelgebornen 
Zaien (natu majorum nobilium laicorum: ber Gewählte foll aber 
por ten König geführt werben, auf daß biefer bie Wahl prüfe, billige 
und fo Allen empfehle. In Ermangelung folder Kanoniker follen aus 
den Klöftern der Diöcefe edle (von Geburt?) und gebildete Männer 
gewählt, vor ben König geftellt und von biefem nach Prüfung bem 
Erzbifchof zur Einfegung „kraft der königlichen Gewalt“ empfohlen werben. 


1) Ueber Beftätigung bes gewählten — vorgefchlagenen (Wartmann IL. p. 328. 
N. 726) — Bifchofs dur den Köntg (felten Herzog) Form. Salomonis ed. 
Rositre 11. p. 628. N. 520; auch Päbfte haben das anerlannt; neben ben Geift- 
lichen wählen auch bie vornehmen Laien bes Sprengeld. Ueber Wahl und Er. 
nennung ber Biſchöfe von Straßburg Grandidier I. p. 169. Ein Diplom Karls, 
ausgeftellt zu Rom (3. IV. a. 774) gegen Simonie in Straßburg; über Biſchofs⸗ 
wahl und Bertbeilung der Einkünfte Neugart 1. o. 57. 

2) Mohr p. 90 ex nostro permisso et voluntate cum electione plebis. 

3) Coll, Form. Sang. 1. (erfundene Formel). 

4) Coll. Form. Sang. 1. 

5) Auch bie Laien-Wähler follen fein natu majores nobilesque (Coll. F. 
Sang. 1., aber erfunbene Formel) nobiles et eruditi viri in andern Klöftern: je 
doch einmal werben aufer ben primi auch medii und extremi zur Mitwirfung 
bei der Wahl — Geleitung zum König — berufen J. c. 3. 

40* 


628 


Gegen die Wahl eines Unfreien oder Srohnpflichtigen !) wahrt ſich ver 
König das Recht ber Verwerfung; auf vornehme Abkunft2) wird bei 
ben Biſchofswahlen ſchwer Gewicht gelegt! Ausnahmen find felten. 

Der Biſchof von Chur foll vom Bolt gewählt und vom Kin 
gebilligt werben?®). 

Biſchof Veranius von Chur war a. 833 wegen feiner Treue 
gegen Ludwig aus feinem Bisthum vertrieben, feiner Beſitzung Schlett- 
ftabt und des Zolls in Chur, fowie der Verleihungsurfunde Karls he 
raubt worden: er erhält a. 836 in einer Erſatzurkunde Alles zurüdt. 

Beftätigung — in Wahrheit meift Einfegung — ber Biſchöfe 


war auch fpäter ein Königsrecht: ausnahmsweiſe überträgt es Hein 


rich I. Arnulf von Baiern®). 

Die fpäteren Bifchofscandibaten find meift Schüler eines Kloſters 
ber Didcefe oder der Nachbarichaft: fo war auch Sanct Udalrich von 
Augsburg Klofterfchüler in Sanct Gallen gewefen ®). 

Mit Recht hat man”) bemerkt, ba die Bilchöfe meist aus Mön- 
hen ihrer Didcefe hervorgingen, war es ihnen erleichtert, ſpäter Achte 
ihrer Klöfter zu werben, ever fie blieben Aebte und wurten BYifchöfe 
bazu. So behielt Johann St. Gallen, als er (c. a. 760) Biſchoi 
von Conftanz ward: fpäter erwarb er bie Abtwürbe von Reichenan 
bazu und wollte tie drei Würden feinen brei Neffen vererben 9). 

Hatto behielt als Erzbifchof von Mainz die Abtei Reichenau bei. 

Gar oft vereinten fo hab⸗ und herrich.gierige Biſchöfe gegen das 
Verbot wie früher?) auch jegt und hier mehrere Abteien im ihrer 


1) personam servili jugo notabilem et publicis exactionibus debitam: 
an Steuer ift wohl weniger als an Dienfte zu denken. 


2) Allerdings heißen in jenen Quellen auch die fo felten geworbenen Gemein ⸗ 


freien nobiles f. oben ©. 138. 

3) Mohr I. 1.c. oben Anm. 26. p. 42. a. 843. ex nostro permissu ei 
voluntate cum electione .. plebie. 

4) Mohr I. p. 36. p. N. 22. (v. Sickel I. p. 189) N. vgl. N. 28. p. 4. 

5) Liutpraund II. 23. won Eremona (c. a. 950) ed. Dümmler 1877. Thiet- 
mar von Merfeburg (geb. a. 975) ed. Kunze 1889. I. 26. Waitz, Jahrbücher 
Heinrich I. S. 55f. 105, 108. 

6) Vita c. 1. Ueber bie Capella als Pflanzichule Tünftiger Bijchöfe (Sale 
mon v. Eonftanz) Watt VII. S. 291. 

7) Stälin (V.) I. ©. 374. 

8) Neug. Episc. Constant. I. p. 83. 

9) VIII. 5. ©. 171, 208. 


629 


Hand, fo Salomo III. von Eonjtanz Neichenan, Sanct Gallen und 
mehrere andre). 

Für Sanct Gallen werben der Biſchof (Egino) von Eonftanz als 
Mector und der Abt (Werdo) neben einander genannt?) ; auch beibe heißen 
rectores?). 

Aber auch ſcharf unterſchieden: fo ift a. 798 Biſchof (Egine) von 
Conſtanz rector, Werbo Abt von Sanct Gallen‘). 

Wolfleoz machte fich noch zu Lebzeiten des Abtes Werbo (+ a. 813) 
zum rector von Sanct Gallen (was ver Bifchof von Conftanz war), 
nach deſſen Zode nannte er fih Abt (früher episcopus!), a. 816 
mußte er dem Abte Gozbert weichen®). 

Dber auch ber König empfiehlt einen Biſchofscandidaten einem 
Biſchof mit dem Auftrag, ihn Andern weiter zu empfehlen ®). 

Die Stellung ver Biſchöfe ift auch hier bie von geiftlichen Fürften ?) 
und auch Bier oft mehr fürftlich als geiſtlichs). Der eifrige Brief 
wechſel der Biſchöfe betrifft nicht minder als Tirchliche ftatliche Dinge). 

Salomo II. von Conftanz Hagt, daß ihn ver Königsdienſt (ser- 
vitium regis) feinen Amtspflichten entziehe: aber dieſe ebrgierigen 
und berrfchluftigen Prälaten drängten ſich an ven Hof und in bie Reichs⸗ 
geichäftel). 


1) Stältn (V) J. ©. 365. Weber den Streit zwiſchen dem Biſchof von Eon- 
ſtanz und dem Klofter Sanct Gallen, Abt Othmars Entführung a. 759 und Ueber- 
führung feiner Leihe aus der Rheininfel Stein nach bem Klofter a. 769. Abel 
Karl d. ®r. 1.S. 60. Beftättgung ber Abhängigkeit Sanct Gallens von Conſtanz 
burd Karl a. 780. a. a. D. 278. Verhältniß Reichenaus zu Eonflanz S. 280; Über 
die Kämpfe nach dem Tode des Biſchofs Johann a. 781 und bie Löfung der Abt- 
wiürde in beiden Klöftern von der Biſchofswürde S. 336f.: meer Ausbruch bes 
Streites: Sauct Gallen unterliegt. Weber bie Erwerbung von Sanet Gallen durch 
Sonftanz v. Arx. I. S. 29, 32, fünf andere unterworfene Klöfter S. 103. Reichenau 
fiegt und erhält freie Abtwahl a. 784. a. a. O. S. 390, fpäter Ift Abt von Reichenau 
Bischof Heido von Bafel a. 811. ©. Böhmer-Mühlbacdher p. 205. 

2) Neugart 120 seq. 

3) 1. c. 144. a. 802. 

4) W. U. 50. Neug. I. 135. a. 798. 

5) Arx. I. p. 34. 

6) Coll. F. Sang. 26: ganz offen wirb das ald Dank Karls III. für eine 
Herbergung bezeichnet! (hoc ei prandium recompensarvit). 

7) VII. 5. ©. 224. 

8) ſ. unten Kirchenzucht. 

9) Coll. F. Sang. 40. 

10) Coll. F. Sang. 38. 


630 


Der Bifchof wird auf einer Romreife von feinen Bafallen begleitet‘). 

Er wird vielfach dem Herzog gleichgeftellt, fo bei Ungehorſam 
gegen Befehl und Sigel?). 

Die Verwandten des Bischofs erhalten ven gleichen Schuß wie er?). 

Lehrreich ift, daß auch Hiert) vorausgeſetzt wird, ver Biſchof 
unb befien Geſippen gehören dem Adel an (wie fi) das bei ven Ge 
fippen des Herzogs von felbft verfteht): warb einmal ein Nicht-Eoler 
Biſchof, fo erhielten wohl feine Gefippen das Wergeld ter Eteln®). 

Devorzugung der Erelgebornen bei Beſetzung ter Bistümer wird 
ſogar formelhaft voransgefegt®;, aber auch Ausnahmen find, zumal 
im X. Jahrhundert, nicht felten. 

Auch aus dem Arnulfingergefchlecht gingen Biſchöfe hervor: fo 
Chlodulf und Chrodigang von Meg”). 

Hof und Haus des Bifchofs oder Abtes find gegen gewaffnetes 
Eindringen burch (im Vergleich mit Laien) erhöhten Frieden gefchügt 9). 

Nach dem Biſchofsrecht von Chur erhalten Stadt, Burg, Haus, 
wo ter Bifchof weilt, erhöhten Frieden: für Tödtung daſelbſt außer 
bem Wergeld 60 sol, Wette: wer in feiner Gegenwart tas Schwert 
zückt, verliert die Schwertband, wer nicht in feiner Gegenwart, aber 
in ber Stadt feines Aufenthalts, wird gegeißelt). 

Der Bifchof hat das gleiche Wergeld wie der Herzog 1%), es iſt 
bem König oder auch dem Herzog ober ber Biſchofskirche zu ent- 
richten 11). 


1) Coll. F. Bang. 34. 

2) In beiden Fällen 12 sol. Buße L. 22 (23) p. 83, 27 (28) p. 86. 

3) L. 11 (12) p. 77. 

4) Wie in Gallien (fo auch bei St. Defiderius von Cahors, wirb bie eble 
Abkunft oft hervorgehoben, fo bei Samct Burkhard gefl. a. 754. Ed. Mabillon A. 0. 
8. Ben. Saecul. III. 1. p. 653. Ed. Migne 87. p. 218 nobili genere ortus 
geft. a. 664. 

5)? T. 12. 

6) Form. Salom. ed. Roziere II. p. 628. N. 520. 

7) Urgeſch. III. Stammtafel; vita St. Chrodig. Ser. X. p. 556. 

8) T. 10, 11. oben S. 328, Btfchofsfriede in Rhätien, Cap. Remed. v. Wyss, 
Geſetze ©. 223. 

9) Wyss. Cap. Rem. ©. 223, Capitula Remedii ce. 3 von Brunner IL 
S. 47, Schreuer ©. 101. 

10) T. 12. 

11) L. 11 (12) p. 17. Aber das »gratia Dei«, von König und Biſchof, ven 
Aebten häufiger dono Dei, Th. v. Sidel I. &. 255, find Ausdrücke chriſtlicher 
Demuth, nicht weltlichen Stolzes, Könige VIII. 3. 


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631 


Der König hat über die freien Grundholden ber Kirche einen 
Bann von 12, fein judex von 6 solidi?). 

In fehr weitem Umfang und in gar unbeftimmten Ausbrüden 
find in ber Folge (unter ben Ottonen) fiscaliſche Rechte (regalis 
camerae) auf den Bifchof von Chur übertragen worben 2). 

Noch unter Otto II. wird im rhätifchen Thal Pergallia bie »cen- 
tena« und das »schultetium« von Chur genannt?). 

Später werben bie Bilchöfe von Chur, Augsburg, Bafel und 
Straßburg vom König mit Graffchaften belehnt!). 

Auch alamannifche Bifchöfe und Aebte wie fräntifche fpielen wich 
tige politifche und biplomatifche®) Rollen: fo Abt Hatto I. von Reichenau, 
er geht mit 2 Grafen als Gefandter Karls a. 811 nach Eonftantinopel®), 
fo find bie beiden Salomo I. (a. 839— 871) und IIT. (a. 890— 920) von 
Eonftanz Kanzler”), Witgar von Augsburg Kanzler und Erzcapları 
Zubwigs des Deutfchen (a. 887) und (unter Arnulf und Lubwig dem 
Kinde) fein Nachfolger Adalbero (a. 887—909)%). Auch der Bifchof 
Liutprand von Vercelli, Erzcaplan Karls III, war Alamanne?). Wie 
früher werben fie häufig Königsboten 19). 

Auch im Hofgericht des Königs fpielen bie Biſchöfe wichtige Rollen: 
einmal wirb ber von Eonftanz vom König mit dem Vorſchlag des Pfalz- 
urtheil® beauftragt 11). 


1) L. A. 22, 2. (23) 2, p. 83. 

2) Mohr N. 48, 53, 70. W. U.B. I. N. 184. p. 213. Ueber das Bisthum 
Chur und feine Rechte v. Juvalt, Forſchungen S. 19; bie churiſche Vogtei S. 26. 

3) W.U.B. N. 189. p. 220. 

4) Walk VII. ©. 157. 5) VIII. 5. ©. 338, 

6) Annal. Weingart. Ser. I. p. 65 ſ. auch unten Vertretungshoheit. Weber 
bie häufige Berwenbung von Geiftlichen als Gefandte au fremde Höfe, Menzel, 
Deutſches Geſandtſchaftsweſen im Mittelalter S. 163 (aber die angebliche Urkumbe 
Karls für Osnabrüd, Böhmer-Mühlbacher 2. N. 408 ift faljch); viele Beiſpiele aus 
dem X. Jahrhundert, Wai-Seeliger VI. ©. 454. Waitz VII. ©. 184; auch Aebte 
im IX. Jahrhundert. Ueber bie Notarii (Breßlau, S. 337) und Abt Grimald 
von St. Gallen (a. 833—837, 854, zwei Urkunben für bies Klofter) als Erz. 
capellan und Erzkanzler a. 856 bis a. 858. vgl. Waitz⸗Seeliger VI. ©. 347, 355. 
Seeliger, Erzlanzler &. 225, Sidel, Beltr. IL ©. 50. 

7) a. 885—918. Neug. Index p. 34. Episc. Const. p. 259. 

8) Bol. Stälin (®.) I. S. 363f. 

9) Stälin a. a. O. ©. 366. 

10) So Salomo IL. Neug. N. 341. 
11) ®aig VII. ©. 36. &. die Stelle bei Trontllart I. p. 244 iſt mir nicht 
zugänglich. 


632 


Noch vor den Grafen erjcheinen Biſchöfe als einflußreiche Be 
rather des Königs). 

Biſchöfe befleiven hohe Statsämter auch fern vom Hof. Se 
war Salomon OH. von Conſtanz Notarius Karls IIL2). 

Erzieher und Lehrmeifter ver Königsſöhne find Häufig Biſchöfe?). 
Sie entfalten im VIII Jahrhundert ftaunenswerthen PBrunt*). 

Aber wie gewaltthätig auch fonft tüchtige Biſchöfe kanoniſches 
wie weltliches Recht gelegentlich burchbrechen, zeigt Salomo I. von 
Conftanz, der gegen alles Kirchen- und Stats-Necht einen Grafenfobn 
wider feinen Willen zum Vortheil feiner Brüder zum Mönch fcheeren 
und in ein Klofter fperren läßt®). 

Ueber den Biſchöfen fteht der Metropolit: er bildet die Berufunge- 
behörve gegenüber bifchöflichen Urtheilen®) in Eheſachen: doch wirt 
feine Stellung jett, zumal feit Pſeudo⸗Iſidor, erheblich befchräntt durch 
bie Eingriffe des Pabſtes). 

Edle, von Fürften des Volles unterftügt, wiberfegen fich ber 
Scheidung ihrer unlanonifchen Eben und rufen gegen den Biſchof (von 
Conftanz) den Erzbiihof (von Mainz) an?). 

Sehr wirkſam mußte die Mahnung tes Hugen Biſchofs (Salo⸗ 
mon von Conftanz) an feinen Erzbifchof (Tiutpert von Mainz) fein, 


1) Neug. 668. a. 909. Salomon von Eonflanz, Hatto von Mainz; Abalbero 
von Augsburg beißt 1. c. bes Königs nutritor spiritualis pater ac magister. 

2) Neug. 552. a. 885. 559. a. 885. Meber Salomons von Couſtanz Macht: 
ftelung am Hof ale Kanzler, Waitz-⸗Seeliger VI. &. 357; über bie Berweltlihung 
der Biſchöſe umd Aebte Durch den vielen Hofbienft S. 380; von Adalbero von Auge 
burg unter Ludwig dem Kind a. 887 [?} —909 heißt es: gubernacula regni cum 
rege disponens v. St. Udalrici c. 1. 

3) So Witgar von Augsburg bei Ludwig dem Kind, Neng. N. 668, 669. 
Den Bildungsgang eines folhen Bifchofsneffen und jungen Geiftlichen, Waldo, 
zeigt Coll. F. Sang. 24. Dümmler, Sanet Gallifhe Dentmäler ©. 262. Brief 
an Bifchof Witgar von Augsburg 878—79; feltener find die Empfohlenen won 
geringer Herkunft wie 25. 1. c. Dagegen ein Biſchofscandidat undique nobiliter 
genitus 1. c. 26. 

4) V. St. Burkhardi c. a. 730, Mabillon III. 1. p. 650. 

5) Neug. N. 442. 

6) Form. Alsat. N. 17. 

7) S. unten „Pabſt“. 

8) Coll. F. Sang. 30. ut erant nobiles de principibus populi multos 
sibi complices adunantes tyrannico more. 


633 


er möge bie Auflehnungen gegen ben Bijchof zurücweifen, ſonſt würben 
fi tie noch Größeren bald auch gegen ven Erzbifchof auflehnen?). 


4. Berweltlihung ber Geiſtlichen. — Kirchenzucht2). 


Hohe Ehrung, Reinhaltung des Priefterftanves bezweckt es, daß 
unfreie Colonen (originarii, coloni) und Inquilinen nicht Geiftliche 
oder Mönche werben bürfen?); noch nach 30 Jahren geiftlichen Amts 
werben fie von ihrem Herrn zurüdgebolt; find fie ſchon Diakone, 
bürfen fie einen Erjat- Knecht ober -Colonen ftelfen. 

Andrerſeits follen Freie‘) nicht wider ihren Willen zu Geiftlichen 
gemacht werben. 

Bonifatius befämpft die Lehre ber umherziehenden (venientium) 
Britten oder falfeher Priefter over Keker®). 

Im Sahre a. 847 weisfagte eine Schwärmerin Phiola ven baldigen 
Weltuntergang: vor dem Concil zu Mainz geftand ſie aber, von einem 
Priefter verleitet, damit nur Gewinn gefucht zu haben. Sie ward ge- 
geißelt ®). 

Gegen alte und neue Verbote, auch?) alamannifche, ziehen Biſchöfe 
in den Srieg: fo Salomo III. von Eonftanz: er ift darauf gefaßt, zu 
fallen oder doch im Feld zu fterben®). 

In einem fächltichen Heere fallen a. 880 zwei Biſchöfe gegen 
bie Dänen ®). 

So fiel a. 882 Wala, Bifchof von Meß, gegen die Normannen 
„wider bie heilige Schrift und befchöfliche Amtspflicht gewaffnet, 
kämpfend 10).“ 


1) Coll. Form. Sang. 30 sicut minores mihi ita majores vobis facere 
incipient et periclitabitur apud domnum apostolicum (dem Papſt) nostrum 
ministerium. 

2! Könige VIII. 5. ©. 171, ©. 186. Hinſchius a. a. DO. Brauer I. ©. 430. 
Sand 1. 

3) L. R. XVIII. 11. oben ©. 179. 

4) L. R. XX. 2. Unfrete fönnen nicht Geiftliche werben; ingenui meint 
nicht nur Freigeborne, auch Freigelafine. 

5) Epist. ed. Würbtwein p. 97. 

6) Annal. Fuld. a. 847. Ser. I. p. 365. 

7) Bgl. VIII. 5. 

8) Neug. N. 673. a. 909; er verfügt profecturus in hostem, si de acie 
non remearet. 

9) Annal. Fuld. a. 880. p. 39. 

10) Annal. Bertin a. 882. p. 153. Häufige Beifpiele von heerführenden 


634 


Geiftliche follen nicht Blut vergießen, aber Biſchof David von 
Lauſanne töbtet (a. 851) feinen Unfreien!). 

Später haben fie wohl ihre Wehrpflicht gegen reiche Vergütung 
(6000 Hufen) auf weltliche Nachbarn überwälzt 2). 

Seiftliche bürfen nicht weltliche Aemter oder Gefchäfte führen?), 
was aber unabläffig geichieht. 

Der Biſchof Tann den beharrlich in weltliche Gefchäfte Ber- 
funtenen feines Grades entjegen: entjagt er dann dem geiftlichen Stand, 
wird er, wenn befjerer Abkunft und vermöglich, in ben Eurinlenftand 
gepreßt, wenn geringerer, in ben ber collegiatit); fie müſſen bei 
Strafe eine fiscalis actio übernehmen. 

Der Mönch darf nicht ohne Rechtsgrund außerhalb des SMofters 
weilen 3). 

Ein Klofter fordert den einem andern entwichenen Mönch zur 
Rückkehr auf ®). 

Wenn es auch gegen firchliche und ftatliche Verbote verftößt, 
richtet der Bifchof, Abt felbit oder ver (geiftliche) Probft ftatt bes 
Vogtes; dies erklärt fi aus der (jpäteren) Sernhaltung bes Vogtes 
wegen jener oft beklagten Mißbräuche. Ebendeshalb läßt der Abt über 
Diebftahl, Trauenraub, Branditiftung und Tödtung ftatt des Vogtes 
ben villicus over andre Klofterbeamte richten”), ſogar im Echtebing®). 

Aber auch Biſchöfe felbft berauben ihre Klöfter, geben zu eignem 
Vortheil deren Güter an Weltgroße?). 

Unpd’anderwärts übt trog aller Verbote 19) ein Mönch die Gerichts 
barkeit des Klojters 1). 


Geiſtlichen aus fpäterer Zeit bei Waig VIII. ©. 129, 174, 177,178. Sehr hübſch 
weiß freilih Grandidier I. p. 271f. die Kriegsfahrten feiner geliebten Straß 
burger Bifchöfe zu vertheidigen. 
1) Fontes Bernen. I. p. 230. 
2) Waig VIII. ©. 129. 
3) L.R. XVID. 11 vgl. Könige VIII 5. ©. 224. Nemo Deo militans 
se implicat saecularibus negotiis Hinſchius I. ©. 138. 
4) S. oben ©. 265—268. L. R. XVL 1, 1. 
5) Daber die Bitte um Verzeihung bes Sanct Galler Coll. F. Sang. 45. 
6) Form. Als. 16. (gar oft). 
7) Schöpflin p. 191. 8) Grandidier II. p. 294. 
9) Beifpiele Waitz⸗Seeliger V. ©. 105. 
10) Könige VIII. 5. ©. 171, 243. 
11) Neugart 179. a. 813, 814 quod vidissent Pettonem monachum resi- 
‘ere pro parte Sancti Galli. 





635 


Arge, aber nicht ſeltne VBerweltlichung bezeugt bie Vereinung von 
- Abt und Graf in Einer Berfon !). 

Nach der Vorlage ber Lex R. Rh. C. können Rechtshandlungen 
vor dem Nichter, wie auf dem Borum in ber Baſilika, vorgenommen 
werben; bie Lex fchweigt von ber Baſilika, wohl wegen ber einft- 
weilen ergangenen kanoniſchen Verbote 2). 

Ein Bifchof entvedt auf einer (pflichtmäßigen) Rundreiſe (visi- 
tatio)3) Tanonijch verbotene Ehen auf dem Send durch beſchworenes 
Zeugniß der den Rügeſchöffen entfprechenten Angeber. 

Biſchof Salomo II. von Conftanz klagt (a. 877), daß feine 
greifen und kranken Vorgänger feit 9 Jahren feine visitatio mehr 
vorgenommen haben: auch er babe in ben 2 Jahren feiner Bifchof- 
fchaft wegen Königsdienſt und Wirren erft einen Theil feines Sprengels 
bereifen können, „in bem andern mögen wohl arge Mißſtände walten“ 2). 

Der Reichtum der Kirchen und das üppige Leben der Bifchöfe 
fpiegelt fich in ven uns vielfach erbaltnen eulturgefchichtlich Tehrreichen 
Angaben über deren Bewirtung bei der Durchreifed), und über Ges 
fchente nicht nur an den Könige), auch an Mitbiſchöfe). 

Ueber vie fchon feit vem VI. Jahrhundert befämpfte®), aber nie 
unterbrüdte Simonie — auch in der plumpften Form: Beftechung 
durch bares Geld — Hagt Babft Johann, Ende des IX. Jahrhunderts 


1) Waitz VII. ©. 208. c. a. 870-920. 

2) L. R. XXVI. 7, 2. 

3) Coll. F. Sang. 30 inquisitione facta et fide cum juramento data 
dgl. Könige VIII. 5. ©. 217 und bie Literatur daſelbſt, Retiberg II. ©. 758, 
E. Soening II. &. 548. Regino de synodalibus causis II. 2. Ueber das Zu- 
fammenwohnen von Geiſtlichen mit Frauen Könige VOL 5. ©. 171f. L.R. 
XVI. 1. 5. Mutter, Gattin (vor dem Eintritt in ben Stand vermählt) Tochter, 
Schweſter. 

4) Coll. F. Sang. 38 vgl. dazu Dümmler Formelb. S. 137 und Zeumer J. c. 

5) 4 Malter Brod, 5 Lämmer, 30 Seibel Bier, 6 Seibel Wein, 1 Schwein, 
1 Spedfeite, 1 Yrifhling, 1 Gans, 2 Enten, 4 Hühner, Fiſche, 1 Feberbett, 
Gefäße, Brennholz, Pferbefutter, Form. Als. N. 21; die Kopfzahl bes Gefolges 
erhellt nicht; eim ttaltenifcher Biſchof bietet den in Stalten reifenben Leuten bes 
Bifchofs von Conftanz Verpflegung an. 

6) 1. e. 16: oben ©. 601. 

7) Anton v. Brescia an Salomon II. von Eonflanz 1. c. 26, 1 ſcharlach- 
rothen, 1 citrongelben, 1 fapbirblauen Mantel, faci-tergulas (nicht stragulas), 
Deden, 2 Schuupftlicher, 2 grüne Balmzmweige, Mandeln, Weihrauch, Gewürze, 
Arzneien: als Gegengabe erbittet er einen feurigen Hengft Stälin (B.) I. ©. 363. 

8) Könige VII. 3. ©. 230. VII. 5. ©. 171. 


636 


laut: „in Germanien wie in Gallien kommt feiner unentgeltlich zu 
einem Kirchenamt” 1). 
Gegen Simonie eifert auch das Concil zu Altheim ?,. 


>. Kirhenvermögen?.. 
a, Allgemeines. 
a) Königliche und biſchöfliche Kirchen und Klöfter®). 


Der Inbegriff der einer Kirche zuftehenten Rechte, zumal Ber: 
mögensrechte, aber auch anderer, 3. B. Wahlrechte, heißt justitia 
eclesiae, dann auch jeder hiezu gehörige Anfpruch). 

Gar reich war der Beſitz ter Bisthümer und Klöfter in Ala- 
mannien fowohl von andern Kirchen, Klöftern, Capellen (cellae), ala 
an weltlichen Grundſtücken jeder Art®). 

Vebrigens Hatten auch fern in Gallien gelegene Klöfter Be 
figungen in Alamannien: fo Saint ‘Denis bei Paris durch Vermächt⸗ 
nis Fulrads von a. 7777). 

Anpdrerfeits war Gruntbefig ter Klöfter jo weit verftreut, daß 
für manche cellulae ter befontere Königsſchutz nachgefucht wurbe®:. 

Wie Sanet Gallen bei Verona, fo befaß 3. B. Fulda in dem 
entlegnen Elſaß zahlreiche Güter?) und eignete im XII. Jahrhundert 
nach Eberhards übertreibenver Angabe in Baiern und Alamannien 
3000 mansi, vertheilt unter ſechs „Fürſten“ (principes) als Va—⸗ 
fallen 19). 


1) Fiir Reichenau werben, wohl übertrieben, 1000 Pfund Silber bezahlt. Ich 
entnehme dies Wait VIII. ©. 407f. 

2) M. G. h. Legg. II. p. 588. 

3) Könige VII. 3. ©. 293. VIII. 5. ©. 281, 313. 

4) Könige VO. 3. VIIL 5. 

5) Form. Alsao. s. ut justitiam nostram consequi valeamus.. Cod. 
Trad. Sang. 385, 665. Böhmer-Müblbacher 1085. a. 891. Anders S. 352, 

6) Stälin 2. S. I. 166. 

7) Neugart N. 67. (Grandidier II. Urf. N. 71), beftätigt a. 779; fogar die 
Burg Hohenftaufen nahm St. Denis noch im XII. Jahrhundert in Anſpruch; ich 
entnehme dies Stälin (V.) I. ©. 388. 

8) Neug. 439. a. 866. Ueber den Reichtum der Bisthümer und Abteien, 
beren glänzenden Hofbalt, zumal in der Folgezeit, aber auch fhon von a. 843— 910 
ſ. Waitz VIII S. 406; über St. Gallens wachſenden Beſitz Egli ©. 101f.; bie 
Zinshöfe Sanct Gallens v. Arx I. S. 153—159. 

9) Dronfe, traditiones Fuld. p. IV. 

10) Trad. Fuld. 90. Dronte 62. 





637 


Unter den oben (S. 497) erörterten Gründen der ftarten Mehrung 
bes Klofterguts ift beſonders hervorzuheben bie durch das Kirchenrecht 
eingefchärfte vorzügliche, wirthichaftlich kluge Verwaltung 1) dieſes Ver- 
mögens: fo wird ber Vortheil des Klofters bei feinen Taufchgeichäften 
gewahrt burch bie Vorſchrift, daß glaubhafte Unbetheiligte beſchwören 
müffen, „ber Kirche Vortheil werde burch das Gefchäft nicht verlegt“ 2). 

Die Zahl ihrer Abhängigen wird unaufbörlich gemehrt burch bie 
Muntichaft, die Empfang von Kirchengut begründet); biefe Schup- 
gewalt heißt bezeichnend dominiumt). 

Selten ift e8 daher, daß auch das Salgut des Klofters unter bie 
Hinterfaflen erblich vertheilt wird®), unmöglich auch hier das (un- 
veränßerliche) Eigenthum, nur ber Nießbrauch. 

Es gilt als fittliche Pflicht der Biſchöfe und Aebte, letztwillig 
Klöftern reiche Zuwendungen zu machen®). 

Gar ftattliche Habe wird fchon a. 670 aus Klofter Difentis vor 
den Avaren nach Zürich geflüchtet”). 

Allein diefer wehrlofe Reichthum ward auch ununterbrochen aus- 
geplünbert. 

Wie reiche Klöfter durch fchlimme weltliche Nachbarn, auch ben 
eignen Vogt, ven eignen Grafen und fogar ten König, ihren Landes⸗ 
herren, beraubt und verdrängt werben, zeigt bie Klage Sanct Gallene 
von a. 8908). 

Berunrechtung eines Klofters durch Biſchof oder Graf wird formel- 
haft vorausgejegt?). 

1) Sommerlad, bie wirthſchaftliche Thätigleit ber Kirche 1900. Weber den 
woblthätigen Einfluß der fich unabläffig vermehrenten Kirchengüter anf den Fort⸗ 
ſchritt der landwirthſchaftlichen Betriebe vortrefflih Meiten I. S. 599; die Kirche 
verfteht fih auch meifterlih auf Abrundung ihres zerftrenten Grundbeſitzes — 
dazu biente zumal ber Tauſch — ſ. Betipiele oben ©. 521. und bei Weller 
Anfiebel. ©. 56. 

2) v. Wyß N. 38. ©. 38. 

3) S. oben VI. ©. 58. und Waitz⸗Seeliger. 

4) Wartmann II. p. 176. N. 502. 

5) Mone Anzeiger 1838. ©. 446. 

6) ©. die vielen Testamenta: Über die angeblichen Vermächtniſſe Hebbo’s 
von Straßburg für Ettenheim Fontes Bernens., J. p. 213. N. 32. a. 761. 

7) Mohr II. ©. 7. Reiche Ausftattung einer Kirche, vergolbete capsae, 
leccionarium, missale, Prieftergewand, auch 2 Gloden. Cod. Laur. N. 37. 
a. 835; auch eine Privatlirhe quam ipse aedificavi 107. a. 771. 


8) Neug. 596. 
9) Call. S. Sang. 3 (erfundene Formel). 





638 


Auch ein Karoling (Ludwig, Abt von Sanct Denis) Bat wider: 
rechtlich Kloftergüter in eignen Beſitz genommen 1). 

Sanct Gallen wird von dem neuernannten (vor a. 890) Grafen 
bes Linzgaus ſchwer verunvechtet 2). 

Lehrreih find die drei beweglichen Slagebriefe des Biſchofs 
Bictor II. von Chur an Ludwig I. a. 821—824 über tie Ausraubung 
der Kirche durch den Grafen Roderich gleich nach feiner Beſtellung?); 
fogar die Reliquien werben beraubt ! 

Klöfter werden aber auch von ten eignen Aebten ausgeraußt; fo 
St. Medardus bei Soiffons durch Karlmann, einen Sohn Karls IL*). 

Der verarmte Bilhof Tann feinem Amt (ministerio) wie dem 
Königedienft (obsequio) nicht mehr genügen). 

Eine Aebtiffin bittet einen Abt um Unterftägung für tie lumi- 
narıa ihres Klofters: fie ift verarmt feit tem Tod ihrer seniores 
(Herricher?), die fie in dies Klofter geſchickt haben ®). 

Ein Graf Karls entzieht Klofter Murbach viele Unfreie, aber aud 
ein Bifchof eine Kirche und ein Bergichloß”). 

Schlimme Nachbarn der Klöfter find deren „fürftliche* Vaſallen. 

Wörtlich gleiche Klagen wie im IX. ergeben im XII. Jahrhundert 
über die fürftlichen Vaſallen ver Klöfter®). 

Der frühere Herrfcher Hatte nur mündlich den Befehl ertheilt. 
wiberrechtlich vom Fiscus einem Klofter entriffne Güter zurückzugeben: 
das hatte nicht gefruchtet; nun bittet das Klofter, fie durch Königs: 
urkunde (praeceptum) zurüdzugeben 9). 

Die fcharffinnig vertheidigte Annahme des ‚Eigentbums be 
Königs oder des Neiches an allem Kirchengut ift nicht aufrecht zu 
halten 19). 


1) W. U. I. 124. a. 856. 2) Mohr I. N. 35. p. 54. 

3) Mohr I. ©. 27f. über diefen Grafen von Lags ebenda. 

4) Dümmler N. Arch. XXV. ©. 189. 

5) Coll. F. Sang. 2. vgl. 3. (erfunbene Formel). 

6) Form. Als. 14. 

7) Castellonaem montanico, Form. Als. 5. 

8) So Fulda's Trad. Fuld. 90. Dronke 62. 

9) Bouquet VII. p. 466. Bgl. Th. v. Sidel I. 7. über die Fälle, in 
denen Königsurfunden, praecepta, unerläßlih waren (Bergabung von Krongut, 
Verzicht auf Rechte, Steuerbefreiung, Immunität), „Der König lügt nicht“, b. h. 
der Inhalt einer (echten) Königsurkunde darf bei Todesſtrafe nicht angefochten 
werben. L. Rib. 60, 6. Brunner, Wiener Sib.-Ber. 51, S. 386. 

10) Ueber die Rechtsverbältnifie am Kirchengut (Eigentbum des Heiligen, 


639 


Die Könige verfügen wohl zumeilen willfürlich über Kirchengut, 
aber das ift nicht Ausübung, ift Verlekung bes Eigenthbums: andre- 
male heben fie rechtswidrige Verfügungen von Biſchöfen und Aebten 
auf, „kraft ver königlichen Schutzpflicht“, aber nicht kraft Eigen- 
thums ij. 

Wie in karolingiſcher Zeit ſpricht man auch ſpäter von divisio 
der Kirchengüter durch den König oder Fürſten, aber die Beraubung 
iſt jetzt oft noch härter ?). 

Noch weniger als ber König hat ber Herzog als ſolcher Eigen- 
thum oder Nutzung an dem Kirchengut in feinem Herzogtum, abge- 
fehen von ven in feinem — wie in anderer — Brivateigenthum 
ftehenvden Kirchen. 

Als Rechtsſubject des Vermögens von Kirchen, die nicht fammt 
ihrem Gut in Privateigenthum ſtehen, gilt auch bier alles Ernftes — 
nicht bloß in frommer Phrafe — der Schugheilige im Himmel): bies 
bat ven Begriff ver „juriftifchen Perſon“ nur etwa bei ver Befchluß- 
foffung auflommen lafjen ®). 

Häufig wird geſchenkt dem Altar oder einem Altar der Kirche5), 
erfteres gilt dem Dauptheiligen des Klofters, alfo 3. B. Sanct Gall, 
(eßteres einem antern Heiligen einer etiwa Heineren Kirche des Klofters. 
In diefem Sinne hat auch „ver Altar” einen Vogt, der nicht gleich 
bem custos altaris. 

Der „dem Altar” gefchuldete Zins ift nicht. wie andrer dem 
camerarius, fonvern dem custos altaris zu entrichten ®). 

Und in dieſem Sinne werden auch „Altäre” — eben mit ihren 
Gütern und Zinsrechten — zu beneficium gegeben’). 


treffend (gegen Fider, das Eigenthum des Reichs am Reichskirchengut S. 25f., 
E. Loening, Kirchenrecht 1I. S. 633), Heusler I. S. 315. über die Stiftungen 
S. 324. 

1) Könige VII. a. 741f. 

2) Waitz⸗Seeliger V. ©. 107. 

3) Ständig ift fo ber Beſchenkte Sanct Nazarius im Cod. Laurish., 5. 8. 
N. 73. a. 755. 

4) Oben S. 612— 614. 

5) Oben ©. 512, 613. 

6) Waitz⸗Zeumer V. ©. 257. 

7) Anders, ſcheint es, Waitz⸗Seeliger VI. ©. 24. 


— — —— — — — — — — yo. 


640 


b) Einnahmen. 
a) Schenlungen unb andre Zuwenbungen?). 


Unaufhörlih riefen die Vergabungen 2) von Königen und ven 
Unterthanen. Aber die Gründe, aus benen bie Heinen Freien maſſen⸗ 
haft ihre Güter ven Kirchen aufließen, waren nicht zumal?) vie fteigen: 
ben Forderungen ftatlicher Art, fondern der erprüdende wirthicaft- 
liche Wettbewerb ver Großgrunbeigner ). 

Sanct Gallen zu ſchenken wird als allgemeine Sitte bezeichnet‘). 
Auch italienische Klöfter werten Sanct Gallen geſchenkt: fo Maffino 
bei Lefa am Weftufer des Lago maggiore von König Berengar a. 9049, 
bier ſehr ausführliche Aufzählung der Zubehörben 7). 

Der geiftliche Berfaffer ver L. R. Rh. Cur. verfäumt nicht, bie 
letztwillige Bedenkung ter Kirchen auch da zu empfehlen, ausdrücklich 
frei zu ftellen, wo bie römische Vorlage nichts ter Art enthält®). 

Lestwillige Vergabungen an Kirchen werben auch bier als her- 
kömmlich vorausgefegt?) neben denen an antere Unverwanpte, an Un 
freie und (freie?) Diener (ministeriales) 10), 

Vergabungen (auch von Liegenfchaften) an bie Kirche werten au 
von ber Lex Alamannorum begänftigt11); erft fpäter nach geradezu 


1) Oben ©. 195—574 Könige VII. 3. S. 293. VIII. 5. ©. 287. 

2) Reihe Schenkungen an Sanct Gallen fhon im VII. Jahrhundert bei 
Stälin (V.) I ©. 193. f. oben S. 495f. Dann Hildigarb und Gero für Reichenen 
und St. Gallen |. Simſon S. 190. Aber unter biefen Urkunden für Klöſter zahk 
reiche Fälfhungen, fo die von Ludwig I. v. 22. VII. a. 819 für Buchau wenig 
ſtens Mitte und Ende) vgl. Böhmer⸗Mühlbacher? N. 695. 

3) Wie Baumann, S. 481. 

4) VIIL 5, 6 und oben ©. 495 f., 501. 

5) Neugart 112. a. 790. pro animabus nostris ad monasterium $t. O... 
sicut mos est per scriptionis titulum aliquid conferre. 

6) Copie im Stadtarchiv zu Lucern, Original verloren, Wartmann II. 7%. 

7) Die Iangobardifchen aldiones und aldianae fehlen nicht, dann {aufer 
dem Gewöhnlichen) cum capellis et oratoriis, salectie, Weibicht (Du Cange VII. 
p. 280), sarionibus (Sat-Ader?) (Du Cange VII. p. 256) theloneis, redditionibus 
(Leiftungsforberungen), distrietionibus, Gerichtszwangrechten (Bolge ber Immunität). 

8) Drei Belfpiele bei Courat I. S. 288; der Teftator foll die Kirche auf bie 
Hälfte einfeen! 25, 4, 9. aus Paul 3, 6, 12. 

9) L. R. XXVI. 65. (übrigens ſchon von der Vorlage). 

10) L. R. XXV. 9, 3. 
11) L. Alam. I. 2. 


641 


verberblichem Landerwerb wird auch bier bie tobte Hand hierin be- 
ſchränkt. 

Die vita St. Arbogasti, Biſchofs von Straßburg‘), ſchildert an⸗ 
ſchaulich und glaubhaft, wie zahlreiche freie Kronvaſſen aus Anlaß 
ver Gründung eines Klofters (Ruffach) fich fammt ihrem Kronbeneficium 
ter Biſchofskirche ergeben 2). 

Dux Liutfrid (inluster vir) im Elſaß und feine Gemahlin Hiltrup 
fchenten wieberholt Klofter Weißenburg in ben Jahren 734 und 7393). 

Priefter ſchenken gar Häufig all ihr Vermögen unter Lebenden 
feinem (ihrem) Kloſter oder einer (ihrer) Kirchet). 

Die enge Verbindung ber Kirchen und Klöfter unter einander, bie 
Eoncilien, Reifen, Beiuche, Briefe, ver häufige Wechfel ver Aebte und 
Mönche von einem Klofter zum anbern führte zur Gleichheit oder doch 
ſtarken Aehnlichkeit in ven Verbältniffen biefer nach dem Tanonifchen 
Hecht dem Eigenthum nach unveräußerlichen Gütererwerbungen®). 


P) Zehnten®) 


Meift werben bie Zehnten?) deutlich als einer Kirche zuftehenn, 
bezeichnet, was von andern Zinsrechten (cum unoquoque censu) 
nicht gilt®). 


1) geft. a. 678, freilich erft Ende des X. Jahrhunderts gefchrieben von Biſchof 
Utho bajelbft. 

2) ed. Grandidier II. p. XXXIII. Zuftimmung des Königs war erforberlich. 

3) Die dritte Urkunde N. 12. p. 20 iſt nicht datirt, Zeuß W. 10—12. p. 18 
bis 20. 

4) Nengart 296. a. 839 und oft. 

5) Bgl. Meiten I. ©. 376. 

6) Könige VII. 3. ©. 293f.; VIII. 5. ©. 287. 

7) Stälin (8.) I. S. 376, aber nicht Karl erft hat (abgefeben von Sachſen) 
den Kirchenzehnt eingeführt, wie Merkel, de rep. p. 43. Weber bie kirchlichen und 
die weltlichen Zehnten handelt fehr ausführlich und lehrreich Watg VIII. S. 347 
bis 365, aber, wie in biefem Bande meift, aus fpäteren Quellen; ber große Streit 
über bie Zehnten, von benen nach karolingiſchen Concilien und Eapitularten nur 
1/4 dem Bifchof zukommen follte, Könige VIII. 5. Cap. Worm. a. 829. c. s. 
p- 335, Mogunt. ce. 3, während num ber Biſchof bie Verfülgung über das Ganze 
beanfpruchte, gehört auch meift ber Folgezeit an. Ueber häufige Abldfung von 
Zehnten auch In Alamannien, 3. B. Uri gegenüber Kloſter Zürich, v. > EB: 
N. 31. p. 32. 

8) Neug. 581. a. 888. | 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 4 


642 


Bei Vergabung von Kirchen an anbre Kirchen wird teren Zehn⸗ 
recht, decimatio, oft mit erwähnt: jo in Sulba!). 

Au als beneficia werden lirchliche Zehairechte vom Biſchof over 
Abt Geiſtlichen gegeben?). 

Aber trotz alter Kirchenverbote werben kirchliche Zehntrechte gar 
häufig auch Laien zu beneficium, ja zu @igen gegeben). Doch ifi 
woht bei manchen Töniglichen®), gräflicgen®) und andern Laienzehnten 
anzunehmen, daß fle urfpränglich anf ban Eigentum‘) an SKicchen 
beraßt hatten und (durch Vorbehalt) bei Veräußerung bes Eigenthums 
an andre Kirchen (Biifchöfe) aufrecht erhalten biieben”); fie erfcheimen 
daun ale Audehörden von Gütern. 

Es Tann aber auch der Patronat Aber eine Dorflirche einem 
KHofter, das Zehntrecht dem Dorfpfarrer zufichn®). 

Hat ein Laie Zehntrechte, fo Hat er fie meiſt als Cigenthümer von 
Kirchen, kann fie aber auch ohne biefe abtreten, 3 B. einem Kloſter 9. 

Es ift ungewiß, ob ber einem Laien zuftehende Zehnt ftete 
an eine Privatlirche gebunden IM 19), 

Das Zehntrecht von Mons Sant Victor bei Feldkirch ſtand 
dem König wohl als Eigenthümer dev dortigen Kirche zu?i); es wird 
ſammt dieſer Kirche Sanct Gallen geſchenkt. 

Eine Wittwe hat ein Zehntrecht in einem Ort ihres Eigenthums 
(loco meae ditionis) offenbar als Eigenthümerin ber bortigen Kirche; 
fie ſchenkt es Sanct Galten 2). 

Ein Laie ſchenkt die ihm, d. 5. feinen Privatkirchen, zuftehenven 
Zehntrechte (decimatio) in 4 Orten bem von ihm geftifteten Kloſter 12). 


1) Trad. Fuld. 20. Dronke 4, 30. Oft basilica mn desims Weissenb. 
ed. Bossert, 5, 6, 10, 22, 23. 

2) Beläge bei Waitz⸗Seeliger V. &. 129. 

3) Zeuß, W. p. 303. 

4) Grandidier I. p. 209, von einem Bafallen Übertragen. 

5) So Wartmann II N. 691 p. 292, N. 650 p. 255 omnem decimanı meam 
quam ego in Durgauge (Thurgau) visus sum habere tam de vineis quam 
de grano. 

6) Neugart L p. 551. 

7) Anders, fcheint es, Waitz ©. 360. 

8) Vgl. Reug. Aum. c. zu 591. a. 889. 

9) Neug. 406. a. 861. 

10) 3. B. Zeuß. W. 193. a. 754. terram salicam cum deeimatione, 
11) Neug. 533. a. 882. 12) Neug. 569. a. 886. 
13) Wifant-flelg. Neug. 406. a. 861. 


643 


Em Zehnt wird geichentt an Rindern, Korn und „Allem, weron 
man Gott Zehnten ſchuldet“. 

Kommt der Zehntbote mit Roß oder Rind (alfo auf Wagen), foll 
er und fein Gelpann ausveichend ernährt werben !). 

Ditteren Streit?) über Zehutrechte legen Biſchof Salomo II. 
von Conftanz und Hartmut, Abt von Sauct Gallen, bei durch eine?) 
Urkunde, „die wir auf Deutih Sühnbuch, d. h. Verföhnungsbudh, 
nennen". 

Lehrreich ift der Vertrag über vie Zehnten zwiſchen Wirzburg und 
Fulda ). 

Zehnten find von Biſchöfen und deren Prieftern zu verwalten; 
Zehntjäumige werben ercommmmnicirt 5). 


1) Zinfe Frohndenbj. 

Gar viele von Halbfreien, Freigelaſſnen, Vollfreien beſiedelte und 
bebaute Güter ſchuldeten dem Heiligen, wie wir ſahen, oben ©. 550f. 
Naturalzinfe in Getreive, Schlachhtthieren jeder Art, Wein, Bier, 
Honig, Wachs, Linnen, auch in Geld”). 

Das Gleiche fchulten Die im Eigenthum bes Klofters. ftehenten, 
von deſſen Unfreien oter Halbfreien ober vollfreien Hinterfaffen be- 
bauten Güter. Lehrreih ift das von Walahfrid Strabo aufgeftellte 
Berzeichuiß der Leitungen der Güter von Reichenau vom Jahre 843, 
zumal an Lebensmitteln jeder Art, aber auch von Kicchen- und andrem 
Geräth: die lombarbifchen Güter liefern Caſtanien und Olivenöl). 

Der Glanz der Kirche fällt auch auf ihre Knechte. Die Freie, 
tie einen Kirchenknecht heirathet, wirb nicht, wie das Weib eines 
andern Knechts, (auch Kronknechts), unfrei, falls fie binnen dreier 


1) Cod. Trad. Sang. 376. N. 648. a. 896. 


2) Neug. 531. a. 882. malitiosae artis lätem atque dissensionis con- 
tentionem. 


3) Bom Boden erhobene, allevari. 


4 S. Eckhard, Francia orientalis II. p. 866; vaſelbſ p. 81-901 andere 
Stterdctunden für Wirzburg. 


5) Co Alth. p. 557. c. 18. 
6) Könige VII. 3. ©. 293, VII. 5. S. 294, oben ©. 560. 


7) Bgl. Stälin (8.) I. S. 359, 377; fo St. Gallen 1723. Beifpiele folcher 
oensuales bei v. Arx St. Gallen I. ©. 159, oben &. 548. 


8) Dämge, R. B. p 70. 
41* 


644 


Jahre nach der Verheirathung ihre Freiheit beweiftt): jeme fteben 
denen bes Königs (Herzogs?) auch font gleich?). 


8) Andere Einnahmen. 


An die Kirche find auch »primitiva«, Erftlingsfrüchte, von Ge⸗ 
treide u. |. w. und von Sungbieh (auch Wolle) zu entrichten®), tbeils 
an ben „Altar“, d. h. bie Kirche, theils an ven Priefter (ein beftimmter 
Theil von Allem): unklar wiefern Gold, Silber, Anderes4), dazu 
gehören. 

Zu den Einnahmen ber Kirchen zählen auch die Strafgelber für 
Verlegung ihrer vom Herrfcher gewährten Rechte: regelmäßig 30 Pfund 
Silber®). Auch die pofitive®) Immunität mit al’ ihren Erträgnifien: 
fo hat ver Bifchof von Ehur das Zollrecht in feiner Stabt”). 


c) Ausgaben®). 


Den Einnahmen turch VBergabungen?) entjprechen Ausgaben nicht 
nur durch die Rüdgewährungen 10), auch durch bie biefe häufig begleiten- 
ben Verleihungen von bisher unmittelbar bewirthfchafteten Kirchengütern 
wenigften® zu Nießbrauch over Brefarie 11). 

Solches Kirchengut kann aber ein Laie nur in Beſitz behalten, 
wenn er bie Kauf⸗, d. h. überhaupt Erwerbs⸗Urkunde (carta) vorweiſen 
fann, andernfalls ift die Sache dem pastor ecclesiae herauszugeben 12). 

Aber auch ber zur Veräußerung berechtigte Geiftliche fol Kirchen- 
land oder Kirchen-Knechte nicht verlaufen — alſo gegen Gelb ver- 
äußern — nur Sand gegen Land, Vorrecht gegen Vorrecht wertaufchen 


1) T. 18. 
2) T. 8. Ueber Kron⸗ und Kirchen-Eolonen und ⸗Unfreie, Meitzen I. ©. 457. 
ſ. oben ©. 178. 
3) Du Cange VI. p. 499. 
4) Cod. Trad. Sang. 398, N. 685. a. 896. 
5) Neug. 406. a. 861. 
6) Könige VIL, VIEL, 
7) Mohr L p. 36. R. 22. a. 834: zunächſt (?) über bie nach ber Hauptkirche 
Pilgernden (itinerantes). 
8) Könige VII. 3. ©. 293, VIIL 5, &, 301. 
9) oben ©. 495f. 
10) Oben ©. 527. 
11) Oben ©. 535. 
12) L. 18 (19) p. 81, Brunner, Urkunde I. S. 299, 300. 


645 


(und zwar ftets unter Urkumderrichtung) 1). Hier wird die auch fonft 
erfennbare?) planmäßige Erwerbung (und Behauptung) von Land und 
Leuten von Seite der Kirche ſogar gefetlich vorgefchrieben. 

Auch ein Priefter Tann in folcher Weife Kirchenland erhalten). 

Ein Kloftergut ift auch Prefarie eines Kronvaſallen?). Noch 
immer wird (a. 773) Erneuerung bes Precariebriefes alle 5 Sabre 
vorausgefegt, 10jährige bedarf der befonveren Beredung >). 

In andern Fällen aber foll die precaria nicht alle 5 Jahre er- 
neuert werten, fondern nur facta penuria b. h. im Nothfall®). 

Merkwürdig werden einmal die pagenses ermächtigt, falls der Abt 
gegen das Verbot ein heimgefallenes Gut wieder ausleiht, es mit Ge⸗ 
walt dem Empfänger zu entreißen und dem Klofter (Sanct Gallen) zur 
unmittelbaren Bewirthichaftung zuzuftellen: folch felbftändig Handeln 
ber pagenses ift fonft ganz unerhört?). 

Servitium hießen auch die jährlich von den Klöftern dem König 
einzufendenden Zwangs⸗, Geſchenke“ 9). 

Die Kirchenbanlaft ift nach Tanonifcher Regelung vertheilt. Baut 
Abt Wichard die Mauern des Lucerner Klofterd aus feinen Ein- 
fünften auf®), fo müffen vie für das onus fabricae beftimmten bes 
Klofters nicht genügt haben. 

Die Baulaft einer Kirche von Eonftanz übernimmt Sanct Gallen 
durch Urtbeil Karls 19). 

Manche Einnahmen find durch Nechtsgefchäft für gewiſſe Aus- 
gaben beftimmt: fo manche Zehnten für Aufnahme und Pflegung von 
Pilgern und andern Reifenden, für das »hospitiume« ober die »porta« 


1) 1. e. 19, 20. 

2) Oben ©. 522. 

3) terra ecclesiastica (ohne Kirhe?) W. U.I. 34, Neug. 105. a. 788. 
4, W.U.I. 124. a. 856. Könige VIII. 3. 

5) Neugart 1. c. 55. 

6) l. c. 74. a. 779. 

7) Neugart 1. c. 31. a. 760. f. oben S. 165, 545. 


8) Dona, Muratori Antig. Ital. V. p. 960 (Sanct Gallen) a. 854, Hin- 
ſchius I. ©. 124. 


9) Neng. 525. a. 881. 
10) W. V. J. 121. Neug. I. 356. beftätigt 853. 


646 


bes Rloftere, deecima portaria. Andere für Pflege ber Armen‘), 
ber matricularii der Kirche). 

Denn ein großer Theil der Einnahmen — meift ein Drittel — 
war für Almoſen beftinmt ®). 

Die Leiftungen ber Kirchen und Klöfter an ben König, deſſen 
Deamte und Boten find burch Neichsrecht‘) ober Vertrag geregelt. 

Die mansionarii — bier Reiſe⸗Beamten — des Herru Kaiſers 
haben in Kronvillen Boten tes Klofters mansio zu bereiten ®). 


6. Brivatlicchen®). 

Ihre Hänfigkeit nimmt erft allmälig ab”), zumal auch durch Ber- 
zicht bes Eigenthümers zu Gunften der Heiligen, eines Bistkums, 
eines Klofters, ver Krone; anbrerjeits fchenten Könige Kronkirchen on 
Laien oder Klöfter®). Arnulf fchenkt einem Laien neben 7 Huben eine 
Kirche, die biefer mit Gütern Sauct Gallens vertaufcht?). Zur einem 
geſchenkten und als precarium GSauct Ballen zurüdgewährten Gut 
gehören auch Kirchen 19). 

Umgelehrt ſchenkt auch wohl ein Abt ein von ihm aus feinem 
Eigen errichtetes Klofter nach feinem Tode der Krone 1). Ein Graf 
ſchenkt Lorſch eine Kirche mit deren Zehntrecht 12), das bei Privatkirchen 
ber Eigenthümer für fie ausübte: — aber unter ven Tanonifchen Ber- 
wendungsverpflichtungen. 

Wird ein Klofter einem andern geſchenkt, wird biefem bie Ber- 


1) Ueber fie und die luminaria, Könige VIII. 5. &. 30, 1. Wirklich bie 
Kirchenbeleuchtung meint Fulrad W. U. 18. Neug. I. 67. a. 777. Wohl au 
Karl 1. c. 23. a. 779. Luminaria ſteht aber auch für fabrica eclesiae: f. bie 
Stelle bei Stälin (V.) L ©. 193. restauranda luminaria .. a novo erexit. 

2) Dagegen decima camerae, b. 5. bes Bifchofs, Mohr N. 97, p. 137. 

3) Ueber die matricula, matricularii f. auch Bernouilli S. 254. 

4) Könige VII. 4. 

5) F. Aug. C. 7. vgl. 8, Könige VII. ©. 146f., VIIL 5. ©. 94. 

6) Könige VOL. 3. ©. 293, VIII. 5. S. 260. 

7) Sehr viele Beiſpiele bei Stälin (V.) I. ©. 369, 

8) Neugart 104. a. 786. So giebt ein Graf eine basilica Sanct Gallen 
zu eigen, Neug. 394. a. 861. 

9) Neug. 609. a. 894, ebenſo ſchenkien Ludwig ber Deutfhe und Karl IIL 
Kirchen an Geiftlicde und Laien. 

10) Reugart 72. a. 779. 
11) So Wolfwin von Reichenau Karl III. Neug. 500. a. 876. 
12) Ood. Laur. N. 180. a. 908. 


647 


pflichtung auferlegt, dort für ben gehörigen Gottesdienſt zu forgen !). 
Die kürchliche Abhaängigkeit der Baſilika Sanct Martins, die dem 
Klofter Weißenburg zu mundiburdis und defensio gefchentt iſt, 
wird genau geregelt ). 

Berſchenkt ein Graf bie Ausftattung einer Kirche (dotem), fo 
muß bie Kirche ihm gehören. Die Zehntvechte an Wein und Stern, 
die er im Thurgau bat, find ebenfalls ven in feinem Eigenthum fiehen- 
den Kirchen zulommenb, wie ver Zuſammenhang zeigt: „und Alles, was 
jenem Altare®) gehört mit Ausnahme von Gold, Silber, (Geräthen) 
feidenen Pallien und andern Seidengewändern““). Zu biefem Alter 
gehört auch die »redemtio sepulturae«: neben Zehnten: aljo eine Ein- 
nahme ber Kicched): vielleicht eine Gebühr für das Necht auf Ber 
ftattung in der Kirche, das ausnahmsweile®) vorkam. 

Bei ſolchen Privatlirchen heißt auch ber vom Eigenthümer beftellte 
Priefter „mein“ Priefter: ihm behält der Schenker den lebenslänglichen 
Nießbrauch an ber dem Klofter geſchenkten Bafilila gegen einen Schein- 
zind vor: offenbar find außer ber Kirche die zu deren Ausſtattung 
gehörigen Oüter gemeint”). 

Da das Eigenthum an jolchen Privatkirchen wie alles Eigenthum 
vererbt, fpricht man von Kirchen-Erben — heredes ecclesiae — d. h. 
eben durch Erbgang Eigenthümer der Kirche geworbenen ®). 

Eine folche Kirche (basilica) war vermöge ihres veichen Zubehörs 
von Rechten (Zehnten), Gütern, oft ein höchſt werthvolles Beſitz⸗ 
tum). Karl III. giebt feiner Gattin zwei Klöfter, d. h. deren Ein- 
fünfte als Leibgebing 19). 


Auch Eigentfumstheile am einer Kirche werben beſeſſen und ver- 


1) Neng. 673. a. 909. 
2) a. 715 Zeuß, W. N. 41. 
3) Oben ©. 639. 
4) Neug. 606. a. 894. 
5) Unter ben manchhachen Arten son redemtio bei Du Cange VII. p. 69 
fehlt dieſe. 
6) Könige VILL. 5. 
7) Neug. 457. a. 870. 
8) Meng. 480. a. 874. 


9) Neug. 368. a. 858, dedit quiequid in basılica E. ex patris hereditate 
sibi in hereditate successit: als Gegenwerth eine Hufe und bie ganze zu ihr 
gehörige Marl, d. 5. die Rechte. an ber Mark. 

10) Z. U. B. I. N. 134. p. 55. 


648 


ichentt 1), meift an Slöfter, vie jo tie Kirchen aus Laienhänben zu 
(öfen bemüht waren?). So wird auch eine halbe Brivatlicche verjchentt, 
fogar ein Siebentel Miteigenthum an Einer basilica®). Ein Priefter 
ſchenkt Lorfch feinen Antheil an ber Kirche einer villa t). 

Auch Klöfter taufchen Kirchen und Kirchen- Theile mit Laien: 
babei handelt es ſich befonders auch um bie zu biefen Kirchen gehörigen 
villae®). 

Die nicht im Privateigen ſtehenden Kirchen heißen ſpäter Leut⸗ 
kirchen; in karolingiſcher Zeit zählt man in Württemberg etwa 40 
(folcher?) Kirchen ®). 


7. Borrechte der Geiftlichen und ber Kirchen. 
a) vorrechte der Geiklihen”). 
a) Bußen und Wergelb. 

Wie bei ben Franken erfreut fich die Geiftlichkeit höheren Buß- 
ſatzes: Tödtung eines Biſchofs wird mit dem Todes), VBerlegungen 
und Schädigungen aller Art des Pfarrers werben dreifach?) gebüßt. 

Dei Tödtung des Pfarrers find 600 sol. an feine Kirche ober 
(mer wählt?) an feinen Biſchof zu entrichten 19). 

Der Diakon, der das Evangelium vor dem Bifchof lieft und in 
Prieftertracht vor dem Altar den Oottesdienſt verfieht1i), wird bei Ver⸗ 
legungen boppelt gebüßt und fein Wergelb beträgt 300 sol. 12). 

Wie ver ‘Diakon wird der regulirte Mönch gebüßt 23). 


1) Neugart 318. a. 846. und oft 1/4 1. c. 141. a. 801, basilicam cum omni 
aedificio circumposito Cod. Laur. N. 4. a. 780 [omne aedificium ſteht oft für 
„alle Gebäube”;] portionem meam in ecclesia illa 305. a. 873. So giebt «es 
Kirchen« wie Mühlen-Antbeile 3. 8. Hälften Ross, p. 44. 

2) Zeuß, W. 128. a. 774. 

3) Zeuß, W. 228. a. 695— 711. 

4) Cod. Laur. N. 14. a. 801 [eine basilica fteht in einer villa 41. a. 812], 
ein Laie (7) 281. a. 804, zwei Ganze 285. a. 770. 

5) W.U.I. 117. Neug. I. 334. a, 850, ecclesiam .., in eadem villa. 

6) Stältn (S.) I. S. 160. 

7) Könige VII 3. ©. 270f., VIIL 5. ©. 236f. 

8) T. 12, 13. 

9) T. 14, 15. 16. 

10) L. 12 (13) p. 77. 

11) S. oben ©. 328, 616. 

12) L. 13 (14) p. 78: wen zu entrichten? 

13) L. 14 (15) p. 78. 


649 


Später wird das alamannifche Wergeld des Diakons von 300 
auf 400 sol. erhöht?). 

Geiftliche unter dem Diakon haben das Wergeld ihrer Gefippen 
— alſo Fein Erhöhtes: wenn fie aber in öffentlicher Kirche die lectio 
verlefen oder vor dem Biſchof das Neiponforium oder das Halleluja 
öffentlich fingen, wird noch 1/, dieſes Betrages beigefügt 2). 

Andererſeits ift auch hier geiftliher Stand ein ſtarker Straf. 
milderungsgrund. 

Geiftlihe werden für Einbruch gegen ben König nur mit Der 
grabation geftraft?). 


B) Immunttätt): ebenfo ber Kirchen. 


Segen die Annahme®), die Immunität habe urfprünglich nur ven 
Gottesdienft vor Störungen fhügen follen, fpricht entſcheidend beren 
Urfprung) aus den fiscaliichen Gütern des Römerreichs. Wuch unter 
biefem Gefichtspuntt ift ber (negativen und pofitiven) Immunität 
wenigftens kurz zu gebenten. 

Wie früher”) werden die Immunitäten auch von allen Frohnden, 
zumal Botendienten, wie von den Naturalleiftungen an das Reich, 
das Heer befreit®). 

Bon Leiftungen an jeve Art von Beamten werben Klöfter zu- 
weilen befreit, aber nicht vom »servitium« an den König ?). 

In dem Streit 10) über die Wirkung ber Immunität muß man 
zwifchen dem Nechtsbegrifflichen und dem Thatſächlichen unterjcheiben: 
begrifflich änderte die Immunität die Reichsangehörigfeit ver Imumu- 


1) L. A. 13, 15. 

2) L. 15 (16) p. 79, über (graduale) = responsorium f. Du Cange IV. 
p. 90, Hinſchius I. 8. 123. 

3) Ce. Alth. p. 558. 0. 23 abgeftuft 25 (auch der Unfreie, ber nach Befehl des 
Seren gehandelt). Ueber das fogen. privilegium immunitatis, Freiheit von Stats- 
Aemtern Hinſchius I. &. 125; bafelbft aber auch bie zahlreihen Ausnahmen! Weber 
Die hohe Stellung ber Geiftlichen im Leben wie im Recht, Bluutſchli I. S. 32. 

4) Könige VII. 3. &. 537, VIII. 6. ©. 162, Ross p. 90; bie rhätifchen Ur- 
kunden fchreiben: „munitas“ v. Wyß. p. 4, 8. 

5) Heuslers ©. 27. 

6) Könige VII. 3. ©. 536f, VIII. 5. 6. ©. 161f. 

7) Könige VIIL 6. 

8) Belipiele Watt VIII. &. 404. 

9) W.U.B.L N. 163. p. 189, Reichenau, unter Arnulf. 

10) Zwiſchen Heusler S. 213 und Watt VIII. ©. 98. 


650 


nttätslente nichtt), wohl aber Tonnte das — mußte nicht — thatſäch⸗ 
fich gefchehen?), aber ver Immunitätsherr ift nur fintlicher Demmter, 
Richter, nicht „Fürſt“ d. 5. Landesherr 9. 

Die Immunitätsurkunden für die alamannifchen Kirchen bieten 
feine nennenswerthen Abweichungen von beuen für tas übrige Franken⸗ 
reich. 

Die alte Streitfrage, ob den Beamten nur bie injusta districtio 
verboten fei 4), lehrt hier wieder und ift dahin zu entfcheiven, daß das 
Verbot des introitus jede distrietio®) als injueta erfcheinen Täßt. 
Ausschluß auch des Herzogs, bei Klöftern des Biſchofs, Tommt ver, 
aber erft fpät (Karl IIL) und felten ver des Könige‘). Die alten 
Bußen für Verlegungen erfcheinen feit c. a. 910 feltener?). 

In enger Verbindung fteht die Immunität mit freier Abtwahl. 
zumal Ausſchluß bes Bifchofs Hiebei, und befonberem Königeichug®). 
Immunität, Rönigsichug und freie Abtwahl beftätigt Ludwig J. Kloſter 
Ellwangen, das deſſen Gründer Karl zu Eigen gegeben hatte?,. Im⸗ 
munität und freie Abtwahl werben oft in Einer Urkunde verliehen te). 

Die Immunitätögerichtsbarleit von Sanct Gallen erftredt fidh 
auch fiber freie Injaffen 11). 

Immunität für alle Gebiete bei Wimpffen, in benen fie auch nur 


1) Heusler. 

2) Waitz. 

3) Wie Waitz. 

4) Könige VOL. 

5) juste vel injuste, Remling p. 51, bei Wait- Seeliger VII. &. 245. 

6) Waitz a. a. O. 

7) a. a. O. 

8) Bgl. Könige VII. VIII z. B. Immunität, Schutz und Beſitzbeſtä⸗ 
tigung Pippins für Hanau im Elſaß, Grandidier I. R. 53, 54. a. 758 über 
bie Geſchichte von Hanau c. a. 720—129, dann Rheinau und Sanct Peter zu 
Straßburg 1398, Sidel II. S. 216; Über Murbach (Vicario peregrinorum) ©. 218. 


9, W. U. 71. a. 814. 


10) Unecht iſt aber bie Urkunde N. 1 im Rheinaner Gartular mit freier At⸗ 
und Bogt-Wahl, vgl. v. Sickel Beitr. I. 1861, dagegen edit ebenda N. 10 a. 858 
unb Immunität von a. 876, echt Karlmaun a. 770 für Hanau und Ebersheim 
(Novientum) Böhmer-Mühlbacher? p. 58. 

11) Neugart 255. a. 833. Weber bie zweifelige Ausdehrung der Immurmitäte- 
Gerichtsbarkeit Über nicht zur Immunität Gehdrige, Wais Seeliger VII. &. 242, 
über bie Strafgerichtsharleit des Immunitätsheren &. 240. 


651 


2 Hufen eignet, erhält die Kirche von Worms für freie wie umnfreie 
Inſaſſen ?). 

Aber es wird auch wohl die Immunität nur für Güter in Einer 
Landſchaft verliehen). 

Ludwig I. giebt c. 831 Kloſter Pfeffers im „Herzogtum Ala- 
mannten im Gau Rhätien” (»Curwallense«) Immunität und Freiung 
von Bifchof und Braf?). Späterer Zeit gehören an befonvere Im⸗ 
munitäten für einzelne ®ebänte, Stabttheile‘). 

Ludwig ver Deutiche verleift Immunität dem SMofter zu Zürich 
(Sanct Felix und Sancta Regula) für alles Vermögend). Er wie 
derholt den alten Schug- und Immunitäts⸗Brief für Sanct Gallen 
(a. 873), diesmal mit dem Beifügen der Gleichſtellung mit Reichenan®). 
Bald darauf ſtellt er Sanct Gallen auch in der Verleihung des In⸗ 
autfitionsverfahrens 7) Reichenau und den andern Rönigstlöftern gleich ®). 
Die Privilegien von Vater und Großvater (Immunität und freie Abt- 
wahl) für Sanct Gallen betätigt Karl IIL.9. Und nochmal 88319), 
ebenfo feines Vaters Privilegien für das Klofter zu Zürich 11), ebenjo 
als Kaifer feine von ihm als König verliebenen Schenkungen 2) Sanct 
Gallen. Jene beit auf Klofterboven 13) wie Unfreie fo Freie 1). 


1) W.U.]I. 126. a. 856. Welches Marienflofter in Neng. 408. a. 862 die 
herkommlichen Vorrechte erhält, wage ich nicht zu entfcheiben. 

2) Beflättgung ber Immunitäten von St. Denis im Beltlin burch Karl 14. 
III. a. 775, Mohr I. und Oct. a. 788. ©. 9, Böhmer-Mühlbacher? I. p. 80 
N. 181. 

3) Mohr I. N. 20. p. 34. 

4) Wait VII. ©. 250. 

5) Neug. 426. a. 864. 

6) Neng. 467; Über bie Auslegung von injuste distringere Könige VII. 6. 
Dben &. 650. Anm. 5. 

7) Könige VIIL 4. ©. 114. 

8) Neng. 468, f. bafelb ben Brief an Karl ILL, ber biefer Verleihung 
gedenkt. 

9) Neug. 507. a. 877. 

10) Urk. 9. 

11) Neng. 538. a. 883, Immunität für das Nonnenlloſter (St. Regula) zu 
Zürich, Z. U.B. p. 37. N. 96. a. 863, Bluntſchli I. S. 67, beftätigt p. 62. 
N. 140. a. 883. 

12) 1. e. 513. a. 878, 544. a. 883. 

13) Url. St. Gall. A. A. 4. a. 883. 

14) Beſtaͤtigt abermals 887. A.4. A. 7 unter Beiflügung bes Imquifitions- 
rechts, abermals Arnulf a. 892. A. 1. A.5. und a. 893 A.4. A. 8. 


652 


Arnulf beftätigt a. 893 die von Vorgängern Stanct Gallen ver: 
ltehenen Privilegien der Immunität und tes Inquifttionsrechts (jura- 
mentum coactum) fowie bes befonderen SKönigsjchuges, auch für 
allen künftigen Erwerb, mit Verbot bed introitus wie für Reichenau 
und antere fiscalifche Klöſter); er jchärft dann ben wichtigften vier 
Nachbargrafen ein, auf Verlangen des Klofters und beren Vicarien fo- 
fort bei Meivung fchärferer Strafe — des Bannes und ber Ver—⸗ 
urtbetlung durch ven König — jenes Verfahren zu eröffnen ?). 

Nach der Immunität Sanct Gallens follen über beifen homines 
nur beffen Vögte richten?); wäre bie ausnahmslos gemeint, über- 
ſchritte es das berlömmlichet) Maß. Wegen ber Immunität Sanct 
Gallens dürfen die Statsbeamten weber gegen bie Freien noch bie 
Unfreien auf den Kloftergütern Gerichtszwang üben >). 

. Die Kirche übt ihre ImmunitätsgerichtSbarkeit durch ihren actor, 
ber deshalb judex privatus im Gegenfak zu dem Königlichen (publi- 
cus) heißt ©). 

Einer Höchft ausgedehnten Strafgerichtsbarteit erfreute ſich ala 
Immunitätsherre der Biſchof von Chur”), ausgenommen nur Tobes- 
und höchfte Leibes-Strafe, auch bevor er bie Herzogswürde erhielt ®). 

Die Behandlung ber Kirchen im Kriege?) entjpricht ben geift- 
lichen und weltlichen Schußgefeßen nicht immer. 

Immunitäten von weltlichen ®roßen waren wohl an jich fel- 
tener 1%), allein ihre wie ber Krone Urkunden find auch nicht fo zahl: 
reih erhalten!!). 


1) Neug. 602. 

2) 1. o. 603. 

3) Neug. 633. a. 901. 

4) Könige VIII. 6. a. a. O. 

5) distringere Könige VIII. 4. ©. 89, Neng. 640. a. 903 noch »inrationa- 
biliter«e inquietare: bier wieberhoft fi die Streitfrage oben ©. 650. Anm. 5: 
alfo »rationabiliter« bürfen fie? 

6) L. R. Rh. C. II. 16, 2. ©. aber oben ©. 234. 

7) Cap. Rem. 

8) Zeumer, L. R. R. Cur. p. 299, Wartmann N. 354. p. 329. 

9) Levy, ©. 43. 

10) Beifpiele bei Wait VII. ©. 228. 
11) Weltliche und fiscalifhe Immunitäten VIIL 5. 


653 


b) Andere Vorrechte der Kirchen‘). 
a) Allgemeines. 

Gleich nach Eroberung des Landes durch bie Franken erhielten 
bie vorgefuntenen und die nen errichten Kirchen und Klöfter allmälig 
durch Tönigliche Privilegien bie gleichen Vorrechte wie die übrigen bes 
Frankenreichs?). Und unabläffig erwirken Bifchöfe und Aebte bis zum 
Ende ber Karolingerzeit vie Beftätigung ber Privilegien ber Vorgänger 
(di zu König Pippin Hinauf) durch die Nachfolger bis zu Arnulf und 
Ludwig dem Kind herab. 

Klagen ber Kirchen follen ſchon nach römifchen Necht ohne Ver- 
zögerung vorentſchieden werben ?). 


Ueber das Reclamationsrecht der Kirchen, das Königsgericht im 
erften oder im zweiten Nechtsgang anzurufen), gilt hier nichts Bes 
ſonderes. 

Sanct Gallen macht in feinem langen Rechtskampf mit den Bi- 
ihöfen von Eonftanz Gebrauch von feiner reclamatio ad regem®): 
ber König fchlichtet den Streit im Vergleichsweg, wonach das Klofter 
gegen Anerkennung feiner Selbftändigkeit gewiſſe Leiftungen und Land⸗ 
abtretungen übernimmt. 

Wie im ganzen Sranlenreich ®) ift auch Hier die Kirche unabläffig 
und mit ftärkftem Erfolge bemüht, ihren Reichthum, zumal an Land 
und Leuten, zu vermehren”). Zu dieſem Behuf weiß fie auch durch bie 
Gefeßgebung Schranken bes älteren Rechts — vor allem das Bei⸗ 
Ipruchsrecht ber Erben gegen Veräußerungen von Liegenfchaften unter 
Lebenden und auf den Todesfall — zu befeitigen 8). 

Gleich ver erfte Titel des Gefeges beftehlt: jeder Freie Tann fein 
Gut und fich felbft ver Kirche übergeben, nur Schriftform und Zeugen⸗ 
form (6—7), nicht Zuftimmung ber Erben, wirb erforbert; weber 
Herzog, noch Graf, noch „fonft Jemand“ — gemeint ift tie Sippe — 


1) Könige VII. 3. 

2) VIII. 5. © a. a. O. 
3) L. R. Rh. C. II. 4 
4) Könige VII. 3. ©. 38. 
5) W. U. I. 121. Neng. 
6) VIII. 6. 

T Oben ©. 495. 

8, T. 1. 


O 


S. 284, VIII. 5. ©. 162. 


3. 
VIII 4. ©. 34. Beifptele bei Merkel, der. ©. 46. 
I. 356. a. 854. 


654 


barf widerfprechen, denn ber Zweck ift „Gott dienen und bie Seele 
von ber Hölle loskaufen, »semet redimerec!). 

Wie überall weiß fie fih forgfältig Beweisurkunden für ihre 
echte zu befchaffen, deren Anfechtung ſchwer Beftreft wirb 2). Sr 
entzogenes Gut muß 37 fach erfeßt werden?). 

Die topte Hand veräußerte Laub und Leute nur im Wege bes 
Tauſches gegen gleich-, oder lieber böher-werthiget). 

Biſchof, Geiftlicher, Mönch, religiofe Männer und Frauen werben 
in Ermangelung von Verwandten und Ehefrauen von ihren Kirchen 
beerbt, vorbehaltlich tes Rechts einer Curta oder eines Patrone ®). 

Es waltet erhöhter Kirchenfriebe®). 

Tödtung in der Kirche wird außer mit dem Wergeld an bie Sippe 
mit einer Buße von 60 sol. an vie Kirche und dem Friedensgeld von 
60 sol. an den Fiscus gebüßt, und mit 40 sol. (od. 60) an bie ent- 
weihte Kirche”): tenn bier liegen in einer That 3 Vergeben ver: 
Entweihung, Geſetzesbruch, Todtung ?). 

Der Kirche und ihrem erhöhten Frieden vertraute man gern Fahr⸗ 
niß zur Aufbewahrung an). 

Wer ſolche aus dieſer ftiehlt, zahlt der verunehrten (inhonori- 
ficare) 18 (od. 36 sol.) und dem Eigenthümer neunfachen Erſatz iej. 

Werden bagegen Kirchenfachen geftohlen (gleichviel, wo), ift wie 
bei Sachen bes Herzogs 27 facher Erfag zu leiften; ber lengnenve An- 
geflagte Hat mit ter gefeßlichen 11) Zahl Eiphelfer auf dem Altar ber 
beftohlenen Kirche vor bem Priefter (sacerdos) oder dem von ihm als 
Stellvertreter beftimmten Geiftlichen (minister) zu fchwören 12). 

Weil die Kirchen im Königsfrieven ftehen, in Tarolingifcher Zeit, 


1) T. et 1. NRieberlegung der Urkunde auf dem Altar. 
2) 1. c. 


3), T. 7. 
4) T. 20. oben ©. 521f. 
5) L. R. V. 3. 
6) Wilda ©. 248; über Diebſtahl und Raub in ber Kirche L. III. 3. V. 9, 10, 
20. Schreuer S. 93, 99. Oben ©. 328. 
1) T. 4. 
8) Vgl. Schreuer &. 100, 118, 122. 
9)L.5.p. 71. 
10) 1. e. 5. nod anders bei Raub »per virtuteme, b. b. Gewalt. Bel 
Maſchke S. 14, 25. 
11) L. 5, 1. p. 72. 
12) 1. c. 6. p. 74. 





655 


wird Diebfinhl au Kicchengnt mit dem Königebenn von 60 sol ge- 
büßt?!). 

Kirchengut wird wie Königsgut gegen Raub und Diebftahl (außer⸗ 
dem) mit dreifacher Buße geichäßt?): zumal amch bie Vorenthaltung 
von flüchtigen unfreien Knechten ober Mägten ber Kirche gegenüber 
dem fie beransgeifchenden Geiftlichen over deſſen geſetzlichem Vertreter 
(missus) 

Bewaffneter Bruch des Hausfrievens des Biſchofs, aber auch 
bes Priefterd in ber Didcefe wirb mit 18 ober 36 sol. gebüßt, je 
nachdem nur der Hof (eurtis) oder das Haus betreten wird‘); auch 
jene Verletzung des Biſchofs6), fchlagen, prügeln, lähmen, verſtümmeln 
fewie feiner Geſippen, wird breifach gebüßt wie bei Verlegung bes 
Königs‘). Unbeftimmt bleibt, ob dem König, dem Herzog oder (aut) 
ber Biſchofskirche. 


PB) Gerichtsbarkeit Aber Getfliche”). 


Die Gerichtsbarkeit in Straffachen von Geiftfichen ift in Aln- 
mannten wie tim übrigen Frankenreich georbnet®). 

Bei geringeren Vergeben, bie nur mit &elbftrafen bedroht find, 

foll der Biſchof nicht bei'm Richter, nur bei ten andern Bilchöfen (im 

Concil) verfiagt und von biefen gerichtet werben‘). Im geringeren 

Streeitfachen unter Geiftfichen 1% richten bie Bifchöfe mit den Prieftern 


1) L. AL L 2. B. Ood. 19-37. Diebſtahl von Kirchengut L. 6. Schreuer 
©. 9%. Töbtung som Kirchenkuechten L. 7. Wilda S. 249. Brunner II. S. 9. 

2 L. 7. 

3) L. 20. (21.) p. 82. 

4) L. 10. (11.) p. 76. vgl. 30, 39. Paet. 5, 3. 

5) mancare, Du Cange V. p. 209. 

6) 1. c. 11 (12). 

7) Könige VII. 3. &. 270. VIIL 5. ©. 217, 236. Wilda S. 530. 

8) VII. 3. &. 270. VIIL 5. ©. 236 unb zwar auch in Churrhätien, fo 
gegen Schupfer, Lincei ©. 28. richtig Zeumer N. a IX. ©. 40f. 

9) L. R. XVL 1, 2. Bgl. Könige VIL. 3. ©. 248. VIIL 5. &. 208, 236. 
Sohm, 3. f. Kircheur. IX. &. 204. Mit Zeumer p. 392 ift bier nicht an Civil⸗ 
Klagen zu denken. Die Lex fügt bei: ben episcopum emendatum foll man wieder 
aufnehmen. 

10) Die Borlage beſchräukt das auf religiöfe Dinge: »ox qualibet re ad 
religionem pertinente. Alle Sixchenfachen, »quod ad religionem eoclesiasticam 
spectat«, gehören vor ben Biſchof, alle Straffachen vor ben flatlichen Richter, 
publious judex L. R. XVL 4, 1. 


656 


in bürgerlichen, in Straflachen aber tie weltlichen provinciales judices, 
db. h. die Grafen). 

Nur zum Xheil abweichend vom fonftigen Karofingifchen Recht 
unterfcheidet die L. R. bei ſchweren Strafllagen gegen Geiftliche niebere 
und höhere: für jene gelten die gleichen Grundſätze wie für Laien 
(seculares), bieje jollen ohne Folterung burch (eitlihe?) Ableugnung 
fih befreien, vorbehaltlich der Beftrafung (falsiactio!) bei nachträg 
ficher Ueberführung 2). 

Die Biſchöfe wollen freilich die Geiftlichen nur von Biſchdfen 
belangen lafjen?) und fich felbft nur von dem Pabft. 

Streitigkeiten über Kicchenzehnten wollte die Kirche nicht an welt. 
liche Gerichte fommen Taffen, aber gegenüber dem Königsgericht ohne 
Erfolg‘). Im diefem Hofgericht urtheilen über Geiftliche zwar auch 
Laien, aber doch vorzugsweiſe Geiftliche 5). 

Ein Geiftlicher unter dem BPriefterftand Hat ſich in einer Straf 
anklage vor dem weltlichen Richter ſelbſt zu verantworten, Prieſter 
und Bifchöfe laffen ſich durch advocati vertreten‘), was bei Laien 
regelmäßig”) außsgefchloffen ift. Dreimaliges ungehorſames Ausbleiben 
wird aber an ihnen wie an Laien geftraft. | 

Verletzt eine That zugleich weltliche und kirchliche Verbote, z. B. Ehe 
gegen Berbot, Verwandtenmord, fo verhängt ber Ortsrichter die welt 
liche, der Ortspfarrer bie firchliche Strafe®). Eine Handfchrift®) giebt die 
Ereommumnicationsformel hierfür: „er babe fortab fein Eigen, fein Hans, 
feine Gattin, Teine Samilie, darf in feinem Haufe zwei Nächte bleiben, 
nicht erhalten Bett, Speife, Trank, ausgenommen Waſſer; immer 
unftät (vagus) und gleichfam flüchtig ſchweife er überall zu den Heiligen 
Drten (pilgernd) weiter und bleibe in folcher Buße bis an fein Lebens⸗ 
ende: hat er gut gebüßt, foll er am Ende auf Bitten das Abenpmal 
erhalten, aber niemals fonft”. . 


1) Arg.: bie Borlage hat in civitate, qua agitur. Bgl. Könige a. a. D. 
Watt IV. ©. 447. | 

2) L. R. XI. 15 (ſchlecht gefaßt) vgl. Könige VII. 3. und VIII. 5. a. a. O. 
Sohm, 3. f. Kirchenr. IX. ©. 265. 

3) Cc. Alth. p. 557. c. 18. a. 916. 

4) Watt VII. ©. 351. 

5) Beläge bei Franklin II. S. 131. 

6) L. R. XVII. 11. vgl. Könige VIII. 4. Lex Burgund. 11. 

7) Könige VIII. 4. ©. 100. oben ©. 381. 

8) L. 39 (Cod. 18) p. 99. 40. p. 100. 

9) Cod. 18. 





657 


Wird ein Priefter abgejett, foll er boch als Mönch von dem 
früher von ihm begabten Klofter aufgenommen und wie die andern 
Mönche unterhalten werden?) 

Auch bei Beftrafung von Geiftlichen werben bie ingenui, de 
bona gente idonei, mit Vermögen, viel gelinder angefaßt, als bie 
inferiores personae?). 


) Zufludtsreht?). 

Das Zufluchtsrecht der Kirchen wird ftreng gewahrt ®). 

Das gar vielfach verſchieden gejtaltete Necht ift bier fo aus- 
gebildet, daß der Verfolger feinen flüchtigen Unfreien (nach anbrer 
Faſſung auch freien (Vergehns- ?) Schuloner), der die Kirchenthür er- 
reicht hat, weder in ber Kirche töbten noch aus ihr entfernen barf: er 
muß vielmehr dem SKirchengeiftlichen Sicherheit leiften, baß er dem 
Tlüchtling verziehen habe, worauf befjen Herausgabe zu erfolgen bat). 
Der ©eiftliche haftet aber, daß der Flüchtling nicht entweiche: Teugnet 
er bie Zuflucht oder entflieht jener, muß er ihn zur Stelle fchaffen 
ober einen gleich wertben ober ben Geldwerth leiften und, falls ter 
Verfolger verziehen hatte, außer dem Werthgeld 12 sol. zahlen 9). 

Die Strafe für Ajylverlegung ſchwankt dann in den Hanpfchriften 
von 18, 30, 40 bis zu 60 sol.”) 

Nah römiſchem Recht bevroht Bruch kirchlicher Zuflucht Todes⸗ 
ftrafe 3). 

Zuflucht gewährt bier nicht nur bie Kirche, auch ſchon deren 
- Säulengang und Atrium: auch aus dieſem darf ber unbewaffnete 
Flüchtling, bei Todesſtrafe, nicht geriffen werben ?). 


1) Cod. Trad. Sang. 398. N. 685. a. 896. ad prevenda (praebenda) inter 
fratres recipiant sicut caeteri monachi (h)abent, aber das Eingetaufchte ver. 
wirft er an das Klofter. 

2) L. R. XVI. 1, 4. 

3) Könige VIII. 5. S. 240. Dfenbrüggen, Alam. Str. R. S.14,120. 3. Orimm, 
D. Myth. S. 27. Dann, 3. |. D. R. II. ©. 327. Wilde ©. 247, 538. 

4) L. Al. 3f. 

5) L. 3. p. 68. 

6) 1. c. p. 9. der Gelbwerth, das Werthgeld, capitale wirb gloffirt houbet- 
schatz. 

N) L.rp. 70. 

8) L. R. IX. 34, 

9 Schon um Berunreinigungen ber Kirche felbft zu vwerhüten L. R. IX. 
34. (ne... ) in ipsas ecclesias non faciant causas .. sordidas. 

Dahn, Könige der German. IL 1. 42 


658 


Genauer find die Wirkungen des Aſyls feitgeftellt in allgemein 
fräntifchen Capitularien und Concilſchlüſſen ). 


8) Königeſchutzꝰ. 


Wie früher?) wird einzelnen Kirchen und Klöftern außer vem all 
gemeinen (jchon gefteigerten) Königsfchug noch beſonderer verliehen: 
aber nicht oft mehr werben bie bejonberen Nechtswirkungen, 3. B. jus 
reclamationis, aufgezähft. 

Häufig werben den Klöftern Schuß- und Immunitäts-VBerleihungen 
in Einer Urkunde ertheiltt), feit c. a. 850 wird in mundıburdium 
suscipere gerabezu für immunitatem concedere gebraucht5), freilich 
wirb auch beides ausbrüdlich genannt ®). 

Den befonderen Königsichug erhielten auch Biſchöͤfe. So Eon 
ftantius von Chur unter Beftätigung aller hergebrachten Freiheiten mut 
Rechte”): daher nicht nur für ihre Perfon. 

Neben dem Königefhug für das ganze Klofter Tann berfelbe and 
einem einzelnen Priefter bes Kloſters mit feiner Habe und für feine 
Abhängigen (homines et mitio) verliehen werben). 

Ein vir nobilis ſchenkt unter Königlicher Beftätigung®), weil das 
beſchenkte Klofter unter Königsſchutz fteht? 

Aber auch in Königsfhug ftehende Klöfter fürchten Beraubung 
burch den König felbft und fehen biefen Ball in ihren Urkunden offen 
vor 19). 

Ebenſo fürchten Biſchöfe Beraubung ihrer Kirchen durch bie 
fönigliche Macht (oder andre Laien) 11). 


1) Könige VIIL a. a. O. 

2) Könige VIL 3. ©. 38. VIIL 5. ©. 186, 231. VII. 6. S. 41. 

3) Könige VII. 3. VIII. 5. 

4) Schuß allein: mundiburdis Schöpflin I. p. 113. v. Wyß p. 18. tuitionis 
munimen. 

5) ©. Th. v. Sidel II. ©. 74. 

6) Wartmann II. p. 308 N. 706. sub tuitionis atque immunitatis (nostrae) 
defensione. 

7) Blanta, Beiträge VI. ©. 448. a. 774. 

8) (Cod. Trad. Sang. 38. N. 65. Wartmann I. 65. a. 772). Mitio, fonft 
bier unbelannt, iſt Doch wohl Reclamatiousrecht, ſ. Könige VIII. 4. S. 40. 

9) Neug. 382. a. 858 bis 859. auch ber (erbliche) Vogt muß zuſtimmen. 

10) Neug. 625. a. 897. 

11) Neug. 673. a. 909. eine Beſchwörung ber Frevler bei ben Schrecken bes 
jüngſten Gerichte. j 





25 


xx 


659 


8. Die Klöftert). 
a) Allgemeines. 
a) Eigenthum am Klofter?). Andere Berbältniffe 

Scharf unterjchieven werben Tönigliche, dem König gehörige (regi 
pertinentia) und bifchöfliche von privaten Klöftern®). Oft gehörten 
auch große, reiche Klöſter Bifchofsfirchen: fo Stanct Gallen ber 
Mariencatheprale zu Conftanzt). Dagegen ftand Kloſter Granvie 
Ballis im Eigenthum des Grafen Lutfrid ). Oder auch ein Bifchof 
ftiftet aus eigenem Vermögen ein (kleines) Klofter (cellulas). 

Für ein ſolches vom Biſchof non Chur geitiftetes Klöſterlein, 
cellula (a. 841), ſchenkt Lothar I. eine Kirche mit mansus und Zu⸗ 
bebör, anderwärts Waldrobung und Weinberge, ein zweites Sirchlein 
und noch anderen Grundbeſitz mehr zur freien Verfügung?). 

Zehn öfter ſoll St. Pirminius c. a. 730 in Baiern, Elfaß”), 
Baden, Schweiz geitiftet habens). Aber die vita iſt ſpät und unglaub- 
würdig. In Württemberg zählt man) im dieſer Zeit bie Klöſter: 
Murrhard (unter König Pippin), Ellwangen (a. 764°), Lauterbach 
(vor a. 789), Marchthal (vor a. 776), Herbrechtingen (vor a. 779), 
Eßlingen (vor a. 777), Baumerlenbach (c. a. 786), Buchan (lange vor 
a. 819), Hirſchau (c. a. 830), Wiefenfteig (Wiefant?) (a. 861), 
Faurndau (vor a. 875) 19. 

Immer wieder wurden — gegen bie Canones — Ungeborne, 
Säuglinge, Meine Kinder, von ben Xeltern dem Klofter bargebracht, 
d. 5. ale Mönche ober Nonnen geweiht!!). 


1) Könige VII. 3. &. 328, VIIL 5. S. 269. 

2) Könige VII. 3. ©. 328, VIII. 5. ©. 260. 

3) Reugert 193. a. 817. f. unten. Auch bloßer Antheil an einer Privat⸗ 
firche 268. a. 832. 

4) Rengart 78. a. 780, ſ. bajelbft die Gründe wider und für bie Echtheit 
son Arc, Geſchichte bes Kantons St. Gallen I. 1864. 

5) Neug. 327. a. 849, 

6) Mohr I p. 39. N. 4. 

7) Ueber die Klöfter im Elſaß |. bie Urkunden von den lebten Merovingen 
bis a. 845 bei Schöpflin I. p. 3—108. 

8) Mone I. c. 9. 

9) Stälin (B.) L ©. 370. 

10) Ueber deren geringe Vertretung in der Eintheilung ber Klöſter nach ihrer 
Leiftungspflicht bei Ludwig Könige VIII. 5. S. 103, Stälin &. 373. 

11) So 3. B. Sanıct Willibald gefl. a. 760. Vita p. 334, Seidl, bie Gott 
verlobung der Kinder 1872. 


42* 


660 


B) Berhältnig zum Biſchofy. 


Auch wo das Klofter nicht dem Bisthum gehört, ift es tod 
regelmäßig dem Biſchof unmittelbar untergeben 2), das Gegenteil tft 
Ansnahme?). 

Ein Kloſter liberare, libertare heißt daher vor Allem, es von dem 
Biſchof „befreien“, dann aber auch andere Befreiungen ihm gewähren‘). 
Dft ſchulden die Klöfter der Biſchofskirche Sahresleiftungen®). 

Häufig ift der Zins eines Klofters an die Biſchofskirche nur 
Anerlennungszins: fo wenn das reihe Sauct Gallen der Conftanzer 
Kirche jährlich nur 1 Unze Gold und ein 1 Pfund wertbes Roß zu 
zinfen bat®). 

Das DVerhältniß bes Klofters zum Biſchof ift häufig ein recht 
übles, (mie zwifchen Mönchen und Weltgeiftlichen oft fehroffer Gegen⸗ 
ſatz beſtand), ja, wie Notker von Sanct Gallen Hagt, mehr Haß als 
zwifchen Geiftlichen und Laien”). 

Scharf wahrt die Rechte des Klofters (Murbach) gegen ven Biſchof 
ZTheuberih IV. a. 7273). 

Mußten einerfeits bie Klöfter gegen die Forderungen der Bifchöfe 
von Geſchenken und üppiger Verpflegung gefchügt werben, hemmte 
man doch anbrerfeits ihr Streben, jedes Recht der Bilchöfe abzu- 
ſchütteln. Lehrreich hierfür find die Privilegien für Schwartzach und 
für Murbach im Elfaß: volle Entbindung für Murbach beim Beſuch 
bes Biſchofs, dagegen Schwargah muß feine Unterorbnung durch 
Geſchenk von Kreug und Sandalen anerkennen ?). 


1) Könige VII. 3. S. 328, VIII. 5. ©. 265. 

2) Könige a. a. O. 

3) Ueber den Kampf der Klöſter für ihre Selbſtſtäudigkeit gegen bie Biſchöfe 
in al’ diefen Jahrhunderten, Waitz-⸗Seeliger VII. S. 211, über bie verfchtebenen 
Formen, in benen bie Biſchöfe bie nicht blos kirchliche Unterorbnung ber lüfter 
anftrebten S. 213 (3. B. der Bifchof wirb jelbft Abt wie Conſtanz von Sanct 
Ballen): — fo hatte Hatto von Mainz 4 Abteten unter fi — viele Beläge a. a. O. 
f. Dagegen bie verſchiedenen Arten von libertates (3. B. Romana unter dem Pabft‘, 
welche ben Klöftern verliehen werben: 3. B. auch freie Abtwahl, Immunität, 
Stellung nur unter ben König. 

4) 3. ®. Grandidier U. N. 163. a. 996. 

5) ©. die Stellen aus Neugart bei Stältn (V.) I. S. 375. 

6) Neugart 1. c. 78. a. 780. 

7) Coll. Form. Sang. 28. 

8, Schöpflin I. p. 7. 

9) Grandidier 1. p. 277. 


661 


Sehr Heftig und Iangwierig waren die Streitigkeiten zwiichen dem 
Biſchof von Eonftanz!) und Klofter Sanct Gallen, deſſen Abt ber 
Biſchof eine Zeit lang war. 

Ludwig beftätigt a. 816 den von feinem Water befräftigten Ver⸗ 
trag zwifchen dem Biſchof von Eonftanz und Sanct ®allen?). 

Die Mönche follen dem Biſchof nur kanoniſch, nicht Inechtifch 
bienen?). 


b) Achte und Geiklihe. Andere Aloſterbeamte. 
a) Der Abte). 
Allgemeines. 


Der Kloftergründer bebarf zur Stiftung der Erlaubniß des 
Königs, aber den Abt beftellt er felbft. 

Den erften Abt des neuen Klofters Wifantfteig beftellt ver Stifter 
zufammen mit vem Bifchof, die Nachfolger follen frei gewählt werben: 
bei Anfechtungen jollen vie Mönche den Bifchof und nöthigenfalls mit 
biefem ben König angehn>). 

Auch bier werben oft Abtwahl und Immunität in Einer Urkunde 
verliehen 9). 

Ludwig I. giebt Kempten freie Abtwahl?). 


1) &. oben ©. 629. 

2) Neugart 185. ©. oben S. 629f. Ueber die Berhanblungen und Berzichte, 
bie vorbergehn, Th. v. Sidel I. &. 66. Ludwig ber Deutſche betätigte a. 853 
bie Berleihungen Karls und Ludwigs I. für Sanct Gallen, |. oben. (Schuß gegen 
Käfige Beſuche des Eonflanzer Btfchofs.) 

3) Coll. F. Sang. 4. tantum canonice, non autem serviliter: erfunden, 
aber ganz im Geift der Zeit, ſ. oben ©. 632. 

4) Könige VII. 3. &. 328, VIII. 5. ©. 267. 

5) Neng. 406. a. 861. 

6) Beifpiele für das Hecht freier Abt- (und Vogt) Wahl bei Merkel, de r. 
©. 46, Baumann, S. 121. Die Lifte der Aebte von Kempten bei Bruſchius iſt von 
a. 773 bis ins zwölfte Jahrhundert wielfach gefälicht, ogl. Baumann, Forſch. ©. 102f. 
Falſch auch bie Urkunde im Eartular von Rheinau von a. 852, freie Wahl von Abt 
und Bogt (N. 1) und falfch die Urkunde freier Abt und Vogtwahl für Reichenau 
Züricher U. B.L p. 18. N. 64. a. c. 852, bagegen a. 870. N. 111. p. 42. lieber 
Reichenau vgl. Oheim, Onellen und Forſchungen zur Geſchichte ber Abtei Rei⸗ 
chenau. Bon der babifchen hiſtoriſchen Commiſſion II. 1893, Dieterih, bie Ge 
fchichtsquellen bes Kloſters Reichenau 1897. 

7) Neugart 294. a. 839; jeboch über bie Echtheit diefer und andrer Kemptener 
Urkunden ſ. 1. c. und Böhmer: Mühlbacher? N. 990, vgl. Reng. 261 zu 


662 


Ludwig der Deutiche beftätigt Sanıt Gallen die vom Großvater 
verliehenen Mechte, zumal der freien Abtwahl!. 

Allein fehr oft fegen auch Hier?) die Herricher, dieſe Rechte durch⸗ 
brechend, allein handelnd bie Aebte ein 3). 

Ludwig fett (wohl a. 839) den Biſchof Erchambert von Freiſing 
zum Abt von Kempten ein‘). 

Schuß und freie Abtwahl wird auch gewährt für Klofter Pfeffers®). 

Aber Arnulf ernennt einen Abt von Pfeffers („Pfäfers”) (Fabaria) 
auf Vorſchlag des Grafen Buchhard von Nhätien®). 

Arnulf ſetzt Abt Bernhard von Sanct Gallen ab, weil er fidh 
an der Empörung Bernharbs, eines Baſtards Karls III., betheiligte 
und ſetzt — troß bes oft gewährleifteten Rechts freier Abtswahl — 
„kraft Eöniglicher Macht” Salomon von Eonftunz als Abt ein: erft 
nachträglich warb er von ven Mönchen nach ber Regel Sanct Bene- 
diets „gewählt“, weil er „fie in göttlichen und menfchlihen Dingen 
geförbert hatte” und zwar auf Vorfchlag der Vornehmen, primates, bes 
Reiches auf dem Tag zu Borchheim, wo Ludwig das Kind alle Privi- 
legien des Klofters feit Ludwig I.: Immunität, Inguifition und freie 
Abtwahl, beftätigt”). 

Nachdem fo die freie Abtwahl Sanct Gallens von Arnulf durch⸗ 
brochen war, bat das Klofter von Arnulfd), Ludwig II.9) unb von 
Papft Sergius III. 10) fich dies Recht ausprüdlich beftätigen Laffen. 


a. 833. — Baumann, zur älteren Gefchichte bes Stifte Kempten, Forſchungen 
1899, S. 102. 

1) 22. VII. 854, Neug. 867 ebenfo Reichenau Idb. a. 852, Rhenang. 16 
a. 876, vgl. Riezler, Sit.«Ber. ber Münchener Wlad. 76. ©. 477f. 

2) Hülle, in denen biefelben Könige, bie bem Kloſter bie freie Abtwahl ver 
liehen ober beftätigt hatten, bie Recht durch Einfekung brachen, bei Baumaun 
©. 122 (Kempten). Ueber Beſchränkung und Berlegung auch ber gewährten, freien 
Abtwahl durch ven König, 3. B. unter Ludwig I, Waitz VII. &. 267, ebenba über 
Abſetzung ber Aebte durch ben König. 

3) Baumann, S. 120. 

4) Mohr I. p. 38. 9.23. a. 831, befenbers aber v. Sickel II. p. H2f. 

5) Neug. 564. a. 889. 

6) Neug. 640. a. 903. 

7) Reug. 619. a. 890. 

8) 1. c. 647. a. 904. 

0) Neng. 640. a. 903. 

10) Reihenau, Dilmge Reg. Bad. p. 84. a. 909 (Bubiwig das Kb): quam- 
diu ipsi monachi inter se talss invenire petuerint, qui ste. Yrkunbe für 
Wisantsteig (?) a. 861, Gattler ©. 069. 


663 


Gar gern übte ber heilige Vater das „Recht“, kaiſerliche und könig⸗ 
fiche Verleihungen »per conscriptum nostrae apostolicae potestatis« 
»nostri apostolatus vigore« zu beftätigen: Verlegung wirb mit bem 
Anathem bebrobt: das Tonnte meiſt nur dem Deutfchen König gelten. 

Aehnlich wie bei Wahl des Biſchofs die Geiftlichen des ‘Dom- 
kapitels ober boch ver Diöcefe jollen bei ver des Abtes oder der Aebtiſſin 
vor Allen Angehörige des Klofters berüdfichtigt werben, wenn fich 
unter ihnen Würbdige finden). 

Einmal gebietet eine SKlofterftifterin, Hiltisnot, Gründerin und 
erite Aebtiffin von Baumerlenbach, vor Allem ftets eine Angehörige 
ihres Hauſes zu wählen, falls eine ſolche im Klofter Erzogene und 
Fählge zu Gebote fteht!). 

Daß freie Abtwahl an die Bedingung geknüpft wird, daß fich im 
Klofter ein würdiger Mönch findet, „fähig, die Hegel Sanct Benebicts 
burchzuführen”, ift alfo nichts Auffallendes?), fondern allgemeine Regel. 

Ganz regelmäßig follen bei freier Abtwahl vie Mönche in Er- 
mangelung eines Geeigneten aus ihrer Mitte aus einem beliebigen 
andern Klofter wählen, aber bald möglichft wieder einen ber Ihrigen 
türen?) 

Dei der Auswahl des Abtes werben berüdfichtigt edle Abftam- 
mung und wiflenfchaftliche, zumal theologifche Bildung ®). 

Erfunden und unanwenbbar ift die ormelS), in welcher ber 
König droht, wenn die Mönche, ftatt vorjchriftmäßig den Abt zu 
wählen, Nörgler nnd Widerſpänſtige find, ihnen aus feinen Capellani, 
Biſchöfen oder (weltlichen) Vaſallen einen ſolchen Abt auf ven Hals 
zu fegen, ber ihren Ungehorfam bändigt oder, wenn fle nicht gehorchen, 
fie nach Königs Gebot zur Abfchredung Aller in alle Winde zeritreut 
(al.: „fie mit eiferner Ruthe waltend wie thönerne Töpfe zerichlägt"). 

Arch alamannifche Aebte bekleiden wie Andere hohe Hof- und 
Reichs⸗Aemter; fo Grimoald von Sanct Gallen das bes Archi⸗ 
capellans®). 


1) Nach Beſtimmung des Abtes von St. Nazarius Cod. Laur. N. 13. 

2) Baumann, Kempten &. 118. 

3) Neug. 458. a. 870. 

4) Neugart I. 1. c.a. 650 ex genere nobili et sacris apicibus vel litteria 
eruditum. 

6) Coll. F. Sang. 3. 

6) Neug. 433. a. 866. 


664 


Abt Wolfvin von Reichenau ift des Königs fidelis vassus 1). 

Graf Eberhardt des Zürichgaus nimmt die Stelle des Abtes im 
Sanct Felix⸗ und Regula-Klofter zu Zürich ein). 

Gar oft werden hohe Weltgroße im Alter Aebte?). 

Auch der Abt Heißt vir illuster®). 

Bifchöfe und Andere vereinen — gegen bie Canones — mehrere 
Abteien ihrer Berjon 5). 

Aber Aebte werden auch Biſchöfe entleguer Bisthümer, fo der von 
Murbach von Augsburg). 

Der Abt Hat die Pflicht der defensio, aber auch das Recht ber 
districtio gegenüber ben tributarii und censuales, bie ihre Vermögen 
dem Klofter übergeben”), mit Ausichluß bes Grafen unb feiner 
juniores. 

Der Abt darf nah Sanct Benevicts Kloſter⸗Regel s) Teine Ver⸗ 
fügung treffen, die dem Kloftervermögen fchaden Könnte, ohne Mitwir⸗ 
fung aller over, in geringeren Fällen, ber älteren Brüder?) 


B) Andere Kloflerbeamtei0). 


Die Klofterbeamten: Vogt (praepositus), Decanıs, Cellararius, 
Camerarius il), Hofpitarins, Portarius, Bibliothecarius (sacrarius), 
Sacratarius werben zufammengefaßt als bie officiales monasterii 12). 


1) Neug. 437. a. 866. 

2) Neng. 589. a. 889 ubi modo E. comes cum advoceato suo A. praeesse 
videtur: A. iſt Vogt des Kloflers, nicht bes Grafen. 

3) So Graf Gozbert vom Klettgau Abt von Reichenau, Neug. zu 500. a. 876. 
vgl. 347 zu a. 853. 

4) Neng. 500. a. 876. 

5) S. oben S. 628. Abt Grimoald hat drei Abtelen: Weißenburg, Sauct 
Gallen und Ellwangen (Boffert, Württembergifche VBierteljahreshefte 1889, &. 142), 
und babei weilte er als Erzeaplan meiftens am Hofe Ludwigs bes Deutſchen 
St. Germanus war co. a. 650 Abt dreier Möfter, Neugart I. 1. 

6) Form. Als. 10 (Sindbert a. 787—791), Rettberg ©. 89, 151. 

7) Reug. 406. a. 861. 

8) o. 3. de adhibendis ad consilium fratribus. 

9) Daber auch bei Vertrag fließen: oonvenit nobis (Abt von Sauct Gallen) 
una cum fratribus nostris monachis ipsius monasterii Neugart 1. c. 30 
2. 760. 31. a. 760. 

10) Könige VII. 3. ©. 328. VIII. 5. ©. 242. 259. 

11) Seltener: Neug. 386. a. 859. Lieber bie Berrichtungen bes Kämmerert 
bes Bisthums und bes Kloſters Waitz VII. ©. 312. 

12) Bon Sanct Gallen Neug. 331. a. 850. 596. a. 890. Sehr vollzählig 


665 


Neben dem Abt und zweit praepositi werben ein Kämmerer, ein 
Decan, dieſer oft, ein Pförtner, ein consecretalis (= domesticus, 
archicularius?) genannt?). 

Neben dem Abt wirb dem decanus geſchenkt?) oder Gott und 
Sanct Gallus?). 

Pero ift a. 906 zugleich Decan und Präpofitus von Sanct 
Gallen *). 

Neben Abt und Vogt urkunden decanus, zwei praepositi zu⸗ 
gleich, hospitalarius, zwei portarii®). 

Der decanus vertritt wie ber praepositus das Kloſter in Rechts⸗ 
geſchäften z. B. bei Erwerb (und Wieberverleihung) von Grunbftüden®). 
Beide werben neben dem Abt als Vorftände des Klofterd genannt”). 
Zuweilen hanbelt®) der Decanus ftatt des Präpofitus neben dem Vogt. 
Neben dem Abt werten als für das Klofter handelnd oft Vogt und 
Präpofitus genannt?). 

‘Der praepositus vertritt fein Klofter bei bem Erwerb von 
Grundſtücken: er wirb von den Schenlern als »missus« ber Mönche 
„reveftirt”, auf drei Tage und brei Nächte in Beſitz gefett, nach deren 
Ablauf er den Schenlern die Güter als beneficia wieder giebt; aber 
auch ver decanus handelt dabei 10). 

Vogt und Präpofitus find fo wichtige Beamte des Klofters, daß 
von ihnen gefagt werben mag, fie jeien neben ver Aebtiſſin Vorfteher 
deſſelben 11). 

praepositi find auch die mönchiichen Verwalter von Kloftergütern, 


eiımmal sigristo Trad. Sang. 223 (aus sacrista, Küfter, aus custos) Weigand II. 
S. 714. Kluge ©. 318. die Klofterbeamten (and) ber sacraius 396. sacratanus 
393. a. 860, wo ber bibliothecarius scripsit et subsoripeit (berjelbe 397. a. 861. 
unb 396. a. 861 (drei praepositi zugleich). 
1) Du Cange se. h. v. Neugart 201. a. 819. 202. a. 819. conzl. iſt gewiß 
concellarius: arg. scripsi et subssoripsi. 
2) N. 319. a. 847. 
3) 325. a. 849. 
4) Neug. 650. 
6) Neug. 325. a. 849. 
6) Neug. 1. o. 45. a. 766; ebenfo 62. a. 775. 
7)1. c. 62. 
8) Wartmann II. 862. a. 841—872. 
9) Neug. 569. a. 886, 
10) Rengart 1. c. 45. a. 766. 62. a. 775. 
11) Neug. 501. a. 876. 


666 


deren 3. B. Sanct Gallen eine reiche Zahl Hatte!). Der Präpofitus 
nimmt daher (mit dem Vogt) die Vergabungen an das Kloſter ent- 
gegen?).. Ein Vertreter des Präpofitus (presbyter) urtundet ®). 

Der Bifchof beauftragt feinen vicedominus und biefer ben ihm 
untergebenen procurator, in ber villa Bohlingen am Bobenfee für 
bie vom Bifchof von Eonftanz befohlene reichliche Bewirthung bes 
nah Rom reifenden Biſchofs von Speier nah Weifung zu forgen, 
„falls er Haut und Har behalten wolle“ 4). 

Man hält5) oeconomus und vicedominus für Eins: — jebesfalis 
waren fie es nicht immer: beide Aemter wurben von Geiftlichen unt — 
nicht ohne Widerſpruch — auch wohl von Laien befleivet; auch ift 
ber vicedominus zuweilen zugleich Probft ®). 

Gleichbedeutend mit procurator fteht major; biejer hat für Brief. 
beförberung zu forgen?). 

Kirchliche Beamte find in ſolchem Sinn auch dieſe procuratores, 
villici, praepositi, majores, vicedomini®). 

Dei Abhängigleit einer Kirche von einer andern heißt ber Ber 
treter der Abhängigen auch procurator; er bat aus ter Dotirung 
burch die Hauptlirche 3 Mönche, 3 Geiftliche und das (unfreie) Gefinte 
(familia) ter Kleinkirche zu unterhalten, jährlich am Tage von Sanct 
Magnus, des Patrone feiner Kirche, ten Mönchen ter Hauptfirche, 
Sanct Gallus, in beren Refectorium Verpflegung zu leiften (copiam 
servitutis impendat) und wie Sanct Gallen dem König fo dem Abt 
von Sanct Gallen in einem Kriegsjahr, zieht er zu Feld, ein beladnes 


1) Neugart 187. a. 816. praepositi procurantes. 

2) Reng. 434. a. 865. praepositus .. hanc traditionem .. recepit, Leber 
bie praepositi, fpäter priores genannt, |. regula St. Benedicti (6). Reug. 30. a. 760. 

3) Neugart 239, 240. a. 829. 247. a. 830. 

4) Alfo ſcherzhafte Drohung ber Scheerung und Geifelung (?) Form. Als. 
N. 21. (22, 23), jetst aber f. Zeumer, fo vgl. Coll. Form. Sangall. 34, 35. 

5) Waitz VII. ©. 312. 

6) Ueber vicedominus am Hof bes Biſchofs (major domus«e) und anbre auf 
ben Guütern, fowie über das Verhältnis von vioedominus und Vogt, ein biſchöf⸗ 
licher »vicarius«, Mohr I. p. 29, a. 822; ſ. a. a. O. 

7) L. co 46. 

8) Kaſtvögte Stälin (®.) LS. 378 im Gegenfa zu den Ding und Waffen- 
Bögten: das find aber oft biefelhen Männer. Auftrag an ben probutator, einen 
Boten zu haufen. Form. Marbac. a. p. 330. 


667 


Saumroß mit einem Führer zu ftellen: fo hatte Sanct Gallen dieſe 
Laft — freilich gegen Entgelt — abgewälzt ). 

Einmal bezeichnet procurator ven Abt (Babo von Lorfch) felbft2). 
Ganz allgemein heißt ber Vertreter des Abtes provisor lociꝰ). Das 
ift kein beſonderer Amtstitel, ſondern ber „örtlich zuftänbige Verwalter“, 
ber fonft etwa procurator heißt ?). 

Sehr lehrreich ift Die Aufzählung der Iahresleiftungen an ven celle- 
rarius von Reichenau, bie ber Abt mit ven Beamten des Klofters feſtſtellt 5); 
vertheilt auf die Dörfer und Höfe werben bie verfchienenen Maße®) von 
Hanf (canafus, auch fita, Bindfaben): in einem Dorf müffen 5 mansarii, 
„Häufer”, d. h. Haus- Leute”), bie ihn bereiten, 10 Scheffel Gemüfe, 
100 Käfe, 1 Schaf, 1 Krug Honig®), zu Weihnachten 100 Schüffeln 
[scudella®)] und Eine große und zu Maria Himmelfahrt 50, zu Oftern 
100 und 50 Rundſchüſſeln, parabsides1'), 50 cacabae, 112 ollae ii), 
2 Keſſel, 2 Schiffe, 10 Haſpen Linnen, 100 Käfe, 1 Krug Honig, 
52 Schäffel Salz, 12 Krüge Fett, von Oftern bis Michaelis 6 Pfund 
Sped und täglich 20 Pfundbrote und Lauch zur Genüge für ‚Warimofin*12), 
wozu, daß es reichlich bereitet werbe, wier Höfe je eine Kuh zu liefern 
haben, bie im Garten ber Brüder vom Kellerer gut zu verforgen find: 
ftiebt eine, hat fte das nämliche Gehöft zu erfegen: dieſe Warmofia 
ift den Brüdern täglich zu reichen, außer an ben Tagen vollen Male 
(plenum servitium): Tann einer wegen Magenichwäche von ben drei 


1) Neug. 29. a. 838. 

2) Cod. Laur. 6. a. 879. 

3) Neug. 613. a. 895. 

4) Keinesfallg der provisor episcopi Du Cange VI. p. 547 1) ]. co. eher 
2) 1. e. der Verwalter abliegenber Klofter-Güter, ber auch Late fein mochte. 

5) W. U.I. 108. a. 843. mo seniores als „Klofter-Aeltefte” gebeutet werben; 
beides fiel wohl meift zuſammen. 

6) Kann bier nicht Thürhaspe bebeuten wie Du Cange IV. p. 172, viel- 
mehr Haspel. 

7) Du Cange V. p. 125 = mansionarius, ſ. Könige VI. 2. und oben 
S. 178, 

8) Und eine padella, Tiegel, Pfanne, Du Cange IV. p. 87; gleiche Leiftungen 
vier andre Dörfer. 

9) Du Cange VII. p. 374. 

10) Du Cange VI. p. 101. 

11) Küchengeſchirre 1. o. II. p. 10. 

12) ? fehtt bei Du Gange. Gollie werhosium = warm musium. Warm⸗ 
Muß jein? W.U. 1. 108. a, 843. Daher die eifrige Nachfrage nach Land» Sumen, 
ber in ganz Francia nicht aupmtreiben ft. F. Aug. C. 8. 


668 


täglichen Gerichten nicht fpeifen, ift ihm dieſe leichte Warmofia zu 
reichen. Den für dies Gericht unentbehrlichen Lauch müſſen 40 Winzer 
ans dem Klofter Stechborn im Kloftergarten pflanzen, jever 12 Reiben 
(alfo 480 Reihen Lauchs) und die Schüler des SKellerers 12 Beete 
befäen, auch die Schüler des Pförtners und des Hoſpitars; ferner: 
das Oftland und tie Bar haben je zwei Schiffe zu liefern und brei 
Sifcherhänfer zu bauen. Die Güter in Langobarbien liefern 12 Schäffel 
Caftanien, 5 Saumroßladungen Del. Bon ber reia curia!) 40 
Schäffel Bohnen, 300 größere Käfe, von dem Gut (Camera) ves 
Abtes ein Heines Bahrzeug?), zwei Schiffe, andere Dörfer wieter ein 
Schiff, größere Schiffe, Hanf (durch zur Hanfbereitung Verpflichtete), 
Getreide, Ruthen zum Bang Heiner Fiſche (in Neufen), Pfähle zur 
Tifcherei, (Weiden-) Bauten (befreit find bie Beneficien ber Fiſcher 
felbft); bei Verkürzung viefer Leiftungen droht das Gerichtswerfahren 
über die Unfreien. Mit dem Schiff ver Brüter ift im Oberfee zu 
fiſchen, vie Fiſcher haben fo früh auszufahren, daß die Fifche zur Tafel⸗ 
zeit bereit find: bafür erhalten fie vom Kellerer ein Frühſtück jeber, 
ber gerudert hat, einen Stöpus?) Wein, falls reichlich genug gefeltert 
worden (andernfalls follen fie auch einen Bechert) Bier tanfbar an- 
nehmen) und Brod. ‘Der Kellerer giebt ven Fiſchern das Klofterjchiff be 
hufs des Fanges ver ſogenannten, Blumen⸗Fiſche“, flores piscium, (befte 
Fiſche? Felchen?, Seeforellen?) 2 Fiſcher feen es ins Waffer, zwei jagen 
bie Fiſche ab in die Rheinmündung, und dieſen Vieren giebt ver Kellerer 
je einen Becher Wein: fo oft fein Bote fie mahnt, die Fiſche zu jagen, 
müſſen fe fofort bereit fein, und überhaupt haben bie Fifcher des Abtes 
auf Mahnung durch den Diener des Kellerers mit Schiffen und Fifch- 
geräth auch im Seichtwafler und Schilf fofort zu fifchen gegen ein 
Frühſtück beim SKellerer „vermöge ber Vortheile, die fie von uns haben“ 
(alleinige Siebelung an jenem Ort); an jevem Samstag von Weih⸗ 
nachten bis Oftern haben fie Fifche ins Klofter zu bringen. Das Früh- 
ftäd ift eine Art jener Gegenleiftung („Präbenda“, Pfründe, „Pröve“) 
für Frohnden, wie fie fpäter fo häufig vorkam. 

Der Klofterförfter von Reichenau hat tie ſchonliche Ausübung ber 





1) Reia ein Aderftüd, Du Cange VII. p. 102. Reihe? 

2) sagene 1. c. VII. p. 265. 

3) Stouf, alles aufragenbe (baber auch Berge, Staufen, Hobenflaufen, aber 
auch Gebäck, Du Cange VII. p. 5%. 

4) steculus, fehlt bei Du Cange; gotifch stickls. 


669 


Nutzungsrechte ver Gauleute am Klofterwald zu überwachen. Zu er: 
zwingen bat fie ver Klofterprovifor (— procurator), nöthigenfall8 unter 
Anrufung von Graf und Picar, zulekt des Kaiferst). 

Zinspflichtige wollten nur unter dem Abte felbjt ftehen, mit Be- 
feitigung jedes »magisteriums« 2); es gab (anterwärts) einen magister 
censualium (alfo vielleicht auch hier): denn bie Vorfteher ber einzelnen 
Erwerbszweige: Fiſcher, Jäger, Winzer, Hirten beißen magistri. 

Die magistri pastorum, bie einen Bär und einen Hirjch nach 
Sanct Gallen bringen, find folche Vorfteher der Klofterhirten?). Zu- 
wetlen mögen die magistri zugleich — aber nicht begrifflih — Vor⸗ 
fteher der Kloſtervilla, die villici, majores fein). 

Der custos fchlechthin ift wohl meift ber custos altaris®), an 
ben auch der „Altar⸗Zins“ zu entrichten ift®). 

Selten wird erwähnt unter den Klofterbeamten der exceptor 
db. h. Notar, amanuensis’”). 

Aber der custos capellae®) gehört der Töniglichen capella an, 
es ift ber capellanus Karl III.) 

Kaiſerliche »custodes« find verfchievene Beamte. Den custos 
Arnulfs von a. 888 hält man für ten Sigelwart, jebesfalls war er 
Ranzler 19). 

Oft ift der die Urkunden ausjtellende cancellarius ber bes 
Klofters 11). 


1) Form.. Sang. misc. 9 (»noticia«). 

2) St. Galler U.B. III. p. 39. ab omne subjectione et magisterio. 

3) Ekkeh. San. Gall. ce. 15. 

4) Könige VII. VIIL Ueber bie villici (majores und subditi) auf 
Kirchengütern, ihre niedre Gerichtsbarkeit, ihre Amtsbeneficien und Zinsrechte 
Könige VIII. 4. Waig VII. ©. 316 (villiei in Städten Grandidier p. 162, 
200, 201). 

5) ©. oben S. 639. Waitseumer V. ©. 257. 

6) Ein custos sacrorum neben andern Klofterbeamten Neug. 415. a. 862. 

7) Form. Aug. C. 4. Du Cange III. p. 343: »hinc pater exceptor, 
lector, levita, sacerdos«. 

8, Waitz⸗Seeliger VI. S. 343. 

9) Neug. 519. a. 879. 

10) Neug. 519. | 

11) Sanct Gallen Neugart 113. a. 791. Ueber cancellarii der öfter Neu- 
gart 1. c. 43. a. 764, zugleich presbyter, nicht flet8 princeps scribarum. vgl. 
62. a. 775. 


670 


Seltener wird genannt ein Klofterbeamter edituus (aedituus) 1). 

An Stelle des Klofter-Eancellars fertigt die Urkunde ein pres- 
byter2). Ein presbyter fann zugleich ministerialis noster (Ludwige) 
fein 3). 

Zwiſchen subdiacon und Briefter Hafft ſolche Kluft, daß ber 
Lehrer des jungen Geiftlichen feinen Schüler lieber als verworfenften 
Laien denn in jenem Gewand gejehen hätte, währen er im Prieſter⸗ 
gewand faft alle Bifchöfe zu überragen fcheint®). 

Die Gefammtheit ver Mönche beit normad). Für monasterium 
ftebt semmo®). 

Die „Brüder“, mit denen zufammen ber Abt handelt, heißen ver- 
möge ihrer Gehorfamspflicht deſſen subjecti”). Der »subjectus« 
des Abtes (oder von deſſen praepositus?®) ift ein custos mona- 
sterü. 

Oft ift der procurator bes Kloſters beffen Vogt?). 


c) Die Kloßernögte 19). 
a) Beftellung. Allgemeines. 


Der Vogt wird nom Klofter auf Lebenszeit gewählt. 
Bei Verleihung des Königsichutes und ber Immunität werben, 
wie alle Güter, fo alle Vögte eines Klofters (Pfeffers), beftätigt 11). 


1) Soviel wie saoratarius ober sacrista: fo Neug. 475. a. 874. richtiger 
aber ostiarius, vgl. Du Cange I. p. 114. 561. a. 885. 

2) Neugart 137. a. 798. ober subdiaconus 165. a. 808. (ejmanuensis et 
presbyter Zeuß 56. a. 775(?). 

3) Trad. Sangall. N. 615. II. p. 224. 

4) Coll. F. Sang. 44. Ueber das Verhältniß des lector zum diaconus 
Neugart 1. c. 11. a. 744. lector, zuweilen gar nicht Getftlicher, nur Notar L c., 
77. a. 779. Ein ypodiaconus Neugart 310. a. 845. 

5) Zeuß 201. a. 808. cum norma plurima, 

6) Zeuß, W. 219. a. 790. aber was ift bie Wurzel? Du Cange unb Schabe 
ſchweigen. 

7) Neug. 473. a. 873. 

8) Neug. 400, 401. a. 861. curator (?). 

9) Wait VII. ©. 322. 

10) Könige VII. 2 S. 137. VIIL.3 ©. 205. 

11) Neng. 584 A. 880. lieber bie Bögte Waitz IV. p. 308, VII. S. 320. mit 
Recht gegen bie Unterfcheibung von Waffenudgten unb andern; über die wei 
felnden Bezeichnungen (defensor Könige VII. VIII. procurator oben S. 666). 


671 


Erſt fpäter heißt, wie das Amt, fo das Amtsgebiet advocatura, 
advocatia, Vogtei. 

Doch nur in uneigentlihen Sinne bat Ludwig ber Deutjche jelbft 
bie Bogtei über Sanct Gallen übernommen?), fofern er es in feine 
defensio, d. h. Königsichuß?) nahm und ihm das Inquifitionsrecht 
verlieh?) 

Oft folgt freilich thatjächlich (für Sanct Gallen) der Sohn (Poſſo) 
in bie Vogtei des DVaterst), und einmal follen bie Mönche unter den 
Enkeln des Stifters (den Sohn hatte er felbft bezeichnet) den ihnen 
als der Würbigfte Ericheinenden zu ihrem Vogt wählen >). 

Aber erſt a. 838/39 begegnet eine vom König anerlannte erb- 
liche Bogtei®). 

Doch gilt nicht die Sippe als vogteiberechtigt, ſondern ihr je- 
weiliges Glied: daher”) Tann dieſes bie Vogtei an die Krone über- 
tragen, wobei nicht nothwendig auch pas Eigenthum an bie Krone 
fällt. Site werben Tönigliche Klöfter dem Schuß, nicht nothwendig 
dem Eigenthum nach: freilicd war man fich über Begriff und eigen. 
thum ber Corporation wenig Hard); fo erwarb König Pippin Sanct 
Galten?), Rheinau Ludwig ver Deutfche 19). 

Gegen Ende des IX. Jahrhunderts (a. 892) verfügt Kaiferin 
Richardis Vererbung der Kloftervogtei über Andlau unter brei nächiten 
Gefippen von ber Vaterſeite: nach deren Ausfterben follen Aebtiffin 
und Nonnen aus Erzbifchöfen over Biſchöfen ven Vogt wählen. 
Später erhält aber der Bifchof von Augsburg die mundiburdis über 
das Klofter 1). Deffen Yorberungen werben genau feftgeftellt. Ent- 
frembung des Klofterguts durch die Vögte wird lebhaft beforgt12). 


1) Wie ein Sanct Galler an Karl ILL fchreibt, Neug. 468 a, 873. 

2) Oben ©. 658. 

3) Oben S. 307. 

4) Neng. 331. a. 850. Kloſtervögte von Sanct Gallen jelt a. 787 nachweisbar 
v. Widebe ©. 17. 

5) Neug. 486 a. 801. Preilich ſteht flatt advocatura auxilium et de- 
fensio. 

6) Neng. 382 annuente Wolvene ejusdem loci hereditarıo tutore. 

7) Was fonft undenkbar. Stälin V. J ©. 375, ftößt fi nicht hieran. 

8) &. VIIL 5. 

9) Ratpert Ser. II p. 62. 

10) Neug. NR. 417, 437. 

11) 1. c. p. 314. 

12) Grandidier II. p. 305 £. 


672 


Ein Kloftervogt wird wie ein Muntwalt „gebalmundet“ 1). 

Gegen das alte Verbot?) werben ſchon unter den Karolingen °) 
Grafen (und Herzöge) Vögte, fpäter ganz allgemein *). 

Durch Mißbrauch foll ein Vogt fein Recht zu Gunften des Königs 
verwirten). 

Während in merovingifcher Zeit König oder Graf den Vogt er- 
nannt oder boch beftätigt Hatten‘), ift allmälig bie vollfreie Bogtwahl 
ben Kirchen in den Immunitätsurfunden ganz regelmäßig — aus» 
brüdlich ”) oder ſtillſchweigend) — ertheilt worden, als eines ber 
Mittel, fich diefer Plagegeifter zu erwehren. 

Ganz regelmäßig behalten Kloſtergründer fi unb ihren Nach 
fommen bie Vogtei ober deren Verleihung vor ?). 

Den Nachkommen zuweilen nur unter der Bebingung der Wür: 
bigfeit 19). 

Almälig drang troß der Verbote in ben Stiftungen!) die Erb⸗ 
lichkeit fogar als Regel durch 12). 

Auch Unternögte, subadvocati, viceadvocati werben num häufig!?). 

Ward auch die alte Vorſchrift je eines 14) Vogtes in jeder Graf. 
ichaft, in ver das Klofter Grunbbefig eignete, nicht burchgeführt, find 


1) Neug. 346 a. 852: bier heißt ſchon das Vergehen ſelbſt, nicht erfi Die Ab- 
fegung, balmunt. 

2) Könige VIIL 5. 

3) Watt IV. S. 398; v. Wyß 3. f. Schw. R. XVIL; unter ben Sarıct Galler 
Bögten bes IX. Jahrh. tft noch fein Graf, Waitz VII. ©. 335; die Bogtei über 
Zürich faht v. Wyß c. a. 880 ale Reichsvogtei, anders Watt a. a. OD. Im Wiber- 
fpruch biemit läßt dann Waitz VIII. S. 77 den Grafen boch wieber nicht Vogt 
werben, nur ben Vogt gräfliche Rechte erwerben: aber wir finden gar manchen 
Grafen zum Bogt gewählt ober vom König beftellt. 

4) Waitz a.a.D. Die Welfen über Reichenau. 

5) Neug. II. p. 29. 

6) Könige VII. 3. 

7) So ben Klöftern der Abt allein ober Abt und Mönche ober ber Bifchef 
ober deſſen Vogt. 

8) So den Bisthümern. 

9, ©. oben ©. 671. 

10) ©. oben ©. 671. W.U.B.T. p. 311. N. 251 filii, utiles si loco fuerint, 
p. 386 N. 287. 

11) 1. c. I p. 287 N. 329. p. 337 N. 266. 

12) Vgl. oben ©. 671. 

13) 1. e. p. 322 N. 256. Schöpflin I. ©. 119. 

14) Könige VIII. 6. 


| 


673 


doch mehrere Vögte!), auch je für Eine Landichaft?), nicht felten 
Sanct Gallen hat 26 unter Einem Abt?). 

Später wird zumal verboten, bie Vogtei zu beneficium) (etwa 
an Untervögte, subadvocati) zu geben>). 

Allein die Vogtei, das Amt felbft, warb in ber Folge zu Leben 
gegeben: der Vogt ſchwört dann dem Abt als Vafjall, aber auch fonft 
ben Schug- und Treue⸗Eid auf genaue Erfüllung feiner Pflichten ®). 


PB) Zuſtändigkeit. Pflichten. Rechte. Mißbräuche und deren 
Abwehr. 


Sehr jelten wird die Vogtei fonber jeden Entgelt Tebiglich „um 
Gottes Willen” übernommen”), vielmehr wird bie Vogtei von ben 
Laien eifrig gejucht um des reichen damit verbundnen Vortheils willen). 

Der Klofternogt erhält ein Amtsbeneficium für feine Amtsmühen 9), 
zumal auch dafür, daß er (unter anderem) bie Klofterwwagen für vie 
Lebensmittel auf dem Hin- und Rückweg zu begleiten und gegen Räuber 
zu vertheidigen bat 19). 

Die Gebühr des Vogts, z. B. bei Leitung gerichtlichen Kampfes 
2 nummi (sol. ?), heißt distrietum 11), 

Zinfe an ven Vogt find bald nur, wann er einreitet, bald perio- 
diſch jährlich zu entrichten 12). | 


1) Mittheil. XII S. 140. XV ©. 64. 
2) Meyer v. Knonau 3. f. Schweiger R. XVII ©. 174. 
3) a. a. O. 
4) Bgl. oben ©. 174, 563. 
5) Wait VII. ©. 346; etwas Anderes find bie Amtsbeneficien der Bögte ſelbſt. 
6) Lehrreich die Urkunde bei v. Wyß, 3. f. Schw. R. XVII. S, 174: aber 
die Stiftoleute ſchworen and — wider Recht — dem Bogt. Waitz ©. 353. 
Dei dem Streit Über bie Unter-Wögte zwiſchen v. Wyß 3. f. Schw. R.X u. 
VIII ©. 108 und Weit VIII. S. 60 wird die Wahrheit in ber Mitte liegen: 
ganz follte die Untervögte Wal nicht leugnen. 
7) Und zwar erblih W. U.-8. III. p. 466. 
8) Ehatelain, Entwidelung ber Meter Grafenjchaft und ber biſchöflichen 
Bogtel. — Feb, die Schirmvogtei bes Hochſtifts Chur. 
9) de feudis et aliis rebus ... eoclesiae hac conditione (auf Ruf des Abts, 
zu kommen) est in beneficiatus Zürich. U⸗B. 143 N. 259. Watt VIL ©. 347. 
10) Grandidier II. p. 241. 
11) S. Waitz VIIL ©. 87. 
12) 3. B. 1/: Schäffel Imfer von jeden Manfus am Martinstag W. UM. L 
p. 365: R. 258. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 43 


674 


Abgefehen von feinem Amtsbeneficium !) Finnen ihm auch zur Ab- 
(fung aller anprer Leiftungen Grundftüde gegeben werben 2). 

Der Bogt foll das Klofter ſchützen und in allen Rechtsfachen vor 
Gericht und außer Gerichts vertreten. 

Der Kloftervogt wird mit Abt und Mönchen handelnd genannt 
bei repraestatio boni oblati®), ebenfo bei Zaufh‘ und Güter 
ihenfung®). 

As bandelnd werben genannt die Mönche und ber Vogt®) ober 
beide und ber Abt”). 

Sanet Gallens Rechte bei Verona vertritt ein (langobarbifcher) 
Vogt). 

Wirzburg und Fulda vereinbaren nad langem „vom Teufel und 
beffen Geſinde (membra) herbeigeführten Streit” einmal?), daß ihre 
Vögte fortab ihre Streite nicht auf offnem Ding führen, fondern unter 
einander unter Beiziehung wohlwollender Männer beilegen follen: in 
ber ernenten und vom Kaiſer beftätigten Urkunde von a. 816 wird ftatt 
deſſen fünftiger Streit vor ben jeweiligen Herrfcher verwiefen. 

Dft Magt der Klofternogt im offnen Ding die von Dritten zu 
Unrecht bejefinen Kloftergüter ein. 

Oft wird ein Vergleich gefchloffen 1%), Traft deſſen der Beklagte das 
Eigentbum des Klofters anerkennt, aber gegen Zins bie Repraestatio 
erhält 11), 

Daher wird auch ber Kloſtervogt bei Anfechtung eines Erwerbs 
des Klofters in Anfpruch genommen 22). 


1) Oben ©. 237. 

2) Schöpflin I. p. 99. 30 mansi. 

3) Neugart 89. a. 784. 111. a. 790. 

4) 1. o. 100. a. 787. 

5) 1. o. 106. a. 788. advocatus noster Rihopertus: auch mit dem Biſchof 
von Conſtanz 110 a. 806. Unklar bleibt die Stellung des advocatus ber 
Schenker Wolfharb Neug. 109. Perachtland 1569. a. 816. a. 809. dagegen 187 a. 816 
ift der Vogt ber von Sanct Gallen. 

6) 386 a. 859. 

7) Neug. 383 a. 859. 

8) Neugart 179. a. 813/14. 

9) a. 815 W.U.I B. p. 408. erneuert vor kaiſerlichen Abgeſaudten 1. e. C. 
p. 409. a. 816. 

10) pacale, Du Cange VI. p. 87. 

11) Cod. Trad. Sang. N. 235 a. 819. 

12) Neugart 280 a. 83. Irrig Über advocatus und aetor bes Koſters Rem 
gart 289 a. 838: auotor flieht allerbinge verjchrieben für aotor, aber actor iſt 


675 


Einen Grunbbefitftreit fchlichten durch Vertrag einerjeitS bie 
Eigentümer (Brüber, coheredes), andrerſeits der Abt, Präpofitus 
und Vogt des Kloftes in Gegenwart des Grafen!) 

Auch fonft haben Briefter Vögte, bie nicht Vögte ihres Kloſters 
finb?). 

Der Vogt ift es, ber für das Klofter die Vergabung entgegen- 
nimmt?). 

Als Kläger in gerichtlicher Verfolgung (justa mallatio) ber 
Klofteranfprüche werben nebeneinander gedacht Vogt und Abt). 

Aber ftatt des Abtes ericheinen auch Präpofitus und Vogt allein 
als Vertreter der Mönche). 

Der Vogt von Sanct Gallen ift e8 daher, ber einem Anmaßer 
als Erbeigen mit Gewalt in Anfpruch genommene SKloftergüter im 
offnen Ding abjtreitet und entzieht®). 

Der Vogt PBericho vertritt Abt Hermann von Sanct Gallen bei 
einem Theilungsgefchäft ”). 

Der Vogt übt auch in Vertretung bes Abtes bie dem Kloſter 
zukommende Gerichtsbarkeit 8). 

Auch vor dem ungebotnen Vogtgericht bat fich jeder Vögtling zu 
ftellen. Drei Straffolgen bes Ungeborfams, zulett cippus und 
Güterfrohnung (nicht eigentliche confiscatio) 9). 


nicht = advocatus, und advocatus entjpricht keineswegs bem heutigen patronus. 
Der Bogt eines presbyters tft wohl ber feiner Kirche, Neugart 312. a. 846. 
ebenfo 325 a. 849 347. a. 853. 

1) a. 849. Neug. 322. 

2) (ober jcheinen) Cod. Trad. Sang. 231. N. 394; Wartmann IL. 414. 


a. 851. 
3) Neug. 434 a. 865 (advocatus) qui hanc traditionem simul cum prae- 


posito Th. recepit. 

4) Neug. 603 a. 893. 

5) Neug. 451. a. 868. 

6) Neug. ©, 14 a. 878. 

7) Neug. N. 709. a. 921. 

8) Ueber Vogteigerichtsbarkeit Blumer I S. 104 f. für St. Gallen v. Arr. I 
&. 103. Ueber wirkliche Gerichtsbarkeit, den Bann, bes Immunitätsvogtes und 
Defien Ausdehnung auch auf Freie, Heusler S.23, Waitz IV. S. 383, VIII. S. 228, 
Könige VIIL 6, v. Wyß, 3. f. Shw. R. XVIH. ©. 153 (gegen Sohm ©. 351); 
gegen das alte Verbot werben häufig bie Grafen zu WBögten beftell. Aber in 
Bartmann II. p. 322. N. 720 iſt gegen Waitz ©. 231 wirkliche Immunität (ob⸗ 
glei ohne den Namen) zu erbiiden. 

9) Schöpffin I. p. 227. 

43° 


676 


Ein Vogt mit Grafichaftsrechten (3. B. feines Biſchofs oder Abtes) 
kann auch das echte Ding abhalten oder durch einen Vertreter abhalten 
laſſen ?). 

j Schroff gegen die canones?) übt auch wohl ein Geiftlicher als 
Vogt dieſe Gerichtsbarkeit. Das verjtößt gegen ven Zwed ber ganzen 
Bogtei-Einrichtung; ebenfo, wenn die Vogtei einer Immunität dem 
Grafen übertragen wird, was in der Folge nicht felten begegnet. 

Wie im gamen Reich?) waren auch bier die eignen Vögte 
bie ſchlimmſten Bebränger, Bebrüder und Berauber ber Klöfter ge 
worden. 

Beſonders das Recht des Vogtes und feines Gefolges auf Ber: 
pflegung warb oft mißbraucht. 

Die Zahl der Serichtötage tes Vogtes wirb daher gern bejchräntt: 
1 mal, 3 mal im Jahr, ausnahmsweiſe 6 mal: an 2 Orten je 3 mal?). 

Der Vogt muß bald5), bald darf er nicht Dingen am Sitz bes 
Biſchofs. | 

So ſucht man allerlei Maßregeln zum Schug ber Schüßlinge 
gegen ihren Schüßer, den Bogt®). 

Bon dieſer Bedrückung fagt Karl): „Wir willen, daß bie 
Meiften ihre pflichtmäßige Macht fo weit mißbrauchen, daß fie denen, 
beren beſcheidne Vertheibiger fie fein follten, unverfchämtermaßen räu- 
berifhe und vechtbrechende Ausjauger geworden find.” Deshalb 
ſchützt er Reichenau gegen feine Vögte durch folgende Beftimmungen: 
1) freie Vogtwahl, Teinerlei Erbrecht oder andrer NRechtstitel; 2) bei 
jeder Rechtsverletzung ®) fofort ohne Richterfpruch Verwirkung des Vog⸗ 
teivechts wie jüngft Graf Berthold von Buſſen wegen hartnädiger 


1) Neug. I. p. 594. in publico mallo B. advocati. 

2) Könige VILL 6. 

3) Könige VID. a. a. O. 

4) W.U-B. N. 255 I. p. 319. 

5) Straßburger Stadtredht co. 42. 

6) Waitz⸗Zeumer V ©. 281; daſelbſt auch Zengniſſe für das Hofgericht ber 
Stanbesgenoflen. Weber bie Pflichten und Rechte bes Vogts und bie mannig- 
faltigen Webergriffe, daun bie Maßregeln ver Klöfter zum Schub biegegen Waitz VII 
S. 351356, freilich auch Fälſchungen angeblih alter Urkunden IV. &. 399; 
Echrreih W. U.B. I. p. 227. N. 194 für Ellwangen f. oben: viotimae hier [Du 
Cange VIIL p. 321) = fgesgingae, für Straßburg Grandidier, Alsace I, p. 126. 

7) W. U. J. 66 a 811. 
© 8) quod vulgo balmunt vocatur, wie jeber „ungetreumwe” Muntwalt, ſ. gben 

. 368 f. 


677 


Nechtsverlegung geſchah vor vielen Großen (alfo doch reichSgerichtlichen 
Spruch), der durch den viel minbermächtigen Albert von Bregenz; nach 
Vereidung (secundum posse et nosse) durch den Abt erfegt wurde; 
3) biefer bat von jedem künftigen Erwerb bei ber Gerichthegung 2/; 
bem Kloſter abzutreten; A) er barf fich Teinen Stellvertreter ober 
zweiten Vogt beftellen; 5) Teinerlei Leiftung von einem Klofterhof ober 
Kelferer, Teine Herbergung verlangen. Für das Gerichthalten an be- 
ftimmten Orten — einmal ober mehrmal im Jahr — ſoll er jährlich 
nur erhalten 3 Scheffel!) reines Korn, eine Situla?) Wein, falls 
e8 folchen (in biefem Jahre) giebt (si reperitur), 1 Friſchling, 1 
Widder und Zubehör zu dieſer Speifung und fonjt nichts im Yahr; 
6) außerdem bat nur noch der Vogt von Capſa Gericht zu Halten, aber 
auf ber Injel Reichenau nur auf Antrag bes Abtes, außerhalb ber 
Infel nur an 3, auf Antrag des Abtes an vier Orten jährlich je ein- 
mal; biefür hat er je 3 Malter Brod und Zubehör, alfo im Ganzen 
jährlih 15 Malter zu verlangen; 7) endlich darf ber Vogt Fein Ding 
abhalten ohne DVerftattung tes Abtes, ohne dieſe feinen Geiftlichen 
wider beffen Willen vor fein Gericht zwingen, Teinen aus der »familia« 3) 
ohne gerechtes Urtheil feiner Genofjen (socii) verurtheilen oder zwingen, 
feinen subadvocatus ober exactor ohne Erlaubnis bes Abtes fich be- 
ftellen. Bet Verlegung dieſer Vorfchriften Verwirkung ber Vogtei mit 
all ihren Vortheilen für immer*)*. 

Aber noch viel fpäter Hagen die Biſchöfe und Aebte bitter über 
bie Vögte®); tie Meiften, die Vögte heißen, mißbrauchen ihre Ge⸗ 
walt und find räuberifche und vechtsbrecherifche Bedränger geworben. 
Jede Anmaßung erblichen Rechts ftatt freier Wahl wird mit Strafe®) be- 


1) scheflones Du Cange VII. p. 347. 
2) Du Cange VII. p. 498: 30 situtlus = 1 Wagenfubr, carrada. 

3) Kloftergenofien, bier nicht Unfreie. 

4) Eine plumpe Fälfhung (und doch fpäter beglaubigt) iſt W. U. 69 
(angeblih von 813) die Urkunde Karla, welche Ulm Neichenan ſchenkt unb bie 
Berhältniffe des Vogtes (ber aber mit 30 Pferden einreiten barf!) ähnlich wie 
W.U.196 regelt. Die Urkunde W. U. 8 (angeblich a. 704), bie des Vogtes 
Berpflegung beftimmt un -* den Abt und den Magifter tributariorum vertheift 
Gährlich drei Schweine, je zu 12 assaturae, Schäffeln gelochten Flelſches, Du 
Cange I. p. 428, Futter für 12 Pferde und 1 Sertar Wein) iſt eine Kälfchung 
ans dem XII. Jahrhundert. 

5) Neug. 343 a. 852. 

6) weil er si praevaricator commissi in rebus sive hominibus, quod 
vulgo balmunt (f. 3. Grimm, R.-W. I. 4. 641) dioitur, existat, ober weil er ohne 


678 


brobt 1); dem gehörig gewählten wird ber Herricher ven Königebann ver- 
leihen: wird er „gebalmunbet“, verliert er nach breimaliger frucht: 
loſer Mahnung die VBogtei mit all ihren Rechten, zumal tarf er nicht 
Gericht Halten in dem Dogteigebiet ohne Berufung durch den Abt. 
Uebrigens beftätigt Ludwig der Deutſche hiermit nur Erlaffe Karls 
und Ludwig 1.2). 

Ganz ähnlich find die Beſchränkungen des Vogtes von Buchaun 
in ber Urkunde von 819°): er foll nur auf Auf der Aebtiffin, nur 
mit 12 Pferden, nur einmal im Jahr an jeder Gerichtsftätte erjcheinen, 
nur 1/, der Wetten erhalten (2/, bie Aebtiffin); ber Vogt kann keinen 
zum Klofter gehörigen ohne beren Erlaubniß vor fein Gericht zwingen, 
bas Urtbeil nur durch tie Großen finden laffen, fich feinen Stell: 
vertreter (advocatum) oder Einheifcher (exactor) beftellen, nicht Her⸗ 
berge ober Verpflegung forbern, bei außerüblicher Gerichthaltung !;; 
ber Koften erjegen, bei Verlegung dieſer Verbote bie Vogtei ver- 
wirken und 100 Pfund beften Goltes halb dem Fiscus, halb dem 
Klofter zahlen. 


d) Alofer-Vermögen®). 


Auch die Klöfter wie bie andern KirchenS) vermehren planmäßig ihr 
Grundeigen: fie haben ftetS Geld für folche Käufe. Man fchätt ben 
Grundbeſitz von Sanct Gallen in ter Schweiz und in Schwaben auf 
4000 mansi®), von Lorſch etwa 20007), bie des Bisthums Salzburg 
ergeben nach bem Indiculus Arnonis a. 785 (a. 783—821) 5309). 

Ueber die Kloftergüter von Staffelfee und Augsburg?) haben wir 
bie DVerzeichniffe der Zinfe und Frohnden, bie im Ganzen eine nur 


Berftattung des Abtes einen Andern zum Vogt ober Bertreter im Einheiſchen 
(exactor) beftellt hat. 

1) 60 Pfund Gold, halb dem Fiscus halb, dem Abt. 

2) ©. oben ©. 676. 

3) Neug. N. 204: W.U.I. 82. 

4) Könige VIL. 3. ©. 293, 328, VIII, 5. ©. 313. Oben Kirchenvermögen 
S. 636. 

5) Vgl. oben. Ueber das Grumbeigen ber Kirche und Ihren Reichthum z. B. 
Augsburgs auch von Inama-Sternegg I. &. 289, 292, von Reichenau &. 328. 

6) v. Arx, Sanct Ballen I. S. 156, bie Zehnten v. St. Gallen von Arx L 
S. 170. 

7) Dahl, Beſchreibung von Lori, ©. 126. 

8) ed. Keink 1869. 

9) &. VIII. 5. ©. 313f. 


679 


mäßige Belaftung darftellens Frohnden jährlih 5 Wochen, 3 Morgen 
oder 2 zu pflügen, zu adern und ärndten ober (höchftens) wöchentlich 
3 Tage. 

Große Verdienſte erwarben fih die Klöfter nah Sanct Bene- 
dictus Regel durch die Robung!) ber noch überaus zahlreichen und 
bichten Waldungen?). 

Häufig fchliegen auch bie Klöfter Tauſchverträge?) über Grunpftüde, 
foweit wir es beurtheilen können, meift fehr vortheilhafte). Den 
Gütertaufch unter mehreren alamanifchen Klöftern betätigen a. 661 
Chlothachar III. und Balthichild 3). 

Den erit a. 902 eingetaufchten Hof Pappenheim®) taufcht Sant 
Gallen a. 9037) an die Krone zurüd. 

Genaue Anweifungen über Verwendung des SKloftervermögens 
giebt Kaiferin NRichardis für Andlau: Verbot des beneficiare, Gebot 
por Allem für Einrichtung ver Klofter-Aemter zu forgen, dann für 
(beiten Wein) zum Abendmal, Wachs und Schweinefett für Lichte, 
Ausftattung des Veftiariums mit Wolle und Linnen für die Bekleidung, 
dann Sorge für Nahrung auch der Kranken und ber (pilgernven) Gäfte; 
andrer Güter Erträgniffe follen verwendet werben für das hospitium 
des Klofters, die Pförtnerin (ad portam) und bie Kammer ber 
Schweftern®); ferner joll Alles beichafft werden was der Schmud im 
Innern und die Erhaltung des Baues erheiſchen. Zum Schmud ge- 
hören: Altäre, Truhen (Schreine), capsae (für Neliquien?), Kreuze, 
Borhänge, ahnen (? Umfchlagtücher), Behänge, Wanddecken, Selche, 
Schalen, kirchliche Gefäße, goldene und filberne Kronen, Wachslichte 9). 

Biſchöfliche Klöfter fchulden ihrem Biſchof Beiträge zu beflen 


1) Bom Klofter gerobeter Wald wirb gegen Rebgut und Aderjoche vertauſcht. 
Cod. Trad. Sang. 298, 514, Wartmann II. 533. a. 868. 

2) Das Klofter behält fich ben ungerobeten Wald, das Holzungs- unb Wege 
Necht, Weide: und Mark⸗Recht bevor. 

3) 3. B. Kempten, Baumann ©. 121. 

4) Oben ©. 521 f. 

5) Neugart I. 2. 

6) Neug. 637. 

7) Neug. 653. 

8) a. 992, Grandidier II. p. 306. 

9) Grandidier IL p. 308. a. 992. Leber bie falſchen Urkunden für eljäf- 
fiſche Klöſter St. Odilia, Marmoutiers, Ebermünſter, Haſelach, Grandidier I. 
p. 88—112. 


680 


Kriegsleiftung ). Dagegen baben fchon feit SKarolingertagen vier 
Klöfter im Elſaß im Kriegsfall nur Gebete zu leiften?). 


e) Rönigsklöfer?), 


Die Kronklöſter ftehen zweifellos im Eigenthum bes Königs cder 
— was taffelbe — des Fiscust). Königliche Klöfter heißen geradezu 
ad fiscum pertinentiad). Oft ftanden ein Palatium und ein (Königs-) 
Klofter nebeneinander: fo in Remiremont in den Vogeſens). Daher 
jo häufig Kirchen basilicae und ecclesiae (wie cellae, cellulae) in 
königlichen villae als deren Beftanbtheile 7). 

Der König erwirbt daher Klöfter durch Schenkung: Abt Wolfvin 
ſchenkt a. 863 Ludwig dem Deutichen das von ihm wieber bergeftelfte 
Klofter Reichenau mit reichen Zuwendungen im Thurgau: es fol 
übergehen in jus, dominatio und mundiburdis bes Königs unter 
Vorbehalt Iebenslänglichen Nießbrauchs und freier Abtswahl und unter 
Ausschluß jedes servitiums für den König, ausgenommen jährlich Ein 
Roß mit Einem Schild und Einem Speerd). Die Schenfung wird 
von König Ludwig dem Deutfchen beftätigt®). Daher überträgt ber 
König auch durch Schenkung Eigenthum an folden (Kirchen unt) 
Klöftern. 

Das Bisthum Wirzburg erhielt von Rarlmann (a. 741—-747) 
vie Martinslirche in Lauffen (Nedargan), bie Michelsfirche in Heil- 


1) Wartmann IL p. 318. Sanet Gallen unter Arnulf. 

2) Könige VIIL 2. 5. 6. 

3) Könige VII. 3. S. 328f.. VIII 5. ©. 260. 

4) Weber bie koniglichen Klöſter, Waitz Seeliger VII. ©. 189, Neug. II p. 26, 
»regalem nolui facere nisi coactus«: gleihbebeutend fiscalis, imperialis, regis 
proprium, regalig potestatis manus, bafelbft bie allmälig auflommenben (zumal 
kirchlichen) Beſchränkungen ber wollfreien Verfügung des Könige S. 192f; gegen 
Fiders, Eigentbum am Kirchengut ©. 35f., Lehre, alles Kirchenvermögen ſei 
Eigenthum der Krone geweſen S. 194 und Götting gel. Anz. 1873, ©. 821. 

5) So Reichenau und Sanet Gallen, Neug. 602. a. 893. Ueber bie echte 
ber Krone am Kirchengut auch Merkel de r. S.45, ſ. aber VIII. 6. S. 186, 252, 
was er anführt von Veräußerungen von ganzen Kicchen, bezieht fich auf Lönigliche, 
VIII.5. S. 260 oder auf bloße Beftätigung von Güterveräußerungen (— 13 Fälle —; 
auch bei Kirchen in Königsſchutz hat die Krone folche Rechte (9 Fälle). 

6) St. Romarici mons Neug. 321. a. 849, Urgefch. ILL. 

7) Diele Beiſpiele W. U. I. 164. a. 889; villa ubi ecolesia ordinate est, 
W.U.L Nachtrag B. p. 408. a. 815. 

8) Neug. 417. a. 863. 

9) a. 866, Neug. 43”. 


681 


bronn und die Meortinskicche im Mulachgau. Im Ganzen werben 
26 basilicae und monasteria Wirzburg von Karlmann und Karl 
geſchenkt und von Yubwig beftätigt!). 

Anbrerjeits verjchenten die Herrfcher gar Häufig Kronklöfter wie 
andere Kirchen an andere Kirchen und Klöfter. Karl ſchenkt a. 769. 
Klofter St. Die in den Vogefen St. Denis?) 

So ſchenkt Ludwig I. Klofter Gunzenhauſen dem Slofter Eli 
wangen ). 

So ſchenkt Ludwig ber Deutiche das vorher ſtark bereicherte 
Nonnenklofter zu Zürich feiner Tochter Hildigard, als Aebtiffin®). 

So „ſchenkt“ ein König ein Königsklofter — Faurndau — um 
beifen Einkünfte willen, aber auch mit ver Pflicht der Vorfteherfchaft 
einem Diakon auf deſſen LXebenszeit zur Belohnung treuer Dienfte>). 
Und diefem Klofter, aljo dauernd (perpetualiter), — nicht nur auf 
Lebenszeit des Beſchenkten, — fchentt der Herricher am gleichen Tag 
eine Gapelfe mit all ihrem Vermögen an Zehnten, Land jever Art, 
Mühlen, Unfreien und fonftigen Zubehörben®) mit Verleihung ver 
Immunität für das Klofter. Hier fcheint das Kloſter als juriftiiche 
Perſon gedacht, die Eigenthum und andere Vermögensrechte erwirbt: 
aber genau befehen ift nur der Fiscus Nechtsfubjeet: ihm verbleibt 
das Eigenthum an dem Slofter, der Diakon erwirbt nur Beſitz (con- 
cessimus ad habendum), Verwaltung nnd Nießbrauch „auf Lebens» 
zeit”, und bie „Schenkung“ ver Gapelle beläßt auch dieſe im Eigen- 
thum bes Fiscus, verbindet fie nur als „Zubehörde“ für immer mit 
dem Klofter. Die Königsklöfter find — wie die Königsvillen — nur 
Beſtandtheile des Statsvermögens und ihre Vorſteher Organe bes 
Fiscus. 

Karl III. ſchenkt ſeiner Gemahlin Richardis die beiden Klöſter 
Säckingen und Frauenmünſter, (St. Felix und Sancta Regula) zu 
Zürich zu lebenslänglichem Nießbrauch (d. h. des Kloſterguts), nach 
ihrem Tod fällt ver Beſitz ver Klöſter wieder der Krone zu”). Andrer⸗ 


1) W. V. I. 87. a. 823. 

2) Böhmer-Mühlb. 131. p. 61. 

3) W.U.1.85. a. 823, über ihn als Kloſter⸗Gründer und ⸗Beſſerer Tyko⸗ 
cinsti, Beiträge 1898 ©. 22. 

4) Neug. 349. a. 853. 

5) Neug. 487. a. 875. 

6) 488 1. c. 

7) Neug. 509. a. 878. Zahlreiche Beifptele von Bergabungen Töniglicher 





682 


feitS erhebt Karl III. ein Klofter zur Reichsabtei, zum Kronklofter !). 

Kron-Klöfter werden auch Laien zu Beneficien gegeben: jo Pfeffers 
an Markgraf Burchhard von Churrhätien 2). 

Auch bei Klöftern im Eigenthum des Königs wird doch noch beffen 
mundiburdis als Recht und Pflicht bejonders bervorgehoben®). Denn 
Thon feit c. a. 850 wird zwifchen potestas und mundium des Königs 
über bie Klöſter nicht mehr wie früher*) unterfchieven: Ludwig ter 
Deutſche nimmt über Sanct Gallen — das immune — biejelbe po- 
testas und dominatio in Anfpruch wie über „feine übrigen Klöſter 
und beneficia”5), und Karl III. zählt das immume Reichenau zu „feinem 
Fiscus“ ©). 

Ein folches königliches Klofter, daher mit Königsſchutz und Im- 
munität, war auch Kempten”). 

Gegenüber viefem Necht des Könige, das ganze Klofter zu ver- 
ſchenken, erweift es ſich als Beſchränkung feines Eigenthums aus 
canoniſchen Gründen, daß er über das Eigenthum von einzelnen Klofſter⸗ 
gütern nicht verfügen Tann: um ein folches einem Getreuen zu Eigen 
zu fchenten, muß er es erft „eintaufchen“: d. 5. durch ein anbres er⸗ 
jegen 3). 

Umgekehrt bedarf ein Königsklofter zu Gütertaufch der Tönig- 
lichen Verftattung, die aber keineswegs immer?) ausprüdlich erwähnt 
wird. 

Wird aber bei einem Tauſch Zuftimmung des Kaifers vorbehal- 
ten 10), handelt es fihb um ein Sronklofter ober doch um eines in 
Königsſchutz. 

Königliche Verſtattung wird eingeholt auch bei Tauſch zwiſchen 
einem Königskloſter und einem Königsvaſallen 11). 


Klöfter unter Karl III, Ludwig dem Kind, Markgraf Bernhard bei Waig VII. 
S. 207. 

1) Form. ed. v. Wyss. N. 22. 

2) Neug. 654. a. 905: nur mit befien Einwilligung mag ber König es 
Salomon von Eonftanz ſchenken. 

3) Neug. 417. a. 863, 

4) Waitz IV. S. 132, 246f. 

5) Wartmaun II. p. 54. N. 435. 

6) 1. c. p. 264. 

7) v. Sidel II. 101, Baumann, Kempten S. 116f. 

8) Neug. 653. a. 906. 

9) Wie 3. B. Neng. 483. a. 875. 

10) F. Sang. misc. 20. 11) Neng. 412. a. 873. 


— u —— Ge 


683 


Der König billigt a. 857 den Gütertaufch zwifchen „ſeinem“ Klofter 
Buchau am Teberfee und Neichenau?), das erſt a. 863 Kronflofter 
warb. 


f) Rlofler-feben und -Wefen. 2) 


Schon im VII. Jahrhundert war bie Zahl ber alamannifchen 
Klöfter nicht gering ?). 

Selten erfahren wir die Zahl der lieber eines Klofters: doch 
einmal a. 893 von Sanct Gallen: 42 presbyteri, 24 diaconi, 15 
subdiaconi, 21 einfahe Mönche — 1021). 

Reichthum und Pracht der Kirchen lernt man auch aus ihren 
gegenfeitigen Beſchenkungen kennen: Biſchof Adalbert von Augsburg 
ſchenkt Sanct Gallen ein goldnes Kreuz mit Perlen, einen Onyr⸗Kelch 
mit Gold und Perlen geſchmückt, eine goldne Schale mit Perlen, einen 
Heinen Umhang (palliolum), eine Kapıze®) koſtbarer Art, einen weißen 
Umbang (alba) mit Gürtel, Stola und Schweißtücher, alles mit Gold 
befegt, eine große Menge Wachs, eine Glode (campanum) von wun- 
derbarem Umfang und Klang®); auch den Capellen von Sanct Othmar 
und Sanct Peter bafelbft ſchenkt er koſtbare Altarbeden. Am folgen- 
ben Tag beſchenkt er bie meiften Mönche mit tyrifchen Purpurbeden, 
grünen Umbängen, mit Hemben (? Camifolen, camisilibus) und 
Slanzleinwand”), am dritten Tag jeben ber Brüder mit einem kurzen 


1) W. U.1. 127. ex proprietate nostra .. (quae) ad illam basilicam. 
nostro jure pertinebant, nicht, weil feine Tochter dort Aebtiffin iſt. 

2) Könige VII. 3. 328f. VIII. 5 ©. 259f. 

3) S. bie Aufzählung der karolingiſchen Klöfter In Württenberg bei Stälin 
S. J. ©. 161. Eine Aufählung der nahe an ber ©renze zwifchen Oftfranten 
und Alamannten Itegenden Klöfter giebt Merkel de r. ©. 11, 40. 

4) Neug. 612 a. 895. 

5) Ueber die Tracht ber Mönche f. v. Arx, St. Gallen I S. 179, Zuſätze von 
1830 nah St. gallifchen Bildern; baf. II Wahrzeichen bes Mönchthums ift ber 
cucullus Coll. F. Sangall. 47. 

6) Für campana auch olocca Vita St. Trudberti c. 18. Eramen, neben 
ben codices als Fahrhabe der Kirchen genannt W. U. 18 Neug. 161 A. 777 iſt 
Erzgeräth (aeramen). Unter anbern Wertbjachen werben 9 Gloden (campanae) 
a. 670 aus Diſentis vor ben Avaren gefllichte, Mohr IB. Eine campana und 
ein lectionarium (Du Cange V. p. 552) Cod. Laur. 433. a. 881. Wahrſchein⸗ 
lich an Glockenſchlagen iſt auch zu denken vita St. Galli p. 9. tangere signum, 
ein Germanismus, „rühren“. 

7) glizis, Gleiß⸗linnen Du Cange IV. p. 79. 


684 


Pelzwamms 9; am vierten Tag erhielten wieder Alle Gefchenfe: einen 
weißen Linnenmantel (sagum) ober ein feines großes Camifol oder 
eine Kozze?) oder ein Feder⸗Kopfkiſſen [?]3). 

Am felben Tag ſchmückte er das ganze Refectorium mit wunder⸗ 
barer Ausjtattung, indem er mit Teberbeden (tapetibus plumatis) 
bie Stühle der Brüder bebedte, 13 an ber Zahl. Die Kanzel Tieß 
er von Tüchern mit Bildern umgeben* und die Stufen mit Deden 
verhüllen. Auf den Rüden bes Abtes ließ er ein koſtbar pallium legen, 
und alle Tiſche mit Glanzleinwand beveden, aber au an dem Ein- 
gang des Speifefals folche mit Hanbtüchern gleichen Gewebes aufhängen: 
mitgebrachte übergroße Silberkelche überließ er den Mönchen: im Heiz- 
raum (pyrale) ließ er an ehernen Ketten wunderbar kunſtreiche und 
große Elfenbeinfämme und je ein Handtuch aufhängen: endlich gab er 
allen Mönchen ein an Speis und Trank überreihes Mal®). 

Die Kammerboten Erchanger und Berthold bewundern bie kunſt⸗ 
reihen Tiſchgeräthe ) Salomos III aus Gold, Silber und zumal 
dem noch feltenen”) Glas. 

Der Tag bes Schußheiligen, 3. B. Sanct Galle, wirb mit großen 
Veftlichleiten und Schmaufereien bis in die Nacht gefeiert: bis von 
Augsburg und Seben fommen dazu die Bifchöfe zu Befuch®). 

Ueber die Ernährung der Mönche erfahren wir Xehrreiches aus 
ben bem Küchen- und Keller-Meifter gejchulpeten Iahresleiftungen ter 
Zinsleute?). 


1) pellicium cum pelle eurtamisia: Du Cange II. p. 676 bringt nur unjere 
Stelle und läßt fie unerflärt (curta camisia). 

2) chozzo, Du Cange II. p. 604, vgl. aber Schmeller I. s. h. v. und 
Kluge ©. 176. 

3) lenam opere plumario contextam. 

4) pantergula cocco imaginata, über coccus f. unbefriebigenb Du Cange IL 
p. 383. 

5) Neug. 667. a. 908. Zum Dank wirb er in bie confraternitas des Ge 
betes bei feinem Tode gleich dem eignen Abt aufgenommen, f. unten confre- 
ternitas. 

6) Ekkeh. IV. Scr. II. p. 84; ſ. die Aufzählung ber reichen Schäße des Kunft- 
handwerks in Augsburg, Conftanz, Sanıct Gallen bei Stälin (®.) L &. 399, bie 
glizae bafelbft find Glanz⸗Linnen, die tapetia Seiden-Tücher, aber was iſt coceus? 
Du Cange ſchweigt. 

7) Do jet auch ſchon Glasfenfter, lucernae, |. aber Du Cange V. p. 146. 
wie Kronleuchter. Stältn V. a. a. O. 

8) Neug. 667. a. 908. 

9) ©. oben ©. 548 f. 


685 


Die Beſuche der Herricher in den Klöftern — fo Karls des 
Großen, in Sanct Gallen‘), Karls IH. in Sanct Gallen und in 
Reichenau?) — waren ehrenreich, aber koſtſpielig. 

Ein Kloſter erbittet fi vom andern einen Arzt?), Kriftallfchalen, 
Mufitinftrumente*). Eulogia, urfprünglic” nur Gejchente geweibten 
Brodes 5), hießen fpäter alle Geſchenke, taher auch fehr werthuolle®), 
aber auch 3 Pfund Silber, A Barriles Del”), 6 Bocksfelle für Schuhe), 
10 siclae Honig „trog Knappheit“: dafür wird ein kundiger Glaſer 
erbeten, den „Kindlein“ 9) d. 5. den Klofterfchülern Mufter von Kirchen- 
fenftern zu zeigen). Einmal wird ein befferes als das gefchentte Pferd 
gewünfcht 11), ebenjo Linnengewänder für den Altardienft 12). 

Lehrreich handeln über die Auffafjung ber Pflichten des Mönch» 
thums die fogen. Formulae Salomonis 2). Bor Allem ift die Regel 
Sanct Benediets ftreng einzuhalten. 

Arnulf beftätigt Ludwigs des Deutjchen Privilegien für Sankt 
Gallen‘), „va er vernommen, baß bort der Gottesbienft richtig ge- 
halten werde und Alles nach der Negel Sanct Benedicts georbnet 
ſei“ 15), 

Aber den fittlichen Werth ver geiftlichen Anfchaunngen beleuchtet 
grell die Erlaubniß, durch einen gemietheten Geiftlichen ober Mönch 
büßen zu laſſen 19). 


1) (Mon. St. Gall.) Sor. II. p. 732. 

2) Ekkeh. IV. casus St.G. 1. o. p. 81. 

3) F. Aug. C. 10, 22. 

4) 1. ec. oornua bicina für Sweigefang Du Cange I. p. 653. 

5) Könige VIL 3. ©. 161. 

6) 1. c. 12 F. Aug. C. 

7) Fehlt bei Du Cange, offenbar das dem Neuenglifchen barrel zu Grunde 
liegende Wort. 

8) F. Aug. O. 12. 

9) Infantuli etwa die „tumben Knaben” 1. o. 13. Scherzhaft wirb ein Dich 
tender Mönch strionicus, Spielmann genannt. F. Aug. C. 8 (fehlt bei 
Du Cange) = histrionicus; in dem gleihen Ton heißen bie Kloſterſchüler bie 
stolidi. 


10) lc. 11) lo 13. 

12) 1. c. 15. 

13) v. Rodinger p. 246. ſ. jet Zeumer 1. c. 
14) Neng. 255. 


15) 1, o. 619. a, 890, 
16) Muratori Antiq. Ital. V. p. 726. Zur Zeit (1902) blühen in Potsdam 
bei Proteſtanten die Heilungen durch — gemiethete — Gebete. 


686 


In den Klöftern, fo in Sanct Gallen, werben unterfchieben bie 
innere „Schule“ für die Fünftigen Mönche und bie äußere für bie 
jungen Ebelinge, die für ven Beruf als Domberren und Bifchöfe vor⸗ 
bereitet wurben 1). 

Karl Martell Hatte in Neichenau eine Schule für junge Edelinge 
gegründet?). Solche Knaben werten zur Ausbilpung ben Klöftern 
anvertraut: fie follen zuerft bie göttlichen Bücher, dann erft die Fabeln 
ber Heiden kennen lernen?). Schärfere Unterweifung folcher Knaben 
wird verlangt, Bezahlung bafür verfprochen t). 

Kräftige Schelte ihrer Trägheit fendet ein Sanct Galler Mönd 
zwei folchen feiner ehemaligen Schüler, die ſich mehr ven ſchmutzigen 
und mübjeligen Arbeiten der Bauern zuwenden als den Wiffenfchaften 
und lieber Kinder zeugen als Kinver Gottes heranbilden wollen, fich 
von dem Dienft Gottes der Pflege des Vermögens zukehrend. „Zus 
mal ihr doch nicht wie junge Katzen binter dem Ofen, fondern in 
ben Hochburgen des bimmlifchen Herrfchers (d. h. den Klöftern) er- 
zogen feid“ 5). Derſelbe mahnt dieſe fpäter Traftvoll zur Rückkehr ins 
Klofter, warnt fie vor Sünde mit ihrer Schwägerin u. f. w.®) 

Die Mönche werden auch in Italien wie in Alamannien auf 
Koften der Biſchöfe und Klöfter (Verona, Brixen, Conftanz, Sand 
Gallen) zur Leitung der Kirche erzogen”). 


1) Wattenbah 6 I. S. 271. Ueber (träge) Kloſterſchüler umb ihre Zucht, 
Form. ed Wyß N. 32—39. Elek I. ©. 601 bagegen über bie Berbienfte ber 
Mönche um die Robung oben ©. 679. Cleß I. S. 96, 276-466. 

2) Denk, die Klofter und Episcopal-Schulen (Galliens) &. 183, 270. Bil 
bungsmittel und Lehrprogramm (tin Gallien) S. 208. Chrodigaug von Met 
S. 243. 

3) Form. Aug. C. 4. 

4) 1. c. 20, ber Neffe eines Biſchofs. 

5) Call. F. Sang. 47 non murilegulorum, [Du Cange p. 552], more in focu- 
lari, sed in castris caelestis imperatoris educati. Zeumer 1. c. fieht in ben 
Geſcholtenen Waldo unb Salomo II, 

6) Coll. F. Bang. 43 (was find die zu meidenden aratoria parietina? Von 
demjelben an feinen Schliler Walbo c. a. 883 ], o. 44. 

7) Form. Balom. ed. v. Rockinger p. 250. ed. v. Zeumer 1. co. lieber bie 
literariſche Thätigkeit in den KHöftern Sanct Gallen, Konflanz, Aheinau und 
Augsburg f. die ſchöne Darftellung v. Wattenbach 6 J. p. 257f. ©. Meyer von 
Knonan, Lebensbild bes h. Notler, Mittheil. der autiq. Gefellich. zu Zürich 41. 1877. 
Bel. Ar I S.175. Egli &. 95f, S. 72 chriſtliche Bolkserziehung. Dümmier, 
Sanctgalliide Denkmäler aus Tarolingifcher Zeit. Teuer, Geſchichte ber bentichen 
Bildung 1887. Ueber die Mönchspoefien Dümmler, bie banbfchriftliche Ueber⸗ 


687 


Die Lectionsfolge für ein Klofter wird genau vorgeſchrieben!). 

Ein paar griechifche Wörter werben von Geiftlichen, einmal?) auch 
von einem Weltgroßen angebracht, oft aber falfch gefchrieben®). 

Die Kenntniß gar mancher von Walahfried Strabo t) angeführ- 
ten Heile und andern Pflanzen verdankt er offenbar dem SKloftergarten 
zu Sanct ®allen). 

Die Klofterurkunden werden im Klofterarchiv aufbewahrt, aber 
aus Gefälligkeit auch bie Anderer: und der Erwerber von Land hat 
das Recht auf bie auf das Land bezüglichen, auch älteren Urkunden ®). 
Die Verwahrlofung der Büchereien ver Klöfter war freilich noch nach 
Karl fo arg, daß in Liſieux nicht einmal die Bibel vorhanden war”). 

Sehr Häufig verſucht ein Klofter, einen von einem Andern aus» 
geftoßenen Mönch tiefem wieder zu verjähnen?). 

Die Klöfter ftehen untereinander in gar bäufigem Verkehr. Auch 
bier?) find in Gebrauch die Geheimfchriften, Formatae, zumal als 
Ausweis für die Echtheit von Empfehlungsichreiben 1%). Aber auch 
Runenſchrift war befannt in den Klöſtern 11). 


Iteferung der lateiniſchen Dichtungen ans ber Zeit ber Karolinger, N. Archiv 
IV. 1—3. 

1) Form. ed. v. Wyss. N. 18. Ueber Zahl und Stunden ber Gebete in 
Tarolingifcher Zeit ſ. Chrodigang von Meg Hinſchius I S. 141. 

2) F. Aug. 21. 

3) Kere, kyria gapite, ereniseana = yalce, xbeie dyanhıre, dıchm eıc 
alava. 

4) De cultura hortorum vgl. Manitins Neues Archiv XXVL 3. 

5) Bgl. Über die bildliche Darftellung ber Klofter- und ber Pfalz-Pflanzen 
Leitſchuh S. 436. Weber die Bebeutung Sanct Gallens für die bildende Kunft 
(Malerei) unter den Karolingern Leitſchuh S. 321. f. das Psalterium aureum 
&. 401. Den Grundriß des Baus ſ. bei Dändliker I S. 155. Adler, bie Klofter- 
und Stiftskirchen auf der Inſel Reichenau Erblams Zeitfchrift für Bauweſen 
XIX 1889. 

6) Th. v. Sickel J. ©. 11. 

7) 0. a. 822. Wattenbach I. ©. 218. 

8) 3. B. F. Aug. C. 10, 19, 20 und oft. 

9) ®gl. Form. Senon. rec. 13 ed. Zeumer I p. 218. Cine fehr Tünftliche 
Formata Coll. F. Sang. 24. 

10) F. Sang. miso. 7. 8. vgl. Könige VIII. 5. ©. 233. 

11) Ueber bie Runenſchrift bei Franken Venant. Fortun. gefl. a. 603. 
VII. c. 19. Sanct Hieronymus meint, die fchwielige Hanb ber Germanen, an 
Schwertgriff und Pfeilſchaft gewöhnt, babe fich längſt (geſt. a. 420) auch an bem 
Schreibfiift gewöhnt, Epist. 106. ed. Vallarsi I. 1766. 


688 


Eine befonbere Verbindung unter ven Mönchen verfchievener Klöfter 

bilden bie 

Confraternitatesi) 
b. 5. Verbrüberungen zu gegenfeitiger Fürbitte. ine folche wird er- 
richtet zwifchen den Klöftern Sanct Gallen, Reichenau, Bobbio, 
a. 800, beftätigt a. 846, 8652) mit fpäterem Beitritt Difentis, Kempten. 
Auch zwiſchen Sanct Martin zu Tours und Chur. Alcuin fchärft 
Nemebius von Chur bie „vertragsmäßige* Fürbitte ein ®). 

Zwiſchen Sanct Gallen und Reichenau werben vereinbart gleiche 
Mefien, Bigilien, Pfalmen, oblationes für die Verftorbenen bes 
andern wie für bie des eignen Klofters®), ähnlich zwiſchen Sanct 
Sollen und Murbah), Sanct Gallen und Trier®). 

Daher werben bie Xobesfälle ven Klöftern mitgetheilt”), und es 
wird ein Verzeichniß aller Mönche des verbrüberten Klofters erbeten S). 

Wohlthäter des Klofters werben in die confraternitas des Gebets 
aller Mönche anfgenommen. Für einen Andern foll nır Ein Möndh 
bie Fürbitte leiften (wie für alle Mönche) 9). 

Ein Weltgroßer (wohl Ludwig des Erften a. 839) zahlt 30 Silber- 
jolipi für Aufnahme in die Fürbitte. Eine Frau fchenkt unter ver 
Auflage, daß ihr (verftorbener) Sohn in das Buch des Lebens (iber 
vitae) bes Klofters eingetragen werbe10). 


g) Aonnenklöſter. Beligiofae!t). 
Die Stifterin bes Kloſters verfügt 12), daß bie Aebtiſſinen aus ihrem 
Geſchlecht gewählt werben follen, fo lang dies angeht: die erſten bei- 


1) Könige VIII. 5. f. die Kbri oonfraternitstum St Galli, Augienses, 
Fabarienses ed. Piper Monum. Germ. hist. 1884. vgl. Stälin (®.) I. S. 376, 
Ebner, die Tlöfterlichen Gebetönerbrüberungen bis zum Ausgang bes Tarolingi- 
ſchen Zettalters 1900. 

2) N. 316. Mohr I. p. 43 N. 27. 

3) Mon. Alc. p. 826, ob recordationem pacti quod inter nos pepiginmue. 

4) Neug. 563 a. 885. 

5) 504. 

6) 503. a. 885. 

7) Form. Als. 7. folg.. Aug. A. 21. 

8) Form. Aug. C. 2; unabläffig wird das Erfuchen um Fürbitte wiederholt 
l. c. 3—13. 

9) Neng. 667. a. 908. 

19 Zeuß W. N. 7. p. 15 
11) Könige VIE. 3. &. 328, 330. VIII. 5. &. 2761. Elek L ©. 520. 
12) Katferin Richarbis Aber Anblau Grandidier I. p. 314 (a. 962?). 


689 


ben ernennt fie felbft. Lehrreich ift hiebei Die Satung, welche bie 
Raiferin für die Aebtiiftn aufftellt!). 

Grafentöchter werben oft Aebtilfinnen 2). Auch Königstöchter: fo 
zwei Töchter Ludwigs bes Deutichen, — fie heißen nach gefeierten 
Ahnfrauen Bertha und Hildigard, — bes Kloſters von Sanct Felix 
und Sancta Regula zu Zürich ?). 

Auch „Doppellöfter”, Mönchs⸗ und bamit verbundene Nonnen- 
Klöfter kommen vort). 

Aber auch Aebtiffinnen zweier Klöfter zugleich begegnen: fo 
Richardis, die Gattin Karl IIL, für Sädingen und Zürich >). 

Die religiosae waren nicht vermögenslos. Cine virgo Deo 
sacrata von Lauterbach, Ata, Zochter des Grafen Berthold der Ber: 
tholdsbar, hat das Muttergut geerbt und ſchenkt es nur theilmeife — 
unter Vorbehalt lebenslänglichen Nießbrauchs — an Sanct Gallen®). 

Religiosae (sanctimoniales) — Sungfrauen und „Wittwen“ 
(d. b. wohl auch vergelübbete) — bürfen und können — an Bifchöfe 
und andre Geiftliche fchenten ”). 

Die ancilla Dei Cotanivia, bie Güter und Unfreie verfchentt, 
tft wohl religiosa, nicht Kloſter⸗Nonne 8). 

Zwei religiosae, nonnanae, aber nicht Klofternonnen und nicht 
etwa Unfreie, werden St. Gallen überwiejen, dem Klofter gegen Unter- 
balt ebenjo zu bienen wie bisher dem Schenker?) 

Den Streit zweier Hinterfaffen bes Klofter81%) um Zinspflicht 
und Landbeſitz entſcheidet nach Schiedsvertrag die Aebtiſſin von Zürich 
(wohl mit dem Vogt). 

Von den Nonnen und den religiosae ſind zu trennen die frommen 


1) Grandidier I. p. 304. 

2) Neng. 571. a. 886. Dabei fällt auf, daß zwei Schweflere von Einem 
Klofter (ecclesia nostra) und von Einem Bogt fprechen: waren beide Aebtiffinnen 
eines Klofters? Das ber zweiten tft nicht genannt. 

3) Reug. 426. a. 864. Zürich U. B. 51. a. 876. I. p. 26. 

4) 3. B. in Kempten Baumann ©. 122. 

5) Stälin a. a. ©. ©. 375. daſelbſt mehrere Köntgstöchter ale Aebtiffinnen. 

6) Neugart 133. a. 797. 

7) In Urkunden, cartae L. R. XIX. 4. 

8) Neugart 1. c. 46. a. 769. 

9) Neugart 1. c. 72. a. 779. in ipsum locum, b. h. flatt mir Deo et vos 
(1. vobis) serviant et per nostrum (vestrum) consilium vivant (siout) circa me 
cum omni diligentia serviunt. 

10) questum habuerunt ... invicem se mallantes NReug. 604. a. 893. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. i. 44 


690 


Klausnerinnen, inclusae, wie Wiborada bei Sanct Gallen: von ihnen 
darf fich auch ein (künftiger) Heiliger weisjagen laffen ?). 


h) Sefpitia?). 


Abt Bulrad von St. Denis beichenft ein hospitium: susceptio 
hospidum (sic) und bie xenodici pauperum?). 

Ein Abt ſchenkt dem Klofter, deſſen Heiligen und ven Armen und 
„Pilgern des Volles der Scoten“ *), mit ver Auflage, ſolche Bilger 
zu berbergen. 

Der mons St. Victors bei Felplir wird von Karl IH. Sankt 
Gallen geſchenkt als peregrinorum et pauperum sustentaculum, 
d. h. Hoſpizb). 

Eine »cella hospitum«, Clata, Oberglatt, Sanct Gallen ge⸗ 
hörig, iſt ein Hofpiz®); oft erſcheinen bie hospitiarii des Kloſters, d. h. 
Vorſteher des Hoſpizes, als Urkundzeugen. 

Abhängige kleinere Kirchen werden von den großen häufig als 
Hoſpitien für Pilger und Arme verwendet'). 

Zuweilen wird Dankbarkeit für Erziehung und Krankenverpflegung 
im Klofter al8 Grund fpäterer Schenkungen angeführt ). 


9) Eonkcilien?). 


Bon beſonderen alamanniſchen Eoncilten erfahren wir nicht viel 19), 
Pabft Gregor forbert (c. a. 737) wie bie bairifchen, fo bie ala- 
mannifchen Bifchöfe auf, nach des Bonifatius, feines Vicars, Geboten 
heidniſche Sitten abzulegen und zweimal im Jahre Eoncil zu balten, 
ohne Erfolg 11). 

Diefe oft wiederholte Vorfchrift regelmäßiger Berufung von Eon- 


1) Gerhardi v. St. Udalrici o. 1. 

2) Könige VII. 4. S. I. 306. VIII. 5. ©. I. 340. Cleß I. ©. 223. 

3) W. U. 18. Neng. 67. a. 777. 

4) Neugart 171. a. 809. 

5) Meng. 533. a. 882. 

6) Neug. 558. a. 885; liber ſolche xenodochia f. Könige VIII. 6. vgl. bie 
Anmerkung bei Neugart 1. o. 

7) So wiederholt von Sanct Gallen Neug. 641. a. 903. vgl 643. a. 903. 
ad monasterii hospitalem. 

8) Zeuß, W. N. 38, 39. 

9) Könige VII. 3. ©. 319. VIE. 5. ©. 316. 

10) Ueber die Synode per villas unter Udalrich zu Augsburg, Braun I. S. 260. 

11) Epistol. Carol. III. p. 292. 





691 


eilien war jo wenig befolgt worden, daß Erzbiichof Lintbert von Mainz 
(a. 863—889) a. 879 Elagt, feit der Jugend (eines andern Biſchofs, 
Salomon II von Conftanz) (a. 875—890) fet Feines mehr im 
Mainzer-Sprengel gehalten worten. Er lädt nun zu einem folchen !). 
Salomo bittet um Auffhub für fih, da er erft einen Theil feines 
Sprengel® habe turchreijen (visitare) können und in dem andern wohl 
arge Mißbräuche abzuftellen fein werben, bie ihm nicht vom Concil 
vorgehalten werten follen?). 

Die Abſetzung des Abtes von Reichenau foll nur durch ein Con— 
cil zu Conftanz oder Mainz erfolgen). 

Geiftliche und weltliche Strafe verhängt ein Concil und Reichstag 
zu Hohbenaltheim wegen Hochverrath8 und Sacrilege über Erchanger 
und deſſen Mitſchuldige (a. 916): Tebenslängliche Ablegung der Waffen 
und Buße im Klofter. 

Ungeborfames Ausbleiben wird mit dem Anathem bebroht und 
mit dem ewigen Feuer Judas Iſchariots !). 


Dies Concil von Altheim verhängt alfo über Exchanger und ©e- 
nofjen die poenitentia, geiftlihe Strafe: Entfagung ver Welt, Ab- 
legung der Waffen, Verklofterung und lebenslängliche Buße); ähnlich 
gegen folche, bie andre zum Eidbruch verleiten ®). 


10. Pabft?). 


Nicht zahlreich find vie Beziehungen ber Päbfte zu der Kirche in 
Alamannien in viefen Jahrhunderten 8). 
Alamanniſche Bifchöfe, die ver Pabft zum Gehorfam auffordert, find 


1) 1 c. 38. 

2) Coll. F. Sang. 37, von dem wir ſonſt nichts wiffen. Zeumer N. 9. VIII. 
©. 525. Dümmler, Formelbuch S. 136; de Rozitre p. 646. 

3) Neug. 315. a. 852. 

4) Co. c. 21. Ser. IV. p. 555. seeulum relinquant, arma deponant, 
in monasterium eant, ibi jugiter poeniteant omnibus diebus vitae suae. 

5) p. 158. e. 21. 

6) Ueber das Zufammenfallen von Reichsconcil und Reichstag Woit⸗S⸗eliger 
VI. S. 417, 448. 

7) Könige VID. 5. ©. 342. 6. Urgeſch. DIL ©. 546 f. 

8) Ueber das Berhältniß von Pabſt zu König, Concil und Epiflopat im 
IX. Jabrhundert Dümmler, Synobalrede Sabrians II. von a. 869. Berliner 
Sitz.Ber. 1899. 


44* 





692 


Wiggo von Augsburg !), Rydolt von Eonftanz(?), Adda von Straf- 
burg (?)2). 

Was Pabſt Gregor c. a. 599/600 über die Alamannen durch ben 
Biſchof von Mailand erfahren — wir erfennen es nicht aus feinem 
Brief?) — fcheint ihn wenig erbaut zu haben‘). 

Ein Pabft ſchärft den alamannifchen Bifchöfen ein, wohin immer 
Donifatins fie zum Concil beruft, fei es nach Augsburg over an bie 
Donau ober wohin immer, zu folgend) — ohne Einhaltung von Friften 
wie früher ®). 

Die eifrige Anerkennung ver päbjtlichen Enticheivungsgewalt im 
ber vita St. Pirminii?) (c. 730) ift, wie dieſe ſelbſt, gefchichtlich ohne 
Werth. 

Babft Gregor III. (a. 731— 741) nimmt gegenüber den Bifchöfen 
von Baiern (Negensburg(?), Palau) und Alamannien (Augsburg (?), 
Conftanz, Straßburg) die oberhäuptliche Stellung in Anſpruch, ermahnt 
fie, feinem Stellvertreter (nostram agentem vices) zu gehorfamen 9). 

Zacharias (a. 741—752) fol — angeblih — durch einen Le 
gaten (a. 743) Odilo von Baiern und Theutbalo von Schwaben gegen 
Pippin in Schu genommen haben), ohne Erfolg. 

Pabft Nikolaus (a. 85S— 907) eifert gegen die Vermönchung eines 
neunjährigen Knaben burch den Vater, da jener unter Verlegung aller 
kanoniſchen Vorſchriften und fpäter gegen jein beftiges Widerftreben 
in die Kutte geſteckt worden war; feine Brüber wollen ihn besbalb von 
ber Erbſchaſt der Aeltern ausfchließen, der Pabft hebt bie Bermönchung 
auf, verweift ihn aber doch fern von allen weltlichen Gefchäften und 
Hin⸗ und Herwanberungen zu kanoniſchem Leben mit Geiftlichen 19). 

Bezeichnend ift das Wort dieſes großen Nikolaus, des „Voller⸗ 
befiegers“ 11): „bie römifche Kirche, bie immer aller Kirchen Haupt war 
und von ber von Anfang bis jegt jede Vorjchrift von Billigkeit und 


1) vgl. Saud IL ©. 456. a. o. 667?. 

2) Epist. III. p. 292. 

3) Regist. ed. Hartmann II. 2. p. 246. 

4) ©. oben ©. 494. 

5) Saffe, Mon. Mog. p. 104. a. 737—739. 

6) Könige VII. 6. 

7) o. 4. p. 31; er und Sanct Kilian holen fi Weilungen aus Rom. 
8) a. 737—739. Jaffé Mon. Moguntina p. 103. 
9) Urgeſch. III. ©. 845. 

10) Neug. 442. 

11) Coll. F. Sang. 42. 


693 


Gerechtigkeit ausging“ 1): dabei werben brei pfenboifiborifche Decrete 
breimal verwertet 2). 

Nur fehr felten vechnen die Urkunden auch nach ven Regierungs- 
jahren ber Päbſte 9). 

Auch a. 870 wird das Negierungsjahr des Pabftes angeführt, 
aber, — in einer Königsurfunde recht befremdlich — fälfchlih Jo⸗ 
hanns VII. (a. 872—882) ftatt Habrians II. (a. 867—872)%). 

Auf tem Concil zu Altheim im Ries (a. 916) ericheinen Legaten 
bes Babftes Johannes X. >). 

Gar demüthig fügen fich bier die Bifchöfe feinen Vorwürfen und 
Geboten®) : keine freie Schriftforfchung, Verbot des Verkehrs mit Er- 
commmnicirten ): Xalion bei falfcher Anklage, Verbot, Bilchöfe bei ven 
primates — judices zu verklagen vor Verſuch gütlicher Beilegung, 
eidliche Reinigung ber Biſchöfe von Beſchuldigungen, Labung eines 
ungehorfamen Bifchofs, Richwin von Straßburg (a. 913— 933), und 
der fächftfchen®), Verbot ver Weihe von Unfreien?), Verfügung ber 
Biſchöfe über ihr Vermögen 19). 

Wallfahrten von Alamannen nah Rom find oft bezeugt!) 

Häufiger werben bie Romreifen im VIII. Jahrhundert 12). 

Auch zu Pabit Nikolaus I. wallfahrten zwiichen a. 858 und 867 
Bater und Sohn aus Mamannien!3). 


1) Cod. I. p. 433. 

2) vgl. Hinſchius p. 100, 133, 201. 

3) Neng. 436. a. 858—866. regnante Heudivico sub Papa Nicolao. 

4) Neng. 458. a. 870; ebenfo 462. a. 871, fälſchlich das zweite ftatt bes 
vierten Jahres Habrians II. 

5) Mon. Germ. hist. Legg. II. p. 555, 588. 

6) Co. Alth. p. 555. 


7) c. 6. 27. 

8) 29, 30, 34, 36. 
9) 38. 

10) 37. 


11) ©. oben ©. 213. zu a. 744. Neugart, Cod. Dipl. N. 12. 

12) Vita St. Burkhardi c. a. 751. Mabillon, A. O. St. Ben. III. 1. Pilger 
fahrt eines Laien aus ber Bertholdsbar zu Sanct Peters Grab a. 829. Neugart 
241: dabei bebingte Bergabung an St. Gallen. Auch bie 254. a. 882, erwähnte 
Pilgerreiſe (peregrinatio) ging wohl nad Rom. 

13) Neug. 442. a. 866 (?). ſ. viele Beläge unter „Bergabungen” und „Rück⸗ 
gewähr” oben. 


694 


VIII. Bertretungshoheit?). 


In ber römifchen Zeit galten biefür bie gemeingermanifchen 
Grundſätze): nicht die Könige der Völkerfchaften oder Gaue, dieſe felbft 
in ihren Verſammlungen entfchieven über Krieg, Frieden, Büntnif: 
tabei folgten bie Gemeinfreien wohl in der Negel ven Rathſchlägen 
ber Könige. Dieſe erklären bie Unterwerfung unter Probus (geft. 
a. 282) für fich und ihre Völker, fie übernehmen es, Geifeln zu ftellen 
und Schakung an Getreide, Kühen und Schafen zu leiften®). Doch 
fehlt es auch nicht am Gegentheil: gegen ven Willen König Vadomars 
betheiligen fich feine Gauleute am Kampf gegen Rom, römerfreund- 
liche Könige werben erfchlagen ober vertrieben‘). 

Diefe Verträge wurben gar oft gebrochen, nicht nur von ben 
Barbaren, auch von Rom: dann gaben bie ergrimmten Alamannen 
auch wohl bie von ihnen gejtellten Geifeln preis). Die Geifeln find 
oft Glieder der Königsgefchlechter: jo Mederich, Chnodomars Bruder ®). 

Der Abfchluß von Frieden und foedus geſchah von Seite der 
Alamannen in ben feierlichen Formhandlungen der Germanen’), wahr⸗ 
ſcheinlich auch bei diefen Sueben wie bei den Quaten®), durch Eid 
auf die geweihten Waffen, jo Eid noch nach ver eifrig chriftlichen Lex A.?). 
Nom verpflichtete fich fchon zur Zeit Ammians babet zu vertrage- 


1) Könige VOL. 3. ©. 363, VII. 5. ©. 338. 

2) D. ©. I. a. ©. 303. 

3) Flav. Vopisc. Probus co. 13, 14. 

4) Ammian XV. 12, 17. 

5) Amm. Marc. XXVIII. 2. Andere ®Berträge Ammian. Marc. XIV. 
10, icto foedere gentium ritu. 28, 2 pacta. Unter Sulian Libanius, epitaph. 
Jul. ed. Reiske opp. I. p. 540. Sulpioius Alexander bei Greg. Tur. II. 9. 
Eugenius tyrannus .. Rheni limitem petit ut cum Alamannorum et Fran- 
corum regibus vetustis foederibus ex more initis etc.: das find bie foedera 
im engeren Sinn: Lanbgewährung ober body Anerlennung gegen Lansvertheibigung 
wiber andere Barbaren, auch germantiche vgl. Urgeſch. IL. &. 313 [Charietto] ; 
anbrerfeits verwendeten bie Römer alamannifche Streiter in Brittannien, Phönilten, 
Italien, Spanten, Iuthungen in Syrien und Aegypten, Thebats, |. Stälin (®.) L 
©. 142, alamanniſche Gefangene werben am Po angefiebelt Ammian. Marc. 28, 5. 

6) Ammian. XVI. 12, 28, 2, obsidum quos lege foederis tenebamus. 

7) 1. ec. icto foedere gentium ritu perfectaque sollemnitate XIV. 10. _ 
ritu patrio XVII. 1. foedus solemni ritu completum XXX. 3. 

8) Deutſche Geſchichte I. a. S. 557. 

9) L. 86 (89). 


695 


mäßig feftgeftellten „Geſchenken“ veren Kürzung ale Rechtsbruch und 
Kriegsgrund angefehen wurde !). 

Wurden a. 496 Unterwerfungsverträge überhaupt formell ge: 
fchloffen, fo gejchah dies wohl, nachdem ver einzige König gefallen ?), 
von Seite der einzelnen Gaue; ebenfo verhanbelten wohl die Aus» 
wanberer damals ohne einheitliche Vertretung mit SCheoderich 3); bie 
Abtretung an die Franken gefchah buch Vitigis und bie Meroningen 
allein‘) ohne Befragung ver Abgetretenen. 

Der Frankenkönig und der Alamannenberzog von c. 500-746, 
übten nun wie bie übrigen Hobeitsrechte auch die Vertretungshoheit 
ber Theorie nach in rechtlicher Üeber- over auch Neben⸗Ordnung. 

Der König erklärt allein oder mit dem Reichstag) den Neiche- 
krieg, an dem Herzog und Aufgebot der Alamannen wie der andern 
Stänme Theil zu nehmen haben, er fchließt Frieden für das ganze 
Reich 9). 

Einen Vertheidigungskrieg gegen Angriffe Neichsfremter, auch 
etwa reichsangehöriger Nachbarn, beichließt und führt der Herzog allein 
mit dem von ihm aufgebotenen Heer, etiwa unter Anrufung der Reichs- 
hülfe. Völkerrechtliche Geſandte Hatte der Herzog weder abzufchiden 
noch zu empfangen, Verträge mit fremben Staten nicht ohne Geneh- 
migung tes Königs abzufchließen. 

Allein in Wirklichkeit verhielt fi das etwa von 638 bis 746 
ganz anders: gegen bie Merovingen over Arnulfingen, nicht für fie, 
boten bie Herzoge ihre Gauleute auf, Geſandte gingen zwilchen ven 
Herzogen der Alamannen und Baiern bin und ber, Verträge gegen- 
feitiger Waffenhilfe wurden gejchloffen, aber nicht für, ſondern gegen 
bie Franken ?), bis zuerft bei den Alamannen, dann bei ven Baiern bie 
Herzogichaft befeitigt warb. 

Zum Reichsdienſt gehören auch die Gefanbtichaften, bie jeber 
Unterthan (auf eigne Koften) übernehmen mußte — zumal Biſchöfe 
und Aebte wurden verwendet — fo ift Heito (Haido) von Baſel a. 


1) Ammian. XVIL 10. Hortarius cum munerandus venisset ex more 
XXVI. 5. oerta ec praestituta ex more munerea. 

2) Oben ©. 54. 

3) Oben ©. 63. 

4) ©. 65. 

5) Könige VII. 6. ©. 338. 

6) Ueber ben Oberbefehl j. oben „Heerbann” ©. 2721. 

7) Urgeſch. III. ©. 845, D. ©. Ib. ©. 250. 


696 


811 Glied der wichtigen Geſandtſchaft nach Byzanz!), — fofern wid) 
Defreiung befonders verliehen war2). Wohl auch ver Herzog moche 
dies verlangen. 

Wie früher?) ift auch in ver Spät-Rarolingiichen und erften Nach⸗ 
Rarolingifchen Zeit nicht mit Sicherheit feftzuftellen, ob der König 
(Herzog) den Krieg allein befchließen durfte oder bie Zuſtimmung bes 
Reichstags (der Stammesverfammlung) einholen mußte, was thatſäch⸗ 
lich freilich die Negel war. Zur Abwehr war fie ficher nicht erfor- 
berlich 4). 


IX. Der König und ber Herzog. 
A. Allgemeines. 
1. Zur Geſchichte der Herzogeö). 

Die rechtsgefchichtlich und ftatsrechtlich anziehendfte Aufgabe wäre 
es, die Abgränzung zwiſchen ber Auftänbigfeit und ben Nechten des 
Frankenkönigs und des Alamannenberzogs genau feftzuftellen: leider 
iſt das nur in fehr geringem Maße ficher möglich: nicht nur, weil 
biefe Gränze mit dem Steigen ber fränkiſchen Macht von a. 500 an 
bis c. a. 640, mit ihrem Sinten von a. 640 biß a. 700, dem Auf» 
kommen ber Macht der Arnulfingen bis zur Befeitigung des Herzog⸗ 
tbums (a. 700-746), wieberholt ſehr erheblich ſchwankte, zumal auch 
weil für die gleiche Zeit fränkifche und alamannifche Quellen ſpärlich 
fließen und fich vielfach wiberfprechen. 

Dazu kommt, daß die alamannifhen Rechtsquellen — bie frän- 
tiichen enthalten darüber faft nichts — Pactus, Lex, Lex Romana 
Rhaetica, Capitula Remedii und Formeln — über das Verbältniß 
beider Fürjten zu einander nur höchſt Targe Angaben bieten. Die 
gefhichtlichen im engeren Sinne aber, — die Annalen — zeigen 
fie uns faft immer nur im Kampf: in Auflehnung des Herzogs gegen 


1) Bohmer⸗Mühlbacher? p. 205, vgl. oben Biſchöfe, ©. 629, 632. 

2) Könige VII. 6. 

3) Könige VIL 3. ©. 363, VIII. 5. ©. 338. 

4) Die Fälle bei Wait VIII. ©. 98 gehören fpäteren Zeiten an. 

5) ©. oben bie merovingiſche Zeit S. 65 f., bie ältere Literatur, Neugart 
Episcop. Constant. p. 10f. (VI. bis IX. Jahrh.), Sattler I. S. 62, v. Lang L 
©. 5. — Landau 8. 309, 312. — Wurftemberger I. S. 261. — Boruhak, das 
Stammeshergogthum im fränkiſchen Reiche, beſonders nach ber Lex. Alam. unb 
der Lex. Baj. Forfch. 3. D. Gef. XXIII. 1883. — Dagegen Ichrreih W. Gidel 
in v. Sybels hiſt. 3. N. F. XVI. 1880. 


697 


den Frankenkönig ober beffen Vertreter, ven Hausmeier: über bie gegen» 
feitigen Berbältniffe in Ruhezeiten fprechen fie faft gar nicht). 

Ohne Zweifel haben erjt die Franken nach ber Eroberung bier 2) 
das Herzogthum eingeführt: neben dem bis a. 496 beftehenden Stamm- 
königthum des Einen Königs war für einen „Herzog“ kein Raums): 
wohl ſchon Ehlopovech *) hat ven erften Herzog bier beftellt: ver ebenfo 
wie in andern Provinzen bes Neiches als Lönigliher Beamter — 
ans Römifchen und Germanifchen gemiſcht — über den Grafen ber 
Gaue ftehen folite®). 

Dei den Alamannen aljo haben die Merovingen bie Herzogs⸗ 
würbe neu eingeführt, vielleicht von Anfang an einen befonveren für 
ben Elfoß®), einen andern für das oftrheinifche Land: die Theilung 
ber Macht follte fie dann minder gefährlich werben laffen, auch [ud 
bie Gliederung des Landes und das Vorbild des GebietSumfanges ber 
übrigen merovingifchen ducatus hiezu ein. Diefem Vorbild ent- 


1) Treffend Waitz S. 423 von Aamannien, Baiern auch zum Theil 
Thüringen; „dieſe Gebiete waren vom fränkiichen Reich gefchteben, können nicht 
als gleichförmige Beflandtheile des Reiches angefehen werben, bilben eigenthümliche 
politifche Körper, bie fih dem übrigen wohl vergliebert hatten, ohne doch ganz mit 
demfelben zuſammengewachſen zu fein. Dies zeigt fich befonders darin, daß Fürften 
einem folchen Lanb und Volk vorgeſetzt find, die freilich zunächſt als Vertreter und 
Beamte bes Königs angefehen werben follen, bie aber doch ein ſtarkes und felbft- 
ftändiges (?? doch immerhin ein von Einjeßung ober Belaffung durch ven König 
abhängiges, Dahn) Recht ausüben und biefes nur dem höheren Recht bes Königs 
unterorbnnen”, vgl. D. ©. Ib. ©. 225f,, I. S. 609, Urgeih. IV. ©. 90, W. 
Schulte II. ©. 203. 

2) Sollten, was nicht ganz unmöglid, D. G.I.a. ©. 185, Urgeſch. I2. II ent» 
fegnere Gaue jenem König nicht unterworfen geweſen fein, jo hatten boch auch 
biefe, wie feinen (zweiten) König, fo keinen zufammenfaffenden Herzog. 

3) Brunner II ©. 157 nimmt an, erſt Gobofrib habe etwa um a. 690 bas 
erbliche Stammesherzogtbum bier begründet. Merkel de r. p. 9 will erft jeit 
Chlothachar I. (feit a. 511) alamannifche Stammesherzöge anerkennen, vorher nur 
für den Feldzug vom König beftellte Feldherren (duces). 

4) Während bei ben Bajuvaren kein Stammlönigthum beflanben hatte, 
wahrſcheinlich nur 5 Gaukbnige und erft vie Merovingen das agilolfingifche Herzog. 
thum eingeſetzt haben. Bübinger I. S. 79—124, von Riezler I. S. 72, Urgeſch. IV. 
©. 122, 150, Breyfig ©. 729; f. Baiern IX. 2. 

5) Könige VII. 1. ©. 154, VIII. 3. ©. 115. 

6) Ueber das fpätere Verhältniß bes dux Alamannorum zu bem dux 
Alsaciorum — eine Art Perſonalunion — f. Schöpflin I. p. 138; über Herzog 
Etiho und befien Söhne Adalbert und Liutfrid im Elſaß a. 600—700, Lorenz, 
Elſaß ©. 8. 


698 


ſprechend follten nach ver Abficht der Merovningen tiefe duces Ala- 
mannorum ganz ebenfo lebiglich ihre Beamte fein wie ihre duces 
in Gallien, von ben Königen ernannt, überwacht, abgeſetzt, als Organe 
des Königs an beffen Befehle gebunven, vom König mit dem Heer-, 
Gerichts-, Verwaltungs, Finanz⸗Bann ausgerüftet. 

Allein das alamannifche (wie das thüringifche und baterifche) 
Herzogthum follte fich doch ganz anders als die romanifchen, neuftrifch- 
burgundifchen ducatus geftalten. 

Eine andere Frage — fie Tehrt bei den Baiern wieder — iſt, 
ob das von den Merovingen eingejette Herzogsgefchlecht ein fräutifches 
oder ein alamannifches war. Für leßteresi) ſpricht Manches: fo daß 
bie Namen der zuerft genannten — Liuthari und Bukilin — echt ala- 
mannifche find 2): freilich ſteht nicht feft, ob jene Brüder Herzoge im 
wahren Sinn waren?); ferner daß fpäter wenigftens zweifello® tie 
echten Herzoge alamannifchen Avelsgejchlechtern angehörten: beweifend 
find freilich beide Dinge nicht. Zweifelhaft tft die Stellung jener zu⸗ 
erft al8 Herzoge oder doch als Feldherren ber Alamannen genannten 
Brüder). 

Theubibert I. (534—548) hat dieſen alamanniichen Brüdern, höchſt⸗ 
wahrfcheinlich aus vollsedlem Gefchlecht, „bie Herrichaft über ihr Volt 
übertragen” ®). 

Der Ausoprud yeiodar bezeichnet ten Byzantinern (Agathias 
und Prokop) keineswegs nur ben SHeerbefehl, ſondern fogar tas 
germanifche Königthum: die Brüder Lönnten alfo hienach nicht nur 
zu Feldherren 6), zu „Herrſchern bei ihrem Volke“ beftellt fein, alfo 
zu Herzogen: daß folche auch „bei den Franken” d. h. am Könighof 
ſehr große Macht Haben mochten, leuchtet ein. Vielleicht find fie 
Söhne eines fehon von Chlodovech c. a. 500 beftellten Herzogs. Die 
Zweitheilung fteht dem Herzogthum durchaus nicht entgegen: wie im 
Baiern ift auch in Alamannien das Herzogthum wieberholt getheilt: 


1) Aber gewiß nicht aus ber Stppe bes a. 496 gefallenen Könige. 

2) Ebenſo die aller folgenden Herzöge, jo richtig Stältn (B.) I. ©. 97. 

3) S. unten ©. 699. 

4) Stradofh-Grasmann I. &. 245 „ben Franken unterthänige Heerführer”. 

5) Agathias I. 6, robro de tb Avöpe Notnv petv dep xal tb yevas 
Akapavıd, duvapıy de napd Dpdyyors peylormy Eykrmv de al Tod operkpou 
Edvous Ayelshar Ocudißéprou rpötepov napkoyovros. Die Lebarten ſchwanken 
zwiſchen Bucilin, Buzilin, Butiltn. 

6) S. Dahn, Prokop S. 442, die Feſtſtellung bes Sprachgebrauchs 


699 


ein befonderer Alamannenherzog für das Elſaß fteht (freilich erft ſpäter) 
neben dem für das oftrheinifche Alamannien?). 

Zuerſt Tieß König Theudibert bei der Rückkehr aus feinem er- 
folgreichen Feldzug in Italien (a. 539) Bukilin daſelbſt zurüd und 
einen andern dux, Haming, einen Franken?). Daß Bulilin aus ber 
Beute feinem König zahlreiche Stüde überfandte, beweift für feine 
Stellung nichts. 

Dann — dreizehn Jahre fpäter a. 552 — unter König Theu⸗ 
dibald (a. 548—555) zieht Bukilin mit feinem Bruder Liuthari aber- 
mals nach Italien gegen die Byzantiner). 

Immerhin mag man zweifeln, ob tie Brüder Hergoge waren: 
wird doch berichtet, König Theudibald habe den Schein vermeiden 
müſſen, Vitigis Hülfsicharen zu ſchicken, da er fich ja auch von Byzanz 
ſchweres Gold für feine Waffenhülfe habe zahlen lafjen: er habe daher 
Hülfe von Stats wegen abgelehnt, aber geduldet, daß jene beiven Großen 
Alamannen und Franken (angeblich 75000 Mann) nach Italien ger 
führt Hatten, gleich als ob er das nicht Hintern könne: dies begreift 
fich eher, wenn jene Führer vornehme Private, als wenn fie Herzoge, 
alfo königlich fränkiſche Statsbeamte, waren, denen ber König — an- 
geblich jehr gegen das Unternehmen geftunmt“) — doch verbieten 
fonnte. Freilich die Quelle legt ihnen ausprüdlich die Herrſchaft 
über ihren Stamm bei5), die ihnen ver Meroving früher jchon ein- 
geräumt hatte; von ihrem Walten wird aber nur berichtet, mas fich 
aus ihrer Feldherrnſchaft ergiebt. 

Auch in Italien erkannten die Brüder bie Herrichgewalt ihres 
Könige Theudibald an: fie münzten in einer von den Franken be- 
baupteten Stabt von Venetien oder Ligurien mit feinem Namen ®). 

Der nächte nach jenen Brütern genannte Alamannenberzog ift 


1) Merlel nennt de r. S. 36 beide nur belli occasione duces con- 
stituti. 

2) Paul. Diacon. II. 2; Brief Gogo's, des Erziehers Chilbibert II, an ihn 
Bouquet IV. p. 70. 

3) S. Beider Untergang, Urgeſch. II. ©. 284. 

4) Agath. I. 6. töv Basılda spüv Tixıota Npsoxev. 

5) 1. c. dövapıy napa Bpdyyoıs peylormmv eixernv (ba8 iſt bie thatfächliche 
Machtſtellung). 

6) Falls die (oftgotifch geprägte) Münze bei Buchenau, Blätter für Münz- 
freunde, N. 56. 1891, auf Thendibald zu deuten ift; Ildibad heißt nie Theudibald. 


700 


Liutfrid, der wegen Gegnerfchaft wider Ebilvibert II. a. 588 in Ber: 
borgenheit flüchtete. 

Vielleicht find die fpäteren Alamannenherzoge Nachlommen jenes 
Liutheri: dafür fprit, daß das Stammwort Liut — nad der Ge 
wohnheit der Namengebung in der Sippe — auch fpäter bei ihnen 
wieberfehrt in Liutefrid!), ja 623 kehrt der Name Linthari felbft 
wieder bei einem Alamannenherzog 2), fo daß alſo wie bei den Agilol- 
fingen das Herzogthum geraume Zeit von 534—624 erblich geweſen 
wäre. Freilich mit Unterbrechung: jener Liutfrid wird ab und an 
feine Stelle Uncilen geſetzt). Denn das Recht der Abfekung fteht 
auch Hier dem Merovirigen zu, mochte die Ausübung lange Zeit un- 
möglich geweſen fein. 

Zu Liutfrids Nachfolger beftellt veingemäß ver König Uncilen *). Bei 
ben Streitigleiten zwifchen Theudibert II. (596—612) und Theuderich IL 
(596—613) erfcheint Uncilen im Heere Theuderichs, der außer Bur- 
gund jedesfalls den Elfaß®) erhalten Hatte: bei ber Verſchwörung bes 
Dienſtadels Theuderichs gegen Brunichilbis und ben waderen Haus» 
meter Protadius (a. 605) meldet Uncilen anftatt, wie ihm Theuderich 
geboten, Protabins zu fchonen, vielmehr ben Befehl, ihn zu töbten; 
zwei Sabre fpäter beftrafte biefe infidelitas Brunhild mit Verjtümme- 
lung und Vermögenseinziehung 9). 

Da die übrigen Alamannen a. 610 feindlich in Theuderichs 
Burgund einbrechen”?), haben fie doch wohl nicht zu deſſen Reich 
gehört®), fo daß Liutfrid und Uncilen als Herzoge nur ber elfäffifchen 
Alamannen erfcheinen würben [?]. Aber a. 610 zwingt Thenudibert 
den Bruder, ihm Elfaß und ven Sundgau abzutreten?). 


Der nähfte — angeblide — Alamannenherzog Kunzo wird 


1) Fred. c. 8 unter Ehilbibert U. 

2) S. unten S. 701. Fredig. o. 8. 

3) Fredig. ad. h. a. (a. 588—607). 

4) Zweifelnd, ob bei ber Theilung von a. 596 das rechtsrheiniſche Mamannien 
Thenberich II. oder Theubibert II. zuftel, auch Stälin (S.) S. 78. 

6) Fredig. ad. a. 605—607, Urgefch. III. 562. 

6) Fred. o. 27, 28, Könige VID. 4. ©. 167. 

7) Fred. c. 37, Urgeſch. III. a. a. ©. 

8 Wie Stälin (V.) I. ©. 175. 

9) Urgeſch. III. ©. 597. 


701 


von ber fehr legendenhaften vita Sankt Galle!) zum Sabre 613 in 
ber villa Iburninga als dux jener Gegenven (dux illarum partium) 
genannt: ob er wirklich Herzog und ob für ganz Alamannien oder 
nur für jene Gaue Herzog war, fteht dahin. Seine Tochter Frib- 
burga, bie Braut des [erft elfjährigen] Königs Sigibert II.2) (III.), ſoll 
durch Sanct Gallus von ber Befeffenheit geheilt oder belehrt, getauft 
und zur Nonne gemacht worden fein). Diefer dux ober judex 
Kunzo [zur Zeit Columba's] waltet in ver Landſchaft Bregenz und 
Arbon: vie Heiden juchen ihn gegen die Bekehrer zu erbittern durch 
bie Anklage, jene verjcheuchten das Wild, ftörten fo bie Iagbt. ‘Das 
ift aber alles Kirchenfabel®). 

Unter Dagobert I. führt ein Herzog Chrobibert a. 630 ein Ala⸗ 
mannen-Heer gegen bie Wenden mit fieghaften Erfolg ®). 

Welchen Herzog Paulus Diaconus”?) unter dem »rex Alaman- 
norum meint, der eine Yangobarbin geheirathet c. a. 620, iſt nicht zu 
fagen: (er nennt ja auch einen Agilolfinger König), vielleicht Chro⸗ 
bibert. 

Unter Sigibert III. ermordet ein Alamannenherzog Liuthari 
den Erzieher des jungen Könige, Otto, den Wiberfacher des Arnul- 
fingen Grimoald (a. 642)3). 

Man?) kann alfo nicht behaupten, daß von c. a. 620-680 das 
rechtsrheinifche Alamannien gar Teinen Herzog gehabt habe 19). 


1) Bgl. Wattenbachs I. ©. 119. Potthaſt IL. p. 1325, Ilvefons von Arrx 
in Mon. Germ. hist. Scr. II. 5. | 

2) Urgeſch. I. ©. 637. 

3) Vita St. Galli p. 9f. 

4) Vita St. Galli d. c. Stälin (B.) J. ©. 176, (&.) ©. 83; über biejen höchſt 
Tegenbarifchen Herzog, vgl. auch &. Meyer v. Knonau, alam. Denkmäler S. 60. 

5) Wetti p. 14. c. a. 820 läßt freilich ſchon c. a. 620 ben Herzog Kunzo, 
die Bilchdfe von Augsburg und Speter, Klerus, Adel (principes) und Volk ber 
Hamannen zufammen wirken bei Wahl bes Biſchofs Johaunes (a. 621—650?) 
von Eonflanz: aber er fpiegelt feine, nicht Sanct Galls Zeit und iſt über jene 
fo ſchlecht unterrichtet, daß er Die Namen von Königen, Bifchöfen und Aebtiſſinnen 
falſch angiebt. 

6) Fred. c. 68, Urgeſch. III. ©. 632. Gesta Dagoberti »Rodobertus«. 

7) Hist. Langob. IV. 38. p. 131. 

8) Fred. c. 88, Vita Sigiberti ed. Krusob, Urgeſch. III. ©. 651. 

9) Neugart, episcop. Constant. 27. 

10) Nicht alamanniſcher Stammesherzog, ein beliebiger dux Chlodovechs bes, 
Dritten o. a. 694 iſt Rupertus dux militum regis Hludovici Neugart I. 5. 





102 


Der »praeses« Dtwin, ber c. a. 650: ben Thurgau verheert ?) 
ift fo farblos wie »tribunus«. 

Wenig über ven damaligen dux Gozbert zu Wirzburg c. a. 680 
ergiebt fich aus ber — überdies ganz unglaubhaften — vita St. Ki- 
liani2): er läßt fich taufen, ift der Wittwe feines Bruders vermählt, 
bat zu Feld zu ziehen, verfügt über Frohnboten, lictor — carnifex, 
wird von feinen Knechten ermorbet, fein Sohn vertrieben, feine Sippe 
tief gebeugt. 

Nach Liuthari (a. 641) wird erft zu Anfang des VIII. Jahr⸗ 
hunderts wieter ein Alamannenberzog auf dem rechten Rheinufer 
genannt, Gotefrid, der Urgroßvater Hildigardens (geft. a. 708/709), 
ber Gemahlin Karls des Großen?) 

Das war das halbe Jahrhundert, in welchem bei der Schwäche 
ber Meroningen und ven Kriegen unter ihren Hausmeiern die rechte 
rheinifchen Stämme fich von dem Frankenreiche völlig gelöft hatten, 
ba fie den Merovingen, denen (allein) fie zu dienen gepflegt hatten, 
nicht dienen fonnten und den Hausmeiern, ducibus Francorum, zu 
gehorchen, weber Pflicht noch Luft hatten). 

Die alamannifchen Stammesherzoge findd): Liuthari und Bukilin, 
geft. a. 553 (Herzoge?). Liutfrid bis a. 588. Uncilen a. 588— 617. 
Runzo a. 613. Chrobibert a. 630. Liuthari a. 642. Gotefrit, 
geft. a. 708, 709. Willihari a. 709-712. Nebi a. 720— 724. (Zein 
Bruder Berchtold a. 724 Herzog?). Lantfrid J., geft. a. 730 (Sohn 
Gotefrids?). Theutbald, geft. a. 746 (Sohn Gotefrivs?) nicht aner- 
kannt. Lantfrid IL, vertrieben a. 748, geft. a. 751, nicht aner- 
kannt. 


1) Mit einem tribunus Erohinoald Vita St. Galli Ser. II. p. 18, den Merkel 
de r. ©. 37 für ben Hausmeier hält, Urgeſch. III. ©. 652. 

2) A.-S. ed. Boll. 8. VII. ($uf. I) p. 612 „aus bem X. Jahrhundert und 
faft ganz werthlos”. Wattenbachs I. ©. 124. 

3) Urgefch. III. | 

4) Erchanberti Breviar. Ser. II. p. 328, Cotefridus (a. 687) dux 
Alamannorum caeterique circumquaque duces noluerunt obtemperare ducibus 
Francorum eo quod non potuerint regibus Merovingis servire sicut antea 
soliti erant, ideo se unusquisque secum tenuit doneo tandem aliquando post 
mortem Cotefridi ducis Karlus caeterique prineipes Francorum paullatim ad 
se revocare illos arte qua poterant studuerunt; über ®otefrib gegen Pippin, 
®. Meyer v. Knonau Denkmäler I. ©. 101; über Erchanbert Wattenbadh® 1. 
&. 219. 

5) Das Verzeichniß bei Rubbart S. 349 bedarf mandfaltiger Berichtigung. 


703 


Gotefrids Urkunde aus Cannſtadt!) fcheint feine »potestas« wie 
am Bodenſee auh am Nedar darzuthun?). 

Zwar Hatte ſchon Pippin bald nach dem Sieg bei Tertri Felt- 
züge zur Wiederheranzwingung auch der Alamannen unternommen?), 
allein, wie die Wiederholung) und die von Sohn und Enkeln noch zu 
sollbringende Arbeit zeigen, mit wenig Erfolg: auch wartete Pippin 
ben Tod Gotefrivs (a. 708/709) ab. Er zog erft a. 709 und 710 
gegen Herzog WilhariS), ver aber wohl nicht Herzog von ganz Alamannten, 
nur Gaugraf von der Ortenau ware) und fchidte auch a. 711 und 


1) Neug. 4. 6. W. U. 2. 
Stammbaum ber Gotefridinge: 
Gotefrid. bis a. 708. 


Theutbalb (bis a. 746, 748) (Sohn?). 
Lantfrid I. (?) bis 730. Huoching (Herzog?) 


—_ 


Nebi. o. a. 720—724? Berchtold a. 724. 
Imma. 


Karl d. Gr. bilbigerlis. Gerold. Udalrich. 
Thegan v. Hlud. c. 2. Stälin (V.) I. S. 226. führt neben dem Stammbaum 
Gotefrid + 708—709, Huoching, Nebi, Imma, Hilbigarb an Lantfrib + 730, 
Theutbald + 746 ale Söhne Gotefrids, dagegen Willibari a. 709— 712 Nebt 
a. 720, 724. Danach könnte Willihari ein Älterer Sohn Gotfribs fein, aber 
auch vielleicht ganz ans ber gotefribifhen Sippe ausfcheiben und nur Graf 
der Ortenan geweſen fein (Huoching heißt nirgends Herzog; anders Stälin (B.) 
I. &. 97). 

2) Bei Neugart N. 6. veniens presbyter Sangallensis ad ejus potestatem. 

3) a. 687, 691. Annal. Mettens. 

4) Urgeſch. III. ©. 722, 735. 

5) &. die Annalen und bie vita St. Amandi p. 67. Stälin (B) I. ©. 179. 
'h. a. und vita St. Desiderii A. 8. ed Boll. Sept. V. p. 350, 790. Ueber bie Felb- 
züge Pippine a. 709—712 gegen Wilihar Stälin (B.) I. S. 179. Karls a. 722, 
123, 730 ebenda S. 180, über Nebi (Hnabi) S. 180, 181. Pippin gegen Thent- 
bald a. 742, 743, 745, 746, gegen Lantfrib a. 748 (gefl. 749 ober 751). 

6) Vita St. Desiderii p. 790: ad fines Alamannorum ad locum oujus 
vocabulum est Mortenauia, ubi dux praecrat Wiliarius: wie Stältn (8.) I. 
5. 79 will, das ift fein Stammesherzog, zweifeln Stälin (8.) I. S. 180. 





704 


a. 712 ein Heer gegen ihn: nicht genannt werben bie von Karl Martell 
befriegten Alamannenführer. 

Gotefrids Nachfolger im (ganzen) Herzogthum fcheint deſſen Enkel 
Nebi gewejen zu fein, (vielleicht vorher deſſen Vater Huoding, er 
freilich nicht wie Nebit) Herzog genannt wirb). Zweifelhaft ift, wiefen 
Geſchichte, wiefern Legende dem Bericht unterliegt, anf Nebie De 
treiben fei Sanct Gallen a. 720 Karl Martell's Schuß übergeben 
worden). 


Und fpät?) und legenbenhaft ift die Nachricht, wonach von den 
beiden Brüdern Nebi und Berchtold, den principes, [nicht duces) der 
Alamannen, Sanct Birminiust), der Gründer des Kloſters Reichenen, 
zu Karl geführt und von biefem als Abt eingefegt worden fei, wor 
er bie Schlangen aus ver Infel vertrieben und das Kloſterleben ein 
gerichtet habe>). 

Neben tiefer alfo als frieblich gefchilverten Beziehung zu Her 
Nebi ftehen aber faft gleichzeitig Feldzüge Karls, fei e8 gegen bien 
fei e8 gegen andere alamannifche Gane®) a. 722, 725, 727, TR, 


1) Neug. Nro. 53. 


2) Walahfrid Strabo (geft. a. 849) vita St. Galli II. 11. ed. Perts fa 
II. p. 23; [bamals a. 720 warb Abt Othmar eingefegt. Annal. Sangall. uij 
Ser. I. p. 73] gegen Stältn (8.) I. ©. 180. beflimmte Annahme; ſtart zmeiiid 
Stälin ©. 79. 

3) Bei Heriman Augienfis a. 1054! Wattenbadh ©. I. 6, 76. 

4) ©. über defien Vita oben ©. 692. 

5) Heriman de sex aetatibus mundi ed. Perts. Ser. V. p. 67f. Bam 
tus Pirminius abbas et chorepiscopus a Bertholdo et Nebi prineipbs 
ad Karolum ductus Augiseque insulae ab eo praefectus serpentes ink | 
fugavit et ooenobialem inibi vitam instituit. Vgl. Th. v. Sidel, Acta Karılll | 
&. 252. Mittheil. zur vaterländ. Geſch. IV. S. 18; das Leben bes Heiligen or 
ginrab A. 8. ed. Bolland. Jan. II. p. 382 fügt bei, zuerſt habe er auf de 
Inſel „Sindloch“ Wohnungen von Mönchen errichtet, und ben Heiligen mit e 
führten bort eingeführt auf Gchot bes höchft edeln Alamannen Perhatold zu Zei | 
bes Frankenkönigs Bippin: biefe Quelle geſchweigt alfo Nebi's, ganz, nennt sw 
deſſen Bruder Berchthold und zwar als Ebeln, nicht Herzog, und verlegt ben de 
gang unter Karls Nachfolger, König Pippin; ſchon a. 727 warb Pirmim, weil ec 
ben Franken begünftigt, (angeblich) von Herzog Thentbalb vertrieben, Herims 
ad a. 727. Fredig. contin 108 ad.h. a. Carlus .. Rhenum flurium trans 
Alamannos et Suevos lustrat usque Danubium peraccessit: illoque transmes# 
fines Bajvarenses occupat. 

6) Urgeſch. III. ©. 7831. | 

7) Fred. a. 113. 


705 


730. Die Alamannen unterftüßten bie Erhebungen in Baiern!) a. 
725, 723. Nach Nebi erfcheinen als Herzog angeblich?) ein Sohn 
Gotefrids (alfo Nebi's Oheim) Lantfrid I. (geft. a. 730), vielleicht 
auch deſſen Bruder Thentbald. 

Im Iabre 727 ſoll diefer Theutbafn, ein Sohn Getefrite, aus 
Feindſchaft gegen bie Franken Pirmin aus Reichenau vertrieben haben. 
Lantfrid IL, wohl im Bunde mit von Baiern, mußte a 728 unk 
a. 730 befämpft werben: er ftarb während bes Krieges (a, 730). - 

Herzog Lantfrid, gegen den. Karls. Züge von. 725 und 730 fich 
richteten ®), waltete. jo jelbftftänbig, baß unter ihm bie Nenaufzeichnung. 
bes Stammesrechts ohne fränkiſchen Einfluß geſchah“). Er war Herzog 
über ganz Hamannien: er hat die Lex erlaffen cum omni populo, 
cunctis Alamannis; fpäter wird fein Herzog mehr. bier von ven 
Franken anerlannt und gebulvet: die Annahme des Herzognamens 
durch Theutbald (Lantfrivs Bruder? oder Neffen?) wird als An- 
maßung bezeicimet®); num nimmt Pippin das Land unmittelbar unter 
ih 9). 

Mit Net erblidt man?) alfo in Lantfrid ben lekten®) recht⸗ 
mäßigen, d. h. von ben Franken auerlannten Herzog der Alamannen: 
denn nun warb das Land bei ber Reichstheilung ven a 741 wie 
Auftrafien Karlmann zugetheilt, während Baiern, weil. ein aner- 
Tanntes Herzogthum, bei dieſer Theilung ausgejchloffen blieb ?). 
Theutbald trat zwar als Herzog und in Waffen feindlich gegen bie 
Franken auf: wie Pirmin vertrieb er beffen Nachfolger Eto aus 
Reichenau noch unter Karl (a. 732), warb aber felbft bafür aus feiner 


1) Aber das Leben bes heil. Magbalaeıs (geft. 762) von Hugo von Flavigny 
a. 1096 (über ihn Wattenbach V. ©. 135) in A. S. ed Bolland. 4. Feb. II. 
p. 535 follte man (Stälin (8. J. S. 181) um fo weniger anführen, als fein Haß 
die Trümmer von Kirchen feiner Zeit auf Karl zuritdführt. 

2) Enhard. Fuld. annal. ad a. 722, 723. 725, 728. 

3) Fred. cont. c. 108 und Annal. St. Amand. a. 730. 

4) Oben S. 221f. Bgl. Stälin (B.) J. S.78—82. L. A. Sanet Galler Hand⸗ 
fchelft, Lehmann Archie VII. ©: 763; über die Hohettsrechte, bie Karl nach 730 
bier übte, Stälin (®.) I. ©. 180. 

5) Annal. Guelf. a. 741 rebellavit Fred. cont. e. 113. a. 744 rebellante T. 

6) l. c. revocato -sibi (P&ppino) ejusdem loci ducato. 

7) Stälin (&) ©, 80. 

8) Das. Herzogthum erliſcht a. 730 ober, wenn man will a. 746, aber nicht 
748; iiber Lantfrivs Ende D. G. J. 6. ©. 252, 462, 491. 

9) Urgeſch. III. ©. 828. D. G.1. b. ©. 244. 

Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 45 


706 


Machtftellung (und aus dem Land?) vertrieben! Nach Karls Top 
(a. 741) erhob er fich gegen Karlmann (a. 742), der mit Pippin bis 
an die Donau (an einen Ort »usquequo«) und an ben Lech vor: 
brang2) und theilte im folgenden Jahr a. 743 die Nieberlage Dpilo’s 
von Batern an legterem Fluß?). Im Jahre 746/7 kämpfte er unglüd- 
ich im Elſaß und fpäter vielleicht in der ſchwäbiſchen Alb, wohl feinem 
Stammfigt). Hiebei wird er zulegt genannt. Im folgenden Jahr 
(a. 748) vollzog Karlmann nicht ohne Tüde und Graufamteit zu Eann- 
ftatt®) jenes Blutgericht an den Alamannen, die unter Theutbalp für 
Dbilo gelämpft Hatten, deſſen Schuld ihn alsbald zur Weltentfagung 
trieb ®). Ä 

Unter König Pippin verwalteten an bes befeitigten Herzogs ftatt 
zwei Grafen, Warin, Graf vom Rheingau, und Ruthard, Graf vom 
Argengau, ganz Alamannten?). 

Vielleicht war ein Alamanne, vielleicht ein Verwandter Lantfrib I. 
ein Lantfrid (IL.)®), ver a. 748/749 Grifo's Erhebung in Baiern unter- 


1) Durchaus nit wurde Karlmanın durch die Erfolge Theutbalds und 
Lantfrids II. gezwungen zu weichen, wie Merkel de r. &. 10; er „wid“ ins 
Klofter aus ſeeliſchen Gründen. 

2) Fred. c. 111. Annal. Alam. act. a. 743. 

3) Urgeſch. III. ©. 845. 

4) So Stältn (S.) ©. 81; ſ. denſelben, daun Meyer von Knonan, Anzeiger 
für Schweizer Geſchichte 1881, ©. 373. Urgefch. DIL. ©. 845 f. über einen Feldzug 
auch von a. 744 17]; ebenjo Wattenbach, Fredigar, Gefchichtfchreiber XL 1888. 
a. 944. 

5) Anf bem Gerichtsplat beim Stein? So Stälin (V.) L S. 183. 

6) Vgl. Über den Vorgang Urgefch. III. ©. 847; er beraumte eine Heeres, 
vielleicht auch (nur dies meint Stältn (B.) I &. 180) eine Gerichts⸗Verſammlung, 
placitum, an, ließ bie alamanniſchen Scharen umftellen, plößlich ergreifen, binden 
ober nieberbauen. Theutbald wirb nicht dabei erwähnt. Der Name bes 742 unb 
a. 746 beflegten Herzogs wirb nicht genannt; nur bie »habitatores« unterwerfen 
fih unter Getjelftelung und Gefchenten. Fredig. c. 115. Annales Petaviani 
a. 746, Mettenses a. 746, Wait III. ©. 45. 

7) Walafrid. mirac. St. Galli: comites.. W.et R. qui totius tunc Ala- 
manniae curam administrabant; vita Othmari (von Yfo + 871), c. 4: bie Rad 
richt It mit Stälin (V.) J. S. 24. 5. I. ©. 82. Hahn, Pippin S. 85. und Meyer 
v. Knonau + 759, Forſch. ZIU. S. 72. aufrecht zu halten. 

8) Urgefh. II. Stälin (V.) I. S. 184 nennt ihm Herzog. Er wirb 
nirgendb Herzog genannt, e8 heißt nur: Annal. Laur. maj. 748. Grifonem 
secum adduxit Zantfridum similiter; Annal. Petav. a. 751. vgl. Stälin I. 
©. 181f. 


Mir 


ur 


—R 


Bictoriden, des 


707 


ſtützte, vielleicht das alamanniſche Herzogthum wieder aufzurichten 


- trachtete; er warb gefangen wie Grifo und ſtarb 751. 


In einem Theil Alamanniens hat Karl auffallenderweife wieder 
einen Herzog eingejegt: in Churrhätien, wo nach dem Ausfterben ber 
—— Grafengeſchlechts, zwar zunächſt der Bi⸗ 
ſchof von Chur) zum rector provinciae beſtellt worden war (c. a. 
774), allein unter Biſchof Remedius (a. 800—820) ward, unter Vor» 
behalt aller Tirchlichen und auf Seniorat und Grundherrſchaft ruhenden 
Nechte des Biſchofs, der ducatus Curiensis einem Edeln, Hunfrib, 
übertragen 2). 

Zange beftand biefer ducatus freilich nicht: alsbald ward das 
Land unter Befeitigung des dux wie das übrige Alamannien Grafen 
überwiefen 3). 

Durchaus nicht Herzöge find bie farblojen principes Alaman- 
norum von a. 8414): fie find Vornehme, ähnlich princeps regni>), 
ebenfo optimates®). 

Burkhard der Aeltere (F a. 911) heißt ebenfo comes et princeps 
(Vornehmer) Alamannorum, ebenda nobilissimus atque justissi- 
mus comes, und ähnlich bei Burkhards (II.) Erhebung zum Herzog 
a. 9177) 9). 

Die Neichstheilung von 806 gab ven größten Theil von Alaman- 
nien Karl, einen kleinen Bippin von Italien 9). 

Durchaus nicht war ber Zwed Karls bei ter Neichstheilung von 
a. 806 fortab ven Weften tes Reichs zur Hauptmacht zu erheben 10), 
wie bisher Auftraften e8 gewejen. 


1) Eichhorn, episcop. Curiensis p. 28. 

2) Stobbe, Lex Rom. Utin. p. 12. 

3) Stobbe ©. 15. 

4) Ratpertus casus c. 7. 

5) Dagegen Erchanger Annal. Alam. a. 864. 

6) omnes opt. Francorum Annal. Fuld. IV. Ser. a. 887. 

7) Annal. Alam. a. 911. 

8) Sueviae principum assensu statuitur dux gentis illius nobilissimus. 

9) Annal. Laur. min. Ser. I. p. 120. Poeta Saxo IV. v. 183. ed. Jafe 
p. 599. Ueber die Zutheilung von Alamannien in ben Jahren 741, 768, 806, 
813, 829, 843 f. VIIL 6. S. 76, 83, 91. 

10) Wie Merfel de r. S. 44 meint: deshalb fet Alamaunien geteilt worben: 
über bie Beweggründe zur Theilung f. vielmehr Urgefch. IL. S. 1120. Könige VIII. 
6. ©. 79. Ueber Alamannien unter Karl II. Dümmler I. ©. 25, 62; vgl. 69; 
unter Lubwig bem Deutſchen a. 833. ©. 81, 225. (aber ©. 128, 136, 143); er 

45* 


708 


Zweifelbaft ift, ob, [abgefehen von bem beſonderen elſäſſiſchen 
SHerzogthum] nach. Liuthari und Bukilin!) jemals zwei Herzöge neben- 
einander rechtmäßig, d. h. von bem Franlenreich anerkaunt, ge 
herrſcht haben?). 

Ohne Zweifel beſtand geraume Zeit freilich mit Unterbrechungen) 
neben dem oſtrheiniſch⸗alamanniſchen ein elſäſſiſch⸗ alamanniſches Herzog⸗ 
thum: allein Anfang und Unterbrechungen find dunkel. Reine Willkür 
bat dieſe Zweitbeilung fehon unter Liuthari und Bukilin (oben S. 699) 
finden wollen. 

Man?) nimmt vielmehr an, erft feit a. c. 650 babe ſich ein 
befonderes alamannijches Herzogthum im Elfaß von dem rechtsrheini- 
ſchen Lande getrennt‘). 

Das elſäſſiſche Herzogthum blieb wegen feiner Lage enger als das 
oſtrheiniſche mit dem Frankenreich verbunden: zuweilen erſcheint es 
geradezu als Theil Auſtraſiens >). 

Hier begegnen (nach Dagobert J. Tod a. 638) die Herzöge Gundo 
(Gundonius) c. a. 650, nach deſſen Tod Bonifacius‘), dann Liut⸗ 
frid feit a. 7237). 

Ein Herzog Theutehar de pago Salinensi a. 729 verlanft Sa⸗ 
linen 8). 


heißt wie König der Baiern fo ber Alamannen ©. 286; über bie Theilungen 
Alamauniens ©. 209. 

1) S. aber oben ©. 699. 

2) Ueber Theutbald neben Lautfrid L f. oben ©. 705. 

3) Stälin (V.) I S. 179. Strobel, Geſch. d. Elſaſſes L ©. 114. 

4) v. W. Schuß V. S. 203. Strobel a. a. O. Ueber bie allmälige Löfung 
[fett Der Karolingerzeit] ber Doch ebenfalls alamauniſchen Elſäſſer, aber auch des Breis⸗ 
gaus, ber Ortnau, kurz aller „rheiniſchen“ Alamannen (»Renenses«), (anders bie 
Aamannen in der Schweh), von ben rechterbeiniihen Alamannen f. Baumaun 
S. 556, ber treffend bie ſtarke Beimiſchung fränfifchen (ripuariſchen) Buntes hervor⸗ 
hebt, die freilich ſchon ſeit a. 496 ſtattfand. 

5) Die Verbindung mit Burgund unter Theuderich IL. hatte beſondere Orunde. 
Urgefh. IH. ©. 542. D. ®. Ib. ©. 162. 

6) Auch Chaticus Ethico Mabillon A. 8. Ord. f. Bene. IL. p. 491. 
Chron. Novient. (saeculi XIII!) bei Martene, Thesaur. anecdot. III. p. 1128 
(ih entnehme bie Merkel de r. ©. 39). 

7) Schöpflin, Als. ill. I, ©. 753. Ueber biefe Herzöge Bonifacius und 
Chadicho, Eticho Im Elſaß Schöpflin I. p. 4. Liutfrid, Adalbert, Eberharb, comes 
Alsatiae). 

8) Zeuß, W. 213. a. 729. 


709 


Herzog Liutfrid von Elfaß verkauft a. 737 Gfiter, vie er zu be- 
neficium gegeben Batte!). 

Diefer c. a. 750 verftorbene Liutfrid ift der letzte »dux« bes 
Elſaſſes, das zwei Graffchaften, Norbgau und Sundgau, enthielt2): 
aber feit a. 730 oder doch feit a. 746 war dux auch hier wohl nur 
noch ein Titel: bei Aufhebung des rechtsrheinifchen Herzogthums ver⸗ 
ſchwand auch das efjäfftiche. Die Herzöge Kunzo IL und Gote- 
frid DO. nad a. 749 find erfunden. Als aber mit Burkard II. 
c. a. 920 wieder alamannifche Herzöge anflamen, berrichten fie auch) 
über Elſaß >). 

Später a. 867 wirb der ducatus Elisatius wieder beſonders 
verliehen t). 

Lange nach Abjchaffung bes Stammesherzogthums heißt das Kant 
Alamannien ducatus) und bie mächtigften ver Grafen bortfelbft wer- 
ben®) duces genannt”), ohne doch Herzöge zu fein. So Welf, der 
Schwiegervater Ludwigs J., ebenfo fein Sohn (?) Konrad). 

Später heißt ber dux Alamanniae auch Rhaeticarum vel Ju- 
rensium partium dux?). Der Markgraf von Rhätien ift ver- 
ſchwunden. 

Noch a. 890 begegnet ein dux Rhaetianorum 19). 

Der Prolog der Lex nennt 34 duces, neben 65 Grafen. An 
fo viele alamannifche duces im Amte ift nicht zu denken 11). 

Die Geichichte Alamanniens in der nachlarolingifchen Zeit, ins» 
beſondere bie zuerſt fcheiternven, dann glüdenven Verfuche der Wieber- 
berftellung bes alamannifchen Herzogtums, liegen außerhalb des 
Rahmens dieſes Wertes 12). 


1) Zenß, W. 162. ähnlich a. 741. L c. 82. 

2) Schöpflin, Alsat. I. p. 771. 

3) Schopflim, Alsat. I. p. 539. vgl. Neng. ep. Const. p. 204. 

4) Annel. Bertin. a. 867 p. 87. 

5) a. 780. Cod. Baur. N. 460. Stälin (8.) I. ©. 836; weitere Beläge bis 
889, auch noch a. 746. Neng. 1. c. 39. a. 763. dux Ernestus (ein Heeiführer?). 

6) Höhere Beamte werben wenigftens in ber Eanceleifprache mit »duces« 
angerebet, Th. v. Sickel V. &. 380. 

7) Thegan. c. 26. (foilft comes Einh. Ann. a. 819). 

8) Neug. N. 34. a. 851. 

9) Watt VII. ©. 106. 

10) Reng. 597. 

11) Su L. Al. 86, 8. dgl. von Schubert ©. 187. 

12) Bgl. Stältn (8.) und Sohn I. a. a. DO. Was Wai-Zeniter V. ©. 7. 





710 


Sehr anziehend aber ift ver Verſuch mächtiger Gefchlechter in mehreren 
Landichaften, bei dem Verfall der Königsmacht ver legten Karolinger 
eine ven alten Herzogichaften ähnliche Stellung zu gewinnen: in Baiern, 
in Sachſen, in Franken, in Schwaben finden wir dieſe Beftrebungen: 
bezeichnend tft, daß gerabe herrichgierige Bilchöfe, wie Hatto von 
Mainz in Oftfranten, Salomo III. von Eonftanz in Alamannien dem 
entgegen traten: fie wollten Teine weltlihen Stammesgewalten auf 
kommen laffen, vielmehr felbft an ber ſchwachen Könige ftatt das Reich 
und die Heimat beherrichen 1). 

Nachdem ein Graf Burkhard an bem Tage, da er feine Erhebung 
zum Herzog burchjegen wollte, erjchlagen worben?), unternahmen zwei 
Brüder, Erchanger und Berthold, bisher „Lönigliche Kammerboten“S), 
das gleiche Wagniß. Auch fie gerietben babei mehr noch als mit 
König Konrad I. (a. 911— 918) mit dem herrfchgierigen und vor 
Mord fo wenig wie biefe Weltgroßen zurückſcheuenden Biſchof Salomo 
von Eonftanz in Wiberftreit wegen ber maflofen Erwerbung von Kron⸗ 
gütern für bie Kirche. Nachdem ein erfter Zwift — auch mit dem 
König — unter beffen VBermählung mit der Schwefter ber Grafen — bei- 
gelegt war, entbrannte neuer Kampf (a. 914); nach einem glücklichen 
Gefecht ließ ſich Erchanger als Herzog ausrufen (a. 915), aber auf 
einem Reichstag zu Mainz und jenem Concil zu Hohenaltheim wurde 
er, ber fich ftellte, zu lebenslänglicher Buße im Klofter verurtbeift, 


von dieſer Berfaffungszeit tm Allgemeinen fagt, „es iſt fchwer zu erfennen, was 
Acht und Verfaſſung — gegenüber dem Thatfächliden — war” — gilt befonbers 
von dem Verhältnis zwifchen König und Herzog. 

1) ©. bie ſchöne Darlegung bei Stälin (V.) I. ©. 267f. 

2) Annal. Alam. a. 911. 

3) Richtig Roth v. Schredenftein S. 139 und Gengler a. a. D. 81: Wirfunge 
kreis (und flige ich bei, Amtsftellung) ber [nur Einmal fo genannten] Kammerboten, 
nuntii camerae, find nicht vollkommen klar zu überfchanen, |. oben &. 241. Die Ab- 
flammung ber beiden „Kammerboten” erflären Dümmler II. S. 574 und Roth 
von Schredenftein, Forſch. z. D. Geſch. VI. ©. 135 für unfeſtſtellbar, Baumann 
©. 262, die von ben alten Stammesherzögen (Gotefrib) für wahrſcheinlich; er 
nennt fie bie Abalolfinger, vergl. Merkel, de r. p. 13, 48, Stälin (®.) I. S. 267 
unb bie Literatur bafelbfl. Richtig erflärt Baumann S. 266 bie Bezeichnung 
nuntii camerae als „effeharbijch” nicht als Amtstitel; ob es aber bamals ſchon Pro⸗ 
vinzial- ober Stammeb-Pfalzgrafen gab — Erchauger foll das geweien fein — ift 
boch zweifelhaft; bie Vertretung jebes Stammesrechts durch je einen Pfalzgrafen 
beſchränkt fih urfprünglic auf ben Köntgspalaft; bie Urkunde von a. 912 meint 
ſchwerlich Pfalzgraf für Schwaben. 


711 


und vier Monate daranf über dies Urtheil hinaus nebſt Berchthold 
und ihrem Neffen Liutfriv hingerichtet. 

Allein diefes Streben nach hberzoglicher Gewalt war bei ber 
Schwäche bes Königthums nicht mehr zurückzudrängen): Burkhard (I.), 
der Sohn jenes Burkhard, der darüber a. 911 untergegangen, hatte 
fih a. 914/915 gleichzeitig mit jenen erhoben, aber nicht geftellt oder 
unterworfen und fegte nun (a. 917) — wohl durch den Beitritt von 
vielen alamannifchen Großen — feine Anertennung als Herzog bei 
König Konrad burch2). 

Die neuen Herzöge nennen fich durch Gottes Gnade beftelft®), 
boch ernennt fie der König‘). 

Uebrigens beftand das alte Herzogsgefchlecht ver Gotefrievinge in 
Reichthum, Macht und Anfehn fort. 

Treffend bat mand) den Widerſtand ber hohen Geiftlichleit gegen 
das Auffommen von Herzogen ähnlichen Weltgroßen hervorgehoben, 
welche die Immunität und bie Stellung der Biichöfe und Aebte un- 
mittelbar unter dem König bebrohten. 

Daber find die Biſchöfe die eifrigften Kämpfer für den König 
gegen bie neuen Herzogsgewalten: auf dem Concil zu Altheim im Nies 
a. 916 mahnen fie) alles Voll zur Treue und bedrohen fogar Neuige 
mit ben fchwerften Kirchenftrafen, Verfluchung zur ewigen Höllenftrafe, 
Anathem, Tebenslängliher Buße, Verwirkung des Waffenredhts, für 
jede Art von Untreue gegen ben König’). 


1) Ueber das Wieberauffommen ber Herzogthlimer zu Ende ber Karolinger- 
zeit, Waitz⸗Zeumer S. 37f. und bie Literatur bafelbfl. Gegen die Annahme, von 
Sfrörer und Leo, Ludwig ber Deutſche und Lubwig das Kind hätten bie Stammes- 
herzogthümer in Deutſchland wieder herftellen wollen, richtig v. Gieſebrecht I, 
©. 805 und Waitz⸗Zenmer V. ©. 41. 

2) Annal. Alam. a. 911—917: freilich gemwaltfam: daher fagt Heriman. 
Augiensis a. 917 tyrannidem invasit. Nah Einigen, Stälin (®.) I. 271, 
Dümmler IL S. 612 wird Burkhard mit Zuftimmung ber Großen bes Landes 
von König Konrad eingefegt a. 918; aber richtiger folgen (flatt Efkeharb c. 20) 
Waitz⸗Zeumer V. S. 67 und Meyer von Knonau ©. 17 ben Annal. Alam. und 
Heriman. a. 918: rebellavit .. tyrannidem invasit. 

3) Sp Burkhard a. 924, Neug. N. 802. 

4) Bol. die Beläge bei Merkel, de r. ©. 51, ber hervorhebt, daß häufig 
Nicht⸗Alamannen bierbei benorzugt wurden. 

5) Watt Jenmer V. ©. 42. 

6) c. 19, 20, 21. 

7) Eoncil von Altheim a. 916. c. 19—21 [aber nicht warb damals ber Treue 
ſchwur erneut, wie v. Gieſebrecht I. S. 202]; über biefen Wiberflanb ber hoben 


7112 


Dei dieſem Streben foldher Geſchlechter nach Herzogſchaft ober 
ähnlicher Herrichaft in den Landſchaften ftand die Menge des Volles 
bäufig anf deren Seite, wie auch fagenhafte Veberliefernng befunbet !): 
bei der Schwäche ver legten Karolinger nad) a. 876, dem heilloſen 
Hader unter allen Gewalten?), ihrer Unfähigkeit, das Land zu ſchützen 
und zu verwalten, war ber Anfchluß an nräcdhtige einheimiſche Ge⸗ 
ſchlechter ſehr begreiflich. 

In den Jahren 730 —746 wurden Güter bes Herzoghanſes und 
wohl auch vieler ſeiner Anhänger und Schickſalsgenoſſen eingezogen: 
fie mehrten die karolingiſchen Krongüter im Lande?). 

Allein im Uebrigen warb es nicht ſchwer geichätigt: es behielt 
größtentheil® feinen weiten Grunbbefig, zumal im Schwarzwald und 
in Oberichwaben: feine Glieder ericheinen oft als Grafen des Argen- 
und bes Linz⸗Gaues, die meift in Einer Hand vereint find, und feit 
a. 724 ber großen Berchtolbisbart). 

Neuen Glanz erhielt e8 durch die Vermählung feiner Sprößlingin 
Hildigard mit Karl und bie baierifche Präfectur ihres Bruders Gerold: 
mans) vermuthet, daß auch vie Welfen diefer Sippe angehörten. 

Sie behaupteten die Graffchaften ver großes Albwines-Bar (zu- 
mal in dem (fpäteren) Apphagau biefer Bar)®) : freilich ward, vielleicht 
gerade deshalb, dies weite Gebiet in vier Gaue und fünf Hundert—⸗ 
haften aufgelöft, jo daß bie Landſchaft nur noch ein geographifcher 
Begriff, Tein ftantliches Gebiet mehr war. 


Seiftfichlett gegen das Wiederauflommen ber herzoglichen Gewalt, Waitz V. S. 39, 
Waitz VII. ©. 134; tm der Folge werben Herzöge won Alamuunien umb Balern 
Lehenträger, milites, vom Biſchof von Konſtauz a. a. O. S. 145; die Herzöge 
batten im IX. und X. Jahrhundert die Mlöfter Häufig verunreißtet: fo Burkhard 
&. 147 und Jahrbücher Heinrich I ©. 46, Über Batern Könige IX. 2. 

1) Bgl. Giefebrecht I. &. 179, während Biſchoſe und Aebte dem widerſtrebten 
(fo Salomo von Eonftanz a. 911. gegen Burkhard und veſſen Geſchlecht). 

2) Salomo a, 906. ed. Dümmier, Sanıct Galler Denkmäler S. 117: 

Disoordant omnes, praesul, comes atque phalanges, 
Pugnant inter se ooneives contribuleeque. 

3) Aber Stälin (8.) I. S. 185 ſcheint Neugart N. 234 irrig won Bertned- 
tung zahlreicher Freier zu verſtehen. 

4) S. die Urkunden bei Neugart ep. Const. p. 68 uud Cod. AL Index. 
Stälin (8.) I. ©. 243 zeigt fiebenmal jene beiden Gaue iu ber Hand Eines Sprofien 
biefes Hauſes. 

5 Stäfm (B.) I. ©. 877. 

6) Stalin (B.) I. &. 138. 


713 


Ebenſo in ber „faft einem Herzogthum gleichenben 1)" Berchtoldis⸗ 
bar”, die vielleicht deshalb ebenfo aufgelöft ward in ben Nagold⸗ 
gau u. |. w. 

Die Sage hat noch Yahrhunderte nach feinem Ausfterben das 
alte Derzogsgefchlecht in Schwaben gefeiert 2). 

Noch fast in unferen Tagen führen ſich bie vornehmften Ge⸗ 
ichlecgter in Alamannien auf vie Sippe Gotefrids zurüd®). 


2. Rechtseigenart der Herzogswürde. Allgemeines Verhältniß zum Köntgthum. 


In diefer — nicht leichten — Erörterung find vor Allem zwei 
einander eritgegengefette Irrthümer abzuweifen: ber Alamannenberzog 
iſt nicht Königebeamter im felben Sinn und Maß wie ein galli« 
-fcher dux 4): das mochte Chlodovech bei ver Einführung des Amtes 
vorgejchwebt haben und eine Zeit lang auch durchgeführt worben fein: 
allein bei fintenner Macht ber Merovingen trat biefer bloße Amts⸗ 
charakter zurüd und die Bedeutung des Herzogs als eingebornen 
Stammeshauptes mächtig hervor, "schließlich fo unvereinbar mit jenem 
Amtsbegriff, daß die Würde ganz befeitigt werben mußte. 

Aber auch die römifchen duces und comites im (fpäteren) Ala⸗ 
mannenland, 3. B. der comes jür Germania prima zu Straßburg, 
ver dux zu DMainz)®), Haben keinerlei Sortfegung in ven fpäteren 


1) a. a. O. ©. 139. 

2) Baumann S. 270. Waig III. ©. 387. Baumanı, die Gaugraffchaften 
im wärtembergifchen Schwaben ©. 5. Krüger (Beſitz und Erben ber Ahalolfinger 
‚8. für Gefchichte des Oberrheins 46, S. 4791. 

3) Merlel de r. zählt fie auf, freilich oft mit völlig unbeweisbarem Recht. 

4) Nur Infofern richtig ſagt Wait-Seliger VI. ©. 433, „bie Herzoge waren - 
nie (?) eigentliche Beamte geweſen“. Mit der Auffaflung des Verhältnifies ber 
Stammesherzoge zu ben älteren fränfifhen bei Waitz VII. ©. 96, kaun ich mid 
aber fonft nicht befreumben, noch weniger freilich mit o. Dantels II. ©. 368. Ueber 
die mehrfachen Wurzeln und Bedeutungen ber duces, Herzöge, im Merovingenreich 
IIL 1. S. 154. VIII. 3. &. 115. Unzulänglih Bornhat, Stammesherzogthum, 
&. 169, ſowohl gegen Waitz IIE., wie gegen Sohm, ©. 459: er verlenut bie Unter 
ſchiede wie bie Uebereinſtimmungen zwiſchen Stammes" (— rechtsrheiniſchem —) und 
„Amts. (lintsrheinifch-gallifchen) Herzogthum, Könige VIL. VIEL; überholt if 
Wittmann Über das agilolfiugiiche Herzogthum, Jahresberlchte der bater. Aläd. VIII. 
1. Röntge IX. 2; vgl. bagegen Graf von Hundt, bie baieriſchen Urkunben Wer agi⸗ 
lolf. Zeit 1873; auch Bethmann⸗Hollweg, Civilproceß L ©. 167; -gauz irrig Born- 
hate „Schlußüberfiht”, &. 185, wonach nırr ber Herzog, nicht der König bie 
Hoheitsrechte gehabt und ausgeht habe(!): und den Heerbaun? 

5) Deren Aufzählung bei Stältn (B.) &. 138 f. 


714 


Herzögen und Grafen, hier fowenig wie bie römifchen consulares und 
praesides: ander bie duces und comites im weftlichen Merovingen- 
reich 1). | 
Unrichtig meint man?), das Herzogthum hatte eine Art bundes⸗ 
ſtaatliche Stellung innerhalb des Reichsverbandes (ſoll heißen glied⸗ 
ftaatliche, denn Bundesſtaat ift das Reich): die beutfchen Gliedftaaten 
haben eine nur durch die Reichsgewalt befchränfte Souveraimität, 
bad Herzogthum Hatte niemald Souverainität, der Herzog ift Be⸗ 
amter des Königs?). 

Aber noch weniger ift andrerſeits dieſe Herzogwürde — wie man 
vielfach behauptet bat — eine Erneuerung des alten a. 496 verfchwun- 
denen Volkskönigthums, oder auch nur ein Verwandtes: das Haben 
weber bie Merovingen gewollt, noch die Herzöge durchſetzen können: 
auch von a. 638—700 und 730 find fie Königsbeamte, nur eben un- 
botmäßige, rebellifche. 

Durchaus nicht ift 4) alfo von Anfang an das Herzogthum ber Ala- 
mannen und Baiern nur „eine Mobdification des alten vorfränkifchen 
Volkskönigthums“ 5). Die Merovingen haben davon feine Spur übrig 
gelafjen: vielmehr waren biefe ducatus urfprünglich bloße Beamtungen 
wie bie linförheinifchen, erft feit c. a. 638 haben fie fich zu jener 
könig ähnlichen Stellung erfchwungen: aber nur bis c. 700, 741 fie 
behauptet: die Namen rex, regnum®) beweifen fchon deshalb gar« 
nichts, weil damals jene Machtitellung längft verloren, a. 738 umb 
787 fogar das Herzogthum jelbft, fogar dem Namen nach ver- 
ſchwunden war. 

Nur höchſt uneigentlich wird bie Herzogsichaft auch in ber Lex”) 
regnum genannt: gemeint ift Herrſch⸗Gewalt und Herrich- Gebiet. 

Weil der Herzog nie Souverain war, rechneten auch zur Zeit feiner 
ftärfften Unabhängigkeit die Urkunden — auch in feinem Lande — 
nie nach feinen Regterungsjahren ®). 


1) VII. 1.0. a. 0. 

2) Cramer ©. 298. 

3) Das Wort von Waitz⸗Zeumer V. ©. 72: „bie Herzoge, . . . find nicht 
Beamte, die ber König eingeſetzt, ſondern territortale Gewalten, bie er anerlannt 
bat”, gilt doch nur für bie Herzoge fett Konrad I. und Heiurich I. 

4) Mit Sohm, a. a. O. v. Schubert S. 186 und Eramer ©. 298. 

5) Dagegen auch Wat IL.3 2. ©. 56. 

6) Bei Paul Diakon und Alkuin vita St. Vedasti o. 6. 

7) 33. p. 92. 35. 1. Ebenſo L. Bajuv. II. 9, aud von Panl Diacon. 

8) ©. unten ©. 716. 


I > A N nn... 


715 


Nach unferer Annahme oben (S. 697) warb fchon gleich nach ber 
Unterwerfung durch Chlodovech felbft — er herrichte noch volle 15 Jahre 
nah feinem Sieg, warum foll er feine wichtige Landerwerbung nicht 
ausgeftaltet haben? — die Herzogswürbe errichtet und zwar einem 
alamannifchen Ebeling übertragen. 

Vielleicht ſollte hierdurch (wie durch bie nach germanifcher Auf- 
faffung bei nicht verfmechteten Beftegten jelbftverftänbliche Belaffung des 
Stammesrechts) 1) die Einfügung in das Frankenreich erträglicher ge- 
macht, erleichtert werden. Sollte aber diefer Zwed dauernd erreicht 
werten, mußte das Königthum ein Zugeſtändniß machen, das in ber 
Tolge fchwachen Merovingen verhängnißooll werben follte: nämlich — 
in ftarker Beſchränkung der Königlichen Amtshoheit — die Anerkennung 
einer gewiffen Erblichleit der Würde in dem hberzoglichen Gejchlecht, 
jo daß der König den Herzog zwar ernannte (oder doch beftätigte), aber 
nicht fo ungebunden ernannte wie den dux von Orleans oder Mar- 
feille, fondern ihn aus dem berzoglichen Gefchlecht zu wählen hatte, 
fo lang dies tüchtige und treue Glieder darbot: ähnlich wie im alt« 
germanischen Königthum die Volkswahl nicht ohne zwingenden Grund 
von dem Königehaus abwich 2). Diefe Anerkennung einer gewiffen Erb⸗ 
fichteit mußte nun aber, wenn mehrere gleich nahe, auch etwa gleich 
tüchtige Söhne Anfprüche erhoben, dazu führen, daß der Meroving 
auch auf die Wahl des Volkes Rüdficht nahm over auch eine von bem 
Vater unter Zuftimmung des Volles vorgenommene Erbtheilung von 
Land und Würde fih — beftätigend — gefallen ließ: ganz ähnlich 
bei den Baiern (|. dieſe). 

So ift e8 zu erflären, daß wir bei Beftellung biefer Herzöge 
föniglihe Ernennung oder doch Beftätigung, Volkswahl und Erb- 
orbnung nebeneinander antreffen, ohne daß irgend eine Mare, durch⸗ 
greifenbe, vechtsbegriffliche Auffaffung des Verhältniſſes dieſer brei 
»titulice zur Herrichaft gelangt wäre. 

Damit aber hängt es ganz wejentlich zuſammen, daß bies rechts⸗ 
rheiniihe Herzogthum eine zwiefache, vielfach fich wiberfprechende 
Nechtseigenart aufweift: der Herzog ift einerjeit8 wie ein vomanifcher 
dux Beamter, Vertreter, Werkzeug bes Königs, anbrerfeits aber Haupt, 
Vertreter, Führer feines Stammes, Verfechter feiner Freiheit gerate 
auch gegen etwaige Webergriffe des Königs. 


1) ©. oben ©. 280f. 
2) Ueber die Folge in die Herzogſchaft ſ. unten (ähnkich bei den Baierm). 


716 


Daraus erlärt fi, daß unter ſtarken Königen ober Hausmeiern 
bes Frankenreiches vieje Herzöge überwiegend als Königebeamte, 
unter Schwächlingen al8 Fürften!) ihres Stammes erfcheinen. 

Daraus erklärt fich, daß viele Herzöge von Alamannien, Baiern, 
Thüringen — alle drei — den Hausmeiern (feit c. a. 638), die ja 
auch nur Königsbeamte wie die Herzöge, aber nicht, wie biefe, Stam- 
mesfürften waren, ven Gehorfam einfach verweigern, ven fie nur ben 
thatfächlich nicht mehr herrichenden Merovingen zu ſchulden erffären?). 

Der Herzog hat tnfofern zwifchen König und Stamm zu ver- 
mitteln), als er für Durchführung ver NReichögejege und der Befehle 
bes Königs im Stamme zu forgen hat: z. B. zum Aufgebot des ala. 
mannifchen Beerbanne. 

Zuweilen wird gerabezu ver Vortheil Alamanniens, nicht des 
Frankenreichs, angeftrebt: fo wenn Unfreie nur mit Genehmigung bes 
Herzogs (nicht des Königs) aus Alamannien verkauft werten bürfen, 
— mohl auch nicht in andere Provinzen des Reiche. 

Das Widerfpruchvolle, ja ftatsrechtlich Widerfinnige, dad in dem 
Verhältniß des Königs zum Hausmeier a. 700—751 lag — vier 
Sabre ein major domus regiae ohne rex! — findet auch in den ala- 
mannifchen Urkunden der Zeit ſcharfen Ausdruck: fie rechnen nie nad 
Negierungsjahren des Herzogs — weil er eben auch damals nicht 
„Souverain’ war, — fondern nad denen bes Könige. 

Noch a. 735 batirt ein Alamanne „im Sabre der Herrſchaft 
unferes Königs Theuderich (TV.) über ven major domus #)*. 

Dagegen höchft bezeichnend a. 744: regnante Hiltrichho (III). 
rege sub Carlomanno majore domo®), 

Gleichzeitig (a. 744) wird ber Name bes Königs (Chilverich III.) 
ganz fortgelaffen und nur Karlmann als regnans bezeichnet). 

Sehr auffallend batirt eine Urkunde von a, 744 ober 745 nach 
ben 30. Todesjahr Dagobert III. (+ a. 715), ftatt nach dem bamals 


1) Hter {ft nun Diefer Ausdruck, Fürſt“ am Drt, für ben in ber altgermani- 
{hen Zeit neben König, Herzog (Oberfelbherr, wie Armin D. ©. I. a. ©. 225), 
Graf, Edler, Gefolgsherr keinerlei Platz ſich findet. 

2) ©. die hochbedeutſame Stelle bei Brohampert Breviar Ser. II. p. 328. 
oben &. 702. 3) So Stälin (B.) J. ©. 218. 

4) Karl Martell. Neugart 1. c. 9, Dagegen 11 a. 744 einfach sub Carlomanno 
majore domus 10. Sept. 

5) Nengart 1. o. 12. 

6) 1. c. regnante Carlomanno duce et Pebone oomite. 


7117 


lebenden Ehifperich III. (oter einem ber Zwiſchenkönige Chilperich II., 
Theuderich IV.)}). 

Sogar noch a. 751 werben im eigentlichen Frankenreich in Paris 
bie Urkunden nicht in Pippins, fondern nur in bes Könige Namen 
ansgeftellt 2). 

Unter Ludwig I. rechnen tie Urkunden in Alamannien zugleich 
nach feinen Raifer- und nach Karls IL. Rönigsjahren?). 

Ludwig ber Deutfche rechnet von a. 833 feine Regierung als 
König von Oftfranten t). 

Eine gewiſſe, aber doch nur entfernte Achnlichkeit mit bem ebe- 
maligen Verhältniß des Merovingenkönigs zum Alamannenherzog?) 
trat ein, feit die Karolinger, feit Karl I. und Ludwig J., einem ihrer 
Söhne mit oder ohne den Königsnamen Alamannien — in Unter: 
ordnung unter den Vater — zu ziemlich felbftftändiger Regierung über- 


1) 1. c. 14, die Datirung nach KRönigsiahren heit bier regnum notare; 
ebenfo 15; über bie angeblich verjchiebne Berechnung ber Regierung Pippins 1. co. 
20. p. 26. 

2) Annal. Puld. a. 751, Ser. I. p. 346, furz vor dem Statsftreich. Merkel, 
de re. p. 10, 11, flaunt, baß auch während ber Kriege gegen bie arnulfingiichen 
Hausmeier die alamanntichen Urkunden nicht nach Jahren ber Herzöge, ſondern 
des Königs (und der Hausmeier) rechten und fucht nach Gründen; allein wenigſtens 
die Notarii wollten ja keine Losreißung vom Frankenreich und auch bie Herzöge 
wentgftens bie Könige nicht verleugnen, nur größere Unabhängigkeit von ben 
Sausmelern. Biele Beifpiele bei Neugart und Zeuß, W. Merkel, der. p. 11. 
meint dann, bie Herzöge hätten bei ihren. Kämpfen gegen bie Arnulfingen von 
c. a. 690 bi8 748 Teineswegs bie Maffen des Volles hinter fich gehabt — bie 
Urkunden, d. h. die wenigen Notarien bes Lanbes rechneten ja flets nach ben 
Königsjahren, führt er hiefür an — das thun fie auch noch a. 751 tu Gallien: 
— aber mit welchen Waffen führten bie Herzoge dann dieſe Kämpfe faft 60 Jahre 
lang? — Deßhalb hätten fie die Kirchen, bie Geiflichen durch Vorrechte und Schen- 
tungen gewinnen wollen, bie daun Karl Martell wieder (zum Bortheil bes States) be 
feitigt habe. Aber der Sinn ber Zeit wandte ſolche Bergänftigungen überall 
den Kirchen zu, und Karl Martell Hat in Frankreich nicht minder als in Ala- 
mannien Kirchengut in Anfpruch genommen. 

3) So Reugart N. 247 a. 831 regnante Hludovico imperatore nostro 
anno XVIII Carolo vero anno III. 

4) ®gl. auch Annal. Fuld. a. 838. 

5) Eine plumpe Fälſchung iſt der Befehl Dagobert I. von a. 630 an Sigibert, 
ben »dux Alamanniae«, d. h. König von Auftrafien Mon. Germ. hist. Dipl. 
p. 6f., der Theillönig war nie zugleich Herzog. Unlogiſch If die Scheibung bei 
Cramer &. 1—287 und ©. 287--343, zwiſchen Konigszeit und Grafenzeit: Grafen 
bat e8 immer gegeben, unter dem Stammlönig vor a. A96, unter ben Herzögen 
a. 496 big a. 730: und nach den Herzögen. 


718 


wiefen. Doch greift 3. B. Ludwig ber Deutfche durch BPrivilegienver- 
leihung auch nach ver Verleihung bes Landes an feinen Sobn Karl IH. 
(a. 865) noch ein). 


3. Hohe Stellung bes Herzog8. 


Iſt nun aber auch der Herzog von a. 496—910 nie Souverain, 
auch a. 638— 730 nur ein (meift rebellifcher) Beamter des Souverains 
gewefen, jo war doch feine Stellung eine machtuolfe, glänzende, zu- 
mal ehrenreiche: er war jo eine Art BVicelönig?). 

Die Herzogichaft Heißt regnum: ber Sohn will dem Vater 
regnum auferre?). 

Einmal fteht nach der regia postestas bie »dogalis«, ducalis®): 
von beiden wird Antaftung der Schenkung bejorgt. 

Die Tönigliche Gewalt tritt in der L. Al. weniger hervor als 
in ber Lex Baj.°): das verichollene Königsgefeg ift zwar auch im 
jener benutt, aber umgearbeitet gemäß ber unabhängigen Stellung 
des alamannifchen Herzogs a. 717—719 unter Chlothachar IV. ®). 

Der Herzog beißt dominus wie ber König, feine Güter res 
dominicae’?). Er beißt dominus auch des volffreien Alamannen 8): 
beſonders beutlich bei dem Herzogsfrieden im Hof, auf dem Hin- und 
Rück⸗Weg zum und vom Derzog?). 

Der Herzog zählt (ſpäter) zu dem freilich fehr unbeftimmten Stand 
ber principes, er bat ben principatus feiner provincia. Aber bie 
Berfammlung feiner Vaſſen und Meinifterialen an feinem Hof wirb 


1) NReugart 468 a 873. 

2) „Unterlönigthum”, jagt Bruuner II. S. 159. 

3) ®gl. L. Baj. II. a. Ed. Roth. 163. Irrig aber läßt Paul D. IV. 37. 
eine Tangobarbin a. 620. einen rex Alam. heirathen; er nennt ja auch einen 
Baiernherzog rex. 

4) Test. Tellonis p. 17. 

5) Brunner, Königsgeſetz S. 942. 

6) Die Rechtsftellung des Herzogs behandeln bie Zitel 2343 des Geſetzes. 

7) L. 31, 32. p. 91. Herzogsgut, nicht Krongut. 

8) L. 27 (28). 

9) L. 28 (29) p. 88 ut unusquisque homo pacem habeat ad dominum 
suum veniendo et de illum revertendo. Der princeps regis L. 98. Cod. A. 
ift ohne Zweifel der Herzog; allein mit Recht vermuthet Waitz-⸗Lehmaun L. p. 157, 
baß bie Stelle ſich auf bie im ber Hanbfchrift nun folgende Lex Bajuv. bezicht. 


719 


reicher und genauer und in häufiger Anwendung erit in ber Folge⸗ 
zeit!) ausgeſtaltet. 

Die Herzoge von Alamannien, Elſaß, Baiern haben fich in der 
Zeit von a. 638—700 ven Titel viri inlustres — wie ibn bie 
Merowingen führten — beigelegt?). Die Bezeichnung ift?) wie bie 
Herzogswürbe von den Franken eingeführt‘). 

Der Befehl des Herzogs wie ter nieberen Beamten und bes 
Biſchofs Heißt Hier mandatam oder praeceptum, aber auch bannus, 
jussio3). 

Ungeborfam gegen einen unter Weberfendung bes Sigels (ober 
eines andern Zeichens) des Herzogs überfandten Befehl wirb (wie 
gegenüber dem Bifchof) mit 12 sol. gebüßt®). 

An Macht und zumal an Neichthum erreichte aber der alaman- 
nifche den baierifchen Herzog nicht”). 

Die berzogliche Pfalz) fteht unter erhöhten Frieden. Diefer 
Pfalzfrieve?) ift an Stelle des alten Dingfriebens 19) infofern und 
beshalb getreten, weil num vor dem Herzog an höchfter Stelle (ab- 
gefehen vom SKönigsgericht) Necht gefunden wird. Dies Herzogsgericht 
entfpricht im Kleinen dem fräntifchen Königsgericht 11): aber Berufung 
geht von jenem an biefes. 

Der Friede bes Herzogs-Palaftes ift ein räumlicher, er wirkt 
gegen alle denkbaren Verletzter. Todtſchlag am Hof des Herzogs 
wirb mit verbreifachtem Wergeld und einer Wette von AO (al.60) so- 


1) Für Alamannien am früheften unter Salomo von Conſtanz Trad. Bangall. 
II. p. 230. N. 621. a. 882. convenientia et consilio ex utroque loco (C. unb 
Sanct Gallen) fratrum ceterorumque fidelium nostrorum. 

2) Bol. Th. v. Sidel I. ©. 176. 

3) 3. 8. Neugart N. 6. a. 708. 

4) Godafridus dux (geft. a. 509) heißt vir illuster, wie bamals auch Grafen 
hießen. Neugart I. 6. Herzog Liutfrid im Elſaß (a. 734—739) nennt fich ſelbſt 
inluster vir, feine Gattin heißt ducissa Zeuß N. 10—12, 37. p. 18—26. 

5) L. 22 (23) p. 83. L. 28 (29) p. 87. 

6) L. 27 (28) p. 86. 

7) So treffend Stälin (B.) J. S. 95. 

8) L. 30, 33, 34. Scheuer &. 122. 

9) Schwerlich hatten ben auch ſchon die alten Ganksnige. 

10) Jede Verlegung bes Hoffriedens des Herzogs durch Kampf, Geſchrei, Zu- 
fammenlauf wirb breifsch gebüßt: ber Beranlaffer zahlt 60 sol., b. h. den Könige- 
baun L. 33. p. 90, wie curtis regis L. 30 (31) p. 89. curtis ducis 28 (29), 
aber nie [?] ꝓpalatium ducis. 

11) Ebenfo in Baiern. 


720 


lidi gebüßt?), ſchon Streitbeginn mit dem Friedensgeld von 40 solidi, 
Diebftahl?) mit doppelter Buße?) 

[Vaſſen des Herzogs werben in: veffen Umgebung porausgefekt*).] 

Der Herzogsfriede erfcheint auch als Weg- Friebe für den zum Herzog 
und von ihm Ziehenden®): bie Vermuthung liegt nabe, daß früher 
ber Weg zu und von bem- Ding in ähnlicher Weiſe befriedet war®). 

Jede Beſchädigung von Herzog (oder Biſchof) wird vreifach Höher 
als bei ihren adeligen Verwandten: alfo (3 >< 240 oder 3 >< 480. 
u. f. w.) geitraft ”). 

Die verbreifachte Buße berzoglicher Fahrhabe, auch bei Dieb- 
ftabl®), ift wohl ver ver Königsfahrhabe entlehnt. 

Das Friedensgeld fällt weg bei dreimal neunfachem Erfag ber 
Deube an Herzogsgut ?). 

Derlegungen von Frauen im Dienft bes Herzogs (in ministerio 
ducis), worunter Unfreie, Halbfreie, auch freie Colonae zu verftehen, 
werben dreifach fo hoch gebüßt als Verlegungen anderer (unfreier, 
balbfreier, freier) Aamanninen 19). 

Gewaffneter Weberfali und Beraubung!!) von Herzogsgnt (im 
ber Provinz) wird mit breifachem Erſatz des Geraubten (Unfreie, Geld) 


1) L. AL 28 (29). 

2) 33.1. o. 

3) 30 1. o. Haudſchriften ftellen dem Hof das publicum placitum, aubre 
ben exereitus gleich, vgl. Karl Lehmann, der Königefrtebe ber Rorbgermanen 1886. 
Das Gleiche gilt freilich won dem Weg zu unb von dem Grafen. Der Gof bes 
Königs (curtis regis) wirb ähnlich befrtebet (offenbar ein in Alamannien gelegeiter): 
bie Summen ſchwanken: breifacher Erfah und 60 'sol. bes Königsbannes find ſtatt 
Doppelerfates und 40 sol. Fredus anzunehmen: ftiehlt bier ein (frember) Knecht, 
hat deſſen Herr ibm auszulteferr oder mit dem Wertbgefb loszukaufen L c. 30 
(31) p. 89. 

4, T. 

5) L. A. 28. dreifache oompositio, ähnli das Langobarbenrecht Ed. Roth. 
17. 18. ut unusquisque homo pacem habeat ad dominum suum venuendo 
et de illum revertendo. 

6) D. G. I a. ©. 250f. 

T12. 

8) L. Al. 7. 31. 

9) L. 31 (32) p. 89 - 

10) L. 32 (33) p. 9. 

11) L. 34. p. 91. Dig, W. 8. IIb ſ. v. »tala«. vgl. 8. Ribnar 64. 





721 


und dem Wergeld gebüßt: aber au alle freien Gehilfen) haben 
außer dem breifachen Erſatz den Königsbann von 60 sol. dem Herzog 
zu zahlen. 

Mordanichlag auf einen vom Berzog Emtfendeten wird mit dem 
breifachen Wergeld des Standes gebüßt?). 

Schon ber Plan, den Herzog zu ermorben, wird mit dem Tode 
bedroht: doch Tann ber Herzog und (oder: aut) vie Edeln Loskauf ver- 
ftatten: der Unſchuldseid ift mit 12 Eidhelfern (nomimati) in der Kirche 
vor dem Herzog ober beffen Bertreter (missus) zu leiften?). 

Das Wergeld bes Herzog6 zur Zeit ver Lex muß mehr ale 
500 sol. betragen haben: benn es ift gleich dem des Bifchofst), 
biefes aber muß 600 sol., das Wergeld bes einfachen Pfarrers (pres- 
byter parochianus), überftiegen habend).. Auch mit fehwerften geift- 
lichen Strafen (Anathem, Tebenslänglicher Buße) wird fehon ver DVer- 
ſuch der imhidelitas bebroht®). 


4. Berpflichtungen gegen ben König”). 


Unerachtet biefer hohen Stellung ift der Herzog Unterthan und 
Beamter (— aber nicht Bafall wie Taffilo —) des Königs und fchultet 
ihm bie Unterthanen- und Beamten- Treue, bie eine Steigerung ber 
eriten ift®), alio Gehorſam für feine Befehle: er muß „veilen Nuten 
ſchaffen“ „as heißt“ (wohl vor Allem, aber nicht nur) das Heer 
führen, das Streitroß befteigen): das tft ungefähr ver Inhalt ber 
Trenepflicht auch bes fränfifchen Unterthans gegen ven König: aber 
von einem Treueid des Herzogs 10) werlautet nichts. 


1) L. 34. p. 91. quanti eum secuti sunt: das ſind nicht Gefolgen im 
Sinne des Tacitus wie Wilda S. 612. 

2) T. 29, 30. Aehnlich ber fränfifche Graf VII. 2. S. 97. 

3) L. 22 (23) p. 84. 

4 L. Alam. 11. 

5) So ſcharfſinnig Brunner I. &. 250. f. freilich 1. c. 11, 1. 

6) Cc. Altheim a. 916. o. 19-21. 

7) 8. Sidel (zu L. Al. 1, s. II. 9. 35) &. 468. 

8) Könige VII. 3. S. 31f. Mühlbacher, die Treupflicht in den Urkunden 
Karls des Großen. Mittheil. d. Inftituts f. öfterr. Geh. Ergänzungsband VI. 

9) „Den Nuten bes Königs fürbern”, wirb ungeſchickt wieberholt T. 35; 
zur Auslegung dienen bie entiprechenben Verpflichtungen bes batertfchen Herzogs II. 
9, 10, 20: f. Batern. 

10) VII. 3. &. 392f. VIII. 6. ©. 21. 

Dahn, Könige der Germanen. IX 1. 46 


722 


Verfluchung der Einbrecher gegenüber dem König bezweckt auch 
firchlihe Einfchärfung der Treue !). 

Wie ter Herzog dominus gegenüber den Alamannen, beißt ver 
König dominus (suus) gegenüber dem Herzog?). Der König, nicht 
ber Herzog, heißt — nad) der römischen Vorlage — princeps in ter 
L. R. Rh.). 

Nur Weniges fagen die Quellen fonft über das Rechtsverhält⸗ 
niß des Herzogs zum Sönigt). 

Einen Maßſtab für Abfchägung bes Anſehens des Einen und 
bes Andern gewährt bie Beftimmung, daß ‘Diebjtahl in einem vom 
König aufgebotenen Alamannenheer vreifach jo fchwer gebüßt wirb wie 
der in einem bom Herzog aufgebotenen verübte®). 

Ohne Zweifel war der Herzog — ber Lehre nach — verpflichtet, 
ber Ladung des Königs auch zu einem Neiche- oder Hof-Tag außer 
Alamanniens zu folgen: aber wir haben für Alamannien nicht wie 
für Baiern (Taffilo) Beifpiele. Uebrigens ſchwankte der Begriff von 
Neichs- und Provincial-Verfammlung gar jehr ®). 

König Sigibert ertheilte (— angeblih! —) Herzog Kunzo „Befehle“ 7); 
auch damals iſt alfo der König als Oberherr gebacht. 

Daß aber der König je zugleich als Landesherzog galt, ift nicht 
anzunehmen?®). 

Die Unbeftimmtheit der Abgränzung der Rechte des Königs und 
bes Herzogs brüdt fich wohl auch darin aus, daß der Eine „oder“ ber 
Andere al8 berechtigt, ein Strafgeld einzuzuziehen, bezeichnet wird®); 
ebenfo werben ein anbermal Herzog und Graf mit einem „oder“ neben 
einander gejtellt19). 


1) Cc. Alth. p. 55f. o. 19, 20. 

2) L. 35. p. 9. 3) 0. XI. 8. 

4) Der pactus gejchweigt be3 Königs wie des Herzogs: freilich find nur 
5 Bruchftüde enthalten. Vom Herzog begegnet in ber L. R. nicht bie geringfte Spur; 
ihr princeps iſt = bem römiſchen Imperator ber Borlage und dem Franlenkönig: rex; 
dies Schweigen weift auch auf bie Zeit nach Verſchwinden ber Herzogſchaft, alſo 
nach a. 746. 

5) L. 26. Cod. A. 27. Cod. B. 

6) Vgl. Waitz⸗Seeliger VL ©. 442, 448. 

7) v. St. Galli Ser. IL 12. 

8) Auch nicht zu folgern aus ber Lesart Des Cod. B. zum Prolog: Lodhransi 
(sic) rex, dux Alamannorum. 

9) L. 11 (12) p. 77. 

10) 1. c. 17 (18) p. 80. 


123 


5, Folge in das Hergogthumi). 


Zu biefer politifch und ftatsrechtlich beveutfamften Trage laffen 
uns bie Quellen leiver am fchlimmiten im Stich). 

Es gilt, die Wahrheit zu ermitteln, indem mir unfere (geringe) 
Kenntniß von ven thatſächlichen Vorgängen mit unferen recht8- 
grundfäglichen Ergebniffen?) über das Weſen dieſes Herzogthume 
in Einflang bringen. 

Wir fahen: der Herzog ift Beamter, aber nicht bloß Beamter 
wie ein galliicher dux?), zugleich Stammesfürft aus eingeborner Sippe. 
Aus diefem Zwiefachen ergeben fich zwiefache Wolgerungen. ‘Der 
Herzog ift Tönigliher Beamter: alfo Tann er nicht ohne, gegen ven 
Willen des Königs (rechtmäßiger) Herzog fein: der König fcheint ihn 
nicht allein hanbelnd ernannt zu haben, er mochte ihn ftillfchweigend 
anerkennen oder den fonftwie beftimmten ausdrücklich beftätigen: keines⸗ 
wegs konnte biefer Beamte Beamter fein gegen bes Königs Willen: 
(f. oben S. 700 Uncilen).. Daher Tann ber König ben Herzog wie 
jeven Beamten abjegen. So Liutfried, Uncilen: over gar nicht an⸗ 
erfennen: fo Berthold (?) Theutbald, Rantfriv II. 

Andrerfeits ift der Herzog Stammesfürft: daher ift die Amts- 
bobeit ihm gegenüber befchränft: ver König kann nicht einen DBeliebigen, 
3. B. einen Franken, zum Herzog ernennen: vielmehr fcheint er für bie 
Regel, wie bei ven Agtlolfingen, an Ein Gefchlecht gebunden. Ein Wahl- 
recht des Stammes innerhalb diefes Geſchlechts tritt nirgend hervor: aber 
auch nicht eine Folgeordnung, etwa Erftgeburt5): wielmehr jcheint bie 


1) W. Sidel a. a. O. (zu L. Al. 35) ©. 410, 479. 

2) Beraltet ift bie Darftellung ber Berfaffung in dem fonft fo hochverbienftlichen 
Bert von Stälin V.: fo, wenn er ben Herzog auch König nennt und von bem 
„gemeinfamen Oberführer”, b. 5. eben dem Herzog unterfcheibet L ©. 157, 225, 
verfehlt daher auch die Ausführung über Wahl oder Erblichleit der Herzogs» ober 
Könige Würde ©. 158, vgl. v. Sybel? 344. Ueber das Zuſammenwirken von Erb- 
anfprudh des Geſchlechts, Ernennung ober doch Beflätigung durch den König, 
Wahl oder doch Anerkennung durch den Stamm bei Beftellung des (bairifchen) 
Herzogs in fräntifcher Zeit, Waitz VII. S. 114 und unter „Batern“; über bie bes 
Alamanniſchen (in Ulm) im XI. Jabrhundert S. 117. Weber Empörung eines 
Serzogfohnes gegen feinen Bater richtig Brunner, Berliner Sig.-Ber. XXXIX. 1901. 
©. auch Waitz, Abhandl. ©. 350 gegen Merkel L. B. p. 228. 

3) ©. oben ©. T13f. 

4) Anders freilich der von Aquitanien, ber fich ben rechtsrheiniichen nähert, 
Urgeſch. III. 

5) Brunner I. ©. 311 fagt nur, die Herzogjchaft wererbt vom Vater auf den 
Sohn. 


46* 


1724 


Folge von Fall zu Fall im Wege ber Uebereinkunft unter ben &efippen 
beftimmt worden zu fein, bie dann burch ten König (und ven Stamm??) 
ſtillſchweigend, vom König vielleicht ausdrücklich beftätigt wart. 

Genaueres läßt fih mit Beftimmtheit nicht fagen: gegen eine 
burh Tamilienrecht geregelte Folge ſpricht — abgefehen von dem 
Mangel einer folchen auch bei den Baiern, bei denen bie Franken 
wieberbolt eingriffen, ben Erbftreit zu fehlichten — das unverfennbare 
Wirrfal, das bei ben Gotefrivingen, nach Gotefrids Tod, eingetreten 
ift (f. oben ©. 703); auch Erbtbeilung fcheint nicht ganz ausgefchlefien 
(Berthold, Theutbalo), freilich ohne Anerkennung von Seite ver Franken. 

Mefjen wir nun an biefen begrifflichen Ergebniffen vie über- 
lieferten Thatſachen. 

Liuthari und Bukilin, was fie auch waren, Herzöge ober bloße 
Telpberren, bat zweifellos ber Meroving ernannt. Liuthari und Uncilen 
werben ein⸗ und abgejegt; irgend welche Mitwirkung ber Könige kei 
Gotefrids und feiner Gefippen Erhebung ift unbezeugt: boch werben 
Berthold, Theutbald, Lantfrid II. nicht anerkannt. 

Zwei anerlannte Herzöge nebeneinanver im rechtörheinifchen 
Alamannien (abgefehen von dem elſäſſiſchen neben Einem rechtörheini- 
ſchen) kommen nicht vor. Doch fcheint das Gefeg in ber gleich zu 
erörternden Hauptftelle über die Frage!) fie nicht ganz auszuſchließen, 
ba es Theilung der „Erbichaft” — freilich „gemäß dem Willen tes 
Könige” — zuläßt?). 

Leider fchweigen die Quellen gänzlich won ber Hauptſache, d. b. 
ber regelmäßigen unb frieblichen Folge in das Herzogthum bei 
Tod oder Abdankung des Herzogs: nur ben Einen Fall, daß ſich ein 
Sohn bei Lebzeiten bes Vaters mit Gewalt bes Herzogthums anzu⸗ 
maßen verjucht, wird erörtert und hierüber folgentermaßen entfchieben?). 
Hat ber Herzog einen wiberjpänftigen (contumscem) unb höfen 
Sohn, jo daß ber gegen ben Bater fich zu empören frevellare) trachtet, 
aus Thorbeit und auf Rath böfer Wienfchen, welche die Provinz zer- 
rütten (dissipare) wollen, und erhebt er fich feindlich wiber feinen 
Bater, während biefer noch rüftig (potens) ift und den Vortheil des 
Königs wirken (utilitatem regis facere), das Heer führen, das Roß 


1) 86, 2. 

2) Sie findet auch in Baiern flatt, Urgefh. IV. ©. 125, fogar unter bei 
ober vier Brüdern. 

3) L. 35. p- 92. 





125 


befteigen ann!), und ber Sohn will ihn entehren (diehonorare). und 
fein Neih (regnum, vom Gerzog!) durch Raub einnehmen, — fo 
ſoll ex nicht erreichen, was ex erftrebt. Sondern, bat ihn ver Vater 
befiegt und ergreifen können, ſoll es in des Baters Gewalt ftehen, 
ihn aus der Provinz (Mamannien) zu verbannen oder ihn zu fchiden, 
wohin er will oder dem König, feinem, des Herzogs, Herrn. Und von 
bem väterlichen Erbe joll nichts an ihn gelangen, weil ev Unrecht gethan 
wider feinen Vater. Und hat er Brüder, follem dieſe unter ein- 
ander nach dem Willen des Königs das Erbe ihres Baters 
theilen, aber jenem, ver fich gegen ven Vater empört Bat, fallen fie 
nicht (untereinander) einen Theil geben. Und find es wicht mehr Söhne 
als jener Eine, ber fih empoͤrte, daun foll jenes Erbe, das der Herzog 
gehakt bat, nach beiten Ton in ber Gewalt des Königs fein, wen er 
ed geben will (dann alfo auch einem Nicht-Alamannen), entweber 
jenem Sohn bed Herzogs, der fich empörte, wenn ber ſpäter bies 
burch Dienfte zu deu Füßen bes Königs verbient hat (si post hoc 
per servitio hoc ad pedis regis comquisivit), ober ob er es einem 
Andern geben will: denn das fteht im „des Könige Macht”. Gar 
Manches ehrt, aber manches auch läßt höchſtens zu ratben vie in» 
baltreiche Stelle. | 

Einzelne Wendungen, bejtimmte Berausfegungen (3. B. consilium 
malorum hominum, qui volunt dissipare provinciam) legen ben 
Gedanken nabe, das Geſetz ſei mit Bezug auf einen beftisumten Vor⸗ 
gang verfaßt: — wir wiſſen freilich nichts von einer ſolchen Empörung, 
aber wir wiſſen even überhaupt fehr wenig von ben Vorgängen im 
alamannifchen Herzogshaus! 2) 

Recht ungeſchickt if bie Faſſung ter Vorausjeung der Rüftig- 
keit de& Herzogs: fie ſoll natürlich nicht jagen (was fie zu fagen 
fcheint), die Empörung eines Sohnes gegen einen nicht mehr räftigen?) 
Vater jet verftattet. Vielmehr liegt hier ver Gedauke zu Grunde, daß 
in folchem Wall ver König vom fich aus einen Vertreter — etwa aus 
ven Söhnen — beftellen ſoll, vielleicht auch auf pietätvollen Antrag 
ker Söhme. 

Hochbedentſam ift nun aber bie ſtarle, theils in wechleluten 
Wendungen, theils fogar einzel in benfelben Worten wiererholte 


1) Ungeſchickt wieberholt: utilitatem regis implere. 


2) Bielteiche gaben bie Theiluugewirren ia Baisın ia. 720 $) den Anlaß. 
3) Bgl. Baiern. 


726 


Einfhärfung, — das ift der Inhalt ber allgemeinen Untertbanen- 
— Treupflicht!) — daß oberfte Pflicht des Herzogs ift, dem Nutzen bes 
Königs (utilitatem regis facere, implere) zu dienen, vor Allem in 
ver Erfüllung ver Wehrpflicht, in Befolgung bes königlichen Heer- 
bannes, dem Wortfinn bes »heri-togo« gemäß: und zwar muß ber 
Herzog noch fattelfähig fein. 

Die Gerichtsgewalt über den gefangenen Empörer übt zunädft 
nicht der König, fondern der unmittelbar verlegte, der nächfte Träger 
ber Gerichtshoheit in ber Provinz, ber Herzog felbft: er bat vie Wahl 
unter mehreren Strafarten: d. b. mwenigftens unter mehreren Arten 
von FreiheitSbefchränfungen?): 1) Ausmweifung aus Alamannien (ohne 
Einbannung an einem anslänbifchen Ort) oder 2) Einbannung in 
Alamannien over 3) im Ausland oder 4) Auslieferung an den König, 
feinen b. b. des Herzogs (wie be8 Empörers) Herrn (domino suo) 
als den übergeorpneten Gerichtöherrn: auch biefer ift verlegt in feiner 
Amtshoheit durch Erhebung wider den von ihm eingefegten (ober doch 
anerfannten) Herzog, in feinem SKönigsfrieven durch Zerrüttung ber 
Provinz mit den Waffen. Allein willfürliche Beftrafung burch ben 
König, 3. B. Tobesftrafe, ſcheint dabei doch wohl zunächit ausgefchloffen: 
freilich Tönnte ver Fall, als infidelitas betrachtet), dazu führen: 
vielleicht fchwebt Einbannung durch den König vor: aber auch biefe 
iſt feineswegs nothwendig: denn es wirb vorausgefekt, ver Empörer 
kann fi durch Dienfte für den König, die er doch nur in Freiheit 
leiften Tann, fpäter eine Art Begnadigung (von der Enterbung) er» 
werben. Schärfer als fonft meift im Geſetz tritt hier nach Form 
(utilitas regis, domino, servitio ad pedes regis) und Inhalt (Be- 
gnadigung) die Macht des Könige im Alamannenland berbor. 

Als weitere Strafe erjcheint die Enterbung, ber völlige Ausſchluß 
bes Empörers von dem Erbe des Vaters durch feine Brüder: unter 
ber hereditas iſt nun aber wohl nicht nur ter privatrechtliche Nach» 
laß, ift auch die Herzogfchaft zu verftehen: denn ver Vermögens» 
nachlaß würde Doch wohl durch vie Brüder allein — ohne Zuzie⸗ 
bung des Könige — getbeilt werben: es heißt aber das Erbe wirb 
unter ihnen getbeilt „gemäß tem Willen des Königs” (>»per vo- 
luntatem regis«: das feßt doch wahrfcheinlich die Theilung ber Her- 
zogfchaft voraus (f. oben): Teinesfalis foll der Empörer einen Theil 

1) ©. oben ©. 721. 


2) Stillſchweigend ansgeichloffen ift Tobesftrafe, Berfämmelung, Geißelung. 
3) Könige VIII. 2. ©. 159. 


127 


erhalten. War er ber einzige Sohn, foll bei tem Tode bes Vaters 
das Erbe (b. h. Eigen), das biefer hatte, nicht an jenen Sohn, fondern 
an ten König fallen, (was boch auch wohl die Herzogfchaft einbegreift), 
ber dies Angefallne geben Tann, wem er will, auch jenem Empörer, 
falls biefer fpäter fih im Dienft (und) zu Füßen des Königs!) das 
verdient hat. 

Allerdings erheben fich jedoch ſtarke Bedenken gegen bie Ausbeh- 
nung bes Ausdrucks hereditas auf die Herrichaft: einmal, daß jebes 
bie Herzogswürde zweifellos bezeichnende Wort (ducatus, provincia, 
terra) fehlt, dann, daß bier eine Theilung ber Herzogfchaft, unter ben 
Brüdern vorausgefegt wird, während wir regelmäßig nur je Einen 
— anerkannten — Herzog von ganz Alamannien (abgefehen vem 
Elfaß) kennen. Die Entſcheidung bleibt zweifelig. 

Und ba es. fih um einen (feltnen) Ausnahmefall handelt, erfahren 
wir aus ber Stelle leider nicht, in welcher Weife regelmäßig bie 
Folge in die Herzogfchaft gefchah. Zwar, daß das Necht Ähnlich wie 
bei dem altgermanifchen Königthum an dem ganzen Mannsſtamm bes 
Geſchlechts haftete, ſcheint wenigftens in ber Sippe Gotefribs feft 
zu ftehen: wir wiflen, daß, folange das Herzogthum beftand, tie Herzoge 
meiit Glieder des Gefchlechts Gotefrids waren (abgefehen vom Elfaß): 
allein wir wifjen nicht, ob ein Folgefyften, etwa Erftgeburt2), beftanp: 
höchft wahrfcheinlich nicht: vielmehr mag Wahl durch Adel und Volk 
auf einer Landesverſammlung, etwa nach dem Vorfchlag bes letzten 
Herzogs oder Erbvertrag unter ben Gefippen [wie in Baiern], ent- 
ſchieden haben. 

Und ebenjo wenig wifjen wir von bem Recht des Königs hiebei: 
urfprünglid — unter Chlodovech — war nach dem Tall des leiten 
Königs in der Schlacht gewiß vom Frankenkönig ber erite Herzog 
beitelit worden, ob mit Erbanfprüchen der Sippe, fteht dahin: bald aber 
trat thatfächlich Vererbung ein (f. oben S. 103). Ob jedoch ber (vom 
Bater vorgefchlagne), vom Volk oder von den andern Geſippen Gewählte 
ber Beftätigung durch ben König beburfte, wiffen wir nicht: bie in 
unjerer Stelle vorbehaltene Zuftimmung des Königs zu ber Theilung 
beweift nicht viel, da doch zweifelhaft, ob auch bie Herzogichaft unter 


1) Nach andrer Lesart ift das fo zum verſtehen, daß er ben König fußfällig 
darum bitten foll: dum se ad pedes regis objeoit: — aber doch wohl auch nur 
nach früherem servicium. 

2) So, ſcheint es, Stälin (8.) I ©. 96. 


128 


»hereditas« zu verftehen und (anerlauste) Theilung — abgefehen 
vom Elſaß — nie ficher bezeugt ift. 

Daß MHamannenherzöge vom König wegen infidelitas entjeßt 
und dann durch Nachfolger aus audrem Gefchlecht eriekt werden, be⸗ 
gegnet wiederholt. So Lintfrid a. 588, erjeßt durch Uncilent), tiefer 
entfegt und jchwer geftraft a. 6072). Theutbald wird (vielleicht) durch 
Karlmann a. 745 hingerichtet (7): jebesfalls abgefekt?) wirb, ober 
vielmehr wie auerlannt, von Pippin a. 748 der legte Alamannen- 
herzog des Karolingenzeit Lantfrid (EI.)*). 


B. Vie einzelnen Hoheitsrechte 5). 
1. Geſetzgebungs⸗ und Verordnungs Hoheits). 


In ter Unterſuchung Über die Abgränzung ber. Rechte zwiſchen 
König und Herzog verfahren wir methobifch, indem wir im Einzelnen 
vergleichen, welche Hoheitsrechte dem Franken), welche vem Alamasıen 
zufteher und in welcher Ausdehnung over Beichränfung dem Ginen 
und dem Anbern. 

Selbftverftännlich gelten vie vom König für das ganze Reich 
gälttg erlafinen Normen — Verordnungen wie &efege?) — auch für 
Alamannien. 

Ob anf einem folche Beſchlüſſe faſſenden Reichstag auch Ala⸗ 
mannen anweſend waren, — was oft bezeugt wird — iſt daher gleich“ 
gültig. 

Neichsrecht bricht Stammesrecht, auch den Pactus und bie Lex: 


1) Fredig. Urgeſch. III. 

2) Frebig. Urgeſch. LIE. 

3) Fredig. Urgeſch. IH. 

4) Annal. Lauriss. a. 748 Urgeſch. III; auch Merkel, de rep. 11 erflärt 
für unbefimmbar bie Art ber Herzogsfolge ſWahl, Erbgang, konigliche Ein⸗ 
fegung, bie Ausdehnung ihrer Macht rechts vom Rhein (warum etwa nur über 
das ſpäter Zähringerſche Land ?), Zahl der gleichzeitigen]. Dagegen meint er irrig, 
ihre Rechte im Krieg ober auch im Frieden fetes nicht feftzuftellen: gerabe bies IR 
Aufgabe fatsrecht@geichichtlicher Forſchung, und fie iſt — größtentheils — aud 
Iösbar, |. unten. 

5) W. Sidel ©. 430. 

6) Richtiges noch ale bie ambern Sobeidgredkte, aber auch vielfach irrig, ſtellt 
Bornhak ©. 192 die Geſetzgebung bes Herzogt bar. 

7) Hierbei ift wie der König ftetS auch der Hausmeier gemeint. 

8) Könige VII. 1. S. 31f. VII. 3. ©. ıf. 


129 


— der Lehre nach: von c. a. 640700 und a. 746 freilich nicht 
immer durchführbar. 

Auch eine alamannifche Stammesverfammlung konnte ber König 
(in Alamannien) berufen und leiten in Anmwefenheit oder Abwejenheit 
bes Herzogs und hier Stammesrecht ändern laffen. 

Eine folche Heeres (und Gerichts⸗ Verſammlung bat Karlmann 
(a. 746) mach Cannftabt einberufen !). 

Da ber König das Stammesheer aufzubieten Hat2), muß er auch 
(wie der Herzog) tie Stammesverjanmlung, die mit dem Volksheer 
Eins, berufen Tönnen?). 

In ſochen Berfammlungen beräth aber der König mit ven prin- 
cipes auch über Nechts- (und Verwaltungs) Tragen t). 

Diefe alamanniſche Stammesverfamnilung kam, wie e8 jcheint, 
nach der Befeitigung der Stammesherzöge ab. Sie war wohl wie bie 
fränkiſche und bie langobardiſche eine Märzverfanumnlung5) gewejen®). 
Diefe Uebereinftinnmung wird mit Recht als altgermanifchen Urjprungs 
gedacht”) und ohne Zweifel?) — wie bie gleichzeitigen?) Ehrenabgaben 
bemweifen — auf ein Frühlings⸗Opfer⸗Feſt zurüdgeführt 10). 

Regelmäßig beruft die Stammesverfammlung der Herzog 11). 

Mani) vermuthet, dieſe Lanvesverfammlung habe jährlich am 
rt. März ftattgefunden, weil vie Verjährungsfriſt einmal?) nach drei 
erften des März berechuet wird. Mit dem fränkiſchen Märzfelb 
ift das nur zufammenzubringen, denkt man am eine fränkiſche Reichs⸗ 
verfommlung, wie ja auch bie entiprechende Stelle im Deeretum 
Tassilonis 14) ante regem heifügt. 


1) Oben S. 705. 

2) ©. die Beifpiele unter „Heerbaun”. oben ©. 272. 

3) Bgl. L. 37, 3. 

4) Urk. Wyß N. 43. p. 41 [ob aber edht?]. 

5) L. Alam. 17, 2 nes in poplico mallo transactäs tres habendas Martias. 

6) Hegel I. S. 449. 

7) So Bruuner I. ©. 129. gegen Sohm. 

8) VII. 2. 

9) Ostax-stuofa, oben ©. 598. 

16) Dahn, Bavaria I. 1860. S. 370. Walhall 9. Aufl. 1889. ©. 139. 

11) L. Al. 41, 3; fehr mit Unrecht beftreitet Ufinger ©. 405 vom Herzog 
in Alamannien berufene Landes und Stünde⸗Berſammlungen. 

12) Waig Ob ©. 179. Merkel 1. c. Sfrörer. 1. ©, 120. 

13) 18, 2. Lehmann p. 86. 

19 c. 12. 


730 


Das Gerichtsjahr begann mit ber erften Woche nad Oftern!). 

Dagegen bie von Biſchof Salomo berufene?) ift nicht Provin⸗ 
ctalverfammlung®), umfaßt nur (vie principes, d. h. die Großen von) 
Thurgau, Linzgau und Rhätien. 

Der Herzog übt hier auf Stammesverfammlungen (auch wohl Land⸗ 
tagen einzelner Gebietstheile eine befchräntte Geſetzgebungsgewalt aus}, 
beräth in beiven mit den Geiftlichen und weltlichen Großen) und fekt 
mit ihnen und ben Freien Landrecht (Stammesrecht)®), das ber Be⸗ 
ftätigung durch den König nicht bedarf, aber felbftverftäntlich ge- 
bietendes ober verbietendes Neichsrecht nicht bricht: der Herzog hätte 
zum Beifpiel nicht durch Stammesgefeg das Heidenthum wieder ein- 
jühren Tönnen. 

Daß vor der Srantenherrfchaft eine allgemeine Landesverſammlung 
aller alamannifchen Gaue von jeher ftattgefunden Habe, ift ungewiß, 
nur etwa für Opferverfammlungen anzunehmen: bier mochte dann 
freilich auch über gemeinfame Kriegführung befchloffen, ein Oberfelt- 
herr, „Herzog“ in dieſem Sinn erforen werben ®). 

Hat der dann fpäter gegen Chlodovech gefallene König alle Ala- 
mannen beherrſcht, fo ift auch eine allgemeine Verſammlung zu ver- 
muthen, welche dann auch unter den Merovingen fortbeftan. 

Andernfalls ift aber auch fügfich denkbar, daß erft feit c. 660 
ber thatfächlich unabhängig gewordene Alamannenherzog jolche Landes⸗ 
verfammlung feines werdenden Fürftenthums einrichtete — Eine ſolche 
aus dieſer Zeit ift beſtimmt bezeugt”) — welche dann auch die Arntıl« 
finger — nun aber zu Zwecken ber fräntifchen Oberherrihaft — 
duldeten 8). 


1) Köntge VIII. 4. ©. 94. 

2) Trad. Sang. II. p. 282. N. 680. 

3) Wie Wait VII ©. 129. 

4) Der Herzog beruft bie principes feines vandes zu einer Verſammlung 
v. St. Galli Scr. II. p. 12. 

5) quia sic convenit duci et omni populo in publico concilio (al. judicio): 
banıt Leg. III. p. 84 oonvenit .. majoribus nato populo Alamannorum una 
cum duci eorum Lanfrido vel citerorum populo adunato, mit bem äbrigen 
Boll. L. Al. 37f. post conventum nostrum (= regis) quod conplacuit cunctis 
Alamannis. L. 17 (18) p. 80. 

6) S. Urgeſchichte II. ©. 285. III. 

7) Lehmann p. 62, p. 63. 

8) 41, 3. quia sic convenit duei et omni populo in publico coneilio; 
gegen bie falfche Lefung bei Merkel judiei ftatt duei und in concilio ſchon Waitz 


731 


So fagt das Geſetz: „weil es alfo gefiel dem Herzog und allem 
Bolt in offnem Ding“: alfo war Alles Volt vor dem Herzog in einem 
Ding geſchart, nicht in allen Hunbertichaftspingen hintereinander warb 
basfelbe beſchloſſen. Ebenfo Heißt es: „nach unferer Ueberein- (Zu⸗ 
fammen- ?)funft, wie fie allen Alamannen gefiel“), wobei es für 
biefe Frage gleichgiltig, ob noster auf den Herzog?) oder auf ven 
König?) zielt. 

Der Herzog hat aber auch das Recht, auf jeder Gau- oder auch 
Hundertſchafts⸗Verſammlung zu erfcheinen (und dann ven Vorfig zu 
übernehmen?) ). 

Führt er einen Befehl des Königs durch eignen Befehl aus®); 
hat in Unterorbnung unter ben Bann des Königs auch er felbft ein 
Befehlsrecht. 

König Sigibert III. „befiehlt“ Herzog Kunzo, Sanct Gallus 
bauen zu laffen ®). 


2. Amtshoheit. 


Der König übt die Amtshoheit in wichtigfter Anwenbung: er er- 
nennt ober beftätigt oder anerkennt doch, er verwirft oder entjet ben 


Herzog. 

Er ernennt (oder beftätigt doch) auch vie Biſchöfe, die auch ale 
Staatsbeamte verwendet werden”). 

Aber unter dem König übt auch ver Herzog bie Amtshoheit in 
zahlreichen Beftätigungen: er ernennt, im Einvernehmen mit dem Boll, 
die Gentenare 3). 


Sötting. Nachrichten 1869. N. 14, richtig jetzt Lehmann; vgl. Brunner Sik.-Ber. . 
&. 167, 168. Beweis der karolingiſchen Zeit 1866. ©. 50. 

1) 37, 3. 

2) v. Roth. 

3) Mertel ad h. 1. Wait II. 6. S. 179 a. ©. 122. 

4) l. c. nec ante duce nec ante comite nec in publico mallo: e8 ift doch 
wohl nur ungefdhidter Ansbrud, wenn bier fcheinbar bas Handeln vor Herzog 
ober Graf bem vor Gericht entgegengefeßt wird. Nicht nothwendig folgt Daraus 
(hierans dann Tassilo deer. Niuh. c. 10. Leg. III. p. 466), daß ante comite 
eine Berfammlung flattgefunben babe bes ganzen Gaues, verſchieden won bem 
poplicus mallus ber Sunbertfchaft vor bem judex == centenar: vgl. 36, 3. 

5) So- treffend auch Brunner Königsgefeh S. 935. 

6) Vita St. Galli p. 12; f. aber oben ©. 594. 

7) ©. oben ©. 624. 

8) L. Al. 41, 1 a duce convencionem populi judex constitutus, „nach⸗ 
dem er als unbeftechlich und wahrhaftig erfunden worben“. 


732 


Der Richter, weil vom Herzog — nicht vom König — beftellt, 
beißt judex ducis!). 

Die Amtshoheit des Herzogs wird bei ben Richterbeamten ftreng 
gewahrt: „niemand nehme fich heraus, Nechtöftreite zu entſcheiden, 
ber nicht vom Herzog?) (mit Zuſtimmung bes Volles [per conven- 
tionem populi]), zum Richter beftellt ift, auf daß er Nechtsftreite 
richte:” es Handelt fich um ven Grafen und ten Gentenar, vielleicht 
auch um ven oft genannten Vertreter (missus) bes Grafen im Ge 
richt: es entjpricht das bei dem Gentenar ber auch bei ben Franken 
in fpäterer Zeit üblichen?) Wahl des Volles, Beftätigung durch ben 
König oder deſſen Grafen. 

Denn der Herzog ernennt auch bie wichtigften Beamten in Lan +), 
bie Grafen. Dieſes Recht des Herzogs mag wohl barauf zurüdgehn, 
daß es bie Merowingen a. 496 auf ber von ihnen als Nachfolger 
bes Alamannenlönigs eingefettten Herzog übertrugen >). 

Thatfächlich wählt der Herzog wohl meist zu Grafen Glieder 
der vornehmen Geſchlechter. 

So aus dem alten, gar mächtig gehliebnem Haufe ber Gote⸗ 
fridinge ®). 

Der Herzog empfängt vom König den Bann mit der Herzagichaft 
zufammen und zwar von Rechtswegen: daher kann ihn ben Herzog ohne 
befontere Ermächtigung ſeinerſeits anf Anbere, feine Grafen, Bögte 
übertragen. 

Doch konnte ber Herzog zu Zeiten Königlicher Machtftärke einen 


1) L. 82 (ober Badd. 18. 
2) Nur Eine Handſchrift bat fülihli a comite ſtatt a duce von L. Al. 
. 101. 
i 3) ®gi. VIII. 2. ©. 103. VI. 2. &. 126. Ermennung bes Grafen nicht 
durch den König, durch ben Herzog: nehmen auch Vornhak, das Stammesherzog- 
tum im fränftigen Reich, Yorfh. XXII. 186% W. Sidel, Histor. L. LIL 
1864 und Weller I. ©. 346 an (biefer meint, meiſt aus der Familie). 

4) Waitz VII. S. 8 dent wohl nicht am Mamanuten. Ueber bie fpätere 
(unter Herzog Ernſt/ Stellung ber Grafen zu dem Herzog. Wais VII. ©. 155 f.; 
in Churrhuͤtien. 

5) Ueber ben Zuſammenhang der Grafen im ber Bar noch im X Jahr 
Hundert (Erchanger und Berthold, Neffen der HSatſerin Micharbis, Dümmler IL 
©. 578), mit dem alten Herzoghaus, Baumaun, Württemberg BVierteljahrthefte L 
S. 27. 


6) lieber die Rechte be& Königs gegenlber dem Grafen, WUuzdharbt, Gau⸗ 
verhältnifle, ©. 15. 


133 


Grafen gegen den Willen des Königs (ober Hansmeiers) nicht ein- 
feßen und biefer die vom Herzog (wie bie von ihm felbft in Gallien) 
eingejetten, abfjegen!). 

Der Herzog hat fie auch zu überwachen, zu entjegen. 

Sp ten aus Beſtechung, Haß oder Furcht wider das Recht ur- 
theifenden Richter mit bem Heinen Trietensgeld von 12 sol. zu 
ftrafen. 

Andrerfeits trifft den, ber nach Ausfage anderer Richter (welcher? 
gleichgeorbneter?) unrichtig ein Urtheil fchilt, der gleiche Betrag, ter 
aber an den beleidigten Richter zu zahlen ift?). 

Der König Hat bei Beitellung ber Grafen?) (ebenfo ber Cente- 
nare) in ber Provinz regelmäßig keinerlei Mitwirfung‘), was ein 
Zeichen erheblicher Sefbftftänbigfeit nicht nır des Herzogs, nicht minder 
bes ganzen Stammes und Landes tft. Doch verfteht fich, pas Karl) 
feine Sendboten auch hieher ſchickte: allein bas waren außer» 
ordentliche und zwar Reichs⸗, nicht alamannifche Beamte. 

Allein gelegentlich ſchickten doch die Könige ihre Hof- und Reiche: 
Beamten als Grafen nah Alamannien, auch ohne Befragung bes 
Herzogs (?) 9). 

Sa, kraft feiner Amtshoheit erjegt ver König Grafen (in Chur⸗ 
walchen) durch einen Biſchof, einen Biſchof in feinem weltlichen Amt 
durch einen Herzog, den Herzog burch eine Mehrzahl von Grafen”). 

Auch der Herzog entſendet missi, und benen wird wie benen bes 
Königs®) das Wergeld verbreifacht 9). 


1) L. 41. p. 103 nebſt Schadenerſatz H. D. Lehmann, der Rechtsſchutz gegen- 
über Eingriffen von Statsbeamten nach fränkiſchem Recht 1883 ©. 95 f. 

2) Le. 2. 

3) L. 41. p. 101. 

4) Dies wirb allgemein angenommen Waitz II 2. ©. 370, W. Sidel, 
Volksherzogthum S. 455, obwohl ber Ausſchluß des Königs nirgends ausbrüdlich 
bezeugt if. Man barf fih buch ben ungeſchickten Ausdruck ber Lex zu ber An⸗ 
nahme nicht verleiten laſſen, bei Erhebung des Grafen habe mit dem Herzog 
König und Boll zufammengewirft. 

5) Ebenfo feine Nachfolger, |. oben ©. 252. 

6) Ratperti easus St. Galli 1. 2. Ser. II. p. 62. Talto comes pag. 
Arbonensis c. a. 630 Tagoberti regis camerarius. 

7) Stobbe, Lex R. Ut. p. 8. 10—13—17. 

8) VIII. 3. ©. 156. 

9) L. A. 29. 


734 


3. Heerbaunt). 


Daß der König das alamannifche Stammesheer ebenjo aufbieten 
kann wie der Herzog, wird ausbrüdlich gefagt?). 

Der Herzog bat in Unterortnung unter ben König den Heer- 
bann. Zur Zandvertheibigung Tann er ohne Zweifel feine Alamannen 
allein aufbieten?). 

Der Herzog muß wie ber baierifche fähig fein, das Heer zu führen, 
das Roß zu befteigen®). 


4. Gerichtshoheit) 


Der König hat die höchfte Gerichtsbarkeit auch über Alamannen 
und in Alamannien, bie Urtheile feines Pfalzgerichts find auch hier 
voliftredbar: vermöge des Neclamationsrechts Tann er im lebten, aber 
bei Königsfehüglingen auch im erften Nechtsgang, zuftänvig fein®). 
Erieint er oder der Hausmeier im Lande, kann er in der von ihm 
berufenen Berfammlung (Karlmann a. 746) auch Gericht halten; er 
Tann auch gegenüber alamannijchen Strafurtheilen begnabigen: endlich 
kann ihm der Herzog manche Fälle (Einbannung, oben ©. 346) zur 
Entſcheidung zuweifen. 

Wegen eines mit Zobesftrafe bevrohten Verbrechens kann nad 
Wahl bei König oder Herzog geklagt werben: — es handelt ſich wohl 
vor Allem um infidelitas, Hoch- oder Landes-Verrath. Dagegen bei 
geringeren Anfchultigungen (de minoribus culpis) fann nicht ber 


1) ®. Sickel ©. 440, 452. 

2) L. 26. (27.) p. 86. Ganz irrig theilt Bornhak S. 174 den Heerbaun — 
auch dem Rechte nah — nur bem Herzog zu. 

3) L. 26. (27.) p. 86. 

4) L. Al. 35, 1. p. 92. 

5) Was foll bei Bornhak S. 176 die „Civilgewalt“ neben der Gerichtegewalt 
und der „Banngewalt” fein? Über die Gerichtsgewalt widerſpruchsvoll ©. 181; 
über den großen unb den Heiuen Bann in Alamannien Ernft Mayer I. &. 142. 
Bol. W. Sidel ©. 442. Ueber bie verſchiedenen Bebentungen von »bannus« im 
IX. und X. Jahrhundert Waig VIII. S. 5. Könige VIII 4; über distrietio, 
distringere VII. 2. VIII. 4. Bannus heißt fpäter auch der Bann Bezirk, z. B. 
einer Herrfchaft, einer Stabt, einer villa, banno et finagio hujus villae, zumal 
auch im Elſaß, Walk S. 7; die Echtheit königlichen ober herzoglichen Befehls er- 
weift die Sigelung. Ueber ben Sigelring und bie Beflgelung Th. v. Side L 
©. 343; über die Stelle von a. 877 (Karl ver Kahle und fein Sohn) Könige VILL 6. 
S. 100, 101. 

6) Könige VOL. 4. ©. 34 f. 


735 


König, nur der Herzog angegangen werben: im erjten Balle kann in 
Ermangelung andern Beweiſes auf Kampf erkannt werben (von König 
oder Herzog), bei geringeren Klagen entfcheivet in ſolchem Ball der Her- 
309 (alfo auch möglicherweife für Kampf) }). 

Der König hat auch die oberfte Schußgewalt — Recht und Pflicht 
— im Land. Ganz ausnahmsweiſe wird einmal nicht nur der Biſchof 
und die Kirche, auch das Voll von Chur (populus Curiensis cum 
episcopo) in den Tönigliehen Schuß genommen). 

Genauer regelt die Zuftäntigfeit von König und Herzog in folchen 
Fällen eine Handſchrift (18) in Zufägen: lehnt der Bellagte das Ur- 
theil vor tem Herzog ab, fchlägt ein nach aller Urtheil rechtswidriges 
Verfahren vor und hat keine Eibhelfer, dann nur ergeht Berufung 
an den König in diefer Sache: der diefe Berufung Verurtheilenve hat 
dem Andern Alles für die Reife zum König behufs Beftätigung bes 
Erſturtheils Erforverliche?) zu leiften, „weil er allein ablehnte, was 
Bielen richtig ſchien.“ Außerdem hat er dem König over dem Herzog 
1800 Denare — 150 sol. zu entrichten und dem Gegner 60 sol., ober 
er ſoll nach Entſcheidung des Herzogs die Hälfte feines Allods an 
jenen verwirten. . 

Aber die ordentliche, regelmäßige Gerichtsbarkeit im Lande ift die 
berzogliche. Daher heißt Herzog Kunzo auch judex*) und zwar auch 
bei dem Urtheil der Stammesverfammlungd). Unklar ift die Bor» 
ftellung®), ver Herzog ſei nur „als Vertreter des Königs" Leiter des 


1) L. 93. p. 104. VIL 4. ©. 131, Dahn, Rechtsgang und Fehbegang, 
Baufteine II. 1880. Weber bie Gerichtsbarkeit des Herzogs in ber Folgezeit Waitz 
VII. 8.125: auch fie wirb zumeilen in ben Immunttätsverleihungen ausge 
ſchloſſen. 

2) „So lang es treu verbleibt”: a. 843: Umſchläge waren damals gar häufig. 
Mohr I. p. 41. N. 26. Böhmer-Mühlbacher? p. 453. N. 1096. 

3) Was hierunter gemeint ift, Lebensmittel für Mann und Roß fowie er- 
forderliche Begleiter, zeigen bie Beflimmungen des Sadjenfptegels für die Reife 
zum König bei ber Urtheilsfchelte II. 12 8 4 ed. Homeyer I. ©. 237. 

4) Vita St. Galli p. 10. 

5) Auch die Beſtrafung grumdlofer Urtheilsichelte wirb auf Beichluß bes 
Herzogs und alles Bolkes (in einer Stammesverfammlung) zurüdgeführt, L. 41. 
p. 102, quia sic convenit duci et omni populo (Alamannorum) in publico 
coneilio. Brunner, Sit.-Ber. S. 167, 168. 

6) Merkels de r. S. 9. Wohl richtet der angebliche (vgl. aber Wattenbach 
1.0 S. 120: „erſt faft zwei Sahrhunderte nach dem Tod ihres Helden (c. a. 640) 
geiährieben (von Wetti) (c. 820) darf (fie)... . nur mit Vorficht benubt werben) 


736 


Stammesgerihts: ter Herzog leitet feine Gerichtshoheit überhaupt 
als Königsbeamter ans tem ihm vom König verliebenen Gerichtsbann 
ab: jedoch gerade Berufung und Leitung der Stammesverſammlung 
ift regelmäßig Sache des Herzogs. 

Auch im Gebiet des Herzogs bringt ver König von fi aus Be 
ſchlüſſe zum Vollzug ?). 

Zmeifelhaft ift, Loch wohl anzunehmen, daß ber Herzog Tas echte 
Ding auch da balten mag, wo er nit bie Gaugrafſchaft bat: er ift 
wie ber Pabſt episcopus universalis, fo in feinem Herzogthum 
comes universalis; auch einem Stellvertreter kann er das für Eimen 
Ball oder dauernd übertragen ?). 

Daß das Herzogsgericht in ähnlicher Weile wie das Sarolingifche ?). 
ein Billigkeitsgericht geweſen fet, ſteht nicht zu erweifen. 

Der Gerichtsbann ftand ohne Zweifel vor ber Unterwerfung dem 
König zu und warb bei Einführung ber Herzogichaft fofort mit dem 
Heerbann dem Herzog übertragen: bie Verbindung beider Banne ift 
uralt — und gemein⸗germaniſch —: ein befonberer „Vertreter” ver 
Merovingen für den Gerichtsbann neben bem Herzog Hat nie be- 
ftanden. . 

Es tft bezeichnend, daß für eine reclamatio ad regem und für 
eine ad ducem die gleiche Formel mit ben gleichen Ausdrücken ge- 
braucht wird: auch bem Herzog gegenüber nennen fich die Unterthanen 
deſſen servi, famuli, fprechen von feinem servitium, geben ihm bie 
gleichen Ehrentitel wie dem König‘). 

Auch wird der Herzogsweg5) und fein Wegfrieve burch gleiche 
Buße geſchützt wie die Heerſtraße des Königs: geringer ift der Schuß 


Herzog Runzo über Sanct Ball: allein keinesfalls anf einer Verſammlung bes 
ganzen Stammes, beffen Herzog Kunzo gar nidt war. Vita St. Gelli M.G.R. 
Ser. II. p. 8; ander L. A. 48, 44, wo ber Herzog kraft eignen Rechts, nicht 
als Vertreter des Könige, richtet, der flatt feiner auch angerufen werben fauı (ante 
regem aut duoem). 

1) Ludwig das Kind, Martene collectio I. p. 268 judicio fidelium no- 
strorum — fisco dominico redigianus,. 

2) Legg. II. p. 57 si duz vel alii comites (j. oben ©. 732) vel advocati 
vel qui vice illorum funguntur placitu habuerint. 

3) Nicht ſchon das merovingiſche: gegen Schn ©. Adi wub Brumier 

Schwurgerichte ©. 72, f. Könige VII. 2, über dase Karolingifche Könige VIIL 4. 

4) F. Bang. miso.: nicht nach a. 751. 

5) via publica, ubi dux egreditur L. Baj. IX. 19. 


137 


ber via vicinalis und weiter ber semita, bie bem Viehtrieb (via 
pastoralis) bient!). 

Siten zuweilen Herzog und Biſchof nebeneinander zu Gericht2), 
jo beruft das auf Capitularien Karls für gewiffe gemifchte Fälle?). 

Wegen tobeswürbiger Verbrechen kann ber Freie beiim Herzog 
oder gleich beim König angeklagt werben ®); deſto mehr beim Herzog 
in allen andern Fällen). 

Nicht der König, der Herzog gewährt zunächſt den Friedensſchutz. 
Daber ift das Friedensgeld an ben Herzog, nicht an ben König zu 
entrichten. Es beträgt 12 oder 40 Solidi, in fehweren Yällen droht 
ftatt deſſen der fräntifche Königsbann von 60 sol. Bei Verlegung 
bes Herzogsgutes ift er dem Herzog, nicht dem König zu zahlen®). 
Der Herzogsbann beträgt 12, der Grafenbann 6 solidi?). Der Herzog hat 
nicht nur das Recht, auch die Pflicht, die Nechtshilfe durch feine Grafen 
und Gentenare zu gewähren: daher muß Er die Mächtigen zwingen, 
bie feine Beamten zum Rechtgeben zu zwingen zu fchwach finds). 

Regelmäßig geht die Klage in bürgerlichen und in Straffachen 
an ben judex ducis, b. 5. das Ding der Hunbertichaft®). 

Aber der Herzog hält in Berfon over burch Vertreter (missi) 
Gericht, in jeinen palatia oder in den Hunbertichaftspingen. Er bezieht 
die Friedensgelder, er zieht erbloſes oder zur Strafe (3. B. wegen 
infidelitas gegen ihn) verwirktes Gut ein: bei infidelitas gegen ben 
König dieſer. 

Er verhängt (im Ding) Tobesftrafe, Verbannung (b. h. Ein- 
bannung), Gütereinziefung. Vermöge feiner Gerichtsbarkeit bebarf bie 
Vollſtreckung ſchwerer Strafurtheile, 3. B. Todesſtrafe, Verknechtung, 
feiner Zuſtimmung 19). 


1) Vgl. Heyne II. ©. 24, Über Breite und Einzelnamen biefer Wege je nach 
dem Zweck. 

2) Wartmann N. 779. III. p. 1. 

3) Könige VII. 5. 

4) L. A. 44, 1. 

5) 18, 4. 2. 

6) L. 34. p. 91. 

7) L. A. 27, 1. 

8) L. 36. p. 96. 

9) Was bebeutet T. 38: ? convictus coram comite ubs tune duæ ordına- 
verit, in servitium tradatur, vgl. T. 36 Beſtimmung eines fonft unerhoͤrten 
(GrafenYgerichts durch den Herzog? 

10) T. 36, 38. 
Dahn, Könige der Germanen. IX. 1. 47 


738 


Diefelbe Handſchrift (Cod. 18) verftattet auch!) die Anrufung 
des Herzogs bei rechtswidrigem Anſpruch gegen Wieberverheirathung 
ber Witwe (mit den vermögensrechtlichen Befugniffen). 

Der Herzog entjcheibet, wem ein zu Beſtrafender zu verfnechten 
ift (und an welchem Ort)2): das war von größtem Einfluß auf bie 
Schwere biefer Strafe?). 

Dem Herzog „eder” (nach weſſen Wahl?) oder ver Bifchofe- 
firche ift das Wergelb bes getötteten Biſchofs zu entrichten 9). 

Wie der Königd) Hat der Herzog zumeilen tie Wahl zwifchen 
verjchiedenen Strafarten, ja darüber hinaus willfürliche Beftimmung 
ber Strafart oder des Strafmaßes. 

Er kann bei gegen ihn geplanten Mord (mit dem Adel) den Loskauf 
verftatten®), ebenjo bat ex bei Xandesverrath die Wahl zwiſchen Todes 
fteafe over Verbannung?), vesgleichen auch wohl bei Heerfriebens- 
bruch®), obgleich in biefen beiden Fällen der Wahlberechtigte nicht 
genannt wird; ebenjo bei Empörung eines Herzogsfohnes®). Er hat 
aber auch das Recht der vollen DBegnabigung wie ber Strafherab- 
ſetzung. 

Wie im Baternrecht1%) kann der Herzog bie Todesſtrafe in Ver—⸗ 
bannung abjchwächen, dabei aber tie Gütereinziehung aufrecht halten 11). 
Hieher gehört e8, verftattet er ausnahmsweile Verkauf zur Strafe 
Verknechteter 12) ins Ausland: bei Verkauf von andern Unfreien gehört 
biefe Verftattung in das Gebiet des Verwaltungsrechte, aus dem 
fonft von berzoglichem Eingreifen nichts berichtet wird. 


1) L. 54 (55) p. 112. 
2) L. 38. p. 98: auch wohl dem Herzog felbft. 
3) Vgl. VL2; Weftgot. Studien ©. 199. 
4) L. 11. (12.) p. 77. Bezieht er ober der Herzog Wergelb und Buße erb- 
Iofer Erſchlagener? Stältn ©. I ©. 104; wohl der Herzog. 
5) Könige VIII. 4. ©. 160. Oben ©. 344. 
6) L. 23. (24.) p. 84. DO. Lehmann, Rechtsſchutz S. 62, bemerkt mit Recht, 
L. A. 22 könne fowohl fo verflanden werten: ber Herzog und bie principes eut« 
fcheiden, ob ber Loskauf durch das Wergeld zu verflatten ober gegen welche 
Summe er zu verftatten fei. 
7) l. 0. 24. (25.) p. 85. 
8) 1. c. 25. (26.) 
9) 35. p. 92. 
10) L. B. 11. 1. 
11) L. A. 25. 26. 
12) L. 37. p. 97. 


739 


Auch in den vielfach mehr georbneten Verhältniſſen zu Ende dieſer 
und zu Beginn der folgenden Periode fehlt e8 doch an beftimmter 
Abgränzung der Zöniglichen und ber herzoglichen Gewalten, zumal auch 
in ber Gerichtsbarkeit: noch ungewiffer ift die Scheidung berzoglicher 
und gräflicher Zuſtändigkeit). Man kann auch für viefe Zeit nur 
fagen: Friebensfchug und NRechtsgewährung tft wie bes Königs für 
das Weich, des Herzogs für fein Herzogthum, Pflicht nicht minder 
benn Recht: geübt werben fie auf den bejonvers berufenen (ungebotne 
Herzogsdinge fommen in dieſen Sahrzehnten, foweit ich fehe, nicht 
vor) Doftagen für das Ganze over für Theile des Herzogthume. 

Der Ort mechfelt Hier?), ift aber meift bie (oft uralte) Mealftätte 
eines Gaues, einer Hundertſchaft: tie Rechtspflege gefchieht Hier ganz 
nach dem Vorbild des Hofgerichts, nur daß ftatt bes Königs ber 
Herzog den Borfig, ftatt der Neichsfürften die Großen bes Landes 
die Urtheilfindung haben. 

Lehrreich für die Zuftäntigkeit von Herzog und Graf ift ber 
Grundeigen⸗Streit zwifchen dem kanoniſchen Stift zu Zürich und einem 
Privaten (Laien): ver Graf verzeichnet die von jenen benannten Zeugen, 
will aber wegen Beftechung folcher nicht entſcheiden, ſondern die Ent- 
ſcheidung dem Herzog (Burkhard) zufchieben: biefer jedoch verweift fie 
wieder an den Grafen, der ein Echt⸗Ding anberaumt: allein nicht bie 
Züricher Schöffen erfennen, ſondern fünf Vollmacht⸗Boten, vom Herzog 
entfenvet, ebenfo zu urtbeilen, wie er felbft hätte thun follen. Sie 
erkennen auf Siebener-Eib des Stiftes: nachdem biefer geleiftet und von 
ber Berfammlung der Sachverhalt auf Befragen des Grafen betätigt 
ift, — die Verfammlung legt alſo Zeugniß für die Wahrheit der Eid» 
ſchaft ab, wie Häufig — weift der Graf das Stift in den Beſitz: 
man flieht, ver Graf ift ausführendes Organ bes Herzogs, der bie 
Berrichtungen feines Herzogsgerichte — tenn wohl nicht er allein, 
wie freilich der Wortlaut befagt, Toll entfcheiden — jenen fünf Be⸗ 
vollmächtigten überträgt, als deren VBorfigender vermuthlich der nun- 
cius potestativus gelten foll; das .erfte war ein orbentliches Grafen⸗ 
Echtening (daher concilium publice et legitime factum)?), das 


1) Bgl. Waitz VIII. ©. 45, der oft ohne Grund, bier aber — in Erman- 
gelung von Quellen — mit vollem Fug auffbie rechtsbegrifflihe Erörterung ver- 
zichtet. 

2) Dagegen in Baiern ſtändig, die Pfalz in Regensburg Waitz ©. 46. 

3) Nicht ein Bogtgericht wie v. Wyß ©. 36. 


47* 


740 


zweite ein außerorbentliches Herzogsgericht in Abwefenheit bes (ver- 
tretenen) Herzoge?). | 


5. Finanzhoheit?). 

Wie im Reich nicht zwiſchen Königs- und Kron⸗Gut, wirb im 
Herzogthum nicht zwifchen Herzogs⸗ und Herzogthums-Vermögen unter- 
ſchieden: ganz wie am Hof der fräntiichen Könige) gehen Einnahmen 
und Ausgaben unterſcheidungslos in bie unb aus ber Einen Tafche. 

Einnahmen des Könige aus Alamannien werden nur felten er- 
wähnt: jo einmal die Wette für unbegründetes Urtheilfchelten an ben 
König „oder“ an ben Derzog ®). 

Während an ben königlichen Fiscus im Allgemeinen bie gleichen 
Reichniffe zu entrichten find wie in Galliend), erfahren wir felten von 
ſolchen an ben berzoglichen. 

Herzog Liutfrid im Elſaß ſchulden a. 737 feine homines — viel- 
leicht Halbfreie — als census freta, stuofa und haribannus?); Ieß- 
teren ſchuldeten Unfreie doch nur als Vaſſi. 

Wie ber König im ganzen Reich Hatte ber Herzog offenbar im 
Herzogthum das Recht auf Aufnahme und Verpflegung für fich und 
fein Gefolge auf den Beſitzungen ver geiftlichen und weltlichen Großen: 
Beläge gewährt erft die fpätere Zeit: doch folgt das Recht ſchon aus 
feiner Stellung als Töniglicher Beamter”). 

Wie für das Reich werben für das Herzogthum bie erforberlichen 
Leiftungen unmittelbar durch Frohnarbeit und durch Naturallieferungen 
beftritten: berzogliche Staatsfteuern gab e& ja noch weniger als Neichs- 
fteuern an den König). 

Oft ift e8 auch zweifelhaft, ob »fiscus« ben Töniglichen ober den 
berzoglichen meine). 

Der Alamannen- wie ber Baiern-Herzog übt aber allerbings auch 
Rechte, bezieht Einnahmen, welche in Gallien dem König zuftehen: fo 
bie stuofa genannte Steuer 10), Friedensgelder, Heerbanngelber. 

1) 3. f. Schw. R. XVII. p. 85 f. 

2) W. Sidel ©. 439 zu L. Al. 24, 29. 

3) Könige VII. 3. ©. 83. VIII. 5. ©. 1f. 

4) Wer entf&eibet? L. 44. Cod. 18. p. 104. 

6) VII. 3. &. 96f. VIII. 5. S. 29f. 6) Zeuß, W. N. 2 p. 20. 

7) Bl. Könige VII. 2. ©. 83. 3. &. 146. VIIL 3. S. 43. 5. ©. 91. 

8) Bgl. Könige VII. 3. S. 108. VIIL 5. S. 29. 


9) L. 33 (338.) p. 91. 
10) Trad. Wizzenburg N. 12. ©. oben ©. 583, 


BE Le 


741 


Der Herzog bat auch außerhalb der Provincia Befitungen !). 

Die Zuftimmung (und Mitwirfung) des Herzogs Burkhard bei 
ber Schenfung von Pfeffers durch Ludwig IL an Salomon von Eon- 
ftanz war nicht wegen feiner Amtsrechte als Herzog erforberlich 2), 
fondern weil es fein beneficium war?). 

Vielleicht hat hier der Herzog ftatt bes Königs das Necht auf 
herrenloſes Lan. 

Geſchenke ver Herzöge an andre Fürften und Gefchente folcher an 
bie Herzöge werben nicht wie bei Königen‘) erwähnt, kamen aber 
doch wohl vor. 

6. Kirchenhoheit. 


Den Schuß ver Kirche übt in eriter Reihe ber Herzog, über ihm 
der König, an welchen auch Beſchwerde wegen Nichtgewährnung biejes 
Schutzes oder gar wegen Berlekung Tirchlicher Rechte geht. 

Die Mitwirkung des Staates bei Einfegung ber Biſchöfe ge- 
ſchieht durch den König. 


7. Bertretungsboheit. 


Ueber fie ift oben das Erforberliche in Bezug auf König und 
Herzog gejagt. 
Nach der Legende fett freilich Herzog Kunzo einen Biſchof ein®). 


X. Sefammteigenart bes Statswefenge. 
1. Allgemeines. 


In der Auffaffung der Zeitgenofjen beftand fein Zweifel über ben 
Sortbeftann des „fräntiichen Reiches“ auch nach a. 8437); „das Reich 


1) Das feßt die Unterfcheibung L. 34. p. 91 voraus: infra provincia res 
ducis invadere. 

2) 1. c. 654. a. 905. 

3) Wie man nad Neug. 673. a. 909. B. earundem partium duce con- 
sentiente et adstipulante annehmen önnte: ber Herzog konnte bem König bie 
Berfügung über Krongut nicht wehren. Regeſten ber merovingiſchen unb karo⸗ 
lingiſchen Koͤnigrurkunden (für Württemberg) bei Stältn (8.), württemb. Biertel- 
jahresh. — meiſt Schenkungen — I. 1878 ©. 14—78. 

4) Könige VIIL 5. &. 124f. 

6) St. Galli Sor. IL p. 12. 

6) Könige VII. 3. &. 573. VII. 6. ©. 1. 

7) Waitz⸗Zeumer V. ©. 6. Ueber die Wirkungen des Vertrags von Berbun 
Heuer, die Statsentwidiung Frankreichs unter ben Eapetingern ©. 5, 6. 


142 


Ludwigs bes Deutſchen war ein Theil des fränktichen Reiches“ und 
das Deutfche Reich feit a. 910 gilt als Fortſetzung des Fränkiſchen: 
bie beutfchen Könige nennen die Arnulfinger und bie Merovinger bis 
binauf zu Chlodovech ihre Vorgänger !). 

Nicht nur der König, auch das Volk der Franken gilt?) als Träger 
der Herrſchaft über die unterworfenen Völker, auch die Alamannen ?). 

Bezeichnend nennt ein Alamanne den König „ven König aus dem 
Stamm der Franlen” %). 

Das Selbftgefühl des fränkiſchen Stammes als Begründers und 
Hauptträgers bes Neiches®) trat — zumal unter dem großen Karl — 
gewiß auch gegenüber ven Alamannen zu Tage: aber Webertreibung 
enthalten doch die Worte des Mönches von Sauct Gallen‘), „in jener 
Zeit dünkten fich wegen ber Herrlichleit des glorreichen Karl Gallier, 
Aquitanier, Aebuer (!) und Hispanier, Alamannen und Baiern nicht 
wenig geehrt, wenn man fie auch nur als zinspflichtige Franken 
bezeichnete”. 

Die karolingiſchen Theillönige, die über das Oſt⸗Rheinland berrich- 
ten, nahmen in ihren Xitel auch Alamannia oder Suevia auf”). 

Zur Zeit der Machthöhe des Tarolingifchen Königthums find auch 
die alamannifchen Quellen abfolutiftifch gefärbt: „euer und aller eurer 
Treuen Knecht (servus) bitte ich unterwürfig euere Güte, wie zu eueren 
Füßen hingeftredt” 8). 

Auch bier wie bei ten Frankend) nennen fi) die Unterthanen 
felbft des Königs oder auch des Herzogs (bis c. 740), servi, famuli, 
feinen Dienft servitium 19). 

Willkürliche Strafbeftimmung tur ben Herricher (VBermögens- 


1) ©. die Stellen bei Waitz-Seeliger V. ©. 6, 140. 

2) Wie anberwärts VIIL 2. ©. 50. 

3) Annal. Laurisham. a. 788 Ser. I. p. 33 conventus Francorum cete- 
rarumque gentium qui sub dominio eorum erant. 

4) Form. Aug. B. 42. 

5) Könige VIII. 2. &. 50. 

6) c. 10. 

7) Form. Alsat. 10 rex Alamanniae, 7 reotor Francorum, Francorum, 
Sveviorum, Turingorum, Saxonum: bie unterworfenen Slaven (und Avaren?) 
werben erwähnt unter domitor barbararum gentium. 

8) F. Aug. B. 43 servus vester et omnium fidelium vestrorum sub- 
jeotus peto clementiam vestram quasi ad pedes vestros jaceam. 

9) VIII. 6. S. 15f. 

10) Form. Sang. mise. 1. 


743 


ftrafe, Schadenerſatz) iſt auch römifht) und vielleicht bet den Ala- 
mannen daraus entlehnt. 

Freilih gar reumüthig giebt Karl III. Liutwarb von Vercelli 
zurüd, was er ihm im Zorn?) entriffen an honores, d. h. bier be- 
neficia. 

Wie früher?) wird die Tönigliche Ungnabe angebroht 5. B. für 
Heereslig ®). 

Mit Unrecht alfo führt man®) den „Verluſt der Gnade“ auf das 
Lehenrecht zurüd®). 

Allzuwenig erfahren wir von Einrichtung, Beamten, Leben des 
herzoglichen)) Hofes. 

Die Herzogin Hedwig von Schwaben hat ihren beſonderen Ea- 
pellan ®). 

Auch eine Königsbraut trägt fchon Königliche Gewande?). 

Man wird fich ven Herzoglichen nach dem Vorbild des königlichen 
Hofes, nur gar viel befcheidener, eingerichtet denken bürfen: vor allem 
mweilten lange nicht fo Viele dauernd oder vorübergehend an ben wech- 
jelnden Höfen wie etwa zu Aachen 10). 

Und niemals bat biefer Herzogshof für Schriftweien, Bildung im 
mweiteften Sinn ähnliche Bedeutung gehabt wie ber Tönigliche zu 
Aachen 11). 


1) L.R. Rh. 1.2, 4. f. aber auch fränkiſch oben: Könige VIIL 4. ©. 160. 

2) paululum commoti, aber ad pristinam tranquillitatem animum 
revocantes Mohr I. N. 31. p. 49. - 

3) Könige VII. 6. ©. 15f. 

4) Wait VII. ©. 147. 

5) Ofenbrüggen, alam. Straf⸗Recht ©. 116. 
6 6) S. ſchon altsmerovingtfhe Fälle Könige VOL. 3. ©. 383. VII. 6. 

.18, 19. 

7) comitatus ift meift ber Hof bes Königs, Watt-Seeliger VI. ©. 324; 
ſ. daſelbſt auch bie aulici, curiales, domestici, palatini curiae, zugleih Könige 
bof und Reichstag Waitz⸗Seeliger VI. ©. 412. 

8) Ekkeh. Sangall. Ser. II. p. 125 (c. 95 p. 345). 

9) Vita St. Galli p. 13, aber eine merovingiſche Krone bat bie Legende 
erfunden, db. b. aus dem X. ins VII. Jahrhundert hinaufgerädt. 

10) Auch an den Herzogshöfen Selbftverpflegung? Könige VIII. 6. ©. 114. 

11) Es ift wohl kein zufälliges Zufammentreffen, daß gleichzeitig mit bem 
Berfall des merovingiſchen Reiches — zumal feiner Höfe zu Parts und Mey — 
fett c. a. 638 auch die Latinttät der Hoflanzeleien finkt, fi dann feit c. a. 700 
unter ben Arnulfingen hebt, unter Karl und Lubwig ben Höhegipfel erreicht, um 
alsbald unter Ludwig's Nachfolger abermals tief zu fallen. Th. v. Sickel L 
S. 155f., allerdings mit ſtarker Einfchränkung bes Lobes ber Kanzelei Karle. 


744 


2. Abſolutiemus. Dagegen Schranten bes Königthums und bes Herzogthums 1). 


Dem Boll find von ben alten Yreiheitsrechten gar manche ges 
blieben: fo in ben Stammesverfammlungen tie Zuftimmung zu ben 
Belegen, eine Art Wahl bei Beftellung des Herzogs, urfprünglich 
auch des Centenars, des Judex: endlich fand das Boll, wenn auch 
auf Vorfchlag des judex, das Urtheil im Gericht nach dem gemeinen 
germanifchen Genoſſen⸗Gerichts⸗Grundſatz 2). 

Das fchwerfte Gewicht wird auch bier?) gelegt auf bie ftrenge 
Wahrung bes Perjonalitätsprincips: es gilt als Palladium ber Freiheit. 

Daher ſchließt Karl in einem für Italien und in Italien er- 
laffenen Capitulart) bie Verjährung der Eigenthumsklage wegen flüch- 
tiger Knechte nur aus zu Gunſten fräntifcher, alamannifcher ober 
fonftiger germaniſcher (abgefehen von Langobarden) Herren, beläßt es 
aber bei Römern (und Langobarven) bei ihrem bisherigen Ver⸗ 
jährungsredht. 

Neben der NReichsverfammlung®) ftehen als wichtigfte Schrante 
ber Herrfchergewalt die Stammestage®). 

Das Leben Sanct Galle läßt (c. a. 640) einen conventus po- 
puli in einem nahen castrum abhalten”). 

Alamannen werden neben Burgunden, Franken, Sachien, 
Boiern, als auf dem Reichstag zu Frankfurt a. 823 erfchienen, auf- 
geführt®). 

Eine allgemeine Stammesverfammlung ſetzen die Worte über das 
Zuftanvelommen bes Stammesrechtd voraus: auch der®) publicus 
mallus 10), in dem ver Herzog erjcheint, ift vielleicht eine folche 11), 
freilich mag der Herzog auch auf einem Grafen-Ding erfcheinen. 


1) Könige VII. 3. &.512f. VII 6. ©. 122. 

2) D. ©. Ia. ©. 200. 

3) Bgl. Könige VOL. 3. ©. 1. VII. 4. ©. 116. 

4) Cap. Tiein. a. 801 c. 8 ed. Boretins-Sraufe L 1. p. 206. 

6) VID. 6. ©. 125 conventus Franoorum ceierarumgue gentium qui 
sub dominio eorum erant, Annal. Lauresh. a. 788. 

6) Beifpiele bei Merkel, de r. 49. 

7) p. 16, aber aus bem IX. Jahrhundert. 

8) Annal. Regin. Fr. p. 160. 

9) Oben ©. 788. 

10) L. 17 (18) p. 80. 

11) Das nehmen an Gfrörer II. S. 120, Waitz II. 3. S. 179. vgl. Merkel, 
de rep. p. 49. 





145 


Sie wird nicht nur bei der Geſammtaufzeichnung des Geſetzes, 
auch bei einzelnen Beichläffen erwähnt: fo bei dem Verbot des Ver 
aufs von Unfreien außer Landes 1). 

Auf einer ſolchen Stammesverfammlung wird offenbar auch bie 
Wahl ver Beſtrafung des Hoch- und des Landes-Verräthers getroffen: 
im Öofgericht von ben Edeln (principes)2). 

Seit a. 817 und 843 begegnen „Reichstage“ des oftrheinifchen 
Theilreiches, zu unterjcheiden von bloßen Stammestagen ber ein- 
zelnen Stämme ber Alamannen, Baiern u. f. w. Angehörige all dieſer 
werben vielmehr zur Berathung bes Herrſchers beigezogen?). 

Später werden Provincialtage für Alamannien meift in Augs- 
burg (a. 952) ober Ulm (a. 853, 912), für den Elſaß in Straßburg 
(1041) abgehalten *). 


3. Theofratismus). 


Selbſtverſtaͤndlich ericheint der Theokratismus ber ganzen Zeit 
und bes ganzen Reichs auch in den alamannifchen Quellen). Aus 
ben Arengen ver Formeln Tann zwar auf bie politifchen Strebungen 
und Grundſätze ber einzelnen Fürften nicht gefchloffen werben”). Aber 
ergreifend wirb bem Herzog und feinen „Richtern — das gilt allen 
„Beamten“ — die Pflicht des Rechtsſchutzes eingefchärft, „auf daß 
nicht die Armen dem Herzog oder dem Volle fluchen und Gott nicht 


1) L. 37. p. 97 post conventum nostrum quod conplacuit eunotis 
Alamannis. 

2) L. 23 (24), 24 (23) p. 84, 85. 

3) Arnulf a. 895 Mon. Boica 31, N. 72 cum coonsilio et judicio Fran- 
corum (Öftfranfen) Bawariorum, Saxonum atque Alamannorum fidelium 
nostrorum, ebenjo nennt Ludwig bas Kind judieium ber Frauken, Mamannen, 
Baiern, Thüringe und Sachen a. 903 1. co. 28. N. 93. 

4) Waitz⸗Seeliger VI. &. 423. 

5) Könige VII. 2. 8.570. VIIL 6. &. 310. 

6) Form. Aug. B. 42, viro inlustro illo regi generis Francorum cui 
Dominus curam regiminis delatavit, 

7) So mit Recht Th. v. Sidel I. S. 169 gegen Martöne, dipl. I 14. Wait 
V. 3. 199, 208. Stumpf, Reichslanzler I. S.44. Das trifft auch Hand IL 
©. 12: Die Arenga Pippins daſelbſt, „auf baß bie befchenkten Mönche eifriger beten”, 
tehrt bei dem verſchiedenſten Herrſchern wieber; es ift ganz unmöglich, baraus für 
biefem Herricher Bezeichnenbes zu gewinnen, wie denn bie geiftteihen Charalteri⸗ 
ſtilen Haucks doch gar oft allzuviel und zuwerfichtlich aus ben Thaten auf bie Be- 
weggrände fließen. 


746 


ſolche Nachläſſigkeit ſtrafe an der Seele des Herzogs“ (nach dem 
Zobe) 1). 

Am ftärkften tritt auch bier Karls Theokratismus hervor?). Die 
Heiligen Sanct Petrus und Sanct Leudegar heifen „eure (des Herr⸗ 
ſchers, Karls) Fürbitter“ 3). 

Der geiftliche Einfluß auf bie Yaffung wie ver L. Alam. fo ver 
Lex Rom. Rh. Cur. ift ſtark. Bibelftellen werben zır Begründung 
bon Rechtsſätzen herangezogen: 3.38. das Verbot bes falfchen Zeugniffes 
und ber falfhen Anklage t). 

Der König legt fi) von Gott verliehene Menſchendurchſchauung 
bei 3). 

Aber wie unter Karl werben auch fpäter außerorventliche Faft- 
tage, Gebete, Kreuzgänge (barfuß), von den Königen für Laien und 
Geiſtliche angeordnet, wegen ber Noth ver Zeit: erbetet und erfaftet 
follen werben innerer Friede, Abwehr der Seuchen von Menſch und 
Vieh, günftige Witterung, Fruchtbarkeit, gute Reife, reiche Obfternte. 
In Ausführung des Faftengefeges giebt dann der Bifchof genauere 
Borichriften: troden Brot, ungelochte Pflanzen, nur 1 Glas Bier, 
fein Fleiſch oder Fett oder Milchfpeifen, Fiſch, Eier, Wein, Honig. 
gemiſch nur Kranten®). 

Der Minh von Sanct Gallen erflärt die Kaiferfrönung fo, daß 
Pabſt Leo, von Kaiſer Michael mit der Bitte um Hilfe abgewiefen, 
(— „ver Pabſt habe ja felbft ein eigen Reich und ein befieres als 
Byzanz”: worin Groll über die Errichtung bes Kirchenftats liegt —) 
Karl nah Rom ruft: „ver in ber That ſchon Herrſcher und Beer- 
führer der meiften Völker war und nun zu noch. höherem Ruhme auch 


1) L. 36. p. 95, 96. 

2) Bezeichnend für Karl W. U. I. 66 quoniam principem et defensorem 
ecclesiarum nos fecit dominus ne ejus ingrati esse videamur gratiae, ser- 
vitium ejug augmentare, ecelesias multiplicare, .. . bene et optime con- 
stitutas defendere, distrinctas vero oportet restaurare. Wie wiel befcheibener 
als weiland Herr Karl fpricht [wie Ludwig I. VIII. 6. ©. 307) Lubwig ber 
Deutiche von feiner Erhebung durch Gott Neug. 488 a. 873: nos qui divino 
sumus munere guodammodo (!) prae caeteris mortalibus sublimati. 

3) oratoris vestri Form. Als. 14. 

4) L. R. Rh. Cur. IX. 1, (3. 4) XIV. 2. X. 16. 6. quia omnes fratres 
sumus in Christo, Deuteronom. 19, 17—19. 

5) Coll. F. Sang. 1. juxta scientiam nobis divinitus concessam (erfun- 
dene Kormel). 

6) Coll. F. Sang. 31, vgl. 32 nur für Geiftliche und Mönche. 


747 


den Namen eines Imperator, Caeſar und Auguftus durch apoftolifche 
Befugniß erhalte (c. 26). Der Pabſt läßt nun fo Viele er Tonnte 
ans der Nachbarichaft nach Rom und heimlich vor den Römern und 
Karls Gefährten fommen und ernannte diefen, der nichts weniger ver- 
muthete, zum Raifer und zum Schutzherrn ber römijchen Kirche). 

Arnulf wendet ſich an „bie ganze Chriftenheit” 2). 

Die karolingiſchen Theiltönige, z. B. Karl IIL, grünven ihr 
Recht, über Alamannien zu herrſchen, auf Gottes Einjegung und Ab- 
ftammung von ben alten Königen?). 


Weniger eine nothwendige Folge, mehr ein Auswuchs bes über: 
mäßigen Theokratismus war bie auch hier arge Verweltlichung, bie 
Gold⸗ und Macht⸗Gier der hohen Geiftlichen; fie wiberftrebten burch- 
aus ber ftrafferen und das Grundeigen der Kirche wenig fehonenven 
Herzogsgewalt, wie fie Burckhard zu Anfang des X. Jahrhunderts 
wieder aufrichtete: die Biſchöfe und Aebte hatten feit Beſeitigung des 
Herzogthbums, aljo feit etwa 160 Jahren, Macht, Necht und Reichthum 
gewaltig erhöht): die geiftlichen Ehroniften laffen Burkhard Schwaben 
»tyrannice« beherrichen®), fie nennen ihn Räuber und Verwüfter des 
Landes. „Viele baffen ihn und wiberftreiten in allen Stüden feinem 
Willen.” Die miracula St. Verenae fchelten:®) (obwohl er feit 
a. 920 ihr von König Heinrich anerkannter Herzog war!): 

„Um fie zu zwingen, ſcharte er eine Menge Srieger um fich, 
benen er nicht nur eigene, auch Kirchengüter ald Beneficten gab”, — 
wie weiland Karl Martell?). 


1) Falſch iſt die Urkunde W. U. 78. a. 817, in der Zubwig I. den Urfprung 
bes Kaiſerthums auf Gott zurüdführt (Stiftung von Kloſter Murrbarbt, Aufbau 
der Kirche aus den Steinen ber niebergerifienen „Hunnenburg“). 

2) Neng. 613. a. 895, obwohl er erft 896 Kaifer warb. 

3) Form. Alis. 10. Dei constitutione et antiquorum regum propaga- 
tione. Adon. contin. Ser. II. p. 325. . 

4) Bol. Stälin (8.) I. ©. 431. Eine freilich fpätere Urkunde aus Corvei 
fagt von ben Biſchöfen und Aebten: „denn diefer Schlag Menfchen iſt felten mit 
dem Seinigen zufrieben, fordern pflegt fi immer mehr anzumaßen, als ihm zu- 
ſteht“; ich entnehme dies Merkel, der. ©. 15. 

5) Ekkeh. IV. casus St. Galli Sc. I. p. 104. 

6) Ser. IV. p. 457 hausteritatem ejus multi aversantes exosum eum 
habuerunt et ipsius voluntati per omnia contradixerunt. 

7) Hierin iſt die fpäte (c. 1020) und nicht unbebenkliche Wattenbach I. 6. 
©. 397. Potthaſt, II. S. 1621) Duelle glaubhaft. 


748 


Die äußerst verberbliche Wirkung des Theokratismus, bie durch 
Verleihung der Immunitäten an faft alle Kirchen und Klöftert) das 
Statsvermögen aushöhlte, trat hier wie im ganzen Neiche ein. 


Nachträge. 


Zu ©. 5: Aeltere Namendeutungen bei Weinhold, Al. Grammatik (1863) 
©. 2. Die Alamannen hält für die Semnonen auch Müllenhoff IV 2, S. 323, 
348, aber — felbftverflänblih! — ohne die Erflärung aus Alachmannen; ebenfo 
hält er bie Marlomannen für die Ahnen der Alamannen flatt der Baiern: beibes 
ohne Begründung. 

Zu S. 9: Nah Werneburg, Wohnfige der Cherusker, Jahrb. d. Alad. zu 
Erfurt, N. F. X. 1880, follen bie Thüringe nicht Die Hermunduren fein &. 10,2 
f. aber Kirchhoff. 

3u ©. 11: Ludwig Schmidt, die Hermunburen, hiſtor. Bterteliahresfchr. III, 2 
1900. &. 309. Kirchhoff, Thüringen doch Hermundurenland. 1882. O. Schulze, 
d. Eolonifirung von Germanien in dem Gebiete zwiſchen Saale und Elbe. 

Zu ©. 13: Ueber das Verbleiben ber Triboler und Nemeter in Gallien nad 
Caeſars Steg, B. Gall. VI. 25. Müllenhoff IV. 1. 1900. &. 33. Zum Urfprung 
der Mamannen, Wurftemberger I. &. 179. Ueber Triboler und Nemeter ſ. and 
Werneburg S. 4 (1880). 

Zu ©. 15: Nah Müllenhoff IV. 1. &. 36 follen Ufipier unb Xenkterer 
nicht Sueben fein. 

Zu ©. 16: Schon viel früher begegnen Cenni bei bem Steg des Drufus anf 
bem Bodenſee als rhaͤtiſch⸗vindelikiſche Völkerfchaft neben den Breonen am Brenner 
bet Florus (XII. 22, andere Zählung IV. 11), was für ben Angriff Caracalla's 
von Rhätten ber jprechen würde; allein bie Lesarten ber Handſchriften ſchwanken. 
Ueber bie fpätere Nachbarſchaft mit den Burgunden in ber Schweiz. Jahn I. 
Binding I. Wurſtemberger (1862) S. 164—170. Weinhold (1863) S.8f. ©. 
Meyer v. Knonau, Denkmäler I. S. 97. 

Zu S. 18: Daß ſchon a. 15 Tiberius auf dem Bodenſee vinbeltfifche Lentienſes 
befämpft babe, behauptet man ohne Grund. Weber Strabo VIL 15, uch Eaffius 
Dio 54, 55, noch Florus II. 22 fagen dies. 

Zu ©. 19: Rotpatt, S. 10. Weber alamannifche und ſchwäbiſche Mundart 
Uhland VIII, ©. 12. 

Zu ©. 21: Ueber die wechſelnden Bezeihnungen für Land und Boll ber 
Deutſchen (Germanen) Bigener S. 3—214, Germani ©. 3, Franci ©. 12, Teu- 
tonici &. 24, Alamanni ©. 102—118. Für bas Land: Germania, Teutonis, 
Alamannia ©. 119—191, regnum Alamanniae ©. 214. 

Zu ©. 22: Ueber Herminonen, Sueben und beren Verhältniß Müllenboff 
IV. 1. ©. 127, 120, 523; aber bie „Schwaben“ konnten ſchwerlich bie „Schläf 
rigen”, heißen. Ueber Sueven, Ulamannen, Juthungen zutreffend Uhland VLIL 


1) Oben ©. 651. 


149 


©. 8, 9f.; über bie ſueviſche Stammſage S. 23, über den Wald der Semnonen 
©. 24 (aber gegen Semnonen — Wamannen). 

Zu S. 23: Die Ehatten find Sueben auch nad Werneburg ©. 12. 

Zu ©. 24: Brinzinger, Die ältefte Geſchichte des öſterr.⸗baieriſchen Vollks⸗ 
ſtamms. 1856. 

3u ©. 27: Wird unterfchteben, find die Alamannen die weftliheren. Wein⸗ 
bold ©. 3. 

Zu ©. 31: Juthungen den Aamannen „verbünbet” Weinhold ©. 3. 

Zu ©. 35: Alamannen in ben agri decumates Mäüllenhoff IV. 2. S. 406. 
Blatner, über die Art ber beutfchen Völkerzüge zur Zeit ber Wanderung, Forſch. 
3. D. Geſch. XX. 1880. Nonnemann, die Böllerwanderung unb bie Eultur ihrer 
Zeit. II. Aufl. 1892. (Populäre Culturgeſchichte für das Deutſche Bolt). 

Zu ©. 36: Ueber bie Ausbreitung ©. Meyer v. Knonau, Denkmäler I. S. 96: 
„ungefähr zwei Jahrhunderte, nachdem bie Alamannen uns hinter bem limes 
zum erſten Mal begegneten, iſt ihr neues Heim bis zu ben Alpen füblich, bis 
zum Wasgenwalde weſtlich, bazwifchen auf beiben Seiten bes Juragebirges er- 
reicht." Eindringen der Alamannen in ber Schweiz Wurftemberger I. ©. 147—154. 

Zu ©. 39: Oberziner, le guerre di Augusto contra i popoli alpini 1900. 
Die Kämpfe der Römer mit ben Alamannen von a. 213—260. ©. Meyer von 
Kuonau, Denkmäler I. S. 92 f. (Avenche, Windiſch, Kaifer-Augft S. 93). Noch 
zwei römiſche Infchriften a. 291 (Obrigheim am Nedar) und a. 292 (Lupodunum, 
Ladenburg) Weinhold, S. 8f. Sarvey, Hettuer und Yabricius, der obergermaniſch⸗ 
rbhättfche limes I. II. 1894. 1895. 

Zu ©. 40: In ben durchaus Tegenbenbaften Heiltgenlchen von St. Privatus, 
Autidius, Balerins, Florentinus und Hilarins heißt Chrocus ein König ber Van⸗ 
dalen f. Molinier I. &. 46. Ueber die römijche Herrichaft in Alamannien, zumal 
der Schweiz. Wurftemberger I. S. 106—121; bis Beipaflen S. 122, bis 
Gallienns S. 132, bis Conſtantin S. 154—164. 

Zu ©. 42: Rudhart 153 f. 

Zu ©. 44: Weller, Anfievelungsgefchichte, &. 23; „ein befonberer Herzog, auch 
König geheißen“, &. 26 „Fürften ober Könige”. 

3u 6.46: Ueber Inlian, Köpte bei Raumer &. 183. — Ueber Julians Erfolge 
anf dem rechten Rheinufer ſ. &. Meyer von Knonau Denkmäler I. S. 94. 

Zu ©. 48: Alamannen-Berträge mit Stiliho Müllenhoff IV. 2. S. 723. 
Berpflanzung an den Bo. Rieſe XI. ©. 22. 

Zu ©. 63: Aufnahme durch Theoderich ©. Meyer v. Knonau Denkmäler 
I. &. 99. 

Zu ©. 65: Rudhart &. 326. 

Zu ©. 71: Ein burgundiſcher Gau tft der der Scotingi zwiſchen Befancon 
und Döle Freb. IV. co. 24. 

Zu ©. 76: Ueber bie Thellung Rhätiens im ben episcopatus unb den comi- 
tatus (p. 814) v. Wyß, Gef. d. Remed. S. 210. 

Zu ©. 78: Ueber den Eifaß f. jetst befonbers (Hermann) Bloch, Geiſtesleben 
im Eliaß zur Karolingerzeit (1901); bier werben mit Recht bie vorbereitenben 
Einfläffe der Beſſerungen durch Bontfattus, dann bie Berbienfte ber Klöfter, bie 
Einwirkung zumal Reichenau's auf Murbach hervorgehoben und bie Bebeutung 
bes Biſchofs Hebbo von Straßburg (a. 739-765). Bloch, die gejchichtliche Ein- 


750 


heit bes Elſafſes, Eorrefpondenzblatt des Gefammtvereins ber D. Geichidhte und 
Alterthums⸗Vereine. XLVIII. ©. 37. 

Zu S. 81: Daher fofern zutreffend Arnold, Anficbelungen S.241f. „Sau 
und Mark oder Feld und Wald”. 

3u ©. 119: Ueber die Harfarbe Dümmler, zerftrente Nachrichten; Harſchweif 
S. 32. Mone, römtfche Meberbleibfel, 3. f. d. Geſch. d. Oberrheins: aber fehr mit 
Vorſicht aufzunehmen (Infchriften, Münzen). XX. 1867. 

3u ©. 121: Es fehlt nicht an Spuren ber Abneigung ber ‚Deutſchen“ gegen 
bie Churwälſchen noch Ipät, vgl. Ekkehard (IV) [geft. nah a. 1057), VII. e. 72. 
X. 88. aber derſelbe jhätt auch ungelehrte Deutfche gar gering IX. 80. 

Zu ©. 122: Heger, bie germanifche Benölferung ber Borberpfalz. 

3u ©. 128: Römiſcher Einfluß auf das Land Wurftemberger I. ©. 170-177. 

3u ©. 131: Ob bei Tübingen römiſche Befeftigung lag, ift beftritten, vgl. 
2. Schmid, Geſchichte der Pfalzgrafen von Tübingen 1853. ©. 5 f. 

3u ©. 132: lieber keltiſche, römiſche, orientalifche Gottheiten in ber Räbe 
des limes Yates, ©. 44. 

Zu ©. 137: Weber Alamanıten primi meliorissimi. Müllenhoff IV. 2. ©. 195. 

Zu ©. 138: Ganz anders freilich einerſeits E. Mayer, VBerfafiungsgeichichte, 
anderſeits Hed, die Gemeinfreien; (richtig ift hieran nur, daß Duellen zumal bes 
VILUL und IX. Sahrhunderts, bie — gar felten geworbenen — vollfreien Grunb- 
eignier zuweilen nobilis nennen; wieber anders Knapp, Grundherrſchaft und bie 
„Brundberrn” bes Tacitus (!) von Hildebrand und Wittih: fie widerlegen ſich 
gegenfeitig; das Richtige, wie ſchon nor 50 Jahren bei Wait, neuerlich wieber bei 
Brunner, Grundzüge; Übrigens auch bei Rachſahl, Köcher und Kötſchke; eingehend 
hierüber Die in Vorbereitung begriffene zweite umgearbeitete Auflage von Könige 1. 

Zu ©. 145: Ueber capitaneus im ähnlichem, doch etwas abweichendem Sin, 
fpäter gerade in Alamannien Wait-Zeumer V. ©. 465. 

Zu ©. 167: Ein reicher Tate vornehmer Ablunft beißt senior, ohne jebe Be 
ziehung auf Vaſſallität. Vite St. Guntberti p. 63, 69. Weber abhängige Freie 
verfchiebener Namen Ross p. 3. Deutlich untericheidet mar (Ekkeh. IV. IX. 74) 
einen freien Baflallen — miles — von ber unfreten Familie des Kloſters Sanct 
Gallen. Der Abt von Sanct Gallen läßt fi von den Vaſſallen — milites — 
beim Mahl Truchſeß⸗ und Schänten-Dienfte leiften und erzieht ihre Söhne Gfle 
barb (IV) XVI. co. 135. 

Zu ©. 168: Ueber die Rangelaffen unter ben ministri bes (rhätiſchen) Bifchofs 
v. Wyß, Geſetze ©. 217, 218. 

Zu ©. 173: Ebenfo milites... famuli, freie Vaſſallen... Unfrete, Elkehard 
(IV) XVI. 135. 

Zu ©. 176: Ueber bie Leten Köpke bei Raumer S. 170. 

Zu ©.178: duas colonias praeter homines hat ein Hinterfafle des Bifchofs, 
aber auch ein presbyter unam oum homine, unam sine homine; eine colonia 
hat (tenet) L., aber fie bebaut (colit) 8. Mohr I., p. 6. 

Zu ©. 184: Trabition von Unfreien an Kicchen zugleich als Freilafſung 
(carta ober epistola libertatis), Watt-Zeumer V. ©. 235: die Eine Urkunde 
verbrieft beibes: „tradere servum in libertatem Sancto Trudoni“, „manumissi 
et cerocensuales effecti“; ber auferlegte Zins gilt daun auch wohl als Los 
kauf⸗Preis. 





751 


Zu ©. 261: Daher werben bei Lanbveränßerungen jeber Art ganz regelmäßig 
die zugehörigen, mit veränßerten Unfreien aufgezählt, oft dem Namen, auch 
wohl nur der Zahl nad. Vier jurnales und 1 mancipium Cod. Laur. N. 233 
a. 765: faft in jeder Urkunde bier neben bem Land Unfreie (einmal 52). 

Zu ©. 328: Ueber Rechtsſchutz des Haufes von Halban, Immobilien ©. 344. 

Zu ©. 351: Tod auf Lanbesverrath fchon Zac. Germ. 12. Bgl. L. Rothari 4. 

3u ©. 353: Gegen Hermann Herbert Meyer, Entwertbung und Eigenthum. 

Zu ©. 522: Erwerb zahlreiher Weingüter zu Sanct Gallen bezeugt Effe- 
hard (IV) XVI. c. 135; der Dort minder gewerthete rothe Wein iſt wohl „Seewein” 
im Unterfchieb vom ‘gepriefenen Elſäſſer und Bozener. 

3u ©. 549: Die Koftleute des Geſindes zu Sanct Gallen zählten unter Abt 
Notker 170 Männer, die früher nur mit Haferbrei, jett aber mit reinem Spelt 
genährt wurden. Ekkeh. IV. c. 136. Trotz biefer hoben Zahl zu Ernährender 
verfteht man bei ber Fülle der werfchiedenften Zinſe Doch ſchwer die fo häufigen 
Klagen ber Mönche über Nahrungsmangel (ebenda XI. c. 117), ber Durch Spenden 
bes Herrichers (Otto I.) und wohlthätiger Bifchöfe ans dem ganzen Reich gehoben 
werben muß. 

Zu ©. 613: Weber die Wichtigkeit der Reliquien |. auch die Gründung von 
Natolfescella p. 6. (Reliquien won Sanct Marentis und noch 2 andere). Manuela 
St. Marei Marei aus Benedig in Reichenau S. 61. Weber Reliquien-Wefen und 
Unweſen ſ. auch VI. St. Burkhardi ed. Mabillon III. 1. p. 648, 653. ehr: 
reich für Verehrung der Reliquien, Mirakel, Betrug und Diebftahl hiebei Vita 
Translatio St. Sebastiani A. 8. ed. Bolland. Januar II. III. p. 282. Kunft 
mann ©. 28. Ausführlich Über Reliquiendiebſtahl Vita St. Orlodigangi Ser. III. 
p. 572. Die Reliquiencapfel, ascopa [nicht Feldflafche, wie nad Du Cange I. 
p. 420. Ildefons ab arx zu Vita St. Galli p. 9.] kann mit getragen unb behufs 
Verehrung an einem Hulz.Kreuz aufgehängt werben. 

Zu ©. 634: Ueber argen Verfall der Klofterzucht auch in Sanct Gallen. Ekkehard 
(IV.) XVI. ce. 134. Abt Notler entfernt fi zumeilen, damit die Mönde tn 
Ioferer Weiſe leben können XVI. oc. 135. SInebefondere kann Efleharb das wiber 
bie Regel Sanıct BenebictS gewährte Soubereigen (an Nahrungsmitteln XI. e. 117) 
nicht verfchleiern. 

Zu ©. 635: Wie ſtark Simonie am Hof auch guter Könige wirkte, zeigt ber 
Hergang bei Berluft von Pfeffers durch Sanct Gallen. Ekkeh. (IV.) IX. c. 74. 

Zu ©. 651: Der Biſchof hat Über freie Grundholden feiner Kirche einen 
Bann von 12, fein judex (Vogt) von 6 solidi 2. Alam. 22. 2. 

3u ©. 652: Stark übertrieben nennt Ekkehard [IV.] X. 96. Immunitäts- 
bruch crimen laesae. 

3u ©. 660: Streit zwifchen Biſchof und Klofter war all zu häufig. „Regel“ 
(unter Otto I.) Effebarb IV. c. 124, aber auch ber Herzog beraubt Sanct Gallen 
ober erpreßt Geſchenke, Hartmann vita St. Wiboradae Meyer v. Knonau ©. 228. 
Ueberjegung von Geſchichtsſchr. d. D. Vorzeit ©. 229. 

Zu ©. 662: Wie gern auch gute Herrfcher bie zugeficherte freie Abtwahl durch⸗ 
brachen zeigt Otto I. gegenüber Sanct Gallen Eflebarb (IV.) XVI. c. 133. 

Zu ©. 670: Regelmäßig follen Geiftliche, Mönche diefe Aemter, abgefehen von 
ber Bogtei, befleiven. Laut Magen bie Mönche, beſetzt ein Biſchof⸗Abt al’ ihre 
Klofterämter mit Laien. Ratpert I. 13 bei Meyer v. Knonau ©. 248. 


752 


Zu ©. 680: Uebel ging e8 oft auch bei den beften Herrfchern ber in Fragen 
ber Krone gegenüber ben Klöſtern, vgl. Pfeffers und Sauct Gallen unter Otto I. 
Etteh. (IV.) IX. 73. Beſtechung bes Hofes enticheibet gegen das Recht Über bas 
fanctgallefche Klofter Pfeffers IX. 74. 

Bu ©. 687: Es heißt gerabezu Formata sive commendaticia. Form ed. 
v. Wyß N. 6, 7, 17, 27,-aber doch nicht nur c. wurden in f. ansgeflellt. 


Drudfebler. 


S. 379 Zeile 9 von oben Lies ſtatt Rechtsgleichheit: Rechtsurtgleichheit. 
©3799 „ 4 „ unten „ P.sp-: vergl. Sachſen sp. 
8.381 „15 %» nn m des: der. 

©3834 „18 5» Henn geobich: gröblich. 

S. 407 „12 „ Sb „  „ donationes: donationis. 

8.426 „14 „ u nm bezieht: befchräntt. 


S. 463 „ 15 „ unten „ „ verfchiehen: verſchrieben. 
S. 455 „18 „ Sb u „u heregitatis: hereditas. 


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